Von Ugarit nach Qumran. Beiträge zur Alttestamentlichen und Altorientalischen Forschung

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Von Ugarit nach Qumran. Beiträge zur Alttestamentlichen und Altorientalischen Forschung

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VON U G A R I T NACH Q U M R A N BEITRÄGE A L T T E S T A M E N T L I C H EN U N D

ZUR ALTORIENTALISCHEN

FORSCHUNG

OTTO

EISSFELDT

Z U M 1. SEPTEMBER 1 9 5 7 D A R G E B R A C H T V O N F R E U N D E N UND SCHULERN, H E R A U S G E G E B E N IN Z U S A M M E N A R B E I T M I T

W. F. A L B R I G H T , W. B A U M G A R T N E R , J . L I N D B L O M , J. P E D E R S E N und H. H. ROWLEY VON

JOHANNES HEMPEL UND LEONHARD ROST

ZWEITE U N V E R Ä N D E R T E

AUFLAGE

1961 V E R L A G

ALFRED

TÖPELMANN



BERLIN

B E I H E F T E ZUR ZEITSCHRIFT FÜR DIE ALTTESTAM ENTI.ICHE WISSENSCHAFT 77

Gleichzeitig mit der ersten Auflage ist eine gebundene Ausgabe m i t der

Tabula

g r a t u l a t o r i a der Hallenser F a k u l t ä t , der Liste der G r a t u l a n t e n und einem

Bericht

über Vorgeschichte u n d Überreichung der F e s t s c h r i f t erschienen

Alle Rechte, einschl. der R e c h t e der Herstellung von P h o t o k o p i e n und Mikrofilmen von der Verlagshandlung v o r b e h a l t e n P r i n t e d in G e r m a n y S a t z : W a l t e r de G r u y t e r & Co., Berlin W 30

INHALT Seite

ALBRIGHT, WILLIAM FOXWELL: Z u r Chronologie der v o r i s l a m i s c h e n A r a b e r

.

.

1

BARDTKE, HANS: Der Erweckungsgedanke in der exilische— nach exilischen Literatur des Alten Testaments

9

BAUMGARTNER, WALTER: Beiträge zum hebräischen Lexikon

26

DAUBE, DAVID : R e c h t s g e d a n k e n in den E r z ä h l u n g e n des P e n t a t e u c h s

32

DRIVER, G. R. : Notes on Isaiah

42

GALLING, KURT: Die TEPTTOAH des Alexander Jannäus

49

HEMPF.L, JOHANNES: Pathos und Humor in der israelitischen Erziehung

63

HUMBERT, PAUL: Emploi et portée bibliques du verbe yâçar et de ses dérivés substantifs

82

LINDBLOM, JOHANNES: Zur Frage des kanaanäischen Ursprungs des altisraelitischen Prophetismus

89

MAASS, FRITZ: Hazor und das Problem der Landnahme

106

MEYER, RUDOLF: Spuren eines semitischen Präsens-Futur in den Texten von Chirbet Qumran

118

MOWINCKEL, SIGMUND: » R a h e l s t ä m m e « u n d » L e a s t ä m m e «

129

NORTH, CHRISTOPHER R . : T h e E s s e n c e of I d o l a t r y

161

PXKOZDY, LADISLAS MARTIN VON : T h e o l o g i s c h e R e d a k t i o n s a r b e i t in der B i l e a m -

Perikope

161

ROST, LEONHARD : E r w ä g u n g e n zum israelitischen B r a n d o p f e r

177

ROWLEY, H. H. : Qumran, the Essenes and the Zealots

184

SEGERT, STANISLAV: Die Schreibfehler in den ugaritischen literarischen Keilschrifttexten im Anschluß an das Textkritische Hilfsbuch von Friedrich Delitzsch klassifiziert

193

SEKINE, MASAO: Schöpfung und Erlösung im Buche Hiob

213

STOEBE, HANS JOACHIM: D a v i d und Mikal, Ü b e r l e g u n g e n zur J u g e n d g e s c h i c h t e

Davids

224

THOMAS, WINTON : Again »The Prophet« in the Lachish Ostraca

244

DE VAUX, ROLAND : Les sacrifices de porcs en Palestine et dans l'Ancien Orient 260 VRIEZEN, TH. C. : Einige Notizen zur Übersetzung des Bindeworts K I ZIEGLER, JOSEPH : Z u m W o r t s c h a t z des griechischen S i r a c h

. . . .

266 274

Zur Chronologie des vorislamischen Arabien1 Von W . F . A l b r i g h t in Baltimore

(Johni Hopkins UniTcnitj, Btlrimnre 18 Md)

I. Wegen der kurzen Zeit, die zur Verfügung steht, werde ich nur wenige Worte über den gegenwärtigen Stand unserer amerikanischen Forschung sagen. Nach unseren Ausgrabungen in Südarabien zwischen 1950 und 1953, unter den Auspizien der American Foundation for the Study of Man und ihres Präsidenten, Herrn WENDELL PHILLIPS, schreitet die Vorbereitung des ungeheuren Materials unter meiner wissenschaftlichen Aufsicht beständig vorwärts2. Wir erfreuen uns der energischen Hilfe der Herren Doktoren ALBERT JAMME, G. W. VAN BEEK, RICHARD L E BARON BOWEN, F R A N K P . ALBRIGHT, A . M.

HONEYMAN, und vieler anderer Mitarbeiter. Dr. BERTA SEGALL, die für dreieinhalb Jahre in Baltimore mitarbeitete, hat jetzt eine Stellung am Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg angenommen; wir haben sehr viel von ihrer großen Sachkenntnis der Kunstgeschichte und besonders der hellenistischen Kunst gelernt und hoffen, noch viel mehr von ihr zu lernen. Unser erster Band wird bald erscheinen; wir sind ja mit der Druckbogenkorrektur fast fertig8. Zwei weitere Bände sollen rasch folgen, und noch viel Material ist fast druckreif. Wenn kein Unglück passiert, werden wir voraussichtlich sechs bis acht Bände herausgeben, ohne von besonderen Monographien und Aufsätzen zu reden, wie dem Band von Pater JAMME über die Inschriften von Heid Bin 'Aqil. II. Sehr wichtig sind die Studien von Dr. BOWEN über Bewässerungsanlagen und Schlammlager. Es gibt wenigstens 6 m von abgelagertem Bewässerungsschlamm unter den ältesten menschlichen Resten im Stadthügel Hadschar Bin Humeid, 15 km südlich von Timna', der Hauptstadt des alten Qatabän; seit der Gründung der Festung um 1000 v. Chr. ist das Schlammniveau in 1200 Jahren um 8 m höher gestiegen — durchschnittlich 1 m in 150 Jahren. Diese Schätzung hat natürlich nichts mit dem Niveau der spätesten qatabanischen Schicht, das 15 m in 1000 Jahren gestiegen ist, zu tun. 1

Vortrag für den XXIV.

Internationalen Orientalisten-Kongreß in München

(1967) vorbereitet. * Für eine populäre Übersicht vgl. WENDELL PHILLIPS, Qatäban and Skeba (New Y o r k und London 1956), deutsch übertragen Kataba (sie) und Saba (S. Fischer Verlag 1966). • Archaeological Discoveries in South Arabia (Publications of the American Foundation for the Study of Man, Vol. I I , Baltimore, Johns Hopkins Press, 1967). Von Ugarit nach Qamian

1

2

W . F.

ALBRIGHT

Dr. BOWEN rechnet mit einem Zeitablauf von nicht weniger als 400 Jahren — wohl noch mehr — vor der Gründung der Festung um 1000 v. Chr. Mit anderen Worten, die Anfänge künstlicher Bewässerung im Wädi Beihän reichen bis in die mittleren Jahrhunderte des I I . Jahrtausends zurück. Das wird auch in den übrigen Talniederungen von Südarabien ungefähr stimmen, obwohl Hadramot als weitaus das größte und am besten mit leicht zu erreichendem Grundwasser versorgte Tal wohl am frühesten besiedelt worden ist. Hier konnte man ja leicht Brunnen graben und Bewässerungsanlagen schneller herstellen als bei Gebrauch des gewöhnlichen südarabischen Ablenkungssystems möglich war. Vorläufig kenne ich nur einen archäologischen Gegenstand aus der Bronzezeit, einen schönen Keulenknauf aus Kalkstein, der in der Nähe von Schabwa gefunden wurde. Das eigentliche Saba liegt nicht um die alte Hauptstadt Märib herum, sondern weiter nach Westen hin im Gebirgsmassiv von Jemen. In diesen Bergen konnten höchstens einzelne Jägerbanden oder kleine halbseßhafte Menschengruppen umherwandern, da es nur wenig ständig fließendes Wasser gab. Erst nach der Verbreitung von wasserdichtem Kalkverputz, der bekanntlich im Norden gegen Ende der Bronzezeit praktisch erfunden worden ist 4 , konnte man echte Zisternen bauen, um das Wasser durch den Sommer hindurch zu halten. Die intensive Besiedelung der sabäischen Berge kann also erst nach dem Anfang der Eisenzeit angesetzt werden, und dürfte sich wohl nicht vor dem 10. Jh., ganz wie in Palästina und Phönizien, entwickelt haben. Die Sabäer sind also wohl sicher mehrere Jahrhunderte später als die sogenannten s-sprechenden Stämme, die Hadramiter, Qatabaniter und Minäer, seßhaft geworden. Da die Zähmung des Kamels bekanntlich nicht vor den mittleren Jahrhunderten des 2. Jahrtausends stattgefunden hat 5 , werden die 4

Vgl. W . F . ALBRIGHT, Archaeology

S. 113; Studies

in the History

S. 33; Historia

Mündt

of Culture

of

Paiestine

(Harmondsworth,

1966),

( W a l d o Leland Festschrift, Menasha, 1942),

2 (1963), S. 363, 366. Es muß nachdrücklich betont werden,

daß man bis jetzt keine echten Zisternen, die mit richtig gelöschtem Kalkmörtel verputzt worden sind, vor der Eisenzeit konstatiert hat, obwohl die Möglichkeit einer früheren Anwendung

existiert.

Alle bisher analysierten Verputzproben

wurden

entweder aus Gips oder aus »hydraulischem« (in niedrigeren Hitzen gebranntem) Kalk gemacht. * Vgl. REINHARD WALZ, Z D M G 101 (1961), S. 2 9 - 6 1 ; 104 (1964), S. 47ff.; Actes

du IVe

Congres

International

des

Sciences

Anthropologiques

et

Ethnologiques

(Wien, 1962) I I I (1966), S. 190—204. N u r dürfte es nicht mehr zu behaupten sein, daß das Kamel erst im Neschd domestiziert worden ist, da nach Philby (persönliche Mitteilung) der Boden dort allzu steinig ist und die besten Kamele noch immer vom Hinterland Omans stammen. Die erste Zähmung des Kamels wird also wohl in Südarabien stattgefunden haben.

3

Zur Chronologie des vorislamischen Arabien

Anfänge des sabäischen Karawanenhandels in die Früheisenzeit, zwischen etwa 1200 und 1000 zu datieren sein. Es ist sicher kein Zufall, daß wir die Gründung von Hadschar Bin Humeid an einem wichtigen Knotenpunkt des Karawanenhandels nach dem RadiokarbonBefund um 1000 v. Chr. datieren müssen. III. Jedenfalls war das sabäische Handelsreich schon vor dem Ende der Regierung Salomos um 922 v. Chr. zu Weltbedeutung aufgestiegen. Da neuere archäologische Entdeckungen die sonstigen Angaben der salomonischen Überlieferung in den Königsbüchern glänzend bestätigt haben, brauchen wir kein Wort über die Glaubwürdigkeit der berühmten Notiz über Karawanenhandel mit Saba zu verlieren®. Es ist ja sehr wohl möglich, daß die »Königin« von Saba nicht die führende Oberherrin im Lande, sondern eine Regentin oder gar ein Stammeshäuptling, wie wir sie in Arabien im 8. und späteren Jahrhunderten sehr oft finden, gewesen ist. Jedenfalls reicht das Mukarribsystem zurück bis in das 9. Jh. und dürfte schon viel älter sein. Die Chronologie des letzten Jahrtausends v. Chr. kann jetzt in ihren Hauptlinien als gesichert gelten, da wir mehrere unabhängige Beweismittel besitzen. Besonders wertvoll sind die folgenden: 1. Stratigraphische oder schichtengemäße Ausgrabung. In Hadschar Bin Humeid haben wir in zwei Kampagnen (1950—51) 15 Vi m tief gegraben, bis wir den ursprünglichen Boden erreichten. 2 m höher haben wir ein großes Gefäß mit einem Monogramm, das einige Buchstaben vom Typus der ältesten bisher bekannten Mukarrib-Inschrift enthält, gefunden. Noch 1,50 m höher fanden wir karbonisiertes Holz in vorzüglichem Erhaltungszustand; davon bekamen wir eine Radiokarbon-Datierung etwa um 850 v. Chr.7. Viele andere Gefäßinschriften, in verschiedenen Tiefen entdeckt, ermöglichen durchgehende Parallelen zwischen der Entwicklung der Keramik und der Paläographie. Daraus bekommen wir einen kräftigen Leitfaden für die archäologische Chronologie Südarabiens überhaupt. Mit dieser Methode können wir zum Beispiel die Gründung des Tempels Amir in Timna' (wohl Tempel des Sterngottes 'Athtar) ins 8. Jh. 8 und den Bau der nachfolgenden • Siehe vorläufig Archaeology and the Religion of Israel (4. Aufl., Baltimore, 1966) S. 130—166, deutsch von F. CORNELIUS, Die Religion Israels im Lichte der archäologischen Ausgrabungen (München, 1966), S. 146ff., und meinen demnächst erscheinenden Aufsatz in der Festschrift für B. Mazar (Maisler). '

S . G . W . VAN B E E K , 3 A S O R ,

Nr. 143 (1966), S. 6 f f .

8

Über die Chronologie dieses Tempels siehe den Vortrag, den ich für den X X I I I . Orientalisten-Kongreß in Istanbul vorbereitet hatte: »The Results of Recent American Archaeological Research in South Arabia« (gerade jetzt in den Verhandlungen des Kongresses, Leiden 1967, erschienen). Die Datierung der ältesten Bauperioden ist durch unsere neuesten Forschungen vollkommen bestätigt worden. Für den Namen des Tempels vgl. A. JAMME, BASOR, Nr. 138 (1966), 1"

4

W. F.

ALBRIGHT

Tempelmauer nach babylonischer Art ungefähr in die erste Hälfte des 6. Jh.s v. Chr. datieren 9 . 2. Die vergleichende Archäologie und Kunst haben viele schöne Resultate bei uns erzielt. Unter anderem hat Dr. BERTA SEGALL gezeigt, daß zwei längst entdeckte Reliefsteine in Südarabien ihre Vorlagen in Byblos und Karkemisch haben, beide im 10. Jh. v. Chr. 10 . In diesen und ähnlichen Fällen aus späterer Zeit handelt es sich um wellenartige Entlehnung vom Norden, wobei wir oft mit bedeutender Zeitverzögerung rechnen müssen11. Auch keramische Entlehnungen aus Syrien und Mesopotamien kommen vor. Sichere Einfuhrwaren finden wir bis jetzt nur in der Achämenidenzeit und besonders in der hellenistischen Periode, natürlich weil wir bis heute keine Paläste oder gar Privat Wohnungen aus so frühen Zeiten ausgegraben haben. Gegen Ende von Qatabän kommen Einfuhrwaren oder Nachahmungen massenhaft vor; so gut wie alles gehört in das letzte vorchristliche Jahrhundert. Mit Hüfe vieler Fragmente von terra sigillata und arretinischer Keramik hat HOWARD COMFORT (Verfasser des Aufsatzes über terra sigillata in Pauly-Wissowa) die Zeit der endgültigen Zerstörung von Timna' zwischen 10 und 20 n. Chr. festgestellt 12 . Hier bekommen wir also einen überaus wertvollen Fixpunkt in der südarabischen Chronologie. 3. Ein anderes Hilfsmittel von allergrößter Bedeutung ist die Paläographie. Daran haben wir seit 1950 gearbeitet. Nach induktiver Verfahrungsart glauben wir heute imstande zu sein, die paläographische Entwicklung ziemlich genau festzustellen. Dabei sind die Glaserschen Abklatsche, die wir mit der Erlaubnis der Wiener Akademie und dem überaus freundlichen Entgegenkommen von Professor MARIA HÖFNER benützen können, von grundlegendem Wert gewesen. Unsere r e l a t i v e Schrift Chronologie ist in den Grundlinien nicht weit entfernt von den Anschauungen, die Mlle. JACQUELINE P I R E N N E in S. 138 ff. Wenn man die vier Gottestöchter-Widmungen vergleicht, wird es sicher daß 'MR Tempelname wie RSPM (wohl Rafäpum, Name des 'Anbay-T^mpels, in der Nähe von Timna") ist. • Vgl. die Ausführungen von G . W . VAN B E E K in Archaeological Discoveries in South Arabia (siehe Anm. 3 ), S. 287ff. 10 Siehe B E R T A SEGALL, American Journal of Archaeology, 1 9 6 6 , Plate 6 4 , Figs. 9 — 1 0 (Fig. 1 0 wird von R . B A R N E T T und mir nicht später als etwa 9 0 0 v. Chr. datiert. Ein anderes Stück aus ungefähr derselben Zeit wird demnächst von Frl. SEGALL behandelt werden). 11 Diese Sachlage ist sicher im Falle vieler hellenistischer Stücke aus Südarabien; siehe z. B . B E R T A SEGALL, »Sculpture from Arabia Felix: The Hellenistic Period«, American Journal of Archaeology, 1966, S. 207ff. 12 Siehe jetzt H . COMFORT in Archaeological Discoveries in South Arabia (siehe Anm. 3), S. 199ff.

Zur Chronologie des vorislamischen Arabien

5

ihrer nützlichen Arbeit, Paléographie des inscriptions sud-arabes, darbietet13. Ihre Chronologie ist jedoch entschieden zu niedrig und ihre Herrscherreihen sind meines Erachtens unhaltbar, obwohl sie viele gute Einzelbeobachtungen gemacht hat. Für die angenommene Entlehnung der symmetrischen Schriftformen Südarabiens aus Griechenland um 500 v. Chr. gibt es weder Wahrscheinlichkeit noch Analogien. Nach der Staffeldatierung von Mlle. PIRENNE gab es 17 Staffeln, die alle aufeinanderfolgen, zwischen 500 und etwa 150 v. Chr. Nach dieser Einteilung würden durchschnittlich nur zwanzig Jahre für jede solche Phase gestattet sein. Meines Erachtens ist es unmöglich, ein paläographisches System so fein zu zergliedern, besonders wenn es sich wie hier um lauter Lapidarinschriften handelt. Sonst kann man nirgendwo in der Welt die Stufen einer Schrift — und noch dazu die Schriften von verschiedenen Ländern und Stilen — so scharf gegeneinander verteilen. Ich würde selbst die Herrscher, die im ersten Band ihrer Arbeit erscheinen, von etwa 800 bis ungefähr 300/200 v. Chr. m. a. W. 60% länger regieren lassen und mit weniger als der Hälfte ihrer Schriftstaffeln rechnen. IV. Wenn wir uns von diesem zugespitzten System abwenden, finden wir leicht mit Hilfe der schon bekannten geschichtlichen Synchronismen festen Boden unter den Füßen. Die assyrischen Erwähnungen von zwei sabäischen Herrschern um 715 und 685 v. Chr.M, und die bekannte Beschreibung eines Krieges zwischen Persien und Ägypten im Jahre 343 v. Chr.16 sind beide aufs Beste mit allem sonstigen Beweismaterial in Einklang zu bringen. Später bekommen wir noch festere Synchronismen, wie die Erwähnung bei Strabon vom Sabäer Ilasaros 11 Verhandelingen van de Koninhlijke Vlaamse Academie voor Wetenschappen, Letteren en Schone Künsten van Belgie, Klasse der Letteren, Nr. 26 (Brüssel 1966). Ein zweiter Band steht noch bevor. 14 Vgl. BASOR, Nr. 143 (1966), S. 10, für meine Ansichten und dagegen siehe J . P I R E N N E a. a. O . S. 288f. Ich habe sehr viel mehr Material über das Problem des ktlm gesammelt, als ich veröffentlicht habe; hier möchte ich nur sagen, daß der bit kutalli des Sanherib eine große befestigte Anlage außerhalb Ninives, nicht ein Bau innerhalb der Stadt gewesen ist, und daß er jedenfalls eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten jener Zeit gewesen ist. 16 Nach Mlle. P I R E N N E (a. a. O . S . 211f.) soll der Krieg zwischen M§R und MDY der in RES 3022 erwähnt wird, nicht den Angriff der Iranier auf Ägypten in 343 (geschweige in 626), sondern den Einfall der Seleukiden in 217 widerspiegeln — also, Ma&ay = Syrien unter den Seleukiden, die bekanntlich auch Teile Irans beherrshcten. Historisch scheint ihre Hypothese außerordentlich schwach zu sein, besonders wenn man alle übrigen archäologischen und paläographischen Schwierigkeiten erwägt. Das richtige findet man bei J A C Q U E S R Y C K M A N S , L'institution monarchique en Arabie méridionale avant l'Islam (Louvain 1961), S. 267f.

6

W. F.

ALBRIGHT

(Ilscharah) im Jahre 24 v. Chr.16, im Periplus von Charibael (Karib'il Watar Yuhan'im von Saba)17 und von Eleazos (Il'azz von Hacjramôt) zusammen mit dem Nabatäer-König Malchos II. um 50 n. Chr. Das Problem der drei bis jetzt bekannten südarabischen Ären scheint auch durch die neuesten Entdeckungen endgültig gelöst zu werden. Die wichtigen Inschriftenfunde, die vor sechs Jahren von Professor GONZAGUE RYCKMANS und Mr. PHILBY im sa'uditischen

Arabien gemacht worden sind, haben es M. JACQUES RYCKMANS ermöglicht zwei dieser drei Ären festzustellen18. Die sogenannte »sabäische« Ära, die nach dem Jahre 384 n. Chr. allein gebräuchlich gewesen zu sein scheint, fing nach ihm um 109 v. Chr. an (bisher haben die meisten diese Ära sechs Jahre früher anfangen lassen). Ihr Ursprung bleibt vorläufig unklar. M. JACQUES RYCKMANS hatte entschieden Recht (1951) — auch gegen meine frühere Meinung —, als er die Ära des MabhûcJ von der »sabäischen« Ära loslöste, indem er auf den klaren Synchronismus zwischen dem sabäischen Großkönig Schammar Yuhar'isch und dem Urahn der Lachmidendynastie, Imru'l-Qais, im Jahre 328 n. Chr. nachdrücklich hingewiesen hat. Bis zu den neuesten Entdeckungen von G. RYCKMANS und PHILBY

schien es zum mindesten gewagt, in der nordarabischen Inschrift von Nemara die Erwähnung kriegerischer Unternehmungen gegen Negran im Süden zu finden. Jetzt aber sind wir daran gewöhnt, zwei Jahrhunderte später über Kriege zwischen den Königen von Südarabien und von Babylonien (Hîra) in den Inschriften zu lesen. Also fing Schammar Yuhar'isch spätestens um 320 n. Chr. allein zu regieren an und die Ära von Mabhûd ist um 65 v. Chr. anzusetzen. Noch bleibt die Ära von Nabat, die ich 1953 19 als spätqatabanisch nachgewiesen habe. Das zeitliche Verhältnis dieser Ära zur Mabhûçl-

Ära ist von JACQUES RYCKMANS geklärt werden 2 0 ; die Ära von Nabat M Ich bleibe bei dem Standpunkt meiner Rezension von 1963 (Journal of the American Oriental Society 73, S. 38), wo Ilasaros von Mar(s)iaba-Mariba (Mârib) mit Ilscharah bin Sumuhu'alay Yanaf um 25 v. Chr. identifiziert wurde. 17 Vorletzter König von Saba, um 60 n. Chr. Der gleichnamige König von Saba und Dhû Raydân, der früher allgemein mit Charibael identifiziert worden ist, regierte um die Mitte des 2. Jh. n. Chr. 18 Nach eingehendem Studium bin ich überzeugt, daß JACQUES RYCKMANS recht hat, indem er den Anfang der sabäischen Ära in das Jahr 109 v. Chr. setzt : La persécution des Chrétiens himyarites au sixième siècle (Istanbul, Nederlands Historisch-archäologisch Instituut, 1956), S. 22 ff. Die Mabhüd-Ära hat er schon richtig erklärt (Institution monarchique, S. 304ff.), obwohl er jetzt unsicher geworden ist (vgl. Persécution, S. 23f.). " Journal of the American Oriental Society 73 (1953), S. 37f. 20 Institution monarchique, S. 304ff. Seitdem ist er wieder unsicher geworden (vgl. Persécution, S. 23f.), aber die Gründe für die neueste Schwankung sind nicht stichhaltig (über Ry. 536 vgl. BASOR, Nr. 145. S. 25ff.).

Zur Chronologie des vorislamischen Arabien

7

wird jetzt von mir um 5 n. Chr. datiert. Wie ich 1953 vorgeschlagen habe, ist es sehr wahrscheinlich, daß diese spät-qatabanische Ära mit der Regierung des Nabat Yuhan'im, des letzten unabhängigen Königs von Qataban anfing21. Da die Schrift der Zeit des Nabat Yuhan'im und seines Vaters Schahr Hilal Yuhaqbid genau in der Mitte zwischen der Schrift der Zeit des Schahr Yagil Yuhargib und seiner Söhne, die bis Aelius Gallus (24 v. Chr.) reicht, auf der einen Seite und der Schrift der Periplus-Zeit (um 50 n. Chr.) auf der anderen Seite einzureihen ist, ist hier also alles in Ordnung22. V. Dem Problem der früh-nordarabischen Chronologie möchte ich noch einige Worte widmen. Nach längerem Studium der bis jetzt ältesten bekannten Inschriften aus Nordarabien, besonders der sechs süd-arabischen Legenden auf babylonischen Siegelzylindern, kann ich , bestimmt sagen, daß alle aus der Zeit zwischen 700 und 540 stammen. Ein Siegelzylinder aus der Sammlung des Metropolitan Museum in New York erwähnt eine bekannte Persönlichkeit aus der Zeit um 645/640 v. Chr.28. Spätere Schrift weist ein Graffito auf, der neuerdings von Pater VAN DEN BRANDEN veröffentlicht worden ist und der einen König von Babel, sicher Nabonid, erwähnt — also aus der Zeit seines bekannten Aufenthaltes in Teima stammt24. Nach einigen entlehnten sabäischen Buchstaben zu urteilen, würde ich die Inschrift des Kabar 'el von Dedan nicht später als 500 v. Chr. datieren. Das stimmt sehr gut mit den Schichtenbeobachtungen, die von Sir LEONARD WOOLLEV in Ur und von NELSON GLUECK am Teil el-Chleife 11 Der unbedeutende orthographische Unterschied zwischen NBT und NBTM (mit Mimation) besagt nichts, da solche Varianten sehr gewöhnlich sind (z. B. SHR und SHRM). Der Anfang der Naba^-Ära kann nicht später als etwa 4 n. Chr. datiert werden, wenn wir die alleinige Regierung des Schammar Yuhar'isch um 3 2 0 n. Chr. mit J A C Q U E S R Y C K M A N S setzen (Institution monarchique, S . 3 1 1 ) . Da seine Regierung spätestens vor 328 angefangen hat, können wir die Naba^-Ära keinesfalls später als etwa 10 n. Chr. datieren. M Die betreffenden Inschriften werden von A. M. H O N E Y M A N (Inschrift des Schahr Hilal Yuhaqbid auf dem Hause YF'M in Timna') und A. Jamne (Inschrift des Naba^um Yuhan'im Sohnes des Schahr Hilal 1951 in Hadschar Bin Humeid gefunden) herausgegeben werden. M Siehe E D I T H P O R A D A , Corpus of Ancient Near Eastern Seals: The Collection of the Pierpont Morgan Library I (Text), S. 92 und Plates, cxv, Nr. 762, aus dem 7. Jh. v. Chr. Der Besitzer war wohl Karawanenführer (qd) von Kamas-^allay (so, nicht Kamas-haltä, ist natürlich zu lesen) König Moabs um 645—640 v. Chr. " A. V A N D E N B R A N D E N , Les textes thamoudiens de Philby, II, S. 54f. und Taf. XI, Nr. 279 aw. Ich möchte lesen: . . . thdb.'bl. mlk .bbl.ntrh, »N. N. hat die Kamele des Königs von Babel, seines Beschützers, getrieben«. Jedenfalls ist die Datierung von V A N D E N B R A N D E N in die Zeit des Nabonid so gut wie sicher, besonders nach den letzten Berichten von C. J. G A D D über den Inhalt der neuentdeckten Nabonid-Inschriften aus Charrän.

8

W. F . ALBRIGHT, Zur Chronologie des vorislamischen Arabien

gemacht worden sind, eine »chaldäische« Inschrift unter dem Pflasterboden des Nebuchadnezar25 und ein beschriftetes Gefäßfragment aus der ersten Hälfte des 7. Jh.s. Betreffend die Chronologie der ältesten Inschriften der lihyanitischen Gattung sehen wir jetzt klar. Wie bekannt, nennt die NüränInschrift den Namen des Geschem oder Gaschmu, der schon von G R I M M E und unabhängig von W I N N E T T mit dem biblischen Geschem, Feind des Nehemja, identifiziert worden ist. Wenn dem so ist, müssen wir die Inschrift zwischen 450 und 425 v. Chr. ansetzen. In der Tat wissen wir heute, daß dieser Gaschmu König des Großstammes Qedar war, nachdem vor zwei Jahren Prof. ISAAC RABINOWITZ an der Universität Cornell die Silberschalen seines Sohnes Qaynu mit aramäischen Inschriften vom Ende des 5. Jh.s v. Chr. herausgegeben hat 26 . Nach all dem steht die Chronologie, die W I N N E T T 1937 aufgestellt hat und die ich vor einigen Jahren in der Festschrift für A L B R E C H T A L T leicht revidiert habe 27 , unerschüttert da. (Abgeschlossen a m 1. 9.1967)

u Siehe meine Ausführungen B A S O R , Nr. 128 (1962), S. 39ff., die noch unerschättert sind. » Journal of Near Eastern Studies, X V (1966), S. I f f . 1 7 Im Aufsatz »Dedan« ( Geschichte und Altes Testament, Tübingen 1963, S. I f f . ) .

Der Erweckungsgedanke in der exilisch-nachexilischen Literatur des Alten Testaments Von Hans B a r d t k e in Leipzig (Leipzig 0 2 7 , Störmthalers traßc 18)

Die Anwendung des Begriffes »Erweckung« auf religiöse Vorgänge im einzelnen Menschenleben oder im Leben kleinerer und größerer Gemeinschaften stellt eine Bildrede dar, die in unserem Sprachgebrauch allgemein üblich geworden ist 1 . Die verschiedenen theologischen Disziplinen machen von ihr Gebrauch. Die Kirchengeschichte2 kennzeichnet ganze Zeitalter mit dem Stichwort »Erweckungsbewegungen«. Auch die systematische Theologie hat sich mit dieser Bildrede beschäftigt, ohne freilich die »Erweckung« im ordo salutis8 dogmatisch verankern zu können. Die Praktische Theologie beschäftigt sich etwa in der Lehre von der Predigt oder im Sachbereich der Diakonik mit den Problemen der »erwecklichen« Verkündigung4. Die neu1 GRIMM, Wörterbuch der Deutschen Sprache I I I , Stichwort »erwecken, Erweckung« bietet leider nur wenig Material zur Geschichte des Wortes. Wichtig erscheint mir in diesem Artikel der Hinweis auf die Lutherbibel, die an verschiedenen Stellen den Begriff »erwecken« verwendet. Folgende Stellen werden aufgeführt: Gen 38 8 Dtn 1818 Jdc 218 3 9 I I Sam 7 12 I Reg 11 28 15 8 Jes 41 25 Jer 50 9 Sach 4 1 Ps 35 28 4 4 24 89 20 Hi 3 8 1412 Bar 6 52 Mt 3 9 22 24 Mc 12 19 Lc 3 8 2 0 28 Joh 12 9 Rm 6 9. Längst nicht alle Stellen werden genannt. Eine Reihe wichtiger Stellen des AT fehlt gerade. Man wird also mit Recht die Folgerung ziehen dürfen, daß die Bildrede der »Erweckung« auf die lutherische Übersetzung zurückgeht und damit an den biblischen Tatbestand anknüpft. Mit dieser Feststellung soll nicht fibersehen werden, daß gelegentlich auch die vorlutherischen Bibelübersetzungen den Begriff »erwecken« verwenden, so die Zainerbibel z. B. in Hag I i i und meist Claus Cranc. Sonst wird an den Stellen, an denen Luther »erwecken« übersetzt, bei Zainer das Wort »erkücken« im Sinn von »beleben« gebraucht. Unser Urteil, daß die Bildrede »Erweckung, erwecken« sich durch die luth. Bibelübersetzung durchgesetzt hat, dürfte trotz des vereinzelten Gebrauchs vor Luther zu Recht bestehen. * Es genügt hier, auf die Register der Sammelwerke zu verweisen, etwa H E U S S I , Kompendium der Kirchengeschichte, G. K R Ü G E R , Handbuch der Kirchengeschichte. Hier sind auch die näheren Angaben über die Verwendung des Begriffes »Erweckung« im Sprachgebrauch der verschiedenen Zeitalter zu finden. » Während R E 1 I V , 150f. ( K L I N G ) , 1855, Bibel-Lexikon I I , 165 f. ( S P Ä T H ) , herausgegeben von S C H E N K E L , 1896, R E ' V , 486ff. (R. S E E B E R G ) noch einen gesonderten Artikel systematisch-theologischer Art über »Erweckung« darbieten, bringen RGG* II, 295 ff. und E K L I, 1135 ff. unter dem Stichwort »Erweckungsbewegung« nur noch kirchengeschichtliche Ausführungen. Eine systematischtheologische Behandlung des Stichwortes wird nicht mehr geboten. 4 Die Einzelliteratur zu diesem Problem ist unübersehbar und besonders nach 1945 angewachsen. Auch hier sei auf die zusammenfassenden Bearbeitungen der Praktischen Theologie verwiesen.

