Auto-Identitäten: Marketing, Konsum und Produktbilder des Automobils nach dem Boom [1 ed.] 9783666370700, 9783525370704

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Auto-Identitäten: Marketing, Konsum und Produktbilder des Automobils nach dem Boom [1 ed.]
 9783666370700, 9783525370704

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Ingo Köhler

Auto-Identitäten Marketing, Konsum und Produktbilder des Automobils nach dem Boom

Nach dem Boom Herausgegeben von Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael

Ingo Köhler

Auto-Identitäten Marketing, Konsum und Produktbilder des Automobils nach dem Boom

Mit 37 Abbildungen und 31 Tabellen

Vandenhoeck & Ruprecht

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein. Der Autor dankt der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die großzügige Förderung des Forschungsprojekts. Dieses Buch basiert auf seiner von der Georg-August-Universität Göttingen angenommenen Habilitationsschrift.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Das Cover-Bild ›Identity Car(d)‹ wurde freundlicherweise vom BMW Group Archiv zur Verfügung gestellt. Es basiert auf einer BMW-Werbung aus dem Jahr 1974. Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2566-7246 ISBN 978-3-666-37070-0

Für Jutta

Inhalt

I.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Fragestellung und Erkenntnisinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Forschungsstand und Interpretationsangebote . . . . . . . . . . . . 24 Quellen und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

II.

Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes 41 1. Auf gutem Weg: Die Anfänge der Automobilisierung vor 1965 . . 42 1.1 Noch keine Selbstverständlichkeit: Die Nachfrage . . . . . . 42 1.2 Produktionsorientierung: Das Angebot . . . . . . . . . . . . 49 2. Die Stabilität ist dahin: Strukturwandel und Krisen 1966–1982 61 2.1 Neue Hypotheken: Bretton-Woods und die Ölpreiskrise . . 61 2.2 Wirtschaftspolitische Ratlosigkeit: Stagflation und Globalsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2.3 Automarkt im Wandel: Branchenzyklen . . . . . . . . . . . 69 2.4 Das verstopfte Exportventil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2.5 Autokauf als Kostenfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2.6 Erst- und Ersatzkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

III. Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten 103

1. Autofahrer-Ideale: Die Konsumdemokratie der 1960er Jahre . . 104 1.1 Automobilisierung als Gesellschaftsprojekt . . . . . . . . . . 104 1.2 Wetterschutz und Luxusgut: Die anlaufende Motorisierung 112 1.3 Aufsteigereffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1.4 Größer, schneller, komfortabler: Produktkonfiguration . . . 124 1.5 Alltags- und Freizeitwelten der Auto-Mobilität . . . . . . . . 130 2. Die öffentliche Autokrise: Individualverkehr und kollektive Befürchtungen in den 1970er Jahren . . . . . . . . . . 141 2.1 Verkehrssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2.2 Die Umweltfrage: Lärm, Abgas und Verbrauch . . . . . . . . 154 2.3 Auto, Auto über alles: Verbraucherschutz und Autofetisch . . 172 2.4 Von der Konsum- zur Marketingkritik . . . . . . . . . . . . 181 IV. Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung . . . . 189

1. Rudimentäre Anfänge. Marktforschung in Zeiten des Booms . . 190

8

Inhalt

2. Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren . . . . . 196 2.1 Bedarfsstrukturen: Marktsättigung im Sucher . . . . . . . . 199 2.2 Sozialstatistische Vermessung, oder: Wer kauft was? . . . . 202 2.2.1 Vorbesitz und Käuferbewegungen . . . . . . . . . . . . 203 2.2.2 Soziodemographische Käufertypologien . . . . . . . . 210 2.3 Die Vermessung des Images, oder: Wer kauft warum? . . . . 216 2.3.1 Die Pkw-Persönlichkeit: Frühe Motivstudien . . . . . 218 2.3.2 Image-Euphorie: Konsumentenorientierte Marktmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2.3.3 Image und Marketingmanagement . . . . . . . . . . . 244 3. Marktforschung und die Umbrüche der 1970er Jahre . . . . . . 252 3.1 Die Ölpreiskrise im Spiegel der Marktdaten . . . . . . . . . . 254 3.2 Imagekrise(n) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 3.3 Diagnose Wertewandel: Lebensstil als Markt- und Gesellschaftsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 V.

Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing . . . . . . . 297 1. Angebotspolitik: Ein Auto für jeden Geschmack . . . . . . . . . 299 1.1 Sortimentsentwicklung: Eine Übersicht . . . . . . . . . . . . 300 1.2 Vom »Small Car Blues« zum Vollsortiment . . . . . . . . . . 307 1.2.1 Produktstrategien in der Kleinwagenkrise, 1970–1974 312 1.2.2 Das schnelle Ende der Bescheidenheit: Produktaufwertungen 1975–1982 . . . . . . . . . . . . 322 2. Sortimentspflege: Modelllaufzeiten und Facelifts . . . . . . . . . 324 3. Sicher, sauber, sparsam, schnell: Zielkonflikte der Produktgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 3.1 Neue Anforderungen, neue Entwicklungsschwerpunkte . . 331 3.2 Verbrauchsreduzierung: Entgiftung oder Sicherheit? . . . . 337 3.3 Disharmonien der Bauvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . 340 3.4 Kongruenzen im Pkw-Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 4. Preispolitik und Konditionenwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . 347 4.1 Konzertierte Preisstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 4.2 Kaufkonditionen als situatives Marketinginstrument . . . . 357

VI. Unternehmenskommunikation:

Konsumenten- und Umfeldansprache . . . . . . . . . . . . . . . . . 367

1. Werbung im Wandel: Von der Kundenlenkung zur Imageanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 1.1 Werbeaufwand und Medienauswahl . . . . . . . . . . . . . . 370 1.2 Leistung und Prestige: Werbetrends der 1960er Jahre . . . . 377

9

Inhalt

1.3 Rationalisierung der Unvernunft: Autowerbung der 1970er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 1.3.1 Wirtschaftlichkeit als Produktbotschaft . . . . . . . . 395 1.3.2 Nutz und Lust: Die Rationalisierung der Emotionen . . 399 1.3.3 Identität und Lifestyle: Neue Wege der Zielgruppenansprache . . . . . . . . . . . . . . . . 404 1.3.4 Technik und Fortschritt: Garanten der Vernunft . . . 409 2. Öffentlichkeitskommunikation: Die Sanierung des Firmenimages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 2.1 Champagnerjournalismus: Öffentlichkeitsarbeit in den 1960er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 2.2 Von der Krisen-PR zur Vertrauenswerbung in den 1970er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 2.2.1 Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 2.2.2 Zurück zum Konsens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 VII. Organisationswandel: Vom Krisenstab zum Marketingmanagement

451

1. Marketing als Governance und Organisationsmodell . . . . . . . 452 2. Dialog und Konfrontation: Die Manager und der Organisationswandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 VIII. Identity Car(d). Eine Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . 471

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 1. Archivalische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 2. Gedruckte Quellen und Periodika . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 3. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544

I. Einleitung

Die Automobilindustrie war eine der Schlüsselbranchen für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg der Bundesrepublik nach 1945. In den 1950er und 1960er Jahren schrieb sie eine dynamische Erfolgsgeschichte. Auf den Grundfesten der fordistischen Massenfertigung generierten stabile Wachstumsraten in Produktion und Absatz, eine starke Exportorientierung und rasch anwachsende Beschäftigtenzahlen positive Kopplungseffekte auf zahlreichen angrenzenden Wirtschaftsbereichen. Die Automobilindustrie übernahm im Rostow’schen Sinne klassische Funktionen eines wirtschaftlichen Leitsektors.1 Noch heute gilt sie als unverzichtbares Kernstück der deutschen Industriestruktur. Die Führungsrolle war nicht auf den ökonomischen Bereich begrenzt. In den Jahren des sog. Wirtschaftswunders avancierte Automobilität zum vielleicht wichtigsten soziokulturellen Leitbild. Der private Pkw – allen voran der millionenfach verkaufte VW Käfer – symbolisierte Wohlstand und Fortschritt, weckte Hoffnungen auf soziale Teilhabe und eine Steigerung der Lebensqualität. Individuelle Mobilität wurde zum Signum einer sich modernisierenden Gesellschaft.2 Wie aber schrieb sich diese Erfolgsgeschichte »nach dem Boom«3 fort?

Fragestellung und Erkenntnisinteresse Diese Studie nutzt die duale Leitfunktion des Automobils, um aufzuzeigen, dass sich der Wandel von Unternehmen und ihren Umwelten, von Ökonomie und Gesellschaft in nicht voneinander zu trennenden Prozessen vollzieht. Die Herstellung des Produkts bedarf der Reflexion sich verändernder Aneignungsprak1 Die Automobilindustrie war 1952 anteilig mit 1,7 Prozent, 1960 mit rund 5 Prozent, 1968 schließlich mit 8,9 Prozent am Bruttoinlandsprodukt beteiligt. Vgl. Werner Abelshauser, Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, München 2004, S. 374–378. Zum Begriff Leitsektor vgl. Walt W. Rostow, The Process of Economic Growth, New York 1962; ders., The Economics of Take-Off into Sustained Growth, London 1963, S. 1–21. 2 Siehe Thomas Krämer-Badoni / Herbert Grymer / Marianne Rodenstein, Zur sozio-ökonomischen Bedeutung des Automobils, Frankfurt / M. 1971, S. 52; Arne Andersen / Uwe Kiupel, Die Entwicklung des Automobils. Ablehnung und Faszination, in: Geschichte lernen 4, 1988, S. 41–44; Wolfgang Ruppert, Das Auto – ›Herrschaft über Raum und Zeit‹, in: ders. (Hrsg.), Fahrrad, Auto, Fernsehschrank. Zur Kulturgeschichte der Alltagsdinge, Frankfurt / M. 1993, S. 119–161. Kurz zusammenfassend Uwe Fraunholz, Motorphobia. Antiautomobiler Protest in Kaiserreich und Weimarer Republik, Göttingen 2002, S. 11 f. 3 Anselm Doering-Manteuffel, Nach dem Boom. Brüche und Kontinuitäten. Industrie­ moderne seit 1970, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 55, 2007, Nr. 4, S. 559–581.

12

Einleitung

tiken der Konsumenten. Geschäftsstrategien müssen sich an Konsummustern anpassen. Wie aber gestaltete sich die Interaktion zwischen Unternehmen und Konsumenten? Wie nahmen die Produzenten Gesellschaftswandel wahr und wie wandelte sich die öffentliche Wahrnehmung des Automobils und ihrer Hersteller? Anlässe zu der Grundannahme, dass sich die Rahmenbedingungen sozialen, politischen und unternehmerischen Handelns seit den 1960er Jahren veränderten, gibt es ausreichend. So mangelt es der bisherigen Forschung nicht an Diagnosen des Wandels, oft aber an deren validen historisch-empirischen Überprüfung.4 Die 1970er Jahre gelten als Umbruchzeit, schwankend zwischen ökonomischsozialen Strukturproblemen und Erneuerungstendenzen, politisch-kultureller Krisenrhetorik und Aufbruchsstimmung.5 Aus ökonomischer Sicht stehen sie für ein Auslaufen der Sonderbedingungen in der Rekonstruktionsphase des wirtschaftlichen Wiederaufbaus. Spätestens die Ölpreiskrise 1973/74 wird – begleitet von der Destabilisierung der Weltwährungssysteme – als Markstein für das Ende des ›Wirtschaftswunders‹ und als Wendepunkt in eine neue Phase der Unsicherheit gewertet.6 Externe makroökonomische Schocks kennzeichnen den Zeitabschnitt ebenso wie die Rückkehr von Arbeitslosigkeit und Stagnation in die Erfahrungswelt der Zeitgenossen. Gleichzeitig verengten sich die bis dahin stets wachsenden Konsummärkte von innen heraus. Erste Sättigungstendenzen bremsten die Dynamik des nachholenden Nachkriegsbooms. Die Verkäufermärkte wandelten sich zu reifen, wettbewerbsintensiven Käufermärkten.7 Ökonomische, soziale und kulturelle Wandlungsprozesse überlagerten sich. Die gesellschaftlichen Schichtungen begannen aufzubrechen. Neue Milieus und Lebensstilgruppierungen formierten sich. Individualisierung, Differenzierung und Pluralisierung zählen für die zeithistorische Forschung zu den zentralen Kennzeichen der Dekade. Sie adaptiert damit die in den 1970er und 1980er Jah4 Zum Problem der sich mit unterschiedlichen Tempi vollziehenden Wandlungsprozesse: ders. / Lutz Raphael, Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, 2. Aufl., Göttingen 2010, S. 15. 5 Vgl. Konrad Jarausch, Krise oder Aufbruch? Historische Annäherungen an die 1970er Jahre, in: Zeithistorische Forschungen / Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe 3, 2006, 3, S. 1–5; ders. (Hrsg.), Das Ende der Zuversicht? Die siebziger Jahre als Geschichte, Göttingen 2008; Thomas Raithel / Andreas Rödder / Andreas Wirsching (Hrsg.), Auf dem Weg in eine neue Moderne? Die Bundesrepublik Deutschland in den siebziger und achtziger Jahren, München 2009. 6 Gérard Bökenkamp, Das Ende des Wirtschaftswunders. Geschichte der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Bundesrepublik 1969–1988, Stuttgart 2010; Charles S. Maier, Two Sorts of Crisis? The ›Long‹ 1970s in the West and the East, in: Hans Günter Hockerts (Hrsg.), Koordinaten deutscher Geschichte in der Epoche des Ost-West-Konfliktes, München 2004, S. 49–62; Knut Borchardt, Zäsuren in der wirtschaftlichen Entwicklung. Zwei, drei oder vier Perioden, in: Martin Broszat (Hrsg.), Zäsuren nach 1945. Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte, München 1990, S. 21–33. 7 Vgl. Hermann Sabel, Absatzstrategien deutscher Unternehmen seit 1945, in: Hans Pohl (Hrsg.), Absatzstrategien deutscher Unternehmen. Gestern – Heute – Morgen, Wiesbaden 1982, S. 53.

Einleitung

13

ren entworfenen Kernthesen einer »Risikogesellschaft«8 von Ulrich Beck, einer »Erlebnisgesellschaft«9 von Gerhard Schulze, vor allem aber des von Ronald Inglehart plakativ als »Silent Revolution«10 umschriebenen Wertewandel. Diese Theoreme dienen als Werkzeuge, um Brüche und Persistenzen in der bundesrepublikanischen Gesellschaft zu analysieren. Umso stärker postmaterielle »Selbstentfaltungswerte«11 in den Vordergrund traten, desto deutlicher wandelten sich die Lebens-, Arbeits- und Konsumformen, lautet bislang das Urteil. Dieses Buch macht es sich zur Aufgabe, die gängigen Forschungsnarrative des ökonomischen Struktur- und kulturellen Wertewandels zu verknüpfen und diese in ihrer Wechselwirkung zu untersuchen. Hierzu wird ein primär unternehmenshistorischer Zugang gewählt, der durch Elemente der Marketing-, Produkt- und Konsumgeschichte erweitert wird. Als Schlüssel, um sich ein Bild über die komplexen Transformationsprozesse der Unternehmen-Umfeld-Interaktion zu machen, nutzt die Studie die Marketinggeschichte, d. h. genauer die Genese sozialtechnischer Managementmethoden. Um die Charakteristika der Strukturbrüche der 1970er Jahre auf der Mikroebene zu analysieren, fragt sie, wie die Markt- und Gesellschaftsveränderungen in den Firmen rezipiert und mit welchen Mitteln sie beobachtet wurden. Zu welchen Schlüssen kamen ihre Analysen und Prognosen? Die Annahme lautet, dass die Krisen zu einer nachweisbaren »Vertiefung des Verständnisses für die Interdependenz zwischen Unternehmen und ihrer Umwelt«12 geführt haben. So wird der Unternehmerblick zum Hilfsmittel, um Rückschlüsse auf die Form und Intensität des Wandels in Wirtschaft, Sozialstruktur, Kultur und Politik zu ziehen. Der Ansatz, unternehmerische Umfeldwahrnehmungen als Spiegel gesellschaftlicher Wandlungsprozesse zu nutzen, ist neu. Indem die Studie soziokul8 Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt / M. 1986; ders., Jenseits von Stand und Klasse, in: ders. / Elisabeth Beck-Gernsheim (Hrsg.), Riskante Freiheiten. Individualisierung in modernen Gesellschaften, Frankfurt / M. 2002, S. 43–60. 9 Gerhard Schulze, Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart, 2. Aufl., Frankfurt / M. 1992; Thomas Schnierer, Von der kompetitiven Gesellschaft zur Erlebnisgesellschaft. Der ›Fahrstuhl-Effekt‹, die subjektive Relevanz der sozialen Ungleichheit und die Ventilfunktion des Wertewandels, in: Zeitschrift für Soziologie 25, 1996, Heft 1, S. 71–82. 10 Ronald Inglehart, The Silent Revolution in Europe. Intergenerational Change in PostIndustrial Societies, in: The American Political Science Review 65, 1971, S. 991–1017; ders., Wertwandel in den westlichen Gesellschaften. Politische Konsequenzen von materialistischen und postmaterialistischen Prioritäten, in: Helmut Klages / Peter Kmieciak (Hrsg.), Wertwandel und gesellschaftlicher Wandel, Frankfurt / M. 1979, S. 284–293; auch Markus Klein, Wieviel Platz bleibt im Prokrustesbett? Wertewandel in der Bundesrepublik zwischen 1973 und 1992 gemessen anhand des Inglehart-Index, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 47, 1995, S. 207–230. 11 Helmut Klages, Wertorientierungen im Wandel. Rückblick, Gegenwartsanalyse, Prognosen, Frankfurt / New York 1984. 12 Heinz Hartmann, Gutachten, in: Booz Allen and Hamilton (Hrsg.), Herausforderungen des deutschen Managements und ihre Bewältigung, Göttingen 1973, S. 105.

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Einleitung

turelle Variablen als verhaltens- und strukturbestimmend für die Unternehmensentwicklung wertet, versteht sie sich als Beitrag einer »Unternehmensgeschichte als Gesellschaftsgeschichte.«13 Sie plädiert dafür, unternehmenshistorische Perspektiven stärker in die Analyse kultur- und gesellschaftsgeschichtlicher Problemkomplexe einzubeziehen. Denn gerade die multiplen Umbruchszenarien der 1970er Jahre sind ohne interdisziplinäre Forschungszugänge kaum in ihrer ganzen Wirkungsbreite zu erschließen. »Bridging the gap between economic and cultural inquiry appears as one of the most challenging problems of present and future research«14, hebt jüngst Alexander Nützenadel hervor. Dabei sieht er diese Aufgabe besonders für die noch stockende Aufarbeitung der bundesrepublikanischen Geschichte geboten. Obwohl die moderne betriebs- und sozialwissenschaftliche Forschung die soziale embeddedness15 unternehmerischen Handelns betont, ist die Einbeziehung der Unternehmer in die Wertedebatten der 1970er Jahre bislang historisch kaum thematisiert. Um in diese Lücke zu stoßen, wählt die Studie das Forschungsdesign einer Branchenanalyse, wobei sich der Autor über alle Risiken der historischen Spezifität und Vergleichbarkeit im Klaren ist. Dennoch erscheint es schlüssig, die Automobilindustrie als Untersuchungsgegenstand zu wählen, um die Beziehungen des sozialen Systems Unternehmen zu seinem Umfeld exemplarisch zu problematisieren.16 Zum einen handelt es sich beim Automobil um eines der symbolisch am stärksten aufgeladenen Konsumgüter der Moderne, dessen massenhafter Gebrauch tiefe Spuren in der Alltagswelt und nicht zuletzt in der ökologischen Umwelt hinterlässt. Zum anderen zählt die Pkw-Industrie zu den Branchen, die am direktesten von den Wirkungen der Energiepreiskrisen betroffen waren. Sie bietet trotz der räumlichen Begrenzung des brancheninternen Vergleichs auf einen nationalen Markt- und Kulturraum ein recht heterogenes Set von Unternehmen. Während die Oberklassenanbieter Daimler-Benz AG und die Bayerischen Motoren Werke AG mit teuren Qualitätsprodukten traditionell auf zahlungskräftige Geschäfts- und Privatkunden setzten, prägten daneben Volumenstrategien den Aufschwung der deutschen Automobilindustrie nach 1945 – sei es in der klassischen Form des Fordismus bei der Volkswagen AG oder in der differenzierteren Variante des Sloanismus bei der Adam Opel AG und der 13 Hartmut Berghoff, Zwischen Kleinstadt und Weltmarkt. Hohner und die Harmonika 1857–1961. Unternehmensgeschichte als Gesellschaftsgeschichte, 2. Aufl., Paderborn 2006, S. 13–15. 14 Alexander Nützenadel, Consumerism, Material Culture and Economic Reconstruction in Cold War Germany, in: Journal of Contemporary History 42, 2007, S. 388; Hartmut Berghoff / Jakob Vogel, Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte. Ansätze zur Bergung transdisziplinärer Synergiepotentiale, in: dies. (Hrsg.), Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte. Dimensionen eines Perspektivwechsels, Frankfurt / M. 2004, S. 9–41. 15 Vgl. Mark Granovetter, Economic Action and Social Structure. The Problem of Embedded­ ness, in: American Journal of Sociology 91, 1985, S. 481–510. 16 Vgl. Werner Plumpe, Das Unternehmen als soziale Organisation. Thesen zu einer erneuerten historischen Unternehmensforschung, in: Akkumulation 11, 1998, S. 1–11.

Einleitung

15

Ford-Werke AG.17 Trotz unterschiedlicher Firmenkulturen, Produktionsmodelle und Zielgruppen einte die Spezial- und Massenanbieter seit den 1960er Jahren die Erfahrung eines sich verschärfenden Konkurrenzkampfes sowie die Herausforderungen einer kombinierten Konjunktur-, Struktur- und Leitbildkrise. Einen besonderen Reiz für die Untersuchung bildet, dass es die Automobilindustrie erlaubt, nationale Marktentwicklungen in ihren transnationalen Bezügen in den Blick zu nehmen. So ist es ein besonderes Merkmal der Branche, dass sich hinter dem im Folgenden genutzten, eingebürgerten Sammelbegriff ›deutsche Automobilindustrie‹ mit Ford und Opel zwei Tochtergesellschaften amerikanischer Großkonzerne verbergen. Gerade im Hinblick auf die Implementierung von konsumenten- und umfeldorientierten Marketingstrategien lässt sich daher thematisieren, ob diese Firmen von den Erfahrungen ihrer Muttergesellschaften auf dem reiferen US -Automobilmarkt profitierten; über welche Kanäle das Know-how zur Bearbeitung von hoch differenzierten Massenmärkten vermittelt wurde. Es lassen sich auf einer sektoralen Vergleichsfolie somit Anknüpfungspunkte zur These der »Amerikanisierung« der deutschen Industrie herstellen und zugleich Fragen des transnationalen Ideen- und Wissenstransfers in multinationalen Korporationen aufgreifen.18 Die Studie geht chronologisch-systematisch vor. Sie setzt bei der Entwicklung der Automobilbranche und des Automobilismus seit den späten 1950er Jahren an. Hiermit wird der jüngst von Anselm Doering-Manteuffel betonte Anspruch eingelöst, sich zunächst mit den Fundamenten der frühen Bundesrepublik auseinanderzusetzen. Nur auf dieser Basis ist es möglich, sich reflektiert mit Kontinuitäten und Diskontinuitäten zwischen Boom- und Krisenzeiten zu beschäftigen.19 Die Ausgangsthese lautet, dass sich in den Anfangsjahren der westdeutschen Massenmotorisierung ein stabiles automobiles Leitbild herauskristallisierte. 17 Vgl. Robert Boyer / Michsel Freyssenet, Produktionsmodelle. Eine Typologie am Beispiel der Automobilindustrie, Berlin 2003, S. 40 u. 84–86; James P. Womack / Daniel T. Jones / Daniel Roos, Die zweite Revolution in der Autoindustrie. Konsequenzen aus der weltweiten Studie aus dem Massachusetts Institute of Technology, 5. Aufl., Frankfurt / New York 1992, S. 50 f. Zu historischen Wurzeln von Fordismus und Sloanismus: Hartmut Berghoff, Moderne Unternehmensgeschichte. Eine themen- und theorieorientierte Einführung, Paderborn u. a. 2004, S. 293–301. Die untersuchten Firmen werden in der weiteren Folge mit ihren gängigen Kurznamen BMW, Opel, Ford und VW bezeichnet. Bei Daimler-Benz ist zwischen dem Unternehmens- und dem Markennamen Mercedes-Benz zu unterscheiden. Seit Übernahme der Auto Union GmbH 1964 – und ihrer Verschmelzung mit der NSU Motorenwerke AG 1969 – zählte auch die Marke Audi zum Volkswagen-Konzern. 18 Vgl. Paul Erker, ›Amerikanisierung‹ der westdeutschen Wirtschaft? Stand und Perspektiven der Forschung, in: Konrad Jarausch / Hannes Siegrist (Hrsg.), Amerikanisierung und Sowjetisierung in Deutschland 1945–1970, Frankfurt / New York 1997, S. 137–145; Harm G. Schröter, Economic Culture and its Transfer. An Overview of the Americanisation of the European Economy, 1900–2005, in: European Review of History / Revue Européenne d’Histoire 15, 2008, S. 331–344. 19 Vgl. Doering-Manteuffel, Boom, S. 562.

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Hierin drückte sich eine breite öffentliche Übereinstimmung über die Vorzüge des Individualverkehrs aus. Dietmar Klenke urteilt, dass sich die Automotorisierung nahtlos in das ordnungs- und gesellschaftspolitische Programm der jungen Bonner Republik einbinden ließ, die auf eine Demokratisierung durch Wohlstand und Konsum setzte.20 Der stringent Pkw-freundliche, auf Kooperation mit der Industrie angelegte Kurs der Regierung steht damit sinnbildlich für ein Wiederaufleben der korporatistischen deutschen Tradition. Im wirtschaftlichen Aufschwung zeigte sich ein eigendynamischer Prozess der Zunahme von Produktion, Konsum und Beschäftigung. Etwaige Konflikte ließen sich angesichts der »historisch beispiellosen Wohlstandsmehrung«21 leicht sozialpartnerschaftlich entschärfen.22 Mit der hohen gesellschaftlichen Akzeptanz des Automobils kombinierten sich eine stabile Konjunkturlage, vorteilhafte terms of trade und eine günstige Kosten-Produktivitäts-Relation zu nahezu idealen Wachstumsbedingungen. Der wenig umkämpfte, nahezu brachliegende Automobilmarkt bot genügend Expansionsspielräume für alle Anbieter.23 Es ist noch zu untersuchen, durch welche strukturellen Faktoren die Nachfrageentwicklung seit den 1960er Jahren determiniert wurde. Dies schließt einerseits den grundlegenden Prozess der sozioökonomischen Diffusion ein, in dessen Zuge sich das Automobil abhängig von der Einkommensentwicklung von den gehobenen in die unteren Gesellschaftsschichten verbreitete. Andererseits ist der Blick auf die qualitativen Stratifikationen des Pkw-Konsums zu lenken. Wie veränderten sich Kaufpräferenzen und Produkterwartungen, als der private Pkw vom »Luxusgut zum Gebrauchsgegenstand«24 avancierte? Um dies zu analysieren, bietet sich der Leitbild-Ansatz der sozialwissenschaftlichen Technikgeneseforschung an.25 Er definiert Leitbilder als »kollektive Pro20 Siehe Dietmar Klenke, Die deutsche Katastrophe und das Automobil. Zur ›Heils‹geschichte eines nationalen Kultobjekts in den Jahren des Wiederaufstiegs, in: Michael Salewski / Ilona Stölken-Fitschen (Hrsg.), Moderne Zeiten. Technik und Zeitgeist im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1994, S. 157–173; ders., Bundesdeutsche Verkehrspolitik und Motorisierung. Konfliktträchtige Weichenstellungen in den Jahren des Wiederaufstiegs, Stuttgart 1993; ders., Freiheit – Fortschritt – Wohlstand – Pkw. Mentalitätsgeschichte des bundesdeutschen Automobilismus, in: Forum Loccum 10, 1991, H. 3, S. 17–21. 21 Berghoff, Unternehmensgeschichte, S. 217. 22 Vgl. Abelshauser, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, S. 89 u. 166–174; Volker R. Berghahn, Das ›deutsche Kapitalismus-Modell‹ in Geschichte und Geschichtswissenschaft, in: ders. / Sigurt Vitols (Hrsg.), Gibt es einen deutschen Kapitalismus? Tradition und globale Perspektiven der sozialen Marktwirtschaft, Frankfurt / M. 2006, S. 26–43. 23 Vgl. Peter Bäuerle, Die Entwicklung der Automobilindustrie in der Bundesrepublik Deutschland seit 1945. Eine volkswirtschaftliche, verkehrswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Untersuchung, Diss., Stuttgart 1966. 24 Heidrun Edelmann, Vom Luxusgut zum Gebrauchsgegenstand. Die Geschichte der Verbreitung von Personenkraftwagen in Deutschland, Frankfurt / M. 1990. 25 Vgl. Katharina D. Giesel, Leitbilder in den Sozialwissenschaften. Begriffe, Theorien und Forschungskonzepte, Wiesbaden 2007, S. 160–163; Meinolf Dierkes / Andreas Knie, Geräte und ihr Sinn. Technikgenese im institutionellen Geflecht mächtiger Verständigungen, in: Wolfgang Zapf / Meinolf Dierkes (Hrsg.), Institutionenvergleich und Institutionen­

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jektionen«26 über Interessen und Ansprüche gegenüber technischen Konsumgütern. Aus handlungstheoretischer Perspektive bilden sie informelle Regelsysteme zur Orientierung, Koordinierung und Motivation dezentral agierender Akteure. Übertragen auf das Automobil und seine Bedeutung in modernen Gesellschaften ist die Bildung eines produktbasierten Leitbildes als permanenter gesellschaftlicher Verständigungsprozess über die wünschenswerte Konfiguration und den erwarteten Nutzen eines Pkw zu verstehen. Der Austausch vermittelt sich über die materielle Bereitstellung, die kulturelle Besetzung und die praktische lebensweltliche Aneignung des Autos. Es bedarf eines Konsenses über die »gesellschaftliche Sinnkonstitution«27, um das automobile Leitbild im Dialog zwischen Herstellern und Nutzern, politischen Institutionen, Medien und sonstigen Anspruchsgruppen zu konstituieren.28 Die Historisierung dieses Ansatzes eröffnet neue Forschungsperspektiven. Es drängt sich die Frage nach Brüchen in der Entwicklung der gesellschaftlichen Wahrnehmung des Automobils auf. In den Fokus geraten dabei einerseits die Auswirkungen kurzfristiger Deformationen durch wirtschaftliche Krisen. Andererseits sind die Einflüsse mittel- und langfristiger gesellschaftlicher Strukturentwicklungen auf die Aneignungsformen des Automobils zu betrachten. Es ist zu ermitteln, inwieweit im Konsumverhalten Anzeichen sozialer Umschichtungen, neuer kultureller Praktiken und politischer Diskurse nach dem »Schub einer Fundamentalliberalisierung«29 seit 1968 erkennbar wurden. Stephan Malinowski und Alexander Sedlmaier behaupten, dass der demokratische Aufbruch der ›68er‹-Generation in einer dualen Weise als ›Katalysator der Konsumgesellschaft‹ wirkte. Durch die öffentliche Präsentation alternativer Lebensformen legitimierte sie den individuellen Hedonismus, sie bediente sich selbst Elementen des distinktiven Konsums und förderte zugleich eine neue Kritikkultur. Transportiert über die publizistische Öffentlichkeit, politische

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dynamik. WZB Jahrbuch, Berlin 1994, S. 83–105. Auch Christian Kleinschmidt, Technik und Wirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert, München 2007, S. 116–118; Joachim Radkau, Technik in Deutschland. Vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Frankfurt / M. 1989, S. 219 f. Meinolf Dierkes / Ute Hoffmann / Lutz Marz, Leitbild und Technik. Zur Entstehung und Steuerung technischer Innovationen, Berlin 1992, S. 42. Weert Canzler, Das Zauberlehrlings-Syndrom. Entstehung und Stabilität des AutomobilLeitbildes, Berlin 1996, S. 15; ders. / Andreas Knie, ›New Mobility‹? Mobilität und Verkehr als soziale Praxis, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 45–46, 2000, S. 29–38. Zur soziokulturellen Bedeutung des Artefakts Automobil siehe Thomas Kühne, Massenmotorisierung und Verkehrspolitik im 20. Jahrhundert. Technikgeschichte als politische Sozial- und Kulturgeschichte, in: Neue Politische Literatur 41, 1996, S. 196–229. Jürgen Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt / M. 1981, S. 26; auch Ulrich Herbert, Liberalisierung als Lernprozeß. Die Bundesrepublik in der deutschen Geschichte. Eine Skizze, in: Ulrich Herbert (Hrsg.), Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945–1980, Göttingen 2002, S. 7–49; Gabriele Metzler, Konzeptionen politischen Handelns von Adenauer bis Brandt. Politische Planung in der pluralistischen Gesellschaft, Paderborn 2005.

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Akteure und neue soziale Bewegungen verankerten sich kollektive Interessen, wie Ressourcenschonung, Umwelt- und Verbraucherschutz, im Wertesystem der postmodernen Gesellschaft.30 Die Autoren finden in dieser kapitalistischen Dialektik eine Formel, um den Doppelcharakter der 1970er Jahre zwischen Risiko- und Erlebnisgesellschaft zu erklären. Müssten sich diese Strömungen aber nicht auch im Konsumverhalten und in der Entwicklung des automobilen Leitbildes nachweisen lassen? Genau hier liegt möglicherweise ein Knotenpunkt der Verknüpfung von Wertesystem und Konsumverhalten. Um diesen offen zu legen, ist es nötig, die Perspektive von den Beziehungen zwischen Herstellern und Konsumenten auf weitere Anspruchsgruppen auszudehnen. Gerade Politik und Medien legten die Agenden der öffentlichen Diskussion fest, besetzten und priorisierten Themen. So gestalteten sie das Auto-Leitbild entscheidend mit.31 Es ist etwa zu fragen, wann die Problemfelder Verkehrssicherheit und Umweltverschmutzung aufgriffen wurden. Welche Positionen nahmen Politik und Medien im Spannungsfeld zwischen den individuellen Nutzungswünschen der PkwBesitzer, den ökonomischen Interessen der Industrie und den immer mehr sichtbar werdenden gesamtgesellschaftlichen Risiken der Massenmobilität ein? Vor diesem Hintergrund arbeitet die Studie auf zwei Untersuchungsebenen, die sich um die Rezeptions- und Reaktionsmuster unterschiedlicher Akteure formieren: In einem ersten Komplex steht im Mittelpunkt, ob, wann und wodurch die in der Frühphase der Massenmotorisierung etablierte »Prosperitätskonstellation«32 zu erodieren begann. Wann trat eine Marktsättigung ein und wie beeinflusste sie den Autokonsum? Welche Folgen hatten die kurze Rezession 1966/67 und die wesentlich bedrohlichere Stagflation im Nachgang der Ölpreiskrise? In diesem Zusammenhang ist erstaunlich, dass sich die Geschichtsforschung bislang kaum mikrohistorisch mit den ökonomischen und erfahrungsweltlichen Auswirkungen der Energieschocks befasst hat. Es ist nicht untersucht, welchen Einfluss die Krise in Kombination mit den bedrohlichen Endzeitszenarien des Club of Rome auf das Verhalten der Konsumenten, der Politik und der Öffentlichkeit nahm. Neuere praxistheoretische Ansätze betonen, dass der Verlauf der Geschichte durch Wandlungsprozesse der materiellen Kultur, der Aneignungs30 Vgl. Stephan Malinowski / A lexander Sedlmaier, ›1968‹ als Katalysator der Konsumgesellschaft. Performative Regelverstöße, kommerzielle Adaptionen und ihre gegenseitige Durchdringung, in: Geschichte und Gesellschaft 32, 2006, Nr. 2, S. 238–267. Zur ›68-er‹Bewegung auch Simon Kießling, Die antiautoritäre Revolte der 68er. Postindustrielle Konsumgesellschaft und säkulare Religionsgeschichte der Moderne, Köln u. a. 2006; Ingrid Gilcher-Holtey, Die 68er Bewegung. Deutschland, Westeuropa, USA , 2. Aufl., München 2003. 31 Zur Theorie des Agenda-Settings: Maxwell E. McCombs / Donald L. Shaw, The AgendaSetting Function of Mass Media, in: Public Opinion Quarterly 36, 1972, S. 176–187; Patrick Rössler, Agenda-Setting. Theoretische Annahmen und empirische Evidenzen einer Medienwirkungshypothese, Opladen 1997. 32 Burkart Lutz, Der kurze Traum immerwährender Prosperität. Eine Neuinterpretation der industriell-kapitalistischen Entwicklung im Europa des 20. Jahrhunderts, Frankfurt / New York 1984, S. 19.

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und Umgangsformen der Menschen mit physischen Artefakten ihrer Zeit geprägt wird.33 Die Praktiken des Kaufens, Konsumierens und Fahrens von Automobilen, aber auch die soziale und kulturelle Sinngebung und Symbolik, die sich mit diesen Handlungen verband, mag in dieser Sicht als doppelter Ausweis eines kombinierten doing culture und making the market von der Basis der Gesellschaft aus betrachtet werden. Was aber waren die Texturen, die symbolisch-sinnhaften Regeln, auf deren Basis das Automobil zu einem solch starken Objekt der modernen Konsumkultur avancierte? Und: inwieweit wurde die materielle Kultur der Automobilität durch Wandlungen des politischen und ökonomischen Setups verändert, indem etablierte Handlungsroutinen aufgebrochen wurden und sich individualisierten? Ebenso wenig ist auf der zweiten Analyseebene klar, welche Konsequenzen sich aus einem wandlungshaften Konsumverhalten für die unternehmerischen Geschäfts- und Kommunikationsstrategien ergaben.34 Es wird thematisiert, wie die Unternehmen marktexogene und -endogene Veränderungen rezipierten und mit welchen Mitteln sie auf die neuen Herausforderungen reagierten. Hier stehen die Versuche der Unternehmen, die Nachfragefaktoren durch Markt- und Prognosemodelle zu strukturieren, in einem Spannungsfeld zu individuellen, oft heterogenen und durchaus sprunghaften Praktiken der Konsumenten. Zugleich bietet sich das entscheidungs- und informationstheoretische Modell von Hansjörg Siegenthaler an, um zu untersuchen, inwieweit die in der Wachstumsphase des Autobooms der 1950er und beginnenden 1960er Jahre entwickelten Regelsysteme unternehmerischen Handelns erodierten.35 Siegenthaler argumentiert, dass in Krisen nicht nur die institutionellen Markt- und Wettbewerbsstrukturen, an denen sich die Geschäftsentscheidungen orientierten, an Stabilität verloren. Mit der Neukonfiguration des automobilen Leitbildes büßten potentiell auch die etablierten Verhaltensroutinen der betrieblichen Umfeldinteraktion an Verlässlichkeit ein. Inwieweit verunsicherte dies die unternehmerischen Akteure und ließ sie etablierte Geschäftspraktiken, Wettbewerbsstrategien und Organisationsformen auf den Prüfstand stellen? Mit Siegenthaler ist davon 33 Als Grundlage: Thomas Welskopp, Unternehmen Praxisgeschichte. Historische Perspektiven auf Kapitalismus, Arbeit und Klassengesellschaft, Tübingen 2014, S. 55–68 u. 109–113. Marian Füssel, Die Rückkehr des ›Subjekts‹ in der Kulturgeschichte. Beobachtungen aus praxeologischer Perspektive, in: Stephan Deines / Stephan Jäger / Ansgar Nünning (Hrsg.), Historisierte Subjekte. Subjektivierte Historie. Zur Verfügbarkeit und Unverfügbarkeit von Geschichte, Berlin / New York 2003, S. 141–159; Andreas Reckwitz, Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken, in: Zeitschrift für Soziologie 32, 2003, 4, S. 282–301. 34 Eine erste Analyse lieferte Jens Hohensee, ›… und Sonntags wieder laufen‹. Die erste Ölkrise 1973/74 und ihre Perzeption in der Bundesrepublik Deutschland, in: Salewski / Stölken-Fitschen (Hrsg.), Moderne Zeiten, S. 175–196; auch ders., Der erste Ölpreisschock 1973/74. Die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der arabischen Erdölpolitik auf die Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa, Stuttgart 1996. 35 Vgl. Hansjörg Siegenthaler, Regelvertrauen, Prosperität und Krisen. Die Ungleichmäßigkeit wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung als Ergebnis individuellen Handelns und sozialen Lernens, Tübingen 1993.

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auszugehen, dass die Unternehmen gerade in Umbruchzeiten Impulse für ein »fundamentales Lernen«36 erhielten. Sie bemühten sich mittels neuer Informations- und Kommunikationsstrategien, ihre entwerteten Wissensbestände zu aktualisieren, veränderte Regelsysteme zu erkennen und ihr Verhalten so neu zu fundieren. Allein dieser Umstand begründet es, den Untersuchungszeitraum von den beginnenden 1960er über die »langen 1970er Jahre«37 bis zur zweiten Ölpreiskrise zu spannen. An diesem Punkt endet die historische Analyse zwangsläufig, da die 30-jährige Sperrfrist für Archivalien eine ausgedehntere Untersuchung unmöglich macht.38 Trotz einer konzisen theoretischen Grundlage ist der Themenkatalog lang, gerade wenn es gilt, sich verändernde unternehmerische Handlungslogiken zurück auf die Strukturen des Gesellschaftswandels zu projizieren: Welche Indikatoren sprechen für einen Verlust des Regelvertrauens? Lassen sich unterschiedliche Phasen der Krisenwahrnehmung destillieren, in denen einzelne Umbruchszenarien die Diskurse dominierten? Unklar ist auch, welche Instrumente den Unternehmen zur Verfügung standen, um Störungen in den Regelsystemen zu erkennen. Waren es überhaupt betriebliche Akteure, die die Krisensignale erkannten, oder benötigte es Anstöße von externen Werbe- und Unternehmensberatungen, Marktforschern und universitären Experten? Bislang ist weder erforscht, wie die Ansprüche der Gesellschaft an die Unternehmen herangetragen, noch wie sie dort gedeutet wurden. Ähnliches gilt für den Diffusionsprozess fachwissenschaftlicher Diskurse über eine notwendige Ausweitung unternehmerischer Handlungsperspektiven auf die sozialen und moralischen Interessen ihrer Bezugsgruppen.39 36 Ebd., S. 166 u. 187. Müller spricht von Strukturbrüchen in der Unternehmensentwicklung, wenn Firmen entscheidungsrelevante Wissensbestände verlieren. Vgl. Margrit Müller, Organisationsformen und wirtschaftliche Entwicklung, Bern u. a. 1991; Hartmut Berghoff, Vertrauen als ökonomische Schlüsselvariable. Zur Theorie des Vertrauens und der Geschichte seiner privatwirtschaftlichen Produktion, in: Karl-Peter Ellerbrock / Clemens Wischermann (Hrsg.), Die Wirtschaftsgeschichte vor der Herausforderung durch die New Institutional Economics, Dortmund 2004, S. 58–71. 37 Zur Grundlegung der »langen 1970er Jahre«: Maier, Sorts, S. 51. 38 Die inhaltlich sicher wünschenswerte Einbeziehung der sog. Waldsterben-Debatte der 1980er Jahre ist daher (noch) nicht möglich. Siehe lediglich Kim Otto, Thematisierungsstrategie in den Massenmedien und ihre Auswirkung auf die Bevölkerung und die politischen Entscheidungsträger. Thematisierung und Deutung des Problems ›Waldsterben‹ in den achtziger Jahren, Diss., Dortmund 2001; Kenneth Anders / Frank Uekötter, Viel Lärm ums stille Sterben. Die Debatte über das Waldsterben in Deutschland, in: Jens Hohensee / Frank Uekötter (Hrsg.), Wird Kassandra heiser? Die Geschichte falscher Ökoalarme, Stuttgart 2004, S. 112–138. 39 Vgl. Leslie M. Dawson, Das Human-Konzept. Eine neue Unternehmensphilosophie, in: Wolf F. Fischer-Winkelmann / Reinhard Bock (Hrsg.), Markt und Konsument. Zur Kritik der Markt- und Marketing-Theorie, Bd. 2: Kritik der Marketing-Theorie, München 1976, S. 135–153.

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Die Aufgabenstellung lautet, den Verarbeitungsprozess der Markt- und Umfeldsignale bis zur Umsetzung operativer Anpassungsmaßnahmen zu verfolgen. Bei der Analyse des unternehmerischen Krisenmanagements liegt der Fokus auf den zentralen Feldern der Umfeld-Interaktion: dem Marketing und der Öffentlichkeitsarbeit. Ähnlich wie sich in der Soziologie feste Stereotype über die Gestalt gesellschaftlicher Wandlungsprozesse finden lassen, halten sich in der Betriebswirtschaftslehre und Wissenschaftsgeschichtsschreibung bis heute schablonenhafte Vorstellungen über die Entwicklung der Managementstrategien in den 1970er Jahren. Zum einen kursiert die Vorstellung einer Marketing-Revolution.40 Sie impliziert, dass deutsche Firmen in Reaktion auf die Krisenerscheinungen erstmals auf Instrumente des Marketings zurückgriffen; sich ihre Handlungs- und Planungspraktiken gleichsam schlagartig aus einer Produktionsorientierung lösten und neu an den Kundeninteressen ausrichteten. In dieser Form ist die These ahistorisch, da sie den evolutionären Charakter von unternehmerischen Lern- und Entwicklungsprozessen verkennt. Dennoch bietet sie in einer differenzierteren Lesart wertvolle Anknüpfungspunkte. Unter Einbeziehung neuerer Erkenntnisse zur Genese der Marketinglehre ist festzuhalten, dass sich auch die Bedeutungsinhalte des Begriffes Marketing seit den 1960er Jahren wandelten. Ausgehend von US -amerikanischen Ansätzen verstand sich Marketing nicht mehr als Absatzinstrument, sondern als strategisches Konzept der Unternehmensführung. Es entwickelte sich die Idee des Marketingmanagements, definiert als ganzheitliche, alle Funktionsbereiche des Unternehmens durchdringende Ausrichtung aller Geschäftshandlungen am Kundeninteresse. Mit dem Marketing-Mix aus product (Produktpolitik), price (Preispolitik), promotion (Kommunikationspolitik) und place (Distributionspolitik) erhielt das Marketingmanagement seinen operationalen Werkzeugkasten.41 Für die unternehmenshistorische Forschung ist vor diesem Hintergrund nach zwei Koinzidenzen zu fahnden: Erstens ist unklar, ob es nicht erst dieser Verständniserweiterung, also einer »Geburtsstunde des strategischen Marketing«42 bedurfte, um die Managementkonzepte in der Praxis auf neue Ziele auszurichten. Zweitens stellt sich die Frage des Zusammenhangs zwischen Krise und Unternehmenswandel neu. Hypothetisch ist hier zunächst davon auszugehen, dass die

40 Vgl. Hans-Dieter Zollondz, Grundlagen Marketing. Von der Vermarktungsidee bis zum Marketingkonzept, Berlin 2003; Richard Köhler, Marketing. Von der Reklame zur Konzeption einer marktorientierten Unternehmensführung, in: Eduard Gaugler / R ichard Köhler (Hrsg.), Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin  – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 355–384. 41 Vgl. Ursula Hansen / Matthias Bode, Marketing & Konsum. Theorie und Praxis von der Industrialisierung bis ins 21. Jahrhundert, München 1999, S. 149; dies., Entwicklungsphasen der deutschen Marketingwissenschaft seit dem Zweiten Weltkrieg, in: Hartmut Berghoff (Hrsg.), Marketinggeschichte. Die Genese einer modernen Sozialtechnik, Frankfurt / New York 2007, S. 179–204. 42 Hansen / Bode, Marketing, S.  149.

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Firmen erst in Reaktion auf die Destabilisierung der etablierten Regelsysteme in den 1970er Jahren auf alternative, stärker umfeldorientierte Strategiemodelle zurückgriffen; Marketingmanagement also zum Instrument der Krisenbewältigung avancierte. Dieser These geht die Studie mit einem mikrohistorischen Blick in die Unternehmen nach. Sie sucht zunächst nach Indizien dafür, dass sich das Marketing aus seiner Rolle als einfaches werbliches Verkaufsinstrument emanzipierte. Offen erscheint, wann es sich als eigener Funktionsbereich in den innerbetrieblichen Strukturen der Entscheidungsfindung implementierte und welche Aufgaben ihm zugewiesen wurden. Wie verknüpfte sich das Marketing etwa mit den Aufgabenfeldern der Produktion, Produktgestaltung sowie der Forschung und Entwicklung? Sollte sich verifizieren lassen, dass es zunehmend als strategischplanerisches Instrument zum Einsatz gebracht wurde, wäre dies ein wichtiges Indiz, um einen tatsächlichen Paradigmenwechsel in den Managementpraktiken der Branche nachzuweisen. An dieser Stelle ist auf die notwendigen Einschränkungen im Untersuchungsdesign zu verweisen: Es ist Ziel, Formen und Methoden des Marketingmanagements zu beobachten, um in erster Linie Erkenntnisse über eine markt- und umfeldorientierte Neuausrichtung der Unternehmen in der Kommunikation mit den Anspruchsgruppen zu gewinnen. Daher werden nicht alle operativen Ebenen des Marketing-Mixes durchdekliniert. Ein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung der Marktforschung.43 Aus der Nutzung dieses Informationstools lassen sich die Wahrnehmungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeldes und ihrer Akteure destillieren. Ferner steht die unternehmerische Außenkommunikation im Mittelpunkt. Ihre Komponenten bilden die Gestaltung von Produkten und produktbezogenen Leistungen sowie die Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Unter dieser Prämisse sind die Muster der Unternehmenskommunikation zu ergründen, die Informationsflüsse aus und in die Unternehmen nachzuvollziehen. Es ist zu fragen, wie Symbole, Normen und Regeln inszeniert und etabliert wurden. Aspekte der Distributionspolitik, der physischen Strukturierung und Verfügbarmachung des Angebots über die Händlerorganisationen werden nur angesprochen, wenn sie zur Erklärung des Produzenten- und Konsumentenverhaltens notwendig sind. Zugleich ist zu betonen, dass sich die Arbeit auf die Kommunikationsbeziehungen auf dem westdeutschen Automobilmarkt konzentriert. Die Studie betritt Neuland, indem sie einen branchenbezogenen Zugang zur Marketinggeschichte wählt. Er ermöglicht, gezielt nach spezifischen Branchenbedingungen – Governance-Strukturen, Firmentraditionen und Führungskulturen – zu fragen, die retardierend oder beschleunigend auf die Diffusion von 43 Vgl. Mark Casson, Der Unternehmer. Versuch einer historisch-theoretischen Deutung, in: Geschichte und Gesellschaft 27, 2001, S. 524–544; ders., An Economic Theory of Marketing, in: Richard S. Tedlow / Geoffrey Jones (Hrsg.), The Rise and Fall of Mass Marketing, London / New York 1993, S. 183–204.

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Marketing-Know-how einwirkten. Dabei ist zu problematisieren, dass sich ein Organisationslernen nicht allein durch äußere Impulse vollzieht.44 Folgt man der jüngeren verhaltenswissenschaftlichen Managementlehre und ihrer soziologischen Grundlegung, der Theorie der Strukturierung von Anthony Giddens, steht das Handeln von Akteuren in Organisationen in einem rekursiven Beziehungsverhältnis zu den Strukturen inner- und außerhalb des Systems, in denen es sich vollzieht. Individuelle Wahrnehmungen und Erfahrungen von Entscheidungsträgern im Unternehmen prägen die Strukturen des Betriebes und wirken in angrenzende Systeme (Verbände, Politik, Medien oder Gesellschaftsformationen) hinein. Zugleich beeinflussen die Strukturen »als organisierte Menge von Regeln und Ressourcen […] die situierten Aktivitäten handelnder Menschen. […] Soziale Systeme sind sowohl Medium wie Ergebnis der Praktiken, die sie rekursiv organisieren.«45 Diese Annahme rechtfertigt die hier gewählte Forschungsperspektive, die wechselseitige Beeinflussung von wirtschaftlichen, sozialen und politischen Systemen zu eruieren und sich mit den Konventionen und Rezeptionsmustern auseinanderzusetzen, über die sich die Leitbildgenese vermittelte. Transponiert auf den inneren Bezug zwischen Unternehmensstrukturen und Managerhandeln schließen sich weitere Fragen an: So ist bislang unklar, inwieweit individuelle Kognitionen der Leitungspersönlichkeiten Einfluss auf die institutionellen Kommunikationspraktiken sowie den Zeitpunkt und den Umfang des Einsatzes von Marketinginstrumenten nahmen; gleiches gilt auf der Mesoebene für die Wirkung von Managementmoden auf die Geschäftspolitik. Potentiell ist davon auszugehen, dass sich Unternehmen bei der Strategiebildung primär an den Reaktionen der Konkurrenten in ihrem Wettbewerbsfeld orientieren, wenn sie in Krisenphasen das Verhalten der Konsumenten nur schwer abschätzen können. Es bleibt anhand der Absatz- und Leitbildkrise der 1970er Jahre zu untersuchen, ob sich die Konzerne aufgrund des normativen Drucks an neue, als modern deklarierte Standards der eigenen Profession anzupassen versuchten oder einfach die Maßnahmen der Mitbewerber nachahmten. Das Marketingmanagement implementierte sich aus dieser Perspektive möglicherweise in einem

44 Vgl. Meinolf Dierkes / Lutz Marz, Lernkonventionen und Leitbilder. Zum Organisationslernen in Krisen, Berlin 1998; Horst Albach (Hrsg.), Organisationslernen. Institutionelle und kulturelle Dimensionen, Berlin 1998; ders., Lernende Unternehmen, Wiesbaden 1995. 45 Anthony Giddens, Die Konstitution der Gesellschaft. Grundzüge einer Theorie der Strukturierung, Frankfurt / M. 1988, S. 77. Zur unternehmenshistorischen Adaption der neueren Organisationslehre: Christian Kleinschmidt, Der produktive Blick. Wahrnehmung amerikanischer und japanischer Management- und Produktionsmethoden durch deutsche Unternehmer 1950–1985, Berlin 2002, S. 33–43; Thomas Welskopp, Der Mensch und die Verhältnisse. ›Handeln‹ und ›Struktur‹ bei M. Weber und A. Giddens, in: ders. / Thomas Mergel (Hrsg.), Geschichte zwischen Kultur und Gesellschaft. Beiträge zur Theorie­ debatte, München 1997, S. 39–70.

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kollektiven Prozess der »institutionellen Isomorphie«46 in der Branche. Die Geschichte des Wandels von Managementstrategien kann somit »nicht ohne die Berücksichtigung der gegenseitigen Beobachtung von Unternehmen geschrieben werden.«47

Forschungsstand und Interpretationsangebote Die Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte in Deutschland begann erst vor wenigen Jahren, sich intensiv mit den 1960er und 1970er Jahren zu beschäftigen. Die Gründe liegen auf der Hand: zum einen ist eine nur langsame Historisierung des besonders zeitnahen Geschehens zum Gegenstand des geschichtswissenschaftlichen Interesses zu erkennen. Zum anderen erlauben die Archiv-Sperrfristen der Zunft erst jetzt, auf einschlägige Quellenbestände zurückzugreifen. Gleichwohl ist zu konstatieren, dass sich die Zeitgeschichte das neue Forschungsterrain nun rasch erobert. Die 1970er Jahre sind ›in‹. In schneller Folge erscheinen Studien, die das Untersuchungsfeld ausdifferenzieren.48 Synchron mit der zeitgeschichtlichen Forschung befindet sich die Wirtschaftsgeschichte in einer Phase des Übergangs. Die Perspektive verschiebt sich von politischen, sozialen und ökonomischen Makroprozessen auf die Mikroebene. Die Dominanz von Überblicksdarstellungen, die sich um eine allgemeine Einordnung der ›langen‹ 1970er Jahre in die deutsche Nachkriegsgeschichte bemühen, nimmt ab.49 Immer stärker rücken Interessen, Motive und Verhaltensweisen sozialer Akteure bzw. Teilsysteme in das Blickfeld. Gut erforscht ist mittlerweile die Entwicklung der Wirtschaftspolitik in den 1960er und 1970er Jahren. Vieles ist über den Aufstieg der Globalsteuerung und seiner schrittweisen

46 Paul J DiMaggio / Walter W. Powell, Das ›stahlharte Gehäuse‹ neu betrachtet. Institutioneller Isomorphismus und kollektive Rationalität in organisationalen Feldern, in: Hans-Peter Müller / Steffen Sigmund (Hrsg.), Zeitgenössische amerikanische Soziologie, Opladen 2000, S. 147–173. 47 Morten Reitmayer / Ruth Rosenberger, Einleitung, in: dies. (Hrsg.), Unternehmen, S. 20. 48 Siehe Doering-Manteuffel / Raphael, Boom, S. 111–117; Frank Bösch, Boom zwischen Krise und Globalisierung. Konsum und kultureller Wandel in der Bundesrepublik der 1970er und 1980er Jahre, in: Geschichte und Gesellschaft 42, 2016, S. 354–376. 49 U. a. Dietrich Thränhardt, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt / M. 1986; Freimut Duve (Hrsg.), Aufbrüche. Die Chronik der Republik 1961–1986, Reinbek 1986; Eckart Conze / Gabriele Metzler, Deutschland nach 1945. Ein Lesebuch zur deutschen Geschichte von 1945 bis zur Gegenwart, 2. Aufl. München 1997; Manfred Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart, München 1999; Andreas Rödder, Die Bundesrepublik Deutschland 1969–1990, München 2004; Edgar Wolfrum, Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, München 2007; Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5: 1949–1990, München 2008.

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Demontage bekannt.50 Insbesondere die Studien von Alexander Nützenadel und Tim Schanetzky haben den maßnahmenorientierten Blick auf die Krisenstrategien der Großen Koalition und der sozialliberalen Regierung erweitert. Sie interpretieren den Paradigmenwechsel der makroökonomischen Grundanschauungen vom Keynesianismus zur monetaristischen Realpolitik aus dem Kontext eines Prozesses der Vergesellschaftung und Verwissenschaftlichung der Wirtschaftspolitik im Zusammenspiel zwischen Politik, Wirtschaftslehre und Expertenberatung.51 Auch für das Feld der Sozialpolitik liegen inzwischen einige Arbeiten zum »Modell Deutschland«52 vor. Sie zeigen neue ordnungspolitische Arrangements, mit deren Hilfe der soziale und ökonomische Strukturwandel möglichst kooperativ abgefedert werden sollte.53 Die Ergebnisse beider Forschungsfelder bestätigen die ursprünglich soziologische These, nach der die 1960er und 1970er Jahre als Scharnierzeit eines Bruchs in der Industriemoderne zu werten sind. Eric J. Hobsbawm geht sogar so weit, ein Ende des ›Goldenen Zeitalters‹ zu postulieren, da mit der globalen Neuverteilung von Arbeit und Kapital das fordistische Basiskonzept der Moderne ins Wanken geraten sei.54 Etwas weniger theatralisch erkennt der US -Soziologe Daniel Bell schon zu Beginn der 50 Vgl. Jeremy Leaman, The Political Economy of West Germany, 1945–85. An Introduction, New York 1988; Christoph von Roehl, Große Depression und Stagflation. Eine kritische Analyse der deutschen Wirtschaftspolitik 1927/33 und 1970/86, Göttingen 1988; Harald Scherf, Enttäuschte Hoffnungen – Vergebene Chancen. Die Wirtschaftspolitik der SozialLiberalen Koalition 1969–1982, Göttingen 1986; Thomas Schlüter, Zu einigen Aspekten der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, in: ders. / Gert-Joachim Glaeßner / Jürgen Holz (Hrsg.), Die Bundesrepublik in den siebziger Jahren. Versuch einer Bilanz, Opladen 1984, S. 95–112; Johann Welsch, Globalsteuerung in der Bundesrepublik Deutschland. Eine kritische Analyse der Stabilisierungspolitik seit 1967, Köln 1980. 51 Vgl. Alexander Nützenadel, Stunde der Ökonomen. Wissenschaft, Politik und Expertenkultur in der Bundesrepublik 1949–1974, Göttingen 2005; Tim Schanetzky, Die große Ernüchterung. Wirtschaftspolitik, Expertise und Gesellschaft in der Bundesrepublik 1966 bis 1982, Berlin 2007; Michael Ruck, Ein kurzer Sommer der konkreten Utopie. Zur westdeutschen Planungsgeschichte der langen 60er Jahre, in: Axel Schildt / Detlef Siegfried / Karl Christian Lammers (Hrsg.), Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in der Entwicklung der beiden deutschen Gesellschaften, Hamburg 2000, S. 362–401; Peter Weingart, Die Stunde der Wahrheit? Zum Verhältnis der Wissenschaft zu Politik, Wirtschaft und Medien in der Wissensgesellschaft, Weilerswist 2001. 52 Bernd Faulenbach, Die Siebzigerjahre – ein sozialdemokratisches Jahrzehnt?, in: Archiv für Sozialgeschichte 44, 2004, S. 1–39, hier S. 3; Gerd Koenen, Das rote Jahrzehnt. Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967–1977, 3. Aufl., Frankfurt / M. 2006. 53 Zum ›Modell Deutschland‹: Winfried Süß, Umbau am ›Modell Deutschland‹. Sozialer Wandel, ökonomische Krise und wohlfahrtsstaatliche Reformpolitik in der Bundesrepublik Deutschland ›nach dem Boom‹, in: Journal of Modern European History 9, 2011, S. 215–240; ders., Der bedrängte Wohlfahrtsstaat. Deutsche und europäische Perspektiven auf die Sozialpolitik der 1970er Jahre in: Archiv für Sozialgeschichte 47, 2007, S. 103–136; Andreas Rödder, Das ›Modell Deutschland‹ zwischen Erfolgsgeschichte und Verfallsdiagnose, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 54, 2006, S. 345–363. 54 Vgl. Eric J. Hobsbawm, Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, 2. Aufl., München 1995, S. 341.

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1970er Jahre die Neuformierung einer »nachindustriellen Gesellschaft.«55 Aus seiner Sicht greift der Begriff Strukturwandel weit über das Ökonomische hinaus und integriert Komponenten einer nahezu zeitgleich von Inglehart koinzidierten Werteverschiebung. Es etablierte sich zunächst in der soziologischen, seit etwas mehr als zehn Jahren aber auch in der historischen Forschung ein Deutungskonzept des Übergangs in eine Postmoderne als begrifflicher Sammelcontainer für vielfältige Veränderungen in der Gesellschaftsentwicklung. Das Spektrum der konstatierten Transformationsprozesse ist lang: Es reicht von der Pluralisierung von Lebensstilen, entnormierten Privatheits- und Partizipationsformen, von der Säkularisierung über die Bildungsexpansion, den Bedeutungszuwachs von Information und Wissen bis hin zu einem veränderten Freizeit- und Konsumverhalten, in dem die hedonistische Selbstentfaltung in den Mittelpunkt rückte.56 Vielfach diskutiert wird dabei die Frage, inwieweit sich in diesen Entwicklungen tatsächlich eine Überwindung der Industriegesellschaft widerspiegelt oder ob sie nicht eher Kennzeichen einer dynamischen Fortschreibung des industriellen Entwicklungspfades auf dem Weg in eine ›zweite‹ oder ›postmoderne Moderne‹ darstellen.57 Auch aus diesen theoretischen Reflexionen ergeben sich Anknüpfungspunkte für eine von der Geschichtsforschung noch zu leistende empirische Analyse, ob die zeitgenössischen Diagnosen tatsächlich historisch tragfähig sind. So muss es zunächst in erster Linie darum gehen, der Existenz und vor allem »der Qualität jenes Wandels der Moderne nachzuspüren.«58 Die wirtschafts- und auch unternehmenshistorische Forschung hat zu diesem Feld bislang wenig beigetragen. Dies ist umso bedauerlicher, da gerade die Einordnung dieser Phase der bundesdeutschen Geschichte einer fächerübergreifenden Verknüpfung historischer Analyseperspektiven bedarf.59 Die Wirt55 Daniel Bell, Die nachindustrielle Gesellschaft, 2. Aufl., Frankfurt / New York 1976; auch Francesco Kneschaurek / Hans Georg Graf, Der ›Trendbruch‹ der siebziger Jahre und seine wirtschaftlichen Konsequenzen, Diessenhofen 1980; Jean-Jacques Servan-Schreiber, Das Ende der Industriegesellschaft, was nun? Die Herausforderung der Welt, o. O. 1983. 56 Auf diese Kennzeichnung verweist Andreas Rödder, Konsumgesellschaft, moderner Sozialstaat und ›Wertewandel‹, in: Andreas Wirsching (Hrsg.), Oldenbourg Geschichte Lehrbuch. Neueste Zeit, München 2006, S. 159; Görtemaker, Geschichte, S. 597. 57 Vgl. Wolfgang Welsch, Unsere postmoderne Moderne, 6. Aufl., Berlin 2002; ders. / Jean Baudrillard, Wege aus der Moderne. Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion, 2. Aufl., Berlin 1994; Zur zeithistorischen Debatte: Andreas Rödder, Moderne-PostmoderneZweite Moderne, in: ders. / Raithel / Wirsching (Hrsg.), Weg, S. 181–201; aus internationaler Perspektive auch Krishan Kumar, From Post-industrial to Post-modern Society. New Theories of the Contemporary World, 2. Aufl., Malden / M A 2005. 58 Thomas Raithel / Andreas Rödder / Andreas Wirsching, Einleitung, in: dies. (Hrsg.), Weg, S. 11; auch Andreas Rödder / Wolfgang Elz, Alte Werte – neue Werte: Schlaglichter des Wertewandels, Göttingen 2008. 59 Vgl. Jürgen Kocka, Geschichte, Sozialwissenschaften und ihre Kooperation  – mit besonderer Berücksichtigung der Wirtschaftsgeschichte, in: David Gilgen / Christopher Kopper / Andreas Leutzsch (Hrsg.), Deutschland als Modell? Rheinischer Kapitalismus und Globalisierung seit dem 19. Jahrhundert, Bonn 2010, S. 25–43.

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schaftshistoriker haben sich lange primär aus einer Makroperspektive mit dem wirtschaftlichen Wiederaufstieg Deutschlands beschäftigt und lediglich ein Auslaufen der Sonderbedingungen des Rekonstruktionsprozesses ab Mitte der 1960er Jahre konstatiert.60 Vor allem das ordnungspolitische Setting des spezifisch deutschen Produktionsregimes des ›organisierten‹, ›koordinierten‹ oder ›kooperativen Kapitalismus‹ stand in ihrem Fokus.61 Inwieweit jedoch dessen Regeln in der Alltagspraxis Einfluss auf die Geschäfts- und Kommunikationsstrategien von Unternehmen gegenüber Kunden, Wettbewerbern oder der politischen und publizistischen Öffentlichkeit nahmen, blieb bislang weitgehend unberücksichtigt.62 Erst neueren Studien, die sich den Charakteristika der deutschen Industriekultur über gleichsam spiegelbildliche Prozesse der »Amerikanisierung«63 zuwenden, ist eine mikroökonomische Erweiterung zu verdanken. Unter dezidiert unternehmenshistorischen Fokus werfen Arbeiten von Christian Kleinschmidt und Susanne Hilger die Frage nach dem Verhältnis von Tradition und Erneue60 Vgl. Werner Glastetter / Günter Högemann, Die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundes­republik Deutschland 1950–1989, Frankfurt / M. 1991; Klaus Schroeder, Der Weg in die Stagnation, Opladen 1984; Pentii J. K. Kouri / Jorge Braga de Macedo, Perspectives on the Stagflation of the 1970’s, in: Herbert Giersch (Hrsg.), Macroeconomic Policies for Growth and Stability. A European Perspective, Tübingen 1981, S. 211–249. 61 Vgl. Alfred D. Chandler, Scale and Scope. The Dynamics of Industrial Capitalism, Cambridge / M A 1990, S. 395; Ludger Lindlar, Das mißverstandene Wirtschaftswunder. Westdeutschland und die westeuropäische Nachkriegsprosperität, Tübingen 1997; Moses Abramovitz, Catch-up and Convergence in the Postwar Growth Boom and After, in: William Baumol / R . R.  Nelson / Edward N. Wolff (Hrsg.), Convergence of Productivity. Cross-­National Studies and Historical Evidence, Oxford 1994, S. 86–125; Peter A. Hall /  David W. ­Soskice, Varieties of Capitalism. The Institutional Foundations of Comparative Advantage, Oxford 2001; aus deutscher Perspektive Hans Jürgen Puhle, Historische Konzepte des entwickelten Industriekapitalismus. ›Organisierter Kapitalismus‹ und ›Korporatismus‹, in: Geschichte und Gesellschaft 10, 1984, S. 165–184; Berghahn / Vitols, Kapitalismus; Werner Abelshauser, Umbruch und Persistenz. Das deutsche Produktionsregime in historischer Perspektive in: Geschichte und Gesellschaft 27, 2001, S. 503–523; ders., Kulturkampf. Der deutsche Weg in die neue Wirtschaft und die amerikanische Herausforderung, Berlin 2003. 62 Ausnahmen zur betrieblichen Sozialpolitik: Thomas Welskopp, Der Betrieb als soziales Handlungsfeld. Neuere Forschungsansätze in der Industrie- und Arbeitergeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft 22, 1996, S. 117–141; Thomas Haipeter, Mitbestimmung bei Volkswagen. Neue Chancen für die betriebliche Interessenvertretung?, Münster 2000; seit neuestem auch Hans Günter Hockerts / Günther Schulz (Hrsg.), Der »Rheinische Kapitalismus« in der Ära Adenauer, Paderborn 2016. 63 Vgl. Volker R. Berghahn, Unternehmer und Politik in der Bundesrepublik, Frankfurt / M. 1985; ders., Zur Amerikanisierung der westdeutschen Wirtschaft, in: Ludolf Herbst / Werner Bührer / Hanno Sowade (Hrsg.), Vom Marshall-Plan zur EWG . Die Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die westliche Welt, München 1990, S. 227–253; Harm G. Schröter, Zur Übertragung sozialhistorischer Konzepte in die Wirtschaftsgeschichte. Amerikanisierung und Sowjetisierung in deutschen Betrieben 1945–1975, in: Jarausch / Siegrist (Hrsg.), Amerikanisierung, S. 147–165.

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rung in den Managementpraktiken nach 1945 auf.64 Sie zeigen, dass markt- und wettbewerbsorientierte US -Managementmethoden frühzeitig auch in Deutschland wahrgenommen wurden. Allerdings »ergibt sich aus der Mischung amerikanischer Leitbilder und deren Umsetzung in deutschen Unternehmen sowie der Herausbildung eigener ›Managements Models‹ das Bild sich ergänzender Entwicklungen von Konvergenz und Differenzierung, Universalismus und Relativismus.«65 Während sich das Management-Know-how über vielfältige Kanäle – Reisen, persönliche Kontakte, Auslandsniederlassungen oder Berater – vermittelte, verlief die praktische Implementierung offenbar weniger stringent. Unbenommen des Einflusses amerikanischer Leitbilder auf der Rezeptionsebene ist weiter unklar, ob die neuen Managementkonzepte in der Praxis nicht erst im Kontext der Krisen der 1970er Jahre adaptiert wurden. So scheint es bislang, dass deutsche Firmen umfeldorientierte Managementstrategien trotz vorhandener Wissensquellen bis zum Ende der 1960er Jahre nicht oder nur halbherzig inkorporierten. Folglich wären die 1970er Jahre als Phase einer Orien­ tierungskrise zu werten, die zu einer Öffnung gegenüber progressiven Handlungsparametern führte.66 Ein auffallendes Desiderat bildet in diesem Kontext, dass sich die unternehmenshistorische Forschung bislang nur rudimentär mit der Marketinggeschichte der 1960er und 1970er Jahre befasst, während sich im anglo-amerikanischen Raum bereits vor gut dreißig Jahren eine intensive historische Marketingforschung etabliert hat. Ihr sind bis heute einflussreiche, aber ebenso umstrittene Periodisierungsversuche zu verdanken. Nach Robert Keith durchläuft die unternehmerische Strategiebildung idealtypisch drei Stufen von einer Produktionsüber eine Verkaufs- in eine Marketingorientierung.67 Robert Tedlow erkennt eine ähnliche schrittweise Neuausrichtung der Marktbearbeitung. Sein Phasenmodell erkennt jedoch die Strukturveränderungen des Marktes als eigentlichen Ausgangspunkt für neue Vermarktungsmethoden. Erst nachdem die kleinräumigen, fragmentierten Absatzfelder des 19. Jahrhunderts (fragmentation) zu einem zunehmend anonymen Massenmarkt zusammengewachsen seien (unification), wähnte er das US -amerikanische Konsumgütermarketing seit den 1920er Jahren in einer Professionalisierungsphase der segmentation, in der die Unternehmen von einer reinen ›Mengenlehre‹ standardisierter Massenproduktion auf eine flexible Bedienung von differenzierten Zielgruppen umschwenkten. Ihr habe sich seit Ende der 1970er Jahre eine Phase des micro-marketing, d. h. einer zunehmend individualisierten Kunden64 Vgl. Kleinschmidt, Blick; Susanne Hilger, ›Amerikanisierung‹ deutscher Unternehmen. Wettbewerbsstrategien und Unternehmenspolitik bei Henkel, Siemens und Daimler-Benz (1945/49–1975), Stuttgart 2004. 65 Kleinschmidt, Blick, S. 399. 66 Vgl. Reitmayer / Rosenberger, Einleitung, in: dies. (Hrsg.), Unternehmen, S. 24. 67 Vgl. Robert J. Keith, The Marketing Revolution, in: Journal of Marketing 24, 1960, H. 1, S. 35–38.

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ansprache angeschlossen.68 Die Modelle von Keith und Tedlow haben die unternehmenshistorische Marketingforschung vielfach angeregt, stehen aber mittlerweile stark in der Kritik. Insbesondere Studien zur Marketingpraxis des 19. und frühen 20. Jahrhunderts versuchen zu zeigen, dass Markterkundung und Käufersegmentierung deutlich früher als bis dato angenommen zum Repertoire der Unternehmen zählte. Dabei wird sogar die Existenz einer Phase der reinen Produktionsorientierung gänzlich verneint.69 Es ist angesichts der bisherigen Forschungsergebnisse sicherlich abwegig, dass die Konsumenten tatsächlich erst in der Nachkriegszeit in das Blickfeld der Unternehmen rückten. Selbst, wenn man der Annahme folgt, die Implementierung von Marketingmethoden sei eine »strategische Antwort der Unternehmen auf den Käufermarkt«70, ist nicht davon auszugehen, dass eine derartige Wettbewerbssituation in den USA tatsächlich erst seit den 1920er Jahren bzw. in Deutschland dann mit rund dreißigjähriger Verspätung anzutreffen waren. Hier scheint es unbedingt notwendig, produkt- und branchenspezifische Ungleichzeitigkeiten in den Markt- und Marketingprozessen in die Analyse einzubeziehen. Jedes Produkt oder jede Produktgattung besitzt in Abhängigkeit von seinen bzw. ihren Eigenschaften Produktions- und Konsumtionsbedingungen über recht

68 Vgl. Richard S. Tedlow, New and Improved. The Story of Mass Marketing in America, New York 1990, S. XXII u. 8. Siehe auch ders., The Fourth Phase of Marketing. Marketing History and the Business World Today, in: ders. / Geoffrey Jones (Hrsg.), The Rise and Fall of Mass Marketing, London / New York 1993, S. 8–35 sowie zur Automobilindustrie: ders. / Thomas K. McCraw, Henry Ford, Alfred Sloan, and the Three Phases of Marketing, in: Thomas K. McCraw (Hrsg.), Creating Modern Capitalism. How Entrepreneurs, Companies, and Countries Triumphed in Three Industrial Revolutions, Cambridge / London 1997, S. 268. 69 Vgl. Ronald A. Fullerton, How Modern is Modern Marketing? Marketing’s Evolution and the Myth of the ›Production Era‹, in: Journal of Marketing 52, 1988, H. 1, S. 108–125; Roy Anthony Church, New Perspectives on the History of Products, Firms, Marketing, and Consumers in Britain and the United States since the Mid-19th Century, in: Economic History Review 52, 1999, S. 405–435; ders. / Andrew Godley (Hrsg.), The Emergence of Modern Marketing, London 2003; Walter A. Friedman, Birth of a Salesman. The Transformation of Selling in America, Cambridge / M A 2004; Einzelfallstudien: Neil McKendrick, Josiah Wedgwood and the Commercialization of the Potteries, in: ders. u. a. (Hrsg.), The Birth of Consumer Society. The Commercialization of Eighteenth Century England, London 1982, S. 100–145; Robert Fitzgerald, Rowntree and the Marketing Revolution, 1862–1969, Cambridge 1995; Andrew Godley, Selling the Sewing Machine around the World. Singer’s International Marketing Strategies, 1850–1914, Reading 2000; Nancy F. Koehn, Brand New. How Entrepreneurs Earned Consumers’ Trust from Wedgwood to Dell, Boston / M A 2001; Hartmut Berghoff, Marketing Diversity. The Making of a Global Consumer Product: Hohner’s Harmonikas, 1857–1910, in: Enterprise & Society 2, 2001, S. 338–372; Roman Rossfeld, Markenherrschaft und Reklameschwung. Die schweizerische Schokoladenindustrie zwischen Produktions- und Marketingorientierung, 1860–1914, in: Berghoff (Hrsg.), Marketinggeschichte, S. 87–122. 70 Sabel, Absatzstrategien, in: Pohl (Hrsg.), Absatzstrategien, S. 53.

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idiotypische Verbreitungs-, Absatz- und Innovationsrhythmen.71 Zudem ist die Frage, wann Produkte von Luxus- zu Massengütern avancieren und daher einer intensiven Marktbearbeitung bedürfen, von komplexen ökonomischen, sozialen und kulturellen Determinanten abhängig, die zeitlich und räumlich divergieren. Allein aufgrund dieser Asynchronität des Marktgeschehens sind generalisierende Chronologien der Marketinggeschichte eher mit Skepsis zu betrachten. Ebenso kurzsichtig erscheint es indes, die These einer Marketing-Revolution der 1960er Jahre komplett zu negieren und den Durchbruch des modernen Marketings ins 19. Jahrhundert vorzuverlegen. Wenn Roman Rossfeld »eine deutliche Unterscheidung zwischen der Marketing-Theorie und expliziten Verwendung einer bestimmten Begrifflichkeit sowie der bereits früher nachweis­ baren Marketing-Praxis«72 einfordert, sollte dies nicht dazu führen, die Relevanz der Bezüge zwischen theoretischer Wissensbildung und praktischer Anwendung aus dem Blick zu verlieren. So wissen wir heute aus ideengeschichtlichen Studien, dass sich die Marketinglehre in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als anwenderorientierte Wissenschaft neu erfand.73 Für Unternehmen entstand damit ein deutlich erweitertes Angebot an Marktforschungs-, Kommunikations- und Entscheidungstechniken, das von Konsumentenforschern und kommerziellen Beratern offensiv an sie herangetragen wurde.74 Hinter dem Postulat des Marketingmanagements verbarg sich somit nicht nur ein Plädoyer für eine marktorientierte Unternehmenssteuerung. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die modernen Marketingkonzepte ihren Erfolg neuen operativen Werkzeugen ver-

71 Vgl. zum commodity approach Melvin T. Copeland, Relation of Consumer’s Buying Habits to Marketing Methods, in: Harvard Business Review 1, 1923, H. 3, S. 282–289; Robert F. Wright, A Review of the Four Prominent Marketing Schools of Thought, in: Journal of Advertising History Special Issue, 2002, S. 1–13. 72 Roman Rossfeld, Unternehmensgeschichte als Marketinggeschichte. Zur Erweiterung traditioneller Ansätze in der Unternehmensgeschichtsschreibung, in: Christian Kleinschmidt / Florian Triebel (Hrsg.), Marketing. Historische Aspekte der Wettbewerbs- und Absatzpolitik, Essen 2004, S. 34. 73 Vgl. Hansen / Bode, Marketing; Roland Bubik, Geschichte der Marketing-Theorie. Historische Einführung in die Marketing-Lehre, Frankfurt / M. 1996; Jan S. Krulis-Randa, Die Entstehung der Marketing-Idee. Ein Beitrag zur Dogmengeschichte der Betriebswirtschaftslehre, in: ders. / Robert Schneebeli / Hansjörg Siegenthaler (Hrsg.), Geschichte in der Gegenwart. Festgabe für Max Silberschmidt, Zürich 1981, S. 95–117; Erich Schneider, Status. Der Weg der Betriebswirtschaftslehre in den letzten 25 Jahren, in: ders. (Hrsg.), Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft. Ausgewählte Aufsätze, Tübingen 1964, S. 454. 74 Siehe Werner Plumpe, Nützliche Fiktionen? Der Wandel der Unternehmen und die Literatur der Berater, in: Reitmayer / Rosenberger (Hrsg.), Unternehmen, S. 251–269; Alexander Schug, Vom Newspaper Space Salesman zur integrierten Kommunikationsagentur. Die 120-jährige Entwicklungsgeschichte der Werbeagentur Dorland, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 49, 2004, S. 5–25; Mathias Kipping, American Management Consulting Companies in Western Europe, 1920–1990. Products, Reputation, Relationships, in: Business History Review 73, 1999, S. 190–220.

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dankten, die sich in Qualität und Reichweite deutlich von intuitiven Praktiken der Jahrhundertwende unterschieden.75 Während die Forschung zur Ideengeschichte des Marketings in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat, ist wenig darüber bekannt, wie die neuen Wissensbestände in die Alltagsarbeit der Firmen hineinwirkten. Es ist erstaunlich und letztlich wohl nur durch die schwierige Quellenlage zu erklären, dass unternehmenshistorische Implementationsstudien zum Marketing gerade für die Zeit fehlen, die von Zeitzeugen als eine Phase der massiven Modernisierung und Professionalisierung angesehen wird.76 Eher heterogen ist zudem die Forschungslage zu einzelnen Teilaspekten des Marketings. Große Lücken sind im Feld der Marktforschung zu erkennen.77 So ist unklar, aus welchen Quellen die Unternehmen Informationen über die Konsumenten bezogen und wie sie die Daten erstellt, ausgewertet und für die Strategieentscheidung verdichtet haben. Trotz des etablierten Postulats der Neuen Institutionenökonomie, unternehmerische Entscheidungsprozesse auf Informationsbedürfnisse zur Reduktion von Transaktionskosten zurückzuführen, hat sich der Blick der Forschung kaum auf den heuristischen Wert des Analysefeldes der unternehmerischen Informationspolitik gerichtet.78 Daher folgt 75 Vgl. Ingo Köhler / Jan Logemann, Towards Marketing Management. German Marketing in the 19th and 20th Centuries, in: D. G. Brian Jones / Mark Tadajewski (Hrsg.), The Routledge Companion to Marketing History, Abingdon / New York 2016, S. 371–388; Günter Silberer / Oliver Büttner, Geschichte und Methodik der akademischen Käuferforschung, in: Berghoff (Hrsg.), Marketinggeschichte, S. 205–230; Günter Silberer / Gunnar Mau, Anfänge und Geschichte der Werbewirkungsforschung, in: ebd., S. 231–256; Clemens Zimmermann, Marktanalysen und Werbeforschung der frühen Bundesrepublik. Deutsche Traditionen und US -amerikanische Einflüsse, 1950–1965, in: Manfred Berg / Philipp Gassert (Hrsg.), Deutschland und USA in der internationalen Geschichte des 20.  Jahrhunderts, Stuttgart 2004, S. 473–491; auch: Nepomuk Gasteiger, Der Konsument. Verbraucherbilder in Werbung, Konsumkritik und Verbraucherschutz 1945–1989, Frankfurt / New York 2010. 76 Ausnahmen bilden Firmenstudien, während Branchenstudien für den Konsumgütersektor fehlen: Harm G. Schröter, Erfolgsfaktor Marketing. Von der Reklame zur Unternehmenssteuerung, in: Wilfried Feldenkirchen / Frauke Schönert-Röhlk / Günther Schulz (Hrsg.), Wirtschaft, Gesellschaft, Unternehmen. Festschrift für Hans Pohl zum 60. Geburtstag, Bd. 2, Stuttgart 1995, S. 1099–1127; Tanja Bessler-Worbs, Die Annäherung an den Verbraucher. Werbe- und Marketingkonzeptionen Dortmunder Brauereien von den 1920er bis zu den 1970er Jahren, in: Kleinschmidt / Triebel (Hrsg.), Marketing, S. 135–157; Paul Erker, Die Macht der Unterscheidung. Markenstrategie und Märktedynamik am Beispiel von Continental und Dachser, in: Berghoff (Hrsg.), Marketinggeschichte, S. 296–322. Erste Ansätze liefert Fritz Blaich, Absatzstrategien deutscher Unternehmen im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Pohl (Hrsg.), Absatzstrategien, S. 5–46. 77 Einen Einblick für die 1950er Jahre bietet Florian Triebel Marktforschung bei BMW 1957–1961, in: Kleinschmidt / Triebel (Hrsg.), Marketing, S. 67–83; als Überblick: Harm G. Schröter, Zur Geschichte der Marktforschung in Europa im 20. Jahrhundert, in: Rolf Walter (Hrsg.), Geschichte des Konsums, Wiesbaden 2004, S. 319–336. 78 Vgl. Hartmut Berghoff, Transaktionskosten: Generalschlüssel zum Verständnis langfristiger Unternehmensentwicklung? Zum Verhältnis von Neuer Institutionenökonomie und moderner Unternehmensgeschichte, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic

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die Studie erstmals den Spuren der »Verwissenschaftlichung des Sozialen«79 im Unternehmen. Sie fragt nach den Konsumenten- und Gesellschaftsbildern, die die unternehmerische Beobachtung ihrer Umwelt prägten. Zugleich zeigt sie, wie die Unternehmen ihre Markt- und Gesellschaftsposition mit Hilfe empirischer Marktforschungsdaten zu konstruieren versuchten. Beides, Umfeldwahrnehmung und Selbstreflexion nahmen maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung ihrer Geschäftspraktiken. Wenige gesicherte Befunde liegen auch zur historischen Genese der Öffentlichkeitsarbeit vor, die als fester Bestandteil eines Marketingmanagements zu bewerten ist. So bemerkt Kleinschmidt, dass sich in deutschen Unternehmen seit den 1960er Jahren amerikanische Konzepte der Public Relations etablierten, die auf einem »breiteren Verständnis von Öffentlichkeit«80 basierten. Er erkennt gar ein »1968 der Manager«81. Ob und inwieweit sich die Unternehmenskommunikation tatsächlich auf einen diskursiven Austausch mit politischen und sozialen Anspruchsgruppen neu ausrichtete, ist auf der Mikroebene jedoch noch kaum erforscht.82 Festzustehen scheint lediglich, dass sich die langjährige Produktionsorientierung der deutschen Konsumgüterfirmen noch in den 1950er Jahren mit der allseits präsenten Vorstellung verband, die Nachfrage durch gezielte psychologische Werbetechniken lenken zu können. »Consumer Engineering«83 lautete History Yearbook 1999/2, S. 159–176; speziell zur unternehmenshistorischen Marketingforschung Rossfeld, Unternehmensgeschichte, in: Kleinschmidt / Triebel (Hrsg.), Marketing, S. 22 f. 79 Lutz Raphael, Die Verwissenschaftlichung des Sozialen als methodische und konzeptionelle Herausforderung für eine Sozialgeschichte des 20. Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft 22, 1996, S. 165–193. 80 Kleinschmidt, Blick, S. 220. 81 Ders., Das ›1968‹ der Manager. Fremdwahrnehmung und Selbstreflexion einer sozialen Elite in den 1960er Jahren, in: ders. / Jan-Otmar Hesse / Karl Lauschke (Hrsg.), Kulturalismus, Neue Institutionenökonomie oder Theorienvielfalt. Eine Zwischenbilanz der Unternehmensgeschichte, Essen 2002, S. 19–31; Werner Kurzlechner, Von der Semantik der Klage zu einer offensiveren Medienpolitik. Selbstbild und Wahrnehmung westdeutscher Unternehmer 1965 bis 1975, in: Reitmayer / Rosenberger (Hrsg.), Unternehmen, S. ­289–318; Werner Plumpe, 1968 und die deutschen Unternehmen. Zur Markierung eines Forschungsfeldes, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 49, 2004, S. 45–66. 82 Siehe Manfred Bruhn, Integrierte Unternehmenskommunikation. Ansatzpunkte für eine strategische und operative Umsetzung integrierter Kommunikationsarbeit, Stuttgart 1992; ders., Der Streit um die Vormachtstellung von Marketing und Public Relations in der Unternehmenskommunikation. Eine unendliche Geschichte?, in: Marketing. Zeitschrift für Forschung und Praxis 26, 2004, S. 71–81; James E. Grunig / Todd Terrance Hunt, Managing Public Relations, Fort Worth 1984; Sven Windahl / Benno H. Signitzer / Jean T. Olson, Using Communication Theory. An Introduction to Planned Communication, London 1992. 83 Jan Logemann / Gary Cross / Ingo Köhler (Hrsg.), ›Consumer Engineering‹. Mid-Century Mass Consumption between Planning Euphoria and the Limits of Growth, 1930s-1970s, New York 2018 (im Erscheinen).

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das Schlagwort. Marketing galt hier noch als ein Synonym für Absatzwerbung. Die Durchsetzung des modernen Marketingmanagements scheint demgegenüber eng mit potentiell veränderten Kommunikationsperspektiven verkoppelt. In der Logik eines Denkens vom Konsumenten aus ging es womöglich nicht mehr darum, die Nachfrage an das Angebot, sondern die Produktentwicklung von vornherein an die Wünsche der Konsumenten auszurichten. Bereits seit einigen Jahren boomt die Werbehistoriographie in Deutschland. Jedoch stellen die vorliegenden Arbeiten zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur selten Bezüge zwischen der werblichen Produktikonographie und der unternehmerischen Marketingstrategie her.84 Es dominieren kultur- und sozialwissenschaftliche Studien, die in den Werbeaussagen Abbilder der Alltags- und Konsumkultur erkennen.85 Die Werbekommunikation, so der Sozialforscher Jürgen Bolten, ist ein »Medium gesellschaftlicher und kultureller Selbstverständigung«86, in der sich die Wertekonstrukte der Gesellschaft spiegeln. Dieser Ansatz wird in der vorliegenden Arbeit eingesetzt, die Veränderungen des Leitbildes Automobil in seiner Wechselbeziehung zwischen Werte- und Werbewandel zu analysieren. Seine methodische Anlehnung findet das Konzept einer integrierten Marketing-, Konsum- und Produktgeschichte des Automobils in der sozialwissenschaftlichen Konsumtheorie. Sie beschreibt Produkte selbst als »the visible part of culture«87. Produkte erscheinen in dieser Lesart als Botschaften, die auf kul84 Ausnahmen bilden: Klaus Berg, Konsumverhalten im Umbruch: Die Entdeckung des ›unvernünftigen Verbrauchers‹ im modernen Marketing, Berlin 1995; Harm G. Schröter, Die Amerikanisierung der Werbung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic History Yearbook 1997/1, S. 93–115; Dirk Reinhardt, Zeitgenössische Ansätze der Marktkommunikation durch Werbung vom Kaiserreich zur Bundesrepublik, in: Clemens Wischermann (Hrsg.), Unternehmenskommunikation deutscher Mittel- und Großunternehmen, Münster 2003, S. 41–56. 85 Siehe Peter Borscheid / Hans Jürgen Teuteberg (Hrsg.), Bilderwelt des Alltags. Werbung in der Konsumgesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts. Festschrift für Hans Jürgen Teuteberg, Stuttgart 1995; Rainer Gries / Volker Ilgen / Dirk Schindelbeck, ›Ins Gehirn der Masse kriechen!‹ Werbung und Mentalitätsgeschichte, Darmstadt 1995; Stefan Haas, Sinndiskurse in der Konsumkultur. Die Geschichte der Wirtschaftswerbung von der ständischen bis zur postmodernen Gesellschaft, in: Michael Prinz (Hrsg.), Der lange Weg in den Überfluss. Anfänge und Entwicklung der Konsumgesellschaft seit der Vormoderne, Paderborn 2003, S. 291–314; Pamela E. Swett / S. Jonathan Wiesen / Jonathan R. Zatlin, Selling Modernity. Advertising in Twentieth-Century Germany, Durham 2007. Aus der historischen Soziologie: Friedrich A. Rode, Der Weg zum neuen Konsumenten: Wertewandel in der Werbung, Wiesbaden 1989; Axel Bau, Wertewandel – Werbewandel? Zum Verhältnis von Zeitgeist und Werbung, Frankfurt / M. 1995; Rosemarie Fährmann, Die historische Entwicklung der Werbesprache. Eine empirische Untersuchung von Text- und Bildwerbung im Zeitraum vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Frankfurt / New York 2006. 86 Jürgen Bolten, Werbewandel  – Wertewandel: Werbegeschichte als Kommunikationsgeschichte, in: Universitas 2, 1996, S. 127–143, hier S. 128. 87 Mary Douglas / Baron Isherwood, The World of Goods. Towards an Anthropology of Consumption, 2. Aufl., London 1979, S. 49.

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turellen Codes und Semantiken basieren.88 Verändern sich soziale Strukturen, kulturelle Normen und Werthaltungen einer Gesellschaft, modifizieren sich auch die Konsummuster und der Orientierungsrahmen für die Firmenkommunikation.89 Produkte, so Rainer Gries, erscheinen als Medien, in denen sich der permanente Wandel von soziokulturellen Aneignungsmustern einschreibt.90 Die kulturhistorisch ambitionierten Diskurse über Consumption und Commodities sowie die unternehmenshistorische Marketinggeschichtsschreibung sind vor diesem Hintergrund als zwei Seiten ein und derselben Medaille anzusehen. Immer geht es um die symbolische Kommunikation, die dem materiellen Marktaustausch von Produkten den Weg ebnet.91 Die neuere Konsumgeschichte ist sicherlich als die geschichtswissenschaftliche Fachrichtung zu bezeichnen, die sich bislang am umfangreichsten mit den Schnittstellen zwischen wirtschaftlichen und soziokulturellen Wandlungsprozessen beschäftigt.92 Es liegen inzwischen einige Arbeiten vor, die sich quantifizierender Methoden der Konsumentwicklung in der Bundesrepublik zuwenden.93 Die hier gezeigten Strukturen des privaten Verbrauchs lassen stark einkommens- und schichtenspezifische, dennoch aber nachhaltige Anhebungen des Konsumniveaus erkennen – ein Prozess, den die Sozialwissenschaft als 88 U. a. Helene Karmasin, Produkte als Botschaften. Individuelles Produktmarketing, konsumentenorientiertes Marketing, Bedürfnisdynamik, Produkt- und Werbekonzeptionen, Markenführung in veränderten Umwelten, 4. Aufl., Wien u. a. 1998; dies. / Matthias Karmasin, Cultural theory. Ein neuer Ansatz für Kommunikation, Marketing und Management, Wien 1997; Arjun Appadurai, Introduction: Commodities and the Politics of Value, in: dies. (Hrsg.), The Social Life of Things. Commodities in Cultural Perspective, Cambridge 1986, S. 3–63. 89 Vgl. Dominik Schrage, Die Verfügbarkeit der Dinge. Eine historische Soziologie des Konsums, Frankfurt / M. 2009, S. 11. 90 Vgl. Rainer Gries, Produkte als Medien. Kulturgeschichte der Produktkommunikation in der Bundesrepublik und der DDR , Leipzig 2003. Dieser Ansatz schließt bei älteren Beobachtungen an. Verwiesen sei auf die Theorie des Geltungskonsums von Veblen, die psychologischen Motivations- und Kaufverhaltensmodelle von Maslow und Vershofen oder die »feinen Unterschiede« Pierre Bourdieus. Vgl. u. a. Thorstein Veblen, Theorie der feinen Leute. Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen, Frankfurt / M. 1986 (Übersetzung des Originals von 1899); Sven Reichardt, Bourdieu für Historiker? Ein kultursoziologisches Angebot an die Sozialgeschichte, in: Mergel / Welskopp (Hrsg.), Geschichte, S. 71–93. 91 Vgl. Norbert F. Schneider, Konsum und Gesellschaft, in: ders. / Doris Rosenkranz (Hrsg.), Konsum. Soziologische, ökonomische und psychologische Perspektiven, Opladen 2000, S. 11 f. 92 Als Überblick: Wolfgang König, Geschichte der Konsumgesellschaft, Stuttgart 2000; Christian Kleinschmidt, Konsumgesellschaft, Göttingen 2008; Heinz-Gerhard Haupt /  Claudius Torp (Hrsg.), Die Konsumgesellschaft in Deutschland 1890–1990. Ein Handbuch, Frankfurt / M. 2009. 93 Vgl. Alfred Reckendrees / Toni Pierenkemper (Hrsg.), Die bundesdeutsche Massenkonsumgesellschaft 1950–2000, Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2007/2; Sabine Haustein, Vom Mangel zum Massenkonsum. Deutschland, Frankreich und Großbritannien im Vergleich 1945–1970, Frankfurt / New York 2007.

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»Fahrstuhl-Effekt« oder »Umschichtung nach oben« diskutiert.94 Dominiert wird das Forschungsfeld jedoch durch Studien, die das Konsumieren als soziales Handeln qualitativ empirisch untersuchen. Hier stehen Konsumfunktionen der Distinktion, Prestigebildung und Identitätsgewinnung im Mittelpunkt.95 Weitgehende Einigkeit herrscht in der Literatur, ab den 1960er Jahren einen Durchbruch der Massenkonsumgesellschaft in Westdeutschland zu diagnostizieren. In einem fließenden, sich dynamisierenden Transformationsprozess entwickelte sich der Konsum zur zentralen »Lebensform der Moderne«96. Mit steigender Kaufkraft ging die Bedeutung des Existenzbedarfs zurück, während zunehmend emotionale Bedürfnisse der individuellen Lebensgestaltung in den Vordergrund rückten.97 Die neue kulturelle Dominanz des Massenkonsums, argumentiert Hans Georg Zinn, trug ambivalente Züge: Einerseits habe erst der Wohlstand die Postmoderne und die ihr inhärente Dominanz von hedonistischen Selbstverwirklichungszielen ermöglicht. Andererseits sei der kollektive Hang zum Ressourcen verschlingendem ›Überkonsum‹ als Auslöser für die Kritik am Sozial- und Wirtschaftssystem der Bundesrepublik auszumachen.98 Wolfgang König beschreibt die 1970er Jahre daher als doppelte »konsumgeschichtliche Wende«, als »Sattelzeit« der Herausbildung und zugleich der Infragestellung der Massenkonsumgesellschaft.99 Auf welche Weise die Veränderungen in der qualitativen Konsumkultur und quantitativen Konsumstruktur auf die Verhandlung von Produktleitbildern zwischen Unternehmen, Konsumenten und öffentlichen Anspruchsgruppen einwirkten, ist weder für das Automobil noch für andere Konsumgüter bislang untersucht. Auch hier verspricht die Wahl des Autos als Untersuchungsgegenstand vielversprechende Perspektiven, da es einerseits als eines der stärksten 94 Beck, Risikogesellschaft, S. 121–125; Rainer Geißler, Die Sozialstruktur Deutschlands. Zur gesellschaftlichen Entwicklung mit einer Zwischenbilanz zur Vereinigung, 2. Aufl., Wiesbaden 2002, S. 234. 95 Vgl. Wolfgang Ruppert, Zur Kulturgeschichte der Alltagsdinge, in: ders. (Hrsg.), Fahrrad, S. 14–36; Michael Wildt, Vom kleinen Wohlstand. Eine Konsumgeschichte der fünfziger Jahre, Frankfurt / M. 1996; Arne Andersen, Der Traum vom guten Leben. Alltags- und Konsumgeschichte vom Wirtschaftswunder bis heute, Frankfurt / New York 1997; Wolfgang Ruppert, Zur Konsumwelt der 60er Jahre, in: Schildt / Siegfried / Lammers (Hrsg.), Dynamische Zeiten, S. 752–767; Dirk Schindelbeck, Illustrierte Konsumgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945–1990, Erfurt 2001. 96 Wolfgang König, Kleine Geschichte der Konsumgesellschaft. Konsum als Lebensform der Moderne, Stuttgart 2008. 97 Vgl. Ariane Stihler, Die Entstehung des modernen Konsums. Darstellung und Erklärungsansätze, Berlin 1998, S. 26–28; Kleinschmidt, Konsumgesellschaft, S. 12; Schneider, Konsum, in: ders. / Rosenkranz (Hrsg.), Konsum, S. 13. 98 Siehe Karl Georg Zinn, Überkonsum und Konsumsättigung als Probleme reifer Volkswirtschaften, in: Walter (Hrsg.), Geschichte, S. 59. 99 Wolfgang König, Die siebziger Jahre als konsumgeschichtliche Wende in der Bundesrepublik, in: Jarausch (Hrsg.), Ende, S. 95; auch Detlef Briesen, Warenhaus, Massenkonsum und Sozialmoral. Zur Geschichte der Konsumkritik im 20. Jahrhundert, Frankfurt / M. 2001, S. 82.

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Artefakte des Lebensstils gilt, sich in ihm andererseits nahezu idealtypisch die »aus dem Massenkonsum erwachsenden Gefahren für Mensch, Natur und Gesellschaft«100 abbilden lassen. Umweltprobleme der Lärm- und Abgasemission und des Ressourcenverbrauchs sind seiner technischen Konfiguration inhärent und potenzieren sich durch die massenhafte Verbreitung des Autos. Wie aber wirkten sich Konsumeuphorie und -skepsis auf das Kaufverhalten aus? Stellten Konsumenten individuelle Interessen zugunsten kollektiver Risikoerwägungen zurück? Zunächst ist ganz allgemein davon auszugehen, dass sich die Erwartungen an die Unternehmen und ihre Produkte neu definierten. Wenn sich Konsumhistoriker bislang dem Thema Automobil widmeten, so fokussierten sie vor allem auf seine Erfolgsgeschichte in den 1950er und 1960er Jahren.101 Die Erkenntnisse zur Automobilgeschichte nach dem Boom sind deutlich dürftiger. Axel Schildt geht in einem inspirierenden Beitrag davon aus, dass sich das Automobil nach dem ›Wirtschaftswunder‹ von einem »Wohlstandsbarometer zum Belastungsfaktor«102 entwickelte. Er bezieht diese These aber lediglich aus Pressequellen der späten 1960er und 1970er Jahre. Deutlich differenzierter sind die Analysen von Dietmar Klenke zur »ökologischen Katerstimmung«103 um das Automobil, bilden aber ebenfalls vornehmlich die Elitendiskurse um die bundesdeutsche Verkehrspolitik ab. Zur Rekonstruktion der Entwicklung

100 Schneider, Konsum, in: ders. / Rosenkranz (Hrsg.), Konsum, S. 13. 101 Andersen, Traum, S. 161; Friedrich Knilli, Das Wolfsburger Große Welttheater. Kultauto Käfer als Repräsentation des deutschen ›Wirtschaftswunders‹, in: Kultur und Technik 1, 1998, S. 30–37; Gregor M. Rinn, Das Automobil als nationales Identifikationssymbol. Zur politischen Bedeutungsprägung des Kraftfahrzeugs in Modernitätskonzeptionen des ›Dritten Reichs‹ und der Bundesrepublik, Diss., Berlin 2008. Eine Unternehmensperspektive bieten: Nils Beckmann, Käfer, Goggos, Heckflossen. Eine retrospektive Studie über die westdeutschen Automobilmärkte in den Jahren der beginnenden Massenmotorisierung, Vaihingen 2006; Thomas Südbeck, Motorisierung, Verkehrsentwicklung und Verkehrspolitik in der Bundesrepublik Deutschland der 1950er Jahre. Umrisse der allgemeinen Entwicklung und zwei Beispiele: Hamburg und das Emsland, Stuttgart 1994. Einen breiteren Zeithorizont zeigen: Stefanie Tilly / Dieter Ziegler (Hrsg.) Automobilwirtschaft nach 1945: Vom Verkäufer zum Käufermarkt, Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic History Yearbook 2010/1. 102 Axel Schildt, Vom Wohlstandsbarometer zum Belastungsfaktor. Autovision und Autoängste in der westdeutschen Presse von den 50er bis zu den 70er Jahren, in: Hans Luidger Dienel / Helmuth Trischler (Hrsg.), Geschichte der Zukunft des Verkehrs. Verkehrskonzepte von der Frühen Neuzeit bis zum 21. Jahrhundert, Frankfurt / New York 1997, S. 289–309. 103 Dietmar Klenke, Bundesdeutsche Verkehrspolitik und Umwelt. Von der Motorisierungseuphorie zur ökologischen Katerstimmung, in: Werner Abelshauser (Hrsg.), Umweltgeschichte. Umweltverträgliches Wirtschaften in historischer Perspektive, Göttingen 1994, S. 163–190; ders., Das automobile Zeitalter. Die umwelthistorische Problematik des Individualverkehrs im deutsch-amerikanischen Vergleich, in: Günter Bayerl / Norman Fuchsloch / Thorsten Meyer (Hrsg.), Umweltgeschichte. Methoden, Themen, Potentiale, Münster 1996, S. 267–281.

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des automobilen Leitbildes ist aber ein dezidiert mikroökonomischer Zugang notwendig.104

Quellen und Gang der Untersuchung Ausgehend von den Untersuchungsebenen des automobilen Leitbildes und Marketingmanagements kombiniert die Studie diskursanalytische mit klassisch praxeologischen Methoden einer vergleichenden Fallstudienanalyse auf der Basis unternehmerischer Primärquellen. Sie nutzt zunächst die in den 1960er und 1970er Jahren veröffentlichten Artikel, Berichte, Kommentare und Interviews aus diversen überregionalen Tages- und Wochenzeitungen, aus den politischen Zeitschriften Spiegel und Stern sowie aus den populären Spezialmagazinen auto motor und sport und ADAC motorwelt, um das Spektrum der mit dem Automobil in Verbindung gesetzten Themen zu rekonstruieren. Zudem wertet sie zeitgenössische gedruckte Quellen, politische Denkschriften und Publikationen der Hersteller und des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) aus. Daneben greift die Studie auf einen breiten Fundus von Quellen aus Unternehmensarchiven zurück. Sie erfüllen eine doppelte Funktion: Zum einen werden firmeninterne Marktforschungsanalysen genutzt, um die quantitative und qualitative Entwicklung der Pkw-Nachfrage detaillierter darzulegen als es die veröffentlichten statistischen Makrodaten bislang zulassen. Besonders die Erhebungen zu Käuferverhalten und Motivstrukturen versprechen neue Erkenntnisse, wie soziokulturelle Prozesse auf den Automobilmarkt einwirkten. Zum anderen erweisen sich die Quellenbestände als ertragreich, um die Reaktionen der Automobilhersteller auf die beobachteten Umfeldveränderungen vergleichend zu analysieren. Vorstandsund Aufsichtsratsprotokolle sowie Akten aus den Büros der Firmenleitung von Daimler-Benz, BMW und Volkswagen vermitteln Einblicke in Strategiebildungs-, Entscheidungs- und Reorganisationsprozesse. Als wichtigste Quellen fungieren jedoch Überlieferungen der Marketing-, Verkaufs-, Werbe- und Presseabteilungen. Sie beinhalten Berichte und Reports, Konzept- und Strategieentwürfe, Vorlagen und Notizen sowie die Korrespondenzen zwischen den Ressorts und der Geschäftsführung. Die Materialien verdeutlichen, wie die Signale des Marktes in den jeweiligen Unternehmen verarbeitet und in operative Maßnahmen umgesetzt wurden. Hervorzuheben ist, dass darüber hinaus die Korrespondenz mit externen Beratern sowie die von ihnen erstellten Imagestudien, Marktprognosen und 104 Siehe Franz-Josef Brüggemeier / Jens Ivo Engels (Hrsg.), Natur- und Umweltschutz nach 1945. Konzepte, Konflikte, Kompetenzen, Frankfurt / M. 2005; darin Beiträge von Frank Uekötter, Erfolglosigkeit als Dogma? Revisionistische Bemerkungen zum Umweltschutz zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der ›ökologischen Wende‹, S. 105–123; Kai F. Hünemörder, 1972. Epochenschwelle der Umweltgeschichte, S. 124–144.

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Werbekonzepte ausgewertet werden konnten. Derartige Akten halten die Unternehmensarchive von BMW und Volkswagen vor. Speziell für die Ford-Werke, die in Deutschland nicht über eine eigenständige historische Sammlung verfügen, erwiesen sich die im John W. Hartman Center for Sales, Advertising and Marketing History aufbewahrten Bestände der Firma J. Walther Thompson als wertvoll, da sie die nur wenigen Quellen zur deutschen Niederlassung im Detroiter Konzernarchiv sinnvoll ergänzen. Während für Opel weder in den USA noch in Deutschland Aktenbestände zugänglich sind und die bestehenden Quellen­ lücken nur über sog. Konkurrenzberichte der Wettbewerber geschlossen werden können, liegt so für Ford eine recht dichte Überlieferung vor. Sie ermöglicht die Unterschiede in den Managementmethoden zwischen deutschen und deutschamerikanischen Automobilfirmen fundiert zu bearbeiten. Auf dieser Quellen- und Literaturbasis zeigt die vorliegende Forschungsarbeit im einleitenden Kapitel II zunächst die Grundlinien der Entwicklung des Automobilmarktes auf. Anhand quantitativer Daten werden die Veränderungen der Nachfragestrukturen überblicksartig bis zum Beginn der 1980er Jahre skizziert. Dabei stehen Absatzzyklen, die Determinanten der sozialen Diffusion des Automobils sowie die Indikatoren einer Marktsättigung im Mittelpunkt. Das Kapitel III nutzt die allgemeinen Entwicklungslinien als Kontext, um sozio­ kulturelle Wandlungen der Produktsymbolik und des automobilen Leitbildes zu beobachten. Ausgangspunkt ist der Motorisierungskonsens der 1960er Jahre, in dessen Zuge das Automobil zum unverzichtbaren Element sozialer Statusrepräsentation avancierte. Anschließend werden die Gründe für die aufkommende Automobilkritik in den 1970er Jahren ermittelt sowie die Träger und Mediatoren der Debatten um die Risiken der Massenmotorisierung identifiziert. Dabei zeigt die Studie, wie nicht nur die Produkte, sondern auch die Vermarktungspraktiken der Hersteller in das Visier einer zunehmend sensibilisierten, konsumkritischen Öffentlichkeit gerieten. Das Kapitel IV zur unternehmerischen Marktforschung fungiert im Grundriss der Studie als zentrales Scharnier zwischen den konsum- und marketinghistorischen Ansätzen. Hier verändert sich die Untersuchungsperspektive. Der Blick richtet sich in die Unternehmen, um ihre Wahrnehmungen des Nachfragewandels zu rekonstruieren und Veränderungen in den Marktforschungsmethoden nachzuvollziehen. Die folgenden Abschnitte widmen sich den Instrumenten des Managements des Wandels. Zunächst wird in Kapitel V analysiert, wie sich die Produktstrategien unter der Federführung der Marketingplanung an die veränderten Kundenwünsche anpassten. Inwieweit wurden die bestehenden Angebote durch den Ölpreisschock und die Leitbildkrise entwertet? Diese Frage ist für jede Firma sicherlich unterschiedlich zu beantworten. Dies gilt ebenso in Bezug auf die Handlungsspielräume, ihre Sortimente angesichts starker produktions- und entwicklungstechnischer Pfadabhängigkeiten kurzfristig an neue Anforderungen auszurichten. Hier werden auch die Justierungen der Angebots-, Preis- und Konditionenpolitik in den Blick genommen, bevor im Kapitel VI die Werbe- und

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Öffentlichkeitskommunikation systematisch untersucht wird. Hier verfolgt die Studie, wie sich die Inhalte der Automobilwerbung im Verlauf der 1960er und 1970er Jahre veränderten. Dokumentiert werden Strategien der Zielgruppenansprache sowie Wege und Grenzen der Kundenlenkung. In Kapitel VII steht schließlich im Fokus, wie sich die Entscheidungs- und Organisationsstrukturen der Unternehmen unter dem Einfluss der Krise veränderten. Besonderes Augenmerk ist auf die Probleme zu legen, die innerhalb der Unternehmen entstanden, als die neue Idee des Marketingmanagements auf tradierte Führungsmodelle traf. So ist letztlich zu untersuchen, ob der Markt- und Umfeldwandel auch die Unternehmen selbst in ihren Grundstrukturen umformte.

II. Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

Nach dem Zweiten Weltkrieg startete in Westdeutschland die automobile Massenmotorisierung. Die Expansion des auf dem privaten Besitz von Personenwagen gestützten Individualverkehrs ließ das Automobil zu einem Symbol des ›Wirtschaftswunders‹ und der Entfaltung der Massenkonsumgesellschaft werden.1 Seit den 1950er Jahren sahen sich immer größere Bevölkerungskreise in die Lage versetzt, durch den Kauf eines Automobils ihre soziale Teilhabe am Wohlstandszuwachs zu dokumentieren. Die herausgehobene Bedeutung des Autos im Prozess der Erweiterung von Konsumchancen gründete sich auf dem Umstand, dass es unter den klassischen langlebigen Konsumgütern, die die Ausstattung der Haushalte nach und nach komplettierten, zu den teuersten Anschaffungen zählte. In der Zwischenkriegszeit hatten fehlende Kaufkraft und ein geringes Angebot erschwinglicher Pkw die individuelle Automobilität außerhalb der gesellschaftlichen Oberschicht weitgehend verhindert.2 Die tatsächlich erst seit den späten 1950er Jahren beginnende Verbreitung von privat genutzten Personenund Kombinationskraftwagen3 hinterließ dann aber eine starke Signatur in der deutschen Konsumgeschichte. Dabei gilt es grob zwei Phasen zu unterscheiden: Bis zur Mitte der 1960er Jahre entfaltete sich die Automotorisierung unter stabilen, durchgehend günstigen Rahmenbedingungen. Die Rezession 1966/67 markierte den Übergang in eine Phase der Unsicherheit.4 Ihre Wegmarken bildeten Währungsturbulenzen nach der Aufkündigung des Bretton-Woods-Abkommens sowie die Ölpreiskrise 1973/74. Letztere spitzte den bereits zu Beginn der 1970er Jahre einsetzenden Inflationstrend zu einer tiefen Wirtschaftskrise mit hoher Arbeitslosigkeit und sinkenden Realeinkommen zu.5 Marktendogene Strukturverschiebungen in 1 Vgl. Kleinschmidt, Konsumgesellschaft, S. 139. 2 Siehe König, Geschichte, S. 305 f. 3 Laut Kraftfahrtbundesamtes und dem Verband der Automobilindustrie handelte es sich bei Personenkraftwagen (Pkw) und Kombinationskraftwagen (Kombis) um mehrspurige Kraftwagen mit eigenem Antrieb, die vorwiegend der Personenbeförderung dienen. In Abgrenzung zum gewerblichen Lastkraftwagen (Lkw) nutzt der Verfasser im Folgenden die Termini Pkw, Automobil, Auto oder Kraftfahrzeug als Überbegriffe für alle Arten von Kraftwagen, die der privaten Nutzung dienen. Analog bezieht sich der Begriff Automobilindustrie ausschließlich auf Hersteller von Pkw und Kombis, nicht auf Produzenten von Aufbauten oder Kfz-Teilen. 4 Vgl. Art. »Ist das Wirtschaftswunder zu Ende?«, in: Der Spiegel vom 3.1.1966, S. 1 u. 13–24. 5 Vgl. König, Jahre, in: Jarausch (Hrsg.), Ende, S. 91.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

der Nachfrage- und Angebotsentwicklung überlagerten sich somit mit exogenen Umbrüchen – ein Umstand, der es angebracht erscheinen lässt, die Verquickung von bedarfsstrukturellen und konjunkturellen Einflüssen auf die Branchenentwicklung gesondert darzustellen.

1. Auf gutem Weg: Die Anfänge der Automobilisierung vor 1965 1.1 Noch keine Selbstverständlichkeit: Die Nachfrage Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erlebte die Automobilbranche eine Phase des nahezu ungebremsten Wachstums. Zwischen 1950 und 1965 stieg die bundesdeutsche Produktion von Pkw und Kombis, die für die Personenbeförderung ausgelegt waren, von rund 219.400 auf mehr als 2,73 Millionen Einheiten. Mit einer durchschnittlichen jährlichen Produktionssteigerung von 29,4 Prozent wurden allein zwischen 1950 und 1955 Zuwachsraten erreicht, die weit über der westeuropäischen und US -amerikanischen Konkurrenz lag. Deutschland überholte 1954 zunächst Frankreich, zwei Jahre später auch England und platzierte sich in der Rangliste der fahrzeugproduzierenden Länder hinter den USA auf Platz zwei. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre steigerte sich der Pkw-Output um fast zwanzig Prozent (1956–1960). Erst mit Beginn der 1960er Jahre schwächte sich die Dynamik ab, wobei die Produktion weiterhin jährlich um 8,6 Prozent wuchs (1961–1965).6 Das außerordentliche Mengenwachstum der Produktbereitstellung weist die 1950er Jahre als »zweite automobile Gründerzeit«7 aus. Ihr vorausgegangen war in den Zwischenkriegsjahren eine erste Phase, in der sich die deutschen und europäischen Hersteller vornehmlich mit der Erprobung einer adäquaten Prozessund Produkttechnik für einen prognostizierten Massenmarkt beschäftigten. Im Vergleich zur fortgeschrittenen Motorisierung in den USA entfaltete sich dieser in Westeuropa erst nach 1945.8

6 Vgl. James Laux, The European Automobile Industry, New York 1992, S. 178; Achim Diekmann, Die Automobilindustrie in der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1979, S. 23. 7 Norbert Stieniczka, Vom fahrbaren Untersatz zur Chromkarrosse mit ›innerer Sicherheit‹. Der Wandel der Nutzeranforderungen an das Automobil während der 50er und 60er Jahre, in: Rudolf Boch (Hrsg.), Geschichte und Zukunft der deutschen Automobilindustrie, Stuttgart 2001, S. 185. 8 Vgl. Daniel T. Jones, Maturity and Crisis in the European Car Industry. Structural Change and Public Policy, Brighton 1981, S. 4. Die Aussage bezieht sich auf eine Pkw-Nutzung für individuelle, nichtmilitärische Zwecke.

43

Die Anfänge der Automobilisierung vor 1965

Tab. 1: Produktion und Neuzulassungen von Pkw in der BRD, 1950–1965 (Veränderungen zum Vorjahr in v. H.) Produktion

Zulassungen

Jahr

jährliche Zuwachsraten

5-JahresDurchschnitt

jährliche Zuwachsraten

5-JahresDurchschnitt

1951

26,1

28,7

19,3

23,3

1952

14,8

14,4

1953

22,1

24,6

1954

44,7

26,4

1955

35,8

1956

19,5

1957

14,2

11,6

1958

25,6

22,4

1959

15,0

19,8

1960

20,8

17,2

1961

4,8

1962

10,8

11,2

1963

14,5

4,4

31,9 19,0

8,6

19,4

12,9

1964

9,8

5,7

1965

3,2

13,0

18,1

9,4

Quelle: TuZ, 1969/70, S. 32–36.

Parallel setzte mit Beginn der 1950er Jahre eine stabil wachsende Nachfrage ein, die zunächst jedoch maßgeblich vom Auslandsabsatz getragen wurde. Der sog. Korea-Boom fachte die ausländische Nachfrage nach deutschen Pkw an. Die französischen und insbesondere die englischen Hersteller konzentrierten sich auf die lukrative Produktion von Militärfahrzeugen. Daneben bedienten sie vornehmlich ihre Heimatmärkte und kolonialen Einflussgebiete, mit denen sie ein System der Präferenzzölle verband. Damit öffnete sich für die deutschen Automobilwerke eine Exportnische in Europa. Durch den systematischen Aufbau einer dichten Vertriebs- und Kundendienstorganisation erschlossen sie Absatzmärkte vor allem in Skandinavien, den Niederlanden, Belgien, der Schweiz und Österreich. Damit schufen sie eine gute Ausgangsposition, um ihre Marktanteile auch nach Abflauen des ›Korea-Effektes‹ weiter auszubauen.9 Bereits 1950/51 9 Siehe Achim Diekmann, Die Automobilnachfrage als Konjunktur- und Wachstumsfaktor. Eine Input-Output-Studie, Tübingen 1975, S. 96 f. Zum VW-Vertriebs- und Kundenservice vgl. Lupa, Volkswagen-Chronik, S. 33.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

wurden rund 70.000 bzw. 32 Prozent der 220.000 in Deutschland gefertigten Pkw im Ausland abgesetzt. 1959 übertraf die Exportquote erstmals die 50-Prozent-Marke und erreichte mit über 51 Prozent (1964/1965) ein Allzeit-Hoch.10 Neben den europäischen Nachbarstaaten zählten die USA und Kanada zu den Hauptabnehmern deutscher Fabrikate. 1955 wurde jedes achte deutsche PkwModell nach Nordamerika exportiert. 1965 war es bereits rund jedes Dritte. Europa blieb das wichtigste Absatzgebiet des automobilen Exportweltmeisters – ein Titel, den die deutschen Hersteller bereits 1956 eroberten. Zunächst rund 70 Prozent, Mitte der 1960er Jahre dann immer noch deutlich mehr als die Hälfte aller Exporte ging in die Nachbarländer. Bis weit in die 1970er Jahre zeigte die deutsche Pkw-Ausfuhr diese duale Ausrichtung auf die Märkte in Westeuropa und Nordamerika.11 Tab. 2: Pkw-Dichte in der BRD, 1946–1966 (Bestand pro 1.000 Einwohner) Jahr

Pkw-Bestand

1946

5,0

1950

11,0

1952

18,3

1958

51,0

1960

80,3

1962

101,0

1966

173,0

Quelle: Berg, Automobilindustrie, S. 173; Diekmann, Automobilindustrie, S. 10 f.; Beckmann, Käfer, S. 93.

Dabei übernahm die Auslandsnachfrage eine Kompensationsfunktion für die sich erst langsam entwickelnde Binnennachfrage. Wurden 1950 mit 150.000 von rund 220.000 produzierten Pkw rund 68 Prozent im Bundesgebiet verkauft, sank die Inlandsquote bis 1960 auf 53,4 Prozent ab, um sich bis Mitte des Jahrzehnts wieder leicht auf 55,5 Prozent zu erholen.12 Das Marktwachstum von jährlich 10 Daten nach TuZ, 1981, S. 26–28. Vgl. Beckmann, Käfer, S. 70 f., Abb. 9.  11 Die Import-Zollsätze betrugen für Personenkraftwagen am 1.1.1957: Deutschland 17 Prozent (Pkw bis 2.000 ccm); Frankreich 30 Prozent, Italien 40 Prozent und in den Beneluxstaaten 20 Prozent (jeweils Pkw bis 1.500 ccm). Deutschland senkte die Importzölle für Pkw im August 1957 auf 12,5 Prozent. Vgl. VDA , Die europäische Automobilindustrie. Lage und Entwicklung 1959, Frankfurt / M. 1960, S. 29; Manfred Raisch, Die Konzentration in der deutschen Automobilindustrie. Betriebswirtschaftliche Bestimmungsfaktoren und Auswirkungen, Berlin 1973, S. 138; Diekmann, Automobilnachfrage, S. 102–107, Tab. 22. 12 Eigene Erhebungen auf der Basis von TuZ, 1969/70, S. 32 f. u. TuZ 1979, S. 26–28.

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Die Anfänge der Automobilisierung vor 1965

bis zu 32 Prozent wies auf einen stark aufgestauten Bedarf hin. Dieser wiederum fußte auf einem sehr geringen Ausgangsniveau der Automobilität.13 Bereits in der Weimarer Republik hatte Deutschland mit einer Pkw-Dichte von nur dreißig Pkw14 auf 1.000 Einwohner (1938) einen Motorisierungsrückstand im Vergleich zu England oder Frankreich aufgebaut. Das Scheitern des KdF-Wagen-Projektes, die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und die Beschlagnahmungen der Alliierten reduzierten die Anzahl an Fahrzeugen auf dem späteren Bundesgebiet bis 1949 auf rund ein Drittel des Vorkriegsbestandes. Mit einer Motorisierungsrate von fünf Pkw auf 1.000 Einwohner (1946) fiel Deutschland auf den Status eines automobilen Entwicklungslandes zurück. Trotz eines fulminanten Aufholprozesses erreichte das Land erst Mitte der 1960er Jahre das durchschnittliche westeuropäische Niveau der privaten Pkw-Nutzung.15 Tab. 3: Durchschnittliche monatliche Haushaltsnettoeinkommen in der BRD, 1950–1968 (Berufsgruppen, in DM) Jahr

Arbeiter

Angestellte

Selbständige / Beamte

1950

283

346

437

1955

474

570

754

1960

683

804

1.154

1964

908

1.031

1.559

1968

1.082

1.260

2.147

Quelle: Hermann Adam, Die Einkommensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1976, S. 16.

Sicherlich mangelte es der deutschen Automobilindustrie nicht an mittelfristig überaus positiven Entwicklungsmöglichkeiten. Die geringe Pkw-Dichte und die unerfüllten Motorisierungsversprechen des ›Dritten Reiches‹ sorgten für großen Nachholbedarf. Jedoch fehlte es der Bevölkerung zu Beginn der 1950er Jahre an Kaufkraft.16 Für einen Großteil der sozialen Gruppen war der Pkw-­Erwerb finanziell schlichtweg utopisch. Die Preise für die beiden meist verkauften Kompaktund Mitteklassemodelle, den VW Käfer 1200 und den Opel Olympia-Rekord,

13 Vgl. Hartmut Berg, Automobilindustrie, in: Peter Oberender (Hrsg.), Marktstruktur und Wettbewerb in der Bundesrepublik Deutschland. Branchenstudien zur deutschen Volkswirtschaft, München 1984, S. 173. 14 Privat und gewerblich genutzte Fahrzeuge. 15 Vgl. Diekmann, Automobilindustrie, S. 11; Beckmann, Käfer, S. 94. Zu der Verbreitung in Westeuropa siehe Haustein, Mangel, S. 122–124. 16 Vgl. Beckmann, Käfer, S. 66. Zum NS -Motorisierungsprojekt siehe Dorothee Hochstetter, Motorisierung und ›Volksgemeinschaft‹. Das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps (NSKK) 1931–1945, München 2005.

46

Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

lagen 1953 bei 4.500 bzw. 6.250 DM.17 Selbst ein Kleinstwagen wie die BMW Isetta kostete 1958 2.650 DM.18 Zwar steigerten sich die monatlichen Durchschnittseinkommen, aber Arbeiterlöhne von 283 (1950) bis 683  DM (1960) sowie Angestelltengehälter von 346 DM (1950) und 804 DM (1960) ließen individuelle Automobilität nicht zu (Tab. 3). Diese Perspektive teilten anfänglich auch die bundesdeutschen Finanzbehörden. In der Tradition der Weimarer Republik stuften sie den Besitz eines Mittelklassewagens als Luxus ein und belegten ihn mit einer Kfz-Steuer von jährlich rund 270 DM.19 Auch in kleineren Automobilklassen machten die laufenden Haltungs- und Betriebskosten »die einfache Rechnung vom schönen Leben«20 komplizierter als es die Headline der Lloyd-Werbung von 1954 suggerierte. Allein die jährlichen Steuern, Versicherungen, Benzin- und Reparaturkosten für einen Kleinstwagen addierten sich auf das Monatseinkommen eines Arbeiterhaushaltes. Der prohibitive Charakter der steuerlichen Belastungen wurde erst Mitte der 1950er Jahre abgeschwächt. Der Staat schwenkte auf eine automobilfreundliche Politik um, die den Absatz auch in einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten steigern sollte.21 Aufgrund des engen Bezuges zwischen verfügbarem Einkommen und Automobilität zeigte die Motorisierung einen schichtenspezifischen Verlauf.22 Die Gesellschaftsgruppen mit einem schwächeren Einkommen nahmen zunächst zögerlich am Autokonsum teil. Arbeiterhaushalte waren 1950 an Pkw-Neuzulassungen lediglich mit 0,3 Prozent vertreten. Anfang der 1960er Jahre wurde nur jeder fünfte Neuwagen an sie verkauft.23 Selbst die Möglichkeit, auf günstigere Angebote des Gebrauchtwagenmarktes zurückzugreifen,24 schwächte die Unterschiede beim Pkw-Besitz kaum ab. 1962 verfügten nur 22 Prozent der Arbeiter, aber schon vierzig Prozent der Angestellten und Beamten sowie 67 Prozent der Selbständigen über ein Automobil.25 Zwei weitere Faktoren zeigen die langsame Diffusion des Automobilbesitzes in untere und mittlere Einkommensschichten: Erstens dominierte lange Zeit die gewerbliche Nachfrage. 1950 befanden sich nur zwölf Prozent des Pkw-Bestandes 17 Vgl. Jürgen Lewandowski, Opel. Typen und Geschichte, Augsburg 1998, S. 83; ders., VW. Typen und Geschichte, Augsburg 1998. 18 Angabe aus: Michael Kriegeskorte, Automobilwerbung in Deutschland 1948–1968: Bilder eines Aufstiegs, Köln 1994, S. 16. 19 Vgl. Haustein, Mangel, S. 127; Diekmann, Automobilindustrie, S. 15. 20 Zit. nach Kriegeskorte, Automobilwerbung, S. 13. 21 Vgl. Klenke, Verkehrspolitik und Motorisierung, S. 124–137. 22 Vgl. Anton Frantzke, Die Automobilnachfrage der privaten Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland. Eine theoretische und empirische Studie auf der Basis eines diskreten Entscheidungsmodells, Frankfurt / M. 1989, S. 27. 23 Vgl. Südbeck, Motorisierung, S. 37. 24 Vgl. ebd., S. 41. Arbeiter erwarben bei einem Anteil von 31,9 (1955) bzw. 53,7 Prozent (1959) deutlich häufiger Automobile aus 2. Hand als Angestellte oder Beamte. 1960 entfielen 747.073 von 1.037.000 Besitzumschreibungen auf Arbeiterhaushalte. 25 Siehe Haustein, Mangel, S. 127.

Die Anfänge der Automobilisierung vor 1965

47

in den Händen von privaten Nutzern. Im gleichen Jahr wurden lediglich sechs Prozent, 1954 dann 19 Prozent der Neuwagen an Privathaushalte verkauft. Erst 1960 wurden erstmals mehr Privat- als Geschäftswagen angemeldet. Fünf Jahre später waren es rund 65 Prozent. Das Automobil etablierte sich nur langsam als privates Konsumgut.26 Zweitens wurde der Bedarf an individueller Mobilität in den unteren Einkommensklassen zunächst oft durch Motorräder und Mopeds bedient. Sie übernahmen eine Kompensationsfunktion. Um den Grundbedarf an Mobilität etwa für die Fahrt zum Arbeitsplatz zu decken, reichte ein preisgünstigeres Kraftrad aus, wenngleich der Wunsch, sich einen Pkw anzueignen, auch in Arbeiterhaushalten stark verbreitet war.27 Einen höherwertigen Ersatz für Motorräder bildeten ab der Mitte der 1950er Jahre Kleinstwagen und Rollermobile. Trotz ausgesprochen niedriger Motor- und Komfortleistungen bevölkerten 1957 etwa 300.000 solcher Vehikel die deutschen Straßen.28 Ihr Erfolg war Ausdruck des vielfach noch »kleinen Wohlstands«29 in der Bundesrepublik. Große Teile der Gesellschaft verfügten noch nicht über ausreichende disponible Einkünfte, um neben notwendigen Verbrauchsausgaben für Nahrung, Bekleidung, Gesundheit und Wohnen langlebige Gebrauchsgüter zu konsumieren. Die Nachfragestruktur der westdeutschen Haushalte (Tab. 4) bestätigt dies. Die recht groben Haushaltsrechnungen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass zwischen 1950 und 1960 mit 83,9 bzw. 79,7 Prozent und damit ein Großteil der privaten Ausgaben auf die Deckung von Grundbedürfnissen entfiel. ›Verkehr und Nachrichtenübermittlung‹ sowie ›Bildung und Unterhaltung‹ machten nur einen kleinen Teil der Budgets aus. Wenngleich der Trend gemäß des Engelschen Gesetzes30 mit steigendem Einkommen ein Sinken der Nahrungs- und Verbrauchsgüterausgaben aufwies, wuchs der Spielraum für den Kauf langlebiger Konsumgüter zunächst langsam.31 Die anteiligen Ausgaben für die Anschaffung und Unterhaltung von Kraftfahrzeugen lag bis 1960 noch unter zwei Prozent der verfügbaren Einkünfte. Bis 26 Vgl. Beckmann, Käfer, S. 96; Diekmann, Automobilnachfrage, S. 34 u. 46. 27 Siehe u. a. Haustein, Mangel, S. 131 f.; Andersen, Traum, S. 157. 1955 erreichte der Bestand an Motorrädern mit rund 2,5 Millionen Einheiten seinen Höhepunkt. Danach sank er stetig ab. 1965 standen 6.000 Neuanmeldungen von Motorrädern fast 1,4 Millionen Automobilen gegenüber. 28 Vgl. Art. »Das Ding aus Dingolfing«, in: Der Spiegel vom 22.5.1957, S. 45 u. 51. Einen Überblick über die Angebotsbreite an Rollermobilen und Kleinstwagenmodellen geben Walter Zeichner, BMW Isetta und ihre Konkurrenten (1955–1962). Eine Dokumentation, München 1986; ders., Kleinstwagen und Kabinenroller aus aller Welt (1945–1965). Eine Dokumentation, Stuttgart 1997; Stieniczka, Untersatz, S. 185. 29 Wildt, Wohlstand. Vgl. auch Kleinschmidt, Konsumgesellschaft, S. 131–140. 30 Das Engelsche Gesetz beschreibt die mehrfach empirisch belegte Regel, dass der Einkommensanteil, den ein Privathaushalt für die Grundnahrungsmittel ausgibt, mit steigendem Einkommen sinkt. 31 Vgl. auch Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 312 f.

48

Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

Tab. 4: Nachfragestruktur der privaten Haushalte, 1950–1970 (Ausgabearten, in v. H.) Ausgabearten

1950

1960

1970

Nahrungs- und Genussmittel

43,0

38,6

30,6

Kleidung und Schuhe

15,4

12,5

10,6

Wohnungsmieten u. ä.

7,2

7,6

12,5

Elektrizität, Gas, Brennstoffe

3,0

3,9

3,7

12,1

13,5

12,3

Verkehr und Nachrichtenübermittlung

5,7

7,8

13,6

Körper- und Gesundheitspflege

3,2

3,6

4,6

Bildung und Unterhaltung (u. a. TV, Radio, Bücher)

6,6

7,6

7,3

Persönliche Ausstattung (u. a. Reisen, Unterbringung)

3,8

4,9

4,8

Haushaltsführung (u. a. Möbel u. Hausgeräte)

Quelle: Werner Abelshauser, Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, München 2004, S. 313; Berechnungen basierend auf Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart / Mainz, jeweilige Jgg. (im Folgenden StJb).

Mitte der 1960er Jahren stieg diese Quote auf knapp sieben Prozent, sank 1966/67 aber wieder auf unter drei Prozent zurück.32 Diese für einen durchschnittlichen Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalt mittleren Einkommens erhobenen Daten zeigen zweierlei: Erstens wurde die Automobilnachfrage stark durch die Konjunkturlage beeinflusst. Die kurze Rezession 1966/67 sorgte für eine merkliche Kaufzurückhaltung.33 Zweitens zeichnet sich ab, dass die 1950er Jahre für Arbeitnehmerhaushalte sicherlich nicht den Durchbruch der Pkw-Motorisierung darstellten. Unter den gegebenen finanziellen Bedingungen rangierte das Automobil in der Prioritätenliste der ›Durchschnittsdeutschen‹ noch klar hinter Haushaltsgeräten, Fernsehern oder 32 Vgl. Alfred Reckendrees, Konsummuster im Wandel. Haushaltsbudgets in der Bundesrepublik Deutschland 1952–1998, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic History Yearbook 2007/2, S. 48–50, Abb. 4. Mit der Kategorie der »verfügbaren Einkünfte« schließt Reckendrees Ersparnisbildung und übrige Ausgaben explizit in seine Analyse ein, während zuvor erschienene Studien lediglich den privaten Verbrauch als Ausgangsbasis nehmen. Vgl. Dieter Bögenhold / Uwe Fachinger, Konsummuster im Kontrast. Die Entwicklung von Einkommensverwendungsmustern bei verschiedenen Haushaltstypen im zeitlichen Wandel, Bremen 2005. 33 Vgl. Achim Diekmann, Komponenten und Zyklen der Automobilnachfrage, in: Alfred E. Ott (Hrsg.), Probleme lang- und mittelfristiger Prognosen, speziell im Automobilsektor, Frankfurt / M. 1976, S.  144.

49

Die Anfänge der Automobilisierung vor 1965

Wohnzimmereinrichtungen.34 Erst mit den realen Einkommenssteigerungen des Folgejahrzehnts setzte eine Aufbauphase individueller Mobilität ein, die den Autobesitz in untere Einkommensschichten diffundieren ließ. Dennoch waren die sozialen Unterschiede bei der Motorisierung auch noch 1965 massiv (Tab. 5). Tab. 5: Ausstattung mit langlebigen Gebrauchsgütern, 1965 (private Haushalte, in v. H.) Gebrauchsgut

Haushaltstyp 1

Haushaltstyp 2

Haushaltstyp 3

Pkw

1,5

30,2

76,4

Motorrad, Moped

0,7

13,8

2,8

33,1

85,6

96,9

0,0

1,1

2,5

19,8

68,1

70,2

2,9

8,3

66,6

Kühlschrank Geschirrspülmaschine Waschmaschine Telefon

Legende: Haushaltstyp 1: 2-Pers.-Haushalt, Rentner u. Sozialhilfeempfänger mit geringem Einkommen Haushaltstyp 2: 4-Pers.-Haushalt, Arbeitnehmer mit mittlerem Einkommen Haushaltstyp 3: 4-Pers.-Haushalt, Beamte oder Angestellte mit höherem Einkommen Quelle: TuZ, 1981, S. 365.

1.2 Produktionsorientierung: Das Angebot Die zentrale Herausforderung der deutschen Automobilindustrie in den beiden Nachkriegsjahrzehnten bestand darin, das Angebot an die sich ausweitende Nachfrage aus dem In- und Ausland anzupassen. Der Aufbau von Produktionskapazitäten, die Sicherstellung der Materialversorgung, die Beschaffung von Produktionsmitteln und der Aufbau effektiver Vertriebsstrukturen standen daher im Mittelpunkt ihrer Geschäftspolitik.35 Noch Ende der 1940er Jahre schien der Aufstieg, den die deutsche Automobilindustrie in die weltweite Spitzengruppe der Pkw-Anbieter vollziehen sollte, kaum denkbar. Die deutschen Automobilfabriken waren durch Kriegszerstörungen und Demontagen stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Selbst die vorhandenen Anlagen befanden sich aufgrund von Produktionsverlagerungen der letzten Kriegsmonate in einem meist schlechten Zustand.36 Als erste Her34 Vgl. Andersen, Traum, S. 92, insbes. Tab. ›Wünsche für einen angemessenen Lebensstandard, BRD 1955‹. 35 Vgl. Raisch, Konzentration, S. 51. 36 Bei Carl F. W. Borgward in Bremen und den Daimler-Benz Standorten Untertürkheim, Sindelfingen und Gaggenau waren bis zu 85 Prozent der Werksanlagen zerstört. Bei

50

Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

steller begannen im Herbst 1945 Ford in Köln und VW in Wolfsburg mit einer bescheidenen Produktion. Beide Unternehmen standen unter amerikanischer bzw. britischer Verwaltung und profitierten von ersten alliierten Produktionsaufträgen im Pkw- und Lkw-Bereich, gesicherten Materialzuteilungen und dem zügigen Aufbau neuer Organisationsstrukturen.37 Daimler-Benz und der vormals größte deutsche Hersteller Opel nahmen 1947, BMW erst 1951 die Fahrzeugproduktion wieder auf.38 Im Jahr 1952 produzierten insgesamt elf deutsche Automobilhersteller rund 300.000 Automobile. Fünf Jahre später stellten zwölf Firmen erstmals mehr als eine Million Kraftwagen her. 1962 durchbrachen sie die Marke von zwei Millionen Einheiten.39 Neben der günstigen Nachfragesituation war das im westeuropäischen Vergleich überdurchschnittliche Wachstum der deutschen PkwIndustrie vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen: Zum einen wurden die zerstörten und beschädigten Produktionsanlagen in den 1950er und 1960er Jahren notwendigerweise erneuert. Die Modernisierung der Maschinen führte zu Produktivitätsvorteilen im Wettbewerb mit auslänVolkswagen, Ford, Opel und BMW lagen die Schäden mit 30 bis 50 Prozent geringer. Vgl. Ralf Richter, Die Währungs- und Wirtschaftsreform 1948 im Spiegel unternehmerischer Personalpolitik. Volkswagen, 1945–1950, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 48, 2003, S. 219; Raisch, Konzentration, S. 43; Kriegeskorte, Automobilwerbung, S. 8 f. Die Demontagen und Sozialisierungen von Standorten in der sowjetisch besetzten Zone betrafen u. a. die Chemnitzer Auto Union, die Daimler-Fabrik in Berlin-Marienfelde und das BMW-Werk in Eisenach. Auf der Basis einer Übereinkunft der Alliierten wurden die Produktionsanlagen des Opel-Werks Rüsselsheim im Sommer 1946 demontiert und als Teil der Moskwitsch-Fabriken in der UdSSR wiederaufgebaut. Vgl. Peter Kirchberg, Plaste, Blech und Planwirtschaft. Die Geschichte des Automobilbaus in der DDR , Berlin 2000, S. 28–30; Lewandowski, Opel, S. 74. 37 Vgl. Markus Lupa, Das Werk der Briten. Volkswagen und Besatzungsmacht 1945–1949, 2. Aufl., Wolfsburg 2005, S. 32; Ralf Richter, Ivan Hirst. Britischer Offizier und Manager des Volkswagenaufbaus, Wolfsburg 2003; Hans-Christoph von Seherr-Thoss, Die deutsche Automobilindustrie. Eine Dokumentation von 1886 bis heute, Stuttgart 1974, S. 386. 38 Vgl. Andrew Noakes, Faszination BMW, 2. Aufl., Köln u. a. 2008, S. 42; Trevor Legate, Faszination Mercedes-Benz, 2. Aufl., Köln u. a. 2008, S. 89; Lewandowski, Opel, S. 72. 39 Namentlich handelte es sich 1952 um die Firmen Auto Union GmbH, NSU / Deutsche Fiat, BMW, Daimler-Benz, Ford, Opel, Porsche und Volkswagen, daneben die BorgwardWerke GmbH nebst ihrer zwischenzeitlich selbständigen Töchterunternehmen Goliath und Lloyd. 1955 kam die Hans Glas GmbH hinzu. Kleinstwagen- und Kabinenrollerhersteller wie Messerschmitt, Zündapp und die Fuldamobil-Werke (Elektro-Maschinenbau Fulda GmbH) produzierten ebenfalls drei- oder vierrädrige Automobile. Diese wurden von der VDA-Statistik jedoch zunächst nicht als genuine Automobilhersteller geführt. Vgl. TuZ, 1969/70, S. 32 f.; Kraftfahrt-Bundesamt (Hrsg.), Statistische Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes und der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr, Bonn / Bad Godesberg, H. 10/1981, S. 2–3 (im Folgenden KBA). Aufgrund unterschiedlicher Zuordnungen variieren die Angaben über die Zahl deutscher Hersteller in der Literatur: Siehe Raisch, Konzentration, S. 45; Harald Jürgensen / Hartmut Berg, Konzentration und Wettbewerb im gemeinsamen Markt. Das Beispiel der Automobilindustrie, Göttingen 1968. Sie geben für 1956 wahlweise 18 (Raisch) oder nur 9 (Jürgensen / Berg) Firmen an.

Die Anfänge der Automobilisierung vor 1965

51

dischen Anbietern.40 Die neuen Maschinenparks kamen mehrheitlich aus den USA . Im Rahmen des Marshall-Plans lieferten US -Industrielle bereits 1948/49 Werkzeugmaschinen und Pressen u. a. in das Wolfsburger Volkswagenwerk. Im Verlauf der 1950er Jahre basierte die »technologische Reorganisation«41 bei VW und den US -Töchterfirmen Ford und Opel auf amerikanischem Know-how und neuesten, importierten Spezialmaschinen. Der Rückgriff auf moderne Produktionstechnologie ermöglichte den (Wieder-)Einstieg in die Massenproduktion.42 Zum anderen konnten die Automobilproduzenten in ausreichender Zahl auf gut ausgebildete Arbeitskräfte zurückgreifen. Nachdem sich die Flucht- und Wanderbewegungen beruhigt und sich die Probleme einer hohen Mitarbeiterfluktuation gelegt hatten, standen sowohl in der militärischen Kraftfahrzeugproduktion geschulte Facharbeiter als auch ein Heer von ungelernten Kräften für den Einsatz in der Fertigung bereit.43 Das Ausgangs-Lohnniveau in Westdeutschland war zu Beginn der 1950er Jahre relativ gering. Für einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren blieben die Lohnzuwächse deutlich hinter den Produktivitätsfortschritten zurück. Der Kostenvorteil blieb somit lange erhalten.44 Von 1954 bis 1962 wuchs die Wertschöpfung je Beschäftigtenstunde deutlich schneller als die Löhne. Der Lohnanteil an den Produktionskosten pro Einheit sank durch Rationalisierungserfolge in der Autoindustrie um gut ein Viertel, während er in der Gesamtwirtschaft parallel um 25 Prozent zunahm. Erst ab etwa 1965 schlug die Kostensituation zulasten der Hersteller um. Jetzt stiegen die durchschnittlichen Stundenlöhne schneller als die Arbeitsproduktivität.45 Die kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsproduktivität war der Schlüssel für die starke Wachstumsdynamik der Branche. Die preisbereinigte Nettowertschöpfung je geleisteter Arbeitsstunde verfünffachte sich zwischen 1952 und 1970 von 2,20 auf knapp unter zwölf DM. Mit einem durchschnittlichen jährlichen Anstieg von 9,4 Prozent lag die Autoindustrie damit nicht nur weit über dem fünfprozentigen Zuwachs aller anderen Industriesektoren. Sie ließ auch die US -amerikanischen, britischen und (noch) die japanischen Konkurrenten hinter sich.46 40 Vgl. Beckmann, Käfer, S. 66; Diekmann, Automobilindustrie, S. 23; Hans Pohl, Konjunkturen und Krisen. Die deutsche Automobilindustrie zwischen Neubeginn und zweitem Ölpreisschock, in: Rainer Gömmel / Markus A. Denzel (Hrsg.), Weltwirtschaft und Wirtschaftsordnung. Festschrift für Jürgen Schneider zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2002, S. 234. 41 Kleinschmidt, Blick, S. 159. 42 Vgl. ebd., S. 160; am Beispiel VW immer noch einschlägig Volker Wellhöner, ›Wirtschaftswunder‹ – Weltmarkt – westdeutscher Fordismus. Der Fall Volkswagen, Münster 1996. 43 Vgl. Richter, Währungs- und Wirtschaftsreform, S. 236–238. 44 Vgl. Barry Eichengreen, The European Economy Since 1945. Coordinated Capitalism and Beyond, Princeton / N J 2007, S. 88 (Tab. 4.1) u. 96. Eichengreen sieht hierin eine der zentralen Voraussetzungen für Deutschland, um die Rolle eines ›Pacesetters‹ des industriellen Wiederaufbaus in Europa zu übernehmen. 45 Vgl. Südbeck, Motorisierung, S. 52; siehe hierzu die Grafik in: Diekmann, Rolle, S. 108. 46 Vgl. Achim Diekmann, Die Rolle der Automobilindustrie im wirtschaftlichen Wachstumsprozess, in: VDA (Hrsg.), Automobil. Technischer Fortschritt und wirtschaftliches

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

Generiert wurde die Steigerung der Arbeitsproduktivität vor allem durch Sachanlageninvestitionen in die Ausstattung der Arbeitsplätze. Die notwendigen finanziellen Ressourcen ließen sich durch die zurückhaltende Lohnentwicklung leicht aufbringen.47 So intensivierten die deutschen Hersteller den Kapitaleinsatz je Beschäftigten von 14.600 (1950) auf 53.000 DM (1970).48 Allein Volkswagen steigerte seine Anlageinvestitionen von 37,7 (1951) über 173 (1955) auf 476 Millionen DM (1959).49 In der ersten Hälfte der 1960er Jahre startete eine neue Phase der Expansion. Waren zuvor die Anlagen der Hauptwerke ausgebaut worden, wurden nun weitere Werksniederlassungen mit neuen Transferstraßen eröffnet, um die Produktionskapazitäten auszudehnen. Opel investierte ab 1960 in den Aufbau seines Zweigwerkes Bochum allein 1,3 Milliarden DM. Ab 1962 liefen hier jährlich rund 100.000 Exemplare des neuen Modells Kadett vom Band.50 VW vergrößerte die Pkw- und Nutzfahrzeugherstellung in den Niederlassungen Hannover, Kassel und Braunschweig. 1964 öffnete das Werk Emden, in dem täglich mehr als 500 VW Käfer des Typs 1300 für den Export produziert wurden. Während Daimler-Benz seine Werke in Raum Stuttgart-Sindelfingen zu einem regionalen Cluster für die Pkw-Fertigung ausbaute, startete Ford Mitte der 1960er Jahre die Produktion an den neuen Standorten Saarlouis und Genk (Belgien). Die allein in Westdeutschland zwischen 1960 und 1965 getätigten Anlageinvestitionen lagen damit mehr als doppelt so hoch wie in Frankreich oder Italien.51 Mit der Massenproduktion setzte sich nicht nur das fordistische Produktionssystem, sondern auch ein produktionsorientiertes Managementmodell durch. Um Skaleneffekte zu erzielen, setzte die deutsche Automobilindustrie in den 1950er Jahren auf standardisierte Produktstrategien, sie steigerte die Fertigungstiefe und baute die Produktionskapazitäten aus.52 Insbesondere der letzte Punkt

47 48 49 50 51 52

Wachstum. VDA Presse-Kolloquium, Bad Reichenhall am 9./10. Juni 1970, Frankfurt / M. 1970, S. 100 f.; Gerhard E. Mayer, Past and Projected Labor Productivity Trends and their Potential Impact on the Structure of the World Automobile Industry of 1990, München 1983, S. 7 u. 239; Georg Erber, Catching Up or Falling Behind. Relative Differences in Productivity and Price Competitiveness between US and German Industries, 1960–1985, Berlin 1993. Zur Finanzierung von Sachanlageninvestitionen: Patrick Kresse, Corporate Finance in der westdeutschen Automobilindustrie der 1950er und 1960er Jahre, in: Akkumulation, 2007, Nr. 24, S. 20. Beziffert als Bruttoanlagevermögen je Beschäftigten in Preisen von 1962; Diekmann, Rolle, in VDA (Hrsg.), Automobil, S. 101. Zum Konnex von Kapitalintensität, Kapital­ produktivität und Arbeitsproduktivität siehe Beckmann, Käfer, S. 78 f. Vgl. Lupa, Volkswagen-Chronik, S. 39, 47, 55. Vgl. Lewandowski, Opel, S. 94. Damit entfielen 60 Prozent aller in diesem Sektor in der EWG getätigten Brutto-Anlageinvestitionen auf Deutschland. Vgl. Raisch, Konzentration, S. 47–50 u. 144; Jürgensen / Berg, Konzentration, S. 190, Tab. 15. Vgl. zu den Grundlagen des fordistischen Produktionssystems im Autobau Haipeter, Fordismus, in: Boch (Hrsg.), Geschichte, S. 221; Boyer / Freyssenet, Produktionsmodelle.

