Autolacke formulieren: Chemie, Physik und Praxis 9783748601999

Autolacke sollen nicht nur optisch wirken, sondern auch Schutz gegen Korrosion, Bewitterung sowie gegen chemische und me

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Autolacke formulieren: Chemie, Physik und Praxis
 9783748601999

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Allgemeines
3. Automobilserienlackierung
4. Reparaturlacke
5. Kunststofflacke am Automobil
6. Großfahrzeuglacke
7. Alternative Beschichtungsverfahren/ Ausblick
Literatur
Index

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Ulrich Poth

Autolacke formulieren Chemie, Physik und Praxis

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Umschlagbild: Tego Chemie Service GmbH

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Poth,Ulrich: Autolackeformulieren:Chemie,PhysikundPraxis UlrichPoth Hannover: Vincentz Network, 2007 (Coatings Compendien) ISBN 978-3-7486-0199-9 © 2007, Vincentz Network, Hannover Vincentz Network, Postfach 6247, 30062 Hannover, Germany Das Werk einschließlich seiner Einzelbeiträge und Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Verlagsverzeichnis schickt Ihnen gern: Vincentz Network, Plathnerstraße 4C, 30175 Hannover, Germany Tel. +49 511 9910-033, Fax +49 511 9910-029 [email protected] www.coatings.de Satz: Maxbauer & Maxbauer, Hannover, Germany ISBN 978-3-7486-0199-9

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Coatings Compendien

Ulrich Poth

Autolacke formulieren Chemie, Physik und Praxis

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Vorwort 



Vorwort Es gibt nur wenige Objekte, die so den Gegenstand des öffentlichen Interesses bilden, wie das Automobil. Bei genauer Betrachtung ist das Auto ein Fahrzeug zum Transport von Personen und Gütern. Daraus leitet sich bereits eine Besonderheit ab: die individuelle Mobilität, die den Vorstellungen der Menschen unserer Zeit besonders entgegenkommt. Dieser Wunsch wird häufig mit dem Wunsch nach einem individuellen Aussehen verknüpft. Der Geschmack umspannt dabei einen großen Bereich: vom Repräsentationsanspruch über den Wunsch einen sportlichen Eindruck zu vermitteln, bis zur Vorliebe an spaßig oder poppig anmutenden Fahrzeugen. Zu dem individuellen Aussehen gehört neben der Form der Karosserie und der Ausstattung vor allem die Oberfläche, das heißt vor allem die Lackierung. Automobilindustrie und Lackhersteller verwenden einen beträchtlichen Aufwand, besonders ansprechende Oberflächen zu erzeugen. Dabei bleibt die eigentliche Aufgabe einer Lackierung, der Schutz gegen Korrosion, Bewitterung und gegen chemische und mechanische Einflüsse im Mittelpunkt der Forschungsarbeit der Lackhersteller und Anwender. Denn es gilt, das ansprechende Aussehen so lange wie möglich zu erhalten. Zusammensetzung und Formulierung der Lacksysteme, die Schutz und ansprechendes Aussehen ergeben sollen, ist geprägt von den Applikationsverfahren. Automobillacke bilden – nicht zuletzt deshalb – eine eigene Sparte in der Gruppe der industriell verarbeiteten Lacksysteme. Verschiedene Hersteller haben sich ausschließlich auf Automobillacke spezialisiert. Obwohl es im Zusammenhang mit dem Automobil auch kritische Stimmen zur Umweltbelastung gibt (Kohlendioxidemission), haben sich gerade deshalb die Hersteller von Automobillacken als Vorreiter für die anderen Industrielacke für die Entwicklung und Einführung umweltfreundlicher Lacksysteme etabliert. Es geht dabei darum, die Verwendung gesundheitsschädlicher Bestandteile zu vermeiden, bzw. solche zu ersetzen und den Ausstoß flüchtiger organischer Verbindungen bei der Applikation zu minimieren. In dem vorliegenden Buch werden die von der Industrie erreichten Ergebnisse herausgestellt. An der Entwicklung und der Herstellung von Automobillacken sind nicht nur die Lackhersteller beteiligt, sondern auch die Rohstoffhersteller: die Großchemie sowie die Hersteller von Spezialchemikalien, die Hersteller von Polymerbindemitteln, Pigmenten und Additiven, und die Hersteller von Applikationsanlagen und nicht zuletzt die Automobilindustrie selbst, die nicht nur die Entwicklungsarbeiten zu diesem Thema unterstützt, sondern zum Teil auch eigene Forschungsaktivitäten betreibt. Das vorliegende Buch wendet sich an die in den genannten Bereichen tätigen Personen, die mit der Entwicklung, Produktion, Prüfung und Vermarktung von Lackrohstoffen, Lacksystemen und Applikationsverfahren betraut sind. Wie aus dem Titel abzuleiten ist, sind vor allem Chemiker, Physiker, Ingenieure und andere technisch interessierte Personen angesprochen, die sich mit dieser Thematik befassen wollen, dabei natürlich auch solche, die sich in die Materie einarbeiten möchten. Darüber hinaus spricht das Buch weitere Personen an, die mit der Automobillackierung beauftragt und interessiert sind, zu ihrer Tätigkeit Hintergrundwissen zu erwerben.

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Vorwort 



Es wir hier vor allem auf die Zusammensetzung der Automobillacke eingegangen. Dabei wird auf Stoff-Wirkungs-Beziehungen eingegangen, indem aus der Zusammensetzung und Herstellung der unterschiedlichsten Bestandteile und ihrer physikalischen Eigenschaften auf ihre anwendungstechnischen Eigenschaften geschlossen wird. Unter anwendungstechnischen Eigenschaften sind dabei sowohl das Applikationsverhalten, als auch die Schutzaufgabe und das ansprechende Aussehen gemeint. Die Applikationsverfahren sind grundlegend dargestellt und es wird erklärt, wie sie sich auf die Zusammensetzung der Lackmaterialien auswirken. Zum besseren Verständnis der Zusammenhänge werden zunächst allgemein gültige Aussagen über Lacke, ihre Bestandteile und die Applikationsvorgänge gemacht, um dann ausführlicher auf die Chemie und Physik der verschiedenen Automobillacke einzugehen und zu erläutern, warum aus der Vielzahl der möglichen Bestandteile bestimmte ausgewählt werden. Ulrich Poth Münster im Februar 2007

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Inhaltsverzeichnis



Inhaltsverzeichnis 1

Einleitung . ..................................................................................................

15

2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.2.1 2.1.2.2 2.1.2.3 2.1.2.4 2.1.2.5 2.1.3 2.1.4 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4 2.5 2.6

Allgemeines ................................................................................................ Bestandteile von Lacken . ............................................................................................... Bindemittel ........................................................................................................................ Pigmente und pigmentähnliche Stoffe ........................................................................ Farbwirkung . .................................................................................................................... Anorganische Pigmente ................................................................................................. Organische Pigmente ...................................................................................................... Effektstoffe ........................................................................................................................ Funktionelle Pigmente ................................................................................................... Löse- und Dispergiermittel ............................................................................................ Additive .............................................................................................................................. Verarbeitungszustand von Lacken ............................................................................... Organische Lösung .......................................................................................................... Wässrige Lösung ............................................................................................................. Wässrige Dispersion ....................................................................................................... Organische Dispersionen ............................................................................................... 100 %-Systeme .................................................................................................................. Pulverlacke ........................................................................................................................ Filmbildung ....................................................................................................................... Physikalische Trocknung ............................................................................................... Chemische Filmbildung ................................................................................................. Herstellverfahren ............................................................................................................. Applikationsverfahren .................................................................................................... Systeme ..............................................................................................................................

17 17 17 18 18 24 24 24 24 25 29 29 29 30 30 30 32 32 32 32 33 36 38 39

3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.4.5.1 3.4.5.2 3.4.5.3 3.4.5.4 3.4.5.5 3.4.5.6 3.4.5.7 3.4.5.8

Automobil-Serienlacke ............................................................................... Geschichte der Automobillackierung .......................................................................... Automobillackierung als Mehrschichtaufbau . .......................................................... Applikationsverfahren der Serienlackierung ............................................................ Vorbehandlung und Grundierungen ........................................................................... Substrate und Korrosion ................................................................................................ Vorbehandlung ................................................................................................................. Entwicklung der Elektrotauchgrundierungen .......................................................... Anforderungen und Eigenschaften . ............................................................................ Zusammensetzung .......................................................................................................... Epoxidharze ...................................................................................................................... Modifikationen mit Aminen .......................................................................................... Weitere Modifikationen .................................................................................................. Reibharze ........................................................................................................................... Vernetzer ........................................................................................................................... Pigmente ............................................................................................................................ Additive .............................................................................................................................. Gesamtformulierung .......................................................................................................

41 41 42 43 46 46 48 49 55 59 59 61 63 65 65 67 67 68

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Inhaltsverzeichnis

3.4.6 3.4.6.1 3.4.6.2 3.4.7 3.4.8 3.4.8.1 3.4.8.2 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.3.1 3.5.3.2 3.5.3.3 3.5.3.4 3.5.3.5 3.5.3.6 3.5.3.7 3.5.4 3.5.5 3.5.6 3.5.6.1 3.5.6.2 3.5.7 3.5.7.1 3.5.7.2 3.5.7.3 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.2.1 3.6.2.2 3.6.2.3 3.6.3 3.6.3.1 3.6.3.2 3.6.3.3 3.6.3.4 3.6.3.5 3.6.3.6 3.6.3.7 3.6.3.8 3.6.4 3.6.5 3.7 3.7.1 3.7.2 3.7.2.1 3.7.2.2 3.7.2.3 3.7.3

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Applikation . ...................................................................................................................... Abscheidung ..................................................................................................................... Verfahrensablauf und Anlagen ..................................................................................... Ausblick ............................................................................................................................. Unterbodenschutz und Nahtabdichtung ..................................................................... Unterbodenschutz . .......................................................................................................... Nahtabdichtung ................................................................................................................ Füller .................................................................................................................................. Entwicklung der Füller ................................................................................................... Anforderungen und Eigenschaften . ............................................................................ Zusammensetzung lösemittelhaltiger Füller ............................................................. Gesättigte Polyester ......................................................................................................... Aminoharze . ..................................................................................................................... Verkappte Polyisocyanate .............................................................................................. Pigmentierung . ................................................................................................................ Lösemittel........................................................................................................................... Additive............................................................................................................................... Formulierung..................................................................................................................... Applikation......................................................................................................................... Festkörperreiche Füller................................................................................................... Wasserfüller....................................................................................................................... Bindemittel für Wasserfüller.......................................................................................... Formulierungen................................................................................................................. Pulverfüller......................................................................................................................... Bindemittel für Pulverfüller............................................................................................ Formulierung und Herstellung von Pulverfüllern..................................................... Applikation......................................................................................................................... Decklacke............................................................................................................................ Entwicklung der Decklacke............................................................................................ Anforderungen an Unidecklacke................................................................................... Applikationsverhalten...................................................................................................... Appearance......................................................................................................................... Beständigkeitseigenschaften.......................................................................................... Zusammensetzung............................................................................................................ Alkydharze......................................................................................................................... Melaminharze.................................................................................................................... Weitere Bindemittel.......................................................................................................... Anorganische Pigmente................................................................................................... Organische Pigmente....................................................................................................... Pigmentierung................................................................................................................... Lösemittel........................................................................................................................... Additive............................................................................................................................... Applikation......................................................................................................................... Decklacke mit reduziertem VOC.................................................................................... Basislacke........................................................................................................................... Entwicklung der Basislacke............................................................................................ Anforderungen an Basislacke........................................................................................ Effektgebung...................................................................................................................... Applikationsverhalten...................................................................................................... Beständigkeiten................................................................................................................. Zusammensetzung lösemittelhaltiger Basislacke......................................................

71 71 71 73 74 74 75 76 76 78 84 84 86 91 93 95 96 97 98 99 99 99 104 104 106 107 109 111 111 112 113 114 116 117 117 120 122 122 127 131 134 134 136 136 137 137 139 139 141 143 143

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 Inhaltsverzeichnis

3.7.3.1 3.7.3.2 3.7.3.3 3.7.3.4 3.7.3.5 3.7.3.6 3.7.3.7 3.7.3.8 3.7.3.9 3.7.4 3.7.5 3.7.5.1 3.7.5.2 3.7.5.3 3.7.5.4 3.7.5.5 3.7.6 3.7.7 3.8 3.8.1 3.8.2 3.8.2.1 3.8.2.2 3.8.2.3 3.8.2.4 3.8.2.5 3.8.2.6 3.8.2.7 3.8.3 3.8.3.1 3.8.3.2 3.8.3.3 3.8.3.4 3.8.3.5 3.8.3.6 3.8.3.7 3.8.3.8 3.8.3.9 3.8.3.10 3.8.3.11 3.8.3.12 3.8.3.13 3.8.4 3.8.5 3.8.6 3.8.7 3.8.8 3.9

Celluloseacetobutyrat....................................................................................................... 144 Polyester.............................................................................................................................. 145 Aminoharze........................................................................................................................ 145 Rheologiemittel.................................................................................................................. 146 Effektstoffe.......................................................................................................................... 146 Pigmente............................................................................................................................. 154 Lösemittel........................................................................................................................... 155 Weitere Additive................................................................................................................ 155 Formulierungsbeispiel..................................................................................................... 155 Festkörperreichere Basislacke....................................................................................... 155 Wasserbasislacke.............................................................................................................. 158 Bindemittel für Wasserbasislacke................................................................................. 158 Rheologieadditive.............................................................................................................. 162 Pigmente und Effektstoffe............................................................................................... 162 Co-Lösemittel und Additive............................................................................................. 163 Formulierungsbeispiel und Applikation...................................................................... 163 Unibasislacke..................................................................................................................... 164 Alternativen........................................................................................................................ 165 Klarlacke............................................................................................................................. 165 Entwicklung der Klarlacke.............................................................................................. 165 Anforderungen an Serienklarlacke............................................................................... 166 Applikationsverhalten und Oberfläche......................................................................... 166 Wetterbeständigkeit.......................................................................................................... 168 Chemikalienbeständigkeit.............................................................................................. 171 Mechanische Beständigkeit............................................................................................ 171 Kratzbeständigkeit............................................................................................................ 172 Scheibenverklebung......................................................................................................... 173 Transportschutz................................................................................................................. 174 Zusammensetzung............................................................................................................ 174 Acrylatharze....................................................................................................................... 174 Polyester.............................................................................................................................. 178 Aminoharze........................................................................................................................ 179 Polyisocyanate................................................................................................................... 179 Verkappte Polyisocyanate............................................................................................... 180 Lösemittel........................................................................................................................... 183 Verlaufsmittel..................................................................................................................... 183 Lichtschutzmittel............................................................................................................... 185 Rheologiemittel.................................................................................................................. 187 Formulierungsbeispiel..................................................................................................... 187 Nanopartikel für Klarlacke.............................................................................................. 187 Lotuseffekt.......................................................................................................................... 191 Überzüge für Klarlacke.................................................................................................... 192 Applikation......................................................................................................................... 192 Festkörperreiche Klarlacke............................................................................................. 193 Wasserverdünnbare Klarlacke....................................................................................... 194 Pulverklarlacke.................................................................................................................. 195 UV-Klarlacke...................................................................................................................... 197 Emissionsreduktion.......................................................................................................... 200

4 4.1 4.2

Reparaturlacke............................................................................................. 205 Untergründe und Vorbehandlungen............................................................................. 206 Grundierungen.................................................................................................................. 206

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Inhaltsverzeichnis

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4.3 4.4 4.5 4.6 4.7

Füller.................................................................................................................................... 208 Spachtel............................................................................................................................... 209 Decklacke............................................................................................................................ 211 Basislacke........................................................................................................................... 212 Klarlacke............................................................................................................................. 214

5 5.1 5.2

Kunststofflacke am Auto............................................................................. Lacke für die Innenausstattung..................................................................................... Lacke für Anbauteile........................................................................................................

6

Großfahrzeuglacke...................................................................................... 221

7

Alternative Beschichtungsverfahren/Ausblick......................................... 225

216 216 218

Literatur....................................................................................................... 227 Index............................................................................................................. 231

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Einleitung

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Einleitung

Die Herstellung von Automobilen bildet einen der größten Wirtschaftszweige der Welt. Im Jahre 2004 wurden weltweit mehr als 44 Millionen PKW gebaut, mit Bussen und LKW waren es über 64 Millionen [1]. Die Liste der Länder mit der Herstellung von PKW wird in dieser Quelle von Japan mit 8,7 Millionen PKW angeführt, gefolgt von Deutschland mit 5,2 Millionen, vor den USA mit 4,2 Millionen. Die zehn größten Automobilhersteller nach ihren Umsätzen sind in der genannten Reihenfolge General Motors (USA), Toyota (Japan), Ford (USA), Daimler-Chrysler (Deutschland), Volkswagen (Deutschland), Honda (Japan), Nissan (Japan), Peugeot (Frankreich), Fiat (Italien) und BMW (Deutschland). In Deutschland waren im Jahre 1975 ungefähr 20 Millionen PKW gemeldet, im Jahre 2005 waren es aber bereits 46 Millionen. Neben den sehr großen Automobilherstellern gibt es auch immer noch kleinere, die sehr individuelle Fahrzeuge herstellen. Wenn man bedenkt, dass ein Mittelklassewagen im Mittel mit ungefähr 9 kg Lack beschichtet ist [2], sind das weltweit jährlich ca. 400.000 t Beschichtungsmasse allein für die PKW, so dass man für die verarbeitete Lackmenge (Applikationsform) auf ungefähr 1 Million t kommt. Auch die Herstellung von Automobillacken wird von großen Firmen dominiert. Die größten Automobil-Lackhersteller weltweit sind PPG, DuPont, BASF, gefolgt von Nippon-Paint und Kansai-Paint [3]. Es gibt aber auch noch kleinere Hersteller, die eine bestimmte Rolle im Automobillacksektor spielen. Der Grund dafür, dass es bei den Herstellern von Automobillacken zu einer Konzentration gekommen ist, liegt in den hohen Aufwendungen für Innovation und Gewährleistungen. Die Aufgabe Automobillacke kontinuierlich zu verbessern, fordert einen besonderen Entwicklungsaufwand, der von kleineren Firmen nur im Einzelfall geleistet werden kann. Zu den Aufwendungen hierzu gehören nicht nur personelle und apparative Ausstattung von Entwicklungslaboratorien, sondern auch kontinuierliche Fortschritte bei den Produktionsverfahren und bei der Qualitätssicherung, die sowohl analytische Untersuchungen als auch Applikationsteste fordert, die in kostspieligen Anlagen durchgeführt werden. Zur Thema der Gewährleistung sollte man sich vorstellen, was es bedeutet, wenn die Lackierung nur einer einzigen Schicht – die vielleicht nur 40 µm dick ist – bei der Produktion von z.B. 800 PKW pro Tag zu einem gravierenden Fehler geführt hat. Schadensforderungen können nicht nur die Bezahlung für die fehlerhaften Karossen, sondern auch Ersatzlieferung, Produktionsausfälle und Aufarbeitungen bedeuten. Es gibt zur Absicherung gegen solche Problemfälle zwei Strategien. Meistens sind mindestens zwei Lackhersteller aufgefordert, die jeweils geforderten Lackprodukte zur Verfügung zu stellen und eine Lieferfreigabe zu erwirken. Das ergibt eine Betonung des Wettbewerbs der Lackhersteller in Bezug auf die Lackqualität und deren Kosten. Die völlig andere Strategie ist die, die Lackhersteller in die Verantwortung des Applikationsprozess mit hinein zu nehmen, denn schon in der Vergangenheit wird die Automobillackierung von der Seite des Konstrukteurs als Sonderbehandlung eingestuft. Im ausgeprägtesten Fall kann eine Vereinbarung dazu darin bestehen, dass der Lackhersteller die Rohkarosse übernimmt, beschichtet und dann nur Karossen mit einem guten Lackierergebnis für die weitere Montage wieder ausliefert. In diesem Zusammenhang wird auch der Konstrukteur und Hersteller der Applikationsanlagen in eine solche aktive Qualitätssicherung mit einbezogen [4]. Auch wenn die wichtigsten Automobillackhersteller meist zu größeren Chemieunternehmen gehören, ist Entwicklung, Fertigung und der Vertrieb von Automobillacken – aus der Sicht der Großchemie – ein spezielles Vorgehen, das sich durchaus mittelständischer Vorgehensweisen

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Einleitung

bedient, die oft vorteilhaft ist. Dazu gehört auch, dass die größeren Automobillackhersteller sich rückintegriert haben und einen Teil der Polymere (Bindemittel) selbst herstellen und nicht der Großchemie überlassen. Das beruht weniger auf der Tradition der so genannten Lacksieder, die sich noch bei einigen Automobillackherstellern erhalten hat, als vielmehr auf dem Vorteil den ein Bindemittel bietet, dass sehr individuell passend zu einen Applikationsprozess entwickelt ist und zusätzlich einen Vorsprung gegenüber dem Wettbewerber beinhalten kann. Bei rationellen Fertigungsmethoden für solche Bindemittel bedeutet dass gleichzeitig eine höhere Wertschöpfung zwischen Rohstoff und Fertigprodukt. Zu den vielen verschiedenen Zulieferfirmen für die Automobilindustrie gehören natürlich auch Unternehmen, die Ein- und Anbauteile herstellen und lackieren. Dabei handelt es sich meist um mittelständische oder kleinere Unternehmen, die von einem Lackmaterial möglichst unproblematisches Applikationsverfahren und niedrige Kosten erwarten. Bei den Zulieferern werden möglichst rationelle, industrielle Beschichtungsverfahren angewendet. Dagegen ist die Automobil-Reparaturlackierung von handwerklicher Leistung geprägt, die sich aber durchaus wissenschaftlich ausgearbeiteter Verfahren bedient. Dazu gehören besonders die Methoden zu Reproduktion der verschiedensten Farbtöne und Effekte für die zu reparierenden Automobile. Die Hersteller von Reparaturlacken – und dazu gehören neben denen, die schon bei der Herstellung von Automobilserienlacken genannt sind, einige weitere Unternehmen – stellen den zahlreichen Reparaturlackwerkstätten Programme zu Verfügung, die nicht nur die notwendigen Materialien für die Mischung der Farbtöne und Effekte enthalten (so genannte Mischregale), sondern auch Software für die Bestimmung der Farbtöne und die stoffliche Formulierung der Reparaturlacke. Die größeren Unternehmen bieten auch regelmäßige Schulungsprogramme für die Mitarbeiter der Reparaturlackwerkstätten an. Aufgrund ihrer Bauweise und Größe und der anderen Fertigungszeiten erfordern LKW, Busse und andere Großfahrzeuge andere Applikationsverfahren und damit auch andere Lacksysteme. Dabei steht vor allem die Haltbarkeit im Vordergrund. Allerdings gibt es hier Wünsche nach Firmen-Logos und anderen Aufschriften oder Darstellungen, die zum Teil der Lackindustrie gestellt werden aber mehr noch die Hersteller von Klebefolien fordern.

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Bestandteile von Lacken

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Allgemeines

2.1 Bestandteile von Lacken Alle Lacke – auch die verschiedenen Automobillacke (Fahrzeuglacke) – enthalten prinzipiell vier Stoffgruppen: Bindemittel, Pigmente bzw. pigmentähnliche Stoffe, Löse- bzw. Dispersionsmittel und Additive.

2.1.1 Bindemittel Bindemittel bilden die Basis für den eigentlichen Lackfilm. Bindemittel sind Polymere. Polymere sind sehr hochviskose Flüssigkeiten, die den Eindruck eines Festkörpers erzeugen. Aber im Gegensatz zu den echten Festkörpern, die Kristallstrukturen haben, sind ihre Moleküle regellos angeordnet und haben untereinander nur einen mittleren Abstand, wie die von üblichen Flüssigkeiten. Durch die großen Massen der Moleküle von Polymeren sind diese nur sehr gering beweglich [5]. Aufgrund dieser physikalischen Eigenschaften erfüllen Polymere die Anforderungen an einen Lackfilm, nämlich in einem dünnen Überzug eine möglichst effektive Schutzwirkung für einen Untergrund zu bilden. Dazu gehört die Beständigkeit gegen mechanische Einflüsse (Verformung, Stoß), Bewitterung (Licht, Luftfeuchtigkeit, Fall-out), Chemikalien und Lösemittel. Diese Eigenschaftssumme wird am besten durch vernetzte Polymere erzeugt, die elastische Eigenschaften haben und prinzipiell nicht mehr löslich und schmelzbar sind. Deshalb können vernetzte Moleküle erst nach der Applikation auf dem Substrat erzeugt werden. Lacksysteme die zu vernetzten Filmen führen sollen, enthalten also Bindemittel, die so reaktionsfähig sind, dass sie nach der Applikation vernetzte Großmoleküle bilden können. Die Systeme werden daher als Reaktionslacke bezeichnet. Die Bindemittel des verarbeitungsfähigen Lackes bilden dabei also eine Vorstufe des Films. Sie sind meist nicht sehr hochmolekular (Oligomere). Der Filmbildungsprozess dieser Reaktionslacke besteht aus der Abgabe des Löse- bzw. Dispergiermittels und einer Vernetzungsreaktion. Es gibt auch noch Bindemittel, die nur durch Abgabe der Löse- bzw. Dispersionsmittel Filme bilden. Da es sich dabei nur um einen physikalischen Prozess handelt bezeichnet man die Lacksysteme daraus als physikalisch trocknend. Um auch mit solchen Bindemitteln ausreichende Beständigkeitseigenschaften zu erreichen, wählt man dafür möglichst hochmolekulare Polymere aus. Die können allerdings nur in Form niedrig konzentrierter organische Lösungen oder aus Dispersionen verarbeitet werden, was oft einen Nachteil darstellt. Einige Automobillacke (Fahrzeug­ lacke) enthalten Kombinationen aus physikalisch trocknenden und chemisch vernetzenden Bindemitteln. Lackbindemittel sind verwandt mit den Polymeren von Kunststoffen. Sie werden nach den bekannten Verfahren der Polymerchemie hergestellt ; durch Polykondensation, Polyaddition oder Polymerisation [6]. Es gibt auch abgewandelte Naturstoffe als Bindemittel [7]. Alle Bindemittel werden zunächst in eine

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Abbildung 2.1: Prinzipielle Zusammensetzung von Lacken

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Allgemeines

Abbildung 2.2: Farbeffekte durch Absorption und Streuung von Licht

Form gebracht, die die Herstellung des Lackes und dessen Applikation nach vorgegebenen Verfahren ermöglicht. Erst dann müssen sie in der Lage sein, Filme mit den geforderten Eigenschaften zu bilden. Die wichtigsten Bindemittel für Automobillacke (Fahrzeuglacke) sind Polyester, Alkydharze, Acrylatharze, Aminoharze, Polyisocyanate, Polyurethane, Epoxidharze und Celluloseester. Sie werden bei den einzelnen Lacksystemen beschrieben.

2.1.2 Pigmente und pigmentähnliche Stoffe Pigmente und pigmentähnliche Stoffe bestehen aus den Gruppen der eigentlichen Pigmente (im engeren Sinne des Wortes, färbende Pigmente), den Effektstoffen und den funktionellen Pigmenten, zu denen hier auch die so genannten Füllstoffe gerechnet werden. Färbende Pigmente und funktionelle Pigmente werden durch bestimmte Dispergiertechniken in ein Lacksystem eingebracht. 2.1.2.1 Farbwirkung Pigmente im engeren Sinne des Wortes (Farbpigmente, einschließlich Weiß und Schwarz) sind feinteilige Pulver aus kristallinen Feststoffen, die möglichst nicht in organischen Lösemitteln oder Wasser löslich sein sollen. Sie werden in der Bindemittelmatrix des Lackfilms effektiv verteilt und bilden den Farbeffekt eines Lackes. Klarlacke enthalten natürlich keine Pigmente dieser Art. Die Farbwirkung entsteht durch Absorption und Streuung des sichtbaren Lichts, schematisch dargestellt in Abbildung 2.2. Absorption Bestimmte Körper absorbieren das sichtbare Licht bzw. Teile des sichtbaren Lichts. Diese Stoffe nehmen die Energie des Lichts als elektromagnetische Strahlung durch Änderungen von Gleichgewichtszuständen auf, wie durch Bindungsresonanzen, Elektronenresonanzen und Änderung von Bindungswinkeln. Die Lichtenergie wird dabei in Bewegung und Wärme überführt [8]. Hat ein Lichtstrahl beim Eintritt in das absorbierende Medium die Intensität I0, so wird die erste Schicht einen bestimmten spezifischen Bruchteil der Lichtenergie aufnehmen. Die nächste Schicht erreicht dann nur noch die um diesen Teil verringerte Intensität, aus der dann – wenn das Medium homogen ist – wieder der gleiche Anteil aufgenommen wird, usw. Die Änderung der Intensität dI ist also abhängig von der jeweiligen Intensität IX an der Stelle x und dem spe-

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zifischen Anteil K davon, den die Schichtdicke dx aufnimmt. Daraus ergibt sich dann für die gesamte Energieaufnahme nach folgenden Gleichungen (Gesetz von Lambert [9]) : Gleichung 2.1:

Das bedeutet, dass sich die Intensität I0 eines in ein absorbierendes Medium einfallenden Lichtstrahls nach einer e-Funktion bei Durchgang durch eine Schichtdicke x auf die Intensität Ix ändert. Der so genannte Extinktionskoeffizient K ist stoffspezifisch. Für Lösungen von Farbstoffen und farbigen Ionen wurde gefunden, dass der Extinktionskoeffizient K in einer linearen Funktion abhängig ist von der Konzentration des färbenden Stoffes (Lambert-Beer Gleichung [10]). Daraus resultieren die Methoden die colorimetrische Analytik. Gleichung 2.2:

Dabei ist K‘ der spezifische molare Koeffizient eines gelösten Stoffes pro mm und Mol. Bei farbigen Medien ist diese Größe ist abhängig von der Wellenlänge. Das austretende oder von einem weißen Untergrund reflektierte Licht entspricht der Komplementärwellenlänge zur Wellenlänge des Absorptionsmaximums des Mediums, bzw. der farbgleichen Wellenlänge bei mehreren Absorptionsmaxima. Brechung Tritt Licht von einem optisch dünneren Medium in ein optisch dichteres Medium ein, so wird der Einfallsstrahl zum Einfallslot hin gebrochen. Die Sinuswerte von Einfallswinkel und dem Winkel des gebrochenen Lichtstrahls verhalten sich umgekehrt proportional wie die optischen Dichten (Brechungsindices, n) der Medien (Gleichung von Snellius [11], Gleich. 2.3, S. 20). Da der Brechungsindex von Luft nahezu eins ist, kann nur der Brechungsindex des Mediums berücksichtigt werden (Abb. 2.3, S. 20). Fällt umgekehrt ein Lichtstrahl aus einem optisch dichteren Medium in ein optisch dünneres, so wird er vom Einfallslot weg gebrochen. Sobald der Ausfallswinkel eine bestimmten Wert α* erreicht

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Abbildung 2.3: Lichtbrechung in optisch verschieden dichten Medien Gleichung 2.3:

wird der Ausfallswinkel β 90°, das bedeutet der Lichtstrahl verlässt das Medium nicht. Wird α noch größer, so wird β größer als 90°, dann wird der Lichtstrahl an der Grenzfläche des Medium total reflektiert. Der Grenzwinkel der Totalreflektion α* ist abhängig vom Brechungsindex n. Gleichung 2.4:

Vielflächige Körper von Medien mit hohem Brechungsindex geben daher dem einfallenden Licht die Möglichkeit der totalen Reflektion (Beispiel: Diamantschliff zum Brillanten). Wenn ein Lichtstrahl in ein optisch dichteres Medium fällt, wird außer dem Hauptstrahl, der dem Brechungsgesetzt folgt, ein Teil des Lichtes an der Oberfläche reflektiert. Die Intensität dieser Reflektion IR im Vergleich zur Intensität des einfallenden Lichts I0 ist ebenfalls abhängig von den Brechungsindices der Medien (Gleichung von Fresnel [12]). Gleichung 2.5:

Der Wert für ein Gebrauchsglas ist zum Beispiel 0,16. Der Brechungsindex als spezifische Eigenschaft eines Stoffes ist genau wie der Extinktionskoeffizient abhängig von der Wellenlänge des

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Lichts. Allgemein gilt, dass energiereichere Lichtwellen stärker gebrochen werden, als energieärmere, das heißt der Brechungsindex fällt mit steigender Wellenlänge. Es besteht darüber hinaus auch ein Zusammenhang zu den Absorptionsmaxima, denn dort ist der Brechungsindex sehr hoch; es gibt also auch dafür Maxima. Streuung Es hat sich dann herausgestellt, dass für kleine Teilchen das hier genannte Reflektionsgesetz nicht zutrifft. Für kleine Teilchen, mit Durchmessern unter 10 µm bis zur halben Wellenlänge des Lichts ist die Intensität IR der Reflektion abhängig vom Teilchenvolumen v, von der Wellenlänge des Lichts λ und von einer spezifischen Konstante S (Gleichung von Rayleigh [13]). Gleichung 2.6:

Diese so genannte Rayleigh-Streuung entsteht dadurch, dass kleine Teilchen mit dem einfallenden Licht schwingen und dabei zum Zentrum einer neuen Lichtstrahlung werden, die nicht gerichtet ist. Daher kommt der Begriff Streuung und die spezifische Konstante S ist der Streukoeffizient. Der Streukoeffizient ist auch abhängig vom Verhältnis des Brechungsindex der Teilchen gegenüber dem des Mediums. So ist z. B. Bariumsulfat (n = 1,64) an der Luft (n ~ 1,0) als weißes Pulver zu sehen, in einer Filmmatrix aus Lackbindemitteln (n ~ 1,5) ist es dagegen durchscheinend. Eine weitere Komponente der Streuung ist die so genannte Mie-Streuung. Die Definition der Mie-Streuung ist eine mathematische Beschreibung der Streuung des Lichts an sphärischen Teilchen, die ungefähr die Größe der elektromagnetischen Wellen haben. Im Unterschied zur Rayleigh-Streuung ist das gestreute Licht unabhängig von der Wellenlänge des einfallenden Lichts [14]. Die Mie-Streuung ist die Ursache des Tyndall-Effekts und der Interferenz-Effekte. Da das Rayleigh-Gesetz für Teilchen gilt, ist die Intensität der Streuung des Lichts umso größer, desto mehr Teilchen ein Medium enthält. Wenn die Größe der Teilchen die halbe Wellenlänge des sichtbaren Lichts unterschreitet, können diese Teilchen nicht mehr zur Schwingung angeregt werden. Solche Teilchen wären dann – auch wenn sie hohe Brechungsindices im Vergleich zur Matrix haben – transparent. Sie sind allerdings sichtbar, wenn sie das sichtbare Licht oder Teile davon absorbieren. (Beispiele: nanoskaliges Titandioxid ist transparent, Ruß mit ähnlich kleinen Teilchen ist schwarz.) Der Farbeindruck eines pigmentierten Lackfilms wird von den beschriebenen Größen beeinflusst. Eine Lackschicht ist weiß, wenn das einfallende Licht über alle Wellenbereiche durch Streuung reflektiert wird. Eine Lackschicht ist schwarz, wenn das einfallende Licht über alle Wellenbereiche von der Schicht möglichst vollständig absorbiert wird. Dabei kann die Oberflächenreflektion den Eindruck ‚glänzend‘ erzeugen. Ein Lackfilm ist farbig wenn ein bestimmter Wellenbereich des sichtbaren Lichts absorbiert wird (oder auch mehrere Teilbereiche) und das übrige Licht durch Streuung oder auch vom Untergrund reflektiert wird. Diese Reflektion wird in der Summe als Remission bezeichnet. Aufhellvermögen Unter Aufhellvermögen versteht man die Fähigkeit eines Weißpigments die Reflektion eines farbigen oder schwarzen Systems zu erhöhen. Natürlich ist das Aufhellvermögen abhängig von Menge und Teilchenkonzentration des Weißpigments. Unterschiedliche Weißpigmente haben ein unterschiedliches Aufhellvermögen. Auch die Effektivität der Dispergierung kann das Aufhellvermögen beeinflussen. Das Aufhellvermögen wird durch Vergleichsmessungen an unterschiedlichen Pigmenten und unterschiedlichen Konzentrationen (Pigmentvolumenkonzentrationen) quantifiziert [15].

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Färbevermögen Analog zum Aufhellvermögen versteht man unter Färbevermögen, die Fähigkeit eines Buntpigments ein weißes System anzufärben [16]. Das Färbevermögen ist natürlich auch von der Teilchenzahl bzw. der Pigmentvolumenkonzentration abhängig, aber eine spezifische Eigenschaft der verschiedenen Pigmente. Die so genannte Farbtiefe eines Pigments ist aus Farbsättigung und Helligkeit zusammengesetzt, die nicht linear zusammenwirken. Zur quantitativen Bestimmung des Färbevermögens bedarf es daher Vergleichmessungen mit Abmischungsstandards. Deckvermögen Unter Deckvermögen versteht man die Fähigkeit eines Lackfilms die Farbe des Untergrunds abzudecken. Diese Abdeckung kann sowohl durch Absorption des Lichtes als auch durch Streuung erfolgen. P. Kubelka und E. Munk [17] definierten die Gesamtreflektion eines pigmentierten Mediums als Funktion der Bestrahlungsintensität und der Schichtdicke (x). Die Definition enthält als Koeffizienten die spezifischen Koeffizienten der Absorption K und der Streuung S. Zunächst gilt für die Änderung der Intensität eines einfallenden Lichtstrahl (dI): Gleichung 2.7:

Entsprechend gilt für die Änderung der Intensität des – vereinfachend – als entgegengesetzt wirkend definierten Streulicht (dJ): Gleichung 2.8:

Beide Strahlen werden wiederum gestreut, sodass die beide Funktionen zu ergänzen sind: Gleichung 2.9:

Durch Subtraktion der umgeformten Gleichungen erhält man: Gleichung 2.10:

Wenn man das Verhältnis der Intensitäten des Streulichts zu der des einfallenden Lichts als Reflektion definiert erhält man daraus: Gleichung 2.11:

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Wenn man in dieser Abhängigkeit keine Änderung der Reflektion bei Änderung der Schichtdicke mehr findet, gilt für den Grenzwert der Reflektion R∞ : Gleichung 2.12:

Auch wenn diese Berechnungen einige Näherungen enthalten, gilt die Kubelka-Munk-Gleichung bis heute als beste Beschreibung des Zusammenwirkens von Streuung und Absorption färbender Schichten und als Maß für das Deckvermögen von Lacken. In der Praxis wird das Deckvermögen ermittelt durch die Applikation des zu prüfenden Lackes in Form eines Keils auf einen schwarzweiß geschachten Untergrund. Beurteilt wird die Trockenfilmdicke, die ausreicht den Kontrast der schwarzen und weißen Felder zu überdecken. In der Praxis ist es bei einigen Farbtönen oft schwierig diese Schichtdicke zu realisieren. Das gilt vor allem für Weiß und Gelb- und OrangeFarbtöne, die mit organischen Pigmenten hergestellt sind. Einteilung der Pigmente Die verschiedenen Pigmente werden in chemische Stoffklassen und nach ihrer Farbgebung eingeteilt. Zunächst gibt es die Gruppen der anorganischen und organischen Pigmente. Die Abbildung 2.4 zeigt Remissionskurven von typischen Pigmenten in Abhängigkeit von der Wellenlänge des sichtbaren Lichts.