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testamentliche Disziplin ist durch die Auferstehung Jesu zwar mit dem Fragenkomplex der Erweckung befaßt, doch nicht speziell im Sinne der Bildrede zur Bezeichnung intensiver religiöser Vorgänge und Erlebnisse5. Auch die Disziplinen der Religionswissenschaft bedienen sich dieser Bildrede. So fehlt im »Wörterbuch der Religionen« beispielsweise nicht das Stichwort »Erweckung«8. Wir lesen dort: »Wie nach einem Naturgesetz pflegen nach Zeiten eines gewissen geistlichen Schlafes (vgl. Eph 5 14) meist unter der Führung hinreißender Persönlichkeiten religiöse Bewegungen einzusetzen, die als »Erweckungsbewegungen« eine Intensivierung des religiösen Lebens bringen, wie wir sie in fast allen christlichen Ländern in neuerer Zeit, vorab in Deutschland im beginnenden 19. Jh. zu verzeichnen haben.« Die Kürze des Paragraphen bedingte wohl, daß nur auf protestantische Erweckungsbewegungen angespielt wird, obwohl sich aus dem großen Bereich der allgemeinen Religionsgeschichte interessante Beispiele von Erweckungsbewegungen7 hätten nennen lassen. Selbstverständlich muß auch die wissenschaftliche Religionsphänomt nologie den Erweckungen im Sinn der Bildrede Aufmerksamkeit schenken. So beschreibt VAN DER L E E U W 8 das Phänomen der Erweckung »als eine Welle religiösen Empfindens und Wollens«, die sich über eine Gemeinschaft ergießt und »im breiten Strom der Gefühle und Entschließungen mitreißt«. Eine solche Erweckung kann nach seiner Meinung mit ekstatischen Erlebnissen verbunden sein. Ihr Träger kann eine Einzelpersönlichkeit oder eine geführte Masse sein. Eine Erweckung kann sich geschichtlich sehr verschieden auswirken und zur Reform einer bereits bestehenden religiösen Gemeinschaft führen oder in eine Sektenneubildung ausmünden. Als geschichtliche Beispiele einer Erweckung führt VAN DER L E E U W die dionysische Erweckung der griechischen Frühgeschichte, die Bewegung der Geißler, die Wiedertäuferbewegung, den Pietismus, den Methodismus, die Pfingstbewegung und die Heilsarmee an. Aus dem alten Orient und speziell ' Siehe den Artikel £ys(pco und verwandte Begriffe im ThW II, 332 von A.

OEPKE.

• Herausgegeben von A. B E R T H O L E T und H. V O N C A M P E N H A U - E N , 1 9 5 2 , 1 3 9 . Viel ausführlicher und mit reichen Literaturangaben versehen ist der Artikel von J A M E S S T A L K E R über »revivals« in Encyclopaedie of Religion and Ethics X , 1 9 1 8 , 7 5 3 ff. 7 Zusammenfassende Bearbeitungen betreffen wohl nur Teilgebiete eines Erweckungszeitalters. Eine kompendiöse Zusammenfassung von Erweckungserscheinungen bzw. -bewegungen innerhalb der allgemeinen Religionsgeschichte fand ich bisher nicht aufgeführt unter der einschlägigen Literatur. 8 Phänomenologie der Religion, 1956 2 , § 95. Dynamik der Religionen. Erweckungen. Reformation, S. 698—704.

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aus der Religionsgeschichte Israels9 bietet VAN DER LEEUW kein Beispiel. In der alttestamentlichen Disziplin ist, soweit ich im Augenblick die Literatur zu übe schauen vermag, mit dem Begriff und dem Phänomen der religiösen Erweckung kaum gearbeitet worden. Der Begriff wird zwar gelegentlich verwendet z. B. bei KÜPER10, B. DUHM11, A. JEREMIAS12, aber man spürt die Flüchtigkeit seiner Anwendung, ohne daß eine gründliche methodische Besinnung voraufgegangen ist 13 . In den zusammenfassenden Bearbeitungen der »Biblischen Theologie des AT« bzw. der »Israelitischen Religionsgeschichte« fehlt dieser Begriff völlig. Das Gleiche gilt von den frömmigkeitsgeschichtlichen Untersuchungen14, aber auch von den großen Forschungsberichten und Literaturreferaten, wie sie etwa von unserem verehrten Jubilar 15 sowie von G. FOHRER16 erstattet worden sind. Auch in der neuesten Monographie über Elia 17 ist der Gesichtspunkt der Erweckung nicht ausgesprochen worden. Diese Feststellungen zeigen deutlich, daß die Forschung dem Begriff der Erweckung und der darin enthaltenen Bildrede mit Zurückhaltung begegnet, um nicht eine dem Selbstverständnis des hebräischen Geistes fremde Vorstellung an das AT heranzutragen. Auch • Die Ausführungen, die LUDWIG KÖHLER in seinem Buch »Der hebräische Mensch«, Eine Skizze. Mit einem Anhang »Die hebräische Rechtsgemeinde 1953« unter der Überschrift »Das geistige Bild des Hebräers I« gibt, lassen das Volk Isreel sehr empfänglich für Erweckungen religiöser Art erscheinen. Zwischen den Polen »psychische Ansteckung durch Massenerregung« und »klarste, zu jedem Opfer und Verlust bereite Unabhängigkeit« pflegen sich auch religiöse Erweckungen zu bewegen. Aber KÖHLER wirft diese Fragestellung nach Erweckung nicht auf. Die Zitate stehen S. 103 und 108. 10 Das Prophetentum des Alten Bundes übersichtlich dargestellt, 1870, 102 u. ö. 11 Theologie der Propheten als Grundlage für die innere Entwicklungsgeschichte der israelitischen Religion, 1875, 57. l a ATAO 4 1930, 606, 613, 638, besonders vom Omridenzeitalter (Elia!). 18 Die angegebene Literatur ist nur beispielhaft, keineswegs erschöpfend. Das gilt auch von der religionswissenschaftlichen und religionssoziologischen Literatur. So spricht z. B . ALFRED WEBER, Kulturgeschichte als Kultursoziologie, 1950', 104, von den Propheten, »die ihre Erweckten in allen Schichten von den Schafhirten bis zu den Patriziern fanden«. 14 Zum Beispiel F . BAUMGÄRTEL, Die Eigenart der alttestamentlichen Frömmigkeit, 1932. 15 O. EISSFELDT, The prophetic Literature (The Old Testament and modern Study. A Generation of Discoverie and Research) 1951, 115 —161. " Neuere Literatur zur alttestamentlichen Prophetie, T h R 19, 1951, 277—384; 20, 1952, 1 9 3 - 2 7 1 . " G. FOHRER, Elia (Abhandl. z. Theol. des AuNT, 1957). Der Verfasser ist bemüht, die Rolle der Prophetie im Omridenzeitalter möglichst bescheiden zu sehen im Gegensatz zur überlieferten literarischen Letztgestalt der Berichte.

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eine Zurückhaltung gegenüber phänomenologischen Deutungsversuchen muß wohl in Betracht gezogen werden. Wenn auf diesen Blättern trotzdem der Versuch unternommen wird, in einem Ausschnitt der Literatur des AT dem Erweckungsbegriff nachzugehen, so beruht das Wagnis auf der Einsicht, daß der Begriff nachzuweisen ist und für die ausgewählte Literatur charakteristisch ist. Im gleichen Literaturbereich muß auch der Versuch phänomenologischer Deutung gewagt werden. Es muß gefragt werden, ob Vorgänge geschildert oder in Aussicht gestellt werden, auf die der Begriff »Erweckimg« nach phänomenologischer Methode angewendet werden darf. I.

Der deutsch-hebräische und -aramäische Index des hebräischen Handwörterbuchs von GESENIUS-BUHL gibt unter dem Stichwort »erwecken« die Wurzeln Tis? Nif und Hif sowie Dlj? Hif an18. Unsere Untersuchung beschränkt sich auf diese beiden Termini, weil die Durchprüfung verwandter hebräischer Wurzeln kein Material zum Untersuchungsgegenstand ergibt19. A. OEPKE gibt als Äquivalent für das griechische ¿ydpco außer den Wurzeln 11» und Dlp noch Kai und Hif von *TD» an; doch ergibt die Durchprüfung auch dieser Stellen kein Material für unseren Fragenkreis20. Wir setzen mit der Wurzel Dlj? ein, Zum Vergleich zog ich noch das selten gewordene Wörterbuch von C. G. Deutsch-hebräisches Wörterbuch zum Behuf hebr. Componirübungen, Leipzig 1821 heran. Es gibt unter »erwecken« die gleichen Wurzeln an wie G E S . - B U H L . K Ö H L E R - B A U M G A R T N E R bringen unter diesen beiden Stämmen nicht das deutsche Äquivalent erwecken. Die Konkordanzen von M A N D E L K E R N und L I S O W S K Y - R O S T geben das lateinische Äquivalent excitare, wie es auch das Wörterbuch von G R I M M tut (Anm. 1), an. L I S O W S K Y - R O S T , die auch deutsche Bezeichnungen bringen, führen »erwecken« nicht auf. Die unrevidierte Lutherübersetzung hat mit »erwecken« jeweils eine der beiden obengenannten Wurzeln wiedergegeben. 19 Die Wurzel Hif ist J e r 51 39. 57 gebraucht zur Bezeichnung eines unaufhörlichen Schlafes, dem kein Erwachen folgt, als Bild des über Babel sich vollziehenden Gerichts. Der Gesichtspunkt des Erweckens taucht hier gerade nicht auf, so daß die Stellen ausgeschieden werden können. Ps 17 15 liegt Textverderbnis vor (BHK 8 z. St.). Alle weiteren Verwendungen der Wurzel kommen für unseren Zweck nicht in Betracht. Bei der Verwendung der Wurzel "Cp'' handelt es sich um ein Erwachen aus Schlaf oder Untätigkeit. Die Stellen sind hier nicht zu verwenden. Der Gebrauch der Wurzel DU ist für unseren Zweck ebenfalls uncharakteristisch. Lediglich die Stelle Jes 5610 muß uns im Zusammenhang des Bildes vom Späher beschäftigen. Auch die Wurzel führt in ihrem Gebrauch zu Sinngehalten, die in unserem Untersuchungskreis nicht weiterführen. 18

ELWERT,

20 Vgl. Anm. 5. Es wäre hinzuweisen auf den Gebrauch von "?D5? Hif Ez 2 a 3 24 Dan 8 18 im Sinn der Erweckung bzw. Wiederaufrichtung des niedergebrochenen Offenbarungsempfängers. Hab 2 1 und Jes 21 e werden oben in anderem Zusammenhang behandelt.

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da ihr in der Bildrede älteres Vorkommen sie zur Hinführung auf unser Problem besonders geeignet erscheinen läßt. Der Kausativstamm der Wurzel mp hat die Bedeutung stehen lassen, aufstehen lassen, aufstellen, errichten. An verschiedenen Stellen wird der Stamm gebraucht im Sinne der Bildrede des Erweckens. Sie finden sich im deuteronomistischen Geschichtswerk und in einzelnen Prophetenschriften 21 . Dabei ist für unseren Problemkreis wichtig die Frage nach dem erweckenden Subjekt. Dieses Subjekt ist Jahwe. Nie wird, soweit ich sehen kann, als erweckendes Subjekt der von Jahwe gesandte Mensch, etwa der Prophet, erwähnt 22 . Ebenso fehlen diejenigen Stellen, die von einer kollektiven religiösen Erweckung handeln, sei es nun, daß sie von Jahwe oder von durch ihn dazu bestimmten Menschen ausgeht. Im Prophetengesetz des Deuteronomiums (Dtn 18 15.18) wird von der Erweckung eines Propheten durch Jahwe gesprochen. Als seine Aufgabe wird angegeben, daß er die von Jahwe ihm in den Mund gegebenen Worte zum Volk sprechen soll, d. h. alles, was Jahwe ihm befehlen wird. Die Bildrede der Erweckimg bezieht sich also nur auf das Auftreten als Prophet. Damit ist ein theologischer Gedanke ausgesprochen, der mit den Aussagen der Propheten in ihren Berufungsberichten übereinstimmt. Ihre prophetische Tätigkeit geht auf die Sendimg Jahwes zurück, ohne daß ein Prophet in diesem Zusammenhang die Bildrede des Erwecktseins durch Jahwe gebrauchen würde. Die gleiche nur auf das erweckende Subjekt bezugnehmende Bildrede findet sich in weiteren Materialien des deuteronomistischen Geschichtswerkes. Hier handelt es sich um die Erweckimg der als Retter fungierenden Richter, die das Ende nationaler Nöte herbeiführen im Auftrag Jahwes (Jdc 2 16.18 3 9.15). Ebenso kann Q'pn mit Jahwe als Subjekt von der Erweckung bzw. Bestellung eines Priesters gebraucht werden (I Sam 2 35). Von einer Mehrzahl durch Jahwe erweckter Propheten wird in dem Brief des Propheten Jeremia 23 (Jer 2915) an die 31

Ich scheide aus dem Zusammenhang diejenigen Stellen aus, bei denen das erweckende Subjekt zwar Jahwe ist, die erweckte Größe aber unpersönlicher Art ist, so II Sam 12 12 (Unheil) oder als personale Größe zu anderen Aufgaben bestimmt ist, so I Reg 1114.28 (Widersacher) I Reg 15 4 II Sam 7 12 I Chr 17 11 Jos 5 7 (Nachkommenschaft), Jer 30 » (David), Jer 23 s (gerechter Sproß), Hab 1 8 (Chaldäer), I Reg 14 14 (König). 13 Das ist nur ein Beweis dafür, wie das exilisch-nachexilische Schrifttum an die Aussagen der vorexilischen Prophetie sich gebunden weiß. Eine Erweckung im Volk herbeizuführen, wird nicht expressis verbis im Aufgabenkreis des Propheten, d. h. in seinem Sendungsauftrag erwähnt. Diese ist allein Sache Jahwes und wird in der prophetischen Verkündigung zu einem Ereignis der durch Jahwe zu schaffenden Heilszukunft. 28 Der Brief wurde nach der ersten Exilierung 597 geschrieben. Ich rechne ihn zur exilischen Literatur. Da die wesentliche Verkündigung des Jeremia m. E.

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Verbannten in Babel gesprochen, wobei die Aussage ein Zitat der Rede der in Babel weilenden Verbanntenschar darstellt: »doch ihr sagt: Erweckt hat uns Jahwe Propheten in Babel«

Schließlich spricht eine Stelle (Jer 6 17) von der Erweckung von Spähern (D-Bit)«* Auch in Aussagen über die Zukunft wird der Begriff D'pn mit Jahwe als Subjekt gebraucht. Die zu erweckenden personalen Größen werden 0,»41 »Hirten« genannt (Jer 23 4) oder in der Einzahl in« nvh (Ez 34 23) oder nur nsn (Sach 11 ie) 25 . Der Gebrauch von D'pfl in der Bildrede des Erweckens geht in das vorexilische Schrifttum zurück. Die bedeutendste und bezeichnendste Stelle ist Am 2 11 26 . »und ich erweckte aus euren Söhnen Propheten und aus euren Jünglingen Nasiräer.«

Arnos kennt aber auch die Verwendung des gleichen Begriffes, wenn es sich um die Erweckung eines Fremdvolkes durch Jahwe handelt, das Unheil über das Eigenvolk bringen soll (Am 614). Für den Erweckungsgedanken in der exilisch-nachexilischen Literatur, soweit er durch D'pn ausgedrückt wird, ist demnach folgendes Ergebnis zu gewinnen. Unter Anknüpfung an den vorexilischen Sprachgebrauch wird der Gedanke festgehalten, daß das Auftreten von Propheten und anderen Gottgesandten, z. B. Spähern, unmittelbar auf Jahwe zurückgeht, ganz gleich ob es sich um Figuren der Vergangenheit oder der Zukunft handelt. In jedem dieser Fälle ist Jahwe die bewirkende Ursache. Der Begriff D'pn drückt damit einen wichtigen theologischen Sachverhalt aus. Erweckungen dieser Art, die Mitteilungen des Jahwewillens bringen, geschehen nicht aus menschlichem, sondern aus göttlichem Willen. Wie die psychologische Vermittlung zu denken ist, darüber wird mit diesem Begriff praktisch nichts ausgesagt27. Auch in die Zeit nach 609 v. Chr. gehört, ziehe ich ihn mit zu dem Literaturkreis, der die Grundlage dieser Untersuchung bildet. 2 1 Zu dieser Stelle siehe auch Abschnitt III der Ausführungen. 2 8 Auch die Erweckung des unguten Hirten geht auf Jahwe zurück. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentare, besonders H O R S T im Handbuch zum AT. 2 4 Gegen W E I S E R , Die Profetie des Arnos (BZAW 53), 1929, 95 halte ich den Vers für echt. F O H R E R ist durchaus im Recht, wenn er betont, daß Am 2 U 3 8 keineswegs durch Am 7 14, als unecht erwiesen werden (ThR 19, 1951, 329). 27 Man kann natürlich einwenden, daß sich •'pH auch anders übersetzen lasse, etwa mit »bestellen«. Aber selbst mit dieser Übersetzung ist das Phänomen der Erweckung gegeben, nämlich das Auftreten und Vorhandensein eines homo religiosus, der den Anspruch erhebt, von Jahwe gesandt bzw. bestellt worden zu sein. Prophetische Berufungen der vorexilischen Zeit sind, auch wenn sie nicht den Begriff verwenden, Individualerweckungen gewesen. Unter dem Gesichtspunkt der Erweckung durch Jahwe lassen sich das vorexilische Prophetentum von Samuel

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über die Wirkweite der so erweckten Persönlichkeiten wird kein Wort verloren28. Aus dem Prophetengesetz (Dtn 18), aber auch aus dem Zitat der Verbanntenrede (Jer 29 15) läßt sich erschließen, daß Wegweisung von Jahwe her von ihnen erwartet wurde. Lediglich die Zukunftsweissagungen, die die heilserfüllte Zukunft zum Inhalt haben, werden in dieser Hinsicht gesprächiger. Von den Hirten, deren Erweckung durch Jahwe erwartet wird, soll ein Weiden geübt werden, als dessen Folge das Schwinden von Furcht und Schrecken angegeben werden. Auch kein Volksglied wird mehr verloren gehen (Jer 23 4). Ausgedehnter werden die Wirkungen dieses Weidens bei Ez 34 23 ff. 29 dargestellt, wenn auch hier deutlich wird, daß die Erweckung des Volkes zur Erkenntnis Jahwes göttliche Tat allein ist. II. Die Konkordanz führt 71 Stellen, an denen die Wurzel Tis? III gebraucht wird, auf 30 . Für unsere Untersuchung kommen diejenigen Stellen in Betracht, an denen der Kausativstamm Ti?n vom Erwecktwerden durch Jahwe gebraucht wird 31 . Als von der Erweckung Betroffene werden kollektive und Individualgrößen genannt. Im Orakel über Babel Jer 50. 51 wird erwähnt, daß Jahwe wider Babel die Versammlung großer Völker erweckt (50 9), ferner den Verderbergeist (511), den Geist der Könige von Medien (5111). Gemäß Ez 23 22 erweckt Jahwe die Buhlen Oholibas gegen sie. Jahwe erweckt auch den Perserkönig Cyrus, daß er das Edikt des Tempelbaus erläßt (Esr 11) 32 . Nach I C. r 5 26 wird der Geist der assyrischen Könige era n und die von den Propheten ausgegangenen Wirkungen durchaus betrachten, doch gehört das nicht in den Rahmen dieser Untersuchungen hinein. 28 Die von den Erweckten ausgehende Wirkung hätte sich wohl auch schwerlich mit dem Wort D , p n beschreiben lassen. Der Wortbegriff ist doch rein formaler Struktur ohne eine weitere inhaltliche Füllung. 29 FOHRER, Ezechiel (Handbuch z. AT 13) , 1955, 196 hält diese SteUe 34 23 f. für einen Nachtrag und löst sie aus dem Kapitel heraus. 80 Zur Grundbedeutung in verwandten Sprachen siehe das Lexikon von KÖHLER-BAUMGARTNER. ,1

Die Stellen aus Hiob, Proverbien, Canticum haben das Verbum im Sinn von erregen, sich erregen, aufregen, erwachen, aufstören und kommen durch ihren Sinnzusammenhang als Untersuchungsmaterial nicht in Frage. Das Gleiche gilt von den Psalmenstellen, obwohl bei ihnen zuweilen Jahwe mit diesem Verb angeredet wird, so Ps 7 7 35 23 4 4 24 5 9 5 7 3 20 8 0 3. Mit Jahwe als Subjekt des Verbs vom Aufbieten des Grimms gebraucht Ps 78 38. Die Parallelstellen Ps 57 9 108 s haben anderen Sinnzusammenhang. Dan 112.2s verwenden das Verb im Sinn von Aufstacheln und Erwecken im politischen Sinn mit irdisch-menschlichem Subjekt. Für die anderen im obigen Zusammenhang nicht benutzten Stellen sei auf die Lexika 82 verwiesen. Cyrus als Repräsentant eines Fremdvolkes muß in diesem Zusammenhang als Kollektivgröße gewertet werden.

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weckt, um das Strafgericht zu vollziehen. Joel 4 7 wird das Wort auf die Erlösung Judas aus der Gefangenschaft verwendet: »Siehe, ich erwecke sie aus dem Ort, wohin ihr sie verkauft habt.«

In diesem Zusammenhang müssen Jes 1317 (Erweckung der Meder gegen Babel) und Jes 41 2. 25 45 18 (die Erweckung des Cyrus durch Jahwe bei Deuterojesaja83) genannt werden. Allen diesen Stellen hegt die Anschauung der universalen und absoluten Welt- und Geschichtsmächtigkeit Jahwes zugrunde. Selbst das chronistische Geschichtswerk34 vertritt diese Auffassung. Der Gedanke ist von der vorexilischen Prophetie des 8. Jh., speziell Jesaja, übernommen worden. Der Begriff des Erweckens besagt hier allgemein die Indienststellung für die Verwirklichung der Absichten Jahwes gegenüber seinem Volk. Der Erweckungsgedanke ist als Moment einer theologischen Geschichtsbetrachtung verwendet. Man wird folgern dürfen, daß die Erweckung so lange andauert, bis die Absicht Jahwes verwirklicht ist. Über die menschliche Vermittlung der Erweckung35 wird nichts gesagt. Sie geht wohl unmittelbar auf Jahwes Wirken zurück und ist Zeugnis seiner Macht. Alles also, was durch die erweckten Größen geschieht, ist Auswirkung der durch Jahwe verursachten Erweckung und somit seine Tat. Das muß auch gelten von den Einzelheiten, die im Zusammenhang der Cyruserweckung bei Deuterojesaja ausgesagt werden. Die Erweckung einer kollektiven Größe Hegt auch in der Haggaistelle 114 vor, nur mit dem Unterschied, daß es sich hier um Glieder des eigenen Volkes handelt, die Objekt der von Jahwe ausgehenden Erweckung werden. Der Kontext besagt folgendes. Haggai hat in einem Spruch 36 die Leiter der jerusalemischen Gemeinde, den als per" Deuterojesaja gebraucht die Wurzel "IIS? noch öfter. Mit Jahwe als Subjekt, Kampfeifer erregend 42 18, als Anrede an Jahwe 611, als Anrede an Jerusalem bzw. Zion 5117 52 l. Für Tritojesaja ist 64 s zu nennen. Man kann sich fragen, ob die Deuterojesajastellen, in denen Jerusalem bzw. Zion angeredet werden, nicht als Teil der Erweckungspredigt des Propheten verwendet werden müssen. Aber 52 1 ist wohl nur Rhetorik, und auch 5117 steht dem nicht fern. Die Entscheidung ist bei Deuterojesaja wie in vielen Fällen so auch hier nicht leicht. Siehe dazu das Urteil von L U D W I G K Ö H L E R , Deuterojesaja stilkritisch untersucht (BZAW 37) 1923, 80f. und 104: »Deuterojesaja redet nicht mehr als ein Prophet, wie Amos, Jesaja, Jeremía es taten, sondern nur noch wie ein Prophet«. M Siehe VON RAD, Das Geschichtsbild des chronistischen Werkes, 1930, 10. " In einigen Stellen wird vor die erweckte Größe noch das Wort n n gesetzt. Seit Ezechiel ist ni*1 in der alttestamentlichen Psychologie das Organ der höheren Seelentätigkeit, ja des geistigen Lebens überhaupt. Dann würde sich die Erweckung auf das Innere des Menschen, sein geistiges Leben erstrecken. Dazu würde die von G E S . - B U H L angegebenen Grundbedeutungen der Wurzel »erhitzt, erregt, munter, wach sein, eifersüchtig sein bzw. machen« gut passen. * Der Spruch steht unter dem Datum von I i : 1.6. des zweiten Jahres desKönigs Darius. Zu den Datierungseinzelheiten und den zeitgeschichtlichen Verhält-

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sischen Kommissar in Jerusalem tätigen Serubbabel und den Hohenpriester Josua angeredet und ihnen die Mißernten und die ärmliche Lage als Strafe Jahwes, der wegen Nichtaufbaus seines Tempels zürne, gedeutet. In 1 1 2 wird gesagt, daß sich Serubbabel, Josua und der gesamte Rest des Volkes vor Jahwe fürchteten, nachdem sie die Worte des Propheten Haggai gehört hatten. In 113 folgt noch ein durch den Propheten verkündigtes Jahwewort »Ich bin mit euch«. Nim wird als Wirkimg der Verkündigung angegeben: »Da erweckte Jahwe den Geist Serubbabels . . . und den Geist Josuas . . . und den Geist des gesamten Restes des Volkes, daß sie daran gingen und am Hause Jahwe Zebaoths, ihres Gottes, Arbeit leisteten.«

Für die Auswertung dieser Stelle im Rahmen unserer Untersuchung des Erweckungsgedankens wird man weniger an den Geistbegriff37 anknüpfen dürfen als vielmehr an die Tatsache, daß es sich hier um Jahwegläubige handelt, deren Jahwebindung unter den Mühen des Neuanfangs und den Sorgen um die nackte Existenz zurückgetreten war. Die Aufnahme des Tempelbaus stellt eine bewußte Rückkehr in die religiöse Bindung an Jahwe dar, um derenwillen auch die mit persönlichen Opfern verbundenen Pflichten übernommen werden. Hier also wird man die Wurzel Tsn im Kausativstamm auffassen dürfen als die Erregung bzw. Erweckung einer im Menschen latent vorhandenen religiösen Bindung. Damit würden wir vor dem Phänomen einer religiösen Erweckung stehen. Die führende Gestalt dieser Erweckung ist der Prophet Haggai. Ob es sich um eine allmähliche oder spontane Erweckung handelt, kann aus dem kurzen Wortlaut nicht mehr erschlossen werden38. Ähnlich wie in der Haggaistelle ist die Form TVil in Verbindung mit i m bei Esra 11. 5 gebraucht mit Bezug auf den Perserkönig nissen wird einfach auf die Kommentare und die Bearbeitungen der »Geschichte Israels« verwiesen. " Vgl. Anm. 35. Will man den Geistbegriff hier ausnützen, müßte man in ihm auch die religiöse Erkenntnisfunktion eingeschlossen sehen, die durch die Verkündigung des Propheten eine Erweckung erfährt. 8 8 Die Erweckungsphänomene, wie sie VAN DER LEEUW (siehe oben 10.2) anführt, können hier gefunden werden, nämlich die Welle religiösen Empfindens und Wollens und der Strom der Gefühle und Entschließungen. Wollen und E n t schließungen betreffen den Tempelbau. Daß auch die schwärmerischen und unnüchternen Züge nicht gefehlt haben, zeigt die weitere Verkündigung des Haggai, speziell 2 6-9.15-19.20-23. Doch gehen die unnüchternen Züge vom Propheten selbst aus. Wie weit sich der Kreis der Erweckten diesen Verkündigungseigenarten hingab, vermag nicht gesagt zu werden. Ich erwähne dies alles absichtlich nur in einer Anmerkung, um die Haggaistelle 1 1 4 interpretativ nicht zu sehr zu belasten. Die Erweckungsphänomene lassen sich besser an Jon 3 beobachten. V o n Ugarit nach Qumra.i

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Cyrus und die in Babylon weilenden Geschlechtsoberhäupter von Juda und Benjamin sowie Priester und Lewiten 39 . Das Ziel der Erweckung ist auch hier der Tempelbau zu Jerusalem. Von einer individualen Erweckung wird T5?n durch Deuterojesaja in 50 4 gebraucht mit dem Subjekt Jahwe. »Er erweckt am Morgen, am Morgen erweckt er mir das Ohr, um zu hören wie die Jünger.«

Die hier ausgedrückte Vorstellung von Erweckung zielt auf die Hörfähigkeit und Hörwilligkeit des Propheten gegenüber Jahwe ab. Das Verhältnis von Jahwe und Prophet wird als das eines Lehrers zu seinem Schüler betrachtet. Wie der Schüler geduldig, fleißig und unablässig auf das Wort des Lehrers hört, so hört der Prophet auf Jahwe. Aber die Hörwilligkeit und die Hörfähigkeit müssen erst von Jahwe erweckt werden. Sie sind nichts Selbstverständliches. Die vorhandene Bindung an Jahwe bedarf immer erneuter Erweckung. Man wird sagen dürfen, daß hier der Erweckungsgedanke von der Vorstellung einer einmaligen, aber fortwirkenden Erwecfymg weiterentwickelt worden ist zu einem tagtäglich sich vollziehenden Vorgang des Erwecktwerdens, ein großartiger theologischer Gedanke von einzigartiger Tiefe, der in anderer Weise die Unmittelbarkeit der Verbindung zwischen Jahwe und Prophet zum Ausdruck bringt als etwa Jes 5 940. Will man diese soeben vorgeführten Stellen der exilisch-nachexilischen Literatur untereinander in Verbindung bringen, wird man sagen müssen, daß terminologisch die ältesten Stellen Ez 23 22 und Jes 41 2. 25 45 13 50 4 sind. Von ihnen werden die anderen Stellen abhängig sein, wenn auch unter Anknüpfimg an vorexilische Vorstellungen, wie wir oben aussprachen. Eine Sonderstellung nimmt zweifellos die Haggaistelle ein. Es ist die einzige Stelle, abgesehen von der chronistischen Bemerkung über die Erweckung der Geschlechtsoberhäupter von Juda und Benjamin (Esr 1 5), in der TS?n auf eine Jahwegemeinschaft, eine Gruppe des Eigenvolkes angewendet wird. Haggai selbst verwendet das Wort und den Begriff des Erweckens in seinen Sprüchen nicht. Auch bei seinem Zeitgenossen Sacharja ist die Verwendung des Kausativstammes T a n nicht nachzuweisen, obwohl jener die Wurzel kennt und sie vom Erweckt werden aus dem Schlaf (41) und von Jahwes Sich-Erheben (2 17) gebraucht. Es ist daher methodisch berechtigt, den Gebrauch von T5?n im Sinn von »erwecken« 38 Hier handelt es sich auch um Jahwegläubige. Aber die Zusammenstellung mit Cyrus verwehrt, irgendwelche weiteren Folgerungen aus dieser Stelle zu ziehen. Gegenüber der Haggaistelle fehlt die menschliche Mitteilung des Propheten. 40 Auf diesen Vergleich hat Volz, Deuterojesaja (Kommentar z. AT), 1932, z. Stelle hingewiesen. »Der Beruf des Jüngers heißt den Müden pflegen und das Wort wissen.«

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in der Rahmenerzählung41 nicht auf Haggai selbst, sondern auf den Bearbeiter seines Buches zurückzuführen. Dann hat also der Bearbeiter sein Geschichtsbild vom Wiederaufbau des Tempels unter der Anschauung "des Erwecktwerdens durch Jahwe geformt. Daß er hier den von Ezechiel und Deuterojesaja verwendeten Begriff auf sein Volk anwendete, was jene nicht getan hatten, ist seine eigene theologische Tat gewesen. Anlaß mag ihm dazu die Anschauung vom Totsein des Volkes in der Verbannung geliefert haben (Ez 37) oder jener Spruch Jes 21 IT, 12 42 . Für das Walten des Jahwegeistes inmitten der heimgekehrten Golah fand er das Material in Hag 2 5 und Sach 4 6. Seine Vorstellung von der Erweckung Jahwes zum Tempelbau mag auch durch die Tendenz seiner Denkschrift, in die er die Sprüche Haggais einbezogen hat, bedingt gewesen sein. Auch seine redaktionellen Beifügungen, die die Autoritätsstellung Haggais durch Betonung seines Gottgesandtseins43 hervorheben, und daß darum auf Grund seiner Worte die Erweckimg bewirkende Stimme Jahwes zu hören gewesen sei, scheinen aus einer Tendenz, die Gemeinde von der Schuldfrage zu entlasten, hervorgegangen zu sein. So mag sich dieses Bild einer einzigartigen kollektiven Erweckung im Jahwevolk geformt haben. III. Eine affine Bildrede wird durch das Wort DBS spähen, Ausschau halten (Kai und Pi) ausgedrückt. In der prophetischen Literatur begegnet uns die Verwendung dieser Wurzel als Bildrede für die Tätigkeit eines Propheten Jer 6 17 Ez 3 17 33 2. 6. 7 Hab 2 l Jes 21 6 52 8 56 io44. Die Aufgabe des Spähers wird an verschiedenen Stellen dargestellt, so I Sam 1416. Hier handelt es sich um die Leute, die im Auf4 1 Der verehrte Jubilar, dem diese anspruchslosen Zeilen gewidmet sind, will das Buch des Propheten Haggai auf diesen selbst zurückführen und sichert damit den beiden Kapiteln die Abfassungszeit kurz nach dem 24. I X . 520 (Einleitung in das Alte Testament, 1956 2 , 626f.)- Ich kann nach den oben angestellten Erwägungen diese Auffassung nicht teilen, bin aber auch der Meinung, daß der Bericht von einem Zeitgenossen stammt, der echte Haggaiworte verwendet. Die Abfassungszeit liegt zwischen 520 und 615, Anlaß der Abfassung ist vielleicht die Abberufung Serubbabels aus Jerusalem. 42 Über die Ansetzung des Spruches innerhalb der Exilszeit vgl. SELLIN, Gesch. des isr.-jüd. Volkes, 2 . Teil, 1 9 3 2 , 1 2 . K I T T E L , Gesch. des Volkes Israel, III, 1 , 78ff.; ferner E . J A N S S E N , Juda in der Exilszeit, 1 9 5 6 , 1 2 . 0 Haggai 1 la. 13. Vgl. dazu J . HÄNEL, Das Erkennen Gottes bei den Schriftpropheten 97 f. 4 1 Die Stelle Mi 7 4 ist textkritisch belastet und scheidet aus. Vgl. R O B I N S O N , Handb. z. AT, z. Stelle. Im Kai wird die Wurzel noch gebraucht von Ephraim Hos 9 8, von Gott Ps 66 7 Prov 15 3, von der Hausfrau Prov 31 27, von der Richtung eines Bauwerkes Cant 7 5. Im Pi verwendet zur Bezeichnung der Opferschau Ps 5 4, zum Ausspähen nach einem Helfer Thr 417, zur Beobachtung einer Straße Nah 2 2.