Die Anfänge der Automobilisierung vor 1965

53

prägte die Absatzstrategien in der Phase des Wiederaufstiegs. Die deutschen Hersteller setzten zunächst auf den Export, da sie die Aufnahmefähigkeit des Heimmarktes als zu gering einschätzten, um ihre Werke auszulasten. Als ab Mitte der 1950er Jahre jedoch auch die Inlandsnachfrage ansprang, waren sie trotz massiver Erweiterungsinvestitionen nicht in der Lage, ihre Pkw in ausreichender Stückzahl aufzulegen. Die Folge war ein bis weit in die 1960er Jahre anhaltender Nachfrageüberhang, der den deutschen Automobilmarkt als Verkäufermarkt charakterisierte.53 Dass der Auslandsabsatz dessen ungeachtet weiter prioritär behandelt wurde, entpuppte sich als zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite legte das Auslandsengagement die Grundlage, um sich langfristig mit einem leistungsfähigen Verkaufs- und Servicenetz international aufzustellen. Die räumliche Expansionsstrategie diente zur Risikominimierung, da sich die »Exportreserven als Stütze zur Überwindung temporärer Absatzschwierigkeiten in Deutschland erwiesen.«54 Auf der anderen Seite forderte die Exportorientierung aber auch seinen Preis. Die frühen Schritte raus auf die Auslandsmärkte verlangten hohe Investitionen, denen kurzfristig kaum gute Gewinnaussichten gegenüberstanden. Wenngleich etwa das Volkswagenwerk in den 1950er Jahren zum größten deutschen Devisenbeschaffer avancierte, wurde der Käfer im Ausland zum Selbstkostenpreis, oft sogar mit Verlust verkauft, um mittels einer aggressiven Preispolitik auf die neuen Märkte vorzudringen.55 Zugleich sorgte der starke Auslandsfokus auf dem deutschen Markt für Lieferengpässe. Noch in der ersten Hälfte der 1960er Jahre konnten Kundenbestellungen bei allen großen deutschen Herstellern erst mit einer Verzögerung von sechs bis zwölf Monaten ausgeliefert werden.56 In einem wenig wettbewerbsintensiven Marktumfeld wirkten sich diese Lieferfristen zunächst kaum negativ aus. Dieser Umstand lässt sich leicht erklären: Aufgrund des beschränkten Angebots bei gleichzeitig wachsendem Motorisierungsdrang war die Marktmacht der Nachfrager äußerst gering. Zugleich strukturierte sich der Automarkt auf Anbieterseite als heterogenes Oligopol. In »friedlicher Koexistenz«57 teilten sich wenige Anbieter den Markt nach Angebotsklassen auf. Dies bedeutete wiederum, dass der Konsument innerhalb der Segmente nicht zwischen unterschiedlichen Preis- und Leistungsangeboten wählen konnte. In einem wettbewerbsarmen Umfeld war seine Kaufentscheidung somit gewissermaßen vordefiniert. Die Dominanz der Wenigen lässt sich als ein erstes von vier Strukturmerkmalen destillieren, die den deutschen Automarkt in der frühen Automotorisierungsphase charakterisierten. Ähnlich wie die ›Big Three‹  – General Motors, Ford 53 Siehe Diekmann, Automobilnachfrage, S. 28. 54 Joachim Zahn, Automobilindustrie und Konjunkturwandel dargestellt am Beispiel der Entwicklung in den Jahren 1966–67, Kiel 1967, S. 17. 55 Vgl. Lupa, Volkswagen-Chronik, S. 32 f. 56 Vgl. Diekmann, Automobilnachfrage, S. 33. 57 Jürgensen / Berg, Konzentration, S.  135.

54

Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

und Chrysler – in den USA oder Renault, Peugeot und Citroën in Frankreich vereinigten auch in Deutschland letztlich vier Großanbieter weite Teile der Gesamterzeugung auf sich. Die kumulierten Produktionsanteile von Volkswagen, Opel, Ford und Daimler-Benz beliefen sich 1956 auf 77,3 Prozent, nach einem Ende der 1950er Jahre einsetzenden Konzentrationsprozess dann sogar auf 92 Prozent (1966).58 Die Marktanteile der ›Top 4‹ stiegen bis 1965 von 2/3 auf rund 4/5 aller Neuzulassungen. Selbst zunehmende Präsenz ausländischer Anbieter konnte diese Dominanz zunächst nicht schmälern (Tab. 6). Es zeichnete sich jedoch ab, dass vor allem der französische Hersteller Renault und der italienische Fiat-Konzern spürbar von einem wachsenden Interesse deutscher Kunden an Importfahrzeugen profitierten.59 Tab. 6: Pkw-Neuzulassungen in- und ausländischer Fabrikate, 1955–1965 Zulassungen (Anzahl)

Marktanteile (in v. H.)

Jahr

deutsche Pkw

Importe

gesamt

deutsche Pkw

davon Top 4: Importe davon Top 2: Ford, Opel, Fiat, Renault Daimler, VW

1955

415.017

3.761

418.778

99,1

66,8

0,9

74,9

1960

877.546

92.722

970.268

90,4

73,4

9,6

77,5

1965

1.348.524

169.040

1.517.564

88,9

81,3

11,1

59,5

Quelle: Eigene Berechnung aus KBA , Statistische Mitteilungen, H. 10/1981, S. 2 f.

Zweitens konkurrierten die deutschen Hersteller kaum in gleichen Größen- und Leistungsklassen direkt miteinander. Die führenden Anbieter waren meist lediglich in einem oder maximal zwei Segmenten vertreten.60 Volkswagen dominierte das Feld der Kompaktwagen mit dem VW 1200 (Käfer) mit rund 90 Prozent Zulassungsanteilen. Opel und Ford bedienten mit dem Olympia Rekord und dem 12/15 M (Meisterstück) die Mittelklasse, während sich Daimler-Benz mit den Modellreihen Mercedes 180er und 220er auf die oberen Größensegmente konzentrierte. Mit diesen wenigen Typen sind gleichzeitig die Volumenmodelle der 58 Vgl. ebd. 59 Vgl. Patrick Fridenson, Entwicklung der französischen Automobilindustrie im 20. Jahrhundert, in: Hubert Kiesewetter / Michel Hau (Hrsg.), Der Wandel von Industrie, Wissenschaft und Technik in Deutschland und Frankreich im 20. Jahrhundert, Würzburg, 2002, S. 7–17. 60 Das Kraftfahrt-Bundesamt ordnete die Pkw-Modelle nach Hubraum, also Motorgröße. Dagegen wird in den USA traditionell Rad(ab)stand typisiert. Seit etwa Mitte der 1970er Jahre wurden auch Preise und Ausstattungen als Bestimmungsmerkmale herangezogen, um den differenzierten Markt klarer zu gliedern. Vgl. KBA , Statistische Mitteilungen, H. 3/1980, N-Z, S. 15. Zur Klassifizierung der Teilmärkte auch Raisch, Konzentration, S. 81 f.

Die Anfänge der Automobilisierung vor 1965

55

Hersteller benannt, mit denen sie die Motorisierung in den jeweiligen Einkommensschichten vorstrukturierten. Modelle, mit denen die Autofirmen in bereits besetzte Segmente vorzudringen versuchten, scheiterten bis Anfang der 1960er Jahre am klaren Profil der dort etablierten Marken. So hatte etwa der von Opel für die Oberklasse konzipierte Kapitän nur wenig Erfolg. Basismodelle, die wie die ›Sparversionen‹ des Opel Rekord (1959) oder des Ford Taunus 12M (1953–55) als Konkurrenz zum VW Käfer platziert wurden, verschwanden nach kurzer Zeit wieder vom Markt.61 Auch BMW scheiterte aufgrund von Design- und Qualitätsproblemen zunächst mit dem Versuch, sich mit den Typen 501/502 im oberen Segment zu etablieren. Erst mit dem an die Markentradition anknüpfenden sportlichen ›Mittelwagen‹ BMW 1500 (ab 1961) sowie den Erfolgen der Isetta im Kleinstwagenbereich (ab 1955) gelang es dem Unternehmen, sich mit einer ZweiKlassen-Strategie neu aufzustellen und die eigene Unabhängigkeit zu wahren.62 Mit der mono- und dypolistischen Besetzung der Teilmärkte verband sich drittens ein nur gering ausgeprägter Preis- und Konditionenwettbewerb. Aufgrund der starken Nachfrage expandierten alle Segmente, so dass ausreichend Wachstumsspielräume für alle großen Marktteilnehmer gegeben waren. Steigerungen der eigenen Verkäufe berührten kaum die Absatzchancen der Konkurrenten. Die Aufgabe lautete primär, dem Mengenwachstum der Nachfrage im jeweiligen Segment durch eine ausreichende Bereitstellung von Fahrzeugen nachzukommen. Dieser Umstand prägte die unternehmerische Strategiebildung. Sie ließ die Hersteller weitgehend auf den Einsatz klassischer absatzpolitischer Wettbewerbsinstrumente verzichten: Der Anreiz […], durch Preissenkungen, häufigeren Modellwechsel, verstärkte Werbung usw. zu versuchen, den Absatz über die ›normale‹, d. h. expansionsbedingte Zuwachsrate hinaus zu erhöhen, musste somit bei den großen Herstellern gering sein. Hätten sie doch gar nicht die Möglichkeit besessen, die durch erfolgreiches Attackieren der Marktanteile ihrer Konkurrenten zusätzlich gewonnene Nachfrage auch tatsächlich zu befriedigen.63

Insbesondere Preissenkungen kamen in den 1950er Jahren kaum in Frage, weil die zusätzlich generierte Nachfrage die Produktionsmöglichkeiten der Her61 Zur Modellpolitik der deutschen Hersteller siehe Klaus Wilhelm Busch, Strukturwandlungen der westdeutschen Automobilindustrie. Ein Beitrag zur Erfassung und Deutung einer industriellen Entwicklungsphase im Übergang vom produktions- zum marktorientierten Wachstum, Berlin 1966, S. 90–94, insbes. Tab. 37. 62 Zur BMW-Krise: Florian Triebel / Manfred Grunert, Krisenerfahrung bei der BMW AG . Zur Typologie des Phänomens Unternehmenskrise, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic History Yearbook 2006/2, S. 24–26. Lediglich im Kleinstwagenbereich war die Bandbreite an Modellen und Anbietern größer. Ab Beginn der 1960er Jahre fand dieses Segment aber immer weniger Zuspruch. Die »Bastler-Hersteller« gerieten in einen Konzentrationssog. Beispielhaft sei auf die Übernahme von Glas durch BMW 1966 verwiesen. Vgl. Raisch, Konzentration, S. 48. 63 Jürgensen / Berg, Konzentration, S.  147.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

steller überstiegen hätte.64 Gleichzeitig erschienen aber auch Preissteigerungen aufgrund stabiler Rohstoffpreise und steigender Produktivität weder notwendig noch sinnvoll. Den Autokonzernen war bewusst, dass Absatzausweitungen außerhalb des gewerblichen Bedarfs nur erreichbar waren, wenn man private Erstnutzer für das Auto gewann. Eine Anhebung der Preise hätte aber gerade einkommensschwächere Schichten länger von der Automobilität abgehalten und sie auf den Motorrad-, Kleinst- oder Gebrauchtwagenmarkt verwiesen.65 Viertens war die Produktpolitik der großen deutschen Automobilproduzenten bis in die 1960er Jahre hinein durch eine hohe Modellkonstanz und geringere Angebotsbreite geprägt. Wie bereits angedeutet, zielten die Unternehmen darauf, durch ein reduziertes Typenangebot die Vorteile der fordistischen Massenfertigung zu nutzen. Volkswagen baute in den 1950er Jahren ausschließlich den VW 1200 in einer Standard- und einer Exportversion.66 Der VW Käfer avancierte zum erfolgreichsten Automodell der Nachkriegszeit und damit zum »Symbol des wirtschaftlichen Wiederaufstiegs.«67 Mit rund 370.000 Neuzulassungen im Inland erreichte er 1960 einen Marktanteil von 38,6 Prozent. Mit rund 490.000 im Ausland abgesetzten Einheiten stammten zugleich 62,7 Prozent des gesamten deutschen Pkw-Exports aus dem Hause Volkswagen. Mit rund einer Million Exemplaren verkauften die Wolfsburger 1965 schließlich mehr VW Käfer als alle Opel- und Ford-Fahrzeuge zusammen.68 Auch die Töchter der US -Konzerne GM und Ford setzten auf eine eingeschränkte Vielfalt an Baureihen. Opel fertigte lediglich das Mittelklasse-Grundmodell Olympia Rekord sowie den Kapitän. Der Olympia Rekord erreichte in seiner Klasse zwischen 1955 und 1961 Marktanteile um die fünfzig Prozent. Wichtigster Konkurrent war der Ford 12M, dem erst 1957 mit dem größeren 17M ein zweites Modell zur Seite gestellt wurde.69 Eine Parallele in der frühen Sortimentspolitik der beiden Hersteller bildete, dass sie die technische Grundkonzeption ihrer Fahrzeuge kaum veränderten. In immer kürzeren Abschnitten nahmen sie lediglich stilistische Facelifts vor. Hierin deutet sich die auf den fortgeschrittenen US -Märkten erprobte Produktstrategie der psychologischen

64 Vgl. Busch, Strukturwandlungen, S. 155. 65 Daten aus Südbeck, Motorisierung, S. 52. Die historische Entwicklung des Gebrauchtwagenmarktes ist bislang nicht erforscht. Erste Hinweise liefert Christopher Kopper, Der Durchbruch des Pkw zum Massenkonsumgut 1950–1964, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic History Yearbook 2010/1, S. 32–34. 66 Das Export-Modell unterschied sich von der Basisversion durch verchromte Stoßstangen, Radkappen und Lampenringe. Es bot im Innenraum mit gepolsterten Sitzen, einem Radio und einer Uhr das Mindestmaß an Ausstattung, um auf den Auslandsmärkten Akzeptanz zu finden. Vgl. Lewandowski, VW, S. 31. 67 Willi Bongard, Fetische des Konsums. Portraits klassischer Markenartikel, Hamburg 1964, S. 93. 68 Daten aus TuZ, 1974, S. 38; TuZ, 1976, S. 40–42. 69 Vgl. Busch, Strukturwandlungen, S. 90; Südbeck, Motorisierung, S. 54.

Die Anfänge der Automobilisierung vor 1965

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Obsoleszenz70 an. Sie setzte darauf, den potentiellen Käufern durch jährliche äußerliche Neuerungen immer neue Kaufanreize zu geben. Noch waren die Erfolge dieser Taktik allerdings gering, weil es in Deutschland bis dato »nicht als besonders prestigeträchtig galt, jeweils die neuesten Pkw-Modelle zu fahren. Vielmehr unterstrich zunächst bereits die Tatsache, überhaupt ein eigenes Auto halten zu können, eine besondere soziale und ökonomische Position.«71 Etwas stärker aufgefächert zeigte sich lediglich das Angebot von Daimler.72 Das Stuttgarter Unternehmen bot seinen 6-Zylinder-Grundtyp 220 zu Beginn der 1960er Jahre mit drei leistungsabgestuften Motoren in einer Basis-, Cabrioletund Coupé-Variante an. Noch breiter war die Auswahl in der kleineren 180erReihe mit vier Benzinern und fünf Dieselmodellen. Mit dieser Variabilität zollte Daimler den gehobenen Ansprüchen seiner einkommensstarken Privatkundschaft Tribut und kombinierte für die gewerbliche Nutzung ihrer Autos als Taxis unterschiedliche Ausstattungsangebote mit relativ sparsamen und robusten Dieselmotoren.73 Die friedliche Koexistenz der Automobilhersteller wurde erst mit Beginn der 1960er Jahre gestört. »Das Ziel der Automobilindustrie kann nicht das Herausbringen neuer Modelle sein, sondern das Produzieren und Verkaufen.«74 Dieser vom VW-Vorstand Heinrich Nordhoff 1959 formelhaft zusammengefasste Konsens der 1950er Jahre wurde durch eine schrittweise horizontale Angebotsausweitung durchbrochen. Den Ausgangspunkt markierten zwei Markteinführungen: Volkswagen drängte mit dem 1961 präsentierten VW 1500 in die Mittelklasse.75 Die Modellreihe sollte insbesondere Familien beim Umstieg vom Käfer eine höherwertige Alternative aus dem eigenen Konzern bieten.76 Wenige Monate später platzierte Opel mit dem Kadett ein direktes Konkurrenzmodell zum Käfer. Mit jährlich über 130.000 verkauften Exemplaren eroberte sich das Modell rasch einen Marktanteil von rund 25 Prozent im Kleinwagensektor.77 Volkswagen sah sich dagegen erstmals mit harschen Absatzrückgängen konfrontiert78 – Grund genug für zahlreiche zeitgenössische Kommentatoren, nun eine 70 Vgl. zum Begriff der psychologischen und technischen Obsoleszenz vor allem die Kritik von Vance Packard, The Waste Makers, New York 1960 (dt.: Die große Verschwendung, Frankfurt / M. 1960), S.  73. 71 Südbeck, Motorisierung, S. 55. Vgl. zur Opel-Modellpolitik Lewandowski, Opel, S. 84 f. 72 Vgl. Beckmann, Käfer, S. 246, Fn. 853. 73 Vgl. ebd., S. 247. 74 Johannes K. Engel / U lrich Blumenschein, Ist der VW veraltet? Ein Spiegel-Gespräch mit dem Generaldirektor des Volkswagenwerks Prof. Dr. ing. Heinz Nordhoff, in: Der Spiegel vom 30.9.1959, S. 40–58, hier S. 40. 75 Vgl. Unternehmensarchiv Volkswagen  AG (UVW), Verkaufsberichte, 174/1035/7, Anlage 4.  76 Vgl. Lupa, Volkswagen-Chronik, S. 60; Lewandowski, VW, S. 45–47. 77 Vgl. »Auto-Test Opel Kadett«, in: auto motor und sport, H. 10, 1962; TuZ, 1966, S. 30. 78 Siehe UVW, Verkaufsberichte, 174/1035/8, Jahres-Kurzbericht 1962, Personenwagen-­ Verkauf-Inland, S. 1.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

drohende Sättigung der Automobilnachfrage zu prophezeien. Die Verschärfung des Wettbewerbs galt als Kennzeichen des Wandels zum Käufermarkt, auf dem sich die Anbieter zunehmend in die Defensive gedrängt sehen würden.79 Leider reproduzieren bis heute alle historischen Marktstudien diese Sichtweise äußerst unkritisch. Sie terminieren den Wechsel zum Käufermarkt auf »1958/59, spätestens 1962/63«80 und beschreiben ihn äußerst unglücklich als »Machtergreifung der Konsumenten«81. Ungeachtet bleibt gleichwohl, dass in dieser Phase zentrale Kriterien für einen zeitlich ohnehin schwer festzumachenden Durchbruch des Käufermarktes unerfüllt blieben.82 Das Angebot an Automobilen überstieg keineswegs den Bedarf. Gerade die Arbeiterhaushalte waren 1965 erst zu einem Drittel motorisiert. Bei einem sprunghaften Anstieg der Neuzulassungen von 0,97 (1960) auf 1,5 (1965) und schließlich 2,1 Millionen Exemplare verfügte der Automarkt weiterhin über große strukturelle Wachstumspotentiale.83 Bei weitem war die Marktposition der Käufer nicht stark genug, um Preisnachlässe, Angebotsmengen oder Lieferbedingungen zu bestimmen. Tatsächlich neu war, dass sich der Wettbewerb in die bis dahin kaum umkämpften Teilmärkte verlagerte und sich dort intensivierte. Dieser Schritt vollzog sich jedoch eher angebots- als nachfrageinduziert. Der Impuls ging vom Motiv der Hersteller aus, neue Abnehmerkreise zu erschließen, um ihre erweiterten Produktionskapazitäten auszulasten. Trotz des Strategiewechsels zur Produktpolitik der sog. diversified product line84 blieb die Angebotsvielfalt in den Teilmärkten begrenzt. Die Verteilung der Neuzulassungen auf die einzelnen Größen- und Preisklassen zeigt, dass der Wettbewerb auf jeweils nicht mehr als drei (Opel / Ford) bis vier Grundtypen (Volkswagen / Daimler-Benz) ruhte.85 Die Produktstrategien orientierten sich weiterhin primär an den Erfordernissen der Massenproduktion, bei einer hohen Fertigungstiefe ein möglichst einheitliches Produktprogramm zu erstellen. Noch basierte die Produktdifferenzierung auf

79 Vgl. Jürgensen / Berg, Konzentration, S. 153; Busch, Strukturwandlungen, S. 147. 80 Pohl, Konjunkturen, in: Gömmel / Denzel (Hrsg.), Weltwirtschaft, S. 235. Allein die Begrifflichkeit eines durch die Verkäufer oder eben Käufer bestimmten Marktes ist in seiner strikten Bipolarität kritisch zu sehen, da ein Markt stets durch eine spezifische Angebotsund Nachfragekonstellation konstruiert ist. 81 Siehe Originalzitat von Günther Rinsche, Der aufwendige Verbrauch. Sozialökonomische Besonderheiten geltungsbedingter Nachfrage, in: ders. / Hartmut Kreikebaum (Hrsg.), Das Prestigemotiv in Konsum und Investition. Demonstrative Investition und aufwendiger Verbrauch, Berlin 1961, S. 105–213, hier zit. nach: Beckmann, Käfer, S. 225. 82 Zur Definition des Begriffes Käufermarkt vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, Bd. 3, 12. Aufl., Wiesbaden 1988, S. 2786; Eintrag ›Käufermarkt‹ im Marketing-Lexikon (online unter http://www.marketing-lexikon-online.de; eingesehen am 15.3.2017). 83 Vgl. TuZ, 1979, S. 26 f. 84 Siehe Jürgensen / Berg, Konzentration, S. 166. 85 Zum Teil handelte es sich wie beim VW 1200/1300 und 1500/1600 oder dem Ford 12M/17M nur um Variationen weitgehend identischer Grundtypen.

Die Anfänge der Automobilisierung vor 1965

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einer geringen Bandbreite von Motoraggregaten und Ausstattungsfeatures.86 Insgesamt boten Mitte der 1960er Jahre acht Hersteller lediglich 19 Modellreihen an (Tab. 7). Auf sie entfielen 98 Prozent des gesamten Absatzes des Jahres 1965. Zwar geriet in den Teilmärkten die Inselposition einzelner Hersteller ins Wanken, die oligopolistische Angebotsstruktur blieb jedoch weitgehend erhalten. Bis auf die stärker umkämpfte Mittelklasse, in der sich mit Opel, Ford und Volkswagen drei Hersteller tummelten, dominierten in allen anderen Segmenten jeweils lediglich zwei Marken. Nur der Auto Union und BMW gelang es in die Phalanx der ›Großen Vier‹ einzudringen. Ihr Erfolg beruhte aber nicht auf einer direkten Konfrontation mit den Wettbewerbern. Vielmehr wichen sie der Konkurrenz geschickt aus, in dem sie eigene sportliche und fortschrittliche Attribute zu stärken versuchten.87 Anbieter ohne eine derartige Nischenstrategie verschwanden dagegen vom Markt. Dies gilt insbesondere für den Bremer Produzenten Borgward, der mit einer unübersichtlichen Mehrmarkenstrategie (Lloyd, Goliath, Borgward) Produkte in allen Segmenten platzierte. Trotz durchaus innovativer Ingenieurleistungen arbeiteten die Borgward-Werke niemals kostendeckend, da ihre Ausbringungsmengen zu gering blieben, um die hohe Angebotsvielfalt tragen zu können. Die offensive Produktpolitik führte 1961 schließlich in den Konkurs.88 Erst seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre machten nicht mehr nur die »Erweiterung der Produktionskapazitäten […] sowie die Öffnung der Märkte auch für ausländische Unternehmen und infolgedessen die wachsende selbstgewählte Konkurrenz eine zunehmende Marktorientierung erforderlich.«89 Jetzt sahen die zeitgenössischen Analysten eine neue »Phase der Herausforderungen«90 heraufziehen, in der sich nachfrageseitige Veränderungen mit konjunkturellen Krisen, wirtschaftspolitischen Erschütterungen und soziokulturellen Wandlungsprozessen überlagerten. In Reaktion hierauf galt eine Neuorientierung der Hersteller »von einem Schwerpunkt der Produktion zum Schwerpunkt Markt«91 als dringend erforderlich.

86 Vgl. UVW, Verkaufsberichte, 174/1035/7, Jahres-Kurzbericht 1962, Personenwagen-Verkauf-Inland, Anlage 3, Der Ausstattungsumfang des VW 1500 war typisch für einen Mittelklassewagen Anfang der 1960er Jahre. 87 Siehe Beckmann, Käfer, S. 229 u. 235 f. 88 Als weitere Gründe für den Konkurs von Borgward sind Qualitätsprobleme, Kapitalmangel und nicht zuletzt Managementfehler des Unternehmensinhabers zu nennen. Vgl. Mark Jagla, Die Borgward-Krise von 1961. Ein vermeidbarer Konkurs?, Berlin 1994; Klaus Brandhuber, Die Insolvenz eines Familienkonzernes. Der wirtschaftliche Niedergang der Borgward-Gruppe, Köln 1988. 89 Wolf Rüdiger Klinz, Marktsegmentierung in der Automobilindustrie, in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung 1969, S. 167. 90 Jürgensen / Berg, Konzentration, S.  153. 91 Heinrich Nordhoff in einer Rede in London 1966, zit. nach Zahn, Automobilindustrie, S. 15.

60

Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

Tab. 7: Produktdifferenzierung nach Marktsegmenten, 1965 (Pkw-Modelle über 10.000 Neuzulassungen) Segment Kleinstwagen

Kompaktklasse

Mittelklasse

obere Mittelklasse

Oberklasse

Marke

Modell

Neuzulassungen

NSU

Prinz

44.621

Glas

Goggomobil

24.009

Volkswagen

1200

230.913

Opel

Kadett / Olympia

131.129

Volkswagen

1300

97.727

Auto Union

DKW F 12

11.513

Opel

Rekord

180.527

Ford

Taunus 17 M

124.880

Volkswagen

1500

121.251

Ford

Taunus 12 M

94.950

Volkswagen

1600

44.011

Auto Union

DKW F 102

16.807

Ford

Taunus 20 M

53.438

Daimler-Benz

200

50.112

Daimler-Benz

190

39.182

BMW

BMW 1800

26.281

Opel

Admiral / Diplomat / Kapitän

15.677

Daimler-Benz

220

12.483

Daimler-Benz

230

10.074

Quelle: Übersicht der Zulassungen fabrikneuer Pkw nach Herstellern und Typen, in: TuZ, 1966, S. 30 f.

Strukturwandel und Krisen 1966–1982

61

2. Die Stabilität ist dahin: Strukturwandel und Krisen 1966–1982 2.1 Neue Hypotheken: Bretton-Woods und die Ölpreiskrise Mit der Rezession 1966/67 endete die Phase günstiger binnen- und außenwirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Konjunkturelle Schwankungen und Währungsunsicherheiten begleiteten den weiteren Verlauf der Motorisierung. Das Ende des Bretton-Woods-Systems veränderte die Währungsparitäten zuungunsten der deutschen Exportwirtschaft und sorgte damit für eine nachhaltige Verschlechterung der terms of trade für die Autoproduzenten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatte die Etablierung von festen Wechselkursparitäten den US -Dollar als Leitwährung für die westlichen Handelsnationen festgeschrieben und damit zugleich die ökonomische und politische Führungsrolle der Vereinigten Staaten determiniert. Solange die westlichen Industrieländer die Kapital- und Warenexporte aus den USA zum Wiederaufbau ihrer nationalen Ökonomien benötigten, hatte es in beiderseitigem Interesse der neuen transatlantischen Partner gelegen, an dem System festzuhalten. Als sich in den 1950er und 1960er Jahren in Westeuropa eine eigenständige wirtschaftliche Dynamik entfaltete, wandelte sich die hier zunächst bestehende Dollar-Lücke rasch in ein zunehmendes Überangebot. Das Prinzip starrer Paritäten bot jedoch kaum Spielraum, die internationalen Währungskurse auf diese neue Situation anzupassen, zumal dieser Schritt in den USA aus Sorge um eine (währungs-)politische Schwächung lange Zeit nicht gewollt war. Die Folge war eine dauerhafte Unterbewertung insbesondere der DM gegenüber dem US -Dollar.92 Für die deutsche Autoindustrie erwies sich diese Situation in der ersten Hälfte der 1960er Jahre als Vorteil. Sie konnte ihre Produkte auf dem US -Markt günstig anbieten. Ihre Auslandsorientierung wurde gewissermaßen durch günstige Wechselkurse getragen, die es ihr leicht machten, amerikanische Kunden mit um rund zehn Prozent unter dem Marktdurchschnitt liegenden Kampfpreisen für deutsche Fabrikate zu gewinnen.93 Aus weltwirtschaftlicher Sicht wurde das Währungssystem aber zunehmend zu einer Falle. Steigende Zahlungsbilanzdefizite und wachsende Schulden, u. a. aufgrund der Finanzierung des Vietnamkrieges, setzten den US -Dollar unter Abwertungsdruck. Zugleich strömten spekulative Devisen und Anlagegelder nach Deutschland, dessen überaus positive Leistungsbilanz der Boomjahre die Anleger geradezu anlockte. Die D-Mark geriet unter Aufwertungsdruck und wurde 92 Vgl. Barry Eichengreen, Vom Goldstandard zum Euro. Die Geschichte des internationalen Währungssystems, Berlin 2000, S. 157–161. 93 Vgl. BMW Group Archiv (BMWGA), UA 1599, Schreiben des Vorstandes an Dr. Quandt betr. die DM-Aufwertung vom 12.12.1969, S. 1.

62

Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

schließlich am 29. September 1969 zum Floaten freigegeben. Kaum einen Monat später wurde die Aufwärtsbewegung des DM-Kurses durch eine erstmalige, offizielle Aufwertung der Währung um 9,3 Prozent gegenüber dem US -Dollar stabilisiert.94 Formal blieb das starre Bretton-Woods-System zunächst auf einem angepassten Paritätsniveau bestehen. Die Strukturprobleme bestanden jedoch fort. Schon 1970 deutete sich an, dass die US -Leistungsbilanz erstmals seit Jahrzehnten negativ ausfallen würde. Dies löste im Frühjahr 1971 weitere Abwanderungen aus dem Dollar in die DM aus. Mit der Auflösung der Golddeckung des US -Dollar im August sowie seiner erneuten Abwertung um 7,89 Prozent bei gleichzeitiger Aufwertung der DM um weitere 4,61 Prozent erfolgte der nächste Akt in der Dekonstruktion des Bretton-Woods-Systems, bevor das Währungssystem im Herbst 1973 schließlich endgültig zerbrach.95 Die westeuropäischen Staaten lösten sich von der Dollar-Bindung ihrer Währungen. Das Pfund Sterling, die italienische Lira, der schweizerische Franken und der Yen floateten neben dem US -Dollar nun frei. Zunächst sechs, später acht westeuropäische Länder, darunter Deutschland, Frankreich, die Niederlande und Belgien, gingen dagegen zum gemeinsamen blockfloating über. Die Etablierung eines ›Währungstunnels‹ akzeptierter Kursspannen von plus oder minus 2,25 Prozent untereinander setzte zumindest Orientierungspunkte, um im Binnenverhältnis der Währungen zu starke Abweichungen zu vermeiden. Mit dem Übergang in das Floaten verband sich in den Folgejahren eine größere Unbeständigkeit der Währungsparitäten allgemein und eine weitergehende Aufwertungstendenz für die DM im Besonderen.96 Als Konsequenz der dauernden Währungsturbulenzen ist eine nachhaltige Erhöhung des DM-Außenwertes zu konstatieren. Der reale Außenwert der DM gegenüber den Währungen der 18 weltweit führenden Industrienationen stieg seit 1968 schrittweise um durchschnittlich zwanzig Prozent und stabilisierte sich Ende der 1970er Jahre auf einem Niveau, das bis zu 16 Prozent höher lag als ausgangs der 1960er Jahre.97 Für die Automobilindustrie bedeutete diese Entwicklung eine nahezu dramatische Verschlechterung der Preiswettbewerbsbedingungen für ihre Produkte auf den Auslandsmärkten. So berechnete etwa die Daimler-Benz AG, dass allein die Währungsverschiebungen zwischen 1970 und 1979 einer Mehrbelastung 94 Zur politischen Debatte um die Aufwertungsfrage siehe Nützenadel, Stunde, S. 339. 95 Vgl. Eichengreen, Goldstandard, S. 179; Andreas Fricke, Markteintritt und -bearbeitung in der Automobilindustrie. Volkswagen in den USA . Eine empirische Untersuchung auf Basis von Dunnings Eklektischem Paradigma, Frankfurt / M. 2007, S. 95. 96 Der Start des Europäischen Währungssystems 1979 bekräftigte das Ziel, zumindest eine graduelle Stufenflexibilität wiederherzustellen. Vgl. Eichengreen, Goldstandard, S. 206 f.; Harold James, International monetary cooperation since Bretton Woods, New York / Oxford 1996, S. 197. 97 Siehe Deutsche Bundesbank, Entwicklung des Außenwertes der D-Mark 1950 bis 1999 (online unter www.bundesbank.de/download/statistik/entwicklung_aussenwert_dmark. xls; eingesehen am 24.09.2017).

Strukturwandel und Krisen 1966–1982

63

der Einfuhrpreise deutscher Pkws in den USA um 125 Prozent, in Frankreich um 66 Prozent gleichkam. Dagegen waren im umgekehrten Fall französische Konkurrenten in der Lage, ihre Automobile in Deutschland um rund ein Drittel billiger anzubieten. Die Aufwertung der DM verteuerte ab Ende der 1960er Jahre nicht nur die Exportwaren, sondern sorgte gleichzeitig für einen Preisauftrieb bei den Materialien, Rohstoffen und Vorprodukten, die für die Autoproduktion benötigt wurden.98 Allein zwischen 1968 und Ende 1973 stiegen die Materialkosten inflationsbereinigt um rund dreißig Prozent an.99 In ihren Ursachen, kaum aber in ihrer zusätzlich verschärfenden Wirkung sind die Ölpreiskrisen der Jahre 1973/74 und 1979/80 aus dem Kontext der sich zuspitzenden ökonomischen Problemlagen der 1970er Jahre herauszulösen. Gerade die erste massive Energieverteuerung ab Oktober 1973 versetzte die westliche Welt in einen nicht nur ökonomischen Schockzustand. Ihr Anlass war genuin politisch. Zum jüdischen Yom Kippur-Festtag brach im Nahen Osten ein erneuter Krieg zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten aus. Als Israel, dauerhaft finanziell durch Militärlieferungen der USA und seine westlichen Verbündeten unterstützt, die Oberhand in dem Konflikt gewann, entschieden sich die erdölexportierenden arabischen Staaten dazu, die »Ölwaffe«100 zum Einsatz zu bringen. Hierzu zählte ein Lieferboykott zunächst gegen die USA und die Niederlande. Die Drehkreuze des westlichen Ölhandels wurden von Lieferungen abgeschnitten. Zudem drosselte die von den arabischen Staaten dominierte Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) ihre Fördermengen um zunächst fünf Prozent. Sie drohten ihre Maßnahmen zu verschärfen, bis ihre politische Forderung eines Rückzugs Israels aus Palästina erfüllt sei. Hinter dem Boykott verbargen sich handfeste ökonomische Interessen. In Reaktion auf den Wertverlust des US -Dollars – der weltweiten Handelswährung für Rohöl – hofften die Ölförderländer steigende Importkosten für Sachanlagen und Waren aus westlichen Industrienationen auszugleichen.101 Die Auswirkungen des Ölembargos waren gravierend und trafen die vom Erdöl abhängigen Industriestaaten auf unterschiedlichsten Ebenen. Obwohl der Boykott Ende Dezember 1973 wieder gelockert wurde, vervierfachte sich der Rohölpreis auf dem Weltmarkt zwischen Herbst 1973 und Frühjahr 1974 auf über zwölf US -Dollar pro Barrel. Etwas abgeschwächt durch die DollarEntwertung stieg der Rohölpreis in Deutschland um 172 Prozent. Die Bundesrepublik musste 1974 im Vergleich zum Vorjahr knapp 17 Milliarden DM (rund 150 Prozent) mehr für Öleinfuhren aufwenden; dies obgleich die Importmenge 98 Vgl. Udo Schnell, Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie auf dem PKW-Sektor, Bonn 1981, S. 155. 99 Vgl. Ralf Goebel, Die Anpassung des PKW-Marketing an veränderte Markt- und Umweltbedingungen. Eine Untersuchung am Beispiel der deutschen Automobilindustrie während der siebziger Jahre, Diss., Marburg 1979, S. 134. 100 Hohensee, Ölpreisschock, S. 57. 101 Vgl. Edith Penrose, The Development of Crisis, in: Daedalus 104, 1975, S. 44.

64

Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

um sechs Prozent sank.102 Die drastisch steigenden Energiepreise führten weltweit, so auch in Deutschland, zu einem Einbruch der bereits durch Inflationstendenzen belasteten Konjunktur. Die Automobilindustrie traf die Ölpreiskrise gleich dreifach hart: erstens durch die Energiekostenbelastungen der Produktion, zweitens durch die Verteuerung von Benzin und schließlich drittens durch die psychologische Verunsicherung potentieller Autokäufer – Aspekte, die in ihren vielfältigen Einwirkungen auf die Autobranche noch detaillierter zu analysieren sein werden.

2.2 Wirtschaftspolitische Ratlosigkeit: Stagflation und Globalsteuerung Mit den externen Erschütterungen der Wirtschaftslage gerieten seit Ende der 1960er Jahre die wirtschaftspolitischen Lenkungskonzepte der Bundesregierung ins Wanken. Dabei bildeten die außenwirtschaftlichen Schwierigkeiten nur einen Aspekt einer wesentlich komplexeren Problemlage. Das Vertrauen in die Globalsteuerung keynesianischer Prägung, die unter dem Wirtschaftsminister der Großen Koalition Karl Schiller mit dem Stabilitätsgesetz103 und der Konzertierten Aktion 1967 aktiviert worden war, erodierte nach anfänglichen Erfolgen bei der Überwindung der ersten Nachkriegsrezession. Die Planungs- und Reformeuphorie, die sich mit der Regierungsübernahme der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt 1969 verband, verflog.104 Nun lautete die Aufgabe, eine boomende Wirtschaft vor einer drohenden Überhitzung durch ausländische Kapitalzuflüsse zu schützen. Es gelang nicht, gegen diese Gefahr koordiniert, d. h. in Abstimmung der staatlichen Fiskalpolitik und tarifären Lohnpolitik, zu intervenieren.105 Gemäß der keynesianischen Lehre sollte die öffentliche Hand ihre Ausgaben drosseln, um überzählige Nachfrage abzuschöpfen. Während der Bund dieser Aufgabe nachkam, zeigten sich die Länder und Kommunen nicht bereit und in der Lage, langfristig geplante Infrastrukturinvestitionen zu stoppen und so Forderungen ihrer lokalen Wählerklientel zu enttäuschen Sie steigerten ihre Ausgaben sogar um 14 (1969) bzw. 24 Prozent (1970) und kontakarierten damit das Ziel der Inflationsbekämpfung.106 Ähnlich anheizende Effekte entwickelten sich auf dem Lohnsektor. Die Gewerkschaften hatten sich zu Beginn der Konzertierten Aktion zunächst zu einer zurückhaltenden Lohnpolitik durchgerungen. Der Idee der antizyklischen Konjunktursteuerung folgend oblag es dem Staat, Orientierungsdaten zur Wirt102 Vgl. Görtemaker, Geschichte, S. 573. 103 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8.6.1967, in: BGBl. I, 1967, S. 582–589. 104 Vgl. Nützenadel, Stunde, S. 345 f. 105 Zur Bekämpfung der Rezession 1966/67 siehe u. a. Schlüter, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, S. 101. 106 Vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte, S. 411.

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schaftsentwicklung zu liefern, an denen sich die Fiskal-, Geld- und Lohnpolitik in einem moderaten gegenseitigen Ausgleich der Interessen ausrichten sollte. Schon Ende der 1960er Jahre erwiesen sich diese forecasts als zu ungenau, um Verteilungskonflikten vorzubeugen. So lagen die Wachstumsprognosen der Bundesregierung für 1968/69 bei vier bzw. 4,5 Prozent, woran sich auch die Tarifabschlüsse orientierten. Als das reale Wachstum des Sozialprodukts dann aber mit über sieben Prozent deutlich über der Prognose lag, kritisierten die Arbeitnehmerverbände eine tendenziell unternehmensfreundliche Auslegung der Globalsteuerung und sahen die »soziale Symmetrie«107 in Gefahr. Nach Jahren der Mäßigung sahen sich die Gewerkschaften nun im Recht, deutliche Einkommensverbesserungen einzufordern. Für die erste Hälfte der 1970er Jahre verlangte der DGB eine jährliche Lohnsteigerung von 5,4 Prozent – unabhängig davon, dass sich die Zuwachsraten des Sozialprodukts nun abschwächten.108 Nach über acht Prozent 1970 wuchsen die Realeinkommen in den beiden Folgejahren um rund vier Prozent, wodurch sie den Inflationstrend zusätzlich anfachten (Abb. 1). Die Lohnoffensive führte der Regierung ihre begrenzten Sanktionsmöglichkeiten vor Augen, alle Beteiligten des Aktionsbündnisses auf eine stabilitätsorientierte Linie zu drängen.109 Noch 1973 verschafften die Gewerkschaften ihren Lohnforderungen mit Streiks Nachdruck. Erst unter dem Eindruck einer auf über sieben Prozent steigenden Inflationsrate und wachsender Arbeitslosigkeit, welche ihre lohnpolitischen Erfolge mehr und mehr kannibalisierte, erklärten sie sich nach der Ölpreiskrise bereit, sich wieder an den Stabilitätszielen zu orientieren.110 Die Interessenkonflikte waren durch diesen Schwenk der Arbeitnehmerverbände jedoch keineswegs behoben, sondern verschoben sich lediglich auf das Feld der Mitbestimmung. Gewissermaßen als Gegenleistung für ihren realpolitischen Kurs erwarteten sie Reformen, die den Status Quo der Montanmitbestimmung absichern bzw. um eine flächendeckende Parität in den Unternehmensgremien erweitern sollten. Mit dem Gesetz über die paritätische Mitbestimmung im Sommer 1976 wurde eine nur scheinbare Kompromisslösung gefunden. Die Kontroversen zwischen den Tarifparteien hielten an und führten 1977/78 schließlich zum endgültigen Aus der Konzertierten Aktion. Die Folge waren neue Streiks und Tarifauseinandersetzungen.111 107 So der IG Metall-Vorsitzende Otto Brenner, zit. nach ebd., S. 414. Vgl. Tim Schanetzky, Sachverständiger Rat und Konzertierte Aktion. Staat, Gesellschaft und wissenschaftliche Expertise in der bundesrepublikanischen Wirtschaftspolitik, in: VSWG 91, 2004, S. 322; Peter Borowsky, Deutschland 1969–1982, Hannover 1987, S. 114. 108 Die BIP-Wachstumsraten lagen von 1970 bis 1985 meist deutlich unter 5,4 Prozent. Vgl. StJB 1985, S. 536. 109 Vgl. Schroeder, Weg, S. 126; Nützenadel, Stunde, S. 346; Thomas Ellwein, Krisen und Reformen. Die Bundesrepublik seit den sechziger Jahren, 2. Aufl., München 1993, S. 55. 110 Vgl. Schulz, Konflikt, S. 155. 111 Vgl. Karl Lauschke, Mehr Demokratie in der Wirtschaft. Die Entstehungsgeschichte des Mitbestimmungsgesetzes von 1976, Textband, Düsseldorf 2006, S. 90 f.

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10,0 BIP

Reallohn

Inflationsrate

Veränderung in v.H.

8,0

6,0

4,0

2,0

0,0

1983

1982

1981

1980

1979

1978

1977

1976

1975

1974

1973

1972

1971

1970

1969

1968

1967

1966

-4,0

1965

-2,0

Abb. 1: BIP, Realeinkommen und Inflation in der BRD, 1965–1983 (Veränderungen zum Vorjahr in v. H.) Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von Statis Archiv-CD, Zeitreihen 1494007, 3000005, 2025001. BIP und Realeinkommen nach Indexwerten (1991 = 100).

Dieser Umstand bildete nur ein Symptom der Krankheitsanzeichen der Globalsteuerung. Folgt man der treffenden Analyse von Uwe Andersen und Wichard Woyke, schien in den Konflikten zwischen den Sozialpartnern eine Koordinierungslücke auf, wenn es darum ging, die unterschiedlichen Interessen miteinander abzustimmen.112 Insbesondere in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre paarte sich dieser Mangel mit »aus den politischen Entscheidungsprozessen einer pluralistischen Demokratie resultierenden Verzögerungen und Blockaden« bei der Frage, wann welche Instrumente der Globalsteuerung einzusetzen waren (»Entscheidungslücke«). Zudem: Wie sollte man eine Wirtschaft mit einem schwerfälligen staatlichen Lenkungsapparat antizipatorisch steuern, wenn externe Krisen den Konjunkturverlauf nur schwer vorhersagbar machten (»Wissens- oder Wirkungslücke«)?113 Nach dem Rücktritt Karl Schillers 1972 und unter dem Eindruck der Stagflation veränderte sich die Wirtschaftspolitik der sozialliberalen Koalition in der Ära des Finanzministers und späteren Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Dem Paradigma der Planung und der stringenten Nachfrageorientierung folgte eine pragmatische, aber auch beliebigere Wirtschaftspolitik, die sich situativ nach112 Vgl. Uwe Andersen / Wichard Woyke, Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 5. Aufl., Opladen 2003, S. 563 f. 113 Ebd.

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frage- und angebotsseitiger Steuerungsinstrumenten bediente. Ursächlich war dieser verhaltene Kurswechsel gleich mehreren, aus der Sicht der keynesianischen Lehre widersprüchlichen Problemzonen geschuldet: Erstens hatte sich das Wachstum des Sozialproduktes seit Beginn der 1970er Jahre nicht nur deutlich verlangsamt, sondern war nach einer Stagnation von 0,5 Prozent (1974) schließlich mit einem Minus von 1,5 Prozent (1975) sogar rückläufig. Zweitens wiesen die öffentlichen Haushalte ein Finanzierungssaldo von rund 64 Milliarden DM auf. Zu dieser Aufhäufung des Haushaltsdefizits hatten seit 1969 zum einen die bereits angesprochenen Investitionsprogramme von Ländern und Kommunen, zum anderen die expansiven Ausgaben der Regierung auf dem Feld der sozialen Sicherung gesorgt. »Die Beschleunigung der wohlfahrtsstaatlichen Expansion«114 unter Inkaufnahme einer massiven Staatsverschuldung und einer Steigerung des Sozialbudgets um mehr als ein Drittel gilt als eine der zentralen Wegmarken der Phase von 1969 bis 1974. Drittens übertraf die Zahl der Arbeitslosen 1975 jahresdurchschnittlich erstmals die Marke von einer Million. Trotz der anfänglichen Erfolge bei der Restituierung der Vollbeschäftigung zu Beginn der 1970er Jahre schien die Effektivität einer keynesianischen Beschäftigungspolitik allein aufgrund ihrer inflatorischen Wirkung in Frage gestellt. Auch da sich abzeichnete, dass die Arbeitslosigkeit zumindest zu einem Sockelanteil auf demographischen und wirtschaftsstrukturellen Verschiebungen basierte, waren die Erfolgsaussichten begrenzt.115 Viertens schließlich hatte sich gerade die Inflation im Zusammenwirken binnen-, außen- und währungswirtschaftlicher Deformationsprozesse zu einem dauernden Risiko für die weiteren Wachstumsperspektiven entwickelt. Bereits 1971 und 1972 zogen die Preise um mehr als fünf Prozent an, bevor die Inflationsrate im Zuge der weltweiten Energieverteuerung einen in der Nachkriegszeit bis heute einmaligen Höhepunkt von 7,1 Prozent (1973) erreichte. Bis 1975 blieb die Inflation auf einem hohen Niveau von rund sechs Prozent. Die Idee, durch wirtschaftspolitische Steuerung ein Gleichgewicht im ›Magischen Viereck‹ herstellen zu können, hatte sich in der Realität zu einer ahnungsbangen Quadratur von Strukturdefekten verwandelt. Die Wirtschaftspolitik beantwortete diese Herausforderungen durch einen Mittelweg zwischen Nachfrageanreizen und Haushaltsdisziplin, expansiven Ausgabenprogrammen und Sparmaßnahmen zur Bekämpfung des Preisauftriebs.116 114 Hans Günter Hockerts, Metamorphosen des Wohlfahrtsstaates, in: Martin Broszat (Hrsg.), Zäsuren nach 1945. Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte, München 1990, S. 40. Nur beispielhaft sei die Aufstockung des Kinder- und Wohngeldes, eine Leistungsausweitung der gesetzlichen Krankenkassen oder die Anhebung des Rentenniveaus aufgeführt. 115 Vgl. Schlüter, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik in: Glaeßner (Hrsg.), Bundesrepublik, S. 104; Rödder, Bundesrepublik, S. 70. 116 Vgl. Monika Hanswillemenke / Bernd Rahmann, Zwischen Reformen und Verantwortung für Vollbeschäftigung. Die Finanz- und Haushaltspolitik der sozialliberalen Koalition von 1969 bis 1982, Frankfurt / M. 1997, S. 36 f.; Rödder, Bundesrepublik, S. 71.

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Die »Renaissance einer konservativen Finanzpolitik«117 entsprach der pragmatischen Linie, Instrumente wieder in den Werkzeugkasten aufzunehmen, die im diametralen Gegensatz zur keynesianischen Lehre standen. Hierzu zählten die im Konjunkturprogramm von 1974 fixierten staatlichen Investitionszulagen sowie eine allokativorientierte Steuerpolitik gegenüber den Unternehmen. Die Gewinnsituation der Betriebe wurde wieder als strategischer Faktor für die Konjunkturerholung in den Blick genommen. In den Folgejahren verfolgte die sozialliberale Wirtschaftspolitik ein aus keynesianischer Sicht seltsam asymmetrisches Muster: Noch als sich die Wirtschaft von der Krise 1974/75 erholte, wurde 1977 ein expansives Zukunftsinvestitionsprogramm aufgelegt, das bis 1981 14 Milliarden DM für staatliche Förderprojekte zur Verbesserung des Verkehrssystems, der Energieerzeugung und der Berufsbildung beinhaltete. Diese eher prozyklischen Maßnahmen richteten sich primär auf einen Abbau der Arbeits­ losigkeit – ein Ziel, das in der Rezessionsphase zugunsten einer Anti-Inflationsstrategie zurückgestellt worden war. Als die Konjunktur in den Jahren 1980 bis 1982  – abermals beschleunigt durch massive Energiepreissteigerungen  – stagnierte, schienen dem Prinzip der Globalsteuerung folgend antizyklische Nachfrageimpulse angebracht. Die sozialliberale Koalition konzentrierte sich dagegen auf eine Konsolidierung des Haushalts. Mitte 1981 wurden Ausgabenkürzungen insbesondere auf dem Feld der Arbeitsmarktpolitik beschlossen. Neben einer Erhöhung der Verbrauchssteuern folgten Einschnitte in der Gesundheits- und Subventionspolitik.118 Die mangelnden Erfolge der Globalsteuerung brachten die Bundesregierung seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre in eine schwierige Position. Die Unternehmerverbände, die konservative Opposition und auch die wirtschaftsliberalen Teile des Koalitionspartners interpretierten die zurückliegenden Krisen mehrheitlich als Versagen einer zu stark auf die Nachfrageseite fixierten Wirtschaftspolitik. Die Arbeitnehmerverbände und der linke Flügel der SPD forderten dagegen die Fortführung der gesellschaftlichen Reformprojekte und eine stringent keynesianische Intervention. Der Kompromisskurs, den die Regierung Schmidt in dieser schwierigen Situation einschlug, geriet gegen Ende der 1970er Jahre noch von anderer Seite unter Beschuss: Die Bundesbank, die sich als unabhängige Institution vor allem dem Schutz der Geldwertstabilität verpflichtet sah, schwenkte auf einen strikt monetaristischen Kurs der Geldmengenregulierung ein. So wurde der eingeleitete Versuch der Regierung, die Konjunktur durch expansive Nachfrageimpulse zu stabilisieren, ab 1979 durch eine restriktive Hochzinspolitik der Bundesbank konterkariert, die allein die Inflationsbekämpfung im Auge hatte. In der Konsequenz hoben sich die beiden Eingriffe gegenseitig auf. Der Planungs- und Steuerungsanspruch der staatlichen Wirtschaftspolitik

117 Schlüter, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, in: Glaeßner (Hrsg.), Bundesrepublik, S. 106. 118 Vgl. ebd.; Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung, Bonn 1978, S. 21.

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war abermals diskreditiert.119 Die internen Spannungen zwischen angebots-, nachfrage- und geldmengenorientierten Ansätzen in der Wirtschaftspolitik machten zu Beginn der 1980er Jahre schließlich eine koordinierte Reaktion auf die binnen- und außenwirtschaftlichen Herausforderungen unmöglich. Die volkswirtschaftlichen Problemkreise verstetigten und intensivierten sich. Die Arbeitslosenquote stieg rasch auf über sieben Prozent. Die Inflationsraten lagen auch noch am Anfang der 1980er Jahre zwischen fünf und sechs Prozent.120 Die öffentlichen Ausgaben und die Kosten der sozialen Reformen überstiegen, wie in fast allen Industrieländern, die Einnahmen der Staatshaushalte bei weitem. Die Staatsquote erhöhte sich seit Beginn der Dekade von 15 auf über zwanzig Prozent und die Schuldenlast erreichte 1981 mit einem Defizit von 75 Milliarden DM einen neuen Höhepunkt, was die wirtschaftspolitische Handlungsfähigkeit weiter einschränkte.121 Zieht man eine Bilanz aus der Perspektive von Unternehmen und Arbeitnehmern, so waren die 1970er Jahre für erstere durch explodierende Lohn- und Lohnnebenkosten, steigende Beschaffungskosten und Währungsunsicherheiten gekennzeichnet, die ihre Rentabilitätssituation gegenüber den 1960er Jahren deutlich verschlechterte.122 Für die Arbeitnehmer und Konsumenten war die Rechnung zweischneidig: Real weiter wachsenden Einkommen und verbesserten Sozialleistungen im Arbeits-, Gesundheits- und Rentenwesen standen erhöhte Beschäftigungsrisiken, höhere Verbrauchssteuern und ein Anstieg der Lebenshaltungskosten gegenüber. Diese gesamtwirtschaftlichen Entwicklungstrends wirkten sich massiv auf die Produktion und Konsumption von Automobilen aus.

2.3 Automarkt im Wandel: Branchenzyklen Mit der Rezession 1966/67 endete für die Automobilhersteller eine steile Aufwärtsentwicklung. Nach dem ersten Absatzeinbruch wuchs die Branche nur in moderaterem Tempo weiter. Hatte sich die jährliche deutsche Pkw-Produktion zwischen 1950 und 1965 verzwölffacht, stieg sie von rund 2,7 (1965) auf rund 3,8 Millionen Einheiten (1982) an. Parallel stiegen auch die Inlandszulassungen auf 2,4 Millionen Autos im Jahr 1982; der Pkw-Bestand erhöhte sich von 0,93 auf fast 2,6 Millionen Fahrzeuge.123 Eine genauere Analyse von Inlandsproduktion und -absatz verdeutlicht, dass der Wachstumspfad der Branche trendmäßig mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung korrelierte. Gegenüber dem Boom der ›Wirtschaftswunderjahre‹ 119 Vgl. Nützenadel, Stunde, S. 349 f. 120 Knut Borchardt, Die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik nach dem ›Wirtschaftswunder‹, in: Franz Schneider (Hrsg.), Der Weg der Bundesrepublik. Von 1945 bis zur Gegenwart, München 1985, S. 197–203. 121 Vgl. Ellwein, Krisen, S. 54. 122 Vgl. Borchardt, Entwicklung, in: Schneider (Hrsg.), Weg, S. 215. 123 Eigene Erhebungen auf der Basis von TuZ, verschiedene Jahrgänge.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes 30,0

BIP

Produktion Inland

Zulassungen Inland

Veränderungen zum Vorjahr in v. H.

20,0

10,0

0,0

– 10,0

1982

1981

1980

1979

1978

1977

1976

1975

1974

1973

1972

1971

1970

1969

1968

1967

1966

– 30,0

1965

– 20,0

Abb. 2: BIP, Produktion und Neuzulassungen von Pkw in der BRD, 1965–1983 (Veränderungen zum Vorjahr in v. H.) Quelle: Eigene Erhebungen auf Basis von TuZ, verschiedene Jahrgänge sowie Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen: Bruttoinlandsprodukt, Brutto­ nationaleinkommen, Volkseinkommen. Lange Reihen ab 1950, Wiesbaden 2009, S. 2.

veränderte sich vor allem eines: Der Absatz zeigte ausgeprägte Schwankungen. Die Absatzkrise – ein lange Zeit nicht mehr gebrauchter Begriff – kehrte in die Erfahrungswelt der Unternehmen zurück. Nach dem ersten Einbruch 1966/67 lassen sich zwei zyklische Auf- und Abschwungphasen von 1968/69 bis 1974 und von 1975 bis 1982 erkennen.124 Ihre Tiefpunkte decken sich auf den ersten Blick mit den der Ölpreiskrisen. Es liegt daher zunächst nahe, die Abschwünge der Autokonjunktur mit einer Sogwirkung der allgemeinen Wirtschaftskrise zu begründen. Schaut man sich die Bezüge zwischen der Konjunktur- und Branchenentwicklung jedoch genauer an, sind Zweifel an einem solch einfachen Erklärungsmodell angebracht. Die Gegenüberstellung der jährlichen Zuwachsraten des BIP mit den Produktions- und Absatzkennziffern (Abb. 2) lassen auf komplexere Wirkungszusammenhänge schließen: Ein erstes Indiz ist, dass die Branchendaten wesentlich stärkere negative und positive Amplituden aufwiesen. Die Inlandsnachfrage stürzte in den Jahren 1967 mit Einbußen von − 9,9, 1974 mit − 16,6 sowie 1980 mit − 7,5 Prozent geradezu ab. Gleiches galt für die Produktion, die ihre Tiefpunkte in den gleichen Jahren erlebte. Auch die positiven Ausschläge setzten sich in ihrer Intensität von der gesamtwirtschaftlichen Konjunkturentwicklung ab. Die höchsten Zuwächse ver124 Siehe Diekmann, Komponenten, in: Ott (Hrsg.), Probleme, S. 131.

Strukturwandel und Krisen 1966–1982

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zeichnete der Autoabsatz 1969 und 1975 mit einem Plus von 29,2 bzw. 24,4 Prozent. Auch nach der zweiten Ölpreiskrise erholte sich die Branche, wenn auch längst nicht mehr so nachhaltig und schnell. Die Daten belegen eine äußerst starke Reagibilität der Automobilnachfrage auf konjunkturelle Stimmungslagen. Der Umstand, dass die eingetretenen Verluste nach den ersten beiden Absatzkrisen von 1966 und 1974 mehr als kompensiert wurden, lässt auf Nachholeffekte und damit auf durchaus vorhandene Wachstumsspielräume der Motorisierung in Deutschland schließen. Das dieser ›Rückfederungsmechanismus‹ dann jedoch weitgehend ausblieb, lässt vermuten, dass sich die Expansionspotentiale des Automarktes bis Ende der 1970er Jahre verringert hatten. Zweitens lagen die Wendepunkte von Auf- zu Abschwungphasen sowohl im Vergleich zwischen den BIP und den Branchenkennzahlen als im Verhältnis von Inlandsfertigung und Absatz keineswegs zeitlich kongruent. Besonders auffallend ist dabei, dass sich die lag / lead-Verhältnisse zwischen Konjunkturverlauf und Pkw-Absatz in den 1970er Jahren verschoben. In der Rezession 1966 war es noch die Nachfrage am Automobilmarkt, die dem gesamtwirtschaftlichen Trend leicht nachfolgte. Die turning points des PkwAbsatzes lagen 1965 bzw. 1968 jeweils um einige Monate später als die volkswirtschaftlichen Wendepunkte.125 Erstmals in der Nachkriegsgeschichte hatten sich die Neuzulassungen im Jahresdurchschnitt 1966 leicht rückläufig entwickelt. Da man im Vorjahr noch einen neuen Verkaufsrekord erzielt hatte, zeigten sich sie Hersteller zunächst wenig beunruhigt. Sie interpretierten den Rückgang als kurze Absatzstockung, die sich bald wieder auflösen würde. Als sich die Krise verstetigte und 1967 rund zehn Prozent weniger Autos abgesetzt werden konnten, wirkten die Unternehmen überrascht. Der Deutschland-Chef der Kölner Ford-Werke Max Ueber stellte in einem Spiegel-Interview fest, dass »mit diesem Einbruch […] in der deutschen Wirtschaft niemand gerechnet«126 habe. Kurt Lotz, der den gesundheitlich angeschlagenen Nordhoff bei VW vertrat, kommentierte, dass niemand in der Branche wage, über den weiteren Verlauf des Automobilabsatzes eine Prognose abzugeben – zu sehr habe die Intensität des Nachfrageschwundes die Erwartungen der Vorstandsetagen erschüttert.127 Ab 1968 expandierte der Pkw-Markt wieder. Allein bis 1971 erhöhten sich die Zulassungszahlen von rund 1,4 auf 2,1 Millionen Pkw (Abb. 3). Der Automobilbestand wuchs von zehn (1966) auf mehr als 15 Millionen (1971).128 Der Boom basierte auf den starken Einkommenssteigerungen in allen Bevölkerungsschichten, die zunehmend durch Inflationstendenzen flankiert wurden. Kurzfristig 125 Vgl. Doris Neuhardt, Konjunkturverlauf und Absatz dauerhafter Konsumgüter. Dargestellt am Verlauf der Automobilnachfrage in der Bundesrepublik Deutschland ­1960–1980, Idstein 1987, S. 200 f. 126 Interview mit Max Ueber, abgedr. unter dem Titel »Mit diesem Rückgang hatte niemand gerechnet«, in: Der Spiegel vom 18.9.1967, S. 66. 127 Vgl. Kurt Lotz, hier nach Art. »Frühling im Herbst«, in: Der Spiegel vom 18.9.1967, S. 62 f. 128 Daten aus TuZ, 1981, S. 296.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes 4.500 4.000

Anzahl (in 1.000)

3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 Produktion

Neuzulassungen

1983

1982

1981

1980

1979

1978

1977

1976

1975

1974

1973

1972

1971

1970

1969

1968

1967

1966

0

1965

500

Abb. 3: Produktion und Neuzulassungen von Pkw in der BRD, 1965–1983 Quelle: Eigene Erhebungen auf Basis von TuZ, verschiedene Jahrgänge sowie Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen: Bruttoinlandsprodukt, Bruttonationaleinkommen, Volkseinkommen. Lange Reihen ab 1950, Wiesbaden 2009, S. 2.

beschleunigte dieser Umstand den Absatz, da sich viele Käufer trotz deutlicher Preisanhebungen der Hersteller in Erwartung eines sich fortsetzenden Preisauftriebs für einen vorgezogenen Autokauf entschieden.129 Mittelfristig setzten sich die Negativeffekte der Inflation jedoch durch. Die Automobilbranche wurde zum Signalgeber für die Gesamtwirtschaft. Denn lange bevor die allgemeinen Konjunkturdaten ab Frühjahr 1973 stockten, gerieten die Pkw-Verkaufszahlen ins Minus.130 Die Absatzkrise war dem allgemeinen Konjunkturabschwung nun vorgelagert. Bereits ab Herbst 1971 waren die Verkaufszahlen leicht zurückgegangen. In den folgenden Quartalen setzte sich dieser Trend fort. Schon im Verlauf des Jahres 1972 wurden immer weniger Autos verkauft als noch im Vorjahr. Auffallend war, dass die Neuzulassungen gerade in den traditionell stärks-

129 Jeweils im Vergleich zu den Vorjahresmonaten. Vgl. Diekmann, Automobilnachfrage, S. 37. 130 Zu verweisen ist insbesondere auf die Einführung eines Stabilitätszuschlags und einer Investitionssteuer im Rahmen des Stabilitätsprogramms vom Mai 1973 sowie auf die Anhebung des Diskont- und Lombardsatzes auf 7 bzw. 9 Prozent im Juni 1973. Vgl. J. Kunze /  H. Lahmann, Importierte Rezession? Konjunkturverlauf in der Bundesrepublik Deutschland von 1974 bis 1975, in: DIW (Hrsg.), Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung, Berlin 1976, S. 95–108; Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, Die Lage der Weltwirtschaft und der westdeutschen Wirtschaft im Herbst 1973, in: Wochenbericht des DIW 43/1973, S. 389–395.

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Abb. 4: Krise vor der Krise: Monatliche Neuzulassungen in der BRD, 1972/73 Quelle: Art. »Eine Million Rabatt«, in: Der Spiegel vom 14.1.1974, S. 24 (© Der Spiegel).

ten Verkaufsmonaten von März bis Juli schwanden (Abb. 4). Der Automarkt stagnierte also bereits, bevor er im Zuge der Ölpreiskrise ab Herbst 1973 regelrecht einbrach.131 Im November und Dezember 1973 verzeichnete die deutsche Autobranche Absatzeinbußen von zwanzig bzw. 44 Prozent.132 Das Jahr 1974 markierte alsdann die tiefste Absatzkrise der Nachkriegszeit. Im Jahresdurchschnitt reduzierten sich die Verkaufszahlen auf dem Heimatmarkt um 16,6 Prozent. Auch in den USA, England und Japan gingen die Zulassungszahlen um über zwanzig Prozent zurück, in Frankreich verkaufte man 13 Prozent weniger Automobile. Hatte die Krise 1966 noch vor allem die Mittelklassesegmente betroffen, gingen nun – rund acht Jahre später – alle Pkw-Klassen auf Talfahrt.133 »Die allgemeine Verunsicherung der Autokäufer, hohe Zinssätze, anhaltende Inflation, Investitionssteuern, Benzinverknappung, Sonntagsfahrverbote, Tempolimitierung und 131 Auch: TuZ, 1973, S. 37; Reiner Frenkel, Auf allen Märkten ist Ruh, in: Die Zeit vom 1.11.1974; Jens D.Biermeier, Wettbewerb als Prozeß. Der deutsche PKW-Markt aus wettbewerbstheoretischer und wettbewerbspolitischer Sicht, Diss., Essen 1982, S. 145, insbes. Quartalsangaben Abb. 13. 132 Vgl. Art. »Im Schleudersitz«, in: WirtschaftsWoche vom 25.1.1974, S. 68; Goebel, Anpassung, S. 2. 133 Vgl. Art. »Mit Zähnen und Klauen verteidigen«, in: WirtschaftsWoche vom 20.6.1975, S. 34; Art. »Frühling im Herbst«, in: Der Spiegel vom 18.9.1967, S. 65.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

ein außergewöhnlicher Anstieg der Automobilpreise […] verstärkten die Kaufzurückhaltung von Monat zu Monat«134, urteilten die Marktanalysten. Früher als erwartet sprangen die Verkaufszahlen Anfang 1975 wieder an. Die Talsohle der Branche lag damit wiederum fast neun Monate vor der gesamtwirtschaftlichen Wende.135 Beinahe binnen Jahresfrist wurden 1975 die Rückgänge aus drei Jahren Stagnation und Abschwung aufgeholt. Kunden, die den Kauf eines Neuwagens hinausgezögert hatten, entschlossen sich nun wieder leichter für ein Automobil. Dieser Verzögerungseffekt wandelte sich zu einer Katalysatorwirkung, zumal auch der Automobilbestand in den Krisenzeiten überdurchschnittlich stark gealtert war. Die Käufer neigten also dazu, mehr zu kaufen, als es bei »normalen Einkommenserwartungen und entsprechend normaler Nutzungsdauer der Fall gewesen wäre«136, stellte der Wettbewerbsforscher Hartmut Berg in einer zeitgenössischen Analyse überrascht fest. Für die konsumhistorische Forschung lässt sich der wichtige Befund festhalten, dass das zyklische Marktmoment zu einer phasenweisen Überspitzung negativer wie positiver Nachfragetrends führte. Ein Phänomen, dass sicherlich nicht nur für den Automarkt gilt. Fest steht aber auch, dass die stark belebte Pkw-Branche nun wieder zu einem Motor der gesamtwirtschaftlichen Erholung avancierte. Der Boom der Jahre 1976 bis 1977 brachte mit Zuwachsraten von jährlich rund zehn Prozent neue Zulassungsrekorde. Erst 1978 verlangsamte sich das Wachstum auf vier Prozent, allerdings konnten Hersteller mit fast 2,6 Millionen Fahrzeugen den nominell höchsten Jahresabsatz im Untersuchungszeitraum verzeichnen. Großen Anteil hieran hatte die deutliche Entspannung der gesamtwirtschaftlichen Lage. Die Inflationsrate sank von 6,1 (1975) auf 2,5 Prozent (1978). Gleichzeitig verbilligten sich die Kreditzinsen analog zur schrittweisen Halbierung des Diskontsatzes von sieben (1974) auf 3,5 Prozent (ab September 1975).137 Günstige Finanzierungsmöglichkeiten und ein sich wieder stabilisierender Arbeitsmarkt verstärkten die Konsumbereitschaft.138 Ab Juni 1979 reduzierte sich die Pkw-Nachfrage jedoch wieder. Die Mechanismen des neuerlichen Abschwungs waren ähnlich wie zu Beginn des Jahrzehnts: Wieder schwächte sich der Neuwagenabsatz bereits ab, als die Gesamtkonjunktur noch boomte. Die Branche fungierte abermals als frühes Barometer für das allgemeine Konsumklima.139 Exogene Faktoren beschleunigten erneut den Abschwung. Mit Beginn des Ersten Golfkrieges im September 1979 schnell-

134 Biermeier, Wettbewerb, S. 143. 135 Siehe Neuhardt, Konjunkturverlauf, S. 201. 136 Berg, Automobilindustrie, S. 190; vgl. Art. »In den besten Jahren«, in: Der Spiegel vom 10.3.1975, S. 67. 137 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR), Jahresgutachten 1980/81: Unter Anpassungszwang, Stuttgart / Mainz 1980, S. 108. 138 Siehe Biermeier, Wettbewerb, S. 189. 139 Vgl. Deutsche Shell (Hrsg.), Aufschwung nach der Talfahrt. Shell-Prognose des PKWBestandes bis zum Jahr 2000, Hamburg 1981, S. 1; Neuhardt, Konjunkturverlauf, S. 218.

Strukturwandel und Krisen 1966–1982

75

ten die Mineralöl- und Kraftstoffpreise auf neue Rekordhöhen.140 Die Furcht vor einer neuen Inflationswelle und wieder höhere Diskont- und Kreditzinssätze beunruhigten die Autokäufer. Gleichwohl fielen die Absatzrückgänge diesmal weniger dramatisch aus. Am Tiefpunkt 1982 wurden mit 2,15 Millionen Pkws immer noch ähnlich viele Fahrzeuge gekauft wie noch 1975. Die Nachholeffekte der Binnennachfrage blieben jedoch aus. Die Verkaufszahlen stagnierten nach einer nur leichten Erholung bei rund 2,4 Millionen Pkw jährlich. Zieht man ein Zwischenfazit, bleibt einerseits eine deutliche Katalysatorwirkung zu konstatieren, mit der die Auf- und Abschwünge des Automarktes durch gesamtwirtschaftliche Einflüsse intensiviert wurden. Andererseits koppelte sich die Entwicklung beider Bereiche mehr und mehr ab. Dies spricht für eine Bedeutungszunahme branchenendogener Determinanten. Hatte sich die Automobilindustrie – wie der VDA-Vorsitzende Achim Diekmann 1980 mutmaßte – nun tatsächlich nicht mehr mit einem »vorübergehenden Wettersturz«141, sondern mit nachhaltigen Strukturverschiebungen auseinanderzusetzen?

2.4 Das verstopfte Exportventil Bei der Frage nach marktimmanenten Struktureffekten ist zunächst auf die komplexen Abhängigkeiten zwischen Produktions- und Nachfrageentwicklung auf den In- und Auslandsmärkten zu verweisen. Auffallend ist auch hier ein Auseinanderdriften. So verzeichnete die Fertigung beispielsweise 1966 die Produktions-Rekordmarke von weit über 2,8 Millionen, während der Inlandsabsatz bereits ins Minus rutschte.142 Diese Entwicklung mag sich mit der Hoffnung deutscher Hersteller erklären, dass sich der Absatz rasch wieder erholen würde. Schwieriger ist dagegen zu deuten, dass ausgangs der Krise 1967/68 die Produktion deutlich früher anzog als die Nachfrage. Ganz im Gegensatz steigerten die Unternehmen nach der Ölpreiskrise 1974 erst wieder ihre Produktion, nachdem sich die Verkaufszahlen belebten. Offensichtlich führten die Erfahrungen der Krise zu einem veränderten strategischen Verhalten. Ursächlich hierfür war eine veränderte Rolle des Exports. Wie Tab. 8 und Abb. 5 zeigen, konnten die deutschen Hersteller in der Rezession 1966/67 den Auslandsabsatz als eine Art Ventil nutzen, um die Absatzprobleme im Inland zu überwinden. Als in Deutschland rund 300.000 Pkw wie Blei bei den Händlern standen, erhöhten die Hersteller ihre Exportquote bis 1968 durchschnittlich

140 Allein der Preis für Normalbenzin stieg von 0,87 DM auf 1,37 DM pro Liter. Ähnlich hohe Steigerungsraten von über 60 Prozent zeigten sich beim Super- und Dieselkraftstoff. Daten aus TuZ, 1986, S. 166. 141 Achim Diekmann, Automobilindustrie mit abnehmenden Wachstumsspielräumen, in: Wirtschaftsdienst 60, 1980, Nr. 2, S. 66–68. 142 Vgl. TuZ, 1969/70, S. 32 f.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

um über acht Prozent.143 Diese Strategie wurde durch die Unterbewertung der

DM und die dadurch verbesserten terms of trade auf den internationalen Auto-

mobilmärkten begünstigt. Erst nachdem die Exporte angezogen hatten, begann sich auch der Inlandsmarkt zu erholen. Die Hersteller schränkten in der gesamten Phase ihre Produktion kaum ein. Bereits 1968 übertrafen sie die alte Rekordmarke von 2,8 Millionen gefertigten Pkw aus dem Jahr 1966. Bis 1971, dem Höhepunkt des Autobooms, erhöhte sich die Produktion weiter auf jährlich rund 3,7 Millionen Fahrzeuge. Danach war es zunächst wiederum nur die Inlandsnachfrage, die sich merklich abschwächte. Der Auslandsabsatz blieb auf einem stabil hohen Niveau. Tab. 8: Exportquote deutscher Automobilhersteller, 1960–1983 Jahr

Exportquote

Jahr

Exportquote

1960

47,6

1972

57,6

1961

46,5

1973

59,5

1962

46,8

1974

60,1

1963

50,4

1975

50,1

1964

52,0

1976

51,8

1965

54,2

1977

51,2

1966

54,2

1978

49,0

1967

59,3

1979

50,8

1968

62,4

1980

53,2

1969

57,5

1981

54,5

1970

55,2

1982

58,3

1971

58,1

1983

56,4

Quelle: TuZ, 1981 u. 1986, jeweils S. 26–28; Diekmann, Automobilnachfrage (1975), S. 100.

Mit dem Ölpreisschock verstopfte dann jedoch das Exportventil. Die Pkw-Nachfrage ging nun erstmals weltweit zurück. Zudem verteuerten die Währungsirritationen deutsche Exporte. Protektionistische Importbeschränkungen der westeuropäischen Nachbarn behinderten die Pkw-Ausfuhr. Wesentlich stärker als jemals zuvor sah sich die deutsche Automobilindustrie folglich auf ihren Heimatmarkt zurückgeworfen.144

143 Eigene Erhebungen auf der Basis von TuZ, 1968/69, S. 33. Vgl. Lupa, Volkswagen-Chronik, S. 61 u. 78. 144 Vgl. Goebel, Anpassung, S. 149 f.

77

Strukturwandel und Krisen 1966–1982 2.400 2.200 2.000

Anzahl (in 1.000)

1.800 1.600 1.400 1.200 1.000 Export

Inlandszulassungen

800

1983

1982

1981

1980

1979

1978

1977

1976

1975

1974

1973

1972

1971

1970

1969

1968

1967

1966

1965

1964

1963

1962

1961

1960

600

Abb. 5: Pkw-Absatz deutscher Automobilhersteller im In- und Ausland, 1960–1983 Quelle: TuZ, 1981 u. 1986, jeweils S. 26–28; Diekmann, Automobilnachfrage (1975), S. 100.

Die Fertigungsplaner der Autokonzerne gerieten in ein doppeltes Dilemma: Erstens hatte man 1972/73 die Produktion aufgrund der stabilen Absatzzahlen in Übersee kaum zurückgefahren. Zudem erwartete man, dass sich die Absatzstauung auf dem Inlandsmarkt – wie schon 1967 – schnell wieder auflösen würde. In einer schon stark unsicheren Situation traf die weltweite Depression des Ölpreisschocks die Automobilproduzenten in voller Härte. Zweitens mangelte es dem Krisenmanagement an Orientierungswerten je länger die Absatzkrise anhielt: An welche Kennzahlen sollte man die eigene Kapazitätsplanung orientieren? Kurzfristig an die aktuelle schlechte Absatzsituation oder mittelfristig an die bisherige Erfahrung, dass die Verkaufszahlen nach der Flaute rasch wieder ansteigen würden? Ein situativ orientierter Produktionsstopp verband sich mit zahlreichen negativen Folgeeffekten: Kurzarbeit und Entlassungen waren öffentlich nur schwer zu vermitteln und hätten die Kaufzurückhaltung nur erhöht. Viel intensiver aber fürchteten die Unternehmen eine kostenintensive Unterauslastung der Produktionsanlagen und eine Verlängerung von Lieferfristen. Denn: Wenn die Krise tatsächlich schnell endete, hätten diese Maßnahmen verhindert, die Fertigung rasch wieder hochzufahren, um voll von den erwarteten Nachfragespitzen zu profitieren. Die Alternative, konjunkturrevers an einer höheren Fertigungsmenge festzuhalten, fing solche Probleme zwar ab, ließ aber die Pkw-Lagerbestände massiv anwachsen. Hiermit verband sich die Gefahr hoher laufender Kosten und risikoreicher Liquiditätsbeschränkungen. Für ein Unternehmen wie VW mit rund zehn Milliarden

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

DM Jahresumsatz bedeutete allein eine Tagesproduktion ›auf Halde‹ zu stellen, einen Liquiditätsausfall von rund vierzig Millionen DM.145

Vor diesem Hintergrund erklärt die Stellungnahme des Daimler-Benz Vorstandschefs Zahn, man habe befürchtet, »im politischen Raum Reaktionen und Unruhe aus[zulösen], die dann wieder erhebliche Rückwirkungen auf die Unternehmen selbst haben könnten«146, nur partiell, weshalb die Branche trotz halsbrecherischer Talfahrt der Absatzzahlen nicht auf offensive Instrumente des Kapazitätsabbaus zurückgriff. Als wesentlich schwerwiegender empfand man etwa bei VW die Gefahr, sich durch massive Eingriffe in die Produktionsbasis die eigene Startposition für den Wiederaufschwung zu verbauen. Erst als die finanziellen Belastungen der Lagerhaltung untragbar erschienen, zog der Konzern schärfere Produktionseinschränkungen in Erwägung. In einer Sondersitzung des Vorstandes im Juni 1974 nahm der VW-Finanzchef Friedrich Thomée eine kritische Bestandsaufnahme vor: Die bisher noch zu zögernden und unzureichenden Anpassungsmaßnahmen an die fortgesetzten, nicht kontinuierlich planerisch erfassten Absatzrückgänge [sic!] basierten sämtlich auf einem erwarteten Aufschwung des Absatzes. […] Eine Trendwende ist allerdings nicht zu erkennen. So hat die im Vertrauen aufsteigende bzw. sich stabilisierende Absatzziffern verzögerte volle Produktions- und Beschäftigungsanpassung zu einer sich kumulierenden Vorproduktion geführt. Die dadurch erzeugte Aufstockung der Läger, des Produktionsumlaufs und des Bestandes an unverkauften Fahrzeugen lag stetig über den Verkaufseinnahmen. Diese Lücke musste mit einer zusätzlichen Verschuldung geschlossen werden, die von Dezember 1973 bis Ende Mai d. J. um rd. DM 1 Mrd. zunahm.147

Neben kostensenkenden Maßnahmen in der Verwaltung – von der Reduktion der Telefon- und Reisekosten bis zur Aussetzung aller Neuinvestitionen – folgten nun massive Produktionseinschnitte. Die ab August des Jahres geplante Fertigung von Fahrzeugen der Marken VW und Audi NSU wurde von 500.000 auf 300.000 Exemplare reduziert. Dabei mussten nun »wünschenswerte und unter absatzstarken Voraussetzungen vertretbare, vertriebs-logistische Gesichtspunkte der Marktversorgung hinter den Existenz sichernden Liquiditätsgesichtspunkten nunmehr zurückstehen.«148 In der Praxis war dies mit einem Strategiewechsel gleichzusetzen: Längere Lieferzeiten wurden in Kauf genommen, um die finan­ 145 Vgl. UVW, Z 119, 442/2, Protokoll zur Aufsichtsratssitzung vom 14.4.1975, insbes. Bericht: Anpassung der Kapazität an die Marktsituation. 146 Joachim Zahn, Gedanken zu Fragen der Unternehmenspolitik bei wechselnden Konjunkturlagen: dargestellt am Beispiel der Automobilindustrie, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 1976, H. 3, S. 247. 147 UVW, Vorstandsprotokolle, 373/174/1, Vorlage Thomée zur Vorstandssitzung vom 11.6.1974. 148 Ebd., Streng vertrauliche Vorlage »Entwicklung der Lagervorräte aus finanzieller Sicht« zur Vorstandssitzung am 11.6.1974, Beschlussfassung über Sofortmaßnahmen zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit des VW-Konzerns.

Strukturwandel und Krisen 1966–1982

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ziellen Belastungen zu begrenzen. Sparprogramm und Produktionsbremse kamen gerade rechtzeitig. Zwar verzeichnete Volkswagen 1974 einen Jahresverlust von über 800 Millionen DM.149 Die drohende Zahlungsunfähigkeit konnte aber verhindert werden. Ab Mitte 1974 kam es branchenweit zu Drosslungen der Produktion. Die Jahresfertigung reduzierte sich insgesamt von 3,65 (1973) auf 2,84 Millionen Pkws (1974). Auch als die Nachfrage wieder anzog, blieb die Gestaltung des sog. Kapazitätskonzepts eine schwierige strategische Grundsatzentscheidung, die von den Firmen »individuell abzuwägen«150 war. Trotz eines 25-prozentigen Zuwachses der Binnennachfrage dehnten die Hersteller ihre Produktion 1975 zunächst nur vorsichtig aus. Erst als sich das Vertrauen in den Aufschwung stabilisierte, steigerten gerade die Massenproduzenten VW, Ford und Opel ihre Fertigung merklich. Nun ging es wieder darum, die Lieferfristen zu verkürzen. Zu groß war die Sorge, durch Fertigungsengpässe Marktanteile in den umkämpften Mittelund Kleinwagensegmenten zu verlieren. Lediglich die Spezial- und Oberklassenanbieter wie Porsche, Daimler-Benz und BMW behielten längere Lieferzeiten, um sich ein Puffer für weitere Marktschwankungen zu schaffen. Offenbar waren die Käufer von Hochqualitätsprodukten leichter bereit, längere Wartezeiten bis zur Auslieferung ihres Wunschautos in Kauf zu nehmen.151 Die Wende schien geschafft: Zwischen 1975 und 1979 stiegen die jährlich produzierten Stück auf ein Allzeithoch von über 3,9 Millionen Einheiten. Trotz Sonderschichten, Neueinstellungen und Rationalisierungsfortschritten waren die meisten Automobilfabriken jedoch nicht in der Lage, die Nachfrage vollstän­ dig zu befriedigen. So blieben Verkaufspotentiale vielfach ungenutzt. VW konnte die Lieferzeiten bei gängigen Standardmodellen nicht unter fünf, bei Diesel- oder Sportvarianten sogar nicht unter zwölf Monate reduzieren. Ähnlich erging es Ford und Opel, die in allen Fahrzeugsegmenten neue Verkaufsrekorde aufstellten. »Uns geht es gut, Opel geht es gut und VW geht es phantastisch«152, lautete die Einschätzung des Ford-Produktionschefs Gäb im April 1977 – und dies, obwohl die Hersteller einen Teil ihrer Verkaufspotentiale »ungenutzt liegen lassen«153 mussten. Es sollten jedoch nur wenige Jahre vergehen, ehe sich die Marktsituation wieder verschlechterte. Auf die Produktion wirkte sich dies nun aber weniger stark aus. Nun bewährte sich die vorsichtige Kapazitätspolitik: Die Auftragsüberhänge für viele populäre Pkw-Modelle sicherten 1979/80 zumindest für einige Monate 149 Hier hatte der Konzerngewinn noch bei ca. 210 Millionen DM gelegen. Vgl. Lupa, Volkswagen-Chronik, S. 99; Goebel, Anpassung, S. 3. 150 Zahn, Gedanken, S. 246; Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Marktstruktur, S. 190; Goebel, Anpassung, S. 145. 151 Vgl. Johann Heinrich von Brunn, Wettbewerbsprobleme der Automobilindustrie, Köln u. a. 1979, S. 33 f.; Norbert Sturm, Lieferfristen ergeben ein falsches Bild, in: Süddeutsche Zeitung vom 12.2.1976. 152 Ebd. 153 Art. »Es ist geschafft«, in: Der Spiegel vom 11.4.1977, S. 101.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

die Auslastung der Werke ab. Es waren daher nicht zuletzt lagerzyklische Einflüsse, die die Folgen der zweiten Energiepreiskrise abdämpften.154 Zum anderen waren die Exportaussichten wieder besser. Die Pkw-Ausfuhr stockte nur kurz. Nur 1979 kam es zu leichten Produktionseinschränkungen, bevor die Fertigung wieder beständig anzuwachsen begann. 1983 verließen fast vier Millionen Fahrzeuge die deutschen Werkshallen. Dennoch, zieht man ein Fazit über die Makroentwicklung der Produktionsund Absatzzyklen, hatte sich in den 1970er Jahren die Zahl der Unbekannten für die Fortentwicklung des Automobilmarktes drastisch erhöht.155 Dies galt jedoch nicht nur für das Feld der Angebotserstellung, sondern vielmehr noch für den Wandel der Nachfragestrukturen.156

2.5 Autokauf als Kostenfrage Steigende Löhne und Gehälter, das Anwachsen des disponiblen Einkommens und die sich stetig ausweitende Erwerbstätigkeit sorgten bis zur Mitte der 1960er Jahre für eine dynamisch wachsende Automobilnachfrage. Zusätzliche Anreize für die private Pkw-Nutzung gingen von stabilen Anschaffungs- und Unterhaltskosten aus. Binnen zehn Jahren seit 1955 stiegen die Listenpreise für Automobile um lediglich rund drei Prozent.157 So stieg der Basispreis für einen VW 1200 gerade einmal um 130  DM von 4.850 DM auf 4.980  DM. Bei einer durchschnittlichen jährlichen Inflationsrate von 2,2 Prozent entsprach dies real sogar einer deutlichen Preissenkung. Dies galt umso mehr, als sich der materielle Wert der Fahrzeuge durch sukzessive technische Verbesserungen faktisch erhöhte.158 Die Hersteller nahmen keine Preisanpassungen vor, da Produktivitätsfortschritte und die Kostendegression der Massenfertigung erhöhte Material- und Lohnkosten mehr als kompensierten.159 Wie der Marktanalyst Klaus Busch 1966 feststellte, ließ sich der ohnehin starke Absatz durch Preissenkungen kaum mehr beschleunigen. Noch wirkten Anhebungen der Listenpreise, sofern sie moderat vorgenommen wurden, retardierend auf den Konsumdrang.160 Letzteres galt vor allem für die höheren Fahrzeugsegmente. Gut situierte Käufer von Oberklassefahrzeugen reagierten tendenziell 154 Vgl. zur Bedeutung von Lagerzyklen auf die Kapazitätsstrategie der Hersteller allgemein Diekmann, Komponenten, S. 142. 155 Vgl. Diekmann, Automobilindustrie, S. 66. 156 Vgl. Thilo Sarrazin / Frithjof Spreer / Manfred Tietzel, Die Sättigungsgrenze der Motorisierung, in: Zeitschrift für Verkehrswissenschaft 44, 1973, Nr. 3, S. 162; Zahn, Automobilindustrie, S. 24; Deutsche Shell (Hrsg.), Prognose des PKW-Bestandes. Die Motorisierung im Spannungsfeld von Eigendynamik und Bremsfaktoren, Hamburg 1973. 157 Aufstellung der Erzeugerpreise seit 1951 in: TuZ, 1971, S. 271. 158 Vgl. Beckmann, Käfer, S. 149. 159 Vgl. Busch, Strukturwandel, S. 153. 160 Vgl. ebd., S. 154.

Strukturwandel und Krisen 1966–1982

81

weniger auf Preissignale als die Bezieher mittlerer und kleinerer Einkommen. Mit Blick auf die unteren Einkommensgruppen bildete der Preis zwar weiterhin die entscheidende Einstiegsschwelle zur Motorisierung. Sie konnte durch die steigenden Einkommen aber von immer mehr Mitgliedern der Gesellschaft übersprungen werden.161 Das Kaufverhalten entkoppelte sich vor diesem Hintergrund auch in den niedrigeren Segmenten langsam von der Preisentwicklung. Dies bestätigte 1968 auch ein VW Verkaufsbericht. Er hielt fest, dass »der Preis von den Kunden in der Rangfolge der Kaufgründe nicht mehr mit höchster Wichtigkeit«162 eingestuft wurde, sondern neuerdings hinter Fahrzeugattributen der Zuverlässigkeit und Qualität, Dauerhaftigkeit und Leistungsstärke zurückstand. Auch die Haltungskosten blieben in der Frühphase der Automotorisierung niedrig, wobei sich insbesondere günstige Kraftstoffe positiv auswirkten. So fielen die Preise für Normalbenzin von 1958 durchschnittlich 62 Pf. pro Liter auf 51 Pf. im Jahr 1966.163 Die sonstigen Betriebskosten gingen allein zwischen 1960 und 1966 von monatlich im Durchschnitt 17,50 auf 13,10 DM für Verbrauchsmaterialien (Öle, Reifen, Ersatzteile u. a.) bzw. von etwa 15 auf 11,40 DM für autobezogene Dienstleistungen (Reparaturen, Inspektionen u. a.) zurück.164 KfzSteuern und Versicherungen passten sich in das Bild ein. Aufgrund des Zustroms neuer Versicherungsnehmer und sinkender Servicekosten verringerten sich die jährlichen Haftpflichtbeiträge (Basisprämien abzüglich Rabatte und Rückvergütungen für Schadensfreiheitsjahre) von 211  DM für ein 34-PS -starkes Fahrzeug und 306  DM für ein 55 PS -Automobil im Jahr 1955 auf 189 bzw. 226  DM 1966.165 Seit 1955 orientierte sich die Kfz-Steuer am Hubraum, wobei zunächst 14,40  DM je 100 ccm Leistung anfielen. Diese einfache Berechnungsgrundlage blieb letztlich – mit veränderten Steuersätzen – über mehr als fünfzig Jahre bestehen.166

161 Das Schwelleneinkommen zur Anschaffung und Haltung eines Automobils belief sich Mitte der 1960er Jahre auf ein monatliches Nettoeinkommen von rund 700 DM . Siehe Beckmann, Käfer, S. 178. 162 UVW, 69/423/1 Verkaufsberichte 1968, Grafik: Angebotsfaktoren, ihre Wichtigkeit beim Kauf und Erfüllung durch den VW-Käfer; ebd., 69/440/1, Studien und Monatsberichte der Abteilung Zentrale Marktforschung, Aufstellung: Die Wichtigkeit verschiedener Eigenschaften beim Autokauf, nach Typ 1: Konzept-Studie 1968. 163 Die für private Pkw zu diesem Zeitpunkt noch weitgehend unbedeutende Abgabe von Dieselkraftstoffen blieb zugleich mit rund 52 Pf. preisstabil. Vgl. TuZ, 1981, S. 337. Die Preise beinhalten alle Steuern und beziehen sich auf die Entnahme an Selbstbedienungstankstellen. 164 Zusammengestellt für den Haushaltstyp 2 nach TuZ, 1975, S. 316. 165 Exemplarische Beiträge für Versicherungsnehmer der Allianz-Gruppe bei einer Deckungssumme von Personenschäden bis 250.000 DM, Sachschäden bis zu 50.000 DM . Vgl. Beckmann, Käfer, S. 165. Die Schadenfreiheitsrabatte beliefen sich auf 10 Prozent nach einem Jahr der Pkw-Nutzung ohne Rückgriff auf eine Versicherungsleistung, 30 Prozent nach zwei und 50 Prozent nach drei Jahren. 166 Vgl. Wolfgang Hoffmann, Zurück in die Schublade, in: Die Zeit vom 3.5.1974.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

Mit dem »Ende der Periode billiger Energie«167 verband sich in den 1970er Jahren dann allerdings eine massive Veränderung der Kostendeterminanten. In den ›Wirtschaftswunderjahren‹ hatte das Wachstum der Branche auf einer nahezu beliebigen Ausweitung des Energieverbrauchs basiert. Nun jedoch koppelten sich die konjunkturellen Krisen ebenso eng an die deutlich steigenden Energiekosten in allen Arbeits- und Lebensbereichen. Der seit 1968 erhobene Kraftfahrer-Preisindex des Statistischen Bundesamtes zeigt seit Beginn der 1970er Jahre eine deutliche Verteuerung. Auffallend ist, dass sich die Autokosten auf den ersten Blick weitgehend parallel zu den Lebenshaltungskosten erhöhten. Dies begründet sich einerseits darin, dass die Pkw-Anschaffungs- und Haltungskosten fester Bestandteil des Warenkorbes zur Berechnung des allgemeinen Lebenskostenindexes waren. Andererseits schlug die inflationäre Entwicklung der Energie- und Kraftstoffpreise direkt auf die Autokosten durch. Nicht nur die Automobilproduzenten, sondern auch die Mineralölkonzerne, Reparaturwerkstätten, Versicherungsanbieter sowie sonstigen Dienstleistungs- und Servicebetriebe gaben ihre erhöhten Kosten direkt an den Autofahrer weiter.168 Es bedarf aber eines detaillierteren Blickes, um die stärksten Kostentreiber zu identifizieren. Schon die jährlichen Veränderungsraten des Autokosten-Index zeigen ein differenzierteres Bild (Abb. 6). Während von 1975 bis 1977 relativ zurückhaltende Kostensteigerungen den wieder erstarkenden Absatz von Fahrzeugen nach dem ersten Ölpreisschock unterstützten, stieg der Kraftfahrer-Preisindex vor und nach dieser Phase meist schneller und mit überdurchschnittlicher Amplitude. Dies gilt insbesondere für die Jahre 1971, 1974 und 1981, in denen die Autokosten um neun bis zehn Prozent anzogen. Standen die Ausschläge 1974 und 1981 in engem Zusammenhang mit der Preisexplosion bei Kraftstoffen, bildete das Jahr 1971 nur den vorläufigen Höhepunkt einer aus mehreren Faktoren kumulierten Teuerungswelle. Allein eine grobe Differenzierung zwischen den Anschaffungs- und Haltungskosten – diese wiederum unterschieden nach Kraftstoffen und sonstigen Betriebskosten – zeigt, dass alle drei Faktoren zusammenwirkten (Abb. 7). Schon ab 1971 – also eindeutig vor der Ölpreiskrise – begannen die Kraftstoffkosten zu steigen. Ebenso zogen die Pkw-Kaufpreise nun um jährlich rund fünf Prozent an. Die stärksten Preistreiber bildeten jedoch die Haltungskosten. Mit Steigerungen bis zu 9,5 Prozent (1971) lösten sie die Verteuerung maßgeblich mit aus. Der VDA konstatierte in seinem Jahresbericht 1971/72 eine »in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellose Kostenexplosion«, die für Konsumenten und Hersteller »eine Periode der Belastungen und Unsicherheiten« heraufbeschworen 167 Borchardt, Zäsuren, S. 27. 168 Über einen Trend zur Weitergabe ›externer‹ Kosten an die Kraftfahrer spekulierte der Spiegel bereits Anfang der 1970er Jahre. Vgl. Art. »Steigen gewaltig«, in: Der Spiegel vom 9.8.1971, S. 24 f.

83

Strukturwandel und Krisen 1966–1982 12,0 Kraftfahrer-Preisindex

Preisindex für die Lebenshaltung

Veränderung zum Vorjahr (in v.H.)

10,0

8,0

6,0

4,0

2,0

1982

1981

1980

1979

1978

1977

1976

1975

1974

1973

1972

1971

1970

-2,0

1969

0,0

Abb. 6: Kraftfahrer-Preisindex, 1969–1982 (1980 = 100) Quelle: Eigene Erhebungen auf der Basis von Statis Archiv-CD, Zeitreihen 2027001, 2025001.

Veränderungen zum Vorjahr (in v.H.)

25,0

Pkw-Anschaffung Haltungskosten (ohne Kraftst.) Kraftstoffe

20,0

15,0

10,0

5,0

0,0

1982

1981

1980

1979

1978

1977

1976

1975

1974

1973

1972

1971

1970

-10,0

1969

-5,0

Abb. 7: Kosten für Pkw-Anschaffung, Haltung und Kraftstoffe, 1969–1982 (1980 = 100) Quelle: Eigene Erhebungen auf Basis von Statis Archiv-CD, Zeitreihen 2027001–2027010 (Komponenten des Kraftfahrer-Preisindex).

84

Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

Abb. 8: Karikatur ›Anhalter 71‹ Quelle: Art. »Steigen gewaltig«, in: Der Spiegel vom 9.8.1971, S. 25 (© Der Spiegel).

habe.169 Für »Ärger am Steuer«170, kommentierte der Spiegel, würden vor allem die Aufschläge bei allen Versicherungs- und Servicedienstleistungen rund ums Automobil sorgen. Tatsächlich schnellten die Prämien für die Pkw-Haftpflicht allein im Januar 1971 um über zwanzig, im August nochmals um zehn Prozent hoch. Die Versicherungskosten erhöhten sich im Jahresdurchschnitt von rund 260 auf 345  DM.171 Hinzu kamen Zusatzkosten für die optionale Teil- oder Vollkaskoversicherung. Die Ursache für die massiv steigenden Versicherungsprämien bildeten vor allem steigende Unfallzahlen. Zwischen 1965 und 1970 häuften sich Pkw-Unfälle, bei denen Menschen zu Schaden kamen, um 14 Prozent auf fast 400.000 im Jahr. Kollisionen, die Sachschäden nach sich zogen, traten ebenfalls deutlich vermehrt auf.172 Zwar wuchs im gleichen Zeitraum der Pkw-Bestand und damit auch die Zahl der Versicherungsnehmer; gerade aber die zunehmende Schwere der Verkehrsunfälle trieb den Schadensaufwand der Versicherungen in die Höhe.173 Neben der Autoversicherung als Kostentreiber Nr. 1 erhöhten sich auch die Preise für Wartungs- und Reparaturarbeiten. Von Jahr zu Jahr verlangten die Werkstätten durchschnittlich rund zehn bis 15 Prozent mehr für ihre Dienstleistungen. Einzelne Serviceleistungen, wie die Wagenwäsche, der Reifenwechsel 169 VDA , Jahresbericht 1971/72, S. 9. 170 Art. »Steigen gewaltig«, in: Der Spiegel vom 9.8.1971, S. 24. 171 Siehe BMWGA , UA 1545, Aufstellung: Verteuerung der Fahrzeughaltung 1970–1974. 172 Vgl. TuZ, 1986, S. 379, insbes. Tabelle: Unfallhäufigkeit 1960–1985. 173 Vgl. BMWGA , UA 1545, Aufstellung: Verteuerung; Art. »Steigen gewaltig«, in: Der Spiegel vom 9.8.1971, S. 25.

Strukturwandel und Krisen 1966–1982

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oder die sog. ›kleine Inspektion‹ verteuerten sich binnen kurzer Zeit um weit über fünfzig Prozent. Auslöser waren hier die steigenden Lohn- und Arbeitskosten der Werkstätten.174 Dagegen blieben Betriebsgebrauchsgüter – vom Ersatzteil bis zum Pflegemittel – nahezu preisstabil.175 Ende der 1960er Jahre begannen dann auch die Kaufpreise anzusteigen. Auch hier waren es vordergründig die Inflation, erhöhte Lohn- und Materialkosten sowie die schlechteren Exportbedingungen, die die Hersteller veranlassten, ihre Preise laufend anzupassen.176 Hinzu traten strukturelle Ursachen, allen voran die technische Weiterentwicklung des Gutes: Automobile sind keine homogenen Güter. Technisch und qualitativ war ein Automobil des Jahres 1960 kaum mehr mit einem Modell des Jahres 1970 vergleichbar.177 Bessere Ausstattung, höhere Leistung und innovative Designmerkmale schlugen preislich ins Gewicht. Der Verkaufspreis eines neuen oder per Facelift modifizierten Pkw-Modells symbolisierte diesen Fortschritt. Zugleich gab das Fahren eines modernen Fahrzeuges dem Käufer auch die Möglichkeit zur sozialen Repräsentation. Stärker als andere komplexe technische Geräte unterlag die Produktentwicklung des Automobils einer Modeanfälligkeit.178 Die vielen Möglichkeiten, ein Automobil in seinen Eigenschaften zu differenzieren und zu verfeinern, führten zu einer immer schnelleren Produktalterung. In einem durchschnittlichen Turnus von drei bis vier Jahren wechselten die Deutschen zu Beginn der 1970er Jahre ihr Fahrzeug, obwohl es weiter vollständig funktionstüchtig war. Hinter diesem Verhalten stand primär das Motiv, durch den Kauf eines neuen Pkw den eigenen wirtschaftlichen Aufstieg zu dokumentieren. Dieser hohe symbolische Wert des Autokonsums mag die Ursache dafür gewesen sein, dass die Assoziationskette ›neuer = besser = teurer‹ von den Konsumenten prinzipiell akzeptiert wurde.179 Für die Automobilanbieter bedeutet dieser Umstand, dass sie die Strategie höherer Preise gezielt als eine Funktion der sozialen Begrenzung der Nutzerkreise einsetzen konnten. Gerade die bei Oberklasseanbietern anzutreffenden Premium-Preisstrategien dienten dazu, Alleinstellungsmerkmale der Marke 174 Siehe Goebel, Anpassung, S. 136 f.; Art. »Langsam wieder auf Touren«, in: WirtschaftsWoche vom 20.3.1975, S. 13. 175 Vgl. BMWGA , UA 1545, »Verteuerung der Fahrzeughaltung 1970–1974«. 176 Vgl. BMWGA , UA 1599, Pressenotiz zur Anhebung der Listenpreise vom 17.11.1969. 177 Vgl. Brunn, Wettbewerbsprobleme, S. 37. 178 Vgl. zum Begriff der Modeanfälligkeit von Gütern: Günter Wiswede, Theorien der Mode aus soziologischer Sicht, in: ders. / Karl Gustav Specht (Hrsg.), Marketing-Soziologie. Soziale Interaktionen als Determinanten des Marktverhaltens, Berlin 1976, S. 395. 179 Dies mutmaßte Henry Ford II . in einer Betrachtung der Preisentwicklung auf dem US Markt 1969. Vgl. Benson Ford Research Center, Dearborn (BFR), Public Relations Records Collection, 247, Box 4, HF II, Special Collection 1969, Henry Ford II, Vortrag vor dem Harvard Business School Public Affairs Forum am 2.12.1969. Vgl. Hermann Diller, Der Preis als Qualitätsindikator, Berlin 1977; Brunn, Wettbewerbsprobleme, S. 37. Aus heutiger Sicht: Art. »Bei Rabatten greift der Deutsche gerne zu. Konsumforscherin Andrea Groeppel-Klein über Verbraucherverhalten und Abwrackprämie«, in: Der Tagesspiegel vom 8.4.2009.

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und seiner Kunden zu dokumentieren, um  – wie schon der Sozialphilosoph Georg Simmel festhielt – einen distinktiven Mode- bzw. Modernitätszyklus in der Angebotsgestaltung zu etablieren.180 Allerdings barg die neue Preisdynamik gerade bei Herstellern, die ihre Angebote auf weniger finanzstarke Erstkäufer fokussierten, zugleich die Gefahr, prohibitiv auf die Nachfrage zu wirken. Die unternehmerische Preispolitik blieb vor diesem Hintergrund ein letztlich stark segment- und klientelabhängiges Verbanquespiel, bei der es galt, Nutz- und Symbolwerte des Autos abzuwägen.181 Tab. 9: Direkte Preiselastizität der Neuwagen-Nachfrage, 1970–1982 Jahr

Kaufpreis-Elastizität

Autokosten-Elastizität

1970

2,8

4,3

1971

0,3

0,2

1972

-0,1

-0,1

1973

-1,3

-0,8

1974

-2,2

-1,9

1975

2,9

6,6

1976

2,4

2,4

1977

3,0

4,8

1978

1,0

1,3

1979

-0,4

-0,3

1980

-2,4

-1,1

1981

-0,7

-0,4

1982

-1,2

-2,0

Quelle: Eigene Berechnung auf Basis von TuZ, 1971, S. 267; TuZ, 1979 u. 1981, S. 26–28.; TuZ, 1986, S. 26–28 u. 330.

Dieser nicht immer durchsichtige Zusammenhang zwischen Preisentwicklung und Käuferverhalten bestätigt sich bei der Bestimmung der Preiselastizität der Neuwagennachfrage (Tab. 9). Höhere Listenpreise zogen nicht grundsätzlich einen Rückgang der Neuzulassungen nach sich. Die klassische Reaktion der Käufer, Konsumausgaben bei relativ steigenden Preisen zu reduzieren, zeigte sich 180 Vgl. Georg Simmel, Philosophische Kultur. Gesammelte Essais, 2. Aufl., Leipzig 1923, S. 35. Zur Kritik an Simmels Modebegriff, der einen starren Trickle-down-Effekt sozialer Nachahmung voraussetzt, siehe Thomas Schnierer, Modewandel und Gesellschaft. Die Dynamik von ›in‹ und ›out‹, Opladen 1995, S. 41 f. 181 Vgl. Goebel, Anpassung, S. 134.

Strukturwandel und Krisen 1966–1982

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lediglich in den akuten Krisenphasen 1972 bis 1974 sowie 1979 bis 1982. Als vielleicht typische Irrationalität beim Autokauf mag man vielmehr bewerten, dass sich die Konsumenten nach den Abschwüngen trotz erheblicher Preissteigerungen nicht davon abhalten ließen, neue Automobile zu erwerben. Die Nachfrage zeigte sich damit stark konjunkturanfällig, aber eher wenig preissensibel182 – ein Befund, der einmal mehr den ungeheuren Motorisierungswillen unterstreicht, der in der deutschen Bevölkerung noch in den 1970er Jahren zum Tragen kam. Im Frühjahr 1973 konstatierte die Wochenzeitschrift Zeit unter dem treffenden Titel »Und sie kaufen doch…«: Der Kundenstrom in die Ausstellungssalons der Händler bestätigt einmal mehr, dass deutsche Autofahrer wegen höherer Preise keinen Autokauf vertagen. Das einzige, was die Deutschen vom neuen Auto Abstand nehmen lässt, ist eine Rezession mit Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit. Wenn die Familienkasse nicht mehr stimmt, dann wird als erstes der neue Wagen gestrichen. Das typische Rezessionsverhalten der Kundschaft macht die Autoindustrie traditionell zum Frühinvaliden jeder wirtschaftlichen Flaute.183

Wenige Monate später sollte sich diese Ahnung wieder bestätigen. Dabei waren es weniger die Preise als die pessimistischen Einkommenserwartungen, die retardierend auf die Nachfrage einwirkten. Tatsächlich wuchs das Realeinkommen seit Beginn der 1970er Jahre wesentlich langsamer als zuvor (Abb. 9). Dennoch waren die Konsumenten bereit, immer höhere Anteile ihres Einkommens in die Automobilität zu investieren: Folgt man den Verwendungsdaten des Statistischen Bundesamt, stiegen die Pkw-Ausgaben relativ zum gesamten Verbrauch in allen repräsentativen Sozialgruppen stetig an. Bei Haushalten mit niedrigen Einkünften (Typ 1) nahm sie verhalten von 0,2 (1965) über 0,7 (1975) auf drei Prozent (1982) zu.184 Arbeitnehmerfamilien mit mittleren Einkommen (Typ 2) gaben 7,2, dann 10,8 und schließlich bis zu zwölf Prozent für ihren Pkw aus. Bei Haushalten mit höheren Einkommen (Typ 3) lag das Niveau recht stabil bei 13 bis 14 Prozent. In der Gesamtbetrachtung avancierten die Motorisierungsaufwendungen zu einem der wichtigsten Posten in den privaten Verbrauchsstatistiken. Mehr gaben die Konsumenten zu Beginn der 1980er Jahre lediglich für die Grundbedürfnisse Lebensmittel und Wohnen aus.185 In der sukzessiv wachsenden Bedeutung der Position Autokosten für die Haushaltsbudgets spiegelt sich wiederum der zeitliche Verlauf der Motorisierung in den unterschiedlichen soziodemographischen Gruppen deutlich wider. Die 182 Es bleibt zu beachten, dass sich die Preiselastizität von unteren zu höheren Produktsegmenten generell abschwächte; Willi Diez, Das Handbuch für das Automobilmarketing. Strategien, Konzepte, Instrumente, Landsberg am Lech 1995, S. 121; Beckmann, Käfer, S. 152. 183 Rolf Diekhof, Und sie kaufen doch…, in: Die Zeit vom 2.3.1973. 184 Angaben in Preisen des Jahres 1980. Vgl. Statis Archiv- CD, Zeitreihen 0846196, 0848196 u. 0850196. Die Zahlen umfassen jeweils motorisierte und unmotorisierte Haushalte. 185 Vgl. Reckendrees, Konsummuster, S. 41, insbes. Tabelle 2.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

10,0

120

100

6,0 80 4,0 60 2,0

Index (1980 = 100)

Veränderung zum Vorjahr (in v.H.)

8,0

40 0,0 20

-2,0

Reallohn (jährl. Veränderung in v.H.)

1983

1982

1981

1980

1979

1978

1977

1976

1975

1974

1973

1972

1971

1970

1969

1968

1967

1966

1965

Reallohnindex (1980 = 100) -4,0

0

Abb. 9: Entwicklung der Realeinkommen in der BRD, 1965–1985 Quelle: Eigene Erhebungen auf Basis von Statis Archiv-CD, Zeitreihen 2025001 u. 3000005.

treibenden Faktoren hinter dem Wachstum des deutschen Automarktes in den 1970er Jahren blieben einerseits die fortschreitende Erstmotorisierung einkommensschwächerer Gesellschaftsgruppen, andererseits aber vor allem der Drang zu höherwertigen Automodellen in der sozialen ›Mittelklasse‹.186 Fokussiert man die Analyse auf bereits motorisierte Haushalte mittleren Einkommens, so zeigt sich, dass die monatlichen Aufwendungen allein für den Kauf eines neuen oder gebrauchten Automobils von durchschnittlich 3,5 Prozent (1965–1975) auf über sechs Prozent in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts anwuchsen. Über die Ursachen für diese Entwicklung kann zunächst nur spekuliert werden. Sicherlich führten die erhöhten Preise zu Mehrausgaben, die nicht mehr durch Einkommenszuwächse kompensiert werden konnten. Denkbar ist aber auch, dass die Wertkomponente des Pkw-Kaufs tendenziell anstieg. Dies würde bedeuten, dass Kunden aus sozialen Positionierungsmotiven bereit waren, mehr für ein besser ausgestattetes Automobil auszugeben. Allerdings erscheint auch möglich, dass die Kunden ganz im Gegenteil auf kleinere, preisgünstigere Fahrzeuge umstiegen, um ihre Haushaltsbudgets potentiell von noch höheren Anschaffungskosten zu entlasten.187 Damit gelangt die Analyse zu der grundlegenden Frage, inwieweit die quantitativen Preis- und Mengeneffekte durch qualitative Veränderungen der Nachfrage überlagert wurden. 186 Vgl. ebd., S. 48. 187 Vgl. Goebel, Anpassung, S. 134.

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Strukturwandel und Krisen 1966–1982

Tab. 10: Laufende monatliche Pkw-Aufwendungen, 1966–1982 (Haushalte mittleren Einkommens, Anteile am privaten Verbrauch in v. H.) Pkw-Aufwendungen Jahr

Kauf Haltung Kraftstoffe

jährl. Veränderungsrate gesamt

Kauf

Privater Verbrauch Haltung Kraftstoffe (in v. H. des Vorjahres)

1966

3,4

7,4

4,2

14,9

−20,7

−5,9

−5,6

1,6

1967

1,8

7,0

4,1

13,0

−48,4

−7,8

−3,9

−3,1

1968

3,4

7,5

4,8

15,7

87,5

6,9

16,1

0,1

1969

3,3

7,4

4,4

15,1

3,4

5,6

−1,9

7,0

1970

4,5

7,2

3,9

15,6

41,8

1,3

−8,3

3,9

1971

4,5

6,5

3,5

14,4

7,0

−4,4

−3,1

7,1

1972

3,3

6,5

3,7

13,5

−25,8

2,7

6,9

1,5

1973

4,2

6,5

3,9

14,6

34,4

4,5

11,5

5,0

1974

4,0

6,0

4,3

14,3

−3,7

−5,8

12,4

1,7

1975

5,4

5,9

4,1

15,4

46,2

3,5

0,9

6,2

1976

5,7

5,6

4,2

15,5

8,4

0,1

5,9

4,3

1977

6,4

6,0

4,1

16,4

15,2

9,0

0,1

2,5

1978

6,3

5,8

4,0

16,1

−0,5

−2,8

−0,6

0,5

1979

7,1

5,9

4,0

17,0

17,0

6,4

2,6

4,0

1980

4,4

5,6

4,5

14,5

−38,3

−6,0

12,0

−0,5

1981

4,8

5,5

4,7

15,0

6,7

−2,7

2,9

−1,7

1982

5,6

5,2

4,5

15,2

17,0

−5,7

−4,7

0,1

Quelle: Eigene Erhebungen auf der Basis von TuZ, 1975, S. 316; TuZ, 1986, S. 376.

Mehr Fragen als konkrete Antworten liefert in diesem Zusammenhang der Versuch, nicht nur die Entwicklung der Anschaffungs-, sondern auch der Haltungskosten mit in die Suche nach verhaltensbestimmenden Faktoren einzubeziehen. Hier sind zwei Befunde auffallend: Erstens sanken die Aufwendungen für Betriebs- und Verbrauchsmittel stetig. Offenbar wuchsen die Einkünfte der Haushalte tendenziell schneller als die notwendigen Mehraufwendungen. Allerdings bleibt auch hier der technische Fortschritt der Produkte ins Kalkül zu ziehen. Neue Fahrzeug- und Motorengenerationen waren potentiell weniger anfällig für

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

Reparaturen. Zudem bestand für die Hersteller die Option, die Wartungskosten der Kunden durch längere Garantiezeiten abzufedern.188 Zweitens – und eher noch überraschender – ist, dass die Aufwendungen für Kraftstoffe trotz der Energiepreiskrisen praktisch unverändert bei einem durchschnittlichen Budgetanteil von rund vier Prozent verharrten. Der VDA vermerkte hierzu 1979: »Bezogen auf die Haushaltseinkommen lag der Anteil der Aufwendungen für Kraftstoff bei den motorisierten Haushalten im vergangenen Jahr wie im Jahre 1970 […]. [Es] verdoppelte sich eben beides, die Kraftstoffpreise und die Nominaleinkommen.«189 Ähnlich resümierte eine Studie der Shell AG: »Die Benzinpreiserhöhungen der letzten Jahre haben das Einkommen der privaten Haushalte also nur geringfügig mehr belastet.«190 Ziel dieser Aussagen war es natürlich, die Folgen der inflationären Entwicklung der Öl- und Benzinpreise herunterzuspielen. Auch diese Sicht greift aber zu kurz, weil sie einen zentralen Faktor für die Betriebskosten ausblendet: das Nutzungsverhalten der Konsumenten. Durch weniger oder langsameres Fahren, vielleicht auch mit einem verbrauchsärmeren Pkw, besaßen die Autofahrer Instrumente, um ihre Verbrauchskosten aktiv zu regulieren. Mit quantifizierenden Methoden lassen sich solche Spareffekte jedoch nur schwer isolieren.191 Es erscheint daher vielversprechender, das Kauf- und Nutzungsverhalten qualitativ zu untersuchen. Denn an einem mangelt es den bisherigen wirtschaftshistorischen Marktstudien der Umbruchzeit nach dem Boom besonders: Struktureffekte auf der Makroebene mit sich veränderten Einstellungen und Wahrnehmungen des Produktes auf der Mikroebene des Kunden- und Konsumverhaltens zusammen zu lesen.192 Nur so können wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Wirkungszusammenhänge in ihrer ganzen Komplexität aufgezeigt werden.

2.6 Erst- und Ersatzkauf Die Struktur des Bedarfs bildet eine zentrale nachfrageseitige Determinante für die Entwicklung von Konsumgütermärkten. Ihr liegt der natürliche Mechanismus zu Grunde, dass sich das Mengenwachstum der Nachfrage in Abhängigkeit vom Versorgungsgrad des Marktes bewegt. Dabei sind idealtypisch drei Phasen unterscheidbar: erstens eine Anlaufphase, in der der Markt unterversorgt ist, d. h. geringe Bestandszahlen und positive Zuwachsraten aufweist; zweitens eine Expansionsphase mit hohen Wachstumsraten, die zu einem starken Anwachsen 188 Siehe Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Marktstruktur, S. 58. 189 VDA , Jahresbericht auto 1978/79, S. 60. 190 Shell, Aufschwung, S. 7. 191 Vgl. Berg, Einfluss, in: Röper (Hrsg.), Probleme, S. 60. 192 Vgl. Heinz Güntensperger, Die Nachfrage nach Pkw und Kraftstoffen im Individualstraßenverkehr. Eine ökonometrische Analyse für die Bundesrepublik Deutschland, München 1993, S. 5–7.

Strukturwandel und Krisen 1966–1982

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der Bestandszahlen führen und drittens eine Sättigungsphase, in der sich der Bestand des nun weitgehend verbreiteten Konsumguts kaum noch ausweiten lässt.193 Übertragen auf den Automobilsektor bedeutet dies, dass die historische Entwicklung der sog. Motorisierungsdichte (Pkw-Bestand pro Einwohner) einen wichtigen Indikator für etwaige Marktprognosen darstellte. Die Abbildung 10 zeigt einen typisch S-förmigen Verlauf der Entwicklung des Pkw-Bestandes in der Bundesrepublik Deutschland seit 1950. In der Anlaufphase der Motorisierung bis zum Beginn der 1960er Jahre waren jährliche Zuwächse von über zwanzig Prozent zu verzeichnen. Während sich die Verbreitungsgeschwindigkeit abschwächte, erreichten die absoluten Bestandszahlen im weiteren Verlauf immer neue Rekordhöhen. 1966 wurde erstmals die Marke von zehn Millionen Pkw auf deutschen Straßen erreicht; 1971 waren es bereits rund 15 Millionen, sechs Jahre später zwanzig Millionen Automobile (1977). Die 1970er Jahre bildeten somit eine Kernzeit der automobilen Expansion, bevor sich mit nur noch niedrigen Besatzzunahmen eine Sättigung des Pkw-Neubedarfs am Horizont abzeichnete.194 Die Sorge, dass sich die Motorisierungsspielräume erschöpfen würden, keimte bei den Autoherstellern bereits frühzeitig auf. In der Rezession 1966 argwöhnten sie, dass die Autobranche auf absehbare Zeit keine »typische Wachstumsindustrie« darstellen könne, da sie »mit ihren Produkten früher oder später an eine Sättigungsgrenze [stößt], die sicherlich vor dem Zustand liegt, in der jedes Individuum des Binnenmarktes ein Automobil besitzt.«195 Es sei lediglich eine Frage der Zeit, dass der Markt in eine neue Phase eintrete, »die ganz im Zeichen des Absatzproblems« stehe und von nachhaltigen »Strukturwandlungsprozessen« geprägt sei.196 Den Orientierungspunkt für diese Art von Prognosen bildeten stets die USA . Hier seien bei einer Pkw-Dichte von 250 bis 300 Automobilen pro 1.000 Einwohner, so der Marktanalyst Klaus Busch, schon in den 1950er Jahren erste Sättigungserscheinungen spürbar geworden.197 Dass eine ähnliche Entwicklung auf Deutschland zukommen würde, galt als unbestritten. Die Frage war lediglich, inwieweit das US -Exempel trotz Unterschieden in den Lebens- und Nutzungsbedingungen hinreichende Referenzdaten liefern könne, um den Übergang zum Käufermarkt auch für Deutschland richtig zu terminieren. 1965 mutmaßte eine Studie, dass eine »Sättigung des deutschen Pkw-Marktes dann erfolgt sein [dürfte], wenn jeder vierte Einwohner ein Fahrzeug besitzt. Eine Kraftverkehrs193 Vgl. Mathias Graumann, Die Analyse der Innovationstätigkeit deutscher Automobilhersteller auf dem Markt für Personenkraftwagen 1975–1990, Frankfurt / M. u. a. 1993, S. 26; Diekmann, Automobilnachfrage, S. 281. 194 Vgl. Achim Diekmann, Abschied vom Mengenwachstum: Automobilindustrie, in: Wirtschaftsdienst 59, 1979, Nr. 11, S. 555. 195 Busch, Strukturwandlungen, S. 17. 196 Ebd., S. 144. 197 Vgl. ebd.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

30.000

35 Bestand (absolute Anzahl)

jährliche Zuwachsrate 30 Veränderung zum Vorjahr (in v.H.)

25.000

Bestand (in 1.000)

25 20.000

20 15.000

15 10.000

10 5.000

1985

1980

1975

1970

1965

1960

1955

1950

0

5

0

Abb. 10: Pkw-Bestand in der BRD, 1950–1982 Quelle: Statistische Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes, Nr. 27, 1981, H. 10, S.7; TuZ, 1981, S. 26 f.; TuZ, 1986, S. 26 f.

dichte, die derjenigen in den USA entspricht, wird bei uns nicht erwartet.«198 Auch wenn sich die Prognose letztlich als zu pessimistisch herausstellte, wurde ein Abflauen der Motorisierungsdynamik schon Mitte der 1960er Jahre zum Drohgespenst der deutschen Automobilhersteller.199 Tab. 11: Pkw-Dichte und Nachfragedeterminanten, 1965–1985 Pkw-Dichte

Nachfragedeterminanten

Jahr

Bestand pro 1.000 Einwohner

Erstnachfrage (in v. H)

Ersatznachfrage (in v. H.)

1965

158,1

67,8

32,2

1970

229,9

56,9

42,7

1975

289,5

37,3

62,7

1980

376,1

24,3

75,7

1985

423,5

28,9

71,1

Quelle: TuZ, verschiedene Jahrgänge; SVR , Jahresgutachten 1980/81, S. 240 u. 1986/87, S. 257. 198 Werner Knott, Die Aussichten der Personenkraftwagenindustrie der in der EWG vereinigten Länder, München 1965, S. 136, zit. nach Beckmann, Käfer, S. 122. 199 Vgl. Busch, Strukturwandlungen, S. 145.

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Zwischen 1960 und 1985 erhöhte sich die Pkw-Dichte in Westdeutschland kontinuierlich von 158,1 bis auf 423,5 Pkw pro 1.000 Einwohner (Tab. 11). Bezogen auf die Anzahl der sog. motorisierungsfähigen Erwachsenen zeichnete sich die starke Verbreitung des Automobils mit Werten von 219 (1965), 397 (1975) und letztlich 583 (1985) Fahrzeugen auf 1.000 potentielle Autofahrer noch wesentlich drastischer ab.200 Der sog. Neubedarf als »Nettokomponente der inländischen Nachfrage«201 ging stetig zurück. Das Motorisierungspotential des Binnenmarktes versiegte. Der Absatz basierte dementsprechend immer weniger auf einer Erstausstattung. Wurden 1965 noch 2/3 der Neuwagenanmeldungen dem Erstkauf zugeschrieben, reduzierte sich der Anteil bis 1985 auf unter dreißig Prozent. Die überwiegende Mehrzahl der Autokäufer suchte jetzt nur noch Ersatz für ein ›altes‹ Fahrzeug.202 Wie bereits erwähnt, war und ist es dabei ein besonderes Kennzeichen der Branche, dass Automobile nicht erst dann gewechselt wurden, wenn sie defekt waren. Der Ersatzkauf erfolgte vielmehr, wenn die Modelle technisch oder modisch als veraltet schienen. Die Nachfrageschätzungen konnten sich folglich nicht allein am messbaren Altersaufbau der im Verkehr befindlichen Pkw orientieren, sondern mussten die psychologische Obsoleszenz als schwer kalkulierbares Kriterium mitberücksichtigen.203 Die Unsicherheit der Unternehmen über die zukünftige Marktentwicklung war umso größer, da sie sich »aufgrund der höheren Austausch-Ersatzbedeutung«, so der VW-Vorstand, »mit der Problematik einer sehr großen Konjunktur­ reagibilität dieser Schlüsselindustrie«204 konfrontiert sahen. Bereits motorisierte Kunden waren gerade in Krisenzeiten wesentlich disponibler in ihren Kaufentscheidungen. Sie konnten ihr altes Auto einfach weiterfahren und den Erwerb eines Neuwagens auf bessere Tage verschieben.205 Vor diesem Hintergrund be200 Vgl. Deutsche Shell (Hrsg.), Grenzen der Motorisierung in Sicht. Shell-Prognose des Pkw-Bestandes bis zum Jahr 2010, Hamburg 1989, S. 20. Als sog. ›motorisierungsfähige Erwachsene‹ werden hier alle Personen bezeichnet, die das Mindestalter von 18 Jahren zum Erwerb einer Pkw-Fahrerlaubnis erreicht hatten. 201 Diekmann, Automobilnachfrage, S. 280. 202 Vgl. Art. »Die Ersatznachfrage bestimmt immer mehr die Automobilproduktion«, in: Handelsblatt vom 5.5.1978, S. 26. 203 Vgl. Stefan Stumpp, Ersatzkaufverhalten bei langlebigen Konsumgütern. Eine verhaltenswissenschaftliche Erklärung der Entstehung und anbieterbezogene Möglichkeiten zur Beeinflussung der Ersatzkaufabsicht, Lohmar 2000. 204 UVW, 610/382/2, Rudolf Leiding, Der Strukturwandel auf dem Automobilmarkt, Vortrag am Institut für Weltwirtschaft, undatiert [1972/3], F. 4 f. 205 Vgl. Peter Weiher, Gegenwärtige Entwicklung und Zukunftsaussichten des Pkw-Bereichs, in: Theodor Eymüller / Horst Böcker (Hrsg.), Die Automobilindustrie in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt / M. 1977, S. 14. Vgl. auch die ähnliche Einschätzung des VDA-Vorsitzenden Vorwig, abgedr. in: Art. »Auto-Industrie setzt auf Export. Ausfuhr stieg um ein Fünftel, Inlandsabsatz wuchs langsamer«, in: Die Welt vom 7.2.1964; Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Marktstruktur, S. 190; Zahn, Automobilindustrie, S. 6.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

fürchteten die Autokonzerne, ihre Kunden in wirtschaftlich unsicheren Phasen kaum mehr zum Kauf animieren zu können. Erst die historische Analyse offenbart, dass sich diese, in allen zeitgenössischen Marktstudien reproduzierte Einschätzung als falsch erwies. Weder in der Rezession 1966/67 noch während der beiden Ölpreiskrisen brach die Ersatznachfrage ein, im Gegenteil: In den Krisenjahren 1973/74 und noch klarer 1979/80 war es gerade die Ersatzbeschaffung, die dem Automarkt gegen den Trend stabilisierende Impulse verlieh (Tab. 12). Er waren vielmehr die Erstkäufe, die massiv absackten und starken Schwankungen unterlegen waren. Die Krise der Branche basierte im Wesentlichen darauf, dass die marktinhärenten Potenziale zur weiteren Expansion nicht abgerufen werden konnten. Das Zögern der Neukunden dämpfte die Wachstumsdynamik. Gleichwohl waren die Struktureffekte der Verschiebung vom Erst- auf den Ersatzbedarf ebenso nachhaltig: Unabhängig von Besitzerwechseln war die rein technische Präsenzzeit eines Automobils am Markt in den 1970er Jahren auf durchschnittlich rund acht bis neun Jahre begrenzt. Das heißt, dass ein beispielhaft 1974 gekauftes Modell etwa im Jahr 1983 in Deutschland steuertechnisch abgemeldet wurde und durch einen Neuwagen ersetzt wurde.206 Auf diese Weise blieben die beiden Nachfragekomponenten untrennbar miteinander verbunden. Denn Krisentäler des Neuwagenabsatzes in den Jahren 1967 oder 1974 spiegelten sich in demselben zyklischen Turnus darin wieder, dass sich auch die Ersatznachfrage abschwächte. Vice versa sorgte der starke Bestandsaufbau im Boom der 1960er Jahre im Abstand eines Produktlebenszyklus für einen erhöhten Erneuerungsbedarf. Der wellenförmige Verlauf der Erstkäufe in der Vergangenheit führe somit dazu, dass die klaren Strukturen der Motorisierung in der Zukunft verschwimmen würden, konstatierte eine Shell-Analyse.207 Die direkten Auswirkungen konjunktureller Krisen überlagerten sich immer mehr mit indirekten zyklischen Struktureffekten. Phasen mit starker nachholender Motorisierung folgten – mit einigen Jahren Verzögerung – Sprünge im Ersatzbedarf nach. Die temporären und quantitativen Verzögerungs- und Nachholeffekte, Auf- und Abschwungdynamiken wirkten teils mit-, teils gegeneinander. So war letztlich die Rezession 1967 dafür verantwortlich, dass die nominelle Zahl der Ersatzkäufe in Zeiten des Autobooms von 1975/6 überraschend zurückging. Die Marktdynamiken verwischten und ließen sich kaum mehr voneinander abgrenzen – ein Umstand, der von der historischen Konsumforschung bislang kaum wahrgenommen wurde. Verstärkt wurde diese Entwicklung durch den Umstand, dass in den 1970er Jahren langsam eine dritte Nachfragekomponente an Bedeutung gewann: der Trend zum Zweitwagen. Von den Automobilunternehmern wurde die Steigerung des sog. Ergänzungsbedarfs geradezu sehnsüchtig erwartet. Schon 1973 referierte 206 Vgl. Weiher, Entwicklung, in: Eymüller / Böcker (Hrsg.), Automobilindustrie, S. 12; Beckmann, Käfer, S. 121. 207 Vgl. Shell, Grenzen, S. 12.

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Strukturwandel und Krisen 1966–1982

Tab. 12: Erst- und Ersatzbedarf, 1960–1983 Neuzulassungen (Anzahl in 1.000)

Anteil an Neuzulassungen (in v. H.)

Jahr

Erstbedarf

Ersatzbedarf

Erstbedarf

Ersatzbedarf

1960

820

150

84,5

15,5

1961

919

176

83,9

16,1

1962

997

220

81,9

18,1

1963

979

292

77,0

23,0

1964

939

404

69,9

30,1

1965

1.030

490

67,8

32,2

1966

928

578

61,6

38,4

1967

646

711

47,6

52,4

1968

752

673

52,8

47,2

1969

1.123

718

61,0

39,0

1970

1.201

900

56,9

42,7

1971

1.100

1.052

51,1

48,9

1972

849

1.294

39,6

60,4

1973

713

1.438

35,1

64,9

1974

320

1.449

18,9

81,1

1975

805

1.353

37,3

62,7

1976

1.019

1.357

42,9

57,1

1977

1.197

1.442

45,4

54,6

1978

1.243

1.523

44,9

55,1

1979

994

1.690

37,0

63,0

1980

623

1.936

24,3

75,7

1981

445

1.995

18,2

81,8

1982

355

1.935

15,5

84,5

1983

653

1.895

25,6

74,4

Quelle: Graumann, Analyse, S. 27; Shell, Prognose, S. 10 f. und Shell, Grenzen, S. 19.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

VW-Chef Leiding vor dem Institut für Weltwirtschaft, dass dieses neue Markt-

feld »in einer übersehbaren Zukunft […] unsere Struktur verändert. [Es] ist der Zweitwagen  – in Deutschland ohne jede Bedeutung bei 4 %, in Amerika bei 30 %.«208 Der Verkauf von Zweitwagen galt als neue Waffe, um die Sättigungserscheinungen zu kompensieren.209 Wie sich zeigen sollte, erreichte die Zweitwagen-Motorisierung jedoch kaum das erhoffte Tempo. Der Marktanteil von Zweitwagen legte bis 1983 lediglich auf 11,2 Prozent zu. Zu diesem Zeitpunkt statteten somit lediglich rund 80.000 Haushalte den Ehepartner oder erwachsene Kinder mit einem zusätzlichen Pkw aus.210 Diese relativ schwache Entwicklung war auf zwei Gründe zurückzuführen: Zum einen bremste die unsichere Wirtschaftslage die Nachfrage gerade in diesem Feld ab. Vor die Alternative gestellt, eine weitere große Anschaffung zu tätigen oder das Geld lieber ›für schlechte Zeiten‹ zurückzulegen, entschieden sich die Konsumenten oft für die letztere Option.211 Trotz einer wachsenden Zahl von Haushalten mit zwei Berufstätigen heftete dem Zweitwagen noch lange ein Image des übertriebenen Luxus an. »Beim Zweitwagen beginnt für viele immer noch das Großbürgertum«212, stellte Die Zeit 1972 fest. Zum anderen bleibt darauf zu verweisen, dass sich einen Großteil der Bevölkerung überhaupt erst in den 1970er Jahren motorisierte. Da die Ergänzung der Erstausstattung naturgemäß nachgelagert ist, entfaltete sie sich nur zögerlich. Eine nach sozioökonomischen Statuskategorien differenzierte Analyse des Motorisierungsverlaufs lässt diese Kopplung in ihrer zeitlichen und sozialen Dimension erkennen. Die Tabelle 13 zeigt, dass sich die Pkw-Ausstattung der Haushalte in Abhängigkeit von der beruflichen Stellung ihres jeweiligen Haushaltsvorstandes in unterschiedlichen Geschwindigkeiten vollzog. Während die Haltergruppe der Selbständigen 1965 bereits zu 70,3 Prozent über einen Pkw verfügte, besaß nur jeder zweite Angestellten- oder Beamtenhaushalt sowie sogar nur etwa jeder dritte Arbeiterhaushalt ein Auto. Der Absatzboom nach der ersten Krise 1966/67 sorgte allgemein für eine Ausweitung der Motorisierung. Die Distanzen zwischen Angestellten / Beamten mit 72,6 und Arbeitern mit 55,6 Prozent waren jedoch weiterhin beachtlich. Der Pkw-Besitz blieb bis weit in die 1970er Jahre hochgradig sozial determiniert. Erst nach der ersten Ölpreiskrise deutete

208 UVW, 610/382/2, Rudolf Leiding, Strukturwandel, Vortrag, undatiert [1972/3], S. 4 f. 209 Vgl. Diekmann, Automobilnachfrage, S. 289. 210 Eigene Erhebungen auf Basis von TuZ, 1976, S. 311 und TuZ, 1986, S. 357. Zweitwagenkäufe wurden von der Verkehrsstatistik als Erstkäufe behandelt. Diese Zuordnung wirft Probleme auf, da es sich bei den Zweitwagen oft um ›Gebrauchte‹ handelte. Falls der Verkäufer seinen Altwagen durch einen fabrikneuen ersetzte, schlug sich dies im Ersatz- und nicht im Erstbedarf nieder. 211 Vgl. Art. »Auf die Autokäufer ist weniger Verlass«, in: FAZ vom 17.8.1974, S. 11. 212 Art. »Mini für die Stadt. Für wen lohnt sich ein zweites Auto?«, in: Die Zeit vom 7.7.1972.

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Strukturwandel und Krisen 1966–1982

Tab. 13: Motorisierung nach sozialen Statusgruppen, 1965–1983 (Erst- u. Zweitwagen, in v. H.) Pkw-Besitz

Zweitwagen-Besitz

Statusgruppe

1965

1972

1978

1983

1965

1972

1978

1983

Selbständige / Landwirte

70,3

84,0

87,2

89,6

9,9

21,2

23,1

31,8

Beamte / A ngestellte

50,1

72,6

83,9

85,4

2,0

7,7

13,3

15,5

Arbeiter

34,8

55,2

77,2

80,9

0,8

3,7

8,8

13,2

Nichterwerbstätige

11,9

19,2

31,9

38,5

0,5

1,6

2,4

3,2

gesamt

35,8

50,0

61,8

65,3

2,1

5,6

8,6

11,2

Quelle: TuZ, 1976, S. 311; TuZ, 1981, S. 343; TuZ, 1986, S. 357.

sich eine soziale Angleichung ab, die dann in einer fast flächendeckenden PkwAbdeckung in allen sozialen Gruppen mündete.213 Erst jetzt war das Auto in Arbeiter- und Angestelltenfamilien ebenso selbstverständlich wie der Fernseher, der Kühlschrank oder die Waschmaschine. Als exklusives Zeichen des erreichten Wohlstandes eignete sich der schlichte PkwBesitz nun kaum mehr.214 Allerdings verschoben sich die sozialen Ungleichheiten mehr und mehr auf den Zweitwagen. Die Diffusion des Zweitwagens in die ›unteren‹ Sozialschichten erfolgte nach dem Muster eines Fahrtreppen-Effektes, der die inhärenten Unterschiede nicht nivellierte, sondern eher noch erhöhte. 1983 verfügte weiterhin ›nur‹ jede siebte Arbeitnehmerfamilie, aber jeder dritte Selbstständige über einen zweiten Pkw. An der Schwelle zu den 1980er Jahren – als der Besitz (nur) eines Personenwagens gerade zu einer gemeinschaftlichen, integrativ wirkenden Erfahrung geworden war – entwickelten sich der Kauf eines Zweitwagens oder eines höherklassigen Automobils zu den neuen Symbolen, um die soziale Differenzierung des Konsums weiterhin öffentlich zur Schau zu stellen.215 Daneben bleibt abschließend darauf hinzuweisen, dass nicht nur die Stra­ tifikationsmuster Einkommen und Berufsstatus den Verlauf der Motorisierung beeinflussten. Hinzu traten zahlreiche weitere soziodemographische Parameter. Verwiesen sei an dieser Stelle lediglich auf die Faktoren Haushaltsgröße, Wohn-

213 Eine Ausnahme bildeten lediglich die Erwerbslosen- und Arbeitslosenhaushalte. Sie motorisierten sich langsamer und waren 1983 noch zu unter vierzig Prozent mit einem Pkw ausgestattet. 214 Zum Vergleich der Einkommensabhängigkeit des Konsums von Autos und Fernsehern: Haustein, Mangel, S. 125 f. 215 Vgl. Art. »Wohlstandssymbol Zweitwagen?«, in: Der Spiegel vom 13.11.1972, S. 114; Schneider, Konsum, in: Rosenkranz / Schneider (Hrsg.), Konsum, S. 48–50.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

ort und Alter, die in ihrer Bedeutung für die Bedarfsentwicklung nicht zu unterschätzen sind.216 Insbesondere zwischen Haushaltsgröße und Pkw-Besitz bestand eine enge Korrelation. Je mehr Mitglieder ein Haushalt zählte, desto höher war die prozentuale Verfügbarkeit eines Pkw. 1965 besaßen nur 9,2 Prozent der Single-Haushalte einen Personenwagen, während über fünfzig Prozent der Familien mit drei oder mehr Mitgliedern auf ihn zurückgriffen. Bis zum Beginn der 1980er Jahre stieg das Motorisierungsniveau in allen Haushaltskategorien an, wobei jedoch eine starke relative Abstufung des Pkw-Besatzes bestehen blieb. (Tab. 14). Tab. 14: Motorisierung nach Haushaltsgrößen, 1965–1983 (in v. H.) Haushaltsgröße (Anzahl Personen)

Pkw-Besitz 1965

1972

1978

1983

1

9,2

15,7

23,1

29,6

2

29,6

44,2

61,9

69,4

3

48,6

70,1

84,1

88,6

4

53,7

76,2

89,2

92,1

5 und mehr

53,1

74,0

87,3

92,8

Quelle: TuZ, 1976, S. 311; TuZ, 1981, S. 343; TuZ, 1986, S. 357.

Insbesondere ein Kind zu haben, schien den Autobesitz geradezu zu determinieren. Offenbar sprach die Kosten-Nutzen-Abwägung der Familien mit der Geburt von eigenen Kindern stark für den Kauf eines Automobils, das die individuelle Mobilität die Organisation des privaten und beruflichen Alltags erheblich erleichterte. Zudem waren es meist junge Ehepaare mit Kindern, die einen eigenen Hausstand gründeten. George Katona wies in einer der ersten Studien zum Verbraucherverhalten bereits darauf hin, dass in den USA Mitte der 1950er Jahre fast die Hälfte aller Autokäufe von jungen Familien getätigt wurden. Auch wenn ähnliche Zahlen für Deutschland fehlen, ist davon auszugehen, dass sich dieses Konsummuster auch hier zeigte.217 Allerdings mutmaßte die deutsche Verbraucherforschung, dass ein Autokauf von jungen Ehepaaren erst getätigt wurde, nachdem das erste Kind ein Alter von über sechs Jahren erreichte. Familien mit jüngeren Kindern wiesen dagegen eine geringere Kaufneigung auf, da sie angesichts zusätzlicher Ernährungs- und Pflegeausgaben sowie aufgrund des Aus216 Vgl. Edmund Görtler, Demographische Veränderungen und Konsum. Vom Wandel der Bevölkerungsstruktur zum demographischen Marketing als neue Methode der Marktforschung, in: Rosenkranz / Schneider (Hrsg.), Konsum, S. 311. 217 Vgl. George Katona, Die Macht des Verbrauchers, Düsseldorf 1962, S. 233; Beckmann, Käfer, S. 182 f.

Strukturwandel und Krisen 1966–1982

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scheidens der Ehefrauen aus der Berufstätigkeit zunächst einschneidende Einkommensreduzierungen hinzunehmen hatten. Der sog. Familienzyklus nahm somit eine zentrale Rolle für die demographische Segmentierung des Kaufverhaltens ein.218 Der Trend zur Automobilität wurde noch dadurch verstärkt, dass sich der Wohnort bei Gründung eines eigenen Hausstandes oft auch geographisch verlagerte. Wie im Abschnitt zum Mobilitätsverhalten noch ausführlicher zu zeigen sein wird, erhöhte der Umzug in die Neubaugebiete der Vorstadt den automobilen Mobilitätsbedarf. Den engen Zusammenhang zwischen Haushaltsgröße, Wohnort und Autokauf belegt der Umstand, dass der Pkw-Besitz mit zunehmender Einwohnerzahl des Wohnortes abnahm. 1963 waren Haushalte in kleinen Gemeinden unter 5.000 Einwohner zu 77,2 Prozent motorisiert. In Städten mit bis zu 100.000 Einwohnern lag die Pkw-Dichte bei 66,2 Prozent, in Großstädten mit einem deutlich höheren Anteil von Ein- und Zwei-Personenhaushalten bei nur 54 Prozent.219 Eine wichtige Rolle spielte hierbei natürlich auch die bessere Verfügbarkeit von alternativen Beförderungsmitteln in den Städten, die einen Autoverzicht leichter möglich machten.220 Die vergleichsweise geringen Motorisierungsraten von Alleinstehenden und kinderlosen Ehepaaren wirkten sich für die Automobilbranche umso gravierender aus, da sich in den 1970er Jahren ein Trend zu kleineren Haushaltseinheiten abzeichnete. Die Gesamtzahl der bundesdeutschen Wohnhaushalte erhöhte sich zwischen 1965 und 1983 von rund 21 auf rund 25 Millionen. Parallel stieg der Anteil von Alleinstehenden von 24,2 auf 31,2 Prozent an.221 Die Veränderung der Lebens- und Wohnformen ist nur als ein Indiz für einen tiefer greifenden Wandel des Gesellschaftsmodells in der Industriemoderne zu interpretieren. Die örtliche Verknüpfung von Arbeit und Familie lockerte sich. Neue, mobilere Lebensentwürfe griffen Platz.222 Die aufgezeigten sozialdemographischen Veränderungen geben vor diesem Hintergrund nicht nur Hinweise auf zentrale Muster des Konsumverhaltens, die sich eng mit wandelnden Habituierungen der Autonutzung verbanden. Auch die sich verändernde Altersstruktur beeinflusste die Nachfrage. Die wenigen Studien, die sich bis heute mit diesem Phänomen beschäftigt haben, 218 Vgl. Werner Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, 2. Aufl., München 1980, S. 420 f. 219 Daten aus: Frantzke, Automobilnachfrage, S. 105. 220 Vgl. am Beispiel München: Barbara Schmucki, Nahverkehrssysteme im Vergleich. Der öffentliche Personenverkehr in München und Dresden 1945–1990, in: dies. / Luidger Dienel (Hrsg.), Mobilität für alle. Geschichte des öffentlichen Personennahverkehrs in der Stadt zwischen technischem Fortschritt und sozialer Pflicht, Stuttgart 1997, S. 65–67; Frantzke, Automobilnachfrage, S. 106. 221 Vgl. Statistisches Bundesamt, Haushalte nach Haushaltsgröße, Lange Reihen, Statis-online (unter: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/ Statistiken/Zeitreihen/LangeReihen/Bevoelkerung/Content100/lrbev05ga,templateId= renderPrint.psml; eingesehen am 15.3.2017). 222 Vgl. Doering-Manteuffel, Boom, S. 570.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

konstatierten, dass die individuelle Konsumfreudigkeit mit steigendem Alter abnahm. Personen über 45 Jahre zeigten eine geringere Neigung für ein Automobil als die Altersgruppe der 18- bis 45-Jährigen. Beckmann schlussfolgert: » das Verlangen nach dem Besitz eines Automobils [war] besonders intensiv bei Menschen ›jüngeren‹ und ›mittleren‹ Alters ausgeprägt […], d. h. in Lebensaltern, welche durch Aktivität, Streben nach Lustgewinn und Selbstentfaltung gekennzeichnet gewesen seien.«223 Statistisch ist diese These jedoch nicht zu belegen. Vielmehr zeigt sich eine eher gegenläufige Entwicklung. Tendenziell verloren jüngere Käufer im Bereich der Neuzulassungen an Bedeutung.224 Zwischen 1973 – ab hier wurde das Alter der Automobilkäufer vom Statisti­ schen Bundesamt erstmals flächendeckend ermittelt – und 1985 verschob sich die Nachfrage nach fabrikneuen Fahrzeugen deutlich in höhere Altersgruppen. Zu Beginn der 1970er Jahre zeigte sich die Gruppe der 30- bis 35-Jährigen am kauffreudigsten. Bei einem durchschnittlichen Heiratsalter von 28,5 Jahren für Männer bzw. 25,1 Jahren für Frauen (1970) belegt dieser Umstand den starken Einfluss des Familienzyklus auf den Automobilkauf. Allerdings waren nicht nur die spezifischen objektiven Bedarfskonstellationen der Familiengründung, sondern auch individuelle, subjektiv-psychologische Variablen für diesen Trend verantwortlich. So war das Ausgabeverhalten dieser Altersgruppe im Vergleich zu jüngeren oder älteren Kohorten durch einen stärkeren Optimismus geprägt, sich in naher Zukunft beruflich, finanziell und sozial etablieren zu können.225 Dies steigerte die Bereitschaft, finanzielle Risiken einzugehen, um Konsumziele zu verwirklichen und sich demonstrativ im sozialen Raum zu platzieren. Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Volksumfragen (DIVO) gingen Ende der 1960er Jahre 21 Prozent der Familien Abzahlungsverpflichtungen ein. Bei Alleinstehenden und älteren Personen lag der Anteil des Ratenkaufs deutlich geringer.226 Insgesamt wurden zu Beginn der 1970er Jahren allein rund zwei von drei Automobilen von Konsumenten im Alter zwischen 18 und 45 Jahren erworben. Im Verlauf der folgenden zehn Jahre hob sich jedoch der Altersdurchschnitt der Autokäufer deutlich an. Nun erwarben Personen zwischen 45 und 50 Jahren mit Abstand die meisten Automobile. Auch der Anteil der Käufer über 55 Lebensjahren stieg von 13,5 (1973) auf über zwanzig Prozent (1983). Die u. a. mit dem sog. Pillenknick einsetzende Alterung und Schrumpfung der westdeutschen

223 Beckmann, Käfer, S. 181. 224 Daten hierzu in: TuZ, 1981, S. 155; TuZ, 1986, S. 228. Die deutsche Statistik übernahm die relativ willkürliche Unterscheidung zwischen ›jüngeren‹ und ›älteren‹ Konsumenten, als deren Trennlinie in der amerikanischen Literatur meist das Erreichen des 45. Lebensjahres angesehen wurde; vgl. Christa Plassmann, Bestimmungsgründe der Nachfrage nach dauerhaften Konsumgütern, Berlin 1964, S. 66; Gesellschaft für Konsumforschung (Hrsg.), Die Bedarfsstruktur 1962. Eine Basiserhebung, Nürnberg 1962. 225 Siehe Günter Schmölders, Psychologie des Geldes, Reinbek 1966, S. 119. 226 Zit nach: Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, S. 423.

Strukturwandel und Krisen 1966–1982

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Wohnbevölkerung war hierfür sicherlich noch nicht verantwortlich zu ­machen.227 Vielmehr sorgten die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre dafür, dass die Zahl der über 18-jährigen, sog. motorisierungsfähigen Personen eher noch zunahm.228 Einen überzeugenderen Erklärungsansatz lieferte der VDA bereits 1979, indem er in seiner Analyse demographische mit psychologischen Faktoren kombinierte: In den achtziger Jahren dürfte sich […] eine Reihe von strukturellen Faktoren positiv auf die Pkw-Nachfrage auswirken. So wird der Anteil der fahrfähigen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung noch steigen. So wachsen starke Jahrgänge in das Alter hinein, in dem nach dem Führerscheinerwerb das erste Automobil, und sei es ein Gebrauchtfahrzeug, angeschafft werden kann. Andererseits wächst am anderen Ende der Alterspyramide der Anteil derjenigen, die ein Leben lang mit dem Automobil vertraut waren.229

Die Branche setzte auf eine Art Gewöhnungseffekt. Umso mehr Konsumenten ein Leben lang den Umgang mit dem Automobil wie selbstverständlich einübten, desto intensiver verinnerlichten sie den stabilen Rhythmus des Ersatz- und Ergänzungskaufes. Angesichts dieses Trends stellte sich für die unternehmerischen Vermarktungsstrategien nicht mehr die Frage, wie man neue Kunden ganz allgemein für das Automobil begeisterte, sondern wie sie die eigene Klientel möglich geschickt zur Markenloyalität erziehen und zugleich Kunden von Konkurrenzprodukten abwerben konnte. Diese neue Variabilität ist als charakteristisch für die veränderte Markt- und Wettbewerbssituation in den 1970er Jahren anzu­ sehen: »Natürlich hängen die zukünftigen Verkaufszahlen eines Produktes nicht nur von der Entwicklung der demographischen Parameter ab, sondern auch von Einstellungsveränderungen der Konsumenten, von Neuentwicklungen oder dem

227 Vgl. u. a. Franz-Xaver Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft. Vom Bevölkerungsrückgang und seinen Folgen, Frankfurt / M. 2005; Manfred Georg Rüthlein, Der Geburtenrückgang in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1969 und 1996 im Blickpunkt der Öffentlichkeit, Diss., Kiel 2000, S. 60–62; Peter Marschalck, Die Ursachen des Geburtenrückgangs in der Bundesrepublik Deutschland. Der Lebenslauf als Konzept für die Analyse, Erklärung und Prognose der Fruchtbarkeit in industriellen Gesellschaften, Bielefeld 1982; Rainer Silkenbeumer, Geburtenrückgang. Risiko oder Chance?, Hannover 1979. 228 Die Zahl der westdeutschen Bundesbürger in der Altersgruppe 18 bis 45 Jahren nahm von 23,4 (1973) auf 24,5 Millionen (1983) zu. In einer ähnlichen Größenordnung bewegte sich auch die Zunahme der ›älteren‹ Einwohner von 22,3 auf 23,9 Millionen (1983). Die Altersgruppe über 60 Jahren stagnierte zwischen 1973 und 1983 bei 12,3 Millionen Personen. Auch aus diesen Daten ist die zunehmende Zahl ›älterer‹ Autokäufer also nicht zu erklären. Vgl. StJb 1975, S. 60, Tab. 3.9; StJb 1985, S. 62, Tab. 3.10. 229 Vgl. VDA , Jahresbericht auto 1978/79, S. 19; Gerd Hardach, Altersarbeit, Alterseinkommen und Altersstruktur in Deutschland seit dem neunzehnten Jahrhundert, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic History Yearbook 2008/1, S. 84.

