Beiträge zur alttestamentlichen Wissenschaft. Karl Budde zum siebzigsten Geburtstag am 13. April 1920 überreicht von Freunden und Schülern und in ihrem Namen

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Beiträge zur alttestamentlichen Wissenschaft. Karl Budde zum siebzigsten Geburtstag am 13. April 1920 überreicht von Freunden und Schülern und in ihrem Namen

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Zur Entwicklung des Gebrauchs von èbed in religiösem Sinne
Joel i und 2
Zur Geschichte und Beurteilung des Schöpfungsberichtes Gen I I—2 42 nebst einem Exkurs über G e n 49 8—12 und 22—26
Zur Datierung der Damaskus-Schrift
Psalm 130
Nachlese arabischer Lieder aus Palästina
Ein neues astronomisch zu erschließendes Datum der ältesten israelitischen Geschichte
Die Haartracht der Israeliten
Psalm 133
Eggen und Furchen im Alten Testament
Waw inversivum
Elemente arabischer, syrischer und hebräischer Metrik
Zur Menschensohnfrage
Die drei Bildad-Reden im Buche Hiob
Der jesajanische Kern in Jes 6 1—9 6
Die Erzählungen vom Paradies und Sündenfall
Das Bundesbuch
Die Berufungsvision Hesekiels
Die Bedeutung von Gen 6 1—4 in wärtigen Genesis
Die Herkunft des Propheten Arnos
Bemerkungen zu Genesis 17
Jesaja 53
Sachregister

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BEITRÄGE ZUR ALTTESTAMENTLICHEN WISSENSCHAFT

KARL BUDDE ZUM SIEBZIGSTEN GEBURTSTAG AM 13. APRIL 1920 ÜBERREICHT VON FREUNDEN UND SCHÜLERN UND IN IHREM NAMEN HERAUSGEGEBEN VON

KARL

MARTI

VERLAG VON ALFRED TÖPELMANN IN GIESSEN 1920

BEIHEFTE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR DIE ALTTESTAMENTLICH E WISSENSCHAFT 34

ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS RECHT DER ÜBERSETZUNG, VORBEHALTEN COPYRIGHT 1920 BY ALFRED TÖPELMANN

DRUCK VON H. L A U P P J R IN TÜBINGEN

KARL BUDDE DEN HOCHVERDIENTEN ERFOLGREICHEN GELEHRTEN UND FORSCHER AUF DEM GEBIETE DER ALTTESTAMENTLICHEN WISSENSCHAFT

BEGRÜSSEN MIT HERZLICHEN GLÜCKWÜNSCHEN ZU SEINEM 70. GEBURTSTAG AM 13. APRIL 1920 DIE UNTERZEICHNETEN FREUNDE KOLLEGEN UND SCHÜLER

WOLF WILHELM GRAF BAUDISSIN WALTER BAUMGARTNER GEORG BEER ALFRED BERTHOLET CARL HEINRICH CORNILL GUSTAF DALMAN AUGUST FREIHERR V. GALL HUGO GRESSMANN HERMANN GUNKEL HERMANN GUTHE JOHANNES HEHN GUSTAV HÖLSCHER HEINRICH HOLZINGER MAX LOHR KARL MARTI JOHANNES MEINHOLD WILHELM NOWACK OTTO PROCKS.CH JOHANN WILHELM ROTHSTEIN HANS SCHMIDT CARL STEUERNAGEL ALFRED TÖPELMANN PAUL VOLZ

Vorwort

V

Vorwort. Daß bei der gegenwärtigen L a g e diese Festschrift erscheinen kann, ist ganz und gar der Hochherzigkeit des Verlegers Herrn A l f r e d T ö p e l m a n n zu danken, der es nicht über sich brachte, den 70. Geburtstag des ältesten und treusten Mitarbeiters an der Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft ohne eine solche Ehrung verstreichen zu lassen. Mit Freuden griff ich den Plan auf, der dann auch unter den deutschen Kollegen die freundlichste Aufnahme fand. Anders war es auch nicht zu erwarten; denn, wie es sich von selber versteht, auf dem Boden der Wissenschaft können sich die ernsten Streiter um die Wahrheit wohl als Gegner, nicht aber als Feinde gegenüberstehen. Zweierlei fehlt in dieser Festgabe: die Beteiligung des Auslandes mit alleiniger Ausnahme des Herausgebers und die Bibliographie über die Arbeiten des Gefeierten. Aber die Beschränkung auf die Kollegen Deutschlands war durch die Verhältnisse geboten, und da der Jubilar noch mitten in der rüstigen Arbeit steht und noch manche wertvolle Gabe von ihm zu erwarten ist, wurde von der Bibliographie abgesehen; sie hätte lange nicht ein vollständiges Bild seiner wissenschaftlichen Leistungen bieten können, und überdies lassen die Beiträge der Festschrift viel besser als eine dürre Reihenfolge von Titeln erkennen, wie mannigfaltig und bedeutungsvoll die Anregungen sind, die schon von seiner bisherigen Lebensarbeit ausgegangen sind. Möge es dem Jubilar beschieden sein, in rüstigem Schaffen noch Tage zu sehen und herbeizuführen, da die friedliche Zusammenarbeit aller alttestamentlichen Forscher im In- und Ausland, die stets auch sein Ideal war, sich wieder ungestört und ungehindert entfalten und die Wissenschaft fördern kann! Bern,

den 29. Februar 1920. Der Herausgeber.

Inhaltsverzeichnis

VII

Inhaltsverzeichnis. Seite

Baudissin, W o l f Wilhelm Graf, (Berlin) — Zur Entwicklung des Gebrauchs von ébed in religiösem Sinne

i

Baumgartner, W a l t e r , (Marburg) — Joel i und 2

10

Beer, Georg, (Heidelberg) — Zur Geschichte und Beurteilung des Schöpfungsberichtes Gen 1 1—2 nebst einem Exkurs über Gen 49 8—12 und 22—26 Bertholet, Alfred, (Göttingen) — Zur Datierung der Damaskusschrift

20 31

Cornill, Carl, H., (Halle) — Psalm 130

38

Dalman, Gustaf, (Greifswald) — Nachlese arabischer Lieder aus Palästina v . Gall, August, Freiherr, (Gießen) — Ein neues astronomisch zu

43

erschließendes Datum der ältesten israelitischen Geschichte Greßmann, Hugo, (Berlin) — Die Haartracht der Israeliten

.

.

. . .

61

Gunkel, Hermann, (Gießen) — Psalm 133 Guthe,

Hermann, (Leipzig) — Eggen und Furchen

69 im Alten Te-

stament

75

Hehn, Johannes, (Würzburg) — W a w inversivum Hölscher, Gustav, (Halle) —

Elemente

83

arabischer, syrischer und

hebräischer Metrik

93

Holzinger, H., (Ulm) — Zur Menschensohnfrage Lohr, Max, Marti,

102

(Königsberg) — Die drei Bildad-Reden im Buche Hiob

Karl,

(Bern) — Der jesajanische K e r n in Jes 6 1 — 9 6

Meinhold, Johannes,

.

.

113

. . . 1 2 2 (Leipzig) — Das Bundesbuch

I32

Procksch, Otto, (Greifswald) — Die Berufungsvision Hesekiels . Johann,

.

141

(Münster) — Die Bedeutung von Gen 6 1 — « in

der gegenwärtigen Genesis Schmidt, Hans,

107

(Bonn) — Die Erzählungen vom Paradies und

Sündenfall Nowack, Wilhelm, Rothstein,

52

150

(Tübingen) — Die Herkunft des Propheten Arnos

Steuernagel, Carl, (Breslau) — Bemerkungen zu Genesis 17

.

.

158 172

V o l z , Paul, (Tübingen) — Jesaja 53

180

Sachregister von Karl Marti

191

I]

Wolf Wilhelm Gr. Baudissin : Gebrauch von ebed

Zur Entwicklung des Gebrauchs von ebed in religiösem Sinne. Von

Wolf Wilhelm Grafen Baudissin. In dem Umfang und der Art des Gebrauchs von ebed für den Verehrer Jahwes zeigen die einzelnen Epochen der alttestamentlichen Literatur Verschiedenheiten, die nicht ohne Bedeutung sind für das geschichtliche Verständnis der Vorstellung vom Verhältnis der Jahweverehrer zur Gottheit. E s ist gemeinsemitischer Brauch, daß der Mensch sich seinem Gott gegenüber dessen Knecht nennt. Bei fast allen semitischen Völkern kennen wir seit den ältesten Zeugnissen, die wir über sie besitzen, Personennamen, die den Namensträger als Knecht eines Gottes bezeichnen. Der damit ausgedrückte Gedanke ist das Korrelat zu der allgemein semitischen Auffassung der Gottheit als des Herrn. Die westsemitischen Dialekte und das Arabische, sowohl das Nordais das Südarabische, gebrauchen dabei für den Begriff »Knecht« am meisten das Wort abd, ebed. Ursprünglich bezeichnet es zweifellos den Sklaven (wohl als den Arbeiter 1 ), und so wird es auch für die religiöse Anwendung wenigstens in den älteren Zeiten verstanden worden sein. Als Sklave ist der Verehrer Eigentum des Gottes und verpflichtet, ihm Dienst zu leisten. Diese Auffassung des Verhältnisses von Gott und Verehrer hat sich in dem Gebrauch von ebed durch alle Zeiten erhalten auch bei Abschwächung der Bedeutung des Wortes. A b e r neben der Anwendung von ebed auf die soziale Stellung wird in der Umgangssprache die Selbstbezeichnung des Redenden mit »dein Knecht« bei den Hebräern seit alten Zeiten, wie auch bei den Arabern, gebraucht lediglich als Höflichkeitsform dem mit Ehrerbietung Behandelten gegenüber. E s kann demnach mit der Benennung des Verehrers der Gottheit als ihres Knechtes dreierlei zum Ausdruck k o m m e n : es kann damit allgemein Ehrfurcht ausgesprochen werden^ wie in der Umgangsformel, oder die Verpflichtung des Verehrers zu Dienstleistungen der Gottheit gegenüber oder i ) So NÖLDEKE, Z D M G 40, 741. Festschrift für Karl Budde.

I

2

Wolf Wilhelm Gr. Baudissin

[2

seine Zugehörigkeit zur Gottheit. Der Gedanke an die Zugehörigkeit schließt den andern ein, daß die Gottheit über dem Verehrer als ihrem Eigentum schützend waltet. Daran haben zweifellos auch die nichthebräischen Semiten gedacht, wenn sie einem Kinde den Namen als Knecht eines Gottes beilegten. Im Alten Testament macht sich die Vorstellung von dem Knechtsverhältnis Jahwe gegenüber weniger in Personennamen geltend als in andersartigen Aussagen über die Beziehungen des einzelnen und dann auch des Volkes oder der Gemeinde zu Jahwe. Die Verschiedenheiten, die sich in der Art dieser Anwendung von ibed bemerken lassen, sind nur zarte Nuancen und bedürfen genauer Beobachtung. Von einiger Wichtigkeit ist dabei, wer Subjekt der Rede ist. Es liegt nicht ganz dieselbe Bedeutung vor, wenn der Jahweverehrer sich selbst mit ebed bezeichnet als wenn er von Jahwe so genannt wird, und noch weniger ist mit der Bedeutung der Selbstbezeichnung identisch die Anwendung von ebed, auf den Jahweverehrer im Munde eines dritten. Auf diese verschiedenen Färbungen des Begriffs kann hier nicht im einzelnen eingegangen werden. Nur auf zweierlei wollen diese Zeilen aufmerksam machen, einmal darauf, daß die Bezeichnung des Verehrers als ebed bei den vorexilischen Propheten fast ganz fehlt, und dann darauf, daß seit den Deuteronomisten und exilischen Propheten allmählich ebed, im Plural gebraucht, zur objektiven Charakterisierung der Gesamtheit der einzelnen Angehörigen des Volkes Israel in ihrem Verhältnis zu Jahwe wird und zuletzt zur Bezeichnung der Jahweverehrer überhaupt, so daß ebed den Wert erhält eines umfassenden Ausdrucks für das religiöse. Verhältnis. Auch dieser Ausschnitt aus der Entwicklung des Begriffs läßt sich nur darstellen in dem wenigstens andeutenden Versuch einer geschichtlichen Ordnung des ganzen an sich sehr bekannten Materials. Schon früh können wir im Alten Testament unter den verschiedenen Anwendungsweisen beobachten, daß der Verehrer sich selbst in der Anrede an Jahwe dessen Knecht nennt (so wohl zuerst Gen 32 11 J). Dieselbe Ausdrucksweise haben sabäische Inschriften und mit anderem W o r t e für »Knecht« auch das Babylonische. Nicht wesentlich anders ist es, wenn vereinzelt in Anrede an Jahwe ein dritter mit »dein Knecht« bezeichnet wird (Gen 24 14 J) oder wenn eine Mehrzahl von Redenden — ich kenne kein analoges Beispiel für den Singular — sich selbst einem angeredeten Menschen gegenüber bezeichnet als »Knechte des Gottes deines Vaters« (Gen 5017 E). Es handelt sich in allen drei Anwendungen um den Ausdruck einer Huldigung Jahwe gegenüber, der in dem zuletzt angeführten Falle

Gebrauch von ebed

3]

3

nur zugleich auf den angeredeten Menschen einen bestimmten Eindruck hervorrufen soll. Verhältnismäßig alt ist auch die Bezeichnung »mein Knecht« in Jahwes Munde, so mit Bezug auf Mose Num 12 7 f (E?), hier offenbar gemeint als Anerkennung für geleisteten Dienst, als Ehrentitel. Auch für David scheint die Benennung abdl in demselben Sinne vordeuteronomisch zu sein, z. B. II Sam 3 181. Ebenso kommt die ehrende Bezeichnung eines dritten mit Bezug auf sein Verhältnis zu Jahwe als abdö »sein Knecht« früh vor, so yon Mose E x 14 31 (J oder E), ebenso in vordeuteronomischen Erzählungen von verschiedenen Propheten I Kön 14 18 15 29 II Kön 9 36 (fehlt L X X ) 1010 14 25 und in Jahwes Munde »meine Knechte« von den Propheten überhaupt II Kön 9 7. Speziell von den Propheten wird der Ausdruck gebraucht, weil sie einen bestimmten ihnen von Jahwe übertragenen Beruf haben. Ferner werden in der vordeuteronomischen Elisageschichte II Kön 9 7 10 23 die getreuen Jahweverehrer im Unterschied von den Baalsanbetern »Knechte Jahwes« genannt. Das ist nichts anderes als eine Uebertragung jenes persönlichen Ehrentitels »mein, sein Knecht« auf eine Mehrheit, bildet aber den Uebergang zu einer später ausgestalteten Gebrauchsweise von ebed. Sehr selten kommt bei den vorexilischen Propheten ebed für das religiöse Verhältnis vor. Arnos (3 7) gebraucht die Bezeichnung »seine (Jahwes) Knechte, die Propheten« (vgl. II Kön 9 7). Jesaja hat einmal in Jahwes Rede die Bezeichnung seiner selbst, fraglos in seiner Eigenschaft als Prophet, mit »mein Knecht Jesaja« (203). Außerdem gebraucht nur noch eine nicht unbedingt sicher jesajanische Stelle 22 20 ebed für das Verhältnis zu Jahwe, und zwar ebenfalls abdi in Jahwes Munde; es wird hier angewandt auf den Hofbeamten Eljakim als treuen und deshalb von Jahwe anerkannten Jahweverehrer. Jes 37 35 »mein Knecht David« ist keinesfalls jesajanisch. In dem Umfang des Gebrauchs von ebed für das religiöse Verhältnis tritt, eine Wendung ein um die Zeit des Exils. E s ist nichts Isoliertes, daß die Deuteronomisten den Ausdruck ebed jahweh als Ehrentitel für Mose häufig anwenden 2 . Sie scheinen ihn aufgebracht zuhaben; auch Deut 3 4 5 wird deuteronomistisch überarbeitet sein 3 . 1) Num 14 24 (abdi

für Kaleb) ist in der vorliegenden Form zweifelhafter Herkunft.

2) ebed jahweh oder abdi, abdö Jos 1 1 is 15 und oft in Josua (18 7 vielleicht noch spater), I Kön 8 53 56 I I Kön 18 12 21 8. 3) Später wieder für Mose abdl Ma 3 22, abdö Ps 105 26, bei Nehemia abdekä Neh 1 7 8 (vgl. 9 14), ebed jahweh II Chr I 3 24 6, ebed hä-elohim Da 9 11 Neh 10 30 I Chr 6 34 II Chr 24 9. I*

4

Wolf Wilhelm Gr. Baudissin

[4

Ebenso ist das einmalige ebed jahweh für Josua Jos 24 29 ( = Ri 2 s) doch wohl von später Hand. Die Einleitung zum Deuteronomium vielleicht zuerst nennt 9 27 die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob »deine Knechte«. Dieselbe Benennung für die Patriarchen E x 32 13 in einem Abschnitt, der einzelnes Deuteronomistische enthält 1 . Die, wie es scheint, schon ältere Bezeichnung Davids mit abdl wird erst bei den Deuteronomisten häufig gebraucht (I Kön 14 8 usw., auch abdekä I K ö n 8 24 25 20), ebenso die generelle Benennung der Propheten mit »meine, seine Knechte, die Propheten« (II Kön 17 13 28 21 10 242). Beide Charakterisierungen sind von da an beliebt geblieben 2. Ein Deuteronomist I Kön 8 23 32 36 hat die Benennung »deine Knechte« für das Gesamtvolk (v. 32 36, wonach »die vor dir wandeln von ihrem ganzen Herzen« v. 23 nicht als Epexegese zu »deine Knechte«, sondern als einschränkende Näherbestimmung aufzufassen). Hier liegt eine objektive Charakterisierung von seiten eines dritten vor, und zwar, anders als II Kön 9 7 10 23, für jedes einzelne Glied des Volkes. A l s solches, ohne Rücksicht auf sein persönliches Verhalten, ist jeder Israelit Jahwe gegenüber ebed. A u c h in der Sprache der exilischen und nachexilischen Propheten erhält der Ausdruck ebed eine wesentlich andere Bedeutung als in jenem vereinzelten Gebrauch bei Arnos und Jesaja. Ezechiel überträgt die ehrende Bezeichnung für David mit abdl auf Jakob, d. h. das V o l k Israel (28 25 37 25). Indem er das Volk »mein Knecht Jakob« nennt, knüpft er an an die Bezeichnung der Patriarchen als Knechte Jahwes (Ex 32 13 Deut 9 27). Aber in dieser Anwendung auf das Volk ist der Ausdruck nicht ehrendes Epitheton, sondern spricht nach dem Zusammenhang 28 25 aus, daß Jahwe sich Israel aus der Mitte der Völker angeeignet hat 3 . A u c h Deuterojesaja gebraucht für das V o l k Israel im Munde Jahwes »mein Knecht Jakob« (44 12 45 4) oder einfaches abdl (41 8 9 42 19 44 21; vgl. ebed Ii 44 21), daneben in seinem eigenen Namen redend »sein Knecht Jakob« (48 20) und »Knecht Jahwes« (4219). Er wendet auch den Plural abede jahweh auf die Gesamtheit der 1) Gen 26 21 (J) ist abdl als Epitheton für Abraham zweifelhaft; L X X xöv rcatepa aou. 2) Für David abdl J e s 37 35 Jer 33 21 22 26 E z 34 23 24 37 24 25, besonders häufig in Psalmen, hier auch abdekä, abdn: 89 4 132 10 78 70 usw., abdi I Chr 17 4 7 (— I I Sam 7 5 8 ) , abdekä II Chr 6 15 16. Für die Propheten »meine, deine, seine K n e c h t e « : J e s 44 26 (abdö wohl zu emendieren in 'ajbädäw) Jer 7 25 25 4 26 5 29 19 35 15 44 4 E z 38 17 Sach I 6 D a 9 6 30 Esr 9 it. 3) »Mein Knecht J a k o b « auch Jer 30 10 46 27 28, wo aber Abhängigkeit von Ezechiel oder eher von Deuterojesaja anzunehmen ist, abdö für den König von Babel Jer 25 9 27 6 43 10 ist überall nach dem Zeugnis der L X X verdächtig.

5]

Gebrauch von ebed

5

einzelnen Israeliten an (54 17; statt abdl 43 10 wohl zu lesen abädaf), eine Ausdrucksweise, die der deuteronomistischen I Kön 8 23 32 36 entspricht. Bei Deuterojesaja überwiegt in diesen Benennungen der auch ezechielische Gedanke, daß Jahwe das Volk als das seinige, als das erwählte (41 8 9 43 10 44 21 45 4) und unter seinen Schutz gestellte (54 17), ansieht. Er verbindet aber damit die Anschauung, daß Israel als »Knecht« eine Aufgabe hat, wenn er 42 19 abdl parallel gebraucht mit »mein Bote«. Die beiden Bedeutungen, die auf die Zugehörigkeit und die.auf die Aufgabe hinweisende, finden sich ebenso nebeneinander in den Ebedjahwe-Liedern von /es 40—55 angewandt auf den idealen Knecht Jahwes, der in Jahwes Rede gewöhnlich mit abdl ( 4 2 1 4 9 3 5 2 1 3 53 11) und einmal mit Ii ebed (49 6), in Rede des Knechtes .selbst mit lö ebed (49 5) bezeichnet wird. In dem Zusatz 50 xo 11 zu dem Liede 50 4—9 heißt er in Jahwes Munde abdo. Wo in den Liedern abdl nicht bloßer Name ist (52 13), wird der Gedanke, daß Jahwe ihn als seinen Knecht zu sich in ein nahes Verhältnis gestellt hat, nur einmal geltend gemacht (42 1 »mein Erwählter«); überwiegend ist der andere, daß dieser Knecht im Auftrag Jahwes eine Mission auszuüben hat (49 3 5 6 53 11; vgl. 50 10), wie in demselben Sinne seit älterer Zeit und auch Jes 4426 die Propheten mit ebed bezeichnet werden. Aus der leisen Differenz des Bedeutungsinhaltes von ebed in den Anwendungen auf das Volk und auf den idealen Knecht wird man für die Auffassung der idealen Gestalt, ob als einer Einzelpersönlichkeit oder als einer Personifikation des Volkes seinem Beruf nach, nichts folgern dürfen, da es sich doch nur um ein Vorwiegen der einen oder der anderen Auffassung von ebed handelt. Jedenfalls geht der Begriff ebed in der Anwendung auf den idealen Knecht nicht über das hinaus, was sonst in Jes 40—55 dieses Wort bedeutet. Es stände aber, wenn im Rahmen dieser Skizze ein Urteil über die komplizierte Frage nach der Erklärung des idealen Knechtes angedeutet werden darf, kaum in Uebereinstimmung mit der seit Deuterojesaja und seiner Zeit beginnenden und später weiter verbreiteten Ausdrucksweise, in der der Plural 'abädim zur Bezeichnung aller Angehörigen des Volkes Israel wird, daß ein einzelner der ebed Jahwes wie ein Einzigartiger genannt würde. Es ist etwas anderes, wenn bei den Deuteronomisten Mose mit ebed jahweh als mit einem Epitheton bezeichnet wird, was neben dem deuteronomistischen Gebrauch des Plurals 'abädim zu verstehen ist in dem Sinne »Mose, ein Knecht Jahwes vor anderen«. Der einzelne ist immer nur ein »Knecht David« oder »Knecht Mose« usw. Niemals im gesamten alttestamentlichen Sprachgebrauch wird ein

6

W o l f Wilhelm Gr. Baudissin

L6

einzelner anders als mit dem Epitheton zu seinem Namen als Knecht Jahwes bezeichnet, außer wo er sich selbst so nennt. Aber » Knechte « ohne Hinzufügung eines Namens sind Jes 54 17 (vgl. 43 10) und später die Angehörigen des Volkes. Danach möchte »mein Knecht«, schlechthin gesagt, am besten auf das Volk als ganzes passen als Kollekabädim. tivum für Wie Jes 5417 werden auch in dem jedenfalls nicht früher als in der chaldäischen Periode anzusetzenden »Liede Moses« Deut 32 36 43 mit .Knechte Jahwes' (»seine K n e c h t e d i e Israeliten bezeichnet, und zwar ausdrücklich das Volk Israel. Ebenso gebraucht die priesterliche Schrift des Pentateuchs Lev 25 42 55 »meine Knechte« von dem Gesamt'volk, nämlich in dem Sinne, daß die Söhne Israels Jahwe als Eigentum gehören (beachte v. 55 »mir Knechte«) und deshalb eines anderen Knechte nicht werden dürfen. Wesentlich neu ist bei dem nachexilischen Nachahmer Deuterojesajas die Aussage Jes 56 6 über die Proselyten, daß sie sich Jahwe angeschlossen haben, ihm zu dienen (le-säretö) und den Namen Jahwes zu lieben, ihm zu sein zu Knechten. Deutlich ist hier ibed Bezeichnung eines jeden, der Jahwe Verehrung darbringt. E s kann hier nur von einem frei gewählten Dienstverhältnis die Rede sein. Die Jahweverehrung besteht darin, geht darin auf, daß die Verehrer Knechte Jahwes sind. In den anscheinend jüngsten unter den nachexilischen Bestandteilen von Jesaja II wird mehrfach der Plural abädlm mit einem auf Jahwe verweisenden Pronominalsuffix der ersten, zweiten oder dritten Person gebraucht, bald für das Verhältnis der Juden überhaupt zu Jahwe (63 17 65 8 [ L X X àbdi\), bald für das eines Teiles von ihnen (65 9 13 ter 14 15), wobei nur an die wahren Jahweverehrer gedacht werden kann. Bei den anderen nachexilischen Propheten finden sich in dem Gebrauch von ebed nur Reminiszenzen an ältere Anwendungsweise, so namentlich Sach i e Ma 3 22. »Mein Knecht« als Ehrentitel für den Zemach, d.i. den Messias (Sach 3 s), oder für den Davididen Serubabel (Hag 2 23) ist gebraucht nach Analogie desselben Titels für David. In den Psalmen kommt in weiter Ausdehnung die alte Selbstbezeichnung des zu Gott Redenden mit »dein Knecht« zur Geltung (19 12 u usw., »sein Knecht« 3527). Neu ist i l 6 i e w8 1 1 9 125 14312 die Beteuerung »ich bin dein Knecht«, worauf Ansprüche Gott gegenüber gegründet werden. Mit »Knecht« wird also die Zugehörigkeit zu Jahwe ausgedrückt. Hier ist an eine durch Dienstleistungen erworbene Zugehörigkeit nicht gedacht, wie der Zusatz »deiner Magd

G e b r a u c h von

7] Sohn«

116 i6 (vgl. 86 iß) zeigt.

stimmte Personen

gehen die

ebed

7

In .der Anwendung von ebed auf bePsalmen

über

ältere

Vorbilder

h i n a u s : häufig kommt vor die A n w e n d u n g auf David auf M o s e

(105 26),

Deuterojesaja

wird

Abraham

(105 6 (?) 42).

das V o l k

singularisch

Wie

nicht

vereinzelt die

bei Ezechiel

und

»dein, sein K n e c h t «

ge-

nannt 89 40 136 22, an der ersten Stelle deutlich als mit einem E h r e n titel. W e i t mehr tritt hervor die A n w e n d u n g des Plurals

»Knechte«.

E b e n s o wie J e s 54 17 und in J e s 63—66 werden mit »deine K n e c h t e « (79 2 10 89 51 [ V a r . äbdekä] 90 13 16 102 15 29 2 ) (34 23 69 37 speziell die

105 25

die

Jahwe

frommen verehren,

Aufforderung analogen

zum

Israeliten ist

Preise

Aufforderung

diejenigen, die

oder

135 14) die Israeliten oder

stehen

benannt.

gebraucht des

»seine K n e c h t e «

(34 23 69 37 79 2)

Anscheinend

äbede jahweh

Namens

134 1 13 5 1

Jahwes,

(vgl.

im Hause J a h w e s

für

alle,

113 1 in

einer

dagegen

in

einer

v. 2) eingeschränkt

oder

in dessen

auf

Vorhöfen,

wobei speziell an die levitischen T e m p e l s ä n g e r zu denken sein wird. D e r Gebrauch von ebed im Plural für die Israeliten oder die frommen Israeliten wird im Psalter

an Zahl

der Belegstellen

des Singulars als S e l b s t b e z e i c h n u n g ü b e r b o t e n .

nur durch

den

D i e s e r Singular erhält

n e b e n j e n e m Plural die Bedeutung, d a ß der einzelne sich damit bek e n n t als zu j e n e r g r o ß e n Gemeinschaft

gehörend.

Im B u c h e Hiob ist die B e n e n n u n g H i o b s in P r o l o g mit

»mein K n e c h t

Hiob«

(1 8 2 3 42 7 8 tor)

dem

und E p i l o g

Satan

und den

F r e u n d e n g e g e n ü b e r eine A n e r k e n n u n g d e s H i o b als eines in seiner Gottesverehrung getreuen, ist also analog der alten B e n e n n u n g Davids. Nur im B u c h e H i o b (4 is) findet sich die B e z e i c h n u n g der E n g e l mit »seine (Gottes) K n e c h t e « (vgl. j e d o c h Ps 103 21) als derer, die G o t t e s W i l l e n ausrichten. In Esra-Nehemia-Chronik k o m m t die alte S e l b s t b e z e i c h n u n g J a h w e gegenüber [ =

ebenso

II S a m

wie im Psalter

7 19 20] und

sehr

oft).

zur G e l t u n g

(I Chr

A u c h Nehemia

17 17 is w»

nennt sich

so

in seinen Memoiren (1 6 11 bis). N a c h alten Mustern werden in Chronik M o s e (auch 'ebed hä-elohim), und

in E s r a s

Memoiren

David, der Patriarch Israel (? I Chr 1613) (9 11) die P r o p h e t e n

nur II Chr 32 16 heißt auch Hiskia

mit ebed b e z e i c h n e t ;

»sein K n e c h t « .

D e r Plural abä-

dlm wird in Nehemias Memoiren (1 6 10 11 2 20) und e b e n s o in Chronik (II 6 14 23 27 [ =

I K ö n 8 23 32 36])

1) » K n e c h t J a h w e s « wendung 2) P s hierher.

auf einen 119 91

für D a v i d nur in den U e b e r s c h r i i t e n 18 1 36 l —

einzelnen

gehört

angewandt mit S u f f i x der zweiten,

nach

mit A u s n a h m e dem

von J o s 24 29

vorliegenden,

aber

( =

kaum

sonst in A n -

R i 2 8) nur für M o s e . möglichen

Texte

nicht

8

Wolf Wilhelm Gr. Baudissin

[8

nur Neh 2 20 mit dem der dritten Person, auf die Israeliten, und zwar überall auf das Gesamtvolk (beachte besonders Neh 1 6). Buch Daniel hat nur Wiederholung der alten Anwendungen von ebed auf die Propheten, auf Mose (ebed hü-elohim) und auf den Betenden (abdekä 9 17). Der Ueberblick über die Anwendung von ebed für das Verhältnis zu Jahwe läßt deutlich hervortreten, daß dieser seit ältesten Zeiten bestehende Gebrauch des Wortes bei den vorexilischen Propheten fast ganz fehlt und dann seit den Deuteronomisten in steigendem Maße zur Anwendung kommt. Vor den Deuteronomisten wird er nur angewandt als Selbstbezeichnung des Frommen, als Ehrenprädikat für einzelne oder für eine bestimmt begrenzte Mehrzahl, die Propheten, zweimal auch, ebenfalls als Ehrentitel, für eine Gruppe des Volkes, die Jahwe die Treue bewahrt hat. Die Propheten bis auf Jeremia — abgesehen von zweifelhaften Stellen im Buche Jeremia — gebrauchen ebed ganz vereinzelt und nur als Ehrentitel für besondere Jahwe geleistete Dienste. Von Ezechiel an wird der Singular ebed für das Volk Israel, von Deuterojesaja und einem Deuteronomisten an auch der Plural abädlm für die Gesamtheit der Israeliten, daneben auch jetzt noch besonders für die treuen Jahweverehrer unter ihnen, und zuletzt für die Jahweverehrer überhaupt angewandt. Es ist in unserer Uebersicht nach Möglichkeit — es ließe sich weiter ausführen — darauf hingewiesen worden, daß in diesem späteren Gebrauch der Ausdruck ebed• meist hindeutet auf die Zugehörigkeit Israels als des erwählten Volkes zu Jahwe und das darauf beruhende Schutzverhältnis. Nur Jes 56 e tritt ganz aus dieser Beziehung auf das Volk Israel heraus. Aber das Wort ebed drückt doch überall eine Dienststellung aus; jene andere Bedeutung ist immer, so sehr sie auch in den Vordergrund tritt, anzusehen als eine sekundäre, die die ursprüngliche nicht aufhebt. Das Knechtsverhältnis besteht nicht in der Gewißheit des göttlichen Schutzes, sondern diese ist eine Folge jenes Verhältnisses, und mit »Knecht« wird überall bezeichnet das Gebundensein des eigenen Willens an den des Herrn. Eben um dieser Grundbedeutung willen hat der Begriff ebed in der Predigt der älteren Propheten — abgesehen von jenen hergebrachten Titeln — keine Stelle gefunden \ denn sie fordern eine freie Entscheidung für den Gehorsam dem Willen Jahwes gegenüber, ein »Wollen und Hören« (Jes 1 19). Sie denken Jahwe als eine sich im Wechsel der Zeiten und Umstände frei entfaltende Persönlichkeit und konnten den Menschen, der dieses Gottes Gefallen erwerben will,

9]

9

Gebrauch von é b e d

nicht a u f f a s s e n als einen U n f r e i e n . deren A n s c h a u u n g e n ,

wieder

lichen A u f f a s s u n g , a b e r

mit

Die

s p ä t e r e Z e i t ist,

z u r ü c k g e k e h r t zu d e r einer

w i e in an-

alten v o l k s t ü m -

bedeutungsvollen

Weiterbildung.

W e n n sich der alte H e b r ä e r J a h w e g e g e n ü b e r s e i n e n K n e c h t s o w o l l t e er

ihm

d a m i t eine p e r s ö n l i c h e H u l d i g u n g

nannte,

darbringen



e b e n s o w i e ihrem G o t t die a n d e r e n S e m i t e n , w e n n s i e s i c h s e l b s t o d e r ein K i n d K n e c h t d i e s e s G o t t e s nannten — , u n d f ü r b e s o n d e r e

Jahwe

g e l e i s t e t e D i e n s t e erhalten bei älteren a l t t e s t a m e n t l i c h e n A u t o r e n einzelne d e n T i t e l

eines K n e c h t e s J a h w e s .

A m Ausgang

d e r alttesta-

mentlichen E n t w i c k l u n g a b e r g i b t es keine a n d e r e S t e l l u n g zu J a h w e als die d e s K n e c h t e s .

D a s D i e n e n ist jetzt

nicht m e h r e i n e b e s o n -

dere o d e r m o m e n t a n e L e i s t u n g einzelner r e l i g i ö s e r M e n s c h e n , wird

als

eine

unausgesetzte

R e l i g i o n ist Dienst. Gebrauch Mm)«,.

Deshalb

des V e r b u m s

als d e n

Verhaltungsweise

'äbad

»Gerechten«

ihrer

sondern

aller

gedacht.

u n t e r s c h e i d e t M a l e a c h i (3 is) mit d e m denjenigen, (vgl.

»der G o t t d i e n t

arabisches

'iibid

(obed élo-

»GottesVerehrer,

F r o m m e r « ) , von d e m j e n i g e n , der ihm nicht dient (lo* abädö) »Gottlosen«

(vgl. 3 u

und

vielleicht

Hi

3 6 11).

als d e m

Ueberhaupt

ließe

sich an d e m V e r b u m 'äbad in der A n w e n d u n g auf d a s V e r h a l t e n Gottheit

gegenüber

mit der B e d e u t u n g

» K n e c h t sein,

s e l b e E n t w i c k l u n g s g a n g v e r f o l g e n w i e an d e m N o m e n .

dienen«

In alter Z e i t

wird d a s V e r b u m g e b r a u c h t für die einzelne K u l t u s h a n d l u n g ; der älteren P r o p h e t e n religiöse Gebiet a n 1 ;

wendet

es

in i r g e n d w e l c h e m

Sinne

keiner für

b e i M a l e a c h i ist es u m f a s s e n d e r A u s d r u c k

die

Gottesverehrung2.

seit

dem Deuteronomium

Die Auffassung bildete,

als

von

der

Religion,

einer R e g e l u n g

der der-

die

das für sich

aller L e b e n s -

ä u ß e r u n g e n n a c h d e m in G e b o t e n f e s t g e s t e l l t e n W i l l e n d e r G o t t h e i t , hat d a s S p ä t j u d e n t u m

beherrscht.

Das

in d i e s e r A n s c h a u u n g

ein-

g e s c h l o s s e n e M o m e n t der G e w i ß h e i t v o n d e r Z u g e h ö r i g k e i t d e s G o t t e s verehrers

zu

Gott

als d e m

schirmenden Herrn,

das

das

eigentlich

R e l i g i ö s e a n d i e s e r V o r s t e l l u n g s w e i s e ist, hat ihr die K r a f t g e g e b e n , sich zu b e h a u p t e n . 1) J e s 1 9 21 Jer 30 9 und vielleicht gehörend

nicht in Betracht.

auch Zeph 3 0 kommen

In Buch Jeremía sonst abad

als zu Erweiterungen

nur von

abgöttischen Kult-

handlungen, Ez 20 10 von der kultischen Verehrung Jahwes. 2) Von der innerlichen Verehrung in den Erweiterungen Ii 13;

aber im

deuteronomischen Gesetz 1 3 5 ohne

des Deuteronomiums 1 0 12

einen auf diese Art der Verehrung

verweisenden Zusatz, vielleicht vom Kultus und ebenso möglicherweise auch 6 13 10 20 2 8 4 ; .

Walter Baumgartner

IO

Joel i und 2. Von

W a l t e r Baumgartner. Von all den Fragen, die das Joelbuch uns stellt, ist höchstens über sein Alter eine gewisse Uebereinstimmung erzielt. Ueber Disposition und Komposition, Inhalt und Art gehen die Meinungen noch weit auseinander. Das rechtfertigt einen neuen Versuch, seinen Problemen beizukommen. Mit der auch sonst aus Lied- und Redeanfängen bekannten Aufforderung zum Hören (Gen 42s Dtn 321 Jdc 97 Jes I 2 10 2814 3313 usw.) wendet sich der Prophet zunächst an die Alten 1 , dann an alle Bewohner des Landes. Was Furchtbares geschehen ist, was sie ihren Kindern und Kindeskindern erzählen sollen, sagt v. 4: eine gewaltige Heusckreckenplage. S o schließen sich v. 2—4 zur Einleitung zusammen. In v. 5 folgt eine Aufforderung zum Klagen und Heulen: »Wacht auf, ihr Trunkenen, und w e i n e t , und h e u l e t , Weintrinker alle! U m den Most, d e n n er ist eurem Munde entrissen; D e n n ein Volk zog herauf wider mein Land. . .« Aehnlich angelegt ist v. 13: » L e g t Trauer an und k l a g t , ihr Priester, h e u l e t , ihr Diener des Altars! Kommt, s c h l a f t im Trauergewande, ihr Diener meines Gottes! D e n n entzogen ist dem Haus eures Gottes Speis- und Trankopfer.« 1) D a ß

onpin

mit

WELUIAUSEN,

NOWACK,

HALLER, B E W E R

SO ZU v e r s t e h e n

ist, zeigt v. 2 b ; ''SIT' bietet dazu zwar keine glatte Entsprechung, wird aber durch v. 3 * geschlitzt, m p i r t zu streichen (MARTI, RIESSLER) oder nach v. 3 zu versetzen (DUHM) wird weder durch das Metrum gefordert noch durch den Sprachgebrauch empfohlen; wo dem >hort« ein synonymer Imperativ mit Vokativ folgt, hat auch der erste durchgängig einen solchen bei sich, vgl. Dtn 32 1 Jdc 5 3 Jes 1 2 10 33 13 4 9 1 Jer 6 18 4 9 3 Hos 5 1 Mch 12 Ps 49 2 Hl 34 2; bei vorausgehendem Vokativ Gen 4 23 Jes 35 9. Festschrift für K a r l Budde.