Abbildung 2.4: Remissionskurven von typischen Pigmenten in Abhängigkeit von der Wellenlänge des sichtbaren Lichts

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2.1.2.2 Anorganische Pigmente Anorganische Weißpigmente bestehen aus farblosen Festkörpern mit hohen Brechungsindices. Farbige anorganische Pigmente bestehen aus Schwermetallsalzen und Schwer­metalloxiden (vor allem Mischoxide), die durch das Licht die Möglichkeit von Elektronenübergängen an offenen d-Schalen (Chrom-III-oxid), von Ladungstransfers zwischen Oxidationsstufen (Eisen-II,III-oxid), der Absorption an freien Radikalen im Festkörper (Ultramarine) und von Bandübergängen vom Metallion zum Stammgitter (Cadmiumsulfid, Nickeltitanat) haben. Anorganische Pigmente haben prinzipiell ein größeres Streuvermögen als organische Pigmente, aber es ist oft aufwändiger kleine Teilchen zu erzeugen (im Einzelnen siehe Kapitel 3.6.3.4). 2.1.2.3 Organische Pigmente Organische Pigmente bestehen aus feinteiligen kristallinen Festkörpern relativ großer organischer Moleküle, die ausgedehnte aromatische Doppelbindungssysteme (Konjugierte Doppelbindungen) enthalten. Sie enthalten daneben auch Heteroatome, deren Elektronenkonfigurationen mit den Kohlenstoffdoppelbindungen der Aromaten wechselwirken. Es handelt sich hauptsächlich um mehrkernige, oft annellierte Aromaten verbunden mit Diazo-, Azo-, Keto- und Imino-Gruppen, Substituenten sind Halogene, Sulfo-, Hydroxy-, Nitro- und Carboxylgruppen. Die Farbwirkung entsteht über eine Absorption von Teilen des sichtbaren Lichts durch mesomere Resonanz der Doppelbindungssysteme. Die ausgewählten, relativ großen Moleküle ergeben weitere Vorteile (geringe Löslichkeit und Migrationsbeständigkeit). Organische Pigmente für Decklacke und Effektlacke werden nach ihrer Beständigkeit gegen Lösemittel und gegen Migration und der Wetterbeständigkeit ausgewählt. Organische Pigmente werden meist mit Teilchengrößen im Bereich der halben Wellenlänge des sichtbaren Lichts hergestellt, ihre Farbwirkung entsteht bevorzugt durch Absorption (im Einzelnen siehe Kapitel 3.6.3.5). 2.1.2.4 Effektstoffe Als Effektstoffe bezeichnet man pigmentähnlich Partikel, die in einer Filmmatrix unterschiedliche Helligkeits- und Farbwirkungen erzeugen, die vom Betrachtungswinkel abhängig sind. Diese Unterschiede bezeichnet man trivial als Flip-Flop-Effekte. Zunächst waren es plättchenförmige Aluminiumpigmente (Aluminium-Flakes), die in Basislacken für den Betrachter einen Metalleffekt ergeben. Dann wurden die Glimmerpigmente entwickelt, die durch Interferenzen Perleffekte ergeben und – wenn sie mit Metalloxiden dotiert sind – je nach Betrachtungswinkel auch Farbeffektwechsel erzeugen. Jetzt gibt es noch andere plättchenförmige Pigmente die auf der Oberfläche mit wenigen nm dicken Schwermetalloxidschichten dotiert sind. Weiterhin werden Effektstoffe aus aufgedampften Aluminiumschichten hergestellt. Während die bisher genannten Effektpigmente alle anorganischen Ursprungs sind, gibt es auch Effektpigmente aus organischen Flüssigkristallen, bei den lamellenartige Molekülstrukturen durch UV-Vernetzung stabilisiert werden und durch Interferenzen Farbwirkungen erzeugen. Die Effektstoffe sind bei den Basislacken (siehe Kapitel 3.7.3.5) behandelt. 2.1.2.5 Funktionelle Pigmente Unter funktionellen Pigmenten sollen die pigmentähnlichen Bestandteile einer Lackformulierung verstanden werden, die nicht wegen einer Farbwirkung verwendet werden, sondern eine andere Funktion haben, d. h. eine andere Aufgabe erfüllen sollen. Füllstoffe Von manchen Autoren werden die Füllstoffe als eigene Pigmentklasse behandelt. Es handelt sich um anorganische kristalline Verbindungen, die aufgrund ihres relativ geringen Brechungsindex, der im Bereich dem der Filmbildner liegt, keine Farbwirkung haben. Füllstoffe haben zunächst die Aufgabe – wie ihre Bezeichnung impliziert – für Fülle der Lackschicht zu sogen. Fülle ist

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der visuelle Eindruck einer Lackschicht ein Substrat gut abzudecken. Der Eindruck ist von der Schichtdicke auch von der Oberflächenstruktur der Lackschicht abhängig. Füllstoffe sollen auch möglichst preisgünstige Rohstoffe sein. Füllstoffe haben auch die Aufgabe – meist in Kombination mit färbenden Pigmenten – für eine effektive Beständigkeit der Lackschicht gegen mechanische Einflüsse (vor allem Steinschlagbeständigkeit) zu sorgen. Füllstoffe werden in Grundierungen, vor allem in Füllern (mit denen sie namensverwandt sind) verwendet und dort im Einzelnen angesprochen (siehe Kapitel 3.5.3.4, Füllstoffe) Korrosionsschutzpigmente Die wichtigsten funktionellen Pigmente im engeren Sinne des Wortes sind die Korrosionsschutzpigmente. Es gibt dabei zwei Wirkungsprinzipien, eine elektrochemische Wechselwirkung mit der Metalloberfläche und eine Barrierewirkung. Die aktiven Korrosionsschutzpigmente waren lange Zeit Bleiverbindungen und Chromate (Bleimennige, Bleichromat, Zinkchromat). Aufgrund ihrer toxischen Wirkung werden solche Pigmente in industriell verarbeiteten Lacken – bis auf sehr wenige Ausnahmen – nicht mehr eingesetzt. Sie wurden zunächst durch Zinkphosphatpigmente ersetzt, die in eine elektrochemische Wechselwirkung mit der Metalloberfläche treten können, vor allem dann, wenn sie noch lösliche Anteile enthalten. Sie wirken dann ähnlich wie die Vorbehandlung der Metalle (siehe Kapitel 3.4.2). Auch Zinkphosphate werden heute als umweltgefährdend eingestuft; Lacke mit Zinkphosphatpigmenten müssen ab einem Gehalt von 2,5 % gekennzeichnet werden; Zink darf in Abwässern nur noch zu maximal 2 mg /l enthalten sein [18]. Weil aktive Pigmente das Potenzial einer Umweltgefährdung tragen, wendet man sich Pigmenten zu die eine Barrierewirkung haben, die verhindern sollen, das Wasser oder wässrige Chemikalien, die korrosiv auf das metallische Substrat wirken können, durch die Lackschicht dringen können. Solche Pigmente sind zum Beispiel Füllstoffe mit plättchenförmigen Teilchen (Glimmer, Wollastonit, Talkum) [19]. Auch Graphit und Aluminiumpigmente bilden ein Barrierewirkung in Lackfilmen aus, sind entsprechend gefärbt (schwarz bzw. metallischfarben). Ein besonderes Korrosionsschutzpigment ist der Zinkstaub. Zinkstaub wird in sehr hoher Konzentration in Lacken eingesetzt und bildet dann in einem Grundierungsfilm eine Schutzwirkung, die der durch eine Verzinkung nahe kommt (siehe dazu Kapitel 3.4.1). Pigmentähnliche Hilfsstoffe Pigmentähnliche Hilfsstoffe beeinflussen vor allem die Rheologie eines Lacksystems, indem sie aufgrund einer Wechselwirkung ihrer sehr kleinen Teilchen eine Strukturviskosität aufbauen. Verwendet werden hochdisperse Kieselsäuren (pyrogene Kieselsäure, Kieselgele) und Aluminiumsilikate mit Schichtengitter (Bentonite: Montmorillonit, Hectorit) und Talkum. Die Produkte werden sowohl in wässriger Phase als auch in Lacken mit organischen Lösemitteln verwendet. Dazu können Kieselsäuren auch organisch modifiziert werden (Alkylsiloxane) und auch Montmorillonit kann mit Aminolen und Alkoholen umgesetzt werden, um dann in Lösemitteln quellbar zu sein. Im weiteren Sinne des Wortes gehören auch die Nano-Partikel aus Siliciumdioxid, Titandioxid, Bariumsulfat und Zinkoxid in diese Stoffklasse, mit denen bestimmte Eigenschaften in Lack­ filmen erzeugt werden sollen.

2.1.3 Löse- und Dispersionsmittel Löse- und Dispersionsmittel sind die Stoffe, die Lacken ihren Verarbeitungszustand verleihen. Bis auf die Pulverlacke (siehe Kapitel 3.5.7 und 3.8.7) sind alle Lacke Flüssigkeiten, die allerdings sehr komplex aufgebaut sein können.

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Lösemittel Lösemittel sind relativ niedrigmolekulare organische Verbindungen, deren Moleküle mit denen der Polymere eine Wechselwirkung eingehen können. Sie lagern sich dabei physikalisch an die Polymermoleküle an, sie bilden so genannte Solvate (vergleichbar mit den Hydraten bei der molekularen Anlagerung von Wasser an anorganische Moleküle). Die fast immer verknäulten Polymermoleküle werden dabei aufgeschlossen. Die Solvate können sich im freien Lösemittel bewegen; es entsteht eine Lösung mit den Eigenschaften einer homogenen Flüssigkeit. Lösemittel sind – bei den für Lacke üblichen Konzentrationen der Bindemittellösungen – allerdings nicht in der Lage Solvate einzelner Moleküle zu erzeugen, wie das bei niedrigmolekularen Stoffen möglich ist, sondern die Teilchen der Polymersolvate bestehen immer aus mehreren Molekülen, die untereinander verknäult sind. Bezogen auf die Teilchengröße solcher Lösungen handelt es sich um kolloïdale Lösungen. Die mittlere Anzahl der Polymermoleküle in einem Teilchen und dessen Größe sind abhängig von der Wechselwirkung zwischen Polymer und Lösemittel, der Molmasse und Molmassenverteilung des gelösten Polymers, der Konzentration und der Temperatur. Die Fähigkeit von Lösemittelmolekülen sich an Polymermoleküle anzulagern hängt von der chemischen Struktur der Lösemittel und der Polymere ab. Man hat verschiedentlich versucht diese Eigenschaften zu quantifizieren und dazu Lösemittelparameter definiert, die die Wirkung von Größe und Polarität und die der funktionellen Gruppen der Lösemittelmoleküle erfassen [20]. Einige Hersteller von Lösemitteln haben sogar Rechnerprogramme erstellt [21], die es erlauben für ein bestimmtes Polymer die optimale Lösemittelzusammensetzung zu bestimmen. Diese Lösemittelparameter haben sich in der Praxis nicht durchgesetzt. Das hat verschiedene Gründe. Zunächst benötigt man parallel zu den Lösemittelparametern auch die Löslichkeitsparameter der Polymere um die Berechnung durchzuführen. Diese sind nur sehr schwer zu bestimmen und ändern sich individuell für jedes Bindemittel. Da die Anzahl der gebräuchlichen Lösemittel für die verschiedenen Gruppen von Lacken recht begrenzt ist, wählt der Lackfachmann die Lösemittel aus Erfahrung und ohne Berechnung aus. Das liegt wiederum darin, dass Lösemittel für Lacke nicht nur nach ihrem physikalischen Lösevermögen ausgewählt werden müssen, sondern auch nach ihrem anwendungstechnischen Verhalten. So sind im physikalischen Sinn die besten Lösemittel die, die besonders intensiv mit den Polymermolekülen wechselwirken und daher viele und relativ große Kolloidteilchen erzeugen, weil sie diese Teilchen durchdringen (man sagt gelegentlich „auffluten“). Solche Lösungen sind besonders stabil, haben die vergleichsweise höchsten Viskositätswerte (zur Beschreibung des Begriffs Viskosität siehe Kapitel 2.2.1). Natürlich sollen Bindemittellösungen für Lacke auch sehr stabil sein, aber lacktechnisch werden Lösungen bevorzugt, die bei gegebener Konzentration eine möglichst geringe Viskosität haben. Das erreicht man bei Verwendung weniger guter Lösemittel (im physikalischen Sinne). Ein Abbildung 2.5 : Abhängigkeit der Viskosität einer Bindemittel­ Kompromiss besteht oft darin, dass lösung von der Lösemittelzusammensetzung

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man in einer Lackformulierung gute Lösemittel und schlechtere Lösemittel (im physikalischen Sinne) miteinander kombiniert, um ein Optimum an Lösungsstabilität und möglichst geringer Viskosität zu erzeugen. Die schlechteren Lösemittel bezeichnet man als Nichtlöser oder Verschnittmittel, die damit erreichbare Viskositätserniedrigung als Verdünnungseffekt. Abbildung 2.5 zeigt die Abhängigkeit der Viskosität einer Bindemittellösung von der Lösungskonzentration von der Art der Lösemittelzusammensetzung. Besonders wichtig für das Applikationsverhalten sind die Verdunstungsgeschwindigkeiten der Lösemittel. Lösemittel sollen nach der Applikation möglichst gleichmäßig und vollständig aus der Filmschicht verdunsten (physikalische Trocknung). Dabei spielen natürlich die Bedingungen der Filmbildung eine wichtige Rolle: Temperatur, Zeit, Luftumwälzung (siehe Kapitel 2.3.1 Physikalische Trocknung). Auch wenn die Auswahl der Lösemittel nach den Löslichkeitsparametern sich aus den genannten Gründen nicht bewährt hat, gibt es Regeln für diese Auswahl. Lösemittel (und auch Polymere) werden nach ihrer Polarität eingeteilt. Polarität bedeutet, dass in den Molekülen der Lösemittel oder Polymere Ladungsschwerpunkte vorliegen (Teilladungen). Polare Wirkung haben vor allem Heteroatome, meist Sauerstoff in Hydroxylgruppen, Estergruppen und Ethergruppen. Lösemittel werden daher nach chemischen Gruppen eingeteilt, das sind, mit abnehmender Polarität : Alkohole, Ether, Ester, Ketone, aromatische Kohlenwasserstoffe, Terpene, aliphatische Kohlenwasserstoffe Innerhalb der Gruppen sind die Produkte mit längeren aliphatischen Ketten unpolarer als die mit kurzen. Lösemittel werden besonders nach ihrer physiologischen Wirksamkeit beurteilt. In der Vergangenheit wurden einige bislang gebräuchliche Lösemittel als toxisch definiert oder zumindest als gesundheitsschädlich. Ihr Einsatz wurde verboten oder beschränkt. Es gibt auch andere ökologische Gesichtpunkte für Restriktionen beim Einsatz von Lösemitteln. So wirken Halogenkohlenwasserstoffe und aromatische Lösemittel photolytisch und können Smog erzeugen. Die Tabelle 2.1 nennt die Reihe der Lösemittel, die entsprechend ihrer Klassifizierung nicht mehr als Lösemittel in Lacken Verwendung finden. Weitere Lösemittel sind ab einem bestimmten Mengenanteil im Lack kennzeichnungspflichtig (Xylol, Terpentinöl, Tetralin). Außerdem gibt es aufgrund der Transportvorschriften, unter dem Aspekt Brandschutz, eine Einteilung der Lösemittel nach ihren Flammpunkten. Der Flammpunkt Tabelle 2.1: Physiologisch und ökologisch bedenkliche Lösemittel Lösemittel

Begründung

Methanol

toxisch

Ethylenglykolmethyl- und -ethylether

teratogen

Ethylenglykolmethyl- und -ethyletheracetate

teratogen

Dimethylformamid

toxisch

N-Methylpyrrolidon

gesundheitsschädlich

Isophoron

gesundheitsschädlich

Halogenkohlenwasserstoffe

toxisch, photolytisch

Benzol

toxisch, cancerogen

Toluol

gesundheitsschädlich

Methylethylketon

Geruchsbelästigung

Methylisobutylketon

Geruchsbelästigung

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Tabelle 2.2: Kennzahlen der gebräuchlichen Lösemittel Lösemittel

Siede­ bereich [°C]

Verduns­ tungszahl (Ether=1)

Dampfdruck [hPa] (20 °C)

Dichte [g/cm³] (20 °C)

Flamm­ punkt [°C]

Xylol

137–142

17

90

0,874

25

Solventnaphtha

155–182

43

3

0,877

41

Solvesso 150 ®

178–209

120

1

0,889

62

n-Butanol

116–118

33

5,6

0,811

34

Isobutanol

106–107

25

9,5

0,802

28

Ethylhexanol

183–185

600

0,5

0,833

76

Methoxypropanol

119 –123

25

13,3

0,934

38

Butylglykol

167–173

163

0,9

0,901

67

Butylacetat

123–127

11

12,5

0,880

25

Methoxypropylacetat

143–149

33

3,4

0,965

45

Butylglykolacetat

190–198

250

0,4

0,945

75

Tabelle 2.3: Physikalische Kenngrößen von Wasser im Vergleich zu gebräuchlichen organischen Lösemittel Wasser

n-Butanol

Butyl­ glykol

m-Xylol

Benzin 100/140

Solvesso 150

Siedebereich (°C, 1 bar)

100

116–118

167–173

136 –139

110 –140

177–206

Verdunstungszahl (Diethylether = 1)

80

33

160

13,5

7,6

115

2.258

599

368

344

322

305

Dichte (g/ml)

1,00

0,81

0,90

0,86

0,74

0,89

Oberflächenspannung (mN/m, 20 °C)

72,2

25,5

27,8

29,5

25,2

33,7

Elektrischer Widerstand (kW/cm)

10

50

100

>106

>106

>106

Kohlenstoffgehalt (mg/g)

0

648

610

906

842

900

Verdampfungswärme (kJ/kg am Kp)

eines Lösemittels ist die Temperatur, bei der sich das Dampf-Luft-Gemisch über einem Lösemittel bei Annäherung einer Flamme entzündet. Eine wichtige Klassifizierungsgrenze ist dabei die Temperatur von 21°C [22]. Die Zündtemperatur eines Lösemittels spielt dann eine Rolle wenn es bei höheren Temperaturen zur Herstellung von Lösungen verwendet werden soll (Anlösung von Polyestern und Alkydharzen). Die Tabelle 2.2 nennt die wichtigsten gebräuchlichen Lösemittel für Automobillacke (Fahrzeuglacke) mit ihren Kenngrößen (Siedebereich, Dampfdruck, Verdunstungszahl, Dichte, Wassermischbarkeit, Flammpunkt). Generell besteht die Aufgabe die Emission organischer Stoffe (volatile organic compounds, VOC), hier also die der Lösemittel zu verringern. Die Wege dazu bestanden in der Entwicklung von Systemen, die bei höheren Festkörpern (nichtflüchtigen Anteilen, nfA) verarbeitet werden können, den so genannten High-Solids. Parallel wurden Systeme eingeführt, die Wasser als Lösemittel oder Dispergiermittel enthalten. Wasser als Löse- und Dispersionsmittel Wasser als Löse- oder Dispersionsmittel erfüllt natürlich die Forderung nach Einsparung flüchtiger organischer Bestandteile (VOC). Es gibt viele Möglichkeiten Polymere in Wasser in eine

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Verarbeitungszustand

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verarbeitungsfähige Form zu bringen (siehe Kapitel 2.2.2 und 2.2.3). Die Verwendung von Wasser in Lacksystemen ist allerdings nicht unproblematisch. Die Tabelle 2.3 [23] zeigt die physikalischen Kenngrößen von Wasser im Vergleich zu denen gebräuchlicher organischer Lösemittel. Auffallend sind die hohe Verdampfungsenthalpie, die hohe Dichte und Polarität und die relativ hohe Leitfähigkeit. Wasser wird als Lösemittel für kolloidale Lösungen und als Dispersionsmittel für verschiedene Polymerdispersionen verwendet. Es sind besondere Maßnahmen bei der Formulierung wässriger Lacksysteme zu ergreifen, die die besonderen Eigenschaften des Wassers berücksichtigen: Für die Stabilität der wässrigen Lösungen und für ein optimales Abdunsten während der physikalischen Trocknung werden oft so genannte Co-Lösemittel verwendet. Es werden Netzmittel verwendet um die Benetzung von Pigmenten und Substraten durch wässrige Bindemittel zu verbessern. Weil Wasser oft ein anomales Viskositätsverhalten erzeugt und weil es relativ langsam verdunstet, ist es erforderlich spezielle Rheologiemittel zu verwenden. Eine optimale Verdunstung muss mit vergleichsweise hohen Umluftmengen und angehobenen Umgebungstemperaturen unterstützt werden.

2.1.4 Additive Für Additive in Lacken gilt das Schlagwort: „wenig hilft viel“! Additive erfüllen ihre Aufgaben oft schon bei Zugabemengen deutlich unter 1% der Lackformulierung. Es gibt Additive die für eine optimale Herstellung des Lackes sorgen, solche die im flüssigen Lack wirken, vor allem bei der Applikation, und solche die im fertigen Lackfilm wirken. Additive werden weniger nach ihrer chemischen Zusammensetzung, sondern nach ihrer Wirkung eingeteilt. Bekannte Rohstofftabellen für Lacke [24] nennen 34 Gruppen von Additiven. Hier sind die Additiv-Gruppen aufgelistet, die für Autolacke wichtig sind. • Netzmittel für Pigmente und Untergründe • Rheologiemittel • Vernetzungskatalysatoren und -initiatoren • Verlaufmittel • Lichtschutzmittel Zusammensetzung und Eigenschaften der Additive werden bei den einzelnen Lacksystemen beschrieben.

2.2 Verarbeitungszustand 2.2.1 Organische Lösung Die wichtigste Kenngröße einer Lösung ist die Viskosität [25]. Die Viskosität (η) ist der stoffspezifische Quotient aus einer Schubspannung (Kraft pro Fläche, deren Vektor im Gegensatz zum Druck parallel der Fläche gerichtet ist; τ = F/A) und dem Schergefälle in der Flüssigkeitsschicht (Geschwindigkeitsänderung in Abhängigkeit von der Schicht; D = d[v] /d[l]). Die Dimension der Viskosität ist Pa·s (1 Pa·s = 1 N·s/m²) (siehe Abbildung 2.6). Bezogen auf eine kolloidale Lösung ist die Viskosität zunächst abhängig von der des Lösemittels und dann von der Teilchenzahl (Konzentration), der Teilchengröße, der Teilchenwechselwirkung des gelösten Polymers und der Temperatur. Abbildung 2.6: Schergefälle in einer Lösung als Maß für die Viskosität

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Konventionelle Flüssigkeiten und Lösungen niedrigmolekularer Stoffe haben Viskositäten, die unabhängig vom der Schergeschwindigkeit sind (Newton’sches Fließverhalten). Bei kolloïdalen Lösungen kann es aufgrund einer Wechselwirkung unter den Teilchen zu einer Abhängigkeit der Viskosität von der Schergeschwindigkeit kommen. Häufig sinkt die Viskosität mit steigender Schergeschwindigkeit. Dann spricht man von Strukturviskosität oder Pseudoplastizität. Die Erklärung liegt darin, dass eine Wechselwirkung zwischen den Teilchen bei steigender Scherung Schritt für Schritt aufgehoben wird. Wenn die Wechselwirkung der Teilchen sehr groß ist, bedarf es oft einer Mindestscherung um ein Schergefälle zu erzeugen. Solche Lösungen bezeichnet man als Gele, die strukturviskos mit einer Fließgrenze sind. Die Viskosität einer kolloïdalen Lösung kann nicht nur von der Schergeschwindigkeit, sondern auch noch von der Scherzeit abhängig sein. Das liegt dann daran, dass es messbaren Zeiten benötigt, um Teilchenwechselwirkungen abzubauen und auch wieder aufzubauen. Ein solches Verhalten nennt man Thixotropie. In der Lacktechnik wird der Begriff Thixotropie oft – fälschlich – für alle strukturviskose Lösungen und Dispersionen verwendet. Abbildung 2.7 zeigt Viskositätskurven unterschiedlicher Lösungen in Abhängigkeit vom Schergefälle und der Scherzeit.

2.2.2 Wässrige Lösung Es gibt nur sehr wenige Bindemittel, die wasserlöslich sind. Bindemittel aus hydrophoben Bausteinen können dadurch in eine wässrige Lösung gebracht werden, indem man ihre Moleküle zum Teil mit hydrophilen Gruppen modifiziert. Das geschieht entweder durch Bildung von Ionen (Anionen oder Kationen) oder durch Einbau besonders hydrophiler Segmente (zum Beispiel Polyethylenglykol-Seitenketten). Es entstehen kolloïdale wässrige Lösungen. Der kolloïdale Zustand ist hier stärker ausgeprägt als bei den organischen Lösungen. Die Stabilisierung über Ionen, die dann flüchtige Partnerionen haben, wird bevorzugt, weil nach Verdunsten der Partnerionen, die Wasserlöslichkeit verloren geht. Das ist dann für die Beständigkeit der Filme (auch gegen Wasser) von Vorteil.

2.2.3 Wässrige Dispersion Eine Dispersion ist (im lacktechnischen Sinne) die feinste Verteilung eines Polymers (Bindemittel) in einem Medium, das das Polymer nicht löst. Um diese Verteilung zu stabilisieren sind Tenside (Emulgatoren) erforderlich, die sich an der Oberfläche der Teilchen so orientieren, dass diese nicht koagulieren, sondern im äußeren Medium verteilt bleiben. Als Dispergiermedium wird Wasser verwendet. Die Tenside bestehen prinzipiell aus zwei Molekülteilen, von denen einer hydrophil ist und in Wechselwirkung mit dem Wasser tritt und der andere hydrophob für eine Wechselwirkung mit dem Polymer. Es können auch funktionelle Gruppen des Polymers sein, die die Wechselwirkung mit dem Wasser übernehmen. Daher gibt es einen fließenden Übergang zwischen einer wässrigen Lösung und einer wässrigen Dispersion. Die in der klassischen Physik festgelegten Definitionen für Dispersionen, kolloidalen Lösungen und so genannten echten Lösungen nach der Teilchengröße, sind hier nicht anwendbar. Es gibt Messwerte, die zeigen, dass die Teilchen einer organischen kolloïdalen Lösung, einer wässrigen kolloïdalen Lösung und einer wässrigen Dispersion die gleiche Größe haben können. Entscheidend für den Zustand und auch für das lacktechnische Verhalten bei der Filmbildung, sind die Teilchengrenzen. Lösungen haben diffuse Teilchengrenzen, Dispersionen eher scharfe Teilchengrenzen. Auch da gibt es Übergänge zwischen beiden Zuständen.

2.2.4 Organische Dispersionen Es gibt auch Polymerdispersionen in einem organischen Dispersionsmedium. Es sind meist polarere Polymere, die in einem unpolaren Medium dispergiert sind. Zur Herstellung und

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Stabilisierung sind Tenside erforderlich, die mit ihrem polaren Molekülsegmenten in physikalische Beziehung zum Polymer und mit den unpolaren zur äußeren Dispersionsphase stehen. Das können auch bestimmte Polymere sein. Es gibt relativ polare Acrylatharze, die in aliphatischen Lösemitteln dispergiert sind. Man bezeichnet sie als nichtwässrige Dispersionen (non aqueous dispersions = NAD). Ihre Vorteile sind, dass sie einmal physiologisch unbedenkliche Lösemittel enthalten, die auch nicht photosensitiv sind; und dass sie aufgrund der typischen Viskositätskurven von Dispersionen höhere Verarbeitungsfestkörper ergeben als entsprechende organische Lösungen (siehe Abbildung 2.8). Eine bestimmte Gruppe nichtwässriger Dispersionen bilden die Organosole. Dabei sind polare Polymere in einem Lösemittelgemisch dispergiert, das aus schneller flüchtigen unpolaren Anteilen und langsamer flüchtigen polaren Anteilen bestehen. Nach dem Abdunsten der unpolaren Lösemittel gehen die Polymere in dem dann vorherrschenden polaren Lösemittel in Lösung (Gelierung) und ergeben homogene, dichte Filme. Eine besondere Form der Organosole bilden die Plastisole. Es handelt sich dabei um stabilisierte Dispersionen von Polymeren in Weichmachern. Die Weichmacher haben die Eigenschaft die Polymere bei höherer Temperatur zu lösen. Aus der Dispersion entsteht dann eine Lösung und beim Abkühlen ein homogener Film aus plastifiziertem Polymer. Das wichtigste Beispiel sind Plastisole aus PVC-Mischpolymerisaten in Phthalatweichmachern, die für die Automobilbeschichtung als Unterbodenschutzmaterialien verwendet werden.

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Abbildung 2.7: Viskositäten unterschiedlicher Lösungen in Abhängigkeit von Schergeschwindigkeit und Scherzeit

Abbildung 2.8: Viskositätskurven von NAD im Vergleich zu organischen Lösungen

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2.2.5 100 %-Systeme Wenige Bindemittelsysteme sind in der Lage aus besonders niedrigmolekularen Vorstufen – also aus einer verarbeitungsfähigen Form ohne Lösemittel oder Dispersionsmittel – durch Vernetzung ausreichend beständige Filme zu erzeugen. Aus der Vergangenheit sind dafür zunächst die so genannten trocknenden Öle zu nennen, die flüssig sind und – kombiniert mit Sikkativen – durch Aufnahme von Luftsauerstoff zu vernetzen. Der Vorgang dauert allerdings relativ lange. Entscheidend für lösemittelfreie Systeme, die man auch 100 %-Systeme nennt, ist neben der ausreichend niedrigen Viskosität eine besonders hohe Reaktivität, eine Vorraussetzung für die Bildung optimaler Filme. Bekannte Systeme sind die Kombinationen von Polyetherpolyolen mit Polyisocyanaten und die von flüssigen Epoxidharzen mit Polyaminen als Vernetzer. Auch die Kombinationen von Bindemitteln mit so genannten reaktiven Verdünnern haben das Ziel möglichst ohne Lösemittelemission zu funktionieren. Reaktive Verdünner wirken zuerst als organischen Lösemittel zum Einstellen der Verarbeitungsviskosität, reagieren dann mit dem gelösten Bindemittel, möglichst ohne zu verdunsten und werden integraler Bestandteile der Bindemittelmatrix des Lackfilms. Beispiele für Produkte, die reaktive Verdünner enthalten sind die Kombinationen aus ungesättigten Polyesterharzen und Styrol, die mit Peroxidinitiatoren und Beschleunigern bei Raumtemperatur vernetzen können und die aus oligomeren Acrylatbindemitteln mit Acrylatmonomeren, die durch UV-Vernetzung Filme bilden [26].

2.2.6 Pulverlacke Polymerpulver lassen sich in Luft in ein Aerosol überführen. Aerosole haben Eigenschaften, die denen von Flüssigkeiten vergleichbar sind. Sie lassen sich kontinuierlich fördern und damit auch applizieren. Sie umhüllen Objekte wie eine Flüssigkeit. Die Filmbindung aus Aerosolen erfolgt durch einen Schmelzvorgang. Zur Beschichtung von Objekten, werden aufgeheizte Körper in ein Wirbelbett mit Pulveraerosol eingetaucht, die auf die Oberfläche prallenden Teilchen schmelzen und bilden einen Film (Wirbelsinterverfahren). Oder die Teilchen eines Aerosols werden in einem elektrischen Hochspannungsfeld aufgeladen und zu einem geerdeten Objekt transportiert, an dem sie zunächst anhaften und dann in einem Einbrennprozess durch Schmelzen filme bilden können.

2.3 Filmbildung 2.3.1 Physikalische Trocknung Nachdem das Lacksystem eines gelösten oder dispergierten Polymeren appliziert wurde, muss das Lösemittel bzw. das Dispersionsmittel, dass für die Herstellung eines applikationsfähigen Zustands erforderlich war, wieder entfernt werden. Das geschieht durch die physikalische Trocknung, das Verdampfen von Lösemitteln oder Dispersionsmitteln. Dass Lösemittel unterhalb ihres Siedepunkts vollständig verdampfen liegt daran, dass sie auch bei niedrigeren Temperaturen einen messbaren Dampfdruck haben. Das bedeutet, dass ein Anteil der Lösemittelmoleküle – in Abhängigkeit von der Temperatur – so viel kinetische Bewegungsenergie hat, dass diese aus der Filmschicht in die Umgebung (Luftraum) diffundieren. Da energiereichere Moleküle die Schicht verlassen, kühlt sich diese ab. Diese gasförmigen Lösemittelmoleküle können auch wieder von der Filmschicht aufgenommen werden. Im Gleichgewicht ist die Menge der Lösemittel in einem Raum über der Flüssigkeitsschicht konstant (dynamisches Gleichgewicht). Der Partialdruck dieser Lösemittelmenge ist der Dampfdruck (Sättigungsdampfdruck). Ist das Volumen über der Flüssigkeitsschicht sehr groß und wird die Temperatur durch Konvektion aus der Umgebung gehalten wird dieser Dampfdruck nicht erreicht, selbst wenn

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praktisch alle Flüssigkeitsmoleküle verdampft sind. Für eine effektive physikalische Trocknung ist daher nicht nur die Temperatur sondern auch eine ausreichende Luftumwälzung, gekennzeichnet durch Volumen und Austauschgeschwindigkeit, sehr wichtig. Das gilt besonders für die Automobilserienlackierung. Eine gleichmäßige Verdunstung der Lösemittel lässt die Viskosität der Filmschicht gleichmäßig ansteigen und sichert einen effektiven Verlauf des sich bildenden Films, eine Vorraussetzung für Glätte und Glanz einer Lackschicht. Lacke enthalten daher oft gezielt Mischungen aus schneller und langsamer verdunstenden Lösemitteln. Dabei ist noch zu bedenken, dass der Dampfdruck der reinen Lösemittel höher ist als bei deren Anteil in einer Lösung, denn die Wechselwirkung von Lösemittel und Polymer bindet einen Teil der Lösemittelmoleküle (Solvate) und erniedrigt deren Dampfdruck. Diese Dampfdruckerniedrigung ist bei guten Lösemitteln (im physikalischen Sinne) deutlicher als bei schlechten Lösemitteln (Verschnittmitteln). Auch das Wasser als Löse- oder Dispersionsmittel verdunstet unter diesen Bedingungen. Dabei ist daran zu denken, dass Wasser eine besonders hohe Verdampfungsenthalpie hat (siehe Kapitel 2.1.3). Die physikalische Filmbildung aus wässrigen Dispersionen erfordert, dass die Teilchen sich zumindest randlich gegenseitig durchdringen. Polymerteilchen können das nur oberhalb ihrer so genannten Mindestfilmbildungstemperatur (MFT). Die MFT liegt etwas oberhalb der Glasübergangstemperatur der Polymere in den Teilchen. Prinzipiell sind sehr kleine Teilchen aufgrund ihrer – im Vergleich zu ihrer Masse – sehr hohen Oberfläche gut in der Lage bei Trocknungsvorgängen ineinander zu schmelzen (hohe Oberflächenspannung und die Wirkung von Kapillarkräften). Allerdings müssen die aus den Emulgatoren bestehenden Barrieren überwunden werden und die Temperatur über der MFT liegen. Für Dispersionen, die bei Raumtemperatur Filme bilden sollen (wie alle Wandfarben und Bautenlacke) bildet das ein Problem. Denn die mechanische Beständigkeit und die Diffusionsdichte sind oberhalb der MFT nicht sehr gut. Es gibt daher eine Reihe von Maßnahmen auch solche Dispersionen in optimale Filme zu überführen : •  Verwendung von Koaleszenzmitteln (Lösemittel als Filmbildehilfsmittel) •  Verwendung von gelösten Co-Bindemitteln •  Verwendung von Core-Shell-Dispersionen (mit hartem Kern und weicher Schale).

2.3.2 Chemische Filmbildung Um bei einer rein physikalischen Trocknung ausreichende Beständigkeitseigenschaften zu erhalten, müssen Polymere ausgewählt werden, die nur schwer löslich sind und möglichst hohe Molmassen haben. Wie schon beschrieben bilden solche Polymere aus Dispersionen nur oberhalb ihrer MFT einigermaßen geschlossene Filme. Die organischen Lösungen solcher Polymere sind besonders hochviskos, bzw. sie enthalten im verarbeitungsfähigen Zustand (Applikationsviskosität) nur sehr geringe Feststoffanteile (nfA) und sehr viel Lösemittel. Das ist nicht nur unter der Vorgabe die Anteile flüchtiger organischer Komponenten (VOC) von Lacken zu reduzieren ein sehr großer Nachteil, sondern auch aus kommerziellen Gründen (hohe Verluste). Die meisten industriell verarbeiteten Lacksysteme enthalten daher Bindemittel, die hochbeständige Großmoleküle erst nach der Applikation ausbilden. Das bedeutet, die Bindemittel sind reaktiv und bilden erst nach der Applikation sehr große Moleküle. Die Bindemittel dieser Lacke haben zunächst relativ niedrige mittlere Molmassen, man könnte sie als Oligomere bezeichnen. Solche Oligomere benötigen deutlich weniger Lösemittel im Vergleich zu Hochpolymeren, um im Lack in eine verarbeitungsfähige Form überführt zu werden. Der Vorgang der Bildung sehr großer Moleküle nach der Applikation – das bedeutet in relativ kurzer Zeit unter definierten Bedingungen (Temperaturen) – besteht in einer Vernetzungsreaktion. Bei der Vernetzung reagieren unterschiedliche funktionelle Gruppen von Bindemitteln miteinander. Die unterschiedlichen

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Gruppen können zwar auch an einem Bindemitteltyp vorkommen (diese Vernetzung wird dann als Selbstvernetzung bezeichnet) aber in den meisten Fällen werden zwei oder sogar noch mehr Bindemittel miteinander kombiniert, deren unterschiedliche reaktive Gruppen miteinander reagieren können (das wird als Co-Vernetzung bezeichnet). Selbstvernetzung und Co-Vernetzung laufen meistens unter speziellen Bedingungen ab; entweder unter dem Einfluss von Katalysatoren bzw. Initiatoren schon bei normaler Temperatur, oder bei höheren Temperaturen (Einbrennlacke). Die Lacke sind dann als fertige Mischung ohne Katalysator oder Initiator bei Raumtemperatur lagerstabil. Für die Mischungen untereinander reaktionsfähiger Komponenten gibt es natürlich keine unbegrenzte Lagerstabilität. Man bezeichnet Lacksysteme als ausreichend lagerstabil, wenn sie sich in einem Zeitraum von sechs Monaten bei Raumtemperatur nur so gering verändern, dass das Applikationsverhalten vergleichbar bleibt und die geforderten Film­ eigenschaften erfüllt werden. Man bezeichnet solche Lacksysteme als Einkomponentenlacke, auch wenn sie mehrere Bindemittelkomponenten enthalten. Wenn die reaktionsfähigen Komponenten eines Lacksystems bereits ohne die Einwirkungen von Katalysatoren oder Initiatoren bei Raumtemperatur miteinander reagieren, ist man gezwungen, sie getrennt auszuliefern und erst kurz vor der Verarbeitung zu mischen. Solche Lacke bezeichnet man als Zweikomponentenlacke, weil sie als zwei getrennte Bestandteile gehandelt werden. Die Hauptkomponente, die dann auch die Pigmente und Additive enthält bezeichnet man als Stammlack. Die Nebenkomponente die meist aus dem niedriger molekularen Bindemittelanteil besteht, bezeichnet man als Härter (oder Vernetzer). Nach der Mischung ist die Kombination innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts optimal verarbeitungsfähig. Den Zeitabschnitt bezeichnet man als Potlife; es werden dafür meist sechs Stunden verlangt. Wenn Applikationsmethoden verwendet werden, die einen Mischprozess beinhalten, spielt das Potlife natürlich keine Rolle. Effektivität der Vernetzung Die Anzahl und die Reaktivität der funktionellen Gruppen von Bindemitteln ergeben die theoretische Möglichkeit, dass unendlich große Moleküle entstehen. Das würde bedeuten, dass eine Filmschicht auf einem Substrat nur noch aus einem einzigen räumlich vernetzten Großmolekül besteht. Das ist in der Realität aus verschiedenen Gründen natürlich nicht möglich. Zum einen fällt die Reaktionsgeschwindigkeit mit der Konzentration der reaktionsfähigen Gruppen. Außerdem benötigt eine chemische Reaktion zweier funktioneller Gruppen eine Mindeststoßenergie (molekulare Bewegung) um erfolgreich zu sein. Bei der durch Diffusion gesteuerten Bewegung wachsender Moleküle sinkt die Bewegungsfähigkeit auf sehr kleine Werte. Hier wird daher vorausgesetzt, dass die Vernetzungsreaktion aus solchen thermodynamischen Gründen schließlich zum Stillstand kommt. Der molekulare Aufbau vernetzter Filme enthält daher unterschiedlich große Moleküle. Die vernetzten Großmoleküle haben sicher eine Begrenzung. Aber sie streben im Vergleich zu den Ausgangsstoffen unendliche Größe an, d.h. ihre Größe liegt sicher deutlich über 106 g/mol. Weil man aus fast allen vernetzten Filmen durch Elution bestimmte Anteile gewinnen kann, ist sicher, dass reale Filme auch noch messbare Anteile löslicher – also nicht vernetzter – Moleküle enthalten. Die Effektivität der Vernetzung ist natürlich ausschlaggebend für die Filmeigenschaften. Hohe Beständigkeiten gegen Lösemittel und Chemikalien erhält man durch möglichst dichte molekulare Netzwerke. Bisher wird in der Literatur und in der Praxis eine hohe Netzwerkdichte mit geringer Flexibilität in Verbindung gebracht. Es gibt Beispiele, dass besonders eng vernetzte Filme auch sehr flexibel sein können (hochvernetzte Polyesterimide als Drahtlacke, hochflexible und hochvernetzte UV-Lackschichten). Hier wird davon ausgegangen, dass für die Flexibilität (und Haftung) die Ausdehnung der molekularen Netzwerke ausschlaggebend ist. Danach bilden Moleküle mit einer hohen Anzahl funktioneller Gruppen zwar eng vernetzte Moleküle, deren Ausdehnung aus den oben erwähnten thermodynamischen Gründen nicht sehr groß ist. Das bedeutet geringere Flexibilität der entstehenden Filme. Wenn man Bindemittel auswählt, die eine geringere

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Anzahl funktioneller Gruppen enthalten, entstehen bei der Filmbildung weitmaschigere Netzwerke, die aus thermodynamischen Gründen eine deutlich größere Ausdehnung haben können. Solche Filme sind flexibel, aber weniger diffusionsdicht und daher auch weniger beständig gegen Lösemittel und Chemi­ kalien (Quellbarkeit). Die Flexibilität von Lackfilmen wird auch noch von der Art bzw. der molekularen Beweglichkeit der Struktu- Abbildung 2.9: Elastizitätsmodule von Polymeren in Abhängigkeit von der relemente bestimmt. Na- Temperatur türlich erwartet man von einem Lackfilm sowohl hohe Flexibilität als auch sehr gute Beständigkeiten gegenüber Lösemitteln und Chemikalien. In den meisten Fällen wird man daher einen Kompromiss für die Erfüllung dieser Forderungen auswählen, meist durch empirische Untersuchungen. Wie bereits erwähnt gibt es auch Lacksysteme, die eng vernetzt, hoch beständig und doch sehr flexibel sind. Es sollte daher das Ziel sein, das vermeintliche Paradigma von hoher Vernetzungsdichte und hoher Flexibilität zu kompensieren. Dazu gibt es bereits mehrere Ansätze: Während die Elektroisolierlacke ihre besonderen Eigenschaften durch ein sehr spezielles Applikationsverfahren erhalten, werden die mit UV-Licht vernetzenden Lacke sicher ein breiteres Anwendungsgebiet finden, wenn es gelingt sie universeller anzuwenden, wozu aktuell verschiedene Maßnahmen ergriffen werden (siehe Kapitel 3.8.8). Auch sich gegenseitig durchdringende molekulare Netzwerke [27] (interpenetrating networks), die durch die Kombination zweier Vernetzungsreaktionen gebildet werden können, zeigen besonders gute Filmeigenschaften. Aber allein schon dadurch, dass man zwei Vernetzungsreaktionen ablaufen lässt, die meist unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeiten in Abhängigkeit von der Temperatur haben (Hybridvernetzung), können Filmeigenschaften erreicht werden, die besser sind, als ein zu erwartender Eigenschaftskompromiss [28] (siehe Kapitel 3.8.3.5). Eine Kombination zweier Vernetzungsmethoden wählt man auch dann, wenn das Applikationsverfahren für eine Vernetzungsmethode nur begrenzte Möglichkeiten ergibt. Diese Verfahren bezeichnet man als “Dual-Cure”-Verfahren [29]. Ein Beispiel dafür ist die Kombination der UV-Vernetzung mit der Isocyanatvernetzung. In der Anwendung wird die Effektivität der Vernetzung meist durch die Prüfung der lacktechnischen Eigenschaften bestimmt. Hier wird die Abhängigkeit des Elastizitätsmodul [30] (Speichermodul) von der Temperatur als besonders geeignet gesehen, die Effektivität der Vernetzung physikalisch zu beschreiben. Die Abbildung 2.9 vergleicht die Module eines nichtvernetzten Polymeren (Thermoplast) mit einem vernetzten Polymeren. Der Elastizitätsmodul stellt eine der Viskosität vergleichbare Größe dar, der die Beweglichkeit der Moleküle bzw. ihren Widerstand gegen eine Verformung bestimmt. Bei niedrigen Temperaturen ist dieser Widerstand sehr hoch, man spricht vom Glaszustand. Bei einer für das Polymer typischen Temperatur wird der Widerstand der Polymermoleküle gegen die Verformung geringer, der Messwert kann über mehrere Zehnerpotenzen sinken. Es besteht die Vorstellung, dass die verknäulten Polymermoleküle sich entschlaufen. Über einen bestimmten Temperaturbereich behalten die Polymermoleküle die Eigenschaft, die ursprüngliche Verknäulung wieder einzunehmen.