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Vom Boom in die Krise: Entwicklungstrends des Automobilmarktes

Verhalten der Konkurrenz.«230 Der Strukturwandel der Nachfrage verlangte somit eine Neuausrichtung des gesamten Marketinginstrumentariums.231 Die empirischen Daten des Automobilmarktes vermitteln einen Überblick über Nachfrage- und Angebotsstrukturen in den 1960er und 1970er Jahren. Als Befund bleibt festzuhalten, dass die Nutzung eines privaten Automobils langsamer als bislang vermutet in die gesellschaftlichen Schichten diffundierte. Es zeichnete sich eine starke soziale Ungleichzeitigkeit ab. Sie markierte einen nicht nur für das Auto, sondern für alle langlebigen Konsumgüter typischen »zeitversetzten Zugang zum Massenkonsum«232, der den Transformationsprozess der Bundesrepublik in eine Massenkonsumgesellschaft grundsätzlich kennzeichnete. Gerade in der Mitte der Gesellschaft gehörte der Automobilbesitz erst im Verlauf der 1970er Jahre zur standardmäßigen Ausstattung. Auch wenn das Automobil den Nimbus des Luxusgutes weitgehend verlor: Es wurde lediglich zu einem verbreiteten, keineswegs zu einem gewöhnlichen Gebrauchsgut. Der Kauf und Betrieb eines Autos bedurfte weiterhin einen weitaus höheren finanziellen Aufwand als andere dauerhaften Konsumgüter. Daher wurden Autokäufe sehr bewusst und reflektiert getätigt. Als die weltweiten Krisen in vielen Haushalten Zweifel aufkommen ließen, ob man die Kauf- und Betriebskosten langfristig würde abdecken können, bedeutete dies nicht, dass sich die Kaufwilligkeit der Konsumenten verringerte. Die raschen Übergänge von der Absatzkrise in den Verkaufsboom Mitte der 1960er und 1970er Jahre zeugen davon, dass Rückschläge bei der Automobilisierung schnell wieder aufgeholt wurden. Der Wunsch nach einer erstmaligen oder erneuernden Ausstattung setzte sich immer wieder durch. Was aber waren die Gründe für diese auffallende Mischung aus Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Motorisierungsnachfrage? Festzuhalten ist, dass Informationen über Automobildichte, Einkommens- oder Preiselastizität nur ein recht grobes Bild vermitteln. Die von Bourdieu postulierten feinen Unterschiede des Konsums sind hiermit nicht abzubilden. Gerade aber die Fülle der unterschiedlichen bewussten Zeichen und unbewussten Konnotationen, die durch die Auswahl eines Automobiltyps unterschiedlicher Marken, Größen, Designformen, Leistungsstärken und Ausstattungsvarianten ausgesandt wurden, machten das Automobil zu einem außergewöhnlichen Produkt. Und: Sie sind der Schlüssel, um den Reiz der individuellen Mobilität auch außerhalb der un­ bestrittenen Nutzenfunktionen des Autos zu erklären.

230 Görtler, Veränderungen, in: Rosenkranz / Schneider (Hrsg.), Konsum, S. 329. Vgl. Erwin Dichtl / Hans H.Bauer / Rudolf Schobert, Die Dynamisierung mehrdimensionaler Marktmodelle am Beispiel des deutschen Automobilmarktes, Arbeitspapier Nr. 4 des Instituts für Marketing, Mannheim 1980, S. 176. 231 Vgl. Graumann, Analyse, S. 26. 232 Kleinschmidt, Konsumgesellschaft, S. 14.

III. Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

Ähnlich dem ökonomischen Rekonstruktionsprozess bildeten die 1950er und 1960er Jahre in der Geschichte der westdeutschen Motorisierung eine Phase der soziokulturellen Reaktivierung von Konsumwünschen.1 Die Erwartungen, möglichst bald ein Automobil in Besitz nehmen zu können, paarten sich mit spezifischen Aneignungs- und Umgangsformen, die sich mit zunehmender Verbreitung des Produktes verfestigten und die individuelle Automobilität zum integralen Bestandteil der Lebensgestaltung werden ließen. In dieser ersten, wenig kritischen Phase der ›Auto-Lust‹ etablierten sich Konsummuster und Ansprüche an die Funktion und Konfiguration des Automobils, die als robuste Leitbilder bis heute unser Produktverständnis zumindest partiell prägen. Allerdings hielt die ausschließlich positive Wahrnehmung des Automobils nicht dauerhaft vor. Wie zu zeigen sein wird, drängten mit dem Ende der 1960er Jahre immer mehr die Lasten des Autos in das öffentliche Bewusstsein. Die Autonutzung wurde nicht nur im Hinblick auf die kollektiven Kosten von Umweltschäden, Natur- und Ressourcenverbrauch problematisiert. Vielmehr hängte sich am Auto als Symbol des Wohlstandes auch die generelle Frage auf, inwieweit die Wertebasis der Gesellschaft durch den Massenkonsum kulturell deformiert wird – eine Debatte, die zunächst durch die ideologische Gesellschaftskritik der ›68er‹, dann durch die Drohszenarien der Grenzen des Wachstums an Dynamik gewann. Die folgenden Abschnitte beschäftigen sich damit, die Träger der auto- und gesellschaftskritischen Debatten zu identifizieren und das Spannungsfeld zwischen individuellem Nutzen und kollektiven Befürchtungen nachzuzeichnen. Mit welchen Herausforderungen sahen sich zudem die Branchenunternehmen konfrontiert, als sich die gesamtwirtschaftlichen Unsicherheiten mit einer Krise des Leitbilds Automobilität überlagerten? Bevor die Folgen der potentiellen Dekonstruktion der automobilen Symbolbedeutungen in den 1970er Jahren aufzugreifen sind, bleibt jedoch zunächst zu thematisieren, wie sich das Konsumgut Automobil in den 1950er und 1960er Jahren in der Alltagswelt etablierte.

1 Vgl. Stieniczka, Untersatz, in: Boch (Hrsg.), Geschichte, S. 184.

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1. Autofahrer-Ideale: Die Konsumdemokratie der 1960er Jahre 1.1 Automobilisierung als Gesellschaftsprojekt In der Anlaufphase der vergleichsweise späten Massenmotorisierung stand das Automobil bereits in assoziativer Verbindung mit zahlreichen historisch gewachsenen Bedeutungszuschreibungen. Seine Wurzeln hatte der Automobilismus, ähnlich wie das Fliegen, schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einer eher spielerisch-sportlichen Auseinandersetzung weniger Enthusiasten mit der neuen Fortbewegungstechnik. Die Verbindung von sozialen Geltungs- und Repräsentationszwecken mit dem Automobil ist so alt wie die Idee des eigenständig motorisierten Fahrzeuges selbst. Noch bevor die Kraftwagen in ihrer konzeptionellen Frühzeit um die Wende zum 20. Jahrhundert eine technische Alltagstauglichkeit besaßen, faszinierte die Chance eines »elitären Heraustretens aus einer Majorität«2, die sich durch den Besitz und die fahrerische Beherrschung der neuartigen Fahrmaschinen vermitteln ließ. Die Komplexität der Bedienung und die Kostspieligkeit der Anschaffung prädestinierten das Automobil geradezu als Freizeitgerät der Oberklasse, das wahlweise zur vergnüglichen Überlandreise oder zum männlichen Kräftemessen im Rennsport genutzt wurde.3 Sportlichkeit, Luxus und Repräsentation blieben auch in der Weimarer Zeit wesentliche Elemente der Autonutzung. Der Besitz eines Motorwagens – möglichst mit Chauffeur, an den die aufwendigen Aufgaben des Fahrens und Pflegens delegiert werden konnten  – dokumentierte Wohlstand und hohen Status. An diese Botschaft orientierte sich auch die Konfiguration der Personenwagen, die technisch-maschinelle Potenz mit ästhetischen Luxussymbolen kombinierten.4 Schlichtere Formen setzten sich lediglich für gewerblich genutzte Wagen durch. Wichtigste Autokunden waren hier Freiberufler und der kaufmännische Mittelstand, die immer häufiger Kleinfahrzeuge statt Pferdedroschken einsetzten.

2 BMWGA , UA 1344, Bernt Spiegel, Kontinuierliche Image-Beobachtung BMW, Abschnitt: Die längerfristigen und langfristigen Entwicklungstendenzen des Automobils in der Gesellschaft [1964], S. 15. 3 Zu den Anfängen der ›Auto-Motorisierung‹: Günter Bayerl, Die Erfindung des Autofahrens. Technik als Repräsentation, Abenteuer und Sport, in: ders. / Wolfhard Weber (Hrsg.), Sozialgeschichte der Technik. Ulrich Troitzsch zum 60. Geburtstag, Münster u. a. 1998, S. 317–329; Attilio Brilli, Das rasende Leben. Die Anfänge des Reisens mit dem Automobil, Berlin 1999; König, Automobil, S. 118–121.; Erik Eckermann, Vom Dampfwagen zum Auto. Die Motorisierung des Verkehrs, Bielefeld 2002; Gerhard Horras, Die Entwicklung des deutschen Automobilmarktes bis 1914, München 1982; auch Tom McCarthy, Auto Mania. Cars, Consumers, and the Environment, New Haven / CO. 2007, S. 1–29. 4 Vgl. Ruppert, Auto, in: ders. (Hrsg.), Fahrrad, S. 152.

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Das Versanden der propagandistisch inszenierten NS -Motorisierungskampagne, die versprach, das Automobil seiner sozialen Exklusivität zu entkleiden, steigerte die Hoffnung, einen privaten Pkw in Besitz zu nehmen. Die Entfaltung einer automobilen Gesellschaft, die »in den zwanziger Jahren Gestalt angenommen hatte, in den dreißiger Jahren in den Erwartungshorizont der Massen gerückt war … [stand] jetzt, auf den Trümmern der alten Welt, endlich zur Verwirklichung an […]. Wohnung, Autos, Reisen, aus den Wünschen der zwanziger Jahre waren in der Vorkriegszeit Versprechungen geworden, die sich nun in Bedürfnissen geltend machten, um dann in den sechziger Jahren zu Ansprüchen umzuschlagen«5, konstatiert Wolfgang Sachs. Dieser in der Literatur weit verbreiteten Sicht ist entgegenzuhalten, dass die Automobilbegeisterung nach 1945 keineswegs einfach zu wecken war. Die Anknüpfungspunkte zwischen der Vorkriegs- und Nachkriegsphase der Automobilisierung waren weitaus brüchiger. Der privaten Motorisierung standen eine mangelnde Kauffähigkeit und ein tradiertes Luxusimage entgegen. In einer der ersten Repräsentativumfragen zu den Konsumwünschen der Deutschen stellte das Emnid-Institut 1949 fest, dass »das Kraftfahrzeug nicht mehr als Allgemeingut und die Motorisierung nicht mehr als Allgemein­interesse angesehen wird, sondern dass sich mit dem Kreis der Kraftfahrzeugbesitzer auch der Radius des Interesses an der Motorisierung verengt hat.«6 Es ist wenig überraschend, dass dem Automobilbesitz in einer Situation, in der überlebensnotwendige Bedürfnisse im Mittelpunkt der Alltagsbewältigung standen, eine bestenfalls untergeordnete Bedeutung beigemessen wurde. Zugleich bleibt Sachs entgegenzuhalten, dass weniger die von den NS -Volksauto-Plänen geschürten Konsumwünsche als vielmehr der Umstand ihrer Enttäuschung die öffentliche Wahrnehmung des Automobils über die Epochengrenze 1945 hinweg prägte. Das Bild des unerreichbaren Luxusobjekts für wenige schrieb sich zunächst fort. Ein Wandel bahnte sich erst durch eine ideologische Umformatierung des Automobils zum Symbol individueller Freiheit an. Die Aufladung mit ideellen Werten des kollektiven Wohlstands, der Selbstbestimmung und Demokratisierung vollzog sich kaum autonom. Es brauchte einen gemeinsamen Feldzug von Politik, Gewerkschaften und Automobilindustrie, um die Motorisierung aktiv anzustoßen.7 Dem Auto kam zugute, dass es sich aufgrund seiner »Doppelnatur als industrielles Massenprodukt«8 dazu eignete, ökonomische Wachstumsziele mit einem 5 Wolfgang Sachs, Die Liebe zum Automobil. Ein Rückblick in die Geschichte unserer Wünsche, Reinbek b. Hamburg 1984, S. 80 f. 6 BMWGA , UA 61, Emnid-Institut für Marktforschung und Marktermittlung, Motorisierung und Öffentlichkeit. Eine Untersuchung der Emnid auf der Basis der Meinungsforschung [Bielefeld 1949]. 7 Vgl. Klenke, Katastrophe, in: Salewski / Stölken-Fitschen (Hrsg.), Moderne Zeiten, S. ­159–161.; auch Rinn, Automobil, S. 107–115. 8 Ruppert, Auto, in: ders. (Hrsg.), Fahrrad, S. 137.

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gesellschaftspolitischen Reformprojekt zu verkoppeln. Erstens handelte es sich bei einem Pkw um ein komplexes technisches Produkt. Hinter seiner Herstellung stand ein breites Industriesystem von Autoproduzenten und -zulieferern, an das sich die Hoffnung heftete, als neuer Leitsektor des wirtschaftlichen Rekonstruktionsprozesses wirken zu können. Die Wiederaufnahme der Produktion galt als Mittel zur Behebung der latenten Transportprobleme sowie als Ansatzpunkt, um als Jobmotor und Nachfragefaktor multiplikatorische Wachstumseffekte für die Gesamtwirtschaft zu generieren. Zudem handelte es sich um ein exportfähiges Gut. Die Produktion von Automobilen konnte somit helfen, die Devisen- und Handelsdefizite der jungen Republik zu reduzieren.9 Schon 1950 wünschte sich der ADAC von der Politik die Einsicht, »dass das Kraftfahrzeug eines der wertvollsten Instrumente der deutschen Wirtschaft überhaupt ist.«10 Zu Beginn der 1960er Jahre resümierte der Autoclub-Präsident Hans Bretz schließlich: Der Wiederaufbau ist überall vollzogen und wir sehen mit einem Male, wie großartig er vollzogen wurde […] Seit vielen Jahren schon habe ich immer wieder den Standpunkt vertreten, dass es in diesem neuen Werden ein Agens, eine bestimmende Kraft gegeben hat, die diese Entwicklung bewirkte: das Automobil. […] Ohne das Automobil gäbe es keine wirtschaftliche Blüte, keinen Wohlstand!11

Das Auto wurde zum Garanten des technischen Fortschritts und des wirtschaftlichen Wachstums stilisiert – ein Narrativ, das sich selbst fast fünfzig Jahre später in den Debatten über staatliche Hilfen für die in der Krise 2010 angeschlagene deutsche Autobranche wiederfand. Das zweite, langfristig prägende Element war die Verknüpfung von Automobilität und Individualität. Konstruktion und Funktionalität des Automobils basierten auf einer spezifischen Verbindung zwischen dem Objekt und seinem Besitzer. Zur Frage, warum die Menschen vom Auto fasziniert sind, liegt bereits seit den 1960er Jahren eine stetig anwachsende Zahl von wissenschaftlichen Studien vor.12 Der Kern ihrer Erklärungsmuster findet sich in der Eigenart des Autos, individuelle Freiheit zu vermitteln. So obliegt es dem Fahrer, das Ziel, die Strecke und die Geschwindigkeit der Bewegung durch den Raum selbst zu bestimmen und sich von den Zwängen der Fahrpläne, Haltepunkte und Wegverläufe der Massenverkehrsmittel zu befreien.13 Auch noch in einem weiteren Sinne wurde das Automobil zum Symbol von Freizügigkeit und individueller Lebensgestaltung: Das Steuern des Gefährts an 9 10 11 12

Vgl. Bäuerle, Entwicklung; Südbeck, Motorisierung. ADAC motorwelt, H.11, 1950, S. 7 f., hier zit. nach Rinn, Automobil, S. 118. ADAC motorwelt, H.6, 1964, S. 31. Vgl. Janpeter Kob, Werkzeug, Konsumgut, Machtsymbol. Zur Soziologie des Automobils, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 11, 1966, S. 184–192; Krämer-Badoni / Grymer / Rodenstein, Bedeutung; Roman Sandgruber, Das Auto, in: Beiträge zur Historischen Sozialkunde, 1987, Nr. 2, S. 63–70. 13 Vgl. Krämer-Badoni / Grymer / Rodenstein, Bedeutung, S.  50.

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sich konnte einen eigenständigen, lustvoll hedonistischen Wert entwickeln.14 Die Freude am Fahren, das Erleben der neu gewonnenen Bewegungsfreiheit, besonders aber das Hochgefühl von Geschwindigkeit machte es zur »Objektivation des Strebens nach der Schnelligkeit der Fortbewegung«15, infizierte den Fahrer mit dem »Tempo-Virus«16 der Moderne und suggerierte, sich zusätzlich verfügbare Zeit erobern zu können. Die Nutzung eines Autos konnte für den Fahrer somit zum emotionalen Selbstzweck avancieren, wenn er sich mit der Maschine identifizierte, sie als persönlichkeitsverstärkende »Ich-Prothese«17 und demonstratives »Machtsymbol«18 wahrnahm. Der Personenwagen paarte Individualität, demonstrative Außendarstellung und Privatheit in einer besonderen Konstellation. Als eines von wenigen langlebigen Konsumgütern erfolgte seine Verwendung in der Öffentlichkeit. Seine Ästhe­tik erlaubte individuellen Geschmack darzustellen. Zugleich bot die geschlossene Fahrkabine einen Rückzugsort, der selbst während des Fahrens durch den öffentlichen Raum vor ungewollten Kontakten mit der Außenwelt schützte.19 Als »Zimmer mit Motor«20 war das Auto in einer immer stärker auf demokratische Individualität und Liberalität ausgerichteten Konsumgesellschaft zur Inszenierung weitreichender Sinnzuschreibungen prädestiniert. Bis weit in die 1960er Jahre speiste sich die Sogkraft der Massenmobilisierung dabei aus einem besonders stabilen Konsens von Politik und Konsumenten. Der automobile Individualismus avancierte zum »erstrangigen Bedeutungsträger für Freiheit und Selbstverantwortung.«21 Das im Auto erfahrbare Lebensgefühl wurde zum Abwehrinstrument gegen die Gefahren totalitärer Gesellschaftsentwürfe sti­lisiert.22 Zugleich galt es aber auch als Zeichen der Identifikation mit westlichen Freiheitsidealen, für die die amerikanische Car Culture als eine der stärksten Ausdrucksformen stand.23 14 Vgl. Reiner Franzpötter, Der Sinn fürs Auto und die Lust an der Unterscheidung. Zur Praxeologie des Automobils in der Erlebnisgesellschaft, in: Gert Schmidt / Gotthard Bechmann / Werner Rammert (Hrsg.), Automobil und Automobilismus, Frankfurt / New York 1999, S. 43. 15 Ruppert, Auto, in: ders. (Hrsg.), Fahrrad, S. 139. 16 Peter Borscheid, Das Tempo-Virus. Eine Kulturgeschichte der Beschleunigung, Frankfurt / Main u. a. 2004, S. 197 f.; speziell zum Verkehr nach 1945: ders., Auto und Massenmobilität, in: Hans Pohl / Beate Brüninghaus (Hrsg.), Die Einflüsse der Motorisierung auf das Verkehrswesen von 1886–1986, Stuttgart 1988 S. 117–141. 17 Sachs, Liebe zum Automobil, S. 137. 18 Kob, Werkzeug, S. 187; Ruppert, Auto, in: ders. (Hrsg.), Fahrrad, S. 158 f. 19 Vgl. Kob, Werkzeug, S. 190; Krämer-Badoni / Grymer / Rodenstein, Bedeutung, S. 62. 20 Dietmar Steiner, Zimmer mit Motor, in: Zukunfts- und Kulturwerkstätte (Hrsg.), Modern Times. Lebensstile und Inszenierungen, Wien 1995, S. 120–135. 21 Klenke, Katastrophe, S. 163. 22 Vgl. mit zahlreichen Quellenbelegen: Dietmar Klenke, ›Freier Stau für freie Bürger‹. Die Geschichte der bundesdeutschen Verkehrspolitik 1949–1994, Darmstadt 1995, S. 37; ders., Freiheit-Fortschritt-Wohlstand-Pkw. Mentalitätsgeschichte des bundesdeutschen Automobilismus, in: Forum Loccum 10, 1991, H. 3, S. 17–21. 23 Vgl. Canzler, Zauberlehrlings-Syndrom, S. 102; James J.Flink, The Car Culture, Cambridge /  MA 1975; John Bell Rae, The Road and the Car in American Life, Cambridge / M A 1971.

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Dieses amerikanische Vorbild einer individualisierten Massenmobilität nährte die Hoffnung auf eine politisch stabilisierende Funktionalität der PkwMotorisierung. Eine nachhaltige Demokratisierung der Gesellschaft – dies schien die soziale Grundlegung des amerikanischen Fordismus nahezulegen – bedurfte zunächst der Demokratisierung des Konsums. Die möglichst breite Partizipation der Bevölkerung an den Wohlstandsinsignien des marktwirtschaftlichen Systems galt als Voraussetzung für Zufriedenheit und Identifikation mit der neuen sozialen Grundordnung. Die Steigerung des Wohlstandes, versprach der ADAC , werde einen so großen Wohlstandsschub mit sich bringen, »wie ihn sich unsere Großeltern nicht zu erträumen wagten.« In absehbarer Zeit werde das Automobil zum »weithin sichtbaren Zeichen [eines] immer rascher voranschreitenden Demokratisierungsprozesses.«24 Nahezu gleichlautend argumentierte Ludwig Erhard: das Auto werde dem Volk »zu immer besserer und freierer Lebensführung«25 verhelfen. Dieses ideelle Assoziationsmuster wurde bis in die 1960er Jahre hinein nicht nur durch die Politik und Presseorgane der Pkw-Lobby verbreitet. Auch die prosaische Literatur nahm sich mit Fanalen wie Die Autostadt von Horst Mönnich dem neuen Freiheitsideal des Automobilismus an. Mit dem Start des Motors tat der Mensch – einem bekannten Bild aus diesem Buch zufolge – den Schritt aus der dunklen Vergangenheit in ein neues humaneres Leben: Und ich sah wie das leise Pochen, dass die Haut des Wagens mit Leben bezog, gewissermaßen auch in den Adern des Menschen hineinfuhr […] Und wie in diesem Augenblick alles von ihm abzufallen schien, was Beruf, Bildung, Verstand und was Hoffart, Neid, Mißgunst, Sorge, Existenzangst und der Dinge mehr in sein Gesicht geschnitten hatte. Es vollzog sich eine Wandlung, und ich will nicht vermessen sein, wenn ich sage, dass es eine Verwandlung zum Menschen hin war.26

Derweil dokumentierte die Presse minutiös den Stand der Motorisierung. Die – allerdings nur langsam – steigende Beteiligung von Arbeitern an der Motorisierung wurde zum Indikator dafür, dass das ›Auto für jedermann‹ seine Rolle als sozialer und kulturell stabilisierender Faktor zu erfüllen begann.27 Die symbolische Verknüpfung zwischen Automobilität und Freiheit hatte mehrere Funktionen: Zum einen formulierte die politische und wirtschaftliche

24 Art. »Vier Räder für Millionen«, in: ADAC motorwelt, H. 12, 1959, S. 662. 25 Ansprache des Bundesministers für Wirtschaft, Ludwig Erhard, anlässlich der Eröffnung der 39. IAA am 17.9.1959, S. 9, zit. nach Rinn, Automobil, S. 133. 26 Horst Mönnich, Die Autostadt, München 1951, S. 115; weitere Beispiele: Jürgen Link / Siegfried Reinecke, ›Autofahren ist wie das Leben‹. Metamorphosen des Autosymbols in der deutschen Literatur, in: Harro Segeberg (Hrsg.), Technik in der Literatur. Ein Forschungsüberblick und zwölf Aufsätze, Frankfurt / M. 1987, S. 436–482. 27 Vgl. Stieniczka, Untersatz, in: Boch (Hrsg.), Geschichte, S. 184. Einen Presseüberblick zur Motorisierung bietet Schildt, Wohlstandsbarometer, in: Dienel / Trischler (Hrsg.), Geschichte, S. 294; Kob, Werkzeug, S. 190.

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Elite der Bundesrepublik ein Angebot an die gesamte Bevölkerung zur Teilhabe an der neuen Konsumdemokratie.28 Zum anderen sorgte sie für eine Aufwertung der Verkehrspolitik zur gesellschaftspolitischen Aufgabe.29 Seinen Ausdruck fand diese Umwidmung in einer ganzen Reihe von gesetzlich-administrativen Maßnahmen zur sozioökonomischen »Funktionssicherung«30 des Individualverkehrs. Wie Dietmar Klenke herausarbeitet, war die bundesdeutsche Verkehrspolitik bis in das letzte Drittel der 1960er Jahre durch eine Vorzugsbehandlung des Pkw geprägt.31 Sie galt auf allen zentralen verkehrspolitischen Feldern. Verwiesen sei hier zunächst auf äußerst liberale Geschwindigkeitsvorschriften. Gewissermaßen als Tribut an die Freiheits- und Selbstverantwortungs­symbolik wurden sie 1952 zunächst für alle Verkehrsbereiche aufgehoben. Doch dies war Zuviel der automobilen Freiheit. 1957 musste aufgrund steigender Unfallzahlen wieder ein Tempolimit von 50 km / h für Innenstädte eingeführt werden.32 Gleich mehrere Initiativen forcierten ab Ende der 1950er Jahre den Straßenbau. 1957 beschloss die Unions-Regierung eine deutliche Ausweitung des Bundesfernstraßennetzes. Mittel, die zuvor die staatliche Bahn bezuschussten, wurden umgelenkt. Im Frühjahr 1960 sorgte die Verabschiedung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes schließlich dafür, dass die Einnahmen aus der Mineralöl­steuer zweckgebunden in den Ausbau von Autoverkehrswegen flossen.33 Selbst der nach dem Verkehrsminister benannte ›Leber-Plan‹ der Großen Koalition 1968 setzte Signale für den individuellen Privatverkehr. Er sah vor, die Bundesfernstraßen vom Lkw-Verkehr zu entlasten und sie zugleich so massiv auszubauen, dass kein Bürger weiter als 25 km von der nächsten Autobahnauffahrt entfernt leben sollte.34 Im Werben um die Gunst der immer größeren Zahl automobilisierter Wähler ging der Grundkonsens einer autofreundlichen Verkehrs- und Infrastrukturpolitik durch alle politischen Großlager. Zusätzlich befördert wurde er durch eine mit jedem neuen Autofahrer erstarkenden Kraftfahrt-Lobby, die sich von der Gewerkschaftsseite bis hin zu den Autoclubs und Herstellerverbänden durch die Gesellschaft zog. Der in dem ADAC Manifest der Kraftfahrt von 1965 artikulierte Leitsatz »Das Automobil ist ein Gebrauchsgegenstand für jedermann zur Befriedigung von Alltagsbedürfnissen, wie sie in einer freien Welt zur fortschrittlichen Gestaltung unseres Lebens gehören«, erschien für die unterschiedlichsten Gesellschaftsgruppen ebenso konsensfähig, wie die damit verbundene

28 29 30 31 32 33 34

Vgl. König, Geschichte, S. 306. Vgl. Klenke, Stau, S. 37. Canzler, Zauberlehrlings-Syndrom, S. 105. Vgl. Klenke, Stau, S. 70. Vgl. Dietmar Klenke, Pathologie des Straßenverkehrs, in: Universitas 49, 1994, S. 523 f. Vgl. Canzler, Zauberlehrlings-Syndrom, S. 106; Klenke, Stau, S. 51 u. 63. Zum sog. Leber-Plan: Oliver Schöller (Hrsg.), Öffentliche Mobilität. Perspektiven für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung, Wiesbaden 2005, S. 189; zeitgenössisch Art. »LeberPlan: Menschlich, menschlich«, in: Der Spiegel vom 20.5.1968, S. 32 f.

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Forderung als »Leistung von der Gemeinschaft für die Gemeinschaft« ein ausreichendes Straßennetz bereitzustellen.35 Als Folge des Primats des Individualverkehrs nahm der Anteil der unmittelbaren Verkehrsausgaben für den Straßenbau in den öffentlichen Haushalten von 5,4 (1955) auf 7,3 Prozent (1963) zu.36 Von 1960 bis 1970 steigerten sich die Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden von 4,5 auf 14,6 Milliarden DM, was selbst inflationsbereinigt einer Verdreifachung nahekam.37 Die stärksten Impulse für das Projekt Volksmobilität gingen jedoch von der Steuerpolitik aus. Einen ersten Schritt bildete 1955 eine Umschichtung von der besitzabhängigen Kfz-Steuer zur verbrauchsabhängigen Mineralölsteuer. Zugleich entfiel die fiskalische Einstufung des Automobils als Luxusgut. Zeitgleich wurde es nun auch den Arbeitnehmern ermöglicht, die Pkw-Nutzung auf dem Weg zur Arbeitsstelle als pauschale Werbungskosten mit 0,50  DM pro gefahrenen Kilometer abzusetzen. In der Presse wurde dies als wichtige Wegmarke steuerpolitischer Gleichberechtigung gewertet, die die soziale Begrenzung des Autokonsums aufzuheben helfe.38 Damit erfüllte die Verkehrspolitik eine Forderung, die von der Automobilindustrie schon frühzeitig erhoben worden war. VW-Chef Heinrich Nordhoff konstatierte 1951 in Der Welt, dass das Auto seine demokratisierende Wirkung nur entfalten könne, wenn es vom »Odium eines Luxusfahrzeuges«39 befreit sei. Gregor Rinn hat jüngst zurecht darauf verwiesen, dass der Ruf nach einer staatlichen Förderung gegen einen unbändigen Nach­fragedrang spricht. So erscheint es als paradox, dass die Autolobby ihre Forderung nach steuerpolitischer Erleichterung mit einer scheinbar kaum aufzuhaltenen Motorisierungsdynamik begründete, obwohl diese ihr Momentum doch erst mit dieser Maßnahme erfalten konnte. Warum war der Motorisierungstrend überhaupt auf staatliche Impulse angewiesen? Rinn argumentiert: »Während also die Autoindustrie behauptete, dass der Fortschritt der Motorisierung nicht durch politische Unterlassung behindert werden dürfe, ging es ihr eigentlich darum, eben die politischen Maßnahmen herbeizuführen, durch welche die Massenmotorisierung überhaupt erst Realität werden konnte.«40 Im Hintergrund der gesellschaftspolitischen Agitation stand ein bereits angesprochenes Dilemma: Noch war der Abnehmerkreis aus Gewerbetreibenden und wenigen wohlhabenden Kunden zu eng, um der Branche eine ausreichende Wachstumsbasis zu bieten. Der Spiegel beklagte Mitte der 1950er Jahre:

35 »Manifest der Kraftfahrt« in: ADAC motorwelt, H. 5, 1965, S. 30 f.; zur historischen Interpretation des Manifestes auch König, Automobil, S. 127 f.; Sachs, Liebe zum Automobil, S. 94–97 u. 103; Andersen, Traum, S. 168. 36 Vgl. Klenke, Stau, S. 64. 37 Daten aus: Bundesminister für Verkehr (Hrsg.), Verkehr in Zahlen, Bonn 1972, Tab. C 95 (im Folgenden: Verkehr in Zahlen). 38 Vgl. Andersen, Traum, S. 162. 39 Hier zit. nach Klenke, Freiheit, S. 19. 40 Rinn, Automobil, S. 134.

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Tatsache ist, dass jeder Autointeressierte, dem es möglich ist, die Fahrkosten über das Geschäft laufen zu lassen, inzwischen einen Wagen gekauft hat. Der Herrenfahrer aber ist tot. Noch 1938 fielen auf die Käufergruppe der Beamten, Angestellten und Arbeiter rund 23 der Neuzulassungen. Heute ist ihr Anteil unter den Automobilisten auf knappe 6 Prozent gesunken. […] Das heißt, dass der Lohn- und Gehaltsempfänger für die Automobilindustrie fast nicht existent ist.41

Derartige ökonomische Erwägungen standen in der öffentlichen Darstellung klar einer fast schon quasi-religiösen Erhöhung der sozialen Funktionen der Automobilität zurück. So stilisierte Verkehrsminister Hans-Christoph Seebohm die Nachfrageanreize als Mittel, um »Standes- und Klassenunterschiede nicht nur zu verwischen, sondern echt zu beseitigen und dabei Befriedung und Wohlbefinden zu verbreiten.« Dem Pkw komme das Verdienst zu, »die gesellschaftliche Struktur aller der Freiheit verpflichteten Völker und Menschen so entscheidend gewandelt [zu] haben, wie es in früheren Jahrhunderten nur große Kriege, Revolutionen, ja sogar nur neue Religionsverkündungen erreicht haben.«42 Kaum eindringlicher kann die symbolhafte Verknüpfung von Automobilität, Freiheit, Wohlstand und Demokratisierung ausgedrückt werden. Selbst die zeitgenössische Sozialforschung wies dem Auto die Rolle eines klassenbeseitigenden Konsumguts auf dem Weg zur »nivellierten Mittelstandsgesellschaft«43 zu. Obwohl die Realität anders aussah, wirkte dieses Narrativ über Jahre nachhaltig auf die öffentliche Wahrnehmung des Automobils als Grundstein der neuen deutschen Konsumdemokratie ein.44

41 »Der Tod des Herrenfahrers«, in: Der Spiegel vom 18.2.1953, S. 26. 42 Hans-Christoph Seebohm, Der Automobilismus und seine Probleme. Gründung des Kuratoriums ›Wir sind die Straße‹- Förderung und Mitarbeit des Bundesministers für Verkehr, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, 1958, Nr. 180, S. 1801. 43 Zum Theorem der »nivellierten Mittelstandgesellschaft«: Helmut Schelsky, Die Bedeutung des Schichtungsbegriffes für die Analyse der gegenwärtigen Gesellschaft (1953), in: ders., Auf der Suche nach Wirklichkeit. Gesammelte Aufsätze, Düsseldorf / Köln 1965, S. ­331–336; Hans Braun, Helmut Schelskys Konzept der ›nivellierten Mittelstandsgesellschaft‹ und die Bundesrepublik der 50er Jahre, in: Archiv für Sozialgeschichte 29, 1989, S. 199–223 u. Schildt, Wohlstandsbarometer, in: Dienel / Trischler (Hrsg.), Geschichte, S. 294. 44 Der Begriff der Konsumdemokratie geht auf eine erstmals von Eric Woldemor Stoetzner in den 1940er Jahren formulierten Idee zurück, die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der USA auf Deutschland zu übertragen. In den 1950er Jahren wurde der Begriff vielfach als Synonym für den demokratischen und wirtschaftlichen Aufbruch verwandt. Vgl. Schindelbeck, Konsumgeschichte, S. 21; Lutz Niethammer, War die bürgerliche Gesellschaft in Deutschland 1945 am Ende oder am Anfang?, in: ders. u. a. (Hrsg.), Bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, Frankfurt / M. 1990, S. 530; Rainer Gries, Produkte, S. 136 f.

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1.2 Wetterschutz und Luxusgut: Die anlaufende Motorisierung Dennoch war die Motorisierung kein Selbstläufer. Erst seit Ende der 1950er Jahre rückte das Automobil als realistische Kaufoption in das Blickfeld der Konsumenten. Nun erfüllte die ideelle Aufladung seine psychologische Wirkung: Sobald die Konsumfähigkeit gegeben war, verankerte sich der Autobesitz fest in den Vorstellungen über einen modernen Lebensstil.45 Der Leitsatz ›Automobilität für alle‹ wurde zum Bekenntnis für ein Mindestmaß an sozialer Verteilungsgerechtigkeit. Diese verband sich jedoch in keiner Weise mit der Konsumuniformität eines ›Volkswagens‹, wie sie noch im NS oder im Sozialismus propagiert worden war. Der Vorzug des Automobils als Insignie der modernen Konsumgesellschaft beruhte vielmehr darauf, dass sich der Gleichheitsanspruch lediglich auf die grundsätzliche Gewährleistung individueller Mobilität beschränkte, während sich Unterschiede im Einkommen, Status und Geschmack weiterhin durch die Fahrzeugauswahl ausdrücken sollten. Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre bildeten sich – wie bereits angedeutet – zwei deutlich voneinander abweichende Aneignungsmuster des Automobil heraus. Die Erwartungen von Erstkäufern unterschieden sich von den Präferenzen von bereits motorisierten Ersatzkäufern. Dementsprechend entfalteten sich die phänotypischen Gestaltungs- und Konstruktionsformen zunächst in diametral gegensätzliche Richtungen. In der Konsumentengruppe der Arbeitnehmer mit mittleren Einkommen dominierte ein Produktbild, das sich auf die grundlegenden Nutzenfunktionen konzentrierte. Für Konsumenten, die die finanzielle Schwelle zur Anschaffung eines Pkw vor Augen oder gerade übersprungen hatten, zählten vor allem niedrige Kauf- und Haltungskosten. Eine möglichst einfache, wartungsfreie Konstruktion, ein niedriges Gewicht und geringe Verbrauchswerte galten als zweckdienlich. Zugunsten der Wirtschaftlichkeit war man bereit, Abstriche in der Motorleistung und im Platzangebot hinzunehmen. Für viele der Erstkäufer, die meist über Motorräder den Einstieg in die individuelle Mobilität gefunden hatten, bot schon allein die geschlossene Fahrgastzelle der Vehikel den entscheidenden Kaufanreiz.46 Bedient wurde das Interesse an wirtschaftlichen »Wetterschutzmobilen« vor allem durch das Angebot vieler spezialisierter, oft branchenfremder Klein- und Kleinstwagenhersteller. Als populär erwiesen sich alternative Baukonzepte, wie der Messerschmitt Kabinenroller, das Fuldamobil, der Zündapp Janus oder auch die BMW Isetta, in denen Konstruktionsprinzipen des Motorrads mit denen des Automobils verschmolzen. In der Werbung sprachen die Produzenten gezielt die Ideale der potentiellen automobilen Neukunden an: Wirtschaftlichkeit und

45 Vgl. Edelmann, Luxusgut, S. 226. 46 Vgl. Stieniczka, Untersatz, in: Boch (Hrsg.), Geschichte, S. 185.

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solide Nützlichkeit für Jedermann standen in den Reklamebotschaften im Mittel­ punkt. In der Ausstattung auf das notwendigste reduziert, garantierte der NSU Prinz eine »überragende Straßenlage« gepaart mit einer »großen Wirtschaftlichkeit dieses Automobils, das solide und anspruchslos mit einem Taschengeld zu unterhalten«47 sei. Als Nachweis fügten viele Hersteller den Anzeigen bis weit in die 1960er Jahre eine Aufstellung der durchschnittlichen Verbrauchs-, Steuerund Versicherungskosten bei. BMW präsentierte 1958 sein Motorcoupé Isetta 200 als »für kühle Rechner erdacht«. Im Vergleich zum Zweirad sei es »innen groß« mit Platz für eine Kleinfamilie, »fahrsicher, weil auf 4 Rädern«, »wetterfest und praktisch für jedermann, jeden Beruf, jeden Weg, jedes Wetter.«48 Ziel war es, die Motorradfahrer zum Umstieg zu animieren. Die wichtigste Assoziation, die bei den potentiellen Neubesitzern ausgelöst werden sollte, war allerdings, es persönlich und beruflich »zu etwas gebracht« zu haben. »Auf ihn kann man stolz sein«49, signalisierte die Werbung für den Fiat 500 1958, während BMW zur gleichen Zeit unverblümt fragte: »Haben auch Sie Erfolg? Fahren auch Sie schon Isetta?« Zu Beginn der 1960er Jahre bewarb der Münchner Automobilhersteller den ausgereifteren Nachfolger der Isetta, den BMW 700, mit dem Slogan »Eine große, glückliche Autofamilie«50. Der Werbetext verwies darauf, dass man sich, wo immer sich BMW-Fahrer begegnen, durch ein kurzes Aufblinken freundlich begrüßt und dies unabhängig vom sozialen Status oder der jeweiligen Pkw-Leistungsstärke. Mit dem Kauf eines Fahrzeuges, so wurde suggeriert, gelänge die Aufnahme in die Gemeinschaft der Autofahrer. Statusgewinn prägte nicht nur die Werbebotschaften, er verband sich auch in den Alltagserfahrungen der Kunden eng mit dem Erwerb des ersten Wagens. So erklärte eine VW-Käuferin 1958: »Wenn man mit den zur Verfügung stehenden Finanzen rechnen und planen muss, ist man schon recht stolz, wenn man sich plötzlich Autobesitzer nennen kann.« Ein Opel-Kunde beschrieb das Erlebnis des ersten Autoerwerbs: »… als wir dann zum ersten Mal im Wagen saßen, waren wir, groß und klein, stolz wie die Spanier; ich kann es nicht besser sagen.«51 Mit Ausnahme von BMW und Volkswagen, dessen Grundversion des VW Käfers auf die Erstnutzer-Klientel abzielte, machten die übrigen Pkw-Anbieter keine Angebote im Klein- und Kleinstwagensegment. 1957 kommentierte der Spiegel diese produktpolitische Ausrichtung kritisch als Überschätzung der realen Bedürfnisstrukturen:

47 Ebd., S. 201. 48 Alle Zitate nach Bernd Tuchen, BMW. Aus Freude am Fahren. Drei Jahrzehnte BMWWerbung, Königswinter 2006, S. 30 f. 49 Zit. nach Werbungen in: Kriegeskorte, Automobilwerbung, S. 22. 50 Abgedruckt in: Tuchen, BMW, S. 43. 51 Hagley Museum and Library, Wilmington / Delaware (HML), Ernest Dichter Papers, 2407, Box 37, 885.5G, Schlussrapport einer Motivstudie über die Verkaufsprobleme der Firma Ford in Deutschland, vorgelegt vom Institut für Motivforschung, Zürich, von Ernest Dichter, Oktober 1959, S. 9.

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Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

Der Besitz des Luxus-Typs – gleichgültig, ob es sich um einen Eisschrank, ein Fernsehgerät oder um ein Auto handelt – ist in Westdeutschland zu einem sozialen Wertmaßstab geworden. Diese seit Jahren von allen Meinungs- und Marktforschern bestätigte Tatsache hat die Klein- und Kleinstwagen-Massenproduktion hinausgezögert. Wer – so argumentierten die Marktpsychologen – seinem Renommierbedürfnis nachkommen könne, indem er einen noch gut aussehenden VW […] oder […] Opel Olympia für wenig mehr als 2.000 Mark kauft, der werde sich niemals zum gleichen oder höheren Preis ein Kleinauto anschaffen, nur weil er damit ein paar Pfennige Unterhaltungskosten spart. Aber diese These war […] ein Fehlschluss, soweit es sich um das Heer der weniger geltungssüchtigen kleinen Leute handelt, die es satt hatten, sich auf dem Motorrad Erkältungen oder Rheuma zu holen.52

Die Presse warf der Industrie einerseits vor, es verpasst zu haben, ausreichend erschwingliche Pkw zu bieten. Andererseits belächelte sie die abenteuerlichen Pkw-Konstruktionen »mit der Mentalität der Wellensittichhaltung«. Ihre Faszination erschließe sich nur schwer, da »in dem engen, keineswegs großzügig belüfteten Innenraum nur derjenige einigen Komfort [entdecke], dem vorher […] das Gesicht vom stiebenden Regen gegerbt wurde, und dem sich nun die Illusion erwächst, Autobesitzer zu sein.«53 Gleichwohl erfüllten die Kleinstwagen die Ansprüche der Erstmotorisierten, sie trocken zum Arbeitsplatz zu befördern und auch in der Freizeit auf eine wenn auch beengte Familienmobilität zurückgreifen zu können.54 Die Kaufmotive etablierter Autokunden höherer Einkommensklassen richteten sich an gänzlich anderen Orientierungspunkten aus. In dieser Klientel reetablierte sich das Leitbild der Rennreiselimousine. Hierbei handelte es sich gewissermaßen um ein Schnittmengenkonzept ›Einer-für-alles‹, welches durch die Kombination einer hohen Reichweite, einer guten bis sehr guten Beschleunigung, einem großen Raumangebot, Fahrkomfort und hoher Zuladungskapazität an Personen und Gepäck geprägt war (und noch heute ist). Heimliche oder offene Wünsche nach einem Erlebnis der sportlich-rasanten Fortbewegung konnten hiermit ebenso befriedigt werden, wie sie sich für den gewerblichen Transport von sperrigen Gütern, für die Alleinfahrt zur Arbeit, den Familienausflug aufs Land oder den Großeinkauf eigneten.55

52 Art. »Das Ding aus Dingolfing«, in: Der Spiegel vom 22.5.1957, S. 46 f. 53 Ebd., S. 51. 54 Vgl. Axel Schildt / Arnold Sywottek, ›Wiederaufbau‹ und ›Modernisierung‹. Zur westdeutschen Gesellschaftsgeschichte in den fünfziger Jahren, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 1989, Nr. 6/7, S. 23 f. 55 Zum Begriff Rennreiselimousine siehe Weert Canzler / Andreas Knie, Das Ende des Automobils. Fakten und Trends zum Umbau der Autogesellschaft, Heidelberg 1994, S. 10; theoretisierend auch: dies. / Otto Berthold, Das Leitbild Automobil vor seiner Auflösung? Zum Widerspruch zwischen motorischer Aufrüstung und realem Nutzungsverhalten, in: Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht 16, 1993, S. 412.

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Die Wurzeln dieser Konfiguration befanden sich in den USA der 1920er bis 1940er Jahre, wo sich Großraumlimousinen zum stilprägenden Element der motorisierten Massenkonsumgesellschaft entwickelten.56 Auch in Deutschland verankerte sich das Idealbild bereits gegen Ende der Zwischenkriegszeit. Abseits des NS -Volkswagenprojekts prägten neoklassizistisch geformte Großmodelle mit großem Kühlergesicht und geschwungenen Kotflügeln das Bild eines multifunktionalen Nutz- und Repräsentationsgefährts.57 Sie setzten weniger auf eine rationale Produktästhetik, sondern symbolisierten Komfort, Design, Leistungsstärke und Fahrspaß.58 In den 1950er Jahren erlebte dieses technisch-kulturelle Paradigma eine Renaissance. Die meisten Fahrzeuge basierten zunächst auf Vorkriegsmodellen59 oder aber wie bei der Opel-Baureihe60 Olympia Rekord auf amerikanischen Produktkonzepten, in denen sich der chromgestylte Traumwagenstil klar abzeichnete.61 Nur zwei Absatzfelder kamen für den Verkauf solcher Automobile in Frage: der Exportmarkt und die weiterhin kleine Schicht der Besserverdienenden. Die erreichbaren Kunden verlangten nach den ihnen bekannten Standards. Ein weiterer, wohl stärkster Grund für die Durchsetzung der Rennreiselimousine war, dass mit dem Motorisierungsschub soziale Distinktion auf einer neuen Ebene an Bedeutung gewann. Während für den Großteil der Bevölkerung entscheidend war, überhaupt einen Pkw zu besitzen, ging es für langjährige Autobesitzer nun vermehrt darum, sich von der neumotorisierten Masse abzusetzen. Durch die Wahl eines höherwertigen Pkws ließen sich Distanzen innerhalb des wachsenden Kreises der Automobilbesitzer aufrechterhalten. Während das Automobil öffentlich als sozial integrative, klassenbeseitigende Kraft propagiert wurde, nahm somit in der Alltagspraxis seine Signalbedeutung für klassen- und schichtenspezifische Einkommens- und Statusunterschiede zu. 56 Vgl. David Gartman, Auto Opium. A Social History of American Automobile Design, London u. a. 1994, Canzler, Zauberlehrlings-Syndrom, S. 15. 57 Zur Geschichte des Autodesigns vgl. Niklaus Schefer, Philosophie des Automobils. Ästhe­tik der Bewegung und Kritik des automobilen Designs, Paderborn u. a. 2008; Peter Rosen­t hal, Automobildesign und Gesellschaft. Zu Attraktivitätsaspekten der automobilen Gestaltsymbolik als Medien der sozialen Strukturierung, Diss., Darmstadt, 1999; Joachim Petsch, Geschichte des Auto-Design, Köln 1982. 58 Vgl. zum Ideal des ›anständigen Automobils‹: Stieniczka, Untersatz, in: Boch (Hrsg.), Geschichte, S. 187. 59 So nahm Mercedes-Benz die Produktion mit dem Modell 170, Opel mit dem Olympia und dem Kapitän, Ford mit dem (»Buckel«-)Taunus und BMW mit dem »Barockengel« 501 wieder auf. Vgl. Werner Oswald, Deutsche Autos 1945–1990, Bd. 4: Audi, BMW, Mercedes, Porsche und andere, Stuttgart 2001, S. 8 u. 172; ders., Deutsche Autos 1945–1990, Bd. 3: Ford, Opel und Volkswagen, Stuttgart 2001, S. 172–175. 60 Zur Begriffsabgrenzung von Baureihen als Produktfamilien einer Marke, die i. d. R. über einen eigenen Namen verfügten (z. B. VW Golf ), und Typen als spezifizierte Fahrzeuge innerhalb einer Baureihe vgl. Willi Diez, Automobil-Marketing. Navigationssystem für neue Absatzstrategien, 5. Aufl., Landsberg / Lech 2006, S. 37. 61 Vgl. Beckmann, Käfer, S. 271.

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Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

Dass der Autobesitz mehr und mehr zur Normalität wurde, hieß nicht, dass sich das Produkt zu einem einfachen Gebrauchsgegenstand entwickelte – im Gegenteil: Das Leitbild der Rennreiselimousine stabilisierte sich, als es den Besitzern darum ging, zu demonstrieren, dass er »die finanziellen Mittel besaß, um nicht nur auf Zweckmäßigkeit achten zu müssen.«62

1.3 Aufsteigereffekte Während sich der Motorisierungsprozess in klassischer Weise von höheren in niedrigere Einkommensschichten vollzog, folgte das Kaufverhalten einem aufsteigenden Trend von kleineren zu größeren Modellen. Die Konsumenten bevorzugten bei jedem Fahrzeugwechsel ein Mehr an Motorenleistung, Ausstattung, Komfort und Sicherheit. Im besten Fall stammte das neue Automobil aus einer nächsthöheren Fahrzeugklasse. Erstmals thematisiert wurden diese »trading up-Effekte«63 in einer Marktstudie für die deutschen Ford-Werke 1959, die von dem US -amerikanischen Werbe- und Motivforscher Ernest Dichter verfasst wurde.64 Er beschrieb den aufsteigenden Konsum als Verhaltenstrend, der – wie in den USA – die Automobilnachfrage in Zukunft nachhaltig beeinflussen werde: »Das Auto ist ein Symbol für einen höheren Lebensstandard. Von diesem will der neue Autobesitzer unter keinen Umständen mehr abgehen. Wenn möglich, will er ihn sogar weiter verbessern, d. h. einmal einen größeren, teureren und bequemeren Wagen kaufen.«65 Den Ziel- und Orientierungspunkt für den Verlauf der aufsteigenden AutoBiographien bildete nach Dichter ein ›Idealwagen‹, dessen Konfiguration sich aus individuellen Konsumpräferenzen und Produkterfahrungen speise: Jeder Wagen, den wir sehen, jede Fahrt, die wir im Auto mitmachen, jede einschlägige Anzeige, die wir lesen, trägt dazu bei, das Autoideal zu formen. Betrachten wir eine Aufstellung aller Fahrzeuge, die jemand gefahren hat, stoßen wir auf einen psycho­ logischen roten Faden, der sich durch seine ganze Autohistorie zieht. Dahinter steht sein Autoideal. Manchmal erreicht er es, manchmal sehnt er sich sein Leben lang danach, aber als Triebkraft ist das Ideal immer gegenwärtig.66 62 Stieniczka, Untersatz, in: Boch (Hrsg.), Geschichte, S. 189. 63 Michael J. Silverstein / Neil Fiske / John Butman, Trading up. Why Consumers Want New Luxury Goods, and How Companies Create Them, New York 2005; für den deutschen Fall vgl. Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Marktstruktur, S. 192; ders., Der Einfluss steigender Energiepreise auf Wachstums-, Struktur- und Wettbewerbsbedingungen der deutschen Automobilindustrie, in: Burkhardt Röper (Hrsg.), Strukturpolitische Probleme der Automobil-Industrie unter dem Aspekt des Wettbewerbs, Berlin 1985, S. 62. 64 Siehe Kap. IV. 65 Hagley Museum and Library (HML), Ernest Dichter Papers, 2407, Box 37, 885.5G, Schlussrapport einer Motivstudie über die Verkaufsprobleme der Firma Ford in Deutschland, vorgelegt vom Institut für Motivforschung, Zürich, von Ernest Dichter, Oktober 1959, S. 9. 66 Dichter, Strategie, S. 323.

Die Konsumdemokratie der 1960er Jahre 

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Mit dieser Interpretation bot Dichter ein Erklärungsangebot für die beiden zentralen Muster des Autokonsums in den 1960er Jahren: für die Differenzierung der Nachfrage und das ›Aufsteigen‹ als dynamische Antriebselemente des Konsums.67 Jede Kaufentscheidung basiere auf einer Abwägung zwischen der Tauglichkeit und der Erreichbarkeit eines Produktes.68 In der Tauglichkeit spiegele sich eine Soll-Vorstellung darüber wider, welche Eigenschaften ein Produkt haben müsse, um die Grund- und Zusatznutzenerwartungen der Konsumenten optimal zu befriedigen. Die Erreichbarkeit definiere sich dagegen durch finanzielle Limitierungen. Sie sei daher als eine Kann-Funktion zu beschreiben.69 Überträgt man dieses konsumpsychologische Modell auf das Automobil, ist zu konstatieren, dass sich aus den Aneignungserfahrungen der Pkw-Besitzer sowie aus den Werbe- und Produktbotschaften ein Idealbild des Automobils herausbildet. Dieses imaginäre Wunschauto definiert, laut Dichter, als Zielprojektion das Kaufverhalten. Aus dem finanziell erreichbaren Angebot würden stets Modelle ausgewählt, die im Rahmen der Möglichkeiten der Idealvorstellung besonders nahekommen. Der Konsument bewege sich mit steigender Kaufkraft somit stufenartig von einem realisierbaren Ersatzziel zum nächsten, immer das eigentliche, sog. ›selbständige Ziel‹ seines Idealwagens vor Augen. Der Mannheimer Marktforscher Bernt Spiegel schlussfolgerte 1972 nach dieser Lesart: »In diesem ständigen Ausgleich zwischen Tauglichkeit und Erreichbarkeit liegt der Mechanismus des Aufsteigens in der Automobilhierarchie.«70 Die Differenzierung der Konsumwünsche erklärte das Verhaltensmodell Dichters aus dem Umstand, dass jeder Konsument individuell darüber entscheide, die Eigenschaften seines Idealwagens zu bestimmen. Werde diese subjektive Wahrnehmung weniger durch soziale Statusambitionen als durch Nonkonformismus oder spezielle Verwendungsziele geprägt, so war es möglich, dass selbst ›Anti-Aufstiegsautos‹, wie etwa der Citroen 2CV (»Ente«), der Fiat 500 oder der VW-Kleinbus zu selbständigen Konsumzielen avancieren. Mit einem Anteil von geschätzt unter fünf Prozent der Kaufentscheidungen entsprachen derartige Verhaltensweisen bis Ende der 1960er Jahre jedoch nicht dem Trend.71 Selbst wenn die Vorlieben sich also rein theoretisch durchaus auf verschiedene Konfigurationen ausrichten konnten, konzentrierten sie sich in der Anlaufphase der Motorisierung mehrheitlich auf ähnliche Vorstellungen vom Idealwagen.

67 Vgl. zur Nachfragedifferenzierung grundlegend König, Geschichte, S. 451. 68 Vgl. BMWGA , UA 1344, Bernt Spiegel, Marktpsychologisches Gutachten zur Entwicklung der Image-Situation der Bayerischen Motoren Werke AG von 1964–1972, Mündlicher Bericht Juli 1972, S. 52–54. 69 Vgl. Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, S. 202. Dies gilt mit der Ausnahme von kulturellen Barrieren oder Tabus, die in der verhaltenswissenschaftlichen Modell-Theorie allerdings ausgeschlossen werden. 70 BMWGA , UA 1344, Spiegel, Marktpsychologisches Gutachten 1972, S. 53. 71 Vgl. zur Verteilung von selbstständigen Zielen und Ersatzzielen bei Klein- und Kleinstwagen: ebd., S. 54.

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Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

Tab. 15: Die Wunschautos der Deutschen, Umfrage zum Idealwagen (1970) Marke

Nennungen (in v. H.)

Mercedes-Benz gesamt darunter: 200/220 250/280

40 9 17

230

1

SL

6

BMW gesamt

16

darunter: 1600/2002

5

1800/2000

5

2500/2600

6

Porsche

7

Opel

8

Audi 100

5

Ford

6

VW

4

Sonstige

14

Quelle: HKVW, 69/530/1, Berichte und Studien der Zentralen Marktforschung, Bericht Dezember 1971.

Obwohl derartige psychologische Verhaltensmodelle des Idealprodukts bis heute in der Konsumforschung zur Beschreibung von Präferenzräumen der Konsumenten eine wichtige Rolle spielen, werden sie zur wirtschaftshistorischen Analyse bislang kaum genutzt. Dies ist umso bedauerlicher, da sie sichtbare Phänomene der Konsumentwicklung tiefergehend zu beschreiben in der Lage sind. Ebenso wenig ist thematisiert, dass die Modelle maßgeblichen Einfluss darauf nahmen, wie zeitgenössische Akteure, wie Unternehmer oder ihre Berater, das Marktverhalten der Konsumenten wahrnahmen und zu plausibilisieren versuchten. So erhielt etwa die Theorie des Idealwagens reale Wirkungsmacht als wirklichkeitskonstruierendes Marktanalyseinstrument der Automobilindustrie. Ein interner Marktforschungsbericht von VW aus dem Jahr 1970 zeigt, dass das ›Analysemodell Wunschfahrzeug‹ auch praktisch zur Anwendung kam, um Käuferströme zu beobachten. Die Wolfsburger gingen auf der Basis einer Umfrage unter lediglich neunzig deutschen Autobesitzern von der in Tabelle 15 gezeigten Verteilung der Wunschmodelle aus. Die Präferenzliste führten Fahrzeuge der gehobenen Mittelklasse von Mercedes-Benz und BMW an. Sportwagen und die Angebote der Volumenhersteller

Die Konsumdemokratie der 1960er Jahre 

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folgten mit deutlichem Abstand. Auffallend ist, dass es sich zu einer überwiegenden Anzahl um Limousinen handelte, die dem Bild der gut motorisierten, komfortablen und qualitativ hochwertigen Rennreisemaschine entsprachen. Somit erscheint das automobile Leitbild des Rennreisewagens als übergeordnete Schnittmenge, auf den sich die subjektiven Idealvorstellungen der Konsumenten bringen lassen. Für die weitere Interpretation der Automobilentwicklung birgt die Unterscheidung zwischen individuellen Pkw-Idealen und dem daraus gewonnenen kollektiven Leitbild die Möglichkeit, trotz sich differenzierenden Konsumpräferenzen und Produktangeboten Grundmuster des Automobilkonsums herauszufiltern und dessen Wandel zu analysieren. Bei der Frage, welche Eigenschaften ein Pkw-Modell zum Wunschauto werden ließen, zeigte sich ebenfalls ein Trend, der das Leitbild bestätigte. Es dominierten mit 41 Prozent emotionale Assoziationen, angeführt von »Sportlichkeit, hohe Leistungsfähigkeit / Geschwindigkeit« und »schöne Form« mit 29 Prozent. Dahinter rangierten wertrationale Attribute, wie »Komfort«, »Sicherheit« und »Qualität«, auf die zehn bis 15 Prozent der Konsumenten besonderes Augenmerk legten. »Zweckmäßigkeit«, »Zuverlässigkeit« oder auch »Wirtschaftlichkeit« spielten dagegen im Unterschied zu den 1950er Jahren kaum einer Rolle mehr.72 Quellenkritisch bleibt sicherlich anzumerken, dass derartige Umfragen nur grobe Rückschlüsse auf die tatsächliche Präferenzlage zulassen. Dennoch zeichnet sich deutlich ab, dass sich mit dem aufsteigenden Konsum ein Grundmuster des ›größer-schnellerkomfortabler‹ etablierte.73 Mit den steigenden Ansprüchen verfestigte sich das Konzept der Rennreiselimousine. Einen weiteren Nachweis für das trading up-Verhalten liefert der Umstand, dass sich das Wertniveau der nachgefragten Fahrzeuge im Verlauf des Jahrzehnts jährlich steigerte. Allein zwischen 1965 und 1970 wuchsen die durchschnittlichen Aufwendungen der privaten Haushalte für den Erwerb eines neuen oder gebrauchten Pkw von rund 2.100 auf etwa 3.800 DM.74 Damit lagen die Ausgabenzuwächse weit über der Preis- und Einkommensprogression.75 Der Anteil der Kfz-Anschaffungsausgaben am verfügbaren Einkommen stieg in der gesamten Dekade von unter zwei (1960) auf fast sechs Prozent (1970).76 72 UVW, 69/530/1, Berichte und Studien der Zentralen Marktforschung, Bericht Dezember 1971. 73 Vgl. Canzler / K nie / Berthold, Leitbild, S. 414. Zur Ableitung von Kaufverhalten aus Konsumidealen Eunju Ko / Heewon Sung, ›Trading up‹. A Consumption Value Approach, in: Advances in International Marketing 18, 2007, S. 115–137. 74 Vgl. Tabelle: Laufende monatliche Aufwendungen der Haushalte für die Kraftfahrzeughaltung, in: TuZ, 1975, S. 316. Die Daten beziehen sich auf 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalte mittleren Einkommens (Typ 2). 75 Vgl. Hartmut Berg, Der Automobilmarkt der achtziger Jahre und die Chancen der Japaner, in: Autohaus und Automobilwirtschaft, 1981, H. 6, S. 500; Reinhold Bauer, Pkw-Bau unter veränderten Rahmenbedingungen. Versuch eines deutsch-deutschen Vergleichs für die 1970er Jahre, in: Technikgeschichte 64, 1997, S. 22. 76 Vgl. Reckendrees, Konsummuster, S. 49.

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Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

900 850 800 750 700

Anzahl (in 1.000)

650

Kleinst-/Kleinwagen (bis 1.000 ccm) Kompaktwagen (bis 1.500 ccm) Mittelklasse (bis 2.000 ccm) obere Mittelklasse (bis 2.500 ccm) Oberklasse (bis 3.000 ccm) Sportwagen (mehr als 3.000 ccm)

600 550 500 450 400 350 300 250 200 150 100

1970

1965

1960

1955

0

1950

50

Abb. 11: Pkw-Neuzulassungen in der BRD nach VDA-Leistungsklassen, 1950–1972 Quelle: TuZ, verschiedene Jahrgänge.

Die emotionale Aufladung des Automobils als Status- und Prestigeobjekt sowie der Reiz des Fahrerlebnisses förderten offenbar die Bereitschaft, für den erwarteten Zusatznutzen steigende Ausgaben in Kauf zu nehmen.77 Die Autosymbolik bahnte in diesem Sinne den Weg für trading up-Effekte. Letztere benötigten einen qualitativen Wandel der Käuferpräferenzen, der anhand veränderter Nachfragestrukturen auch quantitativ-empirisch nachweisbar ist. Betrachtet man die Zulassungszahlen von Neuwagen abgestuft nach Leistungsklassen78, lässt sich der Verlauf der Motorisierung in zwei Phasen einteilen (Abb. 11). Bei der Basismotorisierung bis etwa Mitte der 1960er Jahre verbreitete sich das Automobil maßgeblich über die Segmente der Kleinst- bzw. Kleinwagen (bis 999 ccm) und der Kompaktklasse (1.000–1.499 ccm). Ende der 1950er Jahre konnten jährlich bis zu 80.000 Kleinstmodelle abgesetzt werden. Mit Motoren meist noch unter der 700 ccm-Marke leisteten sie lediglich zwischen zehn und 25 PS. Die Vehikel trugen wesentlich dazu bei, dass die Klasse bis 1.000 ccm 77 Vgl. Sachs, Liebe zum Automobil, S. 99 sowie Ko / Sung, Trading up, S. 117. 78 Die Einteilung in Leistungssegmente folgt der Kategorisierung des Verbandes der deutschen Automobilindustrie und des Kraftfahrtbundesamtes. Pkw-Modelle werden hiernach zunächst nur nach ihrer Hubraumleistung, d. h. ihrer Motorengröße, den einzelnen Segmenten zugeordnet. Erst seit Mitte der 1970er Jahre werden auch Preis und Ausstattung als Bestimmungsmerkmale herangezogen. Vgl. Kraftfahrt-Bundesamt, Statistische Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes und der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr, Bonn-Bad Godesberg 1980, H. 3, Abschnitt N–Z, S. 15.

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Hubraum rund ein Drittel der Neuzulassungen des Gesamtmarktes auf sich vereinen konnte. Etwa achtzig Prozent der Käufer stammten aus dem Kreis der Arbeiterschaft.79 Das absatzstärkste Automobilsegment der 1950er Jahre und beginnenden 1960er Jahren jedoch war die Kompaktklasse. Als ihr Zugpferd fungierte der VW Käfer, der zeitweise neunzig Prozent des Absatzes auf sich vereinte. Trotz der Konkurrenz des DKW F12 und insbesondere des Opel Kadett verteidigte dieses Modell seine dominante Position. Jährlich verkauften sich noch 1963/64 allein in Deutschland mehr als 350.000 Exemplare. Mit Einsetzen des aufsteigenden Konsums deutete sich jedoch ein Nachfragewandel an. Die Anziehungskraft der Kleinst- und Kleinwagen nahm ab. Bis 1965 schrumpfte der Absatz von Minimobilen auf marginale 25.000 Fahrzeuge.80 Auch die Kleinwagen und die Käfer-Kompaktklasse stießen auf weniger Resonanz.81 In der Rezession 1966/67 sackte der Absatz der Kompakten stark ab. Auch wenn sich die Nachfrage wieder erholte, sank ihr Marktanteil zwischen 1966 und 1972 von 56 auf 39 Prozent. Kleinwagen vereinigten nur noch zehn Prozent des Marktes auf sich. Parallel nahmen Mittelklassefahrzeuge (bis 2.000 ccm Hubraum) binnen weniger Jahre deutlich an Bedeutung zu und steigerten ihren Absatzanteil von 24 (1965) auf 43 Prozent (1972). Im Verlauf des Jahres 1971 avancierten Mittelklassewagen erstmals zu den meistzugelassenen Fahrzeugen. Weitgehend unbeeindruckt von der kurzen Rezession wuchsen auch die Marktanteile klassischer Großlimousinen und Sportwagen, wenngleich diese Entwicklung durch die Dominanz der Mittelklasse etwas überdeckt wurde. Sowohl in den Volumen- als auch in den Oberklassensegmenten zeichnete sich ein Trend zu höherwertigen Angeboten ab.82 Beim aufsteigenden Konsums überlagerten sich verschiedene qualitative und strukturelle Mechanismen. Die schlichten Kleinwagen verloren an Attraktivität. Die Ansprüche an die Vollwertigkeit des Automobils stiegen, sobald sich die Käuferwünsche vom Grundnutzen Mobilität auf komplexere Ziele der Status­ repräsentation verschoben. Eine der Folgen war ein höheres Einstiegsniveau bei Erstbesitzern. Zudem bewegten sich die bereits motorisierten Käufer ›nach oben‹. Fahrer von Klein- und Kompaktwagen erwarben Mittelklassefahrzeuge und gaben ihre Altwagen an den Gebrauchtwagenmarkt ab. 79 Vgl. auch Beckmann, Käfer, S. 234 f. 80 1970 hatten die Kleinstwagen nur noch einen Marktanteil von rund 1,8 Prozent und wurden ausschließlich als Liebhaberstücke oder für Spezialverwendungen angeboten. Eigene Erhebungen auf der Basis der Statistischen Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes, H. 3, 1980, N-Z, S. 15. 81 Vgl. Johann H. von Brunn, Die deutsche Automobilindustrie im internationalen Wettbewerb, in: Internationales Verkehrswesen 29, 1977, Nr. 4, S. 207; Art. »Teure Zuversicht«, in: Der Spiegel vom 08.02.1971, S. 36. 82 Alle Daten basieren auf eigenen Erhebungen auf der Basis von Statistische Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes, H. 3, 1980, N-Z, S. 15.

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Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

Demgemäß übernahm der Gebrauchtwagensektor erstmals die Rolle eines Komplementärmarktes. Noch in den 1950er Jahren war das Angebot an gebrauchten Pkw stark begrenzt. Zudem schreckten Geringverdiener weniger wegen den Anschaffungs- als vielmehr aufgrund der dauerhaft höheren Haltungskosten vor größeren Gebrauchtfahrzeugen zurück.83 Beide Barrieren lösten sich jetzt auf.84 Bei der Wahl zwischen einem fabrikneuen Kleinwagen und einem gebrauchten Vollmodell entschieden sich immer mehr Kunden für letztere Option. Die Kleinst- und Kleinwagen wurden als Einstiegsmodelle weitgehend obsolet. Rund sechzig Prozent der Erstkäufe entfielen auf Gebrauchtwagen.85 Damit eng verbunden war jedoch, dass sich die Neuwagenangebote stärker auf den Markt der Ersatzbeschaffung ausrichten mussten. Für die Produzenten avancierte die Wertkomponente, nicht mehr allein die Absatzmenge, zum wichtigsten Wachstumsfaktor. Basierten die Umsatzsteigerungen zu Beginn der 1960er Jahre noch mehrheitlich auf einem expansiven Absatzvolumen, waren es nun die größeren Gewinnmargen durch höherwertige Produkte. Diese doppelte Verkopplung zwischen dem Neu- und Gebrauchtwagenmarkt sowie dem Erst- und Ersatzbedarf verlieh dem aufsteigenden Konsum eine Eigendynamik. 1970 brachte Der Spiegel die Situation auf den Nenner: »Die deutschen Automobilkonstrukteure [setzen] auf den Trend zur teureren Mittelklasse mit mehr Hubraum, mehr Blech und Prestige«86 Noch pointierter argumentierte der Technische Direktor der OpelWerke: »Die Leute wollen was spritziges, sie wollen mehr PS.«87 Gerade in den Darstellungen des Pkws in der Presse zeigt sich, wie sehr sich das Leitbild der Rennreiselimousine festigte. Fachmagazine, wie die seit 1951 erscheinende auto motor und sport, die Auto-Zeitung (ab 1969), die mot (ab 1960) oder das auflagenstarke Verbandsmagazin ADAC motorwelt, aber auch die Wochenblätter Spiegel und Stern veröffentlichten ab Mitte der 1960er Jahre in wachsender Frequenz Fahrberichte und Modelltests. Als historische Quelle sind diese Produktdarstellungen sicherlich problematisch, da sie nicht selten auf Informationsmaterialien der Unternehmen basierten.88 Gleichwohl darf nicht unterschätzt werden, wie stark die Artikel meinungsbildend auf die Kundenwahrnehmungen einwirkten. Die Berichte offerierten dem Käufer eine der wenigen Möglichkeiten, sich zumindest scheinbar unabhängig vom Anbieter Auskünfte über einzelne 83 Vgl. Beckmann, Käfer, S. 100. 84 Vgl. Wolfgang Kater, Struktur, Entwicklung und Bestimmungsgrößen des Marktes für gebrauchte Personenkraftwagen in der Bundesrepublik Deutschland (eine retrospektive Analyse der Zusammenhänge mit dem Markt für fabrikneue Pkw), Diss., Braunschweig 1973, S. 102 f., insbes. Abb. 23, in der die Verschiebungen in Richtung höherer Segmente sowohl für fabrikneue Fahrzeuge als auch – mit einer leichten Verspätung – für die Besitzumschreibungen nachgewiesen werden. 85 Vgl. ebd., S. 268. 86 Art. »Sprung nach vorn«, in: Der Spiegel vom 7.9.1970, S. 66. 87 Ebd., S. 48. 88 Vgl. Ulrich Kubisch / Andreas Curtius / Joachim Dufner, Das Automobil als Lesestoff. Zur Geschichte der deutschen Motorpresse 1898–1998, Wiesbaden 1998.

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Fahrzeugtypen zu beschaffen. Allein die wachsenden Auflagen der Motorpresse dokumentieren dabei, wie sehr der Informationsbedarf der Konsumenten anstieg. Die Testberichte fungierten somit sowohl als Orientierungshilfen als auch als Leitlinien, denn sie wandelten letztlich subjektive Bewertungen der Redakteure in zumindest scheinbar objektive Produktbotschaften um. Indem die Pkw-Kritiken zunehmend Elemente des Rennreiseideals auf niedrigere Fahrzeugklassen übertrugen, sorgten sie für eine kommunikative Verfestigung des Produktverständnisses. In den Beurteilungskriterien der Autotester spiegelten sich die steigenden Ansprüche an Leistung und Design. Noch zur Vorstellung des VW 1500 im Jahr 1962 argumentierte der Spiegel, dass eine Verbesserung der Beschleunigungswerte als eine grundsätzlich »lobenswerte Eigenschaft«89 des Modells zu betrachten sei; Robustheit, sparsame Anspruchslosigkeit und Lebensdauer seien aber als wesentlich wichtiger einzustufen. Zunächst fungierte ganz offensichtlich das vom VW Käfer geprägte Bild des Maßhalte-Autos als Orientierungspunkt, an dem sich selbst größere Fahrzeuge messen lassen mussten.90 Allerdings verschoben sich diese Referenzpunkte in den folgenden Jahren rasch weg von Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu Dynamik, Schnelligkeit und Fahrkomfort. Insbesondere die Aspekte Beschleunigung und Dauergeschwindigkeit rückten in den Mittelpunkt. Im Herbst 1963, kaum ein Jahr nachdem der VW 1500 noch als ausreichend motorisiert vorgestellt worden war, geriet der mit ähnlichen Leistungswerten ausgestattete Ford 12M in die Kritik der Spiegel-Tester. Er sei zwar »größer, schneller, geräumiger, schöner, heller, fortschrittlicher, moderner […] als der VW 1200«, gleichzeitig aber »müde […], lahm und faul«91 im Antritt, was den positiven Ersteindruck vermindere. Umso deutlicher sich Hersteller, Kunden und die mediale Öffentlichkeit auf das Leitbild Rennreiselimousine verständigten, desto offener wurden geringe Leistungswerte und fehlende Sportlichkeit als ernsthaftes Manko dargestellt. Selbst technisch fortschrittliche Modelle erfüllten die Produkterwartungen kaum mehr, soweit sie in punkto Beschleunigung Schwächen aufwiesen. Beispielhaft beschrieb die ADAC motorwelt den 1966 präsentierten Opel Rekord als »repräsentatives Großformat« und »gute[n] Reisewagen: bequem, geräumig, großer Kofferraum […]«, um gleichzeitig aber hinzuzufügen: »136 [km / h] Spitze sind nicht eben viel […], die Beschleunigung dieses 1,7 Liter-Automobils ist freilich selbst für den gemütskalten Sonntagsfahrer enttäuschend.«92 Von den Autojournalisten gefeiert wurden nun dagegen Fahrzeuge, in der sich der Rennreisewagen nahezu idealtypisch abbildete. So bewertete der sonst 89 Art. »VW 1500: Deutschlands Maßhalte-Auto«, in: Der Spiegel vom 31.10.1962, S. 70–79. 90 Vgl. Schaubild zu den Eigenschaften Straßenlage, Beschleunigung, Verarbeitung, Ausstattung, Getriebe und Kofferraum in: ebd., S. 78. 91 Art. »Ford 12M: Wärmehalle mit Frontantrieb«, in: Der Spiegel vom 6.11.1963, S. 73. 92 Thomas Messner, Opel Rekord: Er ist nicht zum Parken da, in: ADAC motorwelt, H. 5, 1967, S. 58.

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Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

eher zurückhaltende Spiegel den 115 PS -starken Opel Commodore als »Volltreffer […], auf den offenkundig viele Käufer schon lange warteten: ein relativ preisgünstiges Gefährt mit viel Komfort, sportlichem Aussehen und hohen Fahrleistungen.«93 Voller Erleichterung, das Oberklassen-Standards nun auch in den Mittelsegmenten verfügbar seien, zitierte der Bericht einen Käufer: »Endlich, nach langen Jahren saft- und kraftloser Blechkisten, wieder ein Auto!«94 Ähnlich euphorisch urteilte die Fachpresse 1966 über die Markteinführung des BMW 2500: Mit diesem Modell »… wird eine neue Ära eingeleitet. Der kultivierte sportliche Tourenwagen. Der Wagen mit den vielen Gesichtern. Der Wagen, der jedem alles bietet. Der das kann, was man ihm abverlangt. Ein Universalfahrzeug, das gleichermaßen als Chauffeurwagen, für die Familie wie auch als Sportinstrument brauchbar ist. […] Er entspricht dem Stand von Morgen.«95

1.4 Größer, schneller, komfortabler: Produktkonfiguration Der Trend zur Fahrzeugaufrüstung destillierte sich nicht nur in diesen semantischen Zuschreibungen. Er wirkte faktisch auf die Bemühungen der Hersteller ein, ihre Produkte komfortabler und sportlicher auszulegen. Gute Anhaltspunkte hierfür liefert eine Auswertung von sog. Betriebsdatenblättern gängiger Fahrzeugmodelle Die Automobile wurden in allen Belangen größer und leistungsstärker, wie exemplarisch anhand der Konfigurationsentwicklung des Opel Rekord gezeigt werden soll. So nahm das Gewicht der Produktlinie Opel Rekord / Olympia – eines der erfolgreichsten Mittelklassefahrzeuge der Jahre zwischen 1955 bis 1970 – im Zuge von Modellerweiterungen – deutlich zu. Die Abbildung 12 weist die Entwicklung der Ober- und Untergrenzen des Leergewichtes für die jeweils angebotenen Modelle der Baureihe aus. Während sich das Minimalgewicht um elf Prozent von 920 (1955) auf 1.025 kg (1970) erhöhte, stieg das Maximalgewicht sogar um 21 Prozent von 1.000 auf 1.200 kg. Der kleinste verfügbare Rekord des Modelljahres 1970 war somit sogar schwerer als das Spitzenmodell aus dem Jahr 1955. Gleichzeitig vergrößerte sich der Radstand von 2,48 auf 2,66 m. Wesentliche Effekte der größeren Bauplattformen waren mehr Innenraum und Bewegungsfreiheit für den Fahrer, eine stabilere Straßenlage sowie ein besseres Fahrverhalten. Ähnliche Entwicklungen wiesen auch Oberklasse-Fahrzeuge wie etwa die Neue Klasse bzw. 5er Reihe von BMW auf. In nur zehn Jahren nach der Einführung des BMW 1500 als erstem Exemplar dieser Modelllinie vergrößerte sich die Gewichtsspanne von rund 1.000 auf bis zu 1.400 kg (1973). Selbst der VW Käfer nahm trotz seines immer gleichen Erscheinungsbildes in der Maximal93 Art. »Opel Commodore: Sprinter aus dem Baukasten«, in: Der Spiegel vom 26.5.1969, S. 80. 94 Ebd. 95 Zit. nach: BMWGA , UA 1599, Entwurf zur Ansprache des BMW-Aufsichtsratsvorsitzenden Hermann Karoli zum Hauptversammlung der BMW AG vom 4.7.1969, S. 4.

125

Die Konsumdemokratie der 1960er Jahre  1.300

Gewicht min. Gewicht max.

Wagengewicht (in kg)

1.200

1.100

1.000

1968

1969

1970

1968

1969

1970

1967

1966

1965

1964

1963

1962

1961

1960

1959

1958

1957

1956

800

1955

900

Abb. 12: Fahrzeuggewicht des Opel Rekord / Olympia, 1955–1970 Quelle: Eigene Erhebungen auf der Basis von Oswald, Deutsche Autos, Bd. 3.

180

Höchstgeschwindigkeit (in km/h)

170

Höchstgeschwindigkeit min. Höchstgeschwindigkeit max.

160

150

140

130

120

1967

1966

1965

1964

1963

1962

1961

1960

1959

1958

1957

1956

100

1955

110

Abb. 13: Höchstgeschwindigkeit des Opel Rekord / Olympia, 1955–1970 Quelle: Eigene Erhebungen auf der Basis von Oswald, Deutsche Autos, Bd.3.

126

Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

konfiguration um 200 kg zu und brachte ausgangs der 1960er Jahre fast eine Tonne Gewicht auf die Straße.96 Ursächlich ging die Gewichtszunahme der Pkw vor allem auf verbesserte Komfortausstattungen und den Einbau von Sicherheitsfeatures zurück. Beispielhaft erhielt der Opel Rekord C mit dem Modellwechsel 1967 eine stabilere Fahrgastzelle und – anstelle von Blattfedern – eine moderne Starrachse.97 Diese technisch-qualitativen Fortschritte der Fahrzeuge nutzte die Automobilindustrie wiederum, um höhere Motorenleistungen zu legitimieren. Letztendlich übertrafen die Leistungssteigerungen jedoch bei weitem das Maß, das notwendig gewesen wäre, um nur die Gewichtszunahme auszugleichen. Das eigentliche Motiv war daher, durch größere Sportlichkeit den Käuferpräferenzen entgegenzukommen.98 Beim Opel Rekord / Olympia steigerte sich die maximale Höchstgeschwindigkeit massiv von rund 120 auf bis zu 175 km / h (Abb. 13). Statt ursprünglich 45 PS in den Grundmodellen waren die Antriebsaggregate Ende der 1960er Jahre auf Leistungen von über 100 PS ausgelegt. Selbst die Motoren des leichteren Kleinwagens Kadett boten nun bis zu 90 PS. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 166 km / h reichten selbst sie an die gehobene Mittelklasse heran. Die Zunahme von Größe, Gewicht und Leistung führte natürlich zwangsläufig zu einem Anstieg des Verbrauchs. Allein zwischen 1955 und 1970 erhöhte sich der Benzinverbrauch aller auf dem deutschen Markt angebotenen Fahrzeuge von durchschnittlich 9,1 auf 11,4 Liter Kraftstoff auf einhundert Kilometer. Der Mehrbedarf betraf ausnahmslos alle Fahrzeuglinien. In der Mittelklasse erreichten die Neue Klasse von BMW oder der Opel Rekord Verbrauchswerte von bis zu 14 Litern des teuren Super-Benzins. Der Trend zur Verbrauchssteigerung setzte besonders stark ab Mitte der 1960er Jahre ein. Sowohl der minimale als auch der maximale durchschnittliche Kraftstoffbedarf erhöhte sich binnen weniger als fünf Jahre um über dreißig Prozent. Oberklassefahrzeuge der S-Klasse von Mercedes-Benz oder der Opel Kapitän, ausgestattet mit bis zu 8-Zylinder-Motoren und über drei Litern Hubraum, erwiesen sich mit einem Verbrauch von bis zu 20 Litern als »wahre Spritfresser«99. Die Veränderungen der Fahrzeugkonfigurationen korrespondierten mit einer ersten schrittweisen Ausweitung der Angebotspalette. Dem Kunden wollten die Hersteller damit die Möglichkeit eröffnen, ihr Automobil nach individuellen Wünschen hinsichtlich Motorleistung und Karosserieform, aber auch Ausstattungs96 In seiner Standardausführung wog der VW Käfer 1200 1955 rund 720 kg. Als VW 1302 S hatte er ein Gewicht von 890 kg, in der Cabrio-Version von 920 kg. Vgl. Oswald, Deutsche Autos, Bd. 3, S. 23 u. 43. 97 Vgl. J. F. Drkosch, Opel Rekord: Alle Größen vorrätig, in: ADAC motorwelt, H. 1, 1966, S. 32–33; Jürgen Pander, 60 deutsche Autos: Der Opel Rekord C, in: spiegel-online Auto vom 6.1.2010 (online unter http://www.spiegel.de/auto/aktuell/0,1518,670004,00.html; eingesehen am 9.4.2017). 98 Siehe Canzler / K nie / Berthold, Leitbild, S.  416. 99 Ebd., S. 210 f. u. Art. »Sprinter aus dem Baukasten«, in: Der Spiegel vom 26.5.1969, S. 81.

127

Die Konsumdemokratie der 1960er Jahre  15 14

Verbrauch min.

Benzinverbrauch (in Liter/100km)

Verbrauch max. 13 12 11 10 9 8

1970

1969

1968

1967

1966

1965

1964

1963

1962

1961

1960

1959

1958

1957

1956

6

1955

7

Abb. 14: Benzinverbrauch des Opel Rekord / Olympia, 1955–1970 Quelle: Eigene Erhebungen auf der Basis von Oswald, Deutsche Autos, Bd. 3.

oder Designfeatures zusammenzustellen. Das »verfeinerte Anspruchsniveau«100 der Kunden, urteilte eine VW-Marktstudie 1971, werde die zukünftige Marktentwicklung zunehmend prägen: Mit zunehmender Kaufkraft und wachsendem Motorisierungsgrad werden sich die Ansprüche der Käufer weiter differenzieren. Dabei schälen sich immer deutlicher drei Funktionen heraus, die das Automobil für unterschiedliche Käufergruppen erfüllen muss: das Auto als funktionales Transportmittel, das Auto als Statussymbol, das Auto als Ausdruck individueller Neigungen (Sport, Hobby).101

Die Optionen, Automobile unterscheidbar zu machen, sollte in diesem Sinne neue Kaufanreize setzen.102 Noch wichtiger erschien es den Automobilkonzernen jedoch, potentielle Lücken in der Angebotspalette zu schließen. Die neuen Produktstrategien orientierten sich nun nachhaltig am trading up-Modell. Das neue Ziel der Hersteller lautete, den Konsumenten eine ›Auto-Biographie‹ innerhalb des Produktprogramms ihrer Marke zu erlauben. 100 UVW, Gruppenzentrale Marketing: Langfristiger Marketingplan des VW-Konzerns für Personenwagen, Mai 1971, GZM Marketingstrategie (Kopie Ulbricht), persönlich und vertraulich, S. 28. 101 Ebd. 102 Vgl. ebd., S. 62.

128

Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

Ein gut abgestuftes Typenprogramm [ist] nicht nur für die vielberufenen Aufsteiger wichtig, sondern mindestens ebenso bedeutsam bei der Genese des Kaufentschlusses, damit sich dieser gleiche Prozess des Aufsteigens imaginär abspielen kann. Erst dann ist gewährleistet, dass der potentielle Käufer nicht […] bei einer ›falschen‹ Automobilmarke beginnt oder – mangels Abstufung nach oben – beim imaginären Aufsteigen an eine fremde Marke verloren geht.103

Gleichwohl erreichten die Modellprogramme der Massenanbieter bis zum Ende der 1960er Jahre noch nicht den Status vollständig abgestufter Sortimente. Vielmehr verdichteten sich die Angebote in den Mittelklassen. Die Ford-Werke rundeten ihre Pkw-Flotte mit den Baureihen Escort (ab 1968) nach unten in das Kompaktsegment ab und erweiterten sie mit dem neuen Markenflaggschiff Ford 26 M zugleich in die gehobene Mittelklasse. Gleichzeitig werteten sie mit einem Modellwechsel die etablierten Modelle 12M und 17 M auf. Mit dem Ford Taunus (1970) bzw. Granada / Consul (1971) bildeten sie eigene Mittelklasse-Serien. Opel platzierte 1970 die neue Modellreihe Ascona zwischen Kadett und Rekord und schloss damit eine Programmlücke.104 Selbst der Volkswagen-Konzern, der zuvor eine Ein-Produktstrategie verfolgte, versuchte sich mit dem 411/412 (1967) vorsichtig in der Mittelklasse neu aufzustellen.105 Eine relativ breite Präsenz erreichte der Wolfsburger Autobauer allerdings erst durch die Übernahme der Audi 80-Serie sowie der Modelle RO 80 und K 70 aus dem Portfolio von Auto Union und NSU. Beide Firmen wurden 1965 bzw. 1969 in den Konzern integriert.106 Mit der Entscheidung, sich vornehmlich auf die Mittelklasse zu konzentrieren, verband sich eine langfristig äußerst folgenreiche strategische Neuausrichtung der deutschen Automobilindustrie, die bislang in historischen Studien kaum Beachtung gefunden hat. Nahezu flächendeckend zogen sich die Massenproduzenten aus dem Kleinwagengeschäft zurück. Getragen wurde dieser Entschluss von der Überzeugung, dass dieses Marktfeld langfristig nicht mehr genügend Bedarf generieren würde, um rentabel Autos zu produzieren. Die deutsche Automobilindustrie kehrte somit ihren ursprünglichen Wurzeln den Rücken zu – motiviert durch die betriebswirtschaftliche Logik der Massenproduktion und gleichermaßen aus der Erwartung, dass auch die Konsumenten aus diesen Segmenten herauswachsen würden. Aufgrund eines hohen Fixkostenanteils pro Einheit drohten die Produktionskosten steil anzusteigen, sobald die Fertigungsanlagen nicht mehr ausgelastet werden konnten. Erst ab einer Fertigungsgröße von minimal 200.000 Autos pro Jahr konnte ein Werk Kostendegressionsvorteile nutzen und rentabel arbeiten. Weder im wichtigsten Exportmarkt USA, noch auf dem Inlandsmarkt trauten 103 BMWGA , UA 1344, Spiegel, Marktpsychologisches Gutachten 1972, S. 36. 104 Eine Übersicht zu Opel und Ford bietet Fritz Jagoda, Die Produktpolitik der westdeutschen Automobilindustrie, Darmstadt 1972, S. 99. 105 Vgl. UVW, 174/245/120, Einführung eines neuen Modells, Bsp. VW 411, 1968, Marketingziele. 106 Vgl. Lupa, Volkswagen-Chronik, S. 82.

Die Konsumdemokratie der 1960er Jahre 

129

die Hersteller dem Kleinwagen zu, weiterhin eine solch starke Anziehungskraft zu entfalten.107 Hinzu kam, dass sich die Fixkosten für Maschinen, Energie und Arbeitslöhne zwischen Klein- und Mittelklassewagen kaum unterschieden, die höheren Verkaufspreise für größere Fahrzeuge aber bessere Gewinnmargen versprachen. »Kleinwagen sind kein Geschäft«108, beteuerte der VW-Vorstandschef Kurt Lotz. Der Ford-Generaldirektor kommentierte: Der Trend [geht] mehr zu größeren als zu kleinvolumigen Fahrzeugen hin. Das spricht eindeutig für die Produktkonzeption der deutschen Hersteller. Außerdem ist bekannt, dass, je kleiner das Auto ist, desto weniger […] daran verdient wird. Nun könnte man fragen, warum schaffen es die Italiener, warum schaffen es die Franzosen? Auf einen einfachen Nenner gebracht […] ist es eine Frage der Währungspolitik. […] Wenn es einem deutschen Hersteller mit großem Fertigungsvolumen langfristig nicht möglich ist, einen Kleinwagen mit Gewinn auf den Markt zu bringen, der letztlich nur als Aufsteigerfahrzeug dient, können das auch ausländische Produzenten nicht.109

Mit der optimistischen Einschätzung, die Käufer von Importfahrzeugen spätestens beim Ersatzkauf wieder zurückgewinnen zu können, wurde das Feld weitgehend französischen und italienischen Autokonzernen überlassen.110 Bis zum Beginn der 1970er Jahre zeigte sich die Angebotsstruktur somit dreiteilig: In den Klein- und Kleinstwagensegmenten dominierten ausländische Hersteller. Das Mittelklassesegment war am härtesten umkämpft. Hier konkurrierten die Volumenhersteller Volkswagen, Ford und Opel mit gleich mehreren Baureihen. Nur jedes fünfte verkaufte Fahrzeug dieses Segments wurde nicht in Deutschland gebaut.111 Als Spezialanbieter agierten daneben Daimler-Benz und in der Oberklasse im Sportwagenbereich Porsche. Bei Fahrzeugen mit mehr als 2.000 ccm Hubraum teilten sie sich den Markt nahezu allein auf.112 Eine Sonderrolle kam lediglich BMW zu, die sich in den 1960er Jahren eine Nischenposition zwischen den oberen Mittelklassesegmenten und den repräsentativen Oberklassefahrzeugen von Mercedes-Benz eroberten. Die Basis hierfür bot ein zu diesem Zeitpunkt völlig neuartiges Produktkonzept der kompakten Sportlimousine, die einen Kompromiss zwischen den preislich für eine breite 107 Vgl. Krish N.  Bhaskar, The Future of the World Motor Industry, London 1980, S. 54; Diekmann, Automobil-industrie, S. 42. 108 Interview mit VW-Vorstandschef Kurt Lotz in: Art. »Teure Zuversicht«, in: Der Spiegel vom 8.2.1971. 109 Art. »Das Automobil ist kein Prügelknabe«, Interview mit Hans Adolf Barthelmeh, in: Automobilwirtschaft, April 1972, S. 54–57. 110 Vgl. BMWGA , UA 1599, Antwortbrief an Dr. Quandt betr. DM-Aufwertung o. Dat. [Nov. 1969]; auch Art. »Sprung nach vorn«, in: Der Spiegel vom 7.9.1970, S. 65 f.; Biermeier, Wettbewerb, S. 174. 111 Der Marktanteil heimischer Fabrikate lag in diesen Segmenten im Jahr 1970 durchschnittlich bei 72 bis 79 Prozent. Vgl. Eigene Erhebungen auf der Basis der Datentabelle: Zulassungen von fabrikneuen Personen- und Kombinationskraftwagen nach wichtigen Herstellern und Typen im Bundesgebiet und West-Berlin, in: TuZ, Jahrgänge 1965–1970. 112 Vgl. Jagoda, Produktpolitik, S. 18.

130

Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

Käuferschicht nicht erschwinglichen Sportwagen und den familientauglichen Fahrzeugen der Mittelsegmente darstellte.113 Motiviert durch die Erfolge von BMW weiteten nahezu alle Hersteller ihre Produktpalette in Richtung Schnelligkeit und Fahrkomfort aus. Als erster Volumenanbieter griff Opel den Trend auf. Ab 1966 rüsteten die Rüsselsheimer Autobauer den Kompaktwagen Kadett mit breiten Sportfelgen, Gürtelreifen und einem neuartigen Zwei-Farben-Lackierungskonzept mit rassigen Seitenstreifen aus.114 Auch wenn die sportlich-aggressive Note des Wagens zunächst eher auf Äußerlichkeiten, denn auf Leistungswerten beruhte, erfüllte das neue Produkt offenbar die Wünsche der weniger einkommensstarken Kundengruppen nach einem wirtschaftlichen, aber ebenso repräsentativen Metallkleid. Mit dem über einhunderttausend Mal verkauften Opel Rallye Kadett erhielt das Leitbild der Rennreisemaschine nun auch in den unteren Fahrzeugklassen ein reales Format. Gegen Ende des Jahrzehnts lancierten nahezu alle Volumenhersteller äußerst erfolgreiche Sportserien wie den Opel GT (ab 1968), den VW-Porsche 914 (1969) und die erfolgreichen Ford Capri (1969) und Opel Manta (ab 1970).115 Die Fahrzeuge boten einen neuen Typus des Sportcoupés, der in seiner Mischung aus prestigeverleihender Optik und Beibehaltung funktioneller Fahr- und Transporteigenschaften einen Ausdruck der neuen kulturellen Aneignungspraktiken des Automobils am Ende der 1960er Jahre darstellte. Diese epochentypischen Designpräferenzen wurden somit wichtige Bestandteile der kulturellen Semantik des Produktes.

1.5 Alltags- und Freizeitwelten der Auto-Mobilität Wie jedes Konsumgut bezog auch das Automobil seine soziale und kulturelle Bedeutung nicht allein aus der reinen Inbesitznahme, sondern vielmehr auch durch die spezifischen Arten und Folgen seines Gebrauchs. Das Leitbild des Produktes veränderte sich in Abhängigkeit vom Wandel der Aneignungsformen, die im Folgenden historisch zu kontextualisieren sind. Die Massenmotorisierung erhielt ihre Dynamik durch einen zunehmenden Bedarf individueller Mobilität, welche die gesellschaftlichen Grundstrukturen in zweierlei Hinsicht fundamental umgestaltete. Zum einen veränderte sich die Verkehrsinfrastruktur und richtete sich neu an den Erfordernissen der wachsenden Automobilität aus. Der Ausbau des Straßennetzes griff gerade in den 1960er Jahren massiv in die städtische und ländliche Raumgestaltung ein. Die Verkehrsplanungen konzentrierten sich darauf, den automobilen Verkehrsfluss zu steigern und den Autofahrern eine gute, d. h. vor 113 Vgl. Goebel, Anpassung, S. 35. 114 Vgl. Oswald, Deutsche Autos, Bd. 3, S. 213. 115 Eine Aufstellung sportlicher Mittelklassewagen findet sich in: BMWGA , UA 1599, Erläuterung zu den Inlandszulassungen (Jan-Juli) 1969, S. 4.

Die Konsumdemokratie der 1960er Jahre 

131

allem schnelle und direkte Erreichbarkeit ihrer Ziele zu ermöglichen. Die Anstrengungen des Bundes und der Länder zur Ausdehnung des Fernstraßennetzes ebenso wie das Ende der 1950er Jahre unter massiven Eingriffen in die bestehende Bausubstanz umgesetzte Planungsmodell der autogerechten Stadt standen für einen zunächst breiten Konsens, den Individualverkehr zu fördern.116 Das erhöhte Verkehrsaufkommen machte den Ausbau asphaltierter Straßen zu einem Sachzwang, um einen Verkehrskollaps zu verhindern.117 Parallel sorgte die Etablierung des technisch-infrastrukturellen Großsystems Straßenverkehr für einen nachhaltigen Wandel der Mobilitätsstrukturen. Mit der Umbettung auf die Straße verlagerten sich Personen- und Güterverkehrsströme, lösten sich von schienengebundenen Wegstrecken und dehnten sich aus zuvor kanalisierten, ›fingerartigen‹ Fließstrukturen in neue flächige Formen der Raumdurchdringung aus. Peter Borscheid erkennt in dieser Veränderung den Auslöser für eine »Epochengrenze«118. Zu ihren Kennzeichen zählte eine steigende regionale und interregionale Mobilität der Bevölkerung. Sie fand ihren Ausdruck in einer erhöhten Fahrtenhäufigkeit und in einer Steigerung der zurückgelegten Wegstrecken. Der Gesamtverkehr nahm von 239 (1960) auf 488,9 Milliarden Personenkilometer zu.119 Die Grundmobilität der Gesellschaft verdoppelte sich, wobei sich der Anteil der im Pkw zurückgelegten Wegstrecken von 62,1 auf 78,6 Prozent erhöhte. Die Bahn fiel von 16,6 auf 7,8 Prozent zurück; Busse und Straßenbahnen leisteten nur noch zwölf statt zuvor 20,3 Prozent des Personentransports. Der Trend zum Individualverkehr ging also eindeutig auf Kosten des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs.120 Mit der größeren Verfügbarkeit des Automobils erhöhte sich zudem die Länge der pro Person werktäglich zurückgelegten Strecken von 12,5 (1960) über 20,6 (1970) auf mehr als 26,7 km zu Beginn der 1980er Jahre.121 Dieser Indikator verweist darauf, dass sich die Nutzungspraxis des Automobils wandelte. So wie der Ausbau des Straßennetzes die Landschaften zu verändern begann, formatierte 116 Siehe Hans Bernhard Reichow, Die autogerechte Stadt. Ein Weg aus dem Verkehrs-Chaos, Ravensburg 1959; Vgl. auch Barbara Schmucki, Der Traum vom Verkehrsfluß. Städtische Verkehrsplanung seit 1945 im deutsch-deutschen Vergleich, Frankfurt / M. 2001. 117 Vgl. Borscheid, Auto und Massenmobilität, in: Pohl / Brüninghaus (Hrsg.), Einflüsse, S. 123; Ruppert, Auto, in: ders. (Hrsg.), Fahrrad, S. 128. Zur Diskussion von »Kreislaufstörungen« des Stadtverkehrs siehe den Art. »Das Wunder von Hannover«, in: Der Spiegel vom 3.6.1959, S. 56–69. 118 Borscheid, Auto und Massenmobilität, in: Pohl / Brüninghaus (Hrsg.), Einflüsse, S. 122. 119 Personenkilometer (Pkm) ist eine allgemein eingeführte Maßeinheit für die Beförderungsleistung von Personen. Sie bemisst sich als Produkt der transportierten Passagiere und der insgesamt zurückgelegten Entfernung, unabhängig von Fahrzielen oder -zwecken. 120 Alle Angaben berechnet nach Verkehr in Zahlen 1972, Tab. C 127. 121 Daten nach Ruppert, Auto, in: ders. (Hrsg.), Fahrrad, S. 128 u. Gerd Aberle, Mobilität und Gesellschaft. Die Herausforderung an die Unternehmenspolitik der Automobilindustrie, in: Dietger Hahn (Hrsg.), Führungsprobleme industrieller Unternehmungen. Friedrich Thomée zum 60. Geburtstag, Berlin / New York 1980, S. 177.

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Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

der Individualverkehr das Zusammenleben und mithin die Alltagswelt um. Das Automobil wurde zum Formgeber neuer Raumordnungs- und Siedlungsstrukturen. In den 1960er Jahren setzten Prozesse der tertiären Verstädterung und der Suburbanisierung ein. Die Stadtplaner gestalteten die City zum Zentrum öffentlicher und privater Dienstleistungen um.122 Zugleich erfolgte eine zunehmende räumliche Trennung von Arbeits-, Wohn- und Freizeitstätten. Das Auto ermöglichte den Menschen, ihren Wohnort in die Vorstadt zu verlegen – entfernt von der Hektik der Innenstädte, in weiterem Abstand von Büro oder Werkbank. Mithin entwickelte sich das Haus im Grünen seit den 1960er Jahren zu einer Insignie der »neuen Konsum-Moderne.«123 Diese Siedlungstrends legten neue Distanzen zwischen den alltäglichen Aufenthaltsorten, ließen aber zugleich »Stadt und Umland immer mehr zu einem Lebens-, Wirtschafts- und Verkehrsraum zusammenwachsen mit dem Individualverkehr als gemeinsame Klammer.«124 Ein besonderer Ausdruck dieser Entwicklung war die deutliche Zunahme des steuerlich unterstützten Pendelverkehrs. Der Anteil der Berufspendler an den Erwerbstätigen stieg schon in den 1950er Jahren von 16,5 (1950) auf über 23 Prozent (1960). 1970 zählten 28, 1982 schließlich fast 35 Prozent der Arbeitnehmer zu diesem Kreis. Der Radius der täglichen Pendlerbewegungen erstreckte sich bei Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern auf bis zu 47 km, bei kleineren urbanen Zentren mit rund 100.000 Bürgern auf immerhin noch knapp über zwanzig Kilometer. Das bevorzugte Verkehrsmittel war mit weitem Abstand der Pkw.125 Festzuhalten ist, dass die Motorisierung in vielen Lebensbereichen ein Mehr an Individualität erlaubte. Sie vermittelte sich durch die Wahl des Wohnortes ebenso wie bei der alltäglichen Entscheidung, wo man einkaufte, welchen Arzt, Rechtsanwalt oder Friseur in Anspruch nahm. Die gewonnene Unabhängigkeit war jedoch stets nur eine Freiheit in Abhängigkeit vom Automobil. Folgt man neueren Analysen der psychologischen Mobilitätsforschung, entwickelten sich objektive Zwänge (contraints) zur Autonutzung, die in der Wahl des neuen Lebensmittelpunktes bereits einbezogen wurden. Diese Weichenstellung spiegelte sich sinnbildlich in der nun gängigen Praxis wider, die Kosten für einen PkwKauf direkt in den Finanzierungsplan des Immobilienkaufs einzubeziehen.126 122 Zum Begriff der tertiären Verstädterung nach Rainer Mackensen siehe Bernhard Schäfers, Stadtsoziologie. Stadtentwicklung und Theorien, Grundlagen und Praxisfelder, Wiesbaden 2006, S. 88 f. 123 Axel Schildt, Materieller Wohlstand, pragmatische Politik, kulturelle Umbrüche. Die 60er Jahre in der Bundesrepublik, in: ders. / Siegfried / Lammers, Dynamische Zeiten, S. 27; Andersen, Traum, S. 168. 124 Borscheid, Auto und Massenmobilität, in: Pohl / Brüninghaus (Hrsg.), Einflüsse, S. 125. 125 Siehe Paul Klemmer, Verkehrsinfrastruktur. Funktion und Bedeutung in der entwickelten Industriegesellschaft, in: Internationales Verkehrswesen 33, 1981, S. 392; Borscheid, Auto und Massenmobilität, in: Pohl / Brüninghaus (Hrsg.), Einflüsse, S. 127. 126 Vgl. Bernhard Schlag / Jens Schade, Psychologie des Mobilitätsverhaltens, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 29–30, 2007, S. 29.

Die Konsumdemokratie der 1960er Jahre 

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Nicht zu unterschätzen sind daneben subjektiv empfundene Mobilitätszwänge, die auf das Nutzungsverhalten einwirkten. Sobald das Automobil für seine Besitzer ständig verfügbar war, schliffen sich Gebrauchsgewohnheiten ein, die die Lebensgestaltung veränderten. Für das Auto sprach zweierlei: es stand immer bereit und vermittelte den Eindruck, Alltagsaufgaben schneller, einfacher und autonomer bewältigen zu können.127 Die Wegzeiten zu verkürzen, sich dadurch selbst mehr Zeit für Erholung, Familie und Hobbys zu verschaffen, zählte zu den stärksten Anreizen. Mit dem neuen Anspruch auf Zugewinn an Freizeit verschoben sich die zeitlichen Zumutbarkeitsstandards bei der Verkehrsmittelwahl.128 Mit der Pkw-Fahrzeit als Referenzpunkt erschien jede langsamere Fortbewegungsform subjektiv als Zeitverschwendung. Die »eigene Magie«129, die Borscheid dem neuen Massenverkehrsmittel zuschreibt, entwickelte sich vor diesem Hintergrund nicht nur aus der vielbeschworenen Bewegungsfreiheit, sondern auch aus der Faszination der Beschleunigung des Alltagslebens. Hier verklammerten sich Autokonsum und Mobilitätsstrukturen auf vielfache Weise mit grundlegenden soziokulturellen Wandlungsprozessen, die heute als Kennzeichen der gesellschaftlichen Umbruchzeit der 1960er und 1970er Jahre ausgemacht werden. Den gemeinsamen Nenner der in ihren Einzelheiten temperamentvoll debattierten, ursprünglich soziologischen Deutungsmuster bilden drei sich überschneidende und gegenseitig beeinflussende Trends: erstens die Individualisierung und Pluralisierung der Lebens- und Konsumformen130; zweitens der Wertewandel von materialistischen hin zu postmaterialistischen Orientierungen der Selbstentfaltung131; drittens schließlich der Übergang in eine Erlebnisgesellschaft. Nach dem populären Modell von Gerhard Schulze schwächte sich die strukturierende Kraft herkunfts- und einkommensbezogener Sozialschichtungen zugunsten milieuabhängiger, durch gemeinsame Präferenzen in der Alltags- und Freizeitgestaltung gebildeter Subkulturen ab. Auch Schulze erkennt als ein Movens dieser Entwicklung eine verstärkte Konzentration des ›neuen‹ Konsumbürgers auf hedonistische Ziele der Selbstverwirklichung. »Das Erleben des Lebens rückt ins Zentrum«132, formuliert er prägnant. Individualisierung, Werteverschiebung und Erlebnisorientierung  – diese drei Basisdiagnosen des Wandels beziehen die gesellschaftsprägende Kraft des Konsums ein.133 Allein ideengeschichtlich sind die Ableitungen aus der frühen konsumpsychologischen Verbraucher- und Bedürfnisforschung deutlich zu er-

127 Vgl. ebd., S. 28. 128 Vgl. Hartwig Heine / Rüdiger Mautz / Wolf Rosenbaum, Mobilität im Alltag. Warum wir nicht vom Auto lassen, Frankfurt / New York 2001, S. 80. 129 Borscheid, Auto und Massenmobilität, in: Pohl / Brüninghaus (Hrsg.), Einflüsse, S. 124. 130 Siehe Beck, Risikogesellschaft; ders. / Beck-Gernsheim, Riskante Freiheiten. 131 Vgl. Klages, Wertorientierungen, S. 17; Inglehart, Silent Revolution; siehe bereits Kap. I. 132 Schulze, Erlebnisgesellschaft, S. 37. 133 Vgl. Andreas Rödder, Werte und Wertewandel. Historisch-politische Perspektiven, in: ders. / Elz (Hrsg.), Werte, S. 19.

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Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

kennen. Thorstein Veblens Ansatz des ›demonstrativen Konsums‹ und – in seiner Erweiterung – Wilhelm Vershofens psychologisches Nutzenschema des Konsums legten wichtige Grundlagen, indem sie zwischen dem materiellen Gebrauchsnutzen sowie den sozialen und intrinsischen Zusatzfunktionen bei der Aneignung von Konsumgütern unterschieden.134 Das von dem US -amerikanischen Psychologen und Sozialforscher Abraham Maslow in den 1940er Jahren entwickelte Konzept der sog. Bedürfnispyramide unterlegte diese Motivkategorien schließlich mit einer regelhaften Abfolgedynamik, in der materielle durch immaterielle Interessen abgelöst werden. Nichts anderes als diesen Ansatz hat sich die sozialwissenschaftliche Forschung seit den 1970er Jahren zu eigen gemacht und ihn um gruppen- oder milieuspezifische Stratifikationsmuster ergänzt.135 Die auch faktische Zunahme an Freizeit beflügelte seit den 1960er Jahren den Prozess der Herausbildung differenzierter Individualitäts- und Privatheitsformen. Noch in den 1950er Jahren war die Bundesrepublik mehr als eine Arbeitsdenn als eine Wohlstandsgesellschaft zu charakterisieren. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in der Industrie lag Mitte des Jahrzehnts bei knapp fünfzig Stunden an sechs Wochentagen.136 Seitdem verringerte sie sich stetig. Um 1960 arbeiteten Industriebeschäftigte und Angestellte rund 44 Stunden in der Woche. Bis 1968 sank die Arbeitszeit sogar bis durchschnittlich 41 Stunden. Parallel nahmen die bezahlten Urlaubstage zu. Mit dem Bundesurlaubsgesetz 1963 wurden Beschäftigten bis zum 35. Lebensjahr 15, älteren Arbeitnehmern 18 Tage Jahresurlaub zugestanden.137 Zudem wurde das lange Wochenende nicht nur für Arbeiter und Angestellte seit Beginn der 1960er Jahre zur Normalität, auch Schulen und Ausbildungsbetriebe gingen hierzu über. Mit der neuen FünfTage-Woche avancierte der Samstag und Sonntag letztlich zu einem »kompakten Freizeitblock«138 für die ganze Familie. Je disponibler die Freizeit wurde, desto stärker veränderte sich ihr Charakter von einer Erholungszeit für die schwere werktägliche Arbeit hin zu einer aktiven Zeit des Erlebens. Das Wochenende wurde zum Kristallisationspunkt für die Be134 Vgl. Veblen, Theorie; Wilhelm Vershofen, Handbuch der Verbrauchsforschung, Bd. 1: Grundlegung, Berlin 1940. 135 Vgl. Abraham H. Maslow, Theory of Human Motivation, in: Psychological Review 50, 1943, S. 370–396. Vgl. Andreas Rödder, Vom Materialismus zum Postmaterialismus? Ronald Ingleharts Diagnosen des Wertewandels, ihre Grenzen und Perspektiven, in: Zeithistorische Forschungen / Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe 3, 2006, H. 3, Abschnitt 2. (online unter: http://www.zeithistorische-forschungen.de; eingesehen 16.2.2017). Zur theoretischen Konstruktion des sozialen Raums Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, 8. Aufl., Frankfurt / M. 1996, S. 195–210; 227–237. 136 Vgl. Werner Abelshauser, Die langen fünfziger Jahre. Wirtschaft und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland 1949–1966, Düsseldorf 1987, S. 30 f. 137 Diese einheitliche Regel nivellierte dabei die branchen- und berufsstatusspezifischen Differenzen im Urlaubsanspruch. Vgl. Haustein, Mangel, S. 27 u. 158 f. 138 Axel Schildt / Detlef Siegfried, Deutsche Kulturgeschichte. Die Bundesrepublik. 1945 bis zur Gegenwart, München 2009, S. 184.

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schäftigung mit individuellen Hobbys. Sicherlich entsandte das Fernsehen neue Angebote des unterhaltenden Zeitvertreibs direkt in die Wohnstuben und sorgte somit für eine Privatisierung der Geselligkeit. Parallel aber mehrten sich auch die außerhäuslichen Freizeitaktivitäten. Die neuen zeitlichen und finanziellen Freiheiten erlaubten immer mehr Menschen, sich dem Theater- oder Museumsbesuch zu widmen, sportlichen Beschäftigungen nachzugehen, kommerzielle Freizeitangebote von Spielhallen, Konzert- und Kirmesveranstaltern wahrzunehmen oder sich einfach mit dem Sightseeing von Ausflugsorten in Stadt und Natur zu beschäftigen. Die Frage, mit welcher dieser breiten Auswahl an Möglichkeiten man seine Zeit füllte, entschied sich nach den eigenen Vorlieben. Die Freizeitgestaltung entwickelte sich vor diesem Hintergrund zum eigentlichen Transmissionsriemen für individualisierte und differenzierte Lebensstile. Sie prägte die persönliche Identitätsbildung und schuf neue Kontakt- und Kommunikationsbeziehungen, die nicht mehr zwangsläufig an den Grenzen sozialer Statuszugehörigkeit endeten.139 Die formative Kraft, die die Freizeit auf die Gestaltung sozialer Milieus als Erlebnis-, Präferenz- und Wertegemeinschaften entwickelte, verband sich eng mit der Etablierung der Massenkonsumgesellschaft und ihrer späteren Differenzierung in die individualisierte Konsumentengesellschaft. Ebenso wie über die Art ihrer Lebensgestaltung definierten sich die Menschen über spezifische Präferenzlagen bei der Warenauswahl. Dieser Zusammenhang war an sich kein Novum, gewann aber stark an Bedeutung. Der Konsum war eine Voraussetzung aber auch eine Folge individualisierter Lebensentwürfe. Technische Unterhaltungsgüter wurden zu direkten Instrumenten des Zeitvertreibs. Tragbare Transistorradios oder Fotoapparate komplettierten die Freizeitaktivitäten und steigerten ihren Erlebnischarakter.140 Wichtig war zudem, dass der Kauf von typischen Freizeitprodukten notwendig wurde, um sich für ein persönliches Hobby auszustatten. Dies galt etwa für Foto-, Angel- oder Sportausrüstungen. Vor dem Erwerb informierte sich der Liebhaber in entsprechenden Fachzeitschriften über die Funktionen der Produkte. Er eignete sich damit Expertenwissen an, welches er mit Gleichgesinnten im Verein oder Freundeskreis austauschen konnte. Sich mit einem Hobby zu beschäftigen, schuf also neue, sehr spezifische Konsumwünsche. Freizeit und Konsum wirkten vor diesem Hintergrund gemeinsam identitätsbildend. Die letzte Steigerungsstufe war schließlich, dass der Konsum selbst zum Freizeiterlebnis avancierte. Der samstägliche Einkaufsbummel in der Stadt verband sich nicht nur mit der Suche nach modischer Kleidung, die die eigene Persönlichkeit unterstrich. Er kam auch einem Fahnden nach Freizeitobjekten gleich. Der Gang in das Fachgeschäft – sei es der Plattenladen für den 139 Vgl. Rödder, Werte, S. 21; Axel Schildt, Die Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland bis 1989/90, München 2007, S. 84f; Stefan Hradil, Arbeit, Freizeit, Konsum: Von der Klassengesellschaft zu neuen Milieus, in: Raithel / Rödder / Wirsching (Hrsg.), Weg, S. 72. 140 Vgl. Haustein, Mangel, S. 133.

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Musikliebhaber oder der Baumarkt für den Hobbyhandwerker – war Teil einer kommerziellen und zugleich sozialen Selbstorientierung.141 Wie nun lässt sich das Automobil, insbesondere die Entwicklung des Kaufund Mobilitätsverhaltens, in diese komplexen Zusammenhänge von Freizeit und Konsum einbetten? Seit den 1960er Jahren zeichneten sich drei Wirkungsebenen ab: Erstens bildeten sich im aufsteigenden Automobilkonsum die qualitativen Verschiebungen in den Kundenbedürfnissen nahezu idealtypisch ab. Der Trend zur Sportlichkeit identifizierte den Pkw als Lifestyle-Produkt und Gegenstand der Selbstverwirklichung. Durch den Prozess der sozialen Diffusionen lediglich zeitlich gestaffelt, erklommen die Autonutzer mit ihren Vehikeln die Stufenleiter der unterschiedlichen Bedürfnislagen. Zweitens entwickelte sich die Beschäftigung mit dem eigenen Auto zu einem verbreiteten Freizeitinhalt. Für eine wachsende Zahl von Automobilisten wurde der private Pkw selbst zum Hobby. Nach einer Umfrage des Allensbach-Instituts bezeichneten es 1966 bereits 44 Prozent aller Männer und immerhin elf Prozent der Frauen als ihre liebste Freizeitbeschäftigung, sich dem Auto zu widmen. In der Rangskala der Hobbys stand der Pkw damit bei der männlichen Bevölkerung nach dem Sport auf Platz zwei.142 Allein das Spazierenfahren als intrinsisches Erlebnis wurde zur akzeptierten Form des Zeitvertreibs. Gleichzeitig stellte 1971 eine im Auftrag des Spiegel durchgeführte Allensbach-Umfrage zum Verhältnis der Deutschen zu ihrem ›Lieblingsprodukt‹ fest, dass sich neun von zehn Fahrern einmal in der Woche deutlich mehr als eine Stunde Zeit nahmen, um ihr Auto zu waschen. Ebenso hoch war mit rund sechzig Prozent auch der Anteil der Autofahrer, die bei Reparaturen selbst zum Werkzeug griffen. Neben Wohnzimmer und Garten entwickelte sich die Garagenwerkstatt am Wochenende zu einer beliebten häuslichen Freizeitstätte.143 Gerade bei einkommensschwächeren Haushalten gab es sicherlich ökonomische Gründe, sich intensiv mit dem Automobil auseinanderzusetzen: Die Pflege war Teil des Werterhalts; Reparaturen selbst durchzuführen, half Haltungskosten zu senken. Der Umstand aber, dass die Freude an der Autopflege offenbar alle Alters- und Sozialgruppen gleichermaßen erfasste, zeigt, dass hier jedoch auch psychologische Motive eine Rolle spielten. So erfüllte das Auto die Funktion einer persönlichen Visitenkarte, mit der man sich in der Öffentlichkeit bewegte. Die Pflege des Blechkleides kam damit einem Dienst am Image des Fahrers gleich. Sich mit dem Innenleben des

141 Auch: Horst W. Opaschowski, Freizeit, Konsum und Lebensstil, in: Rüdiger Szallies / Günter Wiswede (Hrsg.), Wertewandel und Konsum: Fakten, Perspektiven und Szenarien für Markt und Marketing, Landsberg / Lech 1990, S. 112 f. 142 Vgl. Elisabeth Noelle / Erich Peter Neumann / Institut für Demoskopie Allensbach (Hrsg.), Jahrbuch der öffentlichen Meinung 1965–1967, Allensbach / Bonn 1967, S. 53. 143 Vgl. Art. »Ans Steuer lass’ ich keinen anderen«, in: Der Spiegel vom 27.12.1971, S. 39; siehe auch Institut für Demoskopie Allensbach / Werner Harenberg, Spiegel-Umfrage ›Der Deutsche und sein Auto‹. Repräsentative Befragung bei Autofahrern. Tabellarische Ergebnisse zur Spiegel-Titelgeschichte 53/1971, Hamburg 1972.

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Pkw auszukennen, bot die Chance, technische Kompetenz zu beweisen  – ein Aspekt, der in der ›Wirtschaftswundergesellschaft‹ mit dem vorherrschenden Männlichkeitsideal konform ging.144 Das Automobil war jedoch nicht nur Gegenstand der Freizeitgestaltung, sondern auch Mittel zum Zweck. Die ständig verfügbare Auto-Mobilität half neue Erlebniswelten zu erschließen. Auf dieser dritten Wirkungsebene war es die Transportfunktion, mit der das Automobil im wahrsten Sinne des Wortes den Weg zu einer individualisierten Lebensgestaltung ebnete. Wie für die früh motorisierten USA schon in den 1920er Jahren nachgewiesen, führte seine massenhafte Verbreitung auch in der bundesdeutschen Gesellschaft seit den 1950er Jahren zu einer »Umwälzung der Freizeitbeschäftigungen«145. Der eigene Pkw erleichterte den Besuch von Verwandten und Freunden, ermöglichte es an Veranstaltungen, Vereins- oder Clubtreffen auch außerhalb des zuvor von Fahrplänen vorgegebe­ nen Rahmens teilzunehmen. Das Automobil machte neue Ausflugsziele für die ganze Familie erreichbar. Am Wochenende kreuzten sich die Freizeitwege von Stadt- und Landbewohnern, die entweder der Enge der Städte zu entfliehen oder deren Freizeitmöglichkeiten zu nutzen suchten.146 Peter Borscheid schlussfolgert, es zeigte sich für den neumotorisierten Bürger gerade in der Freizeit, »wie sehr das Auto […] Möglichkeiten zur Entfaltung seiner Neigungen und Begabungen eröffnete, indem es den Raum für die unterschiedlichsten Aktivitäten und Wünsche verfügbar machte.«147 Wie intensiv die Menschen diese Angebote nutzten, spiegelt sich in den Basisdaten der Mobilitätsentwicklung. Zu Beginn der 1960er Jahre legten die Bundesbürger mit dem Pkw erstmals längere Wege zu Freizeit- als zu beruflichen Zwecken zurück.148 Gemessen in Personenkilometern entfielen 1970 bereits 42 Prozent aller mit dem Pkw bewältigen Strecken auf den sog. Freizeitverkehr.149 Stellt man den Distanzangaben jedoch die Fahrtenhäufigkeit entgegen, zeigt sich, dass lediglich jede fünfte Autonutzung einen Freizeitzweck erfüllte. Deutlich häufiger fuhr man zur Arbeit oder zum Einkaufen.

144 Vgl. Hans Franz Erb, Auto, Auto über alles. Porträt eines neuen Menschen, Hamburg 1966, S. 21. 145 Haustein, Mangel, S. 123. Siehe bereits Robert S. Lynd / Helen Merrell Lynd, Middletown. A Study in American Culture, New York 1929, S. 260f.; James J. Flink, The Automobile Age, Cambridge / M A u. a. 1988, S. 137–157; für den deutschen Fall Kaspar Maase, Grenzen­ loses Vergnügen. Der Aufstieg der Massenkultur 1850–1970, 4. Aufl., Frankfurt / M. 2007. 146 Vgl. Andersen, Traum, S. 165. 147 Borscheid, Auto und Massenmobilität, in: Pohl / Brüninghaus (Hrsg.), Einflüsse, S. 130. 148 Siehe König, Automobil, in: Reith / Meyer (Hrsg.), Luxus und Konsum, S. 127. 149 Vgl. Verkehr in Zahlen 1985, S. 93. Die Angaben beziehen sich auf den Pkw-Verkehr nach Personenkilometern, aufgeschlüsselt nach Nutzungskategorien und Fahrtzielen. Die von den Statistikern des Bundesverkehrsministeriums gebildete Kategorie Freizeitverkehr beschreibt die Nutzung zum Zweck des privaten Zeitvertreibs an Werktagen und Wochenenden. Der Urlaubsverkehr wird so als eigene Kategorie separiert.

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Diese auffallende Differenz belegt allerdings, dass sich gerade der Beweglichkeitsradius der Menschen in der Freizeit intensiv steigerte.150 Sobald ein Automobil verfügbar war, animierte es geradezu zu einem Mobilitätsverhalten, das weit über die Pflicht- und Versorgungsfahrten hinausging. Das Auto ließ »seine Besitzer nicht mehr ruhig zu Hause sitzen.«151 So speiste sich die massive Zunahme des Individualverkehrs nicht nur aus der wachsenden Zahl der Autofahrer, sondern mehr noch aus den stetig anwachsenden Fahrtenleistungen, die dem Automobil abverlangt wurden. Zwischen 1960 und 1982 verfünffachten sich die Wegstrecken im Freizeitverkehr152 sogar – ein Mobilitätswachstum, das nur unter den Sparzwängen der Energiepreiskrisen kurz stockte.153 Hierin spiegelt sich auch wieder, dass das Auto den Weg für den modernen Massentourismus ebnete. Um 1960 verreiste zunächst nur jeder dritte Deutsche. Zu Beginn der 1970er Jahre brach bereits die Hälfte, Anfang der 1980er Jahre mehr als zwei Drittel der deutschen Bevölkerung alljährlich zu einer rund zweiwöchigen Urlaubsreise auf.154 Schnell löste das Automobil die Eisenbahn als beliebtestes Reisemittel ab. Von 48,7 (1962) stieg der Anteil der Pkw-Urlauber bis 1978 schließlich auf rund 72 Prozent.155 Gerade jungen Familien bot der Pkw die Möglichkeit zu einem 150 Vgl. zur Fahrtenhäufigkeit Raimund Herz, Verkehrsverhaltensänderungen 1976–1982. Ergebnisse einer vergleichenden Auswertung der KONTIV 76 und KONTIV 82, Karlsruhe 1984. 151 Borscheid, Auto und Massenmobilität, in: Pohl / Brüninghaus (Hrsg.), Einflüsse, S. 133. Vgl. auch Joachim Braun, Freizeitmobilität als soziologisches und sozialpsychologisches Phänomen, in: Christoph Seidelmann (Hrsg.), Mit dem Auto in die Zukunft (Schriftenreihe des Verbandes der Automobilindustrie, Bd. 16), Frankfurt / M. 1973, S. 187 f. 152 Freizeitverkehr schließt hier Urlaubsverkehr nicht ein. Dieser Umstand macht den Zuwachs privater Mobilität noch frappierender. Vgl. Herz, Verkehrsverhaltensveränderungen, S. 55; auch Jutta Kloas / Uwe Kunert, Vergleichende Auswertungen von Haushaltsbefragungen zum Personennahverkehr (KONTIV 1976, 1982, 1989). Gutachten im Auftrag des Bundesministers für Verkehr, Berlin 1993. 153 Vgl. die Datenreihen zur Entwicklung der Fahrtenleistungen (Distanz- und Nutzungshäufigkeit) in: Güntensperger, Nachfrage, S. 6. 154 Siehe ebd., S. 46 u. 60; zu Reiseprofilen und -motiven: Schildt / Siegfried, Kulturgeschichte, S. 193; Hasso Spode, Der Aufstieg des Massentourismus im 20. Jahrhundert, in: HeinzGerhardt Haupt (Hrsg.), Die Konsumgesellschaft in Deutschland 1890–1990. Ein Handbuch, Frankfurt / New York 2009, S. 126 f.; ähnlich ders., Wie die deutschen ›Reiseweltmeister‹ wurden. Eine Einführung in die Tourismusgeschichte, Erfurt 2003; Christopher Kopper, Eine komparative Geschichte des Massentourismus in Europa der 1930er bis 1980er Jahre. Deutschland, Frankreich und Großbritannien im Vergleich, in: Archiv für Sozialgeschichte 49, 2009, S. 129–148. Neu auch: Sina Fabian, Boom in der Krise. Konsum, Tourismus, Autofahren in Westdeutschland und Großbritannien, 1970–1990, Göttingen 2016, S. 292 f. 155 Erst mit der Flugreise erwuchs dem Automobil in den 1980er Jahren wieder ein ernsthafter Konkurrent. Noch 1969 vereinigten Flugreisen allerdings nur sechs Prozent der Urlaubsreisen auf sich. Ihr Anteil erhöhte sich um 1980 auf rund elf Prozent, bis 1990 dann auf 15,3 Prozent. Daten aus: Verkehr in Zahlen 1972, Tabelle C 107 sowie Verkehr in Zahlen 1998, S. 228. Zu Pauschal- und Flugreisen Fabian, Boom, S. 111, 128–143.

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zumindest subjektiv erschwinglichen und wesentlich flexibler gestaltbaren Einstieg in den Reisetourismus. Massentourismus und Massenmotorisierung waren vor diesem Hintergrund eng verkoppelt. Auch hier war es nicht nur die absolut zunehmende Zahl an automotorisierten Urlaubern, sondern zugleich die schrittweise Ausdehnung der von ihnen individuell zurückgelegten Reisedistanzen, die das Anwachsen der Mobilität hervorriefen.156 Noch zu Beginn der 1960er Jahre lagen die angesteuerten Urlaubsorte in einem Radius von rund 500 bis 600 Kilometern. Zwei Drittel aller Reisenden blieben im eigenen Land, besuchten die traditionellen Urlaubsregionen in den deutschen Mittelgebirgen, den Alpen- und Voralpenraum sowie die Nord- und Ostsee. Erst im Verlauf der Dekade nahmen Auslandsreisen an Bedeutung zu. Erstmals 1968 rangierten ausländische Ferienziele in der Gunst der Deutschen vor den einheimischen. Insbesondere der Italienurlaub inklusive des in der Populärkultur vielfach besungenen Erlebnisses mediterraner Lebensart avancierte für eine ganze Generation zum erfüllbaren Traum. Bezeichnend erscheint dabei, dass die touristische Erschließung des Landes erst begann, als mit dem Ausbau von Bergpässen und Straßentunneln am St. Bernhard und am Gotthard die infrastrukturellen Grundlagen gelegt waren.157 Im Verlauf der 1960er Jahre lässt sich als Zwischenfazit feststellen, verankerte sich das Auto somit in recht spezieller Weise in der bundesdeutschen Alltagskultur.158 Die Perspektive, unter der der gesamtgesellschaftliche Wert des Autos beurteilt wurde, war in ihrem Kern zunächst eine individualistische, auf die Vorteile für den einzelnen fokussiert. Im Bann der Motorisierungseuphorie wurden die Wünsche der Konsumenten nach unabhängiger Mobilität, nach Wohlstandsteilhabe, persönlichem Ausdruck und erlebnisreicher Lebensgestaltung zu Ankerpunkten, mit denen sich das Automobil in den gesellschaftspolitischen Grundentwurf der Bundesrepublik einschrieb. Eine Folge dieser positiv aufgeladenen Symbolik war, dass sich ein mit den USA der 1920er Jahre vergleichbarer Autoenthusiasmus entfaltete, der die Sicht auf negative Begleiterscheinungen der Massenmotorisierung zunächst verstellte.159 Dieses Dilemma ist mit einem grundsätzlichen Problem verbunden, das bis heute die Verkehrspsychologen beschäftigt: Während die individuellen Vorteile der Automobilität für den Autonutzer direkt wahrnehmbar sind, werden große Teile der sozialen und ökologischen Gemeinkosten externalisiert.160 Gerade die langen 1960er Jahre boten einen in vielerlei Hinsicht günstigen Nährboden für

156 In der Bundesrepublik versechsfachte sich der Urlaubsverkehr von 1960 7,9 Millionen zurückgelegten Reisekilometern auf rund 46 Millionen (1982). 157 Vgl. Till Manning, Die Italiengeneration. Stilbildung durch Massentourismus in den 1950er und 1960er Jahren, Göttingen 2011; zum alpinen Straßenbau König, Geschichte, S. 309. 158 Vgl. Schildt, Wohlstand, in: ders. / Siegfried / Lammers (Hrsg.), Zeiten, S. 30. 159 Vgl. James J. Flink, Three Stages of American Automobile Consciousness, in: American Quarterly 24, 1972, S. 467. 160 Vgl. Schlag / Schade, Psychologie, S. 28.

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Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

eine solche Bewusstseinshaltung. Angesichts niedriger Benzinpreise und neu entdeckter Ölvorkommen stellte sich die Ressourcenfrage zunächst nicht. Zudem waren die Dimensionen potentieller Umweltkosten noch kaum sichtbar. Bis weit in das letzte Drittel der 1960er Jahre prägte das Ausblenden von Nachteilen des Pkw-Verkehrs vor diesem Hintergrund nicht nur das individuelle Konsumverhalten, sondern auch die Wahrnehmung der öffentlichen Meinungsführer.161 In der Geschichtsforschung hat dieses Phänomen u. a. in der von Christian Pfister entwickelten These des »1950er Syndroms«162 seinen Ausdruck gefunden. Er kennzeichnet die langen 1950er Jahre als mentale Epochenschwelle, in der die westeuropäischen Gesellschaften zu einer massiven Ausbeutung der Umwelt- und Energieressourcen übergingen. In einer Zeit, in der sich ein »kurzer Traum immerwährender Prosperität«163 verbreitete, habe die anlandende Konsumgesellschaft einen zerstörerischen Entwicklungspfad betreten. Einzuwenden ist, dass sich – wie zu zeigen sein wird – das mangelnde Problembewusstsein als Symptom der Pfister’schen Diagnose nicht allzu lange hielt. Die Naivität der Konsumenten und politischen Eliten wich nicht erst mit den Ölpreiskrisen der 1970er Jahre einer neuen Sensibilität in Umwelt- und Ressourcenfragen. Es vollzog sich vielmehr eine langsame, prozesshafte Entwicklung, in deren Zuge sich schon ab Mitte der 1960er Jahre Kritik am Automobil entfaltete – und hierin lassen sich Grundlinien erkennen, die sich auch ganz allgemein auf einen Einstellungswandel gegenüber dem Konsum übertragen lassen. Zunächst bedurfte es des übermäßigen Erfolgs des Automobils und seiner massenhaften Verbreitung im Lebensraum der Menschen, um als Belastungs­ faktor präsent zu werden. Erst an der Verallgegenwärtigung des Produktes siedelte sich Kritik an.164 James Flink prägte hierfür die eingängige Formel des »Disenchantments«165, der Entzauberung des Automobils. Damit beschreibt er das ganz allgemein gültige Phänomen, dass erst, wenn sich ein Produkt von einem Wunschobjekt zum Allgemeingut wandelt, ein nüchterner Umgang mit den Problemen seiner Nutzung möglich wird. So wie die Faszination des Automobils zu bröckeln begann, unterlag seit dem Ende der 1960er Jahre auch der lange Zeit kaum hinterfragte konsumistische Gesellschaftsentwurf einer kritischen Überprüfung. Sobald sich die soziale Prä161 Siehe Kai F. Hünemörder, Die Frühgeschichte der globalen Umweltkrise und die Formierung der deutschen Umweltpolitik (1950–1973), Stuttgart 2004, S. 34; Till Bastian / Harald Theml, Unsere wahnsinnige Liebe zum Auto. Thema Verkehr, Weinheim / Basel 1990, S. 66 f. 162 Christian Pfister, Das 1950er Syndrom. Die umweltgeschichtliche Epochenschwelle zwischen Industriegesellschaft und Konsumgesellschaft, in: ders. (Hrsg.), Das 1950er Syndrom. Der Weg in die Konsumgesellschaft, Bern 1995, S. 51–97; Arne Andersen, Das 50er-Jahre-Syndrom. Umweltfragen in der Demokratisierung des Technikkonsums, in: Technikgeschichte 65, 1998, S. 329–344. 163 So der Soziologe Burkart Lutz in seiner gleichnamigen Analyse. 164 Vgl. Aberle, Mobilität, in: Hahn (Hrsg.), Führungsprobleme, S. 177. 165 Flink, Car Culture, S. 191.

Individualverkehr und kollektive Befürchtungen in den 1970er Jahren

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gekraft des Konsums sichtbar entfaltet hatte, Konsumfreiheit und -fähigkeit für breite Bevölkerungsteile gewährleistet waren, gerieten die mit der Wohlstandsgesellschaft verbundenen Umwälzungen zum Politikum. Ideologische Kritik am kapitalistischen System und Menschenbild entwickelte sich. Befeuert durch konjunkturelle Krisen und pessimistische Zukunftsprognosen stellte ein ganzes Set an Problemen die eingeschlagenen Pfade in Frage. Unter unterschiedlichsten begrifflichen Labeln und Beschreibungsansätzen erkennt die sozial- und geschichtswissenschaftliche Forschung über die 1970er Jahre heute Indizien für einen Umbruch, als sich die Gesellschaft mit diesen neuen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen begann. Ulrich Beck etwa postuliert ein Aufeinanderprallen der ›alten‹ Logik von Individualismus und Wohlstandsvermehrung mit der Frage nach der gesellschaftlichen Verteilung der gemeinschaftlich produzierten Risiken. Als Folge wähnt er die Gesellschaft auf einem Weg in eine stärker reflexive, die Kollateralschäden des wissenschaftlich technischen Fortschritts selbst thematisierende Moderne.166 Konzentriert man sich auf einen konsumhistorischen Zugang, ist ein ähnlich duales Spannungsfeld aufzuzeichnen: Einerseits sind klare Kontinuitäten in der Konsumorientierung und in den mobilitätsbasierten Lebens- und Freizeitformen der Gesellschaft zu erkennen.167 So brach der Trend zu Massenmotorisierung nicht ab, sondern wurde lediglich in der Krise kurz gestört. Andererseits sorgte jedoch die nicht mehr zu leugnende Sichtbarwerdung von hohen Umwelt- und Sozialkosten dafür, dass die Konsumgesellschaft an sich und auch das Produkt Automobil im Speziellen neuer Legitimation bedurfte. Als Essenz lässt sich für die weitere Untersuchung festhalten, dass das Automobil in den 1960er Jahren zu einem wirtschaftlichen und kulturellen Leitprodukt aufstieg. Als Symbol der persönlichen und gesellschaftlichen Selbstentfaltung avancierte es zum Medium erwünschter Konsum- und Lebensfreiheit. Allerdings geriet der von ihm repräsentierte Individualismus ab dem Ende der Dekade in Konflikt zu kollektiven Interessen. Die Erlebnisgesellschaft sah sich mit der Risikogesellschaft konfrontiert. Die Auto-Lust der Konsumenten stieß mit Vehemenz auf die Auto-Lasten der Allgemeinheit.

2. Die öffentliche Autokrise: Individualverkehr und kollektive Befürchtungen in den 1970er Jahren Schon in den Frühzeiten der Automobilität zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es – wie bei vielen technischen Produktinnovationen – erste Kritik an der aufkeimenden Motorisierung. Die Vorbehalte richteten sich gegen die oft noch geringe Verkehrssicherheit der Kraftwagen und die rücksichtslose Fahrweise 166 Vgl. Beck, Risikogesellschaft, S. 25 f. 167 Vgl. König, Jahre, in: Jarausch (Hrsg.), Ende, S. 95.

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Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

der nicht selten als »Auto-Wildlinge«168 bezeichneten Herrenfahrer, die die neue Verkehrsmaschine erst auf der Straße zu beherrschen lernten. Auf engen Wegen übten die Kraftwagen rasch Dominanz gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern aus, was Unruhe und Unsicherheit erzeugte. So prägte sich früh ein Dreisatz aus den Determinanten Fahrzeug, Fahrbahn und Fahrer für die Umfeldeinwirkungen des Automobils aus. Er bildete auch in den späteren Diskussionen – unter wechselnden Betonungen der Einzelfaktoren – ein erkennbar strukturierendes Element der Autokritik.169 Die negativen Umweltwirkungen waren bereits seit Beginn des Jahrhunderts latent, allerdings fundiert auf einem bildungsbürgerlich, zivilisationsskeptischen Naturverständnis. Abgase wurden in erster Linie als störender Gestank empfunden, der von unbehaglichem Lärm und starker Staubentwicklung auf unasphaltierten Straßen begleitet wurde. Selbst in den Zwischenkriegsjahren waren zumindest in Deutschland die toxischen Wirkungen der Autoabluft auf den Menschen sowie Flora und Fauna noch außerhalb jedweder Vorstellungen. Sie wurden erst im Zuge des naturwissenschaftlichen und medizinischen Fortschritts seit den 1950er Jahren langsam aufgedeckt.170 Auch wenn die Saat der Autokritik schon gestreut war, verstetigte sie sich trotz zunehmenden Wissens um die Umwelteinwirkungen nicht. Die symbol­beladene Motorisierungseuphorie und die Omnipräsenz technischen Fortschrittsglaubens sorgten in der frühen Bundesrepublik zunächst für ein derart positives Einstel­ lungsklima, dass skeptische Betrachtungsweisen nur punktuell durchdringen konnten. Neben der Entzauberungsthese mag dies erklären, warum der Kraftverkehr lange eine »umweltpolitisch auffällig schonende Behandlung«171 erfuhr. Erst Ende der 1960er Jahre aktualisierten sich die Sicherheits- und Umwelt­ probleme. Massenkonsum, wirtschaftliche Krisen, gesellschaftlicher Wandel und die Ressourcenfrage verschoben die Wahrnehmungshorizonte. Alte Fäden der Automobilskepsis verknüpften sich mit neuen, oder besser: neu erkannten

168 Christoph Maria Merki, Die ›Auto-Wildlinge‹ und das Recht. Verkehrsunsicherheiten in der Frühphase des Automobilismus, in: Harry Niemann (Hrsg.), Geschichte der Straßenverkehrssicherheit im Wechselspiel zwischen Fahrzeug, Fahrbahn und Mensch, Bielefeld 1999, S. 51. Zur Frühphase: ders., Der holprige Siegeszug des Automobils 1895–1930. Zur Motorisierung des Straßenverkehrs in Frankreich, Deutschland und der Schweiz, Wien u. a. 2002. 169 Siehe Stieniczka, Untersatz, in: Boch (Hrsg.), Geschichte, S. 193. 170 Vgl. Klenke, Zeitalter, in: Bayerl / Fuchsloch / Meyer (Hrsg.), Umweltgeschichte, S. 277; auch Andersen / K iupel, Entwicklung, S. 41. Zur Lärmbelästigung siehe Richard Birkefeld / Martina Jung, Die Stadt, der Lärm und das Licht. Die Veränderung des öffentlichen Raumes durch Motorisierung und Elektrifizierung, Seelze am Velber 1994, S. ­41–43. Allgemein auch Frank Uekötter, Von der Rauchplage zur ökologischen Revolution. Eine Geschichte der Luftverschmutzung in Deutschland und den USA 1880–1970, Essen 2003. 171 Klenke, Zeitalter, in: Bayerl / Fuchsloch / Meyer (Hrsg.), Umweltgeschichte, S. 278.

Individualverkehr und kollektive Befürchtungen in den 1970er Jahren

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Problemlagen. In dieser Hinsicht kennzeichneten die Debatten der 1970er Jahre nicht den Ursprung, sondern eher eine Phase der Dynamisierung der Autokritik.172

2.1 Verkehrssicherheit Mit dem Anstieg der Pkw-Dichte in den 1960er Jahren wurde der Stau zur neuen Alltagserfahrung. Die Massenmobilität stellte das Versprechen auf Freiheit und Selbstbestimmtheit allein aufgrund der Kapazitätsüberforderung der Straßen in Frage.173 »Je mehr private Kraftfahrzeuge vorhanden sind, umso mehr behindern sie sich gegenseitig. Je mehr Menschen Freizügigkeit zu erhalten trachten, umso geringer wird die Freizügigkeit jedes einzelnen«174, konstatierte bereits 1961 eine der ersten verkehrssoziologischen Untersuchungen des deutschen Motorisierungsbooms. Der Stau war aber das wohl am wenigsten essentielle Feld, auf dem der massenhafte automobile Individualismus an seine eigenen Grenzen stieß. Gravierender waren Lärm und Umweltverschmutzung, die besonders in die Großstädte getragen wurden. Hier steigerte sich die Lebensqualität des Autofahrers direkt auf Kosten des Straßenanrainers und indirekt der gesamten Gesellschaft – ein Umstand, der die Probleme der demokratischen Risikoverteilung des Konsums plastisch macht. Das etablierte Ideal von Freiheit und Privatheit galt nicht allein für den Autofahrer. Es bedeutet auch ganz allgemein, dass sich jeder Mensch gegen fremdbestimmte Einschränkungen der Lebensbedingungen erwehren können sollte. Die Verinnerlichung der Grundfesten der Konsumgesellschaft prallte so gewissermaßen als reflexiver Impuls auf die Öffentlichkeit zurück und machte sich in der Autokritik Luft. Als bezeichnend mag erscheinen, dass sich die Bedenken in aller Vehemenz zunächst auf einem Feld entfalteten, auf dem die Gefahren am unmittelbarsten als existenzielle Bedrohung von Leben und Gesundheit lauerten. Das Problem Verkehrssicherheit entwickelte sich in Politik und Öffentlichkeit zu einem viel diskutierten Thema. Den Hintergrund bildete eine wachsende Zahl an Straßenverkehrsunfällen. Allein die polizeilich registrierten Kollisionen stiegen von 603.000 (1955) auf mehr als 1,4 Millionen im Jahr 1970 an. Anfang der 1980er Jahre wurden schließlich 1,7 Millionen Unfälle gezählt. In Relation zur massiv ansteigenden Anzahl von Fahrzeugen, die sich im Straßenverkehr bewegten, nahm sich diese Entwicklung noch vergleichsweise moderat aus. Alarmierend musste jedoch wirken, dass sich immer mehr Menschen bei den Verkehrsunfällen verletzten oder ums Leben 172 Vgl. König, Jahre, in: Jarausch (Hrsg.), Ende, S. 87; Brüggemeier / Engels, Natur- und Umweltschutz. Sie sehen die 1970er Jahre als Phase einer medialen Verdichtung des Umweltthemas. 173 Zum Thema Stau: Sachs, Liebe zum Automobil, S. 205. 174 Wolfgang Hartenstein / K laus Liepelt, Man auf der Straße. Eine verkehrssoziologische Untersuchung, Frankfurt / M. 1961, S. 103.

144

Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

kamen (Abb. 15). Im Jahr 1970 kamen erstmals über eine halbe Million Menschen im Straßenverkehr zu Schaden. In drei von vier Unglücksfällen waren Pkw verwickelt. Auffallend ist, dass sich die Unfallraten gerade in den Boomphasen der Individualmotorisierung dramatisch erhöhten. Dass der zunehmende PkwVerkehr und Sportlichkeitsfaible für diesen Negativtrend verantwortlich waren, schien offenkundig.175 Parallel mit den Verkehrsopferzahlen wuchs die Sensibilität in Politik und Öffentlichkeit für die Straßenverkehrssicherheit  – ein Thema, das lange eher randständig behandelt worden war. Noch in den 1950er Jahren galt der Verkehrstod als notwendiges Übel der Modernisierung, das relativ gelassen unter den allgemeinen Lebensrisiken verbucht wurde. Als der NRW-Verkehrsminister Artur Sträter 1954 schärfere Kontrollen zur Eindämmung der Unfallgefahr forderte, wurde er vom Spiegel als Verfechter der »guten, alten, deutschen Sitte« staatlicher »Freiheitsberaubung« an den Pranger gestellt. Unfälle, so die Zeitschrift weiter, entständen nur dann, wenn ein ansonsten »ehrenwerter Mann falsch gefahren ist«; sie seien auf menschliche Fehlleistungen zurückzuführen, die auch in jedem Beruf vorkommen und akzeptiert werden müssten.176 Der Verkehrstod ist eine Zivilisationserscheinung wie andere auch, wie der Krebs etwa eine zu sein scheint […]. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Zivilisation und Technik uns wie in einem unsichtbaren Ausgleich auf der anderen Seite nehmen, was sie uns an Gesundheit auf der einen geben. Ewig können wir nicht leben.177

Dieser Kommentar zeigt wesentliche Elemente der frühen Debatten um die Verkehrssicherheit: Erstens herrschte Einigkeit, menschliches Versagen als primäre Fehlerquelle zu werten. Nicht selten rekurrierten Behörden, Medien und Automobilverbände auf eine den Kriegserfahrungen geschuldete Verrohung der Sitten, um die Disziplinlosigkeit der Autofahrer als Ursache der Unfallmisere zu deklarieren.178 »Freiheitliche Verkehrserziehung«179 galt als zentrales Werkzeug zur Unfallverhütung. Delegiert wurde diese Aufgabe an die Verkehrswachten. Hierbei handelte es sich um mit staatlicher Unterstützung aufgebaute, finanziell aber primär von Herstellern und Automobilclubs abhängige Freiwilligenvereine, die die Verkehrsteilnehmer im Umgang mit dem Automobil schulen sollten.180

175 Vgl. Verkehr in Zahlen 1972, Tab. C 102 u. C 103. 176 Zitate aus: Art. »Der brutale Herr Sträter«, in: Der Spiegel vom 20.1.1954, S. 4f; Heinrich Praxenthaler, Die Geschichte der Verkehrssicherheit nach 1945, in: Niemann, Geschichte, S. 186. 177 Art. »Der brutale Herr Sträter«, in: Der Spiegel vom 20.1.1954, S. 5. 178 Vgl. Stieniczka, Untersatz, in: Boch (Hrsg.), Geschichte, S. 193; Artur Grossjohann, Das Versagen des Menschen als Unfallursache, in: ders. (Hrsg.) Die Sicherung des modernen Straßenverkehrs, Düsseldorf 1953, S. 141. 179 Klenke, Stau, S. 48. 180 Vgl. ebd., S. 47.

145

Individualverkehr und kollektive Befürchtungen in den 1970er Jahren

55

20 Verkehrstote

50

Verletzte

18

45

17 16

40

15 35

14 13

Anzahl Verletzte (in 10.000)

Anzahl Verkehrstote (in 1.000)

19

30

12 25

1982

1981

1980

1979

1978

1977

1976

1975

1974

1973

1972

1971

1970

1969

1968

1967

1966

1965

1964

1963

1962

1961

1960

1959

1958

1957

1956

10

1955

11

20

Abb. 15: Straßenverkehrsopfer: Tote und Verletzte, 1955–1982 Quelle: Eigene Aufstellung nach TuZ 1986, S. 379 und StJb 1985, S. 311.

Zweitens zeigte sich die Politik gegenüber aktiven Reglementierungen des Verkehrsverhaltens zurückhaltend, um nicht den Eindruck der staatlichen Bevormundung zu wecken. Halbherzige Maßnahmen, wie die Einführung einer Verkehrssünderkartei 1958, nahmen sich angesichts einer äußerst liberalen Haltung bei Geschwindigkeitslimits, Promillegrenzen und Strafkatalogen eher wie verkehrspolitische Feigenblätter aus.181 Die Anstrengungen konzentrierten sich darauf, die Quantität und Qualität des Straßennetzes – etwa durch kreuzungsfreie, separierte Verkehrslenkung – an die wachsenden Pkw-Ströme anzupassen. Dass selbst so weitreichende Forderungen, wie der vom ADAC mehrfach lancierte Aufruf, Alleebäume zur Verbesserung der (Unfall-)Freiheit des Autofahrers abzuholzen, überhaupt ernsthaft diskutiert wurden, zeigt, wie sehr das automobile Paradigma dominierte.182 Diese Haltung kombinierte sich drittens mit einer in Politik, Medien, Wissenschaft und im Kreis der Autofahrer spürbaren Mentalität, den Unfalltod als unvermeidliches Zivilisationsschicksal, als Preis der Freizügigkeit für unfähige oder unaufmerksame Verkehrsteilnehmer herunterzuspielen. Ein Zeit-Kommentar beschrieb diese Stimmungslage plakativ mit der Einschätzung, die »Mir-kann181 Vgl. zum internationalen Vergleich der Verkehrsreglementierungen in den 1960er Jahren: Art. »Frisch drauflos«, in: Der Spiegel vom 14.6.1971, S. 34 f. 182 Vgl. Art. »Sie können Mithelfen, dass lebensgefährliche Bäume vom Straßenrand verschwinden«, in: ADAC motorwelt, H. 1, 1969, S. 19 f.; Hans Bretz, »Krieg oder Frieden auf Deutschlands Straßen?«, in: ADAC motorwelt, H. 2, 1966, S. 12–13.

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Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

nichts-passieren-Einstellung […]« scheine nur noch durch den Tag steigerungsfähig, »[…] an dem die Unsterblichkeit des Menschen von der Wissenschaft verkündigt wird.«183 Die gemeinsame Illusion der Automobilisten lautete, die Risiken des Verkehrs seien individuell beherrschbar.184 Zunächst unterschwellig, in vielen kleineren Berichten über unzumutbare Verkehrssicherheitslagen für die vom Auto bedrohten Fußgänger und Fahrradfahrer in den Städten,185 deutete sich ein Einstellungswandel an, der schließlich ab etwa 1970 in einer scharfen öffentlichen Auseinandersetzung mündete. Erste Kennzeichen waren die zunehmende Breite und Emotionalisierung der medialen Berichterstattung. In Leitartikeln war nun drastisch von der »Todesmaschinerie genannt Straßenverkehr«, vom »Tatort« oder »Schlachtfeld Straße« sowie der »Menschheitsplage« Autoverkehr die Rede, die mit ihren alltäglichen »Menschenopfern« einen gesellschaftlich nicht mehr akzeptablen »Blutzoll« einfordere.186 Die Sicherheitsprobleme auf menschliches Versagen zu reduzieren, galt als nun nicht mehr ausreichend. Selbst diejenigen, die diese Diagnose populär gemacht hatten, gingen zu einer intensiveren Ursachenforschung über. Der Spiegel wertete die Fixierung auf den Fahrerfehler jetzt als Ideologie, die »in den letzten 20 Jahren verhinderte, dass die Verkehrskatastrophe aufgehalten wurde.«187 Einen starken Einfluss auf diese Neubewertung hatte das in der publizistischen Öffentlichkeit vielfrequentierte Fanal des Soziologen Helmut Schelsky. Er urteilte 1970: Was hier vor sich geht in dem Gemetzel des Guerilla-Krieges, den wir euphemistisch Verkehr nennen, ist ein allgemeiner, weltweiter und in allen industrialisierten Gesellschaften erkennbarer Tatbestand, nämlich das der Mensch den Auswirkungen seiner eigenen technischen Erfindungen und ihres Fortschrittes in seinem sozialen Verhalten nicht mehr gewachsen ist.188

Aufkeimender Fortschrittsskeptizismus und allgemeine Kulturkritik formierten sich um das Dilemma der Verkehrstoten. Zugleich begann die Wirtschaftsforschung, die Wohlfahrts- und Wertschöpfungsminderungen durch den Verlust von Humankapital, durch Produktionsausfälle, Sachbeschädigungen und 183 Rudolf Walther Leonhardt, »Biete Freiheit, suche Sicherheit«, in: Die Zeit vom 23.11.1973, S. 16. 184 Vgl. Kurt Möser, Geschichte des Autos, Frankfurt / New York 2002, S. 264. 185 Eine umfassende Dokumentation dieser ersten Tendenzen der kritischen Auseinandersetzung mit Individualverkehr liefert Schildt, Wohlstandsbarometer, in: Dienel / Trischler (Hrsg.), Geschichte, S. 304–308. 186 Zitate nach: Art. »Das Gemetzel, das wir Verkehr nennen«, in: Der Spiegel vom 28.6.1971, S. 32; Art. »Einer klebt hinterm anderen«, in: Der Spiegel vom 21.1.1974, S. 45; Art. »Tod auf der Straße« in: Die Zeit vom 3.6.1966, S. 12; später auch Peter M. Bode, Alptraum Auto. Eine hundertjährige Erfindung und ihre Folgen, 2. Aufl., München 1986, S. 6 u. 84. 187 Art. »Das Gemetzel, das wir Verkehr nennen«, in: Der Spiegel vom 28.6.1971, S. 33. 188 Zit. nach: Günther Grewe, Straßenverkehrsdelinquenz und Marginalität, New York /  Bern / Las Vegas 2005, S. 121.