Joel i und 2

2]

II

Uebereinstimmung besteht im A u f r u f zur Klage, in der N e n n u n g d e r A u f g e r u f e n e n und in der B e g r ü n d u n g mit "2, das eine Mal außerdem mit ^¡J. D a ß wir es da mit einer besonderen Stilform zu tun haben, bestätigen zahlreiche weitere Stellen innerhalb des

AT:

II

Sam

1 24 3 3 1

Jes

136

1431 2 3 1 1 4

3211-14

J e r 4 8 626

729 2 2 2 0 2 5 3 4 4 9 3 5 1 8 Hes 2117 3 0 2 f Zph i n Sach 112. Auch da überall Imperative der Verben nBD, pUJ, T'rn, u n , naa, tfia, meist in Verbindung mit einem Vokativ; warum geklagt werden soll, folgt in der Regel mit 'a, seltener mit *7V (II Sam 124 Jer 51 s), einmal (Jes 32 11 ff) mit ^r und •o wie hier 1 5. Um was für eine Situation es sich dabei handelt, erhellt wenigstens einigemal (II Sam 124 3 31 Jes 23114 Jer 626 729) aus dem Zusammenhang: es ist die Aufforderung zu einer Klage, wie sie bei einem Todesfall oder bei öffentlichen Unglücksfällen gehalten zu werden pflegt. Ein ähnlicher Imperativ ist nun in dem fra« v. 9 * zu vermuten, wo bereits S I E V E R S mit L X X frax las. cnron ist dann Vokativ, v. 10 enthält die Begründung. Da aber v. 10 inhaltlich dafür weniger geeignet ist als v. 9 k ö n n t e man v. 10 und v. 9 * die Plätze tauschen lassen. Allein das in v. 8 macht ohnehin Schwierigkeiten; man vermißt dazu einen Vokativ, der auch dann noch fehlt, wenn man mit D U H M N S liest, da doch nicht mehr die Trunkenen von v. 5 angeredet sein können. Der Imperativ ist hier schwerlich ursprünglich. 1 BEWER schlägt vor, ^as zu lesen (vgl. Mch 1 s) und v. 9 ' vor v. 8 zu stellen. Dieser Vorschlag läßt sich auch mit dem oben vermuteten i^a« verbinden und kommt, wie mir scheint, dadurch erst recht zur Geltung. Wir gewinnen so eine Zeilenfolge, die der von, v. 5—7 und v. 18 f schön entspricht: Aufruf zur Klage und Nennung der Aufgerufenen in v. 9" 8, die Begründung — diesmal ohne •'3, B E W E R setzt es vor man ein — in v. 9 * 10, wobei v. 10 wiederum v. 9 * begründet. Dann müssen aber auch u r a i und Yr'rn v. 11 als Imperative genommen werden; das Fehlen des Artikels bei e n a * und D^na spricht nicht dagegen, vgl. v. 5 2 . Die Begründung wird durch 'ya und 'a eingeleitet wie in v. 5. So greift der Prophet aus der Gesamtheit der Landesbewohner ein paar Gruppen heraus, die von der Plage besonders schwer betroffen sind: zuerst die fröhlichen Zecher, die schon die alten Propheten mit Vorliebe aufs Korn nahmen, dann die Priester, die Landleute und nochmals die Priester. Um strenge Ordnung war es — 1) International Critical Commentary ( 1 9 1 1 ) 83. 2) Ueberhaupt hat jene R e g e l ja viele Ausnahmen, vgl. NESTLE Z A W 24 (1904) 3 2 3 f.

Walter Baumgartner

12

[3

wie so oft in der alttestamentlichen Lyrik — d e m Dichter offenbar nicht zu tun, und die Priester lagen ihm b e s o n d e r s am H e r z e n ; vielleicht h a t er selber zu ihnen g e h ö r t Z u d e m ist es ihre Aufgabe, den Büß- u n d F e s t t a g auszurufen (v. 14) 2 . Die g e m e i n s a m e F o r m bindet v. 5—14 zu einem Ganzen zus a m m e n , das keinerlei Zerlegung oder A u s s c h e i d u n g duldet. Das richtige V e r s t ä n d n i s gibt v. 14 an die H a n d : auf den d o r t erwähnten B u ß t a g zielen auch schon die v o r a n g e h e n d e n A u f f o r d e r u n g e n ab. D e m widerspricht es nicht, wenn die oben g e n a n n t e n Stellen nur von T o t e n k l a g e zu handeln scheinen. F a s t alle die Bräuche, die wir von d o r t her kennen, finden wir beim Bußtage w i e d e r : d a ß m a n die Kleider zerreißt J o s 7 6 II R e g 191 I Mak 347 439, den Sack u m g ü r t e t II R e g 191 Jes 22 12 585 Jon 3 5 f 8 Est 4 3 Neh 9 1 I Mak 3 47 Judith 410 f Ii Bittschrift der E l e p h a n t i n e g e m e i n d e an B a g o a s Z. 15 20, A s c h e aufs H a u p t streut Jos 7 6 J e s 585 Neh 91 E s t 43 I Mak 3 47 4 39 Judith 41115, sich in d e n S t a u b setzt J o n 3 5 oder in die A s c h e Jes 585 Est 43, sich zu B o d e n wirft J o s 7.6. Jer 3 25 I Mak 440 II 315, H a u p t h a a r und Bart schert Jes 152 2212, die H a u t blutig ritzt H o s 714, fastet J d c 2026 I S a m 7 6 Jes 58 3 ff Jon 3 7 f Esr 823 N e h 9 1 E s t 416 Judith 413 Bittschrift an B a g o a s Z. 15 20, sich nicht salbt Bittschrift an B a g o a s Z. 20. Beidemal ist die Grunds t i m m u n g dieselbe, u n d meist bringt der A n l a ß zu einem B u ß t a g — Seuche, H u n g e r s n o t , Niederlage — durch Todesfälle auch in die einzelnen Familien T r a u e r , so d a ß sich die K l a g e um die einzelnen T o t e n mit der um das Ganze mischt. A u s der Beziehung zum Bußt a g sind die einzelnen A u f f o r d e r u n g e n zu v e r s t e h e n 3 . Selbst d a ß g r u p p e n - o d e r chorvveise geklagt und g e b e t e t wird, ist offenbar der Wirklichkeit e n t n o m m e n , vgl. Sach 12 12—14. Dann s t a m m t wahrscheinlich auch die Stilform von d o r t und ahmt den liturgischen Stil n a c h 4 : so hat der V o r b e t e r die einzelnen vor ihm s t e h e n d e n G r u p p e n angeredet. — D u r c h die U n t e r s c h e i d u n g dieser G r u p p e n zerlegt sich das ganze S t ü c k in vier strophenartige Gebilde zu fünf und sechs Zeilen, die also a n n ä h e r n d von gleicher L ä n g e sind, während das Metrum der einzelnen Zeilen wechselt. 1) B E W E R

94.

2) Nach 2 16 f sind die Priester in ganz v. u Subjekt. 3) D a ß man den Sack auch nachts trägt (v. 13), bedeutet geschlechtliche Enthaltsamkeit, wie sie von einzelnen (I R e g 21 27, vgl. D a n 6 19) und von ganzen Gemeinden (Bittschrift an Bagoas Z. 20, vgl. Jer 29 6) in Zeiten der T r a u e r geübt wurde, vgl. L.

KÖHLER, 4) M .

ZAW

PLATH

3 4 (1914) RGG

III

149. 583.

4]

Joel i und 2

13

G e h e n wir z u n ä c h s t zu 2 1—11 ü b e r , w o d e r P r o p h e t 1 w i e d e r einer Aufforderung beginnt.

Auch das Hornblasen

mit

g e h ö r t zum B u ß -

t a g , vgl. 215 I M a k 3 5 4 440, u n d d i e n t e d o r t u r s p r ü n g l i c h dazu, Gebet

zu

verstärken;

Jer 45 61.

hier j e d o c h

ist

D i e folgende B e s c h r e i b u n g der H e u s c h r e c k e n

Zusammenhang

mit

1 2—14 h e r .

hat

58 den

daran A n s t o ß

geBe-

DUHM u n d B E W E R s u c h e n m i t S t r e i c h u n g

e i n z e l n e r V e r s e a u s z u k o m m e n , HÖLSCHER für j ü n g e r .

wohl

stellt

n o m m e n , d a ß s i e h i e r als ü b e r n a t ü r l i c h e W e s e n v o n k o s m i s c h e r deutung geschildert werden.

Man

das

es Alarmzeichen wie H o s

2

hält d e n g a n z e n A b s c h n i t t

A b e r ist e s w i r k l i c h s o u n d e n k b a r , d a ß d i e e r r e g t e P h a n -

tasie die tatsächlich u n e r h ö r t stark auftretende P l a g e

(vgl. 1 2),

statt

s i e r e a l i s t i s c h g e n a u zu s c h i l d e r n , ins U n g e h e u r e s t e i g e r t e u n d in ihr ein A n z e i c h e n aus

des jüngsten T a g e s

der vorhandenen

sah,

wobei

Literatur Verwendung

dann

allerlei

fanden?

Bilder

Haben

doch

a u c h die a l t e n P r o p h e t e n m e h r als e i n m a l d i e S c h i l d e r u n g f e i n d l i c h e r ins G e i s t e r h a f t e

Heerscharen

gesteigert.

Schon

d a r i n , wie J o e l

H e u s c h r e c k e n in 2 3—s 7 - 9 z e i c h n e t , l i e g t j a d e s U n h e i m l i c h e n um

auch

die g r o t e s k e n

Uebertreibungen

zu m a c h e n .

Aehnliches Grauen,

hervorrufen,

empfindet

Brücke

zwischen

den

einanderliegenden

man

von

v. 2 6 10

verständlich

wie es h i e r die u n h e i m l i c h e n

vor

dem T a g Jahwes; Jede

Tiere

das schlägt

für uns n ü c h t e r n e A b e n d l ä n d e r s o

Vorstellungskreisen.

Streichung

die

genug,

ist

die aus-

weit da

ein

Fehlgriff. Der nächste Abschnitt, bald

in P r o p h e t e n r e d e

seltene Erscheinung leicht

das

ist.

w a s j a in den P r o p h e t e n b ü c h e r n

D e m Inhalt

wird J a h w e s i c h r ü h r e n l a s s e n ,

tut. — die

212—14, b e g i n n t als J a h w e r e d e , g e h t

über,

Zur F e i e r

ihm gibt

mit

des B u ß t a g e s

n a c h ist e s e i n M a h n r u f :

viel-

wenn das V o l k wirklich

Buße

gehörten

nicht

d e r T o t e n k l a g e g e n i e i n s a m sind,

ihm

seine Eigenart,

j e n e r voraus hat 7 6 9 Judith 414) rufung J a h w e s .

3

den

aber keine

bloß jene

Bräuche,

sondern auch —

kultischen Charakter,

und

den er vor

— die D a r b r i n g u n g v o n O p f e r n ( J d c 2 0 2 6 2 1 4 I S a m und

vor

allem

das G e b e t ,

die

flehentliche

In d e n S c h i l d e r u n g e n d e s B u ß t a g e s wird e s

An-

mehrfach

e r w ä h n t (I R e g 8 33 35 38 II 1 9 4 4 E s r 8 21 23 I M a k 3 54 4 40), n o c h ö f t e r 1) Nicht Jahwe, wie M. PLATH und P. RIESSLER, Die kleinen Propheten (1911) 137

annehmen.

2) Die Profeten (1914) 432. 3) Als weiteres Unterscheidungsmerkmal heiliger Stätte,

kommt noch hinzu,

bzw. am Tempel abgehalten wird (1 14 2 1 7

daß der Bußtag an

Jos 7 6 Idc 20 26f 2 1 2

I Sam 7 6 I Reg 8 33 35 38 II 19 14 Jes 1 5 2 Jer 3 21 36 6 9f Hos 7 H II Chr 20 5 I Mak 3 46 Judith 4 u f). 4) Hier als Fürbitte des Propheten.

[5

Walter Baumgartner

14

ganz o d e r teilweise im W o r t l a u t angeführt ( J o s 7 7 - 9 J d c 2 1 3 I S a m 7 e s f 1 I R e g 8 47 b II 1915-19 2 II Chron 2 0 6-12 antwortet J a h w e II R e g

1 9 6 f 2i

darauf

>a

mit

einem

2

Orakel

I M a k 3 50-53).

(Jos 7 1 0 - 1 5

Häufig

Jdc

20 28 b

29—31 II Chr 2014—19).

A u s den Stellen in R e g Chr g e h t hervor, wie das O r a k e l zunächst an den P r o p h e t e n e r g e h t und von diesem dem V o l k e mitgeteilt wird. E b e n s o folgt bei m a n c h e n der » V o l k s k l a g e l i e d e r « , die uns im Psalter und in Form

den

prophetischen B ü c h e r n

eines

Orakels

24 25 f 5 9 9 - 1 5 " 1 5 b - 2 0

4

(

5

vorliegen3,

J a h w e s A n t w o r t in

J e s 26 ie—18 19—21 3323—6 7 - 9 1 0 - 1 2 4 9 1 4 1 5 - 2 1

6 3 7 - 6 4 11

65

Jer

3 22 >> -25 4 l f

15 l f H o s 61—3 4-6 143'—4 5-9 Mch 7 7 - 1 0 1 1 - 1 3 2 1 - 3 P s 12 2—5 6 2 0 2—6 6 7—10 85 5-8 9—i4 7 .

Fast

die A n t w o r t günstig und enthält eine V e r h e i ß u n g ; 1410 15 1 f ist sie a b l e h n e n d .

I42-9IO

19-22

14—17 is-20 H a b 112-17 durchweg

lautet

nur J e s 1 6 1 2 J e r

Gelegentlich heißt es auch bloß, J a h w e

h a b e die B i t t e erhört I R e g 83436394549 E s r 8 23 Judith 4 1 3 ; J o n 310 führt

er

findet

sich in dieser Antwort h ö c h s t e n s II Chr 201517, wo j e d o c h die

seine

Verheißung

frühere D r o h u n g nicht aus.

stark

unter selbständig Munde J a h w e s , rede

als

überwiegt.

aber

tritt diese Mahnrede mit-

n e b e n d e m K l a g e l i e d des V o l k e s auf ( J e r 3 22" im

H o s 14 2 3° im Munde des P r o p h e t e n ) .

literarische Gattung

ist 8 , anderseits

Wohl

D e r T o n der Mahnrede

bei den P r o p h e t e n

D a die Mahn-

eigentlich zuhause

in j e n e n Schilderungen des B u ß t a g e s fehlt und dort

überhaupt überflüssig erscheint, weil das V o l k ohnehin zerknirschten Sinnes

seine

Sünden bekennt

(I S a m 7 6 I R e g 8 47" Neh 9 2 f,

in

den Klageliedern J e r 3 22"—25 1 4 7 20 H o s 144), m ö c h t e man vermuten, d a ß ein solcher R u f zur B u ß e nicht in Wirklichkeit zur F e i e r

gehörte,

sondern d a ß erst die P r o p h e t e n , die mit d e m hartnäckigen T r o t z des V o l k e s zu kämpfen hatten, verbanden. daß

ihn

mit d e m B u ß l i e d

in solcher W e i s e

Ihm e n t s p r e c h e n hier 2 1 2 - 1 4 ; j e n e Parallelen Zeigen auch,

er e b e n s o in J a h w e s , wie

in

des P r o p h e t e n

Mund

Platz

hat.

D e r G e d a n k e freilich, d a ß man auf J a h w e s G ü t e und Barmherzigkeit 1) Hier als Fürbitte des Propheten. 2) Hier spricht der König als Landesherr das Gebet. 3) Vgl. H. GÜJTKEL R G G III 1934 f. 4) Vgl. GTTNKEL bei H. SCHMIDT, Die großen Propheten (1915) L X I I . — Herrn Professor GUNKEL verdanke ich auch persönlich wertvolle Hinweise. 5) Die ersten Ziffern geben jeweils das Klagelied an, die zweiten das Orakel. 6) Hier Fürbitte des Volkes für den König. 7) Für Beispiele aus dem übrigen Alten Orient vgl. ZIMMERN, Babylonische Hymnen und Gebete I 7 f II 20 f; ERMAN, Aegypten 525 f. 8) Vgl. GUNKEL bei H. SCHMIDT, L X I V f.

Joel i und 2

6]

15

rechnet und d a r u m hofft, ihn rühren zu können, g e h ö r t d u r c h a u s zum B u ß t a g — d a r u m die e n g e V e r w a n d t s c h a f t von 2 14 mit Jon 3 9. D e r E i n g a n g des nächsten Stückes, 2 10—17, erinnert stark an 2 1, nur d a ß hier das H o r n b l a s e n deutlich mit d e m B u ß t a g in Z u s a m m e n h a n g steht. G e g e n ü b e r den ähnlichen Imperativen 1 5—14 b e d e u t e n die von 2 15 f insofern eine Steigerung, als m a n das g e s a m t e Volk bis auf den letzten Mann z u s a m m e n r u f e n wird ; auch K i n d und Greis, Braut und Bräutigam, sonst von der T e i l n a h m e am Kult e n t b u n d e n (vgl. Dtn 245), dürfen jetzt nicht fehlen. Auf möglichste Vollzähligkeit hat m a n beim B u ß t a g tatsächlich g r o ß e n W e r t gelegt (Jon 3 5 II Chr 2013 II Mak 319 Judith 410 f , Bittschrift an B a g o a s Z. 15) Je größer die Menge, u m so lauter u n d eindringlicher ihr Flehen, und g e r a d e der Anblick dieser Hilflosen v e r m a g J a h w e , so m o c h t e m a n hoffen, am e h e s t e n zu rühren. Die Priester aber h a b e n , wie 114, das G e b e t zu s p r e c h e n (217). Gewöhnlich ist das ja S a c h e der ganzen M e n g e ; doch wird a u c h II Mak 315 Judith 415 von deren Schreien ein b e s o n d e r e s Gebet der Priester unterschieden. — A u c h hier wird ein S t ü c k des G e b e t e s — ein Dreier und zwei F ü n f e r — wörtlich mitgeteilt, zu dessen G e d a n k e n uns die Volksklagelieder zahlreiche Parallelen bieten. Zur allgemeinen Bitte » E r b a r m e dich, Jahwe, deines Volkes« vgl. J e s 3 3 2 " Jer 2 27 " Ps 79 s". Die folgende Bitte enthält gleichzeitig die »Klage«, die Schilderung der Notlage. Weil J a h w e sie anscheinend im Stiche läßt, s p o t t e n die N a c h b a r n i h r e r ; das schmerzt sie fast mehr als die N o t s e l b e r 2 . Zum W o r t l a u t von v. 17b ß vgl. Ps 4414 794 8942, im individuellen Klagelied 10925; zu v. 17 b T vgl. Ps 7910 115 2 ( H y m n u s mit Motiven des Klagelieds) Mch 710, im individuellen Klagelied 4 2 4 1 1 . Absichtlich bezeichnen sie sich als »Jahwes Erbteil«, um ihm damit recht eindringlich vor A u g e n zu f u h r e n , d a ß es zugleich um seine S a c h e und seinen N a m e n g e h t ; um so eher wird er eingreifen, meint der naive B e t e r 3 . D a s V e r s t ä n d n i s der umstrittenen folgenden Verse, 2 18 ff, ist kürzlich durch B U D D E 4 wesentlich gefördert worden. A n H a n d von Jes 7 wies er nach, d a ß die A u s f u h r u n g des Befehls, die A b h a l t u n g des Bußtages, als selbstverständlich nicht b e s o n d e r s berichtet, einfach vorausgesetzt werde 5 , u n d d a ß 2 is ff J a h w e s A n t w o r t , in F o r m eines 1) In etwas anderem Sinn werden Braut und Bräutigam in I M a k i 27 erwähnt. 2) Ebenso im individuellen Klagelied,

vgl. BAUMGARTNER, Die K l a g e g e d i c h t e des

J e r e m i a ( 1 9 1 6 ) 10 f. 3) Vgl. B A U M G A R T N E R 19; H E I L E R ,

Das Gebet

(1918)

69.

4) Der Umschwung in Joel 2, O L Z 22 (1919) 104 ff. 5) Nur ist dies nicht spezifisch p r o p h e t i s c h e Art, s o n d e r n in israelitischer überhaupt öfter zu b e o b a c h t e n , vgl. z. B. II Sam 3 31 14 3 f IQ 12—15.

Erzählung

i6

Walter Baumgartner

[7

an den Propheten ergangenen Orakels, enthalten. Das erfährt durch die oben mitgeteilten Stellen, wo so oft auf das Gebet des Bußtages ein Orakel Jahwes Antwort bringt, die schönste Bestätigung. Ohne Not aber ändert B U D D E in v. IS das Tempus in den Jussiv. Ich finde gar nicht, daß sonst das Gebet ins Leere verhallen würde; im Gegenteil käme mir dann v. is als überflüssig, ja als störend vor. Die Erzählung setzt schon mit v. is ein, wobei dieser Vers doch nur die Tatsache der Erhörung vorausnimmt. D a ß Jahwe überhaupt antwortet, bietet noch keine sichere Gewähr für günstigen Ausfall der Antwort — Jer 42 liegen die Dinge anders, insofern als dort eine bestimmte Frage gestellt war und die Antwort, wie sie auch ausfallen mochte, der Verlegenheit des Volkes ein Ende bereitete — sie konnte auch ablehnend sein (Jes 1612 Jer 1410 15 1 f), oder mindestens erst eine Bedingung stellen (Jos 7 1 0 ff). Darum ist das erlösende K3p,l und büPPl an die Spitze genommen. Ebensowenig bedarf es notwendig der Annahme, daß Jahwes Antwort erst später, nach beendetem Bußtag, eintraf; Jos 7 Jdc 20 II Reg 19 II Chr 20 machen das Gegenteil wahrscheinlicher. Das Orakel stellt reichen Erntesegen und Beseitigung der Plage in Aussicht. Daß jenes vorausgeht, ist zwar nicht logisch, aber psychologisch wohl verständlich: man leidet ja darunter am ersten, daß die Ernte vernichtet scheint. Die Streichung von v. 20 (W. R. SMITH, ROTHSTEIN, H Ö L S C H E R ) ist unberechtigt. »Wenn nur Glossen so aussähen, und wenn nicht mit dieser Streichung gerade das Wesentlichste, die Beseitigung der Plage, hier verloren ginge« 1 . — In v. 21-23 (24) sieht man heute, weil die Rettung da bereits als geschehen vorausgesetzt scheint, meist einen jüngeren Zusatz 2 . Allein bei einem Propheten braucht solcher Wechsel im Standpunkt am wenigsten zu befremden; denn in der Kühnheit seines die Zukunft vorausnehmenden Geistes liebt es der Prophet, oft mitten aus der Not der Gegenwart heraus in einem hymnischen Liede 3 zu jenem Freudenfest aufzurufen, das einst, nach geschehener Rettung, stattfinden wird, vgl. Jes 1 2 5 f 4 4 2 3 4 9 1 3 5 4 1 6 6 1 0 Zph 314 Sach 214 9 9 Ps 9 7 1 2 . Aufgerufen werden der Erdboden (v. 21), die Tiere (v. 22*), die Bewohner Zions (v. 2s). Die Stilform, Aufruf, Nennung der Aufgerufenen und Begründung mit 13 — 2 2 1 ist mit DUHM und B U D D E hinter 21 b a zu stellen — ist dieselbe wie in 15 ff, diese hymnischen Aufrufe zur Freude sind das Gegenstück zu jenen Aufforderungen zur 1) BUDDE OLZ 22 (1919) 1. 2) WELLHAUSEN, MARTI, NOWACK, BEWER, BUDDE. 3) HALLER, Das Judentum (1914) 209.

17

Joel I und 2

8]

Trauer. — Jahwes Verheißung setzt sich mit v. 24 fort; was die Heuschrecken verzehrt, wird ihnen zwiefältig 1 ersetzt werden, so daß sie sich satt essen, Jahwe preisen und sich ihres Gottes freuen können 2 . W e n n der Gedanke von 27 * mehrmals im Volksklagelied wiederkehrt (II R e g 1919 Ps 8319 J Sir 33 5 3622 Judith 9 u ) , so ist das in der gemeinsamen Situation b e g r ü n d e t ; was hier und 417 Verheißung ist, wird dort noch inbrünstig erfleht. E s bleibt die Besprechung von 115—20. Nach dem Zusammenhang sieht man darin gewöhnlich das Gebet, zu dem 1 u auffordert. Doch mit keinem W o r t e wird darin der Heuschrecken g e d a c h t ; und wenn sich die in v. 10—18 geschilderte Notlage auch als F o l g e ihres Hausens verstehen ließe, so nennen v. 19 f ausdrücklich eine andere Ursache, eine große Dürre. Um das mit 12-14 in Einklang zu bringen, weist man gerne darauf hin, daß die Heuschreckenplage in recht heißen Sommern am schlimmsten und somit die Dürre eine regelmäßige Begleiterscheinung s e i 3 . A b e r wird damit wirklich erklärt, daß das anläßlich der Heuschrecken (1 5 ff) anzustimmende Gebet dieselben gar nicht, b l o ß die andere Plage nennt, während in 2 1 ff ebenso ausschließlich wieder nur von jenen die R e d e ist ? Bezieht man aber 1 15 ff mit RIESSLER und STEUERNAGEL auf ein ganz anderes selbständiges Ereignis, so gibt man damit den Zusammenhang und die gemeinsame Situation preis, die im übrigen c. I und 2 zur Einheit zusammenbindet. Anderes kommt hinzu. S c h o n die Stellung unmittelbar vor dem neuen Aufruf wäre für ein G e b e t denkbar ungünstig, da es gänzlich ohne Wirkung auf J a h w e b l i e b e ; stände es mindestens vor 2 12 ff! Entscheidend ist aber, daß es eine B e s c h r e i b u n g der Klage ist, eine Schilderung, wie das ganze L a n d in T r a u e r versetzt, der fröhliche L ä r m aus dem T e m p e l verschwunden ist, die Speicher öde stehen und selbst das Vieh in seiner Qual zu J a h w e schreit. Gewiß findet sich solche Schilderung der K l a g e oft im Volksklagelied (Ps 4 4 26 80 6 J e s 33 7—9 59 11 J e r 14 2—6 T h r 5 14—17 III Mak 6 14, vgl. 1 25-28); hier a b e r , wo erst zur Klage aufgefordert wird, ist sie ganz und gar nicht am Platze. Sie muß aus anderem Zusammenhang eingeschoben sein, wobei das ipot v. 14 als Anknüpfung diente. Nichts verbietet, 2 1 direkt auf 114 folgen zu lassen. 1)

statt MTFRI

(GUNKEL).

2 ) 26 b ist zu streichen, weiterer Eingriffe bedarf es nicht. 3) WELL)!AHSEN,

MARTI 123,

B E W E R 63,

dernen Schriftstellern, vgl. B R E H M S Tierleben freilich das Gegenteil, vgl. B R E H M Festschrift für Karl Budde.

2

(1877) I X

4

8 9 mit Belegen

(1915) X

96;

aus antiken und mo-

andere Berichte behaupten

549. 2

18

Walter Baumgartner

[9

Im übrigen haben wir innerhalb unserer beiden Kapitel keinen Anlaß zu größeren Streichungen. Unsere Auffassung sichert ihnen Einheit und Geschlossenheit, und läßt die Versuche von DUHM, RIESSLER, STEUERNAGEL und HÖLSCHER, einzelne selbständige Gedichte herauszuschälen, scheitern. W i r haben überall dasselbe T h e m a , den anläßlich der Heuschreckenplage abzuhaltenden Bußtag, und einen durchgehenden Zusammenhang: I 2—4 die Einleitung, 1 5—14 die Aufrufe zum Bußtag, 2 1 - 1 1 nähere Schilderung der Plage, 212—14 eine Mahnrede, 215-17 nochmals Aufforderung zur Klage, 218—27 J a h w e s Antwort. Dabei gehen 15—14 212-14 auf der einen, 215—1718 ff auf der anderen S e i t e einander parallel: beidemal Aufforderung zur Klage mit folgender Gottesrede. D a s ist keine müßige Wiederholung. Die zweite Aufforderung ist dringlicher, ruft alle zusammen und gipfelt in der flehentlichen Bitte der Priester mit ihrem Appell an Jahwes Ehre. Und während die erste Gottesrede in die Prophetenrede zurücksinkt und nur die Möglichkeit einer Erhörung zu zeigen vermag, erhebt sich die zweite zur vollen und unbedingten Verheißung. S o sind es zwei parallele Linien, von denen die zweite nochmals ganz unten einsetzt, dann aber über die erste hinausführt. Solch doppelter Einsatz ist in der alttestamentlichen L y r i k öfter zu finden: im Volksklagelied noch J e s 3 3 2 ff 7 ff Mch 7 7 ff 14 ff, in etwas anderer F o r m — nach Vertrauensmotiv oder Gewißheit der Erhörung nochmaliges Zurücksinken in Klage und Bitte — im individuellen Klagelied Ps 7 2ff 11 ff 3 1 2 ff 10 ff 35 1 ff 11 ff 86 1 ff 14 ff 94 1 ff iß ff 1 0 2 2 ff 24 ff; dreifacher Einsatz in Ps 42 2 ff 7 ff 43 1 ff. D a s Zwiegespräch zwischen Assurbanipal und Nabu kennt dreimaligen W e c h s e l zwischen Königsgebet und göttlichem O r a k e l 1 . Sind demnach c. I f als eine geschlossene Einheit zu betrachten, so ist der Haupteinschnitt im Joelbuch nicht hinter 217 zu machen, womit ein erzählender und ein verheißender Teil unterschieden würden 2 , sondern hinter 2 27: den beiden ersten Kapiteln, die von den Heuschrecken und vom B u ß t a g handeln, treten die beiden letzten gegenüber, die weder das eine noch das andere kennen und voraussetzen, sich überhaupt nicht mit Gegenwärtigem beschäftigen, sondern ganz in der Endzeit leben. Noch ein W o r t über Zeit und Art der Abfaßung. 1 2—14 2 1—17 sind, nach dem dringlichen T o n zu schließen, mitten aus der Not heraus 1) ZIMMERN, Babylonische Hymnen und Gebete I I 20 f, vgl. P. JENSEN, K B V I 2 (1915) 136 ff, STRECK, Assurbanipal (1916) 342 ff. 2) So W. R. SMITH in Enc. Bibl. I I 2495, CAMERON in Hastings Dictionary of the B i b l e I I 6 7 2 , R I E S S L E R 1 3 0 , H A L L E R U. a .

IO]

Joel I und 2

19

verfaßt; mit Recht vergleicht B U D D E Jes 15—9. Dabei muß offen bleiben, ob der Prophet damit überhaupt die erste Anregung zur Abhaltung eines Bußtages geben, oder nur in dichterischer Art seine Gedanken zu dem sonst schon in Aussicht stehenden Bußtag ausdrücken wollte. Die Erzählung 2 is f setzt voraus, daß der Bußtag zur Zeit ihrer Abfassung bereits abgehalten und das an Joel ergangene Orakel 219 f 24-27 von ihm dem Volk auch schon mitgeteilt war. Diese beiden, zu verschiedenen Zeitpunkten entstandenen Teile, die Aufforderung und das Orakel, hat dann Joel zusammen niedergeschrieben und durch die erzählenden Verse 2 is 19 a a verbunden, gleichzeitig auch in das Orakel jenen hymnischen Aufruf 2 21—23 eingelegt. So ist daraus eine Art poetischer Erzählung vom vergangenen Bußtag geworden.

2*

20

Georg Beer

[I

Zur Geschichte und Beurteilung des Schöpfungsberichtes Gen i i—2 4a nebst einem Exkurs über G e n

4 9 8—12

und

22—26.

Von

Georg B e e r Der Stoff von Gen 11—2 4° ist der Hauptsache nach eine babylonische Wandermythe, die u. a., durch einige Züge aus der phönizisch-ägyptischen Kosmogonie bereichert, ihren W e g schließlich auch in die alttestamentliche Literatur gefunden h a t 1 . Ist es richtig, daß die Babylonier schon um ca. 2000 v. Chr.. einen Schöpfungsmythos hatten 2 , welcher der biblischen Erzählung Gen 1 1 ff. stofflich sehr nahesteht, so bot sich für die Israeliten die erste Gelegenheit ihn kennen zu lernen, nach ihrer Einwanderung in Kanaan. Aeltere Vorwellen vorausgesetzt, die aber für die Geschichte des V o l k e s ziemlich belanglos verliefen, ist die Hauptflut der Israeliten, vertreten insbesondere durch die Rahelstämme, ca. 1 2 0 0 in Kanaan eingeströmt. Wie bekannt stand das L a n d in den letzten Jahrhunderten vor der entscheidenden Besiedlung durch Israel unter babylonischem Einfluß, der sich aber im Süden mit ägyptisch-arabischen, im Norden und an der Küste mit hetitischen und mykenischen kreuzte. E s ist möglich, daß zu den Kulturstoffen, die aus Babylonien stammten und in Kanaan damals verbreitet waren, auch eine babylonische Schöpfungsgeschichte gehölte, deren vergeistigtes Nachbild die Erzählung von Gen 1 1 - 2 4 * ist, obwohl den u n m i t t e l b a r e n Nachweis, daß eine solche Geschichte damals wirklich im Umlauf war, noch niemand bis jetzt erbracht hat. A u c h der m i t t e l b a r e Nachweis aus dem A T selbst ist schwer zu führen. Denn von einzelnen Stücken abgesehen, setzt die israelitische Literatur nicht früher als in der Zeit David-Salomos (1000—930) ein, die wie für die Entstehung des Volkes so auch seines Schrifttums erst ein fester Kristallisationspunkt geworden ist. In den ersten Jahrhunderten des 1) Vgl. B U D D E , Biblische Urgeschichte 1883, 4 7 3 ff., G U N K E L , Schöpfung und Chaos 1895,

HOLZINGEB,

Genesis

1898, 19 ff., G U N K E L ,

Genesis3

1910, 116 ff., PBOCKSCH,

Genesis 1913, 4 3 4 ff., KÖNIG, Genesis 1919, 174 ff. 2) GKESSMANN-UNGNAD u n d R A N K E , Altorientalische T e x t e u n d B i l d e r 1909 I, I. Festschrift für Karl Budde.

21

D e r S c h ö p f u n g s b e r i c h t G e i l 1 1 — 2 4a

2] Seßhaftwerdens

haben

die Israeliten

mit

ihrer eignen von F e i n d e n

ringsum und in der Mitte heftig b e d r o h t e n ä u ß e r e n E x i s t e n z n o c h zu sehr

zu

ringen

gehabt,

als daß

materielle K u l t u r des L a n d e s

sie k a u m

sich

viel m e h r als die b l o ß e

aneignen konnten.

D i e Neigung

zur U e b e r n a h m e von M y t h e n und S a g e n setzt im allgemeinen ruhigere Zeiten und eine festere G e w ö h n u n g an das L a n d und seine Bildungsschätze voraus. verwandte

W e n n also eine d e m b i b l i s c h e n B e r i c h t G e n 11—2 4*

babylonische Erzählung

zur Zeit d e s E i n d r i n g e n s der Is-

raeliten in K a n a a n festgewurzelt war, w a s a b e r n o c h u n b e w i e s e n ist, so ist s c h w e r d e n k b a r , d a ß die e b e n v o m V o l l - o d e r H a l b n o m a d e n t u m zur S e ß h a f t i g k e i t

übergehenden

Eindringlinge

sich

sofort

hungrig auf die von den B a b y l o n i e r n zu den K a n a a n i t e r n M y t h e n und S a g e n gestürzt hätten. in

bildungs-

verpflanzten

M a g d a o d e r dort s c h o n früher

g e l e h r t e n P r i e s t e r k r e i s e n Israels

ein S t ü c k b a b y l o n i s c h e r

Geistes-

kultur sich e i n g e n i s t e t h a b e n — im g r o ß e n und ganzen ist Israel von der orientalischen G r o ß k u l t u r tiefer erst in dem

David-Salomonischen

Zeitalter

einer

befruchtet

worden,

israelitischer S o n d e r a r t

das

und

im

Zeichen

Verschmelzung

orientalischen A l l g e m e i n g e i s t e s

stand

D a v i d und S a l o m o hielten F r e u n d s c h a f t mit den Phöniziern II S a m 5 11 1 Kön

v

5 15 ff und

den

Hetitern

G e n 927

II S a m

89

1 Kön

1029.

A u ß e r d e m war S a l o m o der S c h w i e g e r s o h n des P h a r a o I K ö n 3 1 und stand

in H a n d e l s b e z i e h u n g

kleinasiatischen

Ländern

zu S ü d a r a b i e n

1 Kön

IO28.

1 Kön

Unter

ioiff

Salomo

15 und den wurden

die

letzten k a n a a n i t i s c h e n S i p p e n

mit den Israeliten zu e i n e m V o l k ver-

bunden

D a m i t war die natürliche B r ü c k e zum

G e n 9 25 I K ö n 9 2 1 .

U e b e r g a n g der bis dahin in K a n a a n

etwa eingedrungenen oder jetzt

neu o d e r wiederholt e i n s t r ö m e n d e n b a b y l o n i s c h e n Bildungsstoffe schlagen. auch

ein

ge-

Mit der E r h e b u n g J a h w e s zum L a n d e s - und R e i c h s g o t t war Mittel-

und

Anziehungspunkt

für

die

fremden

Mythen

geschaffen. F ü r die V e r t r a u t h e i t des v o r p r o p h e t i s c h e n Israel (d. i. des Israel vor zirka 7 5 0 ) , wenn auch nicht g l e i c h mit der z u s a m m e n h ä n g e n d e n ausführlichen G e s c h i c h t e

und

von G e n 1 1 ff, a b e r d o c h mit wesentlichen

S t ü c k e n aus d i e s e r o d e r einer v e r w a n d t e n S c h ö p f u n g s m y t h e ,

sprechen

folgende Zitate im A T . E i n e älteste, n o c h aus der Zeit v o r David s t a m m e n d e E r w ä h n u n g der nnn n s a i Dinn d. i. d e r Flut,

aus

würde G e n 4 9 2 5 v o r l i e g e n , 1) W E L L H A U S E N , 1 9 0 9 , 18 f.

aus

der (vgl. auch G e n

G e n 1 910 b e k a n n t e n

unterirdischen

1 2 8 2 P) die M e e r e g e s p e i s t

werden,

wenn n i c h t der ganze A b s c h n i t t 4 9 2 5 - 2 6

Israelitisch-Jüdische R e l i g i o n 2 , in K u l t u r der G e g e n w a r t I , I V , I

Georg Beer

22

[3

dem V e r d a c h t unterläge, eine Auffüllung aus dem jüngeren, etwa dem Zeitalter J e r o b e a m s II ( 7 8 3 — 7 4 3 ) angehörenden Konkurrenzliede Dtn 33 13—16 zu sein. Trifft die Ausführung darüber S. 28 ff zu, dann ist die nnn nsan Dinn Gen 4925 = Dtn 3313 ein der n n c n n A m 7 4 (Gen 711 P) gleichzeitiger literarischer Zeuge. Im Zusammenhang damit steht die Anspielung an den auf dem Meeresgrund hausenden Drachen vm A m 9 3 1 . Offenbar den gleichen und den Zeitgenossen längst bekannten Mythos wie A m 9 3 benützt Jesaja, wenn er 30 7 das großmaulige Aegypten ¡"iscten a m 2 nennt, was nur eine etwas andere Benennung des bei der Schöpfung gebändigten Chaosdrachens Ol,"in sein kann. E i n e gewisse Parallele zu der ninn ist der i x , der Gen 2 e ( J ) aus der Erdtiefe beständig hervorsprudelt. V o n den Fenstern oder Gittern des Himmels o r n i n a i s Gen 711 8 a P, durch welche die hinter der rpn lagernden oberirdischen oder Regenwasser Gen 1 7 zur Erde sich ergießen, redet schon II K ö n 7 2 . V g l . auch das traiOT Gen 28 17 E . Ueber den R e g e n verfügt J a h w e auch in der 2. Schöpfungsgeschichte Gen 2 5 J und in der aus vorprophetischer Zeit stammenden Rezension der Sintfluterzählung von J 2 Gen 7 4 u. ö. 3 . Und schließlich ist der R e g e n als der Gehilfe J a h w e s schon durch das alte Deboralied Ri 5 4 bekannt. Vgl. auch Am 74. Kräuter und Bäume gelten wie Gen I n f auch Gen 2 5 8 9 J von J a h w e geschaffen. Fruchtbarkeit und Dürre werden A m 4 e ff Hos 2 10 ff auf ihn zurückgeführt. B e i den 3 Bauernfesten zu Ostern und Pfingsten und im Herbst wird Jahwe öffentlich als Spender der Feldund Gartenfrüchte E x 3418 ff J 2 gefeiert. Aus der durch L X X aufbewahrten vollständigeren F o r m des Tempelweihspruchs 1 K ö n 8 12 ergibt sich, daß in der A e r a Salomos J a h w e wie Gen I 14 ff als Schöpfer der Gestirne angesehen wurde. Sind doch bereits R i 5 4 f 20 die Sterne, der Donner und Blitz die Diener und Waffengenossen Jahwes. Gen 1924 J steht ihm das F e u e r zu Gebot. Neben Sturm und Erdbeben ist 1 K ö n 1911 f das F e u e r der V o r b o t e der Gottheit. Durch das Feuer J a h w e s wird I K ö n 1838 das Opfer des Elia entzündet. Auch sonst ist das F e u e r das Element Jahwes Gen 324 J 1517 J E x 3 2 f J 1321 19 is Ri 621 1320 II K ö n 110 ff A m 14 ff 74. Im feurigen Wagen mit feurigen 1) D o c h HAUSEN,

siehe

GUTHE,

KAUTZSCH, MABTI,

Biblische Theologie

des A T 1911,

NOWACK u. a. vermag ich in

Am 4 13 5 8 f. 9 6 f. H o s 1 3 4 L X X keine alten Bestandteile bücher zu sehen. 2 ) Nach bekannter Verbesserung. 3 ) Vgl. SMEND, Erzählung des Hexateuchs 1 9 1 2 , 2 3 .

den

186. — Mit W E L L kleinen

Naturhymnen

der betreffenden

Propheten-

D e r Schöpfungsbericht G e n 1 1 — 2 4 a

4]

23

Rossen bespannt fährt Elia gen Himmel II Kön 211, vgl. auch 618. Die Souveränität Jahwes gegenüber der Sonne zeigt sich u. a. auch darin, daß, wenn er will, sie auf seinen Befehl am hellen Tag untergeht Am 8 9 ; vgl. auch Ex 1021 Jos 1012 f. W o Jahwe im Himmel thronend gedacht ist Gen I I b J 1924 J 21 17 2211 2812 E X I 9 1 8 249 I Kön 22 19 Jes 6 1 ff, sind die Gestirne, die Blitze usw. seine Paladine, Boten und Diener. Alle diese himmlischen und sonstigen Mächte in der Welt bilden seine niK2S \ Wie die Neumond- und Sabbatfeier den Herrn Jahwe bewegen sollen, den regelmäßigen Mondlauf eintreten zu lassen, so sollen das tägliche Morgen- und Abendopfer im Tempel II Kön 1615 den Wechsel von T a g und Nacht sichern. Auch Gen 1 14 ff sind die Gestirne die von Elohim eingesetzten Zeitregenten. Wie Gen 120-25 wird Gen 219 31 die Tierschöpfung der Gottheit zugeschrieben. Seine Herrschaft über die Tiere bekundet Jahwe, wenn er Tierplagen über die Menschen verhängt E x 7 ff Jes 7 18. Daß in vorprophetischer Zeit die Menschenschöpfung Gen 1 26 als Werk Jahwes angesehen wurde, beweist nicht bloß Gen 2 7 21 f, sondern auch Ex 411 J m,T 'Six «bn • • • D"ti6 fiB Dt» 'ö. Wie Gen 128 ist auch Gen 16 2 J 2018 24 a 2 2931 J 3022 J das Liebes- und Geschlechtsleben der Menschen dem Herrn Jahwe unterstellt und wie Gen 129 werden Gen 2 ig den ersten Menschen die Vegetabilien als Nahrung zugewiesen. L ä ß t sich aus den obigen Zitaten noch keine zusammenhängende Schöpfungsgeschichte gewinnen, die das genaue Duplikat zu der von P wäre, so sind doch in vorprophetischer Zeit — aus dieser stammen im allgemeinen die angeführten Stellen — gewisse Parallelen zu wesentlichen Zügen und Gedanken der Erzählung von Gen I vorhanden. Aber selbst wenn hier allenthalben wichtige Schöpfungswerke im Sinne von P zu dem Gott Israels in Beziehung gesetzt sind, so folgt keineswegs aus der Zusammenschau der verstreuten Einzelzüge, d a ß sie bereits in ihrer Gesamtheit von dem abgeklärten Monotheismus beherrscht sind, der die Darstellung von P kennzeichnet. Dehn der hohe Gottesbegriff von Gen 1 ist erst eine Frucht der denkwürdigen Geistesbewegung, die seit zirka 750 mit Arnos und Hosea im Nordreich, und mit Jesaja und Micha im Südreich einsetzte, um dann in Jeremia, Hesekiel und Deuterojesaja ihren Gipfel zu erreichen. 1) Gen 2 1

p X m D'ÖIOT

scheint an den Gottesnamen n i X 3 X t 6 k

an-

zuspielen. 2) D e r Sinn der Zeremonie Gen 2 4 2 kann nur sein, daß der K n e c h t seine N a c h k o m m e n verflucht, wenn er für den Herrensohn nicht

eignen

die rechte F r a u aussucht und

für die würdige Nachkommenschaft des Patriarchen sorgt.