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Der Temperaturbereich wird als die elastische Phase bezeichnet. Der Wendepunkt der Kurve des Elastizitätsmoduls über die Temperatur zwischen Glaszustand und dem Bereich des elastischen Verhaltens, wird als Glasübergangstemperatur bezeichnet. Nichtvernetzte Polymere gehen nach der elastischen Phase in eine Schmelze über, die dann das typische Viskositätsverhalten einer Flüssigkeit in Abhängigkeit von der Temperatur zeigt. Vernetzte Polymere erreichen diesen Zustand nicht. Vernetzte Polymere haben einen flacheren Übergang aus dem Glaszustand in die elastische Phase, der Wendepunkt – die Glasübergangstemperatur liegt als höher. Die Werte des Moduls in der elastischen Phase liegen deutlich höher; es gibt kein Schmelzen, allenfalls eine Zersetzung. Die Abhängigkeit des Elastizitätsmodus von der Temperatur wird an freien Filmen bestimmt, die einer dynamischen Kraft ausgesetzt werden. Man kann nicht nur Unterschiede zwischen unvernetzten und vernetzten Polymeren herausstellen, sondern die Steilheit der Kurve und die Höhe der Werte im elastischen Bereich beschreiben die Vernetzungseffektivität.

2.4 Herstellverfahren Bindemittel für Lacke werden aus ihren Bausteinen durch chemische Reaktionen hergestellt. Es handelt sich dabei stets um Reaktionen, die bei höheren Temperaturen ablaufen und die in entsprechend ausgerüsteten Reaktoren durchgeführt werden. Wegen der Vielfalt der Bindemittel wird die Fertigung fast immer in Chargen durchgeführt, es gibt mehrere Anläufe auch kontinuierliche Herstellverfahren zu etablieren. Es ist üblich, die Bindemittel in eine Lieferform zu überführen, die den Herstellverfahren der Lacke entgegen kommt. Denn bei der eigentlichen Herstellung der Lacke [31] handelt es sich nicht um chemische Prozesse, sondern die Lackherstellung besteht insgesamt aus Mischprozessen, die nur physikalische Vorgänge beinhalten. Die verschiedenen Bestandteile von Lacken – Bindemittel, Pigmente, Lösemittel bzw. Dispersionsmittel und Additive – sollen so effektiv wie möglich gemischt, d.h. ineinander verteilt werden. Das geschieht in Behältern, die mit verschiedenen Rührorganen ausgerüstet sind. Ein Teil der Lösemittel bzw. Dispersionsmittel wird für die Herstellung der Lieferformen der Bindemittel oder der Additive benötigt. Der wichtigste und zugleich aufwändigste Prozess bei der Lackherstellung ist die Verteilung der Pigmente im Bindemittel, ein Dispergierprozess von festen, pulverförmigen Pigmente in einem flüssigen Medium. Da die sehr kleinen Teilchen der Pigmente eine sehr große Oberfläche haben, Luft und Feuchtigkeit adsorbieren, und untereinander Agglomerate bilden, ist ein hoher Energieeintrag erforderlich

Abbildung 2.10: Prinzip einer Rührwerksmühle

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Herstellverfahren

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Abbildung 2.11: Abhängigkeit von Deckvermögen und Färbevermögen von der mittleren Teilchengröße und der Dispergierzeit

um diese Adsorption zu verdrängen und die Agglomerate zu zerteilen und die Teilchenoberfläche mit Bindemittellösung zu benetzen. Für die Herstellung dieser Pigmentdispersionen werden Dissolver zur Vordispergierung und dann Rührwerksmühlen verwendet. Dissolver haben meist mehrere relativ große Rührscheiben, deren Ränder eine sägezahnartige Struktur haben können, die mit hohen Umfangsgeschwindigkeiten gefahren werden. Für größere Behälter können diese Rührscheiben während des Prozesses auch vertikal bewegt werden. Rührwerksmühlen bestehen aus vertikal oder horizontal gelagerten Rührbehältern die eine größere Zahl von Rührscheiben und im Wechsel mit diesen an der Behälterwand angeordnete Umlenkscheiben enthalten. Die Dispergiermaterialien sind Sand oder Perlen, die einen möglichst geringen Abrieb haben. Das Dispergiergut wird mit unterschiedlichen Durchsatzgeschwindigkeiten durch den Behälter gefahren. Der Dispergiereffekt besteht aus der Scherung und Reibung des Dispergierguts gegenüber Rührscheiben, Umlenkscheiben und der Füllung. Das Dispergiergut wird kontinuierlich gefördert und an einem Austrittspalt von Sand oder Perlen getrennt und ausgetragen. Die Abbildung 2.10 zeigt das Prinzip einer horizontalen Rührwerksmühle. Auch wenn die Dispergiermaschinen als Mühlen bezeichnet werden, ist der Dispergierprozess kein Mahlvorgang. Zerteilt werden lediglich die Agglomerate der Pigmente, der eigentliche Vorgang besteht in der Benetzung der Oberfläche der Pigmentteilchen. Beim Dispergieren von Pigmenten steigt das Färbevermögen mit der Teilchenverteilung, das Deckvermögen durchläuft ein Maximum. Wenn organische Pigmente ausreichend dispergiert werden, erfüllen sie die Anforderung nach Transparenz für die Verwendung in Effektlacken besonders gut. Für Uni-Decklacke wird dagegen ein Optimum von Farbstärke und Deckvermögen gefordert. Es macht daher Sinn Pigmente für die Verwendung in Effektlacken anders zu dispergieren als für die Uni-Decklacke. Abbildung 2.11 zeigt die Abhängigkeit der Entwicklung von Deckvermögen und Färbevermögen von der mittleren Teilchengröße und der Dispergierzeit. Für die Gewährleistung der Reproduzierbarkeit der Eigenschaften eines Lackes wird bei der Herstellung ein besonderer Aufwand betrieben. In den verschiedenen Produktionsschritten werden Prüfungen dazu vorgenommen. Es beginnt bei den Rohstoffen; neben der Zertifizierung der Eigenschaften eines Rohstoffs durch dessen Hersteller gibt es Eingangsprüfungen beim Lackhersteller und auch eine Überprüfung der Lagerstabilität der Rohstoffe. Auch die Chargen der Binde­ mittellösungen bzw. -dispersionen und der Additivlösungen haben festgelegte Kennzahlen, die

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Abbildung 2.12: Ablauf einer Lackproduktion

vor einer Verwendungsfreigabe geprüft werden. Ein besonderes Augenmerk gilt der Herstellung und Prüfung der Pigmentdispersionen. Denn deren Kennzahlen bilden die Basis für die Mischrezepturen und die Tönschritte zum Erreichen des geforderten Farbtons eines Lackes. Daher wird nach Abschluss des eigentlichen Herstellprozess bei Decklacken der Farbton überprüft und durch Zugaben von Pigmentdispersionen (Tönpasten) justiert. Oft wird von jeder Lackcharge eine Applikationsprüfung durchgeführt. Die letzte Prüfung der Lackfertigung gilt der Sauberkeit, denn bereits kleinste Anteile an Kontaminationen können das Lackierergebnis infrage stellen. Weil die einzelnen Prüfschritte einen großen Zeitaufwand bedeuten, gibt es verschiedene Maßnahmen den Verfahrensablauf zu rationalisieren. Einer der Wege dazu ist es, die Mischerbelegungszeit dadurch zu reduzieren, dass man mit mobilen Mischbehältern für den Prozess an die Rühraggregate heranfährt und diese Mischbehälter für den Zeitraum der Prüfung zurückstellt und damit die eigentliche Mischstation für andere Chargen frei hält. Die Abbildung 2.12 zeigt schematisch den Ablauf einer Lackproduktion.

2.5 Applikationsverfahren Lacke werden mit Löse- oder Dispersionsmitteln auf Viskositäten eingestellt, die die verschiedenen Applikationsverfahren fordern. Direkte manuelle Verfahren sind das Streichen und Rollen, die für Bautenfarben, Wandfarben und gelegentlich für Korrosionsschutzlacke verwendet werden. Auch Spachtel werden mit so genannten Spachtelmessern manuell aufgetragen. Industrielle direkte Verfahren sind das Tauchen, Fluten, Gießen und verschiedene Walzverfahren. Beim Tauchen werden die Objekte in das Lackmaterial getaucht, die Beschichtung besteht zunächst in einer Benetzung der Oberfläche der Objekte. Es gab lösemittelhaltige Tauchlacke, die weitgehend durch wässrige Tauchlacke ersetzt wurden. Ein besonderes Tauchverfahren ist die Elektrotauch­lackierung bei der wasserverdünnbare, ionisch stabilisierte Bindemittel – gemeinsam mit den anderen Bestandteilen des Beschichtungsmaterials – durch Elektrophorese zum als entsprechende Elektrode geschalteten Objekts transportiert werden und dort abgeschieden

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Systeme

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werden (Elektrokoagula­tion). Dieses Beschichtungsverfahren ist unabhängig vom Benetzungsverhalten und daher sehr effektiv. Besondere Tauchverfahren sind das Wirbelsintern und die Lackierung von Drähten. Beim Wirbelsintern werden aufgeheizte Objekte in ein Wirbelbett mit einem Pulverlack getaucht. Die Beschichtung erfolgt dadurch, dass die Pulverteilchen auf der Oberfläche des Objekts aufschmelzen. Bei der Drahtlackierung werden Drähte mehrfach mit relativ hoher Geschwindigkeit durch eine kleine Lackwanne gefahren. Die Auftragsschichtdicke wird dabei geregelt indem überschüssiges Lackmaterial durch Filze oder Düsen abgestreift wird. Das Fluten besteht darin, dass Objekte die über einer Auffangwanne hängen, mit Lackmaterial begossen werden. Die Beschichtung erfolgt durch Benetzung der Objekte. Gießverfahren werden für plane Objekte verwendet. Dabei wird aus einem Gießspalt Lackmaterial ausgetragen, dass dann wie ein Vorhang (daher englisch: curtain coating) auf die zu beschichteten Objekte fällt, die mittels eines Förderbands unter dem Gießspalt durchlaufen. Bei den Walzverfahren wird Lackmaterial aus einem Auftragsbehälter auf Walzen übertragen und von diesen auf das Substrat. Auf diese Weise werden Paneele, Folien, Bleche auf Förderbändern, die dann zu Behältern (Dosen) verarbeitet werden (Can Coating) und frei laufende Endlosbleche (Coil Coating) beschichtet. Zu den Walzverfahren gehören auch die Applikation von Druckfarben. Indirekte Applikationsverfahren sind die verschiedenen Spritzverfahren. Wenn Lackmaterialien aus einem Druckbehälter gefördert werden und aus einer Spritzdüse appliziert werden, spricht man von Airlessspritzen. Wenn Spritzpistolen verwendet werden, bei denen das an der Düse austretende Lackmaterial durch einen Luftstrom gefördert wird, bezeichnet man den Applikationsvorgang als pneumatisches Spritzen. Es ist ebenfalls möglich Lackmaterial in einem Hochspannungsfeld aufzuladen, zu zerstäuben und auf ein geerdetes Objekt niederzuschlagen, das elektrostatische Spritzen. Auch Pulverlackteilchen im Zustand eines Aerosols lassen sich aufladen und im elektrischen Feld auf ein geerdetes Objekt bringen, an dem sie dann anhaften und durch einen Schmelzvorgang Filme bilden, das elektrostatische Pulverspritzen. Die Auswahl des geeigneten Applikationsverfahrens richtet sich nach den Objekten und den Applikationsbedingungen. Für die Automobil-Erstlackierung mit ihren hohen Stückzahlen können natürlich nur möglichst hoch automatisierte industrielle Lackierverfahren angewendet werden. Die erste Schicht besteht aus einer Elektrotauchgrundierung. Auch Kleinteile für die Automobilausstattung können im Elektrotauchverfahren beschichtet werden. Alle anderen Schichten der Automobil-Erstlackierung und auch die Beschichtung von Kunststoffteilen und die Reparaturlackierung werden durch verschiedene Spritzverfahren appliziert. In der Automobil-Erstlackierung wird das elektrostatische Spritzen bevorzugt, um möglichst hohe Auftragswirkungsgrade zu erzielen (siehe Kapitel 3.3). Für die Reparaturlackierung bevorzugt man das pneumatische Spritzverfahren, weil damit das Spritzergebnis am besten beeinflusst werden kann (siehe Kapitel 4).

2.6 Systeme Weil die Bedingungen der Applikation und der Filmbildung die Zusammensetzung der Lacke beeinflusst, werden Lacke nach ihrem Verwendungszweck (Einsatzgebiet) eingeteilt. Bautenlacke sind die Lacksysteme die von Handwerkern und im Do-it-yourself-Verfahren für Gebäude (Wandfarben, Fassadenfarben) und Gebäudeteile (Fensterlacke) benötigt werden. Holzlacke werden für alle Holzbeschichtungen, vor allem für Möbel verwendet.

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Allgemeines

Korrosionsschutzlacke werden zum Schutz von Metallkonstruktionen im Freien, vom Gitter am Garten bis zur Hängebrücke, verwendet. Man kann dazu auch die Schiffsfarben rechnen. Als Industrielacke bezeichnet man alle Lacksysteme, die mit industriellen Applikationsverfahren verarbeitet werden (meist in einer Serienfertigung). Dazu gehören Lacke für Haushaltsgeräte, Metallmöbel, Metallregale, Kunststoffteile. Besondere Lacksysteme sind die Blechlacke für Behälter (Can Coating-Lacke) und Endlosbleche für Bauteile (Coil Coating-Lacke). Spezielle Lacksysteme sind zum Beispiel Spielzeuglacke und Lederlacke. Fahrzeuglacke gehören eigentlich zu den Industrielacken. Wegen der Vielfältigkeit behandelt man sie als eigene Gruppe. Dazu gehören als erstes die Automobil-Serienlacke, die bei der Herstellung von Automobilen für die Karossen benötigt werden. Für die Automobilserienlackierung hat sich die amerikanische Abkürzung OEM (original equipment manufacturing) eingebürgert. Inzwischen gibt es immer mehr Kunststoffteile am Auto. Zunächst sind dazu die Lackierungen der Innenteile zu rechnen. Auch Abbauteile am Automobil werden mehr und mehr aus Kunststoffen hergestellt, die eine spezielle Lackierung (Kunststofflacke) benötigen (Rückspiegelgehäuse, Scheinwerferreflektoren, Stoßfänger, Hecks, Kofferraumdeckel, Leisten, Schiebedächer). Es werden auch ganze Karossen aus lackierten Kunststoffteilen hergestellt. Neben der Automobil-Serienlackierung, die man auch als Automobil-Erstlackierung bezeichnet, gibt es die Automobil-Reparaturlackierung. Dafür werden wegen der anderen Applikationsund Filmbildungsbedingungen eigene Lacksysteme gebraucht. Reparaturlackierungen sind manchmal bereits bei der Herstellung eines Automobils erforderlich (Serien-Reparatur) oder sie werden notwendig nach Beschädigungen eines Automobils während des Gebrauchs. Auch für Großfahrzeuge wie Busse, LKW-Fahrerhäuser und Rahmen, Kommunalfahrzeuge, Eisenbahnen, Traktoren und Landmaschinen werden eigene Lacksysteme verwendet, die in der Zusammensetzung oft den Reparaturlacken ähneln.

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Geschichte der Automobillackierung

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Automobilserienlackierung

3.1 Geschichte der Automobillackierung Als am Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Automobile gebaut wurden, hatten sie noch das Aussehen leichter Kutschen. Die ersten Automobile von Benz und Daimler waren aus Stahlrohren konstruiert, die mit einem schwarzen Lack beschichtet waren [32]. Dabei handelte es sich um oxidativ vernetzende Lacksystemen auf Basis so genannter trocknender Öle (Leinöl). Zur Verbesserung des Antrocknungsverhaltens wurden die Öle mit Hartharzen (Kopale) kombiniert (verkocht). Trotzdem dauerte die vollständige Trocknung der einzelnen Lackschichten oft mehrere Tage. Bald darauf (um 1900) wurden Karossen mit Holzverkleidungen und schließlich auch mit Stahlblechen versehen, die dann ebenfalls mit solchen Lacken beschichtet wurden. Da dabei bereits auf ein ansprechendes Äußeres Wert gelegt wurde, wurde für die Lackierung ein besonders hoher Aufwand betrieben. Um den Holzteilen, vor allem aber den gehämmerten Stahlblechen eine glatte Oberfläche zu verleihen, wurden nach einer Grundierung, die zur Durchtrocknung mehrere Tage benötigte, bis zu drei Schichten eines Streichspachtels aufgebracht, die in jeweils einem Tag trockneten und immer wieder geglättet und schließlich geschliffen wurden. Erst dann begann die eigentliche Lackierung mit zwei pigmentierten Grundanstrichen, dann zwei Lasurschichten, dann folgte ein farblosen Schleiflack und schließlich ein farbloser Überzugslack, die Trockenzeiten der einzelnen Schichten betrugen jeweils zwei Tage. Zwischendurch wurde immer wieder ausgebessert und geschliffen. Während der bis zu acht Tagen dauernden Trocknung der Lasurlacke wurde der Innenraum der Automobilkarosse tapeziert. Der gesamte Prozess umfasste ungefähr 27 Arbeitsgänge und dauerte zwischen 200 bis zu über 300 Stunden. Obwohl es damals auch schon weiße Automobilkarossen gab (ein Mercedes von Daimler im Jahr 1904) waren die meisten Automobile bis in die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts schwarz. Der Farbton entstand durch die Zumischung von Asphalt und eine Pigmentierung mit Ruß (Elfenbeinschwarz). Hier wird interpretiert, dass damals nur schwarze Lacke eine ausreichende Wetterbeständigkeit haben konnten. Zunächst waren Automobile Einzelstücke, die handwerklich gefertigt wurden, trotzdem war man bestrebt die besonders langen Lackierzeiten zu verkürzen. Inzwischen waren auch in den USA Automobilfabriken gegründet worden (1903 die späteren Fordwerke in Detroit). Dort wurde seit 1908 ein preisgünstiges zweisitziges Cabriolet gebaut, das sehr hohe Absatzzahlen erreichte (das T-Modell). Für dieses Modell wurde dann 1913 von Henry Ford die erste Fließbandfertigung eingeführt [33]. Dabei bildeten die langen Trockenzeiten der Lackierungen ein besonderes Problem. Die ersten Trockenöfen (so genannte Lichttunnel mit Kohlefadenlampen) wurden installiert. Die frisch lackierten Automobile wurden in ausgedehnten Zeltreihen zum Trocknen abgestellt. Eine Verbesserung der Antrocknungszeit brachte die Einführung der ersten Kunstharze [34] (Phenolharze) für die Kombination mit den Ölen. Mit solchen Kombinationen wurden auch farbige Automobile hergestellt, wie z.B. der berühmte grasgrüne Opel-Laubfrosch. Eine wirklich deutliche Verbesserung der Lackierzeiten wurde durch die Einführung der Cellulosenitratlacke und der Spritzapplikation am Anfang der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts erzielt [35]. Es wurde zwar immer noch mit ölhaltigen Lacken grundiert und gespachtelt aber die Decklacke bestanden aus Cellulosenitrat (Nitrocellulose) mit Weichmacher und Hartharz. Damals wurde behauptet, dass der Lackierprozess von 336 Stunden auf 15 Stunden reduziert wurde. Lacke aus Cellulosenitrat hatten zwei Nachteile, sie mussten poliert werden und war nicht besonders lichtbeständig. Selbst wenn die Lacke mit Ruß pigmentiert waren, mussten sie immer wieder aufpoliert werden. Hier passt der berühmte Spruch von Henry Ford: “Any customer can have a car, with any color he wants, as long as it is black” [36]. Mit der Erfindung der Alkydharze [37], die an Stelle der Weichmacher mit Cellulosenitrat kombiniert wurden (Kombi-Emaillelacke)

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Automobilserienlackierung

wurde die Wetterbeständigkeit graduell verbessert. In den 30er Jahren wurden die ersten Einbrennlacke auf Basis von Alkydharzen und Harnstoffharzen in die Automobilserienfertigung eingeführt [38]. Der Lackaufbau auf den gezogenen und gepressten Stahlblechen bestand dann aus einer Grundierung, einem Spritzspachtel, einem Vorlack und einem Decklack, die alle durch Spritzen appliziert wurden und 30 bis 60 Minuten bei 120 bis 130°C eingebrannt wurden. Der gesamte Lackierprozess dauerte nur noch 4 bis 5 Stunden. Diese Lackieraufbauten wurden dann auch in verschiedenen Farben angeboten. Einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Wetterbeständigkeit war die Einführung der Melaminharze und die Kombination mit Alkydharzen auf Basis gesättigter Fettsäuren und Einführung neuer, deutlich besser lichtbeständiger organischer Pigmente in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Solche Lacksysteme werden auch heute noch in der Automobilserienlackierung verwendet. In den USA hatte man zur Verbesserung der Wetterbeständigkeit die Lacke auf Basis Cellulosenitrat durch solche auf Basis physikalisch trocknender Acrylatharze ersetzt. Als Konsequenz daraus wurden dann dort auch Lacke auf Basis vernetzbarer Acrylatharze, kombiniert mit Melaminharzen, entwickelt, die in einen Wettbewerb zu den Alkydharzlacken in Europa traten. Solche Lacke wurden auch mit Aluminiumpigmenten als Einschicht-Metalliclacke in den Markt eingeführt. Ab Ende der 60er Jahre gab es dann die Zweischicht-Metalliclacke [39], die schließlich auf der Basis von Celluloseacetobutyrat, Polyester und Aminoharzen aufbauten und einen großen Marktanteil eroberten. Über die Einzelheiten dieser Lacke, die – wenn man die weltweite Verwendung der Lacksysteme berücksichtigt – heute noch alle im Einsatz sind, und ihre Weiterentwicklung zu festkörperreichen und wässrigen Lacken, wird in den einzelnen Kapiteln berichtet. Die Vielfältigkeit der verarbeiteten Systeme ist zunächst auf die unterschiedlichen Qualitätsforderungen der Hersteller zurückzuführen, aber dann vor allem von der Gesetzgebung der jeweiligen Staaten zur Umweltbelastung, besonders der Lösemittelemission beeinflusst.

3.2 Automobillackierung als Mehrschichtaufbau Von Anfang an bestand die Automobillackierung aus mehreren Schichten. Obwohl es viele Schritte gegeben hat die Automobillackierung zu rationalisieren, werden auch heute Automobile mit einem Mehrschichtaufbau beschichtet. Der Grund ist, dass die hohen Qualitätsforderungen an eine Automobillackierung von einer einzigen Schicht nicht erfüllt werden können. Die verschiedenen Funktionen sind auf mehrere Schichten verteilt. Nach der oben beschriebenen geschichtlichen Entwicklung waren es zunächst drei Schichten, die Grundierung, der Füller und der Decklack. Aufgabe der Grundierung ist es – gemeinsam mit der Vorbehandlung – Haftung auf dem Untergrund zu bilden und einen Schutz gegen Korrosion zu gewähren. Der Füller ist die Schicht, die – wie der Name ausdrückt – Fülle ausbilden soll, indem er die Strukturen des Untergrunds effektiv abdeckt. Außerdem bildet er die Schicht, die die mechanische Belastung der gesamten Lackschicht auffangen soll. Der Decklack schließlich erzeugt den Farbeindruck, Glanz und Glätte und schützt gegen Bewitterung, Lösemittel- und Chemikalieneinflüsse. Die Abbildung 3.2.1 zeigt die Schichtfolge dieses Dreischichtaufbaus mit den verschiedenen Schichtdicken. Seit Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurden Effektlacke, die zunächst vor allem Aluminiumpigmente enthalten, eingeführt. Der Effekt besteht in unterschiedlichen Helligkeitsund Farbeindrücken in Abhängigkeit vom Betrachtungswinkel. Solche Effektlacke enthalten relativ große, empfindliche Effektpigmente, die spezielle Applikationsbedingungen erfordern und besonders gegen Bewitterung und Chemikalien geschützt werden müssen. Die Funktion der Decklackschicht wird daher weiter aufgeteilt. Es gibt einen Basislack, der den Effekt und den Farbeindruck erzeugen soll und einen Klarlack, der die Forderungen nach Glanz, Glätte und Chemikalienbeständigkeit erfüllen muss. Schließlich hat man die guten Erfahrungen mit einem solchen Vierschichtaufbau bei Effektlackierungen auch auf die Decklacke ohne Effektpigmente (so genannte Unidecklacke) übertragen und appliziert heute mehr und mehr auch dort Vier-

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Applikationsverfahren der Serienlackierung

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Abbildung 3.2.1: Dreischichtaufbau einer Automobillackierung (mit Unidecklack)

Abbildung 3.2.2: Vierschichtaufbau einer Automobillackierung (mit Effektbasislack und Unibasislack)

schichtaufbauten mit Uni-Basislacken und Klarlacken. Abbildung 3.2.2 zeigt die Schichtfolge eines Vierschichtaufbaus mit einem Effektbasislack (graumetallic) und einem Uni-Basislack (rot) und die entsprechenden Schichtdicken. Obwohl es drei bzw. vier verschiedene Schichten sind, sollte bedacht werden, dass mit 90–120 µm die gesamte Schicht nur wenig dicker ist als ein menschliches Haar, aber trotzdem sehr vielfältige Anforderungen zu erfüllen hat.

3.3 Applikationsverfahren der Serienlackierung Die bei der Serienlackierung verwendeten Applikationsverfahren sind die Elektrotauchlackierung und verschiedene Spritzverfahren. Das Verfahren der Elektrotauchlackierung wird im Kapitel der Grundierungen beschrieben (siehe Kapitel 3.4.6). Weil Spritzverfahren sowohl für Füller, als auch für Basislacke und Klarlacke Verwendung finden, wird ihre Beschreibung hier

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Automobilserienlackierung

vorangestellt. Das spezielle Verfahren des elektrostatischen Pulverspritzens wird in den Kapiteln Pulverfüller (siehe Kapitel 3.5.7.3) und Pulverklarlack (siehe Kapitel 3.8.7) behandelt. Spritzverfahren Wird eine Flüssigkeit durch ein Rohr bewegt ist ihre Geschwindigkeit umso höher, desto kleiner der Durchmesser des Rohres wird. Der Druck verhält sich umgekehrt proportional [40]. Am Ende eines Rohres mit sich verengendem Durchmesser (Düse) erreicht die Geschwindigkeit der Flüssigkeit hohe Werte und beim Austritt einen hohen inneren Druck. Je nach Geschwindigkeit, Druck und Kohäsion der Flüssigkeit zerfällt sie in Teilchen. Es entsteht ein Aerosolstrom dessen Teilchen bei hohem Staudruck auch noch weiter zerfallen können. Auf diesem Prinzip beruht das so genannte Airless-Spritzen von Lacken, das ausschließlich auf einer Förderung des Lackes unter hohem Druck beruht. Beim pneumatischen Spritzen wird der an der Düse austretende Lack von einem Luftstrom beschleunigt, der die Ausbildung der Teilchen verursacht. Das pneumatische Spritzen ermöglicht eine sehr effektive und variable Dosierung der Lackapplikation. Die Einflussgrößen auf das Applikationsergebnis beim pneumatischen Spritzen sind der Druck des Lackmaterials, dessen Viskosität, Dichte bzw. Kohäsion und Oberflächenspannung, der Druck der Förderluft, das Verhältnis von Lackmenge zu Luft, das sowohl über Ventile als auch über die Größe der Düsendurchmesser eingestellt werden kann. Natürlich spielt auch die Temperatur und im gewissen Maße die Luftfeuchtigkeit eine Rolle. Die Form des entstehenden Spritzstrahls wird über einen zusätzlichen regulierenden Luftstrom beeinflusst, damit die Objekte flächig einheitlich beschichtet werden können. Die Abbildung 3.3.1 zeigt das Schnittbild einer pneumatischen Spritzpistole und die Anordnung der Düsen für das Lackmaterial, die Förderluft und die regulierende Luft [41].

Abbildung 3.3.1: Schnittbild eine pneumatischen Spritzpistole

Abbildung 3.3.2: Prinzip der elektrostatischen Applikation

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Die wichtigste Optimierungsaufgabe für das Spritzverfahren besteht in der Verbesserung des Auftragswirkungsgrads. Damit ist der Anteil des Lackmaterials gemeint, der das Objekt wirklich erreicht. Obwohl Airless-Spritzverfahren prinzipiell einen besseren Auftragswirkungsgrad haben als pneumatische Spritzverfahren werden sie bei der Applikation von Automobillacken weniger verwendet, weil dabei das Spritzergebnis (Ausbildung des Effekts) viel weniger beeinflusst werden kann. Auch eine Absenkung des Drucks der Förderluft bei der pneumatischen Spritzapplikation verbessert den Auftragswirkungsgrad. Dem steht entgegen dass es außerdem das Ziel ist, in möglichst kurzer Zeit ausreichende Mengen (Schichtdicken) von Lackmaterial zu applizieren. Dazu wurden daher die pneumatischen Spritzpistolen

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Automobillackierung als Mehrschichtaufbau

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Abbildung 3.3.3: Schnittbild eine elektrostatischen Spritzpistole

weiterentwickelt. Heute wird mit so genannten Hochleistungspistolen [42] gearbeitet, die vor allem mit größeren Förderluftmengen arbeiten als die sonst üblichen pneumatischen Spritzpistolen. Eine deutliche Verbesserung des Auftragswirkungsgrads ergab die Einführung elektrostatischer Spritzverfahren. Dabei wird Lackmaterial in einem elektrischen Hochspannungsfeld aufgeladen und an Spalten oder Kanten von Rotationskörpern (Scheiben oder Glocken) zerstäubt. Die Lackpartikel werden dann im elektrischen Feld auf das geerdete Objekt transportiert und haften dort an. Der Vorteil des Verfahrens liegt darin, dass weniger Lackpartikel am Objekt vorbei fliegen und dass auch abgewandte Teile des Objekts vom Spritznebel erreicht werden (Umgriff). Es ist allerdings nicht möglich Hohlräume zu beschichten, die im elektrischen Feld einen Faraday’schen Käfig bilden. Die Abbildung 3.3.2 zeigt das Prinzip der elektrostatischen Applikation. Elektrostatische Spritzpistolen enthalten ein Förderventil für das Lackmaterial, eine Hochspannungselektrode, eine Luftzufuhr und eine von einer Turbine angetriebenen Glocke, die mit relativ hoher Umdrehungsgeschwindigkeit gefahren wird, damit sich möglichst kleine Lackpartikel ausbilden. Die Abbildung 3.3.3 zeigt ein Schnittbild einer solchen elektrostatischen Hochrotationsglockenspritzpistole [43]. Beurteilt man die verschiedenen Spritzverfahren nach ihrem Auftragswirkungsgrad und berücksichtigt die Geometrie des zu beschichtenden Objektes nicht, so erhält man die in der Tabelle 3.3.1 aufgeführten Werte [44]. Die Optimierung des Auftragswirkungsgrads ist nicht der einzige Maßstab für die Anwendung der Spritzverfahren. So lassen sich Basislacke, die besonders helle Effekte zeigen sollen nur begrenzt durch elektrostatische Applikationsmethoden realisieren; sie erfordern die Anwendung pneumatischer Verfahren. Tabelle 3.3.1: Auftragswirkungsgrade der verschiedenen Spritzverfahren Spritzverfahren

Auftragswirkungsgrad

Pneumatische Hochdruckpistole

50 %

Pneumatische Niederdruckpistole

60 %

Airless Pistole

70 %

Pneumatisch mit ESTA-Unterstützung

80 %

Elektrostatische Glockenapplikation

90 %

Reine ESTA-Applikation (Scheibe)

95 %

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3.4 Vorbehandlung und Grundierungen 3.4.1 Substrate und Korrosion Die wichtigste Aufgabe einer Automobilgrundierung ist der Schutz vor Korrosion. Bis heute bildet Stahl den wichtigsten Anteil des Materials von Automobilkarossen, auch wenn es immer mehr Kunststoffteile am Auto gibt und neben Stahl andere Metalle, wie Aluminium und Magnesium für Bauteile eines Automobils eine Rolle spielen. Die positiven Eigenschaften von Stahl sind [45] : • Stahl ist relativ kostengünstig • Stahl ist effektiv verarbeitbar (Walzen von Stahlblechen, Schneiden und Verformen zu Karossenteilen, Schweißen) • Stahl hat gute Gebrauchseigenschaften (Elastizität, Zugfestigkeit, Härte) • Stahl ist gut zu recyceln (Schreddern, Stahlschrott für den Hochofen) Früher war Stahl auch relativ breit verfügbar, aufgrund der großen Nachfrage – vor allem in Fernost – kommt es heute bereits zu Versorgungsengpässen. Die ersten Automobile wurden in Anlehnung an die Kutschen des 19. Jahrhunderts gebaut. Sie bestanden aus einem Chassis als tragender Rahmen für die Karosserie. Diese war zunächst aus Holz, wurde dann bald aus Stahlblech gebaut. Man verzichtete dann schließlich auf einen Chassis-Rahmen, die so genannten selbsttragenden Karossen wurden entwickelt. Bereits im Jahre 1922 wurde das erste Automobil mit einer selbsttragenden Karosserie gebaut [46]. Der erste Serienwagen mit einer selbsttragenden Ganzstahlkarosse lief im Jahr 1935 vom Band [47]. Heute sind nahezu alle PKW nach diesem Verfahren aufgebaut. Um eine ausreichende Festigkeit (Steifigkeit) zu erreichen, enthalten selbsttragende Karossen hohle Blechquerschnitte, Sicken und eine kompakte Außenhaut. Die Teile werden meistens durch Schweißen zusammengefügt. Es werden auch alternative Fügetechniken verwendet – vor allem für neuere Konstruktionsmaterialien. Das wichtigste Ziel für die Konstruktion einer Automobilkarosse ist es, ein Optimum zwischen Gewichtseinsparung und Verformungssicherheit (Steifigkeit) und damit vor allem auch Unfallsicherheit zu erreichen. Dazu wurden auch spezielle Stähle entwickelt, die besonders gut verformbar sind, und auch eine ausreichende Festigkeit haben (z.B. IF-Stahl, DB-Stahl). Der wichtigste Nachteil von Eisen und Stahl, der schon bereits seit der Vorgeschichte bekannt ist, ist die Korrosion. Das gilt auch für die neuen Stahlsorten, die meistens geringere Anteile an Kohlenstoff enthalten und keine Anteile an Eisencarbid. Alle Metalle bilden an ihren Oberflächen an der Luft mehr oder weniger schnell eine Oxidschicht. Unter Einfluss von Luft und Feuchtigkeit kann die Schicht nicht nur aus Oxiden, sondern auch Hydroxiden bzw. basischen Oxiden bestehen; sie kann auch Carbonatanteile enthalten. Der besondere Nachteil von Eisen und normalen Stählen ist der, dass die Oxidschicht (Oxide und basische Oxide) völlig andere Kristallgitter haben als das Metall selbst. Sie bilden daher keine haftende, geschlossene Schicht, die eine weitere Korrosion behindern oder sogar vermeiden könnte. Nur bei Edelstählen kann man das erreichen. Die sind immer noch relativ teurer und vor allem weniger leicht zu verarbeiten. Die nicht geschlossen Oxidschicht ist die Ursache dafür, dass die Korrosion von Eisen und Stahl stetig fortschreitet. Dieser Vorgang wird am besten über das Modell der Ausbildung eines Lokalelements (elektrolytischer Vorgang) beschrieben [48]. In diesem Modell (siehe Abbildung 4.3.1) wird vor allem die Bedeutung von Wasser aus der allgegenwärtigen Luftfeuchtigkeit als Elektrolyt herausgehoben, und damit der Fortschritt der Korrosion an Metalloberflächen erklärt. Nach dem Modell des Lokalelements geht metallisches Eisen durch Abgabe von Elektronen an seine Umgebung als Eisen-II-ion in Lösung (Anode). Die frei gewordenen Elektronen treten am kathodischen Teil der Oberfläche aus und reagieren mit dem im Wasser gelösten atmosphärischen Sauerstoff, der dabei als Oxidationsmittel reduziert wird und Hydroxylionen bildet.