Individualverkehr und kollektive Befürchtungen in den 1970er Jahren

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erhöhte Versicherungskosten dezidiert als externe Kosten des unfallträchtigen Individualverkehrs zu quantifizieren.189 Beide Stoßrichtungen konstatierten drängenden Handlungsbedarf. Die Verantwortung, Auswege aus dem Sicherheitsdilemma aufzuzeigen, richtete sich in erster Linie an den Staat. Bei der Auswahl der Mittel schieden sich die Geister. Um die Kardinalfrage der gesetzlichen Regulierung des Individualverkehrs entbrannte eine konfuse Debatte, in der sich die Positionen der beteiligten Akteurs­ gruppen nicht selten offen widersprachen, sich aber ebenso oft überraschende Koalitionen zwischen Medien, Autoclubs und Industrieverbänden, staatlichen Behörden und wissenschaftlichen Experten ergaben. Verkehrspolitische Zwangsvorgaben galten zunächst als unvereinbar mit dem gesellschaftspolitischen Ideal von Eigenverantwortung und Privatheit. Der Schutz der selbstgewählten Lebensgestaltung kollidierte mit dem Auftrag, die Allgemeinheit vor den Gefahren des Massenverkehrs zu bewahren.190 An Initiativen mangelte es der Verkehrspolitik gegen Ende der 1960er Jahre nicht mehr, jedoch drohten sie durch die diffizile öffentliche Stimmung aufgerieben zu werden. Nur beispielhaft ist auf einen Vorstoß von Georg Leber zu verweisen. Seinen Pkw-freundlichen Straßenbauplänen von 1968 ließ der Verkehrsminister zwei Jahre später ein programmatisches Konzept folgen, in dem er erstmals mit aller Deutlichkeit gesetzliche Sicherheitsvorgaben für den Personenverkehr vorsah. Dabei wagte er sich an zwei ehemalige Tabuthemen: Geschwindigkeitsbegrenzungen und Alkohol am Steuer. In seiner Rede vor dem Bundestag beschrieb auch er die aktuelle Verkehrslage mit einer drastischen Kriegsmethaper: »Wir leben in einer Welt, in der die Menschen sich mit dem Motor bewaffnet in der Gesellschaft begegnen. […] Wir werden eingreifen müssen, wo wir Unsicherheit beseitigen und mehr Sicherheit schaffen oder sozialschädliches Verhalten verhindern können.«191 Seine ambitionierten Pläne sahen vor, ab dem 1. Januar 1972 auch außerorts ein Tempolimit von 100 km / h auf Landstraßen zu verordnen. Parallel sollte die »Alkoholoase Deutschland« mit seinen »aus diesem Grunde größer werdenden Friedhöfen« durch eine Absenkung der Promille-Grenze von 1,3 auf den europäischen Standard von 0,8 Promille Blutalkohol »ausgetrocknet« werden.192 Sein dritter – letztlich nie verwirklichter – Vorschlag ging dahin, fortwährende Sehtests und Gesundheitschecks für Führerscheininhaber obligatorisch zu machen. 189 Vgl. die exemplarischen Rechnungen: Martin Burkhardt, Die gesellschaftlichen Kosten des Autoverkehrs, Freiburg / Br. 1980, S. 32–35.; Dietrich Burkhardt, Verfahrensgrundlagen für Nutzen-Kosten- Untersuchungen im Verkehr. Kurzfassung, Bonn 1978; einen Überblick über volkswirtschaftliche Studien zu sozialen Kosten liefert Norbert Mager, Kraftfahrzeug und Umwelt – auch ein ökonomisches Problem. Materialien zur Sicherung einer gesamtwirtschaftlich rationalen Verkehrs- und Wirtschaftspolitik, Frankfurt / M. 1981, S. 14–17. 190 Vgl. Möser, Geschichte des Autos, S. 265. 191 Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 6/81 der Sitzung vom 2.12.1970, S. 4538 f. 192 Ebd., S. 4539.

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Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

So konsequent das Maßnahmenpaket auf den ersten Blick erschien, so vorsichtig mutete der Verfahrensweg an, es umzusetzen. In Rücksicht auf die öffentlichen Vorbehalte räumte das Verkehrsministerium den Autofahrern eine Bewährungsfrist von zwei Jahren ein, bevor Promille-Regel und Tempo-Stopp per Gesetz verankert werden sollten. Den Bürgern sollte zunächst die Möglichkeit gegeben werden, auf freiwilliger Basis mehr Vernunft im Straßenverkehr walten zu lassen.193 Diese Phase begleitete eine Werbekampagne, die unter dem bekannten Motto ›Hallo Partner  – Dankeschön‹ den Appell für einen Klimawechsel im Verkehr auf breiter Basis in die Öffentlichkeit kommunizierte.194 Während sich der organisierte Automobilismus und auch die Presse bereitwillig an den Aufklärungs- und Erziehungsaktionen beteiligten, führte allein die Androhung von verkehrspolitischen Reglementierungen zu heftiger Gegenwehr. Die Medien stellten sich auf eine Seite mit Pkw-Herstellern und Autoclubs, sie agierten gegen eine staatliche »Zwangsjacke«195. Zahlreiche Länderregierungen opponierten, Autofahrer protestierten und selbst die Verkehrswachten hielten die Verbote für zu weitgehend. Eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung, lautete der Tenor, hemme nicht nur die persönliche Freiheit, sondern sei in ihrer Wirkung als Unfallverhütung umstritten und letztlich nicht bewiesen. Leber persönlich wurde der Plan als politische Verzweiflungstat ausgelegt, um von notwendigen Investitionen in den Infrastrukturausbau von Straße und Bahn abzulenken.196 Politisch überlebte der Verkehrsminister die massive Schelte nicht. Die Reglementierungen wurden erst von seinem Nachfolger Lauritzen 1972/73 gesetzlich verankert.197 Allein auf dem Feld der Verkehrssicherheit deutete sich somit ein Vabanquespiel zwischen Aktion und Zurückhaltung, staatlichem Handeln und öffentlicher 193 Vgl. ebd. 194 Durchgeführt wurde die Aktion vom Verkehrssicherheitsrat (DVR). Der 1969 durch Bundes- und Länderregierungen sowie Berufsgenossenschaften initiierte Verein widmete sich der Verkehrserziehung. Weitere Mitglieder waren die Verkehrswacht, der ADAC , der ACE , Automobilhersteller, Personenbeförderungsunternehmen, Versicherungen, Gewerkschaften und Kirchen; Vgl. Mathias Bandmann, Der Mensch im Mittelpunkt des Verkehrsgeschehens, in: Niemann (Hrsg.), Geschichte, S. 19–38. 195 Art. »Tempo 100. Eine Strafe für alle Autofahrer!«, in: Hamburger Abendblatt vom 27.8.1971, S. 1; Art. »Tempo-Limit auf Landstraßen«, in: Der Spiegel vom 20.9.1971; Art. »Tempobegrenzung kein Schutz« u. »Verkehrssicherheitsrat: Bedenken gegen Tempo 100«, beide in: Hamburger Abendblatt vom 27.7.1971, S. 1 u. 2. 196 Vgl. Art. »Tempobegrenzung kein Schutz« und »Verkehrssicherheitsrat: Bedenken gegen Tempo 100«, beide in: Hamburger Abendblatt vom 27.7.1971, S. 1 u. 2 sowie den SpiegelTitel: »Mit Tempo 100 aufs Abstellgleis« nebst Leitartikel »Verkehrsminister Leber: Er war unser strahlendster Held«, in: Der Spiegel vom 20.9.1971, S. 32–47. Eine informative Zusammenstellung der Argumente findet sich in: Seiffert, Reinhart, »Ein Maß für alles?«, in: auto motor und sport, H. 12, 1971, S. 35–39. 197 Die Temporegeln für Landstraßen traten flächendeckend zunächst für eine dreijährige Frist am 1.10.1972 in Kraft. 1975 wurden sie per Gesetz bestätigt. Siehe Art. »Tempo 100 bald Gesetz«, in: Hamburger Abendblatt vom 16.9.1975, S. 11. 1973 wurde die PromilleGrenze festgelegt: Gesetz über die höchstzulässige Grenze der Alkoholkonzentration bei Benutzung von Kraftfahrzeugen vom 14.6.1973, in: BGBl. II 1973, S. 1503.

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Meinung an. Es sollte die bundesrepublikanische Verkehrspolitik im weiteren Verlauf des Jahrzehnts prägen. Kaum waren die Debatten um außerörtliche Tempolimits verklungen, entsponnen sich neue Auseinandersetzungen über Restriktionen auf deutschen Autobahnen. Im Umfeld des ersten Ölpreisschocks verband sich diese Frage nicht mehr allein mit Sicherheitsaspekten, sondern lud sich als scheinbar unverzichtbare Maßnahme zur Reduktion des Benzinverbrauchs zusätzlich auf. Als Reaktion deklarierte die deutsche Regierung vier Sonntage im November und Dezember 1973 als ›autofrei‹ und verhängte für vier Monate Geschwindigkeitsbegrenzungen von 80 km / h auf Landstraßen und 100 km / h auf Autobahnen.198 Anfänglich zeigte selbst die Autolobby Verständnis.199 Sobald sich die Ölmärkte aber entspannten, entbrannte am Autobahn-Tempolimit ein »Prinzipienstreit um Wert und Unwert der Automobilfreiheit.«200 Der ADAC und die Industrieverbände forderten in Protestaktionen »Freie Fahrt für freie Bürger«201 und warfen der Politik sozialistische Gleichmacherei vor. In der publizistischen Öffentlichkeit tauschten politische Zeitschriften mit Autofachblättern Zweifel an den Erträgen des Tempolimits aus. Verkehrsexperten unterstellten eine einschläfernde Wirkung auf den Autofahrer mit fatalen Folgen für seine Aufmerksamkeit im Verkehr. Spiegel-Reporter bestätigten die road hypnosis in öffentlichkeitswirksamen Selbsttests, berichteten über endlose Kolonnenfahrten und nervenden Zeitverlust.202 Ökonomische Gegenargumente lieferte die Industrie. Sie drohte mit einer anhaltenden Branchenkrise, wenn die Politik den Kunden eines der wichtigsten Motive zum Kauf eines deutschen Automobils nehmen würde: die Leistungskraft. Ohne die Autobahn fehle den Ingenieuren ein zentrales Spielfeld, um technische Innovationen, sparsame Motoren, windschlüpfige Karossen und hochgeschwindigkeitstaugliche Sicherheitsvorrichtungen auf ihre Alltagstauglichkeit zu prüfen. Kurz um, die Eingriffe des Staates würden die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit deutscher Automobilbauer mit fatalen Folgen für den Arbeitsmarkt unterminieren.203

198 Vgl. Energiesicherungsgesetz vom 9.11.1973, in: BGBl. I, 1973, S. 1585–1588. 199 Vgl. Art. »Was bringt der Konsumverzicht? Ist Autobahntempo 100 ein sinnvoller Beitrag zur Energieeinsparung?«, in: auto motor und sport, H. 1, 1974, S. 24–29. 200 Klenke, Pathologie des Straßenverkehrs, S. 524. 201 Hans Schueler, »Auf die Bremse. Der hitzige Streit um Tempo 100«, in: Die Zeit vom 18.1.1974, S. 1.; Art. »ADAC: Kein Autobahn-Kriechtempo auf Dauer!«, in: ADAC motorwelt, H. 3, 1974, S. 40 f. 202 Vgl. exemplarisch die Art. »Einer klebt hinterm anderen« und »›Tatort‹ ist nichts dagegen. Spiegelreporter Hermann Schreiber mit Tempo 100 auf der Autobahn«, in: Der Spiegel vom 21.1.1974, S. 28–32 u. 45. 203 Vgl. ebd.; VDA , Jahresbericht auto 1974/75, S. 5. Klenke (Stau, S. 94) argumentiert, dass sich letztlich auch in der Verkehrspolitik nach 1973 wirtschaftspolitische Vorbehalte durchsetzten.

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Die hier dargestellten Argumente pro Individualverkehr sollten jedoch nicht als Indizien interpretiert werden, dass sich das Auto nach der Ölpreiskrise gänzlich aus den Sicherheitsdebatten lösen konnte. Noch 1977 stellte die Autolobby fest, dass die vielen Kritiker nicht verstummt seien, die den Personenwagen »als bösen Killer porträtieren, der […] Hunderttausende von Menschen […] tötet und verstümmelt.«204 Unterdessen hatte die Verkehrspolitik jedoch längst auf einen Kompromisskurs eingelenkt, der bis heute als Symbol für die Irrationalitäten im Verhältnis der Deutschen zum Automobil steht: 1974 führte die Regierung die Richtgeschwindigkeit von 130 km / h auf Bundesautobahnen ein. Es blieb somit bei einem unverbindlichen Appell an die Selbstverantwortung der Pkw-Nutzer. Ob es sich dabei um Politikversagen oder einen »Mittelweg der Vernunft […] zwischen totaler Raserei und bürokratischer Vollbremsung«205 handelte, wie ihn Die Zeit verwirklicht sah, blieb über Jahre umstritten. Es ist aber zudem charakteristisch für die Verkehrspolitik der Zeit, dass sie angesichts verfahrener Grundsatzdebatten ihr Augenmerk auf das dritte Element der Straßenverkehrssicherheit, das Fahrzeug, lenkte. Bis dato hatten die Produkte der Autoindustrie weitgehend außerhalb jeder Kritik gestanden. Von einem Pkw wurde lange nur eine basale Betriebssicherheit, nicht aber ein besonderer Unfallschutz verlangt. Diese Erwartungen wandelten sich. Die »innere Sicherheit«206 wurde neu entdeckt – ein Prozess, in dem Politik und Öffentlichkeit die Verantwortung an die Hersteller delegierten. Nun sollte das Verursacherprinzip auf den Autobauer erweitert werden. Wenn der Fahrer mit der Leistungsstärke und Verkehrsdichte überfordert sei, müssten die Hersteller die Beherrschbarkeit des Automobils durch Konstruktionsverbesserungen erleichtern und zugleich Insassen und außenstehende Verkehrsteilnehmer besser vor Verletzungsquellen schützen.207 Gerade in ihrer Startphase Mitte der 1960er Jahre kamen die maßgeblichen Impulse für eine Stärkung der Verantwortung der Industrie aus den USA . Aufgrund des Motorisierungsvorsprungs waren dort Sicherheits- und auch Umweltrisiken deutlich früher virulent. Umso wirkungsvoller konnte der junge Verbraucheranwalt Ralph Nader mit seinem 1965 unter dem vielsagenden Titel erschienenen Buch Unsafe at any Speed. The Designed-In Dangers of the American Automobile die Aufmerksamkeit der amerikanischen Öffentlichkeit auf sich lenken.208 Besondere Sprengkraft enthielt der Band nicht allein dadurch, dass er am Beispiel des Chevrolet Corvair gravierende Konstruktionsprobleme 204 VDA , Jahresbericht 1976/77, S. 40. 205 Hans Schueler, Auf die Bremse. Der hitzige Streit um Tempo 100, in: Die Zeit vom 18.1.1974, S. 1. Zur Tempolimit-Debatte der Jahre 1973/74 kompakt Möser, Geschichte des Autos, S. 276. 206 Stieniczka, Untersatz, in: Boch (Hrsg.), Geschichte, S. 192. 207 Vgl. ebd., S. 194. 208 Vgl. Ralph Nader, Unsafe at any Speed. The Designed-In Dangers of the American Automobile, New York 1965.

Individualverkehr und kollektive Befürchtungen in den 1970er Jahren

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amerikanischer Automodelle aufdeckte. Eklatant war, dass er die US -Auto­ konzerne beschuldigte, derartige Sicherheitsmängel aus Profitinteresse bewusst in Kauf zu nehmen, um Entwicklungskosten einzusparen.209 Die Debatten in den USA wirkten gleich mehrfach auf den deutschen Automarkt zurück. Einerseits erwies sich die US -Regierung als traditionell regulierungsfreundlicher als die deutsche Politik und formulierte strikte technische Sicherheitsauflagen. Die 1966 im Safety Vehicle Program210 enthaltenen Normen füllten ganze Kataloge. Sie reichten von Vorgaben für splitterfreie, versenkbare Armaturen und gepolsterten Kopflehnen im Fahrzeuginneren, über Warnblinkanlagen, Doppelaußenspiegel und standardisierten Stoßstangen außen bis hin zum Einbau von Sicherheitsglas, beschlagfreien Heckscheiben, Zweikreisbremsanlagen und bruchfesten Kraftstofftanks. Wollten die deutschen und europäischen Hersteller weiter in die USA exportieren, mussten sie sich zwangsläufig diesen Vorschriften zur Erhöhung der aktiven und passiven Sicherheit unterwerfen.211 Die Autokritik kanalisierte sich im internationalen Kontext somit rasch in einer erhöhten Regulierungsdichte, die die Unternehmen mittels Bauvorschriften unter Anpassungsdruck setzte, die neuen Sicherheitsansprüche zu berücksichtigen.212 Andererseits rezipierte die deutsche Öffentlichkeit aufmerksam die US -amerikanischen Debatten und sensibilisierte sich ebenso für automobiltechnische Sicherheitsfragen. Politik, Medien, Wissenschaft und die machtvollen Autoclubs fanden sich unter dem in der Bundesrepublik jungen Dach des – hier durchaus im engsten Wortsinn zu verstehenden – Verbraucherschutzes zu einem festen Meinungsblock zusammen. In politischen Reden, Presseartikeln und sich immer stärker etablierenden Produkttests prasselte geballte Kritik auf die Hersteller ein. Selbst der sicherlich nicht industriefeindliche ADAC druckte 1967 auf Doppelseiten Leserbriefe erboster Autonutzer ab. Aus »ernster Sorge um die Sicherheit der Autofahrer und als ernste Warnung an alle Verantwortlichen in den Automobilfabriken«213 mahnte der Autoclub an, notfalls Konzernvorstände und Ingenieure 209 Zur Rezeptionsgeschichte siehe u. a. Michael D.  Meyer / Marvin L.  Manheim, Energy Resource Use. Energy, the Automobile, and Public Policy, in: Science, Technology, & Human Values 5, 1980, Nr. 31, S. 25 u. Flink, Automobile Age, S. 288. 210 Einen Überblick liefert Flink, Automobile Age, S. 382. 211 Aktive Sicherheit umfasst im engeren Sinne Hilfen, die den Fahrer die Bedienung eines Fahrzeuges erleichtern (z. B. leicht zu erreichende Bedienknöpfe, Blinker oder Sicht­ hilfen), dagegen meint passive Sicherheit Vorrichtungen, die die Unfallfolgen für Insassen und Passanten abmildern (z. B. versteifte Fahrgastzellen, Stoßfänger oder Gurte). Möser, Geschichte des Autos, S. 261; Heike Weishaupt, Die Entwicklung der passiven Sicherheit bei Daimler-Benz von den Anfängen bis 1980, in: Harry Niemann / Armin Hermann (Hrsg.), Geschichte der Straßenverkehrssicherheit im Wechselspiel zwischen Fahrzeug, Fahrbahn und Mensch, Stuttgart 1999, S. 99–122. 212 Vgl. Art. »Sicherheitsgesetz: Gäste unter Druck«, in: Der Spiegel vom 28.11.1966, S. ­184–186. 213 Art. »Der ADAC veröffentlicht diese Stimmen aus ernster Sorge um die Sicherheit der Autofahrer und als ernste Warnung an alle Verantwortlichen in den Automobilfabriken«, in: ADAC motorwelt, H. 5, 1967, S. 24.

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persönlich in Haftung für mangelnde Pkw-Sicherheitsausstattungen zu nehmen. Wie in den USA sollten auch deutsche Gerichte die Schuldfrage bei Autounfällen neu bewerten, nur so seien die Unternehmen zu einem Umdenken zu bewegen. Das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit sei auch im Feld des Konsums durchzusetzen, forderte der Autoverband.214 Nirgendwo anders als in den Debatten um die Produkthaftung spiegelte sich die Neubewertung des Autos als eigenständiger Risikofaktor deutlicher. Gleichzeitig erhielt der Sicherheitsdiskurs unter dem Aspekt sozialer Gerechtigkeit eine neue Facette: So wie der Autobesitz vormals nur wenigen zugänglich gewesen sei, konzentriere sich nun die automobile Sicherheit lediglich auf obere Fahrzeugklassen und stehe damit nicht allen Autonutzern zur Verfügung, lautete der Vorwurf.215 Diese Argumentation spielte auf den Umstand an, dass sich mit Daimler-Benz und Volvo lediglich Oberklassenanbieter als Vorreiter im Feld des Sicherheitsengineerings erwiesen. Für beide Marken galten Sicherheitsfeatures als wichtige Qualitätsmerkmale. In Fahrzeugen der Klein- und Mittelklasse waren derartige Ausstattungen dagegen nicht oder nur als teures Sonderzubehör erhältlich. Selbst Warndreiecke, Verbandskästen oder Nebelleuchten waren etwa beim VW Käfer um 1970 nicht serienmäßig. Ursächlich führten Verkehrs- und Rechtsexperten diese Mängel auf eine zu lasche Straßenverkehrs-Zulassungsordnung zurück. Diese legte lediglich fest, dass Pkws dem »allgemein üblichen Stand der Technik«216 entsprechen sollten. Die Interpretation dieser Regel blieb den Herstellern überlassen. Exemplarisch urteilte der Spiegel: »Das Fehlen präziser Vorschriften für die passive Sicherheit verhinderte, dass verfügbare Sicherheits-Details auch den Käufern der Massenautomobile zugutekamen. Der Unfallsicherheits-Standard eines JedermannAutos ergab sich beiläufig aus der normalen Entwicklung, deren Tempo die Fabriken bestimmten.«217 Dieser Zustand erschien nicht mehr tragbar. Nach der Demokratisierung des Autokonsums rückte die Forderung nach einer Demokratisierung der Pkw-Sicherheit auf die Agenda. Allein drei von vier Autokäufern erwarteten 1972 von ihrem Neuwagen vor allem eine maßgeblich verbesserte Sicherheitsausstattung.218 Das Fachblatt auto motor und sport kommentierte: Es ist nicht lange her, dass Sicherheit sich schlecht verkaufte, […] heute reagieren wir umgekehrt. Wir möchten alle mit dem Auto zugleich auch die Sicherheit kaufen, dass uns beim Fahren niemals etwas passiert. Die Wandlung kam mit dem Wohlstand: Wer hungert, der hungert auch nach vier Rädern und einem Motor, ganz gleich wie das Gefährt beschaffen ist. Wer dagegen satt ist und das Auto als Selbstverständlichkeit 214 Vgl. ebd., S. 24–26. 215 Vgl. Art. »Sicherheitsautos für Tage ohne Tote«, in: Der Spiegel vom 16.8.1971, S. 100. 216 Art. »Das Gemetzel, das wir Verkehr nennen«, in: Der Spiegel vom 28.6.1971, S. 33; Stieniczka, Untersatz, in: Boch (Hrsg.), Geschichte, S. 198 f. 217 Art. »Sicherheitsautos für Tage ohne Tote«, in: Der Spiegel vom 16.8.1971, S. 100. 218 Vgl. Goebel, Marketing, S. 119.

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empfindet, der möchte verhindern, dass er durch dies Auto sein besitzerfülltes und komfortables Leben verliert.219

Wo diesen Erwartungen entgegenkommende Maßnahmen von Herstellerseite nicht freiwillig entsprochen wurde, half eine Vielzahl von neuen sicherheitstechnischen Vorschriften auf deutscher und europäischer Ebene nach. Diese Formen der technischen Sachregulierungen waren im Unterschied zu Tempo­ limit oder Bauprojekten kaum umstritten. Wie im Fall des wohl umfangreichsten verkehrssicherheitspolitischen Reformprojekts des Jahrzehnts, dem Verkehrssicherheitsprogramm von November 1973, betteten sich neue Bauvorschriften nun als selbstverständliches Element in ein breites Bündel von Maßnahmen ein, die von der schrittweisen Neustrukturierung des Verkehrsrettungswesens über den Bau von Leitplanken, Stand-, Beschleunigungs- und Verzögerungsspuren auf Autobahnen bis hin zur verschärften Verkehrsüberwachung reichten.220 Lediglich bei der letztlich wohl effektvollsten Innovation, dem Sicherheitsgurt, zeigte sich im Verlauf der 1970er Jahre noch einmal, wie schmal der Grat zwischen Sicherheits- und Freizügigkeitsinteressen verlief. Aus wissenschaftlicher Sicht war die schützende Wirkung von Rückhaltesystemen zweifelsfrei bewiesen. Dennoch zeigte sich in der öffentlichen Diskussion verbreitet Skepsis bis hin zur offenen Ablehnung. In der Presse vielfach lancierte Schreckensberichte über spezielle Unfallsituationen, in denen ein Anlegen fatale Folgen zeigte, schwächten die Akzeptanz des Sicherheitsgurtes. Die Vorbehalte der Autofahrer und deren Lobby gegenüber einer Gurtpflicht waren allerdings wesentlich vielfältiger. Sie fußten auf dem bekannten Ideal von Freiheit und Selbstverantwortung: Sich anschnallen zu müssen, galt als Entmündigung des Bürgers. Da es für andere Verkehrsteilnehmer unerheblich sei, ob der Gurt angelegt ist, müsse die Frage ›mit oder ohne‹ der persönlichen Entscheidung überlassen bleiben. Staatlicher Zwang ließe sich durch die Beklemmtheit beim Tragen eines Gurtes körperlich spüren, argumentierte die auto motor und sport.221 Umfragen und psychologische Untersuchungen ermittelten, dass viele Autobesitzer den Sicherheitsgurt ablehnten, weil er Komfort, Bequemlichkeit und damit letztlich das Fahrerlebnis schmälerte. Gerade bei jungen Fahrern sei das Anschnallen geradezu als unmännlich verpönt, da es im alltäglichen PS -Wettkampf »Furcht ausdrückt«222. 219 Reinhard Seiffert, »Sicherheit verkauft sich gut«, in: auto motor und sport, H. 2, 1971, S. 34. 220 Vgl. zum Umfang des vom Verkehrsminister Lauritzen initiierten ›Sicherheitsprogramm für den Straßenverkehr vom 23.11.1973‹ u. a. Praxenthaler, Geschichte, in: Niemann (Hrsg.), Straßenverkehrssicherheit, S. 196. 221 Vgl. Seiffert, »Sicherheit«, S. 34. 222 Günter Kroj / Hermann-Josef Berger, Psychologische Forschung zum Sicherheitsgurt und Umsetzung ihrer Ergebnisse, Köln 1974; Erich Raab, Sicherheitsgurt und Gurtanlege­ pflicht als psychologische Probleme. Eine vergleichende Studie an PKW-Lenkern, Graz 1985. Ähnliche Kritik provozierte der Airbag, der in den USA und Deutschland seit den 1970er Jahren diskutiert wurde, sich in Serienfahrzeuge erst ab den 1980er Jahren durchsetzte; vgl. Art. »Sicherheit durch einen Sack voll Luft«, in: Der Spiegel vom 9.10.1971, S. 58.

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Als sich vermehrte Kritik an einer Gurtpflicht ausmachen ließ, reagierte der Gesetzgeber nach einem gewohnt zögerlichen Stufenplan. 1973 verordnete er eine Einbaupflicht von Haltesystemen in Pkw und warb in der Kampagne ›Klick – erst gurten, dann starten‹ zunächst mit wenig Erfolg für eine freiwillige Nutzung des Gurtes. 1976 folgte eine sanktionsfreie Anschnallpflicht; erst 1984 entschloss man sich, Verstöße mit Bußgeldern zu ahnden und setzte damit nach mehr als zehn Jahren den Gurtzwang konkret um.223 Tatsächlich gelang es durch einen Mix von fahrzeug-, fahrer- und fahrwegsbezogenen Sicherheitsmaßnahmen, die Zahl der Toten und Verletzten im Straßenverkehr seit den 1970er Jahren deutlich einzudämmen. Binnen weniger Jahre erhielt das Sicherheitsbewusstsein der Öffentlichkeit einen deutlichen Schub. Die Unfallrisiken des Massenverkehrs wurden nicht mehr allein als individuelles, sondern kollektives Problem erkannt. Allerdings bedurften die Maßnahmen zur Steigerung der Verkehrssicherheit einer schwierigen Ausbalancierung von gesamtgesellschaftlichen Fürsorgepflichten des Staates mit den Freiheitsrechten des Einzelnen. Der Verbraucherschutz wirkte in dieser Situation als eine Art Blitzableiter, mit dem die Verantwortung an die Industrie weitergeben werden konnte. Mit dem öffentlichen Ruf nach einer erhöhten Fahrzeugsicherheit mussten die Hersteller jedoch zugleich eine Abänderung des etablierten automobilen Leitbilds befürchten. Die ›innere Sicherheit‹ rückte als Korrektiv zu Sportlichkeit und Leistungskraft in das Kunden-Blickfeld. Nicht mehr kosten- oder entwicklungstechnische Überlegungen der Produzenten, sondern die Erwartungen der Konsumenten und des öffentlichen Umfeldes setzten neue Konstruktionsstandards. Im »Zug der neuen Zeit« positionierte sich die Gesellschaft »viel mehr als früher […] am Reißbrett«224, kommentierte der renommierte Motorjournalist Gerold Lingnau 1971.

2.2 Die Umweltfrage: Lärm, Abgas und Verbrauch Auch die Umweltproblematik rückte zunächst nur langsam in das öffentliche Bewusstsein. Die Umweltdiskussionen entfalteten sich seit Mitte der 1960er Jahre zwar zeitlich nahezu parallel zur Frage der Verkehrssicherheit, wiesen aber eigene Charakteristika auf. Ein wesentlicher Unterschied bestand darin, dass die dem Autoverkehr angelasteten Schädigungen vielfältiger und in ihren Wirkungszusammenhängen deutlich komplexer waren. Grob sind vier Problemfelder auszumachen: Lärmbelästigung, Naturraumzerstörung sowie Luftverschmutzung und Ressourcenverschwendung.225 223 Vgl. zur Debatte um die Gurtpflicht Franz Robert Billisich, Der Sicherheitsgurt. Die Chance in der letzten Instanz, Wien 1973; Praxenthaler, Geschichte, in: Niemann (Hrsg.), Straßenverkehrssicherheit, S. 197; Möser, Geschichte des Autos, S. 267. 224 Gerold Lingnau, Art. »Zug der Zeit«, in: auto motor und sport, H. 20, 1971, S. 35. Vgl. ähnlich auch Goebel, Anpassung, S. 166. 225 Vgl. Aberle, Mobilität, in: Hahn (Hrsg.), Führungsprobleme, S. 173; IG Metall, Auto, Umwelt, Verkehr, in: Manfred Muster / Udo Richter (Hrsg.), Mit Vollgas in den Stau.

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Diese Belastungsarten wirkten sich in unterschiedlicher Manier auf die kollektiven Güter Natur, Gesundheit und Lebensqualität aus, hatten aber eines gemeinsam: Umweltschäden boten – im Unterschied etwa zum unmittelbaren Unfallrisiko für Verkehrsteilnehmer – eher mittelbare, weniger fassbare Gefahren für die gesamte Gesellschaft. Zwar waren Lärm, Gestank und Betonierung etwa für Bewohner verkehrsreicher Städte intensiv sichtbar, dennoch erschloss sich der Bezug zwischen diesen Plagen und konkreten Gesundheitsproblemen nicht direkt und auch nicht sofort. Mit der zeitlichen Distanz zwischen Ursache und Wirkung sowie dem Dilemma kollektiver Schutz- und individueller Nutzerinteressen entstand eine doppelte Dissonanz in der Wahrnehmung von Umweltproblemen. Autobesitzer konnten die negativen Konsequenzen ihres Handelns leicht verdrängen und an einen weitgehend anonymen Adressaten weiterreichen, was ein konsensfähiges Umweltbewusstsein in seiner Entwicklung hemmte. Die Risikogesellschaft umfasste zunächst nur Teilsysteme der Gesellschaft, vornehmlich die wissenschaftlichen und politischen Eliten. Auf Seiten der Konsumenten etablierte sie sich nur verzögert und unvollständig. In einer Anlaufphase waren es nur einzelne Gruppen, die sich den Problemfeldern aus unterschiedlichsten Motiven zuwandten. Erst als sich Politik und Medien den Schattenseiten des Automobilismus zuwandten, verdichteten sich die Themenfelder in den Jahren 1969/70 bis 1973 zu einer massierten ökologischen Autokritik, die erste Reglementierungsschritte nach sich zog. Der Ölpreisschock markierte den Übergang in eine dritte Phase, in der sich umweltbezogene Probleme eng an die Frage des Energieverbrauchs koppelten, sich aber erstmals auch im Bewusstsein breiterer Konsumentenkreise verankerten. Erst nach dem hier gewählten Analysezeitraum führte das sog. Waldsterben-Phänomen zu einer abermaligen Aktualisierung, in deren Folge sich der Umweltschutz als gemeinsames gesellschaftliches Ziel endgültig etablierte.226 Diese groben Etappen sollen als Vorstrukturierung dienen, um die wichtigsten Entwicklungslinien der ökologischen Kritik an der Massenmotorisierung aufzuzeigen. Lärmbelästigungen zählten wohl zu den ursprünglichsten Kritikpunkten. Bis weit in die 1960er Jahre regten sich Klagen über Verkehrslärm aber nur recht punktuell und waren kaum organisiert. Im Fokus standen zunächst die beson­ders lärmintensiven Lkws und Motorräder. Als auch der Privatwagen den Automobilproduktion, Unternehmensstrategien und die Perspektiven eines ökolo­ gischen Verkehrssystems, Hamburg 1990, S. 207; Peter E. S. Freund / George T. Martin, The Ecology of the Automobile, Montréal / New York 1993. Nicht mit einbezogen sind potentielle Umweltbelastungen durch die industrielle Automobilproduktion, die aber kaum produktspezifisch sind und daher nicht behandelt werden. Vgl. Simon Tywuschik, Der Wandel des Umweltschutzmanagements in der Automobil- und Chemieindustrie. Eine Längsschnittanalyse von 1960 bis 2005, Hamburg 2008. 226 Vgl. auch Hans Joachim Fietkau, Waldsterben. Urteilsgewohnheiten und Kommunika­ tionsprozesse. Ein Erfahrungsbericht, Berlin 1986; Wolfgang Zierhofer, Umweltforschung und Öffentlichkeit. Das Waldsterben und die kommunikativen Leistungen von Wissenschaft und Massenmedien, Opladen u. a. 1998; Otto, Thematisierungsstrategie.

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Verkehrslärm in die städtischen Verdichtungsräume trug, kommunizierten vor allem betroffene Anwohner ihr Unbehagen an die Kommunalbehörden.227 Die Reaktion der deutschen Stadtplaner war bezeichnend dafür, wie schwer sich kritische Stimmen gegen den Trend der Motorisierungseuphorie Gehör verschaffen konnten. Die Lösung schien gewissermaßen in die Projekte der autogerechten Stadt integrierbar. Der Lärm sollte sich reduzieren, indem man die Fließgeschwindigkeit der Pkw-Ströme durch die Stadt erhöhte. Autostraßen mit wenigen Kreuzungen sollten Standzeiten und geräuschintensive Start- und Stoppsequenzen verringern. Wo dies nicht ausreichte, waren Lärmisolierungen für Häuser sowie natürliche Schallbrecher in Form von Hecken vorgesehen. Die Stadt – in Großsiedlungen bei Nürnberg, Hannover oder Bielefeld-Sennestadt modelltypisch umgesetzt – sollte sich an das Auto anpassen.228 Äußerst zögerlich zeigte sich der Gesetzgeber, wenn es darum ging, Richtlinien für die Geräuschabgabe von Kraftwagen zu formulieren und damit in die technische Produktgestaltung einzugreifen. Zwar enthielten die Statuten zur Erteilung einer allgemeinen Betriebserlaubnis seit den 1950er Jahren einen Passus, der Grenzwerte für die Lärmemission festlegte. Die Normen für Pkw wurden jedoch bereits von nahezu allen am Markt befindlichen Modellen ohne Zusatzaufwand unterschritten. Die staatlichen Vorgaben orientierten sich also am Stand der Autotechnik, ohne aktive Verbesserungen der Umweltverträglichkeit einzufordern. Die Defensive der Behörden erleichterte es auch der Automobilindustrie, von ihrer Produktverantwortung abzulenken. Wie bei der Verkehrssicherheit sah sie das Problem vornehmlich beim Autofahrer. Mangelnde Wartung, falsche Drehzahleinstellungen und Bedienungsfehler wurden als wesentliche Ursachen für Lärmbelästigungen ins Feld geführt – allesamt Argumente, denen die Verkehrspolitik aus Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Automobils kaum etwas entgegensetzte.229 Analog zum Verkehrslärm rückte auch die Luftverunreinigung nur allmählich ins öffentliche Bewusstsein. Die Autoabgase galten zunächst als sensorisch unangenehme und »bedauerliche Begleiterscheinung der Motorisierung«230, wie es das Bundesverkehrsministerium noch 1959 ausdrückte. Dieses Urteil war weniger der Ignoranz als einem geringen Kenntnisstand über die Schädlichkeit von Auspuffgasen geschuldet. Zwar waren mit dem Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoffen (CHx), Stickoxiden (NOx), Schwefeldioxid (SO2), Blei(staub) und Ruß die wichtigsten Luftschadstoffe schon seit den 1920er Jahren identifiziert. Über das Ausmaß ihrer toxischen Wirkung lagen aber kaum Erkenntnisse vor. 227 Vgl. Klenke, Verkehrspolitik und Umwelt, in: Abelshauser (Hrsg.), Umweltgeschichte, S. 166. 228 Vgl. Art. »Stadtplanung: Limes gegen Lärm«, in: Der Spiegel vom 4.4.1962, S. 82–84; Art. »Unsere Städte sind krank«, in: Der Spiegel vom 25.12.1963, S. 92–99. 229 Vgl. zu den Grenzwerten der Pkw-Geräuschabgabe nach den Zulassungsrichtlinien von 1953, 1958 und 1960: VDA , Verkehr – Sicherheit – Umwelt. Leistungen und Erwartungen der Automobilindustrie, Köln 1971, S. 52 f. sowie Goebel, Anpassung, S. 112. 230 Hier zit. nach Möser, Geschichte des Autos, S. 275.

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Ebenso fehlten standardisierte Messmethoden und Know-how über den Entstehungsprozess von Kfz-Abgasen – kurz gesagt: es mangelte an Wissen, um die Ursache-Wirkungs-Mechanismen in ihrer medizinisch-epidemiologischen und technischen Komplexität wahrzunehmen, geschweige denn, um Toleranzgrenzen für Luftverunreinigungen zu erkennen und entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Die umweltpolitische Naivität gipfelte in der Einschätzung, man müsse Kfz-Abgase mit langen Auspuffrohren lediglich in einem höchstmöglichen Abstand zum Boden abführen, um – wie bei Industrieschornsteinen – durch Verteilung und Verdünnung die Selbstreinigungskräfte der Natur wirken zu lassen.231 Erst in den 1960er Jahren schärften sich die Problemdiagnosen. Wichtige Anstoßpunkte gaben wiederum Entwicklungen in den USA . Der besorgniserregende Smog, der sich als hoch reizende Dunstglocke über Los Angeles legte, sorgte früh für öffentliche Aufmerksamkeit. Das Auto rückte in den USA Ende der 1950er Jahre ins Visier einer breiten Umwelt- und Verbraucherschutzbewegung, die rasche Unterstützung durch eine handlungswillige staatliche Gesundheits- und Umweltadministration erhielt.232 Medizinische Flächenuntersuchungen wiesen etwa nach, dass bereits drei Viertel der Bewohner von Südkalifornien wegen des Smogs unter Kreislauf- und Lungenbeschwerden litten. Neue chemische Analysemethoden und ein breites Netz an Messstationen erlaubten detaillierte Einblicke, wie Luftschadstoffe entstanden und sich verbreiteten. Erste abgasreduzierende Bauvorschriften, wie die Zwangsentlüftung von Kurbelgehäusen, griffen seit 1961 in die Pkw-Gestaltung ein. Mit dem Clean Air Act von 1965 ging die US -Bundespolitik endgültig zu einer scharfen umweltpolitischen Regulierung über. Das Gesetz schrieb den Anbietern vor, den Abgasausstoß ihrer Modelle zwischen 1970 und 1975 um sechzig Prozent, dann bis 1980 in jährlichen Schritten auf letztlich neunzig Prozent des Ausgangswertes herabzusenken. Die zuständige Bundesumweltbehörde (Environmental Protection Agency, EPA) drohte mit empfindlichen Strafen in Höhe von 10.000 US -$ für jeden verkauften Wagen, der diesen Richtlinien nicht entsprach.233 231 Vgl. Klenke, Verkehrspolitik und Umwelt, in: Abelshauser (Hrsg.), Umweltgeschichte, S. 174; Burkhardt, Kosten, S. 55. 232 Vgl. McCarthy, Auto Mania, S. 115–129; Peninah Neimark / Peter Rhoades Mott (Hrsg.), The Environmental Debate. A Documentary History, Westport, Conn. 1999, S. 80. 233 Eine Übersicht der US -Abgasverordnungen gibt Ingo Köhler, ›Small Car Blues‹. Die Produktpolitik US -amerikanischer und deutscher Automobilhersteller unter dem Einfluss umweltpolitischer Vorgaben, 1960–1980, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic History Yearbook 2010/1, S. 122 f.; Gerald R.  Ford Presidential Library, Ann Arbor, MI (GFL), Michael Raoul-Duval Files, Box 2, Automobile Emission Standards 3; Chronology of Compliance with Auto Emission Standards, o. Dat. [1975]; David Currie, Motor Vehicle Air Pollution. State Authority and Federal Pre-Emption, in: Michigan Law Review 68, 1970, 6, S. 1083–1102; Lawrence J. White, Automobile Emissions Control Policy. Success Story or Wrongheaded Regulation?, in: D. H. Ginsburg / W. J. Abernathy (Hrsg.), Government, Technology and the Future of the Automobile, McGraw Hill 1980, S. 404.

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Die Reaktionen in Deutschland waren wesentlich verhaltener. Sicherlich wirkten die Berichte über den Smog auch hier alarmierend. Die Regierung beauftragte erstmals eine Sachverständigenkommission, die Folgen von Pkw-Lärm und Abgasen auf städtische Ballungsräume zu untersuchen. Das 1964 vorgelegte Gutachten konstatierte, dass die Motorisierung gesunde Lebensverhältnisse in den Städten zu konterkarieren beginne. Eine breite Öffentlichkeit erreichte dieser Befund allerdings nicht. Lediglich in einem engen Expertendiskurs zwischen Politik und Industrie wurde über die Validität der wissenschaftlichen Erkenntnisse, vor allem aber über die ökonomischen Konsequenzen der neuen US -Vorschriften diskutiert. Die kurze Absatzflaute der Autobranche 1966/67 ließ Ankündigungen der Regierung, das Abgasproblems auf ihre politische Agenda zu setzen, wieder verstummen.234 Selbst als Der Spiegel 1967 erstmals umfangreich über das Thema Abgasregulierung berichtete, reproduzierte er die Haltung der Industrielobby. Hiernach lauerten die Gefahren weniger im eigentlichen Problem der Umweltverschmutzung als vielmehr in den finanziellen Belastungen, die man den deutschen Automobilkonzernen durch einen Einbau von Entgiftungsanlagen auferlege.235 Tatsächlich stand hinter der Umweltfrage ein ernstzunehmendes Kostenund Wettbewerbsproblem für die Automobilindustrie. In den großmotorigen US -Straßenkreuzern war die Katalysatorentechnik einfacher und günstiger einsetzbar. Deutsche Exportmodelle, die zu deutlich niedrigeren Preisen verkauft wurden, verteuerten sich durch die Einbaukosten von rund 800  DM relativ stark, was die Anbieter Absatzeinbußen auf überseeischen Märkten befürchten ließ. Gewissermaßen spiegelbildlich ließ sich dieses Problem auch auf Europa übertragen: Da sich die Motorisierung in vielen Ländern noch in einer stark einkommensabhängigen Anlaufphase befand, bestand das Risiko, dass deutsche Autos für viele ausländische Kunden unerschwinglich wurden. Um die Branche zu schützen, sollten Abgasbestimmungen – wenn überhaupt – nicht im Alleingang, sondern nur im Einklang mit dem europäischen Ausland festgelegt werden. Dabei sollte der Industrie ausreichend Zeit zur Umsetzung etwaiger Vorschriften gewährt werden. Anders als in den USA maß man in Deutschland bei der Abwägung möglicher Regulierungskonsequenzen wirtschaftspolitischen Erwägungen größeres Gewicht als gesundheitspolitischen Aspekten zu.236 Dementsprechend moderat blieben die ordnungspolitischen Eingriffe. Erst ab 1968 begann die Große Koalition, eine Minderung des Pkw-Kraftstoffausstoßes auf dem Verordnungsweg vorzubereiten. Der Entwurf einer Novelle der 234 Vgl. Klenke, Stau, S. 70–72. 235 Vgl. Art. »Abgas-Entgiftung: Nackte Männer«, in: Der Spiegel vom 10.7.1967, S. 50 f. 236 Vgl. Rudolf Petersen, Autoabgase als Gegenstand staatlicher Regulierung in der EG und in den USA . Ein Vergleich, in: Zeitschrift für Umweltschutz 4, 1993, S. 375–406; Katharina Holzinger, Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners? Umweltpolitische Entscheidungsprozesse in der EG am Beispiel der Einführung des Katalysatorautos, Berlin 1994.

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Straßen­verkehrs-Zulassungsordnung wurde im März 1970 in die Richtlinie 220 des Rates der Europäischen Gemeinschaften überführt. Hierin wurde die Erteilung einer Betriebserlaubnis für die europäischen Märkte erstmals an feste Höchstabgabemengen schädlicher Auspuffgase geknüpft.237 Dennoch waren auch diese Vorgaben von einer unternehmerfreundlichen Zurückhaltung geprägt. Die Richtwerte lagen weit unter den US -Anforderungen und folgten der sog. ›75er-Regel‹, die bei zahlreichen, auch späteren EG -Richtlinien zum Tragen kam. Sie definierte, dass der Einbau eines umwelt- oder sicherheitstechnischen Bauteils erst dann als Stand der Technik betrachtet und gesetzlich angeordnet werden sollte, wenn es bei drei Viertel aller Pkw-Modelle zum Einsatz kam. Die Automobilindustrie entschied damit gewissermaßen selbst, wann eine Innovation zum allgemeinen gesetzlichen Standard erhoben wurde. So auch bei den Abgasrichtlinien, die von den Herstellern keine aktive Senkung des Schadstoffausstoßes verlangte, sondern die Richtwerte an einer Stelle setzte, die mehrheitlich schon unterschritten wurde.238 Dieses marktliberale, aber auch klientelorientierte Prinzip, Wirtschafts- und Umweltinteressen recht einseitig zu harmonisieren, erschien erst zu Beginn der 1970er Jahre nicht mehr haltbar. Das Umweltbewusstsein erhielt eine neue, gesellschaftlich breiter verankerte Qualität und formierte sich schon weit vor dem Ölpreisschock zusehends zu einem zivilisatorischen Krisenempfinden. Das Auto geriet als lärmender Luftverpester in den Fokus hoch emotionaler Debatten. Die Impulse für diesen Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung waren vielfältig. Eine der wohl auffälligsten Entwicklungen war, dass die Themen Lärm- und Luftverschmutzung ab 1970/71 in geradezu rasanter Geschwindigkeit aus der Expertenwelt in die publizistische Öffentlichkeit strömten. In den politischen Zeitschriften rückte das Automobil aus dem Wirtschaftsteil auf die erste Seite. Unter Überschriften wie »Notstand im Verkehr. Sterben unsere Städte?« und »Verpestete Umwelt« widmeten sich gleich mehrere Spiegel-Titel den Umweltfolgen des Individualverkehrs. Dabei galten die zahlreichen unbewältigten Missstände nun als »menschenverachtender Skandal unserer Kultur.«239 Unzählige Artikel überregionaler Tages- und Wochenzeitungen beschäftigten sich mit den gefährlichen »Schwarzen Fahnen« aus Millionen privater Pkw.240 Der Schwerpunkt der 237 Vgl. Richtlinie des Rates vom 20.3.1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Abgase von Kraftfahrzeugmotoren mit Fremdzündung (70/220/EWG), (online unter http://eur-lex. europa.eu; eingesehen am 24.5.2017). 238 Siehe Petersen, Autoabgase, S. 387. Eine Regulierung von Stickstoffemissionen wurde erstmals 1979 vorgenommen: Köhler, Small Car Blues, S. 129; George R. Heaton jr. / James Maxwell, Patterns of Automobile Regulation, an International Comparison, in: Zeitschrift für Umweltpolitik und Recht 1, 1984, S. 35. 239 Vgl. u. a. die Spiegel-Titel vom 29.6.1970 und 5.10.1970; das Zitat entstammt dem Art. »Glatt überrollt«, in: Der Spiegel vom 29.6.1970, S. 46. 240 Art. »Gegen den Dreck« in: Die Zeit vom 2.10.1970, S. 2; exemplarisch auch Art. »In Staub und Dreck«, in: Die Zeit vom 16.7.1971, S. 4.

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Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

Berichterstattung verlagerte sich auf die Dokumentation von gesundheitlichen Risiken der Luftverunreinigung. Neue epidemiologische Flächenstudien stellten nicht mehr Ruß und Rauch der Werkschlote, sondern das Auto unter Verdacht, maßgeblich für eine Steigerung von Herzkreislauf- und Lungenerkrankungen in urbanen Zentren verantwortlich zu sein. Nachrichten über eine seit den 1960er Jahren rund fünfzigprozentige Zunahme von Leukämie- und Lungenkrebsfällen, über verspätete Knochenreife und verlangsamte Körperentwicklung von Stadtkindern oder die mutmaßlich mit der Wirkung von Nervengasen vergleichbare ›Bleivergiftung‹ von Menschen, Tieren und Pflanzen emotionalisierten die öffentlichen Debatten. In Zukunft wird das Automobil eher mit »Todesanzeigen die Zeitungsseiten füllen«241, überschrieb der Münchner Merkur 1971 seine Artikelserie über die medizinische Wirkung von Autoabgasen. Die in solcher Weise teils fundierte, teils bewusst provokante Sichtbarmachung der Gesundheitsgefahren aktivierte ein neues Umweltdenken. Neben der Presse griffen nun auch Verbands- und Gewerkschaftspublikationen, Autofachzeitschriften und Automobilisten-Vereine die Umweltproblematik in einem ungewohnt kritischen Tenor auf. Erstmals 1971 wandte sich etwa der ADAC mit der programmatischen Frage »Wie löst man das Abgas-Problem?«242 an seine Leserschaft. Ganz dem konsensorientierten Planungsideal der Zeit entsprechend lautete die Forderung, dass alle Beteiligten die Lösung des Abgasproblems als Gemeinschaftsaufgabe in Angriff nehmen sollten. Von der Industrie verlangte der ADAC , auf hochgezüchtete, schadstoffreiche Motoren zu verzichten. Die Verbraucher sollten bei der Pkw-Wartung stärker auf eine niedrige Leerlaufdrehzahl achten und unnötige Fahrten vermeiden. Der stärkste Appell richtete sich an den Gesetzgeber. Er sollte die Umweltforschung aktiv fördern und mit Hilfe strenger Grenzwerte die schadstoffreichen Fahrzeuge von den Märkten ausschließen.243 In einer Allianz mit der Presse, Gesundheitsexperten und zahlreichen Verkehrswissenschaftlern forderte der Verband der Autonutzer nun aktives staatliches Handeln ein. Dies ist als Signal zu werten, dass mit wachsenden Problemdruck die jahrelange Skepsis gegenüber ordnungspolitischen Eingriffen wich und einer verbreiteten Akzeptanz von Umweltregulierungen Platz machte.244 Angesichts von hohen Konzerngewinnen schien es nun legitim,

241 Hier zit nach: Art. »In Gelsenkirchen späte Knochenreife«, in: Der Spiegel vom 21.6.1971, S. 28–31 sowie Art. »Gefahr im Freien«, in: Der Spiegel vom 20.09.1971, S. 187–189. Zur Rezeption der Gesundheitsschäden durch Autoabgase Bastian / Theml, Liebe zum Auto, S. 92ff; o.A., Laudatio. Prof. Dr. med. Hans-Werner Schliepkötter 80 Jahre, in: Umweltmedizinische Forschung & Praxis 9, 2004, S. 263–265. 242 Rainer Nistl, Art. »Wie löst man das Abgas-Problem?«, in: ADAC motorwelt, H. 5, 1971, S. 55. 243 Vgl. ebd., S. 57 sowie Georg Wanner, Auto und Umweltschutz. Erfahrungen, Vorschläge, Maßnahmen des ADAC , München 1971. 244 Zur Diskussion im Deutschen Bundestag bereits Klenke, Verkehrspolitik und Umwelt, in: Abelshauser (Hrsg.), Umweltgeschichte, S. 178 u. 182 f.

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von der Industrie Investitionen in die Umwelttechnik einzufordern. Intensive Debatten rankten sich auch hier darum, das Verursacherprinzip auf die private Wirtschaft anzuwenden. Diese Strömungen nahm die sozialliberale Koalition sensibel auf und integrierte sie unter den neuen Trendbegriffen Umweltschutz und Umweltpolitik in ihr Reformprogramm. Die Zuständigkeit für Umweltfragen wechselte 1969 vom Gesundheitsministerium in das politisch wesentlich kraftvollere Innenressort, das seinen Reformwillen mit dem neuen Leitsatz einer »Priorität des Allgemeinwohls gegenüber der wirtschaftlichen Zumutbarkeit«245 sogleich deutlich an die Industrie adressierte. Im Spätsommer 1970 präsentierte das Innemministerium ein erstes Sofortprogramm für den Umweltschutz. Zudem etablierte die Regierung 1971 nach dem Vorbild der sog. Wirtschaftsweisen einen Sachverständigenrat für Umweltfragen. Als seine vordringlichste Aufgabe galt, die »Wechselwirkungen zwischen dem individuellen Kraftfahrzeug und dem menschlichen Lebensbereich«246 erstmals genau zu untersuchen. Das im August 1971 verabschiedete Benzin-Blei-Gesetz sah in zwei Stufen 1972 und 1976 eine maßgebliche Absenkung der Bleiadditive im Pkw-Kraftstoff vor. Dieser erste und einzige nationale Alleingang im Feld der Umweltregulierungen zielte langfristig darauf, moderne Drei-Wege-Katalysatoren einzuführen, die nur mit derartigen bleiarmen Treibstoffen betrieben werden konnten.247 Das kaum zwei Monate später formulierte Umweltprogramm der Bundesregierung vom 29. September 1971 – eine Sammlung von rund einhundert Maßnahmen für unterschiedlichste Bereiche  – avisierte sodann, die eher laschen europäischen Grenzwerte für alle weiteren Auspuffgase abzusenken. Nach 245 Stellungnahme des Staatssekretärs im Innenministerium, hier zit. nach: Art. »Umweltschutz. Bilder vom Untergang«, in: Der Spiegel vom 7.6.1971, S. 26. Zur Bedeutung dieser Veränderung der Zuständigkeiten in der Umwelt-Administration siehe auch Karl Ditt, Die Anfänge der Umweltpolitik in der Bundesrepublik während der 1960er und frühen 1970er Jahre, in: Matthias Frese / Julius Paulus / Karl Teppe (Hrsg.), Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. Die sechziger Jahre als Wendezeit der Bundesrepublik, Paderborn 2005, S. 332. 246 Zit. nach Hermann Nebelung / Wolfgang Meyer, Wege zur umweltfreundlichen Gestaltung des Individualverkehrs. Bericht über das Gutachten ›Auto und Umwelt‹ des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, in: Internationales Verkehrswesen 26, 1974, Nr. 2, S. 56–61. Beide Autoren waren Mitglieder des Expertengremiums; Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Auto und Umwelt: Gutachten vom September 1973, S. V. 247 Vgl. Gesetz zur Verminderung von Luftverunreinigungen durch Bleiverbindungen in Ottokraftstoffen für Kraftfahrzeugmotoren (Benzinbleigesetz) vom 5.8.1971, in: BGBl. I, 1971, S. 1234–1236; VDA , Jahresbericht 1972/73, S. 44; zusammenfassend: BMWGA , UA 861, Vorstandskorrespondenz Juli-September 1971; Art. »Bleigesetz: ­Dickes Ei«, in: Der Spiegel vom 12.4.1971, S. 55; Art. »Bleigesetz: Weniger Blei, mehr Ärger«, in: auto motor und sport, H. 9, 1974, S. 34 f. Erst 1978 erfolgte eine europäische Regelung des Höchstgehalts von Bleizusätzen in Kraftstoffen. 1988 wurde verbleites Normalbenzin schließlich gänzlich verboten.

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US -Muster sollten bis 1980 nur noch zehn Prozent der Emissionswerte (Stand 1969) statthaft sein. In den Verhandlungen mit den EG -Partnern stellte sich aber rasch heraus, dass ein solch gravierender Eingriff nicht konsensfähig war. Man einigte sich schließlich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, den CO - und CHx-Ausstoß von Neufahrzeugen ab 1975 um weitere zwanzig bzw. 15 Prozent zu vermindern.248 Hier deutete sich eine veränderte Stoßrichtung der Verkehrspolitik an. Nach gut zwanzig Jahren der einseitigen Förderung ventilierte die Regierung 1973 erstmals Schritte, den Individualverkehr einzudämmen. Für Sprengstoff im Verhältnis zur Autolobby sorgte im Sommer das verkehrspolitische Kursbuch Der Mensch hat Vorfahrt. Darin plädierte der Verkehrsminister Lauritz Lauritzen für eine Entlastung der Ballungsgebiete vom Pkw-Verkehr und setzte sich für eine Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ein.249 Die Begründungen, die Lauritzen und das wenig später veröffentlichte Sachverständigengutachten für den Prioritätenwechsel ins Feld führten, lassen erahnen, wie stark sich der Umweltgedanke binnen weniger Jahre im Politikverständnis verankert hatte. Zweifellos, so ihr Tenor, habe die Automotorisierung große volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Leistungen vollbracht. Nun aber könne die Politik nicht mehr die Augen davor verschließen, dass der Kraftverkehr den »menschlichen Lebensraum […] als Hort einer natürlichen und gesunden Lebensqualität«250 zerstöre. Beide programmatischen Studien bezeichneten es als Fehler der bisherigen Verkehrspolitik, sich auf die privaten Wohlstands- und Freiheitsinteressen konzentriert zu haben. Unter dem Strich jeder gesellschaftspolitischen Gleichung der Massenmotorisierung ständen Verluste an Lebensqualität und gemeinsame soziale Lasten. Es obliege der moralischen Verantwortung des Staates, die anhaltenden Konflikte zwischen »dem marktwirtschaftlichen Prinzip der Freiheit der Verkehrsmittelwahl … [und] dem Ziel, eine menschenfreundliche Umwelt zu gestalten«251, zu entschärfen. Mit dieser Haltung zog sich die Politik aus dem Automobilisierungskonsens zurück. Die Problemfelder Verkehrssicherheit, Abgas- und Lärmentwicklung verdichteten sich zu einer grundlegenden Automobilkritik, an der sich der schwellende Widerstreit zwischen Ökonomie und Umweltschutz öffentlichkeitswirksam entflammte. »Kaum ein Monat«, so kommentierte der Spiegel im Mai 1973, »in dem sich nicht Stimmungen und Statements gegen das Auto entladen, mal aus Ministermund mal durch lokale Größen.« Auf breiter Front wetterten Kommunalpolitiker, Verkehrs- und Gesundheitsexperten nun gegen die »Geißel der Städte«, die die deutschen Metropolen zu »Höllen aus Lärm, Gestank und

248 Vgl. Heaton jr. / Maxwell, Patterns, S. 33 u. VDA , Jahresbericht auto 1974/75, S. 40 f. 249 Siehe Lauritz Lauritzen, Der Mensch hat Vorfahrt. Kursbuch für die Verkehrspolitik. Ein Konzept des Bundesministers für Verkehr, Bonn 1973, S. 17. 250 Ebd., S. 8. 251 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Auto und Umwelt, S. 7.

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Gefahr« verwandelt hätten. Scheinbar »schämen müsste man sich, Autofahrer zu sein«, klagten VDA und ADAC .252 Zusätzliche Impulse erhielt »die umweltpolitische Offensive gegen den Kraftverkehr«253 durch die beunruhigenden Prognosen des Club of Rome. Als »Bombe im Taschenbuchformat«254 bezeichnete die Zeit-Redaktion die am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) entstandene Studie über die Grenzen des Wachstums moderner Industriegesellschaften.255 Unabhängig von methodischer Kritik am kybernetischen Analyseansatz sorgte das Buch wie kaum ein zweites für eine neue Qualität in der Wahrnehmung ökologischer Problemstellungen. Zu ihnen zählte nun auch die Mahnung, die endlichen Natur- und Energieressourcen zu schützen, um eine Umweltapokalypse zu verhindern. Offen griff der Club of Rome die wirtschaftliche Wachstumseuphorie der westlichen Zivilisation an. Gelänge es ihr nicht, »neue Denkgewohnheiten zu entwickeln, die zu einer grundsätzlichen Änderung menschlichen Verhaltens […] führen«, zerstöre sie langfristig die eigene Existenzgrundlage.256 Auffallend ist, dass Kernelemente dieser Argumentation rasch in die kritischen Bestandsaufnahmen zum Individualverkehr einflossen. Die Vorstellung, an Grenzen zu stoßen, ließ sich in quantitativen wie qualitativ-ökologischen Belangen leicht auf den Pkw-Sektor übertragen. Im Frühjahr 1973 regte sich nun erstmals deutliche Kritik, dass das Automobil zu viel der knappen Energieressourcen in Anspruch nehme.257 Tatsächlich war der Benzinverbrauch des Straßenpersonenverkehrs drastisch von 5,5 (1960) auf 14,5 Millionen t (1972) gestiegen. Der Anteil von Privatfahrzeugen am gesamten Verbrauch nicht erneuerbarer Energien lag damit in der Bundesrepublik noch vor dem Ölpreisschock bei über zwölf Prozent. Noch stand der Verkehrssektor damit hinter den größten Verbrauchergruppen, den Privathaushalten und der Industrie zurück. Bei einem 252 Alle Zitate nach dem Leitartikel »Überall Geschubse und gereiztes Klima«, in: Der Spiegel vom 7.5.1973, S. 54–81, der die unterschiedlichen Positionen im sog. Pkw-Streit des Jahres 1973 ausführlich dokumentiert. 253 Klenke, Verkehrspolitik und Umwelt, in: Abelshauser (Hrsg.), Umweltgeschichte, S. 188. 254 Thomas von Randow, »So geht die Welt zugrunde. Eine Bombe im Taschenbuchformat: Siebzehn Wissenschaftler sagen den Wachstumstod der Zivilisation voraus«, in: Die Zeit vom 17.3.1972, S. 64–65; Nils Freytag, ›Eine Bombe im Taschenbuchformat? Die ›Grenzen des Wachstums‹ und die öffentliche Resonanz, in: Zeithistorische Forschungen / Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 3, 2006, H. 3, (online unter http://www.zeit historische-forschungen.de/16126941-Freytag-3-2006; eingesehen am 12.1.2017). 255 Siehe Dennis L. Meadows u. a., Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1972 (engl. Originaltitel: Limits of Growth, New York 1972). 256 Vgl. ebd., S. 170. Eine historische Einordnung findet sich bei Patrick Kupper, ›Weltuntergangs-Vision aus dem Computer‹. Zur Geschichte der Studie ›Die Grenzen des Wachstums‹ von 1972, in: Hohensee / Uekötter (Hrsg.), Kassandra, S. 98–111; Hünemörder, 1972, in: Brüggemeier / Engels (Hrsg.), Natur- und Umweltschutz, S. 133–135. 257 Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, Auto und Umwelt, S. 7; Art. »Die Grenzen des Wachstums – im Straßenverkehr sind sie erreicht«, in: Die Zeit vom 12.10.1973, S. 2.

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linearen Wachstum des Individualverkehrs war allerdings absehbar, dass das Auto bald aufschließen würde.258 In einer unheilvollen Symbiose verstrickte sich das Wachstum des Benzin­ verbrauchs mit dem Anstieg der absoluten Abgasmengen, die in die Umwelt ab­ gegeben wurden. Selbst wenn man durch Bauvorschriften die Giftmengen oder – zu diesem Zeitpunkt politisch noch unvorstellbar – den Verbrauch der einzelnen Pkw zu reduzieren in der Lage sein würde, drohten die Einsparungen durch den schieren Zustrom neu angemeldeter Fahrzeuge marginalisiert zu werden. Als einzig gangbarer Weg erschien, das Verhalten der Verkehrsteilnehmer zu be­ einflussen. Verkehrs- und umweltpolitische Programme reflektierten im ersten Drittel der 1970er Jahre viele Vorschläge, um die Konsumenten im Zusammenspiel negativer und positiver Anreize aus ihrer Automobilfixierung zu lösen. Die Stadtkerne sollten für die Autofahrer unattraktiv werden. Gefordert und umgesetzt wurde es, Fußgängerzonen auszudehnen, größere Innenstadtbereiche als Einbahnstraßen auszulegen, Parkgebühren zu erhöhen oder den Zulieferverkehr zeitlich einzuschränken. Dagegen galt es, das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs zu verbessern. Sonderfahrspuren beschleunigten den Bustransport, neue Verkehrslinien und koordinierte Fahrtaktungen erhöhten die Flexibilität der Nutzer. Vor allem aber sollten niedrige, notfalls durch öffentliche Zuschüsse gedeckelte Fahrpreise, überregionale Preisverbünde und Park-&-Ride-Systeme die Berufspendler wieder zu Fahrgästen des ÖPNV werden lassen.259 Wiederholt wurden auch steuerpolitische Maßnahmen reflektiert. Bereits 1967 war die Pkw-Pendlerpauschale unter heftiger Gegenwehr der Automobilindustrie auf 36 Pf. pro Kilometer abgesenkt worden. Dieser Schritt war jedoch weniger verkehrs- als vielmehr finanzpolitisch motiviert, da die massive Zunahme der Autonutzung zu immer höheren Steuerausfällen führte. In den beginnenden 1970er Jahren verschoben sich die Diskussionen auf das Ziel, die Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel mit Pkw-Fahrern gleich zu stellen. Bus- und Bahnpendler kamen bis dato nicht in den Genuss einer pauschalen Abgeltung, sondern mussten alle Einzelfahrten umfangreich dokumentieren. Obwohl einer Neuregelung Impulse für den ÖPNV zugetraut wurden, ließ sie sich aus formalen steuerrechtlichen Gründen nicht durchsetzen.260 Ähnliches galt für Überlegungen, die Kfz-Steuer nicht mehr nach Hubraum, sondern nach Umweltkriterien, wie dem Abgasausstoß, zu bemessen.261 258 Siehe Karl Otto Schallaböck, Die ökologischen Grenzen der Automobilindustrie und des Automobilmassenverkehrs, in: Manfred Muster / Udo Richter (Hrsg.), Mit Vollgas in den Stau. Automobilproduktion, Unternehmensstrategien und die Perspektiven eines ökologischen Verkehrssystems, Hamburg 1990, S. 156 sowie Art. »Gas & Geld«, in: auto motor und sport, H. 25, 1970, S. 79–84. 259 Ein Überblick über die diskutierten Maßnahmen zur Umlenkung der Verkehrsnachfrage findet sich in: Nebelung / Meyer, Wege, S. 58 f. 260 Erst 2001 wurde diese unterschiedliche Verfahrensweise abgeschafft. Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, Auto und Umwelt, S. 3. 261 Siehe Klenke, Verkehrspolitik und Umwelt, in: Abelshauser (Hrsg.), Umweltgeschichte, S. 179.

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Trotz aller Bemühungen gaben sich die politischen Entscheidungsträger zu Beginn der 1970er Jahre kaum Illusionen darüber hin, welche Wirkungsmacht eine staatliche Nachfragelenkung würde erreichen können. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen, konstatierte der Sachverständigenrat, sei damit zu rechnen, dass selbst bei einem attraktiven öffentlichen Verkehrsangebot nur wenige Autofahrer auf den Pkw verzichten würden. Der Bürger habe »bis heute kein Problem- oder gar Krisenbewusstsein, das ausreicht, seine eigene Einstellung zum Auto oder zu traditionellen Verkehrsgewohnheiten zu ändern. Die langfristige Planung eines integrierten Verkehrssystems muss deswegen nicht nur der Industrie frühzeitig Eckdaten zur Umstellung der Produktion, sondern dem einzelnen Bürger auch hinreichende Anreize zur Änderung seiner Bewusstseinshaltung geben.«262 Diese Situationsanalyse verweist auf einen zentralen Problemkreis: Das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung war trotz der Politisierung und Medialisierung der Autokritik offenbar eher schwach ausgeprägt. Die hohe sozioökonomische Symbolik des Automobils, die über Jahre von politischer Seite mit aufgebaut worden war, entwickelte sich zu einem Bumerang für die umweltpolitischen Ambitionen des Staates. Selbst zu den Hochzeiten der öffentlichen Debatten wuchsen der Pkw-Bestand und der Individualverkehr weiter an.263 Als zusätzlich erschwerend für die politischen Vorstöße erwies sich, dass sie zunächst weder von eher desinteressierten Konsumenten noch von ökologisch engagierten gesellschaftlichen Gruppen oder Organisationen Unterstützung erfuhren.264 Bislang liegen kaum Forschungsarbeiten über den potentiellen Zusammenhang zwischen der Verkehrsproblematik und der Entwicklung einer Umwelt- und Naturschutzbewegung vor. So scheint lediglich gesichert, dass sich erst seit Ende der 1960er Jahre vereinzelte Bürgerinitiativen bildeten, die sich gegen die Eingriffe des Massenverkehrs in ihr Lebensumfeld wandten. Die Aktionsbündnisse der Betroffenen protestierten gegen Straßenbauprojekte, Lärmund Luftbelastungen. Hinsichtlich ihrer bürgerlichen Zusammensetzung, eines Proteststils und mit Inhalten in deutlicher Distanz zur ideologisch-antikapita­ listischen Studentenbewegung appellierten die Bürgerinitiativen aus einem partizipatorischen Demokratieverständnis an die staatliche Reformfähigkeit, operierten aber weitgehend isoliert und disparat.265 Lediglich punktuelle Einzelaktionen erregten größere Aufmerksamkeit. In Reaktion auf Fahrpreiserhöhungen der kommunalen Verkehrsgesellschaft gelang es beispielsweise der Hannoveraner Initiative ›Roter Punkt‹ 1969 Gewerk262 Umweltfragen, Auto und Umwelt, S. 25 u. 29.  263 Vgl. StJb 1975, S. 324, 329 u. 333, hier insbes. die Tab. 18.1, 18.6 und 18.9.3. 264 Vgl. Klenke, Verkehrspolitik und Umwelt, in: Abelshauser (Hrsg.), Umweltgeschichte, S. 188. 265 Vgl. Karl-Werner Brand / Detlef Büsser / Dieter Rucht, Aufbruch in eine andere Gesellschaft. Neue soziale Bewegungen in der Bundesrepublik, 2. aktual. Aufl., Frankfurt / New York 1986, S. 86–91; Dieter Rucht / Barbara Blattert / Dieter Rink, Soziale Bewegungen auf dem Weg zur Institutionalisierung. Zum Strukturwandel ›alternativer‹ Gruppen in beiden Teilen Deutschlands, Frankfurt / M. 1997.

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schaften, Kirchen und Sozialverbände sowie politische Jugendorganisationen zu Demonstrationen für einen Null-Tarif im ÖPNV zu mobilisieren. Derartig vernetzte Aktionen blieben aber lange die Ausnahme.266 Beginnend ab der zweiten Hälfte der 1970er Jahre – und dies weiterhin nur sehr zögerlich – verknüpften sich die dezentralen Stränge der Bürgerbewegung und gingen in einer »thematisch und ideologisch kohärenteren Ökologiebewegung auf.«267 Dies führte aber zugleich dazu, dass der Aktionsschwerpunkt Verkehr zunächst gegenüber den dominierenden Themen Kernkraft und Industriemüll an Bedeutung verlor. Erst mit dem sog. Waldsterben rückte das Automobil wieder in den Fokus der Umweltbewegung, die in der Partei der Grünen ihr politisch ambitioniertes und institutionalisiertes Sprachrohr fand.268 Am Ende des ›Jahres der Autokritik‹ 1973 stand mit dem Ölpreisschock zunächst ein politisches Ereignis, das die Wahrnehmung des Automobils be­ einflusste. Bis heute wird die sog. Ölkrise in der Historiographie gerne als Zäsur genutzt.269 Sie wird zum letztlichen Endpunkt des ›Wirtschaftswunders‹ stilisiert, an dem das wirtschaftliche Wachstumsparadigma erschüttert wurde. Ebenso wie der Krise aus ökonomischer Sicht allerdings weniger eine Initiationsals eine Katalysatorfunktion zukam, markierte sie weder in politischer noch in kultureller Hinsicht »die Entstehung eines ökologischen Bewusstseins«270, wie Edgar Wolfrum fälschlich annimmt. Davon unbenommen bleibt, dass sich der Ölpreisschock tief in das kollektive Gedächtnis der Bundesbürger einbrannte. Prägend wirkten dabei vor allem die autofreien Sonntage. Sie entwickelten sich weit über ihre eigentliche Bedeutung als staatlich verordneter Appell zur Einschränkung des privaten Verbrauchs hin266 Vgl. Schildt, Wohlstandsbarometer, in: Dienel / Trischler (Hrsg.), Geschichte, S. 306; Anna Christina Berlit, Notstandskampagne und Rote-Punkt-Aktion. Die Studentenbewegung in Hannover 1967–1969, Bielefeld 2007, S. 125. Während letztere die Aktion der Studentenbewegung zuschreibt, sehen andere eine bürgerlichen Protestinitiative; Brand / Büsser / Rucht, Aufbruch, S.  92. 267 Ebd., S. 86. 268 Die phasenweise Zurückdrängung des Themas Automobil und Umwelt belegt quantifizierend Dieter Rucht, Soziale Bewegungen der 1960er und 70er Jahre in der Bundesrepublik, in: Siegfried Hermle / Claudia Lepp / Harry Oelke (Hrsg.), Umbrüche. Der deutsche Protestantismus und die sozialen Bewegungen in den 1960er und 70er Jahren, Göttingen 2007, S. 95. Zum Wiederaufflammen der Autokritik in den 1980er Jahren: Alex Demirovic, Demokratie, Ökologie, ökologische Demokratie. Demokratievorstellungen und -konzepte der neuen sozialen Bewegungen und der Partei ›Die Grünen‹, 2. Aufl., Frankfurt / M. 1989; Michael Zwick, Neue soziale Bewegungen als politische Subkultur. Zielsetzung, Anhängerschaft, Mobilisierung – eine empirische Analyse, Frankfurt / New York 1990, S. 60. 269 Vgl. Hans Maier, Fortschrittsoptimismus oder Kulturpessimismus. Die Bundesrepublik in den siebziger und achtziger Jahren, in: Raithel / Rödder / Wirsching, Weg, S. 167; Hartmut Kaelble, Der Boom 1948–1973. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa, Opladen 1992; Kneschaurek / Graf, ›Trendbruch‹. 270 Wolfrum, Demokratie, S. 337.

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aus zu einer von der Bevölkerung teils sogar als spannend empfundene »Vision eines neuen Lebensstils«271. Dass sich aus dem breiten Katalog des Energiesicherungsgesetzes272 gerade die Pkw-bezogenen Maßnahmen besonders stark in der kollektiven Erinnerung verankerten, mag ein Indiz sein, wie sehr sich die Lebensentwürfe bereits am Automobil orientierten. Gleichwohl waren die ökologischen Nebenwirkungen des Autos nicht erst in der Ölpreiskrise entdeckt worden. Die Debatten aktualisierten sich lediglich und erhielten einen neuen Angelpunkt. Nicht zuletzt, um die sich in Hamsterkäufen von Benzin und Heizöl abzeichnende Hysterie abzufedern, orientierte sich das politische Krisenmanagement an eingeübten Mustern der Symbolpolitik: Die Bundesregierung rief die Autofahrer zunächst dazu auf, einen freiwilligen Beitrag zur Senkung des Benzinverbrauchs zu leisten. Die Sparappelle beinhalteten konkrete Verhaltensratschläge, wie die Bürger durch umsichtiges Fahren, die richtige Motoreneinstellung oder den einfachen Verzicht mithelfen sollten, die Energieversorgung sicherzustellen. Unterstützung erhielten die Aufrufe von den Medien, sozialen und kirchlichen Verbänden sowie von den Autoclubs, Mineralöl- und Autokonzernen, die sich mit ähnlichen Empfehlungen an die Bevölkerung wandten.273 Immerhin geschätzte 48  Prozent der deutschen Haushalte setzten die Sparmaßnahmen tatsächlich um.274 Erst als sich kein Ende der Boykottmaßnahmen abzeichnete, ergriff die Regierung striktere Regulierungsmaßnahmen, primär um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Obwohl die Energieversorgung faktisch niemals ernstlich in Gefahr war, verhängte sie Fahrverbote und Tempolimits. Zumindest das Ziel, die Gesellschaft noch einmal moralisch auf gemeinsame Anstrengungen zur Abwehr der ›Ölwaffe‹ einzuschwören, wurde erreicht.275 Unter dem Druck der Energieverknappung formierte sich im Herbst / Winter 1973 ein breiter Konsens, der das sparsame Fahren zur Bürgerpflicht erhob. Die Frage war nur, wie lange die gemeinschaftliche Katharsis anhalten würde.276 271 Hohensee, Sonntags, S. 185. Diese Aussage bezieht sich darauf, dass die autofreien Sonntage laut Meinungsbefragungen des Allensbach Instituts vom Großteil der Bevölkerung durchaus positiv aufgenommen und zu Spaziergängen, heimischen Spiel- und Freizeitaktivitäten mit der Familie genutzt wurden. Die Umfragen sind abgedruckt in: ders., Ölpreisschock, S. 155. 272 Vgl. hierzu die weitreichenden Rationalisierungsbefugnisse in Bezug auf Produktion, Lagerung, Transport sowie die Maßgaben zur potentiellen Preisregulierung: Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung bei Gefährdung oder Störung der Einfuhren von Mineralöl oder Erdgas (Energiesicherungsgesetz) vom 9.11.1973, in: BGBl. I, 1973, S. ­1585–1588. 273 Siehe u. a. den in allen deutschen Tageszeitungen geschalteten Aufruf des Bundeswirtschaftsministers »Ein offenes Wort zum Ölverbrauch«, u. a. in: Frankfurter Rundschau vom 13.11.1973, S. 6. Zu den Appellen der Autolobby siehe Hohensee, Ölpreisschock, S. 134. 274 Daten nach Institut für Demoskopie Allensbach (Hrsg.), Jahrbuch der öffentlichen Meinung 1968–1973, Allensbach / Bonn 1974, S. 365. 275 Dies dokumentiert Hohensee, Ölpreisschock, S. 150 f. 276 Vgl. ebd., S. 196.

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Wie schon im Falle des Tempolimits, keimte der Widerstand gegenüber Begrenzungen der Mobilitätsfreiheit rasch wieder auf, als sich die Tankschiffe und Pipelines nach dem Embargo wieder füllten. Die energiepolitische Legitimation für staatliche Regulierungen schwand. Die psychologischen Folgewirkungen der Ölpreiskrise hielten aber deutlich länger an. War die Autokritik zu Beginn der Dekade in einer Boomphase der Motorisierung aufgekommen, spielte sie sich in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre auf ökonomisch unsicherem Parkett ab. Arbeitslosigkeit, Stagflation und dauerhaft hohe Benzinpreise sorgten für anhaltende Unsicherheit, die sich merklich auf das Verhalten des Staates und der Marktakteure auswirkte. Die Rahmenbedingungen für die Debatten um das Automobil hatten sich verändert. Neu und aus der Sicht des Umweltschutzes eher positiv war, dass die Konsumentenöffentlichkeit zwangsläufig von den kollektiven Kosten des Automobils Notiz nahm. Die Erkenntnis, dass die Verfügbarkeit billiger Energie keineswegs eine Selbstverständlichkeit war, konnte an den Preistafeln der Tankstellen abgelesen werden; eine für ihr Marktverhalten psychologisch nachhaltige Erfahrung, die bestehen blieb, auch wenn die Realeinkommenssteigerungen die Mehrausgaben unbemerkt kompensierten. Allein schon aus finanziellem Eigeninteresse rückte die Sparsamkeit wirksam ins Blickfeld der Konsumenten. Die Bereitschaft, das eigene Nutzungsverhalten in diesem Sinne zu verändern, kollidierte aber ebenso rasch mit den neuen Mobilitätszwängen und den eingeübten Freiheits- bzw. Freizeitidealen. Bislang von der Forschung kaum beachtet wurde, dass es den meisten Autofahrern angesichts dieses Dilemmas leichter erschien, den Wunsch nach Sparsamkeit auf die Verbrauchseigenschaften des Pkw zu übertragen. Auf diesem Weg delegierten die Autonutzer die Lösung der Verbrauchsproblematik an die Hersteller. In einer spezifischen Auslegung des Verursacherprinzips kanalisierten sich die Autolasten auf diese Weise in neuen Anforderungen an das Produkt.277 Eine weitere sichtbare Wirkung der Ölpreiskrise war, dass sich der Handlungsrahmen für die staatliche Verkehrs- und Umweltpolitik wandelte. Wie so häufig in den nachfolgenden Jahrzehnten traten in den öffentlichen Umweltdebatten wirtschaftspolitische und ökologische Ziele in einen Konflikt. Die durchaus vielversprechenden Ansätze einer umweltsensiblen Verkehrspolitik hielten einen spürbaren Dämpfer.278 Tatsächlich fiel es der Autoindustrie ab Mitte der 1970er Jahre wieder deutlich leichter, dem abstrakten ökologischen Unbehagen in der Gesellschaft eine wesentlich konkretere ökonomische Bedrohung gegenüberzustellen. Jede autofeindliche Maßnahme konnte als Hemmnis für eine

277 Vgl. Aberle, Mobilität, in: Hahn (Hrsg.), Führungsprobleme, S. 171.; Schallaböck, Grenzen, in: Muster / R ichter (Hrsg.), Vollgas, S. 167. Beide zeigen, dass sich nicht das Mobilitäts-, sondern lediglich das Kaufverhalten änderte. Siehe auch das Fazit der KONTIVErhebungen in: Canzler / K nie / Berthold, Leitbild, S.  420 f. 278 Vgl. Klenke, Stau, S. 96 f.

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gesamtwirtschaftliche Rekonvaleszenz und risikoreiches Spiel mit Tausenden von Arbeitsplätzen gewertet werden.279 Dennoch greift es zu weit, aus dem Einschwenken der Regierungspolitik auf einen ökonomisch abwägenden Kurs einen generellen »umweltpolitischen Stillstand« abzulesen, mit der alle reformerischen Ambitionen scheinbar »an der Bewährungsprobe der Ölkrise […] kläglich scheiterten.«280 Der von ersten historischen Analysen konstatierte Rückfall der Politik erwies sich bei näherer Betrachtung kaum so konsequent wie vermutet. Weder das Thema Umwelt verschwand von der politischen Agenda, noch kehrten die Behörden zu einer uneingeschränkt autofreundlichen Haltung zurück. Vielmehr setzte man wieder auf alte Prinzipien, die Umweltziele nicht durch straffe Regulierung, sondern durch vorsichtige Nachfragelenkung zu realisieren. Dies entsprach viel eher der korporatistisch-liberalen Tradition des Rheinischen Kapitalismus. Zudem ließ sich der Politikentwurf leicht mit dem Anspruch kombinieren, die Konsumentensouveränität zu stärken. Die Nachfrager, so die Überzeugung, müssten lediglich durch Aufklärung und Information angereizt werden, selbstbewusst und eigenständig auf den Markt Einfluss zu nehmen.281 Weitgehender als es jemals auf dem Verordnungswege möglich gewesen wäre, sorgte die Verteuerung der Kraftstoffe dafür, dass solche Lernimpulse von außen in den Automobilmarkt eingebracht wurden. Die Ölpreiskrise induzierte eine Verschiebung der Nachfrage auf sparsame, weniger umweltschädliche Automobile. Aus Sicht der politischen Akteure war dies eine durchaus erfreuliche Entwicklung. Die Konsumenten setzten also ihre eigenen Signale. Der ordnungspolitische Handlungsbedarf in Umweltfragen sank, was dem Staat erlaubte, sich nach marktliberalen Prinzipien wieder auf eine Moderationsrolle zwischen Ökonomie und Ökologie zurückzuziehen.282 Die Suche nach ökonomisch verantwortbaren Kompromissen prägte die deutsche Verkehrs- und Umweltpolitik in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre. Dies bremste den Umweltschutz, nahm die Autofahrer und Pkw-Produzenten aber nicht aus der Verantwortung für eine Abmilderung der Probleme des Massenverkehrs. Die stets als einseitig autofreundlich titulierte Aufhebung des Tempolimits auf Autobahnen ist hierfür ein gutes Beispiel: So sollte nicht außer Acht bleiben, dass der Staat diese konziliante Maßnahme mit einer durchgreifenden Verschärfung des Bußgeldkatalogs kombinierte. Unter Verweis auf sicherheitsund umweltpolitische Ziele wurden Strafen für Geschwindigkeitsüberschreitungen fast verdoppelt. Das Entsorgen von Unrat aus dem fahrenden Auto wurde erstmals als Delikt geahndet und die Tarife für eine Überziehung der seit 1972 obligatorischen Abgas- und TÜV-Prüfung stark erhöht. Allein schon diese eher randständigen, erzieherischen Neuregelungen zeigen ein differenzierteres Bild

279 280 281 282

Vgl. Goebel, Anpassung, S. 133; VDA , Jahrbuch auto 1974/75, S. 5–7. Klenke, Stau, S. 96 f. Vgl. Gasteiger, Konsument, S. 193. Vgl. Canzler, Zauberlehrlings-Syndrom, S. 149.

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der Verkehrspolitik.283 Ungeachtet des permanenten Drängens der Industrie auf eine politische Enthaltung setzte die Regierung ihren Kurs auch auf dem Feld der technischen Umweltregulierungen fort. Noch 1974, mitten in der Stagnationsphase, unterstrich sie mit der Verabschiedung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ihren Willen, Mensch und Natur vor schädlichen Umwelteinwirkungen aus Industrie und Verkehr zu schützen. Das Gesetz ermächtigte die Behörden, wesentlich engere Grenzwerte für die Lärm- und Abgasemissionen von Fahrzeugen festzusetzen.284 Nun wurde die Erteilung einer Betriebserlaubnis nicht mehr an dem vagen Maß eines ›aktuellen Stands der Technik‹ orientiert. 1975/76 wurde auf dieser Basis die zweite Stufe des Benzin-Blei-Gesetzes und der Richtlinie 220 durchgesetzt. Ein Jahr später wurden erstmals Grenzwerte auch für die Smog-verursachenden Stickoxide festgelegt, 1980 schließlich neue Geräuschnormen, die sich nun am Gesundheitsschutz von Anwohnern ausrichteten.285 Sicherlich waren diese umweltpolitischen Schritte nicht so weitgehend, wie es die Reformeuphorie der Jahre 1972/73 hatte hoffen lassen. Dies gilt insbesondere im Vergleich zu den USA, wo die Hersteller weiterhin mit strikten staatlichen Vorgaben zum Einbau von Umwelttechnik gezwungen wurden. 1975 stellte die US -Administration den Abgasrichtlinien Vorschriften zur Senkung des Spritverbrauchs an die Seite. Der Energy Policy und Conservation Act forderte alle in- und ausländischen Anbieter auf, den sog. Flottenverbrauch, also den durchschnittlichen Benzinverbrauch aller Modelle eines Herstellersortiments, in wenigen Jahren um zunächst rund dreißig Prozent von einem erlaubten Höchstwert von 16,8 (Stand 1975) auf 11,5 l/100km im Jahre 1980 zu reduzieren. Bis 1985 plante man eine Herabsetzung auf unter acht l/100km – ein Wert, der selbst für ausländische Klein- und Mittelklasseimporte eine Herausforderung darstellte.286 283 Vgl. Goebel, Anpassung, S. 131. 284 Siehe Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) vom 15.3.1974, in: BGBl. I, 1974, S. 721–744. 285 Vgl. VDA , Jahrbuch auto 1974/75, S. 40 f.; Heaton jr. / Maxwell, Patterns, S. 34; Volkhard Möcker, Was Sie schon immer über Auto und Umwelt wissen wollten, 4. Aufl., Berlin 1987, S. 17 f.; zeitgenössisch auch Jörg Abthoff, Auto und Abgas. Gesamtemission von Schadstoffen, Maßnahmen zu ihrer Verminderung und gesetzliche Vorschriften, Frankfurt / M. 1974; ADAC (Hrsg.), Mensch und Motorisierung. Ein ärztliches und technisches Problem. Bericht über den 2.  ADAC -Ärztekongress vom 17. bis 18. Oktober 1975 in Garmisch-Partenkirchen, München 1976. 286 Nach US -Standards legte das Gesetz fest, dass der Kraftstoffverbrauch ausgehend vom Basiswert 14 mpg (miles per gallon = Fahrreichweite in Meilen pro Gallone Benzin) des Jahres 1974 in jährlichen Schritten ab 1978 auf zunächst 18 mpg, dann auf 20 mpg (1980) auf schließlich 27,7 mpg (1985) abzusenken war. Siehe hierzu GFL , L.William Seidman Files, Box 40, Automobile Industry, General 2, Informationsbrief zu den Regelungen des EPCA von Rogers C. B. Morton (Chairman of the Energy Resources Council, Secretary of Interior) an die Konzernvorstände vom 8.1.1975; ebd., Norman E. Ross Files, Box 3, Auto Emissions, Gerald R. Ford, Message to the Congress, Entwurf vom 11.6.1975. Siehe Meyer / Manheim, Energy Resource Use, S. 27.

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Durchaus mit Argwohn nahm die deutsche Politik wahr, dass diese Form der Reglementierung kläglich scheiterte. Die Normsetzungen mussten immer wieder zeitlich verschoben oder zurückgesetzt werden, da die notwendigen Ingenieursleistungen zur Entwicklung von neuen Motoren, Karosseriebauweisen oder Katalysatoranlagen in der vorgegebenen Zeit weder technisch noch finanziell umsetzbar waren.287 Vermutlich waren es gerade diese Misserfolge, die die bundesdeutsche Politik in ihrem moderaten Kurs gegenüber der Automobilindustrie bestärkte. Vor dem Hintergrund einer instabilen Wirtschaftslage setzte sie zwischen den beiden Ölpreiskrisen auf ein »Fördern und Fordern«288. Dabei bedeutete fördern, dass sich die Bundesrepublik durch Forschungsaufträge maßgeblich daran beteiligte, Klarheit über Wirkungszusammenhänge zwischen Pkw und Umwelt herzustellen, um ökologisch, technologisch und ökonomisch sinnvolle Emissionsgrenzwerte zu formulieren. Daneben flossen Forschungsgelder direkt an die Automobilindustrie, um neue Antriebe, alternative Treibstoffe oder Luftreinigungssysteme zu erforschen.289 Zudem löste sich das Ideal der autogerechten Stadt zusehends auf. In vielen Städten wurden alternative Nahverkehrskonzepte erprobt und Verkehrswege für das Automobil beschränkt. Planfeststellungsverfahren sollten nach einem Erlass des Bundesverkehrsministeriums nun auch nach ökologischen Kriterien geprüft werden, um das Auto in eine menschenfreundliche Lebenswelt und – nicht mehr umgekehrt – den Menschen in die Autostadt einzupassen.290 Zieht man den Nachfragewandel auf sparsame und umweltfreundliche PkwModelle hinzu, so befand sich der Umweltschutz im Kraftverkehrswesen auch in den letzten beiden Dritteln der 1970er Jahre keineswegs im Leerlauf. Das Automobil hatte, so formuliert es Klenke treffend, »endgültig seine ökologische Unschuld verloren.«291

287 Vgl. Michael Thoryn, Automobiles: Regulatory Hazards on The Road Ahead, in: Nationals Business. Special Report, Oktober 1978, S. 62–65; Köhler, Small Car Blues, S. 123. 288 Möcker, Auto, S. 5 f. 289 Vgl. Goebel, Anpassung, S. 127. 290 Vgl. Dietmar Klenke, Autobahnbau und Naturschutz in Deutschland. Eine Liaison von Nationalpolitik, Landschaftspflege und Motorisierungsvision bis zur ökologischen Wende der siebziger Jahre, in: Matthias Frese (Hrsg.), Politische Zäsuren und gesellschaftlicher Wandel im 20. Jahrhundert. Regionale und vergleichende Perspektiven, Paderborn 1996, S. 496 f. 291 Klenke, Stau, S. 189, auch. Michael Busse, Die Auto-Dämmerung. Sachzwänge für eine neue Verkehrspolitik, Frankfurt / M. 1980; Harald Glatz u. a., Auto und Umwelt, Wien 1981.

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2.3 Auto, Auto über alles: Verbraucherschutz und Autofetisch Wie sich bereits in den Sicherheits- und Umweltdebatten andeutete, enthielt die Kritik am Automobil seit den 1960er Jahren in steigendem Maße eine zivilisationsskeptische Komponente. Die Konsumkritik entwickelte sich aus unterschiedlichen philosophisch-ideologischen Denktraditionen, die sich nach 1945 – vor dem Hintergrund der NS -Erfahrungen – mit dem Grundproblem beschäftigten, wie sich Individualität und Identität in der modernen demokratisch-kapitalistischen Wohlstandsgesellschaft konstruierten. Antimoderne, kulturkritische Stimmen wurden laut.292 Bürgerlich-konservative Philosophen wie Arnold Gehlen oder Hans Freyer erkannten in den neuen Formen von Massenproduk­ tion und -konsum die Gefahr eines Verlustes traditioneller ethischer Werte. Sie befürchteten eine materialistische Vermassung, die die Persönlichkeit des Einzelnen überwölbe und durch Werbung zu übermäßigen Konsum animiere.293 Pier Paolo Pasolini entdeckte hierin sogar totalitäre Tendenzen, da der Massenkonsum auf seinem Siegeszug um die Welt dazu neige, soziale und kulturelle Vielfalt einzuebnen.294 Einen zweiten Pfad markierte zeitversetzt die linke Konsum- und Kulturkritik. Sie entwickelte sich aus der Marx’schen These des »Fetischcharakter der Ware«295 und wurde im Kontext der neuartigen Phänomene der Massenkultur durch die Frankfurter Schule aufgegriffen und politisch zugespitzt. Durch subtile Formen der Manipulation suggerierte die Industrie hiernach den uninformierten Konsumenten ein vom natürlichen Arbeitswert abgehobenes, sozial determiniertes Nutzenversprechen, das die Waren nicht einhielten. Aus dem Vorwurf der Verführung des Konsumenten leitete sich in den radikalsten Interpretationen von Herbert Marcuse oder Wolfgang Fritz Haug die Annahme asymmetrischer Machtverteilung ab. Der Konsum erschien als repressives Instrument zur Steuerung der Gesellschaft; als Droge, mit der die herrschenden Kapitalisten die Menschen von sich selbst entfremdeten. Derartige Interpretationen griff die Studentenbewegung begierig auf. ›Konsumzwang‹ und ›Konsumterror‹ wurden 292 Vgl. Andreas Wirsching, Konsum statt Arbeit? Zum Wandel von Individualität in der modernen Massengesellschaft, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 57, 2009, S. 175. 293 Vgl. zur bürgerlichen Konsumkritik Ulrich Wyrwa, Consumption, Konsum, Konsumgesellschaft, in: Hannes Siegrist / Hartmut Kaelble / Jürgen Kocka (Hrsg.), Europäische Konsumgeschichte. Zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des Konsums (18. bis 20. Jahrhundert), Frankfurt / New York 1997, S. 747–762; zur Werbekritik Reinhold Bergler / Bernd Schäfer, Werbung als Untersuchungsgegenstand der empirischen Sozialforschung. Problemanalysen und methodische Rahmenbedingungen, Bonn 1980, S. 8–11. 294 Vgl. Pier Paolo Pasolini, Freibeuterschriften. Aufsätze und Polemiken über die Zerstörung des Einzelnen durch die Konsumgesellschaft, Berlin 1978, S. 34. 295 Karl Marx, Das Kapital. Kritik der Politischen Ökonomie, Erstes Buch, Paderborn 2002 (ungekürzte Ausgabe nach der 2. Aufl. von 1872), S. 65.

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zu politischen Kampfbegriffen einer antikapitalistischen Fundamentalkritik an der gesellschaftlichen Ordnung, die rasch an politischer Brisanz gewann.296 Beiden, den bürgerlich-konservativen wie auch den linken Strömungen war gemeinsam, den Konsum als Hort von Nivellierung, Uniformierung und Manipulation zu interpretieren.297 Sie erkannten in der Vielfalt von Kaufoptionen lediglich materielle »Surrogatformen individueller Freiheit«298. Der Mensch erschien als willenlose Projektionsfläche einer durch künstliche Symbole geschaffenen Scheinwelt, in der sich laut Erich Fromm das Haben über das Sein erhebe. Zu einem eigenverantwortlichen Verhalten sei er nicht fähig, solange seine Wahrnehmung durch fiktive Verlockungen inszenierter konsumistischer Wertemodelle geprägt werde.299 Die Manipulationsthese war nicht neu. Sie bildete die Grundlage für eine schon seit den 1950er Jahren vorgetragenen Skepsis gegenüber der Massenkonsumgesellschaft.300 Den USA kam dabei im positiven, wie im negativen Sinne die Rolle einer Zukunftsvision zu: Stand die US -Gesellschaft einerseits für wirtschaftliche Prosperität, galt sie andererseits für eine oberflächliche Populärkultur und eine kommerzialisierte ›Vermassung‹ der Lebensweisen – Elemente, die schon die Amerikanisierungs-Debatten in den 1920er Jahren geprägt hatten. Die Kritische Theorie nahm diese Argumentationsfäden unter dem abwertenden Schlagwort der »Kulturindustrie«301 wieder auf. Auffallend war, dass sich die Kultur- und Herrschaftskritik parallel zur Etablierung von neuartigen, als ›typisch amerikanisch‹ interpretierten Marketingstrategien entwickelte. Wie noch zu zeigen sein wird, rezipierten deutsche Unternehmen zunehmend psychologische Werbe- und Markforschungstechniken, die ihnen genau das versprachen, was die Kritiker als Ursprungsübel erachteten: die Weckung von Bedürfnissen und die Steuerung des Konsumenten durch Werbung. Wirtschaft und Politik können sich »die Manipulierbarkeit des Menschen […] ausgiebig zunutze« machen, formulierte Ernest Dichter in seinem überaus erfolgreichen, in Deutschland erstmals 1961 erschienenen Buch Strategie im Reich der Wünsche. Dies aber geschehe »durchaus auch zum Nutzen des Menschen« und dürfe nicht »als ›gefährlich‹ und ›unmoralisch‹ abgetan werden.«302 296 297 298 299

Siehe König, Geschichte, S. 18 f.; Kleinschmidt, Konsumgesellschaft, S. 152 f. Vgl. Wirsching, Konsum, S. 176. So das Urteil von Hans Freyer, hier zit. nach ebd. Vgl. Michael Wildt, ›Wohlstand für alle‹: Das Spannungsfeld von Konsum und Politik in der Bundesrepublik, in: Heinz-Gerhard Haupt / Claudius Torp (Hrsg.), Die Konsumgesellschaft in Deutschland 1890–1990. Ein Handbuch, Frankfurt / New York 2009, S. 312; Kleinschmidt, Konsumgesellschaft, S. 153. 300 Wirsching, Konsum, S. 174. 301 Theodor W.  Adorno / Max Horkheimer, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Frag­mente, 14. Aufl., Frankfurt / M. 2003 (Erstauflage 1944/47), S. 146 f.; zur Rezeption: Maase, Vergnügen, S. 66 f.; Roger Behrens, Die Diktatur der Angepassten. Texte zur kritischen Theorie der Popkultur, Bielefeld 2003. 302 Dichter, Strategie, S. 1.

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Der Nestor der US -amerikanischen motivational research wehrte sich mit dieser Aussage aktiv gegen die vielstimmige Kritik, die gerade in den USA massiv aufkeimte. Dort prangerten Bücher wie The Lonely Crowd (1950) von David Riesman, The Affluent Society (1958) von John Kenneth Galbraith sowie The Hidden Persuaders (1957) oder The Waste Makers (1960) von Vance Packard mit großem publizistischen Erfolg Fehlentwicklungen in der Massenkonsumgesellschaft an. Ralph Naders Fanal gegen die Produkt- und Vermarktungsstrategien der US Automobilindustrie reihte sich Mitte der 1960er Jahre in diese Phalanx ein.303 Die wortgewaltige Konsumkritik aus den USA hatte jedoch eine andere, stärker markttheoretische Ausrichtung als die sozio-ideologisch geprägten deutschen Denktraditionen. Der Konsum wurde nicht grundsätzlich verteufelt, sondern als soziokulturelle Ausdrucksform ebenso anerkannt wie die Werbung, wenn sie ihrer Vermittlungsfunktion zwischen Anbieter und Nachfrager nachkam. Sie warnten lediglich vor einer konsumistischen Hypertrophie und zielten darauf, die Souveränität der Konsumenten so zu stärken, dass sie eine Gegenmacht zur manipulativen Einflussnahme der Industrie bildeten. Die Kräfteverhältnisse zwischen Produktions- und Konsuminteressen sollten durch Verbraucheraufklärung und -schutz neu ausbalanciert werden, um gesellschaftsschädlichen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken.304 Vor diesem Hintergrund entwickelte sich in den USA unter dem Rubrum des Konsumerismus eine breite, durch private und staatliche Institutionen getragene Verbraucherbewegung.305 Unverkennbar war hier das neoklassische bzw. institutionenökonomische Paradigma zu erkennen, die auf den neuen Massenmärkten zwangsläufig entstehenden Informationsdefizite der Konsumenten abzubauen, um sie als Marktakteure aufzuwerten. Wo dies durch private Initiativen nicht gelang, sollten staatliche Regulierungen und Rechtsnormen flankierend zum Einsatz kommen. Die Botschaft an die Unternehmen lautete derweil, manipulative Werbetaktiken aufzugeben, sich wieder auf die Weitergabe von sachdienlichen Produktinformationen zu konzentrieren und sich ernsthaft mit den Interessen der Verbraucher auseinanderzusetzen. Nicht der Konsum sollte, wie bisher, der Produktion, sondern die Produktion dem Konsum dienen.306 303 Vgl. David Riesman, The Lonely Crowd. A Study of the Changing American Character, New Haven 1950 (dt.: Die einsame Masse. Eine Untersuchung der Wandlungen des amerikanischen Charakters, Hamburg 1958); John Kenneth Galbraith, The Affluent Society, Boston 1958 (dt.: Gesellschaft im Überfluss, München 1963) u. Vance Packard, The Hidden Persuaders, New York / London 1957 (dt.: Die geheimen Verführer. Der Griff nach dem Unbewussten in jedermann, Frankfurt / M. 1957) sowie ders., Waste Makers. 304 Vgl. Packard, Verführer, S. 304 f.; Riesman, Masse, S. 21 f.; zu den historischen Wurzeln des sog. Gegenmacht-Modells: Hansen / Bode, Marketing, S. 125 f. 305 Zur Definition des aus dem alltäglichen Sprachgebrauch verschwundenen Begriff Konsumerismus siehe Christian Kleinschmidt, ›Konsumerismus‹ versus Marketing. Eine bundesdeutsche Diskussion der 1970er Jahre, in: ders. / Triebel (Hrsg.), Marketing, S. 250. 306 Vgl. zeitgenössisch Dietmar Jeschke, Konsumentensouveränität in der Marktwirtschaft. Idee, Kritik, Realität, Berlin 1975, S. 45 f.

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In Deutschland wurde die Entwicklung in den USA aufmerksam verfolgt. Insbesondere die Schriften von Packard und Galbraith wurden in der publizistischen Öffentlichkeit breit rezipiert und regten auch hier Debatten um den Verbraucherschutz neu an.307 Eine auf privaten Initiativen beruhende Konsumerismusbewegung entwickelte sich jedoch nur zögerlich. Stattdessen beruhte der Verbraucherschutz weiterhin vornehmlich auf den Aktivitäten von Konsumgenossenschaften oder Hausfrauenvereinen. Diese Tradition reichte bis in das Kaiserreich zurück und wurde nach dem Ende des Nationalsozialismus durch die Gründung der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) wiederbelebt.308 Dem US -Vorbild entsprechend rückte die Idee der Konsumentensouveränität im Verlauf der 1960er Jahre ganz ins Zentrum des Engagements. In einem Konzeptplan zum zwanzigjährigen Bestehen des AgV hieß es 1973: »Die verbraucherpolitischen Maßnahmen sollten darauf abzielen, den Grad der Einflussnahme der Verbraucher auf den Wirtschaftsablauf zu steigern und somit der Konsumentensouveränität näher zu kommen. Die Verbraucherpolitik ist eine auf dieses Ziel ausgerichtete stetige Aufgabe.«309 Eine ähnliche Stoßrichtung verfolgten staatliche Ansätze. Die Politik enthielt sich zunächst gesetzlicher Maßnahmen zur Stärkung der Verbraucherrechte, suchte mit ihrer Initiative zur Gründung der Stiftung Warentest aber die Verbraucheraufklärung zu institutionalisieren. Ab 1964 erreichten vergleichende Produkttests über die stiftungseigene Zeitschrift und Veröffentlichungen in Tageszeitungen, Magazinen sowie Funk- und Fernsehsendungen eine rasch wachsende öffentliche Aufmerksamkeit.310 Diese Form der Auseinandersetzung mit den Produkten setzte einen Trend, der sich auch auf dem Automobilmarkt bemerkbar machte. Automobilzeitschriften, die Magazine der Automobilclubs und auch Tageszeitungen nahmen seit Mitte der 1960er Jahre zunächst Fahrberichte und Qualitätstests von Pkw in ihre Berichterstattung auf.311 Überschaut man die Entwicklung der Konsumkritik und Verbraucherschutzdebatten, zeigen sich zahlreiche Parallelen zur Umweltdiskussion. Bis zum Ende 307 Siehe Art. »Packard: Onkel Sams Söhne«, in: Der Spiegel vom 11.1.1961, S. 53. Die überwiegend positive Pressereaktion auf die konsumkritischen US -Schriften dokumentiert Gasteiger, Konsument, S. 111–113. 308 Vgl. Christian Kleinschmidt, Konsumgesellschaft, Verbraucherschutz und Soziale Marktwirtschaft. Verbraucherpolitische Aspekte des ›Modell Deutschland‹ (1947–1975), in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic History Yearbook 2006/1, S. 13–28. 309 Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (Hrsg.), AgV 1953–1973, Bonn 1973, S. 31. 310 Vgl. Kleinschmidt, Verbraucherschutz, S. 25; allgemein zur Stiftung Warentest auch Hans-Dieter Lösenbeck, Stiftung Warentest. Ein Rückblick 1964–2002, Berlin 2003. 311 Die Zeitschrift auto motor und sport hatte 1962 den ersten, auf Messwerten beruhenden Vergleichstest publiziert. Ab 1965 führte sie Dauer- und Haltbarkeitstests durch. Vgl. Christian Bangemann, Die Geschichte des Tests. 65 Jahre auto motor und sport, in: auto motor und sport, 2011, H. 14, S. 21 f. In der ADAC -Zeitschrift erschien 1963 der erste Pkw-Test. Bis Ende der 1960er Jahre beschränkte sich die Berichterstattung auf vier bis fünf Fahrzeugtests pro Jahr; eigene Erhebung auf der Basis der ADAC motorwelt, Jahresheft-Sammlung 1969.

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der 1960er Jahre kann eine Anlaufphase konstatiert werden, in der sich die Problemanalyse der gesellschaftspolitischen Externalitäten des Massenkonsums weitgehend in einem politisch-akademischen Raum abspielte. Dem Modell des Rheinischen Kapitalismus entsprechend entwickelten sich die ersten Initiativen zum Verbraucherschutz ›von oben‹, auf organisierter Staats- und Verbandsebene, während die Konsumenten ihre Interessen noch kaum selbst artikulierten.312 Mit dem Ende der 1960er Jahre trat die Konsumkritik jedoch in eine neue Phase. Ihr Kennzeichen war eine Politisierung und schlagartige Medialisierung durch die ›68er‹-Bewegung. Dabei war es weniger die antikapitalistische Generalkritik, die der Automobilindustrie Sorgen bereitete; schließlich galt das Milieu, aus dem sie vorgebracht wurde, generell als konsumfern und letztlich zu klein, um eine relevante Beeinflussung des Absatzes provozieren zu können. Mit bangem Blick verfolgte die Branche vielmehr, dass sich eine Welle populärwissenschaftlicher Studien auf dem Buchmarkt ergoss, die die akademische Konsumkritik in eine allgemeinverständliche Sprache übersetzten und mit konkreten Beispielen unter­ nehmerischer Verfehlungen garnierten. Die bis dato weitgehend unbehelligte Automobilbranche avancierte zum bevorzugten Zielobjekt. Ganz entscheidend war dabei, dass sich nun die drei Fäden der Gesellschaftskritik, der Skepsis am Consumer Engineering sowie der Sicherheits- und Umweltdebatten unheilvoll verknüpften, wodurch die Autokritik immens an Schärfe gewann. In einer geradezu universellen Dimension standen das technische und das gesellschaftliche Leitbild Automobil auf den Prüfstand. Um das Spektrum der populären Kritik am Autokonsum aufzuzeigen, sei lediglich auf die erfolgreichsten Publikationen verwiesen: Hierzu zählte sicherlich das Buch Der verkaufte Käufer. Die Manipulation der Konsumgesellschaft von Wolfgang Menge, das in drei Jahren nach seiner Erstveröffentlichung 1971 allein zehn Neuauflagen erhielt. Der Journalist und Drehbuchautor griff ganz in Stile von Packard und Nader zunächst die Praxis irreführender Werbung in der Automobilindustrie an. Er thematisierte manipulative Absatzstrategien der psychologischen Obsoleszenz und begründete mangelhafte Sicherheits- und Umweltausstattungen der Autos mit der Profitgier der Industrie.313 Große Aufmerksamkeit erreichte Menge zudem 1973 mit seinem Pseudo-Dokumentarfilm Smog, der begleitet von heftigen Protesten der Industrie das Horrorszenario einer menschenfeindlichen, automobil-geprägten Lebensumwelt entfaltete.314 In ähnlicher Weise sah der Journalist und Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer 1972 in seinem Bestseller Homo Consumens. Der Kult des Überflusses das Auto 312 Vgl. Christian Kleinschmidt, Massenkonsum, ›Rheinischer Kapitalismus‹ und Verbraucherschutz, in: Berghahn / Vitols (Hrsg.), Kapitalismus, S. 149. 313 Vgl. Wolfgang Menge, Der verkaufte Käufer. Die Manipulation der Konsumgesellschaft, Wien u. a. 1971, S. 280; Art. »Konsum: Konsumenten mit Rechtsdrall«, in: Der Spiegel vom 4.10.1971, S. 212–215. 314 Vgl. Art. »Signal unter die Haut«, in: Der Spiegel vom 2.4.1973, S. 162–165; Eberhard von Kuehnheim, »Qualm mir das Lied vom Tod«, in: Die Zeit vom 13.4.1973, S. 16.

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als Eckpfeiler einer Gesellschaft, die durch fetischartigen Konsum auf die ökologische Selbstzerstörung, Verdummung und kulturelle Armut zutreibe.315 Die pseudo-psychologische Diagnose einer Auto-Manie und der mutmaßlich krankhaften Beziehung zwischen Mensch und Maschine bildete eine weitere Stoßrichtung der Kritik. Der Journalist Hans F. Erb porträtierte bereits 1966 in ironisch beschwingter Sprache den ›Automenschen‹ und seine neue Hymne Auto, Auto über alles.316 Hierin diagnostizierte er den Hang zur Vermenschlichung und Zurschaustellung der Blechkarosse als Symptome rauschhafter Abhängigkeit, bei der längst nicht mehr die Mobilität, sondern der kindliche Spieltrieb, soziale Eitelkeit und Aggressionsabbau im Vordergrund stehe. Das »Quantum an Hoffnung«317, welches Erb noch darin sah, dass sich die pathologisch-affektive Bindung zum Autokonsum eigenständig lösen könne, teilten die meisten Studien der frühen 1970er Jahre nicht. In düsteren Bildern machten sie die Manipulation der individuellen Lebens- und Konsumentscheidungen für den »Fetischcharakter des Automobils«318 verantwortlich. »Das Auto ist das massivste Mittel der Ausbeutung in unserer Konsumgesellschaft«319, formulierte Hans Dollinger in seinem 1972 stark diskutierten Werk Die totale Autogesellschaft. Darin forderte er einen inneren Wandel, eine Bewusstseinsveränderung auf Seiten der Politik und der Verbraucher, um die Gesellschaft vor totalitären Tendenzen des alle anderen Lebensinteressen verdrängenden Automobilkonsums zu schützen. Es müsse verhindert werden, dass Deutschland »von der NS -Ideologie« zu einer nur scheinbar demokratischen »PS -Ideologie« übergehe, in der das Marketing die Rolle der Propaganda für einen falschen Weg übernehme.320 Konsumdemokratie wurde hier zur Konsumdiktatur umgedeutet. Der ›Automensch‹ wurde zum Zerrbild des manipulierten Konsumenten. Er hatte scheinbar nicht nur sein Gefühl für die wahren menschlichen Bedürfnisse verloren und ließ sich von der Industrie zur Verschwendung und übersteigerten Selbstdarstellung verführen. Die neomarxistische Entfremdungsthese wurde in dieser Lesart zum fremdbestimmten Hang der Konsumenten zu unsozialen Verhaltensweisen uminterpretiert.321 Die nur wenigen Beispiele zeigen, mit welcher Wucht sich die unterschiedlichsten Facetten der Konsum-, Gesellschafts- und Umweltkritik zu Beginn der 1970er Jahre auf das Automobil fokussierten. Bei der Suche nach Wegen, diesen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, ging das Gros der Kommentatoren freilich auch in Deutschland nicht den Schritt mit, die Konsumgesellschaft und mit ihr 315 Vgl. Wolfgang Schmidbauer, Homo consumens. Der Kult des Überflusses, Stuttgart 1972, S. 7–10. Eine kurze Zusammenfassung liefert Gasteiger, Konsument, S. 174 f. 316 Vgl. Erb, Auto, S. 9. 317 Ebd. 318 Krämer-Badoni / Grymer / Rodenstein, Bedeutung, S.  90–92. 319 Hans Dollinger, Die totale Autogesellschaft, München 1972, S. 92. 320 Ebd., S. 99 u. 251 f. 321 Der aus der Entfremdungsthese der Kritischen Theorie abgeleitete Ansatz unterschied »wahre« und »falsche«, künstlichen Bedürfnisse. Hansen / Bode, Marketing, S. 122 f.; Kleinschmidt, Konsumerismus, in: ders. / Triebel (Hrsg.), Marketing, S. 254.

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den Automobilismus grundsätzlich in Frage zu stellen – dazu war das westliche Gesellschaftsmodell zu stark verankert. Zwar kursierten im Umfeld der ersten Ölpreiskrise durchaus radikale Forderungen nach einem vollständigen Verzicht auf das Automobil. Die Aufforderung zur Konsumaskese behielt in der öffentlichen Diskussion aber eine randständige Position. Sie galt als sozial utopische, fortschrittsfeindliche und – vor dem Hintergrund der aufziehenden Konjunkturkrise – ökonomisch höchst gefährliche Idee einer ›linken‹ systemfeindlichen Minderheit.322 Es war vielmehr das Gegenmacht-Modell des amerikanischen Konsume­ rismus, welches prägend auf die weitere Entwicklung des Verbraucherschutzes in Deutschland einwirkte. Sichtbar ist dies insbesondere in der Reformpolitik der sozialliberalen Regierung. Sie gab die lange vorherrschende Scheu von direkten ordnungs- und wettbewerbspolitischen Interventionen zugunsten der Marktposition der Konsumenten auf. Nach nur etwa zwanzig einschlägigen Rechtsvorschriften in den 1960er Jahren wurden ab 1970 in kurzer Frist mehr als einhundert neue Maßnahmen des rechtlichen Verbraucherschutzes umgesetzt. Bis 1978 stieg die Zahl der Verbrauchergesetze auf rund 340.323 Eine der zentralen staatlichen Initiativen bildete 1974 die Aufhebung der gesetzlichen Preisbindung für zahlreiche Produkte, darunter auch der Pkw. Parallel verpflichtete der Gesetzgeber die Hersteller, Angaben zum Produktionsort und Herstellungsdatum zu machen. Dies sollte die Angebotstransparenz erhöhen und den Kunden die Möglichkeit geben, Preisabschläge für länger auf Lager stehende Modelle auszuhandeln. 1977 erhöhte die Novelle des Gesetzes zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zudem die Produzentenhaftung für Qualitäts- und Servicemängel. Auch die Verabschiedung von sicherheits- und umweltrelevanten Bauvorschriften galt in der öffentlichen Debatte als eine Kernaufgabe des Verbraucherschutzes.324 Unterstützt wurden die Reformbemühungen der Regierung nun von einem deutlich größeren Spektrum von privaten Gruppierungen. Verbraucherorganisationen, Kirchen, Gewerkschaften, Anwälte, sozialkritische Philosophen und Journalisten mahnten zu rechtlichen Regulierungen, um die Balance zwischen Anbieter- und Nachfragerinteressen zu verbessern. Langsam kristallisierte sich somit auch in der Bundesrepublik eine erkennbare, immer noch aber stark

322 Vgl. Ivan Illich, Die sogenannte Energiekrise oder Die Lähmung der Gesellschaft. Das sozialkritische Quantum der Energie, Reinbek bei Hamburg 1974 sowie mit zahlreichen Nachweisen aus der Presse: Hohensee, Ölpreisschock, S. 144 f.; auch Schmidbauer, Homo consumens, S. 7 f. 323 Hierauf verweisen Hansen / Bode, Marketing, S. 126; Gasteiger, Konsument, S. 179. 324 Zur Aufhebung der Preisbindung siehe Jürgen Creutzig / Fred G. Holz, ›Freie‹ Preise, was tun? Eine aktuelle Information über die rechtliche und kaufmännische Situation des Automobilhandels nach der Aufhebung der Preisbindung, Ottobrunn 1974; einen Überblick über die veränderten Geschäftsbedingungen bei Autokauf und -reparaturen gibt Goebel, Anpassung, S. 169.

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fragmentierte nichtstaatliche Konsumerismusbewegung heraus.325 Das gemeinsame Ziel lautete nun auch in Deutschland unisono, die »Mitbestimmung für den ›Letztverbraucher‹« durchzusetzen, um seine Ohnmacht aufzulösen und ihn als »mündigen Konsumbürger« neu auf dem Spielfeld der Wirtschaft zu positionieren.326 Die Konsum- und Autokritiker in der politischen und publizistischen Öffentlichkeit verstanden ihre Vorstöße in diesem Sinne primär als pädagogischemanzipatorische Aufgabe, den Konsumenten zur Selbstbestimmtheit zu erziehen. Aus der Perspektive der Unternehmen musste es völlig unklar erscheinen, inwieweit sich die Aufklärungskampagnen tatsächlich auf die Kaufentscheidungen ihrer Kunden auswirken würden. Dies galt umso mehr, da es die strukturelle Pluralisierung des Autokonsums und die ökonomischen Krisen ohnehin erschwerten, klare Käufertrends zu identifizieren. Es muss bezweifelt werden, so äußerte der Ökonom und Marketingspezialist Georg Müller Herrmann bereits 1971, dass die öffentlichen Äußerungen der Vertreter des Konsumerismus mit der Gesamtheit der Konsumenteninteressen übereinstimmen – sofern angesichts der individuellen Konsumpräferenzen überhaupt noch von einer einheitlichen Meinungshaltung ausgegangen werden könne.327 Klar war allerdings, dass sich die Unternehmen mit einer Vielzahl neuer Akteure auseinanderzusetzen hatten, die als Sprachrohr der Autokäufer auftraten und dabei eigene Visionen einer sozial angemessenen Automobilität entwickelten.328 Auf dem Gebiet der Produktpolitik, urteilte der Marktanalyst Ralf Goebel, trete nicht nur der Gesetzgeber als »Träger consumeristischer Kritik an der Produktgestaltung […] in puncto Sicherheit und Umweltfreundlichkeit« auf. Als viel größer erweise sich die Herausforderung, dass eine Fülle äußerst kritischer Vergleichs- und Dauertests in den Medien zur »Hauptwaffe der Verbraucherseite« avancierte, um die Hersteller auf die Wünsche der Konsumenten zu verpflichten.329 325 Ebd., S. 162; Heribert Meffert, Marketing und Konsumerismus, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 45, 1975, H. 2, S. 72. 326 Helmut Schelsky, Der selbständige und der betreute Mensch. Politische Schriften und Kommentare, Stuttgart 1976, S. 60. Zur Genese der Figur des Konsumbürgers: Lizabeth Cohen, Citizens and Consumers in the United States in the Century of Mass Consumption, in: Martin Daunton / Matthew Hilton (Hrsg.), The Politics of Consumption. Material Culture and Citizenship in Europe and America, New York 2001, S. 203–222; Sheryl Kroen, Der Aufstieg des Kundenbürgers? Eine politische Allegorie für unsere Zeit, in: Prinz (Hrsg.), Weg, S. 533–564; Wirsching, Konsum, S. 185 f.; zu deutschen Ansätzen: Herbert Gross, Die Wirtschaft sind wir. Von der Schlüsselstellung des Verbrauchers, Stuttgart 1955; Eberhard Kuhlmann, Das Informationsverhalten der Konsumenten, Freiburg 1970. 327 Vgl. Georg Müller-Heumann, Consumerism. Das Ende des Marketing?, in: Der Markt 4, 1971, S. 111. 328 Beispielhaft sei auf die Diskussion um ein funktionales Einheitsauto verwiesen. Vgl. Art. »Das Einheitsauto ist das Ende. VW-Chef Leiding über Tempo 100«, in: WirtschaftsWoche, Nr. 10, vom 1.3.1974, S. 77. 329 Goebel, Anpassung, S. 165.

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Tatsächlich reproduzierten die Fahrzeugtests nicht mehr nur vorgefertigte Anbieterinformationen. Sie entwickelten gerade in den Bereichen Verbrauch, Abgasemissionen und Sicherheit sowie Qualität, Leistung und Komfort eigene Prüfkriterien. Damit rückten sie in eine neue Rolle als echte verbraucherpolitische Instrumente. Sie wirkten als alternative Informations- und Kontrollinstanz der Kunden und arbeiteten somit gegen die interessengebundene Meinungs- und Informationshoheit der Anbieter.330 Stellvertretend für die zahlreichen Informationsoffensiven staatlicher, halbstaatlicher oder privater Vereine und Verbände sei darauf verwiesen, dass der Technische Überwachungs-Verein 1971 unter dem Motto ›Wie sicher ist ihr Automobil?‹ begann, seine Pkw-Inspektionsergebnisse zu veröffentlichen. Seit 1973 erschien der TÜV-Report im Zeitschriftenhandel. Ab 1977 widmete auch der ADAC eines seiner Monatshefte der Pannenstatistik, um die Mitglieder auf empirisch gesicherter Basis über Haltbarkeit und Qualität der Fabrikate zu informieren.331 Rasch dehnte sich die Berichterstattung in Automobilzeitschriften auf Informationen über Servicequalität, Garantieleistungen, Leasingangebote, Preis- und Rabattstrategien bis hin zu Analysen der Inhalte von Gebrauchsanweisungen, Prospekten und Werbungen aus.332 Damit wurden nahezu alle Facetten der Firmen-Kunden-Beziehungen zum Gegenstand einer medial transportierten Kritik an den Unternehmen.333 Dies wiederum, so urteilten Branchenanalysten, »zwingt die Hersteller indirekt dazu, auf den […] Teilgebieten des Marketing-Mix in hohem Maße auf die Kritik der Verbraucherseite einzugehen, um den Absatz ihrer Modelle sicherzustellen.«334 Auch auf diese neue Markttransparenz hatte sich die Automobilindustrie einzustellen. Gleiches gilt für die Diskussion um die gesamtgesellschaftliche Verantwortung der Pkw-Produzenten. Die Kritik an der Werbung und den Produkten weitete sich rasch auf das gesamte Set der etablierten

330 Vgl. Kleinschmidt, Konsumerismus, in: ders. / Triebel (Hrsg.), Marketing, S. 257. Siehe Wolf Friedrich Fischer-Winkelmann, Marginalien zur Konsumentensouveränität als Axiom der Marketing-Theorie, in: ders. / Rock (Hrsg.), Markt, S. 69 f. 331 Vgl. Verband der Technischen Überwachungsvereine (Hrsg.), TÜV Auto-Report, Essen 1973, passim. 332 Um die Themenbreite zu verdeutlichen, sei auf einige ADAC -Hefte verwiesen: Art. »Die Leasing-Masche«, in: ADAC motorwelt, H.6, 1972, S. 32–36; Art. »Diese Autos sind preiswert. Wir vergleichen Preis & Wert von 102 Modellen«, in: ADAC motorwelt, H.10, 1973, S. 76–79; Art. »Jetzt werden viele Autos billiger. 1974 gibt es keine Preisbindung mehr.«, in: ADAC motorwelt, H. 12, 1973, S. 18 f.; Art. »Was die Verkäufer nicht verbergen dürfen«, in: ADAC motorwelt, H. 4, 1977, S. 72 f.; Art. »Ein BMW brannte ab, ein Alfasud verlor ein Rad. Wer haftet?«, in: ADAC motorwelt, H. 7, 1977, S. 22 f.; Art. »Dichtung und Wahrheit, Geschwätz und Information: Wie gut sind unsere Automobil-Prospekte?«, in: ADAC motorwelt, H. 12, 1977, S. 18–22. 333 Siehe u. a. Günter Silberer, Warentest, Informationsmarketing, Verbraucherverhalten. Die Verbreitung von Gütertestinformationen und deren Verwendung im Konsumentenbereich, Mannheim 1977, S. 100. 334 Goebel, Anpassung, S. 166.

Individualverkehr und kollektive Befürchtungen in den 1970er Jahren

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Marktbearbeitungspraktiken aus. Die Taktik der rebellierenden »Verbraucher-

APO«335 – so urteilte schon 1970 die GfK – basierte darauf, durch alarmierende

Klagen in der Öffentlichkeit auf ein »egoistisches, auf die Verbraucher wenig Rücksicht nehmendes Gebaren« der Autokonzerne aufmerksam zu machen, um diese »zu einer Art ›sozialem Marketing‹ zu zwingen.«336 Aus den Verbraucherschutzdebatten entwickelte sich vor diesem Hintergrund eine wesentlich grundsätzlichere Auseinandersetzung um die Reichweiten, Ziele und Methoden des Marketings, die weit in den fachwissenschaftlichen Diskurs innerhalb der Betriebswirtschafts- und Marketinglehre hineinreichte und sich dort verankerte.337

2.4 Von der Konsum- zur Marketingkritik Die akademische Auseinandersetzung konzentrierte sich auf zwei Aspekte: Zum einen erkannten marketingkritische Autoren eine Tendenz in der unternehmerischen Kommunikationspraxis, sich von ihren ureigensten Aufgaben entfernt zu haben, relevante Produktinformationen an die Konsumenten zu liefern. Die Manipulationsannahme wendete sich nun gewissermaßen gegen die Unternehmen. Ihnen wurde bescheinigt, sich durch künstliche Prestigebotschaften selbst vom realen Marktgeschehen zu entfremden. Nur durch einen stärker dialogischen Austausch mit den Konsumenten und die Einbindung ihrer Präferenzen in den bislang von Ingenieuren dominierten Prozess der Angebotserstellung, schien dieses Problem behebbar.338 Zahlreiche Stimmen forderten aufgrund dieser Diagnose ein Umdenken der Unternehmen von einer produktions- zu einer stärker konsumentenbezogenen Geschäftsorientierung.339 Der Konsumerismus galt daher als Lackmustest, inwieweit die Unternehmen dazu in der Lage waren, ihre Marketingstrategien an veränderte Konsumenten-

335 Art. »Die ›Verbraucher-APO‹. Kommt es zum Aufstand der Konsumenten?«, in: GfKSonderdienst, H. 11, 1970, S. 639. Siehe auch Detlef Siegfried, Prosperität und Krisenangst. Die zögerliche Versöhnung der Bundesbürger mit dem neuen Wohlstand, in: Friedrich Kießling / Bernhard Rieger (Hrsg.), Mit dem Wandel leben. Neuorientierung in der Bundesrepublik der 1950er und 60er Jahre, Köln u. a. 2011, S. 74. 336 Goebel, Anpassung, S. 163. Vgl. auch Art. »So sollte Automobilwerbung aussehen«, in: ADAC motorwelt, H. 5, 1972, S. 31. 337 Vgl. Günther Ogger, Die Marketing-Konzeptionen der deutschen Automobilindustrie, in: auto motor und sport, H. 9, 1973, S. 52–56. 338 Vgl. Wolf F. Fischer-Winkelmann / Reinhard Rock, Konsumerismus, Verbraucherinteressen und Marketinglehre. Zum Stand der deutschen absatzwirtschaftlichen Konsumerismusdiskussion, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 47, 1977, H. 3, S. 131; Ursula Hansen, Die Stellung der Konsumenten im Prozeß der unternehmerischen Produktentwicklung, in: Marketing. Zeitschrift für Forschung und Praxis 4, 1982, S. 27–36. 339 Vgl. Dawson, Human-Konzept, S. 137. Zu Konsumerismus und Marketingkritik bereits Hansen / Bode, Marketing, S.  127 f.

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wünsche und neue gesellschaftliche Anforderungen anzupassen.340 Ähnlich wie im populären, medialen Konsumerismus lag der fachwissenschaftlichen Debatte eine scharfe Unternehmerkritik zugrunde. Dennoch wäre es falsch, aus den Vorwürfen an die Produzenten eine grundlegende Anti-Marketing-Strömung zu lesen. Die Zusammenhänge waren diffiziler: Die wissenschaftliche Kritik richtete sich vornehmlich gegen eine Fehlinterpretation des Marketings als ausschließlich absatzorientierte Werbestrategie.341 Der Fehler wurde darin gesehen, dass zahlreiche Firmen dieses in seiner Idealform als sozial reflektiertes Managementkonzept für die gesamte Unternehmensführung nicht oder nur halbherzig umgesetzt hätten. Je nach Auslegung galt Marketing in einer ersten Lesart als Inbegriff dafür, dass die in den USA erprobten werblichen Manipulationsstrategien ihren Weg auch in deutsche Vorstandsetagen gefunden hatten. Auf der anderen Seite aber propagierte eine wachsende Beraterlobby das moderne Marketing in seiner Funktion eines unverzichtbaren unternehmerischen Kriseninstruments, mit dessen Hilfe die Geschäftsstrategien an den politischen und gesellschaftlichen Umfeldbedingungen des Marktes neu ausgerichtet werden konnten.342 Die politische Krise der Konsumgesellschaft der beginnenden 1970er Jahre bot somit sowohl Anlass zur wissenschaftlichen Marketingkritik als setzte auch Impulse für die Verbreitung ganzheitlicher Marketing-Managementkonzepte. Den Hintergrund für diesen zweischneidigen Prozess lieferte der Umstand, dass die wissenschaftlichen Deutungs- und Handlungsangebote der Marketinglehre selbst seit Ende der 1960er Jahre einem massiven Wandlungsprozess unterlagen.343 Ende der 1950er Jahre entwickelten sich in den USA neue Konzepte, die Marketing nicht am Ende der betrieblichen Funktionskette sahen, sondern als übergeordnetes Managementmodell einer Führung des Unternehmens vom Kunden aus interpretierten. In Deutschland stießen diese Ansätze zunächst auf Skepsis. Besonders kritisch hinterfragten Vertreter der deutschen Absatzlehre den innovativen Gehalt der US -amerikanischen Marketing-Denkfigur. In ihrer Haltung, dass es sich wohl nur um eine neue Masche längst vorhandener Werbestrategien handele, vermischten sich die Haltekräfte der eigenen absatztheoretischen Traditionen mit grundlegenden Vorbehalten gegenüber einer Amerikanisierung der

340 Friedrich Dorn, Konsumerismus. Prüfstein des Marketing, Köln 1973. 341 Dies belegen Hansen / Bode, Entwicklungsphasen, in: Berghoff (Hrsg.), Marketinggeschichte, S. 192. 342 Vgl. Booz, Herausforderungen; Norman Kangun, Consumerism and Marketing Management, in: Journal of Marketing 39, 1975, S. 3–10. 343 Vgl. u. a. Hermann Freter, Marketing im gesellschaftspolitischen Wandlungsprozess, in: Kölnische Rundschau (Hrsg.), Marketing im gesellschaftspolitischen Wandlungsprozess (Kölner Schriften zum Marketing), Köln 1971, S. 63–85; Bruno Albrecht, Marketing. Eine neue unternehmerische Konzeption und ihre Realisierung durch Marketing-Organisation und Marketing-Planung. Dargestellt am Beispiel US -amerikanischer Industrieunternehmungen mit Bezug auf die europäischen, respektive deutschen Verhältnisse, Diss., Karlsruhe 1969.

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deutschen Wirtschaftspraxis.344 Insbesondere seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre, als sich der Wandel zu Käufermärkten abzeichnete, verbreitete sich das neue Konzept des Marketingmanagements dann mit Vehemenz auch innerhalb der deutschen Wissenschaftslandschaft.345 Erst als die ersten Absatzkrisen den Bedarf an marketingwissenschaftlicher Expertise erhöhten, löste sich die Marketing-Idee aus ihrer ursprünglichen funktionalen Begrenzung. Es erschien eine Flut von Literatur, die den Begriff als Kennzeichen einer neuen Management-Philosophie auch in ihren Buchtiteln benutzte. Parallel entwickelte sich das Marketing seit Ende der 1960er Jahre zu einer eigenständigen akademischen Fachdisziplin mit spezialisierten universitären Lehrstühlen. Allein durch diese neue institutionelle Basis grenzte sich die Marketingwissenschaft nun deutlich erkennbar von dem traditionellen Kanon der deutschen Absatz- und Handelslehre ab.346 Bereits in dem ersten dezidierten Marketing-Lehrbuch347 von 1971 verwies das Autorenkollektiv Robert Nieschlag, Erwin Dichtl und Hans Hörschgen darauf, dass es angesichts des entstehenden Käufermarktes Aufgabe der Marketinglehre sei, den Unternehmen Instrumente an die Hand zu geben, um Zielmärkte systematisch zu erschließen. Im modernen Verständnis müssten daher die strategischen Teilfunktionen unternehmerischen Handelns in eine ganzheitliche Grundhaltung der Unternehmensführung überführt werden. Marketing diene hierbei erstens »als Maxime« zur konsequenten Ausrichtung »aller Entscheidungen […] an die Gegebenheiten und Erfordernisse der Umwelt (im weitesten Sinne)«348, zweitens »als Mittel« zur aktiven »Schaffung von Präferenzen und damit Erringung von Wettbewerbsvorteilen« und drittens »als Methode [der] systematischen, moderne Techniken nutzenden Entscheidungsfindung.«349 Wesentlicher Bestandteil dieser auf drei Bausteinen basierenden MarketingDefinition war ein starker praxisorientierter Einschlag. Das neue Denkgebäude verankerte sich gerade aufgrund dieser Fokussierung auf »problembezogene Anwendungsbereiche«350. Nun den Begriff Marketing aus dem amerikanischen Sprachgebrauch zu übernehmen, formulierte Nieschlag bereits 1968, stehe für den Übergang von einer »verstehenden zur operationalen Theorie, […] deren Aussagen als Grundlage für

344 Vgl. zu Marketing und »Amerikanisierung« vor allem: Kleinschmidt, Blick, S. 222. 345 Siehe Bubik, Geschichte, S. 190. 346 Vgl. Sabel, Absatzstrategien, in: Pohl (Hrsg.), Absatzstrategien, S. 58. 347 Die Autoren nannten die vierte Auflage der »Einführung in die Lehre von der Absatzwirtschaft« in »Marketing. Ein entscheidungstheoretischer Ansatz« um. Vgl. Robert Nieschlag, Was bedeutet die Marketing-Konzeption für die Lehre von der Absatzwirtschaft, in: Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung 15, 1963, S. 549–559. 348 Robert Nieschlag / Erwin Dichtl / Hans Hörschgen, Marketing. Ein entscheidungstheore­ tischer Ansatz, 4. Aufl., Berlin 1971, S. 78. 349 Ebd., S. 9. 350 Bubik, Geschichte, S. 161 f.

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das praktische unternehmerische Handeln geeignet sein müssen«351 – ein Ansatz, der insbesondere von Heribert Meffert, seit 1969 erster Inhaber eines MarketingLehrstuhls in Deutschland, weiter vertieft wurde. Marketingmanagement wurde zum Paradigma der neuen Idee eines nicht nur auf sich selbst bezogenen, sondern an seiner Umwelt orientierten »sozialen Systems Unternehmen«352. Solche systemtheoretischen Vorstellungen kombinierte Meffert mit entscheidungstheoretischen Ansätzen der deutschen Absatzlehre. Das Konzept verquickte sich zu einem Muster der praktischen markt- und umweltorientierten Unternehmensführung, welches Entscheidungstechniken, Zielbildung und Planungsaspekte zusammenführte und sich an dem Umgang mit den Kunden und externen Anspruchsgruppen orientierte. Dem Marketing kam damit die Rolle eines Managementmodells, zugleich aber auch eines strategischen und kommunikativen Handlungsrahmens für die Formulierung und operative Umsetzung von Unternehmenszielen zu.353 Während zur wissenschaftlichen Rezeption des amerikanischen Marketingdenkens mittlerweile einige Studien vorliegen, existieren kaum empirische Befunde über den Transfer dieser Ideen in die unternehmerische Praxis. In der Beantwortung dieser Frage dominieren bis heute die Narrative der Marketingwissenschaft. So ist es ein wichtiger Bestandteil ihres Mythos von der ›MarketingRevolution‹, dass man die Unternehmen in den 1970er Jahren zu einem strate­ gischen Paradigmenwechsel von einem produktionsorientierten Make-and-Sell zu einem konsumentenorientierten Sense-and-Response bewegt habe.354 Marketing gilt hier als eine Art Heilslehre, der binnen weniger Jahren der Inkubationszeit zweierlei gelang: Die Unternehmen auf ihre Fehler aufmerksam zu machen und sie mittels eigener Expertise durch die Krisen des Käufermarktes zu lotsen. Erste, von Betriebswirten bzw. Marketingprofessoren verfasste Darstellungen der Marketinggeschichte aus den 1980er Jahren verweisen darauf, dass »due to political and economical reasons, marketing problems were not

351 Robert Nieschlag / Erwin Dichtl / Hans Hörschgen, Einführung in die Lehre von der Absatzwirtschaft. Ein entscheidungstheoretischer Ansatz, 3. Aufl., Berlin 1970, S. 71; Schneider, Status, in: ders. (Hrsg.), Volkswirtschaft, S. 454; Udo Koppelmann, Marketing. Einführung in die Entscheidungsprobleme des Absatzes, Düsseldorf 1974; Mark E. Stern, Marketing-Planung. Eine Systemanalyse, Berlin 1968. 352 Vgl. Hans Ulrich, Unternehmung als produktives soziales System, Bern / Stuttgart 1968. 353 Siehe Heribert Meffert, Systemorientierte Absatztheorie, in: Bruno Tietz (Hrsg.), Handwörterbuch der Absatzwirtschaft, Stuttgart 1974, Sp. 138–158; ders., Die Leistungsfähigkeit der entscheidungs- und systemtheoretischen Marketingtheorie, in: Gerd von Kortzfleisch (Hrsg.), Wissenschaftsprogramm und Ausbildungsziele der Betriebswirtschaftslehre, Berlin 1971, S. 21–37. 354 Der Übergang zum Sense-and-Response-Marketing wurde von der Marketingwissenschaft später als »neuer Weg« zur Lösung unternehmerischer Probleme angepriesen. Noch 2002 wurde ein solcher Paradigmenwechsel erneut als »Marketing der Zukunft« definiert. Siehe Philip Kotler / Dipak C. Jain / Maesincee Suvit, Marketing der Zukunft. Mit ›Sense and Response‹ zu mehr Wachstum und Gewinn, New York / Frankfurt 2002.

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really virulent for German companies earlier than the mid-sixties.«355 Erst dann habe die neue Marketinglehre die Unternehmen erfasst und sie für die Kundenwünsche sensibilisiert. Ähnlich argumentierte etwa der Betriebswirt Hermann Sabel. Durch eine »radikale Abkehr […] von einem Denken vom Produkte aus« habe sich der »Nukleus des Denkens«356 gewandelt. Endlich habe sich zudem »das Missverständnis [aufgelöst], Marketing sei Werbung, und infolgedessen sei eine Anzeige mit einem nackten Mädchen auf einer Kurbelwelle bereits Marketing.«357 Aufgrund der Signale aus der Wissenschaft und dem Makroumfeld, formulierte auch der Ökonom Heinz Hartmann 1973, sei erst jetzt davon auszugehen, dass sich die Unternehmen den ökonomischen und gesellschaftlichen Transformationen bewusst würden und ihr Umfeld ernst nehmen.358 Für die Automobilindustrie bildeten die Diskussionen um das Marketing nur eine weitere Facette an Unsicherheit. Die Veränderungen des politischen und gesellschaftlichen Setups stellten die etablierten Marktstrategien der Pkw-Produzenten in Frage. Als sich gegen Ende der 1960er Jahre die Krisenanzeichen mehrten, keimte eine breite Diskussion um Managementfehler und eine mangelnde Leistungsfähigkeit der deutschen Pkw-Produzenten auf, die an Günter Oggers ›Nieten in Nadelstreifen‹-Kampagne vom Ende der 1990er Jahre erinnert. Bezeichnenderweise war es der gleiche Autor, der schon 1973 die Automobilindustrie in der Presse massiv angegriffen hatte.359 Den Firmen wurde vorgeworfen, die Krise ihrer Branche durch falsche Produktpolitik, die Vernachlässigung von Marktforschung, die Produktion von Überkapazitäten für den anonymen Markt und fatale Preisanhebungen selbst zu verschärfen.360 Eine mangelnde Kundenorientierung habe die Autohersteller in die Krise geführt, titelte die Zeitschrift absatzwirtschaft, da sie »zu lange zu den Firmen gezählt [hätten], die sich seit Jahren bestimmten sozialen Interaktionen entzogen haben, die einseitig geworden seien und deshalb ihre alten Hierarchien und Organisationsformen beibehielten.«361 Die Vertreter der Autoindustrie wehrten sich in der Öffentlichkeit vehement gegen derartige Vorwürfe. Sie interpretierten die Beanstandungen ihrer Geschäftspraktiken als neue »Automobilfeindlichkeit« und einseitige »Verketzerung«. Den Autokritikern unterstellten sie, gerade nach dem Ölpreisschock die Absatzkrise der Branche zu verstärken und die Unternehmen zugunsten utopischer, linker Gesellschaftsvorstellungen bewusst in eine existenzielle Krise laufen zu lassen. Gegen derartige »Störgrößen« und »politische Nackenschläge« – so etwa die ein355 Franz Böcker, Marketing Around the World, in: Journal of Marketing, 1981, S. 169. 356 Sabel, Absatzstrategien, in: Pohl (Hrsg.), Absatzstrategien, S. 53. 357 Ebd. S. 56; siehe auch ders., Die Geschichte des Marketing in Deutschland, in: WiSt. Wirtschaftswissenschaftliches Studium 27, 1998, S. 107. 358 Vgl. Booz Allen and Hamilton, Herausforderungen, S. 101. 359 Vgl. Günther Ogger, Marketing-Konzeptionen; ders., Nieten in Nadelstreifen. Deutschlands Manager im Zwielicht, München 1992. 360 Vgl. Art. »Unternehmer an der Klagemauer«, in: absatzwirtschaft, Nr. 9, 1974, S. 40. 361 Art. »Opas Organisation erdrückt das Marketing«, in: absatzwirtschaft, Nr. 7, 1973, S. 21.

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Auto-Lust, Auto-Last: Produktsymbolik und Konsumentenverhalten

hellige Äußerung der BMW- und Daimler-Vorstände von Kuenheim und Zahn in der WirtschaftsWoche 1975 – müsse sich die Automobilindustrie »mit Zähnen und Klauen« verteidigen.362 Die Unternehmen versuchten offensiv, sich gegen ihr spürbar verschlechtertes öffentliches Image zu wehren. Zieht man ein Zwischenfazit über die bisher aufgezeigten Entwicklungen, so ist zu konstatieren, dass sich die Automobilindustrie zu Beginn der 1970er Jahre mit einem komplexen Krisenszenario konfrontiert sah.363 Strukturelle Veränderungen der Marktbedingungen kombinierten sich mit einer wachsenden Kritik am Individualverkehr und den Managementpraktiken. Einerseits sorgte die Verschiebung der Nachfrage von der Erst- auf die Ersatzbeschaffung für eine erhöhte Konjunkturanfälligkeit, die der Branche im Verlauf der 1970er Jahre deutlich vor Augen geführt wurde. Zudem verdichtete sich die Nachfrage immer stärker in den automobilen Mittelklassen. Das Produktangebot der Massenhersteller folgte diesem Trend. Die Ausweitung der Typenvariationen in den mittleren Teilmärkten führte zu einer Verschärfung der Konkurrenzsituation. Zugleich drängten ausländische Anbieter als preisgünstige Alternativen auf den deutschen Automarkt. Andererseits sendete der Markt recht unklare Signale. Während die Konsu­ menten das Auto immer mehr als unverzichtbares Freizeitobjekt wahrnahmen und sich somit eine für fortgeschrittene Konsumgesellschaften typische Differenzierung der Kaufpräferenzen abzeichnete, sorgte die politische und mediale Umwelt- und Konsumkritik zugleich dafür, dass das soziokulturelle Leitbild des Automobils als Symbol von Wohlstand, sozialer Teilhabe und individueller Freiheit erstmals öffentlich in Frage gestellt wurde. Die Kritik an den sozialen und ökologischen Folgekosten der massenhaften Nutzung des Automobils führte zu ordnungs- und verkehrspolitischen Eingriffen in den Automarkt. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, inwieweit die Hersteller auf diese Herausforderungen reagierten. Wann setzte der Prozess des Umdenkens in den Unternehmensstrategien ein? Der Politologe Weert Canzler geht davon aus, dass die deutsche Autoindustrie »insbesondere seit Beginn der 70er Jahre hochgradig auf interne Verständigungen und zuverlässige Legitimationsleistungen gegenüber einer sensiblen Öffentlichkeit angewiesen [war].«364 Gleichwohl liegen bislang nur rudimentäre Erkenntnisse darüber vor, ob und inwieweit sich das moderne Marketingmanagement-Konzept tatsächlich erst aufgrund von Autokritik und Ölpreiskrise in der betrieblichen Praxis etablierte. 362 Alle Zitate nach Art. »Marketing im Windkanal«, in: absatzwirtschaft, Nr. 5, 1975, S. 7; Art. »Mit Zähnen und Klauen verteidigen«, in: WirtschaftsWoche vom 20.6.1975, S. 34 und Art. »Ein Einheitsauto ist das Ende«, in: WirtschaftsWoche vom 1.3.1974, S. 77. 363 Vgl. Ingo Köhler, Marketing als Krisenstrategie. Die deutsche Automobilindustrie und die Herausforderungen der 1970er Jahre, in: Berghoff (Hrsg.), Marketinggeschichte, insbes. S. 266–278; in Anlehnung daran auch Dominik Fischer, Krisen und Krisenbewältigung bei der Daimler-Benz AG , Königswinter 2010, S. 235. 364 Canzler, Zauberlehrlings-Syndrom, S. 18 f.

Individualverkehr und kollektive Befürchtungen in den 1970er Jahren

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Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich die Anpassung des Pkw-Marketings an die veränderten Markt- und Umweltbedingungen nicht in Form einer Adaption eines universell gültigen Marketingkonzeptes auf der Basis der Deutungs- und Handlungsempfehlungen der Wissenschaft vollzog.365 Auf welchen Wegen implementierte sich somit das Marketing in der Unternehmenspraxis? Wann setzten die einzelnen Hersteller die neuen Instrumente überhaupt zur langfristigen Strategieplanung ein? Erst der vergleichende Blick auf die konkreten Inhalte der Marktanalysen und Marketingpraktiken kann die Gemeinsamkeiten und Differenzen im Management of Change der Branchenunternehmen aufzeigen.

365 Vgl. Goebel, Anpassung, S. 27.

IV. Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

Prognosen über die Entwicklung von Märkten zu erstellen, ist eine unverzichtbare Grundlage ökonomischen Handelns. Die Marktforschung soll die Unsicherheiten, die jeder strategischen Entscheidung innewohnen, abmildern, das Handeln legitimieren. Schon früh hat Herbert Simon mit seinem Theorem der bounded ­rationality darauf hingewiesen, dass es naiv wäre anzunehmen, dass Unternehmer stets umfassend über alle Marktvorgänge informiert sind und auf vollständigen Märkten agieren.1 Sie verfügen nur über begrenzte Informationen und ebenso begrenzte Kapazitäten, sie zu verarbeiten. Unternehmerische Entscheidungen basieren zunächst primär auf dem vorhandenen Erfahrungsschatz, der mit zugänglichen Marktinformationen zu Erwartungsbildern kombiniert wird. Letztere bilden wiederum die Basis, auf der Handlungsstrategien formuliert werden. Über welche Erfahrungen, Erwartungen und Informationen verfügte die Automobilindustrie aber, um die Beschaffenheit des Pkw-Marktes zu übersehen? Welche Marktsignale nahmen sie wahr und konnten sie operationalisieren? Besonders in der Phase des intensiven Markt- und Umfeldwandels bestand für die Unternehmen ein erhöhtes Risiko des Kontrollverlustes. Ihre Erfahrungen drohten entwertet, ihre Wissensbestände dysfunktional zu werden. Mithin verloren die Unternehmen potentiell das Vertrauen in die eigenen Entscheidungsroutinen.2 Im Folgenden soll vor diesem Hintergrund gezeigt werden, wie die Autofirmen mittels Marktforschung versuchten, ihr Informationsmanagement zu verbessern und im Sinne eines Marketingmanagements zu erweitern. Es wird skizziert, welche Werkzeuge die betriebliche Marktforschung und eine neue, kommerzielle »Knowledge Industry«3 – ­bestehend aus Agenturen und Consultants – zur Verfügung stellten, um den Bedarf der Unternehmen nach Orientierung zu stillen. Dabei steht im Vordergrund, wie sich die Marktforschung professionalisierte und sich ihre Reichweiten koevolutionär zum Aufkommen interaktiver Managementmodelle erweiterten, um die differenzierten Verhaltensmuster der Konsumenten neu zu verstehen.4 1 Vgl. Herbert A. Simon, Theories of Decision Making in Economics and Behavioral Science, in: American Economic Review 49, 1959, S. 253–283. 2 Vgl. Müller, Organisationsformen, S. 248 f. 3 Matthias Kipping / Lars Engwall, Management Consulting. Emergence and Dynamics of a Knowledge Industry, Oxford 2002. 4 Vgl. Schröter, Geschichte, in: Walter (Hrsg.), Geschichte, S. 320; zur Definition allgemein Michael Thiess, Marktforschung, in: Gabler Wirtschaftslexikon, Bd. 4, 12. Aufl., Wies­ baden 1988, S. 291 f.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

1. Rudimentäre Anfänge. Marktforschung in Zeiten des Booms Die Marktforschung der deutschen Automobilindustrie hat ihre Wurzeln in einer Servicefunktion des Vertriebs für die Produktion. Die früheste Form von betrieblichen Marktanalysen bildeten Verkaufsberichte. Indem die Vertriebsressorts monatlich Mengendaten zur Absatzentwicklung der einzelnen Automodelle zusammenstellten, sollten sie Anhaltspunkte liefern, um Produktionsvolumina festzulegen.5 Solange man in der Zeit des Verkäufermarktes nicht auf Kundenbestellung, sondern für den ›anonymen Markt‹ vorproduzierte, lieferten bei allen Herstellern sog. Statistik- oder Marktforschungsbüros die Datengrundlage zur Kapazitätssteuerung der Großserienfertigung.6 Seit Ende der 1950er Jahre begannen die Verkaufsberichte vermehrt nicht mehr nur die Branchen- sondern auch die allgemeine Konjunkturlage in den Blick zu nehmen. So legte etwa die BMWMarktforschung mit den MF-Mitteilungen eine Berichtsserie vor, die ab etwa Mitte der 1960er Jahre in einer Kurzfassung unter dem Titel BMW-ManagementKompendien allen Führungskräften des Konzerns ausgehändigt wurde.7 In ähnlicher Weise erstellte auch die interne VW-Marktforschung rund 20-seitige monatliche Berichte Konjunktur und Wirtschaft. Sie beinhalteten neben Absatz- und Bestandszahlen auch Basisinformationen zur Wirtschaftsentwicklung in den in- und ausländischen Verkaufsgebieten.8 Die Unternehmen hielten ihre Absatzdaten keineswegs geheim. Um einen Betriebsvergleich zu ermöglichten, einigten sie sich bereits Ende der 1920er Jahre darauf, ihre Vertriebs- und Produktionszahlen untereinander auszutauschen. Es war Aufgabe des Verbandes, die Statistiken zu sammeln, aufzubereiten und an

5 Vgl. Wolfgang Müller, Strategisches Marketing. Ein übersehenes Wettbewerbsinstrument in der Automobilindustrie, in: Die Betriebswirtschaft 51, 1991, S. 783. 6 Exemplarisch UVW, 69/423/1, Verkaufsbericht der Zentralen Marktforschung, Dezember 1969, S. 4. Weitere Ausgaben in: 69/415/1–2; 69/440/1–3; 69/528/4–6; 69/530/1–2; Historisches Archiv Daimler  AG (HAD), Zahn 292, Abt. Zentralstatistik, Marktforschungsbericht 11/75, Der inländische PKW-Markt 1974, Neuzulassungen und Marktanteile, S. 3. Vgl. ebd., Zentralstatistik, Übersicht 1950–1984 über Absatz und Produktion von Pkw und Nfz, Bundesrepublik und Daimler-Benz vom 24.9.1984. Siehe zu Aufstellungen zum Lagerbestand UVW, 69/423/1, Verkaufsbericht der Zentralen Marktforschung, Dezember 1969, S. 10 f. 7 Vgl. BMWGA , UA 1617, Aufgaben und Kompetenz-Beschreibung der Hauptabteilung VM-1 vom 26.10.1972, Unterpunkt 6.1. Eine Angabe, seit wann das Kompendium erstellt wurde, fehlt leider. 8 Vgl. UVW, 69/423/2, Konjunktur und Wirtschaft. Monatsberichte der Zentralen Marktforschung, Jan.-Nov. 1968. Eine Sammlung der MF-Mitteilungen findet sich in BMWGA , UA 550/1.