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trag Sauls das Lager der Philister beobachten. II Sam 18 24-27 beobachtet der Späher die Straßen auf das Herannahen von Boten, um es dem König zu melden. II Reg 9 17-20 steht der Wächter auf dem Wachtturm in Jesreel und beobachtet die Annäherungsbewegungen Jehus. II Sam 13 34 handelt es sich ebenfalls um einen Späher auf dem Wachtturm. Die in diesen Stellen beschriebene Aufgabe des Spähers ist eine doppelte. Einmal hat er auszuspähen, ob eine Annäherung von Freund oder Feind erfolgt, also Menschenbewegungen im Gelände und auf den Straßen, ob Feuer in Dorf und Stadt sich bemerkbar macht usw. Diese Tätigkeit des Wächters muß auch während der Nacht angenommen werden 46 . Die zweite Aufgabe des Spähers ist, das Gesehene weiterzumelden oder sogar zu alarmieren und die schlafende Stadt zu erwecken46. Durch die Eigenart des Gesehenen und Weitergemeldeten ist die ausgelöste Wirkung bedingt. Wird jetzt der Späher zum Bild der prophetischen Tätigkeit, ist die selbstverständliche Voraussetzung, daß die Verkündigung des Spähers als von Jahwe kommend in jedem Fall alle sonstwie gebundene Aufmerksamkeit ablenkt, auf sich konzentriert, ja selbst die Ruhe über Mittag oder in der Nacht 47 durchbrechen muß. Der Ruf des Spähers besitzt erweckende Kraft. Faßt man das als tertium comparationis der Bildrede im Vergleich zur prophetischen Tätigkeit, erhält man die Bestätigung durch Jer 6 17: (aus einer Jahwerede) »Und Späher erweckte ich über ihnen — .Lauschet auf den Schofarton' — sie aber haben gesagt: Wir wollen nicht lauschen.«

Das Unbegreifliche ist nun, daß dieser Botschaft der Späher nicht Folge geleistet wird. Alle natürliche Reaktion 48 , selbstverständlich gegenüber dem Turmwächter, hat keinen Raum gegenüber der Botschaft von Jahwe, die der Späherprophet meldet. Bei Ezechiel ist daher das Bild abgewandelt. Der Späher ist nur für die treue Ausrichtung des Wortes verantwortlich, nicht aber für das Schicksal seiner Botschaft innerhalb des Lebens seiner Hörer. Im Tritojesaja ist das Bild des Spähers wieder in einer Abwandlung gebraucht und zwar zur Kritik an den Leitern des Volkes, Propheten, Priestern und ähnlichen. An dieser Stelle erscheinen die Späher als blind 49 und können daher ihrer Aufgabe nicht nachkommen. Von ihnen kann also keine erweckende Kraft ausgehen. Diese Bildrede ist wichtig für den Erweckungsgedanken. Sie zeigt, daß die Tätigkeit des Propheten als eine erweckliche angesehen wurde, 45

Zum Wächter in der Nacht siehe Jes 2111 f. Der Schofarton des Wächters löst Schrecken aus. Vgl. Am 3«. 17 Zur Arbeitsruhe über Mittag und zum Wächter in der Nacht siehe LUDWIG KÖHLER, Der hebräische Mensch, 1953, 59, 88. 48 Siehe dazu auch Jer 8 4-7. *» Vgl. hierzu auch die Stelle Jes 59 lo. 46

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ganz gleich, ob das Erwecken zustande kam oder nicht. Bei Jeremia liegt der Akzent auf der erwecklichen Aufgabe, bei Ezechiel und Tritojesaja vor allem auf der Spähertätigkeit, daß sie überhaupt geschieht bzw. geschehen könne. Leider läßt sich aus dieser Bildrede nichts an weiteren Aussagen über Wesen, Verlauf und Dauer der zustande kommenden Erweckung entnehmen. Man darf auch nicht außer Acht lassen, daß diese Bildrede nicht allzu oft gebraucht wird. Selbst Jeremia hat sie nur einmal gebraucht, soweit sein Buch Zeugnis gibt. Man wird also mit aller Zurückhaltung diese Bildrede als einen Beweis annehmen, daß in vorexilischer, exilischer und nachexilischer Zeit der Gedanke der religiösen Erweckung des Volkes tatsächlich mehrfach gedacht und erwogen worden ist 50 . IV. Die Frage, ob in unserem Ausschnitt alttestamentlicher Literatur Phänomene dargestellt werden, die einer religiösen Erweckung bzw. Erweckungsbewegung gleichkommen, muß mit einem Hinweis auf das Buch Jona Kapitel 3 1-10 beantwortet werden. Abgesehen von dem literarischen und theologischen Skopus dieser Erzählung werden hier eine Reihe von Phänomenen genannt, die für eine Erweckung kollektiver Art von Bedeutung sind, so daß man von einer Erweckungsbewegung sprechen kann. Halten wir uns an die Phänomenologie der Erweckung, wie sie VAN DER LEEUW51 beschrieben hat, so muß hier von einer Welle religiösen Empfindens und Wollens, die sich über die Leute von Ninive ergießt, gesprochen werden. Die auslösende Ursache ist die Verkündigung vom nahen Untergang der Stadt Ninive durch den Propheten. Wie weit der Prophet eine führende Rolle gespielt hat in der bewirkten Erweckung, wird nicht gesagt. Aus dem Tenor der ganzen Erzählung und insbesondere aus Kap. 4 darf geschlossen werden, daß der Prophet tatsächlich nur die Botschaft und nicht mehr ausgerichtet hat. Wir haben hier die Anschauung von dem unendlich wirkungskräftigen Wort Jahwes, das kraft der universalen Macht Jahwes überall wirken kann und selbst ein Fremdvolk zur Buße treiben kann. Der Beginn der Erweckung 52 liegt offenbar unmittelbar nach der geschehenen Verkündigung. Der Anfang wird beschrieben als ein 60 Die Abwandlung des Bildes bei Ezechiel und die Kritik des Tritojesaja zeigen aber, daß man der faktischen Erweckung gegenüber resignierte und sie allein der Tat Jahwes anheimstellte. Hier zeichnen sich die Erfahrungen der vorexilischen Prophetie deutlich ab. 51 Siehe die Einleitung unserer Untersuchung und Anm. 8. 62 Es ist bezeichnend, daß unter dem Gesichtspunkt der Erweckungsbewegung diese Erzählung, soweit ich sehen kann, noch nicht betrachtet worden ist. In den einschlägigen Kommentaren fand ich nichts darüber. In der Predigtliteratur mag der Gesichtspunkt gelegentlich beobachtet worden sein. Das läßt sich aus dem

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Glauben an Gott (trnVia ySKn). Subjekt des Glaubens d. h. Träger sind die Leute (Männer) von Ninive. Im Gefolge der Erscheinung des »1-ann« wird ein Fasten ausgerufen und die Anlegung von Bußgewändern durchgeführt, und zwar betreffen diese Maßnahmen alle Menschen, von den Großen bis zu den Kleinen. Offenbar handelt es sich um eine allmähliche Ausbreitung dieser Erweckung, so daß man wirklich davon sprechen kann, es habe hier eine Bewegung sich vollzogen. Die Kunde (v.6: ISTfl ) bzw. dieses Ereignis, Verkündigung und Erweckung, dringt bis zum König vor. Auch er wird von der erweckenden Kraft, die von diesem Prophetenwort ausgeht, erfaßt und vollzieht ebenfalls die Bußriten, Verlassen des Thrones, Ablegung der königlichen Gewänder, Anlegen des Bußgewandes, In-Asche-Setzen. Die dritte Phase der Erweckung ist der königliche Erlaß, der ein allgemeines Fasten verordnet mit Enthaltung der Speise und des Wassers für Mensch und Vieh, mit Tragen von Bußgewändern und Gebetsdienst. Außerdem fordert der Erlaß eine praktische Abkehr von verhängnisvollem Wandel und Frevel. Mit diesem Erlaß gelangt die Erweckungsbewegung zu gewissen festen Formen, die auch zum Phänomen einer Erweckung hinzugehören53. Weder die Historizität des Berichteten noch die Frage nach den Vorlagen für den vorliegenden Bericht stehen hier zur Behandlung. Es ist lediglich festzustellen, daß in der Abfassungszeit des Jonabuches die Vorstellung von ausgreifenden religiösen Bewegungen bzw. Erweckungen mit bestimmten Verursachungen, Abläufen und Zielen lebendig gewesen ist. Selbst wenn ein Fasttag in Jerusalem in seinem äußeren Erscheinungsbild die Vorlage gebildet hat, so sind der Gedanke der Verursachung durch ein Prophetenwort und die um sich greifende Volkserweckungsbewegung, die sogar zu festen Formen gelangt, geistiges Gut des Verfassers gewesen, der damit zu erkennen gibt, daß ihm solche religiösen Vorgänge bekannt gewesen sind. Ob aus der Überlieferung oder aus seiner eigenen geschichtlichen Existenz, kann nicht mehr entschieden werden. Auf alle Fälle hat der Erzähler Überlieferungen oder Erlebnisse der konkreten Gegenwart seines Volkes auf die Niniviten übertragen. Dann entspricht seine Schilderung dem, was LUDWIG KÖHLER über das geistige Bild des Hebräers ausgeführt hat, worauf wir in Anmerkung 9 (Seite 11) hingewiesen haben. Zugleich beleuchtet diese kurze Erzählung auch das Problem Kommentar von P. KLEINER! ZU Obadjah, Jonah, Micha usw. schließen (Theol.homiletisches Bibelwerk von J. P. LANGE, 1868, 35). Die Schrift G. VON RADS, Der Prophet Jona, Nürnberg 1950, gebraucht S. 6 den Ausdruck »Bußbewegung«. 58 Der erweckte religiöse Wille gelangt also zu Entschließungen. Die von VAN DER LEEDW gesehenen Konsequenzen einer Erweckungsbewegung, Reformation, Sektenneubildung, werden nicht erwähnt, weil derartiges nicht im Blickpunkt der Erzählung liegt. Wohl aber wird Besserung des Lebens erstrebt.

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Prophet und Erweckung. Der Prophet ist also in der Lage, mit seiner Verkündigung eine Erweckung auszulösen. Wir würden mit dieser Anschauung einen Parallelfall zu Hag 1 14 und der Bildrede vom »Späher« erhalten. Wie weit nun diese beiden Fälle Jon 3 und Hag 1 n etwa der Wirklichkeit entsprochen haben mögen, wie weit sich noch Erfahrungen mit den vorexilischen Propheten abschatten, — etwa Erweckungsbewegungen, die von diesen ausgegangen sind —, haben wir hier nicht zu untersuchen. Es ist nicht unmöglich, daß Erinnerungen an große Wirkungen einzelner Propheten in vorexilischer Zeit hier noch nachwirken. Es ist aber ebenso gut möglich, daß die nachexilische Zeit in der Übersteigerung der Wirksamkeit des göttlichen Wortes eine Erzählung wie die von Jon 3 gestaltet hat, um zu zeigen, wie es eigentlich hätte sein sollen, und wie das Gotteswort hätte wirken können. Das Phänomen religiöser Erweckung und religiöser Erweckungsbewegung ist jedenfalls der exilisch-nachexilischen Zeit bekannt und vielleicht sogar vertraut gewesen. V. Schon gelegentlich ist im Verlauf unserer Untersuchung auf das Zukunftsbild der Propheten hingewiesen worden. Es kann nicht übersehen werden, daß in der Darstellung der Heilszeit innerhalb der prophetischen Verkündigung auch die Phänomene der Erweckungsbewegung verwendet werden. Man wird sagen können, daß dies wohl zwangsläufig sich ergab, weil Jahwe stets ein Kollektivam gegenübersteht, nämlich das erwählte Israel, und selbst bei den Propheten, bei denen Volk und Glaubensgemeinde54 auseinandertreten, die Gläubigen noch eine Mehrzahl bilden. So selbstverständlich das auch anmutet, ebenso selbstverständlich dürfte es sein, daß in der für die Heilszukunft erwarteten Erweckung des Volkes durch Jahwe sich die nicht erfüllten Hoffnungen auf eine Erweckimg des Volkes durch die prophetische Predigt abzeichnen. In dieser behutsamen Weise wird man wohl diese Teile der prophetischen Zukunftshoffnung verstehen dürfen. Das Legen und Schreiben des Gesetzes in Herz und Inneres und damit die Verleihung der Jahwe-Erkenntnis (Jer 31 33f.) muß auf dem Hintergrund der Sündenauffassung des Jeremia 55 gesehen werden. In ihr zeichnet sich ab die praktische Erfahrung des Propheten, die er in seiner prophetischen Tätigkeit machen mußte. Seine von ihm ausgehende Erweckung hat bestenfalls einen Kreis 56 erreicht, keineswegs Am stärksten wohl bei Jesaja, aber auch bei Zephanja. Siehe dazu die einschlägigen Abschnitte der Bearbeitungen »Theologie des AT« und Anm. 48. 84 Die Erwecktenkreise der Propheten, die nur in schwachen Spuren erkennbar werden, bei Jesaja die Jünger (816), bei Jeremia der Kreis der ihn gelegentlich 54

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BARDTKE,

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aber das ganze Volk. In ähnlicher Weise wird die Verheißung der Geistverleihung in der Verkündigung des Ezechiel verstanden werden müssen. Die Erweckung und Umwandlung des Volkes wird durch Jahwe in der Heilszeit vollzogen werden (Ez 36 26ff.). Die in Joel 3 1-2 verheißene Geistausgießung trägt dagegen einen anderen Charakter und kann m. E. nicht unter den Gesichtspunkt der Erweckung, die gewissermaßen Jahwe nachholt, gerechnet werden57. Mit diesen Andeutungen, daß der Erweckungsgedanke bis in die Verkündigung der Heilszeit hineinreicht, sei es genug. Es kann nicht die Aufgabe dieser Unters chung sein, die gesamte nachexilische Heilspredigt einer Durchmusterung zu unterziehen. Mag man auch in der Predigt des Deuterojesaja, ja in ihrem gesamten Tenor etwas von der Dynamik der Erweckung finden wollen, auf Grund der von ihm angewendeten Terminologie läßt sich nur in einem beschränkten Umfang vom Erweckungsgedanken bei ihm reden. Das hatten wir bereits gesehen. Als Gesamtergebnis unserer Untersuchung fassen wir zusammen: In der Exilszeit und in den Jahrhunderten danach weiß man, wie die Literatur des AT dieses Zeitalters zeigt, um Begriff und Phänomen der religiösen Erweckung. Wie weit derzeitige geschichtliche Vorgänge dieses Wissen bedingen, bleibt durch die Eigenart der Darstellung ungewiß. Wichtig aber ist, daß eine deutliche Anknüpfung gerade hinsichtlich des Erweckungsgedankens an vorexilisches Gedankengut feststellbar ist. Damit erhebt sich aber die Frage, inwieweit das religiöse Leben Israels in vorexilischer Zeit sich unter dem Gesichtspunkt der Erweckung betrachten läßt. Mit dieser Frage ist aber ein weitschichtiger Komplex angerührt, der zu seiner Bearbeitung religionsphänomenologische Vorarbeiten im Raum der allgemeinen Religionsgeschichte erfordert. Die vorstehende Untersuchung hatte nur festzustellen, daß Begriff und Phänomen der Erweckung noch in einer Zeit bekannt sind, die als Zeitalter der Epigonen auch ein Nachlassen der religiösen Dynamik mit sich bringt58. (Abgeschlossen 16. IX. 1957) schützenden und rettenden Personen, werden eine wichtige Rolle bei der Überlieferung der Prophetenworte und -bücher gespielt haben. 67 R O B I N S O N (Handb. z. AT) spricht von einem apokalyptischen Wort und ordnet es zeitlich wie Dan 5 ein. 58 Hier taucht das Problem des Erlöschens der Prophetie auf bzw. die Umgestaltung der Prophetie. Der Wendepunkt liegt wohl bei Jeremia. Sind Prophetie und Erweckung irgendwie wesensmäßig miteinander verbunden, bedeutet das Erlöschen der Prophetie auch ein Aufhören der Erweckungen. Die untersuchte Literatur weiß noch um das Phänomen, kann es auch erzählerisch gestalten, ohne daß echte eigene Erlebniszüge sichtbar werden.

Beiträge zum hebräischen Lexikon Von W . B a u m g a r t n e r in Basel (Basel, Benkcostr. 46)

Zu den bedeutsamsten Errungenschaften der neueren alttestamentlichen Forschung gehört, daß wir heute — es ist vor allem das Verdienst von PAUL KAHLE — für den hebräischen Text nicht mehr allein auf die im masoretischen Text vorliegende tiberiensische Überlieferung angewiesen sind, sondern daneben eine ganze Reihe anderer Textzeugen zur Verfügung haben, teils schon länger bekannte, teils auch erst in neuerer und neuester Zeit ans Tageslicht gekommene: die Reste der babylonischen und palästinischen Textüberlieferung, die samaritanische, die Umschriften hebräischer Wörter und Namen in der Septuaginta, in der »Secunda«, d. i. in der zweiten Kolumne von Origenes' Hexapla, und bei Hieronymus, vereinzelt auch in der Keilschrift und im Ägyptischen, die Überreste kanaanäischer Sprache in den Amarnabrieten und den ugaritischen Texten, endlich die bei aller Anlehnung an das A T in manchem überraschend selbständige Hebräischtradition der Höhlentexte (DSS): Zeugen, die mit ihren vielfach abweichenden und oft deutlich älteren Wortformen einen Vorstoß in den Bereich eines vormasoretischen Hebräisch möglich machen. Was das für die hebräische Grammatik bedeutet, ersieht man aus den Arbeiten von RUDOLF MEYER1. Es gilt ebenso für das hebräische Lexikon, das gleichfalls mit diesen Materialien zu arbeiten und sie auch dem Benutzer an die Hand zu geben hat. Aus Beobachtungen, die ich bei der Arbeit am »Supplementum« machte, das der demnächst erscheinenden zweiten Auflage des Lexikons von LUDWIG KÖHLER beigegeben wird, sei im folgenden einiges in zwangloser Folge mitgeteilt 2 . 1. Die Assyriologie bereichert bekanntlich das hebräische Lexikon durch zahllose akkadische Äquivalente und Fremdwörter — die Zahl der letzteren dürfte in H. ZIMMERN s wertvoller Zusammenstellung »Akkadische Fremdwörter als Beweis für babylonischen Kultureinfluß« (1917) allerdings zu hoch veranschlagt sein — und läßt mit ihren syllabischen Schreibungen auch den Vokalismus einigermaßen erkennen. Westsemitische Namen und Wörter in abweichender Form sind hier selten: das Lehnwort madbaru (ZIMMERN S. 43), das zu1

Probleme der hebräischen Grammatik, Z A W 63, 1951, S. 221 ff.; G. BEER-

R. MEYER, Hebräische Grammatik I, 1962, I I , 195B. * Die Siglen sind im allgemeinen die des Lexikons.

Bei den Höhlentexten

( D S S ) merke man: Man. für Sektenregel, H y . für Hodayoth und W a r für Kriegsrolle.

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BAUMGARTNER

sammen mit der babylonischen Textüberlieferung8, der samaritanischen Aussprache4 und dem Syrischen auch für das ältere Hebräisch ein *madbar erweist (s. u. 2), und der Eigenname Gabbaru5, der durch ja. und syr. 13J unterstützt für ba. und ja. 13J, weniger sicher auch für he. "itai eine ältere Form mit £-Vokal in der ersten Silbe ergibt. Unter den Synonymen eines lexikalischen Textes 6 hat man eine Anzahl westsemitischer Tiernamen festgestellt; aber die Ausbeute für das Hebräische ist leider nicht groß: [hi-]ma-ru (so MEISSNER) ergäbe als westsemitische Form himär wie im Arabischen; aber man kann ebensogut mit V. SODEN nach dem altassyrischen emäru1 ein e ergänzen, womit das Westsemitische überhaupt ausfällt; dabbu als Synonym zu däbü »Bär«, das MEISSNER zu sy. debbä stellt8, dürfte, da dieses gegenüber he. 3 i und D,3'i) sowie sonstigem aram. ganz isoliert steht, eher innerakkadische Spielform sein9; [ha-]ra-da ist aram. Tji? gegenüber he. I i i s . Es bleibt aber \ha-~\an-zu als Synonym zu akk. enzu »Ziege«, das gegenüber der von KÖHLER im Lexikon vorgeschlagenen Etymologie das ar. (anzu (s. B A U E R - L E A N D E R S. 588i) als Grundform bestätigt, und das auch außerhalb der Listen vorkommende huziru (fem. huzirtu) als Synonym zu Sahü »Schwein«, nach LANDSBERGER aramäisches Fremdwort10, das gegenüber he. Ttn in seinem u-Vokal mit bab. TTlfl11 und christl.-pal. hwzrjn, hzwrjn zusammentrifft. Die kanaanäischen Glossen und sonstigen kanaanäischen Elemente der El-Amarna-Briefe, auf deren Bedeutung für die hebräische Sprachgeschichte als Erster H. ZIMMERN in seiner Hallenser Antrittsvorlesung hinwies12, und die dann in der Folge namentlich von F. BÖHL18 und E. D H O R M E 1 4 eingehend behandelt wurden, werfen für unsere • P . K A H L E , Der masoretische Text des AT nach der Überlieferung der babylonischen Juden, 1902, S. 70. I F R . D I E N I N G , Das Hebräische bei den Samaritanern, 1 9 3 8 , S . 6 1 . 6 K N . T A L L Q V I S T , Assyrian Personal Names, 1914, S. 78; derselbe Name als Gäbbara bei Plinius, Nat. Hist. VII 16; MORITZ, ZAW 57, 1939, S. 160. • K 4213 usw. (CT X V I I I 22) und V A T 10301 (v. S O D E N , Die lexikaUschen Tafelserien usw., 1933, T. 20), siehe B. M E I S S N E R , M A O G X I 1/2, S . 41 l . 7 J . LEWY, Die Kültepetexte d. Sammlung R. Blanckertz, 1939, S. 48. 8 Vgl. auch B. L A N D S B E R G E R , Die Fauna des alten Mesopotamien, 1934, S. 82 f. • < *dabiu, wo sonst Längung eintritt; siehe W. v. S O D E N , Grundriß der akkadischen Grammatik, 1952, § 15 b, 20 d. 1 1 K A H L E , D . mas. Text, S. 7 2 . 1 0 L A N D S B E R G E R a. a. O. S. 82f. 1 2 »Palästina um das Jahr 1400 v. Chr. nach neuen Quellen«, veröffentlicht in Z D P V X I I I , 1890, S. 133-147 (speziell S.146f.), fehlt in W E I S S B A C H , Zimmern-Biblio1 3 Die Sprache der Amarnabriefe, 1909, S. 80ff. graphie ZA 40, 1931, S. 144ff. I I La langue de Canaan, RB, NS. X , 1913, 369ff.; X I , 1914, 37ff., 344ff.; Les nouvelles tablettes d'El-Amarna, ib. X X X I I I , 1924, lff.; neu abgedruckt im Recueil E. D H O R M E , 1951, S. 405ff., 501ff.

Beiträge zum hebräischen Lexikon

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Frage nicht so viel ab, wie man erwarten möchte. Sie führen uns die »Sprache Kanaans« (Jes 19 18) um 1400 v. Chr., also vor der israelitischen Landnahme, vor Augen und erheben damit wohl die ältere Vermutung, die Einwanderer hätten mit der übrigen Landeskultur auch die dortige Sprache übernommen, zur Gewißheit. Aber eben damit repräsentieren sie gleich den ugaritischenTexten eine etwas ältere Sprachstufe, von der sich das Hebräische des AT dann im Vokalismus, im Abfall der Endungen u. a. deutlich abhebt ; oft sieht man in ihm ja geradezu eine Mischsprache16. Darum können auch abweichende Wortformen, wie humitu »Mauer«, gegenüber npin als *h6mijatu zu verstehen18, anaji (ug. 'nyt, anaya17) »Schiffe« gegenüber 'IN, japu »schön« gegenüber nej mit Wegfall des Diphthongs18, nicht ohne weiteres auch für das Hebräische in Anspruch genommen werden. Das gilt auch für das Ugaritische, das als konsonantische Schrift zunächst ja nur im Fall des dreifachen Aleph etwas vom Vokalismus zeigt; neuerdings kommen zum Glück auch immer mehr in babylonischer Silbenschrift geschriebene Texte dazu 19 . 2. Auf die interessante Tatsache, daß in den Höhlentexten mehrmals akkadische Eigennamen in besserer Form überliefert sind als im MT, haben BARTHÉLÉMY (RB57, S . 543), B E E G L E (BASOR123, 28) und MILLAR BURROWS (ib. 124, 19) hingewiesen. Beim Königsnamen p s b a T^ha gibt das p s V a "a von JesA 391 — denn so ist dort zu lesen — das iddin »er hat gegeben« der akkadischen Namengebung wieder. Der Euphrat erscheint gegenüber dem masoretischen rns als miD (War II 11, Genesis Apocryphon X X I 12. 17), was dem keilschriftlichen Purattu, noch arabisch al-Furät, entspricht20, jmiri JesA 201 für masoretisches deckt sich mit akkadischem turtänu, turtannu, der weit überwiegenden Schreibung gegenüber vereinzeltem tartannu; die dazu passende sumerische Etymologie (BEZOLD, DEIMEL) hat mehr für sich als die auf tar- fußende, die UNGNAD, ZAW 41, 1922, 204 ff. vertrat. Undurchsichtig ist pimOK Asarhaddon JesA 39 i ; sollte es aus ""ptmON verderbt sein 21 ? Solche Fälle So, allerdings in verschiedener Weise, B A U E R - L E A N D E R , Histor. Grammatik d. hebr. Sprache, S. 23ff. ; G. R . D R I V E R , Problems of the Hebrew Verbal System, 1936, S. 98ff.; H. B I R K E L A N D , Akzent und Vokalismus im Althebräischen, 1940; Interpretationes . . . S. Mowinckel . . . missae, 1966, S. 24ff. » L E A N D E R , ZDMG 74, 1910, 63 a ; ug. hmt, pl. hmyt. « C . H . G O R D O N , Ugaritic Manual, 1 9 6 5 , Nr. 1 7 4 . 15

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LEANDER a. a. O.

S. 65a.

Im Glossar bei G O R D O N S . 230ff. aufgeführt. 1 0 Vgl. auch Josephus, Arch. 1 1 , 3: KaXsïTai 6è ô nèv Eùçpcrrris «Dopà; das kann natürlich auch nur einen gegen o hin gefärbten Murmelvokal ausdrücken. " Anders A L B R I G H T , B A S O R 1 2 3 , S . 2 9 1 4 . 18

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W.

BAUMGARTNER

brauchen keine besondere Vertrautheit der Schreiber mit der Sprache des Zweistromlandes vorauszusetzen, wie M. BURROWS meint. Vielmehr wird sich da eine ursprüngliche und zutreffendere Schreibung des fremden Wortes erhalten haben, so wie sich in L X X und Josephus die lautgemäße Namensform Zeva)(T)pißos für Sanherib erhalten hat, oder wie noch Plinius Nat. hist. VI 127 für den Tigris eine ältere Namensform Diglitus kennt22. Beim Tartan mag jene keilschriftliche Nebenform nachwirken. Bei rns ist westsemitisch lautgerecht der kurze Vokal reduziert worden. Merodach-Baladan und Sanherib sind wohl ebenso wie Sanballat für Sin-uballit einfach verballhornt. Wenn bei der Wiedergabe des einheimischen Namens für Oberägypten, masoretisch Diins, L X X (T7a6oupT]s und !? »Eigentum Jahwes« (BROWN-DRIVER-BRIGGS, KÖNIG, KÖHLER) gewiß vorzuziehen ist, für die Priorität des babylonisch und umschriftlich belegten ma-. 4. Aber nicht immer kommt man zu solch eindeutigem Ergebnis. Das sei im folgenden am Beispiel der Segolata und anderer Typen aufgezeigt. M

Vgl.

A

STEINDORFF,

2 . Reihe, X I , S. 1008 ( W E I S S B A C H ) . Beiträge z. Assyriologie I, 1890, S. 343f. 1 1 Nachzutragen ist dort: Bei "13"]!? S. 165, Z. 8, kommt noch das akkadische madbaru, ein westsemitisches Lehnwort hinzu (s. oben 1). — (ib. Z. 19ff.) ist Lehnwort aus akk. maSkanu ( Z I M M E R N , Fremdwörter S . 18 1 ). — Für S B T F D hat das Targum auch ma- (I. F. S T E N N I N G , The Targum of Isaiah, 1949, p. X X X I V ) . Auch für tf^i?!? wird das bab. ma- durch die ja. und sy. Wortform unterstützt. — Zur Wiedergabe von ÜHJ? bei Hieronymus durch manaa (S. 166, Z. 7) siehe S I E G FRIED, Z A W M

PAULY-WISSOWA,

IV,

1884.

S. 77.

M. NOTH, Die israelitischen Personennamen, 1928, S. 172.

Beiträge zum hebräischen Lexikon

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Für Tj^a »Knie« hat JesA in 45 2328 und 661227 das mhe. und ja "q~ji3 gegenüber ja., sy. und mdä. N3T3. Dasselbe offenbar durch den Labial veranlaßte u begegnet im ar. burkatun und im akk. burku neben birku. Diese bedeuten beide »Knie« und »Schoß«, das letztere auch »Penis«28; ähnlich wie dort gegenüber he. ]gl »Rankengewächs, Rebe« zwischen gapnu »Strauch, Rebe« und gupnu »Baumstumpf« unterschieden ist 29 . Ohne die Nachbarschaft eines Labials begegnet für '•jny War VII 3 und ohne Beleg aus den Höhlentexten für nVn oXS in Secunda 80 , holed bei Hieronymus 81 . Ebenso darf man gewiss das B,,ö "Oiai Hy. III 15 mit Dupont-Sommer und Miliar Burrows nach DJ",?33 Hi 38 16 als »Wasserquellen« verstehen, also *~fini gegenüber *T]3}. Mehrfach findet sich in den Höhlentexten für den Typus *?t?p des AT und manchmal auch neben ihm der Typus *7tsp>: so für alttestamentliches 33V/3V "ltf1 Man. XI 2 aaV TlBT» neben "1®V III 8; tTDN nsp> Man. IV 10 neben D'SK -iXlj? VI 26 für is'p; für an1?, das auch in Hy. vorhanden ist, am1? War V 7. 10 und 'ain1? Hy. II 26 III 30; für 3p4! »Weite« in Man. IV 9 BB1 3im »Gier«, wo diese Form im AT nur »offenen Platz« bedeutet; weiter Tintf für initf JesA 5 23 3315 neben zweimaligem inw. Umgekehrt erscheint der Stadtname D7p in JesA alle vier Male und im Gen. Ap. XX 16 —XXII 5 neunmal als DTIO, XXI 32 als DVnO; und ähnlich das mit ihm verbundene rna» in JesA an allen drei Stellen seines Vorkommens als mais, im Gen. Ap. XXI 24. 32 als tnaiv: beides führt zu den griechischen Namensformen ZoSopiot und Tonoppa hinüber, die man bisher einfach aus Vokalharmonie bei der Umschrift verstanden hat. Wenn ÜSS, DVD in Dam. X X 24, dreimal als ösia erscheint (Man. IV 16, QC I 28 a 18 und Dam. X I I I 1), so denkt man zunächst an das mhe. Dyi», ein um das Präformativ verkürztes Partizip Pual (s. B A U E R - L E A N D E R S. 287 o); möglich wäre indes nach den obigen Beispielen auch ein *mö*at. Überraschend ist die segolatische Entwicklung bei DNJ: in JesA nur dreimal als D1KJ, dagegen 21 mal als Dtni belegt, das sich mit D R I V E R 8 2 gewiß nur als nö'em verstehen läßt. Auch Femininformen dieser Art fehlen nicht: zu 1XB neben "TNa in der Damaskusschrift mtW JesA 311 und QC I 22 i i 9, deutlicher als mix» JesA 36 2 3817 wie als mm» War X I X 5; und für die auf *lahhab(a)t zurückgehenden masoa

* Darnach ist Supplementum S. 142a s. v. Z. 3 zu berichtigen. Mit M I L L A R B U R R O W S , BASOR 124, 20 ist D'DTD zu lesen. M H. HOLMA, Die Namen der Körperteile, 1911, S. 96f., 132ff. " A . RÜTHY, Die Pflanze und ihre Teile, 1942, S. 13f. 30 E. BRONNO, Studien über hebräische Morphologie und Vokalismus, 1943, 17

S. 1 3 6 f .

n

SIEGFRIED, Z A W 4, 47; SPERBER, H U C A X I I / X I I I , S. 223.

»• The Hebrew Scrolls, 1961, S. 42.