Dann leistet aber der K n e c h t

d e n S c h w u r bei dem eigenen Glied, nicht dem Abrahams.

E b e n s o ist Gen 4 7 29 zu deuten.

[5

Georg Beer

24 Jene

aus den mitgeteilten T e x t e n

geschichte

wird

weit

terial gewesen sein,

krauser,

rekonstruierbare

bunter

und

Schöpfungs-

heidnischartiger im Ma-

als der jetzige T e x t von P, der trotz aller Ver-

edlung durch den fortgeschrittenen Monotheismus d o c h n o c h gewisse, allerdings mehr nur d e m F o r s c h e r a u g e erkennbare heidnische beibehalten

hat1.

Ihrer

ganzen Haltung

nach

weit mehr der 2. S c h ö p f u n g s g e s c h i c h t e Gen 2 4 ff v e r w a n d t sein.

Reste

wird j e n e Erzählung gewesen

D e n n obwohl letztere bereits J a h w e (Elohim) zum Mittelpunkt

hat, ist sie n a c h allgemeinem Dafürhalten mythologischer als die Parallele Gen I 2 .

Unbestritten g e h ö r t Gen 2 — 3 zu dem v o r p r o p h e t i s c h e n

Schrifttum und ist älter als Gen

I.

J a die S c h ö p f u n g s g e s c h i c h t e v o n P ist vielfach eine bewußte

Kor-

rektur zu Gen 2 f 3 . So

entstehen

zwischen

der

die

Pflanzen

Erschaffung

Menschenschöpfung

von

I n ff 20—25.

und

Tiere

Mann

und

nicht Weib,

wie Gen 2 8 f ib sondern vor

der

A u c h wird der U r m e n s c h nicht wie

Gen 2 21 als Mann-Weib, sondern als Mann und W e i b I 27 geschaffen. Weiter weise

fehlt der stark heidnische Zug, dem

Menschen

als

Gefährten

d a ß die T i e r e 2 20 versuchs-

zugeführt

werden.

Nicht

der

Mensch gibt den T i e r e n die N a m e n 2 14 f, sondern die Gottheit selbst I 20 ff und e b e n s o verfährt sie 3 1 ff ist

die

Erkenntnis

von

bei den. übrigen K r e a t u r e n . Gut

und

Böse

Gen 2 16

d. h. die Kultur

den

Menschen verboten, während sie Gen 1 26 von vornherein g e r a d e dafür bestimmt sind.

Zum E r k e n n e n gehört auch das n r s irr Gen 4 1 4 .

Müssen Gen 3 die beiden Menschenkinder erst durch einen Fehltritt ihr Geschlecht e n t d e c k e n ,

so werden Gen 1 28 Mann und W e i b von

E l o h i m selbst für den ehelichen V e r k e h r durch ein b e s o n d e r e s Segenswort befähigt.

Gen 3 16 wird

Gen 2 23 f sind Mann

das Mutterwerden

und W e i b

von

uran

ist das erste W o r t des Mannes ein L i e b e s l i e d ! 1) Hieher

gehört

Schöpfung aussagt;

z. B .

verflucht!

zur E h e

Jedoch

bestimmt

und

D a r u m ist aber a u c h

alles, was Gen 1 2 über den Zustand der Welt vor der

ferner das

göttliche Schaffen (ntt-'U) 1 7 16 25 26,

Herrscher vorgestellt I 16 18; der Plural ntSBJ 1 2 6 ;

die Gestirne

als

die Erschaffung des Menschen nach

göttlichem obji und niÖT I 26 — wer war das Modell für die Frau? — das Ausruhen Elohims nach getaner Arbeit 2 2. 2) Man denke nur an die Menschenschöpfung als Töpferarbeit betrachtet, das mißlungene Experiment der Erschaffung der Tiere, der Urmensch androgyn, das Paradies oder der Gottesgarten,

die zwei Wunderbäume, der Erkenntnis- und der Lebensbaum,

Früchte den Göttern selbst Wissen und Unsterblichkeit vermitteln,

deren

die redende Schlange,

die im Garten lustwandelnde Gottheit, die Keruben und das Flammenschwert! 3) Vgl. BUDDE, Biblische Urgeschichte 469. 4) D. i. die Frau schmecken (Cnt 4 10 ff 5 1 sapere

stammt.

6 11

7 14), wie sapiens

und savoir

von

Der Schöpfungsbericht Gen 1 1 — 2 4 a

6]

25

Gen 2 16 f 3 1 ff aus einer anderen Quelle als 2 18—24. Ist doch auch Gen 2 20 der Mann überaus klug: er gibt den Tieren die Namen — Gen 3 1 ff ist er einfältig und als unreifer Knabe gedacht und ganz am Gängelbande des sinnlich und geistig regsameren weiblichen Teiles. Gen 2—3 ist das Paradies der ursprüngliche Aufenthaltsort der ersten Menschen — Gen I befinden sie sich sofort auf der nüchternen Erde, auf welche sie 3 23 f erst nach der Vertreibung aus dem Zaubergarten versetzt werden. Gen 3 17 wird die Erde verflucht — Gen r 31 ist alles von Elohim Geschaffene mtiö Sita. Nach P ist der T o d für die Menschen etwas ganz Natürliches, vgl. 5 B ff (P) das wiederholte na1!, nach Gen 3 22 ist ihnen, nachdem sie das »Wissen« erlangt haben, die Unsterblichkeit, das letzte Vorrecht der Olympier, durch Götterneid versagt. Die Unterschiede zwischen Gen 1 und Gen ä f können m. E. nur bewußte Abweichungen eines jüngeren Erzählers von einem älteren Konkurrenten sein, den er verbessern und ersetzen will, um so mehr, da sie als Beeinflussungen durch eine nüchternere Denkweise begreifbar sind. Ihr sind u. a. der androgyne Urmensch, die redende Schlange, die Idee vom Götterneid, die Gottesflüche und das Paradies mit den Wunderbäumen zum Opfer gefallen. Daß P gleichwohl den Mythos vom uranfänglichen Gottesgarten kennt, verrät er durch das Speisegebot Gen 1 29. Denn die Zuweisung der Pflanzenkost und der Baumfrüchte an die Menschen ist nur als Nachhall aus dem Mythos vom goldenen Zeitalter begreifbar, als das Paradies noch auf Erden war, und Menschen und Tiere noch von Pflanzen und Früchten sich nährten 2 i6 3 1 Jes 11 6 f. Und wenn der Urmensch Gen 2 19 den Tieren die Namen gibt und damit seine Ueberlegenheit über die Tiere bekundet, so hat P auch diesem Zug Gen 1 28 Rechnung getragen, damit sich aber einen Widerspruch mit seinem eignen Bericht geschaffen. Denn zum »herrschen« über die Tiere gehört, daß der Mensch sie nicht bloß für sich arbeiten läßt, sondern daß er sich auch von ihnen kleidet und ernährt, was gegen das Speisegebot I 29 ist 1 . Wie schon Näher sind hier wie J 2 für die 4 26 —, sondern -5BU 2 7 3 i9b, J 2

angedeutet (S. 24) ist Gen 2—3 nicht einheitlich. die Quellen J 1 und J 2 zusammengeflossen. J 1 , nicht Urzeit den Gottesnamen ffnbs verwendend — vgl. m,T, erzählt von der Entstehung des Nomaden aus von der des Bauern aus Hö"iK 2 7 3 i9 a2 . Aus dem

1) Vgl. G U N K E L , Genesis 3 114. 2) Vgl. S.WEND, Erzählung des Hexateuchs 18 ff. — MEINHOLD, Einführung in das alte Testament 1919, 1046?. — D i e erde«, vgl.

von

welcher der

»rot« und im Neuhebräischen

L a c k zum Siegeln«.

stammt, ist näher die »Rot-

Mischna Sabbat 8 5

»rote Masse,

26

Georg

Beer

[7

Verhalten von P zu Gen 2 — 3 folgt, daß er zwar J 1 und J 2 kennt, aber weniger als Positiv als vielfach vielmehr als Negativ für seine eigne Darstellung verwendet, für die er selbst eine babylonische, von ihm ihres heidnischen G e w a n d e s entkleidete S c h ö p f u n g s m y t h e befiützt. Während P die Schöpfungsgeschichten von J 1 und J 2 nicht als unmittelbares V o r b i l d sondern nur einzelne Z ü g e daraus teils zustimmend, teils ablehnend für seine Darstellung v e r w e n d e t h a t 1 , ist möglich, daß er sich der aus den Anspielungen in anderen vorprophetischen T e x t e n wiederherstellbaren, J 1 und J 2 dem Geiste nach verwandten, im Einzelmaterial aber immerhin verschiedenen, im Grunde babylonischen Erzählung als Unterlage für Gen I bediente. Ob E seinem W e r k einen k o s m o g o n i s c h e n , P etwa bekannten V o r b a u g e g e b e n hat, bleibt Unsicher. Selbstverständlich kann jener Stoff von Neuem in der Zeit zwischen 7 5 0 — 6 0 0 aus dem Zweistromland nach K a n a a n herübergewandert s e i n 2 . Mit den mesopotamischen Heeren k a m östliche K u l t u r aller A r t nach dem Westen, der in den Zeiten des Friedens in r e g e m , den A u s t a u s c h der Geistesinteressen vermittelnden Handelsverkehr stand. Ihren Höhepunkt erreichte die Durchdringung K a n a a n s mit östlichen Kulturelementen in dem synkretistischen Zeitalter Manasses ca. 690—640. S o l a n g e aber ältere schriftliche von P für Gen 1 benutzte Vorlagen sich nicht nachweisen l a s s e n , sondern nur mit einer 2 — 5 0 0 J a h r e alten mündlichen Ueberlieferung als Quelle des S c h ö p f u n g s berichtes von P gerechnet werden muß, hat die A n n a h m e die größere Wahrscheinlichkeit für sich, daß in der Zeit der Verpflanzung Israels nach Babylonien seit dem E x i l die babylonische K o s m o g o n i e von Neuem und unmittelbar ihren R e i z auf die führenden geistigen K r e i s e der Deportierten ausgeübt hat. W i e bei aller Abschließung g e g e n das Heidentum die J u d e n vieles aus der fremden Kultur entlehnten und der eignen K u l t u r anpaßten, z. B . seit dem E x i l den babylonischen K a l e n d e r übernahmen, oder wie die Beispiele Hesekiels und Sacharjas lehren, wichtige babylonische M y t h o l o g u m e n a sich aneigneten, oder von den Persern u. a. die Auferstehungshoffnung, das Purimfest und den Satansglauben annahmen und selbst als der Gegen1 ) N a c h B U D D E , Geschichte der althebräischen Literatur

2

1909,

102 w ä r e die von

dem R a h m e n des Sechstagewerkes befreite Erzählung G e n I die Schöpfungsgeschichte von J 2 , was ich nach den obigen Ausführungen nicht fiir richtig halten kann. 2) Vgl. BUDDE,

Urgeschichte

516 und

sichten, wann der Stoff G e n I den Israeliten und Chaos 4 .

Daß

ca. 3 0 0 v. C h r .

die Uebersicht über bekannt wurde,

die verschiedenen A n -

bei G U N K E L ,

noch die alten babylonischen

Schöpfung

Mythen und

Sagen

lebendig waren, wenn auch allerlei Varianten sich ausgebildet hatten, lehren die bekannten Mitteilungen aus Berosus.

Der Schöpfungsbericht Gen 1 1 — 2 4a

8]

2;

satz zu den verhaßten Gojim in der griechisch-römischen Zeit sich immer mehr zuspitzte, stärkste Anleihen bei der fremden Zivilisation machten — die von S. KRAUSS gesammelten griechischen und lateinischen Lehnwörter in Talmud, Midrasch und T a r g u m 1898/9 und seine Talmudische A r c h a e o l o g i e 1910—12 reden allein Bände! — , so kann auch von den Gruppen Intellektueller, aus denen P stammt, die Gen 1 zugrunde liegende babylonische Schöpfungsfabel aufgegriffen worden sein. W e n n auch P bei der Verarbeitung des fremden Stoffes in monotheistischem Sinn vielleicht Vorläufer gehabt hat, so blieb doch für ihn noch genug zu tun übrig, um aus der bunten heidnischen Mythe die durch ihre Schlichtheit und Eintönigkeit ewig eindrucksvoll bleibende Erzählung Gen 1 zu schaffen. V o n der Titanomachie, die den babylonischen Schöpfungsbericht einleitet, ist in Gen 1 nur noch eine leise Spur zu finden 1 . Subjekt der Schöpfung in Gen I ist der ewige, selbst ungeschaffene vor der W e l t daseiende G o t t , zu dem sich Israel bekennt (Ps 90 1 f). Ist die A u s s c h e i d u n g der mit der Weltentstehung verknüpften Götterdämmerung nicht erst das W e r k P's, sondern anderer, so würde sie doch ganz dem transzendenten Gottesbegriff entsprechen, dem auch sonst P huldigt, und damit das geistige Eigentum P's sein 2 . A u f P selbst geht vor allem zurück die Einstellung der Schöpfungswerke in den Rahmen des 6-Tagewerks. F ü r diesen Z w e c k hat P die IO W e r k e 1. Licht (1 3), 2. Himmel (v. e), 3. Meere, 4. T r o c k e n e s (v. 9), 5. Flora (v. u), 6. Himmelskörper (v.n), 7. Fische, 8. V ö g e l (v. 20), 9. Landtiere (v. 24) und 10. Menschen (v. 26) s o geordnet, d a ß er je 5 W e r k e auf je 3 T a g e verteilte: Nr. I und 2 auf den I. und 2. T a g , 3 — 5 auf den 3., 6 auf den 4., 7 — 8 auf den 5. und 9 und 10 auf den 6. T a g 3 . W i e von den 6 W e r k t a g e n der W o c h e der Sabbat nicht zu trennen ist, so gehört auch die Sabbatperikope Gen 2 1—3 zu dem Schöpfungsbericht von P, mag auch immerhin das zweimalige V e r b rto : 2 ,1 ibsi und 2 2 ba^ auffallen und das Bnpvi 2 3 bedenklich bleiben. 1) V g l . GUNKEL, Genesis 3 121. 2) V g l . KAUTZSCH, Biblische Theologie des A T 329 f. 3) Seit ILGEN (1798) redet man gewöhnlich von 8 Schöpfungswerken — so selbst noch die neusten Forscher z. B. G U N K E L , Genesis 3 lichkeit sind es aber 10 Werke. pheten 1916,

118 und KÖNIG, Genesis 172.

Nachträglich sehe ich,

In Wirk-

Israels

Pro-

388 zehn Werke herausgerechnet hat, wie schon in seinem Vortrag,

Kos-

mologie und Religion, Basel 1892,

daß auch DUHM,

25, worauf mich Herr Kollege

aufmerksam macht. V g l . auch KITTEL, Geschichte des Volkes Israel I Woher P die 10-Zahl hat, weiß genauer niemand anzugeben.

MARTI 3

freundlichst

1916, 319 Anm. u .

28

Georg

[9

Beer

Denn abgesehen von dem andersartigen nttHp Gen 38 21 22 ist snp'i Gen 2 3 die einzige Stelle, wo der S t a m m t£Hp in der ganzen Genesis v o r k o m m t 1 . G r a d e die K r ö n u n g des S c h ö p f u n g s w e r k e s durch den S a b b a t unterstützt die A b l e i t u n g des S c h ö p f u n g s b e r i c h t e s von P aus der exilischen bzw. nachexilischen Zeit. Denn der S a b b a t hat seine ü b e r r a g e n d e B e d e u t u n g für den Festkalender Israels erst seit dem E x i l erhalten 2 . G e n 1 gehört so hinein in die Zeit, da Deuterojesaja verkündet, daß J a h w e Israels G o t t , der S c h ö p f e r aller Welt ist. In gleicher Weise verbinden sich in Gen 1 1—2 3 Universalismus und Nationalism u s : Elohim der Bildner und Ordner des U n i v e r s u m s , ist der Begründer des jüdischen S a b b a t . In den R a h m e n der damaligen Weltkultur gestellt ist G e n 1 gleichzeitig der kosmologischen Periode der griechischen P h i l o s o p h i e 3 . J a G e n 1 ist geradezu zu beurteilen als ein D o k u m e n t der jüdischen Beteiligung an jenen damals die ganze Oekumene b e w e g e n d e n naturwissenschaftlichen F r a g e n . W i e die Religion Israels durch die U e b e r n a h m e der babylonischen U r m y t h e n erweitert und vertieft w o r d e n ist, so hat umgekehrt schließlich der israelitisch-jüdische Geist jene S t o f f e veredelt. W a s das E n d e der ganzen religiösen Entwicklung Israels und des J u d e n t u m s gewesen ist: die Herausstellung des über R a u m , Zeit und Person erhabenen Weltgottes, der doch in einem Sonderverhältnis zu seinem V o l k b l e i b t , ein K o m p r o m i ß zwischen der von den Propheten angebahnten Weltreligion und der V o l k s r e l i g i o n , das ist in G e n 1 an den A n f a n g der heiligen Bücherei des Judentums gestellt und damit zum A u s g a n g s p u n k t der Religion der Bibel gemacht. D a s ist vom Standpunkt des Historikers aus ein bedauerlicher Irrtum, der für die wissenschaftliche E r f o r s c h u n g der Religion Israels, insbesondere ihrer U r a n f ä n g e für lange Zeiträume ein Hindernis g e w e s e n ist. E s ist aber auch ein Menetekel, in den einfachsten und ältesten R e g u n g e n des religiösen L e b e n s I s r a e l s , oder allgemeiner g e w e r t e t : in der primitivsten Religion, die nach oben und zum Licht drängenden K e i m e und K r ä f t e zu übersehen.

Exkurs Wird

zunächst

von

dem

zu G e n

und

498—12

22-26.

umstrittenen V e r s G e n 4 9 10 a b g e s e h e n , so h a t der jetzige

W o r t l a u t des ganzen G e d i c h t e s z w e i Spitzen, die sich nicht m i t e i n a n d e r v e r t r a g e n . s c h e r ü b e r die B r ü d e r

kann

nicht z u g l e i c h J u d a — 49

1 ) V g l . S I E V E R S , Metrische S t u d i e n I I ,

8

"¡3

"^n^£>,

und

237.

2 ) V g l . B U D D E b e i K A U T Z S C H , H e i l i g e S c h r i f t des A T

3

1909, 647,

3 ) W I N D E L B A N D , L e h r b u c h der G e s c h i c h t e der P h i l o s o p h i e

3

1910,

653. 23.

HerrJosef

10]

D e r S c h ö p f u n g s b e r i c h t G e n 1 1 — 2 4"

sein —

4 9 26 VHS T B .

(Pesch.),

sondern

Brüdern.

Denn

J u d a sein soll.

Auch

wenn

»der G e w e i h t e «

man T ! 3 nicht

übersetzt,

»der

verbleibt

29

Fürst«

Josef

als Geweihter ist J o s e f der V o r k ä m p f e r

oder

»der G e k r ö n t e r

die F ü h r e r r o l l e

oder F ü h r e r ,

was

Nun ist aber n a c h der ganzen A n l a g e d e s G e d i c h t e s J u d a

unter

den

e b e n 4 9 8 fi als

Erbfolger

der älteren und von J a k o b 4 9 3—7 verfluchten S t ä m m e R ü b e n , S i m e o n und L e v i der O b mann der B r ü d e r . auf

der

zielt

Text

4 9 25—26 weichen. und

nach

D a s ist der S t a m m J u d a durch D a v i d und S a l o m o geworden und dar4 9 8—12

allgemeinem

Gen 4 9 ,

so

abzüglich

Da Josef

4 9 10.

in D t n 3 3

Zugeständnis

Dtn 3 3

ist G e n 4 9 2 5 — 26 aus Dtn 3 3

3 3 13—16 aufgefüllt.

Dann

muß

a b e r J o s e f als F ü h r e r s t a m m

der unbestrittene H e r r s c h e r über die Brüder ist jüngere

ergänzt

Zeitverhältnisse

widerspiegelt

Erst durch die E i n a r b e i t u n g Gen 4 9 25—26 ist der J o s e f s p r u c h 4 9 22—26

länger als die übrigen S p r ü c h e geworden.

D i e Verse 25 und 26 lassen

sich

wegnehmen,

o h n e d a ß für J o s e f etwas entbehrt würde, immer unter der Voraussetzung, gemonie

als

und zwar ist G e n 4 9 2 5 — 2 6 aus D t n

J u d a s 4 9 8—12

noch

besteht.

Der

d a ß die H e -

v e r b l e i b e n d e R e s t 4 9 22—24 zollt

gerischen T ü c h t i g k e i t J o s e f s , näher Efraims — 4 9 22 D I B p

der

krie-

— in den E r o b e r u n g s k ä m p f e n

der R i c h t e r z e i t volle A n e r k e n n u n g . Der

Einschub

Gen 4 9 26—26 hat

4 9 10 notwendig gemacht, w o d u r c h heitlichkeit

gewahrt

ist.

Der

den

dem

weiteren

Einschub

gegenwärtigen

Führung

Judas

wird

oder

die

Zusatzdichtung

W o r t l a u t des G e d i c h t e s d i e E i n -

durch die

bekannten

Worte

4 9 10

ein Ziel gesetzt v b n

pia

ppnai n n-fma ts^ü

d " ö b n n p ' i ^ i II n b ' t r

1

tcp-k1?

ks'-'o

-tu

»Nicht wird weichen das Szepter von J u d a , n o c h der H e r r s c h e r s t a b zwischen seinen

Füßen,

bis d a ß der k o m m t , dem er bestimmt ist und ihm der G e h o r s a m der S t ä m m e ( o d e r der V ö l k e r ) zuteil wird.« Mit J u d a s O b e r g e w a l t ging es b e k a n n t l i c h zu E n d e

durch

die von dem

J e r o b e a m I geleitete Revolution, w e l c h e zur Gründung und Vorherrschaft führte.

Seitdem

stand J o s e f

an

J u d a b e h ä l t sein H e r r s c h e r a m t , mit 4 9 22—26 hergestellt. (I Kön

der Spitze bis

es

der B r ü d e r .

Efraimiten

des Nordreiches

G e n 4 9 10 h a t also den

Sinn:

an J o s e f übergeht und damit ist die V e r b i n d u n g

D e r T e x t trägt

den

durch die Ereignisse

nach Salomos

Tode

I I 29 ff 2 2 2 I I K ö n 3 7 8 28 9 16 14 8 16 5) sich herausbildenden politischen V e r -

hältnissen R e c h n u n g und ist eine gewisse P a r a l l e l e zu G e n 3 7 , einem K a p i t e l , das dartun will, wie dem L i e b l i n g s o h n J a k o b s , J o s e f , s c h o n in frühster J u g e n d durch Vater

selbst

verfertigten H e r r e n r o c k 3 7 3 und

s i c h e r e r sich

S t ä m m e n Israels g e b r a u c h t wird, Josef

Indessen ein

den

von dem

den doppelten und darum um s o

erfüllenden T r a u m 3 7 6 ff die K ö n i g s w ü r d e vorausbestimmt worden ist.

R i 5 18 der S t a m m S e b u l o n ein Dl? sein.

durch

heißt

und D'ÖU G e n 2 8 3 4 8 4

so k ö n n e n auch G e n 4 9 10 die C a p

kann D'ÖI? hier auch auf » V ö l k e r « gedeutet w e r d e n ;

Besieger

D t n 3 3 3 von die

Da den

Bruderstämme

ist d o c h D t n 3 3 17

und somit ein B e h e r r s c h e r der Q^öü

G e n 4 9 10 im R a h m e n des ursprünglichen J u d a s p r u c h e s begreifen wollen, h e i ß t dem D i c h t e r eine starke G e d a n k e n l o s i g k e i t und Unhöflichkeit zutrauen. niemandem

anzutastende M a c h t s t e l l u n g

Judas 4 9 8 und 9 und

S o e b e n hat er die von

den R e i c h t u m

seines G e -

bietes an W e i n und M i l c h als L o h n und Quell seiner kriegerischen T ü c h t i g k e i t 4 9 11 und 12 mit h o c h t ö n e n d e n W o r t e n gefeiert,

um im gleichen Atemzug 4 9 10 die H a u p t s a c h e

b l o ß abzuschwächen, sondern ganz wegzunehmen. 1) Zum T e x t vgl. K I T T E L , B i b l i a H e b r a i c a .

nicht



Georg Beer: Der Schöpfungsbericht Gen I 1—24*

Auch die »messianische« Auslegung, für die übrigens die geheimnisvolle Anspielung H e s 21 32 die für uns älteste kontrollierbare Stütze ist, vermag Gen 49 10 nicht als originalen Bestandteil von 49 8—12 zu retten. Denn durch das Auftreten des Idealherrschers würde J u d a seines Ruhmestitels 49 8 und 9 verlustig gehen und der messianische König würde in einen merkwürdigen Gegensatz zu dem König aus Juda treten und obendrein ein Konkurrent Josefs, des vrtS' "IT3 49 26 sein. Die Erwartung des herrlichen Zukunftskönigs im A T hat ihre natürliche Unterlage erst, als das historische Königtum Israels gestürzt war, vgl. z. B. Am 9 11 H o s 4 5 Jes 9 1 11 1. Wie das ganze ursprüngliche politische Gedicht Gen 49 ein vaticinium ex eventu ist, genau so wie die Noahsprüche Gen 9 25 ff, die Verheißungen an die Erzväter 12 2 f u. ö., die Isaakworte 27 27 ff oder die Bileamsprüche N u m 24 3 ff, so hält sich auch der eingeschobene Spruch Gen 49 10 in dem gleichen literarischen Genre: er ist eine Angleichung an den späteren geschichtlichen Verlauf und trägt Rechnung dem Uebergang der Vorherrschaft von Juda an Josef, die durch Jakob, den Stammvater Israels vorausgesehen und vorausbestimmt worden ist. Dtn 33 13—17 ist am verständlichsten aus der Zeit hochfliegendsten Nationalismus, der sich an den Siegen Jerobeams II über die Aramäer entzündete und von einem Arnos 5 u 6 1 13 vergeblich gedämpft wurde.

I]

Alfred Bertholet: Zur Datierung der Damaskus-Schrift.

31

Zur Datierung der Damaskus-Schrift. Von

Alfred Bertholet. D a mich der E m p f ä n g e r dieser Festschrift seinerzeit freundlichst aufgefordert hat, zu seiner Geschichte der althebräischen Literatur die A p o k r y p h e n und P s e u d e p i g r a p h e n zu bearbeiten, so sei mir g e stattet, an dieser Stelle ein paar Bemerkungen zu einer Schrift zu äußern, die, ohne selber streng g e n o m m e n ein A p o k r y p h o n oder Pseudepigraphon zu sein, in den K r e i s jener Schriften hätte mitaufgenommen werden müssen, wenn sie damals schon bekannt gewesen wäre. E s handelt sich um die 1 9 1 0 von SCHECHTER in K a i r o entdeckten F r a g m e n t e einer damaszenischen Gemeindeschrift. Durch ihre Behandlung in den A b h a n d l u n g e n der Preußischen A k a d e m i e der Wissenschaften (1919, Philol.-hist. K l a s s e Nr. 9) hat sich EDUARD MEYER das Verdienst erworben, sie erneut in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussion gerückt und ihr Verständnis in wesentlichen Punkten gefördert zu haben. V o r allem betont er wieder mit N a c h d r u c k ihre innere V e r w a n d t s c h a f t mit den Testamenten der 12 Patriarchen, mit dem Jubiläenbuch, das ausdrücklich in ihr zitiert wird, und mit gewissen Teilen des Henochbuches und zieht daraus den berechtigten Schluß, daß die Entstehungszeit der DamaskusSchrift nicht zu trennen sei von der Zeit, in der die genannten Schriften entstanden sind. Damit fällt endgültig die Berechtigung fort, die Damaskus-Schrift in so späte Zeit wie das 7. Jahrhundert n. Chr. zu datieren, aus welchem man sie als Schrift der durch den K a r ä e r Kirkisani uns bekannten S e k t e der Z a d o k i d e n zum Teil glaubte herleiten zu können (vgl. z. B . BOUSSET in T h R 1 9 1 8 , S. 54 ff.). Schon ihren Stifter Z a d o k in unserer Schrift finden zu wollen, scheint in der T a t ein Mißgriff zu sein. W o sein Name darin erscheint, handelt es sich, wie EDUARD MEYER (S. 5) mit R e c h t erkannt hat, um Z a d o k den A h n h e r r n der Priestergeschlechter aus der Zeit D a v i d s ganz wie bei Hesekiel oder Festschrift für K a r l Budde.

32

Alfred Bertholet

[2

in der Chronik. U n d wenn Kirkisani v o m Sektenstifter Z a d o k berichtet, daß er die Rabbaniten, d. h. die pharisäische Partei angegriffen habe, so ist, wie EDUARD MEYER ebenfalls richtig gesehen hat, die Meinung, als richte sich die Polemik der Damaskus-Schrift g e g e n die Pharisäer, die U m k e h r u n g des Richtigen (vgl. z. B. auch GRESSMANN in Z D M G 66 [ 1 9 1 2 ] , S . 492). D a s Gewicht, das in ihr auf Gesetzlichkeit gelegt wird, geht deutlich genug aus den Reinheitsvorschriften und namentlich den S a b b a t g e b o t e n hervor, und wenn sich dabei in Kleinigkeiten einmal eine A b w e i c h u n g von der sonst als pharisäisch bezeugten Praxis ergeben sollte (was übrigens bei der Dunkelheit des T e x t e s keineswegs in j e d e m F a l l e feststeht), so ist daraus um so weniger K a p i t a l zu schlagen, als die Bezeugung solcher P r a x i s möglicherweise um Jahrhunderte v o n unserer Schrift abliegt und die Behandlung kasuistischer Gesetzesfragen naturgemäß S c h w a n kungen unterworfen war, wie denn auch nach A u s w e i s der Mischna Gesetzesautoritäten, die im Prinzip auf demselben Standpunkt standen, in der Beurteilung von Einzelfragen immer wieder voneinander abwichen. A b e r in einem wesentlichen Punkt hat man, wenn ich recht sehe, über EDUARD MEYERS E r g e b n i s s e hinauszugehen. E r meint, die Gründung der neuen Gemeinde, ihr A u s z u g aus Jerusalem und die A b f a s s u n g der Mahnrede und des Gesetzbuches falle kurz vor das J a h r 170/69, in dem Antiochus E p i p h a n e s zum ersten Male entscheidend in Jerusalem eingriff (S. 62). D a s heißt, daß er die A b fassung unserer Schrift in unmittelbare Nähe der Gründung der Gemeinde rückt. A b e r dem steht entgegen, daß man aus der Schrift selber über die Geschichte der Gemeinde allerhand erfährt, was entschieden widerrät, alles in dieser W e i s e auf eine Fläche zu bringen. 390 J a h r e , nachdem Gott Israel in die H a n d Nebukadnezars g e g e b e n hat, nimmt er sich seiner an und läßt aus Israel und A a r o n (d. h. aus L a i e n - und Priesterkreisen) die »Wurzel der Pflanzung« erstehen (I 5 ff). Damit scheint auf die eigentliche Gründung der Gemeinde hingewiesen zu sein. A b e r ihre A n f ä n g e sind nicht ihre Höhepunkte: »Sie wurden wie Blinde und nach dem W e g e Tastende 20 J a h r e l a n g ; da merkte Gott auf ihre Taten, daß sie ihn aus ungeteiltem Herzen suchten, und ließ ihnen erstehen einen L e h r e r der Gerechtigkeit« ([ 9 ff). A b e r die Schrift kennt auch schon seinen T o d (19 35)1 »und von der Zeit, da heimberufen wurde der L e h r e r des Einzigen bis zur Vernichtung aller. Kriegsleute, welche mit dem Mann der L ü g e auszogen, sind ungefähr 40 J a h r e « ( 2 0 1 4 f). Wie viele v o n diesen 4 0 J a h r e n schon verflossen sind, wie viele noch der Zukunft

Zur Datierung der Damaskus-Schrift

3] angehören,

steht freilich dahin.

Zahl 2 0 wie schon scheiden,

Ich s e h e a b e r keinerlei Grund,

die 3 9 0 mit EDUARD MEYER als Glossen

ohne d a ß

zu nehmen hätte.

33

man

darum diese Zahlen

die

auszu-

mathematisch

genau

2 0 als Hälfte der typischen 4 0 - Z a h l mag als runde

Zahl gedacht s e i n ; die 390-Zahl s t a m m t wohl sicher aus H e s 4 5 als Zahl der Drangsalszeit und braucht nicht, wie SCHECHTER wollte, in 490 ( =

7 0 J a h r w o c h e n ) verändert zu werden.

A b e r wie es sich damit

im einzelnen auch verhalten

mag,

das

G e n a n n t e dürfte schon hinlänglich beweisen, d a ß von der Gründung der G e m e i n d e die Abfassung der Schrift abzurücken ist, und zu ihrer Datierung

mögen

S i e kennt ziehen

( 2 0 14 f),

der L ü g e

im folgenden

einen

mit

einen »Mann des S p o t t e s ,

träufelte«

(I 14 f).

geäußert

sein.

Kriegsleute

aus-

einige V e r m u t u n g e n

>Mann der L ü g e « ,

dem

der über Israel

CHARLES sieht

in ihm

Wasser

Herodes

den

G r o ß e n , weil er in dem »von A a r o n und Israelc k o m m e n d e n Messias seltsamerweise A l e x a n d e r o d e r Aristobul, rodes, welcher Israel,

und

einen der S ö h n e

der Mariamne,

welche

des H e -

als Hasmonäerin

A a r o n vertreten soll, glaubt vermuten zu dürfen ( T h e A p o c r y p h a and Pseudepigrapha of the O . T . 1913, S . 788).

A b e r natürlich k ö n n t e man

bei dem als Mann der L ü g e und des S p o t t e s G e k e n n z e i c h n e t e n an A l e x a n d e r J a n n a e u s denken, sacher

gerne

der L ü g e

9 8 16 9 9 2 104 9 f 108 6). auch

gemünzt

sein,

»Grenzverrücker« der

Gerechten

auch

dessen fromme Gegner ihre W i d e r -

und W o r t v e r d r e h u n g zeihen

(vgl. Hen 9 4 5

Auf ihn, den gewalttätigen E r o b e r e r , k ö n n t e

daß

unsere

Schrift

die

nennt (1 16 5 20 19 15 f.).

angetastet

werde

(1 20 f),

Gegner

mit Vorlie-be

Daß

ferner

fände

seine

das

Leben

Begründung

z. B. in JOSEPHUS Ant. X I I I 14 2 (vgl. B . J . I 4 E), wonach A l e x a n d e r J a n naeus gegen 8 0 0 der ihm feindlich gesinnten d. h. pharisäischen J u d e n ans

Kreuz

schlagen

ließ.

Wenn

es heißt,

d a ß er unterdessen mit

seinen Buhlerinnen am G e l a g e gesessen habe,

so würde dazu

nicht

übel stimmen der N a c h d r u c k , mit dem sich unsere Schrift gegen alle Hurerei als eines der haupt ihre

drei Netze Beliars wendet

starke Hervorhebung

der strengen

(vgl. 4 15 ff), Monogamie

überals

der

g o t t g e w o l l t e n Ordnung ( 4 20 f 5 1 ff). Ich g e b e zu, das alles sind Züge s o allgemeiner Natur,

d a ß sie

an sich auf irgend einen G e n u ß - oder Profanmenschen gehen könnten. Vielleicht a b e r läßt sich B e s t i m m t e r e s nennen. H a u p t a n s t o ß für den V e r f a s s e r die V e r q u i c k u n g schlechtlichen »Sie

Gebahrens

entweihten

sprechend

den

des

Gegners

das Heiligtum, Unterschied

Festschrift für Karl Budde.

D a bildet denn einen des

mit seinem

insofern sie nicht

machen

und mit

der

unsaubern heiligen

ge-

Dienst.

dem G e s e t z entMenstruierenden 3

Alfred Bertholet

34 zusammenliegen« mit

Ps

Sal

(5 s f).

812:

unreinigung,

»Sie

und

in B l u t f l u ß

meines Fleisch.« in d i e s e m P u n k t

Auffällig betraten

Nun so

ist

gut

ist

des

hier

Herrn

die

Uebereinstimmung

Altar

verunreinigten

die E x e g e s e

wie

[4

sie

der

unbestritten:

nach jeder

das

Opfer

salomonischen gerichtet

d i e S a d d u z ä e r und d e n h a s m o n ä i s c h e n P r i e s t e r a d e l

Ver-

wie

ge-

Psalmen

sind sie g e g e n zum T e i l

haben

s i e w o h l g e r a d e z u A l e x a n d e r J a n n a e u s im A u g e . Vorab

aber

mache

ich

auf

zwei P u n k t e

aufmerksam.