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die Branchenfirmen zu verteilen.9 Diese frühe Form der Verbundforschung verweist auf ein eingeübtes kooperatives Wettbewerbsverhalten, das dem deutschen Ordnungsmodell des Kapitalismus entsprach. Marktforschung bedeutete in erster Linie Konkurrenzbeobachtung. Ab 1949 nahm der VDA die Veröffentlichung seines jährlichen Datenkompendiums Tatsachen und Zahlen (TuZ) wieder auf. Die hier enthaltenen Marktinformationen nahmen im Verlauf der folgenden beiden Dekaden hinsichtlich Umfang und Qualität dramatisch zu, um »durch zusätzliche statistische Feststellungen […] den steigenden Informationsbedürfnissen der Benutzer […] zu entsprechen.«10 Der Verband griff in den Jahresübersichten im Wesentlichen auf behördliche Statistiken des Kraftfahrt-Bundesamtes, des Bundesverkehrsministeriums oder des Statistischen Bundesamtes zurück. Das Geschehen auf internationalen Märkten dokumentierten Daten ausländischer Automobil­verbände. Ergänzend erschienen monatliche Mitteilungen des VDA. Diese Rundbriefe führten detailliert auf, welche Modelltypen, von welchem Hersteller, in welchen Umfang produziert und verkauft worden waren. Potentielle Absatzschwankungen wurden somit allen Herstellern rasch transparent gemacht.11 Angesichts des breit gefächerten statistischen Materials konstatierte der Absatzforscher Rolf Sigmund 1957, die deutsche Pkw-Industrie verfüge »über ein Wissen […]« der Marktgeschehnisse, »das das in anderen Wirtschaftszweigen in dieser Hinsicht mögliche und übliche erheblich übertrifft.«12 Gleichzeitig sparte der Wissenschaftler jedoch nicht an Kritik: Die Stärke auf dem Gebiet der rein statistischen Marktanalyse kompensiere nicht die Schwäche der deutschen Unternehmen, wenn es darum gehe, den Kunden und seine Bedürfnisse ernst zu nehmen. Keine aggregierte Absatzzahl könne den Herstellern verdeutlichen, wer ihre Kunden seien und warum sie sich für oder gegen ein spezifisches Automodell entscheiden würden.13 Tatsächlich waren die Reichweiten der frühen Marktforschungsaktivitäten begrenzt. Der Faktor Kundenverhalten reduzierte sich auf eine Zählung von Kaufakten. Die Firmen erfassten den Kunden nur anhand seiner messbaren Spuren, die sein Handeln im Markt hinterließ. Die BMW-Marketingabteilung führte diesen Mangel aus der Rückschau des Jahres 1968 auf die Marktsituation zurück. Warum sollte man Aufwand betreiben, um die Kunden zu identifizieren, wenn der Absatz auch ohne solche Erkenntnisse leicht zu prognostizieren sei: In Deutschland brauchte sich lange Zeit »kein Marketingmann große Gedanken über das Profil seiner Kunden zu machen. Hatte er ein Produkt, so war in der Zeit 9 Vgl. Wolfgang Edgar Schley, Marktbeobachtung und Betriebsvergleich in Kraftfahrzeughandel und -gewerbe, Halle-Saale 1936, S. 5 f. 10 Vorwort zur 18. Nachkriegs-Ausgabe in: TuZ, 1966, S. 3. 11 Vgl. ebd. 12 Rolf Sigmund, Marktforschung in der Automobilindustrie. Eine Untersuchung über die Möglichkeiten und Grenzen der Marktforschung in der deutschen PersonenwagenIndustrie, Diss., Stuttgart 1957, S. 78. 13 Vgl. ebd., S. 25 u. 78 f.

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der überstarken Nachfrage […] buchstäblich jedermann Kunde, der das nötige Geld hatte. Die Frage [der] Einkommensstruktur stellte sich also.«14 Solange der Erstbedarf die Nachfrage dominierte, extrapolierten die Marktforschungsabteilungen die saisonbereinigten Kfz-Zulassungszahlen einzelner Modellklassen einfach in die Zukunft. War zum Beispiel der Absatz von Kleinwagen im Vergleichsmonat des Vorjahres um zwei Prozent gestiegen, erwartete man ähnliche Wachstumsraten auch für die kommende Verkaufsperiode. Als einziger kundenbezogener Faktor floss lediglich die Einkommensentwicklung in die Trendschätzung ein. Hierbei verließ man sich auf die VDA-Angaben über den Berufsstand von Neuwagenkäufern in den einzelnen Fahrzeugsegmenten. Korrelierte man die Zulassungszahlen der Teilmärkte mit der Einkommensentwicklung in den Berufsgruppen, ließ sich – so die Überzeugung – für jedes Modellsegment eine treffende Prognose der künftigen Absatzpotentiale erstellen.15 In diesen Techniken spiegelte sich ein verbreiteter Wachstumsoptimismus wider. Es galt als selbstverständlich, dass der Trend zu Motorisierung weiterlaufen würde. Die Nachfrage schien lediglich an die Einkommensentwicklung gekoppelt. Sich in Form von qualitativen Untersuchungen mit den Gründen für die Kaufentscheidungen auseinanderzusetzen, stand dagegen kaum im Interesse der Hersteller. Lediglich aus vereinzelten Berichten und »Unterhaltungen mit den Händlern«16 bezogen die Verkaufszentralen der Konzerne unregelmäßig Informationen über die Vorlieben ihrer Klientel. Als einzige Instanz innerhalb der Unternehmensorganisation hatten die Händler und Vertriebsniederlassungen direkten Kundenkontakt. Die Marktforschungsabteilungen in den Konzernzentralen suchten diesen Kontakt (noch) nicht. Sie nutzten traditionell lediglich die Distributionskanäle als »vital sources of intelligence«17. Der Transfer des ›SecondHand-Wissens‹ war allerdings weder organisiert noch verlief er systematisch. Oft versickerten die intuitiven Einschätzungen im Unternehmen und erreichten niemals das Management.18 Das Bemühen um den Kunden intensivierte sich erst, als der Erstkäufermarkt zu erodieren begann und die Hersteller in einen stärkeren Wettbewerb zwang. Besonders deutlich zeigten sich die verheerenden Folgen, die eine mangelnde Rückbindung der Produktstrategie auf die Kundenwünsche haben konnte, im Fall BMW. Mit dem 501 präsentierte der Münchner Autobauer 1953 einen ›Großwagen‹, der aufgrund seiner altmodischen Formgebung und schlechter 14 BMWGA , UA 1344, o.A., Marktstrategie eines Unternehmens (BMW), Vortragsmanuskript vom 15.5.1968, S. 3 f. 15 Vgl. u. a. Zulassungen von fabrikneuen Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern nach Größenklassen und Käufergruppen im Bundesgebiet einschl. Berlin (West), in: TuZ, 1966/67, S. 132 f. 16 Triebel, Marktforschung, in: ders. / K leinschmidt (Hrsg.), Marketing, S. 72. 17 Church, Perspectives, S. 430. 18 Vgl. Karl E. Ludvigsen, Kundenorientierung in der Automobilbranche, Landsberg 1995, S. 297.

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Leistungseigenschaften kaum auf Kundeninteresse stieß. Die Platzierung des Modells in der für die meisten Kunden noch unerschwinglichen und durch die Marke Mercedes bereits besetzten oberen Mittelklasse verminderte seine Absatzchancen.19 Der Misserfolg führte das Unternehmen in eine existentielle Krise. Heinrich Richter-Brohm, der 1957 mit der Aufgabe der Unternehmenssanierung zum neuen Vorstandsvorsitzenden bestellt wurde, identifizierte Defizite in der Marktforschung als entscheidenden Managementfehler der Vergangenheit. BMW habe das Produkt ohne Wissen über die Struktur des Marktes und seine Zielgruppe lanciert. »Die Marktbeobachtungen und -erforschungen [müssen] viel gründlicher und gewissenhafter durchgeführt werden«, forderte er, »nach bestem menschlichem Vermögen unter Ausschöpfung aller zu Gebote stehenden Hilfsmittel […].«20 Die Krisenerfahrung machte BMW in der Folgezeit zu einem Vorreiter der Branche bei der Umsetzung neuer, konsumentenorientierter Marktforschungsmethoden. Die Grundlagen legte Richter-Brohm, indem er umgehend eine auf Marktforschung spezialisierte Abteilung gründete und sie beauftragte, die zukünftige Bedarfsentwicklung zu sondieren. »Es darf nur das entwickelt werden, was sich auch verkaufen lässt«21, lautete die neue Vorgabe. Dieser an sich schlichte Leitsatz ließ erste Schritte in Richtung auf eine marketingtypische Integration von Leistungserstellung und -verwertung erkennen.22 Ein konsumentenorientiertes Marketingmanagement zeichnete sich ab. Marktforschungsergebnisse wurden nun nicht allein zur nachträglichen Absatzerfolgskontrolle eingesetzt. Lob und Kritik von Kunden und Händlern sollten bereits in der Entwicklungsphase neuer Modelle zur käufergerechten Gestaltung genutzt werden.23 Obwohl Daimler und Volkswagen Ende der 1950er Jahre einen wahren Absatzboom erlebten, gründeten auch sie eigene Marktforschungsabteilungen. Allerdings blieb ihre Perspektive auf eine rein quantifizierende Absatzanalyse beschränkt. Bezeichnend ist jedoch, dass Daimler sein Marktforschungsressort ab 1956 zunächst ausschließlich für die Beobachtung des US -Marktes einsetzte. Anlass boten die komplexeren Wettbewerbsstrukturen auf dem fortgeschrittenen US -Massenmarkt. Erst 1959 wurde eine Marktforschungsabteilung dem inlän-

19 Vgl. Triebel / Grunert, Krisenerfahrung, S. 25; Jürgen Seidl, Die Bayerischen Motorenwerke (BMW) 1945–1969. Staatlicher Rahmen und unternehmerisches Handeln, München 2002, S. 33 f. 20 BMWGA , UA 107/1, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 29.7.1957, S. 12f, zit. nach Triebel, Marktforschung, in: ders. / K leinschmidt (Hrsg.), Marketing, S. 73. 21 BMWGA , UA 438/1, Protokoll der Ressortbesprechung Entwicklung und Verkauf vom 21.10.1957, S. 15. 22 Vgl. Jagoda, Produktpolitik. 23 Vgl. Triebel, Marktforschung, in: ders. / K leinschmidt (Hrsg.), Marketing, S. 73; ders., Vom ›Marketingloch‹ zur Wiederentdeckung der sportlichen Mittelklasse. Vom Produktionsregime zur Marketingorientierung bei BMW, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic History Yearbook 2010/1, S. 37–63.

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dischen Verkaufsressort angegliedert.24 In ähnlicher Weise begrenzte auch VW den Wirkungskreis ihres 1960 gegründeten Marktforschungsressorts zunächst auf den Auslandsvertrieb und etablierte erst einige Jahre später eine Abteilung auch für den Inlandsmarkt.25 Gewissermaßen auf einem umgekehrten Weg implementierten die deutschen Tochterunternehmen von Ford und General Motors die Marktforschung. In den USA verfügten die Mutterkonzerne bereits seit den 1940er Jahren über spezia­ lisierte Fachabteilungen, die sich sowohl mit der sekundärstatistischen Market and Sales Analysis als auch mit neuen qualitativem Methoden des Consumer Research, also der Analyse des Käuferverhaltens, befassten. In einer stark zentralisierten Organisationsstruktur waren die Marktforscher zunächst sowohl für die nordamerikanischen als auch für die europäischen Absatzgebiete zuständig. Dies bedeutete, dass die Projektplanung und Koordination für die überseeischen Märkte weiterhin von Detroit ausging. In den deutschen Werken existierten lediglich Verkaufs- und Werbeabteilungen, die mit der Umsetzung der Weisungen aus den USA betraut wurden. Ebenfalls erst gegen Ende der 1950er Jahre erkannten die US -Konzerne die Notwendigkeit, ihre Analysen auf die speziellen Erfordernisse des deutschen Marktes anzupassen. Mit Blick auf die Entwicklungsperspektiven der Marke in Deutschland unterstrich das Research Planning der Ford Motor Company in einem Schreiben an den Leiter des Consumer ­Research, George Brown, im Frühjahr 1957: »Ford’s need for more effective research in it efforts to increase Ford sales [in Germany].«26 Die Marktforschung wurde weitestgehend an externe Beraterfirmen delegiert. Bereits seit 1929 arbeiteten die Rüsselsheimer Adam Opel  AG mit der Agentur H. K. McCann und die Kölner Ford-Werke seit 1954 mit J. Walter Thompson (JWT) zusammen.27 Die Kooperationen sorgten für einen intensiven Transfer von Marktforschungs- und Marketing-Know-how an die beiden Autoproduzenten.28 24 Es bleibt zu problematisieren, dass die Ressortzuordnung in den Geschäftsverteilungs­ plänen der 1950er Jahre oft noch recht ungeordnet war. In vielen Fällen wurden schon vorher Funktionen, die im Organisationsplan einem Vorstandsressort zugeordnet wurden, auch für weitere Bereiche wahrgenommen. Vgl. Elfriede Grunow-Osswald, Die Internationalisierung eines Konzerns. Daimler-Benz 1890–1997, Vaihingen 2006, S. 278 f. 25 Aus der Ressortverteilung lässt sich auf das Gründungsjahr 1963 schließen. Siehe UVW, 189/21, Verzeichnis der Kostenstellen & Läger vom 1.1.1961. 26 HML , Ernest Dichter Papers, 2407, Box 37, 885.5A, Memorandum von George Brown, Director of Consumer Research, an die Ford Motor Company vom 28.3.1957, S. 2. 27 Vgl. Art. »Scheidung im Mai«, in: Der Spiegel vom 15.5.1967, S. 48; Art. »Mehr Spektakel«, in: Der Spiegel vom 9.6.1986. Hier wird auf die Geschichte der Kooperation amerikanischer Agenturen und deutscher Automobilbauer eingegangen. McCann und J. Walter Thompson stammten aus New York und eröffneten 1929 (McCann) bzw. 1952 (J. Walter Thompson) deutsche Büros in Frankfurt / M. 28 Vgl. John W. Hartman Center for Sales, Advertising & Marketing History an der Duke University, Durham / NC (HCD), JWT, Black Papers, Client Series, Box 4, 1973/74, Ford ESO Correspondence, JWT and Ford of Europe, Schreiben von Don Johnston an Tom Sutton vom 24.4.1974; Hilger, ›Amerikanisierung‹, S. 187.

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Gerade in der Methodik der Marktforschung lassen sich daher noch zu Beginn der 1960er Jahre erhebliche Unterschiede zwischen deutschen und deutschamerikanischen Herstellern feststellen. Während Ford – wie noch zu zeigen sein wird – bereits auf moderne marktpsychologische Ansätze zurückgriff, war die Marktforschung bei VW, BMW und Mercedes-Benz bis Mitte der 1960er Jahre noch rudimentär und konventionell. Letztere setzten, wenn es um Konsumentenwünsche ging, weiterhin allein auf das Urteil ihrer Händler. So befragte BMW in ersten Umfragen nicht die Kunden, sondern seine Vertriebspartner, ob sie Potentiale für das neue Mittelklassemodell des Unternehmens sahen. Die Händler sollten angeben, in welcher Anzahl sie den Wagen ordern würden und wie er, ihrer Meinung nach, gestaltet werden müsse, um den Kundengeschmack zu ­ himäre, treffen.29 Der Konsument blieb bei dieser Methode zunächst eine reine C da seine Präferenzen nur indirekt durch einen Filter der Händlermeinung wahrgenommen wurde. Gesamtwirtschaftliche Stimmungslagen, die Geschäftssituation der Vertriebsniederlassung und letztlich auch die regional durchaus unterschiedliche Zusammensetzung der Kundenkreise verzerrten die Aussagen. »Zweifel an der Zuverlässigkeit der gewonnenen Ergebnisse sind allerdings auch vor allem deshalb angebracht«, urteilte Sigmund, »weil die Verkaufsstellen […] für derartige Arbeit wenig Zeit haben, […] die Erkundungen nicht sorgfältig genug durchgeführt werden [und] in den Berichten die subjektive Meinung des Berichtenden, der ja Partei ist, zu stark zum Ausdruck kommt.«30 Neben den sporadischen Händlerbefragungen nutzten die Autofirmen lediglich die Automobilmessen, um zu testen, wie ihre Modelle beim Publikum ankamen. Die Marktforschungsabteilungen nutzten traditionell die alle zwei Jahre stattfindende Frankfurter Automobilausstellung als Gelegenheit, um potentielle Kunden, Medienvertreter und Händler mit Vorstudien neuer Konstruktionsentwürfe zu konfrontieren.31 Die sog. Kundentests sammelten per Umfrage die Eindrücke meist mehrerer hundert Messebesucher zum optischen und technischen Design. Das Manko blieb auch hier eine mangelnde Repräsentativität. Bei den Befragten handelte es sich zumeist um Experten und Autoenthusiasten, die zudem in der höchst speziellen Messeatmosphäre einer massiven werblichen Produktinszenierung um ihr Urteil gebeten wurden. Ihre Urteile konnten

29 Siehe u. a. BMWGA , UA 939/1, BMW-Marktforschungsbericht Nr. 3, August 1957, Umfrage bei 100 BMW-Vertriebspartnern; Triebel, Marktforschung, in: ders. / K leinschmidt (Hrsg.), Marketing, S. 76. 30 Sigmund, Marktforschung, S. 13. Vgl. zur Problematik der Händlerbefragung, die ab Mitte der 1960er Jahre nur noch selten durchgeführt wurde, Axel Bänsch, Einführung in die Marketing-Lehre, München 1974, S. 8. 31 Die seit 1897 währende Tradition der Automessen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg seit 1951 in Frankfurt / M. weitergeführt. 1951 zählte man rund eine Million Messebesucher. Einen Überblick zur Geschichte der IAA : VDA (Hrsg.), Messekatalog zur 60. Internationalen Automobilausstellung, Frankfurt / M. 2002, S. 3 f.

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daher eine Tendenz aufzeigen, kaum aber die Haltung der Konsumenten adäquat wiedergeben.32 Nur langsam löste sich die Marktforschung von traditionellen Vorstellungen, nach denen die Händler als Sprachrohr des Konsumenten und die Messe als zentraler Ort der Kommunikation mit potentiellen Kunden galten.

2. Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren Erst als der Markt von der Dynamik der Massennachfrage erfasst wurde, dehnten sich die Marktforschungsaktivitäten seit Mitte der 1960er Jahre rasant aus. Diese Entwicklung lässt sich allein an einer steigenden Zahl von Marktforschungsberichten zeigen. Der Volkswagen-Vorstand ließ im Jahr 1963 noch lediglich vier, 1968 bereits 28 Studien erstellen.33 Bei BMW hatte die Unternehmenskrise Ende der 1950er Jahre zu neuen Initiativen geführt. Insgesamt 27 Studien wurden in der dreijährigen Amtszeit des Vorstandsvorsitzenden Richter-Brohm von 1957 bis 1960 in Auftrag gegeben. Noch wurde Marktforschung jedoch eher als punktuelles Krisenwerkzeug betrachtet. Denn als sich die Firma wieder in sichererem Fahrwasser befand, reduzierte sich ihr Engagement wieder deutlich. 1961/62 beließ man es bei acht, meist wenig aufwendigen Studien. Rund zehn Jahre später fertigte die BMW-Marktforschung regelmäßig weit über dreißig Berichte und Analysen pro Jahr an.34 Der Anstieg der Untersuchungstätigkeit verband sich mit einem Wandel des methodischen Instrumentariums. Dabei lassen sich für die einheimischen Autofirmen drei Trends festhalten: Erstens gewannen bei der Informationsbeschaffung primärstatistische Erhebungen an Bedeutung. Seit den 1960er Jahren gingen die Marktforschungsabteilungen dazu über, sich nicht mehr allein auf VDA-Daten zu verlassen. Auf der Grundlage von Umfragen unter Automobilkunden generierten sie eigene sog. Primärdaten zur Struktur der Nachfrage.35 32 Ausführlich: BMWGA , UA 943/1, Marktforschungsbericht: Beurteilung des BMW 600 durch Interessenten und Händler, Teilbericht: Messetest, Oktober 1959. 33 Vgl. die Aufstellung in UVW, 69/440/1, Marktforschung im VW-Konzern, o. Dat. [1969]. 34 Vgl. Triebel, Marktforschung, in: ders. / K leinschmidt (Hrsg.), Marketing, S. 81; BMWGA , UA 1456, BMW Marktforschung Informationen, Berichte und Analysen 1/74, Aufstellung der Marktforschungs-Mitteilungen. Auch wenn für die Ford-Werke keine Zahlen vorliegen, lässt sich aus einer erhöhten Quellendichte für die zweite Hälfte der 1960er Jahre eine ähnliche Intensivierung ablesen. Vgl. die Zusammenstellung von Berichten in: HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, Ford 1973/2, Ford of Germany, Marketing Research, First Half 1973. 35 Zur Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärforschung siehe Johannes Bidlingmaier, Marketing 1, Reinbek b. Hamburg 1973, S. 68.

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Zweitens entwickelte sich in der Praxis ein methodischer Dualismus zwischen quantitativen und qualitativen Forschungsansätzen. Während die akademische Marketing- und Marktforschungslehre während der 1960er Jahre durch heftige Richtungsstreitigkeiten zwischen Anhängern sozialstatistischer Erhebungsverfahren – den »Nasenzählern« – und psychologisch-assoziativen Motivforschern – den »Tiefenheinis«36  – gekennzeichnet war, kann für die Automobilindustrie als charakteristisch gelten, dass sich beide Ansätze offenbar ohne erkennbare Reibungsverluste miteinander kombinieren ließen. Allerdings unterschieden sich die Aufgabenstellungen der jeweiligen Analyseprojekte. Die quantitative Marktforschungsmethode eignete sich lediglich dazu, den Ist-Zustand von Marktdeterminanten zu beschreiben. Qualitative Verfahren wurden dagegen eingesetzt, um zu den Gründen des Marktwandels vorzudringen. Idealtypisch lässt sich diese Aufgabenteilung bei der Konsumentenanalyse zeigen: Die zahlen­ basierte Marktforschung konzentrierte sich darauf, verhaltensbeschreibende Informationen zusammenzutragen. Sie eruierte, wer Käufer waren und wie sie sich verhielten. Dagegen beschäftigte sich die qualitative Marktforschung mit der Frage, warum die Konsumenten so handelten, wie sie es taten. Die Motivanalysen suchten nach Verhaltenserklärungen.37 Auf der Basis dieses Methoden-Mixes konzentrierte sich die automobile Marktforschung drittens darauf, neue Marktmodelle zu entwerfen, mit denen sich die komplexen Wandlungsprozesse abbilden lassen sollten. Die zunehmende Marktsättigung, wachsende Konkurrenz und neue Konsumwünsche führten – folgt man dem Phasenmodell von Robert S. Tedlow – mit einer Verzögerung von fast vierzig Jahren gegenüber den USA zum Durchbruch differenzierter Segmentierungsstrategien.38 Je unübersichtlicher die Angebots- und Nachfragesituation erschien, desto intensiver bemühten sich die Firmen darum, den Markt anhand alternativ konstruierter Untergruppen abzubilden. Neue Zielgruppen zu definieren, wurde zur Hauptaufgabe der Marktforschung. Sie lieferte die Informationen, auf deren Grundlage das Marketing mit passenden Produkt- und Kommunikationsstrategien Nachfrage generieren sollte.39

36 Georg Bergler, Marktforschung und Motivforschung, zum 80. Geburtstag vom Wilhelm Vershofen, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 12, 1958, S. 728; Hanns Ferdinand Josef Kropff, Motivforschung. Methoden und Grenzen, Essen 1960, S. 123 f.; Gasteiger, Konsument, S. 83. 37 Vgl. zur Unterscheidung der Methoden: Silke F. Heiss, Kundenwissen für Forschung und Entwicklung in der Automobilindustrie: Fallstudie und Modellentwicklung zum Wissen von und über Kunden, Diss., Augsburg 2009, S. 75–80; André Bebié, Käuferverhalten und Marketing-Entscheidung. Konsumgüter-Marketing aus der Sicht der Behavioral Sciences, Wiesbaden 1978, S. 528; Josef Schnettler / Gero Wendt, Marketing und Marktforschung. Lehr- und Arbeitsbuch, Berlin 2003, S. 251. 38 Vgl. Tedlow, New and Improved sowie McCraw / Tedlow, Henry Ford, in: McCraw (Hrsg.), Capitalism, S. 268 f. 39 Vgl. Jagoda, Produktpolitik, S. 39; Hansen / Bode, Marketing, S. 152 f.

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Die groben angebotsorientierten Marktmodelle der 1950er Jahre waren spätestens mit der Rezession 1966/67 obsolet. Die erste tiefgreifende Absatzkrise traf die Hersteller im wahrsten Sinne des Wortes unvorhergesehen, wie der Generaldirektor der Deutschen Ford-Werke, Max Ueber, 1967 betonte.40 Das Vertrauen der Unternehmensleiter in die eigenen Routinen der Markterkundung ging verloren. Ausdruck dieser Unsicherheit war, dass sich an die Krise eine ausgeprägte Experimentierphase der betrieblichen Marktforschung anschloss. Wie die VW-Marktforschung konstatierte, müsse es nun verstärkt darum gehen, innovative »Methoden der Prognose zyklischer Schwankungen«41 der Nachfrage zu entwickeln, die ein möglichst breites Spektrum an Kauffaktoren abbildeten. Dieser Anspruch richtete sich zum einen darauf, welche mittel- und langfristigen Folgen die Verschiebung vom Erstbedarf zu Ersatzbeschaffung auf die allgemeinen Wachstumspotentiale der Branche zeigen würde. Grundsätzlich galt dieser Struktureffekt als wesentliche Ursache für die augenfällig erhöhte Konjunkturanfälligkeit. Zum anderen aber habe sich der Blick der Markterfassung verstärkt auf die Absatzperspektiven einzelner Automarken und -typen zu richten.42 In dem Maße, in der die Marktsättigung zunahm, so die Begründung für die Ausweitung des Untersuchungsfokus, musste ein Automobilhersteller umso mehr darauf bedacht sein, seinen Kundenstamm zu halten oder aber mittels attraktiver Angebote, Käufer von der Konkurrenz abzuwerben. Das Verhalten bei der Produktwahl zu beobachten, versprach vor diesem Hintergrund wichtige Aufschlüsse darüber, inwieweit es gelang, die Kundengunst auf sich zu ziehen. Auch dieser Umstand stärkte die Impulse in der Automobilbranche, ihre Marktforschungsinstrumente auf käuferbezogene Segmentierungsstrategien auszurichten. Um den Wandel von angebots- zu nachfrageorientierten Perspektiven der Marktbeobachtung in seinem ganzen Spektrum qualitativer und quantitativer Erfassungstechniken nachzuzeichnen, werden die beiden Entwicklungspfade zunächst getrennt voneinander betrachtet. Die Untersuchung ist dabei vor allem auf die Frage gerichtet, welche Faktoren wann in die Analyse der Marktsituation eingebettet wurden. Dies schafft zugleich die Basis, um zu dokumentieren, inwieweit sich das Marktverständnis der Unternehmen wandelte und Veränderungen des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Umfelds berücksichtigte.

40 Vgl. Art. »Mit diesem Rückgang hatte niemand gerechnet. SPIEGEL -Gespräch mit Max Ueber, Generaldirektor der Ford Werke AG«, in: Der Spiegel vom 18.9.1967, S. 66–80. 41 UVW, 69/440/1, Bericht: Marktforschung im VW-Konzern, o. Dat. [1969]. 42 Vgl. ebd.

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2.1 Bedarfsstrukturen: Marktsättigung im Sucher Wie am Beispiel BMW und Volkswagen gezeigt werden kann, arbeiteten die Marktforschungsabteilungen nach der Absatzkrise 1966/67 mit Hochdruck an Prognosemodellen, um den Motorisierungsverlauf zu skizzieren. Die dezidiert sekundärstatistischen Untersuchungen zielten darauf, möglichst genau zu terminieren, wann mit einer Sättigung und dem Versiegen der Erstnachfrage zu rechnen sei. Waren die Absatzeinbrüche der zurückliegenden Jahre schon ein Indiz für die nachlassenden Kräfte der Motorisierung? Um sich Sicherheit darüber zu verschaffen, ob dieses bei zeitgenössischen Kommentatoren beliebte Krisenszenario tatsächlich der Realität entsprach, werteten die Unternehmen einen breiten Kranz von ökonomischen und demographischen Faktoren der Automotorisierung aus und bemaßen die langfristigen Abnahmekapazitäten des Gesamtmarktes. Beispielsweise präsentierte die BMW-Marktforschung 1968 mit dem Produktzyklus-Modell eine bis zum Jahr 1980 reichende, für Deutschland völlig neue Formel der Marktprognose. Allein, dass erst jetzt ein derart langer Planungshorizont in den Blick geriet, mag als Indiz dienen, dass die Branche ihre Zukunftsaussichten erstmals als kritisch ansah. Die Verantwortlichen feierten die Studie als Beweis der Qualität und Relevanz ihrer Arbeit: »Das Projizieren einer kontinuierlichen Marktbeobachtung in die Zukunft ist die höchste Stufe der Marktforschung und nur nach sorgfältiger Prüfung des Basismaterials sowie nach exakter Erarbeitung einer sinnvollen Prognoseformel möglich. Das fachliche Niveau der BMW-Marktforschung hat heute eine Höhe erreicht, die es erlaubt, […] eine eigene Methode der Vorausschau […] zu entwickeln.«43

Das Produktzyklus-Modell basierte auf dem ökonometrischen Konzept der »­ logistischen Wachstumskurve«44. Der Münchner Automobilhersteller adaptierte damit einen Ansatz der US -amerikanischen Marktforschungslehre und übertrug ihn auf den deutschen Fall.45 Die Inspiration stammte aus den Naturwissenschaften. In der Biologie dienten logistische Wachstumskurven dazu, die Populationsdynamik von Lebewesen unter den Bedingungen begrenzter Ressourcen und eines stetigen Lebens- und Sterbeprozesses zu beschreiben. Übertragen auf den Verbreitungsprozess von langlebigen Konsumgütern war hiernach davon auszugehen, dass sich der Autoabsatz solange steigerte, wie der Bedarf 43 BMWGA , UA 1599, Prognose des Marktes für Personenkraftwagen in Westdeutschland 1968–1980 vom 4.11.1968, S. 1. 44 Zum aus der Populationslehre stammenden Wachstumsgesetzes von Pierre-Francois Verhulst (1838) und Alfred Lotka (1925) siehe Art. »Bevölkerungsgesetz«, in: Gabler-Wirtschaftslexikon online (eingesehen am 26.9.2017). 45 In den USA hatte das Produktlebenszyklus-Modell seit Mitte der 1960er Jahre an Popularität gewonnen. Vgl. Raymond Vernon, International Investment and International Trade in the Product Cycle, in: Quarterly Journal of Economics 80, May 1966, S. 191–207.

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gewissermaßen noch auf dem Nährboden nicht-motorisierter Bevölkerungsteile anwuchs: umso höher die Marktabdeckung, desto schwächer die Wachstumsimpulse. Verfügten alle motorisierungsfähigen Konsumenten über ein Auto, begrenzte sich der Neubedarf nur noch auf das prozentuale Bevölkerungswachstum. Auf einem gesättigten Markt dominierte die Ersatzbeschaffung den Absatz von Neufahrzeugen. Damit lenkte die Motorisierung, so die Überzeugung, auf einen sich abschwächenden s-förmigen Verlauf ein. Ein Bedarf an neuen Automobilen entstand lediglich, wenn alte Fahrzeuge aus dem Markt ausschieden. Der Theorie nach wurde daher die Dauer der Marktpräsenz alter Fahrzeuge somit zum entscheidenden Gradmesser für die Bedarfsentwicklung.46 Bei der praktischen Umsetzung des Ansatzes stellten sich zwei zentrale Aufgaben: Erstens galt es abzuschätzen, wann der Erstbedarf versiegen würde. Zweitens war die Höhe des potentiellen Ersatzbedarfs zu bestimmen. In beiden Feldern hantierte die BMW-Marktforschung mit spekulativen Annahmen. Hierzu zählte die Hypothese, dass der Motorisierungsverlauf »selbstverständlich […] von einer Reihe wirtschaftlicher Faktoren, wie z. B. dem Sozialprodukt, Einkommensentwicklung, Kaufkraft,« abhänge, diese Determinanten aber letztlich schon alle »implizit in der Wachstumsfunktion der Pkw-Dichte enthalten« seien.47 Daher genüge es, allein diesen Faktor in die Berechnungen einzubeziehen. Die Entwicklung des Motorisierungsgrades sei wiederum – so die zweite Annahme – leicht zu bestimmen. Die Marktforscher gingen einfach davon aus, dass die deutsche Gesellschaft mit einer zeitlichen Verzögerung von rund dreißig Jahren dem US -amerikanischen Vorbild folgen würde. Da in den USA 1950 auf vier ›motorisierungsfähige‹ Erwachsene ein Automobil kam, rechnete die Studie damit, dass dieser Stand in Deutschland zu Beginn der 1980er Jahre erreicht sein würde. Bei einer wiederum grob geschätzten Bevölkerungsgröße von rund 63 Millionen Erwachsenen würde der Inlandsmarkt also bei einem Bestand von rund 17 Millionen Fahrzeugen an seine natürlichen Kapazitätsgrenzen stoßen. Erst dann sei mit marktinhärenten Schwankungen der Zulassungen zu rechnen.48 Zwei Dinge sind frappierend: erstens, wie leichtfertig amerikanische Entwicklungen auf Deutschland übertragen wurden, zweitens, dass aus der Rückschau keine Prognose auch nur annähernd die Realität traf. Laut VDA belief sich die Pkw-Dichte 1980 auf bereits weit unter drei Personen pro Auto; der Bestand lag bei über 22 Millionen Fahrzeuge. Allein hier hatten sich die Marktforscher um über fünf Millionen Einheiten verschätzt.49 Mit ähnlichen methodischen Problemen behaftet war auch die Bemessung des Erstbedarfs. Bewusst ersetzte die BMW-Studie das schwer abzuschätzende Kriterium des Kaufverhaltens durch einen statistischen Behelfsparameter: Der 46 Vgl. BMWGA , UA 1599, Prognose des Marktes für Personenkraftwagen in Westdeutschland 1968–1980 vom 4.11.1968, S. 2. 47 Ebd., S. 2 f. 48 Vgl. ebd., S. 7. 49 Siehe hierzu TuZ, 1981, S. 265.

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Ersatzbedarf wurde ausschließlich aus der Anzahl der Verschrottungen – oder genauer – an der Zahl von Pkw-Löschungen bemessen. Mit jedem Automobil, das seine Funktionsfähigkeit aus technischen oder altersbedingten Gründen einbüßte, entstand – so die Annahme – der Bedarf nach einem neuen Fahrzeug. Dies galt unabhängig von der Frage, ob die Autos über einen oder mehrere Halter verfügt hatten. Wenn ein Kfz-Besitzer seinen alten Wagen abmeldete, kaufte er sich entweder erneut einen Neu- oder einen Gebrauchtwagen. Selbst in letzterem Fall musste auch dieser in einem vorherigen Kaufakt vom Vorbesitzer abgegeben worden sein. Innerhalb der Benutzerkette entstand somit wiederum zwangsläufig eine Neuwagennachfrage. Der Ersatzbedarf, lautete die Hilfskonstruktion, hing damit nicht vom Kaufverhalten, sondern vielmehr von der physisch-technischen Lebensdauer des Produktes ab. Diese Vorstellung legitimierte, nicht nur die Konsumentenperspektive weiterhin völlig auszublenden, sondern auch die besonderen Gefüge des Gebrauchtwagenmarktes elegant aus den Modellen zu verbannen. Stattdessen leitete die BMW-Marktforschung ihre Bedarfsprognosen aus sog. Absterbetafeln ab.50 Sie verzeichneten die Alterszusammensetzung des PkwBestandes nach Baujahren. Ihrer Beobachtung nach erreichten die Löschungen stets in einer »gewissen Wellenbewegung […] mit einer Verschiebung von acht bis neun Jahren […] die Höhe der damaligen Neuzulassungen.«51 Anhand dieser Frequenz prognostizierte BMW, dass 1980 neunzig Prozent der Neuwagenverkäufe auf Ersatzbeschaffung zurückgehen würden. Aufgrund des trading up hätte dabei gerade die Oberklassenanbieter Daimler-Benz und BMW mit großartigen Absatzchancen zu rechnen. Der Hang zum aufsteigende Konsum werde den Ersatzkauf in ihre Marktsegmente führen.52 Dieses Ergebnis wirkte sicherlich zunächst beruhigend auf die BMW-Leitungsgremien. Gleichwohl war die erste mit großer Euphorie vorgestellte Langfristprognose zur Bedarfsentwicklung auch die letzte ihrer Art. Zwar hantierte u. a. auch Volkswagen Ende der 1960er Jahre mit ähnlichen angebotsbasierten Rechenkonzepten. Wie im Fall BMW erwiesen sich aber auch hier die Resultate als wenig treffsicher. Selbst innerhalb der Marktforschungsressorts standen die ausschließlich sekundärstatistischen Prognoseverfahren bald unter vehementer Kritik, die sich gleich an mehreren Punkten entfachte. Als zentraler Mangel galt, dass die Modelle nicht in der Lage waren, den technischen Fortschritt in ihre Analyse einzubeziehen, obwohl gerade die Erhöhung der Verarbeitungsqualität 50 Vgl. B. Griffin, The Replacement Demand for Automobiles, in: The Analyst vom 19.4.1929; Ralph E. Eppstein, The Automobile Industry. Its Economic and Commercial Development, Chicago / New York 1928, beide zit. in: Paul Flohr, Der Einfluss der in Zahlung genommenen Gebrauchtwagen auf Funktionen und Risiken des Handels, Köln 1956 (online unter http://archiv-ifh-koeln.de/IfH19561956-03.html; eingesehen am 24.9.2016). 51 BMWGA , UA 1599, Prognose des Marktes für Personenkraftwagen in Westdeutschland 1968–1980 vom 4.11.1968, S. 6. 52 Die BMW-Marktforschung ging davon aus, dass sich aufgrund dieser Effekte der Marktanteil zwischen 1965 bis 1975 von 2,5 auf 5,8 Prozent mehr als verdoppeln würde. Vgl. ebd., S. 8.

202

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

den automobilen Lebenszyklus deutlich verlängerte. Dies galt umso mehr, als die rund neunjährige Austauschfrequenz für alle technisch und qualitativ kaum miteinander vergleichbaren Autotypen der unterschiedlichsten Größenklassen unterstellt wurde. Die ›Haltbarkeit‹ etwa eines Mercedes S-Klasse-Modells war jedoch kaum mit der eines Kleinwagens zu vergleichen. Für eine Absatzprognose auf der Produktebene eignete sich das Modell daher kaum. Als ebenso grundlegendes Problem identifizierte die VW-Marktforschung, dass bei derartigen Analysen lediglich von einer technisch bedingten Alterung der Fahrzeuge ausgegangen werden kann. In der Praxis beobachtete man dagegen, dass die Konsumenten dazu neigten, ihr Automobil allein aus modischen Gründen vorzeitig zu wechseln. Selbst einwandfrei funktionierende Pkw wurden verschrottet, wenn sie nicht mehr als zeitgemäß galten.53 Die VW-Experten griffen damit eine zentrale Kritik des deutschen Marktforschungspioniers Erich Schäfer auf. Er hatte das in den USA verbreitete Konzept der Absterbetafeln bereits zu Beginn der 1950er Jahre als unbrauchbar bezeichnet, da völlig unklar bleibe, »in welchem Tempo die Wagen vom Erstbesitzer an den Markt der Zweithandwagen abgegeben werden, wieweit also von dieser Seite eine Ersatznachfrage einsetzt, die mit dem technischen Ersatz zunächst nichts zu tun hat. Diese ökonomische Ersatznachfrage ist keineswegs konstant, sondern wechselt vor allem mit den Konsumgewohnheiten.«54 In der Summe führten die Unzulänglichkeiten statistischer Bedarfsanalysen dazu, dass sie in den 1970er Jahren nicht mehr weiterentwickelt wurden. Zwar gab es weiterhin historisch-statistische Messungen von allgemeinen Zulassungs- und Bestandsmengen. Sie konzentrierten sich aber auf wesentlich kürzere Zeiträume.

2.2 Sozialstatistische Vermessung, oder: Wer kauft was? Einen Boom erlebten demgegenüber nachfragebasierte Marktmodelle. Sie verkoppelten die Strukturverschiebungen zwischen der Erst- und Ersatzbeschaffung konsequent mit der Analyse des Käuferverhaltens. Charakteristisch für die neuen Marktmodelle war, dass sie die Absatzentwicklung nicht mehr allein in starren Angebotsklassen nachzeichneten, sondern nach Käufergruppen differenzierten. Die Frage, wie viel Automobile abgesetzt werden könnten, wurde durch den schlichten, aber wesentlichen Zusatz ›an wen?‹ ergänzt. Der sich abzeichnende Perspektivwechsel zu einer stärker personalen, kundenbezogenen Markterfassung vollzog sich in der Automobilindustrie zunächst unter Beibehaltung rein quantifizierender Prinzipien. Der Faktor Kunde sollte 53 Vgl. UVW, 69/440/1, Bericht: Marktforschung im VW-Konzern, o. Dat. [1969], hier insbes. Unterpunkt: Die langfristige Prognose. 54 Erich Schäfer, Grundlagen der Marktforschung. Marktuntersuchung und Marktbeobachtung, 3. Aufl., Köln 1953, S. 90.

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

203

anhand von empirisch messbaren Kriterien modelliert werden.55 Nur auf diesem Weg, kommentierte der Frankfurter Betriebswirt und Marktforscher Wolf Klinz 1969, könne ein echter Wissenszuwachs gegenüber den bisherigen »intuitive[n] Schätzungen von Leuten, die über langjährige Branchenerfahrungen verfügen«56, erreicht werden. Unter Verweis auf die neue Popularität von sog. Segmentationsanalysen führte er weiter aus: Ein Automobilhersteller »muss sich heute […] eingehend mit den zu erwartenden Käuferschichten der eigenen und der konkurrierenden Produkte beschäftigen. Selbst bei der Analyse der historischen Absatzentwicklung reicht es nicht aus zu wissen, dass man absolut mehr oder weniger verkauft hat […]. Um Schwächen auszugleichen, muss das Unternehmen Absatzsteigerungen oder -verluste in Stärken und Schwächen einzelner Käufergruppen zerlegen (segmentieren) können.«57 Wichtigstes Ziel war, die Vorausschau auf Nachfragetrends durch eine Messung des Kundenverhaltens zu verbessern. Bislang stand hierfür  – wie die Absatzkrise 1966 zeigte  – kein funktionierendes Prognoseinstrument zur Verfügung. 2.2.1

Vorbesitz und Käuferbewegungen

Idealtypisch lassen sich die neuen Segmentierungsansätze anhand eines von der VW-Marktforschung entwickelten Marktstrukturmodells illustrieren. Es wurde 1969 erstmals der Konzernführung vorgestellt, befand sich aber bereits seit 1963 in der Vorbereitungsphase.58 Hierin kategorisierten die VW-Experten die Kunden systematisch nach zwei beobachtbaren und damit messbaren Verhaltenskriterien: Als erstes Kennzeichen diente der sog. Vorkaufsstatus als ›Nichtbesitzer‹ oder ›Vorbesitzer‹.59 Dies kam einer Unterscheidung zwischen Erstund Ersatzkäufern gleich. Zweites wurden die Pkw-Kunden anhand des dynamischen, verhaltensbeschreibenden Merkmals ihrer Markentreue bei der Wahl des Autos charakterisiert. Im Modell wurde zwischen firmenloyalen Käufern, Abwandernden zur Konkurrenz sowie Eroberungen ehemaliger Fahrer von Fremdfabrikaten (Abb. 16) unterschieden. Mit dem Einsatz solcher Vorbesitzstudien gingen die Marktforscher dazu über, die Marktlage eines Unternehmens im bildhaften Rahmen eines sich gegenseitig beeinflussenden »strategischen Dreiecks«60 zwischen der eigenen Produktpolitik, dem Kundenverhalten und der Konkurrenzsituation abzubil55 Vgl. auch Hansen / Bode, Marketing, S. 154; zeitgenössisch Jagoda, Produktpolitik, S. 51 f. 56 Klinz, Marktsegmentierung, S. 180. 57 Ebd., S. 168 u. 180. 58 Vgl. UVW, 69/440/1, Bericht: Marktforschung im VW-Konzern, o. Dat. [1969], Anlage I: Vereinfachtes Marktmodell. Auf einen rund fünfjährigen Vorlauf bei der Umsetzung des Konzeptes weist der Umstand hin, dass die VW-Marktforschung seit 1963 Daten zum Käuferverhalten erhob. 59 Vgl. ebd. 60 Zum Marktmodell des strategischen Dreiecks: Schnettler / Wendt, Marketing, S. 250.

204

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

den. Zum Referenzpunkt avancierten die relativen Marktanteile im Vergleich zu den Wettbewerbern. Auf diese Weise ließen sich die Schwächen innerhalb der jeweiligen Angebotspalette eruieren, um gegebenenfalls produktpolitische Gegenmaßnahmen einzuleiten. In der Praxis begann die VW-Marktforschung 1963/64 Daten für die Segmentationsanalyse zu sammeln. Zunächst wurden jährlich Daten zur Typen- und Markentreue für den VW Käfer (Typ 1) und den VW Bulli (Typ 2) in Relation zu den wichtigsten Konkurrenzprodukten erhoben. Als sich aus den Angaben erste historische Trends ablesen ließen, waren die Ergebnisse alarmierend. Wie die aus einem Marktforschungsbericht von 1969 übernommene Tabelle 16 zeigt, reduzierte sich der Anteil der Erstkäufer an den VW-Neuzulassungen deutlich. 1963 zählten noch vierzig Prozent aller Käfer-Erwerber zu den Erstkäufern, 1968 nur noch zwanzig Prozent. Diese Entwicklung war kaum verwunderlich, da sich parallel die Gesamtzahl der Erstkäufer von 378.000 auf nur noch 175.000 mehr als halbierte. Problematisch erschien, dass gerade diese schrumpfende Käufergruppe den Absatz des VW Käfer wesentlich trug. Während bei Opel und Ford nur noch jeder zehnte Käufer erstmals zum Autobesitzer wurde – Erstkäufer war, war es beim VW Käfer noch jeder dritte (Tab. 17). Dies war ein deutliches Zeichen, dass die Produktstrategien der Konkurrenz wesentlich besser auf die sog. Vorbesitzerkunden zugeschnitten waren – und dies war die Konsumentengruppe, die den Pkw-Absatz zukünftig klar dominieren würde. Die VW-Vertriebsleitung resümierte daher eine auf allen Ebenen »schwächer werdende Stellung der Marke VW in Deutschland«. Ursächlich sei ein »relativer Rückgang des Absatzpotentials des Typ 1 durch verstärkte Aufstiegsbewegungen und weniger Erstkäufer«  – eine Entwicklung, die umso fataler wirkte, da das Unternehmen »keine Alternative für ›käfermüde‹ VW-Besitzer«61 in den aufstrebenden Produktfeldern der Mittel- und Sportklasse bereithielt. Die Konsequenzen zeigten sich in den Wanderungsbewegungen der KäferBesitzer. Sie entschieden sich beim Neukauf immer seltener für das gleiche Modell. Waren 1964 noch rund siebzig Prozent dem Käfer treu geblieben, sank diese Rate binnen fünf Jahren auf nur noch 61 Prozent. Insbesondere im Vergleich zum Hauptkonkurrenten Opel Kadett zeigte die Modellloyalität einen deutlichen Niveauunterschied. Zwar verlor auch diese Baureihe in der Gruppe der sog. Wiederkäufer an Attraktivität; ihr Anteil lag aber mit 76 Prozent noch deutlich höher (Tab. 18). Segmentationsstudien avancierten zum Kontrollinstrument für die Konkurrenzfähigkeit der Angebote.62 Sie halfen zugleich, allgemeine Tendenzen im 61 Alle Zitate aus UVW, 250/2/1, Langfristiger Marketingplan des VW-Konzerns für Personenwagen, Mai 1971, S. 5; vgl. ebd., Brief des Vertriebsdirektors Carl H. Hahn an den Vorstand vom 11.5.1971. Hier verweist Hahn darauf, dass eine erste Situationsanalyse Ende 1968 vorgenommen wurde. 62 Vgl. Art. »Ist der VW veraltet? SPIEGEL -Gespräch mit Heinz Nordhoff«, in: Der Spiegel vom 20.9.1959, S. 43.

205

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren  Erstkäufer Marktstruktur     vor Kauf

Fremd‐orientierte

eigene  Kunden

Fremdkunden Neuge ‐ wonnene

Abwan‐ derer

Er‐ oberte

Loyale

Loyale

  Marktstruktur  nach Kauf

VW‐Käufer

Konkurrenzkäufer

Abb. 16: Käuferbewegung und Markenloyalität. Vereinfachtes Marktmodell der VWMarktforschung (1968) Quelle: UVW, 69/440/1, Bericht: Marktforschung im VW-Konzern, o. Dat. [1969], Anlage I.

Tab. 16: Anteil von Erstkäufern am Gesamtabsatz ausgewählter Pkw-Modelle (in v. H.) Marke

Pkw-Modell

1963

1964

1965

1966

1967

1968

VW

Typ 1 (Käfer)

40

33

29

22

21

20

Typ 2 (Bulli)

18

16

14

12

10

11

Audi / Auto Union

F 102/F103

23

8

11

8

5

5

Opel

Kadett / Olympia

44

30

30

27

21

12

Rekord

22

12

12

9

5

4

Ford

Escort

19

12M/15M

41

23

21

18

14

12

17M/20M

17

9

8

9

6

5

gesamt

31,0

21,0

18,0

16,0

13,3

12,6

absolut (in 1.000)

378,2

280,9

272,5

234,8

177,3

175,4

Quelle: UVW, 69/440/1, Bericht: Marktforschung im VW-Konzern, o. Dat. [1969], Tab. 2 u. 3.

Konsumverhalten zu diagnostizieren: Mit dem Einsetzen von Aufsteigereffekten erhöhte sich die Flexibilität von Kaufentscheidungen. Die Marken- und Typentreue der Konsumenten reduzierte sich. Die Käuferbewegungen wurden variabler, was sich besonders stark auf VW als Volumenanbieter in den unteren und mittleren Größenklassen auswirkte, denn das differente Kundenverhalten war zugleich Folge und Ursache eines sich ausdehnenden Produktangebotes. »Durch attraktive und moderne Konkurrenzprodukte«, konstatierte der VWVertrieb, intensivierte sich der Wettbewerb. Mit dem »erfolgreichen Vordringen

206

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

Tab. 17: Marktanteile der Pkw-Modelle im Erstkäufermarkt (in v. H.) Marke

Pkw-Modell

1963

1964

1965

1966

1967

1968

VW

Typ 1 (Käfer)

27

30

35

27

30,6

30,6

Typ 2 (Bulli)

5

8

7

7

4,4

4,7

Audi / Auto Union

F 102/F103

1

1

1

1

0,9

1,4

Opel

Kadett / Olympia

11

14

14

17

14,1

9,7

Rekord

11

9

8

6

3,5

2,4

Ford

Escort

1,3

12M/15M

11

8

7

8

8,5

6,3

17M/20M

4

4

5

6

3,8

2,2

Importwagen

diverse

10

9

8

17

18,8

26,7

sonstige

diverse

20

16

15

11

14,9

13,7

Quelle: UVW, 69/440/1, Bericht: Marktforschung im VW-Konzern, o. Dat. [1969], Tab. 2 u. 3.

Tab. 18: Abwanderungsstrukturen. VW Käfer und Opel Kadett im Vergleich, 1964–1968 (in v. H.) Wanderungsziel (Marke / Modell)

VW Typ 1 (Käfer)

Opel Kadett / Olympia

1964

1965

1966

1967

1968

1964

1965

1966

1967

1968

Typ 1 (Käfer)













4

3

3

2

Typ 2 (Bulli)













4

2



0

Kadett

6

5

6

6

8











Rekord

8

5

3

3

4











12M

6

6

6

6

4



3

3

6

2

17M

5

6

6

5

2

6

2

3

1

0

BMW

1

1

1

2

1



1

2

1

Importwagen

2

3

5

9

13

2

3

3

8

12

sonstige

2

2

5

3

7

2



5

2

6

alle Abwanderer

30

28

32

34

39

10

16

20

22

24

alle Loyalen

70

72

68

66

61

90

84

80

78

76



Quelle: UVW, 69/440/1, Bericht: Marktforschung im VW-Konzern, o. Dat. [1969], Tabelle 9.

207

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

der Imports« erweiterten sich die Kaufalternativen zusätzlich.63 Insbesondere französische und italienische Importeure konnten ihr Kundenklientel durch ein breiter gefächertes Modellangebot und niedrigere Preise fester an sich binden. Die erhöhte Nachfragebeweglichkeit war eine der Konsequenzen des Aufsteigermarktes, die mit Hilfe herkömmlicher Bedarfsmessungen zuvor kaum sichtbar gemacht werden konnte. So war es durchaus möglich, dass das absolute Absatzvolumen innerhalb einer Modellklasse weiterwuchs, während sich die Nachfrage aber von einem hier platzierten Fahrzeugtyp abwandte und sich – wie im Fall des VW Käfer – auf Konkurrenzangebote verteilte. Der Vorteil der Segmentationsstudien war, gerade diese verdeckten Verschiebungen im Kundenzuspruch aufzuzeigen. Tab. 19: Markenloyalität. Ausgewählte in- und ausländische Anbieter, ­1963–1968 (in v. H.) Marke

1963

1964

1965

1966

1967

1968

VW

66

70

72

68

64

62

Opel

77

78

70

72

72

67

Ford

66

69

76

73

70

65

Fiat

48

39

45

48

50

63

Renault

46

36

35

51

64

61

Quelle: UVW, 69/440/1, Bericht: Marktforschung im VW-Konzern, o. Dat. [1969], Tab. 7.

Dennoch bleibt zu konstatieren, dass die neuen Marktmodelle in der deutschen Automobilindustrie zunächst nur punktuell für einzelne Produkte und Teilmärkte zum Einsatz kamen. Meist beauftragten die Vertriebsabteilungen die Marktforschung nur zu bestimmten Anlässen, die Käuferstrukturen zu analysieren. Eine Überprüfung der Marktgängigkeit schien geboten, wenn sich – wie bei VW – der Absatz etablierter Produkte abschwächte. Weitaus häufiger nahmen die Unternehmen die Markteinführung von Automobiltypen zum Anlass, um in sog. Ad hoc-Studien64 zu untersuchen, welche relationalen Verschiebungen das neue Produkt im Konkurrenzfeld auslöste.65 Als besonders geglückt galt der Produktlaunch, wenn das Modell ›aufsteigende Vorbesitzer‹ erobern oder in der Markenfamilie halten konnte. Wichtig war auch, dass es zudem nicht prohibitiv auf den Absatz anderer eigener Modelle einwirkte, sondern gänzlich neue 63 Beide Zitate aus: UVW, 250/2/1, Marketingplan Mai 1971, S. 5. 64 Auf die dominierende Bedeutung von Ad-hoc-Studien in den 1960er Jahren verweist: BMWGA , UA 1464, Marktforschung. Informationen, Berichte, Analysen 7/74, BMW Produkttest Inland, 1973, S. 1. 65 Vgl. Jagoda, Produktpolitik, S. 51. Er argumentiert, dass die natürlichen Marktverschiebungen bei Neueinführungen zuvor »wegen noch unzureichend entwickelter Vorhersagemethoden« nicht untersucht werden konnten.

208

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

Käuferkreise erschloss. Unter diesem Fokus strengte Volkswagen 1970 im Sportfahrzeugsektor eine Analyse für das Gemeinschaftsprojekt VW-Porsche 914 und den Opel Sportcoupé GT an. »Beide Modelle«, urteilte die VW-Marktforschung, »haben nur mit einem Viertel ihrer Verkäufe andere Modelle ihrer Marke substituiert, während 75 Prozent echte Zusatzverkäufe waren.«66 Die Produkte stießen also mit großem Erfolg in ein bislang nicht bedientes Marktsegment vor. Weniger erfreulich waren dagegen die Ergebnisse einer 1968 präsentierten Studie zum Mittelklassewagen VW 411. Er erreichte nur geringe Eroberungsraten und kannibalisierte den Käfer-Absatz.67 Erst ab etwa 1970 setzten VW und BMW auf Segmentationsanalysen, um alle Marktfelder kontinuierlich und systematisch zu beobachten.68 Hiermit verband sich jedoch nicht nur ein tiefgreifender inhaltlicher Wandel in den Konzepten, sondern auch in den Methoden der Informationssammlung. Zwei Neuerungen waren zentral: Erstens basierten die Daten erstmals auf repräsentativen Befragungen von Neuwagenkäufern. Die Primärerhebungen begannen sich nun auch bei den einheimischen Herstellern zu etablieren.69 Zweitens griffen die betrieblichen Marktforschungsabteilungen beim Einsatz der neuen Umfragetechniken erstmals auf externe Expertise zurück. Für die Käfer-Studie ließen sich die Wolfsburger ab 1963 von der Firma infratest beraten. Das Münchner Unternehmen half bei der Auswahl der Probanden und konzeptionierte den Fragebogen, mit dem die Neuwagenkäufer um Auskunft über Marke, Typ und Haltedauer ihres Vorbesitzfahrzeuges gebeten wurden. Die Durchführung, Codierung und tabellarische Zusammenfassung der Ergebnisse übernahm infratest komplett.70 Diese Art der Zusammenarbeit erwies sich im weiteren Verlauf als typisch für die Branche. Während die Betriebsabteilungen weniger aufwendige sekundärstatistische Marktanalysen selbst erstellten, arbeiteten sie im Bereich Primärforschung mit kommerziellen Marktforschungsinstituten zusammen. Zur Auswahl stand eine ganze Reihe von Unternehmen, zwischen denen die Auftraggeber je nach Zuschnitt der gewünschten Studie relativ häufig wechselten.71 Allein bis Ende der 1950er Jahre etablierten sich in Deutschland rund zwanzig Markt- und Meinungsforschungsinstitute.72 In der Automobilbranche er66 UVW, 69/440/1, Markteinführungsbericht VW-Porsche 914/Opel GT vom 8.7.1970, S. 2 f. 67 Vgl. ebd., Segment-Analyse 1. Halbjahr 1969 – Neuwagenkäufer-Studie 1967, S. 2. 68 Vgl. ebd., S. 1 u. BMWGA , UA 1476, BMW-Kundenanalyse vom 25.1.1971. 69 Vgl. Jagoda, Produktpolitik, S. 47. 70 Vgl. UVW, 69/440/1, Arbeitsablauf bei Primärerhebungen, o. Dat. [1969]. 71 So arbeitete etwa VW allein zwischen 1963 und 1970 mit infratest, dem Institut TOP für Marketing sowie Allensbach zusammen, BMW kooperierte mit Allensbach, dem Institut für Marktpsychologie und Kapferer & Schmidt. 72 Neben deutschen Gründungen, wie etwa dem Institut für Marktforschung und Marktermittlung Emnid (1945), dem Institut für Demoskopie Allensbach (1947), K+S Dr. Kapferer & Dr. Schmidt Gesellschaft für Wirtschaftsanalyse und Markterkundung (1946) oder infratest (1949), eröffnete eine Reihe US -amerikanischer Firmen deutsche Dependancen.

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

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reichten allerdings nur das Institut für Demoskopie Allensbach und infratest eine dominante Bedeutung. Sie errichteten konkrete Studienbereiche für Automobil und Verkehr.73 Durch eine Vielzahl an Projekten, die sie im Auftrag von Politik, Presse und Wirtschaftsunternehmen in diesem Forschungsfeld durchführten, offerierten sie spezialisiertes Wissen. Mit ausgearbeiteten Studienkonzepten für mögliche Untersuchungen traten sie gerade zu Beginn der 1970er Jahre aktiv an die betrieblichen Marktforschungsabteilungen heran.74 Die Kooperation mit den Externen führte dazu, dass konzeptionelle und methodische Trends der Marktforschung nun rasch an alle Branchenunternehmen herangetragen wurden. Die kommerziellen Institute vermittelten somit Marketing-Know-how an die Unter­ nehmen und sorgten zugleich für eine relativ zeitgleiche Diffusion dieses Wissens. Neben der größeren Erfahrung in der Primärforschung begründeten auch die oft zu geringen personellen Kapazitäten in den noch kleinen firmeneigenen Abteilungen die Zusammenarbeit mit den Dienstleistungsunternehmen. Oft waren die Betriebsabteilungen nicht in der Lage, Befragungsaktionen allein zu bewältigen. Zudem hätte der Aufbau einer eigenen Riege von Marktforschern hohe dauerhafte Personalkosten bedeutet. Für die eher punktuell anfallende Arbeit galt dies als unangemessen. Ein weiterer, weniger pragmatischer als inhaltlicher Grund ergab sich aus dem Fokus der Marktstudien auf den Wettbewerbsvergleich. Segmentationsanalysen – und später alle weiteren quantitativen und qualitativen Forschungsaktivitäten  – richteten spezifische Anforderungen an die Erhebungsmethoden. So machte es wenig Sinn, die Wanderung der Konsumenten zwischen den Marken und Modellen zu rekonstruieren, indem man ausschließlich den eigenen Kundenkreis in den Blick nahm. Die Befragungen mussten sich auch an die Käufer konkurrierender Fabrikate richten, um ein repräsentatives Bild zu gewinnen. Um die Kunden fremder Hersteller überhaupt zur Teilnahme an einer Umfrage zu bewegen, fehlte es den betrieblichen Marktforschungsabteilungen nicht nur an Neutralität, sondern auch, rein praktisch, an Kontaktadressen. Mit der wachsenden Bedeutung, die den neuartigen Marktforschungsstudien in der Branche beigemessen wurde, stieg zudem der Aufwand zur Durchführung der Primärerhebungen nochmals deutlich an. Der Befragungsradius dehnte sich auf einen immer größeren Kreis an Marken und Produkten aus. Führte infratest bei der Käfer-Studie 1963 noch rund 2.200 Befragungen durch, erforderten die turnusgemäßen Untersuchungen für alle VW-Produkte erheblich mehr AufDarunter befanden sich mit AC Nielsen, dem Gallup-Institute oder dem Institute for Motivational Research von Ernest Dichter (ab 1948 in Zürich, 1971 Frankfurt / M.) einige Pioniere der kommerziellen und politischen Marktforschung, vgl. Schröter, Marktforschung, S. 325 f. 73 Vgl. Institut für Demoskopie Allensbach (Hrsg.), Auto-Report 1964/1965, Studie im Auftrag der Zeitschrift auto motor und sport, Allensbach 1965. 74 Vgl. u. a. BMWGA , UA 1344, infratest Wirtschaftsforschung, Pkw-Image. Ein Angebot des Studienbereichs Automobil und Verkehr, Anschreiben an alle deutschen Automobilanbieter, März 1973.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

wand. Allein der Umfang der Stichprobe dehnte sich auf fast 4.000 Besitzer von geschätzt etwa zwanzig unterschiedlichen Neuwagentypen aus.75 Auch hier spiegelt sich die erhöhte Wettbewerbsintensität des Automarktes wider, auf dem eine immer größere Anzahl von Produkten miteinander in Konkurrenz trat. Dies verstärkte wiederum die Relevanz der Markentreue und mithin das gemeinsame Interesse der Hersteller an einer stetigen Beobachtung des Kundenverhaltens. Eine Konsequenz aus allen genannten Faktoren  – des unweigerlich unternehmensübergreifenden Analysehorizonts, des wachsenden Geltungsgewichts, aber auch des erhöhten Kostenaufwandes der Segmentationsstudien – war, dass infratest ab 1972 Gemeinschaftsprognosen für die gesamte Branche anfertigte. Das Marktforschungsinstitut übersandte die Ergebnisse ihrer nun alle Teilmärkte und Modellreihen umfassenden Umfragen einmal jährlich im Sommer an alle deutschen Anbieter.76 Offizieller Auftraggeber war der VDA im Auftrag seiner Mitglieder. Das in der Branche seit Jahrzehnten erprobte Modell einer kollektiven Informationsbeschaffung übertrug sich somit auch auf die primärstatistische Konsumentenforschung. Gleichzeitig indiziert die Vorgehensweise, dass den Segmentationsstudien in der Praxis nun die Rolle eines Standardwerkzeugs zukam, auf das alle Branchenunternehmen zurückgriffen.77 2.2.2 Soziodemographische Käufertypologien Ebenfalls in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre intensivierte die Automobilindustrie ihre Bemühungen, die Konsumenten anhand soziodemographischer Daten zu Beruf, Einkommen, Alter und Geschlecht zu differenzieren. Obwohl sich gerade Angaben zur sozialen Zusammensetzung der Kundschaft besonders eigneten, um Zielgruppen abzubilden, rückten quantitative Erhebungen zur Käuferidentität erst spät und auch nur langsam auf die Agenda der Unternehmen. Noch zu Beginn der Dekade standen derartige Daten nur rudimentär und dezentralisiert in Kundenkarteien zur Verfügung. Hierin sammelten Händler Angaben aus Vertragsunterlagen und sog. Verkaufsmeldekarten, die bei jedem Kaufakt zur Meldung des Halters bei Versicherungen und Zulassungsstellen vorgelegt werden mussten. Sie umfassten zumindest Alter, Geschlecht und Wohnort.78 An75 Vgl. UVW, 69/440/1, Segment-Analyse 1. Halbjahr 1969/Neuwagenkäufer-Studie 1967, S. 1. Anhaltspunkte für die Zahl der verglichenen Automobiltypen gibt eine BMW-Vorbesitzstudie für das Jahr 1970, in: BMWGA , UA 1476, BMW-Kundenanalyse, S. 1–3. Auf die wachsende Kostspieligkeit verweist Klinz, Marktsegmentierung, S. 179. Die konkreten Kosten für Primärerhebungen lassen sich leider keiner Quelle entnehmen. 76 Vgl. HAD, Zahn 292, Bericht der Abt. Marktforschung und Absatzplanung 35/74: Die Auswirkungen der sogenannten Energiekrise vom 15.5.1974, S. 63. 77 Vgl. Hermann Freter / Dietmar Barzen, Segmentierung und Automobilmarkt, in: Marktforschung & Management, 1988, Nr. 3, S. 90; Klinz, Marktsegmentierung, S. 180. 78 In den Quellen sind Hinweise auf »Kaufkarten« und »Verkaufsmeldesysteme« rar. Vgl. UVW, 69/440/1, Bericht: Marktforschung im VW-Konzern, o. Dat. [1969].

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

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gaben zu Beruf und Einkommen, die gerade für die Bewertung der Kauffähigkeit zentral waren, lagen den Firmen – wenn überhaupt – nur in unsystematischer oder hoch aggregierter Form vor. Solange die Unternehmen diese Daten lediglich nutzten, um das allgemeine Volumen der sog. »aktivierbaren Käuferreserve«79 zu berechnen, zeigten sie wenig Ambitionen, ihre Kundenkenntnisse auszubauen. Selbst als Käuferbefragungen neue Möglichkeiten schufen, die soziale Schichtung der eigenen Kundenklientel zu eruieren, wurden Personendaten zwar miterfasst, aber nicht aktiv ausgewertet.80 Eine größere strategisch-praktische Bedeutung erhielten die Personenbeschreibungen des ›typischen‹ Kunden erst, als sie Ende der 1960er Jahre mit Verhaltensmerkmalen der Haltedauer und des Vorbesitzes kombiniert wurden. Durch diese zweite Segmentierungsebene erhöhte sich die Präzision und Effektivität der Studien: Verschiebungen in der Kundenstruktur und Veränderungen im Käuferverhalten konnten nun wechselseitig auf ihre Bezüge überprüft, die Kaufentscheidung mithin direkt mit dem Kunden in Beziehung gesetzt werden.81 Für diese Mischung aus Verhaltens- und Personentypisierung ist auf die ersten »Kundenanalysen«82 von BMW zu verweisen, die im Winter 1970/71 zum Einsatz kamen. Sie setzten die Informationen zum Vorbesitz zunächst in Bezug zur Berufszugehörigkeit der Neuwagenkäufer.83 Das Ziel lautete, berufsgebundene (und damit indirekt einkommensabhängige) Aufsteigereffekte in den Kundenwanderungen zu identifizieren. Diese zunächst nur ausschnitthafte Betrachtung hatte einen einfachen Grund: Der Wechsel von einer niedrigeren in eine höhere Produkt- bzw. Preiskategorie galt als entscheidende Bruchstelle in der Kundenloyalität. Konnte die Marktforschung diese aufdecken, half sie den Marketingabteilungen, potentielle neue Käufergruppen für die eigene Marke zu gewinnen.84 Die Befunde der ersten BMW-Kundenanalyse richteten sich gezielt auf die Abwerbung. Sie ließ erkennen, dass VW Käfer-Besitzer dazu tendierten, ihre Fahrzeuge nach durchschnittlich drei Jahren abzugeben. Speziell Selbständige und Freiberufler unter den VW-Fahrern neigten dazu, sich einen größeren Pkw anzuschaffen. Dies machte sie zu potentiellen Kaufinteressenten für das kleinste BMW-Modell 1600. »Diese Zielgruppe ist aufstiegswillig«85, konstatierten die 79 Vgl. zu den einkommensbezogenen Absatzprognosen: Art. »Modellpolitik und Absatzstrategie«, in: Das Autohaus vom 21.9.1965, S. 1062. 80 Vgl. UVW, 174/245/120, Einführung eines neuen Modells, Planungsmodell des Vorstandsbereichs Verkauf am Beispiel des VW 411, 1968. Hier wurde zwar aufgeführt, dass bei der Primärerhebung auch Kundendaten erfasst wurden, in der Beurteilung der Ergebnisse spielten sie aber keine sichtbare Rolle. 81 Vgl. Hansen / Bode, Marketing, S. 154. 82 BMWGA , UA 1476, BMW-Kundenanalyse vom 25.1.1971. 83 Vgl. ebd., UA 1464, Marktforschungsbericht 4/74: BMW-Marktstatistik Inland. Analyse der BMW-Kunden nach Berufszugehörigkeit und Vorbesitzfahrzeug, 1971–1973. 84 Vgl. exemplarisch: UVW 69/530/2: Bericht: Marktforschung im VW-Konzern: Grundlehrgang für Führungskräfte der VW AG , 2. Phase 1971, insbes. Unterpunkt 2. 85 BMWGA , UA 1476, BMW-Kundenanalyse vom 25.1.1971, insbes. Aktionsempfehlungen der Marktforschung, S. 13; zudem die Herleitung, S. 10 f.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

Marktforscher. Um sie »für BMW zu erobern«, seien »vorbereitende Sicherheitsmaßnahmen« nötig, hieß es fast schon martialisch im breitesten MarketingSlang: »Die Entschlüsse, einen BMW 1600 zu kaufen, sollten […] durch gezielte Aktionen zentral im Werk vorbereitet werden.«86 Erstmals setzte BMW Direct Mail-Kampagnen ein. Diese wandten sich an die Halter von rund zweijährigen VW-Fahrzeugen, welche sich zu diesem Zeitpunkt potentiell gerade mit der Anschaffung eines neuen Pkw beschäftigten. Ihre Aufmerksamkeit galt es auf das BMW-Angebot zu lenken. Mit der zunehmenden Präzision ihrer Befunde veränderte sich die Rolle, in der sich die Marktforschung innerhalb der unternehmerischen Entscheidungsstrukturen selbst verortete. Selbstbewusst verband die BMW-Marktforschung die interne Präsentation der Kundenanalyse mit dem Anspruch, nicht mehr nur Bericht zu erstatten, sondern konkrete Handlungsempfehlungen an die Entscheidungsträger abzugeben: [Die Marktforschung] macht in dieser und den folgenden Kundenanalysen Vorschläge, welche Aktivitäten auf Grund der Basisdaten und der von uns durchgeführten Befragungsaktionen zu empfehlen sind. […] Wir weisen darauf hin, dass die Marktforschung nicht nur Marktdaten und Marktbewegungen registriert, sondern […] die Argumentation liefert, die dem BMW-Interessenten und Kunden gegenüber kaufentschlussfördernd ausgespielt werden können.87

Primäres Ziel sei es, Verkaufsaktionen »auf bestimmte Konkurrenzprodukte und deren Käuferpotential zu planen. […] Planen – Zielen – Durchführen [Hervorhebung im Original] sollte das Motto sein«88, um einen höchst möglichen Wirkungsgrad zu erreichen, folgerte der Leiter der Abteilung. Dabei mahnte er zugleich eine stärkere Vernetzung der Marketingaktivitäten der Marktforschung, Verkaufsleitung und Werbung innerhalb des Unternehmens an. Gewissermaßen von der Basis aus drängte die Marktforschung nicht weniger als auf eine Reorganisation und Aufwertung ihrer Position in der Betriebshierarchie. Auch technische Innovationen ließen das Selbstbewusstsein der Marktforscher noch ansteigen. Nach einer rund zweijährigen Testphase konnte die BMW-Marktforschung 1971 von einer ›händischen‹ auf die EDV-gestützte Auswertungen von Verhaltens- und Personendaten umsteigen.89 Auf der Basis mathe­matisch deutlich komplexerer Faktorenanalysen entwickelten sie die Segmentations86 Ebd., S. 13. 87 Ebd., BMW-Kundenanalyse (Zweite Fassung: Vorlage für den Vorstand), VPM-Marktforschung vom 25.1.1971, S. 1. 88 Ebd., BMW-Kundenanalyse (Erste Fassung: Vorlage für die Hauptabteilungsleiter Verkauf) vom 10.12.1970, Vorwort Dr. Stammler, S. 1. 89 Vgl. ebd., BMW-Kundenanalyse (Verkauf)  vom 10.12.1970, S. 13. Vermutlich seit dem letzten Drittel der 1960er Jahre arbeiten alle deutschen Automobilkonzerne mit Hochdruck an der Implementierung von Rechner gestützten Analyseprogrammen. Leider waren Informationen zur Einführung der EDV in der Marktforschung für andere Hersteller in den überlieferten Quellen nicht zu eruieren.

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

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studien zu regelrechten Käufertypologien weiter. Nun haben wir erstmals die Möglichkeit zur »umfassenden Kennzeichnung des typischen BMW-Fahrers bzw. potentieller BMW-Kunden«90, behauptete die Marktforschung. Tatsächlich waren die Einblicke der Käufertypologien in die soziale Schichtung und demographische Verteilung der Kundenstrukturen kaum detaillierter zu zeichnen: Für alle vier Baureihen wurden die Käufer in fünf Altersklassen, vier grobe (Arbeitnehmer, Selbständige, Freiberufliche, Sonstige) und 20 feiner gegliederte Berufsgruppen, in sieben Kategorien des Haushaltseinkommens und – verteilt auf die jeweiligen Bundesländer – in sechs Wohnortgrößenklassen eingeordnet. Ergänzt wurden die Kriterien durch Angaben zum Geschlecht, Durchschnittsalter und -einkommen. Kurze Käuferprofile fassten die Ergebnisse für die jeweiligen Produktgruppen zusammen. Für die Fahrer der »kleinen BMW (1602–2002)« hieß es z. B., sie »sind im Durchschnitt zwischen 30 und 40 Jahre alt, von Beruf […] überwiegend Arbeitnehmer, wobei die kaufmännischen und technischen Angestellten die größte Gruppe darstellen. Die Haushaltsgröße übersteigt in der Regel nicht die Zahl von 3 Personen und das durchschnittliche Nettoeinkommen […] liegt unter 3.000 DM.«91 Für die größeren, sportlichen Modelle stellte man dagegen eine Konzentration von Selbständigen, Vertretern, Reisenden und Ärzten fest, deren Einkommen fast doppelt so hoch lag.92 Wie Tabelle 20 zeigt, verkoppelte die BMW-Marktforschung die Kunden­ profile nicht mehr nur mit der Entwicklung der Vorbesitzstrukturen. Sie weitete das Spektrum der Verhaltensmerkmale erstmals auch auf Kauf- und Nutzungsgewohnheiten aus. Der Unterpunkt ›PKW-Verhaltensweisen‹ vermerkte Haltedauer und jährliche Fahrleistungen, konzentrierte sich dabei aber vor allem auf eine zentrale zeitliche Determinante der Kaufentscheidungen: Wie viele Wochen vor dem Kauf entschieden sich die Kunden für ein bestimmtes Produkt? Welche Informationsquellen nutzten sie, bevor sie ihren Entschluss fällten? Mit diesen Fragen zielte die Marktforschung ganz konkret darauf, das Timing von Verkaufs- und Werbeaktionen zu verbessern. Hilfreich erwies sich zu diesem Zweck auch, dass die Käufertypologie 1973 erstmals Angaben zum Leseverhalten ihrer Kunden aufnahm.93 Diese gaben der Werbeabteilung damit Hinweise für eine möglichst effektive Medienauswahl der eigenen Kampagnen. Zugleich aber lehnten sich die BMW-Marktforscher eng an die neuartigen Verbrauchertypologien der GfK an, die die Lesergruppierung zwecks Identifikation von Meinungsmultiplikatoren als zusätzliches psychologisches Marktsegmentierungselement vorschlug.94

90 BMWGA , UA 1464, BMW-Käufer-Typologie Inland 1973, Zielsetzung und Anlage der Untersuchung, S. 1. 91 Ebd., BMW-Käufer-Typologie Inland 1973, Sozioökonomische Struktur, S. 3 f. 92 Vgl. ebd. 93 Siehe ebd., S. 18. 94 Vgl. zum 1968 präsentierten Marktmodell der GfK: Gasteiger, Konsument, S. 147–150.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

Tab. 20: Käufertypologie der Zielgruppe ›kleiner BMW‹ (1973) Merkmale

Vorbesitzanteil Haltedauer des Vorbesitz­ wagen (in J.)

Fahrer der kleinen BMW-Typen mit … (in v. H.)

BMWVorbesitz

VWVorbesitz

FordVorbesitz

45

18

10

2,4

3,5

3,3

OpelVorbesitz

FiatVorbesitz

9

6

2,5

2,2

Kleine BMW 1973

Vergleich 1972

Sonstiger Vorbesitz 11 2,9

100 2,7

2,9

38

37

35

36

34

38

37

35

Kaufm. Angestellte

25

16

30

27

40

24

25

24

Techn. Angestellte

20

25

14

15

18

14

19

21

Beamte

10

14

21

13

8

18

13

11

Arbeiter /  Handwerker

15

16

21

10

8

14

15

14

Selbständige

13

9

4

25

10

12

12

12

Freiberufliche

13

13

7

6

8

9

11

12

4

7

3

4

8

9

5

6

1 Person

10

25

3

12

5

14

13

16

2 Personen

35

36

32

40

42

37

36

64

3 Personen

28

24

42

24

21

29

28

4 und mehr Personen

27

15

23

24

32

20

23

20

2.700

2.600

2.600

2.800

2.900

2.800

2.600

Durchschnittsalter der Käufer (in J.) Berufsgruppen

Sonstige Haushaltsgröße

Haushaltseinkommen monatliches 2.900 Nettoeinkom­ men (in DM)

215

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren  Merkmale

Fahrer der kleinen BMW-Typen mit … (in v. H.)

BMWVorbesitz

VWVorbesitz

FordVorbesitz

OpelVorbesitz

FiatVorbesitz

Kleine BMW 1973

Vergleich 1972

Sonstiger Vorbesitz

Informationsquellen für Kauf eigene Erfahrungen

89

15

16

8

24

17

49



Erfahrungen von Freunden

11

58

54

63

54

52

36



Testberichte der Presse

18

29

26

33

16

26

23



Prospekte

10

29

46

35

38

26

23



Händlerbesuch

9

33

37

33

24

29

22



10

27

25

25

24

25

18



2

2



2

19

2



5,7

7

5,8

5

5,7



Probefahrt Anzeigen in Zeitschriften



Zeitpunkt der Kaufentscheidung für BMW Wochen vor den Kauf

3,7

5,3

Quelle: BMWGA , UA 1464, BMW-Käufer-Typologie Inland 1973, S. 10.

Auch wenn BMW die Daten zur Mediennutzung faktisch noch eher zur Bestimmung passender Werbeträger als zur Kundentypisierung nutzte, wies die quantitative Marktforschung nun deutliche Schnittmengen zum qualitativen Analysefeld auf. So lautete eines der Ergebnisse: Der bedeutendste Einflussfaktor bei der Wahl der Marke BMW ist eine positive Erfahrung mit BMW, die nicht nur der eigenen Entscheidung zugrunde gelegt, sondern auch an Freunde und Verwandte weitergegeben wird und deren Kaufverhalten beeinflusst. Eine Besichtigung des Wagens, Probefahrten oder die Durchsicht von Prospekten dürften als wichtigste Informationsquellen gelten […]. Die Entscheidung erfolgt […] etwa einen Monat vor Abschluss […] in der Regel vom Ehemann, gelegentlich zusammen mit der Ehefrau.95 95 BMWGA, UA 1464, BMW-Käufer-Typologie Inland 1973, Sozioökonomische Struktur, S. 2.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

Das Beispiel zeigt, dass sich die betriebliche Marktforschung davon löste, ausschließlich die Resultate der Produktwahl zu dokumentieren. Indem sie dazu überging, auch den Prozess der Kaufentscheidung so weit wie möglich empirisch zu rekonstruieren, richtete sich ihr Augenmerk nun auch auf verhaltensbestimmende Faktoren des Autokaufs. In der Gesamtsicht zeigte sich ein Trend, die Abstraktionsebenen des methodischen Zugangs stetig zu verringern. Basierten Marktanalysen zu Beginn der 1960er Jahre zunächst nur auf indirekten Ableitungen der Absatzsituation, ging man dazu über, die Nachfrageentwicklung im Spannungsfeld zwischen Kunde, Produkt und Wettbewerb unmittelbar zu beobachten.96 Durch eine detaillierte Beschreibung von Zielgruppen und Kaufgewohnheiten fokussierten die Prognosen nun stärker auf den Faktor Kunde. Gewissermaßen in diesem Dreischritt von angebots- über nachfrage- zu kundenbasierten Segmentierungsmodellen schälte sich zwischen der Mitte der 1960er und dem Beginn der 1970er Jahre der neue Schwerpunkt der Konsumentenforschung heraus. Noch deutlicher lässt sich im Feld der qualitativen Marktforschung nachweisen, dass die Automobilindustrie entgegen der öffentlichen und fachwissenschaftlichen Kritik schon deutlich vor der ersten Ölpreiskrise über ein weitreichendes Verfahrensrepertoire verfügte, um ihre Absatzstrategien an den Bedürfnissen ihrer Kunden auszurichten.

2.3 Die Vermessung des Images, oder: Wer kauft warum? Der Paradigmenwechsel in der Automobilindustrie hin zu kundenorientierten Marktforschungs- und Marketingstrategien zeichnete sich im Verlauf der 1960er Jahre ab. Zunehmend adaptierte die Branche qualitative Techniken der Konsumund Verbraucherforschung. Die ideengeschichtlichen Wurzeln einer Integration von Psychologie und Sozialwissenschaften in den Kanon der Marktforschung finden sich bereits in den 1920er Jahren. Im deutschsprachigen Raum führte die Nürnberger Schule um Wilhelm Vershofen, Erich Schäfer und Ludwig Erhard sowie die Wirtschaftspsychologische Forschungsstelle in Wien, an der u. a. Paul Lazarsfeld, Ernest Dichter und George Katona arbeiteten, den Absatz von Konsumgütern nicht mehr allein auf rationale Bedarfsfaktoren, sondern vor allem auf die emotionalen Bedürfnisse der Konsumenten zurück.97 Durch psychoanalytische Umfragetechniken versuchten sie frühzeitig, Kaufmotive zum Vorschein zu bringen. Während die Käuferforschung allerdings in Deutschland während des Zweiten Weltkrieges an Bedeutung verlor – nicht zuletzt, da einige ihrer führenden Vertreter emigrieren mussten –, verknüpften sich die Ansätze in den USA mit Traditionslinien der Marketingwissenschaft. In den 1940er und 1950er Jahren hob das psychologisch 96 Zur Unterscheidung zwischen indirekten und direkten Marktanalysen siehe Jagoda, Produktpolitik, S. 51 f. 97 Vgl. Vershofen, Handbuch, S. 71.

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

217

und verhaltenswissenschaftlich fundierte Scientific Marketing nicht zuletzt auch die Marktforschung aus ihrer klassisch beschränkten Rolle einer Hilfsfunktion zur Absatzförderung, die ihr die traditionell produktionsorientierte betriebswirtschaftliche Lehre über Jahrzehnte zugewiesen hatte.98 In der Marktforschung erlangte die sog. Motivational Research besondere Dominanz.99 Sie verdankte ihre wesentlichen Impulse Ernest Dichter. Nach der Emigration in die USA hatte er seine in Wien begonnenen Studien zu einem multidimensionalen Konzept der Konsumpsychologie ausgebaut, welches auch in Deutschland ab den 1950er Jahren unter dem Begriff der Motivforschung breit rezipiert wurde. Als Movens des Käuferverhaltens identifizierte die Motivforschung die sozialen und emotionalen Wünsche der Konsumenten. Ihr Anspruch, diese oft unterbewussten Konsumdispositionen aufzudecken, war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr innovativ; neu aber war, dass sie die psychologische Marktforschung in eine strategische Methodenlehre für das unternehmerische Marketing umformulierte. Durch die Bildung von emotionalen Produktbildern, den sog. Images, sollten sich die Motive der Kunden gezielt ansprechen und neue Bedürfnisse generieren lassen.100 Das Imagekonzept der Motivforschung basierte auf der Vorstellung, dass die Austauschbeziehungen des Marktes wesentlich durch die symbolischen Bedeutungsinhalte von Produkten und Unternehmen beeinflusst werden.101 Ein Konsumgut – und insbesondere ein Markenartikel – versinnbildlichte nach dieser Lesart stets den sozialen und emotionalen Zusatznutzen, der sich mit seinem Kauf verband. Durch die Gestaltung von Produkten, vor allem aber durch eine gezielte Werbung, galten die symbolischen Botschaften als manipulierbar. Jedes Produktbild, so die Überzeugung, könne von Unternehmen und Werbeberatern so weit konstruiert werden, dass es sich an die psychologische Motivlage potentieller Kunden anpasse und auf Wunsch neue Gefühlsstimmungen, emotionale Assoziationen und Appelle auslöse. Hierdurch ließen sich die Kunden unterbewusst zum Kauf animieren.102 Die Motivforschung setzte Werbelehre, Marktforschung und letztlich auch die Produktgestaltung unter dem Paradigma einer aktiven Gestaltung von Bedürfnissen in eine systemische Verbindung zueinander. Mit ihrer Fokussierung auf Kaufmotive und Images schuf sie eine neue Basis für die betrieblichen Marktanalysen. Der deutschen Automobilindustrie gab sie wichtige Anstöße für eine neue Sicht auf die durch symbolische Bedeutungs-

98 Vgl. Bubik, Geschichte, S. 155. 99 Vgl. Jürgen Gries, Die Geburt des Werbeexperten aus dem Geist der Psychologie. Der ›Motivforscher‹ Ernest W. Dichter als Experte der Moderne, in: Berghoff / Vogel, Wirtschaftsgeschichte, in: dies. (Hrsg.), Wirtschaftsgeschichte, S. 353–375. 100 Vgl. Gasteiger, Konsument, S. 94–97, der sich detailliert mit den Ansätzen von Pierre Martineau und Ernest Dichter auseinandersetzt. 101 Vgl. Dichter, Strategie, S. 135. 102 Siehe Reinhold Bergler, Psychologie des Marken- und Firmenbildes, Göttingen 1963. Neu auch Logemann / Cross / Köhler, Consumer Engineering.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

inhalte von Produkten und Unternehmen geprägten Austauschbeziehungen des Marktes.103 2.3.1

Die Pkw-Persönlichkeit: Frühe Motivstudien

Die deutsche Automobilindustrie nutzte qualitative Marktforschungsmethoden erstmals gegen Ende der 1950er Jahre. Mit den Kölner Ford Werken griff bezeichnenderweise zunächst das Tochterunternehmen eines US -Automobilkonzerns auf sie zurück. Der Impuls, die eigene Geschäftssituation mit Hilfe eines psychologischen Marktgutachtens analysieren zu lassen, stammte dabei nicht von der deutschen Werksleitung, sondern direkt aus der Konzernzentrale in Detroit.104 Diese zeigte sich beunruhigt, weil die nach amerikanischen Design-Konzepten gefertigten Mittelklassemodelle 12/15M in der Gunst der deutschen Kunden an Zuspruch gegenüber den Modellen von Opel und Borgward verloren. Da in der objektiven Produktbeschaffenheit, also in der Qualität und Leistungsfähigkeit kaum Unterschiede feststellbar waren, musste man davon ausgehen, dass vor allem »psychologische Probleme«105 einem Verkaufserfolg entgegenstanden. Hinter der Aufgabenstellung, das Konkurrenzfeld ›Mittelwagenmarkt‹ zu untersuchen, verbargen sich allgemeinere Ziele: Es galt Konzernmanager von Ford ganz grundlegend über die »psychologischen Momente«106 aufzuklären, die auf den schnell wachsenden deutschen Automobilmarkt wirkten. Die Suche nach emotionalen Beweggründen für die Produktauswahl begründete sich in Informationsdefiziten. Die Kaufgewohnheiten waren kaum bekannt bzw. folgten unerwarteten Mustern. Der deutsche Kunde legte in der Phase des ökonomischen Wiederaufbaus andere Präferenzmuster an den Tag als sein US -amerikanischer, im Massenkonsum erprobter Pendant. Hier zeigte sich, dass die Vorstellung, die Gesellschaftsentwicklung der USA als Referenzfall nutzen zu können, an ihre Grenzen stieß.107 Strukturen und Formen der deutschen Konsumgesellschaft trugen eigene Charakteristika. Den Auftrag zur Untersuchung des deutschen Automarktes erteilte die Ford Motor Company 1959 direkt dem Doyen der Motivforschung, Ernest Dichter. Dieser hatte das Automobil schon in den USA bevorzugt als Untersuchungs- und Anschauungsobjekt für seine Motivtheorie genutzt. Bereits 1940 erstellte er im 103 Vgl. Dichter, Strategie, S. 135–138. 104 Vgl. HML , Ernest Dichter Papers, 2407, Box 37, 885.5A, Memorandum von George Brown, Director of Consumer Research des Institute of Motivational Research, an die Ford Motor Company vom 28.3.1957, S. 3. 105 So lautete zumindest die Aufgabenstellung für die Motivstudie: Ebd., 885.5G, Schlussrapport einer Motivstudie über die Verkaufsprobleme der Firma Ford in Deutschland, vorgelegt vom Institut für Motivforschung, Zürich, von Ernest Dichter, Oktober 1959, S. 3. 106 Ebd., S. I (Vorwort). 107 Vgl. Kleinschmidt, Blick, S. 400.

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

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Auftrag von GM eine erste Studie über die »Psychologie des Automobilkaufs«108, die in seinem Buch Strategy of Desire auszugsweise veröffentlicht wurde. Er folgten weitere Auftragsarbeiten für US -Autofirmen, bevor sich Dichter mit dem Ford-Gutachten erstmals mit einem ausländischen Pkw-Markt befasste.109 200 Ford- und Opel-Fahrer wurden Tiefeninterviews, projektiven Bild-ErzählVerfahren und Assoziationstests unterzogen. Als Referenzgruppe nahmen auch VW-Besitzer an den Umfragen teil. Sie sollten als »potentielle Ford- und Opelbesitzer von morgen«110 ohne bisherige Bindungen an eine der beiden Marken als Korrektiv für die Bewertungen fungieren. Dichter persönlich nahm die Interpretation der eruierten Meinungsbilder vor. Zugespitzt auf die Aussage, »der vermenschlichte Wagen ist ein Spiegelbild seines Fahrers«111, stellte er in seinem Schlussrapport die besondere Symbolkraft des Konsumguts Automobil heraus und erläuterte das theoretische Grundgerüst der Motivanalyse. Hiernach kamen dem Produkterwerb zwei zentrale psychologische Funktionen zu: Der Kauf diene erstens als Ausdrucksmittel, mit dem ein Kunde seine sozioökonomische Position innerhalb der Gesellschaft nach außen dokumentiere. Maßgebliches Motiv für die Pkw-Wahl sei es, ein statusund identitätsgerechtes Fahrzeug zu finden, welches sich als verlässliche Fassade für die eigene Persönlichkeit eigne. Nur wenn das Automobil »ebenso fahr- wie stilsicher ist, droht auch dem Fahrer keine Gefahr.«112 Das Produkt erfüllt seine psychologische Funktion, soziale Sicherheit zu vermitteln. Zweitens, so Dichter, bildeten sich in der Produktwahl die charakterlichen Eigenschaften, Vorstellungen und Wünsche der Konsumentenpersönlichkeit ab. Individuelle Einstellungen und Wahrnehmungen spiegelten sich hiernach unbewusst in den spezifischen Präferenzen für Produktmerkmale wider.113 »Ihr Auto soll die guten Eigenschaften besitzen, die sie selbst zu haben glauben oder haben möchten«, beschrieb Dichter die Rückkopplung zwischen den Erwartungen, die ein Käufer an sich selbst und an das Produkt als »seinen Kameraden«114 richtete. Als Exempel für diesen psychologischen Transfer zwischen Käuferidentität und Produktvorstellungen verwies er auf die mutmaßlich noch auf den Kriegserlebnis­ sen basierende Treue, die ein deutscher Autobesitzer seinem Wagen – im Gegensatz zu den meisten amerikanischen Käufern – entgegenbringe. Seine Loyalität setze der Konsument auf das Produkt um, indem er von dem Objekt seiner Wahl vor allem Langlebigkeit und technische Zuverlässigkeit einfordere.115

108 Zit. nach der deutschen Ausgabe: Dichter, Strategie, S. 319. 109 Vgl. HML , Ernest Dichter Papers, 2407, Box 37, 885.5A, Memorandum von George Brown an die Ford Motor Company vom 28.3.1957, S. 3. 110 Ebd., 885.5G, Schlussrapport Oktober 1959, S. I (Vorwort). 111 Ebd. 112 Ebd., S. 15 f. u. 65 f. 113 Vgl. Jagoda, Produktpolitik, S. 35 f. 114 HML , Ernest Dichter Papers, 2407, Box 37, 885.5G, Schlussrapport, S. 14. 115 Vgl. ebd., S. 15.

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Die Vorstellung eines durch unterbewusste Bedürfnisse gesteuerten Konsumenten interpretierte damit den Prozess der Kaufentscheidung aus einem veränderten Blickwinkel und setzte – wenn auch im Verlauf der 1960er Jahre nur langsam – neue Standards für Marktanalysen. Unter Verweis auf Dichter deutete der Marktforscher und Betriebswirt Heinrich Jagoda den Kauf eines Automobils 1972 schließlich als ein »Aufeinanderprallen der Persönlichkeit des Käufers mit der des Wagens.«116 Es sei entscheidend, ob ein Konsument dem Fahrzeug eine passende symbolische Bedeutung zuspricht, um seiner Persönlichkeit nach innen und außen adäquat Ausdruck zu verleihen. Als Persönlichkeit des Produktes definierte die Motivforschung daher ein Bündel subjektiver Charakteristika, gebildet durch »die geistige Einstellung des Konsumenten zum Produkt, die Stimmung, die es zu verbreiten in der Lage ist, die Symbole, die es verkörpert, die Assoziationen, die es auslöst, die Appelle, mit denen es sich an die Gefühle der Verbraucher wendet und schließlich seine Geschichte.«117 Weniger den gegenständlichen Leistungsmerkmalen eines Pkw als vielmehr seinen emotionalen Zuschreibungen sei daher kaufentscheidende Wirkung zuzumessen. »Nicht die objektive Produktbeschaffenheit einer Ware ist die Realität in der Marktpsycho­ logie, sondern einzig die Verbrauchervorstellung«118, stellte Bernt Spiegel in Anlehnung an Dichter 1961 als Leitsatz der qualitativen Marktforschung heraus. Um erfolgreich zu sein, habe ein Unternehmen das Ziel zu verfolgen, die symbolische Bedeutung seiner Produkte an die psychologischen Bedürfnisse seiner Kunden anzupassen. Als wichtigstes Werkzeug galt die Werbung, mit der jedes Modell mit Assoziationen aufgeladen werden konnte, die die Bedürfnisse der Konsumenten direkt ansprachen.119 Als Aufgabe und zugleich Versprechen an die Auftraggeber propagierte Dichter die psychologische Vertriebsberatung. Den Automobilkonzernen galt es Hinweise zu geben, in welche Richtung Produktprogramm und -kommunikation weiterzuentwickeln waren, um die Attraktivität des Angebots zu steigern.120 Bis heute gilt dieser Anspruch nahezu unverändert als Leitidee des kommerziellen Marketings – nicht nur in der Automobilindustrie. Der Markterfolg, so formulieren Clark und Fujimoto 1992, basiert noch 116 Jagoda, Produktpolitik, S. 35; Joseph William Newman, Motivation Research and Marketing Management, Boston 1957, S. 36 f. 117 Ernest Dichter, Handbuch der Kaufmotive. Der Sellingappeal von Waren, Werkstoffen und Dienstleistungen, Düsseldorf / Wien 1964, S. 479. 118 Bernt Spiegel, Die Struktur der Meinungsverteilung im sozialen Feld: das psychologische Marktmodell, Bern u. a. 1961, S. 29 f. Vgl. zu den synonymen Begriffen ›Image‹ und ›Produktpersönlichkeit‹: Georg Bergler, Motivforschung, Handbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 7, Stuttgart / Tübingen / Göttingen 1961, S. 461; Volker Trommsdorff, Die Messung von Produktimages für das Marketing. Grundlagen und Operationalisierung, Köln u. a. 1975, S. 20. 119 Vgl. Art. »Die Einflüsterer«, in: Der Spiegel vom 7.8.1957, S. 38–42; eine Übersicht motivanalytischer Ansätze bietet Gasteiger, Konsument, S. 99–103. 120 Vgl. HML , Ernest Dichter Papers, 2407, Box 37, 885.5A, Memorandum von George Brown, Director of Consumer Research des Institute of Motivational Research, an die Ford Motor Company vom 28.3.1957, S. 3.

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heute im Wesentlichen auf der »externen Integrität« des Angebots, dem Maß also, inwieweit Anbieter in der Lage sind, eine »Übereinstimmung von Produktfunktion, -struktur und -semantik mit Erwartungen, Wertvorstellungen, Lebensstil, Nutzungsarten und Selbstverständnis beim Kunden«121 herzustellen. Über diesen Punkt wurden sich Theorie und Praxis offenbar seit den 1960er Jahren einig. Ebenso wie diese Leitsätze erwiesen sich auch die Verfahrensweisen als wegweisend für alle späteren qualitativen Ansätze. In der Ford-Studie stellte Dichter drei psychologische Marktdeterminanten vor: die Konsumentenpersönlichkeit, das Produktbild sowie das Marken- und Firmenimage.122 In einem ersten Schritt richtete sich seine Ist-Analyse auf Persönlichkeitsprofile der Käufer. Bereits in einem Zwischenbericht evaluierten Dichters’ Marktforscher charakteristische Einstellungsmerkmale von Autobesitzern der Firmen Ford, Opel und VW, jeweils aus der Selbst- und Fremdwahrnehmung der Kundengruppen.123 Nur so könnten Zielgruppen der Werbung definiert, klienteltypische Bedürfniskonstellationen bestimmt und der Grad der Markenidentifikation bewertet werden.124 Im Unterschied zu quantitativen Ansätzen segmentierte seine Motivstudie den deutschen Markt anhand psychografischer Kriterien. Trotz dieses hohen Anspruches lesen sich die Entwürfe der sog. durchschnittlichen Persönlichkeitsbilder aus der Retrospektive weitgehend als schlichte Ansammlung von Stereotypen und reproduzierten Vorurteilen. Zudem zeigten die Interpretationen des Forschungsinstituts deutlich tendenziöse Züge. So beurteilten sie die Klientel der Auftraggeber auffallend positiv. »Der Opel-Fahrer im Allgemeinen ist gut bürgerlich, nationalistischer und deutsch-bewusster als der durchschnittliche Ford-Fahrer«, hieß es da, »er ist zuverlässig und gut situiert, […] hat wohl gesellschaftliche und soziale Ambitionen, kennt aber seine Grenzen, […] ist bodenständig.« Die konservative Grundhaltung der Opel-Kunden lasse kaum Spielraum für Individualismus oder einen emotionalen Sinn für schönes Pkw-Design. Der Ford-Fahrer dagegen sei »sozial beweglich, modern und weltaufgeschlossen«, »ehrgeizig und weniger pedantisch« und »sportlich«. Ein gutes Abbild seiner Persönlichkeit biete, dass er »Schnelligkeit, Schönheit und Eleganz« liebe.125 Schon hier erweist sich die mangelnde empirische Transparenz der Analyse als Grundproblem, zwischen tatsächlichen Erkenntnissen und spekulativen Annahmen der Motivforscher zu unterscheiden.

121 Kim B. Clark / Takahiro Fujimoto, Automobilentwicklung mit System. Strategie, Organisation und Management in Europa, Japan und USA , Frankfurt / New York 1992, S. 41. 122 Siehe HML , Ernest Dichter Papers, 2407, Box 37, 885.5A, Memorandum von George Brown, Director of Consumer Research des Institute of Motivational Research, an die Ford Motor Company vom 28.3.1957, S. 3. 123 Vgl. ebd., Box 37, 885.4B, Spezial-Vorbericht über gewisse Aspekte der Markentreue bei Ford- und Opel-Fahrern vom 2.9.1959, insbes. S. 1. 124 Vgl. ebd., S. 2 f. 125 Zitate nach ebd., S. 5 sowie HML , Ernest Dichter Papers, 2407, Box 37, 885.5G, Schlussrapport, S. 30 f.

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In einem zweiten Schritt rekonstruierte die Motivanalyse das Produktimage der Mittelklassewagen Ford Taunus und Opel Rekord. Aus den Interviews wurden Informationen darüber zusammengestellt, wie Käufer und Nicht-Käufer die Modelle subjektiv wahrnahmen. Die Analyse nahm mehrere Imageebenen in den Blick: Wie empfinden die Kunden die Bequemlichkeit des Fahrzeuges; wie bewerten sie Design oder Repräsentativität? Waren sie mit ihren Fahrzeugen zufrieden? Was kritisieren sie an Konkurrenzprodukten – ohne diese selbst je aktiv gefahren zu haben? Es ging der Studie somit nicht um direkte Nutzungserfahrungen. Die Frage lautete vielmehr, wie sich Vorstellungen über die soziale Außenwirkung oder das Fahr(er)gefühl aus kollektiven Erinnerungen und Erzählungen Dritter und eigenen Erwartungen zu einem Produktimage verdichteten. Entscheidend sei ausschließlich die kognitive Subjektivität des Produkts, unabhängig davon, ob dies der faktischen Beschaffenheit entsprach.126 Als Ergebnis präsentierte der Bericht eine Auswahl von Meinungsäußerungen. Sie wurden zu Themenbereichen zusammengeführt, kommentiert und interpretiert. Als Kriterien, um aus den Antworten der Probanden das Produktimage zu destillieren, fungierten lediglich die scheinbare Plausibilität der vorgetragenen Argumente sowie die Häufigkeit ihrer Nennung. Am Ford Taunus hoben die eigenen Kunden vor allem den guten Komfort, die Qualität des Motors und sein Aussehen hervor. In den Referenzgruppen erhielt der Wagen gerade in diesen Punkten nur wenig Kredit. Die Studie schlussfolgerte: »Man glaubt vor allem der Motor des Taunus sei weniger dauerhaft als derjenige des Opel-Rekords. Dieses sicherlich subjektive Urteil ist eine Folge der Vermutung, die amerikanischen Firmen hätten an und für sich kein Interesse stabil zu bauen.«127 Auch bei den Beurteilungen des Fahrzeugdesigns fußte die Kritik auf einem zu amerikanischen Erscheinungsbild, mit dem sich der Taunus, so die Äußerung einer Testperson, »sehr vom deutschen Stil abgewandt habe.«128 Die Kunden befürchteten eine »zu amerikanische Fassade könne ihr angestrebtes Persönlichkeitsbild in einem falschen Licht zeigen«129, mutmaßten die Marktforscher. Das amerikanische Image der Ford-Fahrzeuge habe in den entscheidenden sozioökonomischen Käuferschichten für das gefühlsmäßige Vorurteil gesorgt, ein Ford-Pkw passe nicht zum eigenen Persönlichkeitsentwurf. Auf der Basis dieses Befundes hob die Ford-Studie anschließend besonders die Bedeutung des übergeordneten Firmen- und Markenimages als einen dritten, unverzichtbaren Bestandteil jeder Motivstudie hervor. Der wichtigste Unterschied zwischen den Konkurrenzmodellen basierte hiernach nicht auf Konstruktionsoder Leistungsmerkmalen, sondern allein auf der allgemeinen Wahrnehmung 126 Allgemein zu diesem Ansatz: Franz Liebel, Motivforschung. Eine kognitionspsychologische Perspektive, in: Gabriele Naderer / Eva Balzer (Hrsg.), Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis. Grundlagen, Methoden und Anwendungen Wiesbaden 2007, S. 453. 127 HML , Ernest Dichter Papers, 2407, Box 37, 885.5G, Schlussrapport, S. 62. 128 Ebd., S. 67 f. 129 Ebd.

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der Herstellerfirmen. »Ford gilt als amerikanisch – Opel als deutsch«130, konstatierten die Marktforscher. Die Assoziationen zum Unternehmen hätten sich eindeutig auf die Produkte übertragen; Fahrzeug- und Firmenimage seien somit untrennbar miteinander verkoppelt. Allein der Name Ford verbinde sich aus Kundenperspektive eng mit einem unsozialen Produktionssystem. In diesem Punkt wirke die Einführung des Fließbandes als starkes kollektives Erinnerungsfragment nach. Ein amerikanischer Autokonzern betrachte aus deutscher Sicht weder seine Arbeiter noch seine Kunden als Bestandteil einer Firmenfamilie. Sein Ruf eile ihm voraus, durch aggressive Vermarktungsmethoden der planned obsolescence wenig Rücksicht auf die Kundeninteressen zu legen.131 Früh trat in den Meinungsäußerungen hier Kritik an der amerikanischen Konsum- und Wirtschaftskultur hervor – ein Punkt, der wie gezeigt, in der allgemeinen Konsum- und Marketingkritik der 1960er Jahre noch an Relevanz zunehmen sollte. US -Unternehmen galten im Unterschied zur eher korporatistischen deutschen Firmenkultur als ausschließlich profitorientiert ohne soziales Gewissen. Diese Analyse des Firmenimages von Ford setzte Dichter in die bildhafte Metapher eines Mutter-Kind-Verhältnisses um, in dem sich die Beziehung zwischen Unternehmen und Konsumenten idealerweise abbilden sollte. Im Gegensatz zu Ford, führte er aus, spiele der amerikanische Besitz bei dem ursprünglich deutschen Autobauer Opel keine sichtbare Rolle. Opel [stehe] im Ruf, Qualitätsprodukte herzustellen, die den Wünschen und Bedürfnissen des deutschen Käufers angepasst sind. […] Das Bild der wachenden und zugleich fürsorglichen Mutter, die vor allem die Interessen der ›Kinder‹ und nicht ihre eigenen im Auge hat, schafft eine günstige Ausgangslage für erfolgreiches Verkaufen. […]. Mütterlichen deutschen Unternehmen […] kann man uneingeschränkt vertrauen. Bei einem kalt berechnenden Geschäftsmann [wie Ford] dagegen muss man auf der Hut sein. Man kennt seine Absichten nicht und weiss auch nicht, ob er korrekt sein wird. […] Das fehlende Vertrauen in die ›fremde‹ Firma äußert sich in einer zwiespältigen Haltung in der Kaufsituation.132

Aus diesen Befunden stellte die Studie in einer mehr als 25-seitigen Zusammenfassung eine Vielzahl von praktischen Lösungsvorschlägen für die Verkaufsprobleme zusammen. Das Hauptziel lautete, die Produkte zu personalisieren, um sie aus dem Negativimage des US -Konzerns zu lösen. Ford habe die Unabhängigkeit des Automobilbesitzers herauszustellen. In der Werbung dürfe nicht mehr von »der Ford-Taunus«, sondern lediglich von »Ihr Ford Taunus« die Rede sein. Denkbar sei, dem Kunden zu ermöglichen, den Kosenamen seines Fahrzeuges auf dem Armaturenbrett eingravieren zu lassen, um die Identifikation mit seinem »Freund dem Automobil« zu vertiefen.133 130 131 132 133

Ebd., S. 19 u. 26. Vgl. ebd., S. 27 f. Ebd., S. 28. Zitate nach ebd., S. 97.

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Die PR-Abteilung sollte parallel auf allen Kommunikationsebenen gegen das amerikanische Image der Firma ankämpfen. Man müsse »die Öffentlichkeit mit dem nur-deutschen Personal der Firma vertraut machen«134, welches sich in Wort und Bild in entspannten Arbeits- und Freizeitsituationen zeige. Nur durch Assoziationen mit deutscher Qualitätsarbeit könne man den Ruf sanieren. Im Bereich der Produktpolitik empfahl die Studie von jährlichen Facelifts abzugehen und weniger, dafür aber echte, im Interesse des Kunden liegende Fahrzeugmodernisierungen durchzuführen. Es sei unbedingt zu verhindern, dass »sich die Besitzer ›älterer‹ Modelle gedemütigt fühlen.«135 Zieht man Bilanz, zeigen sich deutliche Stärken und Schwächen der ersten motivanalytischen Branchenstudie. Indem Dichter die psychologischen »Produkt-Benutzer-Schnittstellen«136 identifizierte, entwarf er einen neuen, konsumentenorientierten Blick auf die Gestalt und Gestaltungsmöglichkeiten marktlicher Austauschprozesse. Das Auto nicht mehr nur als Summe technischer Spezifikationen, sondern als komplexes Produkterlebnis zu betrachten, setzte ebenso, wie die Vorstellung einer Interaktion zwischen Fahrer-, Produkt- und Firmenimages, innovative Standards für Marketing und Marktforschung. Ford nutzte die Anregungen Dichters und feierte mit der Markenkampagne ›Linie der Vernunft‹ zu Beginn der 1960er Jahre neue Markterfolge.137 Ausladene Chromverzierungen und Heckflossen im US -Traumwagenstil verschwanden. Eigene deutsche Stylingabteilungen richteten die Fahrzeuge an dem eher puritanischen Mainstream des europäischen Autodesigns aus. Allein durch diese produktpolitische Distanzierung von der US -Konzernmutter konnte Ford seine Marktanteile in kurzer Frist um rund fünfzehn Prozent steigern, was die Effektivität marktpsychologischer Instrumente eindrucksvoll bewies.138 Es ist jedoch zugleich bemerkenswert, dass die erste qualitative Marktstudie für fast zehn Jahre auch die letzte bleiben sollte. Erst Ende der 1960er Jahre griff Ford of Germany vor dem Hintergrund erneuter Absatzprobleme wieder auf Imageuntersuchungen zurück. Dies deutet auf eine spezifische Rolle hin, die den neuen Marktforschungsmethoden von Unternehmensseite zugewiesen wurde: Imageuntersuchungen galten als teure Kriseninstrumente, die nur im Notfall zum Einsatz kamen. Die ›Ruhephase‹ der qualitativen Marktforschungsaktivitäten begründete sich also nicht zuletzt auf dem starken Wachstumspfad 134 135 136 137

Ebd., S. 108. Ebd., S. 105. Clark / Fujimoto, Automobilentwicklung, S.  20. Vgl. Hanns-Peter Rosellen, Ford-Schritte. Der Wiederaufstieg der Ford-Werke Köln von 1945–1970, Frankfurt / M. 1988, S. 185. 138 Vgl. Ford-Werke AG , Design: Von der ›Linie der Vernunft‹ bis New Age, Presseinformation der Abt. Öffentlichkeitsarbeit, in: dies., 75 Jahre Ford in Deutschland, unveröffentlichte Festgabe zum 75jährigen Bestehen der Fordwerke in Deutschland, Januar 2000, S. 46; Art. »An der Blechfront«, in: Der Spiegel vom 7.8.1963, S. 59; Wolf-Heinrich Hucho, Aerodynamik des Automobils. Strömungsmechanik, Wärmetechnik, Fahrdynamik, Komfort, 5. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 39 f.

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der Branche, der kaum Bedarf an Marktanalysen aufkommen ließ. Diese Auffassung wandelte sich erst, als sich die Hersteller in den 1970er Jahren mit tiefgreifenden Veränderungen der Markt- und Umfeldbedingungen auseinanderzusetzen hatten. Zudem war es jedoch eine verbreitete unternehmerische Skepsis gegenüber den neuen Methoden der Motivforschung, die sie zunächst nicht reüssieren ließ. Die offene Gestaltung von Tiefeninterviews, die nur geringe und wenig repräsentative Auswahl der Probanden, vor allem aber die Neigung der Motivforscher zur freien Interpretation von unsystematisch ›zusammengesuchten‹ Kundenmeinungen trafen in den meist mit Technikern und Ingenieuren besetzten Vorstandsetagen auf Befremden. Die Motivforschung galt in ihrer Form der interpretativen Psychoanalyse als suggestiv, spekulativ und unwissenschaftlich.139 In der betrieblichen Marktforschung regte sich damit eine ähnliche Kritik an der Motivforschung wie auch in der akademischen Marketingwissenschaft. Hier galt zwar die Idee des Produktimages als zukunftsweisendes Konzept, wie der bekannte Werbetheoretiker Hanns Ferdinand Kropff 1960 feststellte. Als Schwachpunkte erkannte die Fachwelt jedoch die laxen Interpretationstechniken von Primärinformationen.140 Nicht selten stellte sich dabei die Frage, ob die in den Motivstudien entwickelten Images tatsächlich die Produktbilder der Konsumenten oder die Beurteilungen der Marktforscher wiedergaben. Die eigene Disziplin begegnete der Motivforschung vor diesem Hintergrund mit immer mehr Zurückhaltung. Sie bemühte sich von ihrem interpretativen Charakter zu lösen, gleichzeitig aber die Image-Ansätze theoretisch und methodisch weiter zu verfeinern.141 In der praktischen Marktforschung der Automobilindustrie setzten VW, BMW und Daimler-Benz zu Beginn der 1960er Jahre nur vereinzelt schriftliche Kundenbefragungen ein. Dabei baten sie ausschließlich ihre eigenen Kunden kurz nach dem Pkw-Erwerb um eine Stellungnahme, wie zufrieden sie mit dem neuen Fahrzeug waren. Auf diese Weise sammelten sie eher unsystematische Meinungen zu Ausstattung, Design und Verarbeitungsqualität.142 Ohne zu bestimmen, ob diese Kriterien überhaupt kaufrelevant waren, eigneten sich diese sog. Käufertests weder zur Marktsegmentierung noch zum Wettbewerbsverglich oder zur Bestimmung des Images. Damit wurden zwar partiell schon Elemente einer qualitativen Analyse genutzt; das Wissen und der Wille, diese systematisch auszuwerten, bestanden in der Praxis aber noch nicht.143 139 Vgl. Hilger, ›Amerikanisierung‹, S. 187. 140 Vgl. Kropff, Motivforschung, S. 123 f. 141 Vgl. Hansen / Bode, Marketing, S. 112. 142 Vgl. BMWGA , UA 966/1, Marktforschungsbericht Nr. 35/2/61, Die BMW Limousine 1960 im Urteil von 2.700 Käufern, Nov. 1961; HAD, Hitzinger 26, Schriftliche Befragung unserer PKW-Kunden vom 7.8.1963; auch Hilger, ›Amerikanisierung‹, S. 188; UVW, 69/440/1, Marktforschung im VW-Konzern [o. Dat.], Tab. 7. 143 Vgl. Klaus G.  Grunert, Die Ermittlung entscheidungsrelevanter Produktmerkmale beim Automobilkauf, in: Erwin Dichtl / Hans Raffée / V ladimir Potucek (Hrsg.), Marktforschung im Automobilsektor, Frankfurt / M. 1983, S. 39.

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2.3.2 Image-Euphorie: Konsumentenorientierte Marktmodelle Eine breite Implementierung qualitativer Ansätze erfolgte erst langsam ab Mitte der 1960er Jahre. Als Ursache ist auch hier auf die veränderte Marktlage und den damit steigenden Bedarf an externer Expertise zu verweisen. Allerdings benötigte es eines spürbaren methodischen Fortschritts der Konsumforschung, um psychologische Segmentierungskriterien für die praktische Arbeit der Unternehmen handhabbar zu machen. Eine der zentralen Weiterentwicklungen gelang in Deutschland dem Mannheimer Marktforscher Bernt Spiegel. Er stellte 1961 ein psychologisches Marktmodell vor, das die Konsumenten anhand ihrer Einstellungen gegenüber Produkten und Marken in Bewusstseinsgruppen zusammenfasste. Im Ergebnis entstand damit eine völlig neuartige, auf emotionalen Präferenzen basierende Käufertypologie. Erst sie ermöglichte den Unternehmen, den Image-Ansatz zu operationalisieren und ganz konkret zur Positionierung ihrer Produkte am Markt zu nutzen.144 Das Modell von Spiegel kombinierte zwei methodische Ansätze: Er griff auf die 1944 von dem US -Psychologen Kurt Lewin entwickelte Theorie des sozialen Feldes zurück und verknüpfte diese mit neuesten verhaltenswissenschaftlichen Forschungen. Inspiration gab vor allem die amerikanische Behavioral Marketing School, die das Konsumverhalten in ihrer ganzen Bandbreite von Bezügen zu den »innermenschlichen Prädispositionen«145 und zu äußeren Umwelteinflüssen betrachtete. So pointierte einer der wichtigsten Vertreter der behavioristischen Schule in den USA, Louis Cheskin, 1959: Attitudes, multiple motivations, conflicting wishes and unconsciuos reactions are not in the sphere of mere head counting. Psychological needs, cultural influences and social pressures cannot be verbalized by consumers. […] Only the type of research that discloses natural, uninhibited reactions, real feelings, true attitudes and preferences in which self interest is involved can be considered valid. This type of research did not develop in the climate of the business world but in the area of behavioral sciences.146

Die behavioristische Konsumforschung trug wesentlich zu einem neuen wissenschaftlichen Selbstbewusstsein der Marketinglehre bei, indem sie das Verhalten der Konsumenten nach naturwissenschaftlichen Ursache-Wirkungsbeziehungen, wie u. a. dem Reiz-Reaktions-Schema, analysierte. Die Images von Produkten und Marken galten dabei als intervenierende, vermittelnde Variable 144 Vgl. Spiegel, Meinungsverteilung, S. 19 f.; Silberer / Büttner, Anfänge, in: Berghoff (Hrsg.), Marketinggeschichte, S. 246. 145 Bebié, Käuferverhalten, S. 535. 146 Louis Cheskin, Why People Buy. Motivation Research and its Successful Application, New York 1959, S. 48. Vgl. auch HCD, JWT, Marketing Vertical Files, Generals Studies, Box 5, Relationship Marketing, Bericht von Jac L. Goldstucker u. a., How Scientific is Marketing. What Do Marketing Executives Think, 9 S.

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für den letztlichen Kaufentscheid. Dieser Ansatz integrierte sozial-, kognitivund kommunikationspsychologische Konzepte in die bestehenden Verhaltensmodelle.147 Daraus leiteten sich Methoden der qualitativen Projektion und des semantischen Assoziationsvergleichs ab, mit deren Hilfe das Image – und damit indirekt die Kaufmotive – sichtbar und messbar wurden.148 Kurz gesagt: Die entscheidende Neuerung bestand darin, nun qualitative Wahrnehmungen quantifizieren zu können. Dieser Zugewinn an Wissenschaftlichkeit in der mathematisch-modellhaften (statt rein assoziativen) Darstellung des Nachfrageverhaltens ist wohl nicht nur für die Automobilbranche entscheidend, um die Akzeptanz psychologischer Motiv- und Imageanalysen zu erhöhen. Binnen weniger Jahre nahmen die deutschen Marktforscher ab 1964 – auch hier wiederum oft auf Empfehlung externer Forschungsinstitute – die Imagemessungen geschlossen in ihr praktisches Methodenrepertoire auf. Besondere Popularität erlangten Techniken der sog. semantischen Punktwertsysteme bzw. semantischen Differentiale. Sie behandelten Produkte als Meinungsgegenstände des Konsums. Ihr Image ließ sich demnach anhand der Stärke bemessen, mit denen sie von den Kunden mit affektiven Wortbedeutungen in Verbindung gesetzt wurden.149 Sowohl Produkte als auch Marken erschienen als Bündel semantischer Assoziationen, die die Konsumenten mit ihnen verknüpften. Konfrontierte man Testpersonen mit  – in dieser Weise doppeldeutigen – ›Eigenschaftswörtern‹ und ließ sie auf einer Rating-Skala die Intensität ihrer Assoziationen abtragen, ergab sich ein messbares Bild der Stärken und Schwächen der jeweiligen Images. Punktwertesysteme skalierten die Einstellungen der Kunden eindimensional nach einfachen numerischen Abstufungen, wie etwa Schulnoten. Als Referenzpunkt für die Bewertung fungierte somit immer ein imaginäres Idealprodukt.150 Semantische Differentiale dagegen ließen die Kunden ihre Assoziationen relational zwischen gegensätzlichen Begriffspaaren einschätzen.151 Der große Vorteil der mit Hilfe dieser Verfahren erstellten sog. Polaritätsprofile bestand darin, die ›räumliche‹ Lage von Imagekomponenten im Meinungsfeld des Marktes abzubilden. Die Imagemuster ließen sich mit den Konkurrenzprodukten nun recht einfach vergleichen. Aus dem Maß an Distanz und Nähe in den Konsumentenbewertungen konstruierte sich die relative Imageposition am Markt.152

147 Vgl. Hartmut Berghoff, Marketing im 20. Jahrhundert. Absatzinstrument, Managementphilosophie, universelle Sozialtechnik, in: ders. (Hrsg.), Marketinggeschichte, S. 38. 148 Vgl. Spiegel, Meinungsverteilung; Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, S.  184  f.; Trommsdorff, Messung, S. 20 f. 149 Vgl. Charles E.  Osgood / George E.  Suci / Percy H. Tannenbaum, The Measurement of Meaning, Urbana 1957. 150 Vgl. Jagoda, Produktpolitik, S. 41 f. 151 Ausführlich zur Methodik ›Semantischer Differentiale‹ siehe Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, S. 191. 152 Vgl. Jagoda, Produktpolitik, S. 43.

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Die Imagemessung war vor diesem Hintergrund mehr als nur eine Methode, um absatzfördernde Maßnahmen gezielter an Kundenwünschen zu orientieren. Sie gab Konsumgüterproduzenten Instrumente an die Hand, um den Markt nach psychologischen Kriterien zu segmentieren. Da die Marktpsychologie nicht mehr von der objektiven Beschaffenheit von Produkten, sondern ausschließlich von Verbrauchervorstellungen ausging, verbanden sich in dem Unterscheidungskriterium ›Image‹ produkt- und kundenbezogene Strukturierungen miteinander – eine Methode, die half, in einem differenzierten Markt zielgruppenspezifische Schnittstellen aufzuzeigen. Wie diese Ansätze in der Praxis der Automobilindustrie zum Einsatz gebracht wurden und zu welchen Ergebnissen sie führten, zeigt sich in den Fallbeispielen von BMW, VW und Ford. Der Vorreiter in der Anwendung psychologischer Marktsegmentierungen war BMW. Paul G. Hahnemann, seit 1961 Vertriebsdirektor des Münchner Konzerns, zeigte sich geradezu begeistert von den Forschungen Bernt Spiegels. In seiner bahnbrechenden markttheoretischen Publikation Struktur der Meinungsverteilung im sozialen Feld skizzierte Spiegel die Methodik der verhaltenswissenschaftlichen Konsumentenforschung. Zudem lieferte er anwendungsorientierte Hinweise, um die Imagemessung strategisch einzusetzen. Seine Prämisse lautete, ein Unternehmen müsse sich um ein möglichst eigenständiges Produkt- bzw. Markenimage bemühen, um in engen Verkäufermärkten weiterhin erfolgreich zu sein. Je mehr Wettbewerber mit objektiv ähnlichen Produkten auf einem Markt agierten, umso dringender sei es, neue Produkte in weitgehend unbesetzten Marktsegmenten zu platzieren. Nur so ließe sich durch eine gezielte werbliche Unterstützung ein unverwechselbares Imageprofil mit hohem Wiedererkennungsgrad aufbauen.153 Diese Überlegungen gingen idealtypisch mit den Krisenerfahrungen von BMW konform. Daher beauftragte Hahnemann den Mannheimer Marktpsychologen bereits 1964, ein Image-Gutachten zu erstellen. Es sollte die bisherige Marktposition der BMW-Modelle überprüfen und möglichst Hinweise für eine zukünftige Weiterentwicklung des Typenprogramms liefern.154 Spiegels Vorgehen, um Käufertests und Einstellungsmessungen zu kombinieren, war kreativ und ebenso zielgerichtet. Wie zufällig holten seine Mitarbeiter ausgewählte Probanden mit einem BMW-Fahrzeug ab, um sie an einer nicht näher beschriebenen Marktforschungsstudie teilnehmen zu lassen. Die Fahrt allein bot den Anlass, um offene Interviews über allgemeine Themen des Straßenverkehrs sowie im speziellen über BMW-Fahrzeuge und ihre Fahrer durchzuführen. Die Befragungen dienten dazu, in einem ersten Schritt möglichst freie Assoziationen zum Produkt- und Markenimage zu sammeln. Aus den Aussagen entwickelten die Marktforscher in einem zweiten Schritt den Begriffskanon für ein Polaritätsprofil, zu dem die Konsumenten anschließend in Form eines 153 Vgl. Spiegel, Meinungsverteilung, S. 102; zur Adaption bei BMW siehe Freter / Barzen, Segmentierung, S. 90 f. 154 Vgl. BMWGA , UA 1344, Bernt Spiegel, Gutachten zur Frage der Weiterentwicklung des Typenprogramms der Bayerischen Motoren-Werke AG vom 20.9.1964.

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Fragebogens gezielt um ihre Urteile gebeten wurden. Den Probanden-Sample wählte die Studie repräsentativ nach soziodemografischen und bewusst auch nach verhaltensorientierten Kriterien aus. Neben Erst- und Ersatzkäufern setzte sich der Kreis aus loyalen und illoyalen BMW-Kunden sowie aus Mitarbeitern von BMW-Vertragswerkstätten als Expertenreferenzgruppe zusammen. Diese Form der Samplebildung legte die Basis, um das Zusammenwirken von Images und Käuferbewegungen nachzuvollziehen.155 Aus den Primärerhebungen schloss Spiegel ein für BMW beruhigendes Fazit. Die produktpolitischen Fehler der Vergangenheit hatten sich kaum auf die öffentliche Wahrnehmung der Firma ausgewirkt. Das – leider nicht überlieferte – Polaritätsprofil zeigte »ein sehr ausgeprägtes und klares Image von hohem good will.«156 In einer Rangfolge deutscher Automobile und ihrer Hersteller lag BMW immer noch auf einem zweiten Platz hinter Daimler-Benz. Dass man sich in vielen Imagedimensionen direkt hinter dem Oberklassenspezialisten einordnete, bewertete Spiegel »angesichts des vergleichsweise geringen Marktanteils und der jahrelangen BMW-Misere [als] ein bemerkenswert günstiges Ergebnis«. Schließlich bilde der Mercedes aus Kundensicht die Norm für das optimale Automobil. Die Fahrzeuge aus Stuttgart seien der Ausgangs- und Orientierungspunkt für das Image der gesamten Branche.157 Aus dem Vergleich der Imageprofile der beiden führenden Automarken schloss er auf mögliche Positionierungsstrategien für BMW. Semantische Distanzen ergaben sich insbesondere in den Kundenvorstellungen über die technische Dignität, Werthaftigkeit und Repräsentationsfähigkeit. Sie wurden bei der Marke Daimler-Benz höher eingestuft. Gerade hierin sah Spiegel aber auch die Chance für BMW, eine eigenständige Markenpersönlichkeit auszubilden. Der Ruf von Mercedes als überlegene, anspruchsbetonte Karosse für Staats- und Wirtschaftsführer führte seinen Ergebnissen zufolge zugleich zu einem konservativen Image, das fast »autoritative, ›deutschnationale‹ Züge«158 trug. Dies werde mit BMW dagegen nicht assoziiert. Das BMW-Image brachte er vielmehr auf die Formel: »liebeswürdig elegant; ›leichtfüssig‹, beschwingt und unoffiziell; sportlich, aber auch kultiviert; teuer, aber nicht protzig, sondern eben im echtem Sinne exklusiv [Hervorhebung im Original], ingeniös und fortschrittlich in der Konzeption […], ›nicht-amerikanisch‹, nicht-modisch, technisch-sachlich.«159 In einem Spiel mit feinsten semantischen Differenzierungen lotete Spiegel somit den Ansiedlungsort des BMW-Produktimages im Sichtfeld der Kunden 155 Zur Begründung der Methodik siehe ausführlich ebd., S. 5 f. 156 Ebd., S. 7. 157 Ebd.; vgl. auch BMWGA , UA 713, o.A., Gründe des Aufstiegs von BMW seit 1960, Sept. 1967, S. 23. Zu diesem Schluss kam auch eine von der Abteilung ›Marktforschung und Absatzplanung‹ bei Daimler-Benz angefertigte Studie. Siehe HAD, Werbung Image DBAG 1968–1970, Heinz Schmidt: Das ›Stern-Image‹ in der Bundesrepublik Deutschland, 1968, S. 1. 158 Vgl. BMWGA , UA 1344, Spiegel, Weiterentwicklung des Typenprogramms 1964, S. 10. 159 Ebd., S. 11.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

aus. Als stärkste Image-Komponenten – und zugleich wichtigste Kaufmotive – identifizierte er die Verbindung zwischen Sportlichkeit und Exklusivität. Hier schaffe BMW abseits der objektiven Preis- und Leistungsdifferenzen einen »subjektiven Mehrwert«160 gegenüber konkurrierenden Angeboten. In dieser Vorstellung steckt ein für die historische Konsumforschung ganz allgemein nützlicher Befund: Offenbar traf das Kriterium Preis eine nur grobe ökonomische Vorauswahl der Zielgruppe. Er justiert den Kreis der kauffähigen Konsumenten. Die Kaufwilligkeit und Auswahl wird bei preislich ähnlich gelagerten Produkten jedoch über die feineren, psychologischen Kriterien der Übereinstimmung zwischen Bedürfnissen und Produktimages entschieden. Erst hier löst sich die konkrete Kundenklientel aus dem Kreis der Konsumenten ab. Spiegel argumentierte: »Nur bei diesen Personen [der Zielgruppe] liegt ein lückenloses Ineinandergreifen der Bedürfnisse […] und ihrer Erfüllung […] vor. Es handelt sich zwischen Individuum und Meinungsgegenstand um ein kompliziertes Matrix-Patrix-Verhältnis, und je lückenloser das Ineinandergreifen zwischen Bedürfnismatrix und Angebotspatrix, desto mehr handelt es sich um den ›typischen Anhänger‹ […] schlechthin.«161 Nach dieser Lesart lautete die primäre Aufgabe eines Autoanbieters, seine Alleinstellungsmerkmale zu stärken. Dabei galt es, besonderen Wert auf die Stimmigkeit der Marketing-Botschaften mit den Wünschen der Zielgruppe zu legen. Das selbst- und fremdbestimmte Image war somit immer Grundlage der Besetzung distinkter Marktfelder. Spiegel veranschaulichte diese Prämisse, in dem er ein sog. psychologisches Marktmodell konstruierte. In einem zweiachsigen Koordinatensystem trug er in der horizontalen Dimension den Verkaufspreis, in der vertikalen den am schwersten wiegenden Imagefaktor einer Marke – für BMW die Exklusivität – ab. Auf diese Weise entstand eine Felddarstellung des Marktes, in der sich die Platzierung von Produkten und Marken grafisch visualisieren ließ (Abb. 17). Mit etwas kleineren, preiswerteren Fahrzeugen, die aber ein Mehr an Exklusivität versprachen, sollte sich BMW leicht ›unterhalb‹ der Großwagen von Daimler-Benz und zugleich deutlich distanziert von den Massenanbietern positionieren.162 Mit Nachdruck verwies Spiegel auf die Notwendigkeit, dass sich gerade ein vergleichsweise kleiner Hersteller von der Konkurrenz abzusetzen habe. Marktselektion erschien ihm als einziger Weg, trotz drohender Marktsättigung und Intensivierung des Wettbewerbs nicht durch fremde Produkte substituiert und aus dem Markt gedrängt zu werden. Der Qualität des Images räumte er dabei eine noch höhere Bedeutung als der Qualität der Produkte ein – dies kam einer 160 Ebd., Bernt Spiegel, Marktpsychologisches Gutachten zur Entwicklung der Imagesituation der BMW AG von 1964 bis 1972, Mündlicher Bericht vom 26.7.1972, S. 7. 161 Ebd., S. 9. 162 Vgl. ebd., S. 18. Zum Verfahren zur Erstellung des psychologischen Marktmodells für BMW siehe: ebd., UA 1599, B. Klein, Entwicklung einer Marketing-Strategie, Schulungsreferat zum Seminar: Möglichkeiten der Marktsegmentierung an der Nürnberger Akademie für Absatzwirtschaft, o. D. [1969], S. 1–5.

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

231

Abb. 17: Exklusivität und Repräsentation. Psychologisches Marktmodell für BMW (1964) Original-Handzeichnung. Sie zeigt das Marktfeld von BMW in Abgrenzung zu Daimler-Benz. Quelle: BMWGA , UA 1344, Bernt Spiegel, Gutachten zur Frage der Weiterentwicklung des Typenprogramms der Bayerischen Motoren-Werke  AG vom 20.9.1964, S. 20; hier nach Wiederabdruck in: o.V., Marktstrategie eines Unternehmens (BMW), Vortragsmanuskript vom 15.5.1968, S. 1.

Revolution in der traditionell auf die Ingenieurskunst als Erfolgsfaktor setzenden Branche gleich: »Wenn BMW als mittlerer Automobilhersteller die allgemeine Krise der Branche in den nächsten 10 Jahren selbständig überlebt, dann vor allem aufgrund (und unter Ausnutzung) dieser Exklusivität«163, resümierte Spiegel. Die Produktpolitik müsse sich als Diener der Imageprofilierung unterordnen. Hahnemann setzte diese Philosophie konsequent und zielgerichtet im Unternehmen um. Auch er propagierte nun, dass sich Marktforschung und Marketing nicht um den Absatz bestehender, sondern um die erfolgreiche Entwicklung 163 Ebd., UA 1344, Spiegel, Weiterentwicklung des Typenprogramms 1964, S. 11.

232

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

neuer Produkttypen bemühen sollten. Beide Funktionsbereiche platzierte er nun am Beginn und nicht mehr am Ende der betrieblichen Wertschöpfungskette: Ich meine also, dass am Anfang der Produktgestaltung stehen muss, die genaue Kenntnis des Marktes bzw. […] die Kenntnisse der Marktnische, die bedient werden soll und bedient werden kann, und dann ist es notwendig zu wissen, wie der präsumtive Käufer sich das Auto in dieser Nische vorstellt, welche Wesenszüge er ihn zueignet, welche Eigenschaften er von ihm erwartet. Jetzt erst gehen die Techniker ans Werk und sie haben die Fahrzeuge zu entwickeln und zu fertigen, die diesen Ansprüchen gerecht werden.164

Die Verkaufserfolge von handlichen, komfortablen und zugleich leistungsstarken Limousinen der Neuen Klasse, die sich genau in der von Spiegel beschriebenen Nische platzierten, lösten bei BMW in den Folgejahren eine wahre Imageeuphorie aus. Dabei waren mit dem BMW 1600/1800 die ersten Modelle der Reihe bereits 1963 erschienen. Diesen schon eher zufälligen Erfolg wertete die Firmenüberlieferung allerdings später stets als Verdienst der erst nachträglich entwickelten Nischenstrategie.165 Tatsächlich gingen imageorientierte Produktplanungen erst der Entwicklung der 1966/67 lancierten Typen voraus. Spätestens 1967, als der Münchner Konzern mit den neuen ›Prestige-Autos‹ seine Verkaufszahlen gegen den Trend der allgemeinen Absatzkrise weiter steigern konnte, wurden Bernt Spiegel, mehr aber noch Paul Hahnemann als Entdecker einer unternehmensstrategischen Antwort auf die Herausforderungen des Käufermarktes gefeiert. In öffentlichen Auftritten inszenierte der BMW-Chefverkäufer regelrecht sein von den Medien angeheftetes Etikett des »Nischen-Paul«, »burschikosen Verkaufsgenies« und »pfiffigsten Automobil-Managers der Bundesrepublik.«166 Mit Sätzen wie »Die Länge des Fließbandes alleine garantiert noch nicht die Größe der Marke«167 ritt Hahnemann provokante Angriffe auf die weniger erfolgreiche Konkurrenz. Zugleich vermarktete er den Erfolg des Konzepts offensiv als Zeichen für die Modernität, Flexibilität und Kundenorientiertheit. Nach außen wurde ›die Nische‹ somit selbst zum Symbol für BMW und die Person Hahnemann zu einem nicht zu unterschätzenden Imagefaktor.168 Einschränkend ist zu bemerken, dass sich das von BMW angewandte Marketingmodell aufgrund seines Zuschnitts auf »Randlagen« zunächst vor allem bei Sportwagen- und Oberklassenspezialisten durchsetzte. Von BMW erhielt 164 Ebd., Paul G.  Hahnemann, Marktkonforme Produktgestaltung erläutert am Beispiel BMW, Vortragsmanuskript vom 13.6.1969, o. S. 165 Vgl. ebd., o.A., Marktstrategie eines Unternehmens (BMW), Vortragsmanuskript vom 15.5.1968, S. 8. 166 Der Spitzname »Nischen-Paul« ging auf eine Äußerung des Hahnemann-Freundes Franz Josef Strauß zurück, vgl. Art. »Paul G. Hahnemann«, in: Der Spiegel vom 8.9.1969, S. 166; vgl. auch Art. »Schocker aus Hamburg«, in: Der Spiegel vom 1.11.1971, S. 108. 167 Spiegel-Gespräch mit Paul. G. Hahnemann: Art. »BMW ist eine Braut, die täglich schöner wird«, in: Der Spiegel vom 8.9.1969, S. 166. 168 Vgl. BMWGA , UA 1344, Spiegel, Marktpsychologisches Gutachten 1972, S. 96 f.

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

233

Spiegel 1968 einen langfristigen Consulting-Vertrag zur psychologischen Vertriebsberatung und auch Daimler-Benz sowie Porsche sicherten sich zu Beginn der 1970er Jahre die Expertise seines Instituts für Marktpsychologie, um ihre separierte Markenposition noch schärfer gegen nachrückende Konkurrenten abzugrenzen.169 Für Volumenhersteller waren Nischen dagegen weniger interessant. Dennoch adaptierten auch sie mit wenig Verzögerung die grundlegenden Techniken der Motivmessung. 1968 konstatierte die für den europäischen Markt zuständige Ford International Division im englischen Warley, sie sehe sich aufgrund von Absatzschwierigkeiten auf dem englischen und deutschen Markt erstmals seit Jahren wieder veranlasst, ein Forschungsprogramm zur Frage der Kaufmotive aufzulegen. Dabei verwies sie explizit auf die neuen Werkzeuge zur Vermessung von Qualität, Attraktivität und Image: Aufgabe der Studie sei es, »[to] investigate the various factors motivating the consumer in his choice of product, determine the relative importance of these factors […] gathered together in the form of  a series of percentage tables.«170 Im gleichen Jahr führte auch Volkswagen eine erste qualitative Image- und Kaufmotivstudie bei deutschen Autofahrern durch.171 Hatten die bisherigen Segmentstudien der Massenanbieter lediglich Käuferbewegungen rekonstruiert, wandte man sich nun der Aufgabe zu, die Struktur­ verschiebungen zu ergründen und in die Zukunft zu projizieren. Die Marktforscher unterlegten die ›alten‹ verhaltensbeschreibenden Wanderungsmodelle mit einer neuen Ebene sog. verhaltenswirksamer Faktoren: namentlich Kaufmotive, Images und Erfahrungen (Abb. 18). Entsprechend den neobehavioristischen Theoriekonzepten wurden nun auch hier Kaufentscheidungen als Ergebnis von Einstellungen und Erfahrungen der Kunden bewertet. Motive und Images vermittelten als Bindeglied zwischen Vorbesitz und Kaufentscheidung gewissermaßen den Weg der Konsumenten. Die Zufriedenheit, neu definiert als Grad an Übereinstimmung der Produkte mit den Vorstellungen der Kunden, galt als entscheidend für einen Markenverbleib oder -wechsel. Auch in diesem Beispiel zeigt sich, dass qualitative Studien auf allen Ebenen boomten und sich das Marktverständnis der Hersteller tatsächlich mehr und mehr auf einen Konsumentenblick und die prägende Kraft der Imagewirkung fokussierte. Ein Problem blieb in der Auseinandersetzung mit den Kundenansprüchen jedoch noch offen und löste eine Welle neuer strategischer Markt169 Siehe HAD, Werbung Image DBAG , Bericht der Marktforschung und Absatzplanung 27/70, Repräsentativuntersuchung über das Mercedes-Benz-Image auf dem Pkw-Sektor im Inland, S. 1; BMWGA , UA 713, Profilbogen Bernt Spiegel vom 11.1.1979, zur Zusammenarbeit von Bernt Spiegel mit Daimler-Benz und Porsche siehe auch Jagoda, Produktpolitik, S. 45. 170 HCD, JWT, Marketing Vertical Files, General Studies, Box 5, Research International, International Market Research at Work, Eleven Case Histories: Automotive Research in Europe, May 1968, S. 11. 171 Vgl. UVW, 69/440/1, Studien und Monatsberichte der Zentralen Marktforschung 1970, Aufstellung: Consumer Research Studien 1968/69, o. S.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

bearbeitungsanalysen aus: Welche Kriterien bestimmten überhaupt in welchem Maß darüber, ob ein Produkt gut oder schlecht, eine Marke erfolgreich oder nicht erfolgreich war? Welche Eigenschaften wirkten wie stark auf das Image ein? Da offenbar technische, objektive Argumente der Produktkonfiguration allein nicht mehr ausreichten, um auf den Produkterfolg zu schließen, galt es nun auch, die subjektiven Faktoren zu gewichten und zu vergleichen. Einige Ausschnitte aus der praktischen Arbeit der Marktforschung, speziell von Volkswagen und Ford, verdeutlichen dies. Ganz grundlegend unterschied die Marktforschung der Autokonzerne zunächst die beiden klassischen Wirkungsebenen des Produkt- und des Markenimages. Zwischen beiden Komponenten konstatierte sie eine enge Beziehung, da »Produkte das Image eines Automobilherstellers am meisten prägen« und speziell für die Treue der eigenen Kundschaft eine zentrale Rolle spielten.172 Allerdings bildete das Produkt eine in kürzerer Frist auswechselbare Komponente des langfristig ausgerichteten und behäbigeren Markenimages. Wie bereits im psychologischen Marktmodell von BMW angedeutet, galt das Markenimage als entscheidend für die erfolgreiche Positionierung eines Unternehmens, das Produkt hingegen ›nur‹ als sein wichtigstes Werkzeug. Das Markenimage muss, konzedierte die VW-Marktforschung 1968, als das »erste […] Auswahlkriterium des potentiellen Käufers angesehen werden […]. Es kommt für einen Hersteller darauf an, ein so positives Image aufzubauen, dass seine Produkte auch nach der ersten Entscheidungsstufe des Käufers weiter in der engeren Wahl bleiben.«173 Der Ruf der Marke bildete aus der Sicht somit ähnlich dem Preis ein vorgeschaltetes Nadelöhr, bevor sich die Kunden bei der Produktwahl mit den Eigenschaften einzelner Wagentypen auseinandersetzten. Auf dieser ›nachgelagerten‹, aber immens wichtigen Ebene des Produktimages mussten bei einem hoch technischen Artefakt wie dem Automobil die sachlichen Eigenschaften und ihre Kongruenz zu den Erwartungen der Kunden eine weiterhin zentrale Rolle spielen. Durch die Skalierung der Käufermeinungen konnte nun allerdings anders als in den noch unsystematischen Käufertests eine Abstufung der Kriterien nach ihrer Wirkungsmächtigkeit auf das Image vorgenommen werden. Zunächst basierten die Produktimageanalysen weiterhin auf schriftlichen Befragungen oder strukturierten Interviews von Neuwagenkäufern. Die Semantisierung der Produkte erfolgte dabei aus einem Katalog ausschließlich sachlicher Eigenschaften, die die Marktforscher den Probanden als vorgefertigte Palette möglicher Kaufkriterien zur Beurteilung vorlegten. Es entstand zum Ende der 1960er Jahre ein fester, von allen Automobilfirmen gleichermaßen genutzter Kanon, der zwischen folgenden Produktcharakteristika differenzierte: erstens Fahr- und Leistungsfaktoren (Anzug, Beschleunigung, Fahreigenschaften, Handlichkeit), zweitens Qualitäts- und Sicherheitsfaktoren (aktive und passive Sicherheit, Rundumsicht, Bedienung, Zuverlässigkeit, Lebensdauer, Kunden172 UVW, 250/2/1, Marketingplan Mai 1971, S. 75. 173 Ebd., S. 24.

235

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren  Erstkäufer Marktstruktur     vor Kauf

Fremd‐orientierte

Neuge ‐ wonnene

Kaufmotiv Verhalten

Marktstruktur  nach Kauf

eigene  Kunden

Fremdkunden

 

Images

Konkurrenzkäufer

Loyale

Er‐ oberte

Abwan‐ derer

Loyale

Kaufmotiv Erfahrungen

Zufriedenheit

VW‐Käufer

Abb. 18: Imagebasiertes Marktmodell der VW-Marktforschung (1968) Quelle: UVW, 69/440/1, Bericht: Marktforschung im VW-Konzern, o. Dat. [1969], Anlage I.

dienst), drittens Stil- und Komfortfaktoren (Komfort, Innenraumgestaltung, Karosserieform, Modellkonstanz) und schließlich viertens Wirtschaftlichkeitsfaktoren (Preis, Wiederverkaufswert, Reparaturkosten, Verbrauch).174 Auffallend ist: Dieser Katalog betrachtete das Automobil – zu diesem Zeitpunkt noch nicht verwunderlich – lediglich aus einer Perspektive der konkreten Nutzer. Aspekte, die auf mögliche kollektive Ansprüche etwa im Bereich der Umweltverträglichkeit verwiesen, enthielt er nicht oder nur indirekt. So bezogen sich der Verbrauch oder der unter Fahreigenschaften subsumierte Fahrzeuglärm stets auf die Wirkung für den Fahrer. Der Benzinverbrauch galt ausschließlich als Indiz für die anfallenden Haltungskosten; die Motorengeräusche wurden nur in Hinblick auf die Lärmbelastung im Fahrzeuginneren betrachtet.175 Auf dieser Grundlage führten die Marktforschungsabteilungen Imagestudien zunächst meist einmalig für kleinere Gruppen eigener und fremder Automodelle durch.176 In den Befragungen selbst nahm ein repräsentativer Kreis von Pkw-Besitzern zwei Arten von Bewertungen vor: Zum einen beurteilten sie die 174 Diese Zusammenstellung der Kauffaktoren fand sich in ähnlicher Form in allen Marktforschungsstudien von Ford, VW und BMW. Vgl. HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, Ford 1973, Akte 2, Ford of Germany, Owners Evaluation Report – Escort vom 17.9.1973; UVW, 69/440/1, Die Wichtigkeit verschiedener Eigenschaften beim Autokauf, 1968, Tab. 2, o. S. 175 Vgl. BMWGA , UA 1483, Qualitatives Marktforschungsprogramm, Abt. VMM vom 28.1.1970, Anlage Eigenschaften Profilbogen. 176 Vgl. ebd., UA 1478, Produktbeurteilung des Audi 100 durch seine Kunden und Vergleiche mit BMW, Marktforschungsstudie von infratest, Februar 1970, S. 35; UVW, 174/245/120 Einführung eines neuen Modells, Planungsmodell des Vorstandsbereichs Verkauf am Beispiel des VW 411, 1968; HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, Ford 1973, Akte 2, Ford of Germany, Owners Evaluation Report – Escort vom 17.9.1973. Erst mit Beginn der 1970er Jahre ging man dazu über, alle Angebote im jährlichen Turnus zu untersuchen: BMWGA , UA 1344, Spiegel, Image-Beobachtung BMW 1972/73, S. 4.

236

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

Fahrzeuge auf der Basis einfacher numerischer Punktwerte-Ratings.177 Zum anderen wurden sie gebeten, die Merkmalkategorien in einer Rangabfolge abzustufen. Das Bewertungskriterium lautete hier, welche Bedeutung die einzelnen Imagekomponenten bei ihrer erst kürzlich getroffenen Kaufentscheidung eingenommen hatten. Die Kundenbewertungen wurden auf diese Weise in Beziehung zu den durchaus unterschiedlichen Anspruchskonstellationen der jeweiligen Zielgruppen gesetzt. Die Studien quantifizierten sowohl Informationen zu den Kundenerwartungen als auch zu ihren subjektiven Eindrücken, inwieweit sich diese bei der Nutzung erfüllt hatten. Hieraus ließ sich die Zufriedenheit ablesen sowie die Stärken und Schwächen der Produktkonzepte gewichtet darstellen.178 Tab. 21: Verbesserungswünsche am eigenen Automobil (1969) Käufer eines… Produkteigenschaft

Typ 1

Kadett

12/17M

Geräumigkeit

2,1

3,8

4,0

Gestaltung der äußeren Form

2,6

3,8

3,3

Insassensicherheit

2,6

3,0

2,8

Fahreigenschaften

2,9

3,1

3,2

Komfort

2,9

3,5

3,3

Motorleistung

3,1

3,6

3,3

Wirtschaftlichkeit

3,5

2,8

2,6

Zuverlässigkeit

3,7

3,2

3,2

Kundendienstorganisation

3,9

3,6

3,2

Legende: Die Befragungen erfolgten nach einer »negativen« Skalierung nach Schulnoten: je niedriger die Durchschnittswerte, desto dringender der Wunsch nach Überarbeitung. Quelle: UVW, 69/440/1, Tab. 4: Notwendigkeit von Verbesserungen am eigenen Automobil.