W . BAUMGARTNER

30

retischen Formen njnV und nan1? ein nam*?, d. i. Huhbat, zu dem außer dem oben genannten am1? noch das meist wegkorrigierte einmalige n?1? < *lahbat sowie ja. Nria1? und palästinisches lebbä38 zu vergleichen sind. Ein letzter Fall dieser Art ist ntniN »Besitz« Man. X I 7, wo eine Korrektur in RIFFL^ (BROWNLEE u. a.) im Blick auf ja. xrnnix und NnniN/xnms kaum berechtigt ist. 5. Es gelingt nicht, alle diese Formen unter einen Hut zu bringen. Unverkennbar und schon von anderen festgestellt ist eine Vorliebe für den ^«/Z-Typus auch in Fällen, wo kein Labial hineinspielt. Da dieselbe Neigung im Mittelhebräischen besteht34, liegt es nahe, darin ein Anzeichen einer jüngeren Sprachstufe zu sehen, wie es z. B. auch für das Überhandnehmen der Form qittul gilt (pitn, Ti0\ Tll'O, Tiara, man usw.). Allein anderseits ist der ^w/Z-Typus an sich alt, so daß das mehr für die »Umkehrung« desselben in q'töl in Betracht käme, wo ohnehin aramäischer Einfluß in Rechnung zu setzen ist8B. Aber wann und wo solche Wandlungen eingetreten sind, entzieht sich im einzelnen unserer Kenntnis. Vor rascher Verallgemeinerung des Urteils, die vom MT abweichenden Formen seien jünger, sollten schon jene besser bewahrten akkadischen Namensformen und das gelegentliche Zusammentreffen mit der babylonischen Textüberlieferung und den Umschriften warnen. Eher muß bei solchen Schwankungen in der Vokalisation in erhöhtem Maße mit einem Nebeneinander verschiedener, ursprünglich vielleicht dialektisch geschiedener Nominalformen zur Bezeichnung einer und derselben Sache oder desselben Begriffs gerechnet werden. Solche Fälle bietet auch der MT, z. B. für »klein« |bf> und ]BJ>, wobei auffällt, daß Endungen und Suffixe nur am zweiten vorkommen und die babylonische Überlieferung auch nur sie kennt 86 ; soll man daraus schließen, daß ]bj» erst in Angleichung an VilJ aufkam? — Schwieliger liegt die Sache beim Begriff »lang«. Dafür hat das Hebräische nach gewöhnlicher Annahme zwei Adjektiva der Wurzel "pH : Tjnx und (SIEGFRIED-STADE, BROWN-DRIVER-BRIGGS, KÖNIG, K Ö H L E R ) . Von beiden liegt der Absolutus Mask. nicht vor. Aber ist aus dem belegten Fem. sicher zu erschließen. Für •"qn^t kann man sich auf *ni, *]ro usw. mit dem segolatischen es. Tjl usw. berufen; immerhin ist das nicht die einzige Möglichkeit. So hat denn G E S E N I U S - B U H L die Absolutusform offen gelassen, während TORCZYNER hier wie bei den bedeutungsverwandten Adjektiven "nsp> »kurz« und "»f?»» »tief«, für die gleichfalls oft ein *"lXf> 83

KAHLE,

«

Siehe H. YALON, Qirjath Sepher 27, S. 169a.

46

ZAW

39,

BAUER-LEANDER

1921,

S. 2 3 8 .

S. 6 8 0 s.

84

KAHLE, M T

S. 72.

Beiträge zum hebräischen Lexikon

31

und ein angesetzt wird, *qatul annimmt 37 . Ein pb» ist jedenfalls belegt und der Annahme einer Entwicklung *qatul38 (ohne den sonst vor Endungen meist erfolgten Übergang in *qatull) > *qatle > *qitle mit *qatl als Rückbildung steht nichts im Wege. Nun scheint eine Stelle der Kriegsrolle TORCZYNER recht zu geben: rm "WIK . . . Q,D1D VI 12. Läßt der unmittelbare Zusammenhang — die Militärpferde sollen schnellfüßig, weichmäulig, im richtigen Alter, an Kampf und Lärm gewöhnt sein — mehr an eine physische Eigenschaft denken (»starkatmig« B A R D T K E , »de longue haieine« VAN DER PLOEG, »long in the wind« GASTER), SO erinnert die Wendung doch unverkennbar an das 0?EN/nvi des AT 39 ; der Begriff »lang« läßt ja verschiedene Schattierungen zu. Es liegt dann nahe, in Analogie zu *"isp> 1 "ix^ auch den gleichfalls begriffsverwandten es. n?J zum gewöhnlichen NNI zu stellen, wie es schon S I E G F R I E D - S T A D E , B R O W N - D R I V E R B R I G G S , KÖNIG und G E S E N I U S - B U H L taten, statt dafür mit K Ö H L E R ein*n3J zu postulieren; dies um so mehr, als die babylonische Überlieferung für das a ein o hat 4 0 . Daß daneben auch ein es. Hill vorkommt, spricht nicht dagegen; das Nebeneinander verschiedener Bildungen ist in solchem Fall nicht selten (s. B A U E R - L E A N D E R S . 554 u). In anderen Fällen, wo man zwischen der Ansetzung einer zweiten Nominalform und der Annahme einer Umbildung aus einer sonst belegten zu wählen hat, läßt sich kaum eine sichere Entscheidung treffen, ins? wird allgemein zu n?3 gestellt und als aus *nokhö dissimiliert verstanden 41 ; aber für das genau gleich liegende i l a s / n a s setzen S I E G F R I E D - S T A D E , KÖNIG und K Ö H L E R ein nirgends belegtes *"iöX an, während eine Ableitung von lök 4 2 mindestens ebenso wahrscheinlich ist. Mag so auch vieles noch offen bleiben, so dürften diese paar Seiten doch dartun, wie sehr durch die neu erschlossenen Quellen unsere Kenntnis der hebräischen Sprache vertieft und bereichert wird. Das sei mein bescheidener Beitrag zu der Ihnen, lieber Herr Kollege, gewidmeten Festschrift; haben Sie doch durch die langjährige Betreuung der Biblia Hebraica und der ZAW, und auch dadurch, wie Sie die Erschließung der ugaritischen und der Höhlentexte von Anfang an verfolgten und selber vielfach förderten, Ihr waches Interesse an diesen Fragen zur Genüge bekundet. (Abgeschlossen am 30. Juli 1967) ZDMG 64, 1910, S. 273f. «

88

Siehe YADIN a . a . O. S. 2 9 7 . I,

10

11

BROCKELMANN,

Grundriß

S. 2 6 6 ;

42

BROCKELMANN,

BAUER-LEANDER,

BAUER-LEANDER S. 664 u. KAHLE, D. m a s . T e x t ,

BAUER-LEANDER

BEER-MEYER

I,

S. 2 1 6 k.

§ 27, 3.

S. 7 1 .

Rechtsgedanken in den Erzählungen des Pentateuchs* Von Prof. Dr. David Daube in Oxford (Oxford, England, All Souls College)

I

J a k o b , Rahel und L e a :

Sklavenmiete

Die im Pentateuch erhaltenen Gesetzessammlungen geben natürlich viel Aufschluß über das Recht jener Zeit. Doch ist gar manch wertvoller Hinweis auch in den Erzählungen zu finden. In zahlreichen Fällen lassen sich Lücken, die die Sammlungen aufweisen, durch Rechtsakte oder übertragene Verwendung von Rechtsakten in den Erzählungen ausfüllen. Zum Beispiel 1 tut kein alttestamentliches Gesetz der Sklavenmiete Erwähnung. Bestand diese Art Vertrag? Eine Abmachung zwischen Lea und Rahel bestätigt es. Jakob liebt Rahel. Die vernachlässigte Lea gibt Rahel Liebesäpfel, die sie von Rüben erhielt, für die zeitweise Abtretung des Gatten. An diesem Punkt fährt der Bericht fort 2 : «Da nun Jakob des Abends vom Felde kam, ging ihm Lea hinaus entgegen und sprach: ,Zu mir sollst du kommen, denn ich habe dich gemietet um die Liebesäpfel meines Sohnes'«. (Luther hat »erkauft«, aber das ist ungenau.) Jakob verbringt nun die Nacht bei Lea, und aus dieser Verbindung stammt Isaschar — dessen Name sich mit dem Wort für «Miete« oder »Mietgeld«, Sachar, zusammenbringen läßt. Gewiß war es der Name, der den Anstoß zu der — ätiologischen — Legende gab. Diese Legende aber ist nur möglich, wo der Begriff der Sklavenmiete geläufig war. Denn Jakob wird hier als Raheis Sklave gezeichnet, den seine Herrin an ihre Genossin ausdingen kann. Das tragi-komische Verhältnis liefert uns ein Rechtsinstitut, das wir sonst nur vermuten könnten. II a) J o s e p h s B r ü d e r : H ü t e r h a f t u n g Dienen uns somit die Erzählungen als Rechtsquelle, so werden sie auf der anderen Seite auch selbst klarer, wenn wir das in ihnen benutzte Recht beachten. In der Josephsgeschichte8 bringen die * Eine im Rahmen der Loeb-Stiftung an der Universität Frankfurt a. M. im Februar 1957 gehaltene Vorlesung. 1 Hierzu D A U B E , Biblical Law, 1947, 16ff. und: Methods of Bible-Criticism, Symbolae Frederico Hrozn? Dedicatae, Archiv Orienten! 17, 1949, 96ff. 1 Gen 3 0 1 6 . 1 Hierzu D A U B B , Biblical Law, 3 ff.

Rechtsgedanken in den Erzählungen des Pentateuchs

33

Brüder, die Joseph verkauft haben, ihrem Vater das in Ziegenblut getauchte Kleid, so daß er annehmen soll, der Sohn sei von wilden Tieren gefressen4. Nach althebräischem Recht war ein Hirt von Verantwortung frei, wenn er nachweisen konnte, daß ein ihm anvertrautes Schaf einem Raubtier erlegen war5. Die Brüder verdecken also mit ihrem Verfahren nicht nur ihren Verkauf, sondern zeigen auch, daß sie keiner Nachlässigkeit zu zeihen sind. Das Recht erkennt ja an, daß keine Sorgfalt etwas gegen die Tücke wilder Tiere vermag. Dahinter steht der Gedanke, daß unter gewissen Umständen der ältere Bruder dem jüngeren gegenüber in einem Hüterverhältnis steht, dem des Hirten vergleichbar. Dies wiederum wirft Licht auf die Antwort, die Kain Gott gibt, als er ihn nach Abel fragt': >Soll ich meines Bruders Hüter sein?*. Nach damaliger Auffassung hätte er es allerdings sein müssen. b) Josephs Brüder: der Verkauf Die Josephssage ist besonders reich an juristischem Interesse. Wir werden noch darauf zurückkommen, aber als Beispiel mag das Verbrechen der Brüder angeführt werden: der Verkauf. Nach altem Recht war Menschendiebstahl einer der schwersten Frevel, aber er galt erst als erwiesen7, wenn man den Betreffenden in Knechtschaft verkauft hatte 8 . Solange dies nicht geschehen war, konnte es ja möglich sein, daß man ihn etwa, um ihn zu ängstigen, festhielt, oder gar aus übergroßer Gastlichkeit — jedenfalls nicht in diebischer Absicht. Ähnlich galt einmal der Diebstahl eines Tieres erst dann als ausgemacht, wenn es verkauft oder geschlachtet war9. Bis dahin konnte es sich ja verlaufen haben und in Obhut genommen worden sein10. Erst allmählich entschließt sich das Recht dazu, den Diebstahl für beweisbar zu erachten, auch ohne daß der Mensch verkauft oder das Tier verkauft oder geschlachtet ist11. Bei einem unbelebten Gegenstand war natürlich von jeher Verurteilung wegen Diebstahls auch möglich, wenn der Dieb ihn noch bei sich hatte. Wir erinnern nur an den Becher, * Gen 37 88. » Ex 22 12.

* Gen 4».

7

Hierzu D A U B E , Biblical Law, 89ff. Ex 2116. Die Worte »oder daß man ihn bei ihm findet« sind späterer Zusatz. * Ex 2187 (vgl. II Sam 12 4fl\). 22 8, »Findet man den Diebstahl lebendig* usw., späterer Zusatz. 10 Dtn 22 2f., allerdings aus jüngerer Zeit als Ex 2187, schreibt vor, daß man das irrende Tier, dessen Eigentümer man nicht kennt, in Pflege nehme. 11 Diese Stufe ist in den in den vorigen Anmerkungen zitierten Zusätzen erreicht; vgl. auch Dtn 247. 8

Von Ugarit nach Qumran

3

D. DAUBS

34

den Joseph, als seine Brüder ihn in Ägypten besuchen, in Benjamins Sack schmuggelt, und der dort durch Spurfolge 12 entdeckt wird18. Josephs Brüder bemächtigen sich nicht nur seiner, sondern verkaufen ihn als Sklaven ins Ausland. Hier ist das Verbrechen des Menschendiebstahls mit all seinen Merkmalen begangen. c) D a s g o l d e n e K a l b und die L e v i t e n : T r e n n u n g des Familienbandes Gehen wir zur Geschichte vom goldenen Kalb über 14 . Auf Mose Geheiß erschlagen die Leviten Tausende der Sündigen ohne Rücksicht auf Verwandtschaft oder Freundschaft. Dafür wird der Stamm gerühmt 16 als der, »der von seinem Vater und seiner Mutter spricht, ,Ich sehe ihn nicht', und seine Brüder nicht kennt und von seinen Söhnen nicht weiß«. Hier wird auf juristische Trennungsformeln angespielt, die im ganzen Orient bei Anlässen wie Ausstoßung eines Sohnes, Ehescheidung oder Lossagung von den Eltern angewandt wurden: »Du bist nicht mein Sohn«, »du bist nicht meine Frau«, »du bist nicht mein Vaten16. Entsprechend lautete die Adoptions-, die Trauungsformel und die rechtliche Anerkennung sonstiger Verwandtschaftsgrade: »Du bist mein Sohn«17 (dies sagt ja auch Gott von Israel und späterhin von Jesus 18 ), »du bist meine Fram (hierher gehört auch Adams Spruch, als er Eva erblickt 19 : »Das ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch, sie soll Männin heißem), »du bist mein Vaten (dies sagt Israel zu Gott 20 ). Den Leviten wird also echte, formgültige Lossagung von den Götzendienern zugeschrieben. Selbstredend ist sich der Erzähler bewußt, daß es sich nicht um einen juristischen Vorgang handelt. Die furchtbare Ernsthaftigkeit der Trennung jedoch könnte durch nichts eindringlicher gekennzeichnet werden als die Einführung dieser Formeln. Biblical Law, 236 ff. Gen 44. Vgl. 3119 fr., Diebstahl von Labans Gatzen, und Jdc 18 18 f., Diebstahl von Michas Götzen; im ersteren Fall verläuft die Spurfolge ergebnislos durch die List des Diebes, im letzteren behauptet sich der Dieb durch überlegene Stärke. 14 D A U B E , Biblical Law, 7 und D A U B E and Y A R O N , Jacob's Reception by Laban, Journal of Semitic Studies 1, 1956, 60ff. 15 Dtn 33«. u Sumerische Gesetze 4f., Hammurabi 192, Hos 2«. " Hammurabi 170f., Gen 48 i. " Ps 2 7 Mc 111 Act 1388. " Gen 2 ss. M Jes 63i« Ps 89 JT. 11

w

DAUBE,

Hechtsgedanken in den Erzählungen des Pentateuchs

35

d) Mose Bergschau: Landübergabe Ein weiteres Beispiel21 für die Unentbehrlichkeit juristischer Betrachtung zum tieferen Verständnis mancher Erzählungen ist die Bergschau Mose22. Der Prophet darf vor seinem Tod das gelobte Land sehen, in das zu kommen ihm verwehrt ist. Gewöhnlich wird dies als Erfüllung eines sentimentalen letzten Wunsches angesehen, und in der endgültigen Redaktion ist es dies wohl auch. Es war aber einmal weit mehr. Nach antiker Auffassung wird Land dadurch erworben, daß der bisherige Eigentümer es von einem erhöhten Punkt in der Nähe dem neuen Eigentümer in seinem ganzen Umfang zeigt28. Sogar in den Digesten ist dies zu finden24: »fundum venditor in turre demonstret«. Und derselbe Gedanke beherrscht auch die Begebenheit im NT, da der Teufel Jesu von einem hohen Berg alle Reiche der Welt anbietet28. »Und Moses ging auf die Spitze des Gebirges Pisga, und Jahve zeigte ihm das ganze Land Gilead bis gen Dan, und das ganze Land Naphtali bis an das Meer gen Abend« usw. — dies war einmal als Übergabe gedacht. Moses, obzwar nicht persönlich das Land betretend, wird doch noch voller Eigentümer. III Der Auszug aus Ägypten:

Wiedererwerbungsrecht

Die Bergschau leitet zu einer anderen Art der Darstellung über, wobei ganze Teile der nationalen Geschichte in rechtlichen Rahmen gebracht werden. So ist der Auszug aus Ägypten26 weithin juristisch gestaltet. Gott, der mächtige Herr, Vater oder Nächst-Verwandte des Volkes, übt sein Lösungsrecht, sein Wiedererwerbsrecht, aus. Dies Institut des Löserechts war eine der bedeutsamsten sozial-rechtlichen Errungenschaften des alten Israel. Wenn einer Familie Erbbesitz verloren gegangen war, oder auch ein Angehöriger, der mit Gewalt versklavt wurde oder sich aus Armut verkaufen mußte, so hatten die Nächsten das Recht und die Pflicht, das in fremde Hände Geratene auszulösen. Im wirklichen Leben unterblieb das natürlich häufig: der Berufene mochte weder die Mittel noch den Willen haben, DAUBE, Biblical Law 26ff. Mein verstorbener Bruder B e n j a m i n D a u b e machte mich zuerst auf die Wahrscheinlichkeit einer älteren Tendenz dieser Szene aufmerksam. 2 8 Gen 13 u f. ** Dtn 34. ** Mt 4 8 . ** 41 2. 18. 2 . * Hierzu DAUBE, Biblical Law, 39ff.: Methods of Bible-Criticism, Archiv Orientâlai 17, 1949, 88ff., und: The New Testament and Rabbinic Judaism, 1966, 21

268ff.

3*

36

D. D A U B E

etwa einen in Knechtschaft gesunkenen Verwandten in die alte Familie zurückzubringen. Gott jedoch tat dies für Israel. Von daher allein sind eine ganze Reihe von Einzelheiten zu verstehen: *Laß meinen Sohn ziehen«, sagt Gott zu Pharao27, ein rechtmäßiges Verlangen. (Das hebräische Verb für »ziehen lassen« findet sich häufig in juristischer Ausführung neben Freilassung.) Dadurch, daß Gott die Israeliten auslöst, werden sie seine Knechte, wie in frühen Zeiten der vom rechten Eigentümer oder Nächsten aus fremder Herrschaft zurückerworbene Sklave dem Auslöser botmäßig wird: *Denn die Kinder Israel sind meine Knechte, meine Knechte sind sie, die ich aus Ägyptenland geführt habe«28. Selbst die Beschenkung der ausziehenden Israeliten durch die Ägypter mit Gold und Silber29 ist nur eine übertragene Anwendung des Rechtsbrauches, daß der Herr den Sklaven, den er freigibt, nicht leer von sich gehen lassen darf30. Eine solche Zeichnung der Auszugsgeschichte hat weittragende Folgen. Einerseits wird damit die Befreiung von Ägypten aus der Sphäre des Zufälligen, Willkürlichen und Mythologischen herausgenommen und mit festen, ewigen, rechtlich-sozialen Sätzen verknüpft. Gott tritt als getreuer Herr und Vater auf, der das Seinige wahrt. Und dies wiederum gibt der Hoffnung auf die zukünftige Enderlösung ein ganz anderes Gepräge, als wir es in den heidnischen Bereichen finden. Auch die Enderlösung ist im Grunde gleichsam ein Vollzug rechtlich-sozialer Belange. Sie ist nichts Nebelhaftes, man kann darauf bauen, sie ist sittlich-rechtlich verankert und gewährleistet. Letztlich ist es dieser Gehalt, der den Hauptunterschied zwischen dem jüdisch-christlichen Erlösungsbegriff und der hellenistischen soteria ausmacht. Auf der anderen Seite, da die Auszugsgeschichte, das erste nationale Erlebnis, und im Gefolge davon auch die weiteren, religiösen Erlösungsgedanken im Anschluß an sozialrechtliche Einrichtungen geformt werden, gewinnen diese Einrichtungen selbst erheblich an Bedeutung und Würde. Daß Gott im Großen auf Grund von Lösungsrecht und -pflicht handelte und immer wieder handelt, muß ein gewaltiger Ansporn sein, der sozialen Aufgabe hier auf Erden nachzukommen. Nicht wenige soziale Gesetze des ATs werden ausdrücklich durch den Hinweis auf das Vorbild Gottes als Auslösers der Unterdrückten unterstützt81. Wenn nach den tieferen 27

Ex 4 28. Luthers Übertragung ist hier nicht ganz genau. " Lev 26(5. Der civis redemptvs wird auch nach griechischem und römischem 28 Recht Sklave des redemptor. Ex 3 ai f. 112 f. 12 86 f. 30 Dtn 1618 f. Diese These erfährt eine Bestätigung durch eine Neuinterpretation von Ex 111, die YARON im nächsten Band der Revue Internationale des Droits de l'Antiquité zu veröffentlichen beabsichtigt. (Während des Umbruchs erschienen: RIDA, 3. Seiie, 4, 1967, 122ff.) 11 Lev 26 43. 65 Dtn 615 1615.

Rechtsgedanken in den Erzählungen des Pentateuchs

37

historischen Gründen der einzigartigen Entwicklung israelitischer Sozialethik gefragt wird, so ist vielleicht die Rolle der Auszugsgeschichte in ihrer sozial-juristischen Konstruktion mit an erster Stelle zu nennen. IV F o r m a l i s m u s und N e m e s i s : a) J a k o b s E r s t g e b u r t s s e g e n und E h e s c h l i e ß u n g Eine aufschlußreiche Gruppe von Erzählungen zeigt das Ringen um juristischen Fortschritt. Zuweilen wird der Versuch gemacht, sich mit Schwächen — vielleicht unvermeidlichen Schwächen — der Rechtsordnung damit abzufinden, daß dem Schicksal oder Gott die Funktion der Sühne etwaiger Fehlergebnisse zugeschrieben wird; wie der gläubige Mensch noch heute geneigt ist, es als Nemesis zu betrachten, wenn der Ausbeuter von Lücken in der sozialen Ordnung schließlich irgendwie zu Fall kommt 82 . Die formalistische Geltung gewisser Rechtsakte und -beweise, die nie ganz beseitigt werden kann, tritt im antiken Recht besonders stark hervor. Jakob erlangt den Erstgeburtssegen 83 , indem er sich seinem blinden Vater gegenüber als Esau ausgibt 84 . Selbst nach Entdeckung der List kann ihm dieser Gewinn nicht mehr streitig gemacht werden. Aber das sittliche Denken fand sich nicht einfach damit ab. Der Betrüger wird auf genau dieselbe Weise betrogen: ihm, der Rahel liebt und um sie dient, wird in der Hochzeitsnacht Lea zugeführt 88 . Blind wie sein Vater erliegt er der Täuschung, und Lea wird seine Frau. Mag in solchen Sagen ein gut Teil Komödie stecken, das Problem des Rechtsformalismus und seine Lösung unter Berufung auf eine höhere Gerechtigkeit sind offensichtlich ernst zu nehmen. b) F r e i s p r u c h der s c h u l d i g e n und Ü b e r f ü h r u n g der u n s c h u l d i g e n J o s e p h s b r ü d e r Der Josephszyklus weist etwas ganz Ähnliches auf 84 . Wie schon erwähnt, reinigen sich die Brüder von jedem Vorwurf, indem sie ihn als von einem wilden Tier zerrissen hinstellen. Sie legen sein von ihnen " »Da wohnt in Hamburg . . . Moses Lump, man nennt ihn auch Moses Lümpchen oder kurzweg Lümpchen . . . Wenn der nun Freitag abends nach Hause kömmt, findet er die Lampe mit sieben Leuchtern angezündet . . . freut sich von ganzem Herzen über den Auszug der Kinder Israel aus Ägypten, freut sich auch, daß alle Bösewichter, die ihnen Böses getan, am Ende gestorben sind, daß König Pharao, Nebukadnezar, Haman, Antiochus, Titus und all solche Leute tot sind, daß Lümpchen aber noch lebt«; H E I N E , Reisebilder III, ii, Italien, Die Bäder von Lucca, Kap. 9. " D A U B E , Biblical Law, 191ff. 88 * Gen 27. » Gen 29 98 D A U B E , Biblical Law, 260 ff.

38

V. DAUBE

selbst in Ziegenblut getauchtes Kleid vor, und gerade solches Vorzeigen der Überreste erklärt das Recht für einen schlüssigen Beweis von Unschuld. Aber ihnen widerfährt späterhin eine Tücke, die der ihren genau entspricht. Als sie Joseph besuchen, der jetzt ein hoher Beamter am Pharaonenhof ist und sich ihnen noch nicht zu erkennen gegeben hat, läßt Joseph in Benjamins Sack unbemerkt von ihnen allen einen goldenen Becher legen. Kaum haben sie sich auf den Heimweg gemacht, so läßt Joseph ihnen nachsetzen. Der Becher wird bei Benjamin entdeckt, der somit nach den formalistischen Regeln der Spurfolge unwiderleglich des Diebstahls überführt ist. Joseph mißbraucht ihnen gegenüber dieselbe Beweisstrenge, die sie seinerzeit mißbrauchten, als sie sich auf das blutige Kleid beriefen. Der Verfasser des Epos ist sich wohl bewußt, daß dieser Formalismus zu Justizirrtum führen kann. Offenbar ist die Zeit noch nicht gekommen, eine Rechtsreform zu befürworten. Die Schwierigkeit wird durch Vertrauen auf Gott gemeistert, der, wenn auch auf verschlungenen Wegen, der Gerechtigkeit zum Sieg verhilft. Als der Becher zu Tage kommt, spricht Juda im Namen der Brüder87: »Was sollen wir sagen, und womit können wir uns rechtfertigen? Gott hat die Missetat deiner Knechte gefunden«. Dies Wort hat eine zweifache Bedeutung: Juda erkennt damit nicht nur an, daß sie nach den strikten Beweisregeln der Missetat des Diebstahls schuldig erachtet werden müssen. Er spielt auch auf die einstige, wirkliche Missetat, den Verkauf Josephs mit seinen Begleitumständen, an: Gott zahlt nunmehr diesen Frevel auf angemessene Weise heim. Es ist ein besonders feiner Zug im Parallelismus der Situationen, daß, wie damals der Frevel, der Verkauf in die Knechtschaft, nur scheinbar zum Unglück führte, in Wahrheit aber zu Josephs Glanz, so auch die Vergeltung, die Überführung Benjamins als Dieb, bald in der glücklichen Wiedervereinigung und Versöhnung aller Beteiligten enden wird. V a) Sara bei Abimelech: Ehebruch im Irrtum So kommen wir zu der eindrucksvollsten Gattung, jenen Erzählungen, in denen rechtlich-sittlicher Fortschritt von Gott ertrotzt werden soll, wo das Hergebrachte nicht mehr genügt und Gott auf neue Wege gezwungen wird. Diese Streitgespräche mit Gott haben eine lange Geschichte. Am Anfang steht die Idee von der Feindschaft der höheren Mächte gegen das Menschengeschlecht oder auch von ihrem Neid; im griechischen Mythos gibt es da die Erinnerung an Prometheus, im bliblischen an die Austreibung aus dem Paradies •» Gen 441«.

Rechtsgedanken in den Erzählungen des Pentateuchs

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sowie an den Turmbau von Babel, den der sich bedroht fühlende Gott nicht dulden konnte. Doch in Griechenland wie in Israel denken religiöse Geister diese Mythen um und fügen Neues hinzu, um Gottes Walten mit dem Erfordernis der Gerechtigkeit in Einklang zu bringen — »to justify the ways of God to man«. In dieser Linie stehen die kühnen Dialoge im Pentateuch um juristische Fragen. Abimelech38, König von Gerar, läßt Sara, von der Abraham ihm nicht mitgeteilt hat, daß sie seine Frau ist, in sein Haus bringen39. Gott erscheint ihm im Traum und erklärt ihn für todesschuldig — die im Orient übliche Strafe für Ehebruch40. Abimelech entgegnet ihm: »Herr, wiUst du denn auch ein gerechtes Volk erwürgen?«. Hier hält der Angeklagte Gott einen von der irdischen Justiz als Grundpfeiler allen Rechts anerkannten Satz vor. In einer uralten israelitischen Gesetzessammlung heißt es41: *Den Unschuldigen und Gerechten sollst du nicht erwürgen«. Das Rechtsempfinden hat eine Stufe erreicht, auf der Bestrafung des im Irrtum über den Status der Frau begangenen Ehebruchs zutiefst fragwürdig erscheint. Man muß bedenken, daß in einer Epoche, in der Polygamie herrscht und nur wenige Verwandtschaftsgrade ein Ehehindernis bilden, Unkenntnis eines Dritten über eine bestehende Ehe häufiger vorkommen wird als heutzutage. Ein assyrisches Rechtsbuch42 sieht für den in solcher Unwissenheit begangenen Ehebruch ausdrücklich Straffreiheit vor. Die biblische Sage, zumindest wie sie uns vorliegt, geht nicht so weit, Straffreiheit zu fordern. Ähnlich wie in der Josephsgeschichte wird das Problem damit gelöst, daß Gott seine feineren Mittel hat, Ungerechtigkeit zu verhindern. Diesmal wird der Gedanke eingeführt, daß Gott einen wirklich rein gesinnten Menschen sogar vom Ehebruch im Irrtum zurückhält: er hat Abimelech irgendwie nicht zur Berührung Saras kommen lassen. Die Erfolgshaftung wird also nicht direkt angegriffen; Ehebruch bleibt ein Verbrechen, auch wenn mit einer Frau begangen, die man für unverheiratet hielt. Aber Gott läßt es eben nicht zu, daß ein wahrhaft Guter sich auf diese Weise verstrickt. Der Unterschied zur Josephsgeschichte liegt darin, daß hier ein Mensch es wagt, Gott auf die Unzulänglichkeit einfacher Erfolgshaftung hinzuweisen und ihn an den Grundsatz zu erinnern, in dessen Sinn ihm die Leitung irdischen Geschickes obliegt. Dazu kommt noch etwas weiteres: Höchstwahrscheinlich hatte die Episode einmal eine noch kühnere Fassung, mit der tatsächlich eine Rechtsänderung verlangt oder (falls die Sage ätiologischen Charakter trug und der Reform folgte) gefeiert und auf göttliche ** Hierzu DAUBE, Methods of Bible-Criticism, Archiv OrientAlni 17, 1949, 91 ff. 40 Hammurabi 129, Lev 20 io. »• Gea 20. « Ex 23 T. « 14.

40

D . DAUBE

Sanktion zurückgeführt ward. In dieser Fassung wohnte Abimelech Sara bei. Die Worte »Abimelech aber hatte sie nicht berührt« und »Darum habe ich dich behütet, daß du nicht sündigtest, und habe es dir nicht zugegeben, daß du sie berührtest«, fehlten. Denn in einem weiteren Vers48 sieht es ja nur bei Luther so aus, als ob der Ehebruch nicht vollzogen sei — Luther läßt Abimelech an Abraham den Vorwurf richten, »daß du so eine große Sünde wolltest auf mich und mein Reich bringen«, — während es im hebräischen Text heißt: »daß du so eine große Sünde brachtest«. Ehebruch im strikten Sinn liegt also vor. Gott droht daher, Abimelech zu töten. Abimelech aber, der in schuldlosem Irrtum handelte, stützt sich auf den großen Grundsatz, der über alles formale Recht hinausragt — keinen Gerechten zu erwürgen. Und Gott gibt nach. Er verlangt nur sofortige Rückerstattung der Frau und Beschwichtigung des verletzten Ehemannes. Gehorsam händigt Abimelech Sara zurück nebst reichen Ehrengaben — eine Art Verfahren, wie es sich etwa späterhin in den Rechtsregeln niederschlägt, die bei freiwilliger Rückerstattung vorenthaltenen Gutes die Zufügung des fünften Teiles des Wertes vorschreiben44. Die gegenwärtige Gestalt der Sage stellt in gewisser Beziehung einen Rückschritt dar, da ja juristisch die Erfolgshaftung wieder aufgenommen wird — wenn auch dem Fromm-Vertrauensvollen durch Gottes Fürsorge ihrer Gefahren entkleidet. Es ist jedoch leicht erklärlich, wie es zu solchem Rückschritt kam. Als die ursprüngliche Fassung umlief, galt es wohl noch eher als eine Ehre, daß Sara eines Königs geworden war. Man denke an das Eingreifen von Zeus in Amphitryons Ehe. Allmählich mußte sich diese Auffassung wandeln, und es war nun wichtiger, Saras Unberührtheit festzustellen als die genau angemessenen Rechtsfolgen des in Unwissenheit erfolgten Ehebruchs zu empfehlen. b) Abrahams F ü r b i t t e für Sodom: K o l l e k t i v h a f t u n g Abrahams Fürsprache für Sodom45 ist ein noch gewaltigeres Beispiel des Streitgespräches48. Hier ist es nicht der unschuldig Bedrohte selbst, der Gerechtigkeit fordert, sondern ein Unbeteiligter, eher noch ein Gegner des Angeklagten. Schon dies betont die Allgemeingültigkeit, Unabdingbarkeit und Würde des Ideals. Und der sittliche Elan, der die Forderung beseelt, tritt um so deutlicher in Erscheinung, als Abraham sich seiner Nichtigkeit im Vergleich mit Gott voll bewußt ist: t>Ach, ich habe mich unterwunden zu reden mit dem Herrn, wiewohl ich Erde und Asche bin«. "

e.

A

DAUBE.

"

Lev

620fr. N i m

Biblical Law, 166 ff.

6sf.

44

Gen 18aaff.