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Vorbehandlung und Grundierungen

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Abbildung 3.4.1: Modell des Lokalelementes zur Beschreibung der Korrosion von Eisen Gleichung 3.4.1



Fe

Fe2+ + 2e –

H2O + ½ O2 + 2e



2 OH

Die Eisen-II-ionen reagieren mit den Hydroxylionen und weiterem Sauerstoff zu Eisen-III-hydroxid. Das Eisen-III-hydroxid dehydratisiert zu Eisenoxidhydrat und wasserhaltiges Eisen-III-oxid. Unter Einwirkung von Kohlendioxid der Luft entstehen auch Anteile basischer Eisencarbonate, die nicht besonders stabil sind. Gleichung 3.4.1



Fe2+ + 4 OH + ½ O2 2 FE(OH)3

2 FeO(OH) ∙ H2O

2 Fe(OH)3 Fe2O3 ∙ 2 HO2

Der beschriebene Prozess kann immer weiter fortschreiten und schließlich zu einer weitgehenden Zerstörung des Materials (Stahl) führen. Es ist daher eine wichtige volkswirtschaftliche Aufgabe die zahlreichen Anlagen, Maschinen, Fahrzeuge und Gegenstände aus Stahl vor Korrosion zu schützen. Es gibt verschiedene Methoden, Eisen und Stahl vor Korrosion zu schützen [49]. Eine Methode besteht darin, die Oberfläche mit einem unedleren Metall zu überziehen (im Sinne der elektrochemischen Spannungsreihe). Im Modell des Lokalelements übernimmt das unedlere Metall die Rolle der Anode. Dann wird nicht das Eisen zu positiv geladenen Ionen oxidiert sondern das Beschichtungsmetall. Das Metall geht dann zunächst an Stelle des Eisens in Lösung. Weil es sich quasi für das Eisen opfert, benennt man seine Schicht auch als Opferanode, das Eisen oder der Stahl bilden dann die Kathode (aktiver kathodischer Korrosionsschutz). Das gebräuchlichste Metall für dieses Verfahren ist das Zink. Das Zink hat den Vorteil, dass seine Oxide auf dem Metall einen geschlossenen, gut haftenden Überzug bilden, der eine weitere Korrosion unterbindet, zumindest verzögert. Das liegt vor allem daran, dass die Kristallgitter der Oxide und Hydroxide des Zinks homogen mit denen des Metalls verbunden sind. Die meisten PKW-Karossen werden heute aus verzinktem Stahl hergestellt. Das Zink wird in einem thermischen Verfahren (Feuerverzinken) oder in einem elektrolytischen Verfahren aufgebracht [50]. Eine andere Methode besteht darin, Eisen und Stahl mit einem edleren Metall zu überziehen. Das wichtigste Verfahren für industrielle Anwendungen ist die Beschichtung mit Zinn. Dabei entsteht das so genannte Weißblech für die Herstellung von Behältern und anderen Gebrauchsgegenständen. Viele andere Gegenstände aus Eisen oder Stahl werden verchromt oder vernickelt. Zinn, Chrom und Nickel bilden an ihren Oberflächen zu Luft sehr dünne, geschlossen Oxidschichten, die eine weitere Korrosion verhindern. Solange diese Beschichtungen nicht verletzt werden,

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Automobilserienlackierung

wird der Untergrund aus Eisen oder Stahl vor Korrosion geschützt (passiver kathodischer Korrosionsschutz). Der Schutz besteht in einer Barrierewirkung des Überzugs gegenüber korrosiv wirkenden Einflüssen. Eine ähnliche Wirkung haben auch die Vorbehandlung von Eisen und Stahl und die Beschichtung mit Lack (Grundierung), bzw. die Kombination beider Verfahren, die bei der Automobillackierung angewendet wird. Dabei werden Schichten aufgebracht, die einen passiven Korrosionsschutz und eine Barrierewirkung haben sollen. Auch andere Metalloberflächen, wie Zink, Magnesium und Aluminium werden entsprechend vorbehandelt und dann grundiert. Eine moderne Korrosionsschutzgrundierung für Automobilkarossen muss daher eine optimale Wirkung auf verschiedenen Untergründen entfalten. Die genannten Metalle verhalten sich bei der Applikation der Grundierungen in einigen Punkten anders als der Stahl.

3.4.2

Vorbehandlung

Die zu lackierenden Karossen, die den Bereich des so genannten Rohbaus der Automobilproduktion verlassen, haben an ihrer Oberfläche vom Prozess der Herstellung (Verformung, Schweißen usw.) noch Reste von Ziehfetten, Zunder und gegebenenfalls auch schon Rost. Sie haben natürlich auf jeden Fall eine mehr oder weniger dicke Oxidschicht. Um einen optimalen Korrosionsschutz und eine effektive Haftung der Lackschichten zu erreichen, ist es notwendig, die Karossen sorgfältig zu reinigen; danach werden die Karossen vorbehandelt [51]. Der Reinigungsprozess ist vorzugsweise eine Entfettung, bei der auch Zunder und Flugrost mit entfernt werden. Früher hat man dazu Lösungsmittel (aliphatische Kohlenwasserstoffe, Chlorkohlenwasserstoffe) verwendet. Das Verfahren ist wegen der Emission und der aufwändigen Auf­ arbeitung der kontaminierten Lösungsmittel kritisch zu bewerten. Zur Reinigung werden daher wässrige Lösungen von Tensiden verwendet. Dabei handelt es sich meistens um Alkalisalze von Alkyl(aryl)polyethoxysulfonsäuren. Der pH-Wert der Lösungen liegt bei 8 bis 9, die Temperatur bei 60 bis 80 °C. Bei der Behandlung werden Esterfette hydrolisiert. Um auch nicht hydrolisierbare Fette aufzunehmen werden kolloidale Emulgatoren und Netzmittel verwendet. Die Lösungen können im Tauchverfahren (Konzentrationen ca. 50 g /l) und im Spritzverfahren (Konzentrationen ca. 1 g/l) angewendet, eine abschließende Spülung mit reinem Wasser ist von Vorteil. Die eigentliche Vorbehandlung wurde früher durch Behandlung mit Alkalichromaten, z.T. auch in Kombination mit Chrom-III-salzen, vorgenommen. Aufgrund der Toxizität der Chrom-VI-Verbindungen verzichtet man heute auf diese Möglichkeit. Für die Automobilfertigung wird – zur Vorbereitung für den Lackierprozess – bevorzugt die Zinkphosphatierung [52] verwendet. Die Behandlung kann sowohl im Tauchverfahren als auch im Spritzverfahren erfolgen. Bei dem so genannten “low zinc”-Prozess arbeitet man mit Gehalten von 0,7 g/l Zink für das Spritzverfahren und 1,5 g/l Zink für das Tauchverfahren. Die Lösungen enthalten Überschüsse von Phosphorsäure (6 bis 15 g/l berechnet als Phosphorpentoxid). Außerdem werden Oxidationsmittel als Zusätze verwendet: Nitrit, Peroxid, Hydroxylamin, Nitroguanidin. Auch Anteile weiterer Kationen wie Nickel, Mangan und Calcium werden als Zusätze verwendet; die Korrosionsschutzeigenschaften werden dadurch verbessert. Mit der Zinkphosphatierung werden sowohl Eisen (Stahl) als auch Zink und Aluminiumsubstrate behandelt. Bei Aluminium ist es erforderlich Fluoridionen zuzusetzen, damit das Aluminiumoxid der Metalloberfläche besser in Lösung gehen kann. Die pH-Werte der Lösungen sind 2,0 bis 3,6, die Temperaturen 30 bis 70°C. Die Tauchzeiten sind 3 bis 5 Minuten, das Spritzen dauert 1 bis 2 Minuten. Die erste Reaktion der Behandlung besteht in einem Anätzen der Oberfläche wobei Metallionen der Oxide und ungeladenes Metall in Lösung gehen. Die Oxidationsmittel verwandeln dann Eisen-II-ionen in Eisen-III-ionen und oxidieren den gebildeten Wasserstoff. Durch die lokale

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Vorbehandlung und Grundierungen

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Ernied­rigung des pH-Werts nahe der Metalloberfläche werden schwer lösliche Phosphate abgeschieden. Dies sind: Zinkphosphat (Zn3 [PO4]2 · 4 H2O, Hopeit) und Zinkeisenphosphat (Zn2Fe[PO4]2 · 4 H2O, Phosphophyllit). Weil Phosphophyllit kleinere Kristalle bildet, die sich noch parallel zur Substratoberfläche anordnen, wird der Prozess so gefahren, dass dieses vorzugsweise gebildet wird (Zinkkonzentration, Temperatur). Das ist für die Oberflächenglätte der nachfolgenden Lackschichten von Vorteil. Die Auftragsmengen sind 1,2 bis 6,0 g/cm², das ergibt eine Schichtdicke von ungefähr 0,5 bis 2,0 µm. Eine typische Lösung zur Vorbehandlung von Automobilkarossen aus Stahl enthält 1,2 g/l Zn2+, 0,1 g/l Ni2+, 15 g/l H3PO4 bzw. H2PO4– und 0,1 g/l NO2–. Der Niederschlag des Bades besteht aus Eisen-III-phosphat; bei der Behandlung von Aluminium aus Natriumhexafluoroaluminat (Na3AlF6). Die Vorbehandlungslösung wird durch Ultrafiltration regeneriert. Die Aufgabe und Wirkung der Phosphatschicht aus der Vorbehandlung sind ein Schutz gegen Korrosion und eine Haftvermittlung zu der nachfolgenden Lackschicht (Grundierung). Die korrosionsschützende Wirkung besteht darin, dass die Phosphatschicht edler ist als das metallische Eisen und dass sie eine Barriere gegenüber Wasser und Agenzien der Atmosphäre bildet. Die Phosphate bilden in der Grenzschicht zum Metall Mischkristalle mit gutem Verbund, durch passende Kristallgitterkonstanten. Bestimmte anorganische Ionen und ihre Kristallgitter sind erstaunlich organophil, dazu gehören Chromate, Phosphate und Phosphite, natürlich auch organisch modifizierte Silane bzw. Siloxane. Das ist eine Vorraussetzung für ein optimale Haftung von Lackschichten auf den vorbehandelten Metallflächen.

3.4.3

Entwicklung der Elektrotauchgrundierungen

Solange die Automobilkarossen aus Einzelteilen bestanden, die während der Herstellung zusammengebaut wurden, konnte man diese Teile separat lackieren, also auch grundieren (siehe Kapitel 3.1). Mit steigender Stückzahl bediente man sich dabei der Spritzlackierung. Spätestens als die selbsttragenden Karossen entwickelt wurden, erwies sich die Spitzgrundierung als weniger geeignet. Neben dem zeitaufwändigen Beschichten der gesamten Karosse durch Spritzen, bestand ein Problem darin, dass durch das Spritzverfahren die Hohlräume der Karosse nicht ausreichend beschichtet wurden. Das Verfahren wurde daher in größerem Umfang nach dem zweiten Weltkrieg auf einen Tauchvorgang umgestellt [53]. Zum Tauchen der gesamten Karosse mussten große Tauchbecken installiert werden und es mussten große Mengen an Lackmaterial hergestellt und geliefert werden, die sich zudem durch eine besondere Lagerstabilität zeichnen mussten. Daher wurden auch kleinere (flachere) Tauchbecken betrieben, wobei nur der untere Teil der Karosse eingetaucht wurde (Türhöhe) und der obere Teil mit dem Lackmaterial der Grundierung geflutet wurde. Die vollständige Beschichtung konnte auch durch ein ergänzendes Spritzverfahren für die oberen Bereiche der Karosse erreicht werden. Ein Umgriff – das heißt die Effektivität der Beschichtungen von Hohlräumen – war über den Tauchvorgang nur begrenzt gegeben; denn die in den Hohlräumen verbleibenden Lösemitteldämpfe verhinderten dort den Aufbau ausreichender Schichtdicken. Die Bindemittel dieser Produkte basierten zuerst auf Alkydharzen, die mit oxidativ vernetzbaren Fettsäuren modifiziert waren und Aminoharzen als Vernetzer. Bessere Korrosionsschutzeigenschaften hatten Grundierungen auf der Basis von Epoxidharzestern und Phenolharzen. Eisenoxide und Titandioxid (mit Rußen und Eisenoxidgelb grau getönt) wurden als färbende Pigmente verwendet. Füllstoffe waren Bariumsulfat und Calciumcarbonat. Korrosionsschutzpigmente waren unter anderen Bleiweiß und Zinkchromat. Als Lösemittel wurden mittel- bis höhersiedende Aromaten mit kleineren Anteilen polarer Lösemittel wie Butanole und Glykolether verwendet. Additive in diesen Primern waren neben Netzmitteln von allem rheologisch wirkende Bestandteile, die ein Absetzen der Pigmente im relativ niedrigviskosen Tauchbad und ein Ablaufen des im Tauchverfahren abgeschiedenen Films vermieden. Wirksame Rheologiemittel dafür waren

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modifizierte Bentonite und kolloidale Kieselsäuren. Die Schichtdicken der Filme und die Einheitlichkeit der Beschichtung waren von der Formulierung und den Applikationsbedingungen beeinflusst. Für die Formulierung spielten Höhe des Festkörpers (nfA), Viskosität des Lackes und die Verdunstungszahlen der Lösemittel eine Rolle. Einflussgrößen des Tauchverfahrens waren Austauchgeschwindigkeit, Luftumwälzung und Temperatur. Die Grundierungen wurden meistens bei relativ hohen Temperaturen eingebrannt. Von Anfang an war das größte Problem beim Betrieb der Tauchbecken die enorme Lösemittelemission. Dabei wurde damals neben der Umweltbelastung vor allem das Explosionsrisiko bedacht und die erforderlichen hohen Versicherungskosten dazu. Daher hat man für die beschriebenen Tauchverfahren als erstes in der Automobillackierung den Ersatz lösemittelhaltiger durch wässrige Systeme in Angriff genommen. Seit Anfang der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurden wasserverdünnbare Einbrennlacke entwickelt [54] und zur Anwendung gebracht. Diese Lacke basierten auf Polyestern, Alkydharzen oder Phenolharzen, die durch Dotierung mit Carboxylgruppen und deren Neutralisierung mit Aminen die Herstellung wässriger, kolloidaler Lösungen ermöglichten, die auch noch so genannte Colösemittel enthielten. Die Carboxylgruppen wurden über die Addition von Säureanhydriden an Hydroxylgruppen zu Halbestern, durch Umsetzung von Hydroxycarbonsäuren (Veretherung bei Phenolharzen) und durch Dienaddition von Malein­­ säureanhydrid an isolierte und konjugierte Doppelbindungssysteme eingebaut. Vor allem die Dienaddition von Maleinsäureanhydrid hatte Vorteile, weil dabei die Carboxylgruppen über C–CBindungen an das Polymer gebunden werden und damit eine verseifungsstabile Modifikation gegeben ist. Es kamen auch Polyolefin-Emulsionen zum Einsatz [55]. Neben dem Vorteil der Einsparung organischer Lösemittel, der Reduktion der Explosionsgefahr und damit der Einsparung von Versicherungskosten, traten andere Nachteile der Tauchlackierung bei den wässrigen Lacken deutlicher hervor. Aufgrund der besonderen physikalischen Eigenschaften des Wassers als Lösemittel (höhere Oberflächenspannung, hohe Polarität, hohe Verdunstungsenthalpie) war es beim Tauchprozess viel schwieriger, gleichmäßige Schichtdicken zu erzeugen und Läufer oder Fehlstellen zu vermeiden. Solche wässrigen Tauchlacke wurden daher nur kurzzeitig industriell verwendet (ungefähr zwischen 1960 und 1965) und es wurde intensiv nach Lösungen der Probleme geforscht. Den Durchbruch brachte dann die Verbindung des Tauchverfahrens mit der Elektrophorese. Die Elektrophorese besteht in einem Transport elektrisch geladener Teilchen zwischen zwei Gleichstromelektroden in einem Medium mit hoher Dielektrizitätskonstante; hier ist es immer Wasser. Geladene Teilchen bewegen sich im elektrischen Feld zu der entsprechenden Gegenelektrode. Es ist dabei möglich, unterschiedlich große, kolloidale Teilchen zu transportieren, die auch nichtionische Komponenten enthalten können, bis hin zu komplexen Gebilden aus Pigmentteilchen, die von Tauchlackbindemitteln umhüllt sind. An der Elektrode bildet sich ein Film aus sauren oxidierend wirkenden Ionen (Anode) bzw. basischen, reduzierenden (Kathode). Die Bindemittel werden dadurch entladen und koagulieren. Es baut sich an der der entsprechenden Elektrode eine Filmschicht auf, die zwar ein Dielektrikum bildet, aber Migrations- und Osmosevorgänge zulässt. Die Elektro-Osmose sorgt dafür, dass Wasser einschließlich gelöster Bestandteile aus der sich bildenden Schicht verdrängt werden. Die Dicke der Schicht ist begrenzt. Die Abscheidung wird beeinflusst durch den Bindemitteltyp (Anzahl der neutralisierbaren Gruppen), die Neutralisation (Ladungsdichte), die Badkonzentration (nfA), die Badtemperatur, die Stromdichte, die Beschichtungszeit und auch durch die für die Stabilität notwendige Badumwälzung. Wenn die Parameter eines Tauchbeckens im Tauchbetrieb zeitlich genau verfolgt werden, können kontinuierlich sehr einheitliche (reproduzierbare) Schichten bzw. Beschichtungsqualitäten hergestellt werden. Bei Einhaltung der Bedingungen wird gewährleistet, dass alle Flächen eine vergleichbar dicke Schicht erhalten, das gilt vor allem für Kanten und etwas eingeschränkt auch für Hohlräume. Das am Anfang der 60er Jahre entwickelte Verfahren hat sich ab Mitte der 60er Jahre in der Automobilserienlackierung durchgesetzt. Das Verfahren erlaubt einen hohen Automatisierungsgrad.

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Anodische Elektrotauchlackierung Die Ladungsträger der Bindemittel waren zunächst neutralisierte Carboxylgruppen, also An­ionen. Die anionisch stabilisierten Bindemittelteilchen wandern im Gleichstromfeld zur Anode. Die Fahrzeugkarosserie wird also als Anode geschaltet. Bestandteile der anodischen Elektrotauchlackierung Als Bindemittel für die anodische Elektrotauchlackierung werden Addukte von Maleinsäureanhydrid an höher ungesättigte Triglyceride (Öle), vor allem Leinöl, isomerisierte Leinöle und Leinölstandöle, verwendet. Diese Anhydridaddukte werden dann mit Monoalkoholen auch mit Polyolen zu Alkylmonoestern bzw. Hydroxyalkylmonoestern des Bernsteinsäurerestes (aus der Anlagerung des Maleinsäureanhydrids) umgesetzt. Die frei gesetzte Carboxylgruppe wird mit Aminen neutralisiert und bildet dann die Trägergruppe für kolloidal gelöste Bindemittelteilchen in wässriger Phase. Abbildung 3.4.2 zeigt das Prinzip der Herstellung eines solchen Bindemittels In der zweiten Phase der Anwendung der anodischen Elektrotauchlacke wurde das Leinöl durch Butadienöle ersetzt. Butadienöle haben gegenüber Leinöl den Vorteil, völlig verseifungsstabil

Abbildung 3.4.2: Herstellung eines wasserverdünnbaren Maleinatöls

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zu sein. Weiterhin wurden für anodische Elektrotauchlackgrundierungen auch Epoxidester mit maleinisierten Fettsäuren verwendet, die sich durch eine Verbesserung des Korrosionsschutz auszeichneten. Neutralisationsmittel für anodische Elektrotauchlacke sind Amine, wie Triethylamin, N,NDi­methylethanolamin, Diisopropanolamin, Aminomethylpropanol (AMP). Maleinatöle können bei höheren Temperaturen unter dem Einfluss von Katalysatoren (Typ der Sikkative) selbst vernetzen. Anionisch stabilisierte Bindemittel, die Hydroxylgruppen enthalten – dazu gehören die mit Polyolen modifizierte maleinisierten Leinöle und Butandienöle und die maleinisierten Epoxidester – können auch fremd vernetzen. Als Vernetzer werden Phenolharze (Resole), Melaminharze und Benzoguanaminharze. Die anodischen Tauchlackgrundierungen enthalten färbende Pigmente (Titandioxid, meistens gefärbt mit Rußen und Eisenoxidgelb, oder Eisenoxidrot), Füllstoffe (Bariumsulfat) und Korrosionsschutzpigmente wie Blei- oder Zinkchromate, Bleisilikate. Die Maleinatöle eignen sich sehr gut für die Herstellung stabiler Pigmentdispersionen. Die Pigmentvolumenkonzentrationen bezogen auf den Festkörper (nfA) sind relativ gering, sie betragen 5 bis 10 Vol-%. Als Additive können die Elektrotauchlacke Verlaufmittel und Antiabsetzmittel enthalten. Die Tauchgrundierungen enthielten 10 bis 15 % Cosolventien, bevorzugt waren Glykolether (Butylglykol, Butyldiglykol). Das Tauchbad für anodische Grundierungen wird mit einem Festkörper von 10 bis 15 m-% gefahren. Applikationsverfahren Anodische Elektrotauchbäder [56, 57] haben Badtemperaturen von 25 bis 30°C, der pH-Wert ist 7,5 bis 8,5; der spezifische Leitwert ca. 5000 mS/cm. Die Karosse taucht für zwei bis drei Minuten völlig ein, die Abscheidungsspannung ist dabei 150 bis 250 Volt. Das Abscheideäquivalent beträgt 50 bis 70 mg/C. Die erzielte Schichtdicke (trocken) ist 25 bis 35 µm. Nach dem Austauchen wird die Beschichtung intensiv abgespült um möglichst alle Elektrolytbestandteile zu entfernen. Die Grundierungen wurden dann für 20 bis 30 Minuten bei ca. 170 °C eingebrannt. Die durch die Abscheidung ausgetragenen Materialmengen werden kontinuierlich kompensiert, indem ein Konzentrat zugefügt wird. Elektrodenreaktionen Bei der Abscheidung wandern die kolloidal verteilten Bestandteile im elektrischen Feld zur Anode. An der Anode bildet sich durch Elektrolyse von Wasser Protonen und molekularer Sauerstoff, der aus dem Bad entweicht. Die Protonen entladen die Anionen der Bindemittel zu Säuregruppen. Die Bindemittel mit Säuregruppen sind nicht mehr ausreichend hydrophil, sie koagulieren und bauen an der Anode eine Filmschicht auf. Zusätzlich kann aus dem Anodenmaterial Eisen zu Eisen-II-ionen oxidiert werden. Eisen-II-ionen koagulieren ebenfalls die Bindemittelanionen und lagern sich in den Film ein. An der Kathode bildet Wasser durch elektrochemische Reduktion molekularen Wasserstoff und Hydroxylionen (Elektrolyse). Die Hydroxylionen bilden Partnerionen für die Ammoniumionen des Neutralisationsmittels, die zur Kathode streben. Ohne eine Kompensation mit saurem Material oder einen Austausch-Kreislauf würde daher der pH-Wert des Bades stetig ansteigen Die Elektrodenreaktionen sind in der Abbildung 3.4.3 dargestellt. Eigenschaften Die anodischen Elektrotauchgrundierungen zeichnen sich durch gute Benetzung (Untergründe und Pigmente) und durch sehr guten Verlauf aus, wobei sicher die langkettigen aliphatischen Molekülteile Einfluss haben. Allerdings sind die Korrosionsschutzergebnisse nicht so zufrieden-

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Abbildung 3.4.3: ATL-Elektrodenreaktionen

stellend. Das liegt unter anderem daran, dass – wie beschrieben – an der Anode Eisen-II-ionen entstehen, die in der Filmmatrix eingelagert sind und damit eine Schwachstelle bilden. Eine Lösung für die noch bestehenden Forderungen brachten die seit Mitte der 70er Jahre eingeführten kathodischen Elektrotauchgrundierungen, die besseren Korrosionsschutz, besseren Umgriff und effektivere Vernetzung ergaben. Die Auswahl der Bestandteile für die kathodischen Elektrotauchlackierung ist sehr systematisch nach den anwendungstechnischen Anforderungen ausgerichtet worden: aromatische Epoxidharze für optimalen Korrosionsschutz, plastifizierende Bestandteile für Flexibilität und Verlauf, Solubilisierung und Funktionalisierung durch Addition von Aminen an die Epoxidgruppen, verkappte Polyisocyanate als Vernetzer, deren Reaktionen unter anderem von der basischen Wirkung der Aminaddukte katalysiert werden, und die zur Haftung und Beständigkeit der Grundierung beitragen (siehe Kapitel 3.4.5) [58]. Es gab auch Entwicklungen, bei denen die Epoxidharze über andere chemische Modifikationen kationisch solubilisiert und vernetzt wurden [59], die nicht bei der Beschichtung von Automobilkarossen zum Zuge kamen. Auch die kathodischen Tauchgrundierungen wurden und werden weiterentwickelt. Es gibt in der Vergangenheit kaum ein Gebiet der Lackchemie, wo so zahlreiche Patente angemeldet wurden. Es ist bemerkenswert, dass die heute angewendeten kathodischen Elektrotauchlackierungen immer noch nach den gleichen Prinzipien aufgebaut sind, wie die ersten großtechnischen Produkte. Es gab folgende Entwicklungsschritte: • Optimierung des Applikationsverhaltens – Variation der Schichtdicken (unter anderem Dickschichtsysteme) – größere Durchsatzgeschwindigkeit – besserer Umgriff – bessere Kantenabdeckung • Reduktion der Emission organischer Bestandteile (VOC, Cosolventien) • Verzicht auf gesundheitsschädliche Pigmente (bleifreie Pigmentierungen)

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In Entwicklung – es gibt auch schon Ergebnisse – sind: • Erniedrigung der Vernetzungstemperatur • Ersatz der Zinnkatalysatoren (durch physiologisch unbedenklichere Katalysatoren) • Verbesserung der Wetterbeständigkeit (unter Effektlacken, ohne Füllerschicht) Es gab in der Vergangenheit auch Änderungen des Verfahrens, die vor allem zu besseren Beschichtungsergebnissen führen sollte. Die Ziele waren: • Anhebung der Schichtdicken, evt. Verzicht auf den Füller • optimale Kantenabdeckung • besserer Umgriff Zu den alternativen Methoden gehören das Reverse-Verfahren, die elektrophoretische Abscheidung einer Powder slurry (EPC, Electro Powder Coating), die Anwendung zweier Tauchgänge, die nichtionische Elektrophorese und die Untersuchungen zur Autophorese. Reverse-Verfahren Das Reverse-Verfahren wurde bereits als Alternative zur anodischen Elektrotauchlackierung entwickelt. Dabei wird nach der Vorbehandlung der Rohkarossen durch Phosphatierung ein Füller (Grundfüller) durch Spritzauftrag appliziert; es werden Schichtdicken von 30 bis 50 µm erreicht. Dann wird bei relativ niedrigen Temperaturen eingebrannt (Vorgelierung für 10 bis 20 Minuten bei 120 °C). Dann folgt die Elektrotauchlackierung. Weil die Füllerschicht auf der Außenhaut fast gar keine Abscheidung zulässt, wird der Elektrotauchlack bevorzugt auf den inneren Flächen und in den Hohlräumen abgeschieden. Dann wird die Karosse wie üblich für 20 bis 30 Minuten bei ca. 170 °C eingebrannt. Dieses Verfahren wurde vereinzelt auch bei Anwendung kathodischer Elektrotauchlacke relativ lange beibehalten [60]. Vorteile des Verfahrens bestehen in einem besonders guten Umgriff und in einer Materialeinsparung. Allerdings ist das Erscheinungsbild des gesamten Lackaufbaus, der nach diesem Verfahren hergestellt wird, nicht besonders zufrieden stellend. Außerdem ist eine Umstellung einer Lackierstraße für diesen Prozess mit Kosten verbunden. Electro-Powder Coating Beim Electro-Powder-Coating wird ein auf Epoxidharzen aufbauender Pulverlack in einem Elektrotauchlack dispergiert. Das Verfahren wurde bereits in den 70er Jahren für anodisch abscheidbare Tauchgrundierungen und später dann für kathodisch abscheidbare Grundierungen verwendet [61]. Es gelingt dabei Filmschichten von 40 bis 80 µm (Trockenfilmdicke) zu erreichen, wobei die Abscheidungsbedingungen ähnlich wie bei der üblichen Elektrotauchlackierung sind (Zeit: 15 bis 60 Sekunden, Spannung: 100 bis 200 V). Die Beschichtung wird für ca. 10 Minuten bei 80 bis 90 °C vorgetrocknet, damit keine Kocher entstehen, und dann für 20 Minuten bei ca. 180 °C eingebrannt. Da der Widerstand des abgeschiedenen Films sehr niedrig ist, ist der Umgriff sehr gering. Es war dabei das Ziel auf eine Füllerapplikation zu verzichten. Die einem Pulverlack vergleichbare Oberflächenstruktur dieser Schicht beeinträchtigte die Glätte der nachfolgenden Decklackierung. Das Verfahren wurde weiterentwickelt zum so genannten Electro-Slurry-Coating (ESC) [62]. Das Produkt bestand aus einer Dispersion, die das Hauptbindemittel und den Vernetzer enthielt und die Additive enthielt, die sich positiv auf den Verlauf auswirkten. Elektrotauchverfahren mit zwei Tauchbädern Weil die Kantenabdeckung und der Umgriff bei der Elektrotauchlackierung zunächst ziemlich unbefriedigend war, und weil beim Electro-Powder-Coating und Electro-Slurry-Coating nur ein sehr geringer Umgriff erreicht wurde, hat man nach einer Vorgelierung der jeweils aufgetragenen Schicht einen weiteren Tauchgang angeschlossen. Dabei wurden die verbliebenen

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Metalloberflächen und dünne Schichten, die noch eine gewisse Stromdichte hatten nachbeschichtet. Danach wurden schließlich die üblichen Einbrennbedingungen angewendet. Während die Zusammensetzung der ersten Schicht unter dem Aspekt Korrosionsschutz optimiert war, wurde das Material für die zweite Schicht hinsichtlich eines guten Verlaufs und hoher Oberflächenglätte ausgelegt [63]. Weil inzwischen die konventionellen kathodischen Elektrotauchlackierungen bezüglich Schichtdicken, Umgriff und Kantenabdeckung optimiert worden waren, konnte man auf die genannten Verfahren verzichten, weil sie insgesamt aufwändiger waren als die „normale“ Elektrotauchlackierung. Deshalb sind die weiteren Verfahren auch kaum über einen Versuchsstatus hinausgekommen. Nichtionische Elektrotauchlackierung Nichtionisch stabilisierte Polymerdispersionen können aufgrund der Elektrodenreaktion an der Kathode – nämlich der Bildung von Protonen – dort durch Koagulation abgeschieden werden. Dieser Vorgang eröffnet die Möglichkeit solche Dispersionen mit höheren Anteilen an Korrosionsschutzpigmenten, die aufgrund der potentiell löslichen Anteile vor allem bei kathodisch abscheidbaren Bindemitteln problematisch sind, oder auch mit aktiven Metallpigmenten (Zinkstaub) zu formulieren. Dabei kann auf eine Vorbehandlung der Metalloberfläche verzichtet werden; oder das Material wird anstelle einer Vorbehandlung – vor einem „normalem“ Elektrotauchvorgang angewendet [64]. Autophorese Saure Polymerlösungen (pH-Wert bei 2 bis 3) können sich auf unedleren Metallen (Eisen, Zink) abscheiden. Es handelt sich dabei um eine Koagulation der sauren Polymere mit den sich bildenden Metallionen. Es ist keine Spannung notwendig. Die gebildeten Filme werden durch einen Einbrennvorgang bei relativ geringen Temperaturen fixiert. Dieses Verfahren hat zwar keinen Eingang in die Beschichtung von Automobilkarossen gefunden, es wird noch bei der Vorbeschichtung von Metallteilen für industrielle Anwendungen und auch Zubehörteilen verwendet. Zur Verbesserung der Beschichtung hinsichtlich Korrosionsschutz, Schichtdickenverteilung und Oberflächenglätte wurden nicht nur verschiedene Materialien getestet und optimiert, sondern auch das Applikationsverfahren. Relativ gute Ergebnisse wurden dadurch erzielt, dass man die Automobilkarossen während des Beschichtungsverfahrens kontinuierlich um ihre Längsachse gedreht hat [65]. Das geschah dann sowohl bei der Vorbehandlung (Tauchverfahren), bei den folgenden Spülprozessen, bei der Elektrotauchlackierung, dem dann folgenden Spülprozess und dann vor allem auch beim Einbrennvorgang. Bei der Anwendung des Verfahrens können nicht nur sehr einheitliche, gut verlaufene Schichten entstehen, sondern auch die Beschichtung der Hohlräume (Umgriff) wird gefördert. Trotzdem hat sich diese Methode nicht ausgebreitet, denn der Aufwand dafür ist beträchtlich und die „normale“ kathodische Elektrotauchlackierung ist inzwischen in den genannten Eigenschaften deutlich verbessert worden. Schließlich wird im Zusammenhang mit der sich ausdehnenden Anwendung anderer Materialien beim Bau von Automobilkarossen, wie Aluminium, Magnesium und Kunststoffen auch an einen vollständigen Ersatz der Tauchlackierung gedacht. Es gibt Pläne und Projekte für die Herstellung von Automobilkarossen vorbeschichtete Bleche zu verwenden oder ganze Automobilkarossen sollen ausschließlich aus Kunststoffteilen bestehen (siehe Kapitel 4).

3.4.4 Anforderungen und Eigenschaften Die Anforderungen an einen Elektrotauchlack betreffen einmal die Eigenschaften des Lack­mate­ rials, dazu gehören die Stabilitäten des Bades gegenüber Alterungsprozessen, Absetzen und gegen Mikroorganismen, dann die Eigenschaften, die aus dem Applikationsverhalten resultieren, wie Benetzung, Verlauf, Umgriff und Kantenabdeckung und schließlich die Filmeigenschaften wie Haftung, Flexibilität, Korrosionsschutz und andere Beständigkeiten.

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Die Badstabilität wird bei der Beschreibung des Applikationsverfahrens behandelt (siehe Kapitel 3.4.6) Zur Vermeidung des Absetzens können rheologisch wirkende, pigmentähnliche Hilfsstoffe verwendet werden. Allerdings wird das Tauchbad kontinuierlich umgewälzt. Das Absetzverhalten wird an Proben des Badmaterials (d.h. im möglichst verdünnten Zustand) über eine vorgegebene Zeit bei einer bestimmten Temperatur visuell geprüft . Die aktuellen Elektrotauchgrundierungen enthalten praktisch keine Lösemittelanteile mehr, sondern nur noch deionisiertes Wasser als Dispersionsmittel und auch keine physiologisch bedenklichen Pigmente. Das hat unter anderem die Folge, dass die Tauchbäder, auch die Vor- und Zwischenprodukte, gegen Befall durch Bakterien und Pilze geschützt werden müssen. Die dafür ausgewählten Additive dürfen natürlich nicht die vorher getroffenen Maßnahmen der Vermeidung gesundheitsschädlicher Materialien wieder aufheben. Als Fungizide und Bakterizide müssen also solche Stoffe ausgewählt werden oder so kleine Konzentrationen verwendet werden, dass weder Mensch noch Umwelt davon belastet werden. Darüber hinaus dürfen diese Mittel die Filmqualität (Verlauf, Vergilbung, Korrosionsschutz) nicht negativ beeinflussen Benetzung Während die oben beschriebenen Maleinatöle und Butadienöle für anodische Elektrotauchlacke aufgrund ihrer chemischen Struktur gute Benetzungseigenschaften für Pigmente als auch für den Untergrund haben, sind die Hauptbindemittel der kathodischen Elektrotauchlacke dafür weniger gut geeignet. Die dort verwendeten aromatischen Epoxidharze werden so modifiziert, dass sie unter anderem auch ein besseres Benetzungsverhalten für das Substrat zeigen. Für die Benetzung der Pigmente wird ein spezielles Bindemittel hergestellt (das so genannte Reibharz). Für die Filmbildung können außerdem Netzmittel verwendet werden. Netzmittel beeinflussen vor allem die Oberflächenspannung eines Lacksystems. Sie sollen dabei keine Schaumbildung ergeben. Von den oberflächenaktiven Verbindungen scheiden hier allerdings viele ionische Netzmittel aus, weil sie prinzipiell nicht zum Abscheideprozess passen. Benetzungseigenschaften hängen natürlich auch von der Qualität und Oberfläche des Substrats ab. Die bereits beschriebenen Vorbehandlungsmethoden (siehe Kapitel 3.4.3) sind auch in dieser Hinsicht optimiert worden. Haftung Für eine gute Haftung ist natürlich zunächst eine gute Benetzung die Vorraussetzung. Die modifizierten, aromatischen Epoxidharz-Bindemittel der kathodischen Elektrotauchlacke haben – wenn das Substrat optimal benetzt wurde – sehr gut Haftungseigenschaften. Es gibt unterschiedliche Erklärungsversuche dafür. Offensichtlich ist diese Eigenschaft an das Strukturelement des aromatischen Ethers gebunden, denn z.B. aliphatische Epoxidharz-Bindemittel haben diese besondere Eigenschaft nicht mehr. Außerdem wurde postuliert, dass bei der Vernetzung dieser Epoxidharze keine besonderen Dichteänderungen auftreten, so dass die entstandenen physikalischen Verbindungen zwischen Substrat und Lackfilm beim Einbrennen nicht geändert werden. Natürlich haben auch Pigmente einen positiven Einfluss auf die Haftung. Auf den physikalischen Hintergrund der der Haftung wird noch ausführlich bei der Beschreibung der Füller eingegangen (siehe Kapitel 3.5.2) Flexibilität Die Flexibilität der Grundierung ist eng mit der Haftung verbunden. Zur Bestimmung der Flexibilität wird das beschichtete Substrat verformt und das Verhalten der Lackschicht visuell beurteilt. Die Verformung besteht daran, dass eine Kugelkalotte mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten – meistens von der Rückseite – in ein Prüfblech gedrückt wird. Beim so genannten Erichsen-Test [66] wird die Kugelkalotte langsam mittels einer Spindel vorgetrieben. Der Grenzwert liegt bei 10 mm Eindringtiefe, denn dann reißen die üblichen Prüfbleche. Angegeben wird die Eindringtiefe in mm bei der zuerst mit einem Aufsichtmikroskop Risse in der Lackschicht beobachtet werden. Bei Kugelfalltesten wird ein Prüfkörper bestimmten Gewichts, dessen Ende aus einer Kugelkalotte besteht aus definierter Höhe – also mit einer bestimmten Wucht – auf die Rückseite einer beschichteten Prüfplatte fallen gelassen.