So

gut

wie u n e r k l ä r t ist b i s h e u t e d i e auffällige B e z e i c h n u n g d e r G e g n e r »Wand-Erbauer« »Zaun nicht

der

( 4 1 9 8 1a 18 1 9 24 f 31);

die D e u t u n g

auf den

Aboth

I 1 übrigens

Jjp

und

u n s e r e r S c h r i f t p n (bzw. prr) h e i ß t , ist b e i e i n e m

Ver-

TcapäSoatg« 2 ,

wie in

als

denn

der

in

Pirke

f a s s e r , d e r , wie b e r e i t s e r w ä h n t , s e l b e r i m S t i l d e r P h a r i s ä e r d i e G e s e t z e s v o r s c h r i f t e n weit a u s b a u t , e i n e U n m ö g l i c h k e i t .

Nun

liest

man

JOSEPHUS A n t . X I I I 13 s, wie A l e x a n d e r J a n n a e u s a u s A e r g e r ü b e r d a s bekannte

Vorkommnis

am

Laubhüttenfest,

wo

die F r o m m e n

W i d e r w i l l e n g e g e n ihn e i n m a l die Z ü g e l s c h i e ß e n l i e ß e n , e i n e Wand

(Spöfpaxxov

£6Äivov)

um A l t a r und T e m p e l

ihrem

hölzerne

bis an den

Raum,

d e n n u r die P r i e s t e r b e t r e t e n d u r f t e n , h a b e e r r i c h t e n l a s s e n , u m sich so das V o l k zum

vom Leibe

Verständnis

zu

halten.

des Ausdruckes

Sollte nicht

der

hier der

»Wand-Erbauer«

d e m die G o t t l o s e n d e m V e r f a s s e r ein

für

allemal

Schlüssel

liegen,

s c h e i n e n m o c h t e n ? — U n d s e l b s t für die H e d s c h r a d e r G e m e i n d e Damaskus

könnte

die R e g i e r u n g s z e i t

besondern Anhaltspunkt bieten.

des

Nach

Alexander

dem

mit

gebrandmarkt Jannaeus

Racheakt

der

t u n g v o n 8 0 0 J u d e n , v o n d e m i m o b i g e n die R e d e w a r ,

er-

nach den

Hinrich-

flohen,

wie

JOSEPHUS A n t . X I I I 1 4 2 ( = B . J . I 4 E) b e r i c h t e t , e t w a 8 0 0 0 b e i N a c h t und

blieben,

solange

nach dem Jahre 88. nach Damaskus

Alexander

lebte,

auf

der

begab,

aus

unschwer begreifen lassen.

den

politischen Verhältnissen

dann

folgte

der

feindlichen Brüder A n t i o c h u s X I I . und Philippus nach Wechselfällen

Araberkönig tiochus XII.

Aretas. und

Das

wäre

Antiochus Mit

Aretas,

der

D a m a s k u s s t a n d bis 8 8 u n t e r d e r

schaft des Demetrius E u k ä r u s ; fiel

Flucht.

N o c h w ü r d e s i c h , d a ß s i c h ein T e i l v o n i h n e n

allen stand

zu;

der

dreien,

aber

Kampf

der

beiden

u m die S t a d t . verlor

Demetrius

Alexander Jannaeus

Zeit Herr-

sie an

Eukärus,

Sie den An-

auf Kriegsfuß,

1) Diese Erklärung sucht freilich SKAT HOFFMEYER, Den apokryfe og pseudepigrafe Litteraturs Stilling til Partidannelserne i den palaestinensiske Senj0dedom 1918, S. 112 ff. einzuschränken. 2) So zuletzt noch SKAT HOFFMEYER, a. a. O., S. 133 f.

5]

Zur Datierung der Damaskus-Schrift

35

so d a ß es nahe genug lag, wenn Leute, die vor Alexander flohen, bei einem von ihnen ihre Zuflucht fanden. Heißt das zusammengenommen, daß unsere Schrift unter Alexander Jannaeus anzusetzen sei? Man könnte wohl diesen Schluß aus 2o 14 f ziehen wollen, wo von Kriegsleuten die Rede ist, die mit dem Mann der Lüge ungefähr 40 Jahre ausziehen. Es ließe sich nämlich denken, die Worte seien, da Alexander Jannaeus weniger als 40 Jahre regiert hat, von jemandem geschrieben, der seinen Tod noch nicht erlebt, aber ihm eine Regierung von der üblichen Zeitdauer einer Generation (vgl. die 40 Jahre der Richtergenerationen) zugemessen habe. Wenn nur eben die 40-Zahl nicht eine so viel gebrauchte typische Zahl wäre, so daß aus ihr für eine Datierung vielleicht überhaupt nichts zu gewinnen ist! Der Verfasser weiß von Leuten, die seit dem Auszug nach Damaskus wieder abgefallen sind (19 34). Dabei hat man vielleicht an Elemente zu denken, die beim Umschwung der Dinge nach Alexanders Tod — bekanntlich soll auf seinen Rat hin seine Gemahlin und Thronnachfolgerin Alexandra mit den Pharisäern ihren Frieden geschlossen haben — sich zur Rückkehr nach Jerusalem bewegen ließen, wie sie ja auch von JOSEPHUS (1. c.) vorausgesetzt wird, während die Strengern in diesem Friedensschluß mit dem Königshof nur einen Abfall von der guten Sache sehen mochten. Würde, falls das zuträfe, unsere Schrift frühestens der Zeit Alexandras (76—67) zuzuweisen sein, so hätte man möglicherweise noch einen Schritt weiter zu gehen: Es heißt 8 9 ff: »Drachengeifer ist ihr (der Gottlosen) Wein und furchtbares Otterngift» (vgl. Dtn 32 33). »Die Drachen, das sind die Könige der Völker, und ihr Wein, das ist ihr Wandel. Otterngift ist das Haupt« (Wortspiel mit >der Könige von Jawan, das kommt, um an ihnen Rache zu üben«. Nun ist zwar leider ganz unklar, wen der Verfasser mit diesem König von Jawan meint; ich hielte aber nicht für_ unmöglich, d a ß in apokalyptischer Sprache der Ausdruck von einem Römer gebraucht würde, so daß er auf Pompejus ginge, der bekanntlich auch im 2. salomonischen Psalm als Drache geschildert wird (v. 25). Gerade wenn der Verfasser in Damaskus schrieb, konnte er Pompejus um so eher im Auge haben, als dieser heranzog, um in Damaskus sein Quartier aufzuschlagen. Zu dieser Zeitbestimmung — um 63 v. Chr. — würde trefflich stimmen, daß das in unserer Schrift zitierte Jubiläenbuch wie auch der ursprüngliche Bestand der Testamente der 12 Patriarchen, mit dem sich unsere Schrift mehrfach berührt, am wahrscheinlichsten aus der Zeit der Alexandra herzuleiten sind. EDUARD MEYER wird den 3*

36

Alfred Bertholet

[6

guten Gründen, die für eine derartige Datierung der genannten Schriften sprechen, nicht gerecht, wenn er (S. 62) ohne weiteres urteilt, die üblichen Ansätze für ihre Abfassungszeit seien beträchtlich zu spät. Viel richtiger, als diese wohlerwogenen Ansätze zugunsten einer hypothetischen Datierung der Damaskus Schrift aufzugeben, wird es sein, ihre Datierung auf Grund derjenigen der genannten Schriften hinabzurücken. Daß in der Zeit des Pompejus von Götzendienst und Bilderkult ( 2 0 9 24) nicht mehr die Rede sein könne ( E D U A R D M E Y E R , S. 18 Anm. 1), ist zum mindesten eine unbewiesene Behauptung; z. B. führt die Interpolation Test. Seb. 9 , welche wegen ihrer Warnung, sich in Israel oder Jerusalem zu spalten und zwei Königen zu folgen, aller Wahrscheinlichkeit nach in die Zeit der Bruderkämpfe Aristobuls II. und Hyrkans unmittelbar vor dem Auftreten des Pompejus gehört, darüber Klage, daß man jedes Götzenbild anbete, und Stellen wie Hen 46 7 997 9 14 104 9 J u b 20 7 ff 36 5 mit ihrer Polemik gegen Götzendienst und Bilderkult sind vermutlich um nicht sehr viel älter. W e r weiß, wie oft es sich dabei übrigens um nichts anderes gehandelt haben mag, als daß die bekämpften Gegner in ihren Häusern griechischen Bildwerken Einlaß gewährten! Es wäre das schon Hellenismus g e n u g , den E D U A R D M E Y E R (S. 12) in unserer Schrift glaubte vermissen zu müssen. D a ß von Antiochus Epiphanes und der Makkabäererhebung in der Damaskus-Schrift nicht gesprochen wird (MEYER, S. 48), braucht natürlich keineswegs zu heißen, d a ß sie vor diese Zeit fällt; es kann umgekehrt bedeuten, daß man sie von ihr nach unten abzurücken hat. Richtig ist, daß ihre Sprache schwerlich erlaubt, sich zu weit von den jüngsten Erzeugnissen des Alten Testamentes zu entfernen (vgl. MEYER, S. 7); denn es ist auffällig, wie man mit der Kenntnis alttestamentlichen Sprachgutes unserer Schrift gegenüber fast völlig auskommt. Daß dagegen, wie E D U A R D M E Y E R (S. 8) meint, das Danielbuch nicht verwendet werde, trifft vielleicht nicht zu. Die Bezeichnung der Engel als »Wächter« (2 18: 1. TB statt it») kann aus Dan 4 10 14 20 stammen. Sicher besteht der jerusalemische Tempel noch (vgl. C H A R L E S , a. a. O . , S. 7 8 7 , 799), so daß gegen die hier vorgetragene Datierung der DamaskusSchrift in die Zeit etwa des Pompejus Einwendungen kaum zu erheben sein dürften. Schwieriger ist es zu sagen, in welche Zeit die Entstehung der Gemeinde falle. Daß mit den 390 Jahren (1 6) nicht zu rechnen sei, etwa s o , daß sie von 586 einfach abzuziehen wären, ist nach dem obigen klar. Bekanntlich ist es um die jüdische Chronologie der nachexilischen Zeit fragwürdig genug bestellt. J O S E P H U S irrt sich um

7]

Zur Datierung der Damaskus-Schrift

37

50, der Verfasser des Danielbuches um 70 und der jüdische Hellenist DEMETRIUS (am E n d e des 3. J a h r h u n d e r t s v. Chr.) ebenfalls um ungelähr 70 Jahre. So bleibt nur die Möglichkeit übrig, von der ang e n o m m e n e n D a t i e r u n g der Schrift n a c h ihren eigenen A n g a b e n rückwärts zu rechnen. D a scheint der Verfasser schon eine Generation n a c h d e m T o d e der Persönlichkeit zu s c h r e i b e n , die er als L e h r e r der Gerechtigkeit die Gemeinde führen läßt ( 2 0 i 4 f ) ; diese Persönlichkeit aber läßt er ihrerseits erst 20 J a h r e n a c h G r ü n d u n g der Gemeinde aufgetreten sein (1 10 (). Das ergibt zusammen eine Zeitspanne, die es nicht unmöglich m a c h e n würde, die G r ü n d u n g der Gemeinde der Zeit der M a k k a b ä e r anzunähern. G e n a u e r läßt sich vielleicht sagen, d a ß der Z u s a m m e n h a n g der zum »neuen Bund« sich zusammenschließenden f r o m m e n Separatisten mit Priestern u n d Heiligtum (vgl. »Israel und A a r o n « 1 7 und die oben e r w ä h n t e Messiaserwartung) darauf deutet, ihre A b s p a l t u n g sei zu einer Zeit erfolgt, wo das priesterliche A m t in die H a n d von L e u t e n überging, welche diesen ängstlichen Seelen zu weltlich erschienen. D a s w ä r e bei der Griechenfreundlichkeit gewisser H o h e r p r i e s t e r der Makkabäerzeit verständlich genug, und unsere G e m e i n d e g r ü n d u n g würde sich als Parallelerschein u n g zum V o r g e h e n Onias' IV. erweisen, der, selber von hohepriesterlichem G e s c h l e c h t , die griechenfreundliche S c h w e n k u n g nicht mitm a c h t e , sondern es vorzog, Jerusalem zu verlassen, um auf ä g y p tischem B o d e n den T e m p e l der Gottgetreuen zu e r b a p e n . Ueberh a u p t scheint es eine Zeit von Konventikelbildungen gewesen zu sein. D e r Hinweis auf die auvaytoyrj 'AaiSatwv (I Mak 2 42) liegt auf der Hand. Das wichtige E r g e b n i s einer im obigen Sinne d u r c h g e f ü h r t e n bestimmten T r e n n u n g der F r a g e der Datierung unserer Schrift u n d der Gemeindegrtindung liegt darin, d a ß zu einer A e n d e r u n g gewisser Ansichten über eine relativ s p ä t e E n t s t e h u n g einzelner P s a l m e n und Prophetenstellen auf G r u n d der Damaskus-Schrift, die z. T . eine Blumenlese alttestamentlicher W o r t e ist, keinerlei A n l a ß vorliegt, was allerdings der Fall wäre, wenn EDUARD MEYER in seinen Datierungsergebnissen R e c h t hätte.

38

C . H . Cornill

[i

Psalm 130. Von

C. H. Cornill. Unter den mannigfachen guten Gaben, welche das arbeitsfrohe und ertragreiche Sehaffen unsres verehrten Jubilars der alttestamentlichen Wissenschaft beschert hat, ist wohl keine so bedeutsam geworden, wie »das hebräische Klagelied«. Keine Erörterung metrischer Fragen kann an ihm vorbeigehn und was es für die alttestamentliche Exegese bedeutet, weiß jeder Kundige. So soll denn auch meine bescheidene Festgabe diesem Gebiet entnommen sein und in einer Behandlung des 130. Psalms bestehn, welche hauptsächlich die Form dieses köstlichen Liedes zu ihrem Gegenstand hat. Daß die Gruppe der rrftmi T® in weitgehender Weise den Rhythmus des Klagelieds zeigt, hat der Jubilar natürlich schon 1882 gesehen: speziell zu unsrem Ps 130 bemerkt er: »In Ps 130 ist v. 2 bis zum Hauptteiler zu v. 1 zu ziehen. Es stimmen dann alle Verse bis auf s und 7«. In »die schönsten Psalmen« hat er 130 nicht aufgenommen, so daß wir nicht wissen, wie er sich jetzt den Text denkt, und unter den Psalmenerklärern herrscht keine Uebereinstimmung, so daß es wohl lohnt, die Frage zu behandeln. Ich kann nicht ohne weiteres zugeben, daß in v. 1—6 alles stimmt. Für mein Gefühl ist in a a , der das zweite kürzere Glied zu 1 b bilden muß, eine Hebung zu viel und muß etwas gestrichen werden. Wir haben dafür die Wahl zwischen »nx neben m,T und ^ipa neben bi pb und es ist lediglich ein Geschmacksurteil, wie wir uns entscheiden. D u h m und S t a e r k streichen T t K ; ich möchte lieber streichen und begegne mich dabei mit einem Teile der griechischen Ueberlieferung, indem für den textus receptus xrj; j ysypaTtTai EV ßißXitp Tfjs (¡)5fjs. D e r g e b o t e n e T e x t ist der von B , eines vororigeneischen T e x t e s 2 , den wir vielleicht, was III R e g betrifft,

mit der Rezension

des He-

sych gleichstellen dürfen 3 . D i e hexaplarische Rezension des Origenes liegt

uns

vor in A. 247. S y r . - A r m . S l a v ;

T e x t sind unsere V e r s e nicht erhalten. EV

yvoeptp für

cianrezension, nehmen, EX

wenn

EXTIPETTFJ,

bietet

wir die A u s g a b e

SAIRJAEV

für

asaÜTöj für aauTiij,

SYVWPTAEV,

LAGARD ES i

xai

EOJIEV

YVO) handelt, wie er h e u t e n o c h im H a u r ä n üblich ist; v g l . W E T Z S T E I N , D i e syrische D r e s c h t a f e l Z E t h n o l . V , S . 295 f . 4) Jes 15 2 Jer 41 5 48 37; von heidnischen

Priestern

E p Jer 30 f ;

eine

Abart

ist

d a s Bartraufen E s r 9 3. 5) L e v 21 5: l n ' W K b DJpT DXB1.

W a h r s c h e i n l i c h ist

hier

nicht

a l l g e m e i n v o n der

H a a r t r a c h t der Priester die R e d e , sondern nur von ihrer H a a r t r a c h t in Zeiten der T r a u e r . n^J =

»rasieren« w i e H e s 4 4 20; v g l . unten S. 68, A n m . 3.

6) N u r die V e r b e n weichen a b ; aber ¡THICT und n'PJ k ö n n t e n andere A u s d r ü c k e f ü r dieselbe S a c h e sein. 7) E i n e

bildliche

Darstellung

ist

bisher

unbekannt.

Die Aegypter

ließen

T r a u e r die H a a r e w a c h s e n , w ä h r e n d sie sie sonst Schoren ( H E R O D O T 2 36).

in

der

D i e H a a r t r a c h t der I s r a e l i t e n

3]

63

würden auch wir solche Einschnitte in Haupt- und Barthaar als »Verstümmelungen« bezeichnen; doch bleibt dies ein relativer Begriff. Lev 19 27 dagegen verbietet e r s t e n s das kreisrunde Abscheren des Haarrandes, das man nicht wie bei der Trauersitte auf die Stirn beschränken darf, sondern auf das ganze Haupthaar beziehen muß. Man hat daher mit Recht angenommen, daß hier die Haartracht der Nomaden beschrieben und bekämpft wird. HERODOT sagt genauer: Die Araber der Sinai-Halbinsel scheren ihr Haar »kreisförmig, indem sie die Schläfen rasieren« 1 ; d . h . die Haare werden rings um den Kopfrand kurz abgeschnitten, und daher müssen die Schläfen, deren Haare die Kreisform zerstören würden, rasiert werden. So begreifen wir, daß die Nomaden bei Jeremia »die am Rande Gestutzten« heißen 2 , und daß JOSEPHUS die Nabatäer am Toten Meere »struppig und rund um den Scheitel geschoren« nennt 3 . Dem entsprechend wird man die z w e i t e Vorschrift in Lev 19 27 deuten müssen : »Ihr sollt den Rand eures Kinnbartes nicht verstümmeln«; das Wort »Rand« ist also nicht vom Ende oder von der Ecke des Kinnbartes, sondern ebenso wie im Vorhergehenden zu verstehen. Anders ausgedrückt: Ihr sollt euch nicht rund um den Kinnbart rasieren, weder die Oberund Unterlippe noch den Bart unterhalb des Kinnes 4 . Schwanken kann man, ob man den Bart der Oberlippe oder den Schnurrbart mit zum Rande des Kinnbartes rechnen darf; aber wäre der Schnurrbart in das Verbot der Verstümmelung nicht mit eingeschlossen, dann wäre diese Ausnahme wohl besonders hinzugefügt, etwa: Nur den Bart über der Lippe dürft ihr rasieren. Nach den bildlichen Darstellungen semitischer Nomaden auf ägyptischen und babylonischen Denkmälern, die EDUARD MEYER eingehend untersucht hat, ist für sie neben dem kurz geschnittenen Haupthaar der Kinnbart charakteristisch; beide Lippen sind glatt rasiert 6 . Da1) H E R O D O T 3 8: xeipovxat TteptxpoxaXa Ttspigupoüvxsg TOÜJ xpoxäcpouj. 2 ) J e r 25 43:

'Slip;

Vgl. 9 25 4 9 32.

D i « Uebersetzung

»an der S c h l ä f e gestutzt«

ist ungenau, zumal da der H e b r ä e r ein b e s o n d e r e s W o r t für » S c h l ä f e « (flp"n) h a t . 3) JOSEPHUS

c.

Ap.

I 173:

M E Y E R , S u m e r i e r und Semiten S . 4) B e i

den

Tijäha

der

aüx|J-«ÄEOi xopucpäj xpo/OY.&upadsi;

modernen

der B a r t unter d e m K i n n (hangara)

vgl.

EDUARD

22. und

»Arabia der

Petraea«

Hinterkopf

( M U S I L I I I S . 159) wird

nur

bis zu den O h r e n rasiert; d a s

übrige H a a r : Schnurrbart, » F l i e g e « , K i n n b a r t und B a c k e n b a r t , die alle b e s o n d e r e N a m e n h a b e n , l ä ß t m a n stehen.

S c h o n P L I N I U S 6 32 gibt den A r a b e r n eine andere H a a r t r a c h t :

A r a b e s mitrati degunt aut intonso c r i n e ; b a r b a abraditur, praeterquam in s u p e r i o r e l a b r o ; aliis et h a e c intonsa. 5) E D U A R D M E Y E R , S u m e r i e r und S e m i t e n 1 9 0 6 ) S . 1 6 ff.

(Abhandlungen

der B e r l i n e r

Akademie

64

Hugo

[4

Greßmann

mit stimmen die literarischen Nachrichten überein, nur daß sie etwas genauer beschreiben oder erschließen lassen, was aus den Denkmälern nicht ersichtlich ist: D a s Haupthaar war rings um den Kopf kreisartig geschnitten; die Schläfen und die Ränder des Bartes auf Ober- und Unterlippe und unterhalb des Kinnes waren rasiert, so daß der bloße Kinnbart übrig blieb. 2. D i e

Haartracht

der

Bauern.

Im Gegensatz zu den Nomaden tragen die syrisch-palästinischen Bauern schon in der vorisraelitischen Zeit, wie EDUARD MEYER 1 auf Grund der ägyptischen Denkmäler festgestellt hat, »das Haar länger, so daß es oft als breiter S c h o p f oder in mehreren gelockten Strähnen auf den Schultern aufliegt; das Haupthaar ist immer schwarz, der B a r t oft rötlichgelb. In der Regel tragen sie auch den Schnurrbart«. Für die Israeliten, die ja Bauern waren, ergibt sich dasselbe schon aus dem Gegensatz zu der Haartracht der Nomaden in L e v 19 27. Einzelne Nachrichten bestätigen und vervollständigen das Bild. A u f das lange Haupthaar wird oft angespielt: D e r Dämon faßt Hesekiel »bei einer L o c k e seines Hauptes« und hebt ihn zwischen Himmel und Erde e m p o r 2 . Delila webt die L o c k e n Simsons fest in das Gewebe des Webstuhles ein 3 . Absalom läßt sich nur einmal jährlich s c h e r e n 4 ; wenn diese Kunde auch nachexilisch ist und ihre Geschichtlichkeit deswegen bezweifelt werden kann, wird doch sonst Aehnliches aus Eitelkeit öfter vorgekommen sein. A b e r da Absalom nach der zuverlässigen Schilderung seines T o d e s »mit dem Kopf(haar)« in einer E i c h e hängen blieb, wie es bei den Steineichen des 'Adschluns mit ihren langen Stacheln leicht begreiflich ist, so werden wohl auch hier lange Haare vorausgesetzt 5 . D a s »rabenschwarze« Haar des Geliebten, vielleicht das seiner » L o c k e n « , wird im Hohenliede gerühmt 6 . Ausnahme-Schönheiten, wie sie auch bei den polnischen Juden vorkommen, sind David und Esau, die »rot« genannt werden, 1) E b e n d a S . 2 2 f .

2) H e s 8 3 .

3 ) J d c 1 6 13 ff.

4) I I S a m 1 4 26; v g l . B U D D E Z. S t . 5) I I S a m

1 8 9.

Vielleicht

hat

a b e r B U D D E recht,

mit dem K o p f in eine A s t g a b e l g e z w ä n g t w u r d e . Z u s a t z e s 1 4 26 d a s W o r t erzählt König

BRUCE,

Reise

wenn

er

meint,

Dann müßte s c h o n

v o m K o p f h a a r mißverstanden h a b e n . zur E n t d e c k u n g

Tacla Haimanot II.

der Quellen

des

blieb durch Unachtsamkeit

G a n d a f f a z w e i g h ä n g e n ; freilich statt selbst getötet zu w e r d e n ,

ließ

des

Ein Parallel-Beispiel

Nils V I I 3 :

mit H a a r

daß Absalom

der Verfasser

und er

Der

abessinische

Mantel den

an

einem

Ortsvorsteher

z u r S t r a f e töten. 6 ) C a n t 5 n , aber der T e x t ist s c h w e r verständlich und zum T e i l w o h l f a l s c h .

5]

Die Haartracht der Israeliten

65

vermutlich wegen ihres roten Haares oder Bartes 1 . Wenn Elisa als »Kahlkopf« verspottet wird, so wird er wahrscheinlich als alter Mann mit einer Glatze gedacht 2 . Perücken hatten die Israeliten im allgemeinen sicher nicht, obgleich sie vereinzelt im Gebrauch gewesen sein mögen 3 . A u s dem unscharfen Verständnis von Lev 19 27 und ebenso aus der ungenauen Uebersetzung der Nomaden-Bezeichnung (»die an der Schläfe Gestutzten« statt »die am Rande Gestutzten«) könnte man schließen, daß die Israeliten lange Schläfenlocken trugen, wie sie bei den heidnischen 4 und muslimischen Arabern in der Jugend 5 und bei den heutigen frommen Juden auch im A l t e r 6 üblich sind. Da sie aber weder im Alten Testament erwähnt noch auf den Denkmälern dargestellt werden, so dürften sie erst in der nachbiblischen Zeit Sitte geworden sein. A m schwersten ist die Frage nach dem Schnurrbart zu beantworten ; denn auf den Denkmälern ist er nicht mit Sicherheit nachzuweisen. W i r besitzen allerdings nur drei Darstellungen von Israeliten 7 . Davon sind zwei assyrisch: eine auf dem schwarzen Obelisken Salmanassars mit dem Tribut Jehus 8 und eine auf dem Relief San1) I Sam 1 6 1 2 Gen 25 25; vgl. die Semiten von Qurnet-Murräi bei L E P S I U S , D e n k mäler III 116 a. nesis

2) II nirgends mälern

Reg sonst

häufig

Denkmäler Anm.

PAUL HAUPT,

Biblische

Liebeslieder

S. 57 f. 123 und G U N K E L , Ge-

S. 296 denken freilich an die bräunliche, bronzene Hautfarbe.

3

2 23.

Eine

erwähnt,

vorkommen,

III

116 a

prophetische

während wo

und

»Tonsur«

Kahlköpfe

gewiß

dazu

nicht

EDUARD

unter an

wäre

nicht

unmöglich,

den Syrern

Rasur

MEYER,

zu

wird

auf ägyptischen

denken

Sumerier

ist;

und

aber Denk-

vgl. LEPSIUS,

Semiten

S.

23,

1.

3) I S a m 19 13: DVI) T M

ist wahrscheinlich eine »Perücke

Haare nachgeahmt werden sollen.

aus Ziegenhaaren«, da

B U D D E denkt an ein »Haarsiebtuch«, was auch mög-

lich wäre, während andere Deutungen nicht einleuchten. 4) V g l . W E L L H A U S E N , Reste

1

S. 119.

5) V g l . MUSIL, Arabia Petraea III S.

160.

6) Die S c h l ä f e n l o c k e n heißen »Peies« =

¡"HKS.

7) Die

der

beiden

schreitenden

Krieger

(G. SCHUMACHER,

Fundbericht

I,

K u l t u r 2 S. 54, A b b . 19) sind

Taf.

auf XXIV

=

Tonscherbe

von

P. THOMSEN,

Teil

el-mutesellim

Palästina

und

schwerlich Israeliten, erstens weil sie Panzer tragen,

seine und

zweitens weil die T o n s c h e r b e fremder Import zu sein scheint.

N a c h dem Fundort müßte

sie

vierten

aus

der

Zeit

vor

dem

8. Jhrh.

stammen,

da

sie der

D o c h belehrt mich Herr MÖTEFINDT, d a ß sie nach ihrer T e c h n i k

Schicht

angehört.

(Malerei in dunkelrot

und schwarz) sicher nicht älter sei als das 8 . — 7 . Jhrh. 8) Auf MEYER

dem G i p s a b g u ß

(Sumerier und

des Berliner Museums habe ich ebensowenig wie

EDUARD

Semiten S. 2 1 , A n m . 4) etwas Sicheres erkennen können,

die Photographien von MANSEXJ. genügen nicht. Festschrift für Karl Budde.

5

auch

66

Hugo

[6

Greßmann

heribs vor Lachis beide sind, wie es scheint, so undeutlich, daß sie eine sichere Entscheidung nicht zulassen. Dazu kommt drittens das ägyptische Sisak-Relief: auf dem Stück, das sich im Berliner Museum befindet, haben die Judäer sicher keinen Schnurrbart 2 . Doch kann hier möglicherweise der festgeprägte T y p u s des semitischen Nomaden nachwirken. Nach den literarischen Nachrichten ist an der T r a c h t des Schnurrbartes kaum zu zweifeln, auch wenn man den oben gezogenen Schluß aus L e v 1927 anfechten wollte. Denn neben pl, dem » K i n n b a r t « 3 , kann na» nur den »Schnurrbart« b e d e u t e n 4 . D a s legt schon die E t y mologie nahe, da es wahrscheinlich von HSü »Lippe« abzuleiten i s t 5 . Die wenigen S t e l l e n , in denen es uns b e g e g n e t , genügen jedenfalls zum Beweise, daß man zwischen beiden W ö r t e r n scharf unterscheiden muß. In der Totentrauer wird, wie wir gesehen haben, der »Kinnbart« geschoren oder verstümmelt, niemals der »Schnurrbart«; und umgekehrt wird der »Schnurrbart« verhüllt 6 , niemals der »Kinnbart«. 1) A u c h hier versagen

die P h o t o g r a p h i e n von M A N S E L L ;

die Abbildungen

T E R S O N , Assyrian Sculptures, P a l a c e o f S i n a h e r i b , sind u n b r a u c h b a r .

bei PA-

W i e weit die beiden

Z e i c h n u n g e n des »Israeliten« ( v o m S a l m a n a s s a r - O b e l i s k e n ) und des » J u d ä e r s « (aus L a c h i s ) bei J . B E N Z I N G E R , nicht

Archäologie

zu b e u r t e i l e n ;

da

schnittenen S c h n u r r b a r t .

hat

2

der

S. 55,

Abb.

Israelit

1 6 und 17 zuverlässig

keinen,

der

auch

sind,

dagegen

vermag

ich

einen kurz g e -

W a h r s c h e i n l i c h h a b e n a b e r die assyrischen K ü n s t l e r überall einen

kurz geschnittenen S c h n u r r b a r t angedeutet, auch wenn urteilt

Judäer

MEYER).

EDUARD

Das

könnte

der

er nicht überall e r k e n n b a r ist

assyrischen

Tracht

entsprechen

(so (so

E D U A R D M E Y E R ) , k ö n n t e a b e r auch die israelitische T r a c h t wiedergeben, was mir wegen der r i c h t i g e n K o p f b e d e c k u n g w a h r s c h e i n l i c h e r ist. 2) B e s t e

Abbildung

bei

H. S C H Ä F E R ,

s c h i c h t e I 1) S . 2 1 , A b b . 3 .

Was

man

Aegyptische

nach

Kunst

Kunstge-

(SEEMANNS

dieser W i e d e r g a b e

für

einen

Schnurrbart

h a l t e n k ö n n t e , ist auf dem Original deutlich als tiefe M u n d f a l t e e r k e n n b a r , wie sie auch sonst bei der D a r s t e l l u n g von N o m a d e n ü b l i c h ist. 3 ) A u c h im modernen A r a b i s c h ist dakn Petraea I I I S.

4 ) I m Schweizerdeutsch Wort

»Knebelbart«,

bezeichnet

speziell der » K i n n b a r t « ; vgl. M U S I L , A r a b i a

159. das

einen B a r t

ist

man

vorn

»Schnure« bisweilen

am

noch

heute

im L e x i k o n

für » M u n d « g e b r ä u c h l i c h .

findet,

Kinn (»Napoleonsbart«),

vermeidet

schließt

man

aber

Das

lieber.

Es

g e w ö h n l i c h den

Schnurrbart mit ein. 5) So auch B A U E R - L E A N D E R ,

Historische Grammatik S. 504.

A b l e i t u n g liegt j e d e n f a l l s n ä h e r als die g e n i a l e , J E N S E N S ZAssyr. V I I parsumu

passumu —

(1892)

S. 218,

(wie B D " 0

a b e r nicht

der a n eine W u r z e l Q B Ü C D S ) »der G r e i s « ,

Diese

gewöhnliche

sicher beweisbare denkt =

eigentlich

Vermutung

assyr.

p-s-m\

»der B ä r t i g e «

(wie

D i e griechische U e b e r s e t z u n g der L X X h a t nur a n einer S t e l l e ( I I S a m 1925)

das W o r t QDtp richtig

mit

[iuaxa£

wiedergegeben;

aus

den

übrigen

Stellen

geht

nur

hervor, d a ß sie das W o r t nicht verstand oder anders las. 6) L e v 1 3 45 H e s 2 4 17 22 M i c h 3 7.

Es

ist merkwürdig,

S t e l l e n kein Suffix h a t (anders als I I S a m 1 9 25).

daß

DS!£> an allen diesen

67

D i e Haartracht der Israeliten

7]

Das wurde wahrscheinlich so g e m a c h t , daß man das Gewand über den unteren Teil des Gesichtes legte, bis auch die Oberlippen verdeckt waren 1 . Häufig wird im Unglück als Zeichen der Trauer der ganze Kopf verhüllt 2 , aber das gilt nicht für die Totentrauer. Es muß seinen besonderen Grund haben, wenn die Verhüllung ausdrücklich vom Schnurrbart berichtet wird, und nicht etwa vom Mund, der doch zugleich mit verhüllt wird. Die Erklärungen, daß man nicht sprechen 3 oder daß der Totengeist wie ein Bazillus in den Trauernden einfahren wolle 4 , sind daher abzulehnen. B U D D E kommt wohl der richtigen Deutung am nächsten, wenn er die Verhüllung für einen Ersatz des Scherens hält; nur nennt er dies fälschlich ein »Umgehen«, weil er zwischen Schnurrbart und Kinnbart nicht scharf unterscheidet 5 . Hätte man den Schnurrbart scheren oder verstümmeln können, so hätte man es gewiß getan wie beim Haupthaar und beim Kinnbart; man tat es nicht, weil man es nicht konnte, und daher verhüllte man ihn 6 . Man wird also annehmen müssen, daß der Schnurrbart bei den Israeliten kurz geschnitten wurde 7 , ähnlich wie bei den Ass y r e r n 8 oder bei den heutigen Arabern des Ostjordanlandes 9 . Unter dieser Voraussetzung erklärt sich auch die letzte Stelle, in der vom Schnurrbart die Rede ist und die man für entscheidend ausgeben darf. Von Meribbaal heißt es, daß er »seine Füße nicht 1) S o

richtig

KAMPHA.USEN

bei

RLEHM,

Handwörterbuch I

S. 1 5 1 .

Eine

Dar-

stellung fehlt bisher, wie ausdrücklich festgestellt sei, auch bei den A e g y p t e m ; die g e g e n teilige Behauptung F L A U B F R T S beruht auf e i n e m Irrtum. 2) II Sam 15 30 Jer 14 3 f Esth 6 12.

Zur Erklärung vgl. die Zusammenstellung der

Deutungen bei NOWACK, Hebräische Archäologie I S. 195 f., der aber die verschiedenen Riten nicht scharf sondert, und bei P. TORGrE, S e e l e n g l a u b e und Unsterblichkeitshoffnung. Leipzig 1909, S. 1 7 2 ff. 3) So SMEND ZU H e s 24 17. 4) So FRAZER und andere Ethnologen. dem bösen Blick, S. 146) und

wie sie bei

ebenso bei den

Auch

die Analogie

zu d e m Verhüllen vor

den alten Arabern bezeugt ist (WBLLHAUSEN, modernen

Arabern

vorkommt

(JAUSSBN,

Reste

Coutumes

1

des

Arabes S. 3 7 7 ) gehört nicht hierher. 5) V g l . das Zitat oben S. 6 1 . 6) Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, ihn lang wachsen zu lassen, wie bei den A e g y p t e m ; denn die Hauptsache ist, d a ß man beim T o d e s f a l l das Gegenteil dessen tut, was man sonst zu tun pflegt. 7) Das ist kein Widerspruch

mit L e v 1927,

da dort das Rasieren,

aber nicht das

Schneiden verboten wird. 8) Die Assyrer hatten allerdings einen

kurz geschnittenen Schnurrbart,

die Enden lang wachsen und drehten sie zu schönen Schnecken;

ließen aber

diese fehlten den Is-

raeliten, wie aus d e m F o l g e n d e n hervorgeht. 9) Vgl. MUSIL, Arabia Patraea III S. 1 5 9 :

D e r Schnurrbart

ist

»gewöhnlich

und nicht allzudicht«. 5*

kurz

68

H u g o G r e ß m a n n : Die Haartracht der Israeliten

[8

gepflegt, seine H ä n d e nicht g e p f l e g t , seinen S c h n u r r b a r t nicht gepflegt und seine Kleider nicht gewaschen« h a t t e 1 . W i e die Nägel an H ä n d e n und F ü ß e n , so h ä t t e auch der S c h n u r r b a r t beschnitten sein m ü s s e n 2 . A m langen S c h n u r r b a r t erkennt m a n den verwilderten M e n s c h e n , nicht an langen H a u p t h a a r e n oder an langem Kinnbart. U e b e r das H a a r s c h e r e n gab es keine b e s o n d e r e n V o r s c h r i f t e n , wie schon das Beispiel A b s a l o m s lehrt ; nur für die nachexilischen Priester b e s t i m m t Hesekiel, d a ß sie ihre H a a r e zwar nicht rasieren, a b e r doch kurz schneiden sollen 3 . E i n e willkommene negative Bestätigung bietet die Erzählung von der Behandlung, die den G e s a n d t e n Davids durch den A m m o n i t e r k ö n i g H a n u n widerfahrt; er läßt ihnen zum Schimpf »die Hälfte ihres K i n n b a r t e s « a b s c h e r e n und die untere H ä l f t e ihrer Kleider a b s c h n e i d e n 4 . H ä t t e n sie einen langen S c h n u r r b a r t getragen, w ü r d e er gewiß auch ihn verstümmelt h a b e n , wie es die m o d e r n e n A r a b e r in einem ähnlichen Falle t a t e n 6 . Nach alledem stimmen die literarischen N a c h r i c h t e n mit den ägyptischen Darstellungen der s e ß h a f t e n Syrer überein. Wie diese so hatten auch die Israeliten in der Regel lange H a u p t h a a r e , die in einem S c h o p f auf den N a c k e n herabfielen; dazu k a m ein langer, spitzer K i n n b a r t und ein kurz geschnittener S c h n u r r b a r t . 1) I I S a m 1 9 25:

»Seine H ä n d e nicht gepflegt« f e h l t im hebräischen T e x t , ist a b e r V T flttfiJ x b l (KLOSTERMANN).

n a c h d e m griechischen der L X X einzusetzen: 2) S o haben

die englischen

Kommentatoren

( D R I V E R und SMITH) richtig erklärt,

während die deutschen auf eine Erklärung verzichten. 3) H e s 44 20: hervor,

daß

D I T B W r n K 1 0 0 3 ' D1D3 • • . l n ' ^ P vb D W T

flbî hier

so viel

bedeutet

wie

»rasieren«

oder

A u s d e m Gegensatz g e h t »kahlscheren«.

zwischen s t e h e n d e n W o r t e passen nur d a n n in d e n Z u s a m m e n h a n g , w e n n m a n m b l f 1 übersetzen darf, wie es bisweilen geschieht : w a c h s e n lassen.«

aber

auch

daUlä 1 !

ihr H a a r nicht wild

A b e r d a s ist s c h w e r l i c h e r l a u b t ; n a c h d e n parallelen Stellen m u ß m a n

vielmehr ü b e r s e t z e n : 13 46 2110).

»Sie sollen

Die

»Sie sollen ihr H a u p t h a a r nicht wild fliegen lassen«

(vgl. L e v 10 6

D a n n wird es a b e r a m besten sein, diese W o r t e als späteren Zusatz zu streichen.

4) I I Sam 10 4. 5) J A U S S E N , C o u t u m e s d e s A r a b e s S. 95 : »Des b é d o u i n s s ' e m p a r è r e n t d ' u n t r a î t r e q u i avait dévoilé à l ' e n n e m i leur p l a n d e c a m p a g n e ; ils le rasèrent c o m p l è t e m e n t d ' u n côté, lui c o u p è r e n t l a m o u s t a c h e d e l ' a u t r e , et le laissèrent ensuite en liberté«.

jj

Hermann G u n k e l : P s a l m 133

6g

Psalm 133. Von

Hermann Gunkel. Der Aufforderung, mich an der Festschrift für K A R L B U D D E ZU beteiligen, bin ich mit Freuden nachgekommen. Denn wenn mich auch, wie ich nicht leugnen kann und mag, meine wissenschaftlichen W e g e von der älteren W E L L H A U S E N s c h e n Schule, deren würdiger und hochverdienter Vertreter der Jubilar ist, in manchem abgeführt und dazu wohl gar zuweilen in Gegensatz gestellt haben, so ist es doch immer meines Herzens Meinung gewesen, daß es in der Wissenschaft wohl Gegner, aber niemals Feinde gibt, und gern habe ich jede Gelegenheit benützt, um meine Hochachtung und Verehrung für die Männer auszusprechen, die unsere Forschung vor Zeiten unter Führung von W E L L H A U S E N und S T A D E neu begründet haben, und deren Namen bis in späte Geschlechter hinein nicht vergehen können. Ich lege auf den Gabentisch eine Erklärung von Psalm 133, ein Stück des Psalmen-Kommentars, den ich demnächst zu veröffentlichen gedenke. 1 Seht, wie schön und wie lieblich es ist, wenn Brüder beisammen wohnen: 3+ 3 2 wie das köstliche Oel auf dem Haupt, 'das' herniederfließt in den Bart; 3+ 2 'wie Aarons Bart, der herniederfließt auf den Saum seiner Kleider; 3+ 2 3 wie der Tau des Hermon, der herniederfließt auf die Berge 'von Dan'. 3+ 2 Denn daselbst hat Jahwe den Segen verordnet, Leben auf ewig. 2+ 2+ 2 1 . Der Psalmen-Kommentar wird seine Eigenart besonders darin haben, daß er versucht, die einzelnen Gedichte, die unserer Erklärung so viel Schwierigkeiten gemacht haben, nach ihrer inneren Zusammengehörigkeit zu ordnen und daraus zu verstehen. In diesem Falle liegt Festschrift für Karl Budde.