Rechtsgedanken in den Erzählungen des Pentateuchs

41

Gott will die lasterhafte Stadt vertilgen. Abraham bittet um Schonung, wenn sich nur zehn Verdienstliche darin befänden: der Gute darf nicht mit dem Bösen umkommen. Gott willfahrt ihm und verspricht, um zehn Frommer willen die Stadt zu begnadigen. Hier wird die Kollektivhaftung abgelehnt; die Verdammung aller Glieder einer Gemeinschaft wegen der Verbrechen eines Teils oder sogar der Mehrzahl. Doch ist zu beachten, daß Kollektivhaftung nicht durch Individualhaftung abgelöst wird: Abraham empfiehlt nicht, Gute und Böse zu sondern und jeden nach seinem Tun zu beurteilen. Das Kollektivprinzip als solches bleibt anerkannt. Für Kollektivhaftung aber wird Kollektivbefreiung eingesetzt. Da die Schuldigen die Unschuldigen nicht mit sich ziehen dürfen, müssen die letzteren die ersteren retten. Vom eng-juristischen Standpunkt aus mag dies eine noch etwas rückständige Etappe in der Entwicklung des Problems darstellen. Aber ganz zu schweigen von der religiösen Tiefe des Gedankens — es erweist sich doch immer mehr, daß er selbst heutzutage auf dem etwas weiter abgesteckten Rechtsgebiet fruchtbar sein kann. Insbesondere wenn wir soziale, öffentliche, politische und zwischenstaatliche Verhältnisse in unsere Betrachtung einbeziehen, so finden wir, daß eine Gemeinschaft unter gewissen Umständen eben als solche behandelt werden muß und es nicht angeht, nach rein individuellen Maßstäben zu verfahren. Hier kommen wir um die primitive Antithese nicht herum: Kollektivhaftung oder Kollektivbefreiung. Doch gleichviel, ob Abrahams These an sich befriedigt oder nicht — das Großartige daran ist, daß der Gerechtigkeit, der obersten Grundsätze der Gerechtigkeit, als selbst Gott bindend gedacht wird. *Das sei ferne von dir, daß du tötest den Gerechten mit dem Gottlosen, daß der Gerechte sei gleichwie der Gottlosel Das sei ferne von dir! Der Richter aller Welt, sollte er nicht Recht tun?« Gott wird an sein Amt und die darin liegenden Grenzen erinnert; gerade die Unumschränktheit seiner Macht verpflichtet ihn erst recht, das Gute zu achten; und er nimmt es an. Das Hiobbuch bringt die volle Entfaltung des Streitgesprächs mit Gott. Aber trotz der schließlichen Wiedergutmachung, die Hiob erfährt, liegt hier das Hauptmotiv der Lösung, die dem Theodizeeproblem gegeben wird, doch auf anderer Linie. Gott ist gerecht; es könnte nicht anders sein. Aber — und dies erinnert ein wenig an den Zeushymnus in Äschylus' Agamemnon — wir vermögen es nicht im Einzelnen zu sehen. Wir müssen darauf verzichten, den Beweis in irdischen Ereignissen oder sogar Ereignisketten zu suchen. Allein der Glaube erfaßt diese Wahrheit. (Abgeschlossen am 16. 3. 1957)

Notes on Isaiah By G. R. D r i v e r in Oxford (Magdalen College, Oxford)

The following notes are aimed at solving a few of the unsolved problems in the Book of Isaiah and at the same time correcting some mistranslations found in the English Revised Version of the Old Testament, from which the renderings here given are mostly taken. Isaiah i 20: "ye shall be devoured with the sword." There can be little doubt but that hereb to'fclA "ye shall eat a sword (Angl. have a taste of the sword)" was the reading originally intended; for the idiom is not unknown both to Semitic and European languages. The Arabs say 'akala 'asd(n) "he ate a stick" and 'akala mPyata(n) "he ate a hundred (blows), 'akala darba(n) or tarihata(n) "he ate a beating" or" drubbing" and ''akala qitlata(n) "he ate a fatal blow;"1 they say also 'uHima-Hsaifa "he was made to taste (i. e. was stabbed by) the sword2". PARRY, too, records having heard* "nay, but thou shalt eat wood (get a thrashing), thou father of contumacy." Further, an Englishman can say "before I eat these words, I will make thee eat a piece of my blade"4. The LXX and Vulg. have "the sword shall devour you", and the Pesh. and Targ. have "you shall be devoured by the sword," none of them understanding the figure of speech. The former is a paraphrase if the text is not altered; in the latter the indication of the instrument by putting the noun describing it in the accus. case is grammatically justifiable by Hebrew as well as Arabic usage®, but the form of the verb as given by the Massoretes is unique. The simplest course therefore is to re-vocalize it als tok'ld "ye shall eat", restoring a normal active form (DUHM). Isaiah v 15: "and their glory and their multitude and their pomp and he that rejoiceth among them descend into it." This translation labours under several difficulties: (i) "glory" goes ill before "multitude" as thus separated from "pomp"; (ii) the fem. bah "in(to) it" (sc. Sheol) cannot be translated both "among them" and "into it"; (iii) the personal "he that rejoiceth" comes Supplément I 3 1 . Arabic Grammar* II 62, § 26b; cp. 'alhamahu-'lsaifa "he caused him to eat the sword" ( B U H L ) . ' In Six Months in a Syrian Monastery [1896] 146—8. 4 RICHARD STANYHURST, Description of Ireland [1677] 20, cited by B . S T E V E N SON, Book of Quotations [1934] 2219/10. » KÖNIG, Syntax §§ 102a, 332 v. 1

DOZY,

1

WRIGHT,

43

Notes on Isaiah

awkwardly after the impersonal "pomp." As in v. 18 käböd "nobility" must have the concrete sense of "nobles", so here hädär "splendour" must mean "splendid persons" and Sff6n " d i n " (not "pomp") must mean "noisy throng"; all three nouns have a personal, not an impersonal, connotation. Then w,(älez bäh "and shall suffer pangs therein" is a natural climax of the descent into Sheol. The clause may now be translated "and their 8 splendid ones, their multitude and their 6 noisy throng, shall go down and suffer pangs therein". This use of the Heb. 'älez "was thrilled, exulted" and also "had colic, suffered pangs" is analogous to that of the Arab, 'aliza "was jubilant" and also "was restless, had colic 7 "; and the basic sense of the root is seen by comparing ta 'älöznäh kilyötay (Prov. xxiii 10) with £rp6ur|0-av OI V£9POL CCOTOO (I Macc. Ü 2 4 ) . It is that of quivering or vibrating whether with the restlesness of pain or the excitement of joy. The LXX's ol Xoi|iol auTfjs "her plagues" gives a hint of the sense,8 which however they have failed adequately to seize. These pangs are not the pains of punishment after death, which is a late idea (cp. Wisdom iiiio),but a mere continuation of the consequences of surfeit on earth into the next world; as they were here 9 , so they shall be there. Isaiah x v i 7 : "for the raisin-cakes of Kir-hareseth". Symm.'s TOTS eifcppaivopivois (cp. Vulg.'s qui laetantur) reflects the Arab, ^atta "was luxuriant, luxurious, lived comfortably" and is interesting as preserving the record of an old root lying behind 'äSiSäh inflorescence (of a palm;) raisin-cake 10 ". The LXX's TOIS KOTOiKOÜcnv obviously reflects the same interpretation, and Jeremiah's 1anSe' Qir-herei supports the notion that persons are meant (Jer. xlviii 31); this last is supported by all the ancient Versions (cp. Pesh.'s 'näSe* d'ämrin), while the idea that fruits are there meant is ruled out by the sense. Accordingly Isaiah's words may by translated "therefore shall Moab howl for Moab, every one shall howl; 'ye shall moan for the luxurious dwellers in Kir-hareseth, utterly stricken

for only so can the parallelism between "Moab" and '¿iSiSim be preserved. How then ought the word to be pointed ? • The masc. is an error for the fem. suffix, which the Vss. imply; it is due to the proximity of Sheol, which is of that gender. 7

C p . MONTGOMERY

in

A.

J.

Th.

XI

[1907]

515,

DRIVER

i n J.

N. S. X X V I I I [ 1 9 3 7 - 8 ] 109, 1 2 7 - 8 and REIDER ibid. 293. * DRIVER in / . T. S. X X X V I 82. 9 10

Cp. Jes li 39, where 'älez describes the consequence of drunkenness. Cp. DRIVER i n BERTHOLET 1 4 4 .

Q.

R.

44

G. R .

DRIVER

Isaiah xxi 4: "the twilight that I have desired hath been turned into trembling unto me". That "the twilight of my desire" has been "turned into trembling" is a strange mixture of figures. The Heb. neSep "twilight" is derived from naSap "blew" as the time when a cool wind rises (cp. Gen. iii8); but the Arab, nasafa I "winnowed (corn)" I I "puffed away; despised" VIII "whispered (words)" and the derived nasifu "trace; secret conversation" suggests that the word here means "faintest suspicion, trace 1 1 ". The clause may then be rendered " m y faintest (t. e. scarcely breathed) wish has been turned into anxiety for me". Sa'ad.'s sihru "anything, of which the chance of obtaining it is slight and slender" brings out the sense of the Hebrew word quite well. Isaiah xxiv 6: "the inhabitants of the earth are burned". This translation of the verb is hardly permissible; for harah "was h o t " otherwise describes being hot, not being destroyed by heat. The LXX's ficrpuxcoQ^crovTai reflects hdru (not hdrii') from a Heb. M r = Arab. hara (w) "was feeble, languid" or Mr = hdra (y) "was emaciated". Scroll A has hdwerii "grow pale". Any of these verbs yields a suitable and indeed a preferable sense. Isaiah xxv 2: " a palace of strangers to be no city; it shall never be built". The "palace of strangers" here means nothing and the purport of "it shall never be built" is obscure. The Versions imply the consonantal text; for the LXX's ¿co^eis, even if it represents zedim "proud men" (HOUBIGANT), which some Hebrew Mss. have, hardly makes sense. What is wanted is a verb; may then zoratn "it is swept a w a y " be read 12 ? The Heb. zaram "carried off" is used of God carrying off people in death (Ps. xc 5), and the Phoen. >zrm "shortlived" is applied to a prince carried off by death in his prime 18 ; and the Hebr. zerem "rain-storm" describes rain sweeping all before it. Cognate verbs are the Acc. zaramu" to grasp, seize", the Arab, zarama "checked, broke off" zdrima "was contracted, stopped" and Eth. zarama "dissipated, squandered 14 ". The sense then is that city and fortress are reduced to ruins and "towered mansion is swept away from the city, never to be rebuilt"; for banah "built" very often means "rebuilt 1 5 ", as it must here. 11 11

S. n. on lahalt (Is. xxvi 16). Cp. n. on xlviii 14. I.

5 3, 13.

C p . Z . At.

COOKE,

E.g. Is. lx 10 lxi 4 Am. ix 11, 14 Neh. ii 5, 17, 18, 20 II Chron. viii 2 xi 6

xxvi 2.

N.-S.

14

« 15

W.

L X V

269.

Notes on Isaiah

45

Isaiah xxvi 16: "they poured out a prayer when thy chastening was upon them". The principal Versions read sàqûn as sâqôn "distress" ( L X X and Vulg.; cp. Pesh.), which must be accepted, as BÖTTCHER has seen 16 ; for sûq " t o pour out (molten metal), smelt" cannot possibly be used of pouring out prayer. Then lahaS "whisper" is translated nixpôs by the L X X , regarding it as a figure of speech for a very small amount (cp. Fr. soupçon11), which is clearly right. The clause means "(for) the least (whisper of a) rebuke from Thee (was) distress(ful) to them", which makes excellent sense. Isaiah x x i x 4 : "and thy speech shall be low out of the ground". This translation of the verb postulates a somewhat strange use of Sah(h) "was bowed down, prostrated himself" as applied to the voice; can the verb here be a different Heb. Sah (h) = A r a b . sahha "poured out (words)", when the meaning will be "and thou shalt pour out a torrent of words from the dust"? The Pesh.'s yensrdn and Targ.'s yins-pdn "they (sc. thy words) shall whisper" both imply a verb of speaking; and the parallelism with iâpèl "was low" must not be pressed, although iaA(A) and §âpël are elsewhere strictly parallel, since the collocation is here more or less fortuitous. Isaiah xxix 24: "and they that murmur shall learn doctrine" (R. V.). There is no true parallelism between "they that err in spirit" and "they that murmur," and the Heb. rögnttn may here have the sense borne by the cognate Syr. rgen "was sluggish" and the Arab, rajana VIII "(butter) became rancid; (an affair) was confused and muddled", thus meaning "addle-pated, muddled; dullards". The L X X ' s yXcoaaai vyeAÀlÇovaai "stuttering tongues" and especially Pesh.'s Stdye' "stupid ones" (and somewhat similarly Sa'ad.'s almutaharrasûna "those reduced to silence") suggest something of the sort. Isaiah x x x 2 2 : "thou shalt cast them away (var. scatter them) as an unclean thing; thou shalt say unto it, get thee hence". I have long since shown18 that se' "get thee hence" is here a mistranslation; the word is not a verb but an otherwise unknown se> (a by-form of §6") "filth", as the L X X ' s KÔirpoç shows. If then this suggestion is accepted, the usual interpretation of tizrêm "thou shalt scatter them", as the Massoretes require, becomes doubtful; further, the verb is in itself somewhat surprising. May then t'zîrëm "thou shalt treat them as unauthorised/illicit" be read, on the assumption of a denominative hëzîr "treated as zdr" from zär "strange, " In Ausführ. Lehrb. d. Hebr. Spr. II 132. 18 In Z. At. W. LII 63. « S. n. on tuiep (Is. xxi. 4).

46

G . R . DRIVER

unauthorized, illicit"? The parallel tamV "unclean" is in favour of such an emendation of the vowels, which is very slight. Isaiah xxxi 9: "and his rock shall pass away by reason of terror and his princes shall be dismayed at the ensign" (R. V.) or rather "shattered through wavering/vacillation19". Here "rock," even if it is taken as a figure for "officer," is strangely high-flown in parallelism with so low-pitched a term as iar "officer", which however establishes the sense required by the context. Oddly enough, this sela* occurs once again in a passage which calls for a similar sense, namely "their judges are thrown down by the sides of the rock" (Ps. cxli 6), which too is strange. Do these two passages preserve an archaic and forgotten word meaning "tyrant, ruler, officer" or the like ? The Arab, misla'u "guide" and maslti'atu "royal power" give a hint that there may have been such a word; but whether it has any connection with the well-known sela' "crag" is quite uncertain. The Arab, misla'u "guide" is said to be so called as a pioneer clearing a way through obstacles (Lane), and the Heb. selac "crag" is commonly supposed to have the same basic sense as the Syr. slac "rock standing free of other rocks" =Arab. sal'u "split rock." Does then sela' "rock" connote someone "standing out" from other men or perhaps rather "authority" used collectively for "persons in authority" ? Isaiah xxxiii 3: "at the lifting up of thyself the nations are scattered." All commentators have been struck by the peculiar r&memdt "lifting up (?)" in this passage; and Scroll A has alleviated the difficulty by offering midd'mamdt'kd "at Thy low muttering 20 ". This word too, however, is somewhat strange in parallelism with hdm&n "roaring noise", which is used elsewhere of heavy rain (I Ki. xviii 41) and of the waves of the sea (Jer. li 42) and seems here to refer to thunder or the like. Ought then mer'mdmdfkd "at Thy thunder" to be read, on the assumption of a Heb. *r'mdmah "thunderous roar", which the common Acc. rimmatu "rumbling (of thunder)" easily justifies ? For d and r are commonly indistinguishable at many stages of the Hebrew alphabet 21 . In fact, the M. T.'s form, written defectively (Kittel 2 ),can be so read; and the meaning so obtained exactly suits the parallelism of the thought?2. 18

10

N o t " a t t h e e n s i g n " (s. J . T. S. X X X V I I I

45-6).

Cp. J. T. S., N. S. I I 28, which may be modified in the light of the present discussion. 11 The LXX's ezdre lw in the Syro-hexaplar Version (Ezek. xxxiv 6). Isaiah lviii 12: "the repairer of the breach, the restorer of paths to dwell in". This translation of the Hebrew text cannot possibly be right; for " p a t h s " is not parallel with "breach," and people do not dwell in "paths". The Versions bring no help, and philology alone must be invoked. The Acc. naiabu " t o cut off", whence nutabu "splinter" is derived, is evidently cognate with the Arab, tabba "cut back" tubba "was injured, suffered loss, perished", of which a yTB forms the common base. Is then the Heb. n'tibah " p a t h " so called as a place where the undergrowth is cut back to give a passage? 80 Here then n'til>6t may mean "what is cut down, hacked down" in a general sense, which is nicely parallel to feres "breach." Isaiah lviii 14: "then shall thou delight thyself in the Lord." The LXX's rendering of tifannag by §013 TreiroiSdis (cp. Pesh.'s tetkal) refers the Heb. 'anag to the Arab. ' a n a j a I "held firmly with a cord 3 1 ", IV "consolidated (a business)" whence Hnaju-'Pamri "the basis of the affair" (FKEYTAG), SO that the meaning will be "thou shalt be dependent on the Lord". This verb may be accepted here as it has been elsewhere in the Old Testament (Ps. xxxvii 4 Job. xxii 26 xxviilO Prov. xixlO) 82 . Isaiah Ix 5: "and thine heart shall tremble and be enlarged." The notion of trembling is hardly suitable to the context; here therefore pahad "quivered," which is the basic sense of the root (cp. LXX's SiicreioEv for hiphid at Job iv 14), must mean not "shook with fear" but "was thrilled, awe-struck" or the like, as the Vulg.'s mirabitur (cp. Pesh.'s tehdeyn) suggests. So too the LXX elsewhere render pahad as 6 *i'ökel > iöhelHöhal. Die sam. und die tib. Form, die beide ohne Zweifel in die Zeit der lebenden Volkssprache zurückgehen, unterscheiden sich dann nur dadurch, daß in der einen sich das Alef erhalten hat, während es in der anderen elidiert ist. Zum unterschiedlichen Verhalten dieses Kehllautes vgl. Anm. 11. BERGSTRÄSSER

128

R . MEYER,

S p u r e n eines westsemitischen

Präsens-Futur

einander abzustimmen und etwa in dem Sinne zu systematisieren, wie dies im Arabischen möglich ist 67 . Jeder entsprechende Versuch führt weder innerhalb der beiden Konjugationen zu einem befriedigenden Ergebnis, noch läßt sich eine saubere Verhältnisbestimmung zwischen Präformativ- und Afformativkonjugation durchführen88. Das ist ein Mangel, den jeder Interpret alttestamentlicher Texte ständig empfindet und der erst auf der Stufe des Mittelhebräischen — und hier wohl unter dem Einflüsse des eindeutig jungwestsemitischen Aramäisch — einigermaßen ausgeglichen worden ist®9. Wenn auch nicht zu seiner Behebung, so doch wenigstens zu seiner Erklärung können Formen wie *jeinfet < *ja§äpat oder *ia'6mer < *ia'ämar beitragen: Einesteils zeigen sie, daß wir die Existenz eines altwestsemitischen bzw. altkanaanäischen Präsens-Futur im Räume der uns erfaßbaren Geschichte, nicht dagegen irgendwo in der sogenannten »Urgeschichte« anzusetzen haben. Andernteils verdeutlichen sie durch ihre eigene, einigermaßen überschaubare Geschichte jenen jungwestsemitisch bedingten Umbildungsprozeß im Verbalsystem, durch den das alte Präsens-Futur formal mit dem Erzählungsmodus zusammenfiel und ihm damit zugleich seine durative Funktion übertrug, während dieser selbst seine Funktion als erzählender Aspekt keineswegs gänzlich an die ursprünglich einem anderen Bereiche zugehörende Afformativkonjugation abtrat. Darüber hinaus können derartige Rudimente auch zur Revision der bisherigen sprachgeschichtlichen Einordnung des Hebräischen im Rahmen der übrigen semitischen Sprachen beitragen. Denn als ausgesprochen altertümliche Bildungen stehen die hier behandelten Verbalformen durchaus nicht allein, sondern sie haben bemerkenswerte Entspiechungen in Gestalt alter Endungen am Pronomen und am Verbum, die man, obwohl sie das Samaritanische teilweise bewahrt hat, längst für ausgestorben hielt, neben sich. Auf Grund dieses neuerschlossenen Tatbestandes wird man nicht mehr so ohne weiteres vom Althebräischen als einer jungwestsemitischen Sprache schlechthin reden dürfen60, sondern es wird künftig betont werden müssen, daß das althebräische Idiom ein weit größeres altwestsemitisches bzw. altkanaanäisches Substrat enthält, als es aus der masoretischen Überlieferung, auf die man sich bisher allein stützte, erschlossen werden kann. (Abgeschlossen am 12. 8.1967) " Vgl. C. BROCKELMANN, Zeitschrift für Phonetik 6, S. 161. Vgl. B E E R - M E Y E R II, §§ 100f. Die Schwierigkeiten in der Syntax des hebr. Verbums sind m. E. auch durch C. BROCKELMANN, Hebräische Syntax, §§ 40—62, nicht behoben. *• B E E R - M E Y E R II, § 101, 7. So auch, wenngleich mit Einschränkung, noch immer J. F R I E D R I C H a. a. O., S. 166. 58

Rahelstämme" und „Leastämme" Von S i g m u n d Mowinckel in Oslo (Oslo, GyldcnJöTcsgate 22)

1. a) In den Patriarchenerzählungen, so wie sie allmählich künstlich miteinander zu einer Familiengeschichte verbunden worden sind, treffen wir bekanntlich Jakob als den Vater der zwölf Söhne, die als Stammväter der zwölf israelitischen Stämme galten. In den Geburtsanekdoten Gen 29 31—30 24 35 16-20, die ihre jetzige Form wohl von dem ältesten Sagaschreiber J erhalten haben 1 , sind diese zwölf auf die vier Frauen Jakobs verteilt. Von Jakobs erster Frau, der Ehefrau Lea sind geboren: Rüben, Simeon, Levi, Juda, Issachar und Zebuion. Von ihrer Hausmagd Zilpa: Gad und Ascher. Von der Lieblingsfrau Rahel: Josef und Benjamin. Von ihrer Hausmagd Bilha: Dan und Naftali. Diese zwölf sind natürlich keine wirklichen geschichtlichen Individuen, sondern künstliche heroes eponymi, gemäß der alt-hebräischen, wohl auch gemeinsemitischen Anschauung, daß jede soziologische und ethnische Größe ein Blutsverband sei und demnach von einem einzelnen leiblichen Vater herstamme. Diese Anschauung wird auch dann aufrecht erhalten, wenn man noch weiß und davon eine mehr oder weniger geschichtliche Tradition behalten hat, daß der betreffende Stamm etwa durch Zusammenschluß, zuweilen unter Leitung dieser oder jener Persönlichkeit, entstanden ist 2 . So ist J u d a aller Wahrscheinlichkeit nach ursprünglich ein Landschaftsname, wie auch Efraim 3 ; Benjamin ist eine künstliche Singular form von Bene yamin, »Söhne des Südens«; Gad ist der Name einer Glücksgottheit, wahrscheinlich auch Ascher; Issachar ist eine »Berufsbezeichnung« = Auf die Frage nach etwaigen Elementen aus »E« brauche ich hier nicht einzugehen, da unter allen Umständen J zu Grunde liegt, und da »E«, wenn er überhaupt existiert hat, von J s Komposition und Erzählungsfaden abhängig gewesen ist. Die sogenannten E-Stücke sind jedoch meiner Ansicht nach besser erklärt als stellenweis auftretende Weiterentwickelungen der von J gebuchten Traditionen, die daneben auch ihr mündliches Leben fortgesetzt haben. An gewissen Stellen ist J durch Hineinarbeitung von Varianten aus dieser sekundären Tradition erweitert worden. Ein zusammenhängendes, dazu sogar »nordisraelitisches Sagenbuch« E hat es allem Anscheine nach nie gegeben. — Etwaige Widersprüche innerhalb der Geburtsanekdoten erklären sich besser aus der ursprünglichen Selbständigkeit der von J oder seinen Vorgängern aufgenommenen Materialien. 2 S. BRÄUNLICH, Beiträge zur Gesellschaftsordnung der arabischen Beduinenstämme, Islamica 1933, 1—2. Vgl. auch, was A. MUSIL, Arabia Petraea, Wien 1908, von dem Ursprung des Stammes Hwetat erzählt, III, S. 61, vgl. S. 26. 3 M. NOTH, Geschichte Israels 2 , Göttingen 1964, S. 56f. 1

Vco Ugarit nach Quiman

9

S. MOWINCKEL

130

Lohnarbeiter. — Mögen sich auch hinter der Josefsgestalt gewisse Züge einer geschichtlichen Persönlichkeit verbergen, was immer noch häufig angenommen wird 4 , so muß er doch prinzipiell und zunächst wie die anderen betrachtet werden: als heros eponymos der Josefstämme im Gebirge Efraim. Wir werden unten (§ 3a) sehen, daß er doch etwas mehr gewesen ist. Jene Verteilung der Zwölf auf die vier Frauen ist des öfteren als Beweis für Verbindungen und Gruppierungen zwischen den israelitischen Stämmen vor der Einwanderung angesehen worden; man spricht daher von »Leastämmen« und »Rahelstämmen« als existierenden, mehr oder weniger geschlossenen Gruppen in jener, für uns meistens »vorgeschichtlichen« Zeit. So tut es vor allem STEUERNAGEL, der am konsequentesten die Patriarchenerzählungen in Stammesgeschichte hat »übersetzen« wollen6. Auch eine nüchternerer Forscher wie M. NOTH meint, in der Verteilung der Zwölf auf die vier Frauen und in der »Rangordnung«, die darin und in dem Altersverhältnis zwischen den zwölf Söhnen liegen soll, einen Ausdruck näherer Zusammenhänge zwischen den derselben Mutter zugeteilten Söhnen zu finden, und bedient sich daher derselben Terminologie8. Es scheint mir, daß man dabei vergessen hat, eine folkloristisch und traditionsgeschichtlich ganz notwendige Vorfrage zu stellen und zu beantworten. Um das zu zeigen, muß ich zunächst etwas weiter ausholen. b) Bekanntlich werden im AT »Jakob« und »Israel« als zwei Namen einer und derselben Persönlichkeit hingestellt. Bei einer bestimmten Gelegenheit soll der früher Jakob genannte Mann den Namen Israel erhalten haben (Gen 32 23-33). Aber auch nachher heißt er weiterhin Jakob. Eine Ausnahme bilden nur Stücke der Josefgeschichte, wo statt »Jakob« mehrfach »Israel« gesagt wird 7 , aber bei weitem nicht konsequent. Hier liegt aber die Sache etwas anders als in den übrigen Erzählungen; erstens hat die Joseferzählung eine andere Überlieferungsgeschichte als die sonstigen gehabt; sie ist stärker novellistisch ausgearbeitet worden und hat eine größere Selbständigkeit als diese erlangt, und zweitens hat sie in der uns vor* Neustens wieder von H. H. ROWLEY, From Joseph to Joshua (Schweich Lectures 1948), London 1960. 1 C. S T E U E R N A G E L , Die Einwanderung der israelitischen Stämme, Halle 1901. • M. NOTH, Die Welt des Alten Testaments®, Berlin 1967, S. 64ff.; Geschichte Israels*. S. 83ff. und passim. '

Gen

37 8.18

4 3 6. 8. II

4 6 38

4 6 1 . 3 . 29.80

4 7 27 4 8 2. 8 . 10. 11. 1 8 . 14. 21 6 0 2.

Nicht hierher gehören 42 s 4621 6025, wo bSnS yUri'el anachronistisch von »den Israeliten« gesagt wird. Als Indizium zweier Parallelquellen reicht dieser Sprachgebrauch nicht aus; in 482.11, die G U N K E L zu £ rechnet, muß er »Israel« für sekundär erklären.

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•Rahelstämme« und »Leastämme«

liegenden Gestalt auch die Aufgabe gehabt, zu erklären, wie die Bene Israel nach Ägypten kamen, und so die Exoduserzählung vorzubereiten. Es ist nun überhaupt bezeichnend, daß in der Genesis überhaupt keine eigentliche Israelserzählung begegnet. Alle überlieferten Erzählungen handeln eigentlich von Jakob. Selbst in der Namenwechselerzählung Gen 32 23 ff. ist die Umnennung tatsächlich nur ein Nebenmotiv, für das dieses Aition nicht geschaffen worden ist. Die Sage ist eine Pnu'el-Erzählung, die die Heiligkeit der Kultstätte ätiologisch erklären, und daneben auch die Erklärung eines an dieser Stätte geknüpften besonderen Kulttabus geben will: warum die Israeliten (dort) nicht die Lende (des Opfertieres) essen, sondern — das ist als selbstverständlich mit vorausgesetzt — sie der Gottheit weihen. Das Umnennungsmotiv ist ein traditionsgeschichtlich sekundäres Nebenmotiv, das eben in der Erzählung g e f u n d e n ist, weil man die Identität von Jakob und Israel erklären und begründen wollte. Daneben könnte man auch den Schluß der Jakob-Laban-Sage in Gen 31 nennen, der eine traditionsgeschichtlich sekundäre Beziehung auf das viel spätere ethnisch-politische Verhältnis zwischen den Israeliten und den Aramäern in Nordost jordanlande erhalten hat. Daß dieser Zug traditionsgeschichtlich sekundär ist, hat GUNKEL längst nachgewiesen. Nun ist es ein folkloristisches und traditionsgeschichtliches »Gesetz«, daß, wenn eine Person unter zwei ganz verschiedenen Namen auftritt, das auf einer Zusammenschmelzung zweier ursprünglich selbständiger Personen beruht. Israel und Jakob sind zwei verschiedene Personen der Überlieferung gewesen, die ursprünglich nichts miteinander zu tun gehabt haben mögen. Was ist nun die »Person« Israel ? Offenbar nichts anderes als der heros eponymos des geschichtlich gewordenen, von der Sinaihalbinsel eingewanderten und in Kanaan konsolidierten Volkes Israel. Es ist sehr bedeutungsvoll, daß man über diesen Vater Israel absolut nichts zu erzählen gehabt hat; alle die überlieferten Geschichten sind, wie gesagt, Jakobgeschichten. — Daß «Israel« eigentlich ein Personname ist, der nach VIROLLEAUD (Acad. I. B.-L. Paris 1956, S. 65) in einem Ugarittext bezeugt ist, ist in diesem Zusammenhange bedeutungslos. Ganz anders verhält es sich mit der Gestalt Jakobs. Über ihn ist eine ganze Anzahl Geschichten im Umlauf gewesen. Er ist deutlich mit konkreten Lokalitäten in Mittelpalästina und im nördlichen Ostjordanlande verknüpft gewesen. Die Überlieferung weist aber ebenso deutlich auf eine ältere Verbindung der Jakobgestalt mit Nordwestmesopotamien hin. Das wird heute durch die vielen Berührungen der in den Patriarchenerzählungen vorausgesetzten Kulturverhältnisse mit den nordwestmesopotamischen, wie diese uns etwa in den Nuzu9'

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texten entgegentreten8, bestätigt. Die Frage nach der »Historizität« der Person Jakob braucht nicht hier aufgerollt zu werden. Es dürfte jedenfalls klar sein, daß Jakob ethnologisch für eine von der mesopotamischen Steppe eingewanderte »hebräische« Gruppe steht, und daß diese Gruppe viel früher als »Israel« in Kanaan gewesen ist. Mit diesen von Nordosten gekommenen »Hebräern«, (den »Abrahamleuten«9 und) den »Jakobleuten«, sind die später vom Süden via »Jericho« eingedrungenen israelitischen Stämme zusammengewachsen und durch diesen Verschmelzungsprozeß ist der Grundstamm des seßhaften Volkes Israel entstanden. Dadurch haben sie alle einen gemeinsamen Stammvater erhalten — jedes Volk stammt nach althebräischer Auffassung von einem einzelnen Stammvater ab —, und da man nun nichts von dem Vater Israel zu erzählen wußte, dagegen eine reiche Tradition über den Vater der Jakobgruppe vorfand, so haben die Israeliten die ganze Jakobtradition übernommen und auf ihren eigenen heros eponymos übertragen. Oder mit anderen Worten: die beiden Vätergestalten sind miteinander identifiziert worden. Das bedeutete für die einwandernden Israeliten sozusagen die geistige Eroberung Kanaans. Israel wurde sofort ein viel älteres Volk, in Verbindung zu den alten mesopotamischen Heimatstätten der Kultur gesetzt und konnte nun, gestützt auf die Tradition, behaupten, zu einem Lande gekommen zu sein, das schon vor vielen Jahrhunderten seinen Vorfahren gehört hatte; das verheißene Land war zugleich das Land der Väter, das nach Gottes Willen und von Rechts wegen ihnen gehörte. Die nähere Begründung für diese Auffassung von dem Verhältnis zwischen den eingewanderten Israeliten und »den Hebräern« im Lande (I Sam 14 21) kann hier nicht gegeben werden. Soviel dürfte aber als sicher gelten können, daß »Jakob« und »Israel« überlieferungsgeschichtlich gesehen ursprünglich zwei selbständige Größen gewesen sind. Die Frage, die sich nun für das Problem »Leastämme und Rahelstämme« erhebt, ist diese: Zu welcher von diesen beiden Überliefe8 Siehe die Übersicht bei H. H. ROWLEY, The Servant of the Lord, London 1962, S. 299ff., mit Literaturhinweisen. a M. NOTH wird kaum darin recht haben, daß Abraham ursprünglich im Negeb beheimatet gewesen sei (Geschichte Israels 2 , S. 119). A. gehört doch mit »Ur kaädim« zusammen, das freilich nicht mit dem berühmten Ur in Südbabylonia identisch ist, sondern ein weit weniger bekanntes Ur im Gebiete der nordmesopotamischen Kasder (Kalder) gewesen ist (so schon GUNKEL, Genesis4). So vertritt Abraham eine Gruppe desselben Ursprungs wie Jakob. NOTH wird aber darin Recht haben, daß es eine Zeit gab, in der Jakob der Erzvater kat'exochen war. Ob aber die Verknüpfung Jakobs mit Abraham jünger als die Landnahme ist, erscheint mir zweifelhaft.