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Bestimmt wird das Gewicht bzw. die Fallhöhe, also letztlich die Kraft der Verformung, die die Lackschicht ohne Verletzung übersteht (angloamerikanisch: reverse impact) [67]. Verlauf Die Elektrotauchlackierung ist die erste Schicht, die bereits die Aufgabe hat, die Struktur des Untergrundes (Blechstruktur auch Struktur der Vorbehandlung) abzudecken. Dabei hilft das Prinzip des Abscheidungsverfahren eher nicht, denn aufgrund der Stromdichten an den Unebenheiten und Kanten wird an deren Strukturen mehr abgeschieden als auf glatten Flächen. Auch der Verlauf eines Lackes hängt zunächst von der Effektivität der Benetzung ab. Dafür müssen die abgeschiedenen Teilchen der Dispersion optimal verfließen. Dabei spielt die Viskosität bei der Filmbildung – besonders in der ersten Einbrennphase – eine wichtige Rolle. Die aromatischen Epoxidharze haben je nach Molmasse relativ hohe Viskositäten, die mit steigender Temperatur deutlich fallen. (Das ist z.B. bei der Filmbildung von Pulverlacken ein besonderer Vorteil.) Die Filmviskosität steigt dann mit beginnender Vernetzung im Einbrennvorgang wieder deutlich an. Für die kathodischen Elektrotauchlacke sollten die Viskositätsänderungen eher moderater sein, um einen guten Verlauf zu erreichen. Unter anderem deshalb werden die aromatischen Epoxidharze mit speziellen Komponenten modifiziert (siehe Kapitel 3.4.5). Es gibt auch Additive, die den Verlauf dadurch verbessern, dass sie bei der Filmbildung ausschwimmen und auf der Oberfläche spreiten. Für Grundierungen kann man natürlich nur solche benutzen, die die Benetzung der nachfolgend applizierten Lackschicht nicht beeinträchtigen. Der Verlauf der Lackfilme wird über Rauhigkeitsmessungen quantifiziert. Dabei wird oft nicht die Grundierung allein sondern ein gesamter Lackaufbau beurteilt . Schichtdicke Die erreichbaren Schichtdicken werden durch den Widerstand des abgeschiedene Films beeinflusst, der wiederum von der Glasübergangstemperatur, dem Gehalt an polaren Gruppen, der Restlösemittelmenge abhängig ist. Natürlich bestimmen auch die Abscheideparameter wie die Zeit, die Stromdichte, die Stromausbeute und die Temperatur die Schichtdicken. Umgriff Als Umgriff (angloamerikanisch: throwing power) bezeichnet man die Fähigkeit eines Elektro­ tauchlacks auch in Hohlräumen in ausreichender Schichtdicke abgeschieden zu werden. Das wird zunächst natürlich durch die allgemein erreichbare Schichtdicke bestimmt. Es gibt eine ganze Reihe von Einflussgrößen auf den Umgriff. Besonders die Höhe des Filmwiderstands bestimmt den Umgriff, ein besonders hoher Widerstand erniedrigt den Umgriff. Der Filmwiderstand ist abhängig vom Restgehalt an Wasser und Lösemittel, von der Anzahl der ionischen Gruppen bzw. von den polaren Gruppen des Bindemittel und von dessen Glasübergangstemperatur. Weiterhin wirkt die Leitfähigkeit des Tauchbads auf den Umgriff, die wiederum vom Festkörper, der Badtemperatur, dem Neutralisationsgrad und dem Typ der Ionen abhängig ist. Wie beschrieben ist es einer der Vorteile der Elektrotauchlackierung überhaupt, dass auch in Hohlräumen Filme gebildet werden können. Das ist besonders deshalb wichtig, weil die Automobilkarossen ziemlich komplizierte Formen haben. Diese Formen sollen ein Optimum aus Gewichtseinsparung und Verwindungssteifigkeit ergeben, es ist natürlich notwendig, dass sie möglichst überall vor Korrosion geschützt sind. Der Umgriff wird an Prüfkörpern mit definierten Hohlräumen (z.B. einseitig offene Kästen) oder in bestimmten Hohlräumen (Rohre) unter Einhaltung definierter Abscheidebedingungen geprüft. Es werden die Schichtdicken der Filme auf den Prüfkörpern, bezogen auf den Abstand zur Eintrittsöffnung (z.B. Rohrlänge), gemessen und beurteilt. Für eine Optimierung dieser Eigenschaft – ohne Änderung der Applikationsbedingungen – müssen entweder die Bindemittelzusammensetzung oder die Formulierung der Tauchgrundierung geändert werden.

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Kantenabdeckung Da das elektrische Feld an Kanten besonders dicht ist, kann man davon ausgehen, dass die Abscheidung an solchen Kanten ziemlich gut ist. Wenn dann allerdings bei der Filmbildung die Dispersionsteilchen zusammenfließen kann es, aufgrund der Kontraktion, zur Kantenflucht kommen. Dünne Schichten oder nicht abgedeckte Kanten, können Stellen für einen korrosiven Angriff bilden. Einflussgrößen auf die Kantenabdeckung sind Glasübergangstemperatur und Viskosität der Bindemittel des Films, seine Polarität und die Geschwindigkeit der Vernetzungsreaktion. Daher spielen hier auch die Einbrennbedingungen eine Rolle. Die Kantenabdeckung kann durch Messung der Durchschlagsspannung an besonderen Prüfkörpern gemessen werden. Korrosionsschutz Die Korrosionsbeständigkeit einer Elektrotauchgrundierung wird zuerst von der Benetzung und Haftung beeinflusst. Ziel ist es, dass es keine Unterwanderung von Feuchtigkeit geben soll. Dabei ist ein homogener Übergang vom Metall, bzw. von der kristallinen Schicht der Vorbehandlung zur Filmschicht der Grundierung ausschlaggebend. Außerdem ist eine hohe Diffusionsdichte des Films gefordert. Die Diffusionsdichte wird positiv beeinflusst von der Hydrophobie des Films, seiner Glasübergangstemperatur und seiner Vernetzungsdichte. Nachteilig können dagegen niedrig­ molekulare Anteile, restliche ionische Bestandteile, Lösemittelreste und Verunreinigungen sein. Auch Additive müssen daraufhin geprüft werden, dass sie, wenn sie im Film zurückbleiben, die Korrosionsbeständigkeit nicht negativ beeinflussen. Schließlich kann die Pigmentierung die Korrosionsbeständigkeit unterstützen. Die aktiven Korrosionsschutzpigmente wechselwirken mit der Metalloberfläche bzw. mit der Vorbehandlungsschicht. Eine optimale Pigmentpackung als solches wirkt bereits aufgrund ihres Widerstands gegen Diffusionsvorgänge positiv auf die Korrosionsbeständigkeit. Dabei ist es natürlich wichtig, dass die Pigmente optimal in die Filmmatrix eingebettet sind, d.h. es darf keine Grenzflächen geben, die Diffusionsvorgänge fördern. Die Korrosionsbeständigkeit wird an Prüfblechen bestimmt, die einer feuchten Atmosphäre und Temperaturwechseln (-20 °C bis +60 °C) ausgesetzt werden, oder in Wasser – dazu gehört auch Salzwasser – eingetaucht werden. Um möglichst schnell zu aussagefähigen Ergebnissen zu kommen werden Bleche, die nur mit der Grundierung beschichtet sind durch einen Kreuzschnitt (Andreaskreuz bis auf das Blech) verletzt und dann der Belastung ausgesetzt. Korrosionsprozesse starten dann von den Schnitten aus (siehe Theorie des Lokalelements, Kapitel 3.4.1). Beurteilt wird die Ausbreitung der Korrosion von den Schnitten aus und als Breite der Verletzung (mm) nach einer bestimmten Belastungszeit (h) angegeben. Man bezeichnet die Schädigung als Unterwanderung [68]. Letztlich gibt also die Intensität der Verbindung der Grundierungsschicht zum Untergrund den Ausschlag und damit besonders die Qualität der Vorbehandlung. Der Test ermöglicht die Beurteilung des Falles, wenn die gesamte Lackschicht auf einer Karosse durch mechanische Einflüsse (Steinschlag) bis auf das Blech verletzt wird. Zur Beurteilung der Korrosionsbeständigkeit einer Lackierung sollte eigentlich der gesamte Aufbau getestet werden, denn die weiteren Schichten, außer der Grundierung, tragen einen wichtigen Anteil zu der Beständigkeit bei, besonders durch eine Vermeidung von Diffusionsvorgängen. Natürlich werden auch solche Tests durchgeführt. Um dabei zu aussagefähigen Ergebnissen zu kommen, benötigt man sehr viel Zeit. Es sind Zeiträume, die der Gebrauchzeit der lackierten Objekte – der Automobile – entsprechen. Handlungsfähig – im Sinne einer Optimierung – ist man daher nur durch die Auswertung von Kurztesten. Andere Filmbeständigkeiten Erstaunlicherweise gibt es eine Diskussion über die Wetterbeständigkeit von Grundierungen, obwohl diese Aufgabe eine essentielle Eigenschaft der Decklacke betrifft. Die Ursache für die Diskussion liegt daran, dass in bestimmten Fällen nach Bewitterungstesten Enthaftung von Grundierungen festgestellt wurden. Eine Analyse der Bedingungen ergab, das UV-Licht dann bis

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zur Grundierung vordringen kann, wenn kein Füller verwendet wurde, ein üblicherweise gering pigmentierter Basislack (z.B. mit einem groben Aluminiumpigment) und ein Klarlack, der oft trotz UV-Absorberanteile noch UV-Licht durchlassen kann (siehe Kapitel 3.4.8). Es ist bekannt, dass aromatische Epoxidharze – die Hauptbestandteile der kathodischen Elektrotauchlackfilme – nicht lichtbeständig sind. Dabei ist – allerdings im Zusammenhang mit Feuchtigkeit – schon das relativ energieärmere UV-A-Licht (im nahen UV-Bereich) wirksam. Es wird daher vorgeschlagen stabilere Bindemittel in der Grundierung zu verwenden. So kann man mindestens einen Teil der aromatischen Epoxidharze durch cycloaliphatische oder aliphatische Epoxidharze ersetzen [69]. Die sind jedoch teurer und als Rohstoffe toxisch. Außerdem gewährleisten sie nicht die guten Korrosionsschutzbeständigkeiten. Ein anderer Weg ist alle Schichten – auch die Grundierung – mit UV-Absorbern, die dann auch den UV-A-Bereich absorbieren, auszurüsten. Hier wird vertreten, dass die einzelnen Funktionen der Gesamtaufgabe einer Lackierung gezielt auf verschiedene Schichten verteilt bleiben sollten. Ein optimal pigmentierter Füller schützt – auch wenn er nur dünnschichtig appliziert wurde – die Grundierung effektiv gegen UV-Licht, auch dann, wenn die Decklackschichten – wie es zu fordern wäre – UV-Licht nicht ausreichend absorbieren. Die Vorstellung, auf eine Füllerschicht zu verzichten, beinhaltet natürlich ein gewisses Risiko. Es macht wenig Sinn bei Applikationsanlagen, die zunächst mit einer Füllerstraße ausgerüstet waren auf diese zu verzichten, mit dem Ziel zu sparen, so müsste auf der anderen Seite wieder Aufwand und somit Kosten betrieben werden, um Nachteile zu kompensieren (siehe Kapitel 3.5.1).

3.4.5 Zusammensetzung Kathodische Elektrotauchgrundierungen für die Fahrzeugserienlackierung enthalten als Hauptbestandteil modifizierte, aromatische Epoxidharze, meistens in zwei Formen als Hauptbindemittel und als Anreibebindemittel für Pigmente (Reibharz). Die Modifikationen bestehen zunächst aus Aminaddukten, die als Kationen Trägergruppen für eine gewisse Wasserlöslichkeit bilden; und des Weiteren aus plastifizierend wirkenden Bestandteilen. Vernetzer sind vor allem verkappte Polyisocyanate. Es gibt färbende Pigmente, Füllstoffe und Anteile bestimmter Korrosionsschutzpigmente. Als Additive werden Netzmittel, Verlaufmittel, Fungizide bzw. Bakterizide und Vernetzungskatalysatoren verwendet [70]. 3.4.5.1 Epoxidharze Das Hauptbindemittel der kathodischen Elektrotauchlackierung ist ein modifiziertes Epoxidharz. Zunächst werden vor allem aromatische Epoxidharze verwendet. Ihre Filme zeichnen sich durch besonderen Korrosionsschutz aus, sie sind gut lösemittel- und chemikalienbeständig und haben eine hohe Härte. Aromatische Epoxidharze sind relativ temperaturbeständig, sie sind weder wetter- noch lichtbeständig. Aromatische Epoxidharze werden aus Bisphenol A und Epichlorhydrin hergestellt. Epichlorhydrin wird an der sauren OH-Gruppe des Bisphenol A addiert. Durch die Wirkung konzentrierter Natronlauge wird aus dem entstandenen Chlorhydrin nicht Chlor sondern Salzsäure abgespalten, es entsteht erneut ein Epoxygruppe. Die einfachste Verbindung der Gruppe der aromatischen Epoxidharze ist der Bisphenol-A-diglycidylether aus zwei Molen Epichlorhydrin und einem Mol Bisphenol A (siehe Abbildung 3.4.4, Seite 60). Das Produkt ist je nach Reinheit flüssig bis teilkristallin. Höhermolekulare Epoxidharze entstehen aus Verhältnissen von Epichlorhydrin und Bisphenol A kleiner als 2 (siehe Abbildung 3.4.5, Seite 60). Man kann höhermolekulare Epoxidharze auch dadurch herstellen, dass man den Bisphenol-A-digly­ cidylether mit unterschiedlichen Menge Bisphenol A reagieren lässt (siehe Abbildung 3.4.6, Seite 61). Dieses Verfahren ist vorteilhaft, weil man nicht mehr mit dem sehr toxischen Epichlorhydrin arbeiten muss, dass dann nur für die Herstellung des Bisphenol-A-diglycidylethers benötigt wird. Ein weiterer Vorteil ist es, dass die so hergestellten Epoxidharze eindeutiger bifunktionell sind als

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die ersteren, weil dort bei höheren Molmassen, die endständigen Epoxidgruppen nicht mehr vollständig ausgebildet werden. Für Epoxidharze, die in Korrosionsschutzgrundierungen eingesetzt werden, ist es wichtig dass der restliche Chlorgehalt möglichst niedrig ist (≤150 ppm verseifbares Chlor). Epoxidharze vernetzen über ihre Epoxidgruppen, zum Teil auch über ihre seitenständigen sekundären Hydroxylgruppen. Die Epoxidgruppen können mit Aminen und Carbonsäuren reagieren. Die Reaktion mit Aminen läuft bereits schon bei niedrigen Temperaturen. Die beiden genannte Umsetzungen sind Additionsreaktionen. Für verschiedene Anwendungsfelder – zum Beispiel für dickere Schichten – ist das ein Vorteil. Die sekundären Hydroxylgruppen können mit Phenolharzen und Aminoharzen zur Reaktion gebracht werden (Kondensationsreaktionen).

Abbildung 3.4.4: Herstellung des Bisphenol-A-diglycidylether

Abbildung 3.4.5: Höhermolekulare Epoxidharze aus Bisphenol A und Epichlorhydrin

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Aromatische Epoxidharze haben ein weites Anwendungsfeld, nicht nur für Lacke. Für die kathodischen Elektrotauchlackierung werden sie mit Aminen modifiziert. 3.4.5.2 Modifikationen mit Aminen Die endständigen Epoxygruppen der Epoxidharze können mit sekundären Aminen leicht Additionsverbindungen bilden. Es entstehen tertiäre β-Hydroxyalkylamine (siehe Abbildung 3.4.7).

Abbildung 3.4.6: Höhermolekularere Epoxidharze aus Bisphenol A und Bisphenol-A-diglycidylether

Abbildung 3.4.7: Umsetzung von Epoxidharzen mit sekundären Aminen

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Abbildung 3.4.8: Umsetzung von Epoxidharzen mit Hydroxyalkylaminen

Abbildung 3.4.9: Umsetzung von Epoxidharzen mit Ketiminen

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Natürlich können auch primäre Amine mit Epoxygruppen umgesetzt werden, dabei ist zu bedenken, dass eine primäre Aminogruppe mit zwei Epoxygruppen reagieren kann. Es werden dabei tertiäre Aminogruppen in einer Kette gebildet, die – vereinfacht gesagt – im Mittel doppelt so groß ist, wie bei der Addition eines sekundären Amins. Wenn diese Amine mit Säuren neutralisiert werden, sind die gebildeten Ammoniumionen in der Lage dem Polymer, das sie enthält, eine gewisse Wasserlöslichkeit zu verleihen. Das bedeutet, man kann die mit Aminen modifizierten Epoxidharze nach Neutralisation mit Säuren in eine wässrige, kolloidale Lösung überführen, die dem Status einer echten Dispersion nahe kommt. Als Neutralisationsmittel werden Essigsäure, Ameisensäure und Milchsäure verwendet. Die so modifizierten Epoxidharze enthalten neben der neutralisierbaren Aminogruppe – wie bereits erwähnt – sekundäre Hydroxylgruppen, die einer Vernetzungsreaktion zugänglich sind. Es lassen sich auch gezielt weitere funktionelle Gruppen einführen. Durch Addition von Hydroxy­ alkylaminen (zum Beispiel N-Methylethanolamin, Diethanolamin) an die Epoxidharze werden endständige Hydroxylgruppen eingeführt (siehe Abbildung 3.4.8). Man kann die Produkte auch mit endständigen primären Aminogruppen dotieren. Dann werden primäre-sekundäre Amine (z.B. N-Methylaminopropylamin, Diethylentriamin), zunächst durch eine Reaktion mit Ketonen (Methylethylketon, Methylisobutylketon) in Ketimine überführt, dabei reagieren nur die primären NH2-Gruppen. Die verbleibende sekundäre Aminogruppe wird dann – wie beschrieben – mit dem Epoxidharz umgesetzt. Erst dann wird das Ketimin hydrolisiert und die freie primäre Aminogruppe bildet sich zurück. Das geschieht während der Neutralisation der Bindemittel bei ihrer Überführung in die wässrige Phase. Die primären Aminogruppen sind sehr reaktive Partner für die Vernetzung mit verkappten Polyisocyanaten. Sie werden natürlich auch – mindestens zum Teil – durch die Säuren neutralisiert (siehe Abbildung 3.4.9). Der Gehalt an Aminen, bzw. Ammoniumionen bestimmt die Teilchengröße der kolloidalen Lösung bzw. kationisch stabilisierten Dispersion. Für ein optimales Abscheideverhalten ist eine bestimmte Teilchengröße erwünscht. Daher sollte die Anzahl der neutralisierten Aminogruppen in definierten Grenzen gehalten werden. 3.4.5.3 Weitere Modifikationen Die Eigenschaften der Epoxidharze für Elektrotauchlackierungen werden noch durch weitere Modifikationen beeinflusst. Die wichtigsten Ziele solcher Modifikationen sind die Verbesserung der Flexibilität und des Verlaufs. Es gibt dazu verschiedene Möglichkeiten. Fast alle Maßnahmen haben gemeinsam, dass bestimmte Anteile von Verbindungen eingeführt werden, die plastifizierend wirken. Die Verbindungen enthalten daher mehr oder weniger lange aliphatische Ketten, sie sind aliphatische Polyether oder Polyester, oder Phenole mit Alkylresten. Einmal werden Epoxidharze nicht nur aus Bisphenol-A-diglycidylether und Bisphenol A aufgebaut und daraus Aminaddukte hergestellt, bzw. direkt etwas höhermolekulare Epoxidharztypen zu Aminaddukten umgesetzt; sondern der molekulare Aufbau besteht aus Bisphenol-A-diglycidylether, Bisphenol A und bestimmten Anteilen an Polyesterpolyolen (z.B. Polycaprolactondiolen) oder Polyetherpolyolen (z.B. Polypropylenglykolen). Es ist auch möglich solche Aufbaureaktionen mit Anteilen niedrigmolekularer Polyole (Diole und Triole) durchzuführen. Die Reaktionen bestehen aus einer katalysierten Umsetzung der OH-Gruppen dieser Produkte mit einem Teil der Epoxygruppen. Ähnliche Effekte erzielt man auch, wenn man die Epoxidharze mit Alkylphenolen, die mehr oder weniger lange Alkylseitenketten enthalten, modifiziert (z.B. mit Dodecylphenol). Die monofunktionellen Phenole bilden nicht nur Endgruppen der modifizierten Epoxidharze. Der gesamte

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Reaktionsablauf ist relativ komplex. Das liegt daran, dass – bei geeigneter Katalyse – nicht nur die Hydroxylgruppen der Polyole oder Phenole reagieren, sondern dass auch die sekundären Hydroxylgruppen der Epoxidharze selbst an der Reaktion teilnehmen. Weil die Aminanlagerung schneller abläuft als die Addition von Hydroxylgruppen der Phenol und Polyole, wird sie erst nach den hier beschriebenen Modifikationsreaktionen durchgeführt. Aus Bisphenol-A-diglycidylether, weiterem Bisphenol A, Polyolen oder Phenolen und den genannten Aminen entstehen letztlich höher molekulare Epoxide, die über modifizierende Komponenten auch verzweigt sein können und tertiäre Aminogruppen enthalten, welche nach Neutralisation mit flüchtigen Säuren solubili­ sierende Gruppen für eine wässrige Dispersion bzw. kolloidale Lösung des Polymers ergeben. Die mittleren Molmassen (Zahlenmittel) der Produkte liegen zwischen 3.000 und 5.000 g/mol. Der prinzipielle chemische Aufbau ist an einem Beispiel in der Abbildung 3.4.10 dargestellt.

Abbildung 3.4.10: Prinzipieller Aufbau eines KTL-Bindemittels

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Der molekulare Aufbau wird bei Temperaturen zwischen 110 und 180 °C durchgeführt. In den Patenten werden als Reaktionskatalysatoren tertiäre Amine (z.B. N,N-Dimethylbenzylamin) oder andere Lewis-Basen (z.B. Triphenylphophin) genannt. Eine andere Aufbaureaktion besteht darin, dass man nicht nur Bisphenol-A-diglycidylether mit Bisphenol A umsetzt, sondern dass dabei auch Anteile längerkettiger, aliphatischer Digylcidylether verwendet werden, wie Polypropylenglykoldiclycidylether oder Polytetrahydrofuandiglycidylether. Es wird auch beschrieben, dass man die beschriebenen aminmodifizierten aromatischen Epoxidharze mit längerkettigen, aliphatischen Diaminen kombiniert, wie z.B. mit einem Polypropylenoxid, das endständige Aminogruppen hat, die dann ebenfalls mit flüchtigen Säuren neutralisiert werden können. Schließlich kann man plastifizierende Komponenten noch bei der Herstellung der Dispersion zusetzen, ohne dass sie mit den Epoxidharzen reagieren oder neutralisierbar sind. Das sind z.B. Polyetherpolyole (wie Polypropylenglykol) oder alkoxyliertes Bisphenol A. Diese Produkte sind in den Dispersionsteilchen enthalten ohne eine eigene kationische Stabilisierung. Für diese Bestandteile kann man annehmen, dass ihre Hydroxylgruppen mit den verkappten Isocyanaten in der Einbrennphase reagieren. 3.4.5.4 Reibharze Weil die beschriebenen Dispersionen aus modifizierten aromatischen Epoxidharze keine guten Benetzungseigenschaften für die meisten Pigmentoberflächen haben, werden separat Bindemittel hergestellt, die dafür besser geeignet sind, die so genannten Reibharze. Natürlich werden auch hier Epoxyverbindungen mit Aminen modifiziert. Der prinzipielle Unterschied besteht eigentlich darin, dass die Reibharze molekulare Bausteine enthalten, die mit den Oberflächen der verwendeten Pigmente eine Wechselwirkung eingehen. Auch wenn diese Bindemittel keine wirkliche Emulgatorstruktur haben, sollte man sich ihre Wirkung entsprechend vorstellen. Sie haben meistens höhere Aminäquivalentgewichte und können niedrigmolekularer sein. Besondere Effekte werden erreicht wenn man quarternäre Ammoniumverbindungen einbaut. Dazu wird ein Ammoniumsalz einer der Säuren, die auch zur Neutralisation verwendet werden, mit Epoxygruppen umgesetzt und bildet dann ein quarternäres Ammoniumsalz der betreffenden Säure. Solch eine Reaktion ist in der Abbildung 3.4.11 (Seite 64) dargestellt. Ein Beispiel für ein Reibharz mit Polypropylenglykoldiglycidether ist in der Tabelle 3.4.2 dargestellt (siehe Kapitel 3.4.5.8) gegeben. 3.4.5.5 Vernetzer Vernetzer für die modifizierten Epoxidharze sind hier verkappte Polyisocyanate. Isocyanate können bereits bei Raumtemperatur mit Bindemitteln, die freie Hydroxylgruppen oder sogar freie sekundäre oder primäre Aminogruppen enthalten, reagieren. Aus diesem Grund sind sie als Vernetzer nur in so genannten Zweikomponentenlacken zu verwenden, bei denen ein Stammlack mit dem Hauptbindemittel und eine separate Vernetzerlösung gehandelt werden, die erst kurz vor der Applikation gemischt werden können. Weil nach der Mischung die Reaktion beginnt, lassen sich solche Mischungen nur in einem bestimmten Zeitraum optimal verarbeiten; den Zeitraum nennt man Potlife. Man verwendet solche Zweikomponentenlacke bei OEM-Klarlacken (siehe Kapitel 3.8.3.4) und bei Automobil-Reparaturlacken (siehe Kapitel 4.4). Bei Tauchlacken, die über eine längere Zeit sehr stabil sein müssen, kann man solche Vernetzer natürlich nicht verwenden. Es gibt eine Methode, die es ermöglicht, Polyisocyanate als Vernetzer auch für lagerstabile Lackmischungen zu verwenden. Man lässt die Polyisocyanate mit einer Verbindung reagieren, die bei höheren Temperaturen wieder abgespalten werden kann. Dann sind diese vorreagierten Isocyanate bei Raumtemperaturen zunächst nicht mehr reaktiv. Man bezeichnet diese Möglichkeit als Verkappung (angloamerikanisch: blocked polyisocyanates). Verkappte Polyisocyanate können mit den vorgesehenen Partnerbindemittel stabil gemischt werden, sie

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reagieren erst bei höheren Temperaturen. Die effektiven Reaktionstemperaturen werden von der Art des Isocyanats, des Verkappungsmittels und der Reaktivität der funktionellen Gruppen der Partnerbindemittel beeinflusst. Früher hat man angenommen, dass bei der Reaktion zunächst das Verkappungsmittel abgespalten wird und dann die frei gesetzten Isocyanatgruppen mit den OHGruppen bzw. NH-Gruppen des Partnerbindemittels reagieren (SN1-Reaktion). Vor allem eigene Untersuchungen [71] haben ergeben, dass es sich bei der Umsetzung um eine Austauschreaktion handelt, die mit der Umesterungsreaktion verglichen werden kann (SN2-Reaktion). Das ist allein schon durch die Lage der effektiven Umsetzungstemperatur für ein bestimmtes, verkapptes Polyisocyanat und unterschiedliche Partnergruppen gegeben. So reagieren Bindemittel mit primären OH-Gruppen bei niedrigeren Temperaturen als solche mit sekundären OH-Gruppen, vor allem dann wenn sie strukturell sehr exponiert sind und nicht sterisch gehindert. NH-Gruppen reagieren bei deutlich niedrigeren Temperaturen im Vergleich zu den OH-Gruppen. Auf Seiten der Polyisocyanate reagieren die aromatischen deutlich schneller als die aliphatischen, und diese wiederum schneller als die cycloaliphatischen Isocyanate. Die Verkappungsmittel lassen sich ebenfalls nach ihrer Reaktionsgeschwindigkeit bzw. nach der Temperatur einordnen, bei der sie effektiv reagieren. Vergleicht man die Wirkung verschiedener Verkappungsmittel für ein aliphatisches Isocyanat bei der Umsetzung mit einem OH-Gruppen enthaltenden Bindemittel, so reagieren primäre Alkohole als Verkappungsmittel erst über 200 °C, sekundäre Alkohole und Glykolmonoether unter 200 °C, Phenole bei ca. 180 °C, ε-Caprolactam bei ca. 165 °C, Methylethylketon bei ca. 150 °C, 3,5-Dimethylpyrazol und Ethylacetoacetat bei ca. 140 °C und Diethylmalonat bei ca. 130 °C – um die derzeit wichtigsten technisch verwendeten Verkappungsmittel zu nennen. Kombiniert man die genannten verkappten Polyisocyanate mit Bindemitteln die primäre Aminogruppen enthalten, so ist die effektive Reaktionstemperatur mindestens 50 °C tiefer als die für die Umsetzung mit OH-Gruppen. Bei der kathodischen Elektrotauchlackierung kommen kleinere Anteile primärer Aminogruppen, endständige primäre Hydroxylgruppen und schließlich seitenständige, sekundäre Hydroxylgrup-

Abbildung 3.4.11: Quarternäres Ammoniumsalz für ein Reibharz

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pen zu Reaktion. Deren Reaktionsgeschwindigkeit fällt deutlich in der genannten Reihenfolge. Von den sekundären Hydroxylgruppen wird sicher nur ein bestimmter Teil zur Reaktion kommen. Die Vernetzer bauen vor allem auf aromatischen Polyisocyanaten auf, die die reaktivsten Isocyanate darstellen. In den zahlreichen Patenten werden zuerst Addukte aus 3 Molen Toluylendiisocyanat (TDI) und einem Mol Trimethylolpropan genannt, später vor allem Isomerengemische bzw. höherfunktionelle Derivate des 4,4‘-Diisocyanatodiphenylmethan (angloamerikanisch: methylene diphenyldiisocyanate, MDI). Es werden auch Vernetzer beschrieben die neben aromatischen Polyisocyanaten auch aliphatische oder cycloaliphatische Isocyanataddukte enthalten (z.B. das Isocyanurattrimere des Hexamethylendiisocyanats als aliphatische Komponente). Für die üblichen hohen Einbrenntemperaturen werden relativ langsam reagierende Verkappungsmittel gewählt. Es werden sekundäre Alkohole (z.B. 2-Ethylhexanol) und Ethylenglykolbzw. Diethylenglykolmonoether (z.B. Propylglykol, Butyldiglykol) beschrieben. Die Reaktion der Isocyanate – und auch der verkappten Isocyanate – werden durch Metallionen und tertiäre Amine katalysiert. Für kathodische Elektrotauchlacke wird zuerst das Dibutylzinnoxid genannt. Da Zinnverbindungen inzwischen als physiologisch bedenklich klassifiziert werden, wird nach Alternativen gesucht [72]. Da das Hauptbindemittel der kathodischen Elektrotauchgrundierungen tertiäre Amine enthält, besteht dadurch ebenfalls ein katalytischer Effekt auf die Vernetzungsreaktion. Die verkappten Polyisocyanate sind als solche nicht wasserverträglich. Sie werden in organischer Phase mit den modifizierten Epoxidharzen gemischt und gemeinsam mit diesen dispergiert. Das bedeutet, dass die mit flüchtigen Säuren neutralisierten, kationisch stabilisierten Epoxidharzmodifikationen als Trägerbindemittel für die Vernetzer fungieren. Weitere verkappte Polyisocyanate sind als Vernetzer für OEM-Klarlacke beschrieben (siehe Kapitel 3.8.3.5). 3.4.5.6 Pigmente Elektrotauchgrundierungen enthalten färbende Pigmente, Füllstoffe, begrenzte Anteile an Korro­ sionsschutzpigmenten und gegebenenfalls pigmentähnliche Hilfsstoffe. Das färbende Pigment ist vor allem Titandioxid vom Rutiltyp. Es gibt eine Vielzahl von Handelsprodukten, von denen nicht alle verwendet werden können. Die Titandioxide für die Tauchgrundierungen werden nach ihrem Dispergierverhalten im so genannten Reibharz, der Stabilität im Tauchbecken und dem Abscheideverhalten ausgewählt. Elektrotauchgrundierungen sind meistens grau eingefärbt, dazu wird das Titandioxid mit kleinen Anteilen Ruß getönt. Es gibt auch schwarze Elektrotauchgrundierungen. Dazu ist zu bemerken, dass es Versuche gab, verschieden pigmentierte Elektrotauch­ lacke als farbige Einschichtlacke für die allgemeine Industrie anzuwenden. Als Füllstoffe spielen inerte Produkte, wie vor allem Bariumsulfat und Aluminiumsilikate eine Rolle. Die Kombination aus Füllstoff und Titandioxid verleiht dem Grundierungsfilm mechanische Festigkeit, darauf wird bei der Beschreibung der Füller besonders eingegangen (siehe Kapitel 3.5.3.4). Aktive Korrosionsschutzpigmente können nur begrenzt verwendet werden. Einige aktive Korrosionsschutzpigmente enthalten lösliche Ionen, die das Abscheideverhalten negativ beeinflussen würden. In den Patenten werden bestimmte Anteile an Bleisilikat genannt. Obwohl der Korrosionsschutz durch Bleipigmente signifikant unterstützt wird, wird in den neueren Formulierungen aus Gründen der Umweltverträglichkeit auf Bleiverbindungen völlig verzichtet. Die Pigmentvolumenkonzentration ist bei Elektrotauchgrundierungen relativ klein, sie liegt zwischen 5 und 10 %. 3.4.5.7 Additive Kathodische Elektrotauchgrundierungen können Netzmittel, Entschäumer und Verlaufsmittel als Additive enthalten. Von diesen oberfächenaktiven Mitteln sind nichtionisch wirkende Produkte zu bevorzugen, weil sie das Abscheideverhalten nicht beeinträchtigen. Als Verlaufsmittel werden Polymere wie Acrylate und Polyvinylether verwendet. Es werden organophile Produkte ­eingesetzt,

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die in die Dispersionsteilchen des Bindemittels diffundieren und gemeinsam mit diesem abgeschieden werden, um bei der Filmbildung wirken zu können. Es gibt auch Formulierungen mit modifizierten Polysiloxanen. Da die Verlaufsmittel fast immer durch Ausschwimmen an die Oberfläche wirken, ist es wichtig sicherzustellen, dass die Benetzung und Haftung der nachfolgenden Schicht (Füller) nicht beeinträchtigt wird. Die Patente nennen als Entschäumer besonders bestimmte Alkinole. Auch Colösemittel wirken verlaufsfördernd. Als solche wurden oft Glykolether verwendet. Heute sollen die Elektrotauchgrundierungen keinen Beitrag zur Emission flüchtiger organischer Verbindungen beitragen, so dass auf Anteile von Colösemitteln verzichtet wird. Die Vernetzungsreaktion zwischen modifiziertem Epoxidharz und verkappten Polyisocyanat wird katalysiert. Wie bereits beschrieben, werden Dibutylzinnoxid und jetzt auch Wismutverbindungen bevorzugt. Das Dibutylzinnoxid wird über die Pigmentpaste in das Gesamtsystem eingebracht. Alternativ verwendet man in einigen Fällen bestimmte Wismutverbindungen. 3.4.5.8 Gesamtformulierung Kathodische Elektrotauchlacksysteme bestehen aus einer Bindemitteldispersion, die das modifizierte Epoxidharz und den Vernetzer enthält und als Neutralisationsmittel die flüchtige Säure; sowie aus einer Pigmentpaste, die aus einem besonderen Dispergierbindemittel (Reibharz), den Pigmenten besteht und auch den Vernetzungskatalysator enthalten kann. Bindemitteldispersion Um optimale Filmeigenschaften zu erreichen, enthalten die Teilchen der Bindemitteldispersion alle Bestandteile, die an der Filmbildung durch Vernetzung beteiligt sind. Der Aufbau des Epoxidharzes und die Modifikation mit plastifizierend wirkenden Bestandteilen ist der erste Reaktionsschritt, dann folgt die Umsetzung mit den Aminen. Die Reaktionen können in der Schmelze oder in Lösung durchgeführt werden. Es werden inerte Prozesslösemittel bevorzugt, z.B. Ketone wie das in den Patenten bevorzugt benannte Methylisobutylketon. Nach Abschluss der Epoxidreaktionen können auch protische Lösemittel zugesetzt werden wie Glykol­ ether (z.B. Butylglykol). Der Vernetzer – das verkappte Polyisocyanat – wird in der organischen Phase zugegeben und eingemischt. Dann können auch weitere modifizierende Bestandteile zugefügt werden, wie Polyalkylenoxide, die praktisch die Rolle eines nichtflüchtigen Lösemittels übernehmen können. Anschließend wird mit den flüchtigen Säuren (Essigsäure, Milchsäure, Ameisensäure) teilneutralisiert und in deionisiertem Wasser dispergiert. Der Neutralisationsgrad ist nur 0,4 bis 0,7 Säureäquivalente bezogen auf ein Aminäquivalent, daraus resultiert ein pH-Wert der verdünnten Dispersion von 5,5 bis 6,5. Danach können die Prozesslösemittel durch Destillation unter Vakuum entfernt werden („Strippen“). Die Teilchengröße der fertigen Dispersionen liegt zwischen 80 bis 150 nm. Auch die Additive, die die optimale Filmbildung unterstützen sollen, werden in die Bindemitteldispersion eingearbeitet. Pigmentpaste Aus den Pigmenten, dem Reibharz und dem festen Vernetzungskatalysator wird – ggf. nach Zugabe weiterer Säure zur Einstellung des pH-Werts – eine wässrige Paste hergestellt. Die Mischung wird in einem Dissolver vordispergiert und dann in einer Rührwerksmühle auf eine bestimmte Feinheit fertig dispergiert. Tauchbad Zur Herstellung des Tauchbads werden Bindemitteldispersion und Pigmentpaste zusammengegeben und mit deionisiertem Wasser auf Festkörper von 20 bis 25 m-% verdünnt. Für den Beschichtungsvorgang in der Lackierstraße werden Bindemitteldispersion und Pigmentpaste in höherer Konzentration angeliefert und dann als Kompensationsmaterial für die – durch die laufende Beschichtung – ausgetragenen Materialmengen dem Tauchbad zugefügt, wenn ­dessen

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Konzentration eine bestimmte Grenze unterschritten hat. Ein Tauchbad enthält also stets Mischungen aus älteren und neueren Materialanteilen. Deshalb ist die Badstabilität ein wichtiges Kriterium. Einflussgrößen für die Badstabilität sind der Neutralisationsgrad, die Viskosität und Polarität des Bindemittels, der Lösemittelanteil, die Teilchengrößen. Die Badstabilität kann durch Kontamination mit Elektrolyten negativ beeinflusst werden. Da die Elektrotauchbecken kontinuierlich betrieben werden, hat es sich bewährt, die physikalisch messbaren Parameter des Tauchbads regelmäßig zu messen, zu protokollieren und zu verfolgen, um rechtzeitig notwendige Kompensationsmaßnahmen bei Abweichungen vornehmen zu können. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Betrieb einer Lackierstraße vom Funktionieren aller Einzelschritte abhängig ist und dass besonders die Elektrotauchlackierung wegen der großen Materialmengen und des Qualitätseinflusses auf die nachfolgenden Beschichtungen bei einem eventuellen Ausfall bedeutende wirtschaftliche Nachteile für Betreiber und Lieferanten darstellen würden. Im Folgenden ist ein typisches Beispiel für die Zusammensetzung und Herstellung einer Elektrotauchgrundierung beschrieben [73]. Bindemitteldispersion Es werden 3 mol eines technisch reinen Bisphenol-A-diglycidylether (Epoxyäquivalentmasse 188 g /mol) wird mit 1 mol Bisphenol A und 1 mol Dodecylphenol bei Temperaturen zwischen 130 und 160 °C unter Einfluss von Triphenylphosphin als Katalysator zu einem modifizierten Epoxidharz mit der Epoxidäquivalentmasse von 532 g /mol umgesetzt. Das entstandene Produkt reagiert bei Temperaturen zwischen 110 und 130 °C mit 1 mol Diethanolamin und 0,5 mol N,NDimethylaminopropylamin. Dabei wird ein Polypropylenglykol (mittlere Molmasse 900 g/mol) als Prozesslösemittel verwendet. Dann wird mit etwas Butylglykol verdünnt und ein verkapptes Polyisocyanat als Vernetzer zugegeben. Das verkappte Polyisocyanat besteht aus 1 Äquivalent eines MDI-Oligomers und 1 mol Diethylenglykolmonobutylether (Butyldiglykol). Die Verkappung wird unter 70 °C mit Dibutylzinndilaurat als Katalysator durchgeführt. Es werden zu den oben Tabelle 3.4.1: Beispiel einer KTL-Dispersion Mole

Rohstoff

m

m-‰

01

3,0

Bisphenol-A-diglycidylether (EW 188 g/mol)

1.128,0

141,6

02

1,0

Dodecylphenol



262,0



Xylol



31,4



3,9

Bisphenol A



228,0



28,6

Triphenylphosphin



1,6



0,2

03 04

1,0

05 06

32,9

Polypropylenglykol 900



297,5



37,4

07

1,0

Diethanolamin



105,0



13,2

08

0,5

N,N-Dimethylaminopropylamin



51,0



6,4

Butylglykol



58,5



7,3

verkapptes Polyisocyanat 3 Äquiv. MDI-Oligomer + 3 mol Butyldiglykol



887,8



111,5

Essigsäure (Eisessig)



48,1



6,0

12

deionisiertes Wasser

2.825,6

354,8

13

deionisiertes Wasser

2.039,7

256,2

Summe

7.964,2

1.000,0

09 10

3,0 Äquivalente

11

0,8

Kenngrößen: Festkörper (1h 130 °C) Base (FK) Säure (FK)

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35,7 % 0,657 meq/g 0,283 meq/g

Neutralisationsgrad: pH-Wert:

43% 5,4

Teilchengröße (Mittel): 125 nm Viskosität (DIN 3511, 4/23°C) 15“

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genannten Mengen 888 g (3 potentielle Isocyanatgruppen) hinzugefügt. Das Gemisch wird in deionisiertem Wasser mit 0,8 mol Essigsäure dispergiert und dann mit weiterem deionisiertem Wasser auf einen Festkörper (nfA) von 35 % verdünnt. Die Rezeptur dieses Patentbeispiels [74] ist aus der Tabelle 3.4.1 zu entnehmen. Reibharz Das Reibharz [75] besteht aus 2 mol eines technisch reinen Bisphenol-A-diglycidylether (Epoxy­ äquivalentmasse 188 g/mol) 1 mol Bisphenol A und 1 mol Dodecylphenol, die bei 130 bis 150 °C Tabelle 3.4.2: Beispiel eines Reibharzes Mole

Rohstoff

m

m-‰

01

2,0

Bisphenol-A-diglycidylether (EW 188 g/mol)



752,0



250,7

02

1,0

Dodecylphenol



262,0



87,3

03

1,0

Bisphenol A



228,0



76,0

04

Butylglykol



64,0



21,3

05

Xylol



50,0



16,7

06

Triphenylphosphin



1,6



0,5

07

Butylglykol



300,0



100,0

08

1,0

Polypropylenglykoldiglycidylether



666,0



222,0

09

1,0

Diethanolamin



105,0



35,0

10

0,5

N,N-Dimethylaminopropylamin



51,0



17,0

Butylglykol



520,0



173,5

Summe

2.999,6

11

Kenngrößen: Festkörper (1h 130 °C) Viskosität (40 % in PM)

1.000,0

695,7 % 2,2 dPa·s

Tabelle 3.4.3: Pigmentpaste Rohstoff

m-‰

01

Reibharz, vorneutralisiert (60 % in Butylglykol /Wasser)

2.770,7

02

Bleisilikat



14,2

03

Aluminiumsilikat



77,3

04

Ruß



5,1

05

Titandioxid



339,3

06

Dibutylzinnoxid



16,7

07

deionisiertes Wasser



269,6

Summe

1.000,0

Tabelle 3.4.4: KTL-Tauchbad Rohstoff

m-‰

01

Bindemitteldispersion Beispiel #



401,2

02

Pigmentdispersion Beispiel #



127,4

03

deionisiertes Wasser



471,4

Summe

1.000,0

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unter Einfluss von Triphenylphosphin als Katalysator und etwas Butylglykol umgesetzt werden. Dann werden 1 mol Polypropylenglykoldiglycidylether und weiteres Butylglykol zugegeben und 0,5 mol N,N-Dimethylaminopropylamin und 1 mol Amminoethoxyethanol für 2 Stunden bei 90°C addiert. Es wird mit Butylglykol auf einen Festkörper von 70 m-% verdünnt. Die Rezeptur dieses Patentbeispiels ist in der Tabelle 3.4.2 beschrieben. Pigmentpaste Aus einem vergleichbaren Reibharz [76], das noch mit Essigsäure teilneutralisiert und mit deionisiertem Wasser auf 60 % Festkörper verdünnt wird, wird mit Aluminiumsilikat, Titandioxid, Ruß und Dibutylzinnoxid und weiterem deionisiertem Wasser eine Paste auf einer Rührwerksmühle hergestellt. Die Rezeptur [77] ist in der Tabelle 3.4.3 dargestellt. Tauchbad Aus den hier beschriebenen Beispielen der Bindemitteldispersion und der Pigmentpaste wird unter Zugabe von deionisiertem Wasser ein Tauchbad hergestellt, dessen Formulierung [78] in der Tabelle 3.4.4 wiedergegeben ist. In diesem Tauchbad mit einem Festkörper von 22 %, einem pH-Wert von 5,67, einer Temperatur von 29 °C, einem Leitwert von 1,34 mS/cm werden bei einer Abscheidespannung von 220 V zinkphosphatierte Prüftafeln innerhalb 2 Minuten beschichtet, gründlich mit deionisiertem Wasser abgespült und dann für 15 Minuten bei 175 °C eingebrannt. Die resultierende Schichtdicke ist 22 µm, der Verlauf wird mit Note 1 beurteilt, die Erichsentiefung beträgt 6,5 mm, der Impact-Test erreicht 40 kp/cm², die Unterwanderung im Korrosionsschutztest ist nach 100 Stunden kleiner als 1 mm.