Hermann Gunkel

[2

die Sache sehr einfach; der Psalm ist ein d. h. ein »Weisheitsspruch«, wie sie sich auch an anderen Stellen des Alten Testamentes, besonders in den Proverbien, im Buche Jesus Sirach und sonst, namentlich auch im Aegyptischen finden, und ist mit Sprüchen wie Ps 127 1 f und Ps 1 2 7 3 — 5 der Gattung nach nahe verwandt. Bei der Feststellung der Gattungszugehörigkeit wird man besonders auf die Anfänge der Gedichte zu achten haben: auch Ps 127 3—5 hat einen eigentümlichen Anfang: er beginnt mit ¡"lärt. vgl. Ps 33 18. Bezeichnend für den Weisheitsspruch ist es auch, daß er eine Betrachtung über dasjenige gibt, was »gut« aia ist, vgl. Prov 24 13 25 27 Qoh 2 3 24 5 17 6 12 117 und besonders Threni 3 26 f T o b 12 7 f 11; insbesondere in der Form des Ausrufs »wie schön ist es« vgl. Jes Sir 25 i f und die ägyptischen Sprüche des Ptah-Hotep bei R A N K E in G R E S S M A N N S Altorientalischen Texten und Bildern Bd. I S. 201. — Der Psalm rühmt es, »daß Brüder beisammen wohnen«. Gemeint ist dabei nicht, daß sie sich gelegentlich, etwa zu Familienfesten, zusammenfinden (DUHM); noch weniger ist an Volksgenossen gedacht ( E W A L D , H I T Z I G U. a.), die sich in Jerusalem zusammen niederlassen sollen ( W E L L H A U S E N , K E S S L E R U. a.) oder sich dort bei Festfeiern begegnen ( O L S H A U S E N , B A E T H G E N , K I T T E L U. a.); auch versperrt man sich das Verständnis, wenn man »einträchtig« oder dgl. einträgt ( E W A L D , B A E T H G E N , K I T T E L U. a.). Der Sinn des Wortes ist durch S. R A U H , Hebräisches Familienrecht 1 9 0 7 S. 3 5 FR. aufgehellt worden. R A U H verweist auf dieselbe Redensart im hebräischen Recht Dtn 25 B: die Pflicht der Leviratsehe gilt »für den Fall, daß Brüder zusammen wohnen« HIT B"ns lattf1 '3 ; der Gegensatz dazu ist, daß sie bei ihrer Verheiratung oder nach dem Tode des Vaters auseinanderziehen; man erinnere sich der Sagen von Abraham und Lot sowie von Jakob und Esau, die eine Zeitlang »beieinander wohnen« ,nrT 3E>,) dann aber sich trennen vgl. Gen 13 6 36 7 P. Wir erkennen hier also eine alte Sitte Israels, die wir auch bei vielen andern Völkern der verschiedensten Nationalität und Rasse wiederfinden, wonach das Familiengut mehrere Geschlechter hindurch im ungeteilten Besitz der Erben verbleibt oder von ihnen gemeinschaftlich bewirtschaftet wird, eine Sitte, mit der auch ein Zusammenwohnen im selben Hause verbunden sein kann. Dies nach R. H I L D E B R A N D , Recht und Sitte auf den primitiven wirtschaftlichen Kulturstufen 1907 2 S. 157. So wird es von den alten Russen berichtet, daß nach dem T o d e des Vaters die Söhne b e i s a m m e n b l i e b e n und eine gemeinsame Wirtschaft führten S. 158; dasselbe von den Armeniern: »häufig b l e i b e n d i e B r ü d e r nach des Vaters T o d i n G e m e i n s c h a f t des Vermögens und

Psalm 1 3 3

3]

71

der Wirtschaft sitzen« S. 159; von den Mirediten in Oberalbanien: »daß sich nach dem T o d e eines Vaters die Brüder trennen, kommt nur in den seltensten Fällen vor« S . 159. U e b e r diese »Großfamilie«, die »drei bis vier Generationen zusammenkettet« und »unter den älteren Kulturvölkern des Westens und Ostens herrscht« vgl. E. GROSSE, F o r m e n der Familie S. 10, 18 f., 122, 124, 218 ff., 2 2 4 ff., 231 ff. Ein solches Verfahren wird Dtn 25 5 noch als gewöhnlich, aber nicht als selbstverständlich vorausgesetzt; im Psalm erhält es besonderes L o b , muß also inzwischen eine Ausnahme geworden sein. Dasselbe im gegenwärtigen Palästina vgl. HANS SCHMIDT, Volkserzählungen aus Palästina S . 63 und im neuaramäischen Märchen vgl. LIDZBABSKI, Die neu-aramäischen Handschriften der kgl. Bibliothek zu Berlin, B d . II

S.

113,

PRYM

und

SOCIN,

Der

neu-aramäische

Dialekt

des

Tür-Abdin Teil II S . 164 f. »Der Psalmist preist also eine »gute, alte Sitte, die zu seiner Zeit im Verschwinden begriffen ist«, RAUH S. 36. Wie schön ist es, so meint er, wenn Brüder so starkes Familiengefühl haben und sich so gut vertragen, daß sie beieinander wohnen bleiben! — 2 — 3 b. Im folgenden eine Reihe gehäufter Bilder, wie sie der Masal, besonders der späteren Zeit, zum Ausdruck der Begeisterung liebt, vgl. etwa J e s Sir 24 13 ff 26 le ff sowie 50 5 ff. In diesen Bildern wird nicht etwa der Segen oder gar der göttliche, durch den Priester vermittelte (KESSLER, KIRKPATRICK) oder der Priesterweihe zu vergleichende (BAETHGEN) Segen dieser Gemeinschaft dargestellt, wie die meisten Neueren, Geistliches in diesen weltlichen Zusammenhang eintragend, behauptet haben (NOWACK, KAUTZSCH3 U. a.), sondern, wie der T e x t deutlich sagt, soll so d i e » S c h ö n h e i t u n d L i e b lichkeit« eines s o 1 c he n B ru d e r b un des dargestellt u n d v e r h e r r l i c h t werden. Gern wählt der hebräische Dichter seine Bilder so, daß sie in sich selbst ihre Stimmung tragen (vgl. z. B. Ps 1 2 8 3 ) : so spricht er hier von dem köstlichen, mit duftenden Bestandteilen gemischten Oel, das auch nach ägyptischer Sitte langsam herniederträufeln muß (vgl. ERMAN, Aegypten S . 317): auch nach der Anschauung der Hellenen etwas besonders S c h ö n e s vgl. Homerische Hymnen (ed. GEMOLL) X X I I I 3 atd aöv 7iXoxa|iü)v ¿7coXsißeTai uypiv eXacov und Kallimachos, Hymnus in Apollinem 38 a.i 5t xö[iat &u6evxa 7ie§ti) Xeißouaiv eXaia, und zuletzt von dem L e b e n spendenden Tau, der herrlichen Erquickung aller Pflanzen in heißer Sommerszeit. Auch liebt es die fromme Dichtung, zumal die spätere, die Bilder dem Bereiche des Heiligen zu entnehmen, dem alle Verehrung gilt, vgl. z. B. J e s Sir 24 15d 2617 5 0 9 * . Darum redet der Dichter von dem Barte A a r o n s , dem ehrwürdigen Hohenpriesterbarte, der, nach

72

Hermann Gunkel

[4

G o t t e s Gesetz niemals beschnitten (Lev 21 s), lang herniederwallt: wohlgepflegte Bärte, A u s d r u c k männlicher W ü r d e , schätzt das Morgenland n o c h h e u t e . Solche heiligen Bilder a b e r w e r d e n auch für D i n g e g e b r a u c h t , die an sich ganz weltlich sind; so wird Jes Sir 2617 ein schön g e b a u t e s W e i b mit dem heiligen L e u c h t e r verglichen. D e m n a c h folgt auch in unserm Psalm aus d e m geistlichen Bilde nicht, d a ß sich die Gemeinschaft der Brüder auf das Heilige bezieht (gegen BAETHGEN und KITTEL). N u n ist allen diesen Bildern gemeinsam, d a ß etwas von d e m H ö h e r e n auf das b e n a c h b a r t e Niedere herunterfließt; sie sollen also darstellen, w i e l i e b l i c h e s i s t , wenn der besitzende Teil dem ärmeren, der neben i h m w o h n t , v o n s e i n e m U e b e r f l u ß m i 11 e i 11, wie das bei gemeinschaftlicher W i r t s c h a f t der Brüder der Fall sein m u ß (NOWACK). Das köstliche Oel, auf das H a u p t in reicher Fülle gegossen (Ps 23 5), bleibt nicht an diesem h a n g e n , sondern sickert hernieder in den B a r t und s p e n d e t so auch diesem. U n d A a r o n s Bart — geistreich nimmt der Dichter das zuletzt a u s g e s p r o c h e n e W o r t auf — wallt nieder auf den Halsausschnitt (Ex 28 32 39 2s) der Kleider, so d a ß auch diese S c h m u c k und W ü r d e e m p f a n g e n . D e r h o c h r a g e n d e Hermon, von W o l k e n umzogen, mit reichem T a u gesegnet, behält das edele N a ß nicht für sich selbst, s o n d e r n seine B ä c h e ergießen es auf die niedriger gelegenen H ö h e n , die ihm vorgelagert sind. E s ist klar, d a ß die Berge, die den H e r m o n t a u e m p f a n g e n , nicht die von Jerusalem sein k ö n n e n ; aus d e m Z u s a m m e n h a n g e g e h t ja deutlich hervor, d a ß es sich um E r h e b u n g e n handeln muß, die d e m H e r m o n ebenso b e n a c h b a r t sind und unter ihm liegen wie der Bart unter u n d n e b e n d e m H a u p t e und der Kleidersaum unter u n d n e b e n d e m Barte. Man hat also mit GRAETZ und GRESSMANN (brieflich) anzunehmen, d a ß hier ein a n d e r e r N a m e g e s t a n d e n hat. D e r Dichter hatte hier nordisraelitische Berge g e n a n n t ; a b e r spätere, fanatisch-jüdische Bea r b e i t u n g hat sie nicht dulden wollen u n d dafür »Zions Berge« eingesetzt. D e r vermißte N a m e m a g e t w a »Dan« gewesen sein. — 3 C d e. Mit der letzten Zeile w e n d e t sich der Psalm, wie es in hebräischen Gedichten häufig geschieht, das Ganze schön a b r u n d e n d , zum A n f a n g zurück. W a r u m alle diese wundervollen Bilder für die einträchtigen B r ü d e r ? J a h w e selbst segnet den schönen Bund für alle Zeit. D e r Masal mit seinen würdig-freundlichen Vergleichen ist gewiß einmal das Entzücken der L e s e r g e w e s e n ; uns sind eben diese Bilder wegen ihrer eigentümlich-morgenländischen F ä r b u n g nicht leicht zu verstehen, so d a ß die Geschichte der E r k l ä r u n g g e r a d e dieses S p r u c h e s

Psalm 133

5]

73

eine wahre L e i d e n s g e s c h i c h t e gewesen ist.

S o ist der V e r s u c h ,

ganz allgemein gehaltenen W o r t e in einer bestimmten

die

geschichtlichen

Situation anzusetzen (OLSHAUSEN, GRAETZ, KESSLER U. a.), eine graus a m e Mißhandlung. D a das Gedicht ursprünglich von nordisraelitischen B e r g e n redet, werden

wir die V e r m u t u n g

stammt;

daß dort auch

hegen

nach

mendichtung geblüht hat,

dürfen,

daß

es

aus

Nordisrael

dem Untergang des S t a a t e s die Psal-

ersehen

wir, wie im K o m m e n t a r

gezeigt

werden soll, aus Ps 77 8 0 81. E s gehört zu KARL BUDDES unvergänglichen Verdiensten, er die Augen der Gelehrten, die bis dahin

daß

für hebräische Metrik in

seltsamer W e i s e blind waren, eben dafür geöffnet und uns besonders den Qina-Vers, zeigt hat.

den von SIEVERS später sogenannten »Fünfer«,

Versuche,

stellen, h a b e n

auch in Ps 1 3 3

BICKEI.L,

DUHM, SCHLÖGL, BUDDE

S . 194 f.), PRÄTORIUS ( Z D M G L X X I einige A n g a b e n

regelmäßigen V e r s b a u

darüber unten.

(ZAW

Versuche

bedenklich;

vielmehr

X X X V

1917 S. 3 9 9 f.) u . a .

Nach

»Fünfern«

wiederherstellen DUHM, BUDDE und PRÄTORIUS. scheint

es,

geraten, mit der Möglichkeit zu rechnen,

wollen

den

von SIEVERS entdeckt

und

immer von vielen Erklärern

gar

Text

einstweilen,

auch hier

»gemischte

V e r s e « vorliegen; die erste Zeile scheint ein gewöhnlicher dreier« zu sein und die letzte ein

1915

angestellt;

D o c h bleiben diese

mindestens

daß

ge-

herzu-

»Doppel-

» S e c h s e r « , eine Versart, bereits

nicht so selten,

wenn

auch

noch

unbeachtet.

E i n z e l n e s . 1 . n n , das in hebr. Hss. fehlt, aus metrischen Gründen zu streichen (BUDDE, PRÄTORIUS), ist, da es Gattungszeichen ist (vgl. oben), untunlich. — DA verstärkt LIT, EWALD; es fehlt in den V e r s s . außer T a r g . — PRÄTORIUS, der gleiche

für das Zusammensitzen

die drei mit v. 2 einsetzenden von

Brüdern

möglich« findet, will in 1 b lesen *TTt Bü genehm ist es, d a ß W a s s e r Psalm danach

unpassend

zu welcher

einer — Wasserleitung, israelitischen Gattung

»das gute Oel«

verstanden;

s a m n u t a b u , v g l . I I R e g 2 0 13 J e r 6 2 0 u. a .

fassen Sita nach dem Arabischen als »Würze«.

den

wobei

er

das Gedicht

gehört, freilich nicht den K o p f zerbrochen hat. — 2 . Sitan der Punktation als

wie

KSK? »wie schön und an-

k o m m t und herabfließt«, und faßt

als Verherrlichung

sich über die F r a g e ,

»so

Ver-

wird von

ebenso babylonisch

HITZIG u n d D . H . M Ü L L E R

Gemeint ist jedenfalls ein

profanes Würzöl. — TT ohne Artikel mit folgender näherer B e s t i m m u n g Ps 57 3, aber b e s s e r nach den Parallelen "nW zu lesen, GRAETZ, EHRLICH u. a . ; das » ist nach tftnn ausgefallen, PRÄTORIUS. — steht nach

dem

(oft verkannten)

Metrum

und e b e n s o

PN« II?'

gemäß

dem

74

Hermann Gunkel: Psalm 1 3 3

[6

Zusammenhange genau an derselben Stelle wie aitan |ö®3 2 und plann ^ES 3, führt also eine zweite Vergleichung ein; demnach ist ?[5"3 zu lesen, GRAETZ, BUDDE U. a. Das kleine Textverderbnis hat dazu geführt, das »Würzöl« v. 2 als das heilige ( E x 30 22 ff), zur Salbung des Hohenpriesters bestimmte ( E x 3 0 30 u. a.) Oel aufzufassen und so dem gesamten Psalm einen geistlichen, ganz fern liegenden Sinn zu geben. — Relativum mit Participium wie Ps 1 3 5 2 . — nfrö, sonst Dna. — 3 . Ein Stein des A n s t o ß e s ist der Hermon-Tau, der auf »Zions Berge« herniederfließt, da dies naturgeschichtlich unmöglich ist; noch DELITZSCH versucht, das Wort zu rechtfertigen. Neuere pflegen zu sagen, »Hermontau« bedeute nur reichlichen T a u (BAETHGEN, KESSLER, KITTEL u. a.): was hier aber offenbar unstatthaft ist, da die Pointe der Vergleichung gerade ist, daß zwischen zwei bestimmten Bergen eine Gemeinschaft im T a u besteht, NOWACK. Oder man versteht das W o r t als ein Stück angeblicher urtümlicher Meteorologie vgl. L . KÖHLER, Z A W X X X I I 1 9 1 2 S . 1 3 f. SCHLÖGL liest bö -|3 und zerstört damit den Zusammenhang des ganzen Gedichtes. — D2> bezieht sich auf den Anfang v. 1: wo Brüder zusammen wohnen; gewöhnlich deutet man es auf das unmittelbar vorhergehende |l% wonach aber der Satz ganz aus dem Zusammenhange herausfallen würde. —

NIAT L e v 2 5 21. — V o r ,-D-ON s t r e i c h e n B I C K E L L ,

D U H M U. a .

~n«; BUDDE liest n a - o , vielleicht richtig; BAETHGEN, BUHL 2 u. a. wollen nsnan-nK oder d t i entfernen. — C'n asyndetisch; dergleichen ist gewöhnlich nach der Zäsur, vgl. z. B. Ps 146 s. — »Leben« umfaßt alle Güter vgl. Ps 36 10. — Das Gedicht schließt wie viele andere mit dem W o r t e »bis in Ewigkeit« vgl. Ps 15 5 u. a.; BUDDE nach hebr. Hss. ab'iv ohne Artikel.

I]

Hermann Guthe: Eggen und Furchen im Alten Testament

75

Eggen und Furchen im Alten Testament. Von

Hermann Guthe. Seitdem wir den jetzigen Betrieb der Landwirtschaft in Palästina genauer kennengelernt haben, sind uns die Angaben der Bibel in Betreff des Acker- und Gartenbaues um vieles verständlicher geworden. Doch begegnen uns immer noch eine Anzahl ungelöster Fragen. Zu diesen gehört die Bedeutung des Zeitwortes sidded, das Jes 28 24 Hos IO 11 und Hiob 3910 dem Herkommen nach mit »eggen« übersetzt wird. Lange Jahre hindurch habe ich diese Frage im Auge gehabt und glaubte wiederholt, dem Abschlüsse nahe zu sein. Aber ein 1904 persönlich gemachter Versuch blieb ohne Erfolg, und eine Aussicht auf weitere Auskunft, die sich mir bei meiner letzten Anwesenheit in Palästina 1914 eröffnete, wurde durch den baldigen Ausbruch des Krieges vereitelt. Ich habe mich nun entschlossen, das bisherige Ergebnis meines Nachforschens dem Druck zu übergeben, und hoffe, daß diese Veröffentlichung befreundete Personen in Palästina dazu anregen wird, sie zu prüfen und, wenn möglich, durch neue Belege zu bestätigen. Um ihnen hier den ganzen Stoff zugänglich zu machen, vermeide ich hebräische Buchstaben und gebe die hebräischen Wörter, ebenso wie die arabischen, in kursiver Umschrift, wie sie in der Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins angewendet zu werden pflegt. Die Stelle Jes 28 27, die in der alten Lutherschen Bibel lautete: »man drischt die Wicken nicht mit Eggen«, kommt hier nicht in Betracht, da das mit »Eggen« übersetzte Wort chärüs zweifellos den Dreschschlitten bezeichnet. Die Annahme, sidded bedeute »eggen«, erfreut sich eines hohen Alters. Die alten Uebersetzungen kennen sie freilich noch nicht. Aber LUTHER folgt ihr Hos 10 11, und in den BuxTORFschen Wörterbüchern zu Anfang des 17. Jahrhunderts gilt sie als eine zweifellose Sache. Erst in der neuesten Zeit beginnt man zu schwanken. Während die Wörterbücher von SIEGFRIED-STADE (1893) und ED. KÖNIG (1910) »eggen« beibehalten, liest man in der neuesten Auflage von Festschrift für Karl Budde.

;6

Hermann Guthe

[2

GESENIUS-BUHL (1915, 16. A u f l a g e ) »pflügen, nach VOGELSTEIN, L a n d wirtschaft in Palästina S. 36 vielleicht: zum dritten Male«. Ein gleiches S c h w a n k e n macht sich auch in den neuesten K o m m e n t a r e n zu den betreffenden Büchern bemerkbar. Nähere Nachweise darüber zu geben, gestattet hier jedoch der Raum nicht. Die Bedeutung »eggen« für sidded wird man aufgeben m ü s s e n ; denn es ist sicher, daß die E g g e im jetzigen Palästina noch bis vor wenigen Jahrzehnten gänzlich unbekannt war, und es ist sehr wahrscheinlich, daß sie im alten Palästina auch unbekannt g e w e s e n ist. Bereits bei meinem ersten Aufenthalt im heiligen L a n d e 1881 wurde ich teils durch eigene Beobachtungen, teils durch Mitteilungen anderer Personen darauf aufmerksam, daß die E g g e unter den A c k e r baugeräten der einheimischen Fellachen fehlt. D a ß sie ihr, nachdem sie ihnen namentlich durch die deutschen Kolonisten bekannt geworden war, nicht unwitzig den Namen muscht = K a m m beilegten, zeigt deutlich, d a ß ihre Sprache bis dahin kein eigenes W o r t für die S a c h e gehabt h a t , daß demnach auch die Sache ihnen unbekannt gewesen ist. Eine A n f r a g e bei Dr. SCHUMACHER in Haifa hatte das gleiche E r g e b n i s ; er schrieb mir darüber unter dem 28. September 1889: »Ihre Anfrage, o b das E g g e n in Palästina bekannt ist, kann ich nach eingehenden Erkundigungen mit nein beantworten. Ich habe in Tiberias, Safed, A c c o , Nazareth, Haifa und in vielen Dörfern und auf Feldern die Landbauern gefragt, aber über das E g g e n g a r keine A u s k u n f t erhalten, einfach weil sie diese A r t der Bodenbestellung nicht kennen. Unsre deutschen Bauern, die die deutsche E g g e hier anwenden, wurden zuerst von den Fellachen angestaunt. Diese g a b e n der E g g e darauf den Namen muscht = K a m m . Allein alt ist diese Benennung wohl nicht, sondern erst durch den V e r g l e i c h mit einem kammartigen Geräte entstanden. Kein arabischer Fellach hat bisher das E g g e n nachgeahmt.« A u c h Dr. LEO ANDERLIND sagt in seinem Aufsatze »Ackerbau und Thierzucht in Syrien, insbesondere in Palästina« ( Z d P V IX, 1886, S . 2 4 — 3 1 ) nichts v o m E g g e n . D o c h erwähnt er S. 38 ein eigentümliches Gerät zum Ebnen und Glätten der Felder, das freilich mit der E g g e nicht die geringste Verwandtschaft besitzt. Im Altertum wird es nicht anders gewesen sein. D a ß wir im A T die E g g e nicht erwähnt finden, hat freilich nicht viel zu bedeuten ; die Zahl der N a m e n von Ackerbaugeräten, die das A T erwähnt, ist überhaupt nicht g r o ß , obgleich von landwirtschaftlichen Dingen so häufig die R e d e ist. W o h l aber will beachtet werden,

Eggen und Furchen im Alten Testament

3]

77

daß in der Mischnaliteratur keine Spur von der E g g e und vom Eggen zu finden ist. In der sehr dankenswerten Zusammenstellung, die HERMANN VOGELSTEIN über den Getreidebau zur Zeit der Mischna gegeben h a t 1 , sucht man vergeblich irgend eine Andeutung davon, daß dieses Gerät damals vorhanden gewesen sei. Daraus ist doch mit großer Wahrscheinlichkeit zu schließen, daß die E g g e den israelitischen und jüdischen Bauern des Altertums unbekannt war. Dann kann das hebräische sidded auch nicht die Bedeutung »eggen« gehabt haben. H. VOGELSTEIN hat nun a. a. O. S . 36, A n m . 68 die Vermutung ausgesprochen, daß J e s 28 24 die ersten drei Arten des Pflügens, wie bei den Römern, nebeneinander gestellt seien. Das erste Pflügen, nämlich das eigentliche Aufbrechen des Bodens noch in der heißen Jahreszeit (proscindere, bei uns umbrechen, schälen, brachen), soll chäräsch bezeichnen. Von dem zweiten Pflügen zu Beginn der Regenzeit (cffringere, bei uns in manchen Gegenden feigen), bei dem die Furchen tiefer und breiter gemacht wurden, versteht VOGELSTEIN fdtefch (wörtlich »öffnen«), und das dritte Pflügen, eine verhältnismäßig leichte A r b e i t 2 , soll sidded sein. VOGELSTEIN scheint mir insofern auf dem richtigen W e g e zu sein, als er in v. 24 nichts vom E g g e n findet, sondern alle drei Ausdrücke vom Pflügen verstehen will. A b e r das dritte, verhältnismäßig leichtere Pflügen paßt nicht zu dem Sinne von Hos 10 11 und Hiob 39 10. Man erwartet dort, mit sidded eine besonders s c h w e r e Arbeit des Pflügens bezeichnet zu finden, und durch eine solche würde die Wortreihe J e s 28 24 eine erwünschte Steigerung, einen wirksamen Abschluß haben. In Hiob 3 9 10 würde es geradezu auffallen, von den verschiedenen Arten des Pflügens diese angeblich dritte genannt zu sehen. Ich habe daher Bedenken getragen, mich bei dieser Vermutung zu beruhigen. Die neueren Wörterbücher, wie die von E D . KÖNIG und FR. BUHL, ziehen das assyrische W o r t schadädu — »ziehen« zum Vergleich heran. B . LANDSBERGER 3 gibt ihm unter Berufung auf THUREAU DANGIN im landwirtschaftlichen Sprachgebrauch die Bedeutung »Feld messen«. 1) Dr. HERMANN VOGELSTEIN, Die Landwirtschaft in Palästina zur Zeit der Misnäh. I. Der Getreidebau. Berlin 1894. 2) VOGELSTEIN sagt a. a. O. S. 35 vom dritten Pflügen: Zum dritten Male scheint man zur Aussaat gepflügt zu haben; hierbei bediente man sich eines Pfluges mit kleiner Schar, um die etwa noch vorhandenen größeren Schollen zu zerschlagen. gezogenen ziemlich

flachen

Furchen wurde sofort der Samen gestreut,

In die hierbei oder man ließ

ihn usw. 3) Babylonisches ™) meine W o r t e in deinen Mund, 1 10: »ich bestelle dich heute« (^ftnpsn), i, is: »ich mache dich heute (T^C?) zur festen Stadt«, 2 2 : ich g e d e n k e USW.

Im A k k a d i s c h e n zeigt sich noch deutlich der U e b e r g a n g v o m Nomen zum V e r b u m , indem es auch A d j e k t i v a und selbst Substantiva permansivartig g e b r a u c h t , vgl. D E L I T Z S C H , A S S . Gramm. § 129 neben zahlreichen anderen Beispielen: sarraku »ich bin König« (von sarru König), belcku »ich bin Herr« (von bélu »Herr«), na'iclaku »ich bin erhaben« von na'idu »erhaben« usw. und v o m Permansiv zum P e r f e k t ; nalcar »feind«, ma'ad »viel« konnte unmittelbar auch die Bedeutung »er hat sich empört«, »er hat sich gemehrt« gewinnen. Im A k k a d i s c h e n drückt das Permansiv auch oft den Eintritt eines Ereignisses in der Vergangenheit aus (vgl. D E L I T Z S C H , A s s . Gramm. § 119 A n m . **). W e n n wir so die T e n d e n z des semitischen Sprachgeistes beobachten, durch A f f i g i e r u n g der Pronomina an das Nomen dieses zu verbalisieren, so dürfte, wenn man schon einmal die F r a g e aufwirft, gerade die Durchsichtigkeit dieses Bestrebens als eine Instanz für das Prävalieren des Perfekts als der afformativen F l e x i o n geltend zu machen sein. W a s die Sprache immer noch t u t , scheint ihr doch das Naturgemäßeste zu sein. D o c h liegt diese F r a g e außerhalb des Rahmens unserer Untersuchung. A n einem Punkte gewinnen B A U E R S Ausführungen unmittelbar praktische B e d e u t u n g , nämlich in seiner Erklärung des sog. W a w consecutivum. D e r g e g e n w ä r t i g herrschenden psychologischen Erklärungsweise, d a ß sich der Hebräer, »nachdem eine Handlung durch den E i n g a n g als geschehen oder vollendet bezeichnet ist, in die Zeit ihres Geschehens versetzt, die Zeit, da sie noch unvollendet war«, stellt er die archaische gegenüber und sieht darin »eine angeerbte und konventionell fortgeübte Sprechgewohnheit«, einen Ueberrest »jener protosemitischen Erzählungsweise, die im festen Satzgefüge sich erhalten hat« (Diss. S. 26). Mit R e c h t scheint mir B A U E R

8S

Johannes Hehn

[6

und DRIVER jene Erklärungen des W a w consecutivum Perfekti und Imperfekti abzulehnen, die darin eine besondere A b s i c h t des Perfekts bzw. Imperfekts sehen, vielmehr muß die Erklärung unbedingt davon ausgehen, d a ß die futurische Bedeutung des Perfekts ebenso wie die präteritale des Imperfekts an die unmittelbare V e r b i n d u n g mit W a w geknüpft ist, das hier mit blinder, mechanischer K r a f t wirkt, während beim Dazwischentreten nur irgend eines kleinen Wörtchens wie x1? sofort das Perfekt oder Imperfekt in seiner gewöhnlichen Funktion eintritt. Diese mechanische Wirksamkeit ist in der T a t der A n g e l p u n k t des W a w beim Perfekt und Imperfekt. Zweifellos ist es auch sehr fraglich, o b »dieser W e c h s e l dem hebräischen Stil den Reiz einer bedeutsamen Gliederung verleiht, indem die eben noch im Flusse begriffene Handlung (Imperfekt) alsbald im Perfekt zum ruhigen und festen A b s c h l u ß gelangt, um dann im weiteren Verlauf abermals in Fluß zu geraten und umgekehrt« (KAUTZSCH § 1 1 2 b ) , vielmehr bekommt bei der A n n a h m e eines solchen ständigen W e c h s e l s der V o r stellungsweise (geschehen und geschehend) der Stil etwas Unruhiges und es ist schwerlich anzunehmen, d a ß der hebräische Erzähler gerade dem W a w zuliebe ständig den Standpunkt gegenüber den berichteten Ereignissen änderte. Deshalb darf man den G e b r a u c h des Präsens statt des Präteritums in lebhafter Erzählung in anderen Sprachen damit nicht in Parallele setzen, weil eben der Eintritt des Imperfekts bezw. Perfekts gerade an das W a w gebunden ist, während beim historischen Präsens der Erzähler die vergangenen Ereignisse als gegenwärtig empfindet. W a s BAUER g e g e n die Erklärung des W a w als consecutivum einwendet, scheint mir durchaus zutreffend; die im T e m p u s consecutivum ausgedrückte Handlung kann nur in beschränktem M a ß e als >die zeitliche oder logische F o l g e einer unmittelbar zuvor genannten Handlung« betrachtet werden (Diss. S. 38), außerdem finden wir »die T e m p o r a consecutiva nicht nur in sehr losem Zusammenhang mit dem V o r a u s g e h e n d e n , sondern sogar an der Spitze von nicht weniger als I i Büchern« (KAUTZSCH § 4 9 b A n m . 1). Man kann ja diesen Gebrauch formelhaft nennen, allein eine Erklärung ist das nicht. W e n n ich d e m g e m ä ß BAUERS Kritik an der bisherigen Erklärung des W a w zustimme, so hege ich doch gewichtige B e d e n k e n g e g e n seinen eigenen Vorschlag. W e n n sich das W a w conservativum mit Imperfekt als Archaismus auch noch begreifen ließe, so wäre es doch eine höchst sonderbare L a u n e des sprachlichen Konservierungstriebes, wenn diese kleine Partikel auch umgekehrt das Perfekt in einer dem späteren Sprachgebrauch völlig fremden Bedeutung »konserviert«

7]

Waw inversivum

89

hätte, um so die beiden Tempora auf den Kopf zu stellen. Die grundlegenden Voraussetzungen für BAUERS Theorie, die Priorität des Imperfekts und dessen ursemitischen Gebrauch als erzählendes Tempus sowie die Gleichsetzung der hebräischen Perfektform qatal mit dem akkadischen Präsens ihasad, habe ich bereits abgelehnt. Ich gehe nun davon aus, daß die hebräischen Tempora nicht die strenge Zeitbedeutung unserer Tempora haben. D a s ist aligemein zugegeben und wird von BAUER selbst durch Beispiele erläutert. Wenn wir uns nun gegenwärtig halten, daß das Perfekt noch im Alten Testament als flektiertes Nomen empfunden wird und fi1?^ Töter (bist oder warst) du, ri^ra groß (bist oder warst) du, "Pötoji klein (bin oder war) ich bedeutet, so ist damit von selbst gegeben, daß es eigentlich »zeitlos« ist. Die oben angeführten Beispiele (S. 86 f.) haben diesen zeitlosen Gebrauch des Perfekts bewiesen. Die hebräische Flexion vollzieht sich im Perfekt lediglich durch Anfügung der pronominalen Elemente an das Nomen. D a s Imperfekt charakterisiert sich wesentlich durch Präfigierung der Pronomina und steht dem Perfekt als präformative Flexion gegenüber. Darin liegt der wesentliche Unterschied der beiden Flexionen und es wäre vielleicht gar nicht unpraktisch, das Perfekt als Afformativum, dagegen das Imperfekt als Präformativum zu benennen. Wenn wir nun weiter von der unbestreitbaren Tatsache ausgehen, daß wir in zahllosen Fällen das hebräische Perfekt mit dem Präsens oder Futur übersetzen müssen und erkennen, d a ß es das im Verbum enthaltene Tun als Faktum ohne Rücksicht auf Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft bezeichnen kann, während das Imperfekt die unvollendete Handlung oder die Dauer gleichfalls ohne Rücksicht auf die Zeit darstellt, so verliert der Eintritt des Perfekts bzw. Imperfekts nach W a w viel von seiner Wunderlichkeit. Das temporale Moment, das w i r im Perfekt und Imperfekt primär empfinden, ist für die hebräische Vorstellungsweise durchaus untergeordnet. Die präteritale Bedeutung des Imperfekts ist ja regelmäßig durch den Zusammenhang gesichert ebenso wie die futurische des Perfekts. Es tritt also bei W a w die präformative, statt der afformativen Flexion ein und umgekehrt d . h . d i e I n v e r s i o n , genau wie wir im Deutschen sagen: und du tötest tvä-taqutul (Pronomen + Verbum), dagegen »da (dann) tötest du« we-qatal-ta (Verbum -f- Pronomen). Das Waw bewirkt die Inversion. Ich schlage deshalb für dieses W a w die Benennung W a w i n v e r s i v u m vor. BAUER macht selbst auf »die unerbittliche Regel der Inversion« aufmerksam, von der »die wenigsten Deutschen eine Ahnung haben«,

Johannes H e h n



[8

o b w o h l sie sie »mechanisch mit unfehlbarer S i c h e r h e i t 1 und meint, s o w e r d e

es

»mutatis

handhaben«

mutandis auch bei den H e b r ä e r n

der F a l l g e w e s e n sein« (Diss. S. 36 f.).

Wozu

dann einen A r c h a i s -

mus postulieren, w o ein allgemeines S p r a c h g e s e t z wirkt ? E s ist also die F r a g e : Stilform oder W o r t f o r m ?

G e h ö r t der G e b r a u c h d e s W a w

in die F o r m e n l e h r e oder in die Satzlehre ? W i r haben es n a c h meiner U e b e r z e u g u n g mit einer spezifisch hebräischen — tischen nicht

Sprachen



kennen

bekanntlich

zu gewissen Zeiten

diesen

im G e b r a u c h

fast g a n z v e r s c h w u n d e n e n Stilform

die anderen semi-

Gebrauch

des

befindlichen und

zu tun.

Daß

Waw später

die Inversion

nur

von diesem w' b z w . wa a b h ä n g t , geht a u c h daraus hervor, d a ß

der

H e b r ä e r statt d e s icä mit I m p e r f e k t auch w ' mit Perfekt und statt des w

mit P e r f e k t zum A u s d r u c k

künftiger H a n d l u n g e n

auch das ge-

wöhnliche I m p e r f e k t bzw. den Imperativ g e b r a u c h e n kann. Die

frühere B e n e n n u n g

weiter zu b e k ä m p f e n ,

weil

Waw

conversivum

es allgemein

brauchen

wir nicht

als unzutreffend e m p f u n d e n

wird, d a ß das W a w die B e d e u t u n g des Imperfekts bzw. Perfekts »verwandelt«, W a w

consecutivum

macht

eine zu w e i t g e h e n d e

Aussage

über die F u n k t i o n des W a w , W a w

conservativum

keit der BAUERschen T h e o r i e

die ursemitische B e d e u t u n g v o n

qatal und jaqtul wird. sich

voraus, die im besten F a l l e

immer T h e o r i e

bleiben

Ich kann dem S c h ü l e r des. H e b r ä i s c h e n höchstens sagen, d a ß diese

läßt.

über

setzt die Richtig-

Erscheinung

Wenn

ich

aber

vielleicht sage

Waw

b l o ß , d a ß eine Umstellung d e s

halte mich

Wege

erklären

so s a g e ich

des W a w

u n b e w u ß t w i r k e n d e s Gesetz, aber jeder A u s s a g e

diesem

damit

pronominalen E l e m e n t s am V e r b u m

eintritt, ich führe also die W i r k s a m k e i t bekanntes,

auf

i n versivum,

die

über die

auf ein allgemein

Inversion,

mir

zurück, ent-

nicht bekannten Ge-

danken d e s H e b r ä e r s oder über die mir e b e n s o w e n i g bekannte V o r geschichte

der T e m p o r a .

vorliegende W i r k u n g . F l e x i o n e n richtig

Daß

das W a w

invertiert,

ist eine offen

D e r Schüler, der den C h a r a k t e r der hebräischen

verstanden h a t ,

wird

ohne weiteres die Inversion

und die Bezeichnung W a w inversivum verstehep. W a w b e i m Imperfekt h a t einen starken D r u c k (wa mit folgendem D a g e s c h forte), zieht d a d u r c h aber zugleich das pronominale E l e m e n t des V e r b u m s

zurück, während

sich bei

dem

nur mit Murmelvokal

versehenen tonlosen w

(beim Perfekt) das pronominale E l e m e n t n a c h

vorwärst

magischer

schiebt.

tritt nicht ein.

Ein

Bedeutungswechsel

der

Tempora

D i e an sich für den Inhalt und den zeitlichen V e r -

1) Man liest sogar in Büchern gelehrter Leute die er« »und versprach er mir« —

»schöne«

Inversion:

a u c h eine mechanische W i r k u n g des »und«.