Als typisches Beispiel für eine Produktimage-Skalierung gibt Tabelle 21 die Resultate einer 1969 von VW durchgeführten Evaluation von wünschenswerten Fahrzeugverbesserungen unter Käufern des VW Käfer, Opel Kadett und Ford 177 Die Marktforscher gaben je nach Art des Messverfahrens unterschiedliche Orientierungspunkte vor, um die Produkte einzuordnen: Ford ließ die Kunden beantworten, ob ihre Fahrzeuge besser oder schlechter als der Durchschnitt der Wettbewerber seien; VW und BMW, inwieweit sie ihren idealen Vorstellungen eines Pkw entsprachen. Vgl. HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, Ford 1973, Ford of Germany, Owners Evaluation Report Escort vom 17.9.1973; BMWGA , UA 1483, Qualitatives Marktforschungsprogramm, Abt. VMM vom 28.1.1970, Anlage Eigenschaften Profilbogen. 178 Vgl. Jagoda, Produktpolitik, S. 42.

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

237

12/17M wieder. Allein die Fragestellung verdeutlicht die Ziele, die sich mit der Produktanalyse verbanden. Die Notwendigkeit zur Überarbeitung des Modells ergaben sich beim Typ 1 auf mehreren Feldern. Während die Konkurrenzprodukte von Opel und Ford recht ausgeglichene Imagebilder aufwiesen, war das Ergebnis für den Käfer uneinheitlich. Bis auf die Attribute Wirtschaftlichkeit, Zuverlässigkeit und Kundendienstorganisation fiel er in allen Punkten deutlich ab – ein Indiz, dass das Modell den Kunden als veraltet erschien.179 Der Produktvergleich förderte den Trend, die Fahrzeugentwicklung als Innovationswettlauf nach dem Prinzip ›Vorstoß-und-Verfolgung‹ anzusehen. Dieser Effekt war jedoch nicht nur auf der Anbieter-, sondern auch auf der Nachfrageseite wirksam. Konnte ein neues Automobil seine Leistungs- und Nutzungseigenschaften gegenüber seinen Konkurrenten verbessern, steigerte dies nicht nur seine Attraktivität; es formte auch die Ansprüche der Kunden gegenüber vergleichbaren Automobiltypen neu. Umso länger eine Marke die Erwartungen an moderne Produktkonzepte nicht erfüllte, desto negativer schlug sich dies im Image nieder – wie das Beispiel des VW exemplarisch zeigt.180 Auch wenn mit der Werbung scheinbar ein Mittel zu Verfügung stand, um Produktbilder zu gestalten, entlastete dies die Hersteller nicht von dem Druck, die Fahrzeuge in einem Regelsystem der gegenseitigen Produktanpassung zu modernisieren. Produktpolitische Fehler ließen sich nicht durch Kommunikationsstrategien überdecken. Die Imageanalysen führten den Herstellern die Folgen von Innovationsdefiziten noch deutlicher vor Augen. Indem sie die Fahrzeugattribute danach gewichteten, wie intensiv sie auf das Kaufverhalten einwirkten, zeigten sie zudem auf, an welchen Punkten Erneuerungsbedarf bestand (Tab. 22). In dieser Hinsicht sorgte die Imagemessung dafür, dass sich die Perspektiven von Produktion und Entwicklung wesentlich stärker am Kunden und am Wettbewerbsvergleich orientierten als zuvor. Allerdings war die Erforschung von Motivstrukturen auch mit besonderen Schwierigkeiten behaftet. Bei schriftlichen Befragungen neigten die Kunden dazu, ihre Kaufentscheidungen nachträglich zu rationalisieren. Sie unterdrückten emotionale Anstöße und ersetzten sie durch vernünftig anmutende Gründe. So nahm es kaum Wunder, dass die Konsumenten Kriterien des Zusatznutzens wie Komfort, Höchstgeschwindigkeit oder Design in die hinteren Ränge der Kauffaktoren einordneten. Wurden sie jedoch befragt, aus welchen Gründen sie ein Auto kaufen würden, wenn die finanzielle Frage keine Rolle spiele, argumentierten sie »fast ausschließlich mit emotionalen geladenen Faktoren wie schöne Form, Komfort sowie Schnelligkeit und Leistung«. Die echten Beweggründe verstecken sich also hinter einer rationalen Fassade, stellte die VW-Marktforschung 1971 fest. Auch wenn die Motivmessungen ein gegensätzliches Bild zeichnen, zeige sich im Kaufverhalten 179 Dieser Befund wog umso schwerer, da sich in einer Parallelumfrage unter Nicht-VWKäufern noch negativere Urteile ergaben. UVW, 69/440/1, Gründe gegen den Kauf eines Typ 1, Kadett / Olympia und 12 M/17M, 1968, Tab. 3b. 180 Vgl. Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Automobilindustrie, S. 203.

238

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

Tab. 22: Kaufmotivstrukturen. Relevanzskala der VW-Marktforschung (1968) Kaufmotive

A Käufer VW

B B zu A Nicht-Käufer VW Wertungstrends

Zuverlässigkeit

A1

A1

Dauerhaftigkeit des Motors

A2

A2

Ÿ

Kundendienstorganisation

B1

C3

æ

Insassensicherheit

B2

B2

Ÿ

Reparaturkosten

B3

B6

æ æ

Ÿ

Anzug / Beschleunigung

B4

B5

Preiswürdigkeit

B5

B3

ã

Fahrverhalten rutschige Straße

B6

B4

ã

Wiederverkaufswert

B7

D4

æ

Kurvenlage

B8

B1

ã

Anspringen des Motors

C1

C4

æ

Ersatzteilepreise

C2

C5

æ

Benzinverbrauch

C3

C2

ã

Lebensdauer der Karosserie

C4

D2

æ

Seitenwindempfindlichkeit

C5

C6

æ

Wendigkeit des Wagens

D1

C8

æ

Rundumsicht

D2

C1

ã

Innenraumgröße

D3

B7

ã

Heizung

D4

D1

ã

Belüftung

D5

D5

Ÿ

Bergfreudigkeit

D6

E5

æ

Erreichbare Dauergeschwindigkeit

E1

E1

Ÿ

Sitzkomfort

E2

D4

ã

Kofferraumgröße

E3

C7

ã

Motorgeräusche

E4

E4

Ÿ

Innenausstattung

E5

E3

ã

Gestaltung der äußeren Form

E6

E5

ã

Legende: Kaufgründe in der Reihenfolge ihres Einflussgrades auf den Kaufentscheid; die Kategorien A-E zeigen laut VW-Marktforschung »eindeutige Brüche in der Wichtigkeitseinstufung.« Dies bedeutet, dass den Motiven der A-Kategorie, nochmals abgestuft durch Zahlenzuordnungen besonders hohe, den E-Kategorien niedrige Bedeutung bei der Kaufentscheidung beigemessen wurden. Quelle: UVW, 69/440/1, Bericht: Marktforschung im VW-Konzern o. Dat. [1969], Tab. 2.

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

239

vielmehr, »dass die emotionalen Bindungen die rationalen Einstellungen zum Auto eindeutig überwiegen«.181 Wie aber konnte ein Fahrzeug in einem von steigender Angebotsvielfalt und zugleich von höherer Produkthomogenität gekennzeichneten Wettbewerbsumfeld emotional markiert werden? Wie sich bereits in der Positionierungsstrategie von BMW seit 1964 andeutete, sah die Automobilindustrie die Lösung nicht einfach darin, Pkws mit offensichtlichen stilistischen Prestigeelementen auszustatten – gerade dieser Ansatz hatte sich mit dem Scheitern amerikanischer Produktkonzepte zu Beginn der 1960er Jahre als kaum erfolgversprechend erwiesen. Eine moderne Imagestrategie basierte auf dem Prinzip der konsistenten Markenführung. Wiederholt betonten die Marketingabteilungen der Konzerne am Ende der 1960er Jahre, es habe sich durch die massenhafte Verbreitung des Automobils eine derart komplexe Konsumsituation entwickelt, dass der Konsument seine natürlichen Grenzen erreiche, die Produktinformationen zu verarbeiten. »Das technische Delta ist in den letzten Jahren immer kleiner geworden«, bestätigte Bernt Spiegel in einem Gutachten für BMW 1972, »viele Konstruktionsmerkmale, die früher BMW-spezifisch waren, sind heute zum Allgemeingut auch bei den Großserien-Anbietern geworden«. Die Charakteristika eines BMW verschwänden in der Uniformität der Vielfalt objektiver Produktbeschaffenheit. Aus faktischer Sicht »findet sich überhaupt kein zureichender Grund mehr, sich einen BMW zu kaufen.«182 Wenn schon für den Nischenanbieter BMW, so galt dieses Urteil umso mehr für die Massenhersteller. Aufgrund der Substituierbarkeit des Wagenangebots musste es Ziel sein, unverwechselbare Besonderheiten auf der Ebene der Markenimages zu schaffen, um den Kunden neue Entscheidungshilfen bei der Produktwahl zu geben. Ein positives Markenimage, formulierte der VW-Marktforschungsleiter Burmann, sei der einzige Garant, dem Trend zur Anonymität und Beliebigkeit das Kundenvertrauen entgegenzusetzen.183 Das Meinungsbild über eine Autofirma ist beim prospektiven Käufer entscheidend dafür, ob und mit welcher Intensität er die Produkte einer Firma in die engere Wahl zieht. […] Ein starkes Firmenimage [ist] insbesondere für Eroberungskäufe bedeutungsvoll, […] erhöht die Toleranz und Kompromissbereitschaft gegenüber (zeitweiligen) Leistungs- und Produktschwächen sowie die Verständnis- und Loyalitäts­bereitschaft.184

Aus diesen komplexen, aber ebenso hochgradig reflektierten Gründen räumten die Hersteller der Messung von Markenimages somit eine überragende strategische Bedeutung für den Unternehmenserfolg ein. Methodisch erfolgten die Marken181 Alle Zitate nach: UVW, 69/530/1, Bericht der Zentralen Marktforschung, Dezember 1971, S. 5. Auf das Problem der Rationalisierung von Kaufgründen verweist auch BMWGA , UA 1464, BMW-Käufertypologie Inland 1973, S. 19. 182 BMWGA , UA 1344, Spiegel, Marktpsychologisches Gutachten 1972, S. 7. 183 UVW, 69/530/1, Image-Bericht Dezember 1971, S. 6. 184 Ebd., S. 2.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

und Firmenimageanalysen – in der Praxis meist synonym verwendet185 – nach dem bekannten Muster von Eigenschaftsbewertungen und Motiv-Ratings. Aus der Sicht des Historikers ist jedoch weniger die Methode als vielmehr die Zusammensetzung der Kriterienkataloge spannend, die die Unternehmen für ihre Selbstanalyse zusammenstellten. Denn in dieser Quelle spiegelt sich ihre Selbstwahrnehmung wider. Der Entwurf einer Untersuchung zum Markenimage erforderte nicht nur einen internen Reflexionsprozess darüber, wie sich die Firmen wirtschaftlich und gesellschaftlich verortet sehen wollten. Er zeigt auch ihre Einschätzung, welche Faktoren in der Öffentlichkeit überhaupt über den Ruf eines Automobilherstellers entschieden. Die Fachwissenschaft und externe Marktforschungsexperten entwickelten schon Anfang der 1960er Jahre konkrete Handreichungen, um die Variablen des Markenimages zu bestimmen. Arbeiten von Reinhold Bergler in Deutschland oder Joseph C. Bevis in den USA entwarfen einen bis auf wenige Nuancen recht konsistenten Kanon von sechs Basis-Dimensionen: 1. Product Reputation: 2. Corporate Vitality: 3. Customer Relations: 4. Ethical Reputation: 5. Employer Role: 6. Civil Responsibility:

guter Ruf, Breite und Qualität des Produktangebotes; wirtschaftliche, technologische Durchsetzungskraft; Verbraucherbeziehungen und Service; Ruf ehrenhaften, kaufmännischen Verhaltens; Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen; gesellschaftliche Verantwortung und Aktivität.186

Vergleicht man die theoretischen mit den praktisch angewandten Konzepten, so zeigt sich noch selbst zu Beginn der 1970er Jahre eine starke Diskrepanz. Das (Selbst-)Bild der Unternehmen war deutlich eingeschränkt. Sowohl VW als auch Ford, für die deckungsgleiche Analysen vorliegen, schlossen ›weiche‹, ethische und soziale Faktoren weitestgehend aus ihren Beobachtungsperspektiven aus.187 »Am wichtigsten für den Ruf bzw. das Image einer Firma«, erläuterte die VWMarktforschung 1971 den Aufbau ihrer Markenimagestudien, »sind Leistungs­ kriterien, die in enger Beziehung zum täglichen Fahrbetrieb, zum ›Produkterlebnis‹ stehen: Zuverlässigkeit, Qualität, Kundendienst, angemessene Preisgestaltung (inkl. Kundendienst und Ersatzteile), Fahrsicherheit, Fortschrittlichkeit – als Voraussetzung für gute Produkte«; mittlere Bedeutung hätten demgegenüber »Eigenschaften und Aktivitäten, die mit dem zukünftigen Bestand einer Firma in Zusammenhang stehen«. Schließlich folgten mit geringerer Relevanz Attribute »der Größe, der nationalen und internationalen Bedeutung, sportliche und kulturelle Betätigung und sinnvoller Modellwechsel sowie Breite des Produkt185 Siehe auch die theoretischen Grundlegungen zur Identitäts-Integration von Marken- und Firmenimage, in: Bergler, Psychologie, S. 89 f. 186 Vgl. Joseph C. Bevis, How Corporate Image Research is Used, ESOMAR-Kongressbericht, Wien 1967, S. 246. Die Aufstellung hier basiert auf Uwe Johannsen, Das Marken- und Firmen-Image: Theorie, Methodik, Praxis, Berlin 1971, S. 153. 187 Vgl. Abb. 22. Dies bestätigte Ford 1968: HCD, JWT, Black Papers, Client-Series, Box 3, Clients Ford 1973, Ford Corporate Image 1968–73, Germany Summary Tables.

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

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programms.«188 Diese Faktoren seien zwar nicht bedeutungslos für das Image, könnten aber auch nicht als tragende Säulen der Vertrauenswürdigkeit angesehen werden, weil sie keinen konkreten Kundennutzen abbildeten.189 Somit ist zu resümieren, dass sich eine intensivere Kundenorientierung keineswegs zwangläufig mit einer veränderten unternehmerischen Selbstwahrnehmung als soziales System innerhalb ihres gesellschaftlichen Umfelds verband. Dabei bleibt anzumerken, dass die Signale der Autokäufer zunächst auch nur schwache Anreize für einen tiefer greifenden Perspektivwechsel gaben. So ist frappierend, dass die Konsumenten in ihren Imagebewertungen ›weiche‹, soziale Dimensionen des Firmenimages kaum eine Bedeutung einräumten. Aspekte der Firmenkultur und der gesellschaftlichen Verantwortung, die sich etwa in den Punkten Sozialleistungen und kulturelle Betätigung andeuteten, standen am Ende ihrer Motivskala (Abb. 19). Kritisch ist zu diesem Befund anzuführen, dass offenbar auch hier Rationalisierungseffekte zum Tragen kamen. So präjudizierte schon die firmenseitige Vorauswahl der Reputationsfaktoren die Befragungsergebnisse.190 Insgesamt aber räumte die Branche im Wettbewerb um die Kunden kollektiven gesellschaftlichen Erwartungen nur eine geringe Bedeutung ein.191 Die Ergebnisse der Markenimageanalysen zeigen recht deutliche Profilunterschiede, anhand derer sich einige Spezifika der Wettbewerbslage vor der Autokrise der 1970er Jahre zeigen lassen. Die Produktoffensiven in der sportlichen Mittelklasse verschoben die Marktpositionierungen gleich mehrerer Anbieter. Der Erfolg von BMW, sich mit der Neuen Klasse als Unternehmen der »modernen gesellschaftlichen Normen«192 zu etablieren, zeichnete sich in vielen Markenprofilen ab. Gleichwohl holten Opel und Audi in wesentlichen Punkten des BMW-Images auf, indem sie mit ihren Modellen Manta und Audi 80 ebenfalls Technik, Sportlichkeit und Individualität betonten. Die in der Abbildung 19 aufscheinende Synchronität mit den Imageprofilen von Audi bezeichneten die BMW-Imageexperten als neue »semantische Nachbarschaft.« Das Zusammenrücken der Automobilhersteller beruhte auf Fortschritten in »den Leistungen wie auch im Styling« der erneuerten Produktgenerationen. BMW sah diese Entwicklung noch nicht als Gefahr für die eigene Marktposition an. Den aufrückenden Firmen gelang es offenbar nur schwer, ihren Ruf als Klein- und Mittelklassewagen-Anbieter abzulegen. Nachahmern, so folgerte BMW zufrieden, kommen in den Wahr188 UVW, 69/530/1, Image-Bericht Dezember 1971, S. 3. 189 Vgl. ebd. 190 Vgl. Hans M.  Fischerkoesen, Experimentelle Werbeerfolgsprognose, Wiesbaden 1967, S. 156. 191 So zählte VW etwa die Sozialleistungen und »sportliche und kulturelle Betätigung« des Unternehmens zu Kriterien mit schwacher Imagewirkung: »Diese Faktoren sind zwar nicht bedeutungslos für das Image einer Firma, können aber auch nicht als tragende Säulen der Vertrauenswürdigkeit angesehen werden.« Siehe UVW, 69/530/1, Image-­ Bericht Dezember 1971, Tab. 3. 192 BMWGA , UA 1344, Spiegel, Marktpsychologisches Gutachten 1972, S. 67.

242

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung Audi BMW VW

30

40

50

60

70

80

90

100

Abb. 19: Markenprofile von VW, Audi und BMW (1970) Legende: Prozentbewertungen, in Klammern: Relevanzskala der Kaufmotive Quelle: UVW, 69/530/1, Bericht der Zentralen Marktforschung zum Image deutscher Automarken, Dezember 1971, Fremdimages der Firmen VW, BMW, Audi, Tab. 7.

nehmungen der Öffentlichkeit immer noch »gewisse Züge des ›Angestrengten‹ zu. […] Images sind eben hochgradig historisch gewachsene Gebilde und desto langsamer nur zu verändern, desto älter sie sind.«193 Der Entwicklung neuer Profilähnlichkeiten standen – gerade bei den Massenherstellern – aber zugleich neue, größer werdende Distanzen gegenüber. Sie gründeten sich vor allem auf dem Imageverlust von Volkswagen. Eine Situationsanalyse von VW kam bereits 1968 zu dem ernüchternden Ergebnis, dass der Ruf der Firma nur noch auf historischen Meriten basiere. Aus der Sicht der Kunden hatten die Wolfsburger lediglich bei After-Sales-Services, also dem Kundendienst, und bei weniger gewichtigen Kriterien – wie Größe und Bedeutung des Unternehmens  – ein Imageplus. Leichte, aber schwindende Vorteile gegenüber den Hauptkonkurrenten Ford und Opel zeichneten sich auch bei der Produkt- und Verarbeitungsqualität und dem Preis-Leistungs-Verhältnis ab (Tab. 23). 193 Alle Zitate des Abschnitts nach ebd.

243

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

Tab. 23: Markenimage VW, Ford und Opel. ›Selbstimage‹ von Firmenkunden (1970, nach Schulnoten) Kauf- und Markenimagefaktor

VW

Ford

Opel

Kundendienstnetz

1,0

2,6

2,0

Preise für Reparatur / Ersatz

2,2

3,5

3,2

Qualität

2,3

3,0

3,0

Absatzaussichten

2,4

2,3

2,4

Kundendienstqualität

2,5

3,1

2,9

Preis-Wert-Relation

2,6

2,8

3,0

Technische Leistungsfähigkeit

2,8

2,4

2,5

Berücksichtigte Käuferinteressen

2,9

2,5

2,7

Angebotsbreite

2,9

2,1

1,8

Bemühen um Fahrzeugsicherheit

3,0

2,7

2,9

Entwicklung neuer Ideen

3,5

2,4

2,6

Fortschrittlichkeit

3,7

2,2

2,6

Styling

4,0

2,5

2,5

Quelle: UVW, 250/2/1, Gruppenzentrale Marketing, Langfristiger Marketingplan des VWKonzerns für Personenwagen, Mai 1971, S. 24.

»Besonders bedenklich«, stellte die VW-Marktforschung fest, »ist die VW-Situation aber deshalb, weil sich die Schwachpunkte innerhalb des VW-Images um die Begriffe Fortschrittlichkeit und Durchsetzung neuer Ideen konzentrieren.«194 In allen Aspekten, die die Zukunftsfähigkeit betrafen, empfanden die eigenen Kunden das Unternehmen als erheblich rückständig. Ursächlich war dies auf die Dominanz des Käfers im Markenbild zurückzuführen, die sich von den neuen Modellen VW 411 oder K70 nicht abschwächen ließ. So basierte sowohl der ›Reputations-Puffer‹ in den Feldern Zuverlässigkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit auf dem Ruf des Käfers als auch die Erosion in punkto Modernität.195 Die Käfer-Krise war also nicht nur in der Absatz- als auch in der Imageentwicklung klar ablesbar. Allein zwischen 1970 und 1971, als sich die Verkaufsprobleme zu einer existenzbedrohenden finanziellen Krise aufzuschaukeln begannen, rutschten die Imagewerte des Unternehmens bei VW-Besitzern und

194 UVW, 250/2/1, Marketingplan Mai 1971, S. 24, Unterpunkt: Image-Perspektive. 195 Vgl. ebd., S. 26.

244

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

Fremdkunden dramatisch ab.196 »Durch die aktuellen Ereignisse bei VW und die weitgreifenden Veröffentlichungen und Diskussionen in Presse, Rundfunk und Fernsehen ist das Image von VW unter Neuwagenkäufern in der BRD stark beeinflusst worden; […] die Abwertungen sind […] derart stark, dass nachhaltige Auswirkungen […] mit Bestimmtheit zu erwarten sind«197, mahnte der VW-Vertriebsleiter. Die produktpolitische Monokultur hatte den ursprünglich guten Ruf der Firma schrittweise untergraben. Die Loyalitäts- und Eroberungsraten schrumpften. Um die Tiefe der Imagekrise zu ergründen, griff das Unternehmen erstmals auf ein breites Spektrum von Tiefeninterviews, Assoziations- und Satzergänzungstest bis hin zur Erstellung adjektivischer semantischer Polaritätsprofile zurück. Noch stärker als in den Punktbewertungen zeigte sich hier, wie fest sich die produktpolitischen Fehler im Persönlichkeitsbild niederschlugen: Volkswagen galt zwar noch als »sparsam«, gleichzeitig aber als »ernst, unterwürfig, müde und schwach.«198 2.3.3 Image und Marketingmanagement Anders als in den nur wenige Jahre zurückliegenden Zeiten eines Nachfrageüberhangs konnten die Hersteller nicht mehr allein darauf setzen, Markterfolg durch die objektive Qualität ihres Produkt- und Dienstleistungsangebots zu generieren. Das gute technische Produkt ›sprach‹ gewissermaßen nicht mehr für sich selbst; es musste durch emotionale Bedeutungsinhalte aufgeladen und im Markt platziert werden. Die Semantisierung des Produktes diente dazu, die kommunikativen Schnittstellen zwischen Konsument, Fahrzeug und Marke zu eruieren. Damit rückte der Konsument zunehmend in den Fokus der Marktbeobachtung. Dem Image kam indes nicht nur die Funktion eines Messergebnisses, sondern zugleich eines neuen strategischen Parameters zu. Mit Instrumenten der Produktpolitik sowie der Werbe- und PR-Kommunikation galten die subjektiven Markenassoziationen der Kunden jedoch weiterhin als manipulierbar – eine Auffassung, die die Unternehmen bereits aus der frühen Werbelehre und Motivforschung adaptierten.199 Daher begannen die Automobilkonzerne sich nun auch auf die ›Produktion‹ von Images zu verlegen. 196 UVW, 69/530/1, Image-Bericht Dezember 1971, VW-Fremdimage im Zeitvergleich 1970–71, Tab. 7b. Vgl. hierzu auch: Schimpf, Eckard, Wie aus der Käfer-Krise der Golf entstand, in: Die Welt online vom 10.8.2008, (online unter http://www.welt.de/wams_print/ article2291654; eingesehen am 20.5.2017). 197 UVW, 69/530/1, Begleitbrief H. J. Hinrichs an Verteiler vom 4.1.1972, S. 1. 198 Ebd., Bericht der Zentralen Marktforschung zum Image deutscher Automarken, Dezember 1971, Polaritätsprofil für VW, Ford, Opel (Nichtmarkenbesitzer), Tab. 9a; ebd., 69/423/1, Firmenimage über die Produktpolitik – Satzergänzungstest [1969]. 199 Vgl. zur Theorie des Markenimages und seiner Messung: Mario Farsky, Methoden zur Messung des Markenimages: State of the Art, Research Papers on Marketing and Retail­ ing Nr. 38, Univ. Hamburg 2007, S. 15–28.

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

245

Ebenso wie bereits BMW wenige Jahre zuvor, deklarierte VW Ende der 1960er Jahre die »Verbesserung und Profilierung der einzelnen Markenimages und das Herausarbeiten eines positiven Konzernimages« zum übergeordneten Unternehmensziel. Ein positives Unternehmensimage sei gleichbedeutend mit den klassischen unternehmerischen Aufgaben »stetiges Wachstum des Gesamtunternehmens, zufriedenstellende Rentabilität, Vollbeschäftigung [und] Risikostreuung«200, formulierte zumindest der VW-Vertriebsvorstand 1968. Zugleich präsentierte er dem Vorstand erstmals einen marktforschungsbasierten langfristigen Marketingplan, der die Korrektur und Weiterentwicklung des Markenimages ins Zielfenster der Unternehmensstrategie stellte.201 Der Marketingplan – der 1971 nach der Fusion Volkswagens mit der Audi NSU Auto Union eine Überarbeitung erfuhr und in dieser Fassung als Quelle vorliegt – präsentierte ein prononciertes Imagekonzept. Die Marketingabteilung definierte Zielvorgaben, in welche Richtungen das Image der einzelnen Konzernmarken Volkswagen, Audi und VW-Porsche zu gestalten war. Eine gemeinsame Betonung von Basiseigenschaften der Fortschrittlichkeit, Qualität, Zuverlässigkeit und Sicherheit im Produktstil sollte dabei als Klammer für die einzelnen Markenprodukte fungieren und eine übergeordnete Identität schaffen. Der VW-Konzern versuchte sich als »international engagierter Verband von Unternehmen« darzustellen, »der wirtschafts- und sozialpolitisch verantwortungsbewusst handelt, sich um Fortschrittlichkeit bemüht und Qualität im Produkt und Leistungsangebot sicherstellt.«202 Unter diesem Dachimage setzte das Konzept auf eine dezidierte Profilierung der einzelnen Marken, um konzerninterne Substituierungseffekte auszuschalten und sich zugleich von den externen Konkurrenten abzusetzen. Volkswagen selbst sollte sich als Anbieter moderner wirtschaftlicher Gebrauchsfahrzeuge gegenüber Opel und Ford positionieren. Besondere Bedeutung maß das Unternehmen dabei dem Ziel zu, den etablierten Goodwill in den Kundendienst und der PreisWert-Relation zu erhalten, zugleich aber die Schwächen im Feld Modernität durch fortschrittliche neue Typen zu beheben.203 Das Audi-Image sollte sich hingegen oberhalb der VW-Automobile ansiedeln. Mit Produktcharakteristika der sportlich-komfortablen Eleganz trat man gegen BMW und die Mittelklasseangebote von Opel an. Wie die Gewichtung imagebildender Maßnahmen für die jeweiligen Marken andeuten, rechnete VW dem Preis und den Serviceleistungen eine recht geringe Bedeutung zu. Auch hier setzten sie vor allem auf überzeugende Produktkonzepte. Dies gilt in noch stärkerem 200 Alle Zitate nach UVW, 250/2/1, Marketingplan Mai 1971, S. 31. 201 Vgl. ebd., Schreiben von Carl H. Hahn an den Vorstand betr. Langfristiger KonzernMarketingplan vom 11.5.1971. 202 Ebd., Gruppenzentrale Marketing: Langfristiger Marketingplan des VW-Konzerns für Personenwagen, Mai 1971 (überarbeitete Fassung des Marketingplans von Dez. 1968), S. 75. 203 Vgl. ebd., S. 24 u. 78.

246

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

Tab. 24: Leitlinien der Imagepolitik des VW-Konzerns (1971) Volkswagen

Audi NSU

VW Porsche

Produkte (55 %)

Produkte (65 %)

Produkte (80 %)

–– Fortschrittlichkeit in Technik –– hoher Qualitätsstandard –– Zuverlässigkeit –– Sicherheit

–– Fortschrittlichkeit in Technik –– hoher Qualitätsstandard –– Zuverlässigkeit –– Sicherheit

–– Fortschrittlichkeit in Technik –– hoher Qualitätsstandard –– Zuverlässigkeit –– Sicherheit

–– funktionell –– bequem –– zeitlos modern –– wirtschaftlich

–– elegant –– sportlich-komfortabel –– luxuriös –– schnell

–– rassig –– sehr schnell –– für den Motorsport verwendbar –– anspruchsvolle Technik

+

+

+

Leistungen (30 %)

Leistungen (25 %)

Leistungen (10 %)

–– umfassendes fortschrittliches Angebot –– überall verfügbar –– in guter Qualität

–– befriedigende Angebotsbreite –– zufriedenstellende Verfügbarkeit und Qualität

–– durch Anlehnung an VW relativ komplettes Angebot

+

+

+

Preise (15 %)

Preise (10 %)

Preise (10 %)

–– sehr guter Preis: Gegenwert-Relation für Produkte und Leistungen

–– relativ preisgünstig

–– attraktive Preisstellung durch Anlehnung an Großserie

=

=

=

VW-Image

Audi NSU-Image

VW Porsche-Image

–– vernünftig –– risikolos –– fortschrittlich –– käuferfreundlich –– preisgünstig

–– individ. Eleganz und sportliche Note –– bei fortschrittlicher Technik und guter Qualität –– befriedigendes Leistungsangebot –– günstige Preise

–– echte Sportlichkeit –– anspruchsvolle, fortschrittliche –– Technik bei guter Qualität

Quelle: UVW, 250/2/1, Gruppenzentrale Marketing, Langfristiger Marketingplan des VWKonzerns für Personenwagen, Mai 1971, S. 77.

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

247

Maße für den VW Porsche (Tab. 24).204 Dem Imagekonzept lag damit, ähnlich der BMW-Nische, eine dezidierte Positionierungsstrategie zugrunde. Allein der Aufbau des Konzeptplans verdeutlicht den Optimismus der Akteure, die Markenimages durch Marketingmaßnahmen in gewünschte Bahnen zu lenken. Die Gestaltung der Markenpersönlichkeit schien als einfache AdditionsRechnung, in der sich die subjektiven Wahrnehmungen der Kunden mit Hilfe von Produkt-, Service- und Preispolitik auf die im Vorfeld festgelegten Imagewerte bringen ließen. Der Imagepolitik haftete vor diesem Hintergrund weiterhin ein eingleisiges Bild der Kommunikation zwischen Herstellern und Konsumenten an. Die Autofirmen meinten nur die richtigen Botschaften formulieren zu müssen, um das Produkt- und Markenverständnis der Kunden zu formen. Die Voraussetzung war jedoch, alle Kanäle der Kundenkommunikation einheitlich auf die formulierten Imageziele auszurichten. Das Vertrauen der Konsumenten, argumentierte der BMW-Vertriebschef zu Beginn der 1970er Jahre, lasse sich nur gewinnen, wenn das Unternehmen »mit einer Sprache, der Sprache des Marketing spricht«205. Unter dieser Prämisse forderte die Marketingabteilung nun auch hier, dass ihre Kompetenzen ausgeweitet würden. Das Marketing müsse, so der Leiter der VW-Marketingzentrale Burmann 1971, sowohl für die Entwicklung neuer Produktkonzepte als auch »in den anderen Bereichen des Unternehmens […]« eine steuernde Funktion übernehmen, »um alle Faktoren, die in irgendeiner Weise langfristig das Profil des VW-Konzerns prägen können, zu aktivieren.«206 Mit großer Aufmerksamkeit wandte sich das Marketing der Aufgabe zu, alle bis 1975 geplanten Maßnahmen des Unternehmens auf ihre Vereinbarkeit mit den Imagezielen zu überprüfen. Damit verband sich der Anspruch, diese Aktivitäten auch zu koordinieren. Die Marketingstudie setzte sich ausführlich mit der sich noch im Entwicklungsstadium befindlichen Fahrzeuggeneration von VW auseinander. Die neuen Modelle sollten ab 1974 die Image-Offensive des Konzerns tragen. Die technischen Entwürfe seien geeignet, um »in Zukunft die Konzept-Individualität bei VW zu wahren und zum Ausbau des VW-Markenimages in Bezug auf Fortschrittlichkeit wesentlich beizutragen […] Auch in den stilistischen Gestaltungen sind die Forderungen des Vertriebs nach moderner, aber nicht modischer Formgebung erfüllt.«207 Das Marketing segnete die Modellentwürfe jedoch nicht nur nachträglich ab. Es formulierte konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung von Technik und Design, übernahm die Planung von Einführungsterminen, legte die projizierten Laufzeiten der Modelle fest. Es nahm Stellung zum ökonomisch und 204 Vgl. ebd., S. 62 f. 205 BMWGA , UA 1344, Robert A.  Lutz, Praktikable Marktpsychologie und -soziologie, [1973], S. 10. 206 UVW, 250/2/1, Marketingplan Mai 1971, S. 1. 207 Ebd., S. 32 f.

248

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

technisch unverzichtbaren Übergang zu einer Gleichteilepolitik in der Fertigung, zur preislichen Platzierung der Modelle und zum notwendigen Umbau der Vertriebsstrukturen nach der Integration der Audi NSU Auto Union AG. Schließlich forderte es einen Ausbau der Bemühungen auf den Gebieten des Kundendienstes und der Public-Relations-Arbeit ein, um die durch die Käfer-Krise ausgelöste Imageschwäche zu bekämpfen. Bis zur Marktreife der neuen Produkte, die erst ab 1974 erwartet wurde, sah man hierin die einzige Chance »zur Formung des Konzernimages«208. Hier zeichnet sich erstmals ab, dass zumindest das VW-Marketing in der Praxis dezidiert im Rahmen des Marketing-Mix agierte.209 Es übernahm dabei nicht direkt Entscheidungskompetenzen aus anderen, dem Vertrieb ursprünglich vorlagerten Betriebsressorts. Aber es vernetzte das Wissen und die zuvor meist unverbundenen Aktivitäten des Verkaufs, der Entwicklungs- und Finanzabteilungen, des Kundendienstes, der Presse und Public Relations sowie der Marktforschung miteinander  – und es richtete alle Maßnahmen auf die Aufgabe aus, durch eine kollektive Arbeit am Produkt- und Markenimage die Wettbewerbssituation des Unternehmens zu stärken. Die Vorstellung, dieses Ziel nur erreichen zu können, wenn ein verengtes Ressortdenken überwunden und ein Ineinandergreifen der Marktbearbeitungsinstrumente gewährleistet sei, förderte die Durchsetzung des integrativen Marketingmanagement-Ansatzes. In dieser Hinsicht leisteten die Imagemodelle der Marktforschung einen zentralen Beitrag, um die Planungs-, Steuerungs- und Koordinierungsfunktionen unter einer ganzheitlichen Marketingstrategie zusammenzuführen. Hervorzuheben ist, dass es erst die Fortschritte der Marktforschung waren, die die Grundlagen legten, um zu einer neuen Phase der kundenorientierten Marktbearbeitung überzugehen. Schon die zeitgenössischen Vertriebspraktiker, wie Carl Hahn, betonten diesen Umstand mehrfach.210 Diverse Strategiepapiere und Schulungsmaterialien zeigen, wie das vertiefte Wissen über die Struktur von Käufersegmenten und Marktbewegungen, Markenimages und Motivstrukturen in die betrieblichen Entscheidungsprozesse einfloss. Der Einsatz des Marketing-Mixes sollte hiernach auf der Basis eines vierstufigen Verfahrensmodells erfolgen, welches die Schritte der Marktanalyse, Planung, Gestaltung und Kontrolle umfasste. Erste Ansätze für die praktische Umsetzung dieses managerial approaches211 des Marketings bildete die Abfassung von sog. betrieblichen Ablaufplänen, die den

208 Ebd., S. 75, zu den Aussagen des Marketingplans siehe außerdem S. 37 u. 52 f. 209 Vgl. McCarthy, Basic Marketing, S. 208–211. Zur Bedeutung des Marketing-Mixes siehe zeitgenössisch auch: Heribert Meffert  /  Hartwig Steffenhagen, Marketing-Prognosemodelle. Quantitative Grundlagen des Marketing, Stuttgart 1977, S. 25; Bidlingmaier, Marketing 1, S. 165 f.; Kotler, Marketing-Management, S. 92 f. 210 Vgl. UVW, 250/2/1, Zentralbereich Marketing, Brief Carl H. Hahn an den Vorstand betr. Langfristiger Konzern-Marketingplan vom 11.5.1971. 211 Zur Definition der Funktionsbereiche in der akademischen Marketinglehre vgl. ausführlich Bidlingmaier, Marketing 1, S. 13 f.; Nieschlag / Dichtl / Hörschgen, Einführung, S. 12 f.

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

249

Informationsfluss und die Zuständigkeiten zwischen den Betriebsabteilungen neu regelten. Beispielsweise sei wiederum auf Volkswagen verwiesen. Noch 1966 hatte eine Organisations-Richtlinie des Vorstandes zur Produktprogrammplanung festgelegt, dass der Vertrieb, vertreten durch die Marktforschung, lediglich auf Anfrage einer weitestgehend von Technikern und Finanzfachleuten dominierten Programmkommission sekundärstatistische Daten zur Absatz- und Preisentwicklung zu liefern hatte. Die Rolle des Marketings begrenzte sich hier weiterhin darauf, die Marktmöglichkeiten technisch bereits evaluierter Produkte abzuschätzen. Nur zwei Jahre später bezeichnete eine neue Vorgabe die PkwKonzeption jedoch dezidiert als Teil der Marketingplanung. Die Marktanalyse stand vor der Entwicklung des Typenprogramms. Erst wurden von der Marktforschung Planziele entwickelt, welche Aufgaben das jeweilige Fahrzeug im Rahmen des Imagekonzeptes zu erfüllen habe, bevor die Entwicklungsabteilungen an die technische Konstruktion gingen.212 Zugleich verpflichtete der Konzern seine Führungskräfte der oberen und mittleren Leistungsebene an einem Grundlehrgang zur Rolle und Funktion von Marktforschung und Marketing im Unternehmen teilzunehmen. Das Seminar war fester Bestandteil einer ganzen Serie von Fortbildungsmaßnahmen, die das Management mit den Grundlagen der integrativen Betriebsführung vertraut machen sollte.213 Die überlieferten Schulungsmaterialien definierten die Marktforschung nun völlig neu als »systematische Problemanalyse, Modellkonzeption und Erforschung von marktrelevanten Sachverhalten zum Zweck verbesserter Entscheidungsfindung und Kontrolle beim Marketing von Gütern und Diensten.«214 Ihre Analysen standen nun obligatorisch vor jeder operativen Maßnahme. Als Aufgabe jeder Führungskraft wurde nun festgelegt, sich stets über die Fragen zu informieren: Wo stehen wir? Wo werden wir stehen? Warum stehen wir da?215 Aus dieser Problemanalyse hatte das Marketing strategische Unternehmensziele zu entwickeln und das Instrumentarium festzulegen. Danach stand notwendigerweise die Evaluation, inwieweit die ergriffenen Maßnahmen das Image erfolgreich verändert hatten. Die Effizienzkontrolle oblag wiederum der Marktforschung, die damit den Mitteleinsatz des Marketings vor- und nachgelagert flankierte. Mit ähnlichen Verfahrensmodellen arbeitete BMW. Obwohl die Imageorientierung wesentlich früher zu einem Referenzpunkt der Firmenstrategie avancierte, sah auch der Münchner Konzern offenbar erst zu Beginn der 1970er Jahre die 212 Vgl. UVW, 174/245/120, Vorstandsbereich Verkauf, Ablauf zur Einführung eines neuen Modells, Ist-Beispiel VW 411, 1968, o. S.; ebd., 587/19/33, Organisations-Richtlinien des Vorstandes Nr. 703 betr. Fahrzeug-Neuentwicklungen vom 9.6.1966, S. 3. 213 Vgl. Lupa, Volkswagen-Chronik, S. 82. 214 UVW, 65/530/2, Marktforschung im VW-Konzern: Grundlehrgang für Führungskräfte der VW AG , 2. Phase, 1971, o. S.  215 Vgl., ebd.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

Notwendigkeit, unter dem Signet des Marketingmanagements prozessorientierte Ablaufpläne zu etablieren. 1971 schickte die Vertriebsabteilung auf Anweisung des Vorstandes ein Grundsatzkonzept zum Thema ›Marketing-­Planung und Koordination‹ an alle mit Marketingaufgaben betrauten Abteilungen. Auf der Basis sämtlicher primär- und sekundärstatistischer Daten präsentierte es auf die Zuständigkeitsbereiche speziell zugeschnittene sog. Marktsynthesen – Berichte, die gewährleisteten, dass alle Aktivitäten »in Zukunft so synchronisiert und materiell aufeinander abgestimmt werden.«216 Als Grundlage fungierte ein übergeordneter Marketingplan, der die Prozesse zeitlich und sachlich koordinieren sollte. Er wurde ab 1971 dem Vorstand in einem halbjährlichen Turnus zur Genehmigung vorgelegt und einer regelmäßigen Wirkungskontrolle unterzogen. Als operative Leitlinie integrierte der Marketingplan die zuvor getrennt voneinander erstellten Absatz- und Produktionspläne.217 Die Beispiele zeigen, dass sich in den Automobilunternehmen eine regelkreisartige Vorstellung von Information, Planung, Durchführung und Kontrolle durchsetzte. Das »ständige Abtasten der Marktreaktionen«218 durch die Marktforschung koppelte Pläne und Aktionen an einen laufenden Soll-Ist-Vergleich. So sollten die Instrumente des Marketings beständig und möglichst zeitnah an Veränderungen im Marktumfeld angepasst werden. Während die Absatz- und Imageentwicklung gewissermaßen eine Regelstrecke mit vorgegebenen Planzielen repräsentierte, diente das Marketing als Regler, um die beiden Maßgrößen in die gewünschten Richtungen zu lenken. Zumindest in den 1960er Jahren verbanden die Unternehmen mit dem Marketingmanagement jedoch eher eine aktive Einflussnahme auf das engere Feld des Marktes. Der weitere politische oder gesellschaftliche Raum wurde noch nicht detektiert.219 Während die neuen Ablaufkonzepte die Marketingidee auf administrativer Ebene implementierten, setzten parallel weitreichende Bemühungen ein, das neue Image-Paradigma tiefer in den Denkhaltungen der Mitarbeiter zu festigen. Volkswagen initiierte eine betriebsinterne Werbekampagne für das Marketing. Zu den spektakulärsten Maßnahmen zählte die Verbreitung eines mehrseitigen Rundschreibens »Marketing 1971 für Werk und Organisation«220. Der VW-Vertriebsleiter Kubisch appellierte hierin an die Führungskräfte im Unternehmen, sich für die neuen Image-Ansätze zu öffnen. Das Marketing, formulierte das Handout, habe bereits konkrete Strategiekonzepte formuliert und Maßnahmen eingeleitet, um dieses neue Unternehmensziel anzugehen. Einer Skizze der gemeinsamen Aufgaben folgte die eingehende Aufforderung: »Sorgen sie bitte dafür, dass es in keinem Fall beim bedruckten Papier bleibt: Informieren sie sich selber und geben sie die Informationen weiter: Ihre Mitarbeiter müssen 216 217 218 219 220

BMWGA , UA 1483, Marketing-Planung und Koordination, o. J. [1971], S. 1 f. Vgl. ebd. Goebel, Anpassung, S. 85. Vgl. ebd., S. 86 f. UVW, 174/319/10057, Marketing 1971 für Werk und Organisation.

Von der Absatz- zur Imageanalyse in den 1960er Jahren 

251

unsere gemeinsamen Zielsetzungen und Überlegungen kennen, damit sie ihren Teil zum Erreichen der Ziele beitragen können.«221 Der Appell, die Imageziele zu verinnerlichen, verband sich mit dem Aufruf zur Kooperation aller Akteure, um das Unternehmen in einer gemeinsamen Anstrengung aus der Krisenphase zu führen. Als Zwischenfazit bleibt festzuhalten, dass sich die Marktforschung der deutschen Automobilkonzerne bis zum Ende der 1960er Jahre professionalisierte. Durch die Kombination von quantitativen und qualitativen Instrumenten wandten sich die Unternehmen den Herausforderungen des prophezeiten Käufermarktes zu. Das Käuferverhalten wurde zum Referenzpunkt für den Markterfolg, die zielgruppen- und bedürfnisgerechte Positionierung von Marken und Produkten zur Wettbewerbsstrategie. Die Voraussetzung für die Diffusion eines kundenorientierten Markt- und Marketingverständnisses bildete dabei die Verwissenschaftlichung motivpsychologischer Analysetechniken. Erst der Rückgriff auf die Messmethoden der neobehavoristischen Marktforschung ermöglichte die Implementierung konkreter strategischer Handlungskonzepte. Das Marketingmanagement kam vor diesem Hintergrund einer Operationalisierung der imagebasierten (Selbst-)Wahrnehmung des Unternehmens gleich. Mit der Vorstellung, die Kaufmotive vermessen zu können, verband sich Ende der 1960er Jahre allerdings immer auch noch die Überzeugung, das Konsumentenverhalten sei berechenbar und damit beeinflussbar. Alle Images, folgerte die BMW-Marktforschung noch 1969, sind »mehr oder minder dynamisch, d. h. vom Produkt her zu beeinflussen und zu verändern.«222 Die Marktforschung vermittelte in dieser Zeit eine uneingeschränkte Machbarkeitsillusion. Gleichwohl folgte auf die ›Wirtschaftswunder‹-Periode der eher intuitiven Marktbearbeitung spätestens seit der Rezession 1966/67 eine stark planerische Phase, in der Positionierungsund Segmentierungsstrategien entwickelt wurden. Die grundlegenden Techniken einer kundenorientierten Marktbearbeitung waren damit schon Ende der 1960er Jahre in der Praxis verankert. Mit dem Eintritt in das neue Jahrzehnt mussten die Unternehmen jedoch die Erfahrung machen, dass sich das Image nicht nur durch ihre eigenen Produkt- und Werbebotschaften verändern ließ. Es resultierte vielmehr aus dem komplexen Zusammenspiel von Wandlungsprozessen auf der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Ebene. Die autokritischen Debatten sowie die Konjunktur- und Energiekrise stellten die noch jungen Marketing- und Marktforschungsstrategien vor neue Herausforderungen. Nun galt es, den Einfluss von eher marktfernen Krisen auf die Markensymbolik abzuschätzen. Die Images mussten zwischen Herstellern, Konsumenten und der Öffentlichkeit neu ausgehandelt werden.

221 Ebd., S. 7. 222 BMWGA , UA 1599, Entwicklung einer Marketing-Strategie, Schulungsreferat [1969], S. 4.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

3. Marktforschung und die Umbrüche der 1970er Jahre Mit Beginn der 1970er Jahre weiteten sich die Problemkreise deutlich aus, mit denen sich die Marktanalysen auseinandersetzen mussten. Im Kern hatte sich die Marktforschung bis dato mit marktendogenen Veränderungen der Nachfrage befasst, die mit einem Übergang zum Käufermarkt in Verbindung gebracht wurden. Zwar zeigte die Rezession 1966/67 erstmals auf, wie sehr externe Konjunktureinflüsse auf den Prozess der Motorisierung einwirken konnten. Der folgende Absatzboom schien aber ebenso zu beweisen, dass sich die Hersteller um die allgemeine Popularität ihrer Produkte keine nachhaltigen Sorgen zu machen brauchten. Die äußeren gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für eine weitere Absatzexpansion muteten stabil an. Das Automobil als Symbol von Wohlstand und Freiheit hatte sich durch eine jahrelange Pkw-freundliche Verkehrs- und Wirtschaftspolitik fest verankert. Die Freude am Fahren und die Lust zur sozial differenzierten Statusrepräsentation bestimmten das Verhalten der Konsumenten. Gerade dies legte zumindest der sich in den Jahren 1968 bis 1972 abzeichnende Trend aufsteigenden Konsums nahe.223 Parallel mit der Verankerung des Autos in der Alltagskultur begann der Automobilitäts-Konsens zwischen Industrie, Kunden, Politik und Öffentlichkeit ab Anfang der 1970er Jahre ins Wanken zu geraten; und dies auf Ebenen, die von den Unternehmen bislang nicht als marktrelevant wahrgenommen wurden.224 Mit der kritischen Medialisierung und Politisierung der individuellen Massenmobilität hatten sich die unternehmerischen Perspektiven auf marktexogene Einflussfaktoren der Branchenentwicklung zu erweitern. Nach den Termini der systemorientierten Theorie von Heribert Meffert orientierten sich Marktforschung und Marketing in den 1960er Jahren auf die engere »Aufgabenumwelt«225 der Kunden- und Konkurrenzbeziehungen. Als sich die öffentlichen Diskurse auf grundlegende gesellschaftliche und politische Fragestellungen des Umgangs mit dem Automobil erweiterten, rückte die »restliche Umwelt«226, d. h. die Rahmen­ strukturen des Marktes, ins Blickfeld. Die Frage lautete, wie sich branchenexterne Einflüsse aus den Subbereichen der ökonomischen Umwelt (Konjunktur- und Wachstumsbedingungen), der sozialen Umwelt (gesellschaftliche und kulturelle Werte und Normen) und der rechtlich-politischen Umwelt (Verkehrs- und Wettbewerbspolitik, gesetzliche Auflagen für die Pkw-Herstellung und Nutzung) auf 223 Vgl. Klaus Kuhm, Das eilige Jahrhundert. Einblicke in die automobile Gesellschaft, Hamburg 1995, S. 165. 224 Vgl. Canzler, Zauberlehrlings-Syndrom, S. 140 f. 225 Vgl. Heribert Meffert, Marketing. Einführung in die Absatzpolitik, 2. Aufl., Wiesbaden 1977, S. 46. 226 Ebd. sowie Hans Raffée, Marketing und Umwelt, Stuttgart 1979.

Marktforschung und die Umbrüche der 1970er Jahre 

253

die Einstellungen der Kunden zum Automobil im Allgemeinen, auf Kaufmotive und damit die etablierten Markenimages einwirken würden.227 Besonders brisant war die Lage in der ersten Hälfte der 1970er Jahre. Hier überlagerten sich mehrere Negativtrends. Der Ersatzbedarf dominierte  – wie erwartet – die Nachfrage. Erstmals schien fraglich, ob der Automarkt nach dem Absatzeinbruch 1973 noch über Wachstumsreserven verfügte. Parallel zeichnete sich ein ganzes Bündel von neuen wirtschaftlichen, politischen und sozialpsychologischen Bedrohungen ab. Die Marktforschung von Daimler-Benz entwarf im Mai 1974 folgendes Krisenszenario: – restriktive Maßnahmen von Bundesbank und Bundesregierung, – schlechtere Beurteilungen der Entwicklung der Gesamtkonjunktur und / oder der persönlichen Einkommen bis zur Befürchtung um die Sicherheit der Arbeitsplätze, – steigendes Zinsniveau, – zunehmende Geldentwertung, die primär als Verunsicherung der Zukunft erlebt wird, – Nahostkonflikt und […] Verunsicherung durch widersprüchliche Informationen zur Öl-Situation, – Sonntagsfahrverbot und Geschwindigkeitsbegrenzung, – erhebliche Verteuerung des Treibstoffes, – Verlangsamung des Wachstums der Motorisierung, – ›Verteufelung‹ des Autos (ideologisch gefärbte Diskussionen über Unfälle, Umweltbelastung, Verkehrsdichte usw.) sowie – Verunsicherung durch ›Linkstendenzen‹.228

Zwar entfalteten diese Faktoren ihre Wirksamkeit nicht zeitgleich. Entscheidend aber war ihre Summierung und die kaum zu beantwortende Frage, inwieweit selbst kurzzeitige Sondereinflüsse langfristige psychologische Effekte auf das Konsumentenverhalten entwickeln würden.229 Die Automobilindustrie hatte einen »regelrechten Einbruch erlebt«, konstatierte auch die BMW-Marktforschung im Frühjahr 1974. »Wir müssen uns heute die Frage stellen, ob es sich dabei um eine einmalige und vorübergehende Erscheinung oder um den Beginn einer neuen Entwicklung handelt«230, in der sich die Branche dauerhaft mit Absatzschwankungen und einer grundlegend kritischeren Einstellung der Konsumenten einzustellen habe. Vor diesem Hintergrund konzentrierte sich die betriebliche Marktforschung seit der Auto- und Ölkrise auf zwei Schwerpunkte: Zum einen erhöhten die Konzerne in der akuten Abschwungphase die Frequenz quantitativer Absatzerhebungen. Im Januar 1974 unterstrich der BMW-Vorstand »die Notwendigkeit, 227 228 229 230

Vgl. Goebel, Anpassung, S. 103 f. HAD, Zahn 292, Energiekrise, Bericht 35/74, S. 58 f. Vgl. ebd., S. 59. BMWGA , UA 1545, Automobilindustrie nach der Energiekrise, S. 2.

254

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

die Berichterstattung der Absatz- und Umsatzentwicklung zu verbessern. […] Die Situation verlangt, dass dem Vorstand ab sofort zu seinen wöchentlichen Sitzungen Material vorgelegt wird, welches die Entwicklung bis zum Ende der vorausgehenden Woche [nebst] aussagefähigen Trends erkennen lässt.«231 Unter den Bedingungen eines steigenden finanziellen Drucks und wachsender Unsicherheit über die Tiefe der Absatzkrise stieg der Bedarf an verdichteten, möglichst aktuellen Marktdaten. Die Marktforschung diente hier wieder in ihrer Basisfunktion dazu, die Produktionsvolumina an die Auftrags-, Absatz- und Lagersituation anzupassen. Zum anderen standen die kurz- und langfristigen psychologischen Auswirkungen im Fokus. Die Debatten um die kollektiven Kosten des Individualverkehrs empfand die Automobilindustrie als Störung der Grundlagen des Automobilismus.232 Die Befürchtungen gingen dahin, dass sich der allgemeine wirtschaftliche Pessimismus mit den autokritischen Botschaften der medialen Öffentlichkeit verband und das gesellschaftliche Ansehen des Automobils radikal schwächte. Es oblag der Marktforschung, mögliche Wandlungsprozesse in den Einstellungen der Autokäufer aufzudecken, um dem Marketingmanagement neue Orientierungspunkte für eine situationsadäquate Marktbearbeitung zu liefern.233 Die planerische Steuerung, der sich das Regelsystem des Marketings noch wenige Jahre zuvor euphorisch verschrieben hatte, wich nun einem situativen Reagieren auf die äußeren Einflüsse, die auf die Produkt-Benutzerschnittstellen einwirkten. Um kaufwirksame Imagestrukturen zu eruieren, weitete sich der Analyserahmen seit spätestens Mitte der 1970er Jahre auf gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge aus, um die Folgen des Wertewandels in den Blick zu nehmen.234

3.1 Die Ölpreiskrise im Spiegel der Marktdaten Die Automobilindustrie nutzte zunächst wöchentliche quantitative Marktanalysen, um das Zusammenspiel konjunktureller und wirtschaftspolitischer Faktoren zu untersuchen. In einer Phase, in der eine Vielzahl von externen Einflüssen auf die Konsumenten einwirkte, urteilte eine Studie von Daimler-Benz im Frühjahr 1974, sei es entgegen der etablierten Praxis zunächst wenig sinnvoll, Kundenverhalten und Motivstrukturen durch Meinungsumfragen zu eruieren. Will man etwas über die Auswirkungen der sogenannten Ölkrise auf das Verhalten der Autokäufer sagen, steht man vor mehreren Schwierigkeiten. Vor allem ist es unmöglich, den Einfluss der Ölverteuerung von anderen Faktoren zu trennen. Das Motivbündel, das die Kauf- und Fahrgewohnheiten steuert, lässt sich möglicherweise aufschlüsseln; 231 Ebd., UA 852/1, Protokoll zur außerordentlichen Vorstandssitzung vom 22.1.1974, S. 2. 232 Vgl. Canzler, Zauberlehrlings-Syndrom, S. 40. 233 Diese Problematik thematisiert UVW, 610/382/2, Bedeutung des Automobils, S. 1. 234 Vgl. Szallies / Wiswede, Wertewandel; Gasteiger, Konsument, S. 219–229.

Marktforschung und die Umbrüche der 1970er Jahre 

255

es ist auch noch möglich Rangfolgen aufzustellen, doch schon deren Ergebnisse sind fragwürdig, da das Gewicht der einzelnen Motive den meisten, die sich darüber äußern, nicht klar ist – […] Meinungen und Verhalten oft auseinanderfallen.235

In Zeiten starker Erschütterungen sollte sich die Marktforschung auf eine Position des Beobachtens zurückziehen, um externe Effekte und messbare Kundenreaktionen in ihrem Zusammenwirken zu erklären.236 Dieses Plädoyer für quantitative Methoden kam keineswegs einer grundsätzlichen Kritik an verhaltenspsychologischen Verfahren gleich – der Einsatz aufwendiger und teurer Umfragen bot sich jedoch erst an, als sich die Erfahrungen des Ölpreisschocks in den Konsumpräferenzen klarer absetzten.237 Sie galten daher eher als mittel- bis langfristige Analyseinstrumente. Die überlieferten Marktforschungsberichte von Daimler-Benz, BMW und Ford aus der Zeit zwischen Herbst 1973 und Frühjahr 1974 zeichneten den Weg der Autoindustrie in eine Absatzkrise dezidiert nach. Dabei verwiesen sie übereinstimmend auf eine spiralförmige Abwärtsentwicklung. An ihrem Anfang standen gesamtwirtschaftliche Stagnation und Preisinflation. Sie führten ab Mai 1973 zu Kaufzurückhaltung, die dann durch die Regierung durch ein fehlerhaftes wirtschaftspolitisches Stabilitätspaket aus Hochzinspolitik, Investitionsabgabe und Stabilitätszuschlag zur Einkommens- und Körperschaftssteuer nochmals befördert wurde.238 Es waren aus der Industriesicht also vor allem externe Fehlentwicklungen, die die Branche in den Sog der Krise zogen. Die explosionsartige Verteuerung des Benzins ab Oktober 1973 sorgte nur als weiterer politischer Sonderfaktor für eine gänzliche Verunsicherung der bereits pessimistischen Konsumenten.239 Ihren Höhepunkt erreichte die Absatzkrise im Dezember 1973 mit einem Rückgang des Gesamtabsatzes um insgesamt 43 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Im ersten Quartal 1974 hielt die Kaufzurückhaltung an. Die Zulassungen reduzierten sich um 33,2 Prozent.240 Die publizistische Öffentlichkeit nahm diesen »Schwächeanfall der früheren Wachstumsbranche« im Frühjahr 1974 zum Anlass, die Autoindustrie »im Endjahr ihrer großen Zeit«241 zu wähnen. Die internen Prognosen der Hersteller waren im Vergleich zu diesen medialen 235 HAD, Zahn 292, Bericht 35/74, S. 56. 236 Vgl. ebd. 237 Vgl. ebd., S. 72. 238 Vgl. BMWGA , UA 1545, Automobilindustrie nach der Energiekrise, S. 4, insbes. Tab. 19 u. HAD, Zahn 292, Energiekrise, Bericht 35/74, S. 57. 239 Vgl. BMWGA , UA 1545, Automobilindustrie nach der Energiekrise, S. 2. Siehe HAD, Marktforschung DBAG 1973–1975, Bericht der Marktforschung und Absatzplanung 6/74, Der Pkw-Markt in der Bundesrepublik Deutschland und in West-Berlin, S. 87 f.; UVW, 610/405/1, Rede Toni Schmücker vor leitenden Angestellten am 28.4.1978, S. 3. 240 Eine genaue Aufstellung der monatlichen Nachfragerückgänge des Gesamtmarktes findet sich in HAD, Zahn 292, Energiekrise, Bericht 35/74, S. 58. 241 Art. »Dann sind wir tot«, in: Der Spiegel vom 4.3.1974, S. 43 f.; Art. »Ventile verstopft«, in: Der Spiegel vom 17.6.1974, S. 26.

256

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

Abgesängen zunächst weitaus optimistischer. Fast schon trotzig formulierte die BMW-Marktforschung: »Eine grundsätzliche Abkehr von der bisherigen Entwicklung in der Automobilindustrie ist nicht zu erwarten; sie ist auch gar nicht möglich.«242 Selbstbewusst verwies man auf die unverzichtbare Rolle, die das Automobil im Alltag der Deutschen besaß. Der Daimler-Chef Joachim Zahn kommentierte: Die oft zitierte Auto-Müdigkeit gibt es nicht – jedenfalls eher bei der Presse als beim Publikum. Das Interesse am Auto ist trotz aller vorgetragenen Skepsis unverändert groß. […] Das Auto ermöglicht individuelle Beweglichkeit und weitgehende Unabhängigkeit. Und auf sie will auch heute niemand mehr verzichten. Die vier Räder haben ihre Zukunft und mit ihnen die Industrie, die sie auf die Straße schickt.243

Ihren Optimismus zogen die Unternehmen aus Bedarfsentwicklungsprognosen des VDA, vor allem aber der Deutschen Shell  AG. Letztere veröffentlichte seit 1967 in zweijährigem Abstand Analysen zur Entwicklung der Motorisierung in Deutschland. Hierin maßen sie mittels komplexer multivariater Regressionsanalysen den Einfluss von bedarfsstrukturellen, technischen, demographischen, konjunkturellen und politischen Faktoren auf die Absatzperspektiven der deutschen Autoindustrie. Die Shell-Studien entwickelten sich zur standardgemäßen Referenzunterlage für die sekundärstatistische Marktforschung der Branche. Dies ging so weit, dass die betrieblichen Abteilungen auf eigene Untersuchungen verzichteten. In ihren Berichten beriefen sie sich nun lediglich auf die externe Expertise, die den eigenen Marktanalysen methodisch weit überlegen und zugleich deutlich günstiger waren.244 Bereits die Titel der Shell-Prognosen verdeutlichen, wie stark sich in nur kurzer Zeit der Blick der Branche auf die Nachfrage fokussierte. Noch 1971 sahen die Gutachter die Automobilindustrie am Beginn ihrer zweiten Entwicklungsphase (1971), sicher getragen von einer strukturell starken Ersatznachfrage. In der Ausgabe von September 1973, betitelt Die Motorisierung im Spannungsfeld von Eigendynamik und Bremsfaktoren, schwand dieser Optimismus. Erstmals zog Shell nun neben dem marktstrukturellen Wandel die allgemeinen gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ins Kalkül und zeigte sich unsicher über die zukünftige Entwicklung. Daher explorierte sie zwei potentielle Zukunftsszenarien.245 242 BMWGA , UA 1545, Automobilindustrie nach der Energiekrise, S. 6. 243 Zit. nach Interview mit Joachim Zahn, Supplement zum Art. »Wind und Wetter«, in: WirtschaftsWoche vom 1.2.1974, S. 66. 244 Vgl. BMWGA , UA 1545, Automobilindustrie nach der Energiekrise, S. 5 f. Zur Bedeutung der Shell-Prognosen für die Automobilindustrie siehe auch: Art. »Wenn das Auto rückwärts fährt…«, in: Die Zeit vom 17.1.1974, S. 2. 245 Vgl. Deutsche Shell (Hrsg.), Prognose des Pkw-Bestandes. Die strukturelle Zusammensetzung der künftigen Pkw-Besitzer, Hamburg 1969; dies., Prognose des Pkw-Bestandes. Die Motorisierung am Beginn ihrer zweiten Entwicklungsphase, Hamburg 1971. Zur Entwicklung der Szenarien ausführlich: dies., Prognose des Pkw-Bestandes. Frauen bestimmen weitere Motorisierung, Hamburg 1987, S. 12 f.

Marktforschung und die Umbrüche der 1970er Jahre 

257

Erstens skizzierte Shell ein ›Szenario Strukturwandel‹. Hierin ging sie davon aus, dass die externen Umfeldeinflüsse schnell überwunden und die Branche wieder auf einen natürlichen Entwicklungspfad zurückkehren könne. Wenn sich das Leitbild Automobilität schnell wiederherstellen ließe, so die Studie, »besteht kein Zwang zur Annahme eines bremsenden Effekts.«246 Demgegenüber skizzierte das zweite ›Szenario Disharmonien‹ anhaltende gesellschaftliche Dispute zwischen ökologischen und ökonomischen Interessen.247 Selbst in dem Negativfall, dass sich eine Rückkehr zum automobilbasierten Konsens zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft für einen längeren Zeitraum nicht realisieren lassen würde, attestierte die Shell-Studie der Branche für die nächsten zehn Jahre dennoch weiterhin durchaus gute Wachstumspotentiale, da viele Nachfrager ungeachtet aller Hindernisse immer noch einen »starken Willen zur weiteren Motorisierung«248 zeigen würden. Laut Shell lautete die Frage also nicht, ob die Nachfrage wieder ansprang, sondern lediglich wann und mit welcher Intensität.249 Auf dieser Basis urteilte das BMW-Verkaufsressort im März 1974, dass selbst, »wenn man nachfragedämpfende Gesichtspunkte berücksichtigt, […] die vorliegenden Prognosen für die langfristige Entwicklung des Pkw-Marktes ihre Gültigkeit«250 behalten würden. Qualitative Studien, die die Automobilunternehmen in der akuten Phase der Ölpreiskrise anfertigen ließen, relativierten diese Auffassung nur wenig. Im Auftrag von Ford und JWT berichtete Basis Research, ein in Frankfurt ansässiges Institut für Motiv- und Werbeforschung, dass die Autofahrer abwartend, aber nicht ernsthaft beunruhigt reagierten. Um Benzin zu sparen, fahre der Durchschnittsbesitzer einfach weniger und langsamer und verschiebe »geplante Autokäufe […] bis die weitere Entwicklung überschaubar ist.«251 Einen Umstieg auf ein kleineres Fahrzeug ziehe er nur selten in Betracht. Ähnlich argumentierte eine infratestErhebung für Daimler, dass man mittelfristig mit längeren Haltedauern, langfristig aber mit dem Wiedererstarken der Nachfrage rechnen könne.252 Soweit die Marktirritationen nicht zu lange anhielten, sah Daimler in einer verzögerten Ersatznachfrage keine echte Gefährdung seiner Absatzziele. Dies hatte zwei Gründe: Zum einen verfügte der Oberklassenhersteller als einziger deutscher Autoproduzent im Herbst 1973 über ein Auftragspolster. Durch längere Lieferfristen konnten rückläufige Bestelleingänge zumindest für mehrere Wochen pro246 247 248 249

Dies., Motorisierung, S. 5 f. Vgl. ebd., S. 7. Ebd., S. 6. Kritik an diesem Zweckoptimismus: Art. »Wenn das Auto rückwärts fährt«, in: Die Zeit vom 17.1.1974, S. 2. 250 BMWGA , UA 1545, Automobilindustrie nach der Energiekrise, S. 7. 251 HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, Ford 1973, Kurze Zusammenfassung der Ergebnisse zweier Gruppendiskussionen zur Energiekrise vom 16. und 20.11.1973, vorgelegt durch Basis Research am 30.11.1973. 252 Vgl. HAD, Zahn / HS Raue 236, Thesen für eine Diskussion über den langfristigen Einfluss von Versorgungsschwierigkeiten mit Mineralöl auf die DBAG vom 21.12.1973, S. 7.

258

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

blemlos aufgefangen werden.253 Zum anderen gründete sich die Gelassenheit auf einer spezifischen Kundenstruktur. 62,5 Prozent der im Inland ausgelieferten Personenwagen gingen als Firmenwagen an Unternehmen oder aber an gewerbliche Taxifirmen. Bei den verbleibenden 37,5 Prozent Privatkäufern handelte es sich wiederum größtenteils (rund zwanzig Prozent) um per se markentreue Werksangehörige.254 Die finanziellen Mehrbelastungen fielen in dieser Klientel weitaus weniger ins Gewicht als bei Kunden von Klein- und Mittelklassewagen. Man durfte erwarten, dass sich die kaufkräftigen Privat- und Geschäftskunden, welche ihre Pkw-Ausgaben meist steuerlich absetzen konnten, wesentlich weniger von den Preissteigerungen beeindruckt zeigen würden. Auch BMW ließ im Dezember 1973 mögliche Verhaltensänderungen ihrer Kundschaft untersuchen und erwartete dabei stark sozial differenzierte Reaktionen auf die Energiepreiskrise. Im Auftrag von BMW schlussfolgerte das Emnid-Institut: »Die hohen Benzinpreise stören die Besitzer teurer Fahrzeuge (Daimler-Benz / BMW) weniger als den durchschnittlichen Autobesitzer.«255 Dieses Urteil schlossen sie aus einer Umfrage zur Preiselastizität. Das Institut fragte die Besitzer deutscher Automarken nach ihrer subjektiven Preisschwelle für Kraftstoffe, bei der sie sich kein Auto mehr würden leisten können. Mit einem Betrag von 1,83 DM lag diese bei BMW deutlich höher als bei Kunden von VW, Opel und Ford, die schon bei einem Benzinpreis von 1,30  DM ihre Autonutzung generell in Frage stellten. Ähnlich unterschiedlich äußerten sich die Kunden zu der Frage nach ihrem potentiellen Verhalten, falls die staatlichen Einschränkungen der Pkw-Nutzung länger als ein Jahr anhalten würden. Immerhin rund zwanzig Prozent der VWFahrer konstatierten, ihren Wagen dann stillzulegen oder verkaufen zu wollen. Ein kleineres Modell erwerben wollten drei, ihre Fahrten einschränken 45 Prozent. Nur jeder Dritte sah keine Auswirkungen auf sein Kauf- und Fahrverhalten. BMW- und Daimler-Benz-Fahrer reagierten auch hier gelassener. Nur jeder zehnte plante auf das Auto zu verzichten; über die Hälfte der Kunden wollte weiter abwarten. Neun Prozent der BMW-, aber nur vier Prozent der Mercedes-Nutzer zogen den Umstieg auf ein kleineres Fahrzeug ins Kalkül. Trotz der spekulativen Befragungsmethodik resümierten die Marktforscher sicher zurecht, dass die einkommensstarken Kunden der Spezialanbieter deutlich resistenter auf Kriseneffekte reagierten.256 Sobald die Preisinflation und die Regulierungen nachlassen würden, erwartete man zumindest in der Oberklasse eine schnelle Rückkehr zu bekannten Verhaltensmustern. 253 Vgl. HAD, Zahn 292, Energiekrise, Bericht 35/74, S. 66. 254 Bei allen anderen Fabrikaten war das Verhältnis zwischen gewerblichen und privaten Käufern umgekehrt. Auf dem Gesamtmarkt entfielen 1972 rund 68 Prozent der Zulassungen auf »Private«. Vgl. ebd. 255 BMWGA , UA 1464, Marktforschungsbericht 11/74, Zusammenfassung einer EmnidStudie »Aktuelle Verhaltensweisen von Pkw-Besitzern unter dem Aspekt der Energieverknappung« vom Dezember 1973, S. 1. 256 Vgl. ebd.; auch Art. »Wind und Wetter«, in: WirtschaftsWoche vom 1.2.1974, S. 66.

Marktforschung und die Umbrüche der 1970er Jahre 

259

Die Hersteller und Marktforschungsinstitute wiesen der Ölpreiskrise vor diesem Hintergrund zunächst lediglich die Bedeutung einer kurzfristigen Unterbrechung des Absatzzyklus zu. Dieses Urteil war durch die Erfahrungen der Rezession 1966/67 vorgeprägt, von der die Luxusanbieter kaum betroffen waren. Auch jetzt erschien die Krise primär als ein Problem der Massenhersteller.257 Die Ad-hoc-Analysen der Absatzentwicklung schienen diese Annahme zunächst zu bestätigen. Im Jahr 1973 ging der Pkw-Absatz insgesamt um 4,1 Prozent oder 80.000 Einheiten auf rund 1,88 Millionen Fahrzeuge zurück. Dabei verschoben sich die Anteile der einzelnen Größensegmente zunächst nur sehr selektiv. In der Oberklasse stiegen die Zulassungen trotz Krise nominal um 12.000 Fahrzeuge. Der relative Absatzanteil von Pkws mit mehr als 2,5 Liter Hubraum nahm damit sogar von 2,6 auf 3,5 Prozent zu. Die Verkaufszahlen von Kleinwagen blieben stabil bei 10,3 Prozent. Die stärksten Verschiebungen zeigten sich dagegen zwischen der Kompakt- und Mittelklasse. Hier bevorzugten die Kunden nun Fahrzeuge mit kleineren Motoren bis 1.499 ccm. Autos mit größeren Motoren verloren an Marktanteilen. Die Kompakten verzeichneten einen vierprozentigen Zuwachs auf Marktanteile von 41 Prozent. Im Gegenzug verlor die Mittelklasse, welche im Vorjahr mit über 830.000 verkauften Pkw das größte Segment gestellt hatte, leicht über vier Prozent Marktanteil. Die Besitzer von Mittelklassewagen wanderten in untere Leistungsklassen ab oder verzichteten phasenweise auf einen Neuwagenkauf.258 Dementsprechend unterschiedlich verteilten sich anfänglich die Absatz­ einbußen auf die einzelnen Marken. Die Zulassungen der Oberklassenhersteller gingen in der Gesamtsicht des Jahres 1973 nur moderat zurück.259 Während die Neuzulassungen im Vergleich zum Vorjahr bei den Massenanbietern zwischen rund elf (Volkswagen) und 18,5 Prozent (Ford) schrumpften, verlor BMW lediglich 6,2 Prozent. Daimler-Benz wies durch den Puffer von Vorbestellungen sogar ein Absatzplus von 3,2 Prozent aus. Entgegen der Hoffnung auf eine schnelle Erholung setzte sich der Absatzschwund im Folgejahr aber anhaltend und noch intensiver fort. Wiederum waren die Mittelklasseanbieter am stärksten betroffen. Ford und Opel büßten 25,8 bzw. 29,5 Prozent ein. Audi verzeichnete mit einem Minus von fast 33 Prozent den stärksten Nachfrageeinbruch, während die Konzernmutter VW  – beflügelt durch eine moderne Modellpalette  – ihre Verkaufszahlen stabilisierte. Auch BMW- und Mercedes-Modelle waren nun wesentlich weniger gefragt. Als die Auftragspolster aufgebraucht waren, lieferten 257 Siehe Hartmut Berg, Der Einfluss steigender Energiepreise auf Wachstums-, Strukturund Wettbewerbsbedingungen der deutschen Automobilindustrie, in: Röper (Hrsg.), Probleme, S. 57. 258 Vgl. HAD, Zahn 292, Energiekrise, Bericht 35/74, S. 62; die Daten wurden ergänzt aus der Tabelle: »Zulassung von fabrikneuen Personenkraftwagen nach Hubraumklassen 1950–1979 (Anzahl, nur Personenbeförderung)«, in: Statistische Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes, Heft 3/1980, N-Z, S. 15. 259 Vgl. BMWGA , UA 1545, Automobilindustrie nach der Energiekrise, S. 4.

260

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

beide Marken neun Prozent weniger Fahrzeuge aus.260 Die Krise erfasste nun alle Segmente. Konsumverzicht und Absteigereffekte weiteten sich aus und zeigten sich nun in einer synchronen Nachfrageverschiebung zwischen zwei Segmentfeldern: von der Oberklasse zur gehobenen Mittelklasse sowie von der Mittelklasse in die Segmente der Kompakt- und Kleinwagen.261 Erstmals in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte lagen 1974 die durchschnittlichen Ausgaben beim Neu­ wagenkauf unter dem Vorjahresniveau.262 Tab. 25: Entwicklung der Pkw-Segmente in der BRD, 1972–1976 Jahr

Kleinwagen

Kompaktwagen

Mittelklasse

obere Oberklasse Sportwagen Mittelklasse

Marktanteile (in v. H.) 1972

10,1

37,2

42,6

6,6

2,7

0,8

1973

10,3

40,9

38,6

5,6

3,5

1,1

1974

12,3

46,3

31,3

6,4

2,8

0,7

1975

10,8

43,5

35,6

5,8

3,6

0,6

1976

10,3

30,7

48,2

5,7

4,4

0,7

Verkaufszahlen (absolut) 1972

197.329

728.921

834.819

129.429

53.147

15.195

1973

192.930

769.854

725.166

104.496

64.863

20.674

1974

191.920

722.416

488.419

99.508

43.746

11.684

1975

211.279

850.941

695.954

113.161

70.453

12.265

Absatzentwicklung (in v. H. zum Vorjahr) 1972

5,2

−6,6

−1,6

27,3

28,5

18,4

1973

−2,2

5,6

−13,1

−19,3

22,0

36,1

1974

−0,5

−6,2

−32,6

−4,8

-32,6

−43,5

1975

10,1

17,8

42,5

13,7

61,1

5,0

1976

4,5

−22,5

49,0

7,5

34,5

25,0

Quelle: Eigene Erhebungen auf der Basis von TuZ, verschiedene Jahrgänge.

260 Alle Daten: Statistische Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes, Heft 3/1980, N–Z, S. 15. 261 Vgl. HAD, Zahn 292, Energiekrise, Bericht der Marktforschung 11/75: Der inländische Pkw-Markt 1974. Neuzulassungen und Marktanteile, vom 11.2.1975, S. 5. 262 Vgl. Berg, Einfluss, in: Röper (Hrsg.), Probleme, S. 63.

Marktforschung und die Umbrüche der 1970er Jahre 

261

Ähnlich wie beim trading up übersprangen die Konsumenten auch im um­ gekehrten Fall des Konsumabstiegs keine ganzen Segmente; sie wendeten sich lediglich angrenzenden, kleineren Pkw-Klassen zu. Quantifiziert man den Absatz nach Segmenten (Tab. 25), hatte die Oberklasse einen exakt ebenso hohen 32,6-prozentigen Verlust hinzunehmen wie die Mittelklasse. In absoluten Zahlen sanken die Zulassungen in der Oberklasse um 21.000, in der Mittelklasse von rund 722.000 (1973) auf nur 488.000 Einheiten (1974). Dagegen fielen die Verluste der jeweils darunterliegenden Segmente erkennbar geringer aus. Sie profitierten jeweils von den Kundenabwanderungen ›von oben‹. Nur zwischen den Segmenten der Mittelklasse und der gehobenen Mittelklasse funktionierte diese Kompensation nicht. Hier an der Trennlinie zwischen den Produktlinien der Oberklassespezialisten und Massenanbieter verlief eine echte Wasserscheide des Marktes. Für kaufkräftige Oberklassekunden wäre der Kauf eines MittelklassePkw nahezu zwangsläufig mit einem Markenwechsel und damit der Gefahr eines Prestigeverlustes verbunden gewesen. Hiervor scheuten sie sich offenbar: Der Umstieg auf ein kleineres Fahrzeug sollte zumindest in der Außenwirkung nicht als sozialer Abstieg interpretiert werden.263 Im Verlauf des Jahres 1974 wich die Hoffnung der Automobilindustrie, es nur mit einem befristeten Phänomen zu tun zu haben. Besorgt nahmen die Marktforscher zur Kenntnis, dass nicht mehr allein die unmittelbaren Folgen der Ölpreiskrise für die starken Veränderungen des Nachfrageverhaltens verantwortlich gemacht werden konnten. Der Schock lag nun schon fast ein halbes Jahr zurück und seine verheerenden Effekte auf die Preise hatten abgenommen. Alle ökonomischen Daten zeigten, dass als konkrete Folge der Energiepreiskrise »inzwischen ›nur‹ noch die Preiserhöhung für Kraftstoffe«264 nachwirkte – und selbst diese nur noch schwach, da sich die Haltungskostensteigerung bereits durch Einkommenszuwächse und hohe Rabatte beim Neuwagenkauf mehr als kompensierten. Mit ökonomisch rationalen Argumenten, stellte eine Daimler-Untersuchung heraus, sei das Kundenverhalten nicht mehr zu erklären: Es geht kaum mehr um das, was wirklich geschehen ist und geschieht, denn kaum jemand hat genug Wissen davon, noch kann er es sachgerecht für seine […] Entscheidungen (z. B. Autokauf) auswerten. Die Folge ist ein allgemeines Verhalten äußerster Zurückhaltung, ängstlichen Abwartens und Ausschauhaltens nach zweitbesten Lösungen […] und der steten Orientierung an das geringstmögliche persönliche Risiko. […] Wir erleben gegenwärtig einen historisch, zumindest in dieser Größenordnung nicht allzu häufig vorkommenden Fall einer Überwucherung des Faktischen durch das Psychologische.265

Die passenden Zahlen, um diese Vermutung anhaltender Disharmonien zu untermauern, lieferte eine neuartige Wachstumsprognose, die der Verband der 263 Siehe HAD, Zahn 292, Energiekrise, Bericht 35/74, S. 66 f. 264 Ebd., S. 62. 265 HAD, Zahn / HS Raue 236, Exposé: Werbung im Zeichen der Krise, o.A., 18.12.1973, S. 3.

262

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

Automobilindustrie gemeinschaftlich mit den größten Herstellern im März 1974 beim Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) in Auftrag gab. 1972 hatte das IfoInstitut mit dem Geschäftsklima-Index erstmals eine Marktforschungsmethode vorgestellt, die sekundärstatistische Erhebungen direkt mit subjektiven Einschätzungen von Unternehmern zur aktuellen Wirtschaftslage kombinierte. Dieses Verfahren übertrug das Institut nun auch auf die Analyse der Pkw-Konsumenten. Erstmals stand der Autoindustrie damit ein Instrument zur Verfügung, die Einwirkungen der gesellschaftlichen und politischen Debatten auf die Konsumstimmung zu vermessen.266 Die Aussichten für die Branche bewertete die Studie als schlecht. Die Verunsicherung der Kunden hatte gegenüber dem Herbst 1973 noch zugenommen. Allein für das zweite und dritte Quartal prognostizierte das Institut – aus der Rückschau übrigens sehr präzise – weitere Absatzeinbußen von bis zu zwanzig Prozent. Unzweifelhaft wandelten sich die Konsummuster nachhaltiger als erwartet. Die Schuldigen waren aus Sicht der Hersteller leicht auszumachen. So konstatierte der VW-Vorstandschef Rudolf Leiding, dass sich der konjunktur­bedingte Konsumverzicht nun mit der öffentlichen Kritik am automobilen Individual­ verkehr zu vermengen drohe. Die Anti-Auto-Kampagnen seien erst in der Wirtschaftskrise auf den fruchtbaren Boden ökonomischer Unsicherheit gefallen und hätten so eine psychologische Deformation in den Einstellungen der Kunden zum Automobil geführt: Es sind starke konjunkturelle und auch strukturelle Einwirkungen, die uns zu schaffen machen. […] Strukturell haben wir Veränderungen zu verzeichnen, weil man das Automobil nicht mehr  – wie früher  – als eine Prestigeanschaffung betrachtet. Die generelle Einstellung zum Automobil ist also eine andere geworden. Es ist mit allen Mitteln […] immer wieder betont worden, das Automobil sei eigentlich gar nicht mehr zeitgerecht […]. Dann haben auch die vielen Veröffentlichungen über die Umweltverschmutzung, an der das Automobil fälschlicherweise der Hauptschuldige sein sollte, Einfluss gehabt. Außerdem haben noch andere Kräfte mitgewirkt, so die ganzen Verteuerungen rings ums Automobil. Hinzu kommt wohl auch eine gewisse Unsicherheit in den Bevölkerungs- und Käuferkreisen – das alles sind die Gründe, die wenig zu tun haben mit einem zyklischen Absatzeinbruch.267

Der VW-Vorstand betonte ähnlich wie seine Kollegen, dass die Energiepreiskrise nicht als Auslöser, wohl aber Katalysator dafür diente, dass sich die Fäden 266 Bereits 1972 hatte das Ifo-Institut der Öffentlichkeit zudem erstmals die Berechnung eines Geschäftsklima-Indexes vorgestellt. Offenbar 1973 wurde das Verfahren auch auf dem Feld der Konsumentenforschung eingesetzt. Leider ist die Automarktstudie zum Konsumklima nicht überliefert. Es finden sich ab 1974 lediglich Verweise in betrieblichen Marktforschungsberichten. Vgl. HAD, Zahn 292, Energiekrise, Bericht 35/74, S. 58. 267 UVW, Bestand Werkszeitung [ohne Signatur], Art. »Kein Fett mehr auf den Rippen. Interview von Rudolf Leiding«, in: autogramm 4/1974 vom 19.9.1974, S. 2.

263

Marktforschung und die Umbrüche der 1970er Jahre  1.200

Kleinst-/Kleinwagen (bis 1.000 ccm) Kompaktwagen (bis 1.500 ccm) Mittelklasse (bis 2.000 ccm) obere Mittelklasse (bis 2.500 ccm) Oberklasse (bis 3.000 ccm) Sportwagen (mehr als 3.000 ccm)

1.100 1.000

Anzahl (in Tsd.)

900 800 700 600 500 400 300 200

1982

1980

1978

1976

1974

1972

0

1970

100

Abb. 20: Pkw-Neuzulassungen in der BRD nach VDA-Leistungsklassen, 1970–1982 Quelle: TuZ, verschiedene Jahrgänge.

wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen zu einem komplexen Netz äußerst diffiziler Herausforderungen verflochten. Unter diesen Bedingungen schwand das Wissen der Autohersteller um die Konsumgewohnheiten ihrer Kunden. Umso länger die Absatzkrise im Gefolge des Ölpreisschocks anhielt und die Debatten um Geschwindigkeitsbegrenzungen, Umwelt- und Energiekosten nicht abrissen, desto stärker wich ihr Vertrauen darauf, dass das Kundenverhalten in seine gewohnten Bahnen zurückfinden würde. Mithin stieg zugleich die Sensibilität der Unternehmen gegenüber Impulsen aus der restlichen Umwelt. Denn sie schienen in der Lage, die Wahrnehmungen der Konsumenten kurzfristig zu verändern und damit die mühevoll konzipierten Markenimages zu entwerten. Diese aus der Krisenerfahrung gewonnene Umfeldsensibilität blieb den Herstellern auch in der zweiten Hälfte der 1970er erhalten, als die Konsumenten wieder verstärkt Automobile nachfragten und sich der Trend zum aufsteigenden Konsum rasch re-etablierte. Wie die Abbildung 20 beweist, beruhte die Erholung des Automarktes ab 1975 wieder im Wesentlichen auf einem Wachstum in der Mittelklasse. Auch die Absatzzahlen der oberen Mittel- und Oberklasse zeigten eine ansteigende Tendenz. Allerdings waren die Produkte, die in den Leistungsklassen angeboten wurden, nicht mehr dieselben. Es bedurfte einer Anpassung der Ausstattungsund Verbrauchseigenschaften an die neuen Käuferwünsche, um zurück auf den Wachstumspfad zu gelangen. Das in den 1960er Jahren etablierte Regelsystem aus Marktforschung und Marketing hatte seine Feuerprobe bestanden, indem

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

es den Herstellern half, neue Blickwinkel auf die wandelbaren wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und psychologischen Konsumbedingungen zu werfen. Auf welchen methodischen Ansätzen die neuen Marktanalysen fußten, um die veränderten Signale des Umfeldes aufzunehmen, thematisiert das folgende Kapitel.

3.2 Imagekrise(n) Mit der Sorge, dass sich die Preis- und Absatzkrise bei anhaltend negativen Signa­ len aus dem Umfeld zu einer langfristigen Leitbild-Krise auswachsen könne, veränderte sich die Agenda der Marktforschung. Programmatisch für die gesamte Automobilindustrie forderte die Marktforschungsabteilung des Daimler-BenzKonzerns im Frühjahr 1974 eine Neujustierung der Marktanalysen.268 Gesellschaftliche Trends sollten in die Beobachtung einbezogen werden. Es galt nicht mehr als ausreichend, den Verlauf der Motorisierung allein an der Kaufkraft der Kunden festzumachen. In den Fokus rückte die Aufgabe, mittels eines ganzheitlichen Blicks auf alle marktendogenen und -exogenen Einflussfaktoren das »ideelle(.) Nachfragepotential«269 zu bestimmen. In einem mehrseitigen Katalog definierte die Daimler-Marktforschung das neue Untersuchungsfeld der psychologischen Marktentwicklung. Dabei entwickelte sie drei zentrale Leitfragen für zukünftige Marktanalysen:270 Erstens sei zu prüfen, wie sich die Einstellungen zum Auto in der Öffentlichkeit und im engeren Kreis der Pkw-Besitzer verändere. Unklar erschien, wie sich das »persönliche Verhältnis zum Automobil« zukünftig ausgestalten würde, welche Nutzenerwartungen, Kaufmotive und Fahrgewohnheiten die Kunden hegten. Zweitens gelte es, die allgemeinen gesellschaftlichen Trends aufzudecken, die auf das Verhältnis Mensch und Maschine einwirkten. Implizit, aber doch deutlich erkennbar, zielte dieser Punkt darauf, den gesellschaftlichen Wertewandel zu beobachten. Dezidiert konzentrierte sich das Exposé auf die Frage, ob sich das »persönliche Verhältnis zum Besitz« verändere. Sorgenvoll beobachtete man gesellschaftliche »Tendenzen zur Sozialisierung und Egalisierung«, die langfristig die soziale Akzeptanz des Automobils und das Prestigedenken als Motor des Konsums allgemein unterminieren könnten. Mit der kurzen Formel, »allgemein begehrt kann nur sein, was allgemein anerkannt ist«271, brachten die Analysten die potentiellen Folgen des drohenden Gesellschaftswandels auf den Punkt. Als dritte, letztlich entscheidende Frage sei schließlich von jedem Hersteller indi268 Vgl. HAD, Marktforschung DBAG , Bericht der Marktforschung und Absatzplanung 6/74, Der Pkw-Markt in der Bundesrepublik Deutschland und in West-Berlin, S. 12. 269 HAD, Zahn 292, Energiekrise, Bericht 35/74, S. 73. Vgl. rückschauend auch: Berg, Einfluss, in: Röper (Hrsg.), Probleme, S. 63. 270 Soweit nicht anders angegeben: HAD, Zahn 292, Energiekrise, Bericht 35/74, S. 73. 271 Alle Zitate nach ebd., Zahn / Raue 236, Exposé: Werbung im Zeichen der Krise, o.A., vom 18.12.1973, S. 3; HAD, Marktforschung DBAG , Bericht der Marktforschung und Absatzplanung 2/75, Der Pkw in der öffentlichen Meinung, S. 3 f.

Marktforschung und die Umbrüche der 1970er Jahre 

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viduell zu beantworten, wie sich die Beziehung der Kunden zur eigenen Marke gerieren würde. Wie sich die Firmen- und Markenimages entwickeln würden, sei, ohne sie in den allgemeinen gesellschaftlichen Kontext einzubetten, kaum abzuschätzen, noch zu beeinflussen. Dem Plädoyer für eine um gesellschaftliche Fragestellungen erweiterte Sicht auf das Hersteller-Konsumentenverhältnis schloss sich die Aufforderung an, die Prioritäten innerhalb der betrieblichen Marktforschungspraxis zu verschieben. Dringend, so der Daimler-Ressortleiter Heinz Schmidt, müsse der Aufwand qualitativer Analysen erhöht werden, denn »es wäre mit Sicherheit verkehrt anzunehmen, Prognosemodelle nach klassischem [zahlenbasierten] Muster, durch Segmentierung scheinbar modernisiert, würden angesichts einer veränderten Situation in Wirtschaft und Gesellschaft die benötigten Informationen liefern.«272 Das methodische Know-how für marktpsychologische Imagestudien war nicht nur bei Daimler seit den 1960er Jahren vorhanden. Allerdings waren derartige Analysen in der Branche bis dahin nur punktuell durchgeführt worden. Erst die neuen Umfeldsignale erhöhten den Bedarf, die marktpsychologischen Instrumente kontinuierlich einzusetzen, um möglichst rasch auf potentielle Änderungen der Konsumentenwünsche zu reagieren.273 Dementsprechend intensivierten alle Hersteller ihre Anstrengungen, qualitative Informationen zum Kundenverhalten zu sammeln. Image-Beobachtungen etablierten sich nun in einem festen Turnus sich wiederholender Panel-Untersuchungen. Der Volkswagen-Konzern war diesmal Vorreiter und systematisierte seine Untersuchungen bereits in der Käfer-Krise 1972.274 BMW folgte wenig später, indem sie die zuvor nur punktuell in den Jahren 1964 und 1972 durchgeführten Markenexplorationen ab Frühjahr 1973 in ein stetiges Analyseprogramm überführten. Der erneut beauftragte Bernt Spiegel machte es sich ausdrücklich zur Aufgabe, die schwerfälligen Jahres-Querschnitte durch flexiblere und zugleich dichtere Schemata zu ergänzen. Nur so könne das Kundenverhalten effektiv über längere Zeiträume beobachtet werden. Einzig eine »bündige und konsequente Selbstdarstellung des Unternehmens« ermögliche dem Marketingmanagement »gegebenenfalls zu einer ganz frühzeitigen Anpassung an künftige Entwicklungen zu gelangen.«275 Die gleichen Motive bewegten die deutschen Ford-Werke und Daimler-Benz ab 1974 zu einer engmaschigen Konsumentenerkundung überzugehen.276 Die Forschungsberichte beinhalteten nun eine Aufstellung des Marken- sowie des Produktimages für das gesamte Typensortiment. Images, Kaufmotive und Käuferbewegungen wurden nach der Ölpreiskrise in einem sechs- bis zwölfmo272 Ebd., Zahn 292, Energiekrise, Bericht 35/74, S. 73. 273 Vgl. ebd. 274 Vgl. UVW, 69/530/1, Image-Bericht, Dezember 1971, S. 1. 275 Beide Zitate nach BMWGA , UA 1344, Bernt Spiegel, Kontinuierliche Image-Beobachtung BMW AG 1974, vom 7.2.1975, S. 4 f. 276 Vgl. exemplarisch HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 4, Ford ESO, Präsentation, Akte 1, Marktstudien Taunus, Cortina, Capri II, Granada, Halbjahresberichte 1974.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

natigen Turnus erhoben. Zusätzliche Zwischenberichte lieferten die Abteilungen in monatlichen Abständen, um die Marketing- und Kommunikationsziele des Unternehmens möglichst zeitnah an die Kundenpräferenzen anzupassen.277 Trotz der deutlich verkürzten Analysehorizonte blieb ein grundlegendes Dilemma der Strategieplanung bestehen: Die nötige Vorlaufzeit für die Entwicklung neuer, kundengerechter Produkte erforderte eine möglichst langfristige Vorplanung von Imagestrategien. Da die Imagekonzepte zwangsläufig auf eine nachhaltige und kontinuierliche Entwicklung der Markeneigenschaften setzten, drohten sie durch kurzfristige Motivwechsel der Konsumenten konterkariert zu werden. Hinzu kam, dass psychologische Einflüsse auf den Konsum noch schwerer zu prognostizieren waren als klassische Struktureffekte. Auch in diesem Sinne bot die Leitbildkrise eine Bewährungsprobe für die Funktionalität des noch jungen Marketing-Regelsystems. Die Markt- und Umfeldveränderungen gaben dem Prozess des sozialen Lernens der Unternehmen neue Impulse, indem sie eine kontinuierliche Beobachtung der Wünsche und Wahrnehmungen der Anspruchsgruppen zur Grundlage eines adaptiven und proaktiven Krisenmanagements erhoben. Das unternehmerische Bewusstsein für die »komplexe Interaktion zwischen Unternehmen und Markt«278 brach sich in vielen anderen Konsumgüterbranchen in ähnlicher Weise seit den 1960er Jahren Bahn und vertiefte sich nun durch imagebasierte Segmentierungs- und Positionierungsstrategien. Kaufmotive zu analysieren, entwickelte sich vor diesem Hintergrund zum wichtigsten Instrument der Marktforschung. In ihren Ergebnissen zeichneten die Motiv-Ratings ein übereinstimmendes, letztlich wenig überraschendes Bild: »Sportlichkeit verliert an Bedeutung. Der Wirtschaftlichkeitsaspekt wird wichtiger«279, brachte die Daimler-Benz-Marktforschung die Entwicklung 1974 auf einen kurzen Nenner. Insbesondere bei den Ansprüchen, die die Kunden an Fahrzeuge von VW, Ford und Opel stellten, zeigte sich eine deutliche Renaissance der Kaufkriterien des Gebrauchsnutzens und der Wirtschaftlichkeit. Der Benzinverbrauch, die Kosten für Wartung und Instandhaltung sowie der Wiederverkaufswert rückten neben Qualität und Lebensdauer in der Rangliste der Kaufkriterien wieder deutlich in den Vordergrund. In Zeiten erhöhter konjunktureller Unsicherheiten, betonte das VW-Marketing, gewannen rationale Faktoren an Bedeutung, die dem Kunden die technische Problemlosigkeit bei der Autonutzung garantieren sollten. Angesichts einer verlängerten Haltedauer zählten hierzu auch eine geringe Reparaturanfälligkeit und eine gute Kundendienstbetreuung.280 Bei den Massenherstellern nahmen 1974 verschiedene Einzelaspekte der Wirtschaftlichkeit und Qualität allein sieben Positionen in den 277 Vgl. BMWGA , UA 1344, Spiegel, Image-Beobachtung BMW 1974, S. 5. 278 Erker, Macht, in: Berghoff (Hrsg.), Marketinggeschichte, S. 318; Geoffrey Jones, Renewing Unilever, Transformation and Tradition, Oxford 2005, insbes. S. 115 f.; Davis Dyer u. a., Rising Tide, Lessons from 165 Brand Building at Procter & Gamble, Boston / M A 2004. 279 HAD, Zahn 292, Marktforschungsbericht 21/74, hier als Auszug aus Bericht 35/74, S. 72. 280 Vgl. UVW, 174/906/1, Berichte der Marketingzentrale zum Vertrieb: Die Zusammenführung der VW- und Audi-Vertriebsorganisation vom 23.1.1975, o. S.

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Abb. 21: Die wichtigsten Kaufgründe für BMW, 1974–77 Quelle: BMWGA , UR 3022, Langfristige Imageplanung, September 1978, S. 65.

Top Ten der gefragtesten Pkw-Eigenschaften ein. Die weiteren Plätze belegten Merkmale der aktiven und passiven Fahrzeugsicherheit. Die Umweltfreundlichkeit, von den Unternehmen erstmals als Kategorie der Käuferbefragungen eingeführt, landete aufgrund der Dominanz der Kostenfrage nur im Mittelfeld der Präferenzen. Dennoch platzierte sich dieser letztlich kollektive, Interessen reflektierende Faktor noch deutlich vor Attributen des individuellen Zusatznutzens, wie der Sportlichkeit, Styling oder Motorleistung.281 Ähnliche Strukturänderungen der Nachfrage zeigten sich bei den exklusiven Pkw-Anbietern. In einer Längsschnittbetrachtung der wichtigsten Kaufmotive von BMW-Kunden für die Jahre 1974 bis 1977 (Abb. 21) offenbarte sich eine nachgerade Umkehr der Präferenzskala. Dargestellt in Form von einfachen Rangverschiebungen unter den wichtigsten Kaufgründen traten Leistungs- und Sportlichkeitskriterien zurück, während Wirtschaftlichkeit und Qualität an Bedeutung zunahmen. Überrascht stellte die Marktforschung fest, dass »außersubstantielle Gründe, wie ›Ansehen der Marke‹ und ›Styling‹«282, vordergründig ebenfalls ein größeres Gewicht zukam. Diese Entwicklung war nur relativ und letztlich einem methodischen Problem bei der Imagemessung geschuldet. Wie eine parallele Studie von infratest zu den prozentualen Gewinnen und Verlusten der einzelnen Kriterien verdeutlicht, wertete die massive Bedeutungserosion des 281 Vgl. BMWGA , UA 1464, Marktforschungsbericht 11/74, Zusammenfassung der EmnidStudie »Aktuelle Verhaltensweisen von Pkw-Besitzern«, Anlage 3. 282 Ebd., UR 3022, Langfristige Imageplanung, September 1978, S. 12.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

Faktors Sportlichkeit alle anderen Merkmale latent auf. Während 1972 noch über sechzig Prozent der BMW-Kunden das sportliche Auftreten der Marke als kaufentscheidend eingestuft hatten, räumte 1977 nur noch jeder fünfte Käufer diesem Aspekt überhaupt eine Rolle für seine Kaufentscheidung zu.283 Auch wenn die BMW-Marktforschung richtigerweise auf das Problem einer nachträglichen Rationalisierung der Kundenaussagen verwies, war die psychologische Devaluation der ›Sportlichkeit‹ letztlich so stark, dass sie zu einem Malus im Image der Automobilunternehmen zu werden drohte. Eingesetzt hatte dieser Trend keineswegs erst mit der Ölpreiskrise. Schon ab 1972 sorgten die »Angriffe von Presse und öffentlichen Stellen gegen […] eine sportlichkeitsbezogene Werbung« dafür, dass die Neuwagenkäufer emotionale Pkw-Eigenschaften geringer bewerteten.284 Bernt Spiegel warnte bereits vor einer zunehmend ablehnenden Haltung der Konsumenten gegenüber dem gefühlsbetonten Produkterlebnis. Das BMW-Image geriet unter Druck, da sich der sportliche Appeal ihrer Fahrzeuge besonders in der Fremdwahrnehmung der Marke nicht mehr mit positiven Assoziationen verband. Stattdessen überwog der Eindruck der ›Ruppigkeit‹. Dem Fahrer eines leistungsstarken Pkw wurde zunehmend Aggressivität, Prahlerei und Arroganz gegenüber den Problemen des Massenverkehrs unterstellt.285 Spiegel leitete hieraus die Forderung ab, mit allen Mitteln zu verhindern, dass sich solche negativen Assoziationen im Markenbild verfestigten. Noch stamme die Kritik aus einem Käuferfeld, welches nur eine geringe Affinität zu BMW aufweise. Langfristig bestehe aber die Gefahr, dass sich auch die eigentliche Zielgruppe beeinflussen lasse. Freche Anspielungen auf die Leistungsüberlegenheit der BMW-Modelle im privaten Alltagsverkehr, die noch in den 1960er Jahren für die Etablierung der Marke in der Nische sportlich-jugendlicher Exklusivität gesorgt hatten, sollten zurückgefahren werden. Das Marketing konstatierte im Januar 1973, es sei angesichts der gesellschaftlichen Stimmungslage »sicherlich sinnvoll, den Faktor Sportlichkeit auf solche Bereiche zu verlagern, die es dem Autofahrer gestatten, sich mit diesem Image zu identifizieren, ohne dass er Gefahr läuft, mit Sanktionen oder Anfeindungen der Umwelt rechnen zu müssen.«286 Der Münchner Automobilhersteller zog in Betracht, firmeneigene Motodrome zu bauen, wo die Kunden ihren Sportlichkeitsdrang ungehindert ausleben konnten. In allen anderen Bereichen der öffentlichen Markenpräsentation setzte man sich dagegen 283 Vgl. ebd. 284 Ebd., UA 1464, BMW-Marktforschungsbericht 1/74: BMW-Käufertypologie Inland 1973 vom 11.1.1974, S. 19, insbes. Tabelle: Kaufmotive im Vergleich zweier Jahre, S. 20. 285 Vgl. ebd., UA 1344, Spiegel, Marktpsychologisches Gutachten 1972, S. 39 f. u. 44 f. Spiegel führte die Störungen im BMW-Image darauf zurück, dass sich die Modelle auf dem Gebrauchtwagenmarkt in großen Teilen an jugendliche ›Randsider‹verkauften, die mit einem rücksichtslosen Fahrstil auffielen. Es müsse dringend verhindert werden, dass sich diese Tendenz aus dem nachgelagerten Markt auf die Neuwagenkäufer übertrage. 286 Ebd., UA 1484, Die Kennzeichnung der BMW tii-Modelle und ihrer Fahrer unter dem besonderen Aspekt der Sportlichkeit, Studie Abt. Marktforschung vom 25.1.1973, S. 17.

Marktforschung und die Umbrüche der 1970er Jahre 

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das Ziel zu beweisen, dass BMW »gewissermaßen erwachsen« geworden sei: »Die Prahlereien und die Kraftmeierei der früheren Tage« [seien] nicht mehr als angemessen« zu betrachten.287 Auf diesem Wege wollte der Konzern verhindern, dass sich die Kritik am sportlichen Auftritt von BMW zu einer tiefen Image- und Akzeptanzkrise ausweitete. Mit dem Einsetzen der Ölpreiskrise schien die Sportlichkeit jedoch unabhängig von diesen Gegensteuerungsmaßnahmen als desavouiert. Die bereits spürbare Skepsis der Konsumenten gegenüber hochmotorisierten und verbrauchsstarken Pkw lud sich mit Aspekten der Kosten-, Umwelt- und Energiefrage auf. Die Entwicklung dynamisierte sich 1973 und 1974 in starken Absatzrückgängen. Fahrzeuge mit sportlichem Appeal zählten zu den größten Verlierern der Zulassungsstatistik. Allein im Dezember 1973 verzeichnete BMW mit seinen Sportmodellen ein Absatzminus von über 62 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Noch härter waren lediglich die Mittelklasse-Sportfahrzeuge von Ford, Opel und VW betroffen. Die Zulassungen des Ford Capri oder VW Porsche gingen um rund siebzig Prozent zurück.288 Dieser Trend setzte sich 1974 fort. Der Verkauf des Opel Manta sackte von 39.000 (1972) über 26.000 (1973) auf nur noch 12.000 Exemplare (1974) ab. Das Modell GT musste von den Rüsselsheimern aufgrund fehlender Nachfrage sogar ganz eingestellt werden.289 Die Imageprobleme, die sich mit diesem Rückfall auf ›alte‹ Präferenzlagen verbanden, waren für die einzelnen Hersteller unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Konzerne, die bei ihrer Produkt- und Markenimagebildung zuvor stark auf emotional-sportliche Attribute gesetzt hatten, um ihre Angebote vermeintlich kundenorientiert an die Aufsteigereffekte innerhalb des Marktes anzupassen, hatten mit großen Akzeptanzproblemen zu kämpfen. Neben BMW ist hier insbesondere auf die Opel-Werke zu verweisen. Die Marke hatte Anfang der 1970er Jahre gerade durch massive Anstrengungen in Styling und Motorisierung einen Imagewandel von konservativen zu eher progressiven Zügen vollzogen. Während Opel sich jedoch auf seinen guten Ruf als Hersteller zuverlässiger Fahrzeuge zurückfallen lassen konnte, koppelte sich bei Ford die sinkende Akzeptanz des Sportmodells Capri mit in zahlreichen Produkttests attestierten Qualitätsproblemen.290 In der Wahrnehmung der Konsumenten habe Ford die ›Linie der Vernunft‹ verloren,

287 Beide Zitate: ebd., UA 1344, Spiegel, Marktpsychologisches Gutachten 1972, S. 40. 288 Vgl. ebd., UA 1545, Automobilindustrie nach der Energiekrise, S. 9 u. Tab. 19; Art. »Im Schleudersitz«, in: WirtschaftsWoche vom 25.1.1974, S. 66–70. 289 Eigene Erhebungen auf der Basis von TuZ, Jahrgänge 1972–1974. Vgl. zum Absatzrückgang von Sportlimousinen in der Ölpreiskrise auch Art. »Eine Million Rabatt«, in: Der Spiegel vom 14.1.1974, S. 23–24. 290 Vgl. zur Image-Entwicklung von Opel, Ford und BMW u. a. BMWGA , Bernt Spiegel, Marktpsychologisches Gutachten zur Entwicklung der Image-Situation der BMW AG von 1964 bis 1972 vom 26.7.1972, S. 40; Art. »Ventile verstopft«, in: Der Spiegel vom 17.6.1974, S. 26 f. u. Art. »Dann sind wir tot«, in: Der Spiegel vom 4.3.1974, S. 46. Speziell zu Ford siehe Art. »Ideale Figur«, in: Der Spiegel vom 15.7.1974, S. 30.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

lautete die Bestandsaufnahme des Konzern-Marketings 1974: »[…] die Kommunikation mit dem Markt bzw. Verbraucher [ist] zusammengebrochen.«291 Volkswagen gereichte dagegen 1973/74 sein zuvor vielfach kritisiertes ›KäferImage‹ zum Vorteil. Mit VW-Automobilen assoziierte sich Solidität und hoher Gebrauchswert, geringe Haltungs- und Verbrauchskosten bei gutem Kundenservice. Lange hatte VW sein Modellprogramm nur halbherzig modernisiert. Rechtzeitig in den Krisenjahren warteten die Wolfsburger Autobauer aber mit den neuen Fahrzeugen Golf, Scirocco (1974) und Polo (1975) auf, die in ihren Grundeigenschaften an den Käfer anknüpften. Die Krise zog hier keinen Bruch des Imagebildes nach sich; im Gegenteil profitierte der Konzern nun wieder von den traditionellen Elementen seines Markenimages und hatte vergleichsweise geringe Absatzverluste zu beklagen.292 Der Nachzügler erwies sich als Krisengewinner. Eine ähnliche Kontinuität – gewissermaßen am anderen Pol des Automobilmarktes  – wies das Markenbild von Daimler-Benz auf. Ein Image-Gutachten des Instituts für Marktpsychologie berichtete aus »intensiven Gesprächen mit Autofahrern«, dass Daimler auf den Wettbewerbsvorteil setzen könne, in der Vergangenheit nicht einseitig auf ›Sportlichkeit‹ und ›Schnelligkeit‹ gesetzt zu haben. Vielmehr sei »das MB -Angebot« in der Wahrnehmung der Kunden »auf ein breites Fundament von Sachvorzügen gegründet.« Man könne daher erwarten, »dass sich die bisherigen Vorzüge und Qualitäten der MB -Pkws wie Sicherheit, Komfort, Zuverlässigkeit, lange Lebensdauer und Wirtschaftlichkeit (besonders beim Diesel-Pkw) als Vorzüge bewähren und als tragfähige Rechtfertigung Mercedes zu fahren.«293 Aufgrund der höchst unterschiedlichen Botschaften, die die Konsumenten binnen weniger Jahre aussandten, herrschte in der Automobilindustrie 1974 große Unsicherheit, in welche Richtung sich das Käuferverhalten weiterentwickeln würde. Woran sollte man also die Imagestrategien ausrichten? Die VW-Marktforschung wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich ganz offensichtlich zwei gegenläufige Strukturprozesse überlagerten. Auf der einen Seite werde sich die Nachfrage weiter pluralisieren. Kein Anbieter könne es sich aufgrund des dynamischen Wandels der Käuferansprüche leisten, »auf einen Bein zu stehen«294 bzw. ganze Segmente aus seinem Angebot auszuschließen. Auf der anderen Seite stehe eine Versachlichung im Umgang mit dem Automobil. Der sich verstetigende Trend nach vernünftigen, d. h. kompakten und 291 HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, Ford 1973, Aktennotiz von Peter Gilow (JWT) über ein Gespräch mit dem Ford Marketingchef Europa, Guthrie, vom 3.12.1973. Vgl. Art. »Ford Fiesta: Wer zuletzt kommt, kopiert am besten«, in: absatzwirtschaft, Nr. 9, 1976, S. 28–30. 292 Vgl. UVW, 610/405/1, Rede des VW-Vorstandschefs Toni Schmücker vor leitenden Angestellten am 28.4.1975, S. 8. 293 HAD, Zahn 292, Energiekrise, Bericht 13/74: Kaufmotive für MB -Pkw im Inland 1974, S. 71. 294 Vgl. UVW, Bestand Werkszeitung [ohne Signatur], Art. »Der Marktforscher sagt«, in: autogramm 5/1975, Extrablatt Polo vom 21.3.1975, S. 2. Ähnlich auch: HAD, Zahn 292, Bericht 35/74, S. 72.

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wirtschaftlichen Fahrzeugen beweise deutlich, dass sich der sozialpsychologische Stellenwert des Automobils tendenziell abmildere. Wie aber waren Differenzierung und Versachlichung zusammenzudenken? Waren diese beiden Tendenzen überhaupt miteinander vereinbar? Gleich mehrfach setzten sich die Automobilhersteller in Marktforschungsstudien, Reden und Berichten von Vorständen und Marketingdirektoren mit dieser Frage auseinander. Frappierend ist, dass sie in dieser Situation erstmals Anlehnung an die zeitgenössischen Theoriedebatten der Soziologen über den Wertewandel suchten. Aus der Reflexion über die sozialpsychologische Bedeutung des Konsums entstanden höchst unterschiedliche Prognosen über die langfristige Entwicklung der Beziehung zwischen Mensch, Gesellschaft und Automobil.

3.3 Diagnose Wertewandel: Lebensstil als Markt- und Gesellschaftsmodell Das wohl negativste Szenario eines tiefgreifenden Formwandels des automobilen Leitbildes entwickelte die Daimler-Marktforschung im Frühjahr 1974. Ihre Analyse bezeichnete es als verständlich, dass die Erfahrungen des Energiepreisschocks den Konsumenten langfristig zu einer rationaleren Einstellung veranlassten und sich der Trend auf relativ sparsame und gebrauchstüchtige Fahrzeuge verlagerte. Mit Besorgnis sei allerdings zu beobachten, dass diese Entwicklung im Zuge der massiven Autokritik von Medien und Politik weiteren Vorschub erhalte. In Teilen der Bevölkerung machte das Unternehmen eine tiefe Welle der Antipathie gegen das Auto aus. Besonders »relativ große Fahrzeuge [würden] zum gesellschaftspolitischen Angriffspunkt« stilisiert.295 Aus diversen Kundenbefragungen lieferte die Marktforschung erschreckende Belege, dass der repräsentative Pkw zu einem teils offensiv bekämpften Symbol für weit grundlegendere Auseinandersetzungen über die zukünftige Sozial- und Werteverfassung des Landes avancierte: In Holland und in Norddeutschland, so die heute nur schwer überprüfbaren Berichte, seien Mercedes-Modelle bereits mehrfach mit Steinen beworfen worden; offenbar allein aus dem Grund, dass sie der vorherrschenden Meinung, der Gebrauch des Autos müsse »auf ein Mindestmaß zurückgeschraubt werden«296, nicht entsprachen. Nicht eine Versachlichung der Kaufmotive, sondern die vermehrte Angst vor gesellschaftlichen Sanktionen und »sozialen Neidgefühlen« führten nach Meinung des Herstellers viele MercedesKunden dazu, auf einen Neuwagen zu verzichten. Nicht selten werde seit einiger Zeit zudem die Typenbezeichnung am Heck eines Fahrzeuges entfernt oder durch das Signum eines kleineren Typs ersetzt, um sich vor Übergriffen zu schützen. 295 HAD, Zahn / HS Raue 236, Thesen für eine Diskussion über den langfristigen Einfluss von Versorgungsschwierigkeiten mit Mineralöl auf die DBAG vom 21.12.1973, S. 16. 296 Ebd., Schreiben der Abt. für Wirtschaftspolitik und Öffentlichkeitsarbeit (Oertel) an den Vorstand vom 20.11.1973.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

Insbesondere Inhaber und Führungskräfte von Betrieben »sind es, die in ihren Überlegungen mögliche Reaktionen anderer, vor allem ihrer Belegschaft, auf die Anschaffung eines teuren Personenwagens in Erwägung ziehen.«297 Angesichts des brüchigen sozialen Konsenses in der Bevölkerung, der sich gerade in der Autoindustrie durch eine lohnpolitische Frontstellung zwischen den Tarifpartnern äußerte, schien eine offene Präsentation der eigenen sozialen und ökonomischen Position als unangemessen, wenn nicht sogar riskant. In einer mittel- bis langfristigen Perspektive warnte die Daimler-Marktforschung vor einer gefährlichen Tendenz, in die sich die deutsche Konsumgesellschaft mit der Anfeindung ihrer sozialen Symbole begab. Zweifellos seien alle Anzeichen gegeben, dass die Entwicklung am Ende in eine soziale Nivellierung münden könne.298 Gemeint war damit mehr als nur die Befürchtung, dass sich nur noch wenige Interessenten für exklusive Pkw finden würden. Unterschwellig griff der Verweis auf ›gleichmachende Tendenzen‹ im automobilen Bewusstsein der Öffentlichkeit vielmehr Schelskys Utopie einer »nivellierten Mittelstandsgesellschaft«299 auf und drehte sie durch eine geschickte Kontextverschiebung ins Negative. Soziale Nivellierung konnotierte sich hier nicht mehr mit einer Gewährung von Konsumchancen auf der Basis einer gerechten Einkommensverteilung. Sie spielte eher auf eine restriktive Verweigerung von vorhandenen Konsummöglichkeiten an. Hier wurde das Schreckgespenst einer gleichmacherischen Sozialisierung entworfen, sollten sich die Ideen einzelner in der öffentlichen Meinungsbildung durchsetzen. Mit dem Ausfall des Automobils als symbolischem Instrument der individuellen, demonstrativen Selbstverwirklichung drohten sich nach dieser Lesart die etablierten Wertvorstellungen und sozialen Hierarchien der modernen Konsumgesellschaft mit unübersehbaren Konsequenzen zu destabilisieren.300 Eine ins Extreme überspitzte, durch staatliche Eingriffe noch beförderte Versachlichung der öffentlichen Wahrnehmung des Automobils konnte nach dem Urteil des Stuttgarter Luxusherstellers die Differenziertheit der Konsummuster vollständig überlagern und sie hypothetisch sogar auflösen. Die Rückführung des automobilen Leitbildes auf ein ausschließlich auf Funktionalität begrenztes Einheitsauto – eine Idee, die Mitte der 1970er Jahre in der Öffentlichkeit ausführlich diskutiert wurde – war letztlich mit dem Ende der Automobilbranche gleichzusetzen.301 Auch wenn dieses Szenario selbst von den pessimistischsten 297 HAD, Zahn 292, Energiekrise, Bericht 35/74, S. 70. 298 Vgl. ebd. 299 Helmut Schelsky, Gesellschaftlicher Wandel, in: ders. (Hrsg.), Auf der Suche nach Wirklichkeit. Gesammelte Aufsätze. Düsseldorf 1965, S. 337–351; ders., Schichtungsbegriffes, S. 331 f.; Paul Nolte, Die Ordnung der deutschen Gesellschaft. Selbstentwurf und Selbstbeschreibung im 20. Jahrhundert, München 2000, S. 318–330. 300 Vgl. auch die Äußerung des VW-Vorstandschefs Leiding: UVW, 610/382/2, Bedeutung des Automobils, S. 1. 301 Vgl. Art. »Das Einheitsauto ist das Ende. VW-Chef Leiding über Tempo 100«, in: WirtschaftsWoche, Nr. 10, vom 1.3.1974, S. 77.

Marktforschung und die Umbrüche der 1970er Jahre 

273

Analysten Ende 1974 wieder verworfen wurde, zeigt sich doch die große Besorgnis, mit der die Umfeldveränderungen in internen Unternehmensdebatten verfolgt wurden. Als deutlich differenzierter erwiesen sich Studien, die sich auf der theore­ tischen Basis der Maslowschen Bedürfnispyramide mit den Bewusstseinsveränderungen der Konsumenten auseinandersetzten. Wie bereits für die zweite Hälfte der 1960er Jahre war innerhalb der Branche auch für die Phase nach der ersten Ölpreiskrise eine starke Rezeption sozial- und konsumpsychologischer Forschungen auffallend, aber nicht überraschend. In einem nun fest etablierten System transferierten externe Werbe-, Markt- und Meinungsforschungsinstitute ihre theoretische und methodische Expertise in die Unternehmen. In enger Kooperation mit den zuständigen Betriebsabteilungen sorgten die externen Berater für eine recht rasche praktische Justierung der unternehmerischen Marketinginstrumente auf die neuen Umfeldverhältnisse. Dass die oft zunächst recht abstrakten marktpsychologischen Gutachten zur zukünftigen gesellschaftlichen Rolle des Automobils in den Entscheidungsgremien besonders in den Krisenjahren 1973 bis 1975 sowie ab 1979 ausführlich reflektiert wurden, zeigen vielfältige direkte Verweise in internen und öffentlichen Stellungnahmen.302 Laut einer Studie des Heidelberger Sinus-Instituts bestand das Grundproblem der Branche zu Beginn der 1970er Jahre darin, ihre Fahrzeuge durch einseitige Image-Strategien in eine Position manövriert zu haben, deren »Stabilität weitgehend von der Konstanz der geltenden sozio-ökonomischen Wertorientierungen abhängt. Man kann das Auto jedoch nicht zum Leitprodukt unserer Konsumgesellschaft hochstilisieren und dann erwarten, dass Änderungen der sozio-kulturellen und sozio-ökonomischen Wahrnehmungsstrukturen die Erlebnisbedeutung des Autos nicht grundlegend tangieren.«303 Bereits durch die Autokritik alarmiert, forderte der BMW-Vertriebschef Robert A. Lutz im Sommer 1973 – also vor der Ölpreiskrise – ein, einen modernen Modellrahmen für das Marketing zu schaffen. Jedes Unternehmen müsse den gesellschaftlichen Wertewandel als Ausgangspunkt für sich verändernde Kaufmotive in den Blick nehmen. Die Nachfrageentwicklung nur unter den Aspekten des aufsteigenden Konsums und der Prestigebildung zu betrachten, erschien nun zu starr. Lutz plädierte für ein dynamisches, stärker differenzierendes Verständnis der motivpsychologischen Grundlagen des Konsums. Aufgrund 302 Vgl. etwa UVW, 610/401/1, Rede von Rudolf Leiding zum 500.000 VW in der Schweiz vom 20.12.1974, S. 12; ebd., 610/382/2, Der Strukturwandel auf dem Automobilmarkt, Redemanuskript von Rudolf Leiding für einen Vortrag am Institut für Weltwirtschaft, [1973], S. 1; ebd., 610/388/1, Ansprache zur Bilanzpressekonferenz vom 8. und 9.5.1974, S. 1; UVW, Z 119, 442/2, Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 25.4.1974, Rede Leiding; HAD, Vertriebsorganisation In- und Ausland, Reden 221, Ansprache von Werner Breitschwerdt anlässlich der Vertriebstagung vom 11.6.1979, S. 2 f. 303 BMWGA , UR 3021, Vortrag von Horst Nowak (Sinus) vor dem Vorstand und Führungskräften zum Thema Der Autofahrer in den 80ern. Wandel der Einstellungen und Motive, o. Dat. [1979/80].

274

Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

der neuen Ambivalenz in der Einstellung zum Automobil habe sich die Marktforschung darauf einzurichten, dass »Bevölkerungen und Individuen soziopsychologisch nicht gleich [Hervorhebung d. Vf.] bleiben«. Unter dem Verweis auf Maslow, dessen Theorie der Branche als Erklärungsansatz »heute und hier […] sehr zugute kommt«304, entwickelte er die Vorstellung, dass sich nicht nur das Verhalten einzelner Konsumenten stufenweise von der Befriedigung physiologischer Bedürfnisse hin zu psychologisch-emotionalen Zielen der Sicherheit, Liebe, Ansehen und Selbstverwirklichung ausrichte; auch die Entwicklung von »ganzen Märkten« und »einer ganzen Nation«305 bewege sich langfristig entlang solcher Verschiebungen der Bedürfnisse. Diese These war erst wenige Monate zuvor von Inglehart entworfen worden. Lutz adaptierte sie sehr rasch für die BMW-Marktanalysen. Deutschland befand sich nach seiner Ansicht in einer Übergangsphase von einem Industriestaat der Wiederaufbau- und ›Wirtschaftswunderjahre‹ zu einer reifen Zivilisation, welche durch die kulturelle und soziale Vielfalt einer Konsumgesellschaft charakterisiert sei. Aufgrund der noch ausgeprägten Einkommensunterschiede dominiere das Kaufverhalten in einer Industriegesellschaft das nach außen gerichtete Motiv der Prestige- und Statusbildung. Umso selbstverständlicher es aber für die Konsumenten werde, auch langlebige Konsumgüter in Besitz zu nehmen, desto intensiver konzentriere sich das Kaufverhalten auf innere Motive der Identitätsfindung und Selbstverwirklichung. Nach dem »Sichbefassen mit Stellung, Ansehen und Prestige«, konstatierte Lutz, übertrugen die Konsumenten ihre individuelle Frage »Wer bin ich und warum bin ich hier?« analog als »Wie soll es sein und welchen Zweck soll es erfüllen?« auf das Automobil.306 Mit dem Übergang in das neue Reifestadium der Konsumenten – und letztlich auch der Konsumgesellschaft – erkläre sich natürlicherweise, dass sich das automobile Leitbild neu justiere. Frappierend ist die analytische Tiefe, mit der die Automanager das soziale und kulturelle Geschehen reflektierten. Der Rückgriff auf die soziologische Wissenschaft veränderte die betrieblichen Explorationen in einem entscheidenden Punkt: Mit der Annahme, dass der Autokauf in Zukunft verstärkt durch Ziele der persönlichen Selbstverwirklichung und der individuellen Lebensgestaltung geprägt würde, erwarteten die Konzerne eine fortschreitende Differenzierung der Konsumpräferenzen.307 Noch in den 1960er Jahren waren die Segment- und Motivstudien von einem universellen Entwicklungspfad ausgegangen: Sie unterteilten die Käufer zwar nach sozioökonomischen Teilgruppen, gingen aber davon aus, dass ihre Bedürfnisse mit der schrittweisen Verbesserung ihrer Kaufkraft teleologisch in 304 BMWGA , UA 1344, Lutz, Praktikable Marktpsychologie 1973, S. 6. 305 Ebd. 306 Vorstehende Zitate: ebd., S. 8 f., insbes. die an die Maslowsche Bedürfnispyramide angelehnte Grafik. 307 Vgl. auch die Studie Canzler / K nie, Ende des Automobils, S. 72.

Marktforschung und die Umbrüche der 1970er Jahre 

275

Richtung auf möglichst prestigeträchtige Pkws zuliefen. Selbst in den imagebezogenen Marktmodellen unterschied sich der BMW-Fahrer letztlich vor allem durch seinen sozialen Status und sein Einkommen von dem VW-Besitzer. Letzterer werde mittelfristig zwangsläufig sein »Ersatzziel VW«308 fallen lassen, um seine Autoträume durch den Wechsel auf eine höherwertige Marke zu verwirklichen.309 Ab 1973/74 relativierten die Prognosen dieses Konzept und stellten den Automatismus des ›Aufsteigens‹ in Frage. Beispielhaft sei auf eine »Zukunftsstudie« verwiesen, in der Bernt Spiegel 1974 für BMW »längerfristige und langfristige Entwicklungstendenzen in der MenschAutomobil-Beziehung«310 untersuchte. Ähnlich wie Lutz beschrieb auch er den Prozess der Bedürfnisentwicklung in einem Stufenmodell. Kennzeichnend für die jüngere Vergangenheit des automobilen Käufermarktes sei das »Zurücktreten oder völlige Erlöschen der Nutzfunktion« bei einem gleichzeitigen »Aufblühen der Lustfunktion«, des Fahrvergnügens und der Repräsentationsfreude.311 Auch Spiegel wähnte die Gesellschaft der 1970er Jahre in einer Phase der individuellen und kollektiven Identitätssuche. Die Pluralisierung der Konsummuster interpretierte er als Ausdruck veränderter, auf die vielfältigen Formen der Selbstverwirklichung fokussierter Lebensstile. In diesem Kontext mahnte er die Branche sich darauf einzurichten, dass sich je nach Lebensentwurf die Wahrnehmung der »Erlebniseinheit Automobil […] in die immer stärker voneinander isolierten Komponenten ›Nutz‹ und ›Lust‹«312 aufteile. Im Bereich der Automobilität werde damit eine bereits in vielen anderen Konsumbereichen vollzogene Trennung zwischen zweckrationalen und psychodynamischen Faktoren des Konsums Geltung erlangen. Die Homogenität sozialstruktureller Konsummuster machte einer Heterogenität Platz. Die damit verbundene Entwicklung fundierte Spiegel mit dem Verweis auf eine neuartige motivpsychologische ›Aufspaltungstheorie‹. Im Kern handelte es sich hierbei um eine Erweiterung des Maslow-Modells. Denn beide gingen davon aus, dass sich das Konsumverhalten bei allen Warengattungen in einer ersten Phase der Aneignung auf den Grundnutzen fokussiere und erst dann die Stufenleiter zu emotionalen Identitätsbedürfnissen erklimme. Auf dieser Stufe angekommen zeige sich in einer zweiten Phase dann aber eine recht plötzliche Neuverteilung der Konsumbedürfnisse auf alle ehemals vorgelagerten Kategorien. Die Stufenleiter wird gewissermaßen umgekippt und die Konsumwünsche verteilen sich diffus über soziale Klassen hinweg. Da jeder Konsument in einer Massenkonsumgesellschaft Selbstverwirklichung für sich 308 BMWGA , UA 1344, Gramm & Grey: Profilierung des Produktes – Analyse der Fahrerpsychologie – mögliche Werbewege vom 27.7.1971, S. 18. 309 Vgl. ebd. Die von BMW bei der Werbeagentur Gramm & Grey 1971 in Auftrag gegebene Studie »Analyse der Fahrerpsychologie« entwarf das Bild eines typischen BMW-Fahrers, auf den das Angebot zugeschnitten werden müsse. 310 BMWGA , UA 1344, Spiegel, Image-Beobachtung BMW 1974, Teil 1: Zu erwartende längerfristige Entwicklungstendenzen in der Mensch-Automobil-Beziehung, S. 12–33. 311 Ebd., S. 17 f. 312 Ebd., S. 19.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

anders definiere, sei nun wieder jede Positionierung der Konsumentenbedürfnisse zwischen den Polen Gebrauchs- und Zusatznutzen möglich. »Dann entfernen sich die beiden Schwerpunkte immer mehr voneinander, bis es schließlich zu einer Teilung kommt«313, lautete das Urteil des Motivforschers – ein Ansatz, der bislang in der historischen Konsumforschung kaum rezipiert wurde. Zur exemplarischen Verdeutlichung verwies Spiegel auf das Konsumfeld Ernährung, wo kaum mehr Verbindungen zwischen der alltäglichen, oft schnellen Kalorienaufnahme und der lustvollen Befriedigung des Appetits durch aufwendiges Kochen oder auch dem Freizeiterlebnis Restaurantbesuch beständen. In Abhängigkeit von der Lebenssituation, mehr aber noch von den persönlichen Vorlieben und Interessen stehe die Nutzung des Automobils ähnlich wie die Nahrungsaufnahme nun in höchst unterschiedlichen Bedeutungskontexten zwischen den Polen der Rationalität und Emotionalität. Der Käufer entscheide zunehmend individuell und weniger gebunden an sein äußeres soziales Umfeld, ob er sachliche Kriterien in den Vordergrund stelle oder das Autofahren als lustvolle Alltagsbetätigung oder sogar als Hobby interpretiere. Die Ölpreis- und Automobilkrise habe vor diesem Hintergrund dazu geführt, dass zweckrationale Faktoren in das Bewusstsein der Menschen zurückgekehrt seien. Die Wirtschaftskrise habe einer neue Phase Konsumkultur zum Durchbruch verholfen. In Zukunft, so Spiegel, würden die Faktoren ›Nutz‹ und ›Lust‹ als Zeichen der pluralen Massenkonsumgesellschaft beständig nebeneinander existieren. Welches Gewicht den Komponenten jeweils zufalle, obliege einzig den Lebenszielen, Interessen und Geschmäckern des Individuums.314 Die Motive des Autokaufs orientierten sich somit längst nicht mehr einseitig auf soziale Distinktionsziele. Vielmehr konzentrierte sich der angestrebte Geltungsnutzen »auf die eigene Person als das Publikum«. Für die Hersteller positiv war, dass es zu einer zunehmenden »Privatisierung und Verpersönlichung«315 des Autobesitzes kam. Dies machte den Kunden leichter für die Werbung ansprechbar. Der Umstand, dass das Motiv Self Esteem nun aber zunehmend die Social Estimation überragte, stellte die Branche vor die große Herausforderung, die Produktbotschaften stärker zu individualisieren und auf ein breites Spektrum an Bedürfnissen auszurichten.316 Hypersegmentierung und Direktmarketing waren nur eine Folge dieser Entwicklung. Solche Prognosen der qualitativen Motivstrukturen des Automobilkonsums waren aus der Rückschau also in vielen Punkten wegweisend für die spätere wissenschaftliche und praktische Auseinandersetzung mit dem Nachfragewandel. Aus der eklektischen Adaption von Elementen des Nutzenschemas der Nürnberger Schule, der Motivationstheorie und des Wertewandelmodells leitete sich nun ein deutlicher Trend zur Individualisierung ab. 313 314 315 316

Ebd., S. 23. Vgl. ebd., S. 18. Zitate nach ebd., S. 26. Vgl. ebd.

Marktforschung und die Umbrüche der 1970er Jahre 

277

Mehr noch: Die in der unternehmerischen Marktforschung frühzeitig reflektierten Probleme griffen oftmals sogar den ab Ende der 1970er Jahre in der Soziologie und Marketingwissenschaft geführten Debatten über die Gestalt des neuen, postmodernen Konsumenten weit voraus.317 Die Schlüsselkategorien ›Individualisierung‹, ›Pluralisierung‹ und ›Entstandardisierung‹ kamen schon seit Beginn der 1970er Jahre in allen anwendungsorientierten Marktforschungsdiagnosen vor. ›Lifestyle‹ und ›Wertevielfalt‹ wurden zu Schlagwörtern, um die neue Variabilität der Konsummuster zu erklären. Die Individualisierungsthese veränderte das Marktverständnis der Unternehmen nachhaltig. Sichtbar ist dies vor allem in einem veränderten Konsumentenbild. Der Pkw-Kunde erschien nicht mehr nur als manipulierbarer Rezipient von Produkt- und Imagebotschaften, sondern als selbstbewusster Akteur, der die Symbolik der Ware sehr differenziert und reflektiert wahrnahm. Er eignete sich das Auto seinen eigenen Wertvorstellungen entsprechend bewusst an. Der Automobilkäufer spiegelte nicht einfach die ihm vom Hersteller angebotenen Botschaften, sondern wertete sie aktiv aus, filterte sie und nahm sie nur auf, wenn sie seinen Bedürfnissen entsprachen.318 Diese Neigungen aber, stellte Lutz bereits 1973 prägnant heraus, sind in Abhängigkeit von gesellschaftlichen Einflüssen und den individuellen Lebenszielen »bei jedem verschieden und es gibt, wie es bestimmt jeder an sich selbst feststellen kann, tägliche Verschiebungen in der Dominanz der Bedürfnisse.« Das Automobil-Marketing habe sich darauf einzustellen, dass – wie bis dato vielfach unterstellt – »ein ›Markt‹ eben nicht eine Einheit […] ist«, sondern »durch eine Vielfalt von Individuen« mit höchst unterschiedlichen Lebensentwürfen, sozialen Verhaltensformen, Interessen und Wünschen geprägt wird.319 Eine Kategorisierung der Kunden nach rein soziodemographischen Eigenschaften reichte nicht mehr aus, um diese Vielfalt zu strukturieren und auf das Marken- und Produktimage zu beziehen. Aufgrund der Erkenntnis, dass sich das Konsumverhalten aus den herkömmlichen sozialen Schichtungen herauslöste, orientierte sich die Automobilindustrie in hohem Maße wissenschaftlich reflektiert an neuen Ansätzen, den Markt psychografisch zu segmentieren.320 Die Definition von Zielgruppen, formulierte exemplarisch die VW-Marktforschung 1975, muss auf neuen »psychologischen Konsumententypen«321 fußen. Während die Imagestrategien in den 1960er Jahren auf die Gestaltung der Marken- und Produktpersönlichkeiten abzielten, konzentrierten sie sich 317 Einen Überblick zur Debatte um den »neuen Konsumenten« liefern: Kai-Uwe Hellmann, Soziologie der Marke, Frankfurt / M. 2003, S. 144 f.; Gasteiger, Konsument, S. 215–243. 318 Vgl. Dirk Reinhardt, Von der Reklame zum Marketing. Geschichte der Wirtschaftswerbung in Deutschland, Berlin 1993, S. 6 f. 319 BMWGA , UA 1344, Lutz, Praktikable Marktpsychologie 1973, S. 8; 11.  320 Vgl. Art. »Zielgruppensuche: Modemasche Typen-Puzzle«, in: absatzwirtschaft, Nr. 4, 1975, S. 50–60. 321 Art. »Der Marktforscher sagt«, in: autogramm 5/1975, Extrablatt VW Polo vom 21.3.1975, S. 2.

mittl. Angestellte, höhere Beamte; aktiv, einsatzfreudig, Understatement

Facharbeiter, unselbständige Handw., mittl. Beamte, Hausfrauen; zufriedenantriebsarm

inaktiv, antriebsarm

Typische Berufe /  Berufs­ verhalten

Freizeit

intensive und vielseitige Aktivität

Opel Rekord, Peugeot 404/504

Ford Taunus, Überdurchschn. Opel Ascona, vertreten Fiat 124–132

2

»Der zufrie­ dene Realist«

1

»Der Normorientierte«

Charakte­ risierung

Typ

vielseitig interessiert

Facharbeiter, unselbständige Handwerker; Spaß am Beruf

VW Passat, Opel Ascona, Citroen GS

»Der optimistische, spontan begeisterungsfähige Lebenskünstler«

3

wenig Eigeninitiative

mittl. u. leit. Angestellte; einigermaßen erfolgreich, aber resig­niert u. desinteressiert

DB-Diesel, DB 230/6. 280, 280 E, Audi 100

»Der resigniert frustrierte Egozentriker«

4

Beschreibung der Fahrertypen mit unterdurchschnittlichem BMW-Anteil 6

inaktiv, häus- inaktiv, lich, Demons- häuslich tration finanzieller Potenz

kontemplative Entspannung; aber Anspannung, um mitreden zu können

mittl. u. leit. Angestellte, freie Berufe; Aufsteiger, sehr hohes Berufsengagement

leit. Ange­ stellte, Selbständige; berufliches Desinteresse, »hochdienen« Arbeiter, unselbständige Handwerker; wie Typ 1, aber mehr finanzieller Erfolg

BMW 525, 528, 1502, Audi 80

»Der außenorientierte, bestätigungssuchende Aufsteiger«

7

DB 200–450 DB 200–230/ SLC, DB 280 4, Ford Capri S-450 SEL, Ford Consul, BMW ­316–320

»Der Komfor- »Der Erfolgnist – sicher- reich-Angeheitssuchend paßte« und status­ orientiert«

5

aktive, körperliche Betätigung, vielseitig extravertiert, gesellig

Arbeiter, einf. bis leit. Angestellte; hohes Engagement, aber Understatement

sehr aktiv u. einsatzfreudig

mittl. u. leitende Angestellte, Selbstständige, freie Berufe; hohes Engagement, »Macher«

BMW Coupe, Alfa Romeo 1200–1600, Renault 16–30, VW Scirocco

»Der elitäre, erfolgsdemonstrierende Leitbild-Konformist«

»Der sportlich-aktiv-gesellige, kontakt-freudige Optimist« BMW 1602– 2002, 518–520 2500–3,3 L, Opel Manta

9

8

Beschreibung der Fahrertypen mit überdurchschnittlichem BMW-Anteil

Tab. 26: Compagnon-Modell. Psychologische Segmentation der Fahrertypen Inland (1978)

278 Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

aktiver Urlaub, aber gleiche Lebenssituation wie zu Hause

häuslich orientiert, wenig gute Freunde

bequem wie zu Hause

introvertiert, häuslich

Urlaub

Sozial­ verhalten

populäre Sportarten, wie Ski, Schwimmen, Tischtennis

2

Musik, Theater

keine sportliche Betätigung

1

Interessen /  Gartenarbeit, Hobbies Fernsehen

Sport

Typ wenig Sport, nur zur Förderung der Gesundheit

4

extrovertiert, viele oberflächliche Freundschaften

ausgefallene Ziele, Verzicht auf gewohnten Komfort

bequem, wenige Freunde, Zufallsbekanntschaften

inaktiv, gleiche Lebenssituation wie zu Hause

vielseitig, aber Familie, nicht intensiv; ­Gartenarbeit Literatur, Musik, Theater, Politik

Schwimmen, Kegeln, Tischtennis, Radfahren

3

Beschreibung der Fahrertypen mit unterdurchschnittlichem BMW-Anteil

keine sportliche Betätigung

6

viele Freunde, Auswahl nach bildungsmäßiger u. finanzieller Gleichstellung

inaktiv, gleiche Lebenssituation wie zu Hause, aber finanziell aufwendig

bequem, gesellig; zu Hause u. in »der Kneipe«

inaktiv, gleiche Lebenssitua­ tion wie zu Hause; finan­ ziell etwas aufwendiger

Gartenarbeit, Gartenarbeit, Fernsehen; Fernsehen Kunst u. Literatur nur, um »mitreden« zu können

nur Sport aus gesundheitlichen Gründen

5

kommuni­ kativ, keine elitären Vergnügen

intensive Sportbetätigung, bevorzugt ­»gesellige« u. populäre Sportarten (Fußball)

8

häuslich, Distanz zu früheren Bezugsgruppen, Freundeauswahl n. Bildung, Geld, Freizeit

viele Freunde, Auswahl nach Freizeitinteressen

bequem, aktiv, gesellig, aufwendig; aufwendig ausgefallene Urlaubsziele, um »mitreden zu können«

Literatur, Kunst, Musik, Antiquitäten, Fotokunst, gutes Essen, Kontakte zu Menschen

kaum sportliche Betätigung

7

extrovertiert, offen, viele Freunde; Auswahl nach Bildung u. finanziellem Status

aktiv, gesellig, exklusiv, Neigung zu »Abenteuerurlaub«

exklusive u. »individuelle« Hobbies entsprechend den Erwartungen der Bezugsgruppe

intensive Sportbetätigung, »gesellige«, aber exklusive Sportarten

9

Beschreibung der Fahrertypen mit überdurchschnittlichem BMW-Anteil

Marktforschung und die Umbrüche der 1970er Jahre 

279

kleinbürgerlich, normorientiert

1

sachlich, nüchtern

2

82 % verheiratet

87 % verheiratet

Familienstand

84 % verheiratet

95 % verheiratet

Schwerpunkt Schwerpunkt 30–39 J., 40–49 J. höchst. Anteil d. 30–39 Jährigen

unsicher, aber schnell, Demonstration von Überlegenheit

Kompensationsmittel persönl. Unzulänglichkeiten; bereit, viel Geld auszugeben

Erfolgsdemonstration, Wunsch nach Sicherheit u. Geborgenheit unaggressiv, vorsichtig

Statusdemonstration und finanzielle Demonstration von »Lebenstüchtigkeit«

5

unauffällig; nach außen hin zufrieden, aber innerlich problembeladen

4

86 % verheiratet

Schwerpunkt 40–49 J.

aggressiv, emotional, Demonstration von Überlegenheit

emotionale Bindung, Kompensa­ tion, viel Wagenpflege

bequem und statusorientiert

6

71 % verheiratet

Schwerpunkt 30–39 J., höchst. Anteil d. 60 Jährigen u. darüber

schnell, Ausspielen v. Überlegenheit, hält sich aber für rücksichtsvoll

emotionale Bindung, Statusdemonstration

statusorientiert, arrivierter Anpasser; hält sich aber für einen Individualisten

7

73 % verheiratet

Schwerpunkt 30–39 J., höchst Anteil d. 20–29 Jährigen

schnell, sportlich, aggressiv, Spaß an »Privatrennen«

starke emotionale Bindung, Identifikation mit dem Wagen

nicht statusorientiert, Demonstration des Lebensstils mit Wohnung und Auto

8

72 % verheiratet

Schwerpunkt 30–39 J.

schnell, sportlich, aggressiv, emotional, Neigung zu »Privatrennen«

starke emotionale Bindung, Demonstration von Status u. Lebensstil

aufwendiger Lebensstil, Statusdemonstration; hält sich für Individualisten

9

Beschreibung der Fahrertypen mit überdurchschnittlichem BMW-Anteil

Quelle: BMWGA , UR 3022, Langfristige Imageplanung, September 1978, S. 47 f.

85 % verheiratet

Schwerpunkt 20–39 J., höchst. Anteil. d. unt. 20 Jährigen

Schwerpunkt Schwerpunkt 40–49 J., 30–39 J. höchst. Anteil d. 50–59 Jährigen

Alter

vorsichtig, »fährt gern rücksichtsvoll sportlich«

unaggressiv, vorsichtig

emotionale Bindung, die wg. fehlender finanzieller Möglichkeiten rationalisiert wird

begeisterungsfähig impulsiv, individualistisch, aber nicht aufwendig

3

Fahrstil

Bindung keine emotio- keine emotioans nale Bindung nale Bindung, Automobil Understatement

Lebensstil

Typ

Beschreibung der Fahrertypen mit unterdurchschnittlichem BMW-Anteil

280 Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

Marktforschung und die Umbrüche der 1970er Jahre 

281

nun darauf, die lebensweltlichen Präferenzen und Persönlichkeitsstrukturen der Autokäufer zum Ausgangspunkt zu nehmen.322 Dies macht den Schritt von einer angebots- zu einer nachfrageorientierten Marktsicht deutlich. Erste Ansätze, psychologische Konsumententypologien zu entwerfen, hatten etwa bei BMW noch im September 1973 darauf gesetzt, einen archetypischen BMW-Besitzer zu modellieren.323 Kaum drei Jahre später verneinte die BMW-Marketingplanung ganz grundsätzlich, dass eine solche Figur überhaupt auszumachen sei: »Es gibt nicht den typischen BMW-Fahrer schlechthin«324, bekannte ihre Imagestudie. Die eigentlich wichtige Untergliederung »ist die Beschreibung der Fahrer nach psychologischen Kriterien […], [nach] Neigungen, Ablehnungen, Motivationen, Informations- und Kaufverhalten.«325 Der Markt sollte nun in psychologische Besitzerkategorien aufgeteilt werden, auf die sich die jeweiligen Fahrzeuge nach dem Kriterium der Beliebtheit verteilten. Diese neue Segmentierungsmethode entsprang aus der Zusammenarbeit von BMW mit dem Stuttgarter Institut für psychologische Marketing- und Werbeforschung Compagnon. Die Agentur fungierte ab 1975 als wichtigster Consulting-Partner des Münchner Autokonzerns, nachdem dieser die langjährige Zusammenarbeit mit Spiegel aufgrund unüberbrückbarer Differenzen mit dem Vertriebsvorstand aufgekündigt hatte.326 Konzeptionell basierte die Compagnon-Konsumententypologie auf primärstatistischen Erhebungen zum Arbeits-, Freizeit- und Sozialverhalten der Käufer. Sie folgte damit dem in der US -amerikanischen und deutschen Marktforschung rasch überaus populären, sog. AIO -Ansatz.327 Per Kundenbefragungen wurden Informationen zu Alltagsaktivitäten (activities), Vorlieben und Wertvorstellungen (interests) sowie Einstellungen (opinions) zu Meinungsgegenständen 322 Vgl. ebd. 323 Vgl. ebd., UA 1464, BMW-Käufer-Typologie Inland 1973, Sozioökonomische Struktur, S. 3 f. 324 Ebd., UR 3022, Imageplanung 1978, S. 48. Die hierin erwähnte Untersuchung der Käufertypen entstammt einer internen Quellenangabe zufolge bereits aus dem Jahr 1976. 325 Ebd. 326 Ursächlich war die Beendigung der Zusammenarbeit auf die Unzufriedenheit des BMWVertriebschefs Lutz mit 1973 und 1974 angefertigten Imagestudien zurückzuführen, in denen Spiegel sich kritisch mit der Rolle einzelner BMW-Vorstände als öffentliche Imageträger auseinandergesetzt hatte. In einer handschriftlichen Notiz vermerkte Lutz: »Wozu der ganze Quatsch?« Vgl. ebd., UA 713, Kommentar zum Marktpsychologischen Gutachten Bernt Spiegels. 327 Vgl. William Wells / Doug Tigert, Activities, Interests and Opinions, in: Journal of Advertising Research 11, 1971, S. 27–35; Joseph T. Plummer, The Concept and Application of Life Style Segmentation, in: Journal of Marketing 38, 1974, S. 33–37. Zur Rezeption des AIO -Ansatzes in Deutschland: Thomas J. Drieseberg, Lebensstil-Forschung. Theoretische Grundlagen und praktische Anwendungen, Heidelberg 1995, S. 145–221.; Sönke Albers / Andreas Herrmann, Handbuch Produktmanagement. Strategieentwicklung  – Produktplanung – Organisation – Kontrolle, 3. Aufl., Wiesbaden 2007, S. 279 f.; Hansen /  Bode, Marketing, S. 154.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

wie Produkten, aber auch ganz allgemein zur Politik, Wirtschaft und Kultur gesammelt. Aus den erhobenen Daten destillierten die Marktforscher musterhafte Lebensstile. So wie die Marken- und Produktpersönlichkeiten seit Mitte der 1960er Jahre anhand semantischer Images analysiert und am Markt positioniert wurden, ›semantisierte‹ die Lebensstilforschung nun die eigentlichen Subjekte des Konsums. Die Verbraucher wurden nach Persönlichkeitsmerkmalen und psychografischen Dispositionen neu eingeteilt. Kombiniert mit klassischen sozialen Stratifikationskriterien wie Alter, Beruf und Familienstand entstand ein wesentlich differenzierteres Bild der Konsumenten. Aus ihm wurde sodann die Verteilung der Gebrauchs-, Geltungs- und Selbstverwirklichungsmotiven abgeleitet. Das Compagnon-Modell beschrieb neun Fahrertypen. Zehn der zwölf sog. Beschreibungskategorien beschäftigten sich dabei mit allgemeinen Aussagen zum Lebensstil, Einstellungen und Interessen. Nur noch zwei Erhebungsfelder zielten unter den Stichworten ›Fahrstil‹ und ›Bindung ans Automobil‹ direkt auf die Aneignung des Produktes. Wie die abgebildete Matrix zeigt, reichte das fein differenzierte Spektrum vom häuslichen, antriebsarmen »Normorientierten« mit wenigen sozialen Ambitionen und einer sachlichen Einstellung zum Automobil, über den »außenorientierten, bestätigungssuchenden Aufsteiger«, mit hohem Berufsengagement und statusorientiertem Konsum- und Freizeitverhalten bis zum »elitären, erfolgsdemonstrierenden Leitbild-Konformisten«, den ein aufwendiger, individualistischer und zu gleich extrovertierter Lebens- und Konsumstil kennzeichnete.328 Auffällig ist, dass das Compagnon-Modell starke Ähnlichkeit zu der erst zu Beginn der 1990er Jahre von Gerhard Schulze entworfenen Milieuklassifikation der bundesrepublikanischen Erlebnisgesellschaft aufweist. Auch letzterer kombinierte soziodemographische Faktoren mit Angaben zu Bildungsstand und Lebensstil und gruppierte die Gesellschaft in fünf soziokulturelle Existenzweisen mit plakativen Titeln wie Niveaumilieu, Harmoniemilieu, Integrationsmilieu, Selbstverwirklichungsmilieu oder Unterhaltungsmilieu.329 Diese Analogien bestätigen abermals, dass die bis heute prominenten sozialwissenschaftlichen Gesellschaftsmodelle der 1980er und 1990er Jahre auf wesentlich früher zirkulierende Entwürfe der angewandten Marktforschung aufsetzten. Die soziologische Theoriebildung kombinierte und rekapitulierte vor diesem Hintergrund lediglich Wissen, welches in Beratungsfirmen, Marktforschungsinstituten und auch Industriefirmen vorhanden war und bereits in der Marketingpraxis zum Einsatz gebracht wurde. Dieser Umstand lässt eine Analyse der zeitgenössischen Gesellschafts- und Konsumentenbilder allein schon aus der historischen Perspektive der Wissensproduktion spannend erscheinen.330 328 BMWGA , UR 3022, Imageplanung 1978, S. 47 f., insbes. Psychologische Segmentation der Fahrertypen Inland. 329 Vgl. Schulze, Erlebnisgesellschaft, S. 165; siehe auch Franzpötter, Sinn, in: Schmidt / Bechmann / Rammert (Hrsg.), Automobil, S. 45 f. 330 Dies betont bereits Schrage, Verfügbarkeit, S. 11.