3.4.6 Applikation 3.4.6.1 Abscheidung Die als Kathode eines Gleichstromkreises geschalteten Karossen werden über eine Transportkette in das Bad getaucht. Die eigentliche Beschichtung während des Tauchvorgangs dauert 2 bis 3 Minuten mit 250 bis 350 V. Es ist sinnvoll den Stromfluss zu takten, synchron mit dem Tauchvorgang des Objekts. Das Badmaterial hat einen pH-Wert von 5,5 bis 6,5 bei einer Temperatur von 25 bis 30°C. Es werden Trockenfilmschichten von 18 bis 25 µm erzeugt, bei bestimmten Dickschichtmaterialien bis zu 35 µm. Der nicht vernetzte Film besitzt aufgrund der Effekte der elektrophoretischen Abscheidung und der Elektroosmose eine so hohe Festigkeit, dass er Spülvorgänge übersteht. Nach den Spülvorgängen wird der Film für 20 bis 30 Minuten bei 160 bis 175°C eingebrannt [57]. Elektrodenreaktionen Beim Abscheideprozess wird Wasser an der Kathode durch Elektronenaufnahme zu Wasserstoff und Hydroxylionen reduziert. Die Hydroxylionen neutralisieren die an der Kathode ankommenden Ammoniumsalze (Bindemittel) zu Aminen und Säure. Die nicht mehr ionisch stabilisierten Binde­ mittel koagulieren und bilden einen Film. Außerdem können an der Kathode Eisen-II-ionen zu metallischem Eisen reduziert werden, was für den Korrosionsschutz positiv ist. Zusätzlich wird Wasser durch Osmose aus dem Film gedrängt, der dadurch eine erste Festigkeit erhält. Der Grundierungsfilm baut mit steigender Schichtdicke einen immer größeren elektrischen Widerstand auf, bis die Abscheidung abgebrochen wird. An der Anode wird Wasser zu Protonen (H+ bzw Hydroniumionen H3O+) und molekularem Sauerstoff (O2) – der entweicht – oxidiert. Das bedeutet, dass sich freie Säure an der Anode anreichert. Die Elektrodenreaktionen sind in der Abbildung 3.4.12 (Seite 72) dargestellt. 3.4.6.2 Verfahrensablauf und Anlagen Die durch die Abscheidung ausgetragenen Materialien der kathodischen Elektrotauchlack­bäder werden durch eine Kompensation ergänzt, indem Konzentrate der Bestandteile zugegeben werden.

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Während man bei der anodischen Elektrotauchlackierung nur gering neutralisierte Materialien oder sogar nur die nicht neutralisierten, organisch gelösten Bestandteile der Tauchgrundierung zugeben konnte, enthalten die kathodisch abscheidbaren Materialien im so genannten Konzentrat aus Stabilitätsgründen bereits die Menge an Neutralisationsmittel (Säure), das auch für den Abscheideprozess vorgesehen ist. Wenn dann das kathodisch abgeschiedene Material ausgetragen wird, reichert sich die Säure im Bad kontinuierlich im Bereich der Anode an und würde den pH-Wert des Bades absenken. Es ist daher notwendig, die überschüssigen Säuremengen zu entfernen. Dazu werden die Anoden mit semipermeable Membranen, den so genannten Anodenboxen, umgeben und das sich darin anreichernde Neutralisationsmittel abgepumpt. Dies abgepumpte Material wird über einen Ionenaustauscher wieder regeneriert und das Wasser wieder zurückgeführt. Den Vorgang bezeichnet man Anolytkreislauf. Die beschichteten Karossen werden nach dem Tauchvorgang intensiv mit Wasser gespült, um alle löslichen Bestandteile zu entfernen, was für den Korrosionsschutz eine wichtige Vorrassetzung ist. Zur Vermeidung zu großer Mengen an Abwasser, die bei dem Spülprozess anfallen würden, geht man nach einem speziellen Verfahren vor. Das Spülabwasser, das vor allem niedrigmolekulare Substanzen enthält, läuft in das Tauchbecken zurück. Es würde die Konzentration des Badmaterials erniedrigen, wenn man nicht kontinuierlich eine Menge von dort abpumpt. Diese Menge wird einer Ultrafiltration unterworfen. Bei dieser Gelegenheit wird auch ein Wärmeaustauscher in den Kreislauf eingeschaltet, der das Material kühlt und damit die beim Beschichten (Abscheidung und Elektrolyse) und durch das Umwälzen eingetragene Energie (Wärme) abführt. Das Lackmaterial (Rückstand) der Ultrafiltration wird direkt in das Tauchbecken zurückgeführt (gemeinsam mit dem Kompensationsmaterial). Das Ultrafiltrat wird bevorratet (Tank) und von dort als Spülmittel eingesetzt (Ultrafiltratkreislauf). Es ist sinnvoll einen abschließenden Spülprozess mit reinem, VE-Wasser durchzuführen. Der Verfahrensablauf [79] und die dazu benötigten Anlagen sind schematisch in der Abbildung 3.4.13 dargestellt. Nach der Anzahl der zu beschichtenden Karossen richtet sich die Größe der Elektrotauchbäder. Es gibt Becken die „nur“ ca. 60 t Badmaterial fassen, auch solche, die 500 t enthalten. Die Kapazitäten reichen für ca. 15 bis 60 Karossen pro Stunde. Die großen Becken, die in einem Durchlaufprozess gefahren werden, sind bis zu 50 m lang. Bei kleineren Becken, deren Länge ca. 10 m ist, werden die zu beschichtenden Karossen steil abgesenkt. Für den Einbrennvorgang werden die Karossen auf Bodenförderer abgesetzt.

Abbildung 3.4.12: Elektrodenreaktionen bei der kathodischen Elektrotauchlackierung

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Vorbehandlung und Grundierungen

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Der gesamte Verfahrensablauf von der Reinigung und Vorbehandlung, über das Tauchband, das Spülen und den Einbrennprozess, bis zur daran anschließenden Applikation des Unterbodenschutzes und die Nahtabdichtung (siehe Kapitel 3.4.8) ist schematisch in der Abbildung 3.4.14 dargestellt.

3.4.7 Ausblick Es gibt bei der kathodischen Elektrotauchlackierung so viele Patente wie in keinem anderen Arbeitsgebiet der Lackindustrie. Aktuell sind bleifreie Systeme und Produkte, die unter 1 m-% flüchtige organische Bestandteile (VOC) enthalten, in den Markt gebracht worden. Es gibt auch Lösungsansätze,

Abbildung 3.4.13: Verfahrensablauf der kathodischen Elektrotauchlackierung

Abbildung 3.4.14: Schematische Darstellung der KTL-Linie der Serienlackierung

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Automobilserienlackierung

Zinnverbindungen als Reaktionskatalysatoren zu vermeiden. Die Frage nach dickschichtigen Mate­ rialien wird nur noch dort gestellt, wo man auf eine Füllerschicht verzichten möchte. Für diese Fälle ist es dann auch wichtig, die Wetterbeständigkeit der Grundierungen zu verbessern, weil die Möglichkeit besteht, dass sie einem kleinen Anteil an UV-Licht ausgesetzt sein können. Hier wird ein Verzicht auf die nicht wetterbeständigen, aromatischen Epoxidharze als Hauptbindemittel als sehr problematisch gesehen, weil der optimale Korrosionsschutz gerade an diese Komponente gebunden ist. Es gibt mehrere Lösungsansätze dafür, die Einbrenntemperaturen zu erniedrigen. Wenn das optimal gelingen würde, gäbe es nicht nur eine Energieeinsparung. Niedrigere Einbrenntemperaturen würden auch die Möglichkeit eröffnen, Dichtungsmaterialien und ähnliche Komponenten vor der Elektrotauchlackierung zu applizieren, was oft einen Vorteil darstellt. Die nahe liegenden Versuche dazu andere Verkappungsmittel, die bei niedrigerer Temperatur reagieren (z. B. Methylethylketoxim), einzusetzen, hat noch nicht zu einem akzeptierten Erfolg geführt. Das liegt vermutlich daran, dass dabei die Badstabilität zu berücksichtigen ist. Seit einigen Jahren wird daran gedacht, auf eine Elektrotauchlackierung gänzlich zu verzichten. Die Argumente dafür sind, dass das Verfahren sehr große Anlagen und große Materialmengen erfordert, und dass die Automobilindustrie selbst nicht die volle Verantwortung für den doch recht komplexen Beschichtungsvorgang tragen kann. Wenn man dann nicht Karossen fast ausschließlich aus Kunststoffteilen herstellen will – was auch schon geschehen ist (siehe Kapitel 4.1) – sondern die bereits genannten Vorteile des Werkstoffs Stahl weiter nutzen möchte, könnte man mit so genannten vorbeschichteten Stahlblechen (Coil-Coating) arbeiten (angloamerikanisch: preprimed metals). Diese Möglichkeit wird bei den alternativen Verfahren zur Automobillackierung beschrieben (siehe Kapitel 7).

3.4.8 Unterbodenschutz und Nahtabdichtung 3.4.8.1 Unterbodenschutz Die Bodenpartien und die Innenseiten der Radkästen sind am meisten dem Steinschlag ausgesetzt, deshalb müssen sie mit speziellen Materialien beschichtet werden. An die Oberflächen dieser Beschichtungen werden keine besonderen Ansprüche in Bezug auf Farbton, Effekt und Oberflächenglätte gestellt. Natürlich sollen diese Materialien gut haften und neben der Steinschlagfestigkeit den Korrosionsschutz unterstützen. Zur Einsatzprüfung werden die Produkte – appliziert in einer definierten Schichtdicke – oft einem Dauersteinschlagtest unterzogen, wobei dann Abplatzungsgrad und Schadensbild beurteilt wird. Es werden auch Beständigkeiten gegen Wasser, Lösemittel (Superbenzin, Öle) und Chemikalien (Streusalz) gefordert. Es wurden preisgünstige Materialien ausgewählt, die möglichst problemlos dickschichtig appliziert werden können. Dafür sind am besten solche Materialien geeignet, die bei der Filmbildung keine Lösemittel abgeben. Früher wurden dafür Asphalt oder Wachse verwendet, die heiß appliziert wurden. Die Beständigkeit dieser Materialien ist nicht ausreichend. Die wichtigsten Materialien heute sind PVC-Plastisole und Zweikomponenten-Polyurethane. PVC-Plastisole Bindemittel für solche Unterbodenschutzmaterialien bestehen aus einer Dispersion von nicht nachchloriertem PVC (Polyvinylchlorid, PCU) in einem Weichmacher (am besten nichtverseifbare Weichmacher, auch Phthalsäure- oder Adipinsäureester). Das PVC wird durch Emulsionspolymerisation von Vinylchlorid hergestellt, es werden mittlere Molmassen von 30.000 bis 100.000g/mol erreicht. Die Primärteilchen der Dispersionen haben Durchmesser von 0,1 bis 2,0 µm. Das PVC wird sprühgetrocknet, die dabei entstehenden Körner von ca. 10 bis 20 µm werden in den genannten Weichmachern dispergiert. Die Unterbodenschutzmaterialien daraus enthalten färbende

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Pigmente (der Farbton ist meistens grau) und Füllstoffe (siehe Kapitel 3.5.3.4), die im Weichmacher vordispergiert werden können. Die Produkte werden üblicherweise im Airless-Spritzverfahren appliziert. Die Filmbildung erfolgt bei höheren Temperaturen, gemeinsam mit dem Einbrennverfahren für Grundierungen oder Füller. Dabei werden dann die PVC-Teilchen erweicht und lösen sich im Weichmacher. Es entsteht eine homogene, flexible Bindemittelmatrix, die beständig gegen Steinschlag auch gegen Wasser und gegen Chemikalien ist. Bei der Applikation und Filmbildung werden praktisch keine flüchtige organischen Bestandteile (VOC) freigesetzt. Es werden Schichtdicken von ca. 600 µm (bis über 1 mm) erzeugt. Es gibt eine gewisse Kritik an der Verwendung von PVC, das bei sehr hohen Temperaturen (bei Brand) schädliche Chlorverbindungen freisetzen kann. Polyurethane So genannte 100 %-Materialien können u.a. aus flüssigen, Hydroxylgruppen enthaltenden Bindemitteln und flüssigen Polyisocyanaten bestehen. Die Hydroxylgruppen enthaltenden Bindemittel sind vor allem Polyetherpolyole und das Ricinusöl. Die flüssigen Polyisocyanate bestehen aus mehrfunktionellen Derivaten des MDI (4,4‘-Diisocyanatodiphenylmethan, siehe Kapitel 3.4.5.5). Die Hydroxylgruppen enthaltenden Bindemittel werden für die Dispergierung der Pigmente verwendet. Da die Isocyanate schon bei Raumtemperatur reagieren, werden die Materialien erst bei der Applikation miteinander gemischt (Zweikomponenteneffekt). Sie werden mit Zweikomponenten-Spritzpistolen verarbeitet und ergeben sehr flexible Filme. Die Beständigkeiten der Filme sind besser als die aus den PVC-Plastisolen. Die Produkte haben den Vorteil, dass die gleiche Steinschlagbeständigkeit schon bei niedrigeren Schichtdicken erreicht werden kann. Das bedeutet eine Gewichtseinsparung. Aber die Polyurethane sind deutlich teurer als die PVC-Plastisole. Alternativen Einige Karosserien benötigen keine Unterbodenschutzbeschichtung. Es gibt dann Kunststoff­ abdeckungen, die in die Bodengruppe eingefügt sind. 3.4.8.2 Nahtabdichtung Die Nahtabdichtung gehört zu den hitzehärtbaren Kleb- und Dichtstoffen [80] in der Automobilindustrie. Abgedichtet werden Falznähte an Türen, Hauben und Klappen. Mit solchen Materialien werden auch Karosserieversteifungen unterfüttert. Sie ergeben insgesamt auch eine Blechversteifung und Schalldämmung. Im Rohbau selbst werden vernetzbare Reaktivklebstoffe verwendet, die auf Basis von Epoxidharzen sind. Parallel zur Lackierung werden PVC-Plastisole, Acrylat-Plastisole und Kautschukderivate verwendet. Die Materialien werden manchmal noch von Hand appliziert, es gibt Applikationsautomaten. Die Gelierung und Verfestigung der Stoffe, dabei können die Kautschukderivate polymerisiert werden, erfolgt im KTL- oder FüllerEinbrennofen. Ein besonderer Fall ist die Scheibenverklebung. Wenn in die fertig lackierte Karosse Scheiben eingesetzt werden, erhalten sie eine Einfassung bzw. Dichtung aus Polyurethanmaterialien, die natürlich besonders gut auf der Lackierung (Klarlackschicht) der Blechränder haften muss (siehe Kapitel 3.8.2.6 Scheibenverklebung).

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Automobilserienlackierung

3.5 Füller 3.5.1 Entwicklung der Füller Der Füller für die Automobillackierung hat seinen Namen aufgrund seiner ursprünglichen Aufgabe erhalten. Er sollte zusammen mit den anderen Schichten der Lackierung dem System Fülle verleihen. Die Eigenschaft „Fülle“ ist physikalisch nur sehr komplex darstellbar. Fülle bezeichnet den zunächst subjektiven Eindruck einer Lackschicht, den Untergrund mit einer ausreichenden Schicht abzudecken. Die Einflussgrößen auf die Fülle werden bei den Anforderungen an Füller (siehe Kapitel 3.5.2) näher beschrieben. Ein Teil der Aufgabe wird dadurch gelöst, dass der Füller die Oberflächenstrukturen von Substrat und Grundierung effektiv abdeckt. Dazu sollte der Füller optimal verlaufen und glatte Oberflächen bilden. Besonders glatte Oberflächen kann man natürlich dann erreichen, wenn man eine Lackschicht schleift. Daher wurden Füller früher – zur Vorbereitung der Decklackierung – durchgehend geschliffen. Dabei galt es, guten Verlauf und Schleifbarkeit in einer Formulierung zu vereinigen. Die alten Füller enthielten üblicherweise relativ schnell physikalisch trocknende Bindemittel und hohe Anteile an Füllstoffen, daneben Weißpigmente und kleinere Anteile färbender Pigmente (Standardfarbe für Füller ist immer noch Grau). Die hohen Anteile an Pigment und Extender erforderten eine gute Pigmentbenetzung durch das Bindemittel. Es wurden daher kurzölige Alkydharze ausgewählt (Härte, Schleifbarkeit), die langkettige, ungesättigte Monocarbonsäuren (Fettsäuren wie technische Linolsäuren und Ricinenfettsäure) enthielten. Vernetzer waren reaktive Harnstoffharze. Die Einbrenntemperaturen lagen bei 160 bis 180 °C; die erzielten Trockenfilmschichten mindestens 35 bis 40 µm. Harnstoffharze haben gegenüber den Melaminharzen den Vorteil, relativ überbrennstabil zu sein. Natürlich mussten Füllerschichten schon immer sehr gut auf der Grundierung haften und ebenfalls eine gute Zwischenhaftung zum Decklack vermitteln. Da man zunächst dem Füller „nur“ die Fähigkeit zu füllen und schleifbar zu sein abforderte, sollte dieses Lacksystem möglichst kostengünstig sein. Alkydharze, Harnstoffharze, Füllstoffe waren relativ preisgünstige Rohstoffe. Aus heutiger Sicht würde man diesen älteren Füllertyp, aufgrund seines hohen Füllstoffgehalts und der Anforderung nach dem Einbrennen durchgehend geschliffen zu werden, eher als einen Spritzspachtel bezeichnen. Wenn durch Nacharbeiten der Grundierung mit Fehlstellen zu rechnen war, d.h. manchmal wieder die blanke Stahloberfläche zutage kam, musste die Füllerschicht auch in der Lage sein, einen ausreichenden Korrosionsschutz zu gewährleisten. Füller, die im Hinblick auf diese Aufgabe optimiert waren, bezeichnete man als Grundfüller. Technisch wurde die Eigenschaft durch Anteile an Epoxidharzen in der Bindemittelzusammensetzung und durch Verwendung bestimmter Mengen aktiver Pigmente erfüllt. Für besonders hochwertige Automobile wurde neben der Füllerschicht ein so genannter Vorlack appliziert. Ziel war ein Gesamtaufbau, der dann aus insgesamt vier Schichten bestand, mit besonders guter Fülle und sehr gutem Decklackstand. Dazu gehörte auch, dass man einen besonders tiefen Farbeindruck der Decklackschicht erreichen wollte, zu dem eine hohe Deckfähigkeit gehört. Daher wurde der Vorlack, der als Bindemittel ähnliche Komponenten enthielt wie der Füller, mit färbenden Pigmenten formuliert und zwar mit solchen, die den Farbeindruck der nachfolgenden Decklackschicht unterstützten. Für die Applikation des Vorlacks wurde ein weiteres Segment der Applikationsstraße mit Spritzkabine und Einbrennofen erforderlich. Mit der Weiterentwicklung der Decklacke, vor allem beim Übergang auf die Zweischichtlackierung aus Basislacken und Klarlacken (siehe Kapitel 3.6.1) wurde auf die Vorlacke verzichtet. Ein Problem der Beständigkeit von Automobillackierungen war schon immer der Steinschlagschutz. Die Einwirkung des Steinschlags wurde zunächst besonders im Bodenbereich beobachtet. Daher erhält die Karosse – bis heute – im Unterbodenbereich eine Steinschlagschutzbeschichtung (siehe Kapitel 3.4.8.1). Der verbleibende Problembereich ist die so genannte Schwellerzone, das ist der Bereich zwischen den Radausschnitten unterhalb der Türeinstiege. Hier wurde in

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einem separaten Arbeitgang ein Steinschlagschutzgrund aufgetragen. Es handelte sich um ein dickschichtig appliziertes Material aus Bindemitteln mit ausgesprochenem Elastomercharakter. Obwohl dieser Bereich dann mit dem Decklack, der für die gesamte Karosse verwendet wurde, überschichtet wurde, war die Oberflächengüte (Verlauf, Glätte) der Zone unbefriedigend. Spätestens seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden an die Füller zwei zusätzliche Aufgaben gestellt. Die Forderung nach hohen Stückzahlen in den Lackierstraßen und an eine Einsparung von Personalkosten führte dazu, dass man den Aufwand des Schleifens Schritt für Schritt abbaute. Heute werden nach der Füllerlackierung nur noch offensichtliche Lackierfehler oder Schäden, wie z.B. Einschlüsse, herausgeschliffen. Durch die Änderung der Karossenformen (flachere Motorhauben, dann Keilform) und durch die gestiegenen mittleren Geschwindigkeiten der Automobile, tritt eine Belastung der Lackschicht durch Steinschläge nicht mehr nur im Bodenbereich auf. Außerdem wurde die Oberflächengüte der Lackierung im Schwellerbereich kritisiert. Daher wurde die Aufgabe an eine Automobillackierung gegen mechanische Belastungen, das ist vor allem der Steinschlag, besser beständig zu sein, der Füllerschicht zugewiesen. Man hatte erkannt, dass Füller mit bestimmter Zusammensetzung die Eigenschaft haben, die Steinschlagbeständigkeit des gesamten Lackaufbaus zu optimieren. Neben einer geeigneten Pigmentierung waren es vor allem die Bindemittelkomponenten, die eine bessere Steinschlagfestigkeit ergaben. Als Vernetzer wurden an Stelle der Harnstoffharze zunächst Melaminharze und dann zusätzlich verkappte Polyisocyanate verwendet. An Stelle der kurzöligen Alkydharze traten gesättigte Polyester. Zusätzlich können diese optimierten Füller noch Polyurethanelastomere enthalten. Diese Gruppe der Füller wurden zunächst als Steinschlagfüller bezeichnet. Da heute alle Füller die Aufgabe haben, einen optimalen Steinschlagschutz zu gewähren, wird das Vorwort „Steinschlag“ wieder weggelassen. Füller mit gesättigten Polyestern, verkappten Polyisocyanaten neben Melaminharzen, die noch zusätzlich Polyurethane enthalten können, sind natürlich deutlich teurer als die alten Produkte. Es ist gelungen diese Produkte im Markt zu platzieren, weil die Vorteile auch von den Endkunden gesehen und gewünscht wurden und weil es auch weniger Reklamationen zum Thema Steinschlag gab. Für einen besonders tiefen Farbeindruck wurden von einigen Automobilherstellern farbige Füller angefordert. Es gibt dann einen Füllertyp in 5 bis 10 Farbtönen, die über ihre Pigmentierung so ausgerichtet sind, dass sie den Farbeindruck verschiedener Decklackfarbtöne unterstützen. Einige Automobilhersteller haben gefordert, Füller für niedrigere Einbrenntemperaturen zu entwickeln. Neben dem Wunsch nach Energieeinsparung gibt es den Aspekt Karossen mit Füllern zu beschichten, wenn sie bereits temperaturempfindlichere Bauelemente oder Materialien enthalten. Lösemittelhaltige Füller hatten zunächst Applikationsfestkörper von 55 bis 60 m-%. Um der Forderung nach Einsparung der Emission flüchtiger organischer Substanzen nachzukommen, konnte der Festkörper durch Auswahl geeigneter Bindemittelsysteme auf 65 bis 70 m-% angehoben werden (High-Solid-Füller, siehe Kapitel 3.5.5). Eine weitere Einsparung wurde durch die Entwicklung der wasserverdünnbaren Füller (siehe Kapitel 3.5.6) erreicht. Völlig lösemittelfreie Füller stehen als Pulverfüller und Powder-Slurry-Füller zur Verfügung, die noch nicht weit verbreitet sind (siehe Kapitel 3.5.7). Im Gegensatz zu dem oben beschriebenen Grundsatz, die verschiedenen Aufgaben einer Automobillackierung auf verschiedene Lackschichten zu verteilen, hat es immer wieder Ansätze gegeben, auf die Füllerschicht zu verzichten, vor allem in den USA. Das ergibt nicht nur eine Einsparung an Materialkosten, sondern auch bei Aufbau und Betrieb der Applikationsanlagen, einschließlich der Einsparung einer Emissionsquelle. Wenn man dann besondere Maßnahmen bei den anderen Schichten aufbringen muss, z.B. die Applikation einer dickschichtigen Elektrotauchlackierung – evtl. in zwei Tauchschritten (siehe Kapitel 3.4.3) – dann geht zumindest ein Teil der Einsparung wieder verloren. Wenn man bei der Lackierung einer Karosse keine

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Abstriche bezüglich Fülle, Decklackstand, Steinschlag und Beständigkeiten machen will, wird man auf die Füllerschicht nicht verzichten – das gilt vor allem für die mittleren und größeren Automobilmarken in Europa. Eine Einsparung an Material wurde angestrebt, indem man möglichst dünnschichtige Füller entwickelte. Die Trockenschichtdicken dieser Füller sind 18 bis 22 µm im Vergleich zu 35 bis 45 µm der „normalen“ Füller. Um auch mit so geringen Schichtdicken gute Steinschlagergebnisse für den Gesamtaufbau zu erreichen werden dabei Bindemittel mit ausgesprochenem Elastomercharakter verwendet. Es ist schwierig mit solchen geringen Füllerschichtdicken einen sehr guten Decklackstand und gute Fülle zu erreichen. Zunächst um das Wort Füller zu umgehen, hat man diese Schichten als Funktionsschichten bezeichnet. Sie waren vom Anfang an als wasserverdünnbare Materialien konzipiert. Diese Bezeichnung Funktionsschicht wurde vor allem dann sinnvoll als dieser Schicht weitere Aufgaben zugewiesen wurden. Es ist sehr schwierig bei Basislacken – vor allem bei wässrigen Uni-Basislacken (siehe Kapitel 3.6) – bei dem Zweischichtverfahren (Basislack und Klarlack) hohe Schichtdicken fehlerfrei (ohne Kocher und Läufer) zu applizieren. Bestimmte Farbtöne benötigen Mindestschichtdicken für ein ausreichendes Deckvermögen. Abgeleitet von dem Prinzip der farbigen Füller wurden die Lacke für die Funktionsschichten entsprechend pigmentiert. Dabei soll die farbig pigmentierte Funktionsschicht immer noch in der Lage sein, die Steinschlagbeständigkeit des Gesamtsystems zu unterstützen, was vor allem durch Polyurethandispersionen als Hauptbindemittelkomponente erreicht wurde. Von diesen Materialien ausgehend war es nur ein kleiner Entwicklungsschritt zu dem so genannten integrierten Lackierkonzept. Dabei besteht der gesamte Lackaufbau aus der Elektrotauchgrundierung, zwei Basislackschichten (aus wässrigen Basislacken) und dem Klarlack. Die erste Basislackschicht trägt noch die Aufgaben des Füllers, hat eine dem gewünschten Farbton bzw. Effekt entsprechende Pigmentierung. Die zweite Basislackschicht trägt mehr zur Effektbildung bei. Damit können auch bei relativ geringeren Schichtdicken der beiden Basislacke brillante Effekte und Farbtöne realisiert werden. Da es bei der Weiterentwicklung von Technologien auch stets um Einsparungen geht, können die beiden Basislacke und der Klarlack jeweils nach einer Vortrocknung zuletzt gemeinsam eingebrannt werden [4]. Es handelt sich dann um ein Dreischichtsystem mit einer „Nass-in-Nass-in-Nass“-Lackierung. Einige Lackhersteller gehen dann noch weiter, indem sie ein Lacksystem vorstellen, dessen zwei Basislacke aus einer Grundformulierung hergestellt werden können [81].

3.5.2 Anforderungen und Eigenschaften Die ursprüngliche Aufgabe an einen Füller, die Strukturabdeckung und die Unterstützung des Eindrucks von Fülle bzw. gutem Decklackstand, bleibt natürlich bestehen, bzw. wird mehr und mehr beachtet. Diese Anforderung ist eng verbunden mit der Forderung nach hoher Applikationssicherheit. Weil der Füller als Zwischenschicht einen effektiven Verbund sowohl zum Untergrund (Elektrotauchgrundierung) als auch zur nachfolgenden Schicht (Decklack, Basislack) ausbilden muss, soll hier besonders auf die Eigenschaftsfelder Benetzung und Haftung eingegangen werden, die natürlich für die anderen Lackmaterialien ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Dann trägt der Füller vor allem dazu bei, den gesamten Lackaufbau gegen mechanische Einflüsse zu schützen, das heißt er bedingt vor allem die Steinschlagfestigkeit. Strukturabdeckung Obwohl eine Elektrotauchgrundierung auch optimale Verlaufeigenschaften haben muss, gibt es grundsätzlich den Effekt, dass allein durch die Abscheidungsmethode, die Untergrundstruktur des Substrats sich in dieser Schicht abzeichnet. Zunächst soll daher ein Füller diese Struktur des

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Untergrundes effektiv abdecken, und zwar ohne einen zusätzlichen Bearbeitungsaufwand. Um an der Fertigungsstraße der Automobillackierung die Produktionsgeschwindigkeit zu erhöhen und manuelle Arbeiten einzuschränken, wurde nämlich mehr und mehr auf das Schleifen verzichtet. Trotzdem sollte der Füller natürlich eine effektive Oberfläche für die Decklackapplikation bilden. Das bedeutete besondere Anforderungen an den Verlauf und die Oberflächenglätte. Die Forderung an einen Füllers auf der einen Seite möglichst glatt zu verlaufen und dabei einen guten Untergrund für die Decklackschichten zu bilden, andererseits von der Decklackierung nicht beeinträchtigt zu werden bezeichnet man im angloamerikanischen treffend mit dem Begriff “hold out” (für den Decklack). Fülle Lacke mit unterschiedlicher Oberflächenstruktur gleicher Schichtdicken, können optisch sehr unterschiedlich wirken. Das heißt sie wirken so, als wenn sie unterschiedliche Schichtdicken hätten. Die Eigenschaft Fülle ist also nicht nur von der Schichtdicke abhängig sondern auch von dem Oberflächeneindruck. Eine völlig glatte Oberfläche wirkt erstaunlicherweise nicht „füllig“, ebenso wenig eine durchgehend fein texturierte Oberfläche. Positiv erscheint dagegen eine sehr geringe, etwas wellige Struktur, die – wenn sie deutlicher wird, und dann negativ beurteilt wird – als Apfelsinenschaleneffekt bezeichnet wird. Der Füller bei der Automobillackierung erfüllt diese Aufgabe dadurch, dass er die Unebenheiten und die Struktur der Grundierung abdeckt und selber eine gewisse mäßige Oberflächenstruktur ausbildet. Im angloamerikanischen Sprachgebrauch heißt der Füller daher “primer surfacer”. Der Füller sollte selbst gut verlaufen und damit eine relativ glatte Oberfläche für die anschließend applizierten Decklacksysteme bilden. Die Oberflächenstruktur des gesamten Aufbaus resultiert dann nur noch aus Benetzung und Verlauf des Decklackes, was zu einem einheitlichen Bild und eben zu dem Eindruck Fülle führt. Nachteilig wäre, wenn sich Oberflächenstrukturen der tieferen Schichten nach oben hin deutlich fortsetzen würde. Während Füller früher matte Oberflächen hatten, auch wenn sie noch nicht geschliffen waren, haben OEM-Füller heute relativ höhere Glanzwerte, die zwischen 60 und 90 % (60°Reflektion liegen können). Der Glanz hängt vor allem von der Pigmentvolumenkonzentration ab. Allerdings können auch die Höhe der Anteile sehr feinteiliger oder plättchenförmiger Füllstoffe den Glanz beeinflussen. Matte Oberflächen haben eine sehr feine Struktur, die das Licht diffus reflektiert. Bei matten Oberflächen wird der Verlauf, d.h. die gröbere Struktur, nicht optisch wahrgenommen, bei glänzenden Oberflächen ist das menschliche Auge dafür sehr empfindlich. Benetzung und Haftung Weil die Eigenschaft Haftung offensichtlich eine sehr komplexe Größe ist, gibt es viele Versuche die Ursachen für eine gute oder schlechtere Haftung zu erklären. Auf jeden Fall ist Haftung eine Wechselwirkung zwischen Grenzflächen. Oberflächenspannung und Grenzflächenspannung Die Ursache der Wechselwirkung zwischen Grenzflächen ist die Oberflächenspannung. Im Unterschied zu den Molekülen von Gasen nehmen die Moleküle von Flüssigkeiten und Festkörpern einen definierten Raum ein. Diese Eigenschaft beruht darauf, dass sich die Moleküle von Flüssigkeiten und Festkörpern untereinander anziehen. Diese Anziehung bezeichnet man als Kohäsion. Die Kohäsionskräfte dieser Moleküle werden an Oberflächen (gegen Luft) nicht beansprucht. Sie sind nicht frei, sondern wirken verstärkt auf die Nachbarmoleküle. Der Effekt ist in der Abbildung 3.5.1 (Seite 80) dargestellt. Dadurch besteht zwischen den Oberflächenmolekülen eine besondere Wechselwirkung. Obwohl die Moleküle von Flüssigkeiten in einem definierten Volumen untereinander frei beweglich sind, ist besondere Arbeit aufzuwenden, um eine zusätzliche Oberfläche zu erzeugen. Die dazu notwendige Energie (Arbeit) kompensiert die beschriebene Oberflächenenergie, die man

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Oberflächenspannung nennt. Die Oberflächenspannung ist der Grund dafür, dass Flüssigkeiten – vor allem Wasser, das eine hohe Oberflächenspannung hat – Tropfen bilden und dass z. B. Insekten auf Wasser laufen können. Die Oberflächenspannung wirkt auch bei Grenzflächen von Flüssigkeiten gegenüber Festkörpern und ist damit eine wichtige Einflussgröße für die Benetzung und die Kappilarwirkung. Benetzung Die Oberflächenspannung bewirkt, dass Flüssigkeiten auf Substraten Tropfen bilden. Dabei bildet die Größe des Randwinkels eines Tropfens ein Maß für die Oberflächenspannung. Flüssigkeiten mit niedriger Oberflächenspannung bilden flache Tropfen; die Randwinkel sind klein. Steigender Randwinkel bedeutet, dass die Tropfen mehr und mehr die Form einer Halbkugel annehmen (Randwinkel ist dann 90°). Flüssigkeiten mit sehr hoher Oberflächenspannung bilden Tropfen mit Randwinkeln über 90°, sie haben nur noch wenig Kontakt zum Substrat (siehe Abbildung 3.5.2). Eine Vorraussetzung dafür, dass eine Flüssigkeit ein Substrat benetzt, ist eine geringe Oberflächenspannung (gegenüber Luft). Eine effektive Benetzung ist allerdings weiter von der Grenzflächenspannung (Affinität) der Flüssigkeit gegenüber dem Substrat abhängig. Ähnlich wie bei der Löslichkeit gilt hier, dass Stoffe mit gleichen Strukturmerkmalen – mindestens mit vergleichbarer Polarität – den Vorgang der Benetzung fördern. Dabei spielt auch die Oberflächenstruktur (Glätte und Rauhigkeit) eine entscheidende Rolle. Hat ein Stoff eine hohe Affinität zu einer Flüssigkeit, dann verstärkt eine raue Oberfläche die Benetzung, ist die Affinität gering, ergibt eine strukturierte Oberfläche einen abweisenden Effekt (siehe Kapitel 3.8.3.10, Lotuseffekt). Haftung Die Haftung ist mit der Eigenschaft Benetzung eng verwandt. Die Größe der Haftung einer Filmschicht auf einem Substrat wird definiert durch die Kraft pro Fläche, die benötigt wird, um die Filmschicht vom Substrat zu lösen. Zwischen der Benetzung eines Substrats durch einen Lack bei dessen Applikation und der Haftung des Lackfilms daraus, liegt der Prozess der Filmbildung.