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rungsgestalten gehören die vier Frauen ? Die Frage braucht nur gestellt zu werden, um sofort beantwortet zu sein: sie gehören zur Jakobüberlieferung. Das Motiv Lea-Rahel wie das Motiv Jakob-Laban gehören organisch zu der Jakobtradition, die in ihrer Hauptmasse ohne diese Motive überhaupt nicht existieren würde. Sie spiegeln das nordwestmesopotamische Kulturmilieu und sind für die Jakobsage konstitutiv. Anders ausgedrückt: Lea und Rahel mit ihren Mägden waren Jakobs Frauen lange, ehe sie die Israels wurden. c) Es ist nun nicht ohne Interesse zu wissen, welcher Art diese Frauen traditionsgeschichtlich gesehen ursprünglich gewesen sind. Es ist natürlich möglich, daß sie vom Haus aus rein »novellistische« Gestalten gewesen seien: wahrscheinlich ist das aber nicht. Es empfiehlt sich mit R a h e l anzufangen. Das hebr. rdhel bedeutet »Mutterschaf«. Das weist in die Richtung der Fruchtbarkeitsvorstellung. Das AT spricht öfter von dem Grab Raheis; das für Rahel Charakteristische ist in der Tat, daß sie stirbt und ihr Grab hat, von dessen Existenz und Lage jedermann weiß, und von dem aus sie immer noch an dem Schicksal ihrer Kinder teilnimmt: »Rahel weint über ihre Kinder«. Fruchtbarkeit, ein Grab, in dem sie noch lebt, Weinen — all das sind charakteristische Züge der vorderasiatischen Fruchtbarkeitsund Muttergöttinnen. Das erklärt auch, warum Rahel eine Zeitlang unfruchtbar ist; das ist die Muttergöttin eben, so lange ihr Gegner, Mót, der Tod, die Dürre, herrscht. — Das Grab ist in der Tat hier, wie so oft in Vorderasien bis auf diesen Tag, die Kultstätte der Gottheit oder des Heiligen; in dem heutigen Syrien und Palästina wird fast jeder volkstümliche Heilige an seinem Grab verehrt, wie ja das arabische Wort für den Heiligen, wali (eigentlich »Schützer«), auch die Bedeutung Heiligengrab, Heiligengrabmal angenommen hat 1 0 . Daß nun die verehrte Gottheit zugleich als Ahnherr oder -frau der Bevölkerung gilt, ist ein recht allgemeiner Zug: vgl. Assur, Gad u. v. a. Die Araber »haben immer, sagt JOHS. P E D E R S E N , die Macht (den Segen) dort gesucht, wo sie zu finden war: bei den Gräbern der Vorfahren«; die Begriffe »Ahnherr« und »verehrter Heiliger« gehen für die Araber in eins, sagt MUSIL. Das Grab Raheis wird in der spätesten Tradition nördlich von Bethlehem lokalisiert; es ist aber völlig klar und allgemein anerkannt, daß es nach der älteren Tradition im AT im Efraimsgebirge lag, nicht weit von Rama, siehe I Sam 10 2 und vergleiche Jer 30 15; die Glosse Über islamischen Heiligenkult siehe u. a. S. I. C U R T I S S , Ursemitische Religion im Volksleben des heutigen Orients, Leipzig 1903, S. 81 ff.; A. M U S I L , Arabia Petraea III, S . 329ff.; A. J . W E N S I N C K u. J . H. K R A M E R , Handwörterbuch des Islams, Leiden 1941, S . 793ff.; J O H S . P E D E R S E N , Illustreret Religionshistorie*, Kabenhavn 1948, S. 276ff. 10

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in Gen 35 19 hat das efraimitische Efrat mit dem Efrat bei Bethlehem verwechseltu. Nun ist die Jakobgestalt ganz besonders mit dem Efraimsgebirge verknüpft: Bet'el, Sichern usw. — Aus diesem allem ergibt sich der Schluß: Rahel ist ursprünglich eine »kanaanäische« Fruchtbarkeitsund Muttergöttin, die besonders im Gebirge Efraim verehrt worden ist, deren Grab man dort nachwies, und die schon in vorisraelitischer Zeit mit dem Ahnherrn Jakob verbunden gewesen ist. Daß sie ihr Grab in Efraim hat, bedeutet, daß ihr Kult ursprünglich dort zu Hause ist. Wenn sie infolge ihres Namens in erster Linie die Fruchtbarkeit des Kleinviehs vertritt, so stimmt das ganz mit der Lebensweise und Kultur der »Patriarchhebräer«. Viel deutet nun darauf hin, daß auch Lea eine Göttin von demselben Typus gewesen ist. Die nächstliegende Deutung des Namens ist immer noch, ihn in Verbindung mit dem arab. la'ay, Watun = Wildkuh zu setzen. Daß Ochs und Kuh übliche Symbole und Beinamen der Fruchtbarkeitsgötter des alten Kanaans gewesen, ist eine allbekannte Tatsache; es genügt an die Stiergestalt des Ba'al-Hadad, an den Sor-EL und an die Jungkuh 'Anat in Ugarit zu erinnern. Möglich ist aber auch die Zusammenstellung mit der Wurzel Iwy, Iwh = (sich) winden, ringeln u. dgl.; vgl. Liwjatan »die gewundene Schlange« und die Deutung des Namens als »Schlange« (B. LUTHER, EDUARD

MEYER) ; auch die Schlange ist ein häufiges Symboltier der weiblichen Fruchtbarkeitsgottheit12. — In beiden Fällen ist Lea eine Gestalt derselben Art wie Rahel. Daß auch mythologische Gestalten in die Patriarchensage hineingezogen worden sind, ist bekannt; vgl. die Weiber Abrahams und Nahors: Sara = Sarratu — Königin, Milka = malkatu = Fürstin, beides Beinamen zweier in Haran verehrten Göttinnen. So ist auch Laban ( = der Weiße) höchstwahrscheinlich ein Mondgott; vgl. Itbenä = Mond12a. Diese Verbindung des Ahnherrn mit den beiden Fruchtbarkeitsgöttinnen mag schon auf der mesopotamischen Stufe der »Jakobleute« stattgefunden haben. Wenn Lea die Wildkuh ist, so ist diese eher in der Steppen- und Macchiazone als in der gebirgigen Waldzone heimisch gewesen. Nachdem die Jakobgruppe sich im Efraimgebirge niedergelassen hatte, ist seine zweite Frau mit der dort einheimischen Rahel identifiziert worden, oder diese hat jene abgelöst. Israelitisch ist Rahel erst nach der Einwanderung geworden: eben zur Ahnfrau der sich im Siehe z. B. G u n k e l , Genesis4, S. 352. Siehe S t a n l e y Cook, The Religion of Ancient Palestine in the Light of Archaeology, London 1930, S. 99, mit Literaturhinweisen. 12a Laban ist allerdings auch als gewöhnlicher Personname in Ugarit bezeugt, s. V i r o l l e a u d in Acad. I. B.-L. Paris 1956, S. 65. 11

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Gebirge Efraim niederlassenden »Josefsöhne« — oder wie diese sich damals genannt haben. Von den beiden Nebenfrauen Zilpa und Bilha wissen wir nichts Näheres, auch nicht, ob Jakob sie erhalten hat bereits bevor oder erst nachdem er mit »Israel« identifiziert worden war. Sie mögen novellistische Gestalten sein. Die Analogie Abraham-Sara-Hagar könnte aber darauf deuten, daß das Motiv: die unfruchtbare Frau, die sich durch die Nebenfrau Nachkommen verschafft, ein Lieblingsmotiv der volkstümlichen Erzählungen gewesen ist. Es gibt möglicherweise eine sprachliche Erklärung der beiden Namen, die darauf deuten könnte, daß die beiden Mägde »vom Anfang an« mit den beiden Frauen Jakobs zusammengehört haben. Unter der Voraussetzung, daß die Namen semitisch sind, kann Bilha von der Wurzel blh = »erschrecken«, Subst. balldhd = »Schrecken« abgeleitet werden; Bilha würde dann »die Schrecken E nflößende« sein. Zilpa kann mit der im Akkad. vorkommenden Wurzel zip — »böse, schlecht sein«, einem Synonym zu dem Hebr. rdSd' nebst Ableitungen, zusammengestellt werden. Es würde sich dann auch bei ihnen um göttliche Wesen handeln, und die beiden Gestalten der Paare LeaZilpa und Rahel-Bilha würden die beiden Seiten des Wesens der Fruchtbarkeitsgöttin vertreten: die hervorbringende und die zerstörende. Sonst sind meistens diese beiden, Seiten der Naturgottheit in einer Person vereinigt; sowohl die babylonische Ischtar und ihre sumerischen Vorgängerinnen als die kanaanäischen Aschtart, Aschera, 'Anat usw. sind Liebesgöttinnen und verheerende Kriegsgöttinnen in einer Person. Zu der »Spaltung« in zwei Personen ist aber zu vergleichen das ugaritische Götterpaar Ba'al und Mot, »Der Herr (des Lebens)« und »Der Tod«, die einander in der Herrschaft ablösen und jeder in seiner Weise die zwei entgegengesetzten Seiten oder Aspekte der Naturgottheit vertreten 18 . Möt ist zugleich das Getreide und vereinigt so auch in sich selbst die beiden Aspekte. Zu vergleichen sind ferner die ägyptischen Paargötter, »die feindlichen Brüder« Horus und Seth u . Ist diese Deutung des ursprünglichen Wesens der Frauen einigermaßen richtig, so ist das eine Bestätigung dafür, daß sie mit der Jakobgestalt zusammengehören und auf die mesopotamisch-syrisch-palästinische Kultur und Religion zurückweisen. Mit dem übrigens ganz farblosen Eponym »Israel« haben sie vom Haus aus nichts zu tun. Damit ist auch bestätigt, daß die vier Frauen Jakobs ursprünglich nichts mit den zwölf Söhnen »Israels« zu tun gehabt haben. Die Verteilung der zwölf Söhnestämme auf die vier Frauen ist ein sekun18 14

S. MOWINCKEL, in: Norsk Teologisk Tidsskrift 40, 1939, S. 23f. Siehe H. FRANKFORT, Kingship and the Gods, Chicago 1948, S. 21fi.

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därer Zug der Tradition, der erst hinzugekommen sein kann, nachdem Israel mit Jakob identifiziert worden war. d) Damit ist aber zugleich schon gesagt, daß für die Vorgeschichte der eigentlichen i s r a e l i t i s c h e n Stämme aus ihrer Verteilung auf Jakobs vier Frauen nichts zu holen ist. Wenn man von dem »Israel« spricht, das von der Kadesch-Sinai-Gegend nach Kanaan eingewandert ist, so hat es für dieses nie eine Gruppierung in Leastämme und Rahelstämme gegeben. Auf Jakobs Frauen können die i s r a e l i t i s c h e n Stämme erst verteilt worden sein, nachdem Israel mit Jakob verschmolzen war. Für die israelitische Einwanderungsgeschichte ist das Schema nicht verwertbar. Jeder Versuch, der damit anfängt, das Problem der Einwanderungsgeschichte mit Hilfe dieses VierfrauenSchemas näher aufzuhellen, bringt nur Verwirrung in das Bild hinein. Es dürfte also darüber Einigkeit bestehen, daß die zwölf »Söhne« Israels nichts anderes als die »Personifikationen«, die heroes eponymi der zwölf Stämme sind. Das gilt in d i e s e m Zusammenhange auch von Josef, wie immer es mit der Frage nach einer geschichtlichen Person hinter dieser Gestalt stehen mag. Andererseits hat es sicherlich schon in der älteren Jakobtradition einen Anknüpfungspunkt für die Verknüpfung der Söhne mit Jakobs Frauen gegeben. Denn Söhne muß auch der vor-israelitische Jakob gehabt haben. Zu dem zentralen Motiv der Jakobsage gehört ja sein Verhältnis zu Laban und seinen beiden Töchtern; ein integrierender Zug in einer altorientalischen Erzählung von einer Ehe sind aber die Söhne, die in dieser Ehe geboren werden. Diese »ursprünglichen« Söhne Jakobs werden dann Größen von derselben Art wie Jakob selbst vertreten haben: halb-nomadisierende palästinische Gruppen in vorisraelitischer Zeit, genauer bestimmt: solche die in einem näheren geschichtlichen und ethnischen Zusammenhang mit der Jakobgruppe gestanden haben und wie diese vom Nordosten, von Mesopotamien, eingewandert waren, oder sich mit der Jakobgruppe zusammengeschlossen hatten, weil sie auf derselben Kulturstufe wie diese lebten und in einem gemeinsamen Spannungsverhältnis zu den seßhaften »Kanaanäern« standen. Wie zahlreich diese »ursprünglichen Jakobsöhne« gewesen und welche Namen sie trugen, davon wissen wir vorläufig nichts. E s ist aber sehr wohl möglich, daß einige von den »Stämmen»,die in das israelitische »Stämmesystem« aufgenommen wurden, ursprüngliche Jakobsöhne gewesen sein können. Siehe darüber unten § 3a. 2. a) Wann ist die Verteilung der israelitischen Stämme auf die vier Frauen des Ahnherrn aufgekommen ? Das kann selbstverständlich erst nach Israels Einwanderung in Kanaan und nach dem Aufkommen der näheren Verbindung (»Bund«) zwischen den älteren Hebräergruppen in Kanaan, den Jakobleuten

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u. a., und den Einwanderern geschehen sein. Das heißt aber zugleich: erst nach der Konsolidierung des israelitischen Stammesbundes, der »Amphiktyonie«. Dabei mögen auch frühere Jakobsöhne mit israelitischen Stämmen identifiziert und »Stämme«, die von den Gestalten der ursprünglicheren Söhne Jakobs vertreten waren, israelitisiert und in die Amphiktyonie aufgenommen worden sein. Um das Aufkommen und das Wesen des Stammesbundes hat sich besonders verdienstvoll M. NOTH bemüht, zuerst in seinem D a s S y s t e m der zwölf S t ä m m e I s r a e l s , neulich wieder, und wie es hier scheint, etwas mehr zurückhaltend, in seiner Geschichte I s raels 2 , und seiner Umwelt des AT 3 . Im großen ganzen wird man NOTHS Ergebnisse mit Anerkennung annehmen; nur in einem nicht unwichtigen Punkte muß ich ausdrücklich von ihnen Abstand nehmen: Die ursprüngliche Amphiktyonie hat nicht aus zwölf, sondern aus den zehn im Deboraliede aufgezählten Stämmen bestanden. Der Dichter dieses Liedes nennt lobend diejenigen Stämme, die an der Schlacht teilgenommen, tadelnd daneben diejenigen, die nicht teilgenommen haben, obwohl man es von ihnen als israelitischen (jahwetreuen) Stämmen hätte erwarten können. Zwischen Teilnehmen und Nichtteilnehmen gibt es kein tertium. Es ist somit klar, daß er alle israelitischen Stämme nennen will, die teilnehmenden lobend, die nicht teilnehmenden tadelnd. Der einzig mögliche Schluß ist: er kennt nur zehn israelitische Stämme, nach der Reihenfolge des Liedes: Efraim, Benjamin, Makir ( = Manasse), Zebuion, Issachar, Naftali 15 , Rüben, Gilead ( = Gad), Dan (der hier schon im Norden wohnt14) und Ascher. Selbstverständlich fehlt Lewi, der in geschichtlicher Zeit kein »Stamm« (mehr) gewesen ist. Geschichtlich bedeutungsvoll ist, daß auch Juda fehlt. A. ALT hat in seinem »Die Staatenbildung der Israeliten in Palästina« 17 gezeigt, daß in dem Sprachgebrauch das Bewußtsein nie ganz erloschen ist, daß »Israel« und »Juda« eigentlich zwei verschiedene »Völker« sind. »Juda« ist von Haus aus ein Landschaftsname, siehe oben. Mehrere der später als judäisch gerechneten Mischpachot werden in älterer Zeit als edomitisch bezeichnet. Ein »Stamm« Juda ist erst durch Zusammenschluß mehrerer südpalästinischer Klane entstanden. Zwischen der Vor- und Einwanderungsgeschichte Israels und Judas muß prinzipiell unterschieden werden. Ein »Fürstentum« in Hebron So ist in v. 15 statt dem zweiten »Issachar« zu lesen, siehe v. 18. Das tut er auch in Gen 49- »Die Schiffe« darf man nicht mittels Textkorrektur aus dem Wege schaffen. Im Süden aber haben die feindlichen Philister sicher jede Teilnahme an der Schiffsfahrt verhindert. Im Norden dagegen können die Daniten sehr wohl Dienst auf phönizischen Schiffen getan haben. 1 7 Leipzig 1930. Siehe Kleine Schriften z. Geschichte d. Volkes Israel, München 1963, II, S. l f f . 1(

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unter der Leitung des Ealebklans mag recht früh bestanden haben 18 ; bedeutungsvoll wurde es erst durch Dawid, der in Hebron sich als König von Juda ausrufen ließ. In einer gewissen Abhängigkeit von Saul haben die judäischen Klane ganz natürlich gestanden — waren doch die Philister der gemeinsame Feind beider. Erst als Dawid auch König in Israel wurde, hat er einen dauernden Zusammenschluß von Israel und Juda angestrebt, eben die »großisraelitische Idee« seiner Politik, zu der die Übernahme der israelitischen Vorgeschichte von seiten Judas und die Eingliederung Judas in das israelitische »Stammessystem« gehörten. Tatsächlich hat auch Juda die ganze israelitische Tradition für sich erobert; es ist ein Paradox der Geschichte, daß Juda zuletzt als das eigentliche echte »Israel« Jahwes dastand, während »Israel« als wegen seines Abfalls verstoßen und zu Grunde gegangen galt. In diesem großisraelitischen Sinne ist das »System der Stämme« umredigiert worden, vielleicht schon in dawidischer, spätestens in früher nachdawidischer Zeit. Daß dieses »System« gewissermaßen ein künstliches Gebilde ist, das nicht irgend einer in einem bestimmten konkreten Augenblick existierenden geschichtlichen Situation entspricht, hat NOTH mit Recht betont 19 . Ebenso, daß es in zwei Formen vorliegt: in der einem wird Lewi als Stamm gerechnet, dafür Efraim und Manasse als ein Stamm (Josef) gezählt, in der anderen sind Efraim und Manasse zwei Stämme, während Lewi fehlt. In der ersten dieser Varianten sieht NOTH die ältere Form: innerhalb der Lea-Gruppe habe Gad später den Platz Lewis erhalten. Ich glaube, daß es sich umgekehrt verhält. Die ältere Form ist diejenige, die der Lage der Dinge im Deboraliede entspricht; Gad (Gilead) kann nicht später an die Stelle Lewis gekommen sein, wenn er tatsächlich zu der Amphiktyonie gehört hat, was Lewi nie getan hat. Wenn Lewi überhaupt jemals ein »weltlicher« Stamm gewesen ist — was auch ich glaube — so gehört das einer fernen »vorisraelitischen« Zeit an, lange vor der Einwanderung des wirklichen Israel. Lewi hat einen Platz im »Systeme« eben erst in dem künstlichen dawidischen Zwölfstämme-System erhalten. Das entspricht auch den »archäologischen« Interessen der »Systembildner«. Sie kannten aus den alten Sagen Lewi als einen neben Simeon auftretenden kriegerischen Stamm und wollten diesen verschollenen Stämmen einen Platz im »System« verschaffen, ganz wie sie auch den zur Dawidszeit kaum mehr existierenden Stamm Rüben seinen alten Rang haben behalten lassen. Darüber unten. 18 Siehe des Autors »Die Gründung von Hebron« in D o n u m Natalicium H. S. Nyberg Oblatum, Uppsala 1954, S. 185ff. 19 Geschichte Israels', S. 83 ff.

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Das erste Zeugnis für dieses großisraelitisch-dawidische System ist in der Tat der Jakobsegen Gen 49. Daß diese Sammlung älterer und jüngerer »Stammessprüche« nicht älter als das dav/idische Königsreich sein kann, geht mit Sicherheit aus dem Judaspruche hervor; in diesem wird Juda als Herrscherstamm gefeiert, und das darin erhaltene vaticinium ex eventu spielt deutlich auf Dawid als den »kommenden« »Herrscher« ( S i l o ) an. b) Nun hat NOTH allerdings versucht, in verschiedenen StammesZahllisten in der Priesterschrift und besonders in Num 26 mit der Aufzählung der m i S p d h o t der Stämme, Zeugnisse für die vorkönigliche Existenz des Zwölf-Stämmesystems zu finden; diese Liste stamme »wahrscheinlich aus der Richterzeit«20. In diesem »wahrscheinlich« liegt eine bedeutsame Konzession. NOTH scheint zu meinen, daß P — oder derjenige späte Verfasser, der der Liste ihre jetzige Form gegeben hat — eine ältere, aus der Riehterzeit stammende Liste vor sich gehabt habe, die er für seine besonderen Zwecke bearbeitet habe. Dazu ist nun zu bemerken, daß das einzige Archiv, das für einen späten Verfasser in Betracht kommen könnte, das Tempel- und/oder Palastarchiv von Jerusalem ist. Man darf aber ziemlich sicher behaupten, daß die sich dort befindenden Archivalia bei der Zerstörung 587 zu Grunde gegangen sind. Num 26 will eine Volkszählungsliste sein; ihr Zweck ist, die Zahl der waffenfähigen Männer der verschiedenen Mischpachot und Stämme zu geben. Nun ist NOTH sich selbstverständlich darüber klar, daß die angegebenen Zahlen für die Richterzeit ebenso unmöglich wie für die mosaische Zeit sind. Insofern ist die ganze Liste »apokryph«. Er meint aber, daß der Verfasser dafür eine ältere, auf ganz andere Zwecke zielende Liste als Grundlage benutzt, und seine Zahlen aus freier Phantasie hinzugefügt habe. Wenn man aber die Liste in dieser Weise um ihren eigentlichen und deutlichen Zweck bringt, so schwebt doch die Vermutung von einer älteren Vorlage völlig in der Luft; denn Indizien eines anderen Zweckes enthält sie keineswegs. — Andererseits darf man — nachdem man auf die Bedeutung der mündlichen Tradition wirklich aufmerksam geworden ist — füglich vermuten, daß die Traditionen von alten Stammeseinteilungen und Klanen so weit lebendig gewesen sind, daß es auch für einen späten Verfasser wie P, oder die von ihm vertretene »Schule«, ein relativ Leichtes gewesen ist, eine Volkszählungsliste der Mischpachot und Stämme zu komponieren, die er für eine Zählung aus der mosaischen Zeit ausgeben konnte21. Daß eine auf teilweise lokalen Traditionen beruhende Liste sowohl Altes als Jüngeres enthält, liegt dann in der Die Welt des Alten Testaments», S. 56f. Vgl. S . M O W I N C K E L , Zur Frage nach dokumentarischen Quellen in Josua 1 3 - 1 9 , Oslo 1946. 20 21

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Natur der Sache; es wird aber im Einzelnen für uns unmöglich sein, diese Bestandteile voneinander zu scheiden — dazu sind unsere Quellen viel zu knapp. NOTH hat aber ein Indizium für eine vordawidische Zeit der postulierten Grundlage der Liste finden wollen, nämlich in dem Umstände, daß unter den »Geschlechtern« einige Stadtnamen (Sichern, Hefer, Ajjalon, Shimron, Tirsa) vorkommen, die er als alte kanaanäische Stadtkönigreiche meint beanspruchen zu können, während sich darunter keine der wichtigeren Stadtkönigreiche der Ebene finden, die erst von Dawid in Israel einverleibt wurden; es müsse sich daher um Städte handeln, die irgendwie in diesem oder jenem israelitischen E i n z e l s t a m m aufgegangen seien, vor der Eingliederung der Hauptmasse derselben in den israelitischen Staat 22 . Dazu ist zunächst zu sagen, daß die späte Kompilation Jos 10 kein Beweis dafür sein kann, daß Hefer und Tir§a wirkliche alte Stadtkönigreiche gewesen seien; sonst könnte man es mit dem gleichen Rechte etwa von Horma und Arad behaupten. Dem sei wie ihm wolle. Zu beachten ist aber, daß die Nomenklatur der israelitischen »Geschlechter« — die damals fast alle lokale Größen geworden waren — sowohl der letzten vorköniglichen als der königlichen Zeit allerdings recht verschiedenen Ursprungs gewesen ist. In einigen Fällen haben wir es mit wirklichen a l t e n Geschlechternamen zu tun, in anderen ist der Name der Stadt oder des Dorfes der Name des sich dort bildenden, oft aus Israeliten und Kanaanäern bestehenden »Geschlechts«, und damit auch des eponymen Stammvaters desselben geworden. So können sich recht wohl alte Königstädte mitunter hinter dem Namen des dort sich ansiedelnden Klanes verbergen. Daß die oben genannten Städte in vorköniglicher Zeit israelitisiert worden sind, braucht man nicht zu bezweifeln 23 ; daraus folgt aber keineswegs, daß die sie enthaltende — postulierte! — Liste aus derselben Zeit stamme, sondern nur, daß die vorliegende Liste in diesem Punkte richtige Tradition spiegelt. Dagegen sprechen mehrere Umstände direkt gegen alten Ursprung der Liste in Num 26. Erstens, daß sie den zur Zeit des Deboraliedes ganz verschollenen Stamm Simeon mitrechnet. I m ganzen A T tritt kein einziger geschichtlicher Simeonit auf. Woher sie die Namen der angeblichen simeonitischen Häupter hat, darüber lohnt es nicht die Mühe, zu spekulieren. Zaerah scheint ganz einfach von Juda geliehen zu sein23a. Das System, S. 124ff. Darüber können unter Umständen nur Ausgrabungen wie sie jetzt in Tirija vorgenommen werden, vgl. zuletzt R. d e V a u x , Pal. Expl. Quart. 88,1956, S. 125ff, etwas sagen. 22

a

2 , 1 Das Auftreten eines Simeoniten Uzzia neben einem Sohne des Gothoniel ('Otni'el) als Befehlshaber der Stadt Betylüa in Judith 6 l l ist demselben »archäolo-

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Zweitens müßte eine wirklich alte Liste mehr über die tatsächlichen judäischen Klane wissen, als diese es tut. Sie kennt nur die beiden aus Gen 38 geholten Judasöhne Schela und Paerae§; von den geschichtlichen Klanen wie Kaleb, Otni'el, Jerahme'el, Efrat usw. schweigt sie vollständig. Drittens ist auch zu erwähnen — was N O T H selbst bemerkt hat 2 4 — daß mehrere der manassitischen »Geschlechter« sich mit den lokalen Steuerdistrikten decken, die wir in den Samariaostraka aus der Königszeit finden. Endlich ist anzuführen das große Übergewicht Manasses über Efraim. In der älteren Zeit nach der Landnahme war Efraim ohne Zweifel der wichtigste Teil der Josefsöhne. Manasse ist überhaupt erst durch eine allmähliche Erweiterung Efraims nach Norden und Nordosten entstanden. Efraims alter Anspruch auf die leitende Stellung tritt in Stellen wie Ri 8 iff. 12 i ff. hervor. Das faktische Übergewicht Manasses macht sich im Laufe der Königszeit geschichtlich bemerkbar, siehe II Reg 15 10.13. 16 Jes 9 30. Einen sagenhaften Widerhall der Konkurrenz haben wir in der Joseferzählung Gen 48 8-20; hier wird Manasses Vorrecht behauptet, es wird aber ausdrücklich zugegeben, daß die tatsächliche Erstgeburt Efraim zukommt. Die Joseferzählung in ihrer vorliegenden Form ist aber nachsalomonisch; wie nämlich G. VON RAD nachgewiesen hat, ist sie sehr stark von Ideen und Idealen der Weisheitsschule geprägt 26 ; die Schule und ihre Weisheit hat aber Salomo in Israel eingeführt — das wird der geschichtliche Kern der Legende von Salomo als Patron der »Weisheit« sein. — Dtn 33 ist sicher jünger als die Reichsteilung nach dem Tode Salomos28. Damals war man sich somit des alten Vorranges Efraims voll bewußt. Es ist der spätere Zustand, der in Num 26 dadurch zum Ausdruck kommt, daß Manasse vor Efraim gestellt wird, entgegen der älteren Reihenfolge sowohl in Dtn 33 als in dem Sprachgebrauch gischen« Interesse der Legende entsprungen wie etwa der aus Gen 14 entlehnte Elamiterkönig Arioch in v. 6. Der damaligen Zeit galten alle echten Juden als Nachkommen der aus Babel zurückgekehrten Golah, die der Theorie nach die Stämme Juda, Simeon und Benjamin vertrat. So war es nur recht, daß etwas von der Heldenglorie der Legende auch auf Vertreter der Simeoniten und der (kalibbitischen)'Otnieliten des äußersten Südens fiel. Dahinter mag die »Wirklichkeit« liegen, daß es damals Juden gab, die ihren, meistens ganz legendären, Stammbaum von Simeon herleiteten, wie das Geschlecht des Paulus sich als Benjaminiten rechnete. Behauptete simeonitische Abstammung wird wohl gegebenenfalls Gebürtigkeit irgendwo im Naegaeb bedeutet haben. " Siehe ZDPV 60, 1927, S. 23ff. 28 »Josefgeschichte und ältere Chokma«, Supplements to Vetus Testamentum, Vol. I, Leiden 1963, S. 120ff. *

Siehe K. BUDDE, D e r Segen Moses, 1922; AAGE BENTZEN, I n t r o d u c t i o n

t o the Old Testament, Kebenhavn 1962, II, S. 38.

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»Efraim und Manasse«, in Übereinstimmung aber mit der sonstigen Rangfolge in P (Gen 46 19). Ps Bevorzugung von Manasse vor Efraim hat offenbar eine antisamaritanische Tendenz. Ich kann somit nicht anders urteilen, als daß NOTHS Beweisführung für das Alter von Num 26 umgedreht werden muß: die Liste setzt das Zwölt-Stämme-System voraus, folglich muß sie jünger als Dawid sein — in der Tat viel jünger. Es muß somit dabei bleiben, daß Gen 49 das älteste Zeugnis für das Zwölf-Stämme-Schema ist, das die Zehn-Stämme-Amphiktyonie im Deboralied abgelöst hat. — Die jetzige Redaktion der Geburtsanekdoten in Gen 21 81 —30 24 gehört gleichfalls der nachdawidischen Zeit (J). 3. Nach welchen Gesichtspunkten ist nun die Verteilung der zwölf Stämme auf die vier Frauen geschehen? Wir müssen hier zwischen einer vorisraelitischen und einer israelitischen Stufe unterscheiden. a) Der Ausgangspunkt für die nähere Verknüpfung der Einwanderer ist offenbar das Verhältnis der »Josefiten« zu R a h e l gewesen. Die im Efraimgebirge ansässig gewordenen Josefiten haben — darin sind wohl jetzt alle einig — den Kern der einwandernden eigentlichen Israeliten gebildet. Hier muß aber zunächst etwas über die J o s e f g e s t a l t gesagt werden. Wenn die zwölf »Söhne Israels« nichts anderes als die theoretischen heroes eponymi der betreffenden Stämme sind, so kann es sich mit Josef nicht anders verhalten. Zwar ist der Name ein Personname eines üblichen Typs, gekürzt aus einem Josef'el. Insofern k ö n n t e es sich um eine geschichtliche Person handeln, die eine Rolle bei dem Werden des Stammes gespielt habe. Man hat ihn in Verbindung mit einem in einer ägyptischen Liste aus der Zeit um 1479 vorkommenden palästinischen Ortsnamen setzen wollen, den man als Josef'el hat lesen wollen 27 ; die Lesung ist aber zweifelhaft. Aber auch wenn sie richtig wäre, so würde sie nichts zur Einwanderungsgeschichte der Proto-Israeliten beitragen. Die Proto-Israeliten sind überhaupt nicht von Kanaan nach Gosen gekommen ; das ist erst eine Theorie, die sich aus der sekundären Identifizierung »Israels« mit Jakob, geschichtlich ausgedrückt: aus der Verschmelzung der einwandernden Israeliten mit den schon längst im Lande lebenden Jakobitischen »Hebräern«, ergeben hat. Nach Gosen sind die Proto27 Siehe A. MARIETTE, Les listes géographiques des Pylônes de K a m a k , 1876, S. 36, 40; A. JIRXV, Die ägyptischen Listen palästinensischer und syrischer Ortsnamen, 1937, S. 14f. Gegen die vorgeschlagene Lesung: C. F. BURNEY, Israel's Settlement in Canaan*, 1921, S. 8 9 f . ; H. GRESSMANN in der Gunkelfestschrift Eucharisterion I, 1923, S. 4; J . W. JACK, The Date of Exodus, 1926, S. 231. Vgl. übrigens ROWLEY, The Servant of the Lord, S. 291 f.