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Um nach dem Compagnon-Modell Zielgruppen zu identifizieren, quantifizierte die BMW-Marktforschung den prozentualen Anteil der jeweiligen Konsumententypen am Kaufvolumen des Gesamtmarktes. Zugleich ermittelte sie, welche Fahrzeugtypen und Fabrikate sich in den Käufersegmenten überdurchschnittlich stark verkaufen ließen. Gerade in Feldern mit hoher Präsenz konnten die Hersteller von einer Affinität zwischen der Konsumenten- und der Produktpersönlichkeit ausgehen. Hier deckten sich die Ansprüche der Kunden offenbar mit den technischen und symbolischen Attributen der angebotenen Modelle. Persönliche Nähe zur Attraktivität der Produkte löst eine erhöhte Kaufbereitschaft aus – so lautete die einfache Idee hinter dem neuen Managementinstrument.331 Je nach Marke und Pkw-Typ verteilten sich die Verkaufsanteile durchaus unterschiedlich stark auf die jeweiligen Käufersegmente. BMW etwa war laut den Ergebnissen der Studie in den Segmenten 1 und 2 unterrepräsentiert, während die Münchner die Felder 3 bis 5 mit einzelnen Fahrzeugen (dem 1502, 518 und der neuen 3er Reihe) nur partiell besetzten. Die wichtigsten Zielgruppen bildeten die übrigen vier, durch eine starke emotionale Kundenbindung ans Auto gekennzeichneten Sektoren. Diese sublime Betrachtung der Verkaufschancen einzelner Produkte galt als zentraler Vorteil der psychologischen Segmentierung: »Die Differenzierung nach den einzelnen BMW-Modellreihen und -typen sowie die Zuordnung der jeweiligen Fahrer-Typen eröffnet die Möglichkeit einer modellspezifischen, gezielten Ansprache, die nicht ausschließlich BMW-programmbezogen ist.«332 Weiteres wichtiges Merkmal der neuen Motivanalysen war, dass sie bereits etablierte Methoden der relationalen Marktmodellierungen nutzten, sich nun aber wieder auf das Produkt als Ausgangspunkt des Marketings konzentrierten. Der Ansatz, das Produkt als basales Objekt der Meinungsbildung heranzuziehen, war nicht neu. Schon das Nischenmodell Spiegels und die VW-Imageanalysen der 1960er Jahre fokussierten auf die »Wahrnehmung von Produkten im sozialen Umfeld.«333 Der Befund, dass sich die Käuferpräferenzen in psychologischen Segmenten gewissermaßen quer zum Markenbesitz und zur sozialen Lage anordneten, führte die Unternehmen ab Mitte der 1970er Jahre dazu, die Nachfragekomponenten für einzelne sog. Produkt-Vergleichsklassen zu bestimmen. Als solche definierten sie Gruppen von acht bis zehn Fahrzeugen verschiedener Fabrikate, die große produkttechnische Ähnlichkeiten mit einem eigenen Modell aufwiesen. Den Markt in grobe Leistungsklassen zu unterteilen, trat somit hinter den Versuch zurück, Verschiebungen innerhalb und zwischen wesentlich kleineren Produktclustern zu untersuchen. Ab Ende der 1970er Jahre wurden solche Produkt- und Kundencluster immer häufiger mit Hilfe rechnergestützter Skalierungsverfahren zu sog. Wahrnehmungs- und Leistungsräumen

331 Vgl. BMWGA , UR 3022, Imageplanung 1978, S. 49. 332 Ebd., S. 50. 333 Dichtl / Bauer / Schobert, Dynamisierung, S.  1.

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Abb. 22: Präferenzfeld-Vergleich für den BMW 320 (1978) Quelle: BMWGA , UR 3022, Langfristige Imageplanung, September 1978, Wettbewerbsvergleich der Modellreihen, S. 29.

kombiniert.334 »Die Kaufmotivation ist von Vergleichsklasse zu Vergleichsklasse unterschiedlich«, stellte die BMW-Marktforschung als neuen Leitsatz ihrer Marktanalysen heraus. Dass sich selbst innerhalb der eigenen Kundenklientel ein differenziertes Spektrum von Meinungen auffinden ließ, »erklärt [sich] aus den unterschiedlichen Ansprüchen und Erwartungen der heutigen Konsumenten.«335 In der Praxis wurden Vergleichsklassen in diesem Sinne zu Präferenzfeldern umdeklariert, um – in Anlehnung an Spiegel – die räumliche Lage der Imagepositionen festzustellen. Auf diese Weise sollten auch hier die imagemäßigen Abstände zwischen einzelnen Wettbewerbern und BMW vermessen werden, um zu eruieren, inwieweit die einzelnen Fahrzeugmodelle »der Kaufmotivation der Kunden tatsächlich entgegenkommen.«336 Auffallend ist, dass der Preis und damit die einkommensabhängige Kauffähigkeit in den neuen Studien überhaupt nicht mehr als Stratifikationskriterien vorkamen. In der Vergleichsklasse der 3er-Modellreihe skalierten die BMW-Marktforscher in einer gemeinsam mit dem 334 Siehe zu den komplexen Berechnungsmethoden mehrdimensionaler Präferenzfelder ebd., S. 18 f. 335 BMWGA , UR 3022, Imageplanung 1978, S. 28. 336 Ebd., S. 25.

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OFF-Institut erstellten ›Imageanalyse 1977‹ das Wettbewerbsfeld nun erstmals allein anhand von sachlichen und emotionalen Bedürfniskonstellationen: Gerade in den unteren Produktklassen galt ein gesunder Ausgleich zwischen diesen Polen als sensibler Imagefaktor. In der höheren Vergleichsklasse stuften die Hersteller dagegen ›unauffällige Alltäglichkeit‹, mehr aber noch die ›Repräsentation‹ als distinkte Kaufgründe ein. Ähnliches setzte man mit den Feldskalen ›Komfort‹ und ›Repräsentation / Beschleunigung‹ auch für Oberklassenmodelle voraus.337 Mit der differenzierten Modellierung von Affinitätsbeziehungen zwischen Modellen und Konsumententypen lösten sich die Marktforscher von der Annahme, dass der Automobilkonsum weiterhin durch einseitig dominante Megatrends bestimmt sei. Dies galt insbesondere für das gewohnte trading upVerhalten. Die »allgemeine Anerkennung […] der These ›je größer, je stärker, je teuerer, desto besser‹« verliert sich, konstatierte die Daimler-Marktforschung im Winter 1973/74. »Die den Aufstiegsdrang ersetzende Vorstellung vom angemessenen oder angepassten Auto [wird] durchaus zu einer tendenziellen Wende für längere Zeit führen.«338 Für die Zukunft erwarteten die Produzenten fraktale, weniger berechenbare Motivlagen beim Autokauf.339 Für vermögende, statusorientierte Kundenkreise blieb das Oberklassenfahrzeug Ausdruck ihrer materiellen Wertorientierung. Andere Käuferfraktionen betrachteten das Auto dagegen kaum vom Prestige her, sondern nüchterner. »Es gibt neue Statussymbole oder aber auch um es besser auszudrücken, wichtigere Dinge, die er [der Konsument] befriedigt, und die normalen […] Abnahmeraten in den einzelnen Sektoren gehen nicht so, wie sie anscheinend über viele Jahre gegangen sind, weiter.«340 Neben dem spürbaren Trend nach vernünftigen, d. h. kompakten und wirtschaftlichen Fahrzeugen, konstatierte die VW-Marktanalyse, entwickelte sich in anderen Käufergruppen zur gleichen Zeit der konträre Wunsch nach individualisierten Freizeitfahrzeugen – geländegängigen Automobilen, Strandbuggys oder Camping-Kombis. Selbst die »schon längst begrabenen Motorräder werden wiederkommen«, wenn die Selbstverwirklichung weiter an Bedeutung gewinne.341 Auch die VW-Analysten gingen somit von einer Aufspaltung der Kaufmotive in bisher widersprüchlich erscheinende Trends aus, die nun am Markt nebeneinander existierten. Was bedeutete die Differenzierung des Konsums aber für die Entwicklung des automobilen Leitbildes in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre? Anders als befürchtet sorgten Ölpreiskrise und Autokritik nicht für eine vollständige Erosion. Zweifellos wurde das Leitbild der Rennreiselimousine in den Jahren 1972 bis 1975 durch die Krisenerfahrungen der Konsumenten erschüttert, restabilisierte sich aber relativ rasch. Nach Weert Canzler waren für diese erneuerte Akzeptanz drei 337 Vgl. ebd., Grafiken zum Wettbewerbsvergleich der Modellreihen, S. 29, 31 u. 33. 338 HAD, Zahn / Raue 236, Exposé: Werbung im Zeichen der Krise, vom 18.12.1973, S. 3. 339 Vgl. UVW, 610/382/2, Strukturwandel auf dem Automobilmarkt, S. 4. 340 Ebd. 341 Ebd.

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Faktoren verantwortlich: erstens die große volkswirtschaftliche Bedeutung der Automobilindustrie, die die Politik aus Furcht vor einer weiteren Destabilisierung des ökonomischen Leitsektors vor tiefgreifenden Eingriffen zurückschrecken ließ, zweitens die Beharrungskräfte von Infrastruktur und Siedlungsformen, d. h. die feste Verankerung des Systems Automobil in den täglichen Nutzungs- und Aneignungsroutinen der Menschen und schließlich drittens die ungebrochene soziale und kulturelle Attraktivität, die von der Rennreisemaschine als Alltagsund Lifestyle-Produkt ausging. So waren der Kauf eines kleineren Automobils, die Verlängerung der Haltedauer, Tempolimits und verringerte Fahrleistungen in der Krise von einem nicht zu unterschätzenden Teil der Bevölkerung in erster Linie als wirtschaftlich notwendiger Verzicht und bescheidene Entsagung wahrgenommen worden.342 Gerade diesen Punkt nahm auch die Industrie in ihre Prognosen zu den Entwicklungsperspektiven der Auto-Mensch-Beziehung auf. In der Branche bemühte man die alten Freiheitsideale, um die Auferstehung des Automobils zu rechtfertigen. Hartnäckig stellte die Branche den Autokritikern entgegen: Der Wunsch der Menschen ein Automobil zu besitzen, ist ungebrochen. Es macht ihnen Freude, sich durch diesen Besitz im positiven Sinne als leistungsfähig auszuweisen, das hat nichts zu tun mit der Vorstellung übertriebener Statussymbole oder dem Gedanken, das Automobil sei Mittel einer fragwürdigen Ersatzbefriedigung. Der Gebrauch des Kraftwagens ist für den Menschen einfach vernünftig und praktisch […]. Der Mensch hat lange genug für seine Freiheit gekämpft, es macht ihm Freude, sie zu genießen, er will und soll diese Freiheit auch behalten. Es handelt sich hierbei um Urbedürfnisse, nicht um die Erfolge von raffiniert ausgeklügelten Werbekam­ pagnen.343

Die Vehemenz, mit der die Konsumenten ab 1975 insbesondere in den Mittelklassesegmenten wieder Pkws nachfragten, bestätigte die Hoffnungen der Industrie. Die Motorisierung schwenkte wieder auf alte dynamische Pfade ein. Eine Voraussetzung hierfür war aber – dies ist als vierter Punkt der Argumentation von Canzler hinzuzufügen  –, dass sich bereits in den Krisenjahren eine neue Verständigung zwischen Politik, Medien, Gesellschaft, Konsumenten und Herstellern anbahnte, wie die Pkw-Konfiguration zu interpretieren war, um nun auch die kollektiven Umweltschutzinteressen zu berücksichtigen. »Die Probleme, die das Automobil ohne Frage verursacht«, lenkte Leiding öffentlichkeitswirksam ein, »werden heute bewusster gesehen als früher und Veränderungen am Automobil selbst zu ihrer Bewältigung eingefordert.«344 Alle Kommunikatoren des Leitbildes lehnten nun die Übertonung des lustvollen Fahrerlebnisses durch sportliche Fahrzeuge ab. Stattdessen rückten sie rhetorisch das Produktideal

342 Vgl. Canzler, Zauberlehrlings-Syndrom, S. 145. 343 UVW, 610/382/2, Bedeutung des Automobils, S. 9. 344 Ebd., S. 14.

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einer vernünftigen, ›wirtschaftlichen Rennreisemaschine‹ in den Vordergrund. Ergänzt durch neue Elemente blieb der multifunktionale Ansatz des All-in-one also erhalten. Die Autokonzerne verfolgten die Strategie, den Kunden die problemlose Vereinbarkeit von Hochwertigkeit, Komfort und ökologischer Funktionalität zu suggerieren und so die Akzeptanz für die traditionelle Pkw-Konfiguration wiederzugewinnen. Alternative Strategien, die durchaus diskutiert wurden, aber wesentlich revolutionärere Veränderungen in der Antriebstechnik und in den Raumkonzepten erfordert hätten, kamen nicht zum Zuge. Zu stark waren die produktionstechnischen Pfadabhängigkeiten, zu hoch die Investitionsund Entwicklungskosten und noch zu wirkungsvoll die über Jahre etablierten Markenimages.345 In der internen und externen Kommunikation der Anbieter prägte sich der Begriff der ›Ausgewogenheit‹ zu einem Ankerpunkt des Marketingmanagements aus. Daimler-Benz betonte, schon immer habe »die Wirtschaftlichkeit in allen unseren modellpolitischen Überlegungen [.] eine maßgebliche Rolle gespielt.«346 Strategiepapiere von BMW propagierten die »Abkehr von der ›reinen Lehre‹ der Sportlichkeit.«347 Stattdessen habe man sich als Konzession an den Zeitgeist stärker den Attributen Komfort, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit zuzuwenden. Die allgemeinen Erwartungen der Gesellschaft müssten in die Vorstellungsbilder eines BMW integriert werden. Gänzlich verbannen dürfe man die ›Freude am Fahren‹ aber nicht, da schließlich wohl alle Hersteller in Zukunft mit der Botschaft vernünftiger, qualitätsvoller und sicherer Fahrzeuge zu punkten versuchen würden. Die alten Alleinstellungsmerkmale sollten erhalten, aber durch neue sachliche Aspekte eingebettet werden, um zu einer »behutsamen Korrektur«348 des Images zu gelangen. Neben unverzichtbaren Lifestyle-Elementen wollte BMW seinen Kunden die Möglichkeit geben, den Kauf einer Rennreiselimousine vor sich selbst und nach außen mit rationalen Argumenten zu legitimieren. Alle neuen Modelle hatten zukünftig die Ausgewogenheit aller Ansprüche von der Leistungsüberlegenheit, Wirtschaftlichkeit bis hin zu hochwertiger Technik und ausgezeichnetem Bedienungskomfort zu gewährleisten.349 Diese Argumentationsführung verweist auf eine der zentralen Vorteile des neuen Leitbildes aus der Herstellerperspektive. Mit breit konfigurierten Fahrzeugen demonstrierten die Anbieter nicht nur Entgegenkommen gegenüber der neuen Sachlichkeit im Automobilverständnis, sondern suggerierten zugleich, 345 Diese Problematik thematisiert: BMWGA , UA 852/1, Die BMW-Produktpolitik unter dem Aspekt externer Einflüsse und interner Begrenzungen, Protokoll zur Vorstands­ sitzung vom 6.2.1974, S. 6. 346 HAD, Energiekrise 197, Schreiben des Leiters der Presseabteilung H. G. Kloos an Herrn Prudent (Capital) vom 7.12.1973, S. 1. 347 BMWGA , UR 3022, Imageplanung 1978, S. 64. 348 Ebd., UA 852/1, Die BMW-Produktpolitik unter dem Aspekt externer Einflüsse und interner Begrenzungen, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 6.2.1974, S. 11; vgl. ebd., UR 3022, Imageplanung 1978, S. 51 f. 349 Vgl. ebd., UR 3022, Imageplanung 1978, S. 67.

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für jeden Kunden das individuell passende Objekt vorzuhalten. Es oblag dem Konsumenten, welche Bestandteile er aus der Palette an möglichen konnotativen Zuschreibungen als Argumente für seinen Kaufentschluss zuließ. Die Multifunktionalität der wirtschaftlichen Rennreisemaschine erlaubte einerseits eine »Substanzargumentation«, andererseits aber eben auch Kaufentscheidungen aufgrund von »mehr im emotionalen Bereich liegenden außersubstanziellen Imagemerkmalen.«350 Dabei war keineswegs ausgeschlossen, dass sich die jeweiligen Konsumententypen mit unterschiedlichen Rechtfertigungen für ein und dasselbe Automodell interessierten. Die neue Konsumentensouveränität stellte sich somit als Freiheit dar, sich aus einem breiten Bündel von selbst- und fremdlegitimierenden Motiven diejenigen auszuwählen, in denen man sich selbst am besten wiedererkannte. Faktisch blieben die Autos somit nahezu unverändert. Nur die Assoziationsangebote erweiterten sich. Selbst ein Oberklassefahrzeug ließ sich im Verhältnis zu seiner hohen Leistungsfähigkeit als relativ verbrauchsgünstig und umweltfreundlich darstellen. Das Marketing von Daimler-Benz und BMW richtete sich nach 1975 daran aus, genau diese Interpretation im Produkt- und Markenbild zu verankern.351 Umgekehrt kam ein Kleinwagen nicht mehr allein damit aus, als wirtschaftlich zu gelten. In den unteren Preis- und Größensegmenten kam es darauf an, Funktionalität und Sparsamkeit mit Assoziationen der agilen Spurtstärke und moderner Stilistik zu verbinden, um die Fahrzeuge auch hier als ausgewogene All-in-one-Produkte zu präsentieren. Das Ideal der wirtschaftlichen Rennreisemaschine durchdrang damit alle Fahrzeugklassen. Exemplarisch sei auf die Ergebnisse einer VW-Studie im Vorfeld der Markteinführung des VW Polo 1975 verwiesen. Einerseits betonte sie, dass der avisierte Kleinwagenkäufer vor allem an einem problemlosen, praktischen Gebrauchsauto interessiert sei und für »Prestigedenken […] wenig oder gar kein Verständnis hat.«352 Andererseits müsse man ein Angebot machen, das »gleichzeitig Spaß am Fahren ›verspricht‹.«353 Die Beschreibung der Fahrzeugeigenschaften enthielt alle Elemente der Multifunktionalität: Der Polo sollte vielseitig nutzbar, qualitativ hochwertig und problemlos in der Handhabung sein, aber als Universal-Pkw auch mit guten Leistungs- und Fahreigenschaften sowie einem jugendlich-flotten Styling auftreten – eine Beschreibung, die sich kaum mehr von Rennreisemobilen höherer Segmente unterschied.354 Tatsächlich waren die Kunden ab 1975 wieder bereit, bei Folgekäufen einen höheren Preis als Äquivalent für höherwertige Fahrzeuge auszugeben. Den ›Wert‹ eines Pkw definierten sie nun aber anders, variabler. Neu war etwa, dass ein 350 Ebd., S. 68. 351 Exemplarisch HAD, Energiekrise 197, Kloos an Prudent vom 7.12.1973, S. 2. 352 UVW, Bestand Werkszeitung [ohne Signatur], Art. »Der Marktforscher sagt«, in: autogramm 5/1975, Extrablatt Polo vom 21.3.1975, S. 2. 353 Ebd. 354 Vgl. ebd.

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Automobil besonders begehrenswert erschien, wenn es spezielle Freizeitwünsche bediente. Besonders plakativ ist das Beispiel des VW Kastenwagens T2: Der nicht besonders gut motorisierte und wenig komfortable Kleintransporter wurde seit Ende der 1960er Jahre seiner Rolle als Gewerbefahrzeug enthoben und vielfach privat als Camping- und Hobbygefährt genutzt.355 Auch der überragende Erfolg des VW Golf in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre begründete sich nicht mehr allein mit seinem günstigen Preis oder seiner überragenden Wirtschaftlichkeit. Wichtiger war, dass sich seine neuartige Karosserieform ideal dazu eignete, Freizeitbedürfnisse zu erfüllen. Bereits Wolfgang Schivelbusch wies zurecht auf diese – im wahrsten Sinne des Wortes – kulturelle ›Aufladung‹ des Modells hin: In den fünfziger und sechziger Jahren war die Dankbarkeit, überhaupt ein Auto zu besitzen, Grund genug, mit der räumlichen Enge des VW zufrieden zu sein. Im Zeitalter der Freizeitliberalität […] wurden neue Räumlichkeiten gewünscht, die weniger eng waren oder zumindest freier erschienen. […] Gegenstände werden durch sie [die Heckklappe] eingeladen, die es zur Blütezeit des alten VW noch nicht gab: Klappräder, Picknickstühle, sperrige Sportgeräte, Ikea-Einrichtungsgegenstände. Die Freizeitorientierung und die auf Konsum basierende Lebensform der Moderne hat mit der Hecktür des VW Golf […] Eingang ins Automobil verschafft.356

Die Beispiele verweisen auf ein weiteres Element des Einstellungswandels. Sobald der Pkw für jedermann erreichbar war, verlor er die Bedeutung als eigenständiges Konsumziel.357 Als Transportmittel der Freizeitgesellschaft geriet das Auto jedoch zugleich in ein verändertes Abhängigkeitsverhältnis zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Hatte es als materielles Symbol der aufstrebenden Wohlstandsgesellschaft selbst die sozialen und kulturellen Strukturveränderungen aktiv mitbestimmt, so rückte es ›nach dem Boom‹ mehr und mehr in eine passive, vom Gesellschaftswandel abhängige Position. Oder wie es die VWMarktforschung auf den Punkt brachte: Das Auto hatte sich an der Erosion traditioneller Lebensentwürfe anzupassen, wenn verhindert werden sollte, dass aus dem »Leitprodukt unversehens das Leitfossil einer überwundenen materiellen Wertorientierung«358 wird. Es ist letztlich überraschend, wie früh und wie intensiv die Automobil­hersteller die Veränderungen des Automobilmarktes auf einen Wandel des Wertesystems der Gesellschaft zurückführten. Bereits im Winter 1974 formulierte der VW-Vorstandsvorsitzende Leiding: 355 Vgl. Bernd Wiersch, Der VW Bulli. Die Transporter-Legende für Leute und Lasten, Bielefeld 2009, S. 46. 356 Wolfgang Schivelbusch, Volkswagen, in: Freibeuter 7, 1981, S. 161 f. Siehe auch König, Geschichte, S. 7; Canzler, Zauberlehrlings-Syndrom, S. 155. 357 Vgl. BMWGA , UR 3021, Vortrag von Horst Nowak (Sinus) vor dem Vorstand und Führungskräften zum Thema »Der Autofahrer in den 80ern. Wandel der Einstellungen und Motive«, o. Dat. [1979/80], S. 14. 358 Ebd., S. 15.

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Ein Kennzeichen unserer Zeit ist die rasche Veränderung der Werte. Wir leben in den westlichen Industrieländern in einer ausgesprochenen Wohlstandsgesellschaft, zu einem guten Teil sogar in einer Überfluss- und Verschwendungsgesellschaft, in der Kategorien wie Leistung, Pflicht, Sparsamkeit, Verantwortung, Rücksichtsnahmen u. ä. offenbar immer mehr an Bedeutung zu verlieren drohen. Ein oft nur im Emotionalen entstandener Überdruss an den Erscheinungsformen und Spielarten des täglichen Lebens führt in seiner Übersteigerung immer wieder zur Ablehnung des Bestehenden […].359

Das Automobil sei letztlich unverschuldet in diese Wandlungsprozesse einbezogen worden, in dem es »geradezu wie ein umgekehrtes goldenes Kalb zur Ursache und Mittelpunkt einer Unzahl tatsächlicher und vermeintlicher Fehlentwicklungen hochstilisiert wurde.«360 Auffallend ist weniger der politische Reflex, mit dem Leiding als Vertreter des wirtschaftlichen Establishments gegen die ›linke‹ Konsum- und Gesellschaftskritik polemisierte. Spannend erscheint vielmehr, dass der VW-Chef den Wertewandel bereits mit einem präzisen begrifflichen Instrumentarium als drohende Erosion tradierter soziokultureller Konventionen beschrieb. Auch dies lässt vermuten, dass die sozialwissenschaftliche These des Werteumbruchs aufmerksam in den Vorstandsetagen der deutschen Unternehmen wahrgenommen und in ihren Folgen abgeschätzt wurde. Gerade die Arbeiten von Ronald Inglehart sind – dies ist nochmals zu betonen – in ihrer Bedeutung für die veränderte Sicht der Anbieter auf die Konsum- und Lebensorientierungen ihrer Anspruchsgruppen kaum zu überschätzen. Ebenso wie seine Schriften den entscheidenden Anstoß für eine sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung über Gestalt und Strukturen einer postmateriellen Werteverfassung der Gesellschaft bildeten, wurden sie in der Marktforschungspraxis der deutschen Automobilkonzerne frühzeitig operationalisiert. Kurz gesagt: Der Wertewandel war seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre als Szenario nicht mehr aus den Prognosen und Strukturmodellen des Automobilmarktes wegzudenken. Exemplarisch formulierte die Sinus-Studie: Die Veränderung des Verhältnisses zum Auto vollzieht sich vor dem Hintergrund einer übergreifenden, also gesamtwirtschaftlichen Entwicklung […]. Das Stichwort heißt ›Wertewandel‹. Um die spezifischen Auswirkungen im Automobilbereich verständlich zu machen, kommt der Postmaterialismus-Theorie von Ingelhard [sic!] ganz besondere Bedeutung zu.361

Das Denkmodell lieferte die Grundlage, um Lifestyle-Segmente aus dem Wertewandel abzuleiten. Zugleich ließen sie die traditionellen, auf materiellen Soziallagen basierenden Schichtungsmodelle des Automobilmarktes obsolet er-

359 UVW, 610/382/2, Bedeutung des Automobils, S. 1. 360 Ebd. 361 BMWGA , UR 3021, Nowak, Autofahrer, S. 8.

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scheinen. Aus der in der Praxis erprobten Lebensstil-Segmentierung entwickelte sich schließlich das neue Zielgruppenmodell der sozialen Milieus. Insbesondere das 1981 konzipierte Milieu-Modell der Sinus-Marktforschung bildete in den Folgejahren nicht nur eine wichtige Grundlage der modernen Konsumforschung, sondern sorgte auch für ganz grundsätzliche geistes-, sozial- und politikwissenschaftliche Debatten über die gesellschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik.362 Die Deutungsmacht, welche die Modelle jetzt entfalteten, bezogen sie aus ihrem spezifischen Charakter der praxisorientierten Wissensproduktion. Die Marktforschungs- und Marketinglehre basierte weniger darauf, Theorien zu produzieren, die nachfolgend in die unternehmerische Anwendung diffundierten. Ihre Erkenntnisse bezogen sie oft direkt aus der kommerziellen Marktanalyse. Die Entwicklung der automobilen Marktforschung zeigt, dass sich Theoriebildung und praktische Erprobung aufs Engste verzahnten und so zu einer wechselseitigen Dynamisierung der Wissensproduktion führten. Die time-lags zwischen den Prozessen der Rezeption und Adaption fielen in der Automobilindustrie der 1970er Jahre gering aus. Entsprechend schnell setzte sich ein neues Marktverständnis durch. Die 1983 von Gerhard Schub in der absatzwirtschaft geprägte Formel »Wertewandel wandelt Märkte«363 war somit das Ergebnis der neuen Erfahrungen der Marktforschungspraktiker in den 1970er Jahren. Wie das Beispiel der Ford-Marktforschung zeigt, verbanden die Automobilhersteller mit dem Wertewandel allerdings nicht nur schwierige Herausforderungen, die sich aus dem Symbolverschleiß des Automobils ergaben. Der Wertewandel und die neue Suche nach Lebensqualität entfalteten durchaus auch positive Effekte auf das Wachstum der Automobilität, betonte eine interne Studie von 1978364: »The continuous strong desire to own a home […] in areas that are increasingly farer away from the place of work […] more leisure time by shortening of weekly working hours [means] more mobility in general.«365 Selbst wenn öffentliche Transportmittel im Berufsverkehr an Bedeutung gewinnen würden, urteilte Ford, werde das Automobil für die private Nutzung in der Freizeit, zum Einkauf und bei immer häufigeren Ausflugs- und Urlaubsfahrten alternativlos bleiben und tendenziell sogar mehr genutzt werden.366 »The motor vehicle will continue

362 Vgl. Horst Nowak / U lrich Becker, Es kommt der ›neue‹ Konsument, in: Form. Zeitschrift für Gestaltung 111, 1985, S. 14; Andreas Wirsching, Neueste Zeit, München 2006, S. 156. 363 Gerhard Schub, Ändern sich die Frauen schneller als das Marketing?, in: absatzwirtschaft, Nr. 10, 1983, S. 24; Gasteiger, Konsument, S. 226. 364 Vgl. HCD, JWT, Ihlefeld Papers, Correspondence, Client Subseries, Box 1, Ford ESO 1978 II, Inquiry of Ford of Europe Inc. to JWT Europe vom 7.11.1978, S. 1. 365 Ebd., S. 2. 366 »Freizeitnutzungseffekte« sowie die Verbindung von wertebasierten, ländlich geprägten Wohnwünschen und Automobilität stellte auch die Sinus-Studie heraus. Vgl. BMWGA , UR 3021, Nowak, Autofahrer, S. 8.; Schlag / Schade, Psychologie, S. 28 f.

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to be the German’s ›pet toy‹ now as ever«367 – eine Einschätzung, die sich in den Folgejahren nachhaltig bestätigen sollte. Die Herausforderung der Automobilindustrie bestand nach Aussage der JWT-Studie lediglich darin, neue produktpolitische Lösungskonzepte zu finden, die auf den ersten Blick widersprüchliche Elemente eines neuen Umwelt-, Wirtschaftlichkeits- und Freizeitbewusstsein miteinander zu vereinbaren.368 »In the construction of automobiles the industry will have to consider demands made by the public stronger than before […]«369, urteilten die Ford-Marktforscher. Die entscheidenden Weichenstellungen seien jedoch nur dann zu treffen, wenn die Marktforschung das komplexe Spektrum an Einflüssen des Wertewandels auf den Automobilmarkt abzuschätzen versuche. Marktforschung definierte sich somit partiell neu als »forecast of major outside influences  – political, social, demographic, environmental etc. – that will effect the automotive market […] in the next years.«370 Damit verband sich nicht zuletzt, dass das Verhalten der Konsumenten als nicht mehr durch die Hersteller steuerbar erschien. Der Absatz, argumentierte der Automobilmarktexperte Manfred Raisch, kann nicht mehr künstlich geschaffen, vielmehr »muss die Nachfrage gesucht […] werden, um marktgerechte Produktionsstrukturen möglichst optimal aufzubauen.« Durch die zukünftige Bedeutung »des Erkennens der sich wandelnden Umweltbedingungen des Unternehmens einerseits und der sich ändernden Verbrauchsgewohnheiten andererseits […], erlangen Methoden der Markt- und Absatzforschung, Marktanalysen und Marktbeobachtungen, kurz- und langfristige Absatzplanungen für die Automobilindustrie besonderes Gewicht.«371 Die Marktforschung selbst erhielt durch diesen Lernprozess eine erneute Aufwertung. Selbstbewusst konstatierte ein VW-Marktanalyst 1974: Marktforscher sind heute »keine Hellseher [mehr], die mittels Kaffeesatz und Glaskugel die Marktchancen neuer Produkte erraten. Es sind hoch qualifizierte Fachleute, die mit gesicherten Methoden Ergebnisse erarbeiten, die wertvolle Grundlagen für Produktentwicklung, Ausstattung und Marketing darstellen.«372 Prägnanter kann die Verwissenschaftlichung und Professionalisierung der automobilen Marktforschung sowie ihre Implementierung in zentrale ge367 HCD, JWT, Ihlefeld Papers, Correspondence, Client Subseries, Box 1, Ford ESO 1978 II, Inquiry of Ford of Europe Inc. to JWT Europe vom 7.11.1978, S. 3 f. 368 Vgl. ebd., S. 5 sowie Willi Diez, Modellzyklen als produktpolitisches Entscheidungsproblem. Erfahrungen und Perspektiven in der deutschen Automobilindustrie, in: Schmalenbachs Zeitschrift für Betriebswirtschaftliche Forschung 42, 1990, S. 270. 369 HCD, JWT, Ihlefeld Papers, Correspondence, Client Subseries, Box 1, Ford ESO 1978 II, Inquiry of Ford of Europe Inc. to JWT Europe vom 7.11.1978, S. 3 f. 370 Ebd., Schreiben von Wolfgang Oskierski (Köln) an ESO Group London und JWT London Office vom 7.11.1978. 371 Raisch, Konzentration, S. 80. 372 UVW, Bestand Werkszeitung [ohne Signatur], Art. »Der Marktforscher sagt«, in: autogramm 5/1975, Extrablatt Polo vom 21.3.1975, S. 2.

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schäftsstrategische Entscheidungsprozesse kaum beschrieben werden. Zugleich entwickelte sich ein regelrechter Markt für externe Marktforschung. Die Werbeagentur Thompson, zugleich Konzernmutter der Firma Basis Research, hielt in ihrem Jahresbericht 1979 fest, dass der Markt für automobile Forschungsprojekte massiv angewachsen sei: »Research is included more and more into long range planning, conceptual work and decision making processes.«373 Aus dem Bedarf heraus, die Schwankungen in den Einstellungen und Verhaltensweisen der Konsumenten nachzuvollziehen, seien parallel aber auch die Ansprüche der Auftraggeber gestiegen: »Our clients became more demanding concerning the scale and quality of interpretation of research analyses and consultancy.«374 Am Ende der Dekade buhlten allein in Deutschland rund sechzig kommerzielle Forschungsinstitute mit ähnlichen psychologischen Konzepten um major deals aus der Autobranche. Auch die Marktforschung selbst entwickelte sich vor diesem Hintergrund immer mehr zu einem Wettbewerbsmarkt, in dem es darum ging, neue Service- und Dienstleistungsangebote an die Firmenkunden zu verkaufen.375 Langfristige Bindungen, wie sie etwa im Bereich der Zusammenarbeit zwischen Automobilherstellern und Werbeagenturen (VW / DDB) bekannt sind, entwickelten sich im Sektor der Marktforschung nur selten. Allein für BMW ist dokumentiert, dass der Konzern nach der Auflösung der Zusammenarbeit mit dem Institut Bernt Spiegels je nach Untersuchungsinteressen gezielt und zum Teil zeitlich parallel auf die Expertise verschiedenster Marktforschungsinstitute – u. a. Allensbach, infratest, Compagnon und schließlich ab 1978 auch Sinus – zurückgriff. Neben den kommerziellen Marktforschungsunternehmen wandten sich auch Zeitschriftenverlage im Verlauf der 1970er Jahre dem Feld der Konsumstudien und Verbrauchertypologien zu. Mit aufwendigen Primärerhebungen dokumentierten die ›KKK-Analysen‹376 des Spiegel-Verlages (ab 1973) oder die ›Typologie der Wünsche‹377 von Burda (ab 1974) wer, wann und wo nach welchen Präferenzen zu einzelnen Marken und Produkten griff. Sozioökonomische und psychologische Kriterien dienten auch hier als Stratifikationsinstrument, um Zielgruppen zu bilden. Jedoch spielte in der Gestaltung von Konsumententypologien der Blick auf das Informationsverhalten eine dominierende Rolle. Kundentypen wurden 373 Ebd. 374 Zitate nach: HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 2, 1979–80, GSA Annual, Assessment & Objectives 1970/1980, German-Speaking Area, 4.1.1980, S. 43. 375 Vgl. ebd., S. 44. 376 Vgl. Institut für Absatzforschung (Hrsg.), KKK . Kauf-, Konsum- und KommunikationsVerhalten der Bundesbevölkerung, Hamburg 1973; dass., Kauf-, Konsum-VerhaltensTypologie. Spiegel-Dokumentation, Hamburg 1973. 377 Vgl. Burda GmbH (Hrsg.), Typologie der Wünsche. Bedürfnis-Strukturen von Leserschaften. Eine Untersuchung der Burda Kommunikationsforschung, Offenburg 1974; dies., Typologie der Wünsche 1980. Strukturen von Zielgruppen und deren Kommunikationsverhalten. Eine Untersuchungsreihe der Burda Marktforschung, Bd. 11: PKW und Krafträder, Offenburg 1980.

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Orientierungssuche: Marktforschung als Sozialbeobachtung

nach der Leserschaft bestimmter Zeitschriften und Zeitungen aufgeschlüsselt. Die Mediennutzung galt dabei als Abbild unterschiedlicher Lebensentwürfe, politischer Einstellungen, Meinungen und Interessen. Wie bereits Gasteiger in seiner Studie zur Verbraucherforschung in Deutschland richtigerweise hervorhebt, spiegelte sich in dieser einseitigen Bestimmung von Zielgruppen das primär ökonomische Ziel der Verlage wider, Anzeigenkunden für die eigenen Publikationen zu gewinnen.378 Hierunter litt die Qualität der Studien  – eine Wahrnehmung, die scheinbar auch die Marketingabteilungen der Unternehmen teilten. So ist auffällig, dass sich in den Quellen trotz einer wahren Inflation von Konsumstudien keinerlei Hinweise darauf finden, dass die Markt-Medien-Analysen der Verlage in den 1970er Jahren für die praktische Marketingplanung genutzt wurden. Stattdessen setzten die Firmen bei der wichtigen Frage der Platzierung von Werbung auf eigenständige bzw. von unabhängigen Instituten erstellten Daten zur Mediennutzung.379 Als weitaus innovativer erwiesen sich die kommerziellen Institute, als es darum ging, ihr Serviceangebot um die gefragten Prognoseperspektiven zu erweitern. Exemplarisch sei wiederum auf das Beispiel der Ford-Werke verwiesen. Unter dem neuen Label des sog. Monitoring griff die betriebliche Marktforschung Ende der 1970er Jahre gleich auf drei neuartige Analyseangebote der Firma Basis Research zurück. Neben dem fast schon traditionellen Product Monitor, der die Wettbewerbssituation von Ford-Modellen analysierte, bot Basis Research ab 1977 die Untersuchungsmodule Trend Monitor und Communications Monitor an. Hinter ersterem verbargen sich Umfrageuntersuchungen hinsichtlich allgemeiner Fragen der politischen Einstellung, des Umweltbewusstseins oder der Wahrnehmung von Technik in der Gesellschaft. Über längere Zeitabschnitte verfolgt, sollte der Trend-Monitor Entwicklungen in den Wertorientierungen der Gesellschaft aufdecken, potentielle Konsumtrends projizieren und auch zur Zielgruppensegmentierung herangezogen werden.380 Der Kommunikations-Monitor beruhte dagegen auf einem anderen Prinzip: Anhand von Medienanalysen und Verbraucherbefragungen verfolgte er das Ziel, nicht nur aktuelle öffentliche Diskurse zu eruieren, sondern sie zugleich nach modernen semantischen und visuellen Kommunikationstrends zu untersuchen. Die entdeckten Sprach- und Semantiktrends dienten der PR- und Werbearbeit des Unternehmens dazu, eine größtmögliche Modernität in der Imagepflege zu erreichen.381 Ähnliche spezielle Monitoring-Analysen konkurrierender Anbieter nutzte auch BMW, um politi378 Vgl. Gasteiger, Konsument, S. 154 f. 379 Vgl. BMWGA , UA 1464, BMW-Käufer-Typologie Inland 1973, Sozioökonomische Struktur, S. 18. 380 Vgl. HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 2, 1979–80, GSA Annual, Assessment & Objectives 1970/1980, German-Speaking Area, 4.1.1980, S. 44. Vgl. zur Bedeutung von sog. Monitoring-Produkten auch: Ulrich Meindl, Zielgruppenlegende, in: absatzwirtschaft, Nr. 3, 1983, S. 88. 381 Vgl. HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 2, 1979–80, GSA Annual, Assessment & Objectives 1970/1980, German-Speaking Area, 4.1.1980, S. 44.

Marktforschung und die Umbrüche der 1970er Jahre 

295

sche, gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen im Unternehmensumfeld in die eigentlichen Markt- und Konsumstudien einfließen zu lassen.382 DaimlerBenz etablierte Ende 1973 sogar einen eigenen Vorstandsbereich ›Gesellschaftsund sozialpolitische Grundsatzfragen‹. Sein Aufgabengebiet war im weitesten Sinne bestimmt durch die Auswertung von Markt- und Mediendaten zur gesellschaftlichen Entwicklung.383 Auch dies kann als eine Reaktion darauf gewertet werden, dass bislang »Beobachtungen des Kaufverhaltens für prognostische Zwecke – auch aufgrund der neuen Situation in Wirtschaft und Gesellschaft – nicht in ausreichender Weise durchgeführt wurden.«384

382 Exemplarisch ist auf das Monitoring des »Bedeutungsfelds Technik« zu verweisen, welches das Sinus-Institut 1979 für BMW erstellte. Vgl. BMWGA , UR 3021, Nowak, Autofahrer, S. 34 f. 383 Vgl. HAB , DA , Akte DBAG Organisationspläne, Übersicht zur Geschäftsverteilung bis zum 19.1.1977. Leider bieten die Quellen keine näheren Hinweise auf die konkrete Arbeit dieser Abteilung. 384 Ebd., Zahn 292, Energiekrise, Bericht 35/74.

V. Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

Das Produkt erfüllt in der unternehmerischen Tätigkeit eines Konsumgüterproduzenten eine Doppelrolle. Substanziell begriffen handelt es sich zunächst um das Ergebnis eines technischen Transformationsprozesses. Im Unternehmen entsteht unter dem Einsatz materieller und immaterieller Inputfaktoren (Werkstoffe, Energie, Kapital, Arbeit, Wissen) ein Gebrauchsgut mit speziellen physischen Kerneigenschaften. Zudem erfüllt das Produkt als Verkaufsobjekt jedoch eine Absatzfunktion. Das Erzeugnis bildet also das Leistungsangebot eines Unternehmens gegenüber den Konsumenten. Lange bevor die Soziologie oder die kulturwissenschaftlich orientierte Geschichtsforschung das Produkt als Medium neu zu entdecken glaubten, formulierte die Marketinglehre eine generische Begriffsdefinition. Sie fasste Produkte schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts als ein komplexes Aggregationsbündel von Funktionseigenschaften und kommunikativen Botschaften auf. Das selbstgesteckte Ziel des Marketing lautete, sachliche, soziale und emotionale Kundenbedürfnisse im Wettstreit mit den Konkurrenten möglichst optimal abzudecken. Orientiert an dieser Aufgabe ordnete man dem Produkt ein breites Set von produktinhären­ ten und -bezogenen Leistungen zu. Unternehmerische Produktpolitik umschloss somit einerseits die Gestaltung der Güter nach Technologie-, Qualitäts- und Designgesichtspunkten, andererseits Komponenten des Kundenservice, der Kaufkonditionen oder auch des Verpackungsdesigns.1 Unter strategischen Gesichtspunkten sahen die Marketingexperten die Produktpolitik in einem schwierigen dualen Bezugsrahmen zwischen betrieblichoperativen und marktorientierten Erfordernissen. Sie habe zunehmend zwei Herren zu dienen, urteilte der Automarktanalyst Fritz Jagoda bereits 1972: Ein wesentlicher Unterschied zu allen anderen Betriebsaktivitäten ergibt sich daraus, »dass die Produktpolitik einerseits die Grundlage für die Unternehmenstätigkeit überhaupt bildet, andererseits ein Instrument des Marketings darstellt.«2 Die Balance zwischen produktions- und betriebskalkulatorischen Parametern und umfeldbezogenen Kriterien sei nicht immer leicht zu finden. Das Paradigma der Massenproduktion zwinge die Unternehmensleiter, sich an Rentabilität, 1 Vgl. Clodwig Kapferer / Wolfgang Disch, Absatzwirtschaftliche Produktpolitik, Köln u. a. 1967, S. 29 f.; Philip Kotler / Gary Armstrong, Marketing. Eine Einführung, Wien 1997, S. 335 f.; Christian Homburg / Harley Krohmer, Marketingmanagement. Strategie-Instrumente-Umsetzung-Unternehmensführung, 3. Aufl., Wiesbaden 2009, S. 536 f. 2 Jagoda, Produktpolitik, S. 3.

298

Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

fabrikatorischer Produktivität und verfahrenstechnischen Aspekten zu orientieren und stets die finanzielle Tragweite hoher langfristiger Entwicklungs- und Investitionskosten in den Blick zu nehmen.3 Oft aber bestimmten auch einfach »die technischen Erfahrungen […]« der Ingenieure und »Vorlieben der Geschäftsleitung […] die Richtung«4 und ließen spezifische Pfadabhängigkeiten in der Programmentwicklung entstehen. Daneben sollte die Produktpolitik nun aber auch komplexe Marketingaspekte der Kundenpflege, Markentreue und Imageentwicklung einbeziehen und die volatilen Strömungen der Nachfrageentwicklung, der Konkurrenzsituation und der terms of trade berücksichtigen.5 Umso mehr der Absatz und nicht mehr die Produktion als Engpass und Unsicherheitsfaktor der Strategieplanung6 erkannt wurde, desto stärker rückte eine marketingbasierte Programmplanung in den Fokus. Die Krisen der 1970er Jahre intensivierten den Perspektivwechsel zusätzlich. Symptomatisch für die gesamte Pkw-Branche bewertete VW die Rolle des Marketings für die Produktstrategie. Der VW-Analyst Meffert betonte 1977: Der Einsatz des Marketing erhält im Rahmen der Unternehmenspolitik steigendes Gewicht. Den Ausgangspunkt von einem produktions- zum marktorientierten Verhalten setzte VW im Rahmen der Produktpolitik, die zum Kernstück der neuen, kundenorientierten Unternehmensphilosophie avancierte. […] Die Geschäftsleitung des Volkswagenwerkes sieht sich gezwungen, der ›kritischen‹ Absatzsituation […] zu begegnen – zumal das bestehende VW-Produktprogramm den gewandelten Konsumentenbedürfnissen nicht mehr gerecht werden kann.7

Diese retroperspektivisch treffende Beschreibung sollte jedoch nicht vergessen lassen, dass trotz der marketingstrategischen Verankerung der Produktpolitik im Werkzeugkasten der sog. 4 P’s die betriebsinternen Bestimmungsfaktoren an Bedeutung verloren. Im Gegenteil: In der betrieblichen Praxis der Entscheidungsbildung blieben die finanziellen und verfahrenstechnischen Folgeerscheinungen einer Anpassung an neue externe Rahmenbedingungen beständiges Thema.8 Dezidiert betonte ein BMW-Strategiepapier im Februar 1974, dass eine zukünftige Produktstrategie »unter dem Aspekt externer Einflüsse und interner Begrenzungen« zu vollziehen sei. Der Entscheidungsrahmen entfaltete sich zwischen den vier Eckpunkten »ideologischer Strömungen und faktische Einflüsse gegen 3 Vgl. Investitionskostenkalkulationen bei Jürgensen / Berg, Konzentration, S. 127. 4 Jagoda, Produktpolitik, S. 75; George S. Day, A Strategic Perspective on Product Planning, in: Journal of Contemporary Business 134, 1975, Spring-Issue, S. 1–35. 5 Vgl. Jagoda, Produktpolitik, S. 62 f. 6 Vgl. zur Grundlegung von ›Engpässen‹ im Wertschöpfungsprozess: Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 2: Der Absatz, 17. Aufl., Berlin / Heidelberg 1984 (Erstausgabe Berlin 1955). 7 Meffert, Marketing, S. 606. 8 Auf dieses Spannungsfeld verweist: Thomas Haipeter, Vom Fordismus zum Postfordismus? Über den Wandel des Produktionssystems bei Volkswagen seit den siebziger Jahren, in: Boch (Hrsg.), Geschichte, S. 224–229.

Ein Auto für jeden Geschmack

299

das Automobil«, »die Konkurrenz«, »die bisherige Produkt- und Imagepolitik« sowie die »Begrenzung der verfügbaren Mittel« im Fertigungssystem und bei der Finanzierung.9 Innere und äußere Bestimmungsgründe standen hier gleichberechtigt nebeneinander. Betrachtet man vor diesem Hintergrund Produktpolitik »als Gesamtheit aller Entscheidungen, die das Marktleistungsangebot eines Unternehmens betreffen«10, so bleiben drei grundlegende Aktionsfelder zu analysieren: Erstens die Produktprogrammpolitik, die in der Autobranche oft verkürzt als Sortimentspolitik bezeichnet wird.11 Sie befasst sich mit der Angebotsstrukturierung in Fahrzeuggruppen und -segmenten. Mit den Mitteln der Diversifizierung, Variation und Elimination von Modellen und Typen ist die horizontale Breite und vertikale Tiefe des Produktportfolios steuerbar. Die zweite strategische Dimension bietet die genuine Produktgestaltung. Hierunter fallen alle Entscheidungen über die stilistische und technische Beschaffenheit der Automodelle. Ihre Aufgabe ist es zum einen, das Fahrzeugdesign in ein möglichst attraktives und einheitliches Markenbild einzupassen, zum anderen aber technische Innovationen zu implementieren, um den wachsenden Ansprüchen der Stakeholder an Fahrzeugeigenschaften der Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Umweltfreundlichkeit gerecht zu werden. Die dritte Komponente bildet die Konditionenpolitik, d. h. produktbezogene Neben- und Serviceleistungen. Im Unterschied zur eher schwerfällig wandelbaren Sortiments- und Produktgestaltung bietet sie ein Set von kurzfristig umsetzbaren Marketinginstrumenten im Spektrum von Preis-, Rabatt- und Sonderaktionen, Garantie oder technischer Kundendienst.12

1. Angebotspolitik: Ein Auto für jeden Geschmack Den Ausgangspunkt, um Kontinuitäten und Diskontinuitäten in den produktstrategischen Marketingaktivitäten aufzuzeigen, bildet eine datenbasierte Analyse der Sortimentsentwicklung auf Branchenebene. Ausgehend von dem Blick auf die übergeordneten Angebotsstrukturen werden sodann die qualitativen Weichenstellungen der einzelnen Hersteller beleuchtet, um marketingstrate­ gische Divergenzen in der Nutzung des produktpolitischen Instrumentariums zu destillieren.

9 BMWGA , UA 852/1, Die BMW-Produktpolitik unter dem Aspekt externer Einflüsse und interner Begrenzungen, Vorlage zur Vorstandssitzung vom 6.2.1974, S. 5. 10 Diez, Handbuch, S. 37. 11 Vgl. etwa Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Automobilindustrie, S. 193. 12 Vgl. Klaus Brockhoff, Produktpolitik, Stuttgart u. a. 1981, S. 12 f.; Goebel, Anpassung, S. 172 f.

300

Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

1.1 Sortimentsentwicklung: Eine Übersicht Die Komplexität des Produktes Automobil macht es schwer, die Entwicklung der Sortimente präzise zu erfassen. Anhand einer exemplarischen Modellmatrix des VW Passat im Baujahr 1974 (Tab. 27) lässt sich dies verdeutlichen. Allein innerhalb dieser Produktlinie waren drei Karosserie-Varianten, drei Motoren, zwei Getriebearten sowie fünf Grundausstattungspakete erhältlich. In Kombination ergab dies 28 mögliche Produktkonfigurationen. Nimmt man noch die 102 unterschiedlichen Außen- und Innendesigns hinzu, zeigten sich schon 2.856 Gestaltungsformen; einschließlich von weiteren 22 frei kombinierbarer Zusatzausstattungen ging die Zahl potentieller Produktkonfigurationen schließlich in die Millionen.13 Die Produktions- und Zulassungsstatistiken des VDA oder des KraftfahrtBundesamtes können diese Breite des Angebots weder für einzelne Hersteller, geschweige denn für die ganze Branche abbilden. Erschwerend kommt hinzu, dass sie unterschiedliche Kriterien wählen, um die Produktvarianten zu kategorisieren. Die Produktionsdaten des VDA unterscheiden beispielhaft zwischen Baureihen und Modelltypen. Als Baureihen gelten technisch weitgehend ähnliche Modellinien, die meist durch einen eigenen Namen (z. B. VW Passat, Ford Taunus, BMW 3er) gekennzeichnet werden. Unter Modelltyp wird dagegen ein nach Motorleistung, Antriebsart, Aufbau und ggf. Ausstattungspaketen spezifiziertes Fahrzeug verstanden. Die Typen ordnen sich den Baureihen jeweils zu, werden aber zusätzlich unter eigenen Verkaufsbezeichnungen (z. B. VW Passat LS , Ford Taunus GLX, BMW 320i) geführt. Geht man von dieser kleinsten statistisch greifbaren Kategorie aus, lassen sich im Untersuchungszeitraum 1965 bis 1985 allein insgesamt 560 Autotypen deutscher Hersteller identifizieren.14 Die Datenanalyse lässt erkennen, dass die Automobilhersteller ihre Produktprogramme stetig ausdehnten, um auf die sich immer mehr auffächernden Kundenansprüche zu reagieren. Produktdifferenzierung lautete also das Instrument, um mit einer steigenden Angebotsvielfalt der sich pluralisierenden Präferenzen der Konsumgesellschaft entgegen zu kommen. Allerdings nahmen die Baureihen nur in einer Phase zwischen 1965 und 1972 von 25 auf 34 zu, verharrten dann aber auf diesem Niveau. Sie wurden in zyklischen Abständen erneuert, aber nicht mehr ergänzt (Abb. 23). Im gleichen Zeitraum erhöhte sich die Zahl der den Baureihen zugeordneten Typen jedoch drastisch von 59 (1965) auf fast 200 (1985). Nachdem die Ölpreiskrise offenbar zu einem kurzzeitigen Bruch führte, wuchs die Zahl der angebotenen Pkw-Varianten stetig und dynamisch. 13 Vgl. UVW, 250/1/2, Verkaufsberichte 1974; Harto Schlegel, Produktplanung in der Automobilindustrie, in: Zeitschrift für Organisation 43, 1974, S. 67. 14 Daten aus Tabelle: Zulassungen von fabrikneuen Personen- und Kombinationskraftwagen nach wichtigen Herstellern und Typen im Bundesgebiet und West-Berlin, in: TuZ, Jahrgänge 1965–1985; Diez, Modellzyklen, S. 273.

301

Ein Auto für jeden Geschmack 40

250

Baureihen Typen

35

200

25

150

20

Anzahl Typen

Anzahl Baureihen

30

100

15 10

50

5

1985

1983

1981

1979

1977

1975

1973

1971

1969

1967

0

1965

0

Abb. 23: Anzahl von Baureihen und Typen deutscher Hersteller, 1965–1985 Quelle: Eigene Erhebungen auf der Basis von TuZ, 1965–1985.

50

6,0

Anzahl Typen je Baureihe

40 35

4,0

30 25

3,0

20 2,0

15 Typen/Baureihe

10

Losgrößen

1,0

Abb. 24: Typen je Baureihe und Fertigungsmengen, 1965–1985 Quelle: Eigene Erhebungen auf der Basis von TuZ, 1965–1985.

1985

1984

1983

1982

1981

1980

1979

1978

1977

1976

1975

1974

1973

1972

1971

1970

1969

1968

1967

1966

0,0

1965

5 0

durchschn. Fertigungsmengen/Typ (in 1.000)

45 5,0

302

Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

Programmerweiterungen, lässt sich schlussfolgern, erfolgten somit nicht mehr auf der Basis einer Aufstockung der Sortimente mit neuen Produktlinien. Vielmehr reicherten sich die Baureihen nun immer mehr mit differenzierten Modellen an. Die noch in den 1960er Jahren erkennbare horizontale Erweiterung verlor gegenüber einer Strategie der vertikalen Auffächerung des Angebots tendenziell an Bedeutung. Ein Beleg ist, dass sich die durchschnittliche Anzahl der Typen je Baureihe von 2,5 (1965) auf 5,7 (1985) mehr als verdoppelte (Abb. 24), wobei ab Mitte der Dekade ebenfalls ein starker Schub zu erkennen war. In nur fünf Jahren nach der Ölpreiskrise stieg die Besetzung der Produktlinien mit einzelnen Modellen von durchschnittlich 3,5 (1974) auf 5,2 (1979). Parallel halbierten sich die Fabrikationsmengen je Typ von rund 42.000 (1965) auf etwas weniger als 21.000 Stück (1985); allein in der Absatzkrise stürzten sie von etwa 29.000 (1973) auf knapp über 20.000 Exemplare (1975) regelrecht ab. Während der nachholende Boom die Typenproduktion kurzzeitig wieder anhob, senkte sie sich im weiteren Verlauf dauerhaft ab. Auffallend ist – dies nur am Rande –, dass von der zweiten Energiepreiskrise offenbar kaum mehr direkte Impulse auf die Sortimentsstrukturen ausgingen. Nun war die Typendifferenzierung soweit vorgeschritten, dass rasche Präferenzwechsel der Kunden aufgefangen werden konnten. Für die Hersteller barg die aufzeigte Vervielfältigung des Angebots jedoch auch Herausforderungen fabrikations- und kostentechnischer Art. Mit sinkenden Fertigungsmengen pro Typ traten die tradierten Prinzipien der kostenreduzierenden Massenfertigung in Konflikt mit der notwendigen Angebotsdifferenzierung. Strategische Ansätze, um dieses Dilemma einer differenzierten Volumenstrategie zu bewältigen, standen zur Verfügung.15 Schon das Produktionsmodell des Sloanismus, das bei General Motors bereits in den 1920er Jahren erstmals zur Anwendung gebracht worden war, hatte die grundlegende Erfordernis einer flexiblen Massenproduktion zur Grundlage einer kombinierten produktions- und marketingstrategischen Neuausrichtung der Produktpolitik erklärt.16 In einer konsequenten Entwicklungslinie hierzu stand das Prinzip der Baukastenfertigung. Es fußt auf der Idee, Fahrzeuge nach äußeren Elementen zu differenzieren, zugleich jedoch nicht sichtbare Fahrzeugkomponenten zu standardisieren und sie in mehreren Modellen und Produktlinien zum Einsatz zu bringen. Innerhalb der Baureihen konnten nach diesem Muster Pkw-Modelle mit verschiedenen Motoraggregaten, Aufbauten, Karosserieformen oder Ausstattungselementen angeboten werden, die – quer über die gesamte Angebotspalette betrachtet – untereinander austauschbar waren. Durch die Ausnutzung dieses teilespezifischen Homogenisierungspotentials in der Fertigung wurden Differenzierungsmöglichkeiten geschaffen, die einen kundenindividuellen Pro-

15 Vgl. Boyer / Freyssenet, Produktionsmodelle, S. 87. 16 Zur Theorie des Sloanismus siehe ebd.; McCraw / Tedlow, Ford, in: McCraw (Hrsg.), Capitalism, S. 274 f.

Ein Auto für jeden Geschmack

303

duktzuschnitt erlaubten. Zugleich gestattete die Modularisierung der Bauteile neue Economies of Scale-Effekte zu nutzen.17 Ausgangs der 1960er Jahre nutzten die deutschen Automobilhersteller die Baukastenfertigung unterschiedlich intensiv. Deutliche Unterschiede zeigten sich insbesondere zwischen Massenherstellern und Spezialisten, die aufgrund der Absatzmengen differente Produktionsparameter aufwiesen. Einen Einblick in die Strategien der Produktdifferenzierung erlaubt die Zulassungsstatistik des VDA . Sie erfasst die Angebotsstrukturen feiner, nach zusätzlichen Kriterien. Ergänzend zu den Baureihen und Typen führt sie die Charakteristika der verkauften Automobile nach Baugruppen, d. h. nach unterschiedlichen Karosserieformen und Konstruktionsplattformen, sowie nach Angaben zur Motorenkonfiguration auf. Auf dieser Datenbasis ergab sich zwischen 1965 und 1985 eine Grundgesamtheit von rund 3.000 unterscheidbaren Modelltypen (Tab. 27). Bei den Massenherstellern erhöhte sich die Zahl der Baugruppen zwischen 1965 und 1970 massiv von 41 auf 90. Während der 1970er Jahre reduzierte sich die Anzahl der Karosserieformen jedoch wieder auf einen Stand von knapp über fünfzig Spezifikationen. Dieser Befund spricht für Rationalisierungserfolge in der Komponentenfertigung bei einer gleichzeitigen Erhöhung der Variantenvielfalt. Bestätigung findet dies auch bei der Entwicklung der Aggregatsvarianten, die seit 1970 von zunächst 69 auf schließlich 45 abnahmen. Ein anderes Differenzierungsmuster zeigten die Oberklassenspezialisten. Die Anzahl der Baugruppen blieb hier recht stabil. Dagegen verdoppelte sich die Zahl der angebotenen Motoren von 19 (1970) über 31 (1980) auf 44 (1985). Die differenzierte Volumenstrategie kannte somit zwei Spielarten: BMW, Daimler-Benz und Porsche setzten auf technische Innovationen im Motoren-, Komfort- und Sicherheitsbereich, um ihren Vorsprung zu den aufrückenden Konkurrenten aufrecht zu halten. Die Differenzierung erfolgte in traditionellen Bahnen der Qualitätsorientierung.18 Bei den Massenanbietern spielten diese Aspekte dagegen eine geringere Rolle. Die Programmausdehnung konzentrierte sich vielmehr auf die Vereinheitlichung nicht sichtbarer Normteile, wie Bauplattformen, Chassis oder Karosseriebestandteilen. Differenzierungseffekte erreichte man dagegen eher mittels Design- und Ausstattungsmerkmalen – also auf Ebenen, die weniger Investitionen benötigten und auf der Fixkostenseite geringer ins Gewicht fielen, zugleich aber eine schnelle Reaktion auf die Kundenwünsche erlaubten. Allerdings bleibt hervorzuheben: Ohne echte technische Weiterentwicklungen von Motoren und Karosserien kamen auch die Volumenanbieter nicht aus. So stellte die Sinus-Marktforschungsstudie fest: Die bei den Volumenherstellern praktizierte »Marken- und Modelldifferenzierung mit Hilfe von Accessoires kann nur über eine begrenzte Zeit gut 17 Vgl. zum Baukastenprinzip: Harto Schlegel, Betriebswirtschaftliche Konsequenzen der Produktdifferenzierung – dargestellt am Beispiel der Variantenvielfalt im Automobilbau, in: WiSt. Wirtschaftswissenschaftliches Studium 7, 1978, S. 71; Diez, Automobil-Marketing, S. 150 f., Grafik 13. 18 Vgl. Boyer / Freyssenet, Produktionsmodelle, S. 53 u. 148.

304

Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

Tab. 27: Produktdifferenzierung nach Baureihen, Baugruppen und Motorkonfigurationen, 1965–1985 Volumenhersteller (VW / Audi, Ford, Opel) 1965

1970

1975

1980

1985

Baureihe

15

25

24

22

22

Baugruppe

41

90

73

54

53

k.A.

69

59

53

45

68

237

232

165

223

1980

1985

Motorkonfigurationen Typen gesamt

Spezialisten (Daimler-Benz, BMW, Porsche) 1965 Baureihe Baugruppe Motorkonfigurationen Typen gesamt

1970

1975

9

9

8

10

11

18

20

26

20

23

k.A.

19

33

31

44

29

36

51

65

96

deutsche Hersteller (gesamt) 1965

1970

1975

1980

1985

Baureihe

24

34

32

32

33

Baugruppe

59

110

99

74

76

k.A.

88

92

84

89

97

273

283

230

319

Motorkonfigurationen Typen gesamt

Quelle: Eigene Erhebungen auf der Basis von TuZ, 1965–1985.

gehen. Dann akzeptiert der Autokäufer die Anhäufung von Chi Chi nicht mehr als Orientierungshilfe.«19 Diese Kritik richtete sich in erster Linie an Opel, die wie ihr Mutterkonzern in den USA schon in den 1960er Jahren unverblümt auf eine lediglich optische Differenzierung des Angebots gesetzt hatte. Im Zuge eines sloanistischen badge engeneering strapazierte der Konzern diese Strategie jedoch zu sehr. Im wahrsten Sinne des Wortes ›reihenweise‹ entstanden aus bestehenden Modellen künstlich neue Angebote, die sich oft nur noch am Typenschild voneinander unterschieden. Gleichzeitig aber veralteten die technischen Produktelemente. In einer immer kürzeren Frequenz von weniger als drei Jahren nahm Opel halbherzige Modellwechsel vor, um beständig neue Kaufanreize zu setzen. Dieses Ziel erreichte 19 BMWGA , UR 3021, Nowak, Autofahrer, S. 39.

Ein Auto für jeden Geschmack

305

das Unternehmen in den 1970er Jahren jedoch immer weniger. Die deutschen Kunden zeigten sich von der Unübersichtlichkeit des Produktprogramms, dem schnellen Verschleiß und dem Wertverlust ihres schon nach wenigen Monaten nicht mehr aktuellen Fahrzeuges verunsichert.20 Eine absatzzentrierte Produktpolitik, die mit Typenableitungen operierte, entwickelte sich zur Sackgasse. Die Fahrzeuge verloren an technischer Substanz. Die versuchte Kompensation durch noch kürzere Modelllaufzeiten öffnete zugleich dem Vorwurf Tür und Tor, die Kunden mit einer Taktik der planned obsolence zu täuschen. Mit der gesellschaftlichen Tadelung des Konsumerismus und der neuen Sachlichkeit in den Käuferpräferenzen drohten solche rein psychologischen Vermarktungsstrategien das Herstellerimage zu beschädigen.21 Gewissermaßen das Gegenbeispiel zu Opel lieferte VW bis zum Beginn der 1970er Jahre. Angesichts seiner weitgehenden Ein-Produkt-Strategie zeigten sich die Wolfsburger stark dem Paradigma der fordistischen Großserie verhaftet. Trotz der zwar technisch leicht weiterentwickelten, aber immer noch auf dem Käfer-Konzept basierenden Modellabwandlungen VW 1500/1600 und VW 411/12 wies das Pkw-Sortiment Ende der 1960er Jahre eine zu geringe Differenzierung auf. Auch dies billigten die Kunden nicht mehr. Der Lebenszyklus des reinen Gebrauchsfahrzeuges der ›Wirtschaftswunderzeit‹ lief ab. Selbst die Versuche, das Angebot durch Produktadaptionen aus den Werkshallen des neuen Tochterunternehmens Audi bzw. durch eine Kooperation mit Porsche im Sportwagensektor anzureichern, waren nur von vorübergehendem Erfolg. Es entstanden zahlreiche Modellkonzepte mit produktionstechnisch kaum zu vereinbarenden quer oder längs eingebauten, luft- oder wassergekühlten sowie wahlweise per Kolbenrotation angetriebenen Motorvarianten. Inkongruente Fahrwerks- und Antriebsplattformen, auf denen die Fahrzeuge in den VW- und Audi-Werken gebaut wurden, senkten die Synergien. VW gelang es bis zur Vorstellung der neuen Baureihen 1973/74 weder, das Baukastenprinzip in der Fertigung umzusetzen, noch das Produktprogramm marketingstrategisch auf ein abgestimmtes äußeres Erscheinungsbild fußen zu lassen.22 Wie bereits angedeutet, erschien VW an­gesichts seiner Versuche, die Käfer-Monokultur durch eine inhomogene Vielfalt zu ersetzen, modellpolitisch orientierungslos. Da fast keine Schraube bei mehreren Modellen verwendbar war, belasteten hohe Fertigungskosten die Gewinne und sorgten für eine existenzielle Krise. Der Spiegel kommentierte 1971: »Während alle großen Automobilfabriken ihre Modellreihen nach einem kostensparenden Baukastenprinzip produzieren, verzettelte sich Lotz in sechs völlig verschiedenen Antriebskonzeptionen. In Entwicklung, Produktion und Ersatzteilgeschäft verschlingen diese […] erheblich höhere Kosten als beim Bau20 Vgl. Lewandowski, Opel, S. 100 f. 21 Vgl. ausführlich Diez, Modellzyklen, S. 268 f. 22 Vgl. Günter Ogger, Die Marketing-Konzeptionen der deutschen Automobilindustrie: VW und Audi / NSU, in: auto motor und sport, H. 9, 1973, S. 53; Art. »Alle deutschen Autos«, in: auto motor und sport, H. 20, 1974, zu den Problemen bei VW insbes. S. 58 f.

306

Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

kastensystem der Konkurrenz«.23 Der Konzern selbst konstatierte im gleichen Jahr, dass »die Vorteile […] in Bezug auf die Vereinheitlichung der technischen Konzepte noch nicht genutzt werden.«24 Abstrahiert man von den Einzelbeispielen zurück auf eine allgemeine Perspektive der Produktprogrammpolitik, lässt sich ein vielleicht plakativer, aber nicht minder treffender historischer Analogieschluss zwischen der amerikanischen und der deutschen Automobilgeschichte ziehen. Wie in den USA der 1920er Jahre standen sich auf dem deutschen Markt zwei Strategiekonzepte gegenüber. VW repräsentierte mit dem Käfer als modernem Model T die monolithische fordistische Tradition, während Opel und auch Ford auf Diversität ohne technische neue Impulse setzte. Allerdings erwies sich nun auch nicht mehr der Sloanismus als one best way.25 Die Aufgabe der 1970er Jahre lautete, »beides – Statik und Dynamik  – in der Produkt- und Markenpolitik in ein gleichgewichtiges Verhältnis zu bringen«26. Das Ziel musste es sein, eine neue Balance zwischen einer kontinuierlichen Imageentwicklung, technischer Weiterentwicklung, Angebotsflexibilität und Reduktion der Produktionskosten zu finden. Ein Ansatzpunkt bildete eine strategische Neuplatzierung der Produkte von der vertikalen zur horizontalen Achse des Angebotsfeldes (Tab. 28). Bis dato dominierte eine rein vertikale Differenzierungsstrategie. Neue Produkte ordneten sich lediglich einzelnen Größensegmenten zu, um dort in Konkurrenz zu den Angeboten der Mitbewerber zu treten. Diese Segmenthierarchien lösten sich im Laufe der 1970er Jahre zunehmend auf, da sich die Baureihen auf der Basis des wechselseitigen Austauschs von Aufbau- und Motorenmodulen wesentlich breiter konfigurieren ließen. Der VW Golf z. B. deckte schließlich vom schlicht ausgestatteten Grundmodell, über den sparsamen Diesel, dem Stufenheck Jetta bis zur sportlichen GTI-Version nicht mehr nur ein Segment ab, sondern bediente angrenzende gleich mit. Mit dieser Strategie der sog. Produktproliferation27 gelang es den Massenherstellern, die umkämpfte Mittelklasse bis 1980 mit nur vier bis fünf Grundmodellen breit zu besetzen. Durch immer feinere Abstufungen in den Motor-, Karosserie- und Ausstattungsvarianten innerhalb der Baureihen verwischten 23 Art. »Auf uns blickt die ganze Wirtschaft«, in: Der Spiegel vom 13.9.1971, S. 34. 24 UVW, 250/2/1, Gruppenzentrale Marketing, Langfristiger Marketingplan des VW-Konzerns für Personenwagen, (Mai 1971), S. 21. 25 Vgl. Michel Freyssenet u. a. (Hrsg.), One best way? Trajectories and industrial models of the world’s automobile producers, Oxford / New York 1998. Vgl. auch Boyer / Freyssenet, Produktionsmodelle, S. 90 sowie HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, Clients Ford, 1973, Copies 1, Facelift-Fakten, S. 1. Hier stellte die Agentur Thompson fest: »Reine Stylingerfolge sind kurzlebig. Sie wirken vorwiegend emotional, erreichen zahlenmäßig schneller den Sättigungsgrad unter den dafür Empfänglichen und sind dann ausgebrannt.« 26 Helmut Werner, Vom Marken- zum Preiswettbewerb? Strategisches Marketing in der Automobilindustrie für das Jahr 2000 und darüber hinaus, in: Diez (Hrsg.), Handbuch, S. 31. 27 Vgl. Diez, Automobil-Marketing, S. 21.

Ein Auto für jeden Geschmack

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die hierarchischen Segmentgrenzen zu ›weichen‹ Produktfeldern mit fließenden Übergängen. Die größte Herausforderung, vor die sich die deutschen Hersteller im Zuge der Ölpreiskrise aber gestellt sahen, bildete die drängende Notwendigkeit, auch wieder sparsame und wirtschaftliche Fahrzeugversionen in ihre Produktprogramme zu integrieren. Insbesondere für die Volumenhersteller entwickelte sich das Fehlen eines Kleinwagenangebots angesichts der veränderten Käuferpräferenzen zum gravierenden Problem. Aber auch die Luxusanbieter hatten ihre Produktpolitik auf die neue Sachlichkeit der Kunden anzupassen.

1.2 Vom »Small Car Blues« zum Vollsortiment Die kostenbewusstere Kaufhaltung der Kunden und ihre Abwanderung in niedrigere Fahrzeugsegmente müsse sich möglichst rasch »bis in die Zeichensäle und Studios der Modellplaner«28 herumsprechen, forderte der Spiegel schon im Winter 1973. Gerade die Volumenproduzenten verstanden die vertikale Verschiebung der Produktportfolios zurück in den Kleinwagenbereich als prioritäre Aufgabe. Sie wollten das Segment zurückerobern.29 Gegen den allgemeinen Trend stiegen die Neuzulassungen von Klein- und Kompaktfahrzeugen von 532.000 (1973) auf 662.000 Exemplare (1974). Ihr Marktanteil wuchs damit sprunghaft von 28,3 auf 42,5 Prozent.30 Umso schwerer wog der Umstand, dass es VW, Opel und Ford gerade in diesen Feldern an Produktangeboten mangelte. Die Tabelle 28 belegt einmal mehr die Folgen des Rückzugs der deutschen Hersteller aus dem Bau gering motorisierter Pkw. Besonders auffallend ist, dass VW und Ford bis zum Beginn der 1970er Jahre im A-Segment über keinerlei Fahrzeuge verfügten. Bei beiden Herstellern sanken zudem die Marktanteile im B-Segment deutlich ab. Allein zwischen 1965 und 1970 reduzierten sich die Verkaufsanteile, die VW in der unteren Kompaktklasse erzielte, von 64,5 auf 14,9 Prozent. Auch Ford zeigte trotz der Markteinführung seines neuen, kleinsten Modells Escort (ab 1968) einen Rückgang von 15,1 auf nur noch 5,3 Prozent. Beide Hersteller hatten aber ab 1965 ihr Angebot in die höheren Fahrzeug­ klassen über 1.200 ccm Hubraum verschoben; teils durch Leistungsaufwertungen bestehender Typen – wie bei der Käfer-Baureihe –, teils durch die Lancierung neuer Modelle. Anders gelagert war die Entwicklung bei Opel. Auch der Rüsselsheimer Konzern zog sich trotz guter Erfolge des ›Ein-Liter‹-Kadetts zurück. Der kleinste Opel wurde mit leistungsstärkeren Motoren ausgestattet und fand 28 Art. »Übers Knie«, in: Der Spiegel vom 17.12.1973, S. 57. 29 Vgl. UVW, 610/382/2, Rede des VW-Chefs Leiding vor Händlerkongress, 5.6.–11.6.1974, S. 22. Hier sprach er in nahezu militärstrategischer Manier davon, das ein überfallartiger »Einbruch« deutscher Hersteller in das Segment geplant werden müsse. 30 Vgl. Statistische Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes, H. 3/1980, N-Z, S. 15.

308

Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

Tab. 28: Marktanteile deutscher Hersteller in VDA-Leistungsklassen, 1965–1980 (in v. H.) Anbieter

Jahr

Marktanteile nach Größensegmenten (in ccm) A B C D F G (bis 999) (bis 1.199) (bis 1.499) (bis 1.999) (bis 2.499) (ü. 2.500)

VW

1965

64,5

55,1

22,2

1970

14,9

49,5

17,3

1975

*20,5

41,1

40,7

6,4

1980

23,3

32,5

36,9

13,0

Audi / NSU 1965

6,1

4,7

1970

8,3

8,8

1975 1980 Opel

1965

Ford

BMW

7,3

11,6

7,5

12,1 44,7

3,7

1,2

20,8 96,0

39,2

15,4

17,9

28,7

4,8

10,2

24,0

18,8

5,6

9,0

33,8 20,9

1965

15,1

23,1

28,0

19,0

1970

5,3

22,9

14,9

11,1

10,0

1975

1,8

24,7

18,8

13,3

7,0

13,7

4,6

11,3

8,7

3,2

1965

10,7

79,2

3,4

1970

5,3

59,1

51,1

1975

11,0

55,0

57,6

1980

7,7

42,9

58,0

28,0

1965

2,0

1970

0,1

0,1

1975 1980 Gesamt

17,1 28,6

1980

1980 Daimler

5,9 2,5

34,7

1970 1975

1,3

4,8

0,5

7,2

9,3

18,1

13,7

14,0

14,2

10,0

13,1

17,3

1965

42,8

96,4

78,3

95,5

98,2

100,0

1970

8,3

73,7

79,4

91,2

94,9

97,2

1975

24,2

76,7

77,0

86,2

87,1

89,0

1980

51,4

67,1

68,1

78,0

91,0

87,6

* gemeinsame Marktanteile des VW Polo und baugleichen Audi 50. Quelle: Eigene Erhebungen auf der Basis von TuZ, 1965–1985.

Ein Auto für jeden Geschmack

309

seine Nische im B-Segment, wo 1970 fast jeder zweite Autokauf (44,7 Prozent) auf dieses Modell entfiel. Zwischen dem Kadett und den Angeboten in den höheren Leistungssegmenten, wie dem Rekord, Commodore oder Kapitän, entstand jedoch eine Programmlücke. Die ab Ende 1970 als Zwischenstufe gedachte Baureihe Ascona (bzw. Manta als eine seiner Modellvarianten) bot aufgrund ihres neuen Designs eine Programmergänzung. Hinsichtlich ihrer Motorisierung (1,2 bzw. 1,6 oder 1,9 Liter Hubraum) bediente sie aber lediglich bereits von Opel besetzte Absatzfelder. Der Ascona wirkte somit eher substituierend als tatsächlich proliferativ.31 Die Angebotslücke war somit zu Beginn der 1970er Jahre deutlich erkennbar. Im untersten Segment vereinigten die deutschen Hersteller 1970 kaum mehr als acht Prozent Marktanteile auf sich. Die Importeure nutzten diese Chance. Allein Renault vereinnahmte 45,3 Prozent des deutschen Kleinwagenmarktes. Es folgten Fiat mit 21,8 und Citroën mit 13,5 Prozent Marktanteil.32 Mit dem Audi / NSU Prinz stand nur noch ein einziges Modell deutscher Fertigung einem breit differenzierten Angebot aus dem europäischen Ausland gegenüber; noch dazu handelte es sich hierbei um ein technisch veraltetes Relikt der frühen Nachkriegsmotorisierung. 1972 wurde seine Produktion gänzlich eingestellt und das Feld vollständig der ausländischen Konkurrenz überlassen. Auch im B-Segment hatte die deutsche Autoindustrie nur noch ein stark ausgedünntes Programm anzubieten. Neben den Auslaufmodellen VW Käfer und Prinz 100033 gab es für den Einstiegskäufer nur noch die Wahl zwischen dem Ford Escort und Opel Kadett.34 Gleichwohl sei nochmals darauf hingewiesen, dass der Rückzug der deutschen Hersteller zunächst keineswegs als kundenfern zu bewerten war. Die Produktstrategie folgte ganz im Gegenteil den erwarteten Nachfragetrends. Alle Zeichen wiesen bis spätestens 1973 auf ein fortlaufendes trading up hin. Für die Hersteller war es nicht nur aus diesem Grund sinnvoll, den Kunden in die Mittelklassesegmente zu folgen. Die Aufwärtsdifferenzierung des Angebots versprach höhere Gewinnmargen und Kostendegression für die Produktion. Auf diesem Pfad waren produktions-, finanz- und marketingstrategische Anforderungen scheinbar gut zu harmonisieren – allerdings nur für kurze Zeit. Die bewussten Auslassungen entwickelten sich rasch zu einem ernsthaften Problem, als die Treibstoffverteuerung das Nachfrageverhalten zu beeinflussen begann. Der Small Car Blues erfasste die Eckpfeiler der internationalen Automobilindustrie, titelte die Business Week im März 1974.35 In den USA, dem größten 31 Vgl. Oswald, Deutsche Autos, Bd. 3, S. 244. 32 Eigene Erhebungen auf der Basis der Tabelle: Zulassungen von fabrikneuen Personen- und Kombinationskraftwagen nach wichtigen Herstellern und Typen im Bundesgebiet und West-Berlin, in: TuZ, Jahrgänge 1965–1970. 33 Auch dieses Modell wurde 1972 eingestellt: Art. »Der künftige VW wird Frontantrieb haben«, in: Der Spiegel vom 22.11.1971, S. 94. 34 Vgl. Biermeier, Wettbewerb, S. 174. 35 Vgl. Art. »The Small Car Blues«, in: Business Week vom 16.3.1974, S. 76–83.

310

Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

Fahrzeugmarkt der Welt, gerieten die Großwagen des American Standard unter Druck. Die deutschen Konzerne konnten hiervon jedoch kaum profitieren. Aufgrund der verschlechterten Währungsparitäten hatten sie Schwierigkeiten, mit ihren  – im US -Verständnis  – ›kleinen‹ Mittelklasse-Pkws auf den US -Markt vorzudringen. Die Exporterfolge der noch jungen japanischen Anbieter Toyota, Mazda oder Datsun / Nissan beruhten nicht zuletzt auf dieser doppelten Vakanz amerikanischer und deutscher Angebote.36 So wie den einheimischen Herstellern in den USA ging es spiegelbildlich auch den Deutschen auf ihrem Heimmarkt. Hier waren es jedoch vor allem die kostengünstigen Kleinwagen innereuropäischer Konkurrenten, die sich seit dem Ende der 1960er Jahre den Kunden als echte Alternative anboten. Japanische Hersteller traten dagegen erst in den 1980er Jahren verstärkt auch auf den deutschen PkwMarkt. 1975 verzeichneten die Importe aus Asien lediglich einen Marktanteil von 1,7 Prozent.37 Der Small Car Blues, d. h. das Problem der Hersteller, ihre Produktpaletten möglichst schnell wieder in Einklang mit den Kundenwünschen zu bringen, basierte auf einem typischen Dilemma, wenn es darum ging, komplexe, langlebige Konsumgüter zu produzieren. Die Entwicklung eines neuen Fahrzeugtyps nahm von der Konzeption bis zur Serienreife mindestens zwei bis drei Jahre in Anspruch. Handelte es sich um ganze Baureihen mit neuen Motoren, Karosserien und Bauplattformen, lag die Entwicklungszeit sogar bei bis zu fünf Jahren.38 Vor diesem Hintergrund war die produktpolitische Reaktionszeit äußerst lang, was wiederum einer flexiblen konsumentenorientierten Neujustierung entgegenstand. Starke, kurzfristige Brüche in den Kundenpräferenzen  – wie erstmals in den 1970er Jahren – ließen sich rein entwicklungstechnisch nicht abbilden.39 Der Daimler-Entwicklungschef Breitschwerdt problematisierte: Jedes Industrieprodukt hat seinen eigenen marktorientierten Lebenslauf. Die Marktbedingungen, unter denen Fahrzeuge abgesetzt werden können, haben sich in jüngster Zeit drastisch verändert; wir müssen sorgfältig darauf achten, neue Produktideen und die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Produktinnovation zu ermitteln, um nicht eines Tages unseren Unternehmen die Grundlage zu entziehen. Nicht nur Sättigungs-

36 Vgl. James Rader, Penetrating the US Auto Market. German and Japanese strategies 1965–1976, Ann Arbor / M A 1980, S. 77; Bhaskar, Future, S. 56 f.; Jean-P. Bardou / Jean-J. Chanaron / Patrick Fridenson / James Laux, The Automobile Revolution, Chapel Hill / NC 1982, S. 135 f. 37 Eigene Erhebungen nach Statistische Mitteilungen des Kraftfahrtbundesamtes, Heft 10/1981, S. 2 f. Vgl. Hartmut Berg, Japanische Autos im deutschen Markt. Die Grenzen des Wachstums, in: WirtschaftsWoche, H. 8, 1980, S. 28–34; Heinz Michaels, Made in Japan, Made in Germany. Wie die deutsche Automobilindustrie der japanischen Herausforderung begegnet, Düsseldorf / Wien 1981. 38 Siehe Biermeier, Wettbewerb, S. 176. 39 Vgl. Köhler, Small Car Blues.

Ein Auto für jeden Geschmack

311

erscheinungen auf einzelnen Märkten und geänderte Technologie, wie sie auch in der Vergangenheit eigentlich schon immer auftraten, sondern auch häufig wechselnde Anforderungen einzelner Kundengruppen, aber vor allem Umweltschutzgesetz­gebung und […] Paritätsschwankungen erschweren die Konzeptdefinition für neue Produkte.40

Die ›Ungleichzeitigkeit‹ zwischen Angebotsplanung und Absatzmoment verband sich trotz verstärkter Marktforschung mit einem Informationsproblem. Aufgrund der Vielzahl gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und kultureller Einflussfaktoren wurde es immer schwieriger, zukünftige Verkaufstrends zu erkennen: Sollte man jetzt, 1974, neue Kleinwagenmodelle auflegen und damit Investitionen und Entwicklungskapazitäten binden, ohne zu wissen, wohin der Kunde tendieren wird, problematisierte Opel: »Die Marktchancen heranreifender neuer Automodelle sind ungewisser denn je. Angesichts einer um fast 50 Prozent verminderten Nachfrage stehen Automanager vor der Frage: Wird der Kleinwagen wirklich verlangt?«41 Mit dem modellpolitischen Umdenken wandelte sich das Marktverständnis. Anders als in den Boomjahren schien es nun nahezu unmöglich, Nachfragetrends durch technische oder stilistische Innovationen einfach selbst zu setzen. Statt in einer aktiven, sahen sich die Hersteller nun in einer reaktiven Rolle. Das Ziel war es, den Nachfragebewegungen möglichst rasch zu folgen und diese ungewissen Wege mittels intensiver Konsumentenforschung zumindest vorzuzeichnen. Ein wichtiger psychologischer Effekt des Small Car Blues war die Einsicht in den Vorstandsetagen, das Heft des Handelns partiell an die Konsumenten, den Staat und die öffentliche Publizistik abgegeben zu haben. Die Zweifel daran, den Markt gestalten zu können, führte zu der Überzeugung, sich in Zukunft produktpolitisch möglichst auf alle potentiellen Entwicklungsrichtungen des Marktes vorzubereiten. Die Idee des Vollsortiments, d. h. der Entwicklung fein abgestufter Produktangebote über alle Segmente, bestimmte seit dem zweiten Drittel der 1970er Jahre die Produktplanungen der Volumenhersteller.42 Das Tempo und die Instrumente der produktpolitischen Neujustierung variierten indessen, da die Handlungsspielräume der Firmen durch entwicklungstechnische, finanzielle und nicht zuletzt imagebezogene Barrieren bestimmt wurden. Als Konsequenz ergaben sich uneinheitliche Wege der vertikalen und horizontalen Angebotsdifferenzierung.

40 HAD, Vertriebsorganisation In- und Ausland, Reden 221, Ansprache von Werner vom 11.6.1979, S. 23. 41 Zit. nach Art. »Übers Knie«, in: Der Spiegel vom 17.12.1973, S. 57. 42 Zum Konzept des Vollsortiments vgl. Guiseppe Volpato, The Automobile Industry in Transition: Product Market Changes and Firm Strategies in the 1970s and 1980s, in: Steven Tolliday / Jonathan Zeitlin (Hrsg.), Between Fordism and Flexibility. The Automobile Industry and Its Workers, Oxford / New York 1987, S. 209; Schlegel, Konsequenzen, S. 67 f.

312 1.2.1

Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

Produktstrategien in der Kleinwagenkrise, 1970–1974

Volkswagen: Vom Nachzügler zum modernen Baukasten Für den Volkswagen-Konzern erwies es sich als wettbewerbsstrategischer Vorteil, bereits bei Eintritt der Energiepreiskrise über eine ganze Palette serienreifer Fahrzeugkonzepte zu verfügen. Als erste Baureihe der lange erwarteten Produktoffensive präsentierte VW im Mai 1973 den Passat. Rein technisch war das Mittelklassemodell lediglich eine Fließheck- und Kombi-Variante des rund ein Jahr zuvor erschienenen Audi 80. Das neue VW-Baukastensystem zeigte erste Synergien.43 Zunächst noch fest dem alten Duktus verhaftet, verwies das Konzernmarketing darauf, dass der »Beginn einer neuen Ära« mit einem Modell eingeläutet werde, das »elegant, jung, modern, sportlich und kraftvoll«44 sei. Betriebsintern lauteten die Ziele, den biederen VW 1500/1600 zu ersetzen, »den großen Markt der unteren Mittelklasse besser auszuschöpfen« und »das VW-Image in Richtung Fortschrittlichkeit, Modernität und Erfolgswillen«45 zu sanieren. Ab März 1974 folgten der VW Scirocco und zwei Monate später der eigentliche KäferNachfolger VW Golf. Beide Modelle waren durch eine gemeinsame Bauplattform technisch weitgehend identisch und siedelten sich unterhalb des Passats im vernachlässigten Segment der kompakten Mittelklasse an.46 Mit dem Scirocco erschien bezeichnenderweise zunächst der sportliche Coupé-Typus. Offenbar hatte VW in ihrer noch vor der Ölpreiskrise erstellten Fertigungsplanung für das Jahr 1974 vorgesehen, den Launch des vermeintlich attraktiveren Modells vorzuziehen, um insbesondere Kunden der erfolgreichen Konkurrenzmodelle Opel Manta und Ford Capri abzuwerben. Zum Verkaufsstart bot der Konzern den Scirocco dann auch in seiner besten Ausstattungslinie TS mit einer Leistung von 1,6 Litern bzw. 85 PS an. Auch der Golf erschien zunächst in einer motorstarken 1,5 Liter/70 PS -Variante. Ab August bzw. September 1974 konnten diese Fahrzeuge dann aber auch in einer Basisversion L mit nur 1,1 Liter Hubraum und 50 PS erworben werden. Statt Superkraftstoff benötigten die neuen Sparmotoren Normalbenzin. Die Entscheidung für eine kostspielige, aber möglichst rasche Anpassung der Motorisierung an die ›Verbrauchspsychologie‹ war auf Drängen des Marketings kurzfristig im Januar 1974 gefällt worden.47 Ganz grundsätzlich kam Volkswagen nun zugute, dass ihre Produktplaner sich frühzeitig entschieden hatten, an traditionelle Imagewerte der Wirtschaft43 Vgl. zum Konzept des VW Passat u. a. UVW, 250/2/1, Langfristiger Marketingplan, S. 32. 44 Ebd., Bestand Werkszeitung [ohne Signatur], Art. »Beginn einer neuen Ära. Der Passat: Elegant-jung-modern-sportlich-kraftvoll«, in: autogramm 2/1973 vom 25.5.1973, S. 5. 45 Ebd.; Art. »VW-Modellreihe erfüllt individuelle Wünsche«, in: autogramm 4/1973 vom 28.9.1973, S. 5 f. 46 Vgl. Oswald, Deutsche Autos, Bd. 3, S. 73 f.; Lewandowski, VW, S. 63. 47 Vgl. UVW, 69/731/1, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 15.1.1974, S. 2 f. Vgl. ebd., Protokoll zur Vorstandssitzung vom 23.1.1974, S. 2 sowie Claudia Böhler, Scirocco. Aufregend vernünftig. Der Volkswagen Scirocco 1974–1992, Wolfsburg 2008, S. 28.

Ein Auto für jeden Geschmack

313

lichkeit und Gebrauchstüchtigkeit festzuhalten. Die Erwartungen ihrer Konkurrenten Ford und Opel, dass sich die Nachfrageentwicklung kontinuierlich auf immer größere Fahrzeuge konzentrieren würde, hatte schon der Marketingplan von Mai 1971 nicht geteilt. Trotz aller Entwicklungsprobleme schwamm VW mit ihrer Prognose mutig gegen den Trend: Die zunehmende Verkehrsdichte wird den Trend zum kompakten Automobil erhalten und verstärken. Die Entwicklung des Marktes wird weniger zu großen und aufwendigen Fahrzeugen führen als zu perfektionierten Mittelklassewagen […] Der große Reisewagen wird daher gegenüber dem kompakten, wendigen Nah- und Mittelklasseauto an Bedeutung verlieren.48

Die Wolfsburger wollten die etablierten Imagekomponenten aus den ›Käfer-Jahren‹ kontinuierlich weiterentwickeln, um »auch in Zukunft der Hersteller von funktionalen Transportmitteln in großen Stückzahlen zu bleiben.« Die Modelle des neuen Sortiments sollten »funktionell« und »bequem«, in der stilistischen Gestaltung »modern, aber nicht modisch« sein, um den Kunden weiterhin »eine hohe Wirtschaftlichkeit durch niedrige Unterhaltskosten und hohen Wiederverkaufswert« zu bieten.49 Diese marketingstrategischen Leitlinien erwiesen sich nun als Glücksfall, weil die Krise die Nachfrageentwicklung gewissermaßen genau in die Richtung des VW-Angebots trieb, welches Anfang der 1970er Jahre wohl selbst für die kühnsten Visionäre des Automobilmarketing nicht vorhersehbar gewesen war.50 Besonders deutlich wird dies am Erfolg der Modellreihe Audi 50/VW Polo. Sie stellte der Konzern als vierte und letzte Komponente der neuen Produktgeneration im September 1974 (Audi 50) bzw. Januar 1975 (VW Polo) vor. Auch hier kamen der 50 PS -Sparmotor sowie ein noch kleineres 40 PS -Aggregat zum Einsatz. Als erster deutscher Anbieter verfügte VW damit noch im Krisenjahr 1974 wieder über ein dezidiertes Kleinwagenangebot. Mit einem Verkaufsanteil von 20,5 Prozent eroberte die Baureihe auf Anhieb die Marktführerschaft im kleinsten Segment. Parallel schnellten Golf und Scirocco im Kompaktsektor auf gemeinsam deutlich über vierzig Prozent Marktanteil. Innerhalb von nur eineinhalb Jahren hatte Volkswagen damit ihr Programm breit differenziert. Nach oben rundeten die Audi-Modelle 80 und 100 das Sortiment in einer klaren ZweiMarkenstrategie ab.51

48 UVW, 250/2/1, Langfristiger Marketingplan, S. 29. 49 Alle Zitate nach ebd., S. 64 u. 69. 50 Vgl. Art. »Alle deutschen Autos«, in: auto motor und sport, H. 20, 1974, S. 60. 51 Vgl. UVW, 610/382/2, Rede des VW-Chefs Leiding vor dem Händlerkongress in Wolfsburg, 5.6.–11.6.1974, S. 23. Als Überblick auch Oswald, Deutsche Autos, Bd. 3, S. 63, 73, 89 u. 95.

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Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

Ford: Programmlücken und Vernunftbeweise Ford und Opel gerieten durch das neue VW-Angebot ins Hintertreffen. Insbeson­ dere bei Ford spitzten sich die Probleme dramatisch zu. Noch unter dem Eindruck des Autobooms hatte man sich auf eine direkte Weisung von Henry Ford II., dem übermächtigen Generaldirektor des Gesamtkonzerns, auf eine eingleisige Stärkung der oberen Mittelklasse konzentriert. Das Ziel lautete, den Opel Rekord anzugreifen und die ›aufsteigenden‹ Autokäufer durch ein neues Spitzenmodell zu begeistern.52 Im Frühjahr 1972 ersetzte die gemeinsam in England und Deutschland produzierte Baureihe Granada / Consul den betagten Taunus. Die Modelle fanden jedoch nur wenig Anklang.53 »Wir haben einen gravierenden Fehler gemacht«, gab der Deutschland-Chef Hans Schaberger im Sommer 1973 nach Auswertung erster Marktforschungsanalysen zu: »Wir sind uns europaweit einig, dass wir unsere Autos, sowohl was Styling als auch was die Qualität angeht, stärker am deutschen Markt orientieren müssen.«54 Für eine derartige Anpassung blieb allerdings kaum Zeit. Zwar gab die Konzernleitung in Detroit zwei Entwicklungsstudien in Auftrag. Kleinere Modelle sollten den entstandenen Absatz- und Imageschaden korrigieren. Unter den Projektnamen Brenda und Bobcat beschäftigte sich nun speziell die deutsche Konzerntochter damit, die Mittelklassefahrzeuge der Escort-Reihe zu überarbeiten und einen neuen Kleinwagen, den späteren Fiesta, zu konzipieren. Mit seiner Serienreife war jedoch vor 1976 nicht zu rechnen.55 Unterdessen potenzierte sich die produktpolitische Krise im Gefolge des Ölpreisschocks. In ihrem monatlichen Marktbericht zum Januar 1974 urteilten die Berater von J. Walter Thompson, Ford verfüge ausschließlich über Mittelklassemodelle, die im letzten Jahr bis zu achtzig Prozent an Kundenzuspruch verloren hätten.56 Gegenüber der Ford-Europazentrale und dem Hauptsitz der Agentur in New York mahnte die Frankfurter JWT-Niederlassung an: »In fact the energy crisis has not caused but increased the Consul problems because 1. people interpret the styling as being bulky, too big; 2. overall [Ford] owner satisfaction in 52 Vgl. HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, Ford 1973, Pressemappe, Kommentierter Beitrag »Dear Henry« (übersetzt aus mot Autojournal), o. D., S. 1; Art. »Übers Knie«, in: Der Spiegel vom 17.12.1973, S. 57. 53 Waren von den Vorgängermodellen jährlich rund 140.000 Pkw abgesetzt worden, lagen die Verkäufe der neuen Mittelklassewagen nur bei etwa 80.000 Exemplaren. Von einem erhofften Verkaufsimpuls konnte daher keine Rede sein. Vgl. TuZ; Oswald, Deutsche Autos, Bd. 3, S. 430 f. 54 Art. »Wir haben einen gravierenden Fehler gemacht. Interview mit Ford-Generaldirektor Hans Schaberger«, in: Der Spiegel vom 17.9.1973, S. 44–49. 55 Siehe HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 4, Correspondence, Akte 3, Schreiben JWT an Ford of Europe, Director Marketing-Operations vom 28.2.1974. 56 Hierzu hieß es wörtlich: »Extremely heavily affected were the models Consul (lost 64,8 % sales), Granada (- 78,7 %) and the Taunus (-55,4 %). The escort, too, lost more that its corresponding class (-37,9 %).« Die Absatzrückgänge bezogen sich auf einen Zeitraum zwischen Jan. 1973 u. 1974: Siehe ebd., Ford Status Report, Monthly Report Automobile Market and Advertising, January 1974, S. 2.

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Germany is still (September 1973) unfavourable; 3. main owner rated weakness is now fuel consumption!«57 Als völlig verfehlt musste unter diesen Bedingungen erscheinen, dass Ford noch im Mai 1973 versuchte, den Lebenszyklus des kleineren Escort durch eine rassige Rally-Version RS 2000 zu verlängern, deren Verbrauchswerte über zwölf Liter Superbenzin lagen. Der Imageschaden für die Marke erschien kaum reparabel.58 Entsprechend harsch reagierte der Generaldirektor von Ford of Europe (FoE), Gordon Guthrie, auf die offene Kritik der Agentur: »We have got a problem. The problem is Germany. […] Ford is locked in with the products it has now. Don’t tell us how bad they are or what we should have for this market – tell us what we can do with products that we have […] to move them.«59 Da passende Neuentwicklungen lange auf sich warten lassen würden, waren provisorische technische Modifikationen und aggressive Werbe- und PR-Maßnahmen die einzige Chance, um Ford-Fahrzeuge wieder marktgängig zu machen. »We must find ways of breaking the communication log jam«60, forderte Guthrie. Thompson sollte Lösungen liefern, um die produktstrategischen Fehler mit einer integrierten Produkt-, Marketing- und Kommunikationsoffensive auszubügeln. Als erste Maßnahme der »Operation No Walk« präsentierte Ford auf Anraten von JWT im Frühjahr 1974 einen Escort »in the leanest configuration possible.«61 Die Sparversion verzichtete nahezu auf jede Ausstattung, um niedrige Verbrauchswerte zu einem Kampfpreis anzubieten.62 Das hastig abgespeckte Modell, so die beschönigende Werbesprache, sollte »produktbezogene Vernunftbeweise«63 als erste Signale einer neuen, zeitgemäßen Firmenphilosophie senden. Nur so sei eine weitere Kundenabwanderung einzudämmen. In einem Konzeptpapier führte JWT gegenüber der Marketingleitung von FoE aus: »As the market swings towards the smaller sizes, we will continue to be frustrated in that segment until the ›Bobcat‹ is launched, […] However we must stop potential customers from ›walking‹ […] Our customer will obviously be headed for a ›B‹ [segment] car. Let’s put something in his path, let’s take one more shot at him before he walks to someone else’s ›B‹-car.«64 57 Ebd., Correspondence, Akte 3, Telex von Peter Richter (JWT, Frankfurt Office)  vom 11.2.1974, S. 4 f. 58 Vgl. Oswald, Deutsche Autos, Bd. 3, S. 396. 59 HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 4, Correspondence, Akte 3, Vertrauliches Gesprächsprotokoll von JWT, Febr. 1974, S. 1 f. 60 Ebd., S. 2. 61 Ebd., Schreiben von Jack Peters (JWT, London Office) an R. T. Platt (Director Marketing Operations FoE) vom 28.2.1974, S. 1. 62 Vgl. ebd., Box 3, Presentations 1973, Akte 2, Empfehlungen zu einer aktuellen Ford-Strategie, o. Dat. 63 Art. »Ford Fiesta: Wer zuletzt kommt, kopiert am besten«, in: absatzwirtschaft, Nr. 9, 1976, S. 30. 64 HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 4, Correspondence, Akte 3, Schreiben Peters an Platt vom 28.2.1974, S. 1.

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Erst im September 1976, d. h. mit rund zweijähriger Verspätung gegenüber VW, war Ford in der Lage, mit dem Fiesta einen genuinen Kleinwagen zu platzieren. Für die vertikale Ausdehnung des Produktprogramms in das unterste Marktsegment setzte Ford nach eigenem Bekunden rund 2,2 Milliarden DM Entwicklungs- und Investitionskosten ein, die insbesondere in neue Produktionslinien in Spanien, England und Deutschland (Saarlouis) flossen.65 Vorübergehend regte sich kurz vor der Einführung des Fiesta Zweifel, ob sich die Kosten und Mühen tatsächlich amortisieren würden. Schließlich kam die mit einem 40 PS und 0,9 Liter Hubraum ausgestattete Kleinwagenlinie nun in einem Umfeld auf den Markt, in dem sich der Nachfragetrend langsam wieder ›nach oben‹ bewegte. Den Erfolg des Fiesta  – und ebenso des Konkurrenzmodells VW Polo  – vermochte diese Entwicklung jedoch nicht zu schmälern. Allein in Deutschland verkauften sich 1977 und 1978 jährlich knapp mehr als 100.000 Exemplare der beiden Baureihen, darunter befanden sich jeweils rund 40.000 Ford-Pkw. Mit Beginn der zweiten Energiepreiskrise verdoppelten sich die Verkaufszahlen gegen den allgemeinen Markttrend sogar nochmals.66 Opel: Modifikation statt Kleinwagen Etwas anders stellte sich die Lage beim dritten deutschen Volumenanbieter, der Adam Opel AG, dar. Der Rüsselsheimer Hersteller nahm keine Programmergänzungen vor und verzichtete auf einen gesonderten Kleinwagen. »Wir glauben nicht, dass der Markt der Zukunft dem Mini gehören wird«, formulierte der OpelMarketingdirektor und stellte sich damit deutlich gegen die Strategien seiner Mitbewerber. Der Lebensstandard in Mitteleuropa steige ständig an, »weshalb auch nicht einzusehen sei, warum der Käufer sich ausgerechnet beim Auto mit Kleinerem bescheiden sollte. Früher oder später werde man zum geräumigen Auto mit angemessener Leistung zurückfinden – zur Opel-Domäne Mittelklasse.«67 Der produktpolitische Handlungsbedarf, dies mag als Erklärung für die eher abwartende Haltung herhalten, war bei Opel deutlich geringer als bei VW oder Ford. Die erst im August 1973 präsentierte dritte Generation des Kadetts wurde in Kunden- und Pressetests einhellig positiv aufgenommen. Der Umstand, dass Opel seiner produktpolitischen Linie treu blieb und den alten Motoren der Vorgängergeneration lediglich ein neues Blechkleid verpasste, erwies sich in der Krisenzeit als marktgerecht.68 Der Kadett war nun als schnörkelloses und wirtschaftliches Vernunftauto kaufbar. Als einer der wenigen deutschen Modelle verlor er keine Kunden. Die Zulassungen nahmen sogar leicht von rund 123.000 (1973), über 127.000 (1974) auf 131.000 Exemplare (1975) zu.69 65 66 67 68 69

Vgl. 75 Jahre Ford, S. 101. Eigene Erhebungen aus TuZ. Zitate nach Art. »Alle deutschen Autos«, in: auto motor und sport, H. 20, 1974, S. 55. Siehe beispielhaft: Art. »ADAC -Test: Opel Kadett«, in: ADAC motorwelt, H. 12, 1973, S. 38 f. Die Verluste der Opel-Werke gingen allein auf die schwindende Nachfrage nach den höherklassigen Serien Ascona, Rekord, Commodore und der sog. »KAD«-Baureihe (Kapitän,

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Die einzige situative Reaktion auf die Ölpreiskrise blieben Produktmodifikationen. Ab März 1974 erhielt der Kadett einen noch kleineren Ein-Liter-Hubraum-Motor mit 40 PS , wobei die Konstrukteure einfach auf ein altes Antriebsaggregat aus dem Kadett A von 1962 zurückgriffen. Ein Jahr später imitierte das mit einer verlängerten Heckklappe ausgestattete Modell Kadett City das erfolgreiche Kleinkombi-Coupé-Konzept von VW Golf und Polo. Zwar begann Opel 1974 ebenfalls an der Entwicklung eines Kleinwagens zu arbeiten, als aber der nachholende Autoboom einsetzte, brach der Konzern das Projekt ab und beließ es bei einem Prototyp.70 Erst in der zweiten Energiepreiskrise verließ Opel diese produktpolitische Strategie. Erstmals seit Beginn der 1950er Jahre fuhr das Unternehmen in Deutschland wieder Verluste ein – im Jahr 1980 rund 411 Millionen DM .71 Die deutschen Konstruktionsbüros in Mersheim forcierten nun fieberhaft ihre Bemühungen, eine eigene Kleinwagen-Baureihe für den europäischen und amerikanischen Markt zu entwerfen. Der Opel Corsa konnte allerdings erst 1983, rund zwei Jahre nach der eigentlichen Absatzkrise, auf den deutschen Markt gebracht werden und hatte nun mit der bereits etablierten Konkurrenz zu kämpfen. Entsprechend hoch waren die Markteintrittsbarrieren, weshalb der Corsa nur schwer Marktanteile gewann. Langfristig hatte sich Opel zum produktpolitischen Nachzügler des internationalen Automobilmarktes entwickelt. BMW: Sparmodelle erweitern die Nische Neben Ford setzten auch die Oberklasseanbieter BMW und Daimler-Benz in den Jahren 1973 bis 1975 auf ein downsizing. Mit den BMW 1502 und Typ 518 präsentierte der Münchner Hersteller zwei hinsichtlich Ausstattung und Motorleistung »abgemagerte Sparmodelle«72. Sie sollten als Teil einer an den »wirtschaftlichen Verhältnissen angepasste Marktstrategie« Kunden mit verhältnismäßig niedrigen Preisen und günstigeren Haltungskosten von einem Markenwechsel abhalten.73 Diese Maßnahme war jedoch von vorneherein nur als Behelf gedacht, um die Krise zu überbrücken. Das Sortiment langfristig durch eigene Baureihen nach unten abzurunden, kam für BMW zu keinem Zeitpunkt in Frage. Ohnehin war für das Jahr 1975 eine grundlegende Überarbeitung der kleinsten BMW vorgesehen, die sich als 3er-Serie (u. a. mit den Typen BMW 316, 318 und 320) an das Design des bereits 1972 erschienenen BMW-5er (u. a. BMW 518, 520, 528) anlehnten, um ein klar abgestuftes, zugleich aber möglichst einheitliches Auf-

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Admiral und Diplomat) zurück. Eigene Erhebungen. Vgl. auch Art. »Gewinn und Verlust«, in: auto motor und sport, H. 18, 1974, S. 38 f. Vgl. Art. »Vom Tortenteller«, in: Der Spiegel vom 9.9.1974, S. 127 f.; auch Biermeier, Wettbewerb, S. 177. Siehe zu den sog. X-Car-Debatten um einen Kleinwagen für den euro­ päischen und US -amerikanischen Markt: Robert F. Freeland, The Struggle for Control of the Modern Corporation. Organizational Change at General Motors, 1924–1970, Cambridge u. a. 2001, S. 289 f. Vgl. Adam Opel AG , Geschäftsbericht 1980, Rüsselsheim 1980, S. 4. Goebel, Anpassung, S. 178. Art. »Marketing im Windkanal«, in: absatzwirtschaft, Nr. 5, 1975, S. 8.

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treten der Produktfamilie sicherzustellen. Ein Vorstandsbeschluss hielt im Februar 1974 fest, dass »eine Ergänzung des Produktprogrammes unterhalb dieser Modellreihe […] auf herkömmlicher Basis nicht in Betracht kommen kann.«74 Als Spezialist, so die Begründung, müsse das Unternehmen seine begrenzten Fertigungskapazitäten im Auge behalten. Die erforderlichen Mittel, um kleine Mittelklassefahrzeuge in Masse herzustellen, drohten die Finanzierungskräfte zu übersteigen. Zudem wollte man sich nicht der direkten Konkurrenz der Volumenhersteller aussetzen und das eigene Image beschädigen. »BMW wird nicht davon abrücken können, auch in Zukunft […] ›besondere‹ Automobile zu bauen. Dazu zwingen die bisherige Produktpolitik sowie die relative Starrheit der Gegebenheiten, die für ein Automobilwerk typisch sind«75. Diese Entscheidung war ein bewusstes Bekenntnis zur produktpolitischen Nischenstrategie. Vorstand und Aufsichtsrat, insbesondere aber die Ressortleiter Finanzen, Entwicklung und Marketing waren sich einig, dass BMW langfristig nicht an drei Grundserien festhalten könne, ohne die Rentabilität in angestammten Marktsektoren zu verlieren.76 Die Präsentation eines neuen Produktes müsse stets an einer anderen Stelle des Sortiments durch eine Eliminierung eines weniger erfolgreichen Pkw-Typus kompensiert werden. Flexible Straffung des Produktportfolios lautete unter den gegebenen Produktionsspielräumen die Leitlinie. Die Aufgabe, das Typenprogramm anzupassen und zugleich klein zu halten, erhielt seit 1973 die Marketingabteilung. Sie legte jährlich Konzeptpläne für die Bereinigung des Sortiments vor.77 Sie übernahm das strategische Portfolio-Management, um den Produkt-Mix möglichst dynamisch an interne Kapazitätskriterien und externe Nachfragebewegungen auszurichten.78 »Innerhalb der Unternehmenspolitik ist als einer der wesentlichen Grundsätze die Beibehaltung eines Nachfrageüberhanges zu sehen«79, formulierte der BMW-Programmplan. Ähnlich wie die Volumenhersteller sah sich somit auch der Spezialist dazu veranlasst, seine technische Modellentwicklung konsequent auf einem flexiblen Baukastensystem fußen zu lassen – auch wenn es hier nicht zu sehr um Kostendegressionseffekte bei der Massenherstellung, sondern um einen möglichst optimalen Einsatz der begrenzten Fertigungskapazitäten, die Vermeidung einer

74 BMWGA , UA 852/1, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 6.2.74, S. 35. 75 Ebd., S. 36 f. 76 Vgl. ebd., UA 1508/2, Protokoll zur Aufsichtsratssitzung der BMW AG vom 8.12.1976, S. 12. 77 Vgl. ebd., UA 851, Protokoll zur außerordentlichen Vorstandssitzung vom 18.10.1973, S. 2, insbes. Unterpunkt: Straffung der Modellvarianten. 78 Vgl. zur zeitgenössischen Rezeption des Produktportfolio-Konzepts: Bidlingmaier, Marketing 1, S. 157. Zur Bedeutung von Marktfeldstrategien wie der ›Ansoff-Matrix‹ oder der bis heute gängigen Portfoliomatrix der Boston Consulting Group: Hansen / Bode, Marketing, S. 150–153. 79 BMWGA , UA 1508/2, Protokoll zur Aufsichtsratssitzung der BMW AG vom 8.12.1976, S. 9, Unterpunkt: Langfristige Unternehmensplanung der BMW AG 1977–1982.

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teuren Autoproduktion auf Halde und um eine Einsparung von Forschungs- und Entwicklungskosten ging.80 Die Modifikationen an den BMW-Modellen konzentrierten sich primär darauf, die Motoren von Super- auf Normalbenzin umzustellen. Im Februar 1974 beauftragte der Vorstand seine Konstruktionsbüros mit höchster Dringlichkeit, neue Sparmotoren zu entwickeln, da es  – so wörtlich  – »aus psychologischen Gründen und unter dem Aspekt der steigenden Kraftfahrzeughaltungskosten erforderlich sein kann, die Motoren […] umzurüsten.«81 Als Vorgabe war einerseits zu berücksichtigen, dass die Leistungsdaten der neuen Motoren eine günstige Einstufung in die Prämienklassen der Haftpflichtversicherung erlaubten – ein Kriterium, das auch bei Opel oder Daimler erstmals als Auflage für den Motorenbau formuliert wurde.82 Andererseits sollten die Aggregate in Rücksicht auf das BMW-Image keine gravierenden Einbußen in den Beschleunigungswerten aufweisen. Für den Fall, dass die Kunden nach Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzungen zu einer sportlichen Fahrweise zurückkehrten, müsse auch ein Normalbenziner die erwarteten Eigenschaften liefern.83 Die Ingenieure sollten also die Quadratur des Kreises angehen – ein Anspruch, in dem sich die Unsicherheit deutlich widerspiegelt, die sich mit produktpolitischen Entscheidungen in dieser Zeit verbanden. Mit dem Modell 1502 bot BMW ab Beginn 1975 erstmals seit mehr als 14 Jahren wieder ein Fahrzeug mit einem Normalbenzinaggregat an. Ab September wurden die jeweils kleinsten Modelltypen der 3er- und 5erReihen entsprechend umgerüstet.84 Dieser Strategie folgten weitere Anbieter. Opel und Ford rüsteten ab 1974 zumindest einen Fahrzeugtyp aus jeder Baureihe mit einem Motor aus, der kein Superbenzin mehr benötigte. Die VW-Modelle Golf und Polo waren in den meisten Varianten schon bei der Markteinführung auf Normalbenzin ausgelegt. Ab Ende 1974 stattete der Konzern auch die Mittelklassemodelle entsprechend aus. Selbst Daimler-Benz bot auf dem Höhepunkt der Krise sein kleinstes Modell, den Typ 200, wahlweise mit einem Normalbenzinmotor an. Technisch ausgereift war diese kurzfristige Lösung aber nicht, da der modifizierte Daimler-Motor nun aber deutlich mehr Normalkraftstoff als die herkömmlichen Fahrzeuge verbrauchte.85 Mercedes-Benz: Diesel und Vorratsentwicklung Auch Daimler diskutierte zum Jahreswechsel 1973/74, ob man mit einer eigenen Baureihe auf die veränderten Kundenpräferenzen reagieren sollte. Ebenso stark waren aber auch hier die Vorbehalte: zu unsicher erschien, ob sich das Käufer80 Vgl. Biermeier, Wettbewerb, S. 174. 81 Ebd., UA 852/1, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 6.2.1974, S. 15. 82 Vgl. Biermeier, Wettbewerb, S. 170 f. 83 Vgl. BMWGA , UA 852/1, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 6.2.1974, S. 15. 84 Vgl. Oswald, Deutsche Autos, Bd. 4, S. 196. 85 Vgl. ebd., S. 71; Art. »Übers Knie«, in: Der Spiegel vom 17.12.1973, S. 58.

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verhalten gerade der einkommensstarken Kundenklientel dauerhaft wandeln würde; zu hoch schätzten die Entscheidungsträger das Risiko ein, unter dem Eindruck einer unwägbaren Sondersituation derart weitreichende Investitionsentscheidungen vorzunehmen und mit der qualitätsorientierten Firmenphilosophie zu brechen.86 Im Unterschied zu BMW suchte das Unternehmen einen Kompromiss. Während die Außenkommunikation vehement die Notwendigkeit eines ›Volks-Mercedes‹ verneinte,87 begann man intern noch im Winter 1973/74, eine Vorstudie zu erarbeiten. Da zumindest eine Restwahrscheinlichkeit bestehe, dass der Trend zu relativ wirtschaftlichen Fahrzeugen anhalte, betonte die Abteilung Unternehmensplanung, »kommt – trotz der auf der Hand liegenden Problematik hoher Investitionen für die erforderlichen Stückzahlen  – der Vorratsentwicklung eines sogenannten kleinen DB -Pkw wesentliche Bedeutung zu.«88 Im Herbst 1974 präsentierte der Leiter F&E, Hans Scherenberg, erstmals dem Vorstand eine Ideenskizze. Selbst nachdem sich die Absatzlage erholte, führte der Konzern seine Vorbereitungen weiter. 1978 begannen die Tests eines Prototyps. Diese proaktive Vorbereitung zahlte sich aus. Als der zweite Ölpreisschock einsetzte, besaß Daimler bereits die notwendigen Blaupausen und entschied sich tatsächlich, in eine neue Fertigungslinie zu investieren. 1982 lieferte das Werk Sindelfingen, etwas später auch Bremen, den sog. ›Baby-Benz‹ Typ 190 aus.89 Als kurzfristige Reaktion hatte der Stuttgarter Hersteller jedoch 1974 ausschließlich auf Fahrzeugmodifikationen gesetzt, um »die Verbrauchsdaten und Gesamtgewichte unserer Fahrzeuge zu senken und weitere Motorvarianten zur Verwendung von Normalbenzin vorzusehen.«90 Als Wettbewerbsvorteil erwies sich zudem der Innovationsvorsprung des Daimler-Konzerns im Bereich der Dieseltechnologie.91 Noch Ende der 1960er Jahre waren mit Diesel-Motoren ausgestattete Fahrzeuge oft belächelt worden. Sie galten zwar als zuverlässig und langlebig. Aufgrund des überproportionalen Gewichts bei recht schwachen PS -Leistungen litten sie aber unter Imageproblemen. »Diesel-Fahrer […] werden ohne Zögern assoziiert mit Taxifahrern und mit behäbigen, knickrigen Gewerbetreibenden, die im Auto ihre Hosenträger zeigen und Stumpen rauchen«92, ermittelte noch 86 Vgl. HAD, Zahn / HS Raue 236, Thesen für eine Diskussion über den langfristigen Einfluss von Versorgungsschwierigkeiten mit Mineralöl auf die DBAG vom 21.12.1973, S. 15 f. 87 Vgl. Hermann Renner / F. G. Pohle, Die deutsche Automobilindustrie in der Krise – Gespräch mit Professor Scherenberg: »Einen Volks-Mercedes werden wir nie bauen«, in: Die Welt vom 4.2.1974, S. 1. 88 HAD, Zahn / HS Raue 236, Thesen, S. 15 f. 89 Siehe hierzu Legate, Faszination, S. 148. 90 HAD, Zahn / HS Raue 236, Thesen, S. 15 f. 91 Vgl. Art. »Mercedes: Vom Diesel leben«, in: auto motor und sport, H. 20, 1974, S. 52. Siehe zur Dieseltechnologie Andreas Knie, Diesel. Karriere einer Technik. Genese und Formierungsprozesse im Motorenbau, Berlin 1991; Christopher Neumaier, Dieselautos in Deutschland und den USA . Zum Verhältnis von Technologie, Konsum und Politik, 1949–2005, Stuttgart 2010. 92 Art. »Lahmer Geliebter«, in: Der Spiegel vom 29.12.1969, S. 87.

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1969 die Marktforschung. Jetzt in der Energiepreiskrise, schlussfolgerte Daimler-Benz, könnten Diesel-Pkw aber mit der ihnen nachgesagten Wirtschaftlichkeit punkten. Es zeichnete sich ab, dass aus der Kundenperspektive die höhere Energieeffizienz zahlreiche Negativaspekte – schlechte Beschleunigung, starke Motorengeräusche, giftiger Rußausstoß – aufwogen. Ein Dieselantrieb galt als bester Kompromiss, um gerade Großfahrzeuge kosten- und verbrauchsbewusst zu nutzen, ohne auf Prestige und Komfort zu verzichten.93 Im Nachgang der Ölpreiskrise entwickelte sich geradezu eine Diesel-Euphorie auf dem deutschen und auch auf dem US -amerikanischen Markt, wo die Bauart aufgrund der strikteren Verbrauchsgesetze zum Verkaufserfolg avancierte. Auch technische Weiterentwicklungen halfen die negativen Gebrauchseigenschaften zu verringern. Daimler-Benz erweiterte seine Dieselflotte von zunächst zwei auf vier Modelle. Bei schwachen Antriebsleistungen von 55 bis 65 PS und einem Gesamtgewicht von rund 1,5 Tonnen wiesen die Modelle eine wohl zeitgemäße, aber konstruktionstechnisch eher eigenartige Untermotorisierung auf.94 Unabhängig davon stieg der Anteil der Diesel-Pkw an der Daimler-Fahrzeugproduktion innerhalb von nur einem Jahr von 35 (1973) auf 43 Prozent (1974) bzw. rund 150.000 Exemplare. Jeder vierte Export war nun ein Dieselfahrzeug. Auf dem Höhepunkt der allgemeinen Absatzkrise wurden damit fast so viele ›Diesel‹ wie ›Benziner‹ verkauft.95 Der Dieselboom unter den privaten Kunden des Stuttgarter Werkes blieb aber ein nur kurzzeitiges Phänomen. Nach 1975 stagnierte der Absatz, der nun wieder meist auf Taxiunternehmer entfiel. Dennoch hatte die Dieseltechnologie dem Konzern ermöglicht, die Krisenfolgen entscheidend abzumildern.96 Neben Daimler gelang es lediglich Volkswagen ab Ende der 1970er Jahre für Diesel-Versionen des Passats (ab 1978) und Golfs (1981) nennenswerten Absatz zu generieren und sich in diesem Feld zu etablieren.97

93 Vgl. Art. »Autos nach der Krise«, in: auto motor und sport, H. 4, 1974, S. 31. 94 Eine Ausnahme bildete das Diesel-Spitzenmodell Typ 240 D 3.0 mit 85 PS . Vgl. Art. »Lahmer Geliebter«, in: Der Spiegel vom 29.12.1969, S. 87; Art. »ADAC -Test: Mercedes 200«, in: ADAC motorwelt, H. 6, 1976, S. 26 f. Daten zu Daimler-Dieselangebot aus: Oswald, Deutsche Autos, Bd. 4, S. 70 f.; Goebel, Anpassung, S.178. 95 Eigene Erhebungen auf Basis der Zulassungszahlen der Baureihen in: TuZ, jeweilige Jahrgänge. 96 Vgl. Neumaier, Dieselautos, S. 103 f.; Art. »Mercedes: Vom Diesel leben«, in: auto motor und sport, H. 20, 1974, S. 52. 97 Der VW Golf D verkaufte sich schon im ersten Jahr nach seiner Markteinführung über 50.000mal in Deutschland: die Diesel-Versionen des Passats und Audi 80 über 15.000 Exemplare, später jährlich rund 30.000 Exemplare. Der Erfolg der Dieseltechnologie entwickelte sich dagegen erst Mitte der 1980er Jahre, als die Motoren in die Klein- und Kompaktwagen eingebaut wurden. Vgl. Stefan Wolteredi, »Volksdiesel«, in: Die Zeit vom 17.9.1976, S. 12; Art. »Schwarze Wolken«, in: Der Spiegel vom 3.7.1978, S. 86; Bauer, PkwBau, S. 24.

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Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

Das schnelle Ende der Bescheidenheit: Produktaufwertungen 1975–1982

In der Gesamtsicht wirkte die Energiepreiskrise als Katalysator für eine Produktpolitik, die auf breitere Sortimente und Baukastenfertigung setzte. Allerdings wirkte das Krisenmanagement langfristig nach. Die neuen Instrumente waren darauf ausgelegt, die Abwehrkräfte neu auf alle potentiellen Szenarien der Markt- und Gesellschaftsentwicklung auszurichten; den Firmen prophylaktische Spielräume für flexible Anpassungen zu eröffnen, um ihre Resilienz gegenüber zukünftigen Nachfrageschwankungen zu stärken. Ob trading up oder trading down  – die Hersteller konnten nun jeden Trend mitgehen. Als sich 1975 ein Ende der Absatzkrise andeutete, schwenkten sowohl Massen- als auch Spezialanbieter auf eine zweigleisige Strategie ein. Parallel zu ihren Bemühungen des downsizing begannen sie Teile ihre Sortimente wieder aufzuwerten. Auf der Basis horizontaler Modelldifferenzierungen aus dem Baukasten arrondierten sie ihre Baureihen in Richtung Komfort, Ausstattung und Leistung.98 Die erfolgreiche Markteinführung des VW Golf GTI im Juni 1976 ist sicherlich eines der stärksten Signale, dass die Zeit der Bescheidenheit im Automobilbau wieder auslief.99 Ausgestattet mit einem 110 PS starken Einspritzmotor präsentierte sich der zuvor als bescheidener ›Volks-Wagen‹ gefeierte Golf in einem muskulös-aufdringlichen Gewand, das selbstbewusst mit den Attributen Individualität, Prestige und Sportlichkeit kokettierte. Den Umstand, dass der Golf GTI fast zeitgleich mit einer neuen 50 PS -Dieselversion erschien, empfanden offenbar weder Hersteller, Kunden oder die Fachpresse als Widerspruch. Das Produktfeld breit aufzuspannen, wurde eher als Ausdruck der Bemühungen goutiert, jeden Konsumwunsch entsprechen zu wollen.100 Der GTI sei der »Star der Auto-Renaissance« jubilierte die Presse. Mit ihm ließen sich alle Lebensentwürfe einer modernen Gesellschaft abbilden: Als Golf in schlicht und Golf in schwarz, als Golf in Spar- und Golf in Sprintversion, als Golf für Einsame und Golf für Familien [wurde] der VW-Neuling auf Anhieb zum Renner der Saison. […] Der Rückzug der Anti-Auto-Fronde und den wiederkehrenden Spaß der Deutschen am PS -Spiel gaben den Branchen-Größen ihre heile Welt zurück.101

Der Markt federte gewissermaßen zurück auf seine endogenen Wachstumskräfte. Allein zwischen 1975 und 1976 stiegen die Neuzulassungszahlen in der oberen Mittelklasse um 49 Prozent, in der Ober- und Luxusklasse um deutliche 98 Vgl. zu dieser Phasenunterteilung auch bereits Goebel, Anpassung, S. 174. 99 Vgl. Canzler / K nie, Ende des Automobils, S. 56. 100 Vgl. Oswald, Deutsche Autos, Bd. 3, S. 72. 101 Zit. nach: Art. »Der Erfolg hat uns total überrascht. Spiegel-Report über den Marktrenner VW ›Golf‹ und die anziehende Auto-Konjunktur«, in: Der Spiegel vom 8.9.1975, S. 38.

Ein Auto für jeden Geschmack

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34,5 Prozent.102 Mit der Größe der verkauften Fahrzeuge stiegen die Gewinnmargen pro Verkauf um bis zu 25 Prozent.103 Endlich konnten die Produzenten nun ihre ursprünglichen Modellkonzepte aufgreifen, die in den Jahren zuvor in den Schubläden verschwunden waren. Die Adam Opel  AG lieferte ihre Baureihen Ascona und Manta im Sommer 1975 mit deutlich größerer Karosserie aus. In der Oberklasse lösten der Senator und seine Kombi-Coupé-Variante Monza 1978 die nur noch wenig erfolgreichen Modelle Kapitän, Admiral und Diplomat ab. Die einfach aus der RekordKarosserie abgeleiteten und mit Großmotoren aus dem Baukasten des Commodore ausgestatteten Top-Modelle waren als Konkurrenten zu BMW und Mercedes gedacht.104 Ford erneuerte ab 1976 alle Mittelklassemodelle vom Escort über den Taunus, Capri bis zum Granada. Der Volkswagenkonzern setzte mit der Marke Audi neue Akzente. Ebenfalls 1976 erschien das Marken-Flaggschiff Audi 100 in modernerem und größerem Gewand. Der ›kleine‹ Audi 80 passte sich durch ein umfangreiches Facelift an das neue Design an. 1978 folgte eine Neuauflage, die mit längerem Radstand, breiterer Spur und größerer Karosserie die Komfortwünsche der Kunden erfüllte. Selbst die Spezialisten Daimler-Benz und BMW gestalteten schon ab 1975 ihre ›unteren‹ Produktlinien (BMW 3er und Mercedes 200er) neu, um vom neuen Autoboom zu profitieren. Allein dieser kurze Überblick führt zu dem auffallenden Ergebnis, dass ab Mitte 1975 binnen 24 Monaten alle Mittelklasse-Baureihen der deutschen Hersteller modernisiert wurden.105 War das downsizing eher spontan und sporadisch ausgefallen, zeigten die Produzenten nun eine geschlossene Produktoffensive. Als weiteres Merkmal der Wiederaufschwungsphase ist hervorzuheben, dass die Hersteller die Typenmatrix innerhalb der Baureihen klarer ordneten. Das Gesamtprodukt Automobil konnte der Kunde nun eigenständig aus einem Katalog von Modulen auswählen. Wesentlich konsequenter als zuvor stufte sich etwa beim Opel Rekord, Ford Taunus oder VW Golf das Angebot ausgehend in sechs bzw. sieben Leistungsschritten nach oben ab. Da die Motoren nun immer in mehreren Produktserien verbaut wurden, konnten die Hersteller die Zahl der insgesamt produzierten Aggregate reduzieren.106 Dem Ziel der horizontalen Differenzierung bei gleichzeitiger Senkung des Kostenrisikos diente in ähnlicher Weise, dass Ausstattungselemente zu einheitlichen Produktlinien zusammengeführt wurden. Die Ausstattungspakete, welche den Pkw-Typen jeweils ihre Namenzusätze wie z. B. Golf L, S, LS , GLS oder GTI gaben, 102 Vgl. Goebel, Anpassung, S. 180. 103 Vgl. Weiher, Entwicklung, in: Eymüller / Böcker (Hrsg.), Automobilindustrie, S. 12. 104 Siehe zur Kritik der Fachpresse an den neuen Opel-Oberklassemodellen: Art. »ADAC Autotest: Ein Opel will nach oben«, in: ADAC motorwelt, H. 8, 1978, S, 16 f. 105 Eine Ausnahme bildeten die während der Energiepreiskrise erschienenen VW-Modelle. 106 Beispielhaft waren die Motormodule des Golfs, Polo und Scirocco ebenso identisch wie die Antriebsaggregate des Passats und Audi 80.

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Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

fanden sich meist nur unwesentlich modifiziert in allen Baureihen wieder.107 Auf diesem Wege war es den Herstellern einerseits möglich, auch kleinere Ausstattungsdetails (wie Lenkräder, Innenverkleidungen, Instrumentenkonsolen, Scheinwerferdesigns o. ä.) in die Gleichteilepolitik zu integrieren. Andererseits schufen sie leicht erkennbare, segmentübergreifende Produktidentitäten, die sich marketingstrategisch nutzen ließen.108 Die Typenkennung am Heck avancierte zum Ausweis für das Fahrzeug und seinen Fahrer. Ein junger, sportlicher, zugleich Prestige und Understatement suchender GTI-Fahrer ließ sich im Straßenbild leicht von einem zurückhaltenden, energie- und umweltbewussten Nutzer eines Basismodells unterscheiden. Dies erleichterte die Identifikation des Konsumenten mit dem Produkt als Ausdruck seines Lebensstils. Die komplexen Gesellschaftsstrukturen bildeten sich matrixartig in den Modellprogrammen ab. Spätestens Ende der 1970er Jahre boten die Hersteller somit vertikal und horizontal fein differenzierte Programmpaletten an. Sie bildeten die neue Vielfalt der Kaufmotive sowohl absteigender als auch aufsteigender Kunden ab und ließen sich durch Modellvariationen elastisch auf die Nachfragebewegungen auf dem Automobilmarkt anpassen. Dies zeigte sich insbesondere, nachdem die Autokonjunktur in der zweiten Ölpreiskrise ab 1979 wieder abbrach und sich die Käufer wieder unteren Segmenten zuwandten. Anders als noch rund eine halbe Dekade zuvor stellte dieser Umstand die Automobilhersteller nun nicht mehr vor Herausforderungen.109 Der Marktanalyst Mathias Graumann beurteilte die Vollsortimentspolitik der deutschen Autobauer vor diesem Hintergrund als marketingstrategische Antwort auf den Trend zum »Auto für jeden Geschmack« und als »Ergebnis einer kombinierten Strategie der Erhöhung von Produktnutzen und Senken von Produktionskosten […]. Eine derartige Strategie ist Mengen- und Nischenstrategie zugleich. Sie erwächst aus einer auf Kunden­bedürfnissen ausge­ richteten Strategie und ist robust gegenüber unsicheren Marktentwicklungen.«110

2. Sortimentspflege: Modelllaufzeiten und Facelifts Vor dem Hintergrund der Produktoffensive scheint es zunächst widersprüchlich, dass sich mit dem Übergang zum Vollsortiment eine tendenzielle Verlängerung der Zyklen des Modellwechsels verband. Die Modelllaufzeiten deutscher Automobile beliefen sich auf durchschnittlich vier Jahre in der ersten und auf 5,8 Jahre in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre. Mit Beginn der 1970er Jahre erhöhten 107 Vgl. Modellübersichten für VW Golf, Ford Taunus und Opel Rekord in: Oswald, Deutsche Autos, Bd. 3, S. 73, 254 u. 408. 108 Vgl. UVW, 250/2/1, Modellmatrix der Modelle EA 400, EA 838, Ford Taunus und Opel Kadett, Volumenschätzungen für das Kalenderjahr 1975. 109 Siehe Biermeier, Wettbewerb, S. 173. 110 Graumann, Analyse, S. 167.

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Modelllaufzeiten und Facelifts

sich die Präsenzzeiten der Baureihen zunächst auf 6,6 (1970–1974), später auf 6,9 Jahre (1975–1979).111 Betrachtet man die Modelllaufzeiten nach Anbietern, zeigt sich eine zunehmende Konvergenz der modellpolitischen Strategien. Die Tabelle 29 weist die jeweiligen Abstände zwischen Modellwechseln und kleineren Facelifts auf. Wie bereits angedeutet, setzten insbesondere GM und Ford neue Akzente. Beide hatten ursprünglich auf schnelle Modellerneuerungen vertraut, um die Nachfrage zu stimulieren. Nach 1974 verlängerten sie die Laufzeiten und näherten sich damit an die Volkswagen  AG an. Letztere wiederum reduzierte die Modelllaufzeiten von langen neun auf noch sieben Jahre und ging somit ebenfalls einen Schritt auf die Konkurrenten zu. Die Laufzeiten glichen sich an. Dies galt auch für die Spezialisten.112 Bereits zu Beginn der 1970er Jahre benannte der VW-Marketingplan die Frequenz des Modellwechselns als zentrales Steuerungselement der Produktstrategie.113 Führt man sich die Tragweite vor Augen, mit der die Modellwechsel auf die Produktion, Investition, Entwicklung und Marketing einwirkten, ist diese Einschätzung kaum verwunderlich. Hier kulminierte das Problem, in einem unsicheren Marktumfeld langfristige Investitions- und Innovationsstrategien festzulegen, zugleich aber flexibel genug zu bleiben, um auf Absatztrends zu reagieren. Die Modelllaufzeiten bestimmten den Lebenslauf eines Produktes, den Takt des Marketings und damit nicht zuletzt den »gesamten Lebensrhythmus eines Unternehmens«. Von ihm sei der »langfristige Erfolg im Markt abhängig«, urteilte der Daimler-Marketingexperte Willi Diez.114 Tab. 29: Modellwechsel und -pflege, 1960–1990 (durchschn. Zyklen in Jahren) Modellwechselzyklen Marke / Jahr

Modellpflegezyklen

1960–1975

1975–1990

1960–1975

1975–1990

BMW

8,0

4,7

4,0

2,9

Daimler-Benz

5,0

6,7

3,1

3,6

Volkswagen

9,0

7,0

5,8

2,8

Ford

3,4

5,0

2,8

3,7

Opel

2,9

5,7

2,5

3,0

Quelle: Eigene Erhebungen auf der Basis von TuZ und Oswald, Deutsche Autos, Bde. 3 u. 4. Berücksichtigt wurden lediglich vollständig abgeschlossene Modellzyklen einer Auswahl von insgesamt 15, der meist produzierten Baureihen. Ab 1975 ohne VW Käfer. 111 Berücksichtigt sind die abgeschlossenen Modellzyklen aller Pkw-Baureihen der Jahrgänge ab 1950. Die Modelllaufzeit des seit 1938 produzierten VW Käfers ist ausgenommen. Die Ergebnisse basieren auf einer Erhebung von Diez, Modellzyklen, S. 266. 112 Vgl. Goebel, Anpassung, S. 192 f. 113 Siehe UVW, 250/2/1, Langfristiger Marketingplan, S. 50 f. 114 Diez, Modellzyklen, S. 263.

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Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

Nach der modernen Marketingtheorie lassen sich idealtypisch drei strategische Optionen für die Modellwechselpolitik unterscheiden: Erstens eine Kombination von kurzen Laufzeiten und niedrigem Innovationsgrad. Wie gezeigt, praktizierte Opel lange Zeit diese Strategie. VW setzte vor der Ölpreiskrise dagegen auf die zweite Variante: die Marktabschöpfung durch lange Marktpräsenz bei geringer technologischer Produktentwicklung. Beide Varianten waren absatzorientiert. Sie betrachteten die Modelllaufzeit als aktive, den Innovationsgrad als abhängige Variabel. Die dritte Variante war dagegen technologieorientiert. Bei den Spezial- und Nischenanbietern wurden längere Laufzeiten zugunsten einer jeweils einschneidenden technischen Optimierung der Modelle in Kauf genommen. »Nachhaltige Qualität durch Zeit«115 lautete die Devise, um sich vom Angebot der Massenhersteller abzusetzen. Für welches Strategieprofil man sich entschied, wurde seit den 1970er Jahren stark von den Unternehmen reflektiert. Schließlich hatten die Exempel Opel und Volkswagen gezeigt, mit welchen Risiken die wenig innovationsfreudige Strategie einer langfristigen Nachfrageabschöpfung verbunden war. Zum anderen führte die Marktforschung nun den Entscheidungsträgern die Folgen einseitiger Produktstrategien stichhaltig vor Augen. Die sich stetig verschlechternden Umfragewerte zeigten auf, wie ein zu geringer Innovationsgehalt das Marken- und Produktimage langfristig beschädigte.116 Im Vorfeld der Präsentation des neuen Produktprogramms spielte die VWMarketingabteilung die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Modellwechselfrequenzen dezidiert durch, um ihre Imagewirkung abzuschätzen. Kurze Wechsel von drei bis vier Jahren, so ihre Bewertung, garantierten eine »sehr schnelle Reaktion auf sich wandelnde Geschmacksrichtungen sowie höhere Kaufkraft, [provozierten] aber auch Imageverluste durch den Eindruck eine ›planned obsolence‹ und eines geringen Wiederverkaufswert.«117 Zu der Option, weiter auf lange Laufzeiten zu setzen, notierte sie demgegenüber: »Kaum Möglichkeiten, auf sich wandelnde Konsumentengewohnheiten Rücksicht zu nehmen, Imageverluste bei den Faktoren Fortschrittlichkeit, Modernität, aber Imagevorteile hinsichtlich der Reife der Produkte.«118 Die neue 5-Jahres-Regel galt nun als Kompromiss, um beides zu verbinden. Eine auf die Weiterentwicklung aller potentiellen Imagefaktoren ausgerichtete Produktpolitik verlangte beides, Stabilität und regelmäßige Neuerung.119 115 Hierauf wies der VW-Generaldirektor Rudolf Leiding 1974 hin: Art. »Wir schlafen nicht. Interview mit Rudolf Leiding«, in: auto motor und sport, H. 20, 1974, S. 35. Zur Typisierung der Strategieoptionen der Modellwechselpolitik allgemein Diez, Handbuch, S. 51. 116 Vgl. Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Automobilindustrie, S. 196; Harto Schlegel, Produktplanung in der Automobilindustrie, in: Zeitschrift für Organisation 43, 1974, S. 23. 117 UVW, 250/2/1, Langfristiger Marketingplan, S. 53. 118 Ebd. 119 Vgl. ebd.

Modelllaufzeiten und Facelifts

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Nach der Ölpreiskrise war eine neue Technologieorientierung allerdings nicht allein aus Imagegründen geboten. Wachsende Produktanforderungen und wettbewerbsstrategische Erwägungen traten hinzu. Das neue Leitbild verlangte sowohl ein gefälliges Design als auch günstige Verbrauchswerte. Die Steigerung der Energieeffizienz forderte neue technische Lösungen und damit F&E-Investitionen ein. Gleiches galt für die gesetzlichen Vorgaben zur Abgasreduzierung und Verbesserung der Fahrsicherheit.120 Um die Nachfrage nicht zusätzlich abzubremsen, konnten erhöhte Forschungskosten allerdings nicht vollständig auf die Verkaufspreise umgelegt werden. Um die Aufwendungen zu amortisieren, bestand die Alternative darin, die Ausbringungsmengen der Fahrzeugkomponenten kontinuierlich zu steigern. Nur so ließen sich Degressionseffekte in der Massenfertigung erzielen.121 Hinzu trat ein weiteres Argument, welches die Entscheidungsspielräume determinierte: Wie das VW-Marketing festhielt, war es aufgrund begrenzter finanzieller Investitions- und Forschungskapazitäten lediglich möglich, eine der sechs Baureihen des Konzerns pro Jahr zu modernisieren. Auch die Kostenseite sprach somit zwangsläufig für einen fünf- bis sechsjährigen Modellzyklus.122 Das Dilemma der Hersteller bestand nun darin, die Laufzeit-Strategien an die widersprüchlichen Nachfragesignale anzupassen. Einerseits forderten die Kunden unter dem direkten Eindruck der Energiepreiskrise mehr Modellkonstanz und höhere Werterhaltung, andererseits jedoch einen raschen Produktwandel, um die Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit der Fahrzeuge zu verbessern. Diese ›Dissonanz‹ vertiefte sich ab 1975, als der emotionale Wunsch nach einem möglichst individuellen Fahrzeug wieder aufkeimte, die Qualitätserwartungen aber hoch blieben. Die Branche reagierte hierauf weitgehend geschlossen: Sie verzichtete auf schnelle modische Modellwechsel und präsentierte nur noch dann Neuauflagen, wenn die Baureihen echte technische Weiterentwicklungen beinhalteten. Gleiches galt für Facelifts, deren Intervalle sich ebenfalls anglichen. Die Modellpflege wurde sodann nach drei bis 3,5 Jahren, d. h. zur Mitte oder im letzten Drittel der Produktlaufzeit angesetzt, um die Attraktivität der Fahrzeuge aufrecht zu erhalten.123 Zum Kriterium wurden aber auch hier substanzielle Veränderungen »mit deutlichem Novitäteneffekt. […] Sowohl bei neuen Fahrzeugen als auch bei Face-lifts müssen die optischen Änderungen durch wesentliche technische oder ausstattungsmäßige Neuerungen untermauert sein. […] Jeweils nach 7 Jahren muss ein grundsätzlich neues Modell [Hervorhebung im Original] verfügbar sein; jeweils nach 3 bis 4 Jahren erhalten die Fahrzeuge ein echtes Face-lift.«124 120 Vgl. Georg Koopmann, Probleme und Anpassungsstrategien der europäischen Auto­ mobilindustrie, in: Wirtschaftsdienst 60, 1980, S. 554. 121 Auf diesen Umstand verweist Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Auto­ mobilindustrie, S. 197. 122 Vgl. UVW, 250/2/1, Langfristiger Marketingplan, S. 53 f. 123 Vgl. ebd. 124 BMWGA , UA 851, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 3.7.1973, S. 4.

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Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

Daneben entwickelte die Branche jedoch eine neuartige Form der Sortimentspflege. Während der Modelllaufzeiten bereicherten sie die Baureihen sukzessive durch immer neue Typenvarianten. So kam etwa der Präsentation des VW Golf GTI letztlich auch die Aufgabe zu, die bereits einige Jahre erfolgreich laufende Serie zu modernisieren und die Anziehungskraft der Marke zu erneuern. Wie im Falle des VW Derby (1977), Jetta (1979) oder Santana (1981) wurden die neuen Varianten marketingstrategisch geschickt mit eigenen Namen versehen, um den Anschein zu geben, man präsentiere eine völlig neue Modellreihe. Faktisch handelte es sich aber um schlichte Produktdifferenzierungen, die der Individualisierung der Kundenwünsche entgegenkamen.125 Eine intelligente Ausdifferenzierung der Produktprogramme ersetzte das plumpe Mittel der modischen Obsoleszenz. Gleichwohl bildete dieser Umstand nur eine Randerscheinung einer Produktstrategie ab, mit der die deutschen Hersteller geschlossen auf die Leitlinie technischer Optimierung einschwenkten. Der Wettbewerb bei der Weiterentwicklung von Motor- und Ausstattungsstandards bestimmte sich immer mehr durch das Prinzip von ›Vorstoß-und-Verfolgung‹. So sah sich etwa BMW 1975 unter erhöhten Wettbewerbsdruck gesetzt, da zahlreiche in- und ausländische Anbieter durch technische Aufwertungen in ihre angestammten Absatzfelder vordrangen. Es sei daher unerlässlich, hielt der Konzernvorstand fest, den verlorengegangenen Produktvorsprung zurückzugewinnen bzw. auszubauen. »Für eine langfristig erfolgreiche Politik der hohen Preise ist der technische Vorsprung als die wesentliche Voraussetzung anzusehen.«126 Hier zeigt sich das klassische Strategiemuster des Premiumherstellers, mittels technischer Innovationsstärke eine Hochpreispolitik zu legitimieren, die man benötigte, um die Ertragslage nach den Krisenjahren zu konsolidieren.127 Bessere Gewinnmargen mussten die Nachteile der im Vergleich zu den Volumenanbietern hohen Erzeugungskosten ausgleichen. »Eine kleine Autofabrik«, so BMW-Chef von Kuehnheim in einem Zeit-Interview 1974, muss weiterhin »möglichst große und teure Autos bauen, wenn sie Erträge erwirtschaften soll.«128 Dementsprechend lautete die Planungsvorgabe, die technischen Alleinstellungsmerkmale zu stärken, um den Kunden die Möglichkeit zu bieten, auf ein »zeitgemäß kompaktes und wirtschaftliches Automobil umzusteigen, ohne technischen Standard und Geltungsnutzen einzubüßen.«129 Nur ein beständiger Vorsprung in der ›objektiven‹ Produktbeschaffenheit konnte, so die Vorstellung, den ›subjektiven‹ Imagewert der Marke grundieren und die 125 Vgl. Köhler, Marketing, in: Berghoff (Hrsg.), Marketinggeschichte, S. 282; Diez, Modellzyklen, S. 275. 126 BMWGA , UA 851, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 3.7.1973, S. 4. 127 Vgl. zum Konzept des Produktvorsprungs ebd., Protokoll zur Vorstandssitzung vom 2.3.1976, S. 2 f. 128 UVW, 1546, Presseausschnittsammlung, Art. »Wenn das Auto rückwärts fährt« in: Die Zeit vom 17.1.1974, o. S. Die zitierte Passage wurde farblich markiert und damit besonders hervorgehoben. 129 BMWGA , UA 1545, Bericht über den Vertrieb für die Aufsichtsratssitzung am 7.3.1974, S. 10.

Modelllaufzeiten und Facelifts

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bestehende Marktnische offenhalten. Wenn technisch vergleichbare Automobile von der Konkurrenz einige hundert DM günstiger zu erhalten seien, bestehe für die Kunden »überhaupt kein zureichender Grund, einen BMW zu kaufen«130, warnte 1975 auch Bernt Spiegel. Die Überzeugung, die Wettbewerber durch eine überlegende technische Qualität im Marktfeld auf Distanz zu halten, zählte allerdings nicht nur im Verhältnis zwischen deutschen Spezialisten und Massenanbietern zu den eingeübten produktpolitischen Verhaltensmustern. Der Leitsatz, dass »Image und Ästhetik […] stets durch eine Überlegenheit der Hardware untermauert«131 werden sollten, übertrug sich seit den 1970er Jahren auch auf die Klein- und Mittelwagensegmente, in denen die deutschen Volumenhersteller ihre ausländische Konkurrenz mit ähnlichen Mitteln zurückzudrängen versuchten. Auch sie mussten mit produktstrategischen Mitteln neue Distanzen schaffen, um ihre Marktstellung zu halten. Zahlreiche Unternehmens- und Branchenvertreter wiesen ab Mitte der 1970er Jahre darauf hin, dass die deutsche Automobilindustrie den schnellen Imitationsversuchen der billiger produzierenden europäischen und insbesondere ostasiatischen Konkurrenz eine nachhaltige Qualitätsstrategie entgegensetzen müsse. Die Kostennachteile in der Produktion durch eine verstärkte Gleichteilepolitik und eine Rationalisierung der Fertigung aufzufangen, galt als adäquate Antwort auf die neuen Wettbewerbsbedingungen, so Ford-Chef Robert A. Lutz.132 Noch wichtiger sei es jedoch, den Wettbewerb vom Preis wieder auf die Qualität des Produktes selbst zurück zu verlagern. Der VDA-Geschäftsführer Achim Diekmann kommentierte die neue ›japanische Herausforderung‹: Im Übrigen ist die deutsche Automobilindustrie bestrebt, ihren Vorsprung im technisch-kreativen Bereich zu halten und wenn möglich auszubauen. Bisher jedenfalls zeichneten sich die Erzeugnisse der japanischen Automobilindustrie zwar durch eine den Käufer beeindruckende Reichhaltigkeit in der Ausstattung aus, in ihrem technischen Standard konnten sie sich in der Regel jedoch nicht mit den hierzulande gebauten Automobilen messen. […] Es ist daher nur folgerichtig, wenn die deutschen Hersteller künftig verstärkt auf Produkte setzen, die nicht nur in ihrer Verarbeitungsqualität, sondern vor allem auch in ihrer technischen Qualität einen hohen Standard aufweisen. Technisch anspruchsvolle Automobile sind die einzige Produktvariante, mit der die deutsche Automobilindustrie auf die Dauer im internationalen Wettbewerb bestehen kann.133

130 Ebd., UA 1344, Spiegel, Marktpsychologisches Gutachten 1972, S. 7. Siehe zudem ebd., Spiegel, Image-Beobachtung BMW 1974, S. 38. 131 Clark / Fujimoto, Automobilentwicklung, S.  60. 132 Vgl. Art. »Die Japaner sind auf Sieg programmiert. Interview mit Ford-Europa-Präsident Robert A. Lutz über die neuen US -Kleinwagen und die Autoflut aus Japan« in: Der Spiegel vom 8.5.1975, S. 170. 133 Achim Diekmann, Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie, in: Horst Albach (Hrsg.), Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, Wiesbaden 1982, S. 72.

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Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

Wie in zahlreichen Konsumgütermärkten  – in der Textilindustrie, der Kommunikations-, Musik- und Hifi-Branche oder auch dem Maschinenbau – habe die Rückbesinnung auf eine Innovations- und Qualitätskultur des ›Made in Germany‹ den Weg gebahnt, um global langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Automobilbranche bildete hier keine Ausnahme.134 Indem sie ihre Modellwechselzyklen ausdehnten und technologisch neu fundierten, versuchten die deutschen Hersteller vor diesem Hintergrund nicht nur den gestiegenen Kundenansprüchen zu folgen. Sie beabsichtigten produktspezifische Innovationsvorstöße zu platzieren, um die Technologie- und Qualitätsführerschaft auf dem immer mehr umkämpften deutschen Markt zu erhalten. Der Mehrpreis konnte gegenüber den Kunden nur durch einen Mehrwert legitimiert werden. Folgt man dem Urteil von Clark und Fujimoto aus ihrer wegweisenden Studie zum System der Automobilentwicklung, dienten die seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre spürbar längeren Modellwechselzyklen von Ford, Opel und VW letztlich auch dazu, die Entwicklung neuer Produktgenerationen konsequent auf das Ziel auszurichten, ein möglichst einheitliches Markenbild zu schaffen.135 Die Modellpflege wurde zu einem Akt der Imagepflege. Die abgestufte Produktdifferenzierung in Größe, Preis und Technik korrespondierte mit dem Bemühen, eine produkt- und segmentübergreifende Markenidentität zu konstruieren.136

3. Sicher, sauber, sparsam, schnell: Zielkonflikte der Produktgestaltung Betrachtet man allein die Entwicklung der Angebotssortimente, drängt sich der Eindruck auf, dass der Trend zu sparsamen Automobilen in der Mitte der 1970er Jahre lediglich ein produktpolitisches Intermezzo darstellte. Nach dem Abklingen der Kriseneinwirkungen gingen die Konzerne scheinbar zu einem business as usal über. Sie bedienten den wieder aufsteigenden Konsum mit immer größeren, komfortableren und sportlicheren Modellen. Bezieht man jedoch die technische und optische Produktbeschaffenheit in die Analyse ein, zeigt sich ein wesentlich komplexeres Bild. In den Marketingabteilungen und Konstruktionsbüros 134 Vgl. Herbert Giersch / Karl-Heinz Paqué / Holger Schmieding, The Fading Miracle. Four Decades of Market Economy in Germany, Cambridge 1992, S. XI; Christoph Buchheim, Die Bundesrepublik in der Weltwirtschaft, in: Wolfgang Benz (Hrsg.), Die Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2: Wirtschaft, Frankfurt / M. 1989, S. 190 f. Am Beispiel des Instrumentenbaus auch Berghoff, Kleinstadt, S. 601 f. 135 Vgl. Clark / Fujimoto, Automobilentwicklung, S. 52. 136 Vgl. HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, Ford 1973, Pressemappe »Dear Henry«, S. 1.