Abbildung 3.5.1: Kohäsion und Oberflächenspannung

Abbildung 3.5.2: Flüssigkeiten mit unterschiedlicher Oberflächenspannung auf einem Substrat

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Bei der Filmbildung verdunstet das Löse- oder Dispersionsmittel des Lackes und in den meisten Fällen findet eine Vernetzung statt. Beide Anteile des Prozesses können die Dichte des Lackmaterials verändern. Wenn man sich vorstellt, dass bei der Benetzung bestimmte molekulare Strukturen des Lackes mit Strukturen der Substratoberfläche eine physikalische Verbindung eingegangen sind, dann dürfen diese Verbindungen durch die Dichteänderungen bei der Filmbildung (Trocknung, Einbrennen, Vernetzung) nicht aufgehoben werden, um gute Haftung zu ergeben. Sie müssen dabei mindestens durch andere physikalische Verbindungen ersetzt werden. Es ist oft angesprochen worden, welche Art die physikalischen Verbindungen zwischen Lackfilm und Substrat sein könnten. Besonders anschaulich ist die Vorstellung, dass sich zwischen polaren Gruppen, wie z.B. einer Carbonylgruppe und elektrophilen Bestandteilen des Substrats, z.B. ein Metallkation, Brückenbindungen ausbilden, die beinahe den Charakter einer Komplexbindung haben. Man denkt dann, dass auch andere polare Gruppen, wie z.B. Hydroxyl-, Ether-, Carboxyl-, Amid- und Urethangruppen, die Eigenschaft haben, mit entsprechenden Partnern in eine Verbindung zu treten, die dann die Haftung ausmacht. Diese Vorstellungen sind sehr anschaulich; aber sie sind nicht ausreichend, die verschiedenen Phänomene der Eigenschaft Haftung vollständig zu beschreiben. Es gibt dazu ein besonderes Beispiel: Unbehandeltes Polypropylen hat eine sehr unpolare Oberfläche. Es gibt kaum einen Stoff, der auf Polypropylen gut haftet. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Höhermolekulare chlorierte Polyolefine haften ausgezeichnet auf unbehandeltem Polypropylen. Diese Tatsache kann man nicht mit einer unpolaren Wechselwirkung erklären, denn es gibt noch deutlich unpolarere Polymere als chlorierte Polyolefine. Hier wird angenommen, dass allgemein die Annäherungsfähigkeit der molekularen Strukturen von Polymer und Substrat (van der Waalssche Anziehungskräfte der Moleküle) die ausschlaggebende Rolle bilden und dass die Wirkung der oben genannten polaren Gruppen nur ein besonderer Teil davon ist. Hier wurde untersucht, wie die Haftung auch von der Vernetzung beeinflusst wird. Wenn man z.B. eine besonders eng vernetzte Polymerschicht mit einer weiteren Schicht überziehen will, erzielt man gelegentlich schlechte Haftungsergebnisse. Die Modellvorstellung dazu ist, dass die Bestandteile der folgenden Schicht die erste eng vernetzte Schicht nicht ausreichend anquellen können und daher keine molekulare Wechselwirkung eingehen können, die die Haftung fördern würden. Tatsächlich kann man dann mit besonders wirksamen Lösemitteln, die auch hochvernetzte Materialien anquellen können, eine Verbesserung der Haftung erzielen. Außerdem wurde festgestellt, dass besonders effektiv vernetzte Filme auch besonders gut haften. Dazu wird hier ein Modell angeboten, dass dieses Phänomen erklären soll. Polymere einer Lackschicht bauen über bestimmte molekulare Strukturelemente eine Wechselwirkung zum Substrat aus, die stoffspezifisch ist. Man könnte sie vereinfacht als Haftgruppe pro Masse definieren. Eng vernetzte Polymere, die oft auch spröde sind bestehen nach dieser Vorstellung (siehe Kapitel 2.3.2) nur aus kleineren Bereichen kovalent verknüpfter Moleküle und haben daher bei einer gegebenen Menge Haftgruppen nur wenige davon für ihren Bereich; die Haftung ist daher gering. Sobald größere Bereiche kovalent verbunden sind, was eine effektive Vernetzung wirklich ausmacht, verfügen diese Bereiche über größere Mengen Haftgruppen und damit über eine bessere Haftung. In der Abbildung 3.5.3 wird dieses Modell vereinfachend und schematisch dargestellt.

Abbildung 3.5.3: Modell zur Abhängigkeit der Haftung von der Vernetzung

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Es gibt darüber hinaus die Vorstellung, dass die besten Ergebnisse zur Haftung dann entstehen, wenn sich kovalente Verknüpfungen zwischen den Schichten ausbilden. Man kann zwar voraussetzen, dass die Polymere in bereits vernetzten Filmen noch restliche freie funktionelle Gruppen enthalten oder sogar noch Anteile relativ niedrigmolekularer Bestandteile; dass die dann mit funktionellen Partnergruppen der Bestandteile der nächsten Schicht chemische Reaktionen ausbilden, ist – schon aus kinetischen Gründen – eher unwahrscheinlich. Auch wenn solche Zwischenschichtreaktionen nicht völlig auszuschließen sind; werden sie – weil sie so unwahrscheinlich sind – mit Sicherheit keinen signifikanten Anteil für die Filmeigenschaften beitragen. An dieser Stelle soll auch die Beobachtung interpretiert werden, dass gequollene Filme (durch Lösemittel, Wasser oder Chemikalien) in der Regel deutlich schlechter haften als ohne eine Quellung. Es ist anzunehmen, dass die molekularen Netzwerke gequollener Filme sehr viel empfindlicher gegenüber mechanischen Einflüssen sind als nicht gequollene und dass sie leichter zerstört werden, was auch zum Verlust der Haftung führen kann (siehe das obige Modell). Bei Haftungsprüfungen wirken natürlich auf die zu prüfenden Filme besondere mechanische Kräfte, die diese Zerstörung herbeiführen können. Es gibt daher die besondere Prüfung der Nasshaftung. Schließlich kann auch die Pigmentierung eines Füllers positiv auf die Haftung zur nächsten Schicht wirken. Es können plättchenförmige oder hochdisperse Pigmente sein, die dabei wirksam werden. Diese Pigmenttypen beeinflussen die Rheologie, den Verlauf und können bestimmte Oberflächenstrukturen erzeugen, die die Haftung der nachfolgenden Schicht verbessert. Man kann sich vorstellen, dass in besonderen Fällen z.B. plättchenförmige Pigmente aus der Film­ oberfläche ragen und Ankerstellen für die nächste Filmschicht bilden. Diesen Möglichkeiten sind Grenzen gesetzt, weil sie natürlich nicht den Verlauf, die Fülle bzw. den Decklackstand des gesamten Aufbaus beeinträchtigen dürfen. Weil exakte physikalische Prüfungen der Ablösekraft besonders aufwendig sind und bei gut haftenden Filmen gar nicht durchgeführt werden können, da oft die Verbindung zwischen Prüfkörper und Messstempel eher reißt als die Lackschicht vom Substrat; wendet man pragmatischere Methoden an. Die verbreitetste Methode ist der Gitterschnitt. Hier wird der Lackaufbau durch kleine parallele und dann auch gekreuzte Schnitte, die je nach Schichtdicke im Abstand von 1 mm oder von 2 mm ausgeführt werden, bis zum Untergrund verletzt. Das gesamte Schnittbild besteht aus einer Fläche nebeneinander liegender Quadrate oder Rauten. Anschließend wird ein genormtes Klebeband aufgedrückt und schnell von der Oberfläche abgerissen. Beurteilt wird der Grad der Verletzung, d.h. gezählt werden die Menge herausgerissener Filmteile und zusätzlich die Verletzung der Schnittkanten. Obwohl die Beurteilung wegen der vielen individuellen Einflussgrößen recht subjektiv ist, ist sie als Vergleichsmessung sehr aussagekräftig. Es ist bei der Prüfung zu bedenken, dass nicht nur die Haftungseigenschaften, sondern auch die Flexibilität und damit die Effektivität der Vernetzung in das Prüfergebnis eingehen. Steinschlagbeständigkeit Mittlerweile fällt einem Füller verstärkt die Aufgabe zu, mechanische Belastungen der gesamten Lackschicht aufzunehmen. Es wurden die so genannten Steinschlagfüller entwickelt, die heute sowohl als lösemittelhaltige als auch wässrige Füller den Standard für die Automobilserienlackierung bilden. Die Steinschlagbeständigkeit wird von den Eigenschaften Haftung und Flexibilität beeinflusst. Natürlich wird ein bei der Autofahrt mithoher Geschwindigkeit auftreffender Stein die Lackschicht des PKW verletzen. Ziel ist es daher den Schaden, den die Lackschicht erleidet, so klein wie möglich zu halten. Es gibt verschiedene Beurteilungskriterien. Einmal möchte man die Menge der Filmschicht, die durch den Aufprall abgetragen wird, möglichst klein halten und toleriert es, wenn die Verletzung des Lackfilms bis in die unteren Schichten geht. Zum anderen will man eine tiefgehende Beschädigung vermeiden, um keine Angriffsstellen für eine Korrosion zu bekommen. Deshalb werden für die Prüfung auf Steinschlagfestigkeit verschiedene Testmethoden ausgewählt.

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Abbildung 3.5.4: Unterschiedliche Schadensbilder bei Steinschlag

Eine Gruppe von Methoden simuliert Steinschläge, indem eine definierte Menge wirklicher Steine, Stahlschrot auch Schrauben und ähnlicher Objekte mittels Pressluft auf die Lackober­ fläche geschossen wird oder aus einer definierten Höhe auf eine Lackoberfläche fällt. Die Beurteilung des Schadensbilds richtet sich nach der Menge des abgeplatztem Lackmaterials und der Größe der Abplatzungen [82]. Die andere Methodengruppe testet die Steinschlagbeständigkeit mit Einzelschlägen und zwar mit einer fallenden Kugel, einem keilförmigen Schlagkörper [83] oder einer kleinen Stahlkugel, die mittels einer – einem Luftgewehr ähnelnden – Vorrichtung auf die Oberfläche geschossen wird [84]. Diese Testverfahren werden bewusst bei unterschiedlichen Temperaturen [85] durchgeführt. Beurteilt werden die abgeplatzte Menge und das Schadensbild. Es spielt eine Rolle, ob nur die oberen Schichten verletzt werden und mehr oder weniger großflächig abgeplatzt sind oder ob der Schlag bis auf das Substrat durchgeht, das blanke Metall erscheinen lässt und nur eine relativ kleine Fläche beschädigt ist. Die verschiedenen Schadensbilder sind in der Abbildung 3.5.4 dargestellt Durchschläge bis auf das Metall könnten natürlich eine Korrosionsstelle erzeugen. Großflächige Abplatzungen bedeuten visuell auffällige Schäden der Lackierung. Beides sollte natürlich vermieden werden. Die verschiedenen Automobilhersteller beurteilen die Relevanz der Schadensbilder unterschiedlich. Die Steinschlagfüller sind daher unterschiedlich formuliert, je nachdem welche Eigenschaft man besonders herausarbeiten muss. Die Fähigkeit von Lackschichten auf mechanische Beschädigungen wie Steinschläge mehr oder weniger gut zu reagieren wird hauptsächlich auf zwei Ursachen zurückgeführt. Zum einen soll die Bindemittelmatrix die Stoßenergie durch eine Verformung aufnehmen und in Bewegungsenergie und Wärme umwandeln. Das ist gegeben, wenn die Bindemittelmatrix des Films einen ausgesprochenen Elastomercharakter hat. Füller mit solchen Bindemittelsystemen können geringere Fülle und Decklackstand des Gesamtaufbaus ergeben. Es bedarf daher eines Kompromisses bei der Flexibilität und der Mitwirkung anderer Effekte. Die Stoßenergie einer mechanischen Belastung kann auch an Grenzflächen aufgenommen werden. Daher wirkt die Art der Pigmentierung deutlich auf die Steinschlagbeständigkeit. Platzwechsel von Teilchen in einer mehr oder weniger flexiblen Matrix verbrauchen relativ viel mechanische Energie (Dissipation). Das wird besonders deutlich, wenn in einem Füller z.B. plättchenförmige Pigmente verwendet werden, die aufgrund ihrer Struktur eine Teilchen-Teilchen-Wechselwirkung aufbauen. Hier wird für die mechanische Beständigkeit einer Füllerschicht ein gedankliches Vergleichsmodell angeboten: die Struktur einer Asphaltstraße. Asphaltstraßen müssen auch flexibel und beständig gegen mechanische Belastungen ausgestattet sein. Dabei würde dem Schotter der Straße die Füllstoffe des Füllers entsprechen, dem Sand das Titandioxid und dem Asphalt das Bindemittel.

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3.5.3 Zusammensetzung lösemittelhaltiger Füller Während früher die Bindemittel für Füller aus Alkydharzen und Harnstoffharzen bestanden, enthalten heute die meisten lösemittelhaltigen Füller als Bindemittel gesättigte, Hydroxylgruppen enthaltende Polyester und Melaminharze. Qualitativ hochwertige Füller enthalten als Vernetzer zumindest Anteile verkappter Polyisocyanate. Zur Unterstützung der korrosionsschützenden Wirkung von Füllern werden bestimmte Anteile aromatischer Epoxidharze (siehe Kapitel 3.4.5.1) verwendet. Die Zusammensetzung der Pigmente wirkt entscheidend auf die Steinschlagfestigkeit und Haftung. Es werden Kombinationen aus Titandioxid und Füllstoffen gewählt. Füller können auch Anteile an funktionellen Pigmenten mit plättchenförmigen Teilchen enthalten, die rheologisch wirken und die Haftung und Steinschlagbeständigkeit unterstützen. Obwohl es bei Füllern auf die Oberflächenglätte ankommt, ist die Verwendung hochwirksamer Verlaufmittel problematisch. 3.5.3.1 Gesättigte Polyester Gesättigte Polyester [86, 87, 88] bestehen aus Polycarbonsäuren und Polyalkoholen. Sie sind also die prinzipiell einfachsten Polyester. Der Begriff ist in DIN 55958 nicht gerade besonders originell festgelegt. Dort heißt es: „Polyesterharze sind Kunstharze auf Basis von Polyestern, deren Struktureinheiten Estergruppen in der Kette tragen.“ Obwohl die gesättigten Polyester, die im Prinzip einfachsten Polyester sind, ist ihre Anwendung in der Lackindustrie erst relativ spät zum Zuge gekommen. Zunächst waren es die Alkydharze, also die mit Fettsäuren und Ölen modifizierten Polyester, die im Lackgebiet verbreitet angewendet wurden. Dann gab es die ungesättigten Polyester, die seit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts breitere Anwendung fanden. Sie wurden vereinfachend nur Polyester genannt. Einer breiteren Anwendung der einfachen Polyester stand zunächst ihre schlechte Löslichkeit und Verträglichkeit im Wege. Erst als Rohstoffe großtechnisch und kostengünstig zu Verfügung standen, die Löslichkeit und Verträglichkeit der Polyester deutlich verbesserten, wurden mehr und mehr gesättigte Polyester für Lacke verwendet. Eine Schlüsselrolle spielte dabei das Neopentylglykol (2,2-Dimethylpropandiol-1,3) aus der Oxosynthese. Um diese Polyester von den ungesättigten Polyestern zu unterscheiden erhielten sie das Attribut „gesättigt“. Im Gegensatz zu den ungesättigten Polyestern, die heute nur noch für besondere Lackanwendungen zur Verfügung stehen (Reparaturspachtel, siehe Kapitel 4.3) und den Alkydharzen, deren Einsatzmenge zurückgegangen ist, wachsen die Verbrauchsmengen von gesättigten Polyestern für Lacke noch deutlich an. Zusammensetzung Die wichtigsten Polycarbonsäuren für gesättigte Polyester sind aromatische Dicarbonsäuren, allen voran die Isophthalsäure, daneben Phthalsäureanhydrid und Terephthalsäure (oft auch in Form ihres Dimethylesters). Als aromatisches Tricarbonsäurederivat wird Trimellithsäure­ anhydrid vor allem bei der Herstellung wasserverdünnbarer Polyester verwendet. Aromatische Polycarbonsäuren ergeben als Strukturelemente in Polyestern Härte und Beständigkeit der Lackfilme daraus, sie begrenzen die Löslichkeit, Verträglichkeit und Flexibilität. Daher werden aromatische Polycarbonsäuren oft mit bestimmten Anteilen aliphatischer Dicarbonsäuren gemischt. Das ist vor allem die Adipinsäure, seltener Azelainsäure, Sebacinsäure oder Dimerfettsäuren. Die Polyole der gesättigten Polyester bestehen aus Mischungen verschiedener aliphatischer Diole mit Polyolen höherer Funktionalität. Eine geeignete Kombination verschiedener Diole bestimmt entscheidend die Löslichkeit, Verträglichkeit und Flexibilität der Lackfilme aus den Polyestern. Anzahl und Größe von Seitenketten von Diolen unterstützen Löslichkeit und Verträglichkeit. Die Kettenlänge bestimmt die Flexibilität. Diole mit kurzen aliphatischen Ketten ergeben höhere Härte bei geringerer Löslichkeit. Ein Optimum an Härte und Löslichkeit bilden cycloaliphatische Polyalkohole. Einheitlich aufgebaute Polyester tendieren zur Kristallinität. Sie sind nicht homogen löslich, deshalb werden die Filmeigenschaften wie Verlauf, Glätte, Glanz und

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Beständigkeit durch solche Polyester negativ beeinflusst. Allein durch eine beliebige Mischung mehrerer Diole wird die Kristallinität unterdrückt. Gebräuchliche Diole für gesättigte Polyester sind: Ethylenglykol, Propylenglykol und deren oligomere Etherdiole, Butandiol-1,4; Neopentylglykol, Hexandiol-1,6; Hydroxypivalinsäureneopentylglykolester (HPN), Dimethylolcylohexan (Cyclohexandimethanol), 4,4‘-Bis-(hydroxycyclohexyl)-propan-2,2 (Perhydro-Bisphenol A). Mit den alkoxylierten Bisphenol-A-Typen stehen auch Aromaten enthaltende Diole zur Verfügung. Der Anteil an höherfunktionellen Polyolen bestimmt den Verzweigungsgrad der Polyester. Hierzu wird fast ausschließlich Trimethylolpropan verwendet. Strukturen Für die Automobilserienlackierung werden vernetzbare Polyester verwendet. Außer den Polyestern für bestimmte Pulverlacke, enthalten diese gesättigten Polyester für alle Lackanwendungen als funktionelle Gruppen hauptsächlich Hydroxylgruppen. Diese OH-Polyester sind mehr oder weniger hoch verzweigt. Die mittleren Molmassen (Zahlenmittel) solcher verzweigter, gesättigter Polyester liegen zwischen 800 und 4.000 g/mol. Die Molmassen werden durch den Überschuss der Molzahl der Polyole in Relation zur Molzahl der Polycarbonsäuren und durch den Umsetzungsgrad (Kondensationsgrad) bestimmt. Die Molmassenverteilung wird durch die Lage des Zahlenmittels der Molmasse und durch den Verzweigungsgrad ermittelt. Je höher die zu erwartende mittlere Molmasse und je höher der Verzweigungsgrad, desto breiter die Molmassenverteilung. Daher lassen sich hochverzweigte Polyester nur mit relativ niedrigen mittleren Molmassen (Zahlenmittel) realisieren. Der Versuch dabei höhere Molmassen zu erreichen führt zur Gelierung [86]. Das bedeutet, ein Anteil der Moleküle des Polyesters strebt die Größe „unendlich“ an, obwohl das Zahlenmittel der Molmasse noch „endlich“ ist [89]. Trotzdem ist die Verteilungsfunktion der Molekülgrößen gesättigter Polyester stets enger als eine statistische Vorausberechnung. Das liegt daran, dass während der Herstellung der Polyester – neben der Veresterungsreaktion – Umesterungsreaktionen für ein Angleichen der Molekülgrößen sorgen. Polyester für Füller Die Polyester für Füller werden mit Aminoharzen oder verkappten Polyisocyanaten vernetzt. Dafür haben sie OH-Zahlen von 80 bis 140 mg KOH/g. Die Säurezahlen liegen bei 10 bis 20 mg KOH/g. (OH-Zahl und Säurezahl benennen die Menge KOH [Molmasse 56,11 g/mol] in mg, die der Anzahl der freien Hydroxylgruppen bzw. Carboxylgruppen in 1 g eines Polyesters äquivalent sind. Ein Polyester mit einer mittleren Molmasse [Zahlenmittel] von 2000 g/mol und einer OHZahl von 112 hätte dann also im Mittel 4 freie Hydroxylgruppen pro Molekül.) Die Säurezahlen beteiligen sich zwar nicht direkt an der Vernetzungsreaktion, sie wirken katalytisch auf die Reaktion der funktionellen Gruppen der Aminoharze. Da Füller gegen Steinschläge beständig sein sollen, enthalten sie bestimmte Mengen an Bausteinen, die plastifizierend wirken. Allerdings dürfen die Bindemittel auch nicht zu weich sein, denn sie sollen auch den Decklackstand positiv beeinflussen und gelegentlich muss ein Füller auch noch schleifbar sein. Die Polyester für lösemittelhaltige Füller werden üblicherweise in höhersiedenden aromatischen Kohlenwasserstoffen angelöst und enthalten kleinere Anteile polarerer Lösemittel wie Glykolether oder Glykoletheracetate. Die Festkörper der Lieferform liegen zwischen 50 und 70 m-%. Herstellung Die beschriebenen gesättigten Polyester werden durch Schmelzkondensation bei Temperaturen zwischen 180 und 240 °C hergestellt. Die Reaktoren sind meistens mit indirekter Heizung, mehrstufig regelbarem Rührwerk, Beaufschlagung mit Schutzgas und einer Füllkörperkolonne mit einem Wasserabscheider ausgerüstet. Es wird mit einem kleinen Anteil Schleppmittel gefahren (z.B. 1 % Xylol). Die Kolonne verhindert das Verdampfen der Diole, die zum Teil bei den gegebenen Temperaturen flüchtig, zum Teil unterhalb ihres Siedebereichs wasserdampfflüchtig sind. Durch

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Abbildung 3.5.5: Strukturen der Grundbausteine für Aminoharze

eine geeignete Temperatursteuerung, die Trennwirkung der Kolonne und Kolonnenkopfaufgabe von Schleppmittel soll nur Wasser ausgekreist und Diolverluste vermieden werden. Der Fortgang der Reaktion wird über die Messung des Kondensationsgrads (Säurezahl) und der Viskosität einer Probelösung, oder der Polyesterschmelze selbst, bestimmt und bei vorgegebenen Kennzahlen für beide Werte durch Kühlen abgebrochen. Es wird dann mit einem inerten Lösemittel, das keine Ester oder Hydroxylgruppen enthält, angelöst, weiter gekühlt, unterhalb einer Temperatur – bei der Veresterungs- und Umesterungsreaktionen zu vernachlässigen sind – fertig gelöst, filtriert und zur Bevorratung abgefüllt. 3.5.3.2 Aminoharze Aufbau von Aminoharzen Aminoharze müssten eigentlich Amidoharze heißen, denn die Rohstoffbasis dafür sind verschiedene Amide: Harnstoff (das Diamid der Kohlensäure), Melamin (das Triamid der Cyanursäure, oder 2,4,6-Triaminotriazin-1,3,5), Bennzoguanamin (2-Phenyl-4,6-diaminotriazin-1,3,5), Glyko­ luril (Acetylendiharnstoff) und auch Urethane, wie z.B. Butylurethan oder Butandioldiurethan. Die Strukturen dieser Grundbausteine sind in der Abbildung 3.5.5 dargestellt. Diese Amide bilden – aufgrund der beweglichen Wasserstoffatome am Stickstoffatom der Urethane und Amide – mit Formaldehyd Methylolgruppen, dabei können beide Wasserstoffatome pro Stickstoff reagieren. Die Methylolgruppen sind amphoter, sie können – vor allem im sauren Medium – Hydroxylgruppen abspalten, die dann mit den restlichen noch vorhandenen Wasserstoffatomen am Stickstoff oder der Wasserstoffatome weiterer Methylolgruppen unter Bildung von Wasser reagieren und dabei Methylenbrücken bzw. Dimethylenetherbrücken ausbilden. Die Bildung von Methylolgruppen und die Aufbaureaktionen sind in der Abbildung 3.5.6 dargestellt. Die resultierenden Produkte, die unmodifizierten Aminoharze sind sehr polar, sie sind nur in Wasser und niedrigen Alkoholen löslich und mit den meisten anderen Lackbindemitteln nicht verträglich. Diese Bindemittel werden für Leime und für die Herstellung von Schichtstoffplatten verwendet. Für die Lackanwendung werden diese Aminoharze modifiziert. Die Modifikation besteht in einer

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Abbildung 3.5.6: Bildung von Methylolgruppen und die Aufbaureaktionen der Aminoharze

Abbildung 3.5.7: Veretherungsreaktionen der Aminoharze

mindestens teilweise Veretherung der Methylolgruppen mit Monoalkoholen wie Methanol, n-Butanol und Isobutanol. Die Veretherungsreaktion ist in der Abbildung 3.5.7 dargestellt. Durch die Veretherung ist die Löslichkeit in gebräuchlichen Lacklösemitteln und Verträglichkeit mit verschiedenen anderen Bindemitteln gegeben. Die mit Butanolen veretherten Aminoharze lösen sich gut in Alkoholen, Ketonen und Estern, es können aromatische Lösemittel als Verschnittmittel verwendet werden. Die mit Methanol veretherten Melaminharze sind in den genannten Lösemitteln löslich, zusätzlich sind sie auch wasserlöslich bzw. mindestens wasserverdünnbar. Die für die Lackanwendung gebräuchlichen, veretherten Aminoharze haben keine besonders großen Moleküle. Sie können im Mittel ein bis fünf Amidbausteine enthalten. Aufgrund der recht hohen Funktionalität der Grundbausteine sind die Moleküle verzweigt und es gibt eine relativ breite Molmassenverteilung. Eigenschaften der Aminoharze Aminoharze werden als Vernetzer verwendet, es gibt auch Bindemittel, die zur Plastifizierung in nur physikalisch trocknenden Lacken eingesetzt werden. Die Harze enthalten als funktionelle Gruppen freie Methylolgruppen, veretherte Methylolgruppen und restliche NH-Gruppen. Vernetzungspartner für Aminoharze sind vorzugsweise Bindemittel, die Hydroxylgruppen als funktio-

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nelle Gruppen tragen, das sind Alkydharze, gesättigte Polyester, Acrylatharze, Epoxidharze und Epoxidester. Die Reaktion findet zwischen den Hydroxylgruppen und den freien Methylolgruppen unter Wasserabspaltung und mit den veretherten Methylolgruppen unter Abspaltung des Veretherungsalkohols statt. In beiden Fällen entstehen Methylolether. Viele Aminoharze können auch selbst vernetzen. Dabei werden prinzipiell die oben beschriebenen Aufbaureaktionen – die Bildung von Methylenbrücken oder Dimethylenetherbrücken – fortgesetzt, bis vernetzte Großmoleküle entstehen. Bei der Filmbildung von Lacksystemen, die Aminoharze enthalten, gibt es stets eine Kombination aus Co-Vernetzung (Fremdvernetzung) und Selbstvernetzung. Die Vernetzungsreaktionen können durch Säuren katalysiert werden. Wenn größere Anteile relativ starker Säuren verwendet werden, verläuft eine effektive Vernetzung bereits bei Raumtemperatur. Sonst bedarf die Vernetzung von Aminoharzen in der Kombination mit den Partnerbindemitteln höherer Temperaturen (Einbrennlacke). Dabei genügt für eine effektive Vernetzung die katalytische Wirkung der in den Partnerbindemitteln enthaltenden Carboxylgruppen. Die Eigenschaften der verschiedenen Aminoharze werden deutlich durch ihren jeweiligen Grundbaustein bestimmt. Harnstoffharze Harnstoffharze sind Vernetzer, die zusammen mit ihren Kombinationspartnern relativ harte, lösemittelbeständige Filme erzeugen, die nicht wetterbeständig sind. Sie werden mit Alkydharzen, gesättigten Polyestern und Epoxidharzen kombiniert. Die Vernetzungsreaktionen können mit relativ starken Säuren katalysiert werden und finden dann bei Raumtemperatur statt. Kombinationen aus Alkydharzen und Harnstoffharzen, die mit Säuren, z.B. alkoholische Salzsäure, katalysiert werden, bilden die klassischen so genannten säurehärtende Lacke. Weiterhin werden Harnstoffharze in Einbrenngrundierungen, Füllern und sonstigen Industrielacken verwendet. In solchen Kombinationen sind die Harnstoffharze den Melaminharzen als Vernetzer bezüglich Härte, Haftung und Überbrennstabilität überlegen, sie sind weniger flexibel und nicht wetterbeständig. Früher hat die Kosteneinsparung bei Harnstoffharzen gegenüber Melaminharzen eine Rolle gespielt. Melaminharze Melaminharze sind die weitaus wichtigsten Bindemittel der Gruppe der Aminoharze für ihre Anwendung in Lacken. Der molekulare Aufbau von Melaminharzen wird durch die Verhältnisse von Melamin zu Formaldehyd und Monoalkohol, den Typ des Alkohols und die mittleren Molmassen gekennzeichnet. Höhere Molmassen entstehen bei geringerem Formaldehydüberschuss, geringerem Veretherungsgrad, längerer Kondensationszeit und niedrigeren pH-Werten. Sehr niedrigmolekulare Melaminharze entstehen bei hohem Formaldehyüberschuss und gleichzeitigem hohen Monoalkoholüberschuss (M : F : A = 1 : 6 : 6). Die mittlere Anzahl der Melaminreste pro Melaminharzmolekül kann dabei nur knapp über 1 liegen. Melaminharze werden üblicherweise in wässriger Phase hergestellt. Im ersten Schritt werden aus wässriger Formaldehydlösung und Melamin im basischen Medium (Alkalihydroxid, Amine) die Methylolverbindungen hergestellt. Dann werden im sauren Medium (anorganische oder organische Säuren) und mit der entsprechenden Alkoholmenge durch Veretherung (molekularer Aufbau und Bildung von Monoethern) die Melaminharze fertiggestellt. Das Wasser als Lösemittel und das Reaktionswasser werden im Vakuum abdestilliert. Dann wird die Lieferform des Bindemittels durch Zugabe von Lösemittel (Butanole, aromatische Kohlenwasserstoffe) eingestellt. Die niedrigmolekularen Melaminharze werden auch 100 %-ig ausgeliefert. Die freien Methylolgruppen und die veretherten Methylolgruppen der Melaminharze können mit den Hydroxylgruppen der Kombinationsbindemittel reagieren (Covernetzung). Dabei werden Wasser bzw. Monoalkohole abgespalten. Die Etherbildung verläuft schneller als die Umetherung. Die möglichen Vernetzungsreaktionen sind in der Abbildung 3.5.8 dargestellt. Die Reaktionen können durch Säuren katalysiert werden. Durch Reaktionen der Iminogruppen mit den Methylolgruppen bzw. den Methylolethergruppen, den Methylolgruppen untereinander und der Methylolgruppen mit den Methylolethergruppen

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Abbildung 3.5.8: Mögliche Reaktionen der Co-Vernetzung

Abbildung 3.5.9: Mögliche Reaktionen der Selbstvernetzung

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vernetzen Melaminharze selbst. Diese Reaktionen werden durch Säuren katalysiert. Die Reaktionen der Iminogruppen sind die schnellsten. Die Reaktionen der Co-Vernetzung und der Selbstvernetzung laufen parallel zueinander ab. Die möglichen Reaktionen der Selbstvernetzung sind in der Abbildung 3.5.9 (Seite 89) dargestellt. In Abhängigkeit von den Vernetzungsbedingungen (hohe Einbrenntemperaturen, starke Säurekatalyse) und je nach Harztyp können auch weitere Reaktionen ablaufen, dabei kann auch Formaldehyd wieder abgespalten werden. Die Anteile der Co-Vernetzung einer Melaminharzkombination unterstützen die Flexibilität, die Chemikalien- und die Wetterbeständigkeit. Die Anteile der Selbstvernetzung erzeugen die Härte und die Lösemittelbeständigkeit. Bei einer gegebenen Kombination eines Hydroxylgruppen tragenden Bindemittels mit einem Melaminharz werden die optimalen Filmeigenschaften empirisch durch Variation der Mischungsverhältnisse bestimmt. Je nach Molmasse und Funktionalität des Hydroxylgruppen enthaltenden Bindemittels (OH-Zahl) und des Melaminharzes liegen die Mischungsverhältnisse zwischen 60 : 40 und 80 : 20 (OH-Träger : Melaminharz, bezogen auf die Festkörper). Hier werden die Melaminharze in Bezug auf ihre Anwendung in Fahrzeuglacken in drei Gruppen unterteilt. Es sind andere Gruppierungen und Einteilungen möglich. Es gibt Übergänge zwischen den hier definierten Gruppen: • Teilveretherte Melaminharze, gekennzeichnet durch freie Methylolgruppen • Hochveretherte Melaminharze, gekennzeichnet durch restliche NH-Gruppen (Iminotypen) • Vollveretherte Melaminharze Teilveretherte Melaminharze, die freie Methylolgruppen haben, werden mit entsprechend höheren Überschüssen an Formaldehyd geringeren Überschüssen an Monoalkoholen hergestellt und können höher kondensiert, das heißt höhermolekular sein. Sie sind relativ reaktiv, die effektiven Einbrenntemperaturen liegen ohne zusätzliche Katalyse bei 120 bis 160 °C, je nach Höhe des Veretherungsgrads. Der Anteil der Selbstvernetzung dieser Typen ist relativ hoch. Die Melaminharze mit signifikanten Anteilen an restlichen, freien Iminogruppen werden mit weniger Formaldehyd aber höheren Anteilen an Monoalkoholen hergestellt. Einige Produkte dieser Gruppe sind relativ niedrigmolekular. Die Melaminharze dieser Gruppe sind ebenfalls relativ hochreaktiv. Die einzelne Methylolethergruppe an der NH-Gruppe ist durch induktive Effekte viel reaktiver als die zwei an einem Stickstoffatom sitzenden Methylolethergruppen. Die Iminogruppen ergeben letztlich durch Selbstvernetzung Methylengruppen. Diese Melaminharze enthalten prinzipiell niedrige Anteile an freiem Formaldehyd und spalten bei der Filmbildung auch weniger Formaldehyd ab. Vollveretherte Melaminharze, die mit hohen Formaldehydüberschuss hergestellt werden, enthalten praktisch ausschließlich Methylolethergruppen. Diese Produkte sind relativ wenig reaktiv. Sie reagieren mit Hydroxylgruppen erst bei Temperaturen ab 180 °C. Man kann allerdings die effektiven Vernetzungstemperaturen durch Zugabe von Säurekatalysatoren deutlich senken. Unter geeigneten Vernetzungsbedingungen (Temperatur, Zeit, Säurekatalyse) reagieren diese Melaminharze mit den entsprechenden Kombinationsbindemitteln, die relativ höchsten Anteile an Co-Vernetzung. Melaminharze, die mit Methanol verethert sind, sind etwas reaktiver als die mit Butanolen veretherten, sie haben den besonderen Vorteil wasserlöslich bzw. zumindest wasserverdünnbar zu sein. Zu dieser Gruppe gehören sowohl Typen, die restliche Iminogruppen enthalten als auch vollveretherte. Dazu gehören vor allem die Produkte, die man als HMMM-Harze bezeichnet, weil sie fast ausschließlich aus der Verbindung Hexamethoxymethylmelamin bestehen. Diese HMMMHarze eignen sich nicht nur für wasserverdünnbare Lacke, sondern aufgrund ihrer niedrigen Molmassen und ihrer fast universellen Löslichkeit auch zur Formulierung von festkörperreichen Einbrennlacken (High-Solids). Auch Coil-Coating-Lacke können diese Melaminharze enthalten. Für Einbrenntemperaturen unter 160 °C ist es erforderlich Säurekatalysatoren zu verwenden.

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Benzoguanaminharze Im Gegensatz zum Melamin kann das Benzoguanamin nur maximal vier Formaldehydmoleküle zu Methylolgruppen anlagern. Die daraus hergestellten Bindemittel sind also geringer verzweigt. Auch bei den Benzoguanaminharzen sind die Methylolgruppen mindestens teilweise mit Butanol verethert. Benzoguanaminharze ergeben als Vernetzer für Alkydharze und Polyester besonders flexible Filme. Dabei wirkt sich nicht nur die gegenüber Melaminharzen erniedrigte Funktionalität sondern auch der stoffliche Aufbau dieser Bindemittel. Sie haben weiterhin sehr gute Benetzungseigenschaften gegenüber Pigmenten und Substraten. Sie sind allerdings nicht wetterbeständig und im Vergleich zu Melaminharzen relativ teuer. Aufgrund des beschriebenen Eigenschaftsspektrums wurden die Benzoguanaminharze für Automobilserienfüller verwendet, die gut benetzten und flexibel waren und besser steinschlagbeständig. Sie wurden in dieser Produktgruppe erst von den verkappten Polyisocyanaten übertroffen, die zwar noch teurer sind, bezüglich Flexibilität, Härte und Beständigkeit ein hohes ausgewogenes Eigenschaftsprofil zeigen. Der Vollständigkeit halber sind hier noch die weiteren Aminoharze aufgezählt, die im Bereich der Automobillackierung – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle spielen: Urethanharze Urethanharze sind aufgrund der molekularen Eigenschaften ihrer Grundbausteine ausgesprochene Weichharze. Ein Produkt aus Butylurethan und Formaldehyd (Molverhältnis nahezu 1:1) dient nicht als Vernetzer, sondern ist ein Polymerweichmacher [90]. Aus Butandiol und zwei Molen Harnstoff kann ein Diurethan gebildet werden, umgesetzt mit Formaldehyd und verethert mit Monoalkohol entsteht dann daraus ein Aminoharzvernetzer, der plastifizierende Eigenschaften hat. Glykolurilharze Glykoluril entsteht aus Acetylen und zwei Molen Harnstoff. Diese Verbindung kann mit maximal vier Molen Formaldehyd umgesetzt werden; die entstehende Methylolverbindung wird z.B. mit Methanol verethert. Die veretherten Methylolgruppen des Glykolurilharzes sind relativ reaktionsträge, sie reagieren erst bei höheren Temperaturen und benötigen starke Säuren zur Katalyse. Solche Produkte werden für Pulverlacke [91] verwendet. 3.5.3.3 Verkappte Polyisocyanate Während für die Grundierungen (siehe Kapitel 3.4.5.5) bevorzugt verkappte aromatische Poly­ isocyanate verwendet werden, werden für Füller aliphatische und cycloaliphatische Polyisocya­ nataddukte ausgewählt, weil sie weniger vergilben, und weil es bei der Füllerschicht schon auf eine gewisse Wetterbeständigkeit ankommt, die aromatische Polyisocyanate nicht erfüllen können. Aliphatische und cycloaliphatische Polyisocyanate sind geringer reaktiv als die aromatischen, so ist es trotz der bisher für Füller üblichen relativ hohen Einbrenntemperaturen (160 bis 170 °C) erforderlich, Verkappungsmittel zu verwenden, die bei niedrigeren Temperaturen abspalten, bzw. richtiger mit OH-Gruppen von Polyestern umurethanisieren können. Für Füller werden Isocyanurattrimere des Hexamethylendiisocyanat (HDI) und des Isophorondiisocyanat (IPDI) bevorzugt mit Methylethylketoxim verkappt. Diese verkappten Polyisocyanataddukte reagieren mit OH-Gruppen von Polyestern effektiv bei Temperaturen ab 150 °C. Das Prinzip der Vernetzungsreaktion ist in Abbildung 3.5.10 (Seite 92) dargestellt. Obwohl das Methylethylketoxim seit einiger Zeit als physiologisch bedenklich eingestuft wurde, hat es sich noch behauptet. Denn es wird durch die Vernetzungsreaktion erst in der Einbrennphase freigesetzt und dann mit den übrigen Ofenabgasen katalytisch nachverbrannt. Natürlich gibt sind bei der Herstellung der mit Methylethylketoxim verkappten Polyisocyanate, entsprechende Vorsichtmaßnahmen zu ergreifen. Alternative Verkappungsmittel für diesen Anwendungsbereich haben entweder technische Nachteile oder sind deutlich teurer als das Methylethylketoxim.