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Israeliten aus ihrer alten Heimat auf der Sinaihalbinsel, näher bestimmt: der Gegend um Kadesch, gekommen, wohin sie auch bei der Flucht aus Ägypten zurückwanderten und wo sie wieder an dem lokalen Kult Jahwes, des »Gottes ihrer Väter« teilnahmen28. Selbst wenn einige hundert Jahre vor der Exodus ein »jakobitischer« Häuptling Namens Josef von Kanaan nach Ägypten gekommen wäre, um dort eine politische Rolle zu spielen, so würde das keinesfalls etwas mit den Proto-Israeliten zu tun gehabt haben. Die ganze Josefgeschichte ist aber ein Märchen, daß das allbekannte Motiv von dem guten Jüngling ausspinnt, der von seinen Brüdern gehaßt und in das tiefste Elend gebracht wird, schließlich aber in wunderbarer Weise aus allen Nöten gerettet wird und zu den höchsten Ehren gelangt, »die Prinzessin und das halbe Königreich bekommt«, um die üblichen Schlußworte der norwegischen Volksmärchen zu benutzen. Daß eine solche Erzählung in Kanaan an den ägyptischen Hof geknüpft wurde, versteht sich von selbst — wohin sollte Josef sonst kommen, wenn das Motiv sich voll entfalten sollte ? Ägypten war durch das ganze Spätbronzealter für den Palästiner der Inbegriff aller Herrlichkeit, Pharao war der König par préférence. — Es kann dann auch kein Wunder nehmen, daß die »Weisen«, die hinter der vorliegenden Form der Erzählung stehen (VON RAD), die Gelegenheit benutzt haben, ihre Gelehrsamkeit zu bezeugen und ein paar Nebenmotive hineinzuflechten, die sie ihren Kenntnissen als »weise« Akademiker (»Schreiber«) entnahmen: die hervorragende Stellung des Hohenpriesters von Heliopolis, Pharao (der Staat) als Besitzer alles Landeigentums, die gewaltigen Getreidemagazine — alles Dinge, die die Einwohner unserem klugen Josef verdanken! — und schließlich auch die Sitte der Balsamierung. — Die Josefgeschichte gibt somit keine größere Veranlassung zu Spekulationen über eine geschichtliche Person Josef als z. B. die Judasage in Gen 38. N un kennt die israelitische Überlieferung Josefs Grab im Efraimgebirge, nahe bei Sichern (Jos 24 32), und die späteren Sagaerzähler wissen zu berichten, daß die Israeliten bei der Exodus die Mumie Josefs mitnahmen und sie nach der Eroberung von Kanaan bei Sichern begruben. Das ist natürlich reine Legende; daß die Israeliten die Mumie vierzig Jahre lang durch die Wüste mitgeschleppt haben sollten, entbehrt jeder Wahrscheinlichkeit. Die Legende ist einfach erfunden, um die in Ägypten spielende Josefgeschichte mit der Überlieferung von seinem Grabe bei Sichern in Einklang zu bringen. Fragt man: welche Überlieferung ist die ältere: die Josefgeschichte oder die 28 Um einen Kult eines theös patröos, wie A. ALT meint (»Der Gott der Väter«, Kleine Schriften I, S. lff.), handelt es sich nicht. Der Jahwe von Kadesch-Sinai ist für die Stämme der Sinaihalbinsel und des Naegaeb etwa dasselbe gewesen wie Allah in Mekka für die vorislamischen Araber

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von seinem Grabe, so ist die Antwort ohne jede Frage: die letztere. Der »geschichtliche Kern« der Josefgeschichte ist eben sein Grab. Und was ein solches Ahnherrgrab bedeutet, haben wir schon gesehen; es ist ein weit, wo die Ortsleute ihren vergöttlichten Ahnherrn — oder, was auf dasselbe hinauskommt, ihre zum Ahnherrn »ernannte« Schutzgottheit — verehren. Die geschichtlich bedeutungsvolle Frage ist nicht die nach der Historizität jenes Ahnherrn, sondern: haben wir es mit dem Grab eines israelitischen — nach der Landnahme »existierenden« — oder einem vorisraelitischen, hebräo-kanaanäischen weli zu tun ? — Die Frage ist wahrscheinlich im letzteren Sinne zu beantworten; die Verbindung Josefs mit Jakob wird doch wohl älter als die israelitische Einwanderung sein. Die Einwanderer haben Josefs Grab vorgefunden und allmählich an seinem Kult teilgenommen und ihn mit den Landeseinwohnern als ihren eigenen Ahnherrn angenommen. In diesem Falle sind die im Efraimgebirge ansässigen Israeliten erst nach dem Wohnhaftwerden »Söhne Josefs« geworden. Dieser vorisraelitische Josef wird wohl schon damals in irgendeiner Weise auch mit der Kultheroin Rahel in Verbindung gesetzt worden sein. Oder anders ausgedrückt: schon die vorisraelitischen, jedenfalls zum Teil aus mesopotamischen »Hebräern« bestehenden Einwohner galten als Söhne Josefs und Abkömmlinge von Jakob und Rahel 29 . Mit diesem vorisraelitischen »hebräo-kanaanäischen« Kultheros Josef könnte man den oben erwähnten Ortsnamen Josef 'el derThutmosis-Liste kombinieren und diese Stätte — wenn die Lesung richtig ist — irgendwo im Efraimgebirge suchen. Und da der Name seinem Typus nach ein Personname ist, so k ö n n t e hinter dem Ahnherrn und Kultheros eine geschichtliche Person liegen, ein »hebräischer« Häuptling aus vorisraelitischer Zeit — von dem wir freilich nur durch die Existenz seines Grabes etwas wissen. Mit den Israeliten hätte er nichts zu tun gehabt, und in Ägypten wäre er kaum jemals gewesen. Dem sei nun, wie ihm wolle. Jedenfalls sind die israelitischen »Josefiten« nach dem Seßhaftwerden mit den Jakob- und Raheltraditionen und dem Rahelkult bekannt geworden und haben sie in ihrem Ahnherrn Josef den Sohn der Mutterheroin Rahel gesehen — was er, wie angedeutet, schon in der vorisraelitischen Tradition war. Die Einwanderer werden, wie gesagt, recht bald in ein Bundesverhältnis zu den hebräischen Jakobleuten gekommen sein und erhielten dadurch als ihre Ureltern Jakob und sein Weib Rahel, deren Kultstätte mitten in dem von ihnen besetzten Land lag. 28

Natürlich könnte Bene

Josef

auch der Name der das Efraimgebirge be-

setzenden Israeliten sein, oder Josef könnte ein Häuptling sein, der bei der Landnahme im weiteren Sinne eine Rolle gespielt habe. Für wahrscheinlich halte ich das nicht. Der efraimitische Landnahmehoros ist Josua.

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Die Josefsöhne haben seit alters in naher Verbindung mit den »Söhnen des Südens«, den Bene Jämln, gestanden. So nahe es liegt, in diesen im südlichen Teil des Efraimgebirges wohnenden »Südmännern« eine jüngere Abspaltung der Bene Josef zu sehen und so allgemein angenommen diese Auffassung in neuerer Zeit gewesen ist, so ist sie dennoch kaum richtig. Die palästinischen Bene Jamin werden nicht ohne Zusammenhang mit den aus den Mari-Texten bekannten mesopotamischen Halbnomaden, den Bene Jamini, sein. Höchstwahrscheinlich sind die palästinischen Benjaminiten von Mesopotamien gekommen 80 und zwar schon in vorisraelitischer Zeit; sie sind somit keine ursprünglichen Israeliten gewesen, sondern gehören zu den »Patriarch-Hebräern«. J a , man darf sogar vermuten, daß Benjamin bereits der Sohn der Rahel war, ehe Josef ein solcher wurde. Das Gegebene an der Rahel war das Grab mit dem Kult. So lag der sagenbildenden Phantasie die Frage nahe: warum und wie ist sie gestorben? Die Antwort hat man in der Geburt des Sohnes gefunden. Der Sohn der sterbenden Muttergöttin ist aber kein Jedermann, er ist der neue Träger der Lebenskraft, des Segens, des Glücks. Zum Rahelmotiv gehört wesenhaft, daß sie sterbend den neuen »Glücksträger« zur Welt bringt. So gehört es auch in der Tat organisch zum Motiv der Benjaminsage, daß seine Geburt die Mutter das Leben kostet; man beachte, daß das eigentlich das Einzige ist, was von Benjamin als Person erzählt wird — genau wie wenn wir im Mythus von »der Geburt des Kindes« von diesem eigentlich nur hören, daß es geboren ist: damit ist die Erneuerung des Lebens, die neue Zeit usw. schon garantiert. Indem nun dieser »Rahel-Mythus« zugleich Ahnherrnsage wird, erhält man dadurch als Nebenmotiv eine geistreiche Erklärung des Namens des Ahnherrn: im Todesschmerz nannte Rahel ihn Ben'oni, »Mein Schmerzenssohn«, Jakob änderte es aber in Benjämln, »Glückssohn«. — Rahel und Benjamin gehören in der Tat »organisch« zusammen. In reiner Form erlaubt die Ökonomie des Motivs der Rahel nur e i n e n Sohn — der e i n e neue Glücksgott genügt dem Mythus. So darf man vermuten, daß Josef später hinzugekommen ist. Daß er der ältere Bruder wurde, war schon durch das Wesen des Motivs gegeben: nach Benjamin kann keiner mehr geboren werden. E s stimmt aber auch zu dem politischen Übergewicht, das die Josefsöhne jedenfalls in israelitischer Zeit über die Benjaminiten hatten. Zugleich genügte 1 0 Siehe J . MUILENBURG, »The Birth of Benjamin«, J B L 76, 1966, S. 194ff. — Gegen die Identifizierung u. a. NOTH, Geschichte Israels1, S. 62. Daß aber die Benjaminiten eine eigene Landnahmetradition besessen haben (MÖHLENBRINCK), was NOTH selbst zugibt (loc. cit.), spricht eher dafür, daß sie auch ihre eigene Einwanderungsgeschichte gehabt haben. Mit dieser könnte der Fall des spätbronzezeitlirhen Jericho zusammenhängen.

Von Uguit nAch Qumnn

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es dem Stammesstolz der israelitischen Josefsöhne, daß der Ahnherr als Erstgeborener der Lieblingsfrau »der Herrscher seiner Brüder« geworden war (Gen 49 26). Die hier skizzierte Sagengeschichte ist im Wesentlichen schon vorisraelitisch und von den Einwanderern vorgefunden. Für diese, deren Hauptmasse eben »Josefiten« waren oder wurden, war natürlich das Erstgeburtsrecht Josefs wichtig. — Das bedeutet nun aber, daß für die (künstliche) Stämme-System-Bildung Rahel schon »besetzt« war; es stand längst fest, daß sie jene zwei Söhne hatte und bei der Geburt des jüngeren gestorben war. Weitere Jakobsöhne mußten der Lea gegeben werden. Auch dieser Teil der Sagengeschichte hat seinen Anfang in vorisraelitischer Zeit. Das gilt vor allem von dem Bruderpaar S i m e o n und Lewi. Als die eigentlichen Israeliten einwanderten, existierten keine Stämme Simeon und Lewi mehr. Wie erwähnt, treffen wir im ganzen AT keinen einzigen geschichtlichen Simeoniten, und für Simeon haben die Traditionen über die Gebiete und Grenzen der Stämme keinen Raum; was die israelitischen Lewisagen betrifft, so kennen sie Lewi nur als Priesterahnherrn und wollen dieses Vorrecht des »Stammes« begründen. Die Simeon-Lewi-Sage in Gen 36 ist vorisraelitisch. Die Voraussetzung dieser Sage in der vorliegenden Form ist, daß im Voraus ein Bundesverhältnis zwischen den Jakobleuten und den Bene Hämör in Sichern besteht, und daß die Brüder durch ihren Verrat den J a k o b verhaßt machen. D. h. die beiden Brüder gelten als Söhne Jakobs. Geschichtlich bedeutet das, daß Simeon und Lewi zu den schon in vorisraelitischer Zeit in Kanaan eingedrungenen — diesmal aber nicht aus Mesopotamien, sondern von der Sinaihalbinsel her über den Naegaeb gekommenen 81 — Stämmen gehören. Zu den früh verschollenen Stämmen gehört auch R ü b e n . Das einzige Mal, wo wir in einer geschichtlichen Quelle etwas von den Rubeniten hören, ist der Tadel, den der Dichter des Deboraliedes über die Passivität des Stammes ausspricht; das »System« der Stammesgrenzen im Buche Josua hat keine Ahnung, wo es die Rubeniten anbringen soll. Auch in den Sagen, die auf Rüben anspielen, ist der Ausgangspunkt der Sagenbildung die Tatsache der Unbedeutendheit, des Vom-Vater-Verfluchtseins dieses Stammes. Trotzdem wird er in allen diesen Anspielungen als der älteste der Söhne Jakobs hingestellt. Das kann nicht aus israelitischen Verhältnissen heraus erklärt werden. Auch kann es wohl nicht nur seine tragische Reduziertheit sein, die Anlaß zu jener Vorstellung gegeben hat, wenn 11

Daß Simeon und Lewi im äußersten Süden heimisch gewesen sind, hat Die Israeliten und ihre Machbarstamme, überzeugend gezeigt.

EDUARD MEYER,

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auch die Sage mit dem tragischen Kontrastmotiv spielt: einmal »der Erstgeborene meiner Kraft und Erstling meiner Stärke, der erste an Hoheit und der erste an Macht«, jetzt aber »nicht mehr der Erste« (Gen 49 8f.), sondern einer, dem man nur wünschen kann, daß »seiner Männer nicht wenig seien« (Dtn 33 6). Rüben muß zu den Stämmen gehört haben, die schon in vorisraelitischer Zeit in Kanaan existierten — einmal vielleicht im Westjordanlande, vgl. den «Stein des Rubeniten Bohan« auf der Grenze zwischen Juda und Benjamin Jos 15 6 — und in näherer Verbindung mit den Jakobleuten gestanden haben, der sogar als Jakobs ältester Sohn, zugleich aber auch als das schwarze Schaf der Familie betrachtet wurde. Er wird wohl auch zu den von Nordosten kommenden »Patriarch-Hebräern« zu rechnen sein. Ob Jakob in vorisraelitischer Zeit noch andere Söhne gehabt hat — oder geschichtlich ausgedrückt: ob noch weitere der später israelitisch gewordenen Stämme damals in Kanaan lebten — ist weniger sicher. Es ist möglich, daß auch der ostjordanische Stamm G a d oder Gilead ihnen zuzurechnen ist. Es ist jedenfalls beachtenswert, daß die Meschainschrift zwischen »Israel« und »den Männern von Gad« zu unterscheiden scheint. Gewissermaßen bestand auch zwischen diesen vorisraelitischen Jakobsöhnen ein »System«, insofern als sie auf die beiden Frauen Lea und Rahel verteilt waren, und Rüben als der älteste galt. b) Es ist eine bekannte Sache, daß die israelitischen Einwanderer nach der Landnahme neue Stämme gebildet haben. So ist MakirManasse ohne Zweifel durch Erweiterung Efraims nach Norden entstanden. Dan in dem äußersten Südwesten des Efraimgebirges ist wohl ursprünglich ein efraimitischer Klan gewesen, der erst nach der Auswanderung nach Norden als eigener Stamm gerechnet worden ist; bezeichnenderweise heißt es im Jakobsagen Gen 4916 »Möge Dan sein Volk richten wie einer der Stämme Israels«. — Diese israelitischen Stämme haben sich allmählich zu der Zehn-StämmeAmphiktyonie konsolidiert, die wir im Deboraliede antreffen. Inwieweit diese zehn Stämme in der R i c h t e r z e i t in ein »System« irgendwelcher Art geordnet gewesen sind, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir wissen jedoch, daß man die schon in vorisraelitischer Zeit mit den Gestalten Jakob-Lea-Rahel, Josef, Benjamin, Rüben usw. verbundenen Vorstellungen übernommen und nach diesen das gegenseitige Verhältnis der Stämme angeschaut hat. D. h. man hat sie in ein quasi-wissenschaftliches genealogisches »System« nach der Art der sonst bekannten alttestamentlichen Stammesgenealogien eingeordnet. Irgendwelche politische Bedeutung hat dieses »System«, etwa die Erstgeburt Rubens, sicher nicht gehabt. Derjenige Stamm der seit den Tagen der Landnahme als der führende galt, war E f r a i m (s. oben), genealogisch ausgedrückt: die 10*

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Söhne Josefs. Wenn irgend einem Stamme ein Ehrenvorrecht gebührte, so war es Josef; ob dieses nun am richtigsten von den Efraimiten oder von den M a n a s s i t e n vertreten wurde, darüber stritten sich diese beiden Stämme (s. oben). Dieser alte Vorrang der Josefsöhne spiegelt sich noch in dem Jakobsegen, wo Josef in königlichen Bildern gefeiert wird. Josef und B e n j a m i n waren schon von jeher Vollbrüder, die Söhne der Rahel. Von weiteren Rahelsöhnen konnte, wie gezeigt, nicht die Rede sein. Nördlich von Josef, von diesem aber durch die Jizre'el-Ebene getrennt, lebten die beiden Nachbarstämme Z e b u i o n und I s s a c h a r , die höchstwahrscheinlich durch Auswanderung von den Josefstämmen entstanden sind. Die geographische Lage hat sie zu Vollbrüdern und Söhnen der Lea gemacht; wenn sie eigene Stämme sein sollten, konnten sie ja nicht der Rahel zugeteilt werden. Auch das mag schon aus der Richterzeit stammen. D a n war, wie gesagt, ursprünglich nur ein efraimitischer Klan, eine miSpähd. Das nahe Verhältnis des neuen Stammes zu den Josefsöhnen konnte nur dadurch zum Ausdruck kommen, daß er ein Sohn der Magd der Rahel, Bilha, wurde. Auch das mag schon der Richterzeit angehören. Wenn nun in dem großisraelitischen »System« der höchstwahrscheinlich erst nach der Landnahme entstandene Stamm N a f t a l i Dans Vollbruder ist, so hat das offenbar nur den geographischen Grund, daß sie beide nebeneinander im Norden wohnten. So wurde auch Naftali ein Sohn der Bilha. Wenn Gad im äußersten Südosten und A s c h e r im äußersten Nordwesten ein zweites Vollbrüderpaar bilden, so fällt das beim ersten Blick auf; geschichtlich haben die beiden, nach allem was wir wissen, nichts Näheres miteinander zu tun gehabt. Es ist nicht unmöglich, daß auch Aser — oder wohl genauer: die Elemente dieses Stammes, von denen er seinen Namen erhalten hat — in Kanaan schon vor der israelitischen Einwanderung einheimisch war. Darauf könnte das Vorkommen des Namens als palästinischer Ortsname in der Form 'sr (= Asaru) in ägyptischen Texten aus der Zeit Sethis I und Ramses 5 II deuten 32 . Aber ¡davon hat man wohl gegebenenfalls in späterer Zeit keine Erinnerung mehr gehabt, die den Grund für eine Zusammenstellung jener beiden Stämme bilden könnte. Dagegen sehen wir, daß man sich der analogen Wortbedeutung der beiden 12 Die Texte bei J. SIMON, Handbook for the Study of Egyptian Topographical Lists Relating to Western Asia, Leipzig 1937, L. 147, 162. Zur Frage: W. M. MÜLLER, Asien und Europa nach altägyptischen Denkmälern, 1893, S. 236 ff.; S. C . COOK in: Cambridge Ancient History II, S. 319, 326f.; H. H. R O W L E Y , From Joseph to Joshua, S. 33 f. Zweifel an der Identifizierung äußert R. D E L A N G H E , Les Textes de Ras Shamra-Ugarit II, 1945, S. 476f. Siehe auch M . N O T H in: ZDPV 60, 1937, S. 198ff.; vgl. 64, 1941, S. 60ff.; VT 1, 1961, S. 78.

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Namen bewußt gewesen ist; das bezeugen die Anspielungen auf die Bedeutung in Gen 4911.13. Gad ist als Name eines — vll. auch in Mari als Bestandteil theophorer Namen vorkommenden 33 — Glücksgottes (Jes 65 l i Gen 30 n 1 ) bekannt, der in diesem Falle auch als Ahnherr des Stammes betrachtet worden ist; Ascher kann als Maskulinform des Namens der Fruchtbarkeitsgöttin Aschera gedeutet werden, vgl. 3aSre = Heil! Stammname kann er geworden sein entweder via den Namen einer seiner Kultstätten im Lande Ascher oder als Name eines von dem Stamm in früheren Zeiten besonders verehrten Gottes. Beide Namen schließen somit die Bedeutung »Glück« ein. E s ist daher kaum zu kühn anzunehmen, daß eben dies der Grund gewesen, daß sie als Vollbrüder betrachtet worden sind. Diese Kombination mag schon in der Richterzeit vorgenommen worden sein. Wenn sie Söhne der Hausmagd der Lea, Zilpa, geworden sind, so k a n n darin eine Erinnerung daran liegen, daß die beiden Stämme nicht zu den eigentlichen israelitischen Einwanderern gehört haben; jedenfalls ist Ascher offenbar von kanaanäischen Elementen stark durchsetzt gewesen. — Ob auch diese genealogische Verknüpfung noch der Richterzeit angehört, oder ob sie erst von den Bildnern des großisraelitischen »Systems« vorgenommen worden ist,läßt sich kaum sagen. c) Auf alle diese Traditionen und »gelehrten« Kombinationen hat nun das großisraelitische Zwölf-Stämme-System des Dawidsreiches aufgebaut. In dieser Form erhält das »System« politischideologische Bedeutung. E s galt vor allem, J u d a den ihm gebührenden Platz innerhalb der traditionellen Stammesgenealogie zu verschaffen. Damit wurde ganz von selbst auch die Aufgabe gestellt, die Zehn-Zahl zu zwölf zu erweitern ; denn bei der unsymbolischen »Elf« konnte man doch nicht stehen bleiben. Zwölf war aber eine ebenso symbolisch wertvolle Zahl wie Zehn. Der erstgeborene Sohn Jakobs konnte J u d a nicht werden; man wußte seit Jahrhunderten, daß das Rüben war. Man wußte aber zu Dawids Zeit auch, daß weder Rüben noch Simeon und Lewi als eigene Stämme mehr existierten. Sie waren wegen der Sünden ihrer Ahnherrn »zersplittert« und »in Israel zerstreut« worden. R ü b e n war jedoch noch in der Richterzeit ein Glied der Amphiktyonie, und vielleicht existierten noch Reste von Rüben im Ostjordanlande. Rüben konnte nicht ausgelassen werden. Dann galt es die Zwölf-Zahl voll zu machen. Hier konnte man auf die alten Traditionen von S i m e o n und L e w i zurückgreifen. Indem man also Rüben behielt und Simeon und Lewi aufnahm, ergab sich zugleich ein willkommener Ausweg, Juda den ihm gebührenden Platz zu verschaffen. E r konnte zwar nicht der erstgeborene Sohn Jakobs werden, wohl aber der ä l t e s t e 8 8 NOTH will Gad als Personennamen in Kurzform auffassen, s. Geschichte u. Altes Testament (Alt-Festschrift) 19B3, S. 145 f.

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der noch lebenden S t ä m m e und als solcher von Rechts wegen der Herrscher seiner Brüder, der königliche Stamm. Damit mußte er auch ein Sohn der Lea werden — sonst könnte er nicht der älteste »Überlebende« sein. Sollten nun aber Simeon und Lewi wegen der Macht der Tradition, Juda wegen der politischen Realität untergebracht werden, so würden sich aus den zehn der alten Amphiktyonie dreizehn ergeben, auch eine symbolisch unmögliche Zahl. Die »Systembildner« haben daher zu der alten Zusammenfassung von Efraim und MakirManasse als »Josefsöhne« gegriffen; war doch eben Josef der Sohn Jakobs. So hat man die neue Zwölf-Zahl erreicht. Die übrigen Gruppierungen der älteren Traditionen und Theorien hat man beibehalten können, oder sie, wenn nötig, weiter ausgebaut, mit dem Ergebnis, das in den Geburtsanekdoten in Gen 29—30 und dem Jakobsegen Gen 49 vorliegt, M Das dawidische Zwölf-Stämme-Schema stellt somit eine Mischung von Tradition, geographischer Lage und politischer Theorie dar. Die Verteilung auf die beiden Hauptfrauen Lea und Rahel hat den Grund, daß nach der Lage der Dinge: Geographie, Geschichte und Kulttradition nur Josef und Benjamin der Rahel zugeteilt werden konnten. Aus geschichtlichen (und ursprünglich auch geographischen) Gründen konnte aber Dan nicht ganz von der Joseftradition losgerissen werden; das hat ihn zum Sohn der Rahel-Magd Bilha gemacht, und die geographische Lage hat ihm Naftali zum Vollbruder gegeben. Alle die anderen mußten Leasöhne werden bzw. bleiben. Die Tradition hatte schon lange Rüben als den ältesten von diesen hingestellt und Simeon und Lewi zu einem Paar zusammengeschlossen; die geographische Lage hat Zebuion und Issachar näher zusammengebunden und sie zu Leasöhnen gemacht; die etymologische Spekulation hat aus Gad und Ascher ein Vollbruderpaar gemacht; eine gewisse geschichtliche Erinnerung hat sie zu Halbbrüdern der anderen Leasöhne, zu Söhnen der Magd Zilpa gemacht. Das alles hat sich auf dem Boden Kanaans abgespielt, zum Teil in vorisraelitischer, zum Teil in der Richterzeit. Ihren Abschluß hat die »Systembildung« erst infolge der dawidisch-großisraelitischen Idee gefunden. Eine p r o t o - i s r a e l i t i s c h e Gruppenbildung: Rahelstämme und Leastämme vor der Einwanderung hat es nie gegeben, wie auch die Unterscheidung von Vollbrüdern und Halbbrüdern nur teilweise geschichtlichen Realitäten entspricht. Praktisch-politische Bedeutung ha t die Einteilung des Schemas nie gehabt, wohl aber die ideologische, den Vorrang Judas zu begründen. (Abgeschlossen am 20. 6. 1967)

The Essence of Idolatry by R e v . C h r i s t o p h e r R . N o r t h in B a n g o r (Get Mdn, Bangor, Caerns)

The purpose of this essay is to inquire what was the principle, or, it may be, the complex of principles, underlying the Old Testament prohibition of idols. The only definitely stated principle is in Deut. iv. 12-18: " Yahweh spoke to you out of the midst of the fire; you heard the sound of words but you saw no form (TOIOn); there was only a voice... Therefore, since you saw no kind of form on the day Yahweh spoke to you . . . take good care not to act corruptly by making for yourselves a carved image (VOB) in the form (ilJVSn) of any figure (*?D0), of either male or female likenesss (rPlDD), the likeness of any beast that is on the earth, the likeness of any winged bird that flies in the air, the likeness of anything that creeps on the ground, the likeness of any fish that is in the water under the earth."

This is a further amplification of what looks like an expansion of the original second prohibition (Exod. xx. 4 II Deut. v. s), in which " a carved image" (*70B) is defined as any likeness (illUSn) of anything that is in heaven above, or that is on the earth beneath, or that is in the water under the earth."

Two observations may be made about these deuteronomic expansions of the original second prohibition: (1) They cover theriomorphic as well as anthropomorphic images. It is probable — though we cannot be sure of this — that the original prohibition contemplated only anthropomorphic images; (2) They cover symbolical animal representations of deity, which need not be objects of worship, as well as idols proper intended to be worshipped. But since the distinction between symbol and idol is sometimes hard to draw, and symbols can so easily become idols, the Jews, to be on the safe side, quite early excluded animal symbols from their worship. The familiar example is Nehushtan, the bronze serpent which Moses is said to have made, and which Hezekiah broke in pieces, because, it is said, the Israelites were in the habit of sacrificing (tTIDpa) to it (II Kings xviii. 4). True, the Hebrews had one cult object, the ark, which was already in existence at the time when, according to tradition, the prohibition of idols was issued, and which was more potent than any symbol, being indeed in some sort the embodiment of Yahweh's presence (Numb, x. 35f., I Sam. iv.f.). But whatever the ark may have contained, there is no evidence that it ever contained any human or animal representation of Yahweh. Also, it is significant that we never hear of it after the Exile. Presumably it was destroyed with the first temple

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CHR. R .

NORTH

and no replica of it was made (cf. Jer. iii. ie). The "holy of holies" of the second temple was empty. The deuteronomic rationalization of the prohibition of idols dates from the seventh century, i. e. some six centuries later than Moses, who is said to have given the Decalogue to Israel. It may, or it may not, give the real motive for a Mosaic prohibition of images. In principle it does not matter greatly for our present purpose whether the prohibition dates from Moses, or whether, as has often been argued, it was based on the teachirg of the eighth century prophets. The present trend of opinion is that the original short Decalogue was Mosaic and in this judgement I am inclined to concur. The argument for a post-Mosaic date has nearly always, so far as I know, been based upon the alleged fact that idols were worshipped in Israel, without any conscious feeling of guilt, long after the time of Moses. But even if they were, all that could be inferred with certainty is that the commandment was broken, not that it had never been given. The idol of Micah the Ephraimite was probably an image of Yahweh (Judg. xvii.). But Micah himself was something of a rapscallion, and even though his idol found a permanent home in the sanctuary at Dan and was served by priests descended from Moses (Judg. xviii. 30; so LXX, Vulg., and some Heb. MSS: 9K has "Manasseh"), that is not conclusive evidence against a Mosaic second commandment. (No less responsible a person than Aaron, according to the story, made the golden calf.) So far no image of a male deity, much less any image of Yahweh, has been found in Palestine. Nor is there any reason to suppose that the numerous Astarte figurines were representations of any consort of Yahweh. There is in principle no reason why a prohibition of idols should not have been made by Moses. At any rate there is antecedent probability that the worship of the early nomad Israelites would be aniconic. Primitive religions do not employ idols, which, generally speaking, are new-fangled things associated with sophisticated polytheism. All that can be inferred from the original second commandment is that whoever framed it was familiar with idolatry and would have his people avoid it. This is quite in keeping with what we know about Mosaic Yahwism. We may turn now to the original prohibition: "You shall not make for yourself a carved image" f?OD). There is a parallel to this in the so-called "Yahwistic Decalogue" (Exod. xxxiv. 17): "You shall not make for yourself molten gods" (HDOa VlVx), or, perhaps, " a molten god." It has generally been assumed that the Yahwistic Decalogue is earlier than the Decalogue of Exod. xx.; at least it seems more primitive, most of its commandments being concerned with ritual rather than with morals. H . H . ROWLEY, who regards the

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Ethical Decalogue as Mosaic, takes the Yahwistic Decalogue as preMosaic, the ancient decalogue of the Kenites ("Moses and the Decalogue," Rylands Bulletin 34, No. 1, 1951, p. 99). The fact that some of the commandments of this Kenite Decalogue presuppose an agricultural economy can, he thinks, be explained in that nomadic peoples may supplement their shepherd economy by some growing of cereals (ibid., p. 94). Now in the Kenite (?) Decalogue the prohibition is of 713OS "'Tlbx. This, it has sometimes been argued, meant that you might not make metal images, which were innovations, though you might (by implication) continue to make VOD, which had the sanction of antiquity and had presumably been made from time immemorial. Then, the argument runs, the Ethical Decalogue put Voo under the same ban as «130». A prohibition of 030» would be understandable for a Kenite community. The Kenites were smiths, and if they made idols, they would make them in metal, at which they were expert. But religions are conservative and this is precisely what they were forbidden to do. Moreover, if grammar is anything to go by, there was emphasis on "molten gods," which is accusative of direct object and stands first in the sentence: "molten gods you shall not make for yourself" (though you may make *?0D). This would be more convincing were it not that in nearly all the commandments of the Ritual Decalogue the object, where there is one, stands first in the sentence: e. g. "The festival of unleavened bread you shall keep" (vs. 18), "The first of the first-fruits of your ground you shall bring into the house of your God" (vs. 26). It is therefore likely that the placing of the accusative object first in the sentence is not for emphasis but is merely a feature of the style of the laws. Further, to suppose that the Yahwistic Decalogue forbade the making of fDOn while permitting the making of VOD is to assume that the comparatively uncultured people upon whom it was enjoined had been in the habit of making VOD, when we have no right to suppose they had. R O W L E Y ' S view is that "the intention of both (decalogues) was surely to forbid the making of any image at all" (ibid., p. 108); in other words "?0D would exclude H30S and vice versa. In this he may well be right. A TOO» (25 times; ^93 4 times in sense "molten image") is always an image made of metal (V*]01, "pour out"). But a "?OD (V'"hew into shape") could be "cast;" so Isa. xl. 19, "A *?OD is something which a graver casts", similarly xliv. 10 ("iJOl VgDi), and Jer. x. 14, where Voo and ijpl are parallel and the *?0D is made by a 1HS. This equation of *?0D and 030» is not only as late as DeuteroIsaiah; it is as early as the indubitably early story of Micah the Ephrai-

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mite (Judg. xvii.). Micah's mother took two hundred pieces of silver which Micah had stolen and restored to her, and gave them to a *p1X who made of it aTODSlVDD. We are probably to think of one image, not two. In xviii. 31 the image is called Micah's * ? 0 D . The expression nsoai *?0D occurs five times; they are Deut. xxvii. 15, "Cursed is the man who makes nDOBl VOD, an abomination to Yahweh, a thing (sing.) made by a craftman's hands;" three times in the Micah story (Judg. xvii. 3f., xviii. 14), and in Nah. i. 14, "from the house of your god I will destroy ODOttl Vod. " And in Isa. xlviii. 5 we read: "lest you should say, my idol ^axy) did them and my carved image and my cast image (,3p31 ^OB) commanded (the verb is sing, and the double subject precedes it) them." It looks as if the expression ?DO»l Vod was a hendiadys, and that if the one did not exclude the other, at least *70D came, fairly early, to include rODO. A number of words are used opprobriously of idols. The most frequent are ax» (always in the plur. D"1??»), VVx (also generally in the plur. D,lr17N)) D^lV? (always plur.), and flptf. The first three are generally translated "idol(s)" in the English Bible. The fourth (pj?tf) appears generally as "abomination," sometimes as "detestable thing," which expresses it more exactly. OMXS? occurs 17 times. There are two Vs 32» in Hebrew. The one from which OPaxs? = "idols" comes appears to have the meaning " t o shape"; cf. Job x. 8, " t h y hands shaped me ('Jiaxs?) and made me." The literal meaning would therefore be "shapes," nearly synonymous with *7DD, and, like VOD, trax» could be made of metal (silver and gold, Hos. viii. 4; xiii. 2; Psa. cxv. 4; cxxxv. 15). The word is always used contemptuously and in the 9)1 of II Sam v. 21 Qirax» "their idols," has been deliberately substituted for "their gods" (DTrnVs), as L X X and the parallel I Chr. xiv. 12 indicate. It is probable that the same substitution of "their idols" for "their gods" has also taken place in I Sam. xxxi. 9 III Chr. x. 9, though there is no longer direct textual evidence of this. In Isa. xlviii. 5 we find the hafax legomenon 'axy, from 3X5?, no doubt vocalized to conform to njtfa. Apart from the two dubious passages in Samuel, the earliest use of traxs? is in Hosea. The note of contempt in D'axs? may have been heightened by its similarity in sound to words from the other / a x » , "to hurt, pain, grieve," so "things of grief and pain," this especially in Isa. xlvi. 1, "Their O'ax» (sc. of Bel and Nebo) are on beasts and cattle . . . a burden for the weary." Next D,V,I?K. The etymology is uncertain and that could make its meaning double-edged. It invited comparison, and contrast, with DTlVX: e. g. Lev. xix. 4, " D o not turn to trV?« and do not make for yourselves A D D » T L B N , for I am your God" (OSTIVK), similarly Psa.