Zielkonflikte der Produktgestaltung 

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hinterließen Autokritik und Energiepreiskrise nachhaltige Folgewirkungen, wenn es darum ging, die Leistungseigenschaften der Automobile an ein neues, breiteres Feld von Anforderungen auszurichten. Drei Kriterien an das Auto der Zukunft traten im Verlauf der 1970er Jahre zu den konventionellen Ansprüchen hinsichtlich Qualität, Komfort, Geräumigkeit und Leistungsfähigkeit hinzu: eine möglichst hohe Umweltfreundlichkeit, eine Steigerung der aktiven und passiven Sicherheit sowie schließlich eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit.137

3.1 Neue Anforderungen, neue Entwicklungsschwerpunkte In den Bereichen Sicherheits- und Umwelttechnik fiel die Reaktion der Hersteller auf die öffentliche Kritik und staatliche Regulierungsversuche stark uneinheitlich aus. Ambitioniert und frühzeitig gingen die Hersteller die Herausforderung an, die Verkehrs- und Unfallsicherheit zu erhöhen. Mit Beginn der 1970er Jahre verbesserten sie die aktive Fahr-, Wahrnehmungs- und Bedienungssicherheit der Fahrzeuge.138 Lenkungsstabilisierende Bremssysteme, größere Fensterflächen und Intervall-Scheibenwaschanlagen für bessere Sicht, leichter erreichbare Bedienungselemente sowie ergonomische Sitzflächen zählten u. a. frühzeitig zum festen Bestandteil der Entwicklungspläne.139 Zu einem neuen Forschungsschwerpunkt entwickelte sich parallel die Steigerung der passiven Sicherheit, um die Unfallschäden für Mensch und Maschine abzumildern. Alle Hersteller arbeiteten spätestens seit dem Ende der 1960er Jahre mit Unfallsimulatoren. Zunächst kamen dabei Fahrer-Dummys, ab 1972 erstmals bei Daimler-Benz auch Fußgänger-Dummys zum Einsatz, um Kollisionsfolgen zu testen. Die Konstrukteure begannen die Effektivität von Gurtsystemen und Airbags zu analysieren. Die Entschärfung von scharfkantigen Schalttafel- und Türarmaturen sowie eine stärkere Polsterung der Bauteile sollten im Fahrzeuginneren helfen, Verletzungen zu vermeiden. Die Materialforschung und Karosserieentwicklung konzentrierten sich auf eine Verminderung der Unfalldeformationen durch neuartige Stoßfänger, Knautschzonen und eine höhere Steifigkeit von Fahrgastzellen und Außenblechen.140 Diese Auflistung beinhaltet zwangläufig nur einen Teil der sicherheitstechnischen Experimente, deren Ergebnisse ab 1970 auf Initiative der US -amerikanischen und deutschen Verkehrsbehörden in der Konstruktion von sicherheits137 Vgl. Koopmann, Probleme, S. 554; Diekmann, Automobilindustrie, S. 34. 138 Zur Definition der Innovationsfelder der aktiven Sicherheit siehe Hans Joachim Förster, Das Transportsystem Straßenverkehr, in: Automobil-Industrie 2, 1974, S. 35–47. 139 Vgl. Art. »Sicherheitsautos für Tage ohne Tote«, in: Der Spiegel vom 16.8.1971, S. 86–104; Goebel, Anpassung, S. 209 f. 140 Vgl. zu den Schwerpunkten der Sicherheitstechnik: Adam Opel  AG (Hrsg.), Umweltschutz, Sicherheit, Energieeinsparung. Aufgaben für den Automobilbau, Rüsselsheim 1979, S. 9 f.

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Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

optimierten Konzeptfahrzeugen (Experimental Safety Vehicles, ESV)141 erprobt wurden und schließlich im Verlauf der Dekade nach und nach in die Serienferti­ gung übernommen wurden. Der Vorreiter auf diesem Gebiet war, wie erwähnt, Daimler-Benz.142 Als Impulsgeber wirkten die gesetzlichen Vorgaben, vielmehr aber noch das spürbar gesteigerte Sicherheitsbewusstsein der Pkw-Fahrer, welches sich als messbar bedeutenderes Kaufkriterium auch in Marktforschungsumfragen abbildete.143 Es waren daher marketingstrategische Überlegungen, die der Automobilindustrie eine größere Verantwortung lehrten. Zusätzliche Sicherheitselemente einzubauen, ließ sich dabei zugleich als wertsteigendes Element für die Vermarktung nutzen. Die Investitionen konnten somit über höhere Produktpreise refinanziert werden – ein Umstand, der der qualitätsorientierten Marktstrategie der deutschen Hersteller in allen Belangen entgegenkam. Im Vergleich zum Faktor Sicherheit reagierten die deutschen Anbieter dagegen zumindest vor der Energiepreiskrise eher zurückhaltend, wenn es um die Umsetzung umwelttechnischer Innovationen ging. Zwei maßgebliche Gründe sind anzuführen: Erstens entstand den Herstellern aus den umweltgesetzlichen Vorgaben kein akuter Handlungsbedarf. Die nach der ›75er‹-Regel festgelegten Richtwerte für den Inlands- und US -Markt setzten die Standards auf ein Niveau, das bereits von den meisten am Markt befindlichen Modellen – selbst von den großen Oberklassenfahrzeugen von BMW und Daimler-Benz – mühelos unterschritten wurde.144 Auf langfristige Sicht mahnten die Reglementierungen zwar, Umweltfreundlichkeit auf die Agenda der Automobilentwicklung zu setzen. In kurz- und selbst mittelfristiger Perspektive aber konnten die Produzenten hoffen, die moderaten gesetzlichen Zielvorgaben auch ohne zusätzliche technische Hilfsmittel, wie dem Katalysator, erreichen zu können. Die Anreize, in die Umwelttechnik zu investieren, blieben also zunächst gering. Dies galt zweitens umso mehr, da die Hersteller derartige Maßnahmen nicht durch Kundenerwartungen legitimiert sahen. Im Gegenteil erkannten sie eine zunehmende Diskrepanz der veröffentlichten Meinung in Politik und Medien gegenüber den tatsächlichen Prämissen des Kaufverhaltens. Bei der individuellen Kaufentscheidung spielte ein wie auch immer geartetes Bewusstsein für die kollektivgesellschaftlichen Umweltkosten der Autonutzung offenbar keine oder eine nur stark untergeordnete Rolle. Dies schienen die Kaufmotivanalysen der Hersteller zu bestätigen, in denen es der Faktor Umweltverträglichkeit niemals 141 Vgl. Art. »Sicherheitsautos für Tage ohne Tote«, in: Der Spiegel vom 16.8.1971, S. 86; Achim Diekmann, Verkehr, Sicherheit, Umwelt, in: Internationales Verkehrswesen 23, 1971, Nr. 6, S. 136. 142 Allein bei VW wurden die Investitionskosten für ein Sicherheitsprototyp 1971 auf über 50 Millionen DM beziffert. Vgl. Art. »Sicherheitsautos für Tage ohne Tote«, in: Der Spiegel vom 16.8.1971, S. 86. 143 Vgl. Jochen Hansen, Meinungsforschung zum Auto: Was selbstverständlich ist, wird weniger interessant, in: FAZ vom 26.1.1977, S. 26. 144 Vgl. Petersen, Autoabgase, S. 387.

Zielkonflikte der Produktgestaltung 

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in die vorderen Ränge der Anschaffungsgründe schaffte – und deshalb oft auch gar nicht abgefragt wurde.145 Allein der Umstand, dass der Staat durch gesetzliche Vorgaben versuchen musste, die Nachfrage künstlich in die gewünschte Richtung zu lenken, wurde von der Branche als Indiz gewertet, dass sich hinter der Autokritik keine breite Käuferbewegung, sondern lediglich eine künstliche Anti-Auto-Kampagne von politischen Funktionseliten und kleinen Gruppen sozialträumerischer Aktivisten verbarg.146 Stellvertretend für die Haltung der Industrie sei hier auf eine längere Stellungnahme des VDA-Funktionärs Achim Diekmann verwiesen, der genau diese Stimmungslage 1971 zum Ausdruck brachte: Das Automobil ist in den letzten Jahren zunehmend in das Schussfeld öffentlicher Kritik geraten. Für den einzelnen ein noch immer begehrtes Konsumgut und unentbehrliches Fortbewegungsmittel, entwickelt es sich, so scheint es, für die Allgemeinheit mehr und mehr zu einem Stein des Anstoßes. Verstopfte Städte, steigende Unfallziffern, Lärm und Autoabgase, von den Massenmedien mit großem Nachdruck der Öffentlichkeit ins Bewusstsein gerückt, stehen im Vordergrund der immer deutlicher ins Emotionale abgleitenden Diskussion über die Zukunft des Automobils. […] Es ist offensichtlich, dass zur Zeit versucht wird, eine Art konzertierter Aktion gegen das Automobil in Gang zu setzen. […] Das Auto [passt] nicht so recht in die verschwommenen Vorstellungen von kollektiver Bedürfnisbefriedigung, die in den letzten Jahren in Mode gekommen sind. In einer Zeit, in der sich jeder und alles gefallen lassen muss, in Frage gestellt zu werden, wird es offenbar als chic empfunden, gegen das Auto zu sein. Wie hoch der einzelne die Vorteile eines jederzeit individuell verfügbaren Verkehrsmittels einschätzt, lässt sich an der Tatsache ablesen, daß der Autofahrer als Individuum von den in Presse, Rundfunk und Fernsehen mit geradezu ideologischer Verbissenheit geführten Auseinandersetzungen um das Auto völlig unbeeindruckt bleibt.147

Da der einzelne Kunde seinen Pkw offenbar ohne Rücksicht auf die Umweltbelastungen auswählte, schien es für die Automobilindustrie risikoreich, ihre Forschungs- und Entwicklungsgelder in Umwelttechnik zu konzentrieren, deren Einbau die Fahrzeuge zwangsläufig deutlich verteuerte, ohne für einen direkten Qualitätsgewinn für den Käufer zu sorgen. Man sah das Hersteller-Kundenverhältnis belastet, wenn man in Zeiten ohnehin steigender Anschaffungspreise die Kosten für gesellschaftliche Utopien auf den Autofahrer abwälze. Geschickt kramten die Vertreter der Branche damit in den alten Argumentationskisten der 1950er und 1960er Jahre, da sie ihre gesellschaftliche Verantwortung nun wieder primär darin sahen, für die sozial gerechte Verbreitung von Mobilität 145 Vgl. BMWGA , UA 1464, Marktforschungsbericht 11/74, Emnid-Studie »Aktuelle Verhaltensweisen von Pkw-Besitzern unter dem Aspekt der Energieverknappung« vom Dezember 1973, Anlage 3. 146 Vgl. Klenke, Verkehrspolitik und Umwelt, in: Abelshauser (Hrsg.), Umweltgeschichte, S. 188. 147 Diekmann, Verkehr, S. 133.

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zu sorgen. Technischer Fortschritt dürfe nicht von außen kurzfristig oktroyiert werden, argumentierte Diekmann. Der Gesetzgeber müsse in Betracht ziehen, dass die Pkw für die breite Masse der Bevölkerung weiterhin bezahlbar bleiben sollen. »Bei aller Sicherheits- und Umwelteuphorie können die wirtschaftlichen und sozialen Aspekte einschneidender, die Fahrzeuge verteuernder Vorschriften nicht vernachlässigt werden.«148 Diese Argumentation erscheint aus der Rückschau jedoch als scheinheilig. In den Medien kritisierten die Branchenunternehmer einhellig, dass der Einbau umwelttechnischer Apparate gerade den Preis kleinerer Pkw überproportional steigen ließ. Die Folge sei, dass der Staat einkommensschwächere Bevölkerungsteile künstlich von der Autonutzung abhalte und ihnen die Chance auf eine Verbesserung ihres individuellen Lebensstandards nehme. Zugleich zogen sich die deutschen Hersteller aber aus der Produktion kleinerer Fahrzeuge zurück und kehrten damit ihrem so oft betonten Prinzip des ›Auto für alle‹ bewusst den Rücken. Das eigentliche Motiv hinter solchen Versuchen, gegen die öffentliche Meinung zu steuern, war aber Zeit zu gewinnen. Das Ziel der Firmen war auf eine moderate Vorgabenpolitik zu drängen, um sich Spielraum für die kostspielige Entwicklung neuer Sicherheits- und Abgaskonzepte zu erarbeiten. Dies erschien sowohl unter finanzwirtschaftlichen als auch unter marketingstrategischen Gesichtspunkten wichtig. Solange sich in den Einstellungen der Autokunden als »die eigentliche Zielgruppe der Marktleistungspolitik«149 nicht eine Synchronität von öffentlichen und privaten Interessen erkennen ließ, wollte man zunächst den Erfolg der staatlichen Nachfragelenkung abwarten, bevor man die Forschungsund Produktionskapazitäten auf neue Ziele fokussierte.150 Gänzlich anders stellte sich die Situation nach der Energiepreiskrise dar. Jetzt rückte die Forderung nach wirtschaftlichen, d. h. vor allem verbrauchsarmen Automobilen in den Vordergrund. Die Steigerung der Energieeffizienz des Autos führte die Vorstellungen von Kunden, Politik und publizistischer Öffentlichkeit zusammen. Angesichts explodierender Benzinpreise suchten die Konsumenten nun Wege, ihre Betriebskosten zu senken. Die Forderung nach besserer Wirtschaftlichkeit kam jedoch zugleich – wenn auch unter etwas anders gelagerten Prämissen – den umweltpolitischen Forderungen des Staates und der medialen Öffentlichkeit entgegen: denn ein geringerer Benzinverbrauch ging bis zu einem gewissen Grad automatisch mit der Reduzierung des Abgasausstoßes konform. Unter dem Schlagwort der Ressourcenschonung erhielt die Entscheidung für ein sparsames Auto neben pekuniären nun auch klare umweltbezogene Anreize. Individuelle und kollektive Interessen zeigten sich zunehmend kongruent. Das neue Leitbild der wirtschaftlichen Rennreiselimousine wurde marktrelevant und verankerte sich in den Sparzielen der Konsumenten.

148 Ebd., S. 136. 149 Diez, Handbuch, S. 65. 150 Vgl. Diekmann, Verkehr, S. 133.

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Nicht nur in der kurzfristigen Präsentation von leistungsreduzierten Benzinund Dieselmodellen griffen die Hersteller die neuen Nachfrageimpulse auf. Auch in der Entwicklungsarbeit nahm eine erhöhte Energieeffizienz nun eine unverzichtbare Rolle ein. Exemplarisch urteilte der BMW-Vorstand: Sowohl bei den Konsumenten als auch in der politischen Öffentlichkeit wird »unabhängig von den schwankenden Prognosen in Bezug auf die Energiereserven das Thema ›Energieeinsparung‹ langfristig […] aktuell bleiben und damit auch die Frage des Kraftstoffverbrauchs für Pkw.«151 Selbst als das Käuferverhalten ab 1975 wieder auf größere Fahrzeuge umschwenkte, blieb diese Sensibilität für den Verbrauch erhalten. Um dem Kriterium der Wirtschaftlichkeit ebenso Rechnung zu tragen, wie dem wieder erstarkten Wunsch nach Sportlichkeit, Leistung und Individualität standen die Konstrukteure vor der Herausforderung, widersprüchliche Ziele miteinander zu harmonisieren. Zur Absicherung des Produktvorsprungs um das zeitgemäße Automobil sei es unerlässlich, »die Verbesserung der Beschleunigung, die Senkung des Kraftstoffverbrauchs, […] die Vergrößerung der Fonds-Innenräume und der Kofferräume« mit einer »Verbesserung der motorischen Leistung und der Leistungsgewichte« zu kombinieren, »wozu vor allem Maßnahmen zur Reduzierung der Fahrzeuggewichte gehören.«152 Kurz: Die neue Modellflotte sollte komfortablere und leistungsstärkere, zugleich aber leichtere und verbrauchsärmere Fahrzeuge bieten. Kein deutscher Hersteller, ob Massen- oder Spezialanbieter, konnte sich in den 1970er Jahren dem Zwang entziehen, den Kraftstoffverbrauch seiner Modelle abzusenken. Eine Möglichkeit bildete die motorseitige Verminderung des spezifischen Verbrauchs durch verkleinerte Otto- oder Dieselaggregate; eine weitere, die Karosserieformen aerodynamisch zu optimieren. »Ein spürbar verminderter Luftwiderstand war erstes Ziel der Neukonstruktion«153, benannte die OpelKonstruktionsabteilung 1977 die Entwicklungsvorgaben beim Rüsselsheimer Unternehmen. Exemplarisch wiesen die Neuauflagen des Opel Rekord, Ford Granada und VW Passat deutlich niedrigere Luftwiderstands-Beiwerte (Cw) auf. Lagen die Messwerte für die Vorgängermodelle bei etwa 0,44 bis 0,45 Cw, kamen die neuen Serien durch glatte Stromlinienformen auf Werte von 0,41 bis 0,43 Cw. Dies reduzierte den Spritverbrauch um durchschnittlich rund 15 Prozent.154 BMW baute mit großem finanziellen Aufwand erstmals einen eigenen Windkanal und setzte sich das ehrgeizige Ziel, bei der 1976er Fahrzeuggeneration CwWerte sogar unter 0,4 zu erreichen, um den Produktvorsprung zu erneuern.155 151 BMWGA , UA 1448, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 13.6.1978, S. 1. 152 Ebd., UA 1446, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 20.1.1976, Vorlage der Produktplanung, S. 5. 153 Zit. nach Art. »Weniger Wind«, in: Der Spiegel vom 18.7.1977, S. 138. 154 Vgl. ebd.; eine Übersicht von Luftwiderstandswerten in: BMWGA , UA 1446, Protokoll der Vorstandssitzung vom 2.3.1976, Unterpunkt: Entwicklung der Fahrzeuggewichte und Cw -Werte, S. 9. 155 Siehe ebd. sowie ebd., Protokoll zur Vorstandssitzung vom 20.1.1976, Vorlage der Produktplanung, S. 5.

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Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

Eine weitere Maßnahme, um die Energieökonomie zu erhöhen, bildete die Gewichtsreduzierung. Nach einer Faustformel der Ingenieure senkte die Einsparung von 100 kg Gewicht den Kraftstoffverbrauch um rund einen Liter auf 100 km Fahrleistung. Der Vorreiter in diesem Bereich war der VW-Konzern. Die GolfGeneration und die überarbeiteten Audi-Modelle basierten schon ab 1973/74 auf einer Leichtbauweise. Das neue Frontantriebskonzept erlaubte eine leichtere Hinterachsenkonstruktion und sparte die schwere Kardanwelle ein. Noch größere Wirkung zeigten minimierte Blechstärken, welche durch den erstmaligen Einsatz elektronischer Materialmessverfahren in der Konstruktion erreicht wurden.156 Diese Maßnahmen zielten ursprünglich nicht primär auf die Senkung des Kraftstoffverbrauchs. Die neue Bauweise sollte helfen, steigende Materialkosten abzubauen. Das Interesse an einer Kostensenkung in der Produktion deckte sich in der Frage der Gewichtsreduzierung rasch mit dem Konsumentenwunsch nach einem geringeren Benzinverbrauch.157 Ähnliche Koppeleffekte ließen sich auch durch die Verwendung von leichteren und zugleich günstigeren Kunststoffbauteilen erzielen. Insbesondere die Massenhersteller gingen in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre dazu über, diese Materialien zu nutzen, um die Fahrerkanzeln, Schalttafeln und Innenverkleidungen zu gestalten. Im Außenbereich kamen sie nun u. a. bei Stoßfängern und Spoilern zur Anwendung.158 Bei VW sorgte der Leichtbau dafür, dass zum Beispiel die Basisversion des Golfs (Leergewicht 790 kg) um bis zu 100 kg leichter produziert werden konnte als die zeitgleich noch auf dem Markt befindliche 1302-Version des Käfers – und dies trotz insgesamt größerer Abmessungen und einem Mehr an Komfort- und Sicherheitsausstattung. Der Passat (860 kg) brachte sogar fast 200 kg weniger auf die Straße als der VW 411. Der Ford Granada von 1977 war 45 kg leichter, der Opel Rekord nur vergleichsweise geringe zehn kg schwerer als die jeweiligen Vorgänger.159 Ebenso wie in der Kompakt- und Mittelklasse achteten auch die Oberklasseproduzenten bei einem Modellwechsel darauf, das Gewicht ihrer Fahrzeuge herabzusenken oder zumindest nicht zu erhöhen. Als wesentliches Problem entpuppte sich, dass den Ingenieuren schlicht das Know-how fehlte. Zu lange hatten Schwere und Verbrauch in der Konstruktion keine Rolle gespielt. BMW etwa musste sich letztlich an den Kompakt- und Kleinwagenproduzenten orientieren, um von dort Ideen zu übernehmen. 1976 beschloss der Vorstand, ein spezielles Team von Fahrgestell- und Karosseriekonstrukteuren zu bilden, welches sich ausschließlich mit dem Leichtbau beschäftigte. Dessen erste Aufgabe bestand darin, die Karossen des VW Golf und Scirocco sowie des Honda 156 Vgl. Goebel, Anpassung, S. 200 f. 157 Siehe Art. »Autos nach der Krise«, in: auto motor und sport, H. 4, 1974, S. 28; Art. »Vom Tortenteller«, in: Der Spiegel vom 9.9.1974, S. 128. 158 Hierauf verweist Goebel, Anpassung, S. 202. 159 Angaben aus: Oswald, Deutsche Autos, Bd. 3, S. 42 u. 76 (Käfer und Golf ) sowie 64 u. 96 (411 und Passat).

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Civic, so wörtlich, »konstruktiv zu untersuchen«160 – schlicht gesagt im Detail auseinanderzunehmen. Die sog. ›statische und dynamische Fertigkeitsprüfung‹ der Fremdfahrzeuge sollte erste Erkenntnisse für eigene Projekte liefern. Parallel kooperierte BMW in der Materialauswahl mit der Firma Alu-Swiss, um die Entwicklungsarbeit langfristig durch eigenständige wissenschaftliche Erkenntnisse zu fundieren.161 Wenn es darum ging, Bauteile durch leichtere Varianten zu ersetzen, legten die Unternehmen einen Schwerpunkt auf sog. ›nicht kundenwirksame Veränderungen‹. Dies bedeutet, dass Materialwechsel vor allem an für die Kunden nicht sicht- und spürbaren Komponenten vorgenommen wurden. So traf beispielsweise der 1974 gefasste VW-Plan, bei Sparmodellen auf den Schließzylinder der Beifahrertür zu verzichten, auf ein vehementes Veto der Marketingabteilung. Sie stufte eine solche sichtbare Maßnahme als imageschädigend und für Kunden unzumutbar ein.162 Aus den gleichen Gründen umstritten waren bei BMW der Ersatz von Vollpolster- durch Schaumstoffsitzen oder des vollwertigen Reservereifens durch ein Notrad.163 Im Zuge der aufwendigen technischen Überarbeitung zahlreicher Motor-, Karosserie- und Ausstattungselemente nach der Energiepreiskrise schlug somit nicht nur die »Stunde der Ingenieure«164, wie der Spiegel titelte, sondern ebenso die Stunde des Marketing, das nun en detail in jeden Schritt der Produktgestaltung eingebunden war.

3.2 Verbrauchsreduzierung: Entgiftung oder Sicherheit? Eine Kernproblematik der Produktgestaltung bestand darin, dass die Erfüllung der Verbrauchs-, Umwelt- und Sicherheitsansprüche nicht nur Kongruenzen, sondern viele technische Widersprüche hervorrief.165 Die Aufgabe, Abgasemissionen zu senken, konterkarierte tendenziell die Verbrauchssenkung. Der Einbau verbesserter Auspuffanlagen oder Katalysatoren in die Fahrzeuge steigerte das Gewicht und damit den Verbrauch. Der schlechtere Verbrennungsgrad der kata­ lytischen Geräte erhöhte den Spritkonsum allein um 12 bis 18 Prozent.166 Der 160 BMWGA , UA 1456, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 29.11.1976, S. 14. 161 Vgl. ebd. 162 Siehe UVW, 373/175/2, Notiz der Abt. Marketing-Produktprogramm (gez. H. D. Schwittlinsky) für Herrn Münzner vom 30.9.1974. 163 Vgl. BMWGA , UA 1456, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 13.6.1978, S. 14. 164 Art. »Stunde der Ingenieure«, in: Der Spiegel vom 14.7.1980, S. 161. Das als Titel gewählte Zitat ging offenbar auf den Ford-Deutschland-Chef Peter Weiher zurück. 165 Siehe zu den Zielkonflikten der Produktgestaltung Koopmann, Probleme, S. 554; Bauer, Pkw-Bau, S. 24. 166 Diese Schlussfolgerung basierte auf Erfahrungen der US -Autoindustrie. Vgl. HAD, Zahn 292, Energiekrise, Bericht der Marktforschung und Absatzplanung 35/74: Die Auswirkungen der sogenannten Energiekrise vom 15.5.1974, S. 47. Ähnlich auch: Meyer / Manheim, Energy Resource Use, S. 26. Zur Problematik des Katalysators auch GFL , Michael Raoul-Duval Files, Box 2, Automobile Emission Standards 3. Chronology of Compliance

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gleiche Effekt trat durch eine Absenkung der Bleiadditive im Kraftstoff im Zuge des Benzin-Blei-Gesetzes ein. »Die Einhaltung der Vorschrift führt zu erheblich höheren Treibstoffverbrauch [und] eine Umstellung des gesamten Altwagenbestandes ist technisch nicht lösbar«167, beklagte der BMW-Vorstand bereits 1973. Auch eine Verbesserung der Sicherheitseigenschaften führte zu technischen Inkonsistenzen. Stattete man die Pkws mit Airbags, Rückhaltesystemen oder passivem Aufprallschutz aus, stieg notwendigerweise ihr Gewicht. Dieses Problem betraf sowohl kleinere Fahrzeuge, noch stärker aber Modelle der Mittel- und Oberklasse. Schließlich waren es nicht nur gesetzliche Vorgaben, die den Einbau derartiger Systeme verlangte. Auch die Konsumenten erwarteten von neuen BMW- oder Daimler-Benz-Fahrzeugen prinzipiell bessere Sicherheit, mehr Raum und zusätzliche Komfortausstattungen, aber auch geringere Gewichte, Emissionen und Verbrauchsdaten – ein Widerspruch, der sich vielleicht am besten daran zeigen lässt, dass die Fortschritte PS -starker Leichtmotoren allein schon durch den Einbau einer spritfressenden Klimaanlage mehr als aufgehoben wurden.168 Um ihr Image abzustützen, hatten sich die Hersteller auf ein entwicklungstechnisches Spagat einzulassen.169 Nach der Energiepreiskrise bildete die moderne Automobilkonstruktion immer einen Kompromiss zwischen Energiesparen, Sicherheit, Umweltschutz und Fahrspaß – oder wie es der Technik- und Innovationsforscher Mathias Graumann formulierte: »Die Produktgestaltung musste den ›Vier S‹ (sicher, sauber, sparsam, schnell) genügen.«170 Die Neukonfiguration der Rennreiselimousine kam somit letztlich einem Aushandlungsergebnis zwischen technologischer und marketingstrategischer Zielkonflikte gleich. Sie erfüllte die divergierenden Ansprüche immer nur in Relation gegenseitiger Zugeständnisse.171 »Ziel muss in jedem Falle ein ausgewogener Kompromiss sein«, formulierte Achim Diekmann. »Vorsicht ist bei überzogenen Forderungen geboten, die aus einer Augenblicksituation heraus einem der gleichzeitig anzustrebenden Ziele absoluten Vorrang verschaffen wollen.«172 In ähnlicher Weise argumentierte der VW-Entwicklungsdirektor Ernst Fiala: with Auto Emission Standards, o. Dat. [1975]; ebd., James M. Cannon Files, Box 2, Auto Emissions 1, Talking Points, Cabinet Meeting Discussion on the catalytic converter, Entwurf von James M. Cannon am 11.3.1975. 167 BMWGA , UA 851, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 19.11.1973, S. 7. 168 Hierauf verwies HAD, Zahn 292, Energiekrise, Bericht der Marktforschung und Absatzplanung 35/74: Die Auswirkungen der sogenannten Energiekrise vom 15.5.1974, S. 47. Siehe auch Art. »Das bringt weniger Spaß am Auto. Interview mit Daimler-Benz-Entwicklungschef Werner Breitschwerdt über Benzinsparen und neue Modelle«, in: Der Spiegel vom 28.5.1979, S. 57. 169 BMWGA , UA 852/1, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 6.2.1974, S. 33. 170 Graumann, Analyse, S. 166; Horst Albach, Das Automobil zwischen High-Tech und Commodity, in: VDA (Hrsg.), Gesellschaft und Automobil. Chancen, Risiken und Handlungserfordernisse, Frankfurt / M. 1987, S. 137 f. 171 Vgl. Art. »Autos nach der Krise«, in: auto motor und sport, H. 4, 1974, S. 28. 172 Zit. nach: Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Automobilindustrie, S. 34.

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Es ist generell dazu zu sagen, dass diese in der Öffentlichkeit stark schwankenden Stimmungen und Meinungsschwerpunkte sehr viel schwächer auf unsere Alltagsarbeit durchschlagen, und wir sollten uns eigentlich wünschen, dass auch die Öffentlichkeit viel weniger stark herumschwankt. Dass da nicht einmal die Sicherheitswelle ganz oben ist, wo man nur in Sicherheit macht und z. B. ganz schwere Autos baut. Das nächste Mal hat man wieder eine Abgaswelle […] Jetzt haben wir gerade die Energiewelle und vergessen alles andere was nicht energiebedingt ist. Unsere Arbeit am Auto ist aber dadurch gekennzeichnet, dass wir gleichzeitig sehr viele verschiedene Aspekte sehen und einen optimalen Kompromiss schließen müssen. […] Wir haben all diese Dinge […] in Arbeit.173

Die Effekte dieser kombinierten Strategie lassen sich exemplarisch gut am Beispiel der Gewichts- und Motorleistungsdaten der 5er-Reihe von BMW seit 1970 verdeutlichen. War die Gewichtsauslegung der unter diesem Label angebotenen Pkw-Typen lange Zeit immer nur angestiegen, arbeiteten die Konstrukteure ab 1973 speziell daran, das Basismodell nicht weiter anwachsen zu lassen. Parallel sank die Beschleunigungsleistung leicht ab. Erst mit dem Modellwechsel 1981 gelang es technisch, die Gewichte zu reduzieren und zugleich höhere Leistung anzubieten. Bei dem größten Modell der 5er-Reihe legte BMW zugunsten einer schrittweisen Leistungsanhebung weniger Wert darauf, Gewichte zu reduzieren. Ein downsizing in den Basismodellen widersprach sich innerhalb des Vollsortiments keineswegs mehr mit einer Aufwertung der Spitzenmodelle. Relativ leichte und sparsame Grundmodelle auf der einen Seite, schwerere, schnellere und komfortablere Fahrzeuge auf der anderen sollten das Produktfeld möglichst weit aufziehen. Innerhalb des stark differenzierten Angebots hatte schließlich der Kunde die Entscheidung zu treffen, wie sein persönlicher Produktkompromiss aus sachlichen und emotionalen Kriterien aussehen sollte. Unabhängig von diesen Zielkonflikten lautete das oberste Gebot für die Produktgestaltung, den Benzinverbrauch zu reduzieren. Zwischen 1975 und 1982 senkte BMW mittels eines technologischen Mixes aus optimierten Antriebsaggregaten, neuen Materialien und Formen den Spritbedarf von 13 auf 12 l/100 km beim kleinsten bzw. von 16 auf 13,5 l/100 km beim leistungsstärksten Modell. Die Einsparungen entsprachen recht exakt der durchschnittlichen Verbrauchsreduzierung von rund 15 Prozent in den Sortimenten aller deutschen Hersteller.174 Hierdurch verringerten sich die Haltungskosten für die Nutzer, so dass zumindest ein Teil der umwelttechnischen Vermeidungskosten für abgas- und lärmmindernde Bauelemente langfristig amortisiert werden konnte. Je nach Fahrzeugtyp steigerten allein diese Kosten den Kaufpreis um 400 bis über 1.000 DM.175 173 UVW, Bestand Werkszeitung [ohne Signatur], Art. »Wir moppeln heute wieder doppelt. Interview mit Ernst Fiala«, in: autogramm 2/1974 vom 21.5.1974, S. 2. 174 Vgl. Bauer, Pkw-Bau, S. 24; Jean-Pierre Bardou u. a., Die Automobil-Revolution. Analyse eines Industrie-Phänomens, hrsg. von Halwart Schrader, Gerlingen 1989, S. 154. 175 Eine Aufstellung der Mehraufwendungen je nach Fahrzeug findet sich in: Mager, Kraftfahrzeug, S. 38 f.

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3.3 Disharmonien der Bauvorschriften Weitere Zielkonflikte ergaben sich aus der steigenden Vielfalt von nationalen und internationalen Bauvorschriften. Zwei Gründe sind hierzu anzuführen: Erstens gab es im europäischen Raum bereits früh erste Ansätze, technische Vorgaben für Kraftfahrzeugbauteile zu harmonisieren. Das Ziel war es, den grenzüberschreitenden Pkw-Handel zu erleichtern und zu gemeinsamen Zulassungsvorschriften zu kommen. Das von der regionalen UN-Organisation Economic Commission for Europe (ECE) getroffene »Übereinkommen über die Annahme einheitlicher Bedingungen für die Genehmigung der Ausrüstungsgegenstände und Teile von Kraftfahrzeugen vom 20. März 1958«176 hatte bis zu Beginn der 1970er Jahre diese Aufgabe bei weitem nicht erfüllt. Inhaltlich waren bis 1971 gerade einmal 14 Maßnahmen in den Katalog der ECE-Regelungen aufgenommen worden. Die meisten beschäftigten sich lediglich mit der Reglementierung von Licht- und Blinkeranlagen. Erst im Verlauf der 1970er Jahre konzentrierten sich die Vorschriften auf Umwelt- und Sicherheitsstandards, regulierten oft in Überschneidung zu EG -Richtlinien die Senkung von Abgasemissionen von Ottomotoren (EG RL 220/ECE R 15) und Diesel (ECE R 24), sahen eine allgemeine Gurtpflicht (ECE R 16) oder den Einbau von Kopfstützen (ECE R 25) vor.177 Der größte Mangel bestand jedoch darin, dass die gemeinsamen Vereinbarungen nur empfehlenden Charakter hatten. Aus Rücksichtnahme auf Wirtschaftsinteressen wandelten einzelne Länder die Vorgaben nur zögerlich in nationale Gesetze um. Europa wurde zu einem Flickenteppich unterschiedlich restriktiver Regelungen.178 Stellvertretend für eine Vielzahl von Stellungnahmen merkte der Ford-Vorstandsvorsitzende Peter Weiher 1977 kritisch an: Ein Teil der gesetzgeberischen Maßnahmen, die zur Zeit in aller Welt zur Debatte stehen, variieren stark von Land zu Land. Sie sind nicht selten politisch motiviert […]. Hier stellt sich dem Staat mit der Harmonisierung nationaler Bestimmungen und der Durchforstung eines teilweise widersprüchlichen Katalogs von Bau- und Betriebsvorschriften eine echte Aufgabe. Je gründlicher sie gelöst wird, desto konsequenter kann gerade eine exportorientierte Automobilwirtschaft den Vorteil der GroßserienProduktion ausnutzen.179 176 Das Übereinkommen wurde 1965 von Deutschland in nationales Recht überführt. Vgl. Übereinkommen über die Annahme einheitlicher Bedingungen für die Genehmigung der Ausrüstungsgegenstände und Teile von Kraftfahrzeugen (Motorfahrzeugen) und über die gegenseitige Anerkennung der Genehmigung vom 20. März 1958, in: BGBl. II, 1965, S. 858. 177 Die ECE -Regelungen findet sich bei http://www.bmvbs.de/SharedDocs/DE/Artikel/StBLA /internationale-harmonisierung-der-technischen-vorschriften-fuer-kraftfahrzeuge. html?nn=35602; eingesehen am 24.9.2016). 178 Vgl. Petersen, Autoabgase, S. 386; Rüdiger K. W. Wurzel, Environmental Policy-Making in Britain, Germany and the European Union. The Europeanisation of Air and Water Pollution Control, Manchester 2002, S. 99 f. 179 Weiher, Entwicklung, in: Eymüller / Böcker (Hrsg.), Automobilindustrie, S. 18.

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Die unklare Rechtssituation führte zu Wettbewerbsverzerrungen, wenn einzelne Länder ihren jeweiligen Produzenten nicht die gleichen Qualitätsanforderungen wie Deutschland auferlegten. Schwerwiegender aber war, dass sich die Hersteller aufgrund der divergenten Bauvorschriften genötigt sahen, spezielle sog. Länderausführungen herzustellen. Dies stand dem Bemühen um eine möglichst rationelle Gleichteilefertigung im Baukastenprinzip im Weg und führte zu erheblichen finanziellen Mehrbelastungen.180 Als zweiter Grund trat die hohe Regulierungsdichte auf dem US -amerikanischen Automobilmarkt hinzu. Schon die 1968 in Kraft tretenden US -Sicherheitsstandards führten dazu, dass die deutschen Automobilhersteller besondere Export-Varianten anfertigen mussten. So verlangte der Gesetzgeber in den USA etwa größere, Aufprallenergie absorbierende Stoßfänger, was zu grundlegenden Justierungen der Statik der Fahrzeuge führte. Splitterfreie Verbundglasscheiben wurden zunächst in den USA, wenig später auch in Italien und Schweden zur Pflicht. Die Blinklichter mussten in den USA reflektierend, überdimensional groß und rot sein. An den Seiten zeigten zusätzliche Lampen die Fahrtrichtung an. In Deutschland waren die Blinker dagegen traditionell orange, in Italien weiß mit einem gelben Fenster. Die Liste an inkonsistenten Bauvorschriften ließe sich nahezu beliebig erweitern, da die nationalen Richtlinien in einem kaum mehr nachvollziehbaren Rhythmus von wenigen Monaten jeweils erweitert, ergänzt und differenziert wurden. Schon 1971 produzierte allein BMW von einem Typus insgesamt 17 Varianten, um die Verkehrszulassung in allen Exportländern sicherzustellen. Daimler-Benz eröffnete Ende der 1960er Jahre ein USA-Büro, das sich ausschließlich damit befasste, Informationen über neuverfügte oder absehbare Vorgaben zu beschaffen und diese möglichst rasch an ihre Entwicklungsabteilung in Stuttgart zu melden.181 Mit der Ausweitung der von den USA ausgehenden Regulierungen nahm das Problem der Bauvorschriften immer größere Dimensionen an. Schon allein das ungünstige Währungsverhältnis zwischen US -Dollar und DM verteuerte die Exporte. Neue Produktanforderungen, die kostenintensive Konstruktions­ veränderungen erzwangen, wurden als zusätzliche Belastung der preislichen Wettbewerbsposition angesehen. Wie eine Aufstellung von VW zeigt, lagen die Preise ihrer Exportmodelle 1974 um fünfzehn bis dreißig Prozent über dem Wettbewerberniveau auf dem US -Markt. Da die Kosten für zusätzliche sicherheitsoder umwelttechnische Auflagen die Preisschere nicht weiter öffnen sollten, sparten deutsche Exporteure an anderer Stelle und speckten die Ausstattungen ab. Selbst mit solchen Sparversionen blieb bei den dem Zeitgeist entsprechenden Kompaktmodellen der kalkulatorische Ertrag negativ. Eine Situation, die bei den 180 Vgl. BMWGA , UA 1462/2, Bericht des Vorstandes an den Aufsichtsrat vom 2.7.1975, S. 8 nebst Auflistung der nationalen Sonderanfertigungen in Anlage 11. 181 Vgl. Art. »Sicherheitsautos für Tage ohne Tote«, in: Der Spiegel vom 16.8.1971, S. 102; zu den US -Richtlinien ausführlich: Bernard J. Turnock, Public Health. What it is and How it Works, 4. Aufl., Sudbury / M A 2009, S. 402–408.

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VW-Entscheidungsträgern die Überlegung reifen ließ, ihre Produktion in die USA zu verlagern.182 Neben diesem Kostendilemma sorgte das EPCA für weiteren Unmut unter

den deutschen Herstellern. Während die europäischen Regierungen nach der Energiepreiskrise darauf verzichteten, neben den Umweltvorgaben auch konkrete Benzinverbrauchsreglementierungen einzuführen, setzte das US -Gesetz, wie erwähnt, strikte Grenzwerte fest.183 Für die Massenhersteller ergaben sich nur wenige Probleme, da sich die Richtwerte an dem überdurchschnittlichen Verbrauch der großen US -Fahrzeuge orientierten. Die amerikanischen Töchterunternehmen begannen sogar, ihre in Europa konstruierten Klein- und Kompaktwagen (u. a. den Ford Fiesta) zu exportieren, um ihren Konzernmüttern die Einhaltung der Vorschriften zu erleichtern.184 Die Produktpolitik von BMW und Daimler berührten die Vorschriften indessen nachhaltig. Denn die US -Vorgaben zementierten die Konflikte zwischen einer wirtschaftlichen und zugleich umweltverträglichen Pkw-Auslegung. Die diffusen Abgas- und Sicherheitsrichtlinien in Westeuropa, mehr aber noch »das in USA in Vorbereitung befindliche Gesetz zur Begrenzung der Kraftstoffverbräuche […] werden den Spielraum für eine freie Fahrzeugkonzeptions-Entwicklung in Zukunft massiv beeinträchtigen«185, wertete der BMW-Vorstand im März 1976. Der Entwicklungschef von Daimler-Benz fügte hinzu: Wir sind bereit »Rohstoffe zu sparen, wo es irgend geht, Immissionen unserer Fahrzeuge […] so gering wie möglich zu halten und unter diesen Randbedingungen Fahrzeuge zu entwickeln, die zeitgerecht und kundennah sind. Damit wollen wir unseren Beitrag leisten, den bisher erreichten Lebensstandard zu erhalten.«186 Eine geordnete, von Widersprüchen freie Gesetzgebung in den Feldern der Verkehrspolitik, des Umweltschutzes, der Verkehrssicherheit und Energiepolitik sei hierfür eine zentrale Voraussetzung. Bereits gegenwärtig seien große Teile der Entwicklungskapazitäten der Autoindustrie damit befasst, ihre Sortimente an die sich weltweit ständig wandelnden Vorschriften anzupassen. Allein im Bereich der Pkw-Motorenversuche banden diese Anforderungen rund sechzig Prozent der Entwicklungsbudgets.187 Trotz dieser 182 Vgl. UVW, 373/174/1, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 17.9.1974, S. 4 sowie ebd., Anlage der Finanzabteilung, Deckungsbeitragsrechnung Preise USA und Preiskonzeption Modelljahr 1975; Fricke, Markteintritt. 183 Vgl. GFL , L. William Seidman Files, Box 40, Automobile Industry, General 2, Informa­ tionsbrief zu den Regelungen des EPCA vom 8.1.1975. 184 Vgl. HCD, JWT, Domestic Advertisments Collection Ford, Box FM 43, 1978 Ford Cars, Campaign ›Fiesta Wundercar‹; auch BFR , Sales and Advertising Records Collection, International Products and Services Advertisment Series, 19, Box 159, Übersicht: ›Germany Export to United States 1978–79‹; Walter Jr. Guzzardi, Ford: The Road Ahead, in: Fortune 98, 1978, Nr. 5, S. 36–48. Vgl. Köhler, Small Car Blues, S. 127. 185 BMWGA , UA 1446, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 2.3.1976, S. 5. 186 HAD, Vertriebsorganisation, Reden 221, Ansprache Breitschwerdt zur Vertriebstagung, 11.6.1979, S. 3 f. 187 Vgl. ebd.

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Belastungen ließ sich auf politischer Ebene erst im Verlauf der 1980er Jahre eine weitgehende Harmonisierung von internationalen Produktstandards erzielen.188

3.4 Kongruenzen im Pkw-Design Das ebenfalls auf den ersten Blick widersprüchliche Zusammenspiel von Konvergenz und Differenzierung in den Sortimentsstrategien bildete ein drittes Dilemma im Prozess der Anpassung der Unternehmen an die neuen Umfeldbedingungen in den 1970er Jahren. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen marken- und branchenspezifischen Homogenisierungseffekten im Produktangebot. Aus imagestrategischen Gründen musste mit Hilfe des Baukastensystems die Produktdifferenzierung der Hersteller so vollzogen werden, dass sich die abgestuften Baureihen in Styling und Formgebung ähnelten. Es galt den innerhalb der Sortimente auf- oder absteigenden Kunden Wiedererkennungsmerkmale anzubieten, um ihre Markentreue zu fördern. Um diesen Anspruch zu erfüllen, war es bei Modellen der neuen Generation erforderlich, »im Styling bewusst auf ›modische Spielereien‹ zu verzichten.«189 »Cars have to have face, not arbitrary style«190 kritisierte die Fachwelt bereits 1973 die geringe Abstimmung innerhalb der Ford-Modellpalette. Den neuen Orientierungspunkt für die Produktgestaltung bildete eine Ausrichtung der Markenstrategien auf ein europäischsachliches Styling.191 Folgt man den Ausführungen des Marktanalysten Ralf Goebel, so beinhaltete diese produktgestalterische Stilform fünf wesentliche Elemente: eine möglichst kompakte Karosserieform, den Verzicht auf sportlichen Zierrat und stilistische Eigenarten, die Betonung von Technikvorsprung in Qualität, Motoren- und Transportleistung, sachlich-komfortable Funktionalität in der Ausstattung sowie das Herausstellen von Sicherheits- und Wirtschaftlichkeitsattributen.192 Folgten die Hersteller dieser Maßgabe des neuen automobilen Leitbildes, so erreichten sie jedoch nicht nur eine Homogenisierung innerhalb ihres Portfolios, sondern förderten zugleich Überschneidungen zwischen den Marken. Mittelfristig zeigten sich Angleichungen in den Produktkonfigurationen besonders deutlich zwischen Ford, Opel, VW und auch BMW. Da sich alle Automobilunternehmer in der Produktplanung auf ähnliche Anforderungen einstellten, glichen sich die einzelnen Fahrzeuge trotz höherer Modellvielfalt einander an. 188 Vgl. Heaton jr. / Maxwell, Patterns, S. 391. 189 UVW, 250/2/1, Langfristiger Marketingplan, S. 53. Vgl. auch Art. »Wir haben einen gravierenden Fehler gemacht. Interview mit Ford-Generaldirektor Hans Schaberger«, in: Der Spiegel vom 17.9.1973, S. 44–49. 190 HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, Ford 1973, Pressemappe »Dear Henry«, S. 2. 191 Vgl. UVW, 174/319/10057, Marketing 1971 für Werk und Organisation, Aufgaben auf der Produktebene, o. Dat. [1971], S. 11. 192 Diese Aufstellung basiert auf: Goebel, Anpassung, S. 234.

344

Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

Vordergründig schlug sich dieser Trend in den Quellen vornehmlich darin nieder, dass man sich wechselseitig immer häufiger der Imitation bezichtigte. Der Ford Fiesta kopierte offenbar den VW Golf und Polo, die neuen Audi-Modelle ahmten nach Meinung von Ford wiederum den Stil des Taunus nach und jedes leistungsstarke Fahrzeug der oberen Mittelklasse galt BMW als Angriff auf ›seine‹ Nische.193 Hinter diesem Phänomen standen jedoch komplexere strukturelle Pfadabhängigkeiten in den unternehmerischen Entscheidungsprozessen, als es der einfache Vorwurf der Nachahmung vermuten lässt. Eine erste Ursache bildeten im weitesten Sinne technologische Faktoren der Produktkongruenz. Allein der Umstand, dass alle Hersteller dazu übergingen, ihre Fahrzeugkonzepte im Windkanal auf eine möglichst aerodynamische Form auszurichten, führte zwangläufig zu gleichartigen Lösungen. Ähnliche Effekte zeigten sich auch bei den Sicherheitsstandards. Um Kosten in der Komponentenentwicklung zu sparen, gingen die Unternehmen in den 1970er Jahren vermehrt Forschungskooperationen ein. Die intensive Zusammenarbeit in bi- und multilateralen Forschungszusammenhängen führte zu einem Austausch von technischem Know-how, förderte zugleich aber auch gemeinsame Ansätze in der Produktgestaltung.194 Zu einer zweiten Triebfeder entwickelte sich die inhärente Logik des gerade etablierten Marketing-Regelsystems. Die Marktforschung gab den Herstellern nach der Absatzkrise einen einheitlichen Orientierungsrahmen für die Produktund Imagepolitik vor. Ihre Methode, Käuferpräferenzen mit Hilfe von Parametern der statistischen Meinungsverteilung zu ermitteln, führte trotz aller Bemühungen der Lebensstil-Segmentation zu einer programmierten Mediokrität. Ein Sinus-Bericht urteilte Ende der 1970er Jahre selbstkritisch, dass sich das Automobilmarketing mit der Suche nach dem besten Produktkompromiss an ein Leitbild der Uniformität und Mittelmäßigkeit ausrichte. Umfragen und Produkttests unterwarfen »das Auto der Zukunft […] dem Plebiszit einer gegenwarts- oder vergangenheitsorientierten Käuferschaft.«195 Besonders beklagenswert erschien der nivellierende Einfluss neuartiger sog. Autokliniken. Hierbei wurden einer zuvor bestimmten Zielgruppe Fahrzeugentwürfe in Form von Zeichnungen, Fotos oder konkreten Design-Prototypen 193 Vgl. Art. »Ford Fiesta: Wer zuletzt kommt, kopiert am besten«, in: absatzwirtschaft, Nr. 9, 1976, S. 28–30; HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 4, Correspondence, Akte 3, Telex von Peter Richter (JWT, Frankfurt Office) vom 11.2.1974, S. 4 f.; BMWGA , UA 1446, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 20.1.1976, S. 3. 194 Beispielhaft sei auf die Kooperation von VW und Daimler zur Entwicklung von Sicherheitsfahrzeugen in der Deutschen Automobil Gesellschaft mbH oder im internationalen Commitee of Common Market Automobiles Constructors (CCMC) verwiesen. Vgl. UVW, Bestand Werkszeitung [ohne Signatur], Art. »Eine europäische Arbeitsgemeinschaft. Zusammenschluss zwecks Lösung von Sicherheits- und Umweltproblemen«, in: autogramm 5/1972 vom 11.12.1972, S. 2 f.; Jagoda, Produktpolitik, S. 112 f.; Jürgensen / Berg, Konzentration, S. 21 f. 195 BMWGA , UR 3021, Nowak, Autofahrer, S. 42.

Zielkonflikte der Produktgestaltung 

345

vorgestellt und im Vergleich zu Vorgängermodellen oder aktuellen Konkurrenzprodukten diskutiert. Das Ziel lautete, in einem möglichst frühen Stadium der Produktentwicklung Kundenreaktionen zu ermitteln und ggf. gestalterische Modifikationen vornehmen zu können.196 Den Marktforschern  – und auch den Unternehmen – hätte eigentlich bewusst sein müssen, dass die Kunden in derartigen Befragungskonstellationen immer zu unverbindlichen, mittleren Urteilen neigten. Statt methodische Vorkehrungen zu treffen, um dieses Bias auszumerzen, verstärkten die Hersteller den gleichmachenden Trend. Sie betrieben »bei der Rekrutierung der Beurteiler eine Art Inzucht […]«, da sie konsequent nur die »Käufer der heutigen Modelle […] als wahrscheinliche Käufer der jeweiligen Nachfolgemodelle […] in die Jury berufen.«197 Unter dem Deckmantel, Designkontinuitäten für die Imageentwicklung zu schaffen, formten die Konstrukteure auf Geheiß des Marketings neue Modelle zwangsläufig nach dem Vorbild etablierter Standards. Neue Designideen konnten sich daher nur noch schwer durchsetzen. Führt man sich das Modell des semantischen Differentials vor Augen, so barg es tatsächlich die Tendenz, das Produktimage in den einzelnen Motivfeldern auf eine ausgleichende centerline zu bewegen, um möglichst viele Kunden­w ünsche abzudecken. Dort, wo eine Marke oder ein Produkt Schwächen in zentralen Kauffaktoren aufwies, galt es, diese im Verhältnis zu den Wettbewerbern möglichst rasch auszugleichen. Wo Stärken bestanden, lautete die Forderung, sich im nächsten Schritt von den konkurrierenden Modellen weiter abzusetzen. Schließlich war es absehbar, dass die Konkurrenten den momentanen Produktvorsprung spätestens mit dem nächsten Modellwechsel ausgleichen würden. Aus dieser Logik der Marktanalyse entwickelte sich in der Automobilindustrie ein grundsätzlich konsumentenorientiertes, aber immer auch stark selbstreferenzielles System der Produktentwicklung.198Allein die Messmethoden der Marktforschung implizierten also, Produktunterschiede zu nivellieren. Diese Eigenschaft nahm seit der Energiepreiskrise durch die »Gleichförmigkeit des Bedarfs«199 noch an Wirkung zu. Die Imageanalysen basierten prinzipiell auf einem faktischen Vergleich von Konkurrenzprodukten. Das Ziel, dass sich mit einer konsumentenorientierten Typenentwicklung verband, lautete, durch innovative Design-, Motor- oder Ausstattungselemente eigenhändig Justierungen in der Kundenwahrnehmung herbeizuführen. Die Diesel-Welle, der gemeinsame GT-Trend oder auch die Übernahme der stilprägenden Golf-Form durch Epigonen von Ford und Opel belegen allerdings, dass sich die Angebote trotz neuer Sortimentsvielfalt an­ 196 Vgl. Graumann, Analyse, S. 165. 197 Zit. nach BMWGA , UR 3021, Nowak, Autofahrer, S. 41. 198 Vgl. etwa die Produktplanung des »Brenda«-Projektes bei den deutschen Ford-Werken, die zahlreiche Hinweise auf das Leitmotiv des Produktvergleichs beinhaltet. Siehe HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 2, Clients 1972–1976, Ford Target-Plans, insbes. T-Plan für den neuen Ford Escort [o. Dat.]. 199 Auf diese Gefahr verweist Jagoda, Produktpolitik, S. 116.

346

Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

glichen. Innerhalb der dichten Modellreihen nahm die Nähe der Modelle in den Produktfeldern immer mehr zu. Letztlich entschied der Zeitpunkt, zu dem die Hersteller Modellwechsel vornahmen, welche Automobilmarke gerade die frischesten Absatzimpulse setzte. Fasst man die Erkenntnisse zusammen, lässt sich konstatieren, dass der Automobilmarkt in den meisten Segmenten enge Oligopole entfaltete. Alle westdeutschen Hersteller wählten nach der Energiepreiskrise eine vom Marketing inspirierte Programmtaktik der full product line, um die Absatzrisiken einer selektiven Marktbearbeitung zu reduzieren. Mit ihr intensivierte sich jedoch die Interdependenz zwischen den Anbietern. Auf den Vorstoß eines Herstellers reagierten die Konkurrenten in immer kürzeren Abständen mit Imitationsmaßnahmen, was als wesentliches Indiz für eine verschärfte Wettbewerbssituation gilt.200 Gänzlich neu war das Prinzip von Vorstoß und Verfolgung freilich nicht. Auch in den 1960er Jahren hatten verschiedene Hersteller mit innovativen Modellkonzepten neue Sequenzen des Wettbewerbsgeschehens eröffnet.201 Mit der Möglichkeit zur flexiblen Produktvariation aus dem Baukasten reduzierte sich in den 1970er Jahren allerdings die Effektivität dieser Konkurrenzstrategie, da alle Automobilunternehmen – sobald sie die groben (Kleinwagen-)Lücken in den Produktprogrammen ausgeräumt hatten – deutlich schneller mit gleichartigen Modellvarianten nachziehen konnten. Ein zweites Phänomen begrenzte zudem die Wirkungskraft technologischer Vorstöße im Fahrzeugbau. Die Verbesserung der Fahrzeugattribute in Richtung auf mehr Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Umweltverträglichkeit fassten die kritischen Konsumenten immer mehr als selbstverständlich auf. »Wir haben ein neues Paradoxon«, urteilten die Ökonomen Clark und Fujimoto in der Rückschau auf die Wettbewerbswirkung der Energiepreiskrise: »Zu einer Zeit, in der Technologie wichtiger ist als je zuvor, wird es schwieriger […] allein aus einer Technologie einen Vorteil zu ziehen.«202 Den Unternehmen kam vor diesem Hintergrund die Aufgabe zu, die Produkt-Benutzer-Schnittstellen auf allen Ebenen zu aktivieren, um zumindest Kommunikationsvorteile gegenüber der Konkurrenz zu gewinnen. Auch dies war ein Grund dafür, dass sich die Vorstöße erstmals auch auf die Konditionenpolitik verlagerten – und damit auf einem Bereich, in dem die deutschen Anbieter zuvor aus gegenseitiger Rücksichtnahme auf den Einsatz von scharfen marketingstrategischen Waffen verzichtet hatten.

200 Vgl. Erhard Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, 2. Aufl., Göttingen 1967, S. 38; Biermeier, Wettbewerb, S. 187. 201 Vgl. Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Automobilindustrie, S. 203; auch bereits Kap. II . 202 Clark / Fujimoto, Automobilentwicklung, S.  14.

Preispolitik und Konditionenwettbewerb

347

4. Preispolitik und Konditionenwettbewerb Neben der Gestaltung des Produktangebots nahm die Preis- und Konditionenpoli­ tik eine zentrale Rolle ein, wenn es darum ging, die unternehmerischen Wettbewerbsstrategien an die veränderten Marktbedingungen anzupassen. Verkaufspreise, Rabatte, Garantien oder Lieferbedingungen ließen sich im Unterschied zur technischen Produktentwicklung schnell und flexibel ändern. Für das Marketing boten sie somit die Chance, situativ auf den Marktwandel zu reagieren. Überraschenderweise machten die deutschen Hersteller von diesen Optionen jedoch zunächst nur in einem eng begrenzten Rahmen Gebrauch. Mutmaßlich zeigten sich hier die Haltekräfte spezifisch deutscher, kooperativer Wettbewerbspraktiken. An zwei Umstände hatten sich die Unternehmer in der langen Wachstumsphase der deutschen Wirtschaft nach 1945 gewöhnt: zum einen, dass der Preis aufgrund steigender Einkommen eine oft eher untergeordnete Rolle bei Kaufentscheidungen spielte. Dies galt für Dinge des täglichen Gebrauchs ebenso wie für das komplexe Produkt Automobil. Zum anderen hatte der Staat mittels Rabattgesetzen, Zugabenverordnungen und vertikaler Preisbindung einer freien Preiskonkurrenz deutliche Grenzen gesetzt. Diese Regulierungen korrespondierten lange Zeit mit der Neigung deutscher Firmen zu einem branchenintern abgestimmten Verhalten, da sie noch ganz in der Tradition der Ideen des organisierten Kapitalismus standen. Wurden die Unternehmen auf Auslands- und Inlandsmärkten mit aggressiven Strategien der Preisunterbietungen oder Rabattierung konfrontiert, kritisierten sie diese noch in den 1960er Jahren scharf als unlautere amerikanische Kampfmethoden. Man befürchtete durch derartige Verkaufsmethoden das eigene Markenimage zu diskreditieren und die Firmen in einen ruinösen Preiswettbewerb zu zwingen.203 Solche Vorbehalte wirkten auf dem Automobilmarkt bis in die 1970er Jahre weiter, auch wenn die Reformpolitik der sozialliberalen Regierung die Rabattgesetze liberalisierte und die Preisbindung weitgehend aufhob, um zugunsten der Verbraucher neue Akzente für ein freieres Wettbewerbsspiel zu setzen.204 Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, inwieweit das originär amerikanische Modell eines konsumentenorientierten Marketingmanagements im Verlauf der 1970er Jahre in Konflikt mit den traditionellen Usancen des preispolitisch zurückhaltenden Wettbewerbsverhaltens geriet. Vorab ist von starken Fliehkräften auszugehen, die beide Positionen auseinandertrieben. Angesichts der Krise stand 203 Vgl. Hilger, ›Amerikanisierung‹, S. 197. 204 Zu den Reaktionen auf die Aufhebung der Preisbindung der Markenwaren (2. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 3.8.1973, BGBl. I, 1973, S. 917) siehe Art. »Preisbindung. Sie tasten noch«, in: Der Spiegel vom 27.8.1973, S. 31–32; Werner­ Jäckering, Die politischen Auseinandersetzungen um die Novellierung des Gesetzes gegen die Wettbewerbsbeschränkungen, Berlin 1977, insbes. S. 102.

348

Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

auf der einen Seite das firmenindividuelle Interesse an einer möglichst raschen Überwindung der Absatzstockung durch aktive Wettbewerbsvorstöße. Auf der anderen Seite verstärkte die allgemeine Kosten- und Profitklemme der Branche das gemeinsame Interesse an stabilen Wettbewerbsbedingungen, die den Unternehmen mittels koordinierten Praktiken der Preisgestaltung ausreichenden Raum geben sollten, ihre Ertragslage zu sichern.

4.1 Konzertierte Preisstrategie In der Preisentwicklung lassen sich vordergründig kaum Hinweise auf die Genese eines viel beschworenen Käufermarktes finden. Trotz hoher Angebotsüberhänge in den Krisenjahren 1973/74 und 1979 bis 1982 senkten die Autohersteller zu keinem Zeitpunkt ihre Verkaufspreise oder versuchten sich gar zu unterbieten. Im Winter 1969/1970 erhöhten zunächst Opel, Ford, BMW und Daimler ihre Listenpreise um 4,7 bis sechs Prozent. Im Herbst 1970 folgte eine zweite Teuerungsrunde. Während die gesamtwirtschaftliche Inflation Werte von 3,6 Prozent erreichte, hoben die Massenanbieter Opel und Ford ihre Preise nochmals um 7,7 Prozent bzw. sechs Prozent an. Auch der zunächst zurückhaltende VWKonzern verlangte nun 9,2 Prozent mehr für seine Fahrzeuge und holte damit den versäumten Preissprung der Konkurrenten nach.205 Diese Preisrunden bildeten lediglich den Auftakt für einen langfristigen Auftrieb (Tab. 30). Ab 1971 erhöhten alle deutschen Automobilproduzenten jährlich die Listenpreise. Dabei schwankten die Steigerungsraten zwischen drei und fünf Prozent und dienten damit vornehmlich einem Inflationsausgleich. In den Jahren 1974 bis 1976 schossen die Preise mit zum Teil zweistelligen Aufschlägen dann aber weit über die allgemeinen Teuerungsraten hinaus. Allein am Peak der Absatzkrise zwischen Herbst 1973 und August 1974 stiegen die Verkaufspreise der vierzig beliebtesten Pkw-Modelle in Deutschland (heimische und ausländische) um durchschnittlich 13,7 Prozent.206 Die Anbieter legitimierten die höheren Preise mit dem Hinweis, ihre steigenden Kosten kompensieren zu müssen.207 Tatsächlich neigten sie dazu, ihre Mehraufwendungen umfassend auf die Konsumentenpreise umzulegen. Nicht nur die DM-Aufwertungen, sondern höhere Rohstoff- und Vormaterialpreise, vor allem aber steigende Personalaufwendungen wurden zur Belastung. Letztere nahmen relativ zu den Fertigungskosten markant zu. 1966 entfielen noch 21 Prozent der Gesamtausgaben auf Löhne, Gehälter und gesetzliche Sozialleistungen. Bis 1970 stieg dieser Anteil auf 25,3 Prozent, bis 1974 auf über dreißig Prozent. Durch 205 Vgl. Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Automobilindustrie, S. 201. 206 Eigene Erhebungen auf der Basis von Art. »Inflation der Autopreise«, in: auto motor und sport, H. 19, 1974, S. 24. Zur Pkw-Teuerung auch: Art. »Langsam wieder auf Touren«, in: WirtschaftsWoche, H. 12, 1975, S. 13. 207 Vgl. BMWGA , UA 851, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 30.1.1973, S. 3.

349

Preispolitik und Konditionenwettbewerb

Tab. 30: Jährliche Anhebungen der Listenpreise, 1969–1982 (Index 1968 = 100, Veränderungen zum Vorjahr in v. H.) Daimler-Benz

Opel

BMW

Ford

VW / Audi

Jahr

Erh. /  Jahr

Index

Erh. /  Jahr

Index

Erh. /  Jahr

Index

Erh. /  Jahr

Index

Erh. /  Jahr

Index

1969

4,7

104,7

5,6

105,6

5,5

105,5

6,0

106,0

0,0

100,0

1970

4,5

109,4

3,0

108,8

7,7

113,6

6,0

112,4

9,2

109,2

1971

5,0

114,9

3,5

112,6

3,0

117,0

3,0

115,7

0,0

109,2

1972

4,2

119,7

4,1

117,2

3,4

121,0

3,3

119,5

4,9

114,5

1973

4,4

125,0

7,5

126,0

5,7

127,9

5,4

126,0

4,4

119,6

1974

8,7

135,9

9,2

137,6

12,3

143,6

11,7

140,7

12,7

134,8

1975

5,8

143,7

8,8

149,7

7,5

154,4

4,9

147,6

7,9

145,5

1976

0,0

143,7

3,9

155,5

4,7

161,7

5,0

155,0

4,6

152,2

1977

3,9

149,3

3,8

161,4

3,9

168,0

3,9

161,0

3,9

158,1

1978

5,7

157,8

3,6

167,2

3,5

173,8

3,5

166,6

3,5

163,7

1979

1,9

160,8

3,4

173,0

3,7

180,3

2,7

171,2

2,9

168,4

1980

5,6

169,7

3,9

179,7

4,2

187,9

3,4

177,0

4,6

176,1

1981

3,4

175,5

3,4

185,9

3,9

195,2

3,2

182,7

6,3

187,2

1982

2,7

180,3

2,6

190,7

2,5

200,1

1,9

186,2

k.A.

k.A.

Quelle: Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Automobilindustrie, S. 201.

Rationalisierung und Beschäftigungsabbau gelang es der Autoindustrie erst in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre, dieses Niveau zu stabilisieren.208 Parallel erhöhten sich die Lohnkosten pro geleistete Arbeitsstunde von rund elf (1970) über 19 (1975) auf fast 27 DM (1980).209 Obwohl die Firmen massive Anstrengungen unternahmen, die Produktivität zu optimieren, konnten sie den Lohnanstieg nicht gänzlich kompensieren. Zwar verbesserte sich die Arbeitsproduktivität in der Branche jährlich um durchschnittlich 5,2 Prozent. Demgegenüber standen aber durchschnittlich rund 14 Prozent steigende Aufwendungen im Personalwesen.210 Die Folge war eine Schwächung der Unternehmenserträge. Der BMW-Vorstand konstatierte im Januar 1973 beispielhaft: »Die Preiserhö208 Vgl. Aufstellung zur Kostenstruktur der Automobilindustrie in: TuZ, 1977, S. 298 f.; TuZ, 1983, S. 324 f. 209 Siehe VDA , Jahresbericht auto 1974/75, S. 18 u. VDA , Jahresbericht auto 1981/82, S. 22. 210 Daten aus: Diekmann, Wachstumsspielräume, S. 44; auch VDA , Jahresbericht auto 1975/76, S. 16. Zur Arbeitsproduktivität auch Erber, Catching Up, S. 27 u. 46 f.

350

Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

hungen sind stets so bemessen, dass die voraussichtlichen Steigerungen bei den Personalkosten und beim Material etwa ausgeglichen werden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass alle sonstigen Kostensteigerungen (Dienstleistungen etc.) durch Rationalisierungsmaßnahmen aufgefangen werden müssen.«211 Aus der Sicht der Automobilindustrie wurden diese Negativentwicklungen durch ein weiteres Dilemma verstärkt. Mit den Ende der 1960er Jahre beginnenden DM-Aufwertungen begrenzten sich die Spielräume auf den Auslandsmärkten, die verschlechterten terms of trade auch hier durch Preiserhöhungen abzufedern. Exemplarisch verwies bereits 1969 ein BMW-Strategiepapier auf die einseitige Belastung des Binnenmarktes aufgrund von Rücksichtnahmen im Exportgeschäft: Das Thema der DM-Aufwertung steht in engstem Zusammenhang mit der Steigerung der Materialpreise sowie der gesamten Personalkosten. Wir sehen uns daher gezwungen, unsere Inlandspreise […] um 6,4 Prozent zu erhöhen. […] Ohne eine DM-Aufwertung wäre diese Preiserhöhung zu einem geringeren Prozentsatz, dann allerdings auch auf unsere gesamten Exportpreise, möglich gewesen. […] Die DM-Aufwertung bedeutete für unsere Importeure eine weitere Verteuerung ihrer Einfuhren um 9,3 Prozent […]. Es war uns daher nicht möglich, unsere Kostenerhöhungen durch eine gleichmäßige Belastung der In- und Auslandspreise zu kompensieren. Die Exportpreise wurden daher lediglich um durchschnittlich 1,4 Prozent erhöht.212

Ähnlich wie BMW übernahmen auch VW und Daimler die Aufwertungsdifferenzen mehrheitlich selbst und wälzten die Kosten nur teilweise auf die Auslandsvertretungen ab.213 Obwohl viele Modelle mit einem negativen Deckungsbeitrag verkauft werden mussten, sahen die Konzerne von Preisanhebungen ab, um den ohnehin schlechten US -Verkauf nicht vollständig zum Erliegen zu bringen.214 Absatzstrategische Zwangslagen auf den Auslandsmärkten sorgten dafür, dass die Käufer im Inland einseitig belastet wurden und einen Teil der Währungskosten mit übernahmen.215 Nur eine Preisoffensive im Inland galt somit als gangbares Mittel, um einer »Verschlechterung ihrer Gewinnsituation«216 entgegen­ zuwirken. 211 BMWGA , UA 851, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 30.1.1973, S. 3. 212 Ebd., UA 1599, Antwortbrief an Dr. Quandt vom 12.12.1969. 213 Vgl. UVW, 373/174/1, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 17.9.1974, dazu die Vorlagen Dr. G. Burmann, Abt. MZ / Marketingplanung vom 16.9.1974 u. Preiskonzeption Modelljahr 1975/Retailpreise vom 16.9.1974. 214 Vgl. ebd., Protokoll zur Vorstandssitzung vom 17.9.1974, Vorlage Preiskonzeption Modelljahr 1975/Retailpreise vom 16.9.1974; BMWGA , UA 1617, Kalkulationsbeispiel BMW 1602 vom 14.7.1972. Siehe überblicksartig zu den Preiswellen seit 1969: Art. »Neue Schwellen«, in: Der Spiegel vom 24.1.1972, S. 25. 215 Vgl. BMWGA , UA 1545, Informationspapier 4/1975: Zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit der westdeutschen Wirtschaft, April 1975, S.1. 216 Vgl. Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Automobilindustrie, S. 199, insbes. Fn. 34.

351

Preispolitik und Konditionenwettbewerb 70

Anstieg in v.H. (kumulierte Werte)

60

50

40

30 VW Ford

20

Opel Daimler BMW

1980–4

1980–2

1979–4

1979–2

1978–4

1978–2

1977–4

1977–2

1976–4

1976–2

1975–4

1975–2

1974–4

1974–2

1973–4

1973–2

1972–3

1972–2

1971–4

1971–2

1970–4

1970–2

0

1969–4

10

Jahr (Quartale)

Abb. 25: Listenpreise deutscher Hersteller (kumulierte Werte), 1969–1980 Quelle: Eigene Zusammenstellung auf Basis von Biermann, Wettbewerb, insbes. Tab. 17–25; Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Automobilindustrie, S. 201 u. Art. »Neue Schwellen«, in: Der Spiegel vom 24.1.1972, S. 25.

Wie die Entwicklung der durchschnittlichen Nettorenditen zeigt, gelang dies nur in Phasen, in denen keine weiteren finanziellen Belastungen auf die Autokonzerne zukamen. Erstmals in der Nachkriegszeit wies die Branche 1973/74 massive Verluste von bis zu fünf Prozent auf. Die Explosion der Energiepreise hatte jedoch nicht nur direkte Kosteneffekte. Auch indirekt minderten die Absatzverluste die Kapazitätsauslastung der Fabriken, was die Stückkosten um zusätzliche zwei bis drei Prozent ansteigen ließ. Erst als die Nachfrage 1975 wieder anzog, stabilisierten sich die Erträge bei jährlich rund zwei bis drei Prozent.217 Sowohl in der Krise als auch bei guter Marktlage nutzten die Hersteller vorhandene Preiserhöhungsspielräume konsequent aus, um  – so ihre stereotype Erklärung  – Kosten abzudämpfen, Währungsverluste auszugleichen und sich Raum für Rationalisierungsinvestitionen zu schaffen.218 Für die Kunden waren diese Argumente nur schwer zu akzeptieren, da sie angesichts immer höherer Tankrechnungen besonderes Interesse an einer Senkung der Anschaffungskosten entwickelten. Vor allem aber war es die strikte Harmonie der Preisanhebungen aller Hersteller, die auf massive öffentliche Proteste 217 Vgl. Aufstellung der Nettorenditen (Gewinne nach Steuern) in: ebd., S. 210. Die Folgen der zweiten Energiepreiskrise reduzierten die Margen wieder auf unter ein Prozent (1981). 218 Siehe Brunn, Wettbewerbsprobleme, S. 40.

352

Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

traf. Der Vorwurf lautete, dass die Branche mit Monopolpreisen versuche, die höhere Wettbewerbsintensität zu unterlaufen und Extraprofite auf dem Rücken der Autofahrer realisiere – eine Kritik, die gerade angesichts heftiger Debatten um die gerechte Verteilung des neuen gesellschaftlichen Wohlstandes an Brisanz gewann. Der VDA-Jahresbericht 1974/75 argumentierte: Die Entwicklung der Verbraucherpreise hat immer wieder Stoff für hitzige Diskussionen geboten. Wirtschaftsflaute und Preiserhöhungen lassen sich auf den ersten Blick schlecht auf einen Nenner bringen. Die Öffentlichkeit macht es sich mit ihrem Urteil allerdings oft zu leicht: Sie sieht in höheren industriellen Erzeugerpreisen vor allem zusätzliche Gewinne der Unternehmen. […] Auch im langfristigen Interesse der Arbeitnehmer kann es nicht liegen, wenn die Automobilindustrie so ›von der Hand in den Mund‹ leben soll.219

Betrachtet man das Preisverhalten genauer, ist nachvollziehbar, worauf sich die Verdachtsmomente gegenüber der Autobranche gründeten. Die Abbildung 25 zeigt die Entwicklung der Neuwagen-Listenpreise kumuliert für jährliche Quartalsabschnitte. Das hier gewählte sog. barometrische Modell der Preisführerschaft stellt bewusst die nominalen Preisbewegungen dar, um das Wettbewerbsverhaltens der Anbieter aufzudecken. So lässt der stufenförmige Anstieg leicht erkennen, dass die jeweiligen Hersteller ihre Preise typischerweise zeitlich parallel und immer um ähnliche Quoten erhöhten.220 In der Regel, d. h. in sieben von zehn Jahren, erfolgten die gemeinschaftlichen Preisänderungen im ersten Quartal. Die neuen Preise wurden also meist zu Beginn einer Autosaison etabliert, um sie mit Modellwechseln oder Facelifts legitimieren zu können.221 Die Preise im Frühjahr neu festzulegen, bot sich zudem an, da man die Korrekturen erst nach Abschluss der Tarifverhandlungen im Metallsektor vollziehen wollte. So sollten Personalkosten und Kaufkraftpotentiale der Konsumenten abgewogen werden.222 Die zeitlichen Abstände, mit denen die Unternehmen auf Preiserhöhungen der Konkurrenz reagierten, waren mit wenigen Tagen bis maximal einem Monat frappierend gering.223 Dies verstärkte den Eindruck einer starken oligopolistischen Interdependenz. Auch die Schwankungsbreite der Teuerungsschritte belief sich in den einzelnen Sequenzen lediglich auf durchschnittlich zwei Prozent. 219 VDA , Jahresbericht auto 1974/75, S. 16 f. 220 Zu den Methoden zum Nachweis des Preisverhaltens siehe Heinz-Dieter Hardes, Preisverhalten im Oligopol. Ein anwendungsorientierter Überblick, in: WiSt-Wirtschaftswissenschaftliches Studium 21, 1992, H. 5, S. 224–230. 221 Zu jahreszeitlichen Absatzzyklen: Martin Genth, Qualität und Automobile. Eine Untersuchung am Beispiel des westdeutschen Automobilmarktes 1974–1977 (VW Golf und Wettbewerber), Frankfurt / M. 1981, S. 279. Mit einem Anteil von bis zu 50 Prozent des abgesetzten Jahresvolumens werden Autos hiernach überdurchschnittlich stark in den vier Monaten März bis Juni nachgefragt. 222 Vgl. Biermeier, Wettbewerb, S. 204. 223 Vgl. ebd., S. 195 u. 247.

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1977 und 1978 erfolgten branchenübergreifend sogar exakt gleichhohe Preisanhebungen. Abweichungen von diesem Kurs zeigten sich nur selten, wenn einzelne Firmen aufgrund ihrer spezifischen Ertragsprobleme überdurchschnittliche Erhöhungen vornahmen.224 Die preispolitische Synchronität der Hersteller ist noch auffallender, führt man sich die Unterschiedlichkeit der Produkte vor Augen. Da es den Herstellern nun unmöglich war, eine allgemeine Preisführerschaft zu erreichen, verlagerte sich der Preiswettbewerb zumindest hypothetisch in die Segmente.225 Auch hier war er jedoch nicht intensiv. Im Gegenteil: Die Preisanalogien nahmen in den Teilmärkten noch zu. So lag die Differenz zwischen den Preisanhebungen in der Mittelklasse bei durchschnittlich lediglich 1,2 Prozent. Die Reaktionszeit auf Preisvorstöße maß nur 22 Tage.226 In der Rolle des Initiators einer neuen Preisrunde wechselten sich die Anbieter ab, sodass vordergründig kein aktiver Preistreiber auszumachen war.227 Auf der Suche nach den Ursachen lassen sich sowohl Indizien für gezielte Preisabsprachen als auch für ein – im Übrigen kartellrechtlich erlaubtes – Parallelverhalten finden, das sich aus strukturell gleichartigen Markt- und Angebotsstrukturen herleiten lässt.228 So ist auch hier trotz eines sich insgesamt ausdifferenzierenden Angebots darauf zu verweisen, dass die Produkte zu einer Leistungsähnlichkeit tendierten. Vorstöße in der technischen Gestaltung mussten möglichst rasch von Konkurrenten aufgenommen werden, damit die eigenen Modelle nicht als unmodern wahrgenommen wurden. Leistungsähnlichkeit dokumentierte sich wiederum in einer Preisähnlichkeit mit der inhärenten Tendenz einer langsamen Steigerung des Preisniveaus parallel zur technischen Weiterentwicklung der Produkte. Selbst die Preisbildung auf der Unternehmensebene, dies zeigen die Quellen, erfolgte stets auf der Basis eines Vergleichs der Preisstellung eigener Pkw-Typen mit möglichst ähnlichen Konkurrenzprodukten. Die Marktforschung sorgte also auch hier für eine isomorphe Anpassung. Noch bevor die Kunden einen PreisLeistungsvergleich vornehmen konnten, vollzogen die Unternehmen diesen Schritt im Voraus, um marketingstrategisch erwünschte Preispositionen im Marktfeld auszutarieren. Beispielsweise sei auf die Preisgestaltung bei BMW verwiesen.229 Die BMWPreise sollten gegenüber den Massenanbietern auf einem leicht höheren Niveau gehalten werden, um durch ihn die qualitative Überlegenheit zu kommunizieren. Gegenüber dem Marktführer Daimler wurde dagegen auf kleine Preisvorteile geachtet, um Kunden abzuwerben. So entstand ein spezifischer Korridor der 224 Vgl. Lupa, Volkswagen-Chronik, S. 63; Geschäftsbericht der Ford Werke AG 1979, S. 3. 225 Vgl. Busch, Strukturwandlungen, S. 154. 226 Eigene Erhebungen auf Basis von Zeitangaben der Preisaktionen, siehe Abb. 25 u. Art. »Inflation der Autopreise«, in: auto motor und sport, H. 19, 1974. 227 Vgl. Biermeier, Wettbewerb, S. 232. 228 Ausführlich ebd., S. 252. 229 Vgl. BMWGA , UA 1617, Vertriebsplanung, BMW-Preisgestaltung Inland, Stand 3.3.1971.

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sog. marktkonformen Preisgestaltung. In einer Stellungnahme formulierte die Vertriebsplanung 1974: »Der Basistyp unserer kleinen Reihe (1602) wurde unter der 12.000 DM-Grenze gehalten, während volumenstarke Konkurrenztypen (Audi 80 GT, Scirocco TS , Capri II 1600 GT) die 11.000 DM-Grenze mehr oder weniger deutlich überschritten, so dass hier zumindest eine optische Annäherung der Preise vorliegt. Der 520 wurde durch eine unterproportionale Erhöhung gefördert, so dass der Preis des Daimler-Benz 230/4 sogar knapp unterboten wurde. Der marktkonform angehobene 525 liegt preislich genau zwischen DB 230/6 und dem DB 250. Die Erhöhungen bei den großen Modellen entsprechen fast exakt den Daimler-Benz-Erhöhungen, so dass es hier zu keinerlei Verschiebungen kam.«230 Das oberste Ziel der Preispolitik lautete ganz offensichtlich, bestehende Marktpositionen zu erhalten. In der Konsequenz fokussierte sich die Absatzpolitik damit eher auf den Qualitätswettbewerb. Die Preise galten lediglich als abhängige Variable. Denn: eine verbesserte Produktausstattung konnte »in einer Marktsituation, in der die Schärfe des Wettbewerbs zu einer weitgehenden Angleichung der Produkte auf den Teilmärkten in Leistung, Preis usw. geführt hat, als eine typisch oligopolistische Verhaltensweise einen Wettbewerbsvorsprung sichern, auf den die Konkurrenten weniger schnell reagieren können als im Falle einer Preisänderung.«231 Indem die Branche einen preisstrategischen Frieden schloss, versuchten sie die Statik des Marktes aufrecht zu erhalten. In der Öffentlichkeit verkauften sie das koordinierte Verhalten als Reaktionsähnlichkeit, die dem Umstand geschuldet sei, dass alle Unternehmen unter dem gleichen Kostendruck standen. Den Vorwurf der Marktbeeinflussung wiesen sie weit von sich. Äußerst plakativ argumentierte der Ford-Vorstandsvorsitzende Robert Lutz, es entspreche der betriebswirtschaftlichen Logik und nicht einer organisierten Koordination, dass sich die Unternehmen mit ähnlichen Mitteln gegen die Ertragsprobleme stemmten. Die Automobilhersteller gleichen nämlich Leuten, die in einem Wasserbassin mit Stufen stünden und dabei mit dem Köpfen gerade soweit aus dem Wasser ragten, dass sie Luft bekämen. Sobald durch irgendeine Maßnahme von außen der Wasserspiegel steige, seien sie gezwungen, eine Stufe höher zu klettern, um zu überleben. […] Die identische Verhaltensweise der Automobilhersteller werde also nicht durch Absprachen herbeigeführt, sondern durch ihren Überlebenstrieb erzwungen.232

Dass diese Erklärung nicht die ganze Wahrheit widerspiegelte, bewiesen Ermittlungen der Kartellbehörden. Erstmals nahm die Aufsichtsbehörde 1974 das 230 Ebd., UA 1545, Bericht über den Vertrieb für die Aufsichtsratssitzung am 6.5.1974. Vgl. ähnliche Aufstellungen bei VW u. a. in: UVW, 373/176/1, App-Vorlage Typ C-Situation zur Vorstandssitzung am 12.12.1974; ebd., 250/2/1, Gruppenzentrale Marketing, Durchschnittspreise für VW-Neuentwicklungen und Wettbewerber anhand Modellmix, 3.11.1971, Streng vertraulich. 231 Busch, Strukturwandlungen, S. 147. 232 Zit. nach Biermeier, Wettbewerb, S. 260. Ähnliche Argumente kamen auch vom VDA . Vgl. Brunn, Wettbewerbsprobleme, S. 39.

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Verhalten von Opel, Volkswagen und Ford ins Visier. Nach Einsicht in die Firmenunterlagen bescheinigte sie den Unternehmen zunächst, dass die Preissteigerungen tatsächlich lediglich als legitimes Krisenmanagement zur Deckelung des höheren Kostenniveaus einzustufen seien.233 Die Skepsis der staatlichen Aufsicht gegenüber den Anzeichen für eine tiefgehende Kartellmentalität in der Automobilbranche hielt aber an. Insgesamt vollführte die sozialliberale Regierung einen Drahtseilakt: Einerseits zeigte sie gewisses Verständnis dafür, dass sich die Unternehmen bei steigenden markt­ exogenen Risiken bemühten, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Hier schien die alte Mär von den Kartellen als Kinder in der Not durchaus noch durch. Andererseits suchte nicht erst der unter dem plakativen Titel ›Modell Deutschland‹234 geführte Wahlkampf von Helmut Schmidt 1976, den Verbraucherschutz und die Verteilungsgerechtigkeit als zentralen Bestandteil der spezifisch deutschen Form der Marktwirtschaft zu betonen. Schon mit der Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen hatte sich die Regierung 1973 für mehr Wettbewerb zugunsten der Konsumenten ausgesprochen, die Preisbindung aufgehoben, die Missbrauchsaufsicht verstärkt und ein abgestimmtes Preisverhalten rigide verboten.235 Als die Automobilhersteller nach Abflauen der Ölpreiskrise weiterhin geschlossen auf Preiserhöhungen setzten, ermittelte die Bundeskartellbehörde abermals gegen die deutschen Mittelklasseanbieter. Ihr riss gewissermaßen der Geduldsfaden und tatsächlich fanden sich nun eindeutige Hinweise für Preisabsprachen. Schon die rudimentäre Überprüfung der Firmenkennzahlen bestätigte dem Kartellamt, dass die Branche im Zuge der neuen Absatzschwemme eine so massive Senkung der Stückkosten realisieren konnte, womit allein die Mehraufwendungen für Löhne und Material hätten aufgefangen werden können. Die aktuellen Mittelklasse-Modelle, so die Behörde, würden somit zu Preisen verkauft, die unter natürlichen Wettbewerbsbedingungen niemals durchsetzungsfähig gewesen wären.236 Nur durch einen Schachzug an der Grenze zur Legalität entgingen die Anbieter einer Sanktion. Der Marktführer Volkswagen verweigerte sich so lange, firmeninterne Daten zur Kapazitätsauslastung, Kosten und Kalkulation der Preise an die Wettbewerbshüter auszuhändigen, bis sie, aber auch Ford und Opel, die untersuchten Produkte mit neuen Ausstattungsvarianten und Typenbezeichnungen ausgestattet hatten. Da die Kartellbehörde nach geltendem 233 Vgl. Deutscher Bundestag, Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit im Jahre 1974, Drucksache 7/3791, S. 54; Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Automobilindustrie, S. 198. 234 Vgl. Thomas Hertfelder, ›Modell Deutschland‹. Erfolgsgeschichte oder Illusion?, in: ders. / Andreas Rödder (Hrsg.), ›Modell Deutschland‹. Erfolgsgeschichte oder Illusion, Göttingen 2007, S. 9 u. 18 f.; Berghahn, Kapitalismus-Modell, in: ders. / Vitols (Hrsg.), Kapitalismus, S. 25–43. 235 Siehe Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 3.8.1973, in: BGBl. I, 1973, S. 926, § 25. 236 Vgl. Deutscher Bundestag, Bericht des Bundeskartellamtes 1976, Drucksache 8/704, S. 53.

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Recht jedoch nur Verstöße bei bestehenden, nicht bei früheren Produktangeboten ahnden konnte, kamen die Unternehmen ohne Sanktion davon.237 Aus Verärgerung über dieses Verhalten ging die Behörde zu einer neuartigen Präventivstrategie über. Noch bevor die Preise für die neue Autosaison 1977 feststanden, setzte die Behörde eine Toleranzgrenze für eine sog. ›missbrauchsfreie Preisanpassung‹ bei maximal vier Prozent fest.238 Die Hersteller hielten sich an die Vorgabe. Allerdings hoben sie die Preise provokant und kollektiv um exakt 3,9 Prozent an. Sie begründeten ihr Handeln nun mit allgemeinen absatzpolitischen Überlegungen, anstatt das Standardargument der Kostensteigerungen ins Feld zu führen.239 Als Fazit lässt sich festhalten, dass der Preiswettbewerb zumindest phasenweise durch eine strategische Interessenkongruenz der Markteilnehmer unterminiert wurde. Motiviert war dies gleichermaßen durch situative Handlungszwänge und die tradierte Verhaltensdisposition, zugunsten einer kollektiven Ertragsstabilisierung auf aktiven Preiswettbewerb zu verzichten. Den Kampf um Marktanteile über die Preise auszutragen, barg für alle Marktteilnehmer das Risiko sinkender Branchenerträge, da die Einnahmeverluste wohl kaum durch eine erhöhte Produktivität oder gar sinkende Produktionskosten kompensiert werden konnten.240 Die Spielräume, um investitionsintensive Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen und sich auf eine Preis-Kosten-Spirale einzulassen, waren in den 1970er Jahren nicht gegeben. Der Automobilmarktanalyst Klaus Busch kommentierte die Zukunftsperspektiven der Wettbewerbspolitik: Die feststellbare geringe Neigung zu aktiver Preispolitik in der Automobilindustrie [begründet sich] in mangelnden Möglichkeiten im Bereich der Produktionssphäre, durch technische Umwälzungen spektakuläre Preissenkungen zu erzwingen wie zu Zeiten Henry Ford. Der relativ geringe Fixkostenanteil ist einer Preissenkung nicht […] dienlich, da sie eine überproportionale Produktionsausdehnung fordert. Die Struktur der Angebotsseite und die relativ ähnliche Leistungsfähigkeit der Großproduzenten wirken ›stabilisierend‹. Je weiter außerdem der Markt langlebiger Konsumgüter erschlossen ist, umso geringer sind die Möglichkeiten, ihn durch Preissenkungen auszuweiten, zumal die Gebrauchtwagenpreise […] für Preissenkungen eine Untergrenze bilden.241 237 Siehe ebd.; ausführlich: Art. »Auf Zeit gespielt«, in: Der Spiegel vom 4.10.1976, S. 45 f. Lediglich dem Vorstandssprecher von VW, der nach Aussage des Spiegels im Branchenjargon seither den Spitznamen Toni »der Trickser« Schmücker führte, drohte ein Bußgeld wegen Verfahrensverschleppung und Falschaussage. 238 Vgl. Deutscher Bundestag, Bericht des Bundeskartellamtes 1977, Drucksache 8/1925, S. 24. 239 Siehe Art. »Kartellamt, die gelbe Karte gezeigt«, in: WirtschaftsWoche vom 19.8.1977, S. 23; Biermeier, Wettbewerb, S. 220. 240 Vgl. ebd., S. 231. Zur frühen Theoriegeschichte der Oligopolpreisdebatte siehe überblicks­ artig Gerhard Stavenhagen, Geschichte der Wirtschaftstheorie, 4. durchges. und erw. Aufl., Göttingen 1969, S. 374 f.; Diekmann, Automobilindustrie, S. 44 f. 241 Busch, Strukturwandlungen, S. 155.

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Neben der Furcht vor einem ruinösen Preiswettbewerb vermieden die Hersteller Preissenkungen aufgrund von weiteren schlagkräftigen Überlegungen: Zum einen sahen sie sich wegen der allgemeinen Kosteninflation und der zyklischen Nachfragereaktionen der Kunden dazu veranlasst, in Zeiten einer guten Marktlage Gewinnpolster anzulegen, um die erwarteten Forschungs- und Rationalisierungsinvestitionen vorzufinanzieren. Zum anderen kursierte jetzt auch bei den Massenproduzenten die Befürchtung, Imageschäden für die eigenen Qualitätsprodukte zu verursachen. Da ein höherer Preis qualitative Überlegenheit symbolisierte, scheuten die Hersteller davor zurück, mittels sinkender Listenpreise beim Kunden potentiell negative Assoziationen hinsichtlich der Preis-Wertigkeit des eigenen Angebots auszu­ lösen.242 Die gemeinsame Zurückhaltung im wettbewerbstaktischen Verhalten sollte zudem eine ›deutsche Qualitätsfront‹ im Konkurrenzkampf mit ausländischen Mitbewerbern aufbauen helfen.243 Insgesamt bleibt vor diesem Hintergrund zu konstatieren, dass eine Politik der abgestimmten Preiserhöhungen sowohl aus kosten-, als auch aus vielfältigen marketingstrategischen Erwägungen als rational zu bezeichnen war. Gleichwohl bedeutete die stetige Aufwärtstendenz der Listenpreise nicht, dass innerhalb der Branche kein Preiswettbewerb mehr stattfand. Der Preiswettbewerb verlagerte sich lediglich in eher »indirekter, versteckter Weise«244 auf die Händlerebene und – damit eng verbunden – auf die Aktionswerkzeuge der Konditionenpolitik.

4.2 Kaufkonditionen als situatives Marketinginstrument Die deutschen Automobilhersteller reagierten mit einer Vielzahl genuiner Rabatt- und Zusatzleistungen auf die Absatzkrise der 1970er Jahre. Zu unterscheiden sind Sonderverkaufsaktionen und Bonusprogramme, die sich sowohl an die Händler als auch die Kunden wandten, sowie Aktivitäten im Bereich der Ausstattungspolitik und auf dem weiten Feld der Garantie- und Serviceleistungen. Einen ersten, gewissermaßen klassischen Ansatzpunkt, um in absatzschwachen Perioden neue Verkaufsanreize zu setzen, bildeten Prämienprogramme für die Händlerorganisation. Die Massenhersteller Volkswagen, Opel und Ford gingen frühzeitig dazu über, ihren Händlern Werksabnahmegratifikationen und Zulassungsprämien zu gewähren. Auf der Basis eines Verkaufshilfe-Aktionsplans gewährte der Volkswagen-Konzern beispielsweise ab Sommer 1974 eine Prämie von bis zu 800  DM je verkauftem oder auch nur georderten Fahrzeug der 242 Vgl. Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Automobilindustrie, S. 199; Biermeier, Wettbewerb, S. 229. 243 Hier bezogen sich die Überlegungen allerdings stärker auf Formierungsstrategien zur Förderung der Wettbewerbsposition beim Export, indem hohe Preise und Übergewinne im Inland helfen sollten, im scharfen Preiswettbewerb auf den Auslandsmärkten zu bestehen. Vgl. Berghoff, Unternehmensgeschichte, S. 98. 244 Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Automobilindustrie, S. 198.

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Modellreihen Audi 100 und Ro 80. Das Ziel lautete, die Händler im Wettbewerb um die Prämien zu einer Intensivierung ihrer Verkaufsbemühungen zu bewegen. Bei schwer absetzbaren, weil verbrauchsstarken Modellen sollten so die Werkslager abgebaut werden.245 Selbst der Verkauf des VW Passat musste kaum ein Jahr nach seinem Erscheinen durch ähnliche Aktionen unterstützt werden. Nachdem VW die Preise für sein größtes Modell im Mai 1974 um mehr als zehn Prozent angehoben hatte, schwächte sich die zuvor lebhafte Nachfrage erheblich ab. Offenbar hatte man sich schlicht verkalkuliert und die Grenze des zumutbaren Preiskorridors beim Kunden überschritten. Hierauf deuteten zumindest die Käuferbewegungen hin. Innerhalb des VW-Programms wurde der Passat stärker als erwartet vom Golf substituiert. Zudem sackte seine auf 36 Prozent veranschlagte Eroberungsrate bei Fremdkunden auf 18 Prozent ab. Das Modell verlor sogar mehr Käufer an die Alternativangebote der Konkurrenz.246 Als Folge standen im Sommer 1974 rund 12.000 der 46.500 gebauten Passats auf Halde – eine Situation, die, wie der VWVorstand festhielt, »aus finanzieller Sicht wegen der Liquiditätsbeeinträchtigung und der hohen Stützungsbeiträge zum Lagerabbau grundsätzlich nicht vertretbar [sei]. Die Tatsache, dass diese Fahrzeuge bereits produziert sind und unverkauft im Werklager stehen, erfordert zwangsläufig aufwendige Verkaufsmaßnahmen.«247 Unter dem Titel ›Passat Eroberungsaktion‹ zahlte VW seinen Händlern ab sofort bis zu 550 DM Prämie für jeden an einen Fremdmarkenbesitzer verkauften Passat aus. Parallel wurden alle Modelle der Baureihe im Nettopreis wieder um 160 DM verbilligt. Fünfzig Prozent der Kosten für diese Maßnahme übernahm das VW-Werk, den Rest deckelte eine Senkung der Händlermargen. Die Verbindung aus Prämien für die Händler und Preisrabatten für die Kunden bildete eine weit verbreitete Kombination in den Marketingmaßnahmen der deutschen Volumenanbieter. Unter der Maßgabe, dass alle Formen von Verkaufshilfen »in jedem Fall dem Kunden zugute kommen«248, offerierten sie die ›entwerteten‹ Modelle in zeitlich limitierten Sonderaktionen zu Vorzugspreisen. Der große Vorteil dieser punktuellen Verkaufsoffensiven war, dass sie eine flexible preispolitische Feinsteuerung ermöglichten, die ebenso leicht ein- wie auch wieder ausgesetzt werden konnte.249 Rabatte avancierten also zu flexiblen marketingstrategischen Soforthilfemaßnahmen.250

245 Vgl. UVW, 373/174/1, Schreiben Thiede an Strobel, Vorlage zur Vorstandssitzung vom 26.8.1974, S. 1. 246 Vgl. ebd., Marketing-Konzept: Passat Eroberungsaktion vom 22.8.1974. 247 Ebd., 373/175/2, Anlage 4, Vorstandsprotokoll vom 15.10.1974: Passat Zulassungs- und Eroberungsprämienaktion, S. 1. 248 So VW-Chef Leiding: ebd., 373/174/1, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 26.8.1974, S. 6. 249 Siehe Bänsch, Einführung, S. 131; Goebel, Anpassung, S. 289. 250 Vgl. UVW, 373/175/2, Notiz der Abt. Marketing-Produktprogramm (Schwittlinsky) vom 30.9.1974; HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 4, Ford 1974, Ford Marketing-Vorschläge, I. Halbjahr 1974, o. S.

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Vor und zum Teil auch noch in der akuten Phase der ersten Energiepreiskrise taten sich die Oberklassenspezialisten dagegen deutlich schwerer, Abverkaufshilfen zu starten. Sofern es sich nicht um offensichtlich erkennbare Auslauf­modelle handele, gab der BMW-Vorstand noch im Januar 1974 zu Bedenken, berge jede Sonderverkaufsprämie an die Händler die Gefahr, dass letztere einfach dazu übergingen, die Listenpreise zu unterlaufen. Für das Prestige einer Qualitätsmarke sei eine solche »typische Maßnahme der Massenhersteller«251 somit höchst gefährlich. Deutlicher kann kaum dokumentiert werden, wie sehr sich das vom Marketing konstruierte Firmen- und Markenimage als Referenzebene für die unternehmerischen Entscheidungsprozesse etabliert hatte. Die Image-Orientierung weitete jedoch nicht nur das Markt- und Konsumentenverständnis in positiver Weise aus. Sie konnte auch zu einer selbstauferlegten Barriere des eigenen Handlungsspielraums werden, wenn sie betriebswirtschaftlich rationalen Entscheidungen – wie in diesem Fall dem aktiven Einsatz von Verkaufshilfen in einer Absatzkrise – verhinderte. Rabattaktionen blieben bei den Premiumanbietern weitgehend ebenso ein Tabu, wie der Versuch, den Verkauf durch preisgünstige Sondermodelle anzukurbeln. BMW lancierte lediglich einmalig im März 1974 ein Sondermodell der 5er-Reihe. Mit enttäuschenden 800 Einheiten wurden die Verkaufsziele aber bei weitem nicht erreicht.252 Bei den Massenherstellern entwickelte sich Sondereditionen dagegen zum schlagkräftigsten Absatzinstrument. Waren Sonderserien zuvor nur ausnahmsweise zu bestimmten Jubiläumsanlässen253 angeboten worden, überschwemmten sie den Markt seit der Energiepreiskrise. Allein zwischen 1973 und 1977 präsentierten Opel und Ford jährlich vier bis fünf Sonderangebote unterschiedlicher Baureihen. Volkswagen war aufgrund seines noch sehr aktuellen Produkt­ programms etwas zurückhaltender.254 Die Sonderserien wurden in einer vorbestimmten Menge zwischen 2.000 und 8.000 Einheiten gebaut und dem Kunden in einer maximal dreimonatigen Aktionsperiode offeriert. Feste Ausstattungs- und Designpakete setzten die Modelle von herkömmlichen Angeboten ab. Zum Teil boten sie technische Zubehördetails (u. a. Radios, Halogenscheinwerfer, Verbundglasscheiben oder Drehzahlmesser)

251 BMWGA , UA 852/1, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 9.1.1974, S. 12 sowie ebd., Protokoll zur Vorstandssitzung vom 5.2.1974, S. 7. Hier wies der Vorstand auf die Kosten des Programms in Höhe von 1,2 Millionen DM und auf die schwierige Vereinbarkeit der Aktion mit der Konzernwerbung hin. 252 Vgl. ebd., UA 1545, Bericht über den Vertrieb für die Aufsichtsratssitzung am 7.3.1974, Unterpunkt: Verkaufsförderung, S. 12b sowie ebd., Anlage 6: Zusatzprogramm aggressiv Inland 1975. 253 Z. B. der »Weltmeister-Käfer« und andere Sondereditionen, die gleichzeitig der Auffrischung des Lebenszyklus des Käfers diente. Vgl. UVW, Bestand Werkszeitung [ohne Signatur], Art. »Die Weltmeisteraktion kam an. Große Werbe- und Verkaufskampagne der VW-Organisation«, in: autogramm 2/1972 vom 8.5.1972, S. 3. 254 Vgl. hierzu die Aufstellung in Goebel, Anpassung, S. 190.

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oder kombinierten die Features neu. Meist hoben sich die Serien jedoch lediglich optisch von den Basistypen ab – mittels Sonderlackierungen, Chromleisten oder bestimmten Stoffinterieurs. Für den Kunden boten sie einerseits den Vorteil einer Preisersparnis. Die im wahrsten Sinne des Wortes vorgefertigten Fahrzeugversionen waren billiger als die Standard-Pkws mit vergleichbarem Ausstattungsumfang. Allerdings verwies die Zeitschrift auto motor und sport schon frühzeitig darauf, dass es sich oft nur um Lockvogelangebote handelte. Die Preisabschläge bewegten sich in Dimensionen, die jeder Neuwagenkäufer auch bei Standardfahrzeugen leicht heraushandeln konnte.255 Ein überzeugendes Kaufargument bildete dagegen das Versprechen besonderer Individualität, welches sich mit dem Erwerb eines limitierten Fahrzeugtypus verband. Die Automobilfirmen förderten diesen Aspekt aktiv, indem sie den Modellen assoziationsreiche Zusatznamen gaben, die sich in großen Lettern am Heck oder der Flanke wiederfanden. Charakteristisch waren Modellbezeichnungen wie z. B. Kadett Swinger, Kadett City, Manta bzw. Ascona black magic, Ascona Holiday, Hit-Rekord, Nutz-Rekord oder Sport-Rekord von der Firma Opel, Pop-Käfer oder Jeans Polo von VW, Granada Traveller oder Excecutive von Ford. Solche Namen griffen bewusst Lebensstil-Assoziationen auf, um die Automobile in spezifischen Image- und Kommunikationsfeldern zu platzieren.256 Vor diesem Hintergrund lassen sich mehrere tragfähige Motive für den Bau von Sondermodellen benennen: Erstens setzten die Vorstöße punktuelle Kaufanreize. Präsentierte ein Kontrahent ein neues Fahrzeug, boten sich Sonder­ editionen an, um die Aufmerksamkeit der Konsumenten zurück auf die eigenen Produkte zu lenken.257 Bei auslaufenden Typenreihen dienten sie zudem zur Auffrischung der Kaufanreize. »Gerade bei längst einführten Typen wirkt ein Sondermodell wie eine Neuheit«258, betonte der Ford-Pressesprecher Demuth. Zweitens ließen sich die Sonderserien von den Anbietern gezielt auf spezielle Lebensstil-Segmente und Zielgruppen ausrichten. Sie boten eine zusätzliche Möglichkeit zur Anpassung des Angebots an sich schnell wandelnde Käuferpräferenzen. Dabei eigneten sich die befristeten Aktionen auch als sog. Pre-Tests, um weitestgehend risikolos die Reaktion der Kunden auf einem vom Konzern avisierten Angebotsfeld zu prüfen. So zielten etwa der Kadett City J (Junior)

255 Vgl. Art. »Die Lockvögel. Sind Sonderangebote der Autofirmen günstige Gelegenheiten?«, in: auto motor und sport, H. 7, 1977, S. 156–160; Art. »Echter und fauler Rabatt«, in: mot auto-journal, H. 24, 1976, S. 59. 256 Vgl. Biermeier, Wettbewerb, S. 234. Siehe zur firmeninternen Beurteilung der Sondermodelle auch UVW, Bestand Werkszeitung [ohne Signatur], Art. »Drei Käfer in neuem Look. Sie haben mehr als sie kosten«, in: autogramm 4/1973 vom 28.9.1973, S. 3. 257 An dieser Stelle wird auf die Präsentation des Ford Escort Strada zeitgleich mit der Neuerscheinung des VW Golf 1974 oder – umgekehrt – des VW Jeans Polo als Kontrapunkt zur Einführung des Ford Fiesta 1976 verwiesen. Vgl. Art. »Autopreise: Mit Chromleisten auf Kundenfang«, in: WirtschaftsWoche, Nr. 11, 1977, S. 56–57. 258 Zit. nach ebd., S. 56.

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oder der VW Jeans Polo bewusst auf junge Erstkäufer ab und sollten spezifische Käuferwanderungsbewegungen zu projektieren helfen.259 Drittens eigneten sich verbilligte Sonderangebote, um kurzfristige preispolitische Wettbewerbsimpulse zu setzen, ohne direkte Listenpreisänderungen vorzunehmen und den generellen Preiskonsens innerhalb der Branche zu gefährden. Schließlich ist viertens darauf zu verweisen, dass diese Marketingstrategie kostengünstig umzusetzen war. Die Serienproduktion von einheitlich ausgestatteten Modellen senkte die Fertigungskosten. Gegenüber einer Herstellung auf Kundenorder realisierten die Anbieter rund fünf bis sechs Prozent höhere Gewinne. Zudem konnten die Fahrzeuge in den absatzschwachen Saisonperioden im Herbst / Winter vorproduziert werden. Sie halfen somit, teure Auslastungsschwankungen in der Fertigung auszugleichen.260 Aus der Perspektive der Unternehmen ließen sich somit wirksame Impulse sowohl für die Verkaufsförderung, als auch für die Imagegestaltung und den Kostenwettbewerb setzen.261 Kritisch bleibt dagegen einzuwenden, dass die Autofirmen durch die Fülle von Sondermodellen bewusst eine parallele Angebotsebene entstehen ließen, auf die sie den Wettbewerb gewissermaßen ausgliederten. Die Basisangebote zeigten dagegen kaum Indizien für eine konsumentenfreundliche Politik. Ganz im Unterschied zu Automarken aus Frankreich und Italien erwarb der Käufer eines deutschen Klein- oder Mittelklassewagens zum Listenpreis nur ein Standardmodell mit sparsamer Grundausstattung. Eine höhere Ausstattung – darunter zahlreiche durchaus sicherheitsrelevante Komponenten – musste er extra bestellen.262 »Wir sind es von unserer Automobilindustrie gewohnt, jede kleinste Verbesserung in Komfort und Sicherheit beim Neukauf eines Fahrzeuges […] angerechnet zu bekommen«263, urteilte Die Zeit 1969. Wettbewerber, Verbraucherschützer und Marktanalysten werteten dies einhellig als kundenfeindliche Preisverschleierung. Umso mehr galt der 1975 vollzogene Übergang zu einer sog. Komplettpreispolitik für die Kernsortimente als wegweisender Schritt zu einem Mehr an Kundenorientierung. Bezeichnenderweise ging die Initiative von der Firma Ford aus. Die amerikanische Konzerntochter brachte eine auf dem US Markt bereits lange erprobte, aggressivere Verkaufsmethode nach Deutschland. 259 Vgl. zur Bedeutung derartiger Pre-Tests bereits UVW, 69/530/2, Marktforschung im VW Konzern, Grundlehrgang für Führungskräfte der VW AG , 2. Phase, 1971, [o. S.]. 260 Vgl. Biermeier, Wettbewerb, S. 235. 261 Vgl. hierzu die Aussage des Opel Marketingdirektors Martin Klincke in: Art. »Autopreise: Mit Chromleisten auf Kundenfang«, in: WirtschaftsWoche, Nr. 11, 1977, S. 56. 262 Vgl. Art. »20 Jahre Ausstattung. Vom Zubehör zur Sicherheit«, in: mot auto-journal, H. 4, 1975, S. 33–34. Hier verwies der Autor darauf, dass deutsche Fabrikate schon in den 1950er Jahren in der Grundausstattung teilweise weder über Scheibenwischer, Heizungen oder Außenspiegel verfügten. In den 1970er Jahren fehlten weiterhin zentrale Komponenten, wie Verbundglasscheiben, zweiter Außenspiegel oder Heckwischer. 263 Art. »Extras inbegriffen«, in: Die Zeit vom 17.1.1969, S. 18. Hier hieß es bereits: »Wir sind es von unserer Automobilindustrie gewohnt, jede kleinste Verbesserung in Komfort und Sicherheit beim Neukauf eines Fahrzeuges der gleichen Preisklasse angerechnet zu bekommen.« Auch Art. »Locken mit Extras«, in: Die Zeit vom 11.5.1973, S. 23.

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Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

Sie statteten ab Januar 1975 ihre Mittelklassemodelle ohne Aufpreis mit Stahlgürtelreifen, Scheibenbremsen, Bremskraftverstärker, heizbaren Heckscheiben und elektrischen Scheibenwischanlagen aus. Ford brach damit den langjährigen Burgfrieden der deutschen Anbieter in der Konditionenpolitik. Die Automobilpresse überhäufte Ford bei der Präsentation des ›Komplett-Taunus‹ geradezu mit positiver Kritik. Endlich, so die Zeitschrift Capital, habe ein Hersteller den Mut, mit der deutschen Tradition zu brechen, »spartanische Fahrzeuge als optisch billige Grundmodelle [anzubieten], die sich erst durch Extras gegen hohe Aufpreise zu kompletten Autos aufrüsten ließen.«264 Das deutsche Büro des Ford-Werbepartners Thompson resümierte zufrieden: The news is good, at least at terms of morale. The press has done a complete turnaround, now Opel and VW are the ›bad guys‹. Lutz reported that dealers were calling him to tell him they’d never [Hervorhebung im Orginal] had so much traffic. The Escort press is incredibly enthusiastic […]. In short, the ›who are those guys‹ technique is working like gangbusters. Now – if we can just sell some metal.265

Weniger euphorisch war dagegen die Konkurrenz. Der gerade erst von BMW in den Ford- Chefsessel gewechselte Robert A.  Lutz kokettierte in Interviews damit, dass ihn die Wettbewerber als Abtrünnigen am liebsten zur Räson bringen würden. Die Versuche, das einträgliche Ersatzteilgeschäft zu reharmonisieren, konterte Lutz selbstbewusst mit der Bemerkung, niemand könne zu dem alten deutschen Traditionen des »kartellartigen Verhaltens gezwungen werden.«266 Die Replik spielte geschickt auf die antiliberalen Wettbewerbspraktiken der ›urdeutschen‹ Hersteller an und stilisierte das Ausschwenken von Ford als überfälligen Modernisierungsschritt im Dienste der Kunden. Bezeichnend war dabei, dass mit Lutz ein Amerikaner den Bruch mit der etablierten Branchenphalanx propagierte. Das altbewährte Verhalten, Krisen mittels Marktabsprachen gemeinsam bewältigen zu wollen, schien unter dem erhöhten Wettbewerbsdruck nicht mehr durchzuhalten. Diese zumindest partielle Erosion des Konsenses in den Preis- und Verkaufsstrategien war – wie etwa die Beispiele Henkel, Siemens oder Continental zeigen – keineswegs nur für die Pkw-Industrie typisch.267 Sie 264 Art. »Straßenschlacht. Autoindustrie kehrt zum Wettbewerb zurück«, in: Capital, Nr. 3, 1975, S. 13. 265 HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 5, Ford 1975–76, Correspondence, Schreiben des DeutschlandBüro-Leiters von JWT, George Black, an Burt Manning (New York) vom 24.1.1975. 266 Zit. nach Art. »Lutz sorgt für Spannung«, in: Frankfurter Rundschau vom 3.2.1975, S. 6. Vgl. auch HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 5, Ford 1975–76, Media, Pressemappe, insbes. Interview-Manuskript »Erfolg durch Teamwork«, [o. Dat.] Januar 1975. 267 Vgl. Hilger, ›Amerikanisierung‹, S. 195 f.; Paul Erker, Vom nationalen zum globalen Wettbewerb. Die deutsche und amerikanische Reifenindustrie im 19. und 20. Jahrhundert, Paderborn 2005, S. 281 f.; ders., Macht, S. 305. Meist waren es ausländische, oft amerikanische Konkurrenten, die die ›Ruhe‹ der einheimischen Märkte mit aggressiven Taktiken störten.

Preispolitik und Konditionenwettbewerb

363

betraf zahlreiche Branchen und entwickelte sich zu einem allgemeinen Charakteristikum veränderter Wettbewerbsmuster in der deutschen Wirtschaft.268 Aufgrund des übermäßigen Erfolgs der Komplettpreis-Offensive mussten sich die Wettbewerber an der Strategie von Ford neu orientieren. Die Neuzulassungsanteile des Kölner Herstellers stiegen allein im ersten Quartal von 9,3 auf 15,7 Prozent. VW und Opel verloren demgegenüber binnen weniger Wochen allein drei bzw. 1,5 Prozent ihrer Marktanteile.269 Bereits ab dem 14. März 1975 ging die Adam Opel AG dazu über, sämtliche Baureihen ebenfalls serienmäßig aufzuwerten. Drei Wochen später übernahm auch VW die Komplettpreise für Teile ihrer Produktlinien.270 In der Folgezeit ergänzten die Hersteller in einem wechselnden Rollenspiel zwischen Initiatoren und Nachahmern die Serienausstattungen punktuell immer weiter. Nachdem der Wettbewerb somit auch diesen Teilbereich der Kaufkondi­ tionen erreicht hatte, mischten sich preis- und marketingstrategische Motive mit dem Prozess der Anpassung an die staatlichen Sicherheits- und Umweltvorgaben. Schallgedämpfte Auspuffanlagen, automatische Gurtsysteme, spursichere Lenkungen oder höhenverstellbare Kopfstützen gehörten spätestens gegen Ende der 1970er Jahre zur selbstverständlichen Serienausstattung.271 Sich diesem dynamischen Aufwertungstrend in den Pkw-Konzepten zu entziehen, konnte sich kein Anbieter erlauben.272 Deutliche Zeichen einer verstärkten Marktorientierung zeigten sich des Weiteren im Bereich des Garantie- und Dienstleistungsangebots. Auch hier waren ab der zweiten Hälfte der 1970er Jahre die gleichen dynamischen Vorstoß-Verfolgungs-Muster auszumachen. Wiederum war es der Ford-Konzern, der die Rolle des Schrittmachers übernahm. Im September 1974 dehnte Ford seine Garantieleistungen aus und nutzte damit als erster deutscher Anbieter ein über Jahre brachliegendes Marketinginstrument. Statt einer bis dato üblicherweise auf sechs Monate bzw. eine Fahrleistung von 10.000 km begrenzten Gewährleistung verdoppelte der Hersteller den Garantieschutz bei Neuwagen auf zwölf Monate und 20.000 km.273 Diese Maßnahme sprach die verunsicherte Kundschaft geschickt gleich auf mehreren Ebenen an. In einer Phase, in der Reparatur- und Servicekosten inflationär anstiegen, reduzierte die Ausdehnung der Fristen, in der potentielle Fahrzeugmängel kostenlos behoben werden konnten, das finanzielle Kaufrisiko. Der Erwerb 268 269 270 271

Vgl. Reitmayer / Rosenberger, Einleitung, in: dies. (Hrsg.), Unternehmen, S. 21 Daten hierzu aus: Biermeier, Wettbewerb, S. 166. Siehe ebd. Zahlreiche Beispiele für die Hersteller Volkswagen, BMW, Opel und Porsche finden sich bei: Goebel, Anpassung, S. 209. 272 Vgl. BMWGA , UA 1446, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 20.1.1976, S. 3. 273 Vgl. zur Haftungsregelung im deutschen Kfz-Gewerbe allgemein Christfried Rinke, Die Haftung des Kraftfahrzeug-Herstellers für Mangelfolgeschäden fehlerhafter Kraftfahrzeuge. Eine rechtsvergleichende Untersuchung für die Länder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Diss., Mainz 1969, hier S. 49 f.

364

Produktpolitik: Anpassungen an Markt und Marketing

eines Ford-Pkw erschien in dieser Hinsicht besonders vernünftig; ein Argument, das als Kaufmotiv in der Energiepreiskrise besonders schlagkräftig war. Daneben fungierten die besonderen Garantieleistungen als Nachweis für die Qualität der Produkte.274 Hierauf spielte der offene Brief des Generaldirektors Lutz an die Ford-Besitzer an, mit dem er die neuen Garantieregeln persönlich ankündigte: Ich [habe] mich überzeugen können, dass die Ford-Automobile einen QualitätsStandard erreicht haben, der keinen Vergleich scheut. Sie bieten in jeder Preisklasse einen echten Gegenwert für Ihr investiertes Geld. Die Qualität hat mich in der Tat so beeindruckt, dass ich […] gebeten habe […], unser Vertrauen in die Ford-Automobile noch deutlicher und klarer als bisher zum Ausdruck zu bringen. […] Deswegen gebe ich Ihnen die neue Vernunft-Garantie selbst bekannt.275

Die sog. Vernunft-Garantie machte Ford in der publizierten öffentlichen Meinung zum kundenfreundlichsten deutschen Automobilunternehmen und Vorbild für die Konkurrenz. Offensichtlich selbst vom Erfolg der Kampagne überrascht, hielt die Presseauswertung von JWT fest: The reaction of the press? […] They’re saying nice things about Ford in Germany. Would you believe ›consumer-friendly‹, ›consumer mindes‹; best of all the Automobil Club of Germany ›recommends that the industry follow Ford’s lead.‹ […] Around here there is a new spirit of hope in the air.276

Den Ford-Werken verschaffte der Tabubruch mit den traditionellen Garantieregeln äußerst positive Imageeffekte.277 Demgegenüber hielten sich VW und Opel vor allem aus Kostengründen zurück, dem Vorreiter zu folgen. Der VW-Vorstand spielte die Offensive intern als kostspielige und unbedeutende Werbemaßnahme eines Produzenten mit großen Absatz- und Qualitätsproblemen herunter. Man sah »keine Veranlassung […] von der geltenden Regelung abzuweichen.«278 Selbst als die Presse den Verweis von VW und Opel auf ihre Kulanz bei der Mängelhaftung als »selbstgefällige Heuchelei«279 kritisierte, mit der Kunden weiterhin zu Bittstellern deklassiert würden, hielten die beiden Hersteller dem Druck stand. Erst als Ford den ersten Wettbewerbsvorstoß mit der Komplettpreis-Initiative kombinierte und zu Beginn der neuen Autosaison massive Kundenzuwande­

274 Vgl. Genth, Qualität, S. 272. 275 HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 4, Ford 1974, Correspondence 1, Offener Brief von Robert A. Lutz an alle Ford-Besitzer, o. Dat. [September 1974]. 276 Ebd., Schreiben von George Black (JWT, Frankfurt / M.) an Burt Manning (JWT, New York) vom 9.9.1974; siehe auch ebd., Antwortschreiben von Burt Manning vom 13.9.1974. 277 Art. »Doppelte Garantie«, in: FAZ vom 9.9.1974, S. 12. 278 UVW, 373/174/1, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 12.9.1974. Siehe auch: Art. »VW-Keine Garantie-Verlängerung«, in: FAZ vom 10.9.1974, S. 8. 279 Zit. nach Art. »König Kunde bleibt weiterhin Bettler« und »Kunden rutschen nicht auf Knien«, in: HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 4, Ford 1974, Media / Reports, hier leider ohne weitere Quellenangabe.

Preispolitik und Konditionenwettbewerb

365

rungen verzeichnete, sah man sich in Wolfsburg und Rüsselsheim gezwungen, die Garantiefristen ebenfalls zu erweitern.280 Im Service- und Dienstleistungsmarketing setzte letztlich eine breite Folge von wettbewerbsstrategischen Aktivitäten ein. Ende der 1970er Jahre dehnte die Automobilindustrie ihre Garantien schrittweise weiter auf zwei Jahre ohne Kilometerbegrenzung aus; zudem wurden neue Spezialregelungen etwa für Motor-, Karosserie- oder Durchrostungsschäden gewährt.281 Ähnliche Effekte lassen sich bei Kundendienstleistungen in den Bereichen Wartung, Pflege und Reparaturen nachweisen. Ab 1974 initiierten und imitierten die deutschen Hersteller qualitative Serviceverbesserungen mittels kostenloser Rückrufaktionen, verlängerter Wartungs- und Ölwechselintervalle oder der Einführung von Reparaturnotdiensten an Sonn- und Feiertagen.282 Zum Teil sorgten auch technische Innovationen, wie wartungsfreie Fahrwerksteile, selbstnachstellende Bremsen und elektronische Diagnosesysteme für sinkenden Wartungsaufwand.283 Diese Neuerungen beim Kundendienst sind nicht zuletzt als eine Reaktion der Unternehmen auf ein zunehmend anspruchsvolleres Verbraucherbewusstsein zu interpretieren, das über die Kanäle kritischer medialer Berichterstattung eine möglichst problemfreie und kostengünstige Nutzung des Autos einforderte.284 Insgesamt lässt die skizzierte Entwicklung erkennen, dass die deutschen Automobilfirmen ab Mitte der 1970er Jahre zahlreiche, zuvor ungenutzte Wettbewerbsinstrumente in ihren Strategiekatalog übernahmen. Erst diese Neuausrichtung der Firmen auf konsumentenorientierte Aktionsfelder ließ den Marketing-Mix in der Branche zu seiner vollen Entfaltung kommen. Hierin spiegelte sich eine erhöhte Wettbewerbsintensität des Automarktes wider, die letztlich zu einer eigendynamischen und isomorphen Weiterentwicklung der Leistungs- und Serviceangebote führte. Gänzlich lösen wollten – und aus ihrer Selbstsicht konnten – sich die deutschen Unternehmen aber nicht von den Traditionen eines organisierten Wettbewerbsverhaltens. Auf dem zentralen Feld der Listenpreise koordinierten sie ihre Verkaufsstrategien weiterhin in harmonischer Eintracht und suchten Preiskämpfe zu umgehen. Im Spannungsfeld zwischen offensiven amerikanischen Marketingmethoden und den stabilitätsorientierten deutschen Geschäftsusancen vollführten die Autokonzerne ein Spagat zwischen Erneuerung und Beharrung.

280 Vgl. Biermeier, Wettbewerb, S. 158 f. 281 Vgl. eine Aufstellung aller Leistungen in ebd., S. 161. 282 Siehe exemplarisch die Maßnahmen von BMW im Service- und Dienstleistungsbereich BMWGA , UA 1456, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 9.9.1977, S. 8. 283 Vgl. Goebel, Anpassung, S. 238. 284 Vgl. Dieter Meiners, Einführung ins Marketing, München 1972, S. 78.

VI. Unternehmenskommunikation: Konsumenten- und Umfeldansprache

Im Zuge der Umbrüche der 1970er Jahre erfuhr die Kommunikationspolitik der Unternehmen einen Formwandel. Zugleich gewann sie im Rahmen des neuen Paradigmas des Marketingmanagements deutlich an Bedeutung. In der heutigen Marketing- und Betriebswirtschaftslehre gilt die Promotion als Gesamtheit aller Instrumente, die zur Außendarstellung eines Unternehmens eingesetzt werden können. Sie definiert sich als die systematische Gestaltung von Informationen und Bedeutungsinhalten mit dem Ziel, Einstellungen und Verhaltensweisen gemäß den unternehmerischen Zielsetzungen zu steuern.1 Dabei werden ihr drei Funktionen zugewiesen: die Absatzförderung, Informationsvermittlung und Positionierung »eines Unternehmens, einer Marke oder eines Produktes in der Vorstellungswelt des Kunden.«2 Bevor sich diese eher theoretische Sichtweise jedoch in der Praxis des Unternehmenshandelns verankerte, bedurfte es vielfältiger historischer Lernprozesse in den Feldern der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit.3 Die »soziale Entbettung«4 des Kaufprozesses erforderte in überregionalen Massenmärkten der Moderne nun mehr als eine reine Bekanntmachung der Konsummöglichkeiten. Es galt, den Kunden nicht mehr allein auf ein bestehendes Angebot hinzuweisen und damit Informationsasymmetrien über Ort, Zeit und Konditionen von Angebot und Nachfrage abzubauen. Vielmehr ging es darum, die Konsumenten auf die qualitativen Eigenschaften der Waren und ihren individuellen Nutzen hinzuweisen. Gerade bei langlebigen Konsumgütern war und ist der Kunde sehr stark an Produktinformationen interessiert, um seine nicht unerheblichen Kaufrisiken zu reduzieren. Neben Haushaltsgeräten, Fernsehern, Heimcomputern oder neuerdings Handys zählt ein Automobil nahezu idealtypisch zum Kreis von nur selten erworbenen speciality goods bzw. high-involvement-Produkten, für deren Erwerb die Konsumenten besondere Beschaffungsanstrengungen auf sich zu nehmen bereit sind.5 Ab wann aber produzierte die Werbung nicht mehr allein sachliche Aussagen, sondern ganzheitliche emotio1 In Anlehnung an Meffert, Marketing, S. 443. 2 Diez, Handbuch, S. 252. 3 Zur Unterscheidung zwischen Werbung (Marktkommunikation) und Öffentlichkeitsarbeit (Öffentlichkeitskommunikation) siehe Bruhn, Unternehmenskommunikation, S. 8; Wischermann, Unternehmenskultur, in: ders. (Hrsg.), Unternehmenskommunikation, S. 35 f. 4 Anthony Giddens, Konsequenzen der Moderne, Frankfurt / M. 1995, S. 41. 5 Gabler-Wirtschaftslexikon (online-Ausgabe unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/­ Archiv/3178/; eingesehen am 14.5.2017). Die Bezeichnungen basieren auf der Warentypo-

368

Unternehmenskommunikation: Konsumenten- und Umfeldansprache

nale Markenbilder, um die Kundenwahrnehmung in allen »Bezugspunkten zum Markt und zu den ihn beeinflussenden Umweltfaktoren«6 positiv zu gestalten? Wann schloss die Imagegestaltung im Sinne einer integrierten Unternehmenskommunikation die Öffentlichkeitsarbeit mit ein? Clemens Wischermann hat jüngst festgehalten, dass es der Forschung bislang daran mangelt, die oft glatten betriebswirtschaftlichen Theorien zur Funktionalität unternehmerischer Kommunikation historisch-empirisch zu überprüfen. Dabei verweist er auf die großen heuristischen Potentiale, die in dem Versuch stecken, die »Unternehmensgeschichte als Kommunikationskonkurrenz«7 neu zu interpretieren, d. h. sie als Wettbewerb um Meinungen, Wahrnehmungen und Marktpositionen zu lesen. Diese Anregung wird aufgegriffen, wenn im Folgenden die Methoden, Stile und Instrumente der Kommunikationspolitik der deutschen Automobilindustrie in den Mittelpunkt rücken.

1. Werbung im Wandel: Von der Kundenlenkung zur Imageanpassung Als erste Säule der Unternehmenskommunikation steht die Produkt- und Markenwerbung im Fokus. Einfache Begriffsbeschreibungen definieren die Werbung recht wertfrei und allgemein als Instrument, mit dem Unternehmen ihre Produkte und Leistungen gegenüber dem Kunden darstellen.8 Solange sich die Produkte rein physisch hinsichtlich ihrer Qualität, ihrem Preis oder in ihrer Handhabung unterscheiden, ist Werbung ein recht einfaches Geschäft. Sie kann auf die jeweiligen Alleinstellungsmerkmale hinweisen, um Absatz in einem abgesteckten Marktfeld zu generieren. Nicht nur für die Automobilindustrie lautete das Problem der 1960er und 1970er Jahre jedoch, dass sich die Angebote der Hersteller – wie gezeigt – tendenziell anglichen. Die Unternehmen konkurrierten mit immer ähnlicheren Produkten auf immer mehr Marktfeldern. Dies allein reduzierte die Wirksamkeit von einfachen technischen oder preislichen Produktdifferenzierungen. Die Genese der Imageidee war ein Reflex auf diese Entwicklung. Die Werbung erhielt die Aufgabe, objektiv zunehmend identische Produkte semantisch und emotional zu differenzieren; sie gewissermaßen künstlich auf die Wünsche be-

logie von Melvin Copeland aus dem Jahr 1923. Siehe Berghoff, Unternehmensgeschichte, S. 328; Diez, Handbuch, S. 247. 6 Rode, Weg, S. 16. 7 Clemens Wischermann, Unternehmenskultur, Unternehmenskommunikation, Unternehmensidentität, in: ders. (Hrsg.), Unternehmenskommunikation, S. 37. 8 Vgl. ebd., S. 36.

Von der Kundenlenkung zur Imageanpassung 

369

stimmter Kundenzielgruppen zu programmieren.9 Dies, so wird gezeigt, wertete die Bedeutung der werblichen Kommunikation als Konkurrenzkampf um die Kunden auf und verlangte nach neuen, gezielt auf die Imagebildung gerichteten Instrumenten. Eine ganz entscheidende Frage hat die durchaus vielfältige Forschung zur Geschichte der Automobilwerbung bislang nicht klären können. Es geht um das klassische Henne-Ei-Problem: War es der viel propagierte Wertewandel der Gesellschaft, der neue Formen der Werbeaussagen hervorbrachte, oder war es die Werbung selbst, die die Werteentwicklung beeinflusste? Eine endgültige Antwort zu erwarten, erscheint aufgrund des komplexen Zusammenspiels der beiden Faktoren vermessen. Allerdings bleibt zu kritisieren, dass die meist sozialwissenschaftliche Forschung die Autowerbung mittlerweile recht einseitig instrumentalisiert, indem sie Werbebotschaften einfach als diskursanalytischen Spiegel für den gesellschaftlichen Wertewandel nutzt.10 Die Werbeaussagen der Hersteller werden hier als »kulturgeschichtliches Zeugnis«11 oder »Medium gesellschaftlicher und kultureller Selbstverständigung«12 interpretiert, aus denen die Lebensentwürfe der Zeit scheinbar herausgelesen werden können. Problematisch an diesen Zugängen ist ihre inhärente Grundannahme, dass sich die Werbeinhalte stets nur am Wandel ihrer sozialen Umwelt ausrichten, um sich über Produktleitilder zu verständigen bzw. die Marken- und Produktimages zu verbessern.13 Die Gefahr besteht, die Werbegestaltung als reinen Anpassungsmechanismus der Unternehmen an ihre soziale Umwelt zu begreifen und dabei die ureigenen wettbewerbsstrategischen Motive der Anbieter zu unterschätzen. Die Werbung blieb immer auch ein von ökonomischen Interessen geleitetes Absatzinstrument. Allein die Werbelehre in der Tradition von Domizlaff und Dichter versprach noch in den 9 Auf dieses Phänomen verweist bislang nur aus theoretischer Perspektive Rüdiger Szallies, Wesen und Struktur einer anwendungsorientierten Marktforschung. Von der Methodenorientierung zur Bereitstellung von Entscheidungshilfen für die Marketingpraxis, in: Rosenkranz / Schneider (Hrsg.), Konsum, S. 327. 10 Vgl. u. a. Joachim Roth, Wertewandel im Spiegel der Automobilwerbung: Eine inhaltsanalytische Untersuchung am Beispiel der Anzeigenwerbung des ›Spiegel‹, Diss., Trier 1996; Kristina Vaillant, Vom ›Ervolkswagen‹ zum Designer-Schmuckstück. Automobilwerbung in Publikumszeitschriften (1952–1994), Berlin 1995; Silvia Schnitzler, Entwicklung der Werbung vor dem Hintergrund sozialstrukturellen Wandels am Beispiel der Automobilindustrie, Dipl., Bielefeld 1996. 11 Rainer Schönhammer, Kulturwandel im Spiegel der Automobilwerbung, in: Christian G. Allesch / Elfriede Billmann-Mahecha / A lfred Lang (Hrsg.), Psychologische Aspekte des kulturellen Wandels, Wien 1992, S. 180. 12 Bolten, Werbewandel, S. 127. 13 Vgl. Rode, Weg, S. 35. Er konstatiert: »Rückblickend kann man […] die Entwicklung der Werbung in der Bundesrepublik über die Konsumstile in den vergangenen Dekaden analysieren. Für den Marketingmann wird dies umso wichtiger, als er, aus der Geschichte lernend, heute eher den ›richtigen‹ Ton, die ›richtigen‹ Inhalte treffen kann. Wenn er die Entwicklung überschaut, die Gegenwart kennt, kann er sich auf die Zukunft besser einstellen.«

370

Unternehmenskommunikation: Konsumenten- und Umfeldansprache

1950er Jahren, dass Unternehmen durch Werbung nicht nur die Meinungen der Konsumenten abbilden, sondern gezielt manipulieren könnten – eine Vorstellung des Consumer Engineering, welche die Gedankenwelt der Anbieter auch über die Umbrüche der 1960er Jahre hinaus prägte.14 Orientierte sich die Werbegestaltung also tatsächlich primär an soziokulturellen Trends, über die sich Unternehmen in den 1970er Jahren noch selbst mühsam zu informieren suchten? In der Praxis waren es viel eher die leichter abzuschätzenden Strategien der Konkurrenten, an denen man die eigene Werbung ausrichtete. Ähnlich wie in der Produktpolitik wäre damit auch in der Außenkommunikation ein eigendynamischer Prozess des ›Angleichens-und-Absetzens‹ zu beobachten, wenn es darum ging, Imagepositionen zu besetzen. Werbung erhielt in einem solchen System eine selbstreferenzielle,  – folgt man der neoinstitutionalistischen Organisationslehre  – isomorphe Note, die den externen Umfeldeinflüssen Grenzen setzte.15 In diese Überlegungen spielt eine weitere marketingstrategische Besonderheit hinein: Zwar handelte es sich bei der Werbung um ein kurzfristig und flexibel einsatzfähiges Wettbewerbsinstrument.16 Der langfristige Aufbau von Images verlangte aber auch nach einer Kontinuität in den Aussagen, um Wiedererkennungseffekte und die Markenidentifikation der Kunden zu ermöglichen. Ein radikaler, situativer Austausch von Werbeinhalten erschien somit kaum gangbar. Diese Logiken des Marketings führten potentiell zu inhaltlichen und zeitlichen Dissonanzen zwischen Werbebotschaften und Konsumpräferenzen. Gerade dem schnellen Wandel von Kaufmotiven – wie in der Ölpreiskrise – konnten die Produzenten nicht einfach begegnen, indem sie mühsam etablierte Argumentationsmuster austauschten oder gar umkehrten. Die Problematik bestand vielmehr darin, die Kundenwünsche möglichst geschickt in die bestehenden Argumentationslinien zu integrieren. Das Spannungsfeld zwischen kurz- und langfristigen, ökonomischen und soziokulturellen Anforderungen an die Marketingstrategien war damit wesentlich komplexer als bisher angenommen.

1.1 Werbeaufwand und Medienauswahl Ein erstes Indiz für die wachsende Bedeutung der Werbekommunikation in der Automobilwirtschaft lässt sich darin erkennen, dass die Werbeaufwendungen im Untersuchungszeitraum deutlich anstiegen. Nach einer Schätzung des Journalisten Karl Grün beliefen sich die Ausgaben der Autoproduzenten in Deutschland auf rund 46 Millionen DM im Jahr 1960.17 Über rund achtzig 14 15 16 17

Vgl. Roth, Wertewandel, S. 62; Logemann / Cross / Köhler, Consumer Engineering. Vgl. DiMaggio / Powell, Gehäuse, in: Müller / Sigmund (Hrsg.), Soziologie, S. 150. Vgl. Meiners, Einführung, S. 84. Dies betont auch Goebel, Anpassung, S. 241. Vgl. Karl Grün, Werbung für das Auto im größeren Markt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.9.1963, S. 16.

Von der Kundenlenkung zur Imageanpassung 

371

(1965) und etwa einhundert Millionen (1973) stiegen die Werbeetats bis 1980 auf mehr als 250 Millionen DM an. Setzt man die Werbeausgaben für die klassische Medienwerbung18  – Spots in Hörfunk und Fernsehen sowie Anzeigen in Publikumszeitschriften, Fachblättern und Tageszeitungen – ins Verhältnis zu den Umsätzen (Tab. 31), so relativiert sich die Annahme eines stetigen Anstiegs. Bei allen deutschen Firmen sanken die Ausgabenanteile im Zeitraum von 1965 bis 1973 zunächst ab, um dann erst nach der ersten Ölpreiskrise wieder anzusteigen. Auffallend sind die massiven Mehraufwendungen der beiden deutsch-amerikanischen Volumenanbieter. Betrachtet man die durchschnittlichen Werbebudgets pro abgesetzter Pkw-Einheit, lassen sich je nach Konzerngröße und Marktfeld jedoch kaum Unterschiede ausmachen. Im Durchschnitt wandten die Hersteller rund ein Prozent ihres Umsatzes für die Werbung auf. Dies galt für die Massenanbieter, bei denen sich die Kosten auf eine höhere Anzahl von verkauften Modellen verteilten, wie für die Spezialisten, bei denen die höheren Preise der Produkte Spielraum für mehr Werbung pro Auto gaben. Die leider nur rudimentäre Erfassung in Stichjahren überdeckte jedoch die starken zeitlichen Schwankungen, die diesen Trend unterfütterten.19 Die Größenordnung der Werbeaktivitäten war stets davon abhängig, in welchem Umfang eine Firma Produkteinführungen oder Facelifts kommunikativ begleitete. So war etwa der punktuelle Anstieg der Werbeausgaben bei BMW 1965 oder bei Ford 1980 auf die Einführung neuer Baureihen (02er-Serie; Escort III / Sierra) zurückzuführen. Auch VW erhöhte sein Werbebudget punktuell deutlich, um die Markteinführungen des Modells 411 oder später des neuen Passat, des Golf oder Polo durch Werbemaßnahmen zu unterstützen.20 Prinzipiell bleibt somit ein enger Zusammenhang zwischen Produkt- und Werbepolitik festzuhalten. Gleichwohl sah eine BMW-Werbeanalyse den Automobilmarkt bereits 1972 in eine neue Entwicklungsphase eintreten: Während die Werbekosten bislang parallel zu den Zulassungszahlen angestiegen seien, löse eine nie da gewesene »Hochfrequenz« an modellstrategischen Maßnahmen im Umfeld des »zunehmend stagnierenden Pkw-Absatzes eine Intensivierung der Werbung aus.«21 Der Werbeboom in der Autobranche, meinten zeitgenössische Beobachter, hatte drei Ursachen: Erstens war er eine natürliche Reaktion der Unternehmen, um schwindendem Absatz mit stärkerer Verkaufsförderung zu begegnen. Zweitens reichte es nicht mehr nur zu kommunizieren, sondern die Marken- und Produktimages sollten gezielt an neue Konsumpräferenzen angepasst werden, was 18 Statistische Angaben über Aufwendungen für Modellprospekte, Plakatwerbungen u. ä. werden in den gängigen Werbestatistiken nicht erfasst. In Unternehmensquellen finden sich lediglich Angaben zu den allgemeinen Medienkosten. Vgl. Berg, Automobilindustrie, in: Oberender (Hrsg.), Marktstruktur, S. 207. 19 Vgl. ebd. 20 Vgl. UVW, 174/245/120, Einführung eines neuen Modells am Beispiel VW 411, Werbemaßnahmen Inland, o. Dat. [1968]. 21 Ebd., S. 6.

372

Unternehmenskommunikation: Konsumenten- und Umfeldansprache

Tab. 31: Werbeausgaben, 1965–1980 Werbeausgaben (in v. H. des Umsatzes)

Werbeaufwand (je verkauftem Pkw in DM)

Hersteller

1965

1973

1980

1965

1973

1980

VW / Audi

0,7

0,7

0,7

51

105

107

Ford

1,0

0,7

1,5

55

85

241

Opel

1,0

0,8

1,2

73

73

159

BMW

2,7

0,6

0,7

281

100

153

Daimler-Benz

0,2

0,1

0,2

80

46

133

Quelle: Jürgensen / Berg, Konzentration, S. 63; Berg, Automobilindustrie, S. 207 u. HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 4, 1973–74, Ford Status Report, Akte 2, Medienkosten-Übersicht Pkw-Hersteller 1973 sowie die Geschäftsberichte der Ford-Werke  AG , Adam Opel  AG und der Volkswagen AG , jeweilige Jgg.

notwendiger Weise mehr Aufwand erforderte.22 Drittens schließlich sahen sich die Unternehmen nicht nur innerhalb ihrer Branche, sondern im gesamten Konsumgütersektor mit einer wachsenden Konkurrenz der Werbebotschaften konfrontiert. Da immer mehr Firmen mit ihren Botschaften um die nur begrenzte Aufmerksamkeit der Kunden kämpften, entwickelte das Werbewachstum eine Eigendynamik. Das Phänomen der »Informationsüberflutung«23 verband sich ganz grundsätzlich mit der Multiplizierung der Warenwelten und werblichen Kommunikationskanäle innerhalb der Massenkonsumgesellschaft.24 Dies steigerte wiederum die Anforderungen an den Umfang und die Kreativität der eigenen Werbemittel. Folgerichtig stellte die Werbeagentur McKinsey in einem Marketingplan für Ford den Leitsatz auf, »ihre Produkte sollen herausstechen in einer Welt voller Werbung, in der eine immer größere Informationsflut auf die Konsumenten einstürzt und in der die Angebote einander immer ähnlicher werden.«25 Es war explizit das Bild einer zunehmenden Kommunikationskonkurrenz, die die Hersteller veranlasste, mehr in die Werbung zu investieren. Die Zusammensetzung der Werbebudgets, die sog. Mediaselektion, erlaubt einen tieferen Einblick in die Struktur der Werbekonzeptionen.26 Hinsichtlich der Trägerkanäle von Produktbotschaften wies die Automobilindustrie in den 1970er Jahren eine Besonderheit auf, die sie von weiten Teilen des Konsum­ 22 23 24 25

Vgl. Goebel, Anpassung, S. 249. Bolten, Werbewandel, S. 130; Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, S. 338. Vgl. Reinhardt, Ansätze, in: Wischermann (Hrsg.), Unternehmenskommunikation, S. 54. Jesko Perrey / Nicola Wagener / Carsten Wallmann, Kreativität oder Content Fit. Was wirkt besser in der Werbung?, in: akzente, 2007, H.3, S. 16. 26 Vgl. Diez, Handbuch, S. 262.

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gütermarketings absetzte: Elektronische Medien erlangten keine nennenswerte Bedeutung – und dies, obwohl die heute von vielen Historikern mit dem Einzug des Fernsehens in die deutschen Wohnzimmer in Verbindung gebrachte kulturelle Kommunikationsrevolution gerade ihren (vorläufigen) Höhepunkt erreichte.27 Die TV-Anteile in den Werbebudgets der Branche lagen 1972/73 bei maximal vier Prozent und stagnierten bis zum Beginn der 1980er Jahre.28 Dagegen vereinigte der Werbeträger Fernsehen in der Gesamtwirtschaft bereits Mitte der 1970er Jahre rund elf bis zwölf Prozent der Werbeausgaben auf sich.29 Die Automobilindustrie zählte damit zu den wenigen Branchen, die ihre Werbe­a ktivitäten nach wie vor auf Printmedien konzentrierte. Die Begründung für diese Zurückhaltung lässt sich aus zahlreichen Werbewirkungsanalysen ablesen, die von betrieblichen Marktforschern erstmals seit Beginn der 1970er Jahre erstellt wurden. Sie argumentierten schlicht: Werbung für hochgradig differenzierte Produkte braucht ein ebenso differenziertes Medium. Für das Fernsehen galt diese Voraussetzung als lange nicht erfüllt. So versuchten zwar Opel und Ford ab 1973, das Fernsehen als Kommunikationsmittel einzusetzen. Sie investierten mit zwölf Prozent ihrer Werbeetats überdurchschnittlich stark in TV-Spots.30 Auf die dringende Empfehlung ihrer Werbeagenturen Thompson (Ford) und McCann Erickson (Opel) erprobten die US -Konzerntöchter damit eine Werbestrategie, die auf ihren Heimatmärkten bereits seit Jahren äußerst erfolgreich umgesetzt wurde. Auf dem deutschen Markt konnten sie damit aber nicht reüssieren und brachen den Versuch im Herbst 1975 wieder ab.31 Der Grund war keineswegs, dass sich das Medium technisch nicht für die Präsentation von Automobilen eignete; im Gegenteil. Die Darstellung in bewegten und zunehmend farbigen Fernsehbildern schien geradezu prädestiniert, um Automobile in Szene zu setzen. Auch an Reichweite mangelte es mittlerweile längst nicht mehr. Als Problem wurde jedoch erkannt, dass die höchst über27 Vgl. u. a. Schildt / Siegfried, Kulturgeschichte, S. 197. Allein zwischen 1961 und 1970 stieg die Zahl der deutschen Fernsehhaushalte von vier auf 15 Millionen. 1974 war nahezu eine Vollversorgung erreicht. Vgl. Walter Klinger, Der Fernsehkonsument, in: Joachim-Felix Leonhard (Hrsg.), Medienwissenschaft. Ein Handbuch zur Entwicklung der Medien und Kommunikationsformen, Berlin 2002, S. 2280 f. 28 Daten aus: HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 4, 1973–74, Ford Status Report, Akte 2, Media Distribution of Advertising Expenditures 1973, o. S.; Roth, Wertewandel, S. 151, insbes. Fn. 263. 29 Vgl. Zentralausschuss der Werbewirtschaft (Hrsg.), Werbung 1977/78, Bonn / Bad Godesberg 1977, S. 139. Die Daten basieren auf prozentualen Anteilen der Werbeträger an den erfassten Netto-Werbeumsätzen. 30 Vgl. HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 4, 1973–74, Ford Status Report, Akte 2, Media Distribution of Advertising Expenditures 1973, o. S. 31 Vgl. ebd., Box 5, Ford 1975–76 Media, Überlegungen zur Mediaplanung für die FordWerbung 1976, Präsentationscharts vom August 1975, o. S.

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schaubare deutsche Fernsehlandschaft mit ihren wenigen öffentlich-rechtlichen Programmen – anders als in den USA – keine zielgruppenspezifische Platzierung der Werbung zuließ.32 Enttäuscht meldete die Werbeagentur JWT an den Kölner Ford-Vorstand, dass TV-Werbung in Deutschland im Nirgendwo versande. Sie riet ihren Auftraggebern, in Zukunft wieder auf die effektivere Printwerbung zu setzen. Das deutsche Fernsehen sei als Medium noch nicht reif für moderne Werbestrategien, lautete die bittere Lehre der Werbemacher aus Übersee.33 Diese Rückkehr zu konventionellen Darstellungsmitteln zeigt einerseits, dass der Übertragung amerikanischer Werbekonzepte auf den deutschen Markt deutliche Grenzen gesetzt waren. Andererseits beweist sich nachdrücklich, wie sehr das Denken in Zielgruppen Einzug in das Management hielt. Die Affinität der Leserschaften zu den Automarken ließ sich über den seit den 1960er Jahren breit entfalteten Magazin- und Zeitschriftenmarkt leichter bestimmen als über ein noch unspezifisches TV-Konsumverhalten.34 Neben Publikums- und politischen Zeitschriften existierte bereits eine Vielzahl von automobilspezifischen Fachblättern. Für sie lagen zudem hoch spezialisierte Markt-Medien-Analysen vor, mit deren Hilfe oft die werbefinanzierten Verlage, aber auch Konsumforschungsinstitute und Werbeagenturen scheinbar gesicherte Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen dem Informations- und Konsumverhalten der Leser lieferten. Allein vor diesem Hintergrund schätzten die Automobilunternehmen die Streuverluste von Printwerbung als potentiell geringer ein. In den gesamten 1970er Jahren konzentrierten sich somit rund 90 Prozent der Werbeaufwendungen der Branche auf gedruckte Anzeigen. Zu unterscheiden war dabei zwischen Annoncen in Magazinen und Zeitungen. Publikums- und Fachzeitschriften fungierten mit einem Etatanteil von 49 Prozent als beliebteste Werbeträger. Sie lagen jedoch nur knapp vor den Wochen- und Tageszeitungen mit rund 46 Prozent.35 Spezifiziert man die Ausgabenstrukturen für die einzelnen Unternehmen, zeigen sich hochgradig differente Medienstrategien. Besonders stark setzte sich Daimler-Benz von seinen Konkurrenten ab. 1973 verteilten die Stuttgarter ihre Werbeausgaben in Höhe von rund 7,3 Millionen DM zu 71 Prozent auf die Zei32 Damit erklärt sich, dass sich das Fernsehen als Werbeinstrument der Autoindustrie erst mit der Sendervielfalt des Privatfernsehens stärker etablierte. Vgl. Roth, Wertewandel, S. 151, Fn. 262. 33 Vgl. HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 5, Ford 1975–76 Media, Überlegungen zur Mediaplanung für die Ford-Werbung 1976, Präsentationscharts vom August 1975, o. S.; allgemein auch Victoria de Grazia, Irresistible Empire. America’s Advance through Twentieth-Century Europe, Cambridge / M A 2005. 34 Vgl. Diez, Handbuch, S. 264. 35 Hörfunkspots rundeten das Instrumentarium ab. Ihr Anteil an den Werbeausgaben betrug jedoch nur rund ein Prozent. Vgl. HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 4, 1973–74, Ford Status Report, Akte 2, Media Distribution of Advertising Expenditures 1973, o. S. sowie BMWGA , UA 1464, Marktforschungsbericht 10/74, Analyse der Werbekosten für Pkw und Motorräder Inland (Inland 1973) vom April 1974, S. 3.

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tungswerbung und nur zu 28 Prozent auf Illustrierte. Der Konzern setzte dabei einen besonderen Akzent auf eine regionale Bekanntmachung seiner Angebote in der Tagespresse und band somit Händler stärker in die Vermarktung ein. Bei BMW und allen Massenherstellern nahm die Zeitungsreklame dagegen eine geringere Rolle ein. Bei Opel und VW machte sie nur knapp über dreißig, bei BMW und Ford nur rund 45 Prozent des Werbebudgets aus.36 Um tiefere Einblicke in die Methoden, Ziele und Strategien der Unternehmen bei der Auswahl ihrer Kommunikationsinstrumente zu gewinnen, liegt mit den Werbeplänen von JWT für die deutschen Ford-Werke ab 1975 ein sehr rarer Quellenbestand vor, der bislang von der historischen Forschung nicht genutzt wurde. Als Kommunikationsziele benannten die »Überlegungen zur Medienplanung« zunächst noch recht allgemein eine »stärkere Profilierung der Ford-Modelle« auf dem Automobilmarkt sowie den »Ausbau und [die] Verbesserung des positiven Ford-Images.«37 Als Voraussetzung hierfür formulierten die Berater eine dezidiert duale Zielrichtung der Werbung. Sie müsse zum einen die genauen Zielgruppen prospektiver Käufer, zum anderen die dezidiert »meinungsbildenden, meinungsfördernden Personen« der etwaigen Konsumentencluster in den Blick nehmen.38 Es wird deutlich, dass sich die Werbepraxis nicht nur von einseitigen SenderEmpfänger-Modellen verabschiedete, sondern zugleich das Two-Step-FlowModell der behavioristischen Kommunikationstheorie adaptierte. Nach dieser Vorstellung entfalten (Werbe-)Botschaften bei den Adressaten eine umso größere Wirkung, wenn sie durch Meinungsführer in den sozialen Gruppen aufgegriffen und auf dem Weg der persönlichen Alltagsinteraktion weiterkommuniziert werden. Nach diesem in den USA der 1940er Jahre bereits u. a. von Paul Lazarsfeld entwickelten Konzept ließen sich Produktinformationen besonders gut über die Zwischeninstanz von Opinion Leaders streuen. In den Werbekonzeptionen der deutschen Hersteller war ein passend abgestufter Werbeträger-Mix dagegen erst seit den 1970er Jahren zu finden.39 Das erste Element der Ford-Medienstrategie umfasste die konsequente Werbeansprache in Magazinen, in deren Leserschaft die meisten Multiplikatoren vermutet wurden. Zu dieser Kategorie zählten vornehmlich Spiegel und Stern. 36 Vgl. HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 4, 1973–74, Ford Status Report, Akte 2, Media Distribution of Advertising Expenditures 1973, o. S.  37 Ebd., Box 5, Ford 1975–76 Media, Überlegungen zur Mediaplanung für die Ford-Werbung 1976: Allgemeine Kommunikationsziele. 38 