»und sagte

9]

Waw inversivum

91

lauf durchaus gleichgültige A n k n ü p f u n g s p a r t i k e l W a w erhält durch den Druck, mit d e m sie g e s p r o c h e n wird, in d e m einen Falle den Sinn, »da, damals, so«, die W i r k u n g dieses D r u c k s ist die Präformation der pronominalen Elemente, während d a s leichte, drucklose t e den Druck nach vorwärts schiebt und die afformative Flexion bewirkt. W e n n der H e b r ä e r v e r g a n g e n e Ereignisse erzählt, setzt er ein mit ivä mit der präformativen Flexion und so gewinnt für u n s das Imperfekt die B e d e u t u n g des Präteritums, sobald er künftige schildert, g e b r a u c h t er tv' mit der afformativen Flexion und das Perfekt gewinnt für unsere A u f f a s s u n g futurischen C h a r a k t e r . F ü r den H e b r ä e r liegt in beiden Fällen bloß eine formale A n k n ü p f u n g vor. iva mit folgendem D a g e s c h forte u n d Imperfekt fügt den V o r g a n g in die Reihe der v e r g a n g e n e n Geschehnisse ein und so ist ihr t e m p o r a l e s Verhältnis bestimmt e b e n s o wie bei w' mit Perfekt der Hinweis auf die Zukunft bereits g e g e b e n ist, in die die Ereignisse zeitlich fallen. Nicht das archaische T e m p u s hat sich durch die e n g e V e r b i n d u n g mit W a w erhalten, s o n d e r n das t e m p o r a l e M o m e n t scheidet für den H e b r ä e r aus, die Zeit ist vielmehr durch den Z u s a m m e n h a n g u n d die unmittelbare A n k n ü p f u n g an etwas Präteritales bzw. auf die Z u k u n f t hinweisendes bestimmt. In analoger W e i s e s t e h t das Imperfekt auch nach den Partikeln tk. D"iB usw. Ein e i n g e h e n d e r Vergleich der Fälle, in denen nach "K das Imperfekt steht, mit denen, in welchen das P e r f e k t g e b r a u c h t ist, ergibt in der T a t für das t e m p o r a l e Moment g a r k e i n e n Unterschied. Das P e r f e k t nach "K h e b t wohl die T a t s a c h e an sich schärfer heraus, aber a u c h beim I m p e r f e k t nach 'K handelt es sich in der Regel nur um einfache Erzählung, wenn auch nicht in A b r e d e gestellt werden soll, d a ß sie eine a n d e r e K l a n g f a r b e hat. »Damals sang Moses« E x 15 1, »damals sang Israel« Nu 2 1 17, »damals s p r a c h Josua« J o s 10 12 ist das I m p e r f e k t geb r a u c h t , d a g e g e n E x 15 15: »Damals erschracken (Perfekt) die F ü r s t e n E d o m s , die A n f ü h r e r M o a b s erfaßte (Imperfekt) Beben, es verzagten (Perfekt) die B e w o h n e r K a n a a n s « , also bei drei S y n o n y m e n n e b e n einander der W e c h s e l im » T e m p u s « . E b e n s o ist beim Perfekt der Hinweis auf die Zukunft im V o r a u s g e h e n d e n g e g e b e n u n d es h a n d e l t sich nur um die A n f ü g u n g des Verbalbegriffs. Bei weist »gehe!« in die Zukunft u n d das zeitliche Verhältnis von amartá »und S a g e r du« ist bestimmt. Ein t e m p o r a l e s Verhältnis will der H e b r ä e r g a r nicht ausdrücken, s o n d e r n nur ein modales. D a s T e m p o r a l e der » T e m p o r a « m u ß also hier möglichst ausscheiden. H a b e n wir uns a b e r einmal wirklich von d e r Vorstellung frei g e m a c h t , d a ß die hebräischen Flexionen primär t e m p o r a l e n C h a r a k t e r

92

Johannes H e h n : Waw inversivum

[IO

haben, und sehen in dem auffälligen Wechsel der Flexion nach Waw, wie wenig das Denken des Hebräers in temporalen Kategorien verläuft, so daß die Bezeichnung »Tempora« für die beiden Flexionen überhaupt nur in untergeordnetem Sinne gilt, dann finden wir die bereits ausgesprochene Annahme bestätigt, daß die beiden in der Hauptsache doch auf demselben Bildungsprinzip beruhenden Flexionen sich nebeneinander ausgebildet und entwickelt haben. Das Vorhandensein der einen Flexion bedingt eigentlich auch die andere.

jJ

Gustav Hölscher: Elemente arabischer, syrischer und hebräischer Metrik

Elemente arabischer, syrischer und hebräischer Metrik. Von

Gustav Hölscher. A. 1. Dichtung ist metrisch g e f o r m t e R e d e . der Glieder

Der

Parallelismus

ist nur ein E l e m e n t des Stils (vgl. SIEVERS, Studien

zur hebr. Metrik § 52), das sich auch a u ß e r h a l b der Dichtung, z. B. in d e n noch reimlosen Antrittspredigten der ältesten Chalifen (I. GOLDZIHER, A b h . z. arab. Philol. I 5 9 — 7 6 ) findet. 2. D i e R e i m r e d e

(sag') ist v o n H a u s aus ein M e r k m a l des ara-

b i s c h e n Zauberspruchs und überhaupt Rede.

der

inspirierten,

ekstatischen

W a s die arabische U e b e r l i e f e r u n g a n s a g ' - S p r ü c h e n aus alter

Z e i t bietet, ist zwar zumeist Erfindung, g i b t aber offenbar die F o r m der alten sag'-Dichtung arabischen Gelehrten

richtig wieder.

Die sag'-Sprüche,

als Prosa b e t r a c h t e t ,

galten

nossen M o h a m m e d s als rhythmische G e b i l d e ; im s a g ' redete,

wurde

von

von den

n o c h den Zeitge-

M o h a m m e d , der stets

seinen G e g n e r n als sä'ir bezeichnet.

In

der T a t sind die s a g ' - S p r ü c h e ihrer rhythmischen F o r m nach durchw e g V i e r h e b e r , die in der R e g e l p a a r w e i s e gruppiert sind. 3. A u s zahl

und

unter

dem s a g ' - S p r u c h e

dann

den

auch

sechzehn

klassischen

D i e arabischen Gelehrten d e s ragaz-Metrums des

Hammers

hat sich durch R e g e l u n g der Silben-

der Silbenquantität

auf

das älteste und einfachste

Versmaßen,

r a g a z,

führen in ihren A n e k d o t e n

die B e o b a c h t u n g

(»daqaq d a q a q « )

entwickelt.

die Erfindung

der g l e i c h m ä ß i g e n S c h l ä g e

b z w . der

t a k t m ä ß i g e n Schritte

des

K a m e l s z u r ü c k ; sie verstehen es also als eine alternierende F o l g e einsilbiger S e n k u n g e n und

Hebungen.

o d e r F u ß ist

steigend.

x

j,, also

Gesetze

der

musikalischen

zweite,

antwortende

Teil

und

Der Das

einzelne rhythmische T a k t

entspricht d e m

allgemeinen

poetischen R h y t h m i k ,

w o n a c h der

in einer

rhythmischen

Symmetrie

natur-

g e m ä ß der gewichtigere ist (H. RIEMANN, M u s i k - L e x i k o n 1 9 1 9 S. 755). E n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t l i c h sind darum überhaupt die steigenden V e r s m a ß e älter als die fallenden. Festschrift für Karl Budde.

94

Gustav Hölscher

[2

4. Ueber dem Einzelfuße steht als höhere Einheit der Doppelf u ß (Dipodie). S c h o n die Regelung der Silbenquantität im klassischen ragaz x x ^ 1 zeigt, d a ß im ragaz — und dasselbe gilt auch von den d a v o n abgeleiteten V e r s m a ß e n — dipodische Bindung vorliegt, d. h. d a ß das Gewicht der beiden Ikten in je zwei benachbarten Füßen gegeneinander abgestuft ist. Die L a g e des stärkeren Iktus ist jedoch nicht, wie bei echten leichten Dipodien an eine bestimmte der beiden H e b u n g e n gebunden, sondern frei. E s handelt sich also um schwere, melodische Dipodien, wie denn überhaupt in der altarabischen Dichtung der melodische, nicht der exspiratorische A k z e n t dominiert (C.

BROCKELMANN,

W Z f K M

XXIII

S.

387).

D i e einzelne Dipodie ist noch kein selbständiges rhythmisches G e b i l d e 1 ; erst aus der Verbindung der Dipodien entstehen Reihen und Perioden. Rechnet man die Dipodie nach griechischer W e i s e als ¡j.expov, so sind die im ragaz vorkommenden Reihen Dimeter und Trimeter. Die paarweisen vierhebigen Dimeter entwickeln sich unmittelbar aus den Vierheberpaaren des sag'. Der Trimeter, in welchem die erste Dipodie den leichteren, die beiden andern Dipodien den schwereren T e i l der Symmetrie darstellen, ist zu verstehen als Verkürzung des Periodenbaus durch Auslassung des ersten Doppeltaktes. Doppeldimetrische und doppeltrimetrische Perioden sind im ragaz erst jünger. A m S c h l u ß dieser Reihen und Perioden finden sich vielfach Katalexen und B r a c h y k a t a l e x e n , außerdem sog. Hyperkatalexen (bei Doppeltrimetern und deren ganz vereinzelt vorkommenden pentametrischen Verkürzungen im ragaz und kämil, sowie bei Doppeldimetern im kämil) und bei einigen vom ragaz abgeleiteten Versmaßen (hazag, uäfir, t a u l l , mutaqärib) auch hinkende Versschlüsse. Die Hyperkatalexen und hinkenden Versschlüsse sind Schlußdehnungen, in denen eine katalektische Tripodie das dipodische G e f ü g e abschließt. 5. G e g e n die Q u a n t i t ä t d e r S i l b e n war ragaz von Haus aus unempfindlich, wie nqch heute das vulgäre ragaz (vgl. z. B. die Proben bei ED. SACHAU, Arabische Volkslieder aus Mesopotamien, A b h . der Berl. A k a d . 1889, 20—26). In der klassischen Dichtung hat der erste F u ß der Dipodie diese Unempfindlichkeit bewahrt, während für den zweiten F u ß iambische F o r m vorgeschrieben ist, also 2 Der rhythmische Zeitwert dieser vier Silben ist, ohne Rückx x w .j_ . 1) Die sog. »Monometer« bei Dichtern (vgl.

des 2. und 3. Jahrhunderts der

I. GOLDZIHER I 119 f.) sind gar keine ragaz-Verse,

^

sondern

Dimeter

Hedschra der Form

, die dem sog. Verse des Jakob von Sarug im Syrischen entsprechen. 2) D o c h finden sich auch in der klassischen Dichtung gelegentlich noch Rudimente

der ältereil Unempfindlichkeit (z. B . Ibn Hisäm 47 7 f ; ' A g . IX 17511; vgl. T. GOIDZIHEK I 76).

3]

Elemente arabischer, syrischer und hebräischer Metrik.

95

sieht auf die Quantität, stets der einer einzelnen Zählzeit (xpovog 7cpöxos). Das Gesetz der griechischen Musiklehre, wornach die lange Silbe den doppelten Zeitwert einer kurzen haben soll, gilt für das Arabische nicht. 6. E s gibt Dichtungsgebiete, wie das vedische oder altgriechische, die gegen den g r a m m a t i s c h e n A k z e n t ganz unempfindlich sind, und wieder andere, in denen Versiktus und grammatischer Akzent durchaus zusammenfallen (rein akzentuierende Dichtung), wie dies im altgermanischen Sprechvers und in der neuhochdeutschen Dichtung seit Opitz der Fall ist. Zwischen diesen Extremen stehen Formen, in denen eine relative Berücksichtigung des grammatischen Akzents stattfindet (SIEVERS § 44). Jeder Vers entsteht ja schließlich nur durch einen Ausgleich zwischen der gewöhnlichen Betonungsweise und einem rhythmischen Schema. Verstöße gegen den grammatischen Akzent ergeben sog. »schwebende Betonung«. Diese ist, richtig angewandt, ästhetisches Kunstmittel zur Hervorhebung des »ethischen Akzents« (vgl. FRANZ SARAN, der Rhythmus des französischen Verses 1904). Im arabischen Verse — im ragaz wie in den andern Metren — fallen Versiktus und grammatischer Akzent in weitem Maße zusammen 1 ; Akzentverschiebungen finden sich am häufigsten im Verseingang, der überhaupt gegen solche Störungen am wenigsten empfindlich zu sein pflegt; sonst rechtfertigen sich dieselben bei guten Dichtern durch besonderen ethischen Akzent. 7. Aus dem ragaz-Takte haben sich die ä l t e r e n V e r s m a ß e der Araber entwickelt. Die drei nächsten Abwandlungen sind kämil, sarl' und hazag; nur von diesen dreien kommen, wie von ragaz, gereimte Einzeldimeter vor (Imr. fr. 2 8 ; Ibn Hisäm 5 6 2 ; Imr. fr. 3 1 ) . kämil (Doppeldim., Doppeltrim.) ist eine bloße Variation von ragaz, von dem es sich nur durch die fakultative Zweisilbigkeit der ersten Senkung und die damit zusammenhängende völlige Regelung der Quantitäten unterscheidet Auch sari' (Trim., Doppeltrim.) entsteht unmittelbar aus ragaz, nämlich durch S y n k o p e der ersten Senkung der Schlußdipodie 2 ; durch die Synkope entsteht eine Silbe von zwei Zählzeiten (, ,). hazag sind schwerfälligere »Diiamben«: - L x x (meist w J , nie w J_ ; die übliche hazag-Periode ist ein hinkender Doppeldimeter (Schlußtripodie ^ ^ L J ^ l ) , ein Verwandter des versus Hipponacteus. 1 ) Wörter der Form — — sind ohne weiteres als ultimabetont anzusehen. 2) Im Dim. und Trim. ist die Schlußdipodie Vorliebe stilisiert ; entweder durchweg

x _

> im

Doppeltrim.

oder durchweg J ,

J_ .

ist

sie

mit

96

Gustav Hölscher

[4

Als Gegenstück zu kämil entsteht uäfir Doppelcjim., Doppeltrim.), wie hazag als Gegenstück zu ragaz. Ein Gegenstück zu sarT ist der Doppeltrimeter im baslt (mit Synkope der ersten Senkung in der 2. und 5. Dipodie). Eine Abwandlung dieser Periode mit tripodischer Schlußdehnung ( w , _ L x ^ l ) ist der Doppeltrimeter im munsarih. Neben dem Doppeltrimeter wird im baslt ein Doppeltetrameter gebildet (mit Synkope der ersten Senkung in der 2., 4., 6. und 8. Dipodie) Er ist der eine Stern in dem schönen Viergestirn doppeltetrametrischer Perioden: baslt, tauil, haflf und mutaqärib. tauil (mit Synkope der zweiten Senkung in der i., 3., 5. und 7. Dipodie)2 ist Gegenstück zum Doppeltetrameter im baslt. haflf ist in der ersten Vershälfte ein akephales baslt, in der zweiten Vershälfte ein katalektisches tauil, d. h. es wirft die Eingangssenkung ab und synkopiert die erste Senkung der 2. Dipodie und die zweite Senkung der 3. und 4. Dipodie; auch haflf hat steigenden Rhythmus, obwohl der akephale Anfang den Schein eines fallenden Versmaßes erwecken könnte, mutaqärib synkopiert die zweite Senkung in allen Dipodien : ^ J ^ l , besteht also, wie der epische Vers der Perser, aus lauter Baccheen. Endlich entwickelt sich aus dem steigenden ragaz-Takte x , L L der fallende ramal-Takt L I x» Ditrochäen(Doppeldim., Doppeltrim.), von den Persern und manchen Neueren irrtümlich als »Ioniker« aufgefaßt. Durch Synkope der zweiten Senkung der 2. und 5. Dipodie entsteht aus dem Doppeltrimeter des ramal derjenige des seltenen madld. 8. Die übrigen, durchweg j ü n g e r e n V e r s m a ß e der klassischen Dichtung haben keinen Zusammenhang mit dem ragaz. Unter ihnen bilden mugtatt, mudäri', muqtadab und haflf magzü' eine Gruppe für sich. Alle vier sind Paare monopodischer Pentapodien (Doppelfünfer, mit häufiger Synaphie): mugtatt: x l ^ L L L x mudäri': U l , iwiw muqtadab: lwUL I^LL haflf magzü': 5LJL.ix.Li_, Das jüngste der klassischen Versmaße ist mutadärik, reine Anapäste, also Wie alle Anapäste, dipodisch zu messen. Die gewöhnI

1) Die zweite Hälfte beider Tetrameter ist, wenn akatalektisch, in der Regel stilisiert:

I, I I

2) ljer Schluß des akatalektischen Tetrameters ist stilisiert

I

I

5]

97

E l e m e n t e arabischer, syrischer und hebräischer Metrik

liehe Form des anapästischen Doppelfußes ist / tenere

/

, die sel-

B. 9. Die S i l b e n z ä h l u n g , nach welcher die syrischen Grammatiker und Metriker des Mittelalters und in ihrem Gefolge die römischen Maroniten seit der Renaissancezeit das Wesen des syrischen Verses bestimmt haben, ist überhaupt kein ursprüngliches Gesetz des Verses, sondern nur Begleiterscheinung einer Technik, die dem Verse ein bestimmtes festes Schema zuweist, also eine bloße Stilart, die sich ebenso in der quantitierenden und akzentuierenden, wie in der rein alternierenden Dichtung findet. 10. Ein rhythmisches Prinzip für den syrischen Vers versuchte zuerst H A H N (Bardesanes gnosticus, Lipsiae 1819) aufzustellen, indem er die sog. Vier-, Fünf- und Siebensilbler als Ditrochäen, Adonier und Anakreonteen las. Gegen ihn vertraten F L E I S C H E R (ZDMG X 111 Anm. 1) und B I C K E L L das Prinzip regelmäßiger S i l b e n a l t e rn a t i o n. Ihnen wiederum widersprach W I L H E L M M E Y E R (Anfang und Ursprung der lat. und griech. rhythm. Dichtung, Abh. der bayr. Akad. der Wiss., philol.-philos. Cl. XVII 1886, 265 ff.) und forderte für den syrischen, wie auch für den hebräischen Vers eine konsequente Lesung nach dem grammatischen Akzent (S. 367 ff.). In seinen Bahnen geht H U B E R T G R I M M E (ZDMG X L V I I und Collect. Friburg. II 1893). 1 1 . Weder die Rhythmisierungen H A H N S noch die G R I M M E S mit ihrer Annahme vieler zwei-, ja dreisilbiger Senkungen entsprechen dem Gewicht der Silben im Syrischen, das mit seinem fast gänzlichen Mangel an quantitativ leichten Silben einen anapästisch-päonischen oder daktylischen Silbentanz nicht zuläßt. Demgegenüber bleibt das Alternationsprinzip B I C K E L L S im Rechte, doch muß dasselbe, wie schon G. K A R D X H I (Liber Thesauri, Romae 1875 U N D Al-Yhkam, Romae 1880, arabisch geschrieben) und J E A N N I N (Journal asiatique 1912 bis 1913) unklar zu ahnen scheinen, dahin eingeschränkt werden, daß S y n k o p e v o n S e n k u n g s s i l b e n möglich ist. Außerdem übersehen B I C K E L L und die meisten andern mit ihm, daß der Pänultimaakzent der syrischen Sprache von Haus aus fremd ist (vgl. B R O C K E L M A N N Z D M G XLII 401 ff. und Grundriß I I I I f.), ja, wie mir scheint, selbst in der jüngsten syrischen Dichtung noch nicht einmal zur Herrschaft gelangt ist. 1) D i e in d e r jüngeren D i c h t u n g v o r k o m m e n d e n , meist aus S p o n d e e n g e b i l d e t e n V e r s e h a b e n ( g e g e n die A n s i c h t der Metriker) meist rein alternierende I ä m b e n b z w . Festschrift f ü r K a r l B u d d e .

mit m u t a d ä r i k

nichts

zu t u n ,

sondern sind z u -

Trochäen. 7

98

Gustav Hölscher

[6

12. Auch im Syrischen spielt, wie im Arabischen, der grammatische Akzent eine beherrschende Rolle; Akzentverschiebungen sind verhältnismäßig selten und meist beabsichtigte Kunstmittel zur Geltendmachung des ethischen Akzents. 13. Das Grundschema auch der syrischen Verse ist d i e s c h w e r e » i a m b i s c h e « D i p o d i e . Die kürzeste vorkommende Reihe ist der brachykatalektische Dimeter, dessen sechssilbige Form x i x i | x _L(^)> der sog. Vers des Narses, jedoch nur wenig verwendet worden ist. Bei Ephraem findet er sich nur neben »Fünfsilblern«. Dieser »Fünfsilbler«, der sog. Vers des Balai, ist mithin dem »Sechssilbler« rhythmisch gleichwertig, also mit Synkopierung einer Senkungssilbe, gewöhnlich der zweiten Senkung, zu lesen: XJ_,J_ | x J_ (p). Damit erledigen sich BICKELLS gewaltsame, durch die Irrlehre der Isosyllabie veranlaßte Vokalisationen. Auch der »Viersilbler«, der sog. Vers des Jakob von Sarug, ist nicht, wie man auf den ersten Blick meinen könnte, eine »iambische Dipodie«, sondern vielmehr dem »Sechsund Fünfsilbler« rhythmisch gleichwertig, also | x — (P)- »Fünfund Viersilbler« werden darum auch gern zu Verspaaren verbunden. A u s alledem ergibt sich, daß »Sechs-, Fünf- und Viersilbler« sämtlich brachykatalektische D i m e t e r sind. W o sie zu Verspaaren verbunden sind, erfordern sie am Schluß eine entsprechende Pause. 14. Diesen brachykatalektischen Dimetern stehen die a k a t a l e k t i s c h e n D i m e t e r gegenüber, die man in der meist üblichen Form des >Siebensilblers« als Vers Ephraems bezeichnet. Es versteht sich, daß dieser sowohl mit einem »Sechssilbler« 1 x ,![_, 1 x _L (so schon in den ältesten Zeugnissen syrischer Dichtkunst, zwei gnostischen Gedichten in den Thomasakten), als auch mit dem »Achtsilbler« x i x l I x i x i . (schon bei Ephraem oft und dann häufig bei mittelalterlichen Dichtern) wechseln kann. Im »Siebensilbler« ist eine der Senkungssilben synkopiert, wodurch sich verschiedene Wechselformen ergeben : 1 x J. I x 1 x i oder x | x I x i oder x L x ic. I x i Dieser Vers ist das allgemeine Metrum der mK i t K I M (LXX); in v. 27b gehört S'aD lb HJ31 zu v. 28.

Otto Procksch

144

[4

Vor allem gehört das Bild im Sonnenspiegel nicht der Natur, sondern der Offenbarung an. Bei diesem Bilde des m.T Ttas (v. sss) ist zunächst zu beachten, daß es im Spiegel (v. 4 böipnn j'? [^ntt]) erscheint Hesekiel sieht also nicht die Urgestalt der göttlichen Herrlichkeit, sondern nur die e£xwv xoO •9,eo0. Die Urgestalt würde Jahwe auf sapphirnem Throne über dem Zenit des Himmels zuoberst der Himmelsglocke zeigen, die Welt unter ihm. Diese riesigen Formen vermöchte kein menschliches Auge in einem Augenblick zu erfassen, auch wenn sie an sich sichtbar wären. Wohl aber kann der sonnenhafte Spiegel das Abbild des ni.T "tes in stark verkleinertem Maßstabe wiedergeben, so daß das Prophetenauge ihn fassen kann. Aber auch abgesehen von der optischen Unmöglichkeit ist der Blick auf die göttliche Urgestalt dem Propheten verwehrt. Wenn der ni.T I b a nur in der Spiegelscheibe sichtbar wird, so wird die Unsichtbarkeit der göttlichen Urgestalt angedeutet, da kein Menschenauge den Anblick ihrer außerweltlichen Heiligkeit ertragen könnte. Wenn Jesaia angesichts der Gotteserscheinung zu vergehen fürchtet (Jes 61—5), so rückt bei Hesekiel das Spiegelbild zwischen die göttliche Urgestalt und das Auge des Sehers. Die Spiegelscheibe, in deren Anblick er in der Entzückung versinkt, wird gegenüber der Sonnenscheibe am Horizonte stark vergrößert zu denken sein, da der Raumunterschied in der Vision verschwindet, wie die aus himmlischer Hand empfangene Buchrolle beweist (2 9 f). So kann er die Einzelzüge des Bildes deutlich unterscheiden, als blicke er in eineil Spiegel von der Höhe etwa einer Wand. Die obere Hälfte des Bildes ist ganz anschaulich. Gottes Gestalt zeigt bis zur Hüfte die Linien der Menschengestalt; hüftabwärts ist Feuer sein Gewand; Gottes Thron ist vom Regenbogen umspannt, wie er nach einem Gewitter erscheint (v. 26—28). Sehr bedeutsam ist dabei Gottes Ueberweltlichkeit, seine Transzendenz, ausgedrückt, da sein Thron über dem Scheitel der Himmelskugel steht. Seine Wohnung ist nicht in der Welt. Dagegen hat die Vorstellung von der unteren Hälfte, dem Kerubengefährt, bei den Auslegern mannigfach gewechselt, so daß die Exegese an diesem Abschnitt ihre Hauptaufgabe hat. Die vier auf ihren Häuptern das Himmelsgewölbe tragenden Gestalten sind im zehnten Kapitel als D'sns bezeichnet (10 18 f) 1 , und diese Bezeichnung hat auf ihre Vorstellung stark eingewirkt. Denn man ging nun aus von den Kerubgestalten im Allerheiligsten des salomonischen Tempels, die deutlich als vierfüßige Flügelwesen gedacht sind (I Reg 623 fr cf. E x 25 18 ff). Indessen wenn Hesekiel 1) 10

1

ist mit

KbäTZSCHMAH, 10 8—17

mit CORNUX, auszuscheiden.

D i e Berufungsvision

5]

Hesebiels

145

die mythischen Wesen erst nachträglich als Keruben erkennt (10 20) so deutet dies an, daß ihre Gestalt in seiner Vision mit der im salomonischen Tempel nicht einfach identisch war. V o r allem führt uns aber der Text des ersten Kapitels auf eine ganz andere Vorstellung. Kurz und bündig wird hier den Keruben Menschengestalt zugeschrieben (v. 5). Das kann sich nicht auf ihre Gesichter beziehen, die ja viergestaltig sind (v. 10), sondern nur auf ihre Körperform. Sie stehen demnach wie Menschen aufrecht, sind nicht vierfüßig wie die Tiere. Man hat nun bei jedem Kerub Haupt, Leib und F u ß zu unterscheiden. Das Haupt gleicht am ehesten dem kubischen Kapitell einer aufrechten Säule, das dem Beschauer nach vorn eine Ecke zeigt, sodaß die Kantenstellung schräg ist. Aus jeder der vier Ecken wächst ein Gesicht hervor, dem Beschauer zugewandt das Menschengesicht, in Januskopfstellung zu diesem rückwärts das Adlergesicht, während Löwe und Stier rechts und links in die Senkrechte zur Sehrichtung von Mensch und Adler schauen 1 . Diesem lebendigen Säulenkapitell entspricht der Körperbau. Das Kapitell sitzt auf einem Schulterstück, welches gleichfalls viereckig und gleichseitig gedacht ist (v. 8 Dirt»"] ncans). Auch hier korrespondieren die Ecken mit den Ecken des Kapitells, so daß wir neben den zwei seitlichen Schulterecken eine vordere und eine hintere haben. Von den Schultern abwärts verjüngt sich augenscheinlich der Körper, der in einem gerade abwärts laufenden Bein (v. 7 ^.jn) endet. Sehr wichtig ist, daß jede Figur nur eine ^ hat, während Gesichter und Flügel vierfach sind. Daraus erkennt man klar die Säulengestalt; Körper und Bein gehen unvermittelt ineinander über. Der Fuß (v. 7 bsy ist rund wie ein Säulenfuß (v. 7 1. rfe»); wäre bin «i? zu lesen, so würde der Kalbsfuß wenigstens das Halbrund der Vorderansicht andeuten. A u s jeder Schulterecke wächst ein Flügel hervor, unter dem eine menschliche Hand sichtbar wird (v. &). Der vordere Flügel unter dem Menschenkopf und der hintere unter dem Adlerkopf hangen senkrecht abwärts und bedecken den Säulenleib; sie sind je einem Brustschild und einem Rückenschild vergleichbar und daher wohl symmetrisch gebaut zu denken. Dagegen sind die seitlichen Flügel, also die unter Löwen und Stiergesicht, ausgespannt. Da sich die Spitzen der ausgespannten Flügelpaare an der Kreislinie der Himmelshalbkugel, also genau in der Höhe des Kapitellscheitels, gegenseitig berühren, so bilden die vier Berührungspunkte zwischen den vier Karyatiden die Eckpunkte i) Man

vergleiche

die vier K ö p f e statt

das

vierköpfige Hathorkapitell.

aus den E c k e n

Würden,

aus d e n Seitenflächen

so m ü ß t e n die K a p i t e l l e statt in E c k s t e l l u n g in Frontstellung Festschrift für Karl Budde.

w a s auch m ö g l i c h ist,

der K a p i t e l l e

hervorwachsen,

stehen. 10

146

Otto Procksch

[6

eines Quadrats. Die Scheitelpunkte der vier Kapitelle, verbunden mit diesen Berührungspunkten der Flügelspitzen, ergeben die Figur eines gleichseitigen Achtecks, das in den Horizontalkreis eingezeichnet ist, der die Himmelshalbkugel abschneidet (v. 22 f). Bei dieser Fassung ergibt sich eine völlig klare Anschauung. Die vier Keruben gleichen vier lebendigen Säulen oder Karyatiden, welche das Himmelsgewölbe tragen. Die vier Kapitelle, ebenso wie die vier Fußpunkte, stehen zueinander in quadratischem Grundriß, wie es bei vier Tragsäulen einer Kuppel natürlich ist. Ebenso stehen die vier Gesichter eines jeden Kapitells quadratisch zueinander. Die aus den Vorderecken der Kapitelle wachsenden Menschengesichter blicken auswärts in die Diagonalrichtung der Quadrate, woraus sich die Sehrichtung der Gesichter von Löwe, Stier und Adler ohne weiteres ergibt. Wenn gesagt ist, daß jede Figur sich mit dem Gesicht geradeaus bewegt (v. 12 « ¡ 2 v » "Q» ©W), so kann das nur heißen, daß jede ihre Vorderstellung beibehält, weder Haupt noch Körper dreht, so daß bei jeder Gesamtbewegung des Säulengestelles die Einzelrichtung der Figuren zueinander dieselbe bleibt. Die Figuren leben, aber sie sind starr und unbeweglich, als wären sie aus Erz (cf. v. 7 b ). Nicht ganz leicht ist das Räderwerk zu deuten, welches das Säulengestell in Bewegung bringt (v. ib—21). Daß nicht an ein einziges Rad (v. 15 i n « j®iK) zu denken ist, zeigt der folgende Plural d*®1k. Wenn die Räder ineinander zu stehen scheinen (v. i6b JBitn ^na JBisn), so kann es sich auch nicht um vier konzentrische Kreise handeln, die sich um dieselbe Achse bewegen, als befänden sie sich etwa mitten unter dem Säulengestell; denn die vier Räder bewegen sich an den vier Ecken des Säulengestells (v. i7 a |rp»a-i n»a-iK bv). Vielmehr muß sich je ein Rad an j e einer Ecke der quadratischen Grundstellung befinden ; und zwar liegt es nicht unter den Säulenfüßen, sondern d an e b e n (v. ie a nfnn Sas), d. h. an ihrer Vorderseite, wenn auch die Ebene, die man durch die vier Achsenpunkte legen könnte, etwas unterhalb des Quadrats der Säulenfußpunkte zu liegen käme. Die Laufrichtung der Räder kann nun aber nicht in den Diagonalen des Grundrisses liegen; denn sie müßten dann parallel zueinander laufen und sich j e nach der Richtung parallel zueinander drehen können, während doch gesagt ist, daß sie ihre Richtung nicht verändern (v. i7b [jnaSa] 12p;1 sb). Sondern die vier Räder stehen senkrecht zu den Diagonalen des Grundrisses. So wird auch begreiflich, daß »Rad in Rad« zu stehen kommen kann. Liegt nämlich die Sehrichtung in der Diagonale, die durch zwei sich g e g e n ü b e r stehende Achsenpunkte läuft, so scheint das hintere Rad wegen der Perspektive ver-

7]

Die Berufungsvision Hesekiels

147

kleinert im vorderen zu stehen. Liegt die Sehrichtung in einer Seitenlinie des durch die vier Achsenpunkte bestimmten quadratischen Grundrisses, so daß sie zwei n e b e n e i n a n d e r stehende Achsenpunkte verbindet, so kommt im Sehfeld das hintere R a d schräg in das vordere zu stehen. In beiden Fällen ist es, »als ob das eine Rad im andern stünde« (v. i6b "31 ¡t-t ip»?), was j a eine optische Täuschung ist. Vier im quadratischen Grundriß senkrecht zueinander stehende Räder können sich aber nur dann fortbewegen, wenn ihre Richtung einen Kreis beschreibt. Ein Kreis muß demnach die Bewegungsrichtung auch der Keruben sein, nur daß ihre Gesichter nicht in die Kreislinie blicken, sondern jedes starr geradeaus in seine Richtung gewendet bleibt. »Jeder gingen sie, seine Gesichter geradeaus gerichtet« (v. 12a TJB 13» ti'K). Die Kraft, die das ganze Säulengestell im Kreise treibt, wird als min bezeichnet (v. i2 b ), was nicht mit G e i s t , sondern mit W i n d zu übersetzen ist. Der Wind fängt sich in ihren ausgespannten Flügeln und trägt und treibt sie. Der Wind hat seinen Sitz im Innenraum unter der Himmelskuppel, wo auch das F e u e r de r Kohlen und der Fackeln zu brennen scheint, aus dem der Blitz zuckt (v. 13). E s stürmt und gewittert unter der Himmelskuppel. Das Gottesbild auf dem Throne über der Kuppel, die von vier lebendigen Säulen getragen wird, spiegelt nun deutlich Hesekiels Anschauung von Gott und Welt ab. Die Himmelsglocke wird im Norden, Süden, Osten und Westen von vier lebendigen Keruben in Karyatidengestalt getragen; ihr Hohlraum birgt Gewitter, Blitz und Wind. Die Vorstellung von Jahwe als dem Q'snan 3bPp (I Sam 4 i, II Sam 6 2 u. ö.), die sich kultisch auf seinen Thronsitz im Allerheiligsten des salomonischen Tempels bezieht, erscheint hier in kosmischer Abwandlung, wie denn die Keruben wahrscheinlich von Anfang an Symbole der vielgestaltigen Wetterwolken sind, die den Gottesberg schützen (cf. Gen 3 24). Die Veredelung der Keruben aus Tiergestalten zu aufrechter Menschengestalt, wenn auch mit Beibehaltung der tierischen Embleme ist das Eigentum Hesekiels. Durch die Architektonik der Darstellung hat er seiner kosmologischen Anschauung eine strenge, systematische Form gegeben. W i e der säulengetragene Bau, über dem Gott thront, ein architektonisch erstarrtes Weltbild ist, dessen Verwandtschaft mit den poetisch bewegten Weltbildern Hiobs (c. 26) und des Psalters (Ps 104) aber noch erkennbar ist, so entspricht nun wahrscheinlich auch die Schilderung der Bewegung einer Naturbeobachtung. W i r sahen, daß das Säulengestell sich nur kreisförmig drehen kann, seine Bewegung von der Kraft des Windes emp10*

148

Otto Procksch

[8

fangend. Man braucht hier nicht an eine volle Kreisbewegung im Winkel von 360° zu denken, sondern das Säulengestell mit der Kuppel läßt sich in einer horizontalen Pendelschwingung von beträchtlich kleinerem Winkel vorstellen. Diese Bewegung entspricht nun aber der scheinbaren Drehung des Firmaments nach Nordost und Südost im Verhältnis zum geozentrischen Betrachter. Denkt man sich die Erde als unbewegliche Scheibe, so verschiebt sich mit dem verschiedenen Aufgangspunkte der Gestirne scheinbar das Firmament, also die Himmelskuppel. Neben dieser horizontalen Drehung hin und her hören wir von einer vertikalen Bewegung, indem sich das Säulengestell mit den Rädern vom Boden erheben kann (v. 19 21). Ob hier wegen der verschiedenen Höhe der Sonnenbahn im Sommer und Winter an eine Verschiebung der Höhe des Firmaments im Verhältnis zur Erdscheibe gedacht ist, wage ich aber nicht zu sagen. Die Berufungsvision Hesekiels zeigt uns demnach ein Bild, in dem sowohl die Gottesanschauung als die Weltanschauung des Propheten enthalten ist. Die Gotteserscheinung ist aus Sonnenglanz gebildet, von feurigem Schleppgewände umloht; Glanz und Feuer erinnern an seine unberührbare Heiligkeit. Gottes Wohnort ist jenseits der Himmelskugel; er ist überweltlich, nicht innerweltlich. So thront er über den Keruben, vier lebendigen Karyatiden, die das Himmelsgewölbe an den vier Ecken der Windrichtungen tragen. Er ist der Gott der Welt; sein Verhältnis zu Israel verschwindet in dieser grandiosen Vision. Eine tiefsinnige Theologie steckt also in dem Gesicht; die Veranschaulichung abstrakter Begriffe ist dem Propheten aufs beste gelungen. Nicht die Urgestalt Gottes, auch nicht die Urgestalt der Welt bekommt er zu schauen, sondern nur das Spiegelbild in der Scheibe aus Glanzerz: auch hierdurch wird die Unsichtbarkeit des mir lias für das Menschenauge, sei es auch des Propheten, veranschaulicht. Wenn Gottes Spiegelbild nun als eine ¡"^ös ninT beschrieben wird (v. 26), so ist dies die Umkehrung zum Gedanken der Priesterschrift, daß der Mensch Bvft>K 0^5:3 geschaffen ist (Gen 127). Mir scheint nun die menschenähnliche et'x&v xoQ 9-eoO im Spiegel eine apokalyptische Anschauung noch andrer Art hervorgerufen zu haben. Das ist der Menschensohn bei Daniel, der keine irdische, sondern eine himmlische Figur ist, da er mit den Himmelswolken erscheint, wie Jahwe mit den Keruben (Dan 7 13 tfJK -ob). In Wirklichkeit ist der Menschensohn keine menschliche, sondern eine göttliche Erscheinung. Als Vertreter des r?i,l?i> Di? (Dan 7 27) repräsentiert er die himmlischen n ü o x ; denn r ^ P sind bei Daniel nur die himmlischen Wesen, nicht das Volk Israel, das bei der Weltherrschaft gar nichts

9]

Die Berufungsvision Hesekiels

149

zu suchen hat. Nur ist der Menschensohn Daniels nicht nur das Spiegelbild Gottes, da er vom Alten der Tage (7 9 ff) unterschieden wird, ihm gegenüber selbständige Bewegung hat. Er ist die hypostasierte etxtbv TOÜ -frsGö, dem Spiegelrahmen entwachsen; in ihm verkörpert sich Gottes Weltherrschaft. Die Hypostasierung der E I X Ü J V TOÜ 0-coQ entspricht dem si»"» im Targum. In Jesus Christus sind die efofbv TOÜ fteoO (Col 1 15, Kor 4 4) und der Xoyos TOÜ •frsoü (Ap 19 13, Joh 1 1 ff) verkörperte Wirklichkeit geworden.

J. W . Rothstein

Die Bedeutung von Gen 6 1—4 in der gegenwärtigen Genesis. Von

J. W . Rothstein. Mit herzlicher F r e u d e schließe ich mich d e m K r e i s e der F a c h g e n o s s e n an,

die d e m Manne einen

literarischen G r u ß zum 70. G e -

b u r t s t a g darbringen wollen, der sich wie w e n i g e u m die alttestamentliche W i s s e n s c h a f t verdient g e m a c h t hat. als

mich F ä d e n

freundschaftlicher Beziehung

die bis in meine Studienzeit mischen A r b e i t

Ich tue dies u m s o lieber, mit

ihm

verknüpfen,

und in die A n f a n g s j a h r e seiner akade-

zurückreichen.

sondere G e n u g t u u n g , ihm mit

Und

nun bereitet

es mir

meinem S e g e n s g r u ß

eine

be-

eine kleine lite-

rarische G a b e darbieten zu dürfen, die an die F o r s c h u n g e n anknüpft, die

n a c h seinen

Untersuchungen

zum B u c h e H i o b

ihn in d e n A n -

fangsjahren seiner a k a d e m i s c h e n A r b e i t in Bonn besonders stark beschäftigten und in d e m W e r k e über die literarischen A b s c h l u ß dessen,

fanden.

Es

w a s ich zur Urgeschichte

ist

»Urgeschichte« freilich

und

nur

1883

ein

ihren

Bruchstück

darüber hinaus zur Quellen-

g e s c h i c h t e des H e x a t e u c h s zu sagen habe.

V i e l l e i c h t darf ich hoffen,

an anderer Stelle

zu

einmal

weiteres sagen

können,

das

dann

als

F o r t s e t z u n g dieses G r u ß e s gelten mag. D i e F r a g e , um die es sich handelt, betrifft G e n 6 1—4.

D a ß wir

hier einem stark m y t h o l o g i s c h gearteten F r a g m e n t aus einer vielleicht uralten Schrift ( J x )

gegenüberstehen,

daran z w e i f l e ich nicht,

daran nicht, d a ß der A u t o r dieser Schrift wirklich Verbindung

von

Engelwesfen

F r ü c h t e g e d a c h t hat.

mit

menschlichen

es sich u m

ihre

w e l c h e n Sinn die Er-

gegenwärtigen

D a g l a u b e ich der m y t h o l o g i s c h e n D e u t u n g der

widersprechen und

und

A n d e r s m u ß ich mich aber

die F r a g e handelt,

zählung im Z u s a m m e n h a n g der soll.

Weibern

auch

eheliche

Ich stimme darin der heute herrschenden A u f -

fassung (vgl. zuletzt KÖNIG, Genesis) zu. stellen, w e n n

an eine

die B e z i e h u n g derselben auf die

Genesis h a b e n »Gottessöhne« »Sethiten«

und

die der »Menschentöchter« auf die Kainiten für richtig halten zu müssen. D i e Gründe, die mich d a z u bestimmen, seien im f o l g e n d e n dargelegt. Festschrift für Karl Budde.