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xcvi. 5, "For all the gods (trnVn) of the peoples are D,b,'?K," and Psa. xcvii. 7. According to the lexicons is cognate with Old South Arabic rf?tÓK, "gods." But it would almost inevitably invite comparison with Akk. uldlu, "weak," Syr. 'alii, and even the negative The VVs ,KDil of Job xiii. 4 are obviously "worthless physicians" and the V^XH 'S4! of Zech. xi. 17 is a "worthless shepherd." The earliest attestation of the word is in Isaiah (ii. 8,18, 20), who said that the day would come when man would throw away his Cpy?K to the moles and the bats. Another contemptuous expression is the tPD1?« trVVx, "dumb idols," of Hab. ii. 18, again with play on words. 0,V,I?K are gods of a sort, but they are "worthless nonentities. " Next cVlVj, a favourite word with Ezekiel, who was probably the first to use it and who uses it 38 out of the 48 times it is found. It is a strong intensive from Y ^Vl "roll." According to the Rabbis it meant "dungy things" (so Deut. xxix. 16, AV mg., "dungy gods"), "pellets of dung," being similar to the DiNij ("human dung") on which Ezekiel was bidden to cook his food (Ezek. iv. 12,15, cf. Job xx. 7), and this meaning is still favoured by KÓHLER. The other meaning suggested for trViVl is "loggy things", "shapeless blocks." Either way, "loggy" or "dungy," the word expressed the utmost contempt, and conveyed a double entendre, since the one would inevitably suggest the other. As if to add contempt to contempt, Lev. xxvi. 30 speaks of the D3,t?lVl nJB "the carcases of your trW?)," and Ezek. xvi. 36 of "pmasrw "^V?!, "your abominable D^lVl." It is sufficient to add pp®, another qittul intensive, perhaps vocalized on the analogy of W?J. It is first attested in Hos. ix. 10 and occurs 28 times, more than half of them with reference to idols, and again it is Ezekiel who uses it more than anyone else (Ezek. v. 11, vii. 20, xi. 18,21, xx. 7, 8, 30, xxxvii. 23), and sometimes together with 0,l?V?JL The root was probably a Shaph'el (causative) derivative from p p , which suggested something of physical revulsion (cf. Gen. xxvii. 46, Numb. xxi. 5). trsip» is used of filth in Nah. iii. 6 and of unclean food (II blood) in Zech. ix. 7, very much as the related yptf and the Pi'el of the verb are used in Lev. xi. of creatures which were not only forbidden but were also physically revolting as food. All these words, tras», t r W n , D^lVl and pptf come into use comparatively late and became more or less clichés. In expansive denunciations two or more of them might be used together, and ppW especially was substituted for " g o d " — Milcom the of the Ammonites, Chemosh the yp® of Moab, and Astarte the fp® of the Sidonians, as the LXX at I Kings xi. 5, 7, II Kings xxiii. 13 clearly indicates. They suggest that by the time of the prophets idolatry had

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come t o be as much an enormity as shirk is for Muslims, and that the original prohibition of idols goes b a c k t o a much earlier time, which must mean to the time of Moses. B u t t h e y do not throw much light on the question " W h a t was the original motive underlying the prohibition of idols ? " F o r that we must go b a c k t o the original Decalogue itself.* It cannot be without significance that the second prohibition has all the appearance of being a corollary to the first: " I am Yahweh your God, who brought you out of the land of Egypt, out of the house of bondage. You shall have no other god(s) alongside me. You shall not make for yourself a VOB." No other commandment follows the one which precedes it with such seemingly inevitable logic as the second follows the first. It is much the same in the Yahwistic Decalogue, if we omit the h o r t a t o r y expansions: "You shall not prostrate yourself to another god . . . You shall not make for yourself a molten god" (Exod. xxxiv. 14.17). One God, therefore, it would seem, no idol; no idol, because only one God. This need not mean that Moses was a theoretical monotheist, but it does seem to imply that he was not an ordinary monolatrist or henotheist. There is no evidence that ordinary monol a t r y was aniconic. On the contrary, when Mesha says that he dragged the m v t *7tnK before Chemosh, the presumption is that he dragged it into the presence of the image of Chemosh, much as the Philistines brought the ark into the temple of Dagon and set it up beside D a g o n (I S a m v . 2). It is fairly certain, too, that in II Sam. xii. 30 we should read " t h e crown of M i l c o m " (D31?», cf. L X X ) for " t h e crown of their k i n g " (D^1?»), in which case the crown — it is said to h a v e weighed a talent of gold, some t w e n t y - f i v e kilogrammes at the lowest computation, a weight no human head could h a v e borne — must h a v e been the crown on the image of Milcom. B u t Y a h w e h was not Milcom or Chemosh. He was " Y a h w e h your God, w h o brought you out of the land of E g y p t , out of the house of b o n d a g e . " These words are the exordium to the Decalogue proper and there is no reason to doubt t h a t t h e y were original to it. Because Y a h w e h had brought Israel out of E g y p t — which was something the like of which gods such as Milcom and Chemosh h a d never done — Israel was to h a v e no other God than he, and, b y t h a t same token, was to make no image of him. Y o u might m a k e an image of a god w h o was the personification of a natural force or process. B u t Y a h w e h was different: he h a d entered decisively into history and t o confine him within the dimensions of a n y idol was preposterous. Here, perhaps, I m a y be permitted a confession. (Such a thing should not be out of place in a Festschrift). I was persuaded to write

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this essay by the indefatigable Professor H. H. R O W L E Y . I tried to get out of it, not because I have no affection for E I S S F E L D T — no one who knows him can have anything but affection for him, and I have known him ever since, thirty years ago, he made his first contact with the Society for Old Testament Study — but because I felt I had nothing to say, at least on the theme of Canaan and Israel. I set out hopefully and not very sure I should arrive anywhere. I had written the foregoing paragraphs when K A R L - H E I N Z B E R N H A R D T ' S recent monograph Gott und Bild (1956) came into my hands. It was a relief to find that my conclusion, thus far, was much the same as his. There is nothing very original about it but it may be none the worse for that. The surprising thing is that the ethos of idolatry has occasioned so little discussion among Old Testament scholars. B E R N H A R D T ' S conclusions are embodied in the following theses: 1. He accepts the "Midianite tradition" of the origin of Israelite Yahwism. 2. The Israelite amphictyony had one Zentralheiligtum, the ark. Any image of Yahweh would have been a dangerous rival to the ark. 3. The ark was bildlos — "Als ursprüngliches Zentralheiligtum der Jahweamphiktyonie in der klassischen Epoche der Wanderzeit trägt sie den Charakter besonderer Ehrwürdigkeit und Einzigartigkeit, der auch jede spätere Hinzufügung eines Götterbildes oder gar eine Ablösung der Lade durch ein Bild . . . widersprochen hätte". 4. Yahweh, whatever he may have been for the Midianites, was for Israel a Führergott "who brought us out of the land of E g y p t " . "Die Gottesübernahme Israels ist ein Akt der Unterordnung unter den Willen der Führergottheit. Das Götterbild aber ist, gerade auch im Gegensatz zum 'Kultischen Provisorium' der Lade, immer ein Machtmittel in der Hand des Priesters für den Umgang mit der Gottheit. Es dient dazu, um sich die Gottheit unterzuordnen, aber nicht, um sich der Gottheit unterzuordnen. Deshalb ist ein Jahwebildkult mit dem Verhältnis der Israeliten zu ihrem Gott nicht vereinbar." B E R N H A R D T is only concerned with the motives underlying the original prohibition of idols, and he modestly says that his study offers "keine fertige Lösung des ganzen Problems des Gottesbildes in Israel". I t is more than likely that in the course of Israelite history new insights were gained into the essence of idolatry. But, if B E R N H A R D T ' S last thesis is right, we should expect the various motives to have a common factor. And to judge from the horror, amounting to physical loathing, with which the Jews came increasingly to regard idolatry,

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it looks as if the essence of idolatry must be the reverse side of the essence of their religion, and indeed of monotheism itself. At the other extreme from Judaism, Christianity, and Islam, stands pantheisticpolytheistic Hinduism, with its exuberant idolatry. (There are said to be more idols in Banaras than there are inhabitants of the city.) I am less inclined than BERNHARDT to stress the importance of the ark in this connexion. An idol might well have been a rival to the ark but the prohibition of idols can hardly have been motivated by a desire to safeguard the prestige of the ark, which anyhow passed out of history about the time when the heinousness of idolatry was being more and more insisted upon. It is generally assumed that the account of the meaning of the name Yahweh in Exod. iii. 13 f. comes from a much more advanced stage of reflexion than the time of Moses, that it is of approximately the same date as Deut. iv. 12-18 (See supra). That may well be, but it is not, so to say, a completely new idea, an invention or discovery which would have been unintelligible to Moses. However we may translate iTrtK, we cannot exclude from it a future reference such as is contained in the marginal renderings of both the English Revised and the American Revised Standard Versions: " I will be what I will b e . " The name, on any understanding of it, contains more than a hint of the deus absconditus, and to confine such a God as Yahweh within the compass of any flJian would probably have seemed as stupid to Moses as it did to Hosea and the Deuteronomist. We may now turn back to the opprobrious words trax», D,V,'?K, and pptf, and ask what there is in idolatry which made the prophets, from Hosea to Ezekiel and Deutero-Isaiah, castigate it with such withering scorn. It seems to me that the prophetic denunciations were motivated by two leading ideas, both of which were implicit in the original Mosaic prohibition. 1. Idolatry is the worship of the creature instead of the Creator, and, to make matters worse, the creature is made by one who is himself a creature, namely man. This is the gravamen of St. Paul's judgement on idolatry (Rom. i. 22-25), but it appears as early as Hosea's "And now they add sin to sin and have made for themselves molten images (iDOO), of their silver . . . (the next word, DJinriS, is obscure and perhaps corrupt) . . . Bfas» (this word is textually unassailable), all of them (mere) craftsman's work" (Hos. xiii. 2). Ezekiel is too filled with indignation to busy himself with any rationale or "philosophy" of idolatry. But when we come to Deutero-Isaiah, Hosea's theme is elaborated in a series of pictures in which the utter fatuity of idolatry and idol-manufacture is exposed. Whether the Hebrews were familiar with the kind of idol that was reputed to "speak', or otherwise evidence life and intelligence, we do not know and the Old

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Testament does not say; but if Deutero-Isaiah ever saw such idols, he must have been very sure that it was all so much hocus-pocus. The makers of idols swink and sweat, and encourage one another with ludicrous seriousness, all for the purpose of making a " g o d " which must be held together with solder and nails, lest it should topple over (Isa. xli. 6f.). The idolater was presumably not such a simpleton as to suppose that the image he had made had really made him. But he did suppose t h a t after the appropriate installation and consecration ceremonies the god had taken up his residence in the image. It was so much elaborate make-believe. One piece of wood for fuel and deity! If only the eyes of the idol-makers had not been smeared over b y self-deception, they would have realized how absurd it was (Isa. xliv. 18-20). It may be objected that there is no necessary connexion between the ideas of Yahweh as Fiihrergott, Lord of history, and Yahweh as Creator. Actually there is. It is likely enough that Moses never had leisure to give any thought to the conception of Yahweh as creator of the world. But the doctrine of creation is only the logical extension back to the origins of things, of the doctrine of the lordship of Yahweh in history. 2. Idolatry is the worship of what in modern terms we should call process, the "life-force," the élan vital, or what we will, instead of the Creator who transcends and is in some sort external to creation. A passage in the Wisdom of Solomon has it t h a t " t h e devising of idols was the beginning of fornication, and the invention of them the corruption of life" (Sap. Sal. xiv. 12). This of course is much later t h a n Moses, or indeed than Hosea, Ezekiel and Deutero-Isaiah. Nevertheless as a generalization it is not far wide of the mark. The conflict in Israel down to the Exile was the conflict between Yahweh and Baal. The Baals and Astartes were fertility gods and the type of religion they represent is " s e x y " . Not t h a t there are not creatorgods in fertility religions. But the gods and goddesses with their marriages and illicit loves are so m a n y parts of the stream of life and are borne along on its current. They are personifications of natural process. To make, and worship, iconic repiesentations of t h e m is the most natural thing in the world. They have their hierodules, their D'ttnp and PISH p. Here, perhaps, lies the essential difference between the aniconic worship of Yahweh and the iconic worship of the Baals. It would be going beyond the evidence to assume t h a t the cult of Baal-peor (Numb, xxv.) was especially licentious, but t h a t it was licentious, and idolatrous, there is little doubt. Nor can we argue t h a t pnsb (Exod. xxxii. e; cf. Gen. xxvi. 8) in the story of the golden calf means t h a t the Israelites had turned to sexual riot; but it is said

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that they had cast off restraint (Wfl in the presence of an image that was the symbol of fertility. The connexion between fornication and idolatry is clear enough throughout Hosea and may well be one of the main reasons why the prophets, beginning with Hosea, stigmatized idols as trass, o,1?il?l, and fiptt. The homiletical applications of these two principles are obvious but this is not the place in which to elaborate them. (Completed 1st August 1957)

Theologische Redaktionsarbeit in der Bileam-Perikope (Num 22-24) Von Prof. Dr. L a d i s i a s M a r t i n v o n P i k o z d y in Debrecen (Refofmierte Theologische Akademie, Calvin-Platz 16)

Die Bileam-Perikope Num 22—24 (im Weiteren B-P) wird von der historisch-kritischen alttestamentlichen Wissenschaft meist als eine Kompilation von verschiedenen Stücken aus verschiedenen Zeiten mit vielen redaktionellen Schichten und Zutaten angesehen. Sie wird von vielen Forschern als demonstratives Beispiel für die Richtigkeit der Urkundenhypothese und für das Trennen der verschiedenen Quellen gebraucht1. Was nun das Woher und das Wie des Näheren betrifft, darüber gehen die Meinungen dann auseinander. Der Gesamtkomplex der literarkritischen und quellenanalytischen Fragen kann hier selbstverständlich nicht einmal in nuce vorgetragen werden. An der von WELLHAUSEN 2 , BÄNTSCH 3 und S M E N D 4 vorgenommenen Scheidung der Quellen wird im allgemeinen — trotz der Einwendungen von GRESSMANN 5 und RUDOLPH® — festgehalten, wie das z. B. aus MOWINCKELS 7 Arbeit oder aus den neuesten Kommentaren zu Numeri, wie z. B. aus dem von J. MARSH8, ersichtlich ist. Auch der Jubilar, dem diese Zeilen gewidmet sind, hat sich mit der Frage in einer seiner Schriften in diesem Sinne beschäftigt9. Im einzelnen gehen aber die Meinungen soweit auseinander, daß man ruhig sagen kann: den Weg der überspitzten literarischen Analyse, wie sie in der Arbeit von GALLS einst vorgelegt wurde, würden heute nur noch wenige wagen. Das Interesse der Forschung wandte sich in der letzten Zeit von der literarkritischen Betrachtungsweise zu 1 So zuletzt in der neuen Auflage des Standardwerkes für die alttestamentliche Einleitung von EISSFELDT, Einleitung in das Alte Testament, 2. völlig neubearb. Auflage, Tübingen 1956, S. 225 u. ö. 2 WELLHAUSEN, Die Komp. d. Hexateuchs3, 1899, S. 109ff., 345ff.

> BAENTSCH, Numeri

(Göttinger H K A T , I . 2/2) 1903, S. 589ff.

SMEND, Die Erzählung d. Hexateuchs auf ihre Quellen untersucht, 1912. 6 GRESSMANN, Mose und seine Zeit, Göttingen 1914, S. 318ff. ' RUDOLPH, Der »Elohist« von Exodus bis Josua ( B Z A W 68), Berlin 1938,

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97 ff. MOWINCKEL, Der Ursprung der Bileamsage, Z A W 1930 (46), 233 ff. MARSH, The Interpreter's Bible, Vol. II, The Book of Numbers (Exegesis), New York 1953, p. 247ff. • EISSFELDT, Die Komposition der Bileam-Erzählung. Eine Nachprüfung von Rudolphs Beitrag zur Hexateuchkritik, Z A W 1939 (57), 212ff. 7

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Von Ugarit nach Quoiiaa

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der traditionskritischen hin 10 . Wie aus dem Titel dieses Aufsatzes zu sehen ist, will der Verfasser dieser Zeilen nur unter einem Gesichtspunkt von den vielen möglichen an die B - P herantreten, und möchte sogar seine Aufgabe noch näher einschränken: was wollte durch seine Redaktionsarbeit der letzte Redaktor des in der B - P vorfindlichen Stoffes aus der alten Bileam-Tradition 11 machen ? Oder etwas verdächtiger ausgedrückt: was wollte er »verkündigen«? Diese Fragestellung ist also eher eine biblisch-theologische (wobei wir selbstver10 VON GALL, Zusammensetzung und Herkunft der Bileam-Perikope in Num 22— 24, Gießen 1900. — EISSFELDT gehört zu den Warnern vor der allzuschnellen Aufgabe der literarkritischen Betrachtungsweise, vgl. ZAW 1949 (57), 241. 1 1 Ich bedauere, daß ich die Arbeit von ALBRIGHT, The Oracles of Balaam ( J B L 1944 (66), 207—233) bis zum Korrekturabschluß nicht wieder zu Händen bekommen (ich las sie 1948 in Holland) und auf sie nur auf Grund meiner Erinnerungen nicht ausführlicher eingehen konnte. Soweit ich feststellen kann, befindet sich dieser Jahrgang des J B L aus der Kriegszeit in keiner öffentlichen Bibliothek Ungarns. Ohne einen Hinweis auf diese wertvolle Arbeit soll es doch nicht bleiben, die mit solider Argumentation zeigt, wie weit man das Alter und die schriftliche Fixierung hinaufschieben kann. ALBRIGHT rekonstruiert die Sprüche auf Grund alter Orthographie und Ubersetzungen und kommt zu dem Ergebnis, daß die schriftliche Festlegung am wahrscheinlichsten im 10. Jh. geschehen sei. Er findet auch dafür Zeichen, daß die Orakel selbst aus dem 13.—12. J h . stammen können (vgl. auch in The Old Testament and Modern Study, ed. by ROWLEY, Oxford 1952A, p. 33). So scheint z. B. 24 28f. den Sturm der »Seevölker« 1187 ante wiederzuspiegeln. — In Bileam könnten wir einen m e s o p o t a m i s c h e n W a h r s a g e r sehen (sein Heimatland ÏU 101? = nordsyrisches Land 'Amau, s. ALBRIGHT, BASOR 1950, Nr. 118 und A. S. YAHUDA, The Name of Balaam's Homeland J B L 1945 (64), 547—551]: bnj 'mw sind die amu der ägypt. Texte, die hrrj qdm Num 23 7 die Berge des Landes zwischen Antilibanon und Eufrat; zit. nach ZAW 1945/48 (61), 271), der eine Zeit am moabitischen Hofe lebte, dann zum Jahwähglauben übertrat und zuletzt sich den Midianitern im Kampf gegen Israel anschloß. — ALBRIGHTS Ausführungen wirkten damals auf mich überzeugend. Daß Bileam ein Wahrsagepriester oder Prophet nach typisch mesopotamisch-babylonischem Muster, also ein bârûm sei ( J B L 1944 (63), 231, n. 141), wurde schon früher behauptet, vgl. u. a. S. DAICHES, Hilprecht Anniversary Volume, Leipzig 1909, p. 60—70. — A. GUILLAUME in Prophecy and Divination among the Hebrews and other Semites, London 1938 (franz. Ausg. Prophétie et divination, Paris 1941) betont sehr die Verwandtschaft des hebräischen Sehers mit dem mesopotamischen Wahrsager. — Vgl. noch ALBRIGHT, Von der Steinzeit zum Christentum, Bern 1948, S. 197, 301, wonach er weiter derselben Meinung ist. — Interessant ist der Text aus Mari, den ALBRIGHT in ANET 2 (1955), 282b zitiert ( = C. F. JEAN

i n : Archives

royales

de Mari,

ed. DOSSIN, JEAN u. KUPPER, 1950, I I . , Nr. 2 2 , ; vgl.

KA, 29, p. 64). Es handelt sich in diesem um einen bdrûm, namens Ilu-nasir, und um einen anonymen babylonischen bârûm. Beide ziehen mit den Truppen wie eine Art antike Feldgeistliche, und den Truppen geht es laut der Meldung gut, da die bârûm ihren Dienst vor dem Feinde recht verrichten. — Zu den bârûm- und mâfyfyûm-Gilden s. Lit. bei EISSFELDT, The Prophétie Literature in ROWLEYS The Old Test, and Modern Study, p. 122 ff.

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ständlich eine mit der religionsgeschichtlichen Methode arbeitende »biblische Theologie« meinen)12. Ich werde auch die Frage, was vermutlich die einzelnen Bestandteile in ihrer mutmaßlichen ursprünglichen, oder gar mündlichen, »Traditionsgestalt« bedeutet haben, flüchtig berühren, und dann die andere: was der Endredaktor (R) daraus gemacht, wie er sie zu seiner theologischen Verkündigung gestaltet hat, beantworten. Für die Berechtigung dieser Fragestellung möchte ich mich nicht auf die Tatsache berufen, daß die literarkritischen Fragen heute keineswegs schon einstimmig abgeschlossen sind18. Esistaberauch ein berechtigtes Anliegen, dem man religionsgeschichtlich-theologisch entsprechen muß, manche sonst wichtige literarkritische Fragen beiseite lassend, die Beantwortung der obigen Fragestellung zu versuchen. 12 Ich möchte die Methodenfrage der sog. »biblischen Theologie« hier nicht aufrollen. Die mit der historisch-kritischen, religionsgeschichtlichen Methode arbeitende »biblische Theologie« unterscheidet sich von der sog. »alttestamentlichen Religionsgeschichte« oder »biblischen Religionsgeschichte« nicht in der wissenschaftlichen M e t h o d e , sondern in der A r t d e r D a r b i e t u n g desselben Stoffes. Während die alttestamentliche Religionsgeschichte den geschichtlichen Werdegang der Religion des ATs darstellt (wobei sie die vergleichende religionsgeschichtliche Methode dazu gebraucht, daß nicht nur die Zusammenhänge mit den umliegenden Religionen und Kulturen deutlich werden, sondern vor allem das Eigentümliche, das Wesentliche und zum NT Hinführende hervorgehoben wird), sucht die alttestamentliche Theologie dieses »Wesentliche« in allen seinen Ausstrahlungen und Folgerungen um einige Hauptgedanken gruppiert, »systematisiert«, so vorzutragen, daß sie ihr Material zugleich auch vom religionsgeschichtlichen Ausgang des ATs, d h. vom NT her und auf das NT hin visiert. — Die von mir gemeinte biblischtheologische Betrachtungsweise bedeutet also keineswegs eine Flucht ins »Theologische« oder gar in eine »Erbaulichkeit«, sondern setzt eine unerläßliche historischkritische Betrachtung und Behandlung des Materials voraus. — Meine diesbezüglichen Schriften sind leider nur für ungarische Lesende zugänglich: Az Öteslamentum magyaräzatänak alapkirdiseirSl (Uber die Grundfragen der Exegese des Alten Testaments), Debrecen 1942. — Az exegizis, dogmatiha ¿s az igehirdetds ndhäny hatärkirdise (Einige Grenzfragen der Exegese, der Dogmatik und der Wortverkündigung), Debrecen 1943. — Ferner das Kapitel über »die Frage der wissenschaftlichen Methode« in meiner Deuterojesajdsi Tanulmdnyok (Deuterojes. Studien) Bd. IX, Debrecen 1942, S. 6ff. 18 EISSFELDT gibt die folgende tabellarische Verteilung des Stoffes auf die beiden Pentateuchquellen, wobei der Anteil des Redaktors durch Kursivdruck kenntlich gemacht ist (ZAW 1939, 217): E J

22 2-21*

2 2 2-21*

2 2 22-84. J 5

11*

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I

Stellen wir uns die Verkündigungsabsicht des R im voraus vor, damit wir während der Besprechung der einzelnen Traditionsstücke sein Woher und Wohin besser verfolgen können. Er will ohne Zweifel die Überlegenheit seines Gottes — den er Jahwäh nennt und mit der(n) durch die uralten Gottesnamen ('El, Sadddj, 'Eljon) bezeichneten Gottheit(en) identifiziert — über jederlei heidnische Mantik, Orakelwesen, Zauberei und Prophetie demonstrieren und diesbezügliche alte Sprüche (vielleicht in angepaßter Form) in einem nach seiner Auffassung geschichtlichen Rahmen neu verkünden. Da sowohl in der literarkritischen als auch in der religionsgeschichtlichen Behandlung der B-P der Gebrauch der Gottesbezeichnungen mir und ffTlVx eine sehr große Rolle spielt (wie auch in unserer Erklärung), ist es nötig diese Frage zuerst zu behandeln14. Ich bin der Überzeugung, daß der Gebrauch der beiden Gottesbezeichnungen (und in gewisser Hinsicht auch der der übrigen) seitens des Redaktors sehr bewußt ist und kunstvoll geführt wird, sowie daß eben durch diese Operation mit dem Gebrauch der Gottesbezeichnungen die aus verschiedenen Quellen oder Traditionen herstammenden Bestandteile der B-P zu einer kerygmatischen Einheit fest verbunden werden16. Ich bin nicht der erste, der diese Frage des Gebrauches der Gottesbezeichnungen in der B-P angegriffen hat. Heute ist die Forschung im Allgemeinen darüber einig, daß der Wechsel der Gottesbezeichnung Jahwäh und 'selohim für die Analyse der Quellen eine untergeordnete, keineswegs eine entscheidende Rolle spielen kann. Schon B A E N T S C H hatte aber eine Beobachtung gemacht (zu Num 22 7-21): »Der Bericht macht durchweg den Eindruck einer geschlossenen Einheit. Auffällig ist freilich der regelmäßige Wechsel von Jahve (vv. 8.18.18.19) und Elohim Ich habe die Frage in einem ungarisch geschriebenen Artikel besprochen, dessen Ergebnisse ich hier teilweise übernehme: Az istennevek hasznälata a Bileämperiköpäban . . . (Uber den Gebrauch der Gottesnamen in der Bileamsperikope. Zur Einheitlichkeit von Num 22— 24), Sonderabdruck aus der Theologiai Szemle ( = Theol. Rundschau) 1938 (14), 160ff. Damals habe ich eine viel straffere Einheitlichkeit der B-P verfochten, als ich es heute tun konnte, und diese habe ich hauptsächlich mit dem Gebrauch der Gottesnamen Jahwäh und 'slohim begründet. Es gehörte zu den ersten wissenschaftlichen Publikationen von mir, die ich damals auch meinem verehrten Lehrer in einer deutschen Übersetzung als Manuskript vorlegen konnte (vgl. Z A W 1939 (57), 233, Anm. 3). 14

15 In dem Ausdruck »kerygmatische Einheit« meine ich eine Definition gefunden zu haben, welche sowohl die von der Literarkritik feststellbaren Unebenheiten der gegenwärtigen Komposition der B-P gelten läßt, als auch der durch den Redaktor erreichten tatsächlichen Einheitlichkeit gerecht wird. Daß man über eine solche »Einheitlichkeit« zu sprechen auch wissenschaftlich berechtigt ist. bedarf keiner weiteren Begründung.

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Theologische Redaktionsarbeit in der Bileam-Perikope

(vv. ». 10.12. ao), der uns in der Tat in Versuchung führen könnte, hier einen jahvistischen und elohistischen Bericht herauszuschälen, s. VON GALL. Dazu beachte man, daß hier die verschiedenen Gottesnamen nach einem bestimmten Plane gebraucht sind, denn es ist doch wohl sicher kein Zufall, daß in den referierenden Partien immer Elohim gebraucht ist, während der Jahvename sich nur im Munde Bil'ams (der ja ganz als Jahveprophet vorgestellt wird) findet. Wir werden deshalb an der Zugehörigkeit des Abschnittes zu E . . . nicht zweifeln dürfen . . . Der jahvistische Parallelbericht läßt sich jedoch auf Grund dieser wenigen Stellen [die B. zitierte] nicht mehr rekonstruieren . . .«

RUDOLPH hat dem Gebrauch der Gottesbezeichnungen in der B-P eine größere Aufmerksamkeit gewidmet und legte die von BAENTSCH bei diesem Abschnitt gemachte Beobachtung als Maßstab auch an die ganze Erzählung an. Er fand, daß bestimmte Abschnitte der B-P mit der beobachteten Planmäßigkeit nicht im Einklang seien, und dieser Umstand könne eine Quellenscheidung ermöglichen17. Ich verweise hier nur auf seine Ausführungen18, sowie auf die Kritik seiner Thesen von EISSFELDT 1 9 . Ich kann mit seinen Eingriffen in den Text bei den Gottesnamen nicht ganz einverstanden sein, wie auch E I S S F E L D T mit Recht darauf hingewiesen hat, daß solche Änderungen dann auch auf der anderen Seite recht und billig wären20. Der Sinn des Gebrauches der Gottesbezeichnungen ist auch ohne Änderungen, jedenfalls mit weniger Änderungen als üblich, zu finden. Ehe ich aber meine Auffassung darlegen kann, sind dazu einige sonst bekannte, aber vielleicht sehr wenig beachtete, Sachen zu erwähnen. Es handelt sich um das Wort, um das Bedeutungsfeld des Wortes trnVK. Bekanntlich bedeutet dieses Wort nicht nur »Gott«. Philologisch-religionsgeschichtlich gesehen ist die Grenze zwischen Gott und Mensch in der altorientalisch-semitischen Welt gar nicht so scharf gezogen wie in unserem Denken. Cum grano salis ist das auch — jedenfalls »philologisch« und auch »religionsgeschichtlich« — innerhalb des AT der Fall. Auch der mächtige, kräftige Mensch kann 'rnlohtm heißen, wie z. B. der König (Ps 45 7), wie Moses gegenüber Aron (Ex 4ie), oder ein Richter (falls diese Deutung von Ex 22 s die richtige ist). Daß solche Menschen in der Umwelt des AT direkt als »Gott«, »meine Götter« angeredet werden, ist gleichfalls bekannt21. Wichtiger für unsere Deutung ist die Tatsache, daß der Totengeist auch offensichtlich so genannt wurde, in die Kategorie der 'aelohtm-Wesen gehörte (I Sam 28 13 pHn"!» trVl? Win troVa; das Wtn kann hier 16 17 18 19

BAENTSCH, Numeri, S. 595f. RUDOLPH, Der »Elohist« von Exodus bis Josua, BZAW 68 (1938), 103 ff. a. a. O. unter Nr. 3. »Die Gottesnamen in der Bileamgeschichte«. EISSFELDT, ZAW 1939. (57). 213ff., 232ff.

20

EISSFELDT

al

Vgl. die W ö r t e r b ü c h e r

DRIVER-BRIGGS2,

a. a. O.

p. 43f.



S. 2 1 5 .

sub

voce;

GESENIUS-BUHL 1 7 ,

KÖHLER-BAUMGARTNER,

S. 5 0 f f .

S. 3 9 f .



BROWN-

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L. M. v . PAKOZDY

im weiteren Sinne der Wahrnehmung gedeutet werden)22. Ich weise noch darauf hin, daß auch die fremden »Götter« diese Kategorisierung haben. Soweit man neben Jahwäh an die Existenz solcher Wesen geglaubt hat — und das hat auch allem Anschein nach der Endredaktor der B-P wohl getan —, hat man diese als eine Art böse Geister vorgestellt. Die Frage, ob an bestimmten Stellen der B-P das Wort 'xlohim Jahwäh oder einen anderen Gott oder gottähnliches Wesen bedeute, ist damit voll berechtigt und kann nicht im Voraus verneint werden. Im Hebräischen ist es nie so weit gekommen, wie im Arabischen, wo neben dem alten Wort 'ilähun das besondere 'Allah für den wahren und einzigen Gott des Islams entstanden ist. Im Hebräischen ist diese Unterscheidung vielmehr sprachlich überhaupt nicht auszudrücken (beachte jedoch in bestimmten Fällen hd-'selohim). Ich meine auch, daß das Wort trnVx ursprünglich gar kein Plural ist, sondern noch die alte Mimation in seinem Konsonantenbestand behalten hat und erst später als pluralis majestatis usw. aufgefaßt wurde23. So ist sein ungehinderter Gebrauch auch für andere Wesen als für den wahren Gott Israels zu erklären. Die zur Wahrsagung heraufbeschworenen Totengeister werden als in dem Mantiker und aus ihm heraus redend vorgestellt. Auch Jahwäh bzw. sein Geist wird an manchen Stellen als in dem Propheten redend (dbr b- statt ihr '/) vorgestellt24. Der arabische kdhtn spricht und zaubert mit der Kraft seines in ihm befindlichen 'ilähun26. Auch das Verfluchen geschah nach arabischen Vorstellungen durch diesen 'ilähun. (Dies war ja auch die ursprüngliche Aufgabe Bileams!) Der unvergeßliche ungarische Orientalist IGNAZ GOLDZIHER verglich Bileam deshalb recht und sehr zutreffend mit den altarabischen M

Vgl. dazu KÖNIG, Der Offenbarungsbegriff des AT, II, Leipzig 1882, S. 29ff.

Vgl. dazu NIELSEN, Ras Samra Mythologie und biblische f . d. Kunde des Morgenlandes, X X I , 4), Leipzig 1 9 3 6 . 88

M

Siehe HÄNEL, Das Erkennen

Gottes bei den Schriftpropheten,

Theologie

(Abh.

B W A T (1923),

N. F. 4, S. lOff. u. ö.; siehe dort die Belegstellen. 21

Vgl. die W o r t e des a r a b . Dichters XJheiha ibri

v. 5):