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Abbildung 3.5.10: Prinzip der Reaktion verkappter Polyisocyanate mit OH-Polyestern

Im Vergleich zu den Aminoharzen vernetzen verkappte Polyisocyanate über eine eindeutige Reaktion und bilden mit den OH-Gruppen von Polyestern Urethangruppen. Urethangruppen zeichnen sich durch höhere Beständigkeit gegenüber chemischen Angriffen aus (vor allem gegen Säuren) im Vergleich zu den Methylolethergruppen der Melaminharzvernetzung. Weil Urethangruppen Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden können, unterstützen sie die elastische Komponente der Flexibilität von Lackfilmen. Entscheidend ist, dass verkappte Polyisocyanate völlig andere Netzwerkstrukturen ausbilden als Melaminharze. Zunächst haben sie weniger funktionelle Gruppen pro Molekül und diese Gruppen sind voneinander weiter entfernt. Das führt zu weitmaschigeren Netzen. Hier wird zusätzlich angenommen, dass aufgrund des kinetischen Verhaltens der verkappten Polyisocyanate nicht nur weitmaschigere molekulare Netzwerke entstehen, sondern auch ausgedehntere. Solche Netzwerke ergeben für die Lackschichten eine hohe Flexibilität. Weitmaschigere Netzwerke können gewisse Nachteile haben; sie sind Diffusionsvorgängen zugänglich und daher schneller quellbar. Auch wenn die Urethangruppen selbst chemisch relativ stabil sind, können dann Chemikalien und Lösemittel in den Film eindringen mit negativen Auswirkungen. Es wurde auch bereits darauf hingewiesen, dass gequollene Filme viel leichter mechanisch verletzbar sind. Daher enthalten Automobilfüller bevorzugt eine Kombination aus verkappten Polyisocyanaten und Melaminharzen als Vernetzer. Solche Kombinationen sind wohl auch unter dem Kostenaspekt entstanden, denn verkappte Polyisocyanate sind deutlich teurer als Melaminharze. Es wurde jedoch gefunden, dass die Kombination der Vernetzungsreaktionen insgesamt Vorteile ergibt. In dem komplexen Netzwerk unterstützt der Polyisocyanatanteil vor allem die Flexibilität und die Chemikalienbeständigkeit, der Melaminharzanteil unterstützt Härte und Lösemittelbeständigkeit. Solche Kombinationen ergeben auch besseren Decklackstand für die folgenden Lackschichten. Den Elastomercharakter einer Bindemittelmatrix kann man dadurch betonen, indem man Polyurethane einsetzt. Für lösemittelhaltige Füller werden relativ niedrig molekulare Polyurethane

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bevorzugt, deren Isocyanat-Endgruppen verkappt sind. Solche Produkte könnte man daher auch als höhermolekulare, verkappte Polyisocyanate bezeichnen, weil sie sich an der Vernetzungsreaktion beteiligen. Sie wirken durch ihre Weichsegmente aus Polyestern oder Polyethern flexibilisierend auf das Gesamtsystem. 3.5.3.4 Pigmentierung Färbende Pigmente Das färbende Pigmente für Füller ist vor allem das Titandioxid. Die vorherrschenden Farbtöne für Füller sind Grautöne. Daher wird das Titandioxid oft mit sehr kleinen Teilen Schwarzpigmenten (Ruß) und Gelbpigmenten (Eisenoxidgelb) kombiniert, es entstehen neutrale bis beige Grautöne. Dieser Farbton hat sich als universell brauchbar unter den meisten Decklack- bzw. Effektbasislacksystemen bewährt. Es gibt auch farbige Füller, die im Farbton an die folgenden Decklacke bzw. Basislacke angepasst sind. Damit wird die Deckfähigkeit und Farbtiefe der Deck- bzw. Effektbasislacke unterstützt und man kann deren Schichtdicke begrenzen. Diese farbliche Anpassung bedeutet natürlich einen besonderen Aufwand. Wie in der Decklackstraße müssen für die Applikationsanlagen Farbtonwechsel mit Zwischenreinigungen vorgesehen werden und es müssen entsprechende farblich getrennte Füller bevorratet und gefördert werden. Um den Aufwand zu steuern, werden natürlich an der Applikationslinie Farbton-Kampagnen gefahren. Um den gesamten Aufwand zu minimieren, gibt es in den Applikationsstraßen nicht für jeden Decklackfarbton einen eigenen Füller, sondern es gibt farbige Füller in Weiß, Grau (meistens zwei Stufen), Gelb, Rot und Schwarz, die dann für Farbtongruppen eingeplant werden. Die farbigen Füller brauchen für die Unterstützung von Deckfähigkeit und Farbtiefe nicht die gleiche Brillanz wie die Decklacke zu haben. Es werden anorganische farbige Pigmente, die ein höheres Streuvermögen haben als die meisten organischen bevorzugt. Die verschiedenen färbenden Pigmente werden bei den Decklacken behandelt (siehe Kapitel 3.6.3.4 und 5). Füllstoffe Ein besonders wichtiger Bestandteil der Pigmentierung eines Füllers sind die so genannten Füllstoffe (Extender). Ein Füllstoff ist ein pigmentähnlicher Hilfsstoff, der keine färbende Wirkung hat. Füllstoffe sind daher mehr oder weniger feinteilige Pulver anorganischer Verbindungen die nicht in organischen Lösemitteln und wässrigen Lösungen löslich sind und einen Brechungsindex haben der in der gleichen Größenordnung liegt wie der der Bindemittelmatrix des Lackfilms. Die Tabelle 3.5.1 (Seite 94) enthält die Aufzählung der wichtigsten Füllstoffe und ihrer Kennzahlen geordnet nach der Zusammensetzung. Füllstoffe sind demnach Oxide, Hydroxide und Salze (Carbonate, Sulfate, Silikate) von Erdalkalimetallen und Erdmetallen. Bei den aus natürlich vorkommenden Mineralien gewonnenen Produkten, spielt die Reinheit eine besondere Rolle. Die Produkte sollten möglichst keine färbenden Bestandteile enthalten; das können vor allem Eisen-III-Verbindungen sein. Die Produkte werden an bevorzugten Lagerstätten –meistens im Tagebau – abgebaut. Sie werden gereinigt, gemahlen und klassifiziert. Es gibt natürliches Bariumsulfat (Schwerspat), Calciumcarbonat (Calcit, Kreide) Calcium-Magnesiumcarbonat (Dolomit), verschiedenste Aluminiumsilikate (Kaolin, Glimmer, Feldspat, Wollastonit). Die mittleren Teilchengrößen dieser Produkte liegen zwischen 1 µm und 25 µm. Es gibt in den Klassen auch Produkte mit mittleren Teilchengrößen über 25 µm, die für Lacke nur in speziellen Fällen Anwendung finden. Siliciumdioxid (Kieselsäure) kommt in der Natur häufig vor, im Handel sind u. a. Füllstoffe auf Basis der Mineralien Quarz und Cristobalit. Quarze ergeben eine hohe Härte und Abriebfestigkeit. Andererseits ergeben sie Abrieb bei Mahlkörpern im Dispergierprozess. Kieselgur besteht aus der geologischen Ablagerung der Gehäuse bestimmter Kieselalgen. Die Reste der Gehäuse

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haben eine sehr komplexe Struktur, dabei sind auch Hohlräume. Kieselgur hat daher eine besonders große spezifische Oberfläche. Im Vergleich zu den anorganischen färbenden Pigmenten, haben die Füllstoffe – außer Bariumsulfat – relativ geringere Dichten. Die synthetischen Produkte werden aus wässrigen Lösungen gefällt. Je nach Bedingungen können dabei sehr kleine Teilchen erzeugt werden. Zu dieser Stoffgruppe gehören mit den gefällten und pyrogenen Siliciumdioxiden auch Produkte, die mittlere Teilchengrößen im einstelligen Nanobereich haben. Als Kieselgele bzw. kolloidale Kieselsäuren bezeichnet man Produkte, die im sauren Medium aus wässrigen Alkalisilikatlösungen gefällt werden. Diese Produkte enthalten an den Kristallgrenzen Silanol-Gruppen oder auch eingelagertes Wasser. Als gefällte Siliciumdioxide bezeichnet man Produkte, die aus wässrigen Lösungen im basischen oder neutralen Medium gefällt werden. Dabei können sehr feinteilige Produkte erzeugt werden. Pyrogene Kieselsäure wird durch Flammhydrolyse aus Siliciumtetrachlorid hergestellt. Es können dabei sehr feinteilige Produkte (Nanopartikel) erzeugt werden. Die Angaben der Tabelle beziehen sich auf die mittleren Durchmesser der Primärteilchen. Gerade die beschriebenen, sehr feinteiligen Siliciumdioxide bilden sehr leicht Aggregate und Agglomerate. Die Ölzahl [92] gibt an wie viel Leinöl erforderlich ist um 100 g eines Pigmentes oder Füllstoffes zu einer homogenen Paste anzuteigen. Die dafür erforderliche Menge ist nicht nur von der mittleren Teilchengröße abhängig, sondern auch von der Oberflächenstruktur, d.h. von der spezifischen Tabelle 3.5.1: Füllstoffe und ihre Kennzahlen Füllstoffe Bariumsulfate

Aluminiumsilikate

andere Silikate

Version

mittlere Teilchengröße [µm]

Ölzahl

natürliche



4,0 – 4,5



2–15



9 –19

gefällte



4,1– 4,5



0,7– 3,0



11–20

Kaolin



2,1–2,6



0,8 –25



30 –68

Glimmer



2,8



1,5 – 50



37–75

Feldspat



2,6 – 2,7



7– 25



20 –32

Talkum



2,7– 3,5



0,8 –25



20 –60

synthetische



1,9–2,6

0,015 – 5,0



35 –160

Wollastonit



2,85





80 –90



2,5–2,9



10 –12



15

Kreide



2,7



1,0 –10,0



15–20

Calcit



2,7



0,8 –25



15–25

Dolomit



2,7–2,9



2–25



12–22

synthetische



2,7



0,02–1,0



22–56



2,4



0,7–15





Calciumsulfat Calciumcarbonate

Dichte [g/cm³]

Aluminiumoxid

3,5 –25

Aluminiumhydroxid

Tonerdehydrat



2,1–2,4



0,1–2,2



60

Silciumdioxide

Cristobalit



2,35



3,5 –22



20 –30

Kieselgur



2,4–2,5



2–10



80 –115

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Quarz



2,6 –2,7



2–25



20 –30

Kieselgele



2,1



2–10



80 – 300

gefällte



1,9 –2,1



0,008 –10



180 – 260

pyrogene





0,007–0,2



120 – 350

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Oberfläche der Teilchen. So hat z.B. das Kieselgur mit seiner stark strukturierten Oberfläche bei ungefähr gleicher mittlerer Teilchengröße eine zehnfach höhere Ölzahl als das Bariumsulfat mit nahezu kugeligen Teilchen. Für Automobilserienfüller werden als Füllstoffe solche ausgewählt, die besonders beständig gegen Chemikalien sind, das sind Bariumsulfat, Aluminiumsilikate und Siliciumdioxid. Calciumcarbonate und Calciumsulfat, die in Säuren löslich sind, sind weniger geeignet. Die besonders feinteiligen Füllstoffe (gefällte und pyrogene Kieselsäuren) und die, die eine plättchenförmige Teilchenform haben (Kaolin, Glimmer, Talkum) beeinflussen die Rheologie des Lackmaterials. Sie werden daher – allerdings in kleineren Mengenanteilen – verwendet, um ein Absetzen der anderen Pigmente zu vermeiden und die Läufergrenze des Lacksystems anzuheben. Die Menge ist deshalb begrenzt, weil höhere Anteile dieser pigmentähnlichen Hilfsstoffe den Verarbeitungsfestkörper senken und den Verlauf beeinträchtigen würden. Auch der Glanz der Fülleroberfläche wird bei höheren Anteilen dieser Produkte erniedrigt. Früher wurden die Füllstoffe im ursprünglichen Sinne ihrer Bezeichnung preisgünstige Füll­ materialien verwendet. Dann wurde herausgefunden, dass die Kombination unterschiedlich großer Pigmentteilchen bei einer bestimmten Pigmentvolumenkonzentration maßgeblich dazu beiträgt, dass die Füllerschicht mechanische Energie aufnehmen und umwandeln kann. Es besteht die Vorstellung, dass die Stoßenergie eines Steinschlags innerhalb einer flexiblen Bindemittelmatrix durch Platzwechsel unterschiedlich großer Teilchen untereinander in Bewegungsenergie umgewandelt wird (Dissipation). Aus dieser Vorstellung ist der bereits beschriebene Vergleich zum Aufbau einer Asphaltstraße entstanden. Abbildung 3.5.11 zeigt die Verteilung von Titandioxid und Füllstoffen in einer Filmschicht. Es gibt Hinweise darauf, dass plättchenförmige Pigmente noch deutlicher zu dieser Dissipation der Stoßenergie beitragen; aber ihr Anteil der Beeinflussung anderer Eigenschaften ist begrenzt. 3.5.3.5 Lösemittel Den größeren Anteil der Lösemittel für konventionelle Füller sind mittel- bis höhersiedende aromatische Kohlenwasserstoffe (Alkylsubstituierte Aromaten der Siedebereiche 155 bis175°C und 180 bis 210°C). Isophthalsäurepolyester, Melaminharze und verkappte Polyisocyanate erfordern bestimmte

Abbildung 3.5.11: Verteilung von Titandioxid und Füllstoffen in einer Filmschicht

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Anteile polarer Lösemittel. Dazu gehören die Butanole, die üblicherweise in der Lieferform der Melaminharze enthalten sind. In Bezug auf die höheren Einbrenntemperaturen der Füller ist es von Vorteil auch höhersiedende polare Lösemittel zu verwenden, deren Verdunstungsverhalten dem der aromatischen Kohlenwasserstoffe angepasst ist. Damit wird sichergestellt, dass während der Abdunstung der Lösemittel ein ausgewogenes Verhältnis zwischen unpolaren und polaren Lösemitteln besteht. Als höhersiedenden polarere Lösemittel werden höhere Glykolether und Glykoletherester ausgewählt. Hydroxylgruppen-haltige Lösemittel, wie Butanol und die Monoether von Glykolen, wirken positiv auf die Lagerstabilität von Einbrennlacken, die Aminoharze enthalten. Denn Alkohole beeinflussen das Gleichgewicht der Vernetzungsreaktionen der Melaminharze (Covernetzung und Selbstvernetzung) in Richtung auf die Edukte. 3.5.3.6 Additive Die bereits genannten sehr feinteiligen Pigmente (kolloidale und pyrogene Lieselsäuren) kann man bereits unter die Additive rechnen. Zu dieser Produktgruppe der pigmentähnlichen Hilfsstoffe gehören auch Bentonite. Bentonit (Montmorrilonit, Al2[(OH)2/Si4O10]·nH2O)) ist ein Metasilikat mit Schichtgitter, das Alkali- und Erdalkali-Kationen einlagern kann und wasserquellbar ist. Es gibt auch Typen, die organisch modifiziert sind und dann auch in Lösemitteln quellbar sind. Alle drei genannten Stoffklassen wirken bereits in kleinen Mengen auf die Rheologie des Füllers; sie erzeugen ab einer bestimmten Konzentration einen signifikanten Anstieg der Strukturviskosität. Daher verhindern diese Additive das Absetzen von Pigmenten (z.B. des spezifisch schweren Bariumsulfat, auch bei größeren Teilchendurchmessern) und das Ablaufen des Füllers von senkrechten Flächen von der Applikation bis zur ersten Einbrennphase. Höhere Mengen solcher pigmentähnlichen Hilfsstoffe können allerdings den Applikationsfestkörper senken und einen optimalen Verlauf behindern. Es gibt auch organische Rheologieadditive. Sie wirken über ihr komplexes Löslichkeitsverhalten, sie bilden ab einer bestimmten Konzentration Gele (Strukturviskosität mit einer Fließgrenze). Das geschieht vor allem dann, wenn die molekularen Anziehungskräfte solche Moleküle stärker sind als die solvatisierende Wirkung der Lösemittelmoleküle. Dabei spielt die Art der Lösemittel natürlich eine wichtige Rolle. Es gibt organische Verdicker für polare und unpolare Lösungen und auch für wässrige Lösungen. Weil sich die rheologische Beeinflussung durch die Additive schon bei geringen Konzentrationen bemerkbar macht, wird nicht nur eine einfache molekulare Wechselwirkung angenommen. Es wird davon ausgegangen, dass die Moleküle rheologisch wirkender Additive innerhalb der Lösung mit den übrigen Molekülen eine assoziative Struktur aufbauen. Es gibt verschiedene Stoffklassen, die hier zum Einsatz kommen können (z.B. Polyurethane, alkylierte Polyether, hydriertes Ricinusöl). Für die Pigmentbenetzung – und hier vor allem bei den Pigmenten mit einer strukturierten Oberfläche oder bei sehr feinteiligen Pigmenten mit einer sehr großen Oberflächen – werden Netzmittel verwendet. Das sind tensidähnliche Verbindungen, wie z.B. Erdalkalimetallsalze organischer Monocarbonsäuren. Es ist vorstellbar, dass sich die Kationen auf der Pigmentoberfläche anordnen und die hydrophoben Säurereste eine Beziehung zu den Bindemittellösungen aufbauen. Auch hier sind die Polarität der Pigmente, der Bindemittel und die der Lösemittel ausschlaggebend für die Wahl des Additivs. Neben den Fettsäurederivaten, gibt es Sulfonate, Phosphorsäureester, Phosphatide, Polyurethane, Polyether, Polyamide und Polyacrylate mit polaren Gruppen (pigmentaffine Gruppen). Es gibt auch Pigmente und Füllstoffe, die bereits mit ähnlichen Verbindungen nachbehandelt und daher leichter dispergierbar sind. Verlaufsmittel als Additive sind oberflächenaktive Substanzen. Sie wirken dadurch, dass sie mit dem Bindemittel des Lackes in der Phase der physikalischen Trocknung partiell unverträglich werden, an die Oberfläche ausschwimmen und sich dort aufgrund ihrer eigenen niedrigen Oberflächenspannung zu einem dünnen Film spreiten. Die Grenzflächenspannung des Additivs an der Oberfläche des Films bewirkt eine Nivellierung (Verkleinerung der Oberfläche) des eigentlichen Lackfilms und damit einen

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guten Verlauf. Die wichtigsten Verbindungen sind hier Silikonöle und nichtfunktionelle Polyacrylate. Die Ausbildung eines separaten dünnen Films aus dem Additiv birgt ein Risiko. Denn eine nachfolgende Schicht soll die Oberfläche des ersten Films sehr gut benetzen und soll dann auch sehr gut darauf haften. Das ist nur dann möglich, wenn der Additivfilm von dem nachfolgend applizierten Lacksystem optimal aufgenommen wird. Das gilt besonders für eine Füllerschicht als Zwischenschicht. Auch Additive in Decklacken müssen diese Eigenschaft haben, denn es muss immer mit der Notwendigkeit einer Reparaturlackierung (Linien-Reparatur) gerechnet werden. Weil die genannten nichtfunktionellen Polyacrylate leichter aufgenommen werden als die deutlicher wirksamen Silikonöle, werden in Füllern bevorzugt solche Additive verwendet. Über den Aufbau und die Wirkung der Silikonöle wird bei den Klarlacken noch näher eingegangen (siehe Kapitel 3.8.3.7). 3.5.3.7 Formulierung Aus der Tabelle 3.5.2 ist die Zusammensetzung eines typischen OEM-Füllers gegeben [93]. Tabelle 3.5.2: Zusammensetzung eines typischen OEM-Füllers Pos.

Rohstoff

nfA m-%

Formulierung m-‰

01

Gesättigter Polyester (65 %-ig in SE 100, BDGA, Isobutanol; Xylol = 77 : 11 : 6 : 6)



99,1



152,4

02

Bariumsulfat



182,9



182,9

03

Titandioxid, Rutil



121,9



121,9

04

Ruß



0,6



0,6

05

Verdickungsmittel



4,3



7,6

06

Dispergiermittel, Sojalecithin



1,5



1,5

07

Methoxypropylacetat





30,5

08

n-Butanol





9,1

auf gewünschte Feinheit dispergieren, dann zugeben: 09

Gesättigter Polyester (65 %-ig in SE 100, BDGA, Isobutanol; Xylol = 77 : 11 : 6 : 6)



99,1



152,4

10

Verkapptes Polyisocyanat (75 %-ig SE) Isocyanurat-Trimer + Methylethylketoxim



45,8



61,0

11

Melaminharz (71 %-ig), Butanol-verethert



61,0



85,9

12

Polyacrylat (25 %-ig in Xylol)



0,5



2,1

13

Butyldiglykolacetat



36,6

14

Butylglykolacetat



30,5

15

Pineöl



24,4

16

n-Butanol



36,6

17

Xylol



64,0



1.000,0

Summe Kennzahlen (Applikation): nfA (15‘ 165 °C) Viskosität (DIN 4/23 °C)

61,2 % 25 sec

Pos. 01 + 09: Setal 1671 SS-65 (Nuplex) 02 Blanc Fixe F (Sachtleben) 03 Kronos 2059 (Kronos) 04 Printex 200 (Degussa) 05 Borchiset UZ (Borchers)

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616,7

Pos. 06: 10: 11: 12:

Nuosperse 657 (Elementis) Desmodur BL 3175 (Bayer) Setamine US 132 BB-71 (Nuplex) Modaflow (Cytec-Monsanto)

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Die Kombination aus flexibel eingestellten, gesättigtem Polyester, Melaminharz und verkapptem Polyisocyanataddukt (Mengenverhältnisse 65 : 20 :15) ergibt eine gute Steinschlagbeständigkeit. Für ein optimales Applikationsverhalten sorgt ein ausgewogenes Verhältnis zwischen niedriger siedenden unpolaren (Xylol) und polareren (n-Butanol, Isobutanol) Lösemitteln, mittleren unpolaren (Solvesso 100) und polaren (Butylglykolacetat) und höhersiedenden unpolaren (Pineöl) und polareren (Butyldiglykolacetat) Lösemitteln. Netzmittel und Antiabsetzmittel gehören natürlich in die Pigmentdispersion, das Verlaufmittel in die Auflackung. Der Füller wird auf Prüftafeln gespritzt, abgelüftet und für 15 Minuten bei 165 °C eingebrannt; es wird eine Trockenfilmschichtdicke von 35 µm erreicht. Die Erichsentiefung ist >9 mm, die Härte (Persoz) 149 s, der Steinschlagtest nach Ford erhält die Note 2.

3.5.4 Applikation Füller werden mit elektrostatischen Hochrotationsglocken (typische Durchflussmenge 240 ml/ min, bei 33.000 U/min.) appliziert. Eine pneumatische Applikation wird mit Hochleistungspistolen bei typischen Bedingungen wie 4,5 bar Druck und 350 ml/min Durchflussmenge durchgeführt. Die Bandgeschwindigkeiten liegen zwischen 2 und 10 m/min. dabei sind 4,5 m/min. typisch. Die Vorgänge sind heute hoch automatisiert. Nach einer kurzen Ablüftzone wird bei Temperaturen zwischen 160 und 170 °C über eine Zeit von 15 bis 30 Minuten eingebrannt. Nach dem Abkühlen sind nur noch selten Ausbesserungsmaßnahmen erforderlich. Vor der Decklackstraße wird üblicherweise gesäubert. Dabei wird oft so etwas Exotisches wie Straußenfedern, die auf einer Walze befestigt sind, verwendet. In Abbildung 3.5.12 ist das Segment Füller-Applikation der Linie der Serienlackierung schematisch dargestellt. Einige Automobilhersteller haben die Einbrenntemperaturen der Füller-Applikation erniedrigt; die Füller werden bei 130 bis 140 °C eingebrannt. Es gibt Melaminharze, die bei diesen Temperaturen effektiv reagieren, außerdem kann man die Aminoharzvernetzung mit geeigneten Säurekatalysatoren beschleunigen. Das gilt nur bedingt für die verkappten Polyisocyanate. Wenn die Temperaturen für die verfügbaren verkappten Polyisocyanate nicht ausreichen, können natürlich nicht die aus dem Polyisocyanatvernetzer resultierenden guten Steinschlagergebnisse erwartet werden. Es gibt andere Produkte, die die geforderte Flexibilität unterstützen können, z.B. Polyurethanelastomere. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass bisher die mit den Schichten erfolgende Abstufung der Einbrenntemperaturen durchaus sinnvoll ist. Es ist nämlich zu bedenken, dass die Füllerschicht nach dem Einbrennen noch einmal mit den Decklacken einen Einbrennvorgang erfährt. Die Forderung nach Senken der Einbrenntemperaturen bedeutet nämlich, zwei Problemfelder zu lösen. Einmal muss ein Bindemittelsystem gefunden werden, dass bei niedriger Einbrenntemperatur die gleichen Filmeigenschaften erreicht wie das bisherige Lacksystem, und es muss trotzdem ausreichend lagerstabil sein. Zum anderen dürfen die unteren Schichten, die bei geringeren Temperaturen als bisher eingebrannt wurden, sich bei den folgenden Einbrennschritten nicht so verändern, dass sie die an sie gestellten Anforderungen nicht mehr erfüllen.

Abbildung 3.5.12: Füllersegement der Serienlackierung

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3.5.5 Festkörperreiche Füller Lösemittelhaltige Einbrennfüller haben Applikationsfestkörper (nfA) von 55 bis 60 m-%. Im Vergleich zu den anderen lösemittelhaltigen Lacken liegt der schon relativ hoch. Trotzdem wurden auch bei den Füllern Maßnahmen ergriffen, den Anteil flüchtiger organischer Bestandteile (VOC) zu erniedrigen bzw. sogar ganz zu vermeiden. Eine Zwischenstufe dieser Entwicklung, die zu den Wasserfüllern und den Pulverfüllern führte, sind die festkörperreichen Füller. Dabei gelang es den Applikationsfestkörper von Einbrennfüllern auf über 65 m-% anzuheben. Diese Festkörper werden erreicht indem relativ niedrigmolekulare Polyester und HMMM-Harze als Vernetzer eingesetzt werden. Wegen ihrer Löslichkeitseigenschaften sind verkappte Polyisocyanate weniger geeignet höhere Verarbeitungsfestkörper zu erreichen. Die Filmeigenschaften der festkörperreichen Füller kommen nicht ganz an die der „normalen“ Füller heran. Das war einer der Gründe geeignete Wasserfüller zu entwickeln.

3.5.6 Wasserfüller Bei Wasserfüllern, die ungefähr einen Applikationsfestkörper von 45 m-% haben und noch etwa 6 bis 12 % Co-Lösemittel enthalten, werden signifikante Mengen flüchtiger organischer Verbindungen (VOC) eingespart. Diese Technologie ist dabei sich in Mitteleuropa, vor allem in Deutschland weitgehend durchzusetzen. Der Anteil Wasserfüller in Europa beträgt aktuell (2006) über 60 % der Mengen, in der Welt allerdings erst knapp 20 %. In den außereuropäischen Ländern werden Wasserfüller vor allem in den Transplants der europäischen (deutschen) Automobilhersteller verwendet. 3.5.6.1 Bindemittel für Wasserfüller Es ist möglich, fast alle Bindemittelgruppen für die Lackanwendungen in wässrigen Lacksyste­ men anzuwenden. Für Füller hat man daher zunächst in Analogie zu den Bestandteilen der löse­mittelhaltigen Füller wasserverdünnbare Polyester und wasserlösliche Melaminharze ausgewählt. Auch verkappte Polyisocyanate lassen sich – wenn auch indirekt – in wasserverdünnbare Lacksysteme einarbeiten. Für Wasserfüller und andere Anwendungen werden zusätzlich zu den genannten Bindemittelklassen auch Polyurethandispersionen verwendet. Wasserverdünnbare Polyester Es gibt nur wenige Polyester, die als solches wasserlöslich sind; und die haben den Nachteil auch nach der Filmbildung gegenüber Wasser empfindlich zu sein. Man wählt daher die bereits beschriebene Methode, prinzipiell hydrophobe Polyestermoleküle mit ionischen Gruppen zu versehen, die intermediär eine Wasserlöslichkeit vermitteln. Dabei entstehen kolloidale Lösungen aus relativ großen Teilchen, die an ihrer Oberfläche Ionen tragen, die Wassermoleküle assoziieren können und dabei als Trägergruppen innerhalb der wässrigen Phase wirken. Diese Trägergruppen sind Anionen, die aus Carboxylgruppen gebildet werden; es können auch Sulfonsäuren, Phosphonsäuren oder saure Phosphorsäureester zur Ausbildung anionischer Trägergruppen eingebaut werden. Die bevorzugte Dotierung mit Carboxylgruppen kann über verschiedene Reaktionen erfolgen. 1. Addition von Carbonsäureanhydriden 2. Partielle Veresterung von Polycarbonsäuren 3. Dienaddition ungesättigter Carbonsäuren Die Möglichkeiten der Dotierung von Polyestern mit Carboxylgruppen ist in den Abbildungen 3.5.13, 14 und 15 (Seite 100) dargestellt. Die freien Carboxylgruppen werden durch Neutralisation mit anorganischen oder organischen Basen in Carboxylationen überführt. Organische Basen – das sind vor allem Amine – werden bevorzugt, weil sie flüchtig sind. Die Neutralisationsreaktion ist in der Abbildung 3.5.16 (Seite 101) dargestellt.

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Abbildung 3.5.13: Addition von Säureanhydriden

Abbildung 3.5.14: Partielle Veresterung nach Anhydridaddition

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Abbildung 3.5.15: Dienaddition von Maleinsäureanhydrid

Abbildung 3.5.16: Neutralisationsreaktion

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Aufgrund der geringen Säurestärke der Carboxylgruppen ergibt bereits eine teilweise Neutralisation pH-Werte von über 7,5. Bei solchen pH-Werten kann – je nach Temperatur und Zeit – ein Teil der Estergruppen des Polyesters verseifen. Diese relativ geringe Verseifungsstabilität ist das Hauptproblem für die Verwendung von Polyesterharzen in wässrigen Lacksystemen. Durch Verseifungsreaktion können die Säuremoleküle mit den Trägergruppen abgespalten werden und die Wasserlöslichkeit kann dann verloren gehen. Verseifungsreaktionen bauen die mittleren Molmassen der Polyester ab und erhöhen die Anzahl der Carboxylgruppen (Säurezahlen). Beides kann die effektive Filmbildung beieinträchtigen. Es gibt zwar eine ganze Reihe von Bindemitteln die besser verseifungsbeständig sind als Polyester, aber man will – besonders im Bereich der Füller und Basislacke auf die prinzipiellen Vorteile der Polyester nicht verzichten. Es sind daher verschiedene Methoden erarbeitet worden, die Verseifungsstabilität von Polyestern zu verbessern. Zunächst unterscheiden sich die aus den Polycarbonsäureanhydriden gebildeten Halbester (βHydroxycarbonsäureester) deutlich in ihrer Verseifungstabilität. Die folgende Auflistung der für eine Addition infrage kommenden Anhydride ist nach ihrer Verseifungsstabilität geordnet, die Stabilität steigt innerhalb der Reihe an: • Phthalsäureanhydrid • Trimellithsäureanhydrid • Maleinsäureanhydrid • Tetrahydrophthalsäureanhydrid • Hexahydrophthalsäureanhydrid • Bernsteinsäureanhydrid Eine bessere Verseifungsbeständigkeit – im Sinne des Einflusses auf die Lagerstabilität und die Lackeigenschaften – erhält man, wenn man Trimellithsäureanhydrid nach der Anhydridaddition weiter verestert bis statistisch gesehen noch eine weitere Carboxylgruppe verestert ist und nur noch eine Carboxylgruppe frei bleibt (siehe Abbildung 3.5.14). Das Verfahren [94] hat zuerst den Vorteil, dass die Gesamtzahl der Carboxylgruppen – bei gleicher Säurezahl – breiter über die Polyestermoleküle verteilt ist. Wenn dann Verseifungsreaktionen ablaufen, müssen zwei Estergruppen hydrolisiert werden, bis die Trimellithsäure als Träger einer ionischen Gruppe abgespalten wird und damit die Wasserverdünnbarkeit beeinträchtigt wird. Auch die Polycarbonsäuren, die die Kette des Polyesters aufbauen unterscheiden sich in der Verseifungsstabilität. Die folgende Aufzählung ist wiederum nach steigender Stabilität geordnet: • Phthalsäureanhydrid • Tetrahydrophthalsäureanhydrid • Adipinsäure • Hexahydrophthalsäureanhydrid • Isophthalsäure • Terephthalsäure • Dimerfettsäuren Auch für die Diole als Polyesterbausteine lässt sich eine solche Reihenfolge aufstellen: Diole mit längeren aliphatischen Ketten, aber besonders die mit aliphatischen Seitenketten sind besser verseifungsstabil als z.B. kurzkettige Diole und Polyethylenglykole. Einen weiteren Einfluss auf die Verseifungsstabilität übt das Co-Lösemittel aus. Die Co-Lösemittel sind zunächst dazu da, die Polyestermoleküle durch die Ausbildung von Solvaten so aufzufluten, dass die ionischen Gruppen sich möglichst effektiv an der Oberfläche von kolloidalen Teilchen anordnen können und mit Wassermolekülen Solvate bilden um ihre Rolle als Trägergruppen in der Wasserphase wahrzunehmen. Es besteht dann ein Gleichgewicht zwischen den Anteilen des Co-Lösemittels in der kolloidalen Phase und denen in der Wasserphase. Wenn relativ größere Anteile des Co-Lösemittels in den kolloidalen Teilchen sind, schirmen die die Polyesterketten

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von Wasser als Verseifungsagenz ab, die Moleküle bleiben stabil. Als optimales Co-Lösemittel unter diesen Aspekten hat sich Butylglykol (Ethylenglykolmonobutylether) erwiesen. Man kann sogar auch Lösemittel wählen, die gar nicht mehr wasserverträglich sind, aber nur in kleineren Mengen, weil solchen Lösemitteln die Vermittlerrolle zur Wasserphase fehlt. Auch der Typ und der Mengenanteil des Neutralisationsmittels haben Einfluss auf die Verseifungsstabilität. Gebräuchliche Neutralisationsmittel sind: N,N-Dimethylethanolamin (DMEA), Diisopropanolamin (DIPA), Triethylamin (TEA), Aminomethylpropanol (AMP) und Ammoniak. Wässrige, Co-Lösemittel enthaltende Polyesterlösungen zeigen beim Verdünnen mit Wasser oft eine deutliche Viskositätsanomalie. Beim Verdünnen steigt die Viskosität nämlich zunächst an, um dann – bei weiterer Zugabe von Wasser – deutlich auf sehr kleine Werte abzufallen. Man nennt diese Erscheinung „Wasserberg“. Der Vorgang ist reversibel, so dass angenommen wird, dass es sich nicht um einen Inversionsprozess handelt. Der Wasserberg der Viskosität erschwert den Herstellprozess eines wässrigen Lackes. Er kann sich auch bei der Filmbildung negativ auf den Verlauf auswirken, wenn nämlich das Wasser verdunstet und der Festkörper entsprechend ansteigt. Die Lage und Größe der Viskositätsanomalie wird beeinflusst durch die molekularen Bausteine des Polyesters, den Typ des Neutralisationsmittels, den Neutralisationsgrad und durch den Typ und die Menge des Co-Lösemittels. Wasserverdünnbare Melaminharze Die Melaminharze, die Methanol als Veretherungsalkohol enthalten, sind mehr oder weniger gut wasserlöslich. Dazu gehören die HMMM-Harze und reaktivere Imino-Typen. Die Kombination wasserverdünnbarer Polyester mit solchen Melaminharzen mildert die Viskositätsanomalie. Die Vernetzungsgeschwindigkeit der HMMM-Harze wird auch in wässrigen Lacken durch Säuren erhöht. Es werden dazu Aminsalze von Sulfonsäuren, die natürlich wasserlöslich sind, verwendet. Verkappte Polyisocyanate Verkappte Polyisocyanate lassen sich nur schwer mit Carboxylgruppen dotieren und sind selbst, wenn das gelingt, nicht optimal in die wässrige Phase zu überführen. Es gibt eine Möglichkeit, verkappte Polyisocyanate auch ohne eigene Trägergruppen in die wässrige Phase zu überführen. Wenn eine organische Lösung eines wasserverdünnbaren Polyesters mit verkappten Polyiso­cyanaten in geeigneten Lösemitteln vorgemischt wird, kann man sie gemeinsam nach mindestens partieller Neutralisation der Carboxylgruppen des Polyesters in eine wässrige Form überführen. Der wasserverdünnbare Polyester ist dann das Trägerbindemittel für solche verkappten Polyisocyanate. Eine noch effizientere Möglichkeit besteht darin, Polyisocyanate nur teilweise zu verkappen und dann über eine Reaktion der restlichen Isocyanatgruppen mit Hydroxylgruppen in einen wasserverdünnbaren Polyester einzubauen. Polyurethane Eine gibt eine andere Möglichkeit, Bestandteile mit Elastomercharakter in einen Wasserfüller einzubauen: durch Zugabe wässriger Polyurethandispersionen. Wässrige Polyurethandispersionen werden aus Hydroxylgruppen tragenden Weichsegmenten (Polyester, Polyether), Diisocyanaten und Hydroxycarbonsäure, die später die ionische Trägergruppe ausbildet und so genannten Kettenverlängerungsmitteln, das sind primäre oder sekundäre Polyamine auch Polyole, hergestellt. Es lassen sich je nach den molaren Verhältnissen unterschiedlich große Moleküle herstellen. Wenn Polyole in einem gewissen Überschuss verwendet werden, entstehen relativ niedrig molekulare Polyurethane, die mit end- auch seitenständigen Hydroxylgruppen dotiert sind, die an Vernetzungsreaktionen mit Melaminharzen teilhaben können. Genauso kann man vor der so genannten Kettenverlängerung die freien Isocyanatgruppen des Präpolymers mit Verkappungsmitteln umsetzen. Man erhält – wenn auch nur geringe Anteile – an potentiellen

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Isocyanatgruppen für eine Vernetzung mit Hydroxylgruppen. Die hier angeführten Beispiele zum Wasserfüller enthalten solche Polyurethane. Die Polyurethane sind ebenfalls wichtige Bindemittel für wässrige Basislacke, sie werden dort weiter beschrieben (siehe Kapitel 3.7.5) 3.5.6.2 Formulierungen Das ausgewählte Beispiel für einen Wasserfüller [95] enthält als Bindemittel einen wasserverdünnbaren Polyester, eine Polyurethandispersion und ein Melaminharz. Die Pigmentierung von Wasserfüllern ist mit der von lösemittelhaltigen Füllern zu vergleichen. Im Beispiel besteht sie aus Titandioxid, Ruß, Bariumsulfat und Talkum Der wasserverdünnbare Polyester [96] besteht aus Isophthalsäure, einer dimeren Fettsäure (Trimeranteil 18 %), Trimellithsäureanhydrid, Hexandiol-1,6 und enthält als Modifikation einen Anteil eines Addukts aus zwei Mol Epoxidharz (EEW 185) und einer Dimerfettsäure (Trimeranteil < 2 %). Die Zusammensetzung des Polyesters ist in der Tabelle 3.5.3 dargestellt. Der Polyester ist aufgrund der Anteile an relativ hydrophoben Bausteinen relativ gut verseifungsbeständig und auch flexibel. Das Weichsegment der Polyurethandispersion [97] ist ein Polyester aus zwei Molen Hexandiol1,6; einem Mol Neopentylglykol und zwei Mol Adipinsäure (Säurezahl