2]

Die Bedeutung von Gen 6 1—4 in der gegenwärtigen Genesis

i 51

V o r allem ist nötig, das thema probandum scharf im A u g e zu behalten. E s handelt sich um den Sinn, den die Episode Gen 6 1—4 im Zusammenhang der g e g e n w ä r t i g e n Genesis hat. Diese ist das W e r k der letzten Redaktionsarbeit am Pentateuch, das W e r k des R p , und es ist doch wohl selbstverständlich, d a ß R p sein W e r k schuf, um in ihm für die Gemeinde s e i n e r Zeit einen Quell bedeutsamer Belehrung zu erschließen. Ist dem aber so, so ist mit der Möglichkeit zu rechnen, d a ß jene E p i s o d e von R p in anderem Sinne gemeint ist, als den sie in der alten Schrift b e s a ß , aus der sie entnommen wurde. Jedenfalls ist es berechtigt zu fragen, ob es wahrscheinlich ist, daß R p bei den »Gottessöhnen« selbst an Engelwesen gedacht hat und vom L e s e r hat g e d a c h t wissen wollen. Ich knüpfe mit dieser Fragestellung an Ausführungen an, die BUDDE in seiner »Urgeschichte« (S. 103 f) dargeboten hat, ohne sie freilich in der von mir gemeinten Richtung auszunützen. Merkwürdig bleibt auch, daß die A u s l e g u n g an der von mir aufgeworfenen F r a g e vorbeigeht und ihr A u g e n m e r k nur dem zuwendet, was in der ursprünglichen Quelle der Sinn der Episode war, als ob dieser ursprüngliche Sinn auch in dem W e r k des R p noch dasselbe sein müsse. Zunächst müssen wir wohl beachten, in welche Zeit uns R p versetzt. W i r dürfen g e w i ß unbedenklich annehmen, daß seine A r b e i t um 400 v. Chr. im wesentlichen abgeschlossen war. Die Antriebes das große Kompositionswerk auf Grundlage der priesterlichen Schrift (P) zu schaffen, waren in der von Esra und Nehemia ins W e r k gesetzten Reform der jüdischen Gemeinde gegeben, und daraus ergibt sich dann, wie mir scheint, ohne weiteres, daß das W e r k des R p der jüdischen Gemeinde jener Zeit nicht nur durch den gesetzlichen Inhalt, den es bietet, sondern auch durch die Erzählungsstoffe zur Belehrung und Lebensleitung im Sinne jener Reform dienen sollte. Das W e r k Esras und Nehemias läßt nun aber deutlich erkennen, in welcher Richtung die jüdische Gemeinde ihrer Zeit und wahrscheinlich auch in den ihr folgenden Zeiten einer nachdrücklich warnenden und mahnenden Unterweisung bedurfte. Jene beiden Männer mußten sich neben anderen Uebeln mit besonderer K r a f t gegen Mischehen mit Weibern heidnischer Herkunft, deren sich jüdische Männer in erheblicher Anzahl und sogar solche aus priesterlichem Geblüt schuldig gemacht hatten, wenden, weil von ihnen Wirkungen befürchtet wurden, die das V o l k erneut reif für ein Zorngericht Gottes machten. Liegt es da nun nicht sehr nahe, hinsichtlich ihrer didaktischen A b s i c h t in dem W 7 erke des R p die Episode Gen 6 1—4 in Beziehung zu jener Er-

J . W. Rothstein

[3

scheinung in der jüdischen Gemeinde im 5. Jahrhundert zu setzen ? E s handelt sich dort ja auch um Mischehen und die gefährlichen Folgen, die sie für die Menschheit hatten und die in dem Flutgericht sich auswirkten. Dazu weise ich auf die zahlreichen Stellen und Zusammenhänge in der Patriarchengeschichte und in der Gesetzgebung hin, die dem jüdischen Leser als uralte Wahrheit und uralte Gottesforderung vor Augen führen, was Nehemia mit rücksichtsloser Gewalt durchsetzte.

Ich erinnere nur an Gen 24 28 1 ff, an E x 34 15 (vgl. Jud 3 6) und in Verbindung

damit darf auch auf die lange, mit Gen 9 21 ff beginnende Kette von Stellen hingewiesen werden, die dem Leser der Tora die tiefe, Abscheu erregende Verderbnis der Kanaanäer vor Augen führen. Der Jude sollte aus diesen Stellen die furchtbare Gefahr erkennen, die ihm eine so enge Verbindung drohte, wie sie durch Konnubium mit dem unreinen Heidentum geschaffen wurde, und jene Erzählungen sollten ihm den vorbildlichen Eifer der Patriarchen Abraham und Isaak vorhalten, mit dem diese zu verhüten suchten, daß ihre Söhne, Erben des ihnen von Gott geschenkten hohen Segensgutes, einerseits Isaak, Jakob sich mit einem kanaanäischen Weibe verehelichten.

die

andrerseits

Die Warnung E x 34 15 stellt

damit ebenso im Einklang wie die Drohung mit dem Vernichtungsgericht Lev 18, wenn das Volk sich in die Zuchtlosigkeit der Kanaanäer hineinziehen läßt (vgl. besonders auch Num 25).

Wenn wir nun aber so sehen, daß Geschichtserzählung und Gesetz in dem von R p geschaffenen Werke unverkennbar die Absicht verfolgen, die jüdische Gemeinde vor einem Konnubium mit Heiden zu bewahren, ist es dann unberechtigt zu fragen, ob nicht nach der Absicht des R p auch schon in jener Episode der Urgeschichte eine solche Warnung für die jüdischen Leser liegen sollte? Zweifellos schließt Gen 6 1—4 die bis dahin berichtete Menschheitsgeschichte ab und soll das furchtbare Gericht, von dem im folgenden erzählt wird, motivieren, und ich meine, da herrtach 6 5—8 (J) und v. 9 ff (P) die sündliche Verderbnis der g a n z e n Menschheit als Grund für den göttlichen Beschluß, das Flutgericht kommen zu lassen, vorausgesetzt wird, so liege der Schluß sehr nahe, 6 1—-4 solle irgendwie dem Leser zum Bewußtsein bringen, wie es gekommen, daß die g a n z e Menschheit reif für das Vertilgungsgericht geworden. Schon dies scheint mir die Annahme zu empfehlen, daß R p in diesem Absatz nur an verschieden geartete Menschen, durch deren Konnubium die g e s a m t e Menschheit in das sündliche Verderben hineingezogen.wurde, gedacht wissen will, daß also auch die »Gottessöhne « für ihn nicht Engelwesen, sondern Menschen waren. Diese Annahme liegt um so näher, als vorher R p nirgends durchblicken läßt, daß er von dem Vorhandensein von »Gottessöhnen« im Sinne von Engelwesen etwas gewußt hat — ein Umstand, der nicht übersehen werden darf.

4]

Die Bedeutung von Gen 6 l—4 in der gegenwärtigen Genesis

153

Ich halte daher jene Annahme für umso berechtigter, als R p j a wirklich vorher in Gen 4 f zwei Linien in der Menschheit unterscheidet, von denen wir die eine als Gott noch nahestehend, die andere als um ihrer sündlichen Verderbnis willen in weiter Gottesferne lebend betrachten sollen (vgl. hier, was ganz in meinem Sinne BUDDE, Urgesch. S. 103 f. ausführt). Dazu ist wohl zu beachten, daß 414 f, sagt, Kain und mit ihm natürlich seine Nachkommenschaft sei aus der schützenden Nähe Gottes vertrieben und müsse fern von Gott unstät auf der Erde umherschweifen und ständig gewärtig sein, einer Gewalttat zum Opfer zu fallen. Das bedeutet zugleich aber, daß Adam und sein W e i b und die ihnen an des ermordeten Hebel Stelle in und mit Seth geschenkte neue Nachkommenschaft (425 f ; c. 5) in der Nähe Gottes und unter seinem Schutze verblieben sind. Da haben wir die Vorstellung von zwei Linien in der Menschheit, die ganz der Vorstellung entspricht von dem nahen Verhältnis der Judengemeinde zu Jahwe und dem Verhältnis der übrigen heidnischen Menschheit zu ihm. Jene wohnt in Jahwes Land, oder, wie es gerne heißt, in Jahwes Erbteil, unter Jahwes Augen und Schutz, wie nach Gen 4 14 f die an ihrer bisherigen Wohnstätte verbleibenden Ureltern der Menschheit. Die Heiden hingegen haben dort kein Wohnrecht, sie sind verurteilt, sich fern von Jahwe über die Erde zu verbreiten und ihre eigenen Verderbenswege zu gehen. Wenn nun die vorflutliche Menschheitsgeschichte in jene 6 1—4 berichtete Episode ausläuft, liegt dann wirklich die Annahme so gar fern, daß dort von einer zu verderblichen Folgen führenden Verbindung jener beiden im Vorausgehenden so deutlich unterschiedenen Linien die Rede sein solle? Mir scheint R p durch die Einfügung jener Episode dem jüdischen Leser verständlich machen zu wollen, wie es kam, daß auch die Sethlinie in das Verderben des Flutgerichts hineingezogen wurde, während es j a nach allem, was in c. 4 (natürlich in seiner g e g e n w ä r t i g e n Gestalt) von Kain und seinen Nachkommen berichtet wird, begreiflich ist, daß sie Gottes Gericht vernichtend traf. Weil die Sethiten sich verleiten ließen, sich ehelich mit Kainstöchtern zu verbinden, wurden sie in die Verderbnis der Kainiten hineingezogen, und aus der Verunreinigung ihres Blutes erwuchs die alle Menschen (mit Ausnahme allein des Noah) umfassende, Gottes Gericht herausfordernde Korruption. S o aufgefaßt wurde Gen 6 1—4 im Zusammenhang der Urgeschichte nach rückwärts wie nach vorwärts wirklich für die jüdische Gemeinde der Zeit des R p lehrreich und war wie die oben erwähnten Züge aus der nachflutlichen Geschichte geeignet, im Sinne des Werkes Esras und Nehemias vor dem verhängnisvollen

J. W . Rothstein

Konnubium mit den Heiden ernstlich zu warnen. Ich halte also dafür, daß wirklich R p unter den »Gottessöhnen« die Sethiten verstanden wissen will und unter den »Menschentöchtern« Töchter, aus der Kainlinie der Urmenschheit. D a g e g e n kann nun nicht aus 6 4 ein Gegenargument gewonnen werden, indem man fragt, wie aus der Verbindung der beiden Menschheitslinien »Riesen« (Q,1??|3) hätten hervorgehen können. Gewiß,

wir können so fragen,

aber es ist mir doch zweifelhaft, ob wir berechtigt

sind zu verlangen, d a ß auch R p sich diese F r a g e vorgelegt haben sollte.

D a ß er in H i n -

sicht auf sein Kompositionswerk nicht nach dem Maßslab unserer L o g i k

und Kritik

be-

urteilt werden darf, bedarf keines weiteren Beweises; denn der unausgeglichenen logischen und sachlichen Unebenheiten sind in seinem W e r k e zu viel, wenn er sich die F r a g e nicht vorlegte,

wie

weibern »Riesen« hervorgehen konnten.

als d a ß es auffallen könnte,

aus einer E h e zwischen Sethiten

und Kains-

D a ß er die Möglichkeit, daß dies geschehe, tat-

sächlich vorausgesetzt hat, müssen wir, zumal auch im Hinblick auf die bekannten Stellen in N u m und Deut, hinnehmen, um so sicherer, als, wie schon betont wurde, er von dem Vorhandensein von darf aber nicht erläutert.

»Gottessöhnen«

übersehen

werden,

als Engelwesen vorher nichts erwähnt hat. — daß

er in v. 4 b die

Dazu

D'^SJ durch den Begriff Q , - l32

In welchem Sinne er dies verstanden wissen will, ist nicht schwer festzustellen.

E s bedarf nur des Hinweises auf die Nimrodepisode 10 8 ff (v. 9 bleibt als Glosse außer Betracht).

Wodurch

erwies sich Nimrod als T i - 3 auf der Erde ?

Dadurch, d a ß er eine

Königsherrschaft aufrichtete, also sich zum Gewalthaber über die Menschen erhob, und wie sich dies R p vorgestellt haben wird, wird deutlich, wenn wir an eine altorientalische Despotenherrschaft denken.

Dazu stimmt dann auch, daß R p

in der besonderen Motivierung

des Flutgerichts nach dem (aus J entnommenen) Hinweis auf die tief innerliche sündliche Verseuchung

des menschlichen Herzens in den (aus P stammenden) Sätzen (6 11 ff) auf

die Gewalttätigkeit (DlSn) hinweist, mit der die Menschenwelt angefüllt ist und durch die sie Gott gezwungen hat, das Vernichtungsgericht über^sie kommen zu lassen.

Ich glaube

nicht zu irren, wenn ich meine, daß R 1 ' viel mehr an die inneren Qualiiäten der Früchte jener Mischehen und ihre Auswirkung im Leben der Menschheit gedacht hat, als an die körperliche Größe, die wir mit dem Begriff »Riesen« verbinden.

Jedenfalls kann ich den

von diesen hergenommenen Einwand-nicht als beweiskräftig anerkennen.

Anders scheint es mit dem anderen Einwand zu stehen, der aus dem Umstände abgeleitet wird, d a ß m«n in v. 1 die g e s a m t e Menschheit meint und hernach dieser Begriff nur auf die »Töchter« A n w e n d u n g findet. Es scheinen damit wirklich die »Gottessöhne« aus dem Bereich der Menschen (nun) ausgeschlossen zu werden, so d a ß wir sie als außerhalb und über der Menschheit stehend ansehen müßten. D o c h auch diesen Einwand kann ich nicht gelten lassen. Denn,

wenn R p

im Hinblick

auf die Bedürfnisse seiner Zeit, auf die sein W e r k

didaktisch wirken sollte, unter den D V l b x n 'JS eine bestimmte Art Menschen meinte, dann wurden sie auch von dem allgemeinen Begriff D1SH in v. 1 mit umfaßt, und daß R p die Sache so auffaßte, scheint mir schon der doch auch von ihm an seine gegenwärtige Stelle gesetzte v. 3 zu beweisen, in dem j a nichts davon zu spüren ist, daß bei der das in diesem Verse mitgeteilte Gottesurteil begründenden Veränderung und Verderbnis in der Menschen-

Die Bedeutung von Gen 6 l — 4 in der gegenwärtigen Genesis

6]

weit übermenschliche Engelwesen beteiligt waren. der Auslegung bietet, schwinden, —

D i e Schwierigkeiten,

155

die dieser Satz

abgesehen von DJttfo 1 — , wenn im Vorhergehenden

n u r von Menschen die Rede ist, also auch die »Gottessöhne« als zur Menschheit gehörig betrachtet werden heitslinie

müssen.

Eben dies, daß nun auch die bisher noch fromme Mensch-

sich in die Verderbnis der anderen hineinziehen ließ,

das zwingt Gott dazu,

dem Walten seines Geistes im Menschenwesen ein Ziel zu setzen.

D a ß er dann hernach

doch in Noah noch einen Menschen findet, der seiner Gnade wert ist, ist eine Sache für sich; das ermöglicht es Gott, seinen mit der Erschaffung des Menschen verfolgten Plan festzuhalten und nach der Flut weiter zu verfolgen. Im übrigen bemerke ich nebenbei, daß es mir sehr wahrscheinlich ist, daß R p mit den 120 Jahren wirklich die Zeit gemeint hat, die der seinem Gericht verfallenen Menschheit von Gott noch geschenkt sein soll, daß e r also nicht an die Grenze der Lebensdauer des einzelnen Menschen gedacht wissen will.

Letzteres ist allerdings auch nach meiner Ueber-

zeugung in dem ursprünglichen Zusammenhang

der alten Quelle (J

gemeint

gewesen.

W i e R p die 120 Jahre in die ihm aus P überkommene Chronologie hineingerechnet hat, mag dahingestellt bleiben.

Nun aber wirft man ein — und das scheint alle unsere Erwägungen über den Haufen zu stoßen — , wie können mit dem Begriff on^xn "oa Menschen, Sethiten oder was immer, gemeint sein ? Stehen wir da nicht vor einem festen Sprachgebrauch, dem nicht widersprochen werden kann? Indes, ich glaube, auch dieses Hindernis aus dem W e g e räumen zu können. Selbstverständlich leugne ich nicht, Engelwesen

»Gottessöhne«

(D'H^KH

d a ß an gewissen Stellen des Alten Testaments genannt

werden.

darin recht und findet darin heute allerseits Zustimmung.

BUDDE hat (Urgesch. S. 3) Aber man beachtet nicht, daß

das Vorkommen des Ausdrucks in Gen 6 doch sehr auffällig ist. ihn finden, gleichviel

A l l e Stellen,

ob im Buche Hiob oder im Danielbuch oder im Psalter,

Schriftslücken an, die aus junger, nachexilischer Zeit stammen.

Nirgends begegnen wir

ihm in einem Schriftstück, das der vorexilischen und gar der alten Zeit angehört. Engelwesen die Rede, so wird dafür in der Regel "^K^Ö oder auch Ausdruck gebraucht,

nie

aber DTlbXPI

werterweise erst von Gen 16

wo wir gehören

irgend

Ist von

ein anderer

Ja, selbst R p kennt, wenn auch bemerkens-

an, den MIR ^ ¡ O E oder D T 6 N " Ö und B'SS 1 ?» in Mehr-

zahl (Gen 28 12 32 2) und läßt die ihm aus den alten Quellen

zugeflossene Bezeichnung

unverändert.

Sollte diese Tatsache gegenüber Gen 6 nicht schon längst stutzig gemacht

haben?

scheint

Mir

sie

allein

schon

den Beweis in sich zu tragen, daß R 1 ' bei den

OVlb'Kn '3S Gen 6 schwerlich an Engel gedacht hat. Dazu kommt,

daß

die Ursprünglichkeit des Ausdrucks in jener alten Quelle,

aus

der die Episode G e n 6 1 — 1 abgeleitet werden muß, sehr zweifelhaft ist. • Denn, wie schon gesagt, sonst finden wir ihn in keiner alten, ja, in keiner vorexilischen Schrift. sicht hierauf DTlbxn l) woran

verdient

(im Sinne

die Vermutung, daß

von »göttlichen Wesen«)

Mir

scheint

dort

sich

dann

"Jl T m

schreibung.

in jener

ursprünglich gut

Man beachte die

stand

Mit Rück-

alten Quelle ( J u r s p r ü n g l i c h und

erst nachträglich —

nur

und dann

nur parenthetisch KVT "l'®3 gestanden zu haben,

anschloß.

Das

zweite

ist

fehlerhafte

Doppel-

große formale Aehnlichkeit der Worte V.TTIttD K1H

Freilich die Herkunft des D am Ende

des ersten Worts bleibt dunkel;

des 3 aus "i läßt sich aus der Kursive d e r ' a l t e n Schrift begreifen.

die

Entstehung

156

J . W. Rothstein

[7

vielleicht von R p selbst — davorgesetzt sei (vgl. SCHWAJLLY, ZAW X V I I I S. 1 4 5 ; SiEVERS, Metr. Studien: Genesis II S. 2 5 0 ; PROCKSCH, Genesis S. 57), ernste Erwägung, wenn auch eine unbedingte Entscheidung nicht möglich ist. Die Möglichkeit ist indes auch nicht auszuschließen, daß dort ursprünglich eine andere Bezeichnung für Engelwesen stand und daß R p dafür D\"rt>Rn "oa einsetzte, nicht aber, um den in nachexilischer Zeit in Gebrauch gekommenen Ausdruck anstelle des vorgefundenen alten einzusetzen — warum hat er dann also z. B . in Gen 28 und 32 die BTI^K "OK^ft stehen lassen? — , sondern m. E. nur, um die Engel wesen zu b e s e i t i g e n und einen Ausdruck einzusetzen, den er Benennung für Gott zugehörige Menschen verwenden und von dem er hoffen konnte, daß er auch von den Lesern im Zusammenhang der urgeschichtlichen Kapitel richtig aufgefaßt werde.

Wenn nun richtig ist, was ich schon sagte — ich halte es für richtig —, daß R p mit seiner Arbeit, auch der Urgeschichte, beabsichtigte, belehrend, warnend und mahnend, auf die jüdische Gemeinde seiner Zeit einzuwirken, und zwar bei Gen 6 l ff in dem angegebenen Sinne, dann dürfen wir annehmen, daß er den Ausdruck DTi^Kfi " a als Bezeichnung für die Sethiten wählte, weil er ihm und auch seinen Zeitgenossen für das eigene V o l k geläufig war, das sich gegenüber allen übrigen Völkern in einem besonderen persönlichen Verhältnis mit Gott wußte. Und daß man sich in der jüdischen Gemeinde im Sohnesverhältnis zu Jahwe dachte, dafür brauche ich die Stellen aus der älteren, der prophetischen und der deuteronomistischen Literatur hier sicher nicht anzuführen. Nur eine nachexilische Stelle zu erwähnen, darf ich freilich nicht unterlassen. Sie finden wir Mal i 6. Hier wird deutlich vorausgesetzt, daß man sich rühmte, Jahwes Sohn bzw. Söhne zu sein, ohne aber sich bewußt zu bleiben, daß das auch sehr ernste Pflichten gegenüber Jahwe in sich schließe. Dazu darf dann auch auf Mal 2 10 ff hingewiesen werden, wo am Eingang zu der scharfen Rüge wegen der Ehen mit fremden Weibern (»Töchtern eines fremden Gottes«) auch auf das Vaterverhältnis Jahwes zu dem Volke hingewiesen wird, also in besonders bedeutsamem Sinne eine Parallele zu Gen 6 geboten wird. Wir stehen nun bei Maleachi der Zeit des R p sehr nahe, so daß der Schluß schwerlich zu kühn ist, auch in der Zeit des R p habe die Benennung der Glieder der jüdischen Gemeinde als Söhne ihres Gottes überall Verständnis gefunden, auch insofern, als damit das persönlich nahe Verhältnis des Volkes zu seinem Gotte zum Ausdruck gebracht wurde, jenes Verhältnis, das dem Juden vor allem die Pflicht auferlegte, sich blutrein d. h. sich rein von aller heidnischen Unreinheit zu erhalten, vor allem anderen also das Konnubium mit heidnischen Weibern zu vermeiden. Wenn nun also R p in Gen 6 den Ausdruck qt6kh 'ja zur Bezeichnung der Gott noch nahestehenden Sethlinie in der Urmensch-

8]

Die Bedeutung von Gen 6 i — i in der gegenwärtigen Genesis

157

heit einsetzte oder aus der alten Vorlage herstellte, so erwartete er und durfte auch sicher erwarten, daß die Leser von c. 4 herkommend den Ausdruck richtig verstanden, den sie auf sich um ihres Verhältnisses zu Jahwe willen anzuwenden gewohnt waren und der in der Geschichte der Urmenschheit gebraucht, wo es noch kein erwähltes Volk gab, nur diejenige Menschenlinie bezeichnen konnte, die Gott noch nahe stand (wie ich oben zu Gen 4 ausführte), während die aus der Nähe Gottes verstoßene Linie der Kainiten nichts als Menschen waren (als Fleisch, wie ich vielleicht im Sinne R p s nach Gen 6 3 sagen darf). Ihre Töchter waren also »Menschentöchter« und nichts mehr. Töchter anderer fremder Götter (vgl. Mal 2 11) konnten sie nicht genannt werden, weil bisher in der Urgeschichte noch nichts steht, das auf fremde Götter gedeutet werden könnte. Sind nach alledem die »Gottessöhne« Menschen wie die »Menschentöchter«, dann ist auch keine Schwierigkeit mehr in dem Verhältnis von v. 2 zu v. 1 zu entdecken: msn v. 1 umfaßt dann wirklich alles, wovon in v. 2 geredet wird. Zugleich verliert auch das Kompositionswerk des R p einen sachlichen Anstoß, der in dem Ausdruck Qnbxn unzweifelhaft vorläge, wenn er wirklich nichts anderes als »Engelwesen« bedeuten könnte. Ich bin am Ende. Was ich beweisen wollte, glaube ich, soweit auf alttestamentlichem Boden überhaupt etwas bewiesen werden kann, erwiesen zu haben. Möchten meine Ausführungen nicht bloß hinsichtlich des eigentlichen thema probandum, sondern auch in Hinsicht auf die grundsätzliche methodische Seite meiner Behandlung des R p sorgsamer Aufnahme und Erwägung begegnen. V o n seiten dessen, dem sie zum Gruß gewidmet sind, bin ich freundlicher Aufnahme gewiß.

I58

H a n s Schmidt

Die Herkunft des Propheten Arnos. Von

Hans S c h m i d t 1 . In meinem Buche »der Prophet Arnos« (sechs Vorlesungen an einem Kriegshochschulkurs, Tübingen 1 9 1 7 ) habe ich die judäische Herkunft des Propheten in ,Frage gezogen. Aus mehreren Briefen, die ich seitdem bekommen habe, ersehe ich, daß ich mit dieser A u f stellung, die im Rahmen meiner Vorlesungen nur flüchtig begründet werden konnte, Widerspruch begegne. D . K A R L B U D D E und D . H U G O G R E S S M A N N besonders haben die Güte gehabt, mir ihre abweichende Ansicht ausführlich darzulegen. In meiner durch den Heeresdienst gegebenen Abgeschlossenheit von allem wissenschaftlichem Austausch waren mir diese beiden Briefe eine große Freude. Ich benutze die Muße eines bisher ruhigen Tages im Bereitschaftslager, um meine Anschauung nachzuprüfen und mich mit jenen beiden Briefen auseinanderzusetzen. Die Frage, um die es sich handelt, ist ja von erheblichem Belang. Fast jedes Wort des Propheten Arnos bekömmt einen andern Klang, je nachdem, ob es von einem J u d ä e r , also einem Ausländer in Israel gesprochen worden ist, oder ob da ein Nordisraelit in seinem eigenen Vaterlande zu uns redet. Man denke nur an die Worte gegen den König! H U G O W I N C K L E R hat seiner Zeit unter der Voraussetzung der judäischen Herkunft von Arnos das Bild eines politischen Agenten gewonnen! Darüber hinaus ist die Frage für die Gesamtgeschichte der alttestamentlichen Literatur, den Ursprung und die Heimat des SchriftprophetCntums voi^ Bedeutung. Die Entscheidung liegt in dem Verständnis des biographischen Abschnitts 7 10—u. Hier wiederum muß man ausgehen von einer Meinungsverschiedenheit über den ursprünglichen Wortlaut. 1 ) Der Aufsatz ist im F e l d e (am 1 8 . 7. 1 9 1 7 ) nach dem E m p f a n g eines Briefes von D . K A R L BCJDDE geschrieben.

Heimkehrend aus englischer Gefangenschaft h a b e ich noch

gerade die Möglichkeit, ihn dieser E h r e n g a b e vor ihrem Abschluß unverändert anzufügenFestschrift für Karl Budde.

D i e Herkunft des Propheten Arnos

2]

159

Nach dem mass. T e x t erwidert Arnos dem Priester A m a s j a : •0:x "!|513. F a s t allgemein wird diese L e s a r t verändert und ersetzt durch "33K *i|53. Ist das berechtigt? W i e w i r d e s begründet? 1. Durch den Hinweis auf die gleich darauf folgende Ausführung des Propheten, daß Jahwe ihn FT&N •HHKO fortgenommen habe. Ist hier — so sagt man — von einer S c h a f h e r d e (bzw. Ziegenherde) die R e d e , so muß auch vorher von einem »Schäfer« C P ) und nicht von einem, der mit Rindern zu tun hat gesprochen worden sein. 2. D e m entspricht die in die alte Ueberschrift »Worte des Arnos aus T h e k o a « eingefügte Randbemerkung o^jisa uncj 3. das ociitoXos, das L X X neben dem ßouxoXo; von A©2 bieten. Unter diesen drei Gründen ist der unter 1. angeführte der am meisten bestimmende, zugleich aber auch der anfechtbarste. Ist es wirklich erlaubt, die Bemerkung des Arnos, d a ß er bei seiner Berufung »hinter der Schafherde« von Jahwe ergriffen worden ist, wie einen Kommentar neben die A n f a n g s w o r t e seiner E r w i d e r u n g : »Ich bin kein K'33 und kein X ' a r p , sondern ein -ipia« zu stellen ? Das W o r t von der Schafherde gibt die besondern Umstände eines e i n m a l i g e n Ereignisses an; im A n f a n g seiner Erwiderung a b e r spricht der Prophet von seinem Stande, von seinem Beruf, von etwas dauerndem. Wenn ich von mir schreiben w ü r d e : »Ich bin Professor. W ä h r e n d ich diesen Aufsatz schreibe, sitze ich in einem K o m panieführerunterstand«, so darf niemand daraus das Recht nehmen, das W o r t »Professor« etwa durch »Kompanieführer« zu ersetzen und mir meinen Beruf wegzukonjizieren. Denn die beiden A u s s a g e n handeln von etwas Verschiedenem. Sie decken sich nicht. Arnos kann sehr wohl von Beruf ein "pla gewesen sein und sich trotzdem bei der bestimmten, ihm unvergeßlichen Gelegenheit gerade auf einer Schafweide bei den Schafen befunden haben. Damit ist nun aber zugleich auch die Stichhaltigkeit der oben unter 2. und 3. angeführten Gründe in F r a g e gestellt: W o r a u s hat denn der Glossator der Ueberschrift seine Kenntnis von dem Beruf des Arnos geschöpft? D o c h aus nichts anderem a l s eben aus 7 15! D a ß Arnos bei einer S c h a f h e r d e berufen worden ist, d a s war ihm eindrücklich; d a s wollte er sich am A n f a n g seines B u c h e s vermerken. W i l l man aus dieser Notiz wirklich schließen, d a ß der Glossator in 7 14 statt T ^ 3 T?' gelesen hat ? 1 l ) Wahrscheinlich hätte er übrigens in diesem F a l l e das W o r t einfach übernommen, hätte nicht geschrieben: Es sieht fast aus,

»der sich

unter den Schäfern befunden hat«, sondern einfach

als habe der Glossator sich geflissentlich so ausdrücken wollen,

d a ß man in seinem Relativsatz nicht den Beruf, sondern die

besondere Gelegenheit d e r

i6o

Hans Schmidt

[3

Dem widerspricht auch die oben unter 3. angeführte Tatsache, deren Kenntnis ich (hier im Felde nicht im Besitz einer LXX-Ausgabe) B U D D E S Brief verdanke, daß von A 6 2 ßouxoXo; (und nicht air.oAoc) geboten wird. B U D D E bemerkt dazu, diese Tatsache beweise nichts, *als daß MT schon damals -¡pa hatte«. D a s aber beweist sie jedenfalls. Das ainaloc, der LXX aber wird schwerlich einen andern Grund haben als das anpja der Glosse in 11 und als die Hinwegkonjizierung des npa in unsern Kommentaren, nämlich den starken Eindruck, den auf eine von der Scholle gelöste, und am Schreibtisch lebende Gelehrtenwelt immer wieder der Umstand gemacht hat, daß ein Prophet bei einer Schafherde berufen worden ist. Niemand wird schließlich bestreiten, daß die Aenderung des i p i in afooXos auf Grund von 7.15 sehr erklärlich ist. Umgekehrt wäre die Veränderung eines ursprünglichen npj in ~ipa gerade wegen 7 15 höchst auffallend, zumal nachdem einmal der Ausdruck npj in der Glosse zu 1 1 dem Buche als Ueberschrift aufgeheftet und dadurch jeder Leser und Abschreiber gegen ein Verlesen eines ursprünglichen ~ip5 zu "ipa durch die suggestive Wirkung, die gerade der immer wieder mit den Augen überflogene Anfang eines Schriftwerkes hat, noch besonders gesichert war. So erkennt denn auch GRESSMANN Z. B . ipa (brieflich) als ursprünglich an. Aber er meint nun, das mache gar keinen Unterschied: Das Wort, wiewohl etymologisch auf "1)53 zurückgehend, bedeute hier nur noch soviel wie »Hirt« und sei aus 7 15 als »Schafhirt« »Schäfer« auszulegen. Nun bin ich weit davon entfernt, GRESSMANNS Warnung von einer Erklärung aus der Etymologie gering anzuschlagen. Gerade Berufsbezeichnungen können ihre ursprüngliche Wortbedeutung stark abschleifen. Wenn bei uns zu Haus in der Milchwirtschaft von einem Schweizer die Rede ist, so wäre es ganz falsch, zu vermuten, daß dieser Mann etwa aus der Schweiz stammt. Aber, ob eine derartige Bedeutungsverschiebung gerade von "ipis zu »S c h a f hirt« wahrscheinlich ist, das ist mir nun doch fraglich. Die Voraussetzung dazu wäre doch, daß der Rinderhirt in Palästina der gewöhnliche, am häufigsten begegnende Typus des Hirten gewesen wäre. So häufig müßte man den "ipia auf der Weide gesehen haben, daß darüber ganz hätte vergessen werden können, w a s der Mann eigentlich weidet, Berufung lesen solle. Dann enthielten seine Worte geradezu einen Beweisgrund die Konjektur "ip3 für "Ipia.

gegen

4]

Die Herkunft des Propheten Arnos

161

und die Bezeichnung so übertragen werden auf jede Art von Viehhüten, auch auf das der Schafe und Ziegen. Nun ist aber (nach THEOBALD FISCHERS Ausdruck) das S c h a f das »Charaktertier P a l ä s t i n a s E r behauptet, es sei so häufig, daß man keine Landschaft photographieren könne, ohne Schafe oder Ziegen auf die Platte zu bekommen. Rinder sind jedenfalls und waren immer v i e l seltener. Ich habe drei Wochen in einem Fellachenhause in dem Dorfe Bir-Zet im Gebirge Ephraim gelebt und während der ganzen Zeit trotz mehrfacher Nachfrage nicht einmal die Möglichkeit gehabt, Kuhmilch zu bekommen. Rinder sind und waren in Palästina in erster Linie Zugtiere für den Pflug. Rinderherden und also auch Rinderhirten mag es in Basan gegeben haben, im Westjordanland aber kaum 1 . Der Begriff *n|?la hatte also eine sehr geringe Anwartschaft, zu der Bedeutung Hirt verallgemeinert zu werden. Aber heißt dann iRia überhaupt »Rinder h i r t«, »Rinder w e i d e n d « und nicht vielmehr »Rinder h a b e n d « ? Darüber kann nur der Sprachgebrauch entscheiden, den in vollem Umfang nachzuprüfen mir hier Lexikon und Konkordanz fehlen. Indessen soviel ist doch auch ohne eine genaue Statistik über den Sprachgebrauch zu ermitteln : bezeichnet die Rinder, die unter dem Joch vor dem Pflug gehen (I Sam Ii 5 u. 7, I Reg 1920). A l s das Nächstliegende erscheint mir danach doch, "ipia aufzufassen als einen Mann, der ein Joch Rinder besitzt, als einen »Ochsenbauern«, genau in dem Sinne, wie dieser Ausdruck etwa in Schwaben gebraucht wird. »Wer aber ein Joch Rinder hält, der hat auch eineh Pflug, den sie ziehen, und Weizen- oder Gerstenland, über das er ihn führt.« »Die Abwehr des Propheten (gegen das Wort des Amasja) sagt also: ,Ich bin ein Mann von eigener Scholle, habe mein gutes und sicheres Auskommen. Du irrst, wenn du meinst, daß das Prophetsein mein Broterwerb wäre1.« So habe ich den Ausdruck in meinen Amosvorlesungen (S. 7) erklärt. ' Aber verträgt sich diese Auffassung denn mit dem Zusammenhang ? Wird sie nicht durch den Gesamteindruck sowohl der Worte des Priesters Amasja, wie der Antwort des Propheten ins Unrecht gesetzt? Ich vermute, daß sich eben aus diesem Grunde (aus einer bestimmten Gesamtauffassung der Stelle) die Abneigung gegen den Ausdruck "ipla und die Allgemeinheit seiner Beseitigung erklärt. 1) So schreibt auch BUDDE (brieflich) zu " l p 3 : »Dies aber heißt schwerlich ,der ein Joch Rinder hält', sondern geradezu .Rinderzüchter' und den darf man doch in Palästina überhaupt nur an wenigen Stellen suchen.« Ueber die Bedeutung von - | p 3 ist gleich zu sprechen. Festschrift für Karl Budde.

II

IÓ2

Hans Schmidt

[5

Amasja sagt (7 12): »Marsch, Seher troll dich ( f ^ r n a ) ins L a n d Juda. Dort iß dein Brot. Dort spiel den Propheten!« Darauf folgt dann die höhnische Begründung. Diese Aufforderung wird herkömmlich so verstanden: »Geh in deine Heimat!« D i e s e m Gedanken, der in den Worten »ins Land Juda« für das Empfinden des'Propheten und aller Umstehenden ohne weiteres gegeben sein soll, pflegt man den übrigen Teil der Aufforderung unterzuordnen. S o schreibt z. B. BUDDE (brieflich): »onb Dt» bsKi heißt doch wohl: ,Bleibe im Lande und nähre dich redlich!'« Gegen diese Auslegung der Worte des Amasja habe ich in meiner Vorlesung (S. 6, A . I) den schon von andern erhobenen Einwand aufs neue geltend gemacht: »In diesem Falle (wenn er den Propheten als lästigen Ausländer hätte in seine Heimat verweisen wollen) hätte der Priester wohl nicht das Wort ma, sondern vielmehr sie gebraucht: ,scher dich h e i m ! ' « Jedenfalls hätte er so oder ähnlich sprechen müssen, wenn die Landesverweisung in die Heimat die S p i t z e seiner Aufforderung, ihr betontester Teil gewesen wäre. In diesem Falle hätte er auch in der Begründung, die er seinen Worten anfügt, anders sprechen müssen. Man würde erwarten, daß er gesagt hätte: »denn hier bist du ein geduldeter Fremdling; hier, in diesem Lande Israel, hast du nichts zu suchen !« Was aber sagt er zur Begründung seiner Aufforderung? »Denn das ist hier ein Heiligtum des Königs. Ein königlicher Palast (oder Tempel) ist das hier!« Diese Begründung unterstreicht m. E . in der dreigliedrigen Aufforderung das mittelste Glied und hebt es stark heraus: »Iß dort dein Brot!« Wir müssen uns erinnern, daß die Propheten gewöhnlichen Schlages aus ihrer Begabung ihren Unterhalt zogen. Sie lebten von Geschenken. Man entlohnte einen solchen Mann mit einem ViertelSekel (I Sam 9 7 f) oder mit ein paar Gerstenbrotkuchen (II Reg 442). Und der Vorwurf war zu hören: »Haben ihre Zähne zu beißen, so verkünden sie Heil. Steckt man ihnen nichts in den Mund, so sagen sie einem den Krieg an« (Micha 3 5). Wir dürfen sie uns denken wie heute die Wanderderwische in Palästina. Man hat eine geheime Scheu und religiöse Verehrung für sie — gewiß. Aber daneben steht unausgeglichen die Verachtung. Für den seßhaften Bauern wäre es auch heute eine Kränkung, ihm zu sagen: »Iß als Derwisch dein Brot 1 .« 1 ) Ein kennzeichnendes Beispiel für die zwiespältige Einschätzung eines solchen Derwischs und

für seine Art aus der »Prophetengabe« seine Nahrung zu ziehen, bietet

die

Erzählung »Der Derwisch« bei H A N S SCHMIDT und P A U L K A H L E , Volkserzählungen aus Palästina, Göttingen 1 9 1 7 , S. 3 4 — 3 7 .

6]

D i e Herkunft des Propheten

Arnos

163

Das — scheint mir — ist der eigentliche Sinn und der höhnende Anwurf in den Worten des Priesters Amasja. Er erhebt gegen Arnos den Vorwurf, daß er nur, um »sein Brot zu essen«, um schnöden Erwerbes willen den »Propheten spiele«, und sagt ihm : »Mach das, wo du willst, in dem benachbarten Juda meinetwegen, aber nicht hier. Denn dies ist hier ein königlicher Tempel. Hier ist Hausbettelei verboten!« Und nun wiederholen wir unsere F r a g e : P a ß t zu dieser Aufforderung die Antwort des Propheten, wie wir sie oben herausgestellt haben. Die A n t w o r t : »Ich bin kein «'23 oder x ^ - p , sondern ein -ipia, ein Bauer!« W a s könnte besser passen! D e m Vorwurf des Vagabundierens, des L e b e n s von Geschenken gegenüber die Berufung auf den Pflug und die Scholle! D a s Sichaufrichten des seßhaften, bodenständigen Mannes gegen die Zumutung, zu der Zunft zu gehören, die von Heiligtum zu Heiligtum zieht und keine Heimstätte hat! A b e r , so wendet GRESSMANN ein, die Worte des Arnos haben noch eine Fortsetzung: Er sagt nicht nur: »Ich bin ein n p n « , sondern a u c h : »Ich bin ein c'öpirDbu!« Paßt auch dieser A u s d r u c k zu dem von uns gewonnenen Ergebnis? W a s bedeutet a'öptp cba ? GRESSMANN erklärt (brieflich): »Ein Essen von Sykomorenfeigen (d^s) mag irgend etwas bedeuten, um die harten, holzigen Früchte eßbar und verdaulich zu machen. Dieses Essen ist c h a r a k t e r i s t i s c h (dafür gibt es ägyptische Parallelen !) für a r m e L e u t e ; Arnos war ein ganz armer Schafhirt, der von Sykomoren lebte !« G e g e n diese Ausführung habe ich, auch wenn die erschlossene Bedeutung von oba, auf die wir zurückkommen, richtig wäre, ein Bedenken: Sind die »ägyptischen Parallelen« hier wirklich zwingend? W e n n man mit der Bahn von Alexandrien nach Kairo fährt, sieht man an zahlreichen Stellen große Sykomoren. Sie stehn dort wie die g r o ß e n , breitschattenden Eichen in dem fruchtbaren Schwemmland der Unterelbe oder wie die großen Nußbäume hier in den Feldern Lothringens In A e g y p t e n hat es sicherlich immer v i e l 1) D i e E i g e n t ü m l i c h k e i t täuscht, der

immer

Frage

für

sich

veranlaßt:

der S y k o m o r e ,

allein

»Ob

wächst,

das

nur

d a ß sie, w e n n m i c h

hat mich im

meine Erinnerung

in m e i n e m A m o s b u c h

P l u r a l

vorkommende

DSpItf

a 11 e i n stehende S y k o m o r e bezeichnet und nicht vielmehr die E d e l f e i g e n Blüten?« mäischen

Diese

Vermutung läßt sich nicht

und Griechischen w i e d e r k e h r e n d e n

e b e n s o GRESSMANN). wunderlich.

Aber

die

Tatsache,

Dürfte man D'BptP mit

die Befruchtung durch G a l l w e s p e n

aufrecht

erhalten

Pflanzennamens« von

»Edelfeigen«

denken können,

(BUDDE und

d e r sie a u s g e h t ,

ist

würde

die

mit

»angesichts

ü b e r s e t z e n , so

nicht

(S. 3 A n m . )

männlichen

des

im

fast

wörtlich

Ara-

doch wirklich man

zu

stets

b e i D'JD

d i e i h r e E i e r in d i e B l ü t e n d e r II*

veran

männ-

IÓ4

Hans Schmidt

[7

Sykomoren gegeben; ihre Früchte waren d o r t gewiß billig »wie Brombeeren«, und ich glaube wohl, daß sie dort die Nahrung armer Leute gewesen sind. Von Palästina aber gilt diese Voraussetzung nicht! Ja, GHESSMANNS ganze Vermutung, daß ahn »essen« bedeute, hat keinen andern Grund als den, daß er aus seiner genauen Kenntnis Palästinas weiß, daß in der Gegend des traditionellen Thekoa im Gebirge Juda Sykomoren nicht gedeihen. Dann aber erhalten wir das schwierige Ergebnis, daß als »charakteristisches« Armeleut-Essen eine Frucht bezeichnet wäre, die an einer ganz andern Stelle hätte angebaut, auf Maultieren aufs Gebirge gebracht und dort an die armen Hirten ausgegeben werden müssen! Das ist doch undenkbar! Die Frucht des Johannisbrotbaumes (GRESSMANN erinnert an Luc 15 16) ist in Palästina eine Nahrung für Arme, die Frucht der Sykomore kann es in dem größten Teil des Landes unmöglich gewesen sein. Aber oSa heißt ja auch gar nicht »essen« »sich nähren« oder »eßbar machen«. Auf Grund des griechischen xvi^iov versteht man es — doch wohl mit Recht — als »einritzen«. Bei THEOPHRAST (hist. plant. 4 2) soll, wie ich mir irgendwoher notiert habe, zu lesen sein, daß die Früchte der Sykomore gegen die Zeit der Reife hin mit dem Nagel oder einem scharfen Instrument geritzt werden, damit ein Teil des herben Saftes abfließt. Und diese Kunst soll in Kairo noch heute von den Gärtnern verstanden und geübt werden. Mag nun dieser Handgriff oder ein anderer, für uns nicht mehr erkennbarer mit dem Worte gemeint sein, soviel ist doch wohl sicher, daß es sich hier um einen Kunstausdruck aus der Baumgärtnerei handelt. In meiner Vorlesung (S. 2, Anm. 1) habe ich hinzugefügt: »Jedenfalls (ist zu denken) an irgend etwas, das den Arnos als einen geübten Feigengärtner, der seine Bäume in guter Pflege hält, kennzeichnet!« S o aufgefaßt, paßt das Wort zu dem, was wir über den Sinn der Aufforderung des Priesters Amasja und über die Bedeutung des "OiK npia festgestellt haben, ausgezeichnet. Arnos weist den Vorwurf, daß er seine Prophetenworte um des lieben Brotes willen sage, mit der Erklärung ab, daß er Rinder hat und eine Sykomorenzucht. Und als drittes dürfen wir nach 7 15 noch hinzustellen: eine Schafherde. E r ist also kein »ganz armer Schafhirt«, sondern ein wohlhabender Bauer. liehen Feigenbäume legen. Die auskriechende Brut fliegt dann, mit Blütenstaub bedeckt, zu den weiblichen Blüten und bewirkt deren Befruchtung. Sorgfältige Gärtner sollen diesen Akt durch Kunst befördern. Das könnte dann DbD bedeuten. Bei Sykomoren gibt es diese Art der Befruchtung nicht.

8]

Die Herkunft des Propheten Arnos

165

Diese Erkenntnis ist nun nicht unwesentlich. Sie gibt den Worten des Propheten erst ihren eigentümlichen Adel. Seine Hingebung zugunsten der »Armen«, der »Zertretenen«, sein Zorn gegen Habsucht und Luxus aller Art gewinnen an Größe, wenn das alles nicht aus dem Hunger eines »ganz armen« Proletariers erwachsen ist, sondern aus der rein innerlichen Begeisterung eines von dem Gedanken der Gerechtigkeit überwältigten Herzens ! Das Wunder, das wir in dieser Persönlichkeit vor Augen haben, tritt so erst recht ans Licht. Nicht der sacro egoismo redet aus ihm, sondern Gott. Uebrigens bestätigt sich unsere Auffassung in den Worten des Propheten auf Schritt und Tritt: Die Weite seines geographischen Gesichtskreises (von Mesopotamien bis Aegypten oder Kreta; 3 9 I 2 if 9 7), die Vertrautheit mit der großen Politik seiner Zeit (1 2 ff 6 12—14), der klare Einblick in die sozialen Verhältnisse (5 7—13 8 4—s) und in die Geschichte der Religion und der Religionen (3 1 ff 9 7 5 25 ff) verraten die Feder — nicht eines ganz armen Schafhirten, sondern eines der Führenden seines Volkes. Nicht minder gilt dies von der Hoheit seiner Sprache und der Vollendung, in der er Kunstformen der Dichtung handhabt. Damit haben wir uns nun den W e g gebahnt, die Frage nach der Herkunft im engeren Sinne, nach der Heimat des Arnos zu untersuchen. Die geltende Ansicht geht dahin, daß er aus Juda stamme und in Nord-Israel, also als ein Landfremder seine Worte gesprochen habe. Die Gründe für diese Ansicht sind schnell aufgezählt: 1. Es steht in der Ueberschrift des Buches des Arnos — und zwar in ihrem Urtext, nicht in dem eingefügten Randvermerk, von dem wir oben gesprochen haben — »Worte des Arnos aus Thekoa«. Das ist — so sagt die Ueberlieferung — das heutige hirbet tku'a im G e b i r g e J u d a . 2. Das erste Wort des Propheten beginnt: »Jahwe brüllt vom Zion her. Und von J e r u s a l e m erhebt er seine Stimme!« (1 2a). 3. Ebenso lenkt das letzte Wort die Gedanken nach Juda, wenn er von der »zerfallenen Hütte D a v i d s « spricht (911). 4. Der Priester Amasja sagt: »Marsch, Seher, troll dich n a c h J u d a ! « (7 12). Da erhebt sich nun gegenüber dem unter 1. angeführten Grunde zunächst die F r a g e : Paßt das Bild, das wir aus Arnos 7 14 f von den Lebensumständen, von dem Besitz und der örtlichen Umgebung des Arnos gewonnen haben, zur hirbet tku'a, zu der Landschaft des Gebirges Juda, in der diese alte Ortslage noch heute erkennbar ist.

Hans Schmidt

[9

In meiner Vorlesung (S. 6, Anm. i) habe ich diese Frage verneint und gesagt: »Arnos stammt nach I 1 aus Thekoa und eine Ortschaft dieses Namens kennen wir allerdings im ödesten judäischen Gebirge. Aber eben dieser landschaftlichen Eigenart wegen kann d i e s e s Thekoa unmöglich die Heimat des Arnos sein«, Herr D. B U D D E erwidert (brieflich) auf diese Bemerkung: »Annähernd so schlimm wird freilich die Lage von Th. fast überall gekennzeichnet. Ich bin von Jerusalem über Bethlehem dorthin geritten und war selbst aufs äußerste überrascht, zunächst eine sehr ansehnliche Stadtanlage zu finden, eines der größeren Trümmerfelder (meist aus klassischer Zeit), die ich in Palästina gesehen habe, und sodann eine ganz stattliche Vegetation. Obgleich wir keine Bewohner trafen, fanden wir den ganzen Ostabhang der Erhebung, auf dem es lag (nach W. fällt es steil ab), mit fröhlich gedeihenden Linsenfeldern angebaut. Wenn es dort heute so steht, zur Zeit des Verfalls seit unvordenklichen Zeiten, so sah es vor 2^2 Jahrtausenden noch ganz anders aus; d. h. noch viel besser und fruchtbarer. Solche Stadtanlage entsteht nicht und besteht nicht mindestens ein Jahrtausend lang (die griechisch-römischen Bautrümmer!) in der Wüste; hier hat lebhafter Verkehr geherrscht und sicher auch ausreichende Getreide- und Baumzucht.« Dieser Ausführung muß ich nun in der Tat recht geben. Ich bin auch bei der hirbet tku'a gewesen; und zwar augenscheinlich zu einer für den Eindruck der Vegetation ungünstigeren Jahreszeit als BUDDE. Aber von dem » ö d e s t e n « Gebirge Juda und von der » W ü s t e « hätte ich doch nicht sprechen sollen. Schon die Trümmer der alten Ortschaft widerstreiten dieser Kennzeichnung der Landschaft. Ich habe dabei wohl unter dem unbewußten Eindruck von Schilderungen, wie sie nach meiner Erinnerung von H Ö L S C H E R (»die Profeten«) oder G R E S S M A N N (»Schriften des A T in Auswahl«) gegeben werden, gestanden. G K E S S M A N N schreibt auch jetzt in seinen brieflichen Ausführungen über -ipn: »In Thekoa hat man kein Futter für Rinder, sondern nur für Schafe.« Gerade diese Bemerkung bringt mir in Erinnerung, daß wir bei unserem Ritt zur hirbet tku'a zwischen den Trümmern zwei Rinder, die von einem alten Manne gehütet wurden, auf der Weide gesehen haben. Ich muß also B U D D E zustimmen: Bauern haben dort wohnen und wahrscheinlich ein leidliches Auskommen finden können, wenn auch natürlich zu allen Zeiten in weit geringerem Maß als auf den Berghängen und in den Talmulden etwa des Gebirges Ephraim, von der Küstenebene ganz zu schweigen.

ID]

Die Herkunft des Propheten Arnos

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A b e r e i n s bleibt nun doch bestehen: Sykomoren sind in der Landschaft der hirbet tku'a n i e m a l s gewachsen. Das wird wohl auch allgemein zugestanden. Von dieser Erwägung aus ist ja GRESSMANN auf den A u s w e g geraten, das G'öpw DBA gar nicht vom Züchten der Bäume, sondern vom bloßen Essen ihrer anderswo geernteten Früchte zu verstehen. Und BUDDE schreibt: »Ob nun die ¡rapiP in T. selbst wachsen oder etwas entfernt davon gepflegt wurden, ist dafür (für die Gleichsetzung von T h e k o a und hirbet tku'a) gleichgültig.« A b e r nun fragt sich doch, wie weit man denn gehen, und vor allem, welche Geländeschwierigkeiten man überwinden muß, ehe man den ersten möglichen Ort für eine Sykomorenanpflanzung antrifft. Ich meine, man müßte bis zu der Oase vor Jericho auf der einen und bis hinunter in die Küstenebene auf der andern Seite gehen! Ein derartiges Auseinanderliegen der zu einem Bauerngut gehörigen Liegenschaften ist doch — für die alte Zeit zumal — undenkbar. Als wir nach Thekoa ritten (Winter 1 9 1 0 / 1 1 ) , sprach ich mit Professor DALMAN über diese F r a g e : E r schloß unsre Unterhaltung mit dem W o r t : »Wenn Sykomoren in Thekoa gewachsen sind, muß es wo anders gelegen haben, hier haben nie Sykomoren gestanden.« Den damit angedeuteten Schluß habe ich — wie früher vor allem OORT — nun in meinen Vorlesungen gezogen: Ich habe ein anderes Thekoa als das im Namen der hirbet tku'a fortlebende postuliert. GRESSMANN nennt das »eine verzweifelte Folgerung«. Indessen ist es das wirklich ? Wie viele Ortsnamen begegnen nicht doppelt und dreifach in Palästina! Wie viele R a m a , Gibea, Mizpa, Gilgal hat es nicht nebeneinander gegeben und gibt es zum Teil noch. E s gehört das wohl zu den Eigentümlichkeiten eines so stark durchschnittenen Gebirgslandes wie Palästina. Noch heute wundert man sich bei den Bauern dort, einen wie geringen Teil ihres kleinen L a n d e s sie kennen. W i e fest die einzelnen Sippen in ihren Ortschaften wurzeln. In einer solchen Gebirgsbevölkerung bildet Gleichheit von Ortsbezeichnungen keine Schwierigkeit. Eine solche erwächst erst aus einem regeren Verkehr über weitere Strecken. A b e r — fragt GRESSMANN — »wo liegt es denn«, das Thekoa des Arnos ? Diese F r a g e vermag ich nicht zu beantworten. Nur soviel scheint mir gewiß: Die L a g e von hirbet tku c a scheidet für die Bestimmung der Heimat des Arnos aus. Wie steht es nun mit den oben unter 2 und 3 angeführten Gründen für die judäische Herkunft des Propheten? Zu 1 2 A erinnert mich BUDDE an seinen Aufsatz in der Z A W 1 9 1 0 , in dem er die Ansicht begründet hat, daß in 1 2 a nur ein Glossator

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Hans Schmidt

auf Joel 4 i6 verweise, um »beizubringen, w a s denn Arnos z w e i J a h r e v o r d e m E r d b e b e n geschaut habe, nämlich eben das Erdbeben«. Auch von andern ist dieser Vers beanstandet worden. Und in der T a t : die Bedenken gegen seine Ursprünglichkeit — das muß ich gegenüber meinem Amosbuch, das den Vers als »echt« behandelt (S. 28 und 34) — nach reiflicher Ueberlegung zugestehen, lassen sich nicht überwinden. Zunächst schon, daß der Vers Joel 4 16 in ganz gleichem Wortlaut vorkommt. Vor allem aber: die Worte, die ihm dort folgen, schließen sich außerordentlich viel besser als v. a b bei Arnos an. Man vergleiche : »Jahwe brüllt vom Zion her, Und von Jerusalem erhebt er seine Stimme, Daß Himmel und Erde erbeben« (Joel 4 16) und: »Jahwe brüllt vom Zion her, Und von Jerusalem erhebt er seine Stimme, Daß traurig stehn die Auen der Hirten Und das Haupt des Karmel verdorrt!« Schon vielfach hat man auf die Ungereimtheit hingewiesen, daß hier die Dürre als die Folge eines Gewitters (daran denkt man nach Ps 29 doch zunächst bei »der Stimme« Jahwes) bezeichnet wird. Dazu kommt noch als ein dritter Grund, daß durch die Ausscheidung von 1 2 a das erste große Gedicht des Arnos nicht nur nicht gestört wird, sondern gewinnt! Ich habe in meinen Vorlesungen bei der Erklärung dieses Gedichtes Nachdruck auf das immer wiederkehrende: »Ich will es nicht wenden!« gelegt und dazu bemerkt: »Wenn in Israel Not im Lande war . . . ., dann kam das Volk, das lassen uns eine Anzahl Psalmen (z. B. 85) und Prophetenworte (z. B. Joel 1 14) mit großer Deutlichkeit erkennen, zu einem Bußgottesdienst in den Tempel. In Sack und Asche lagen sie — Männer, Weiber und Kinder — auf den Steinfließen im Vorhof, zerrauften sich die Haare und schlugen sich die Brust, und ein Priester — gleichfalls im Trauergewand und auf den Knien liegend — brachte . . . . die Not in einem Bußgebet vor Gott. Bisweilen scheint in solcher Stunde einen Propheten die Verzückung ergriffen zu haben. Und dann stand er mit einem Male vor der betenden Menge und verkündete Gottes Antwort: J e nachdem: eine Zusage der Hilfe oder die harte Verkündigung: ,Ich will es nicht wenden! 1 « »Unser Gedicht beginnt mit dem Hinweis auf eine allgemeine Not: der von

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Die Herkunft des Propheten Arnos

immer grünen Eichen bestandene Karmelberg ist welk geworden, und die Talmulden, in denen die Hirten zu lagern lieben, weil Quellen darin rauschen und saftiges Grün die Hänge kleidet, liegen traurig da, ausgetrocknet und verdorrt.« Diese Auffassung des großen Bußgedichtes würde wesentlich erleichtert werden, wenn man i 2 a (und zwar mit Einschluß des auf £>ip folgenden als Einsatz streichen dürfte. Dann erhalten wir einen lesbaren und verständlichen T e x t : »Und er sprach: Traurig liegen die Auen der Hirten Und welk steht das Haupt des Karmel. S o hat Jahwe gesprochen . . . .« Eine kurze Periode stellt klar und scharf umrissen die Voraussetzung des Prophetenwortes, die Not, die »nicht gewandt«, sondern zum Feuer des Weltgerichtes gesteigert werden soll, an die Spitze. Damit ist nun auch der zweite Grund für die judäische Herkunft des Arnos unsern Händen entglitten. Wie steht es mit dem dritten? Beweist wirklich der Ausblick auf eine Wiederherstellung der »zerfallenen Hütte Davids« die Herkunft des Propheten Arnos aus Juda? Wenn etwa im Jahre 1807 ein im Königreich Westfalen lebender Mann in seiner Sehnsucht nach einer besseren Zeit sich zu dem Ausblick auf eine Wiederherstellung »der zerfallenen Hütte Friedrichs des Großen« erhoben hätte, müßte man dann folgern, daß ein solcher Mann nur aus Ostpreußen oder Brandenburg eingewandert sein könne? Davids Zepter hatte auch über das Nordreich geherrscht. Niemals würde sich die messianische Hoffnung mit dem Namen dieses Königs so unauflöslich verbunden haben, wenn sich seine Herrschaft nicht überall — auch im Nordreich — der Erinnerung als die goldne Zeit des gesamten Volkes Israel eingeprägt hätte. J a , man darf fragen, ob das Bild von der zerfallenen Hütte Davids in dem seinem Hause durch die Reichsspaltung entrissenen Gebiet nicht fast noch natürlicher war, als bei einem Manne aus Juda, dem die Lebenskraft der davidischen Dynastie doch recht lebendig vor Augen stehen mußte. Was in Juda noch bestand, war für den Nordisraeliten »zerfallen«, war Vergangenheit und als solche Gegenstand verklärender Sehnsucht. Auch von hier aus läßt sich die Herkunft des Propheten aus J u d a nicht beweisen. Somit bleibt nur noch die Aufforderung des Priesters A m a s j a : »Marsch, Seher, troll dich nach J u d a ! « , von der wir schon eingehend gesprochen haben. Man wird über diesen Vers sagen: Zugegeben, daß die A u f orderung des Priesters die oben aufgezeigte Spitze hat, daß sie den

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Hans Schmidt

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Arnos einen Wanderderwisch, einen fahrenden Bettler schilt, so m u ß doch der Priester einen bestimmten Grund gehabt haben, den Propheten g e r a d e n a c h j u d a auszuweisen. Zeigt sich darin nicht doch, d a ß das die Heimat des Propheten ist? Nun, wir sahen schon, d a ß jedenfalls das von Amasja gewählte W o r t nicht ausdrücklich vom »nach Hause gehen« spricht. Und für die Nennung des Landes Juda lassen sich doch auch noch andre Gründe anführen als der, daß das die Heimat des Arnos wäre. W e r auf der Höhe von Bethel steht, dem liegt judäischer Acker unmittelbar vor Augen. Man denke sich einen ostpreußischen Doimänenpächter, der einen Hausierer von seinem Hof jagen will: würde dem eine Handbewegung nach den in Sehweite sich ausbreitenden russischen Feldern und die Aufforderung: »Geh mit deinem K r a m nach Rußland. Hier ist Betteln und Hausieren verboten!« nicht nahe liegen ? Deutlich würde in einer solchen Aufforderung Hohn über das genannte Land zum Ausdruck kommen. Diese Empfindung hört man aber auch aus den Worten des Amasja. Ich habe diesen Eindruck in meiner Vorlesung so ausgesprochen (S. 5 f - ) : »Bemerkenswert ist die offensichtliche Verachtung, mit der er vom Staate Juda spricht. Das kleine Reich der zwei Stämme war im Gegensatz zu den Bergen des großen Nordreichs mit ihren dichten Oelbaumhainen : und fruchtbaren Talmulden rauh, kahl und a r m ; überdies war es nicht lange zuvor vom Nordreich besiegt und hart gezüchtigt worden (II Reg 14 8—14). W e n n Amasja dem Arnos, den er mit Zorn und Verachtung Verschwörer und Revolutionär nennt, rät nach Juda zu gehen, so geschieht das . . . ., weil ihm das Land als ein mit Unrecht selbstständiges Gemeinwesen, als der gewiesene Sammelpunkt aller Staatsfeinde und L u m p e n erscheint.« Dazu m a g noch kommen, d a ß das Auftreten von Propheten am Tempel in Jerusalem häufiger gewesen ist, als etwa in Bethel x . Damit sind die mir bekannten Gründe für die Herkunft des Arnos aus J u d a besprochen. E s bleibt noch übrig zu fragen: L ä ß t sich vielleicht etwas Positives für die Annahme, daß Arnos aus dem Nordreiche stammt, beibringen? In der T a t ist das der Fall. Als Arnos auftrat, m u ß noch in aller Erinnerung der blutige Bruderkrieg gewesen sein, den wir soeben erwähnt haben, der Krieg, den Jehoas von Israel gegen König Amasja von Juda nach II Reg 14 8 ff geführt hat. In diesem Kriege wurde die Mauer Jerusalems l) BUDDE wendet

ein:

und ungescheut vor seinen immerhin ein Entschluß:

die

»Ein Landeskind hätte er (Amasja) wohl am einfachsten Untergebenen

aufgreifen lassen.«

Indessen

unberechenbaren Kräfte eines Propheten

Trägern der öffentlichen Gewalt unheimlich.

dazu

gehörte

waren auch

den

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Die Herkunft des Propheten Arnos

M]

gebrochen und die Stadt geplündert. Nun sind die W o r t e des Arnos durchglüht von Zorn gegen die Regierenden im Nordreich, in Samaria. Und sein Auge ist offen für die Angelegenheiten der äußeren Politik. W e n n er nun ein Judäer gewesen wäre, wenn er von der Höhe der hirbet tku a auf Bethlehem und Jerusalem herniedergesehen, an diesen Städten vorüber seinen W e g ins Nordreich genommen hätte, wäre es dann vorstellbar, daß er von jenem Raubzug (II R e g 14 14) von der Plünderung des Tempels, des königlichen Schatzes und der Verschleppung aller dort aufgefundenen Kostbarkeiten nach Samaria auch kein sterbendes Wörtlein gesagt hätte? D a ß nicht wenigstens die Empfindung des aus dem kleineren, besiegten und mißhandelten L a n d e Stammenden einmal irgendwo zum Durchbruch gekommen wäre? W e n n er noch J u d a und Jerusalem wenigstens überhaupt nicht erwähnte! dann könnte man vielleicht s a g e n : Der Beweis e silentio gilt nicht! W e r weiß, was Arnos noch alles gesagt haben mag, das uns nicht erhalten ist. A b e r er spricht von Juda, spricht von Jerusalem, vom Tempel und ihren P r i e s t e r n 1 ! Ist dabei auch nur ein Hauch von Heimatklang, von Erbitterung über die seinem Vaterland geschehene Unbill in seinen Worten ? Im Gegenteil! E r kommt auf J u d a zu sprechen, als er die Flammen des Weltgerichts verfolgt, wie sie unter den Nachbarn und Feinden des Volkes Israel der Reihe nach ein V o l k nach dem andern ergreifen. J u d a ist ihm — das zeigt sich j a deutlich — Ausland, fast so wie Aram, Moab und Philistäa! Als einer der Grundzüge im Wesen der Propheten erscheint mir seine verzehrende L i e b e zu seinem V a t e r l a n d e 2 . Die Unheilsbotschaft über Nordisrael, über Samaria ist mit tiefem W e h geschrieben. So spricht kein aus der F r e m d e kommender Mann auf den Gassen eines Volkes, das die Auen seines Vaterlandes zertreten hat. S o spricht der Bürger, dem das Auge sehend geworden ist für den Wurm in der Blüte seiner lieben Heimat. S o vermag ich den Hintergrund für die W o r t e des Arnos trotz des erfahrenen Widerspruches nicht w e s e n t l i c h anders zu sehen, als ich ihn in meinen Kriegsvorlesungen gezeichnet habe. A b e r in vielen e i n z e l n e n Punkten, auch in solchen, von denen hier nicht die R e d e gewesen ist, haben mich die beiden Briefe, die mich hier vor dem Feinde aus der Heimat und aus dem Frieden unsrer Wissenschaft so freundlich gegrüßt haben, belehrt und überzeugt. Und so kann ich nicht anders schließen als mit dem Ausdruck tief empfundenen Dankes. 1) 2 4—6.

Ueber die Echtheit

(mit Ausnahme eines Zusatzes) Tgl. »Der

Prophet

Arnos« S. 3 1 , Anm. 2) Vgl. 7 2 7 5

9 1 1 — I S und dazu »Der Prophet Arnos- S. II, 16 ff., 80, 104 fr.

1^2

Carl Steuemagel

[i

Bemerkungen zu Genesis 17. Von

Carl Steuernagel. E s ist bisher wohl schon mehrfach beachtet worden, daß in Gen 17 ein gewisser Widerspruch steckt, sofern ausdrücklich erklärt wird, die m s , durch die sich Gott an bestimmte Verpflichtungen gebunden hat, beziehe sich nur auf Isaak und dessen Nachkommen und nicht auch auf Ismael (v. 19 ff), und andererseits in v. 10 ff geboten wird, die Beschneidung, die nach v. 11 das Zeichen der m a ist, an allen Nachkommen Abrahams, also auch an Ismael, j a selbst an den Sklaven Abrahams und seiner Nachkommen zu vollziehen, so daß sie das Zeichen der m a an sich tragen, ohne daß die m a sich auf sie erstreckt. Aber man hat diese Beobachtung bisher nicht weiter verfolgt und daher auch keine Schlüsse aus ihr gezogen. In meinem Lehrbuch der Einleitung in das Alte Testament (1912), § 549 habe ich bereits, allerdings in der durch die Umstände gebotenen Kürze, angedeutet, welches mir diese Schlüsse zu sein scheinen. Hier möchte ich das dort nur Angedeutete genauer ausführen und begründen. Das Kapitel zerfällt in zwei Hauptteile: der erste (v. 1—22) erzählt von einer Abraham zuteil gewordenen Gottesoffenbarung, bei der unter anderm auch die Beschneidung angeordnet wird; der zweite (v. 23—27) berichtet von der Ausführung der Beschneidung. Der erste Hauptteil enthält fünf Gottesworte v. ib—2 4—8 9aß—u isaß—16 i9aß—21, die durch besondere Einführungsformeln, bisweilen auch durch erzählende Zwischenbemerkungen voneinander abgegrenzt sind. Von diesen hängen enger zusammen das zweite, vierte und fünfte, während das dritte sachlich mit dem erzählenden Schlußabschnitt zusammengehört. Dem entspricht in der Hauptsache die Reihenfolge, in der ich die einzelnen Abschnitte besprechen möchte. Im übrigen ist die von mir gewählte Reihenfolge methodisch bedingt. Wir fassen zunächst den z w e i t e n Gottesspruch v. 4—8 ins Auge. Er zerfällt in zwei Teile. Im ersten (v. 4—6) legt Gott dar, worin seine m a mit Abraham bestehen solle. Er wolle seine NachFestschrift für Karl Budde.

2]

Bemerkungen zu Genesis 17

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kommen in außerordentlicher Weise mehren, so daß sie zu einer Menge von Völkern werden. Daher solle auch Abrahams bisheriger Name d-dk in omaK verändert werden, damit durch Anfang und Schluß (3K und en) angedeutet werde, daß sein Träger zum [cri: p]an ax werden solle. Nicht weniger wie dreimal wird auf die Mehrzahl der von Abraham abstammenden Völker hingewiesen. Man sieht, daß dies ein Hauptpunkt ist, auf den der Verfasser alles Gewicht legt. Im zweiten Teil desselben Spruches (v. 7—s) sagt Gott, daß er seine m a Abraham und seinen Nachkommen gegenüber ewig aufrecht erhalten wolle, und wiederum führt er aus, welches der Inhalt der von ihm übernommenen Verpflichtung sein soll: er will Abraham und seinen Nachkommen Gott sein und ihnen das Land Kanaan zu ewigem Besitz geben. E s ist klar, daß diese m a - Z u s a g e n nur auf die Israeliten Bezug haben können, denn nur i h r Gott ist Jahwe und nur i h n e n gehört das Land Kanaan. In dieser Zusage kommt Abraham also nur als Ahnherr Israels in Betracht. Macht man sich dies klar, so empfindet man sofort eine starke Disharmonie zwischen den beiden Teilen des Gottesspruches. Wer so geflissentlich wie möglich betont, daß Abraham der Stammvater vieler Völker werden soll, kann nicht im Sinne gehabt haben, damit eine weitere Ankündigung einzuleiten, in der dieser Gedanke nicht nur keine Bedeutung mehr hat, sondern geradezu ausgeschlossen ist. Und umgekehrt, wer Gottes nur Israel geltende Zusagen mitteilen will, kann das unmöglich einleiten mit der stärksten Betonung des Gedankens, daß Abrahams Nachkommen nicht nur die Israeliten sind, sondern eine ganze Menge von Völkern. Kommt man von v. 4—0 zu v. 7, so muß man bei -|inr notwendig an die vielen Völker denken, um dann hinterdrein zu bemerken, daß das angesichts des weiteren Inhaltes von v. 7 f nicht angeht. E s ergibt sich somit, wie mir scheint, der zwingende Schluß, daß v. 4—e und v. 7—8 nicht von dem gleichen Verfasser stammen. Wir bezeichnen den von v. 4—6 vorläufig mit A , den von v. 7—8 mit B. Der f ü n f t e Gottesspruch v. 19aß—21 ist durch ein kleines erzählendes Stück eingeleitet, das zu seinem Verständnis die notwendige Voraussetzung bildet. Abraham hält es für undenkbar, ja für lächerlich, daß Sara, die Neunzigjährige, ihm, dem Hundertjährigen, noch einen Sohn schenken könne, und empfiehlt Ismael, seinen Sohn von der Hagar, der Fürsorge Gottes. Gott aber weist das zurück: in der Tat, S a r a soll Abraham einen Sohn gebären, dem er, weil die Ankündigung seiner Geburt ihm lächerlich schien, den Namen p n r ( = er lacht) geben soll; auf diesen und seine Nachkommen bezieht sich die m a Gottes. Freilich will Gott, der Bitte Abrahams entsprechend, auch

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Carl Steuernagel

[3

für Ismael sorgen, ihn segnen und zu einem großen Volk mit zwölf Fürsten werden lassen; aber die n n a gilt nicht ihm, sondern dem Isaak, v. 17—21 erweisen sich also als ein in sich vollkommen geschlossenes und einheitliches Stück. Dieser Abschnitt ist nun ausdrücklich mit v. 7 f verknüpft; vgl. v. i9 b ab™ m a b ms r n a n« Topm mit v. 7 a^ir m a b .••• Tma ns Tiapm. Und was v. 7 f nur zu erschließen war, daß die m a nicht allen Nachkommen Abrahams, sondern nur den Israeliten gelten soll, das wird hier ganz unzweideutig ausgesprochen. S o gehören v. 17—21 formell und sachlich mit v. 7 f zusammen. A u c h sie sind also B zuzuweisen. Nun setzen v. 17—21 vor sich die Ankündigung voraus, daß S a r a dem Abraham einen Sohn gebären werde. E i n e solche bietet der v i e r t e Gotiesspruch in v. i6 a . Im übrigen aber laufen v. 15 f den v. 4—6 parallel. D a ß S a r a statt ihres ursprünglichen Namens n® den Namen mir erhält (v. 15), entspricht der Namensänderung für Abraham in v. 5; daß sie zu Völkern werden soll und daß Könige von ihr abstammen werden (v. i6 b ), entspricht der gleichen A n k ü n d i g u n g e n Abraham v. 6. Danach muß v. 15 i6 b A, v. i6 a B zugeteilt werden. Und daß an v. 16 tatsächlich zwei Hände beteiligt sind, wird auch durch eine formelle Beobachtung bestätigt, nämlich durch das doppelte »ich will sie segnen«, das in v. a und v. b je seine besondere Auslegung erhält. Der S c h l u ß a b s c h n i t t v. 23—27 berichtet von der Ausführung der Beschneidung. Sie wird vollzogen an Abraham, Ismael und den Sklaven, sowohl den hausgeborenen als den für Geld gekauften, kurz an allem, was männlich ist im Hause Abrahams. S o geflissentlich wie möglich werden dabei Ismael und die Sklaven mit Abraham auf e i n e Stufe gestellt. Davon, daß ein scharfer Unterschied zwischen den Israeliten und den übrigen Nachkommen Abrahams besteht, merkt man nichts. Dadurch ist B ausgeschlossen. Aber der Interessenkreis unseres Abschnittes deckt sich auch nicht mit dem des A, er ist weiter. Denn A faßt nur die N a c h k o m m e n Abrahams ins Auge, unser Abschnitt auch die s o n s t i g e n Angehörigen seines Hauses, die Sklaven. D a erhebt sich die Frage, ob diese Erweiterung des Interessenkreises (nur um eine solche, nicht um einen Widerspruch handelt es sich) vielleicht auf 'eine spätere Hand zurückzuführen ist. Die Entscheidung scheint mir durch den dritten Gottesspruch (v. 9—n), auf den in v. 23 bß ausdrücklich zurückgewiesen wird, in positivem Sinne gegeben zu werden. Dieser d r i t t e Gottesspruch v. 9—u richtet an Abraham und seine Nachkommen die Forderung der Beschneidung, die an allen

4]

Bemerkungen zu Genesis 17

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männlichen Angehörigen seines Hauses, und zwar nicht nur an den leiblichen Nachkommen Abrahams, sondern auch an den Sklaven, den hausgeborenen und den für Geld gekauften, vollzogen werden soll, so daß die Ausführung v. 23—27 der Anordnung von v. 9 ff genau entspricht. Aber v. 9 ff sind nicht einheitlich. Die Forderung ist zunächst v. 9a an Abraham gerichtet, in v. 9b aber wird der Kreis der Angeredeten sofort erweitert. Demgemäß tritt im folgenden die pluralische Anredeform ein. Wenn diese in v. 10 aß durch einige Worte mit singularischen Suffixen unterbrochen wird ("pnx "pii p-i), so sind diese augenscheinlich ein Zusatz, zumal da sie sachlich in dem vorausgehenden ca^ai schon mit enthalten sind. Der Plural herrscht dann bis v. i2 a ; in v. i2b i3 a tritt wiederum die singularische Anrede ein, um dann in v. i3b wieder der pluralischen zu weichen. Augenscheinlich sind auch v. i2 b 13 a ein Zusatz (genauer vielleicht ein doppelter, da v. i2b und i3a sachlich identisch sind). Die Ausscheidung von v. i2b 13 a wird auch durch eine inhaltliche Erwägung gefordert. Bis v. i2 a wird niemand auf den Gedanken kommen, daß die Beschneidung auch an den Sklaven vollzogen werden solle, da von solchen bisher nicht die R e d e war. Ja, v. 11 a schließt diesen Gedanken geradezu aus, da mit onbasi die Beschneidung auf die Angeredeten, d. h. auf Abraham und seinen Samen, beschränkt ist. Auch das Dab in v. iob 12 a bezieht das 'yian ausdrücklich nur auf die Angeredeten. Aber die Kritik muß noch weiter gehen. Das lehrt zunächst die Disposition der göttlichen Anordnung. In v. 9 wird die Forderung angekündigt, in v. io a a b 11 a wird ihr Inhalt angegeben, indem dabei genauer bestimmt wird, an wem und an welchem Gliede die Beschneidung vollzogen werden soll; v. n b geht dazu über, die Bedeutung der Beschneidung anzugeben, und das findet seine Fortsetzung in v. i3 b i4. Der dazwischen stehende v. ia a nebst dem Zusatz v. i2b is a unterbrechen diese Ausführung über die Bedeutung der Beschneidung, indem sie Ergänzungen zu den technischen Anordnungen geben, nämlich den Zeitpunkt der Beschneidung bestimmen und den Kreis derer, an denen sie vollzogen werden soll, auf die Sklaven ausdehnen. Auch v. 12 a wird dadurch als Zusatz verdächtig. Auch hier kommt eine sachliche Erwägung hinzu, um diesen Schluß zu stützen. Nach v. u ist jeder biß1 X1? -i»k nst schuldig: er hat die i r i a gebrochen und soll durch Ausrottung bestraft werden. Das setzt voraus, daß er selbst irgendwie aktiv mit seinem Willen an der Beschneidung beteiligt war, daß er sich geweigert hat, sich beschneiden zu lassen; davon aber kann bei einem Kinde im Alter von acht Tagen

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nicht die Rede sein. Wäre v. 12a ursprünglich, so müßte v. u den mit Strafe bedrohen, der sein Kind nicht beschneiden läßt; v. 14 schließt also den v. 12a vor sich aus. Dies Ergebnis wird endlich auch durch v. 23—27 bestätigt; auch dieser Abschnitt kennt v. i2 a noch nicht, während er doch im übrigen ausdrücklich auf v. 9 ff zurückweist und diese in irgendeinem Umfang voraussetzt. E r bemerkt nämlich, daß Ismael 13 Jahre alt war, als er beschnitten wurde. Diese Angabe ist recht auffallend, wenn man fragt, wie der Verfasser zu ihr gekommen ist. Nach der älteren Tradition ( E Gen 21) war Ismael zur Zeit der Entwöhnung Isaaks noch ein kleines Kind, er war also erst kurz vor der Ankündigung der Geburt Isaaks geboren. An sich hätte nichts P gehindert, diese Annahme beizubehalten, also 16 ¿6 zu sagen: Abraham war 99 Jahre alt, als Hagar ihm den Ismael gebar. E r hätte dann die Möglichkeit gehabt, Gen 17 zeitlich unmittelbar auf 16 16 folgen zu lassen und zu berichten, daß Ismael 8 T a g e alt war, als er beschnitten wurde. Warum verlegt er die Geburt Ismaels 13 Jahre früher? Warum gibt er ihm, abweichend von der älteren Tradition, zur Zeit der Ankündigung der Geburt Isaaks und damit zur Zeit der Einführung der Beschneidung ein Alter von 13 Jahren? Das muß doch einen, bestimmten Grund haben. Und der ist allerdings leicht zu erkennen, wenn wir daran denken, daß bei den Arabern die Beschneidung nicht an den Kindern vollzogen wird, sondern an den Jünglingen zur Zeit des Eintritts der Geschlechtsreife. Die Annahme wird berechtigt, ja nicht zu umgehen sein, daß P wußte, daß auch die Ismaeliter die Beschneidung an den 13 jährigen vollzogen, und daß er das rechtfertigen und begründen wollte mit der Angabe, daß ihr Stammvater im Alter von 13 Jahren beschnitten wurde. Ist das aber die Bedeutung von 17 25, dann ist klar, daß der Verfasser dieses Verses den v. ia a noch nicht gekannt hat. Das Verhältnis von v. 23—27 zu v. 9 ff läßt aber noch einen weiteren Schluß ziehen. Die Beschneidung hat nach v. n b i3 b 14 die Bedeutung eines m a riK. Wer beschnitten ist, gehört also zur m a Gemeinde; wer unbeschnitten bleibt, wird aus ihr ausgerottet. Soll das überhaupt einen Sinij haben, so kann es sich nur auf Israeliten beziehen. Wären v. 11b i3 b u die originale Fortsetzung von v. 9 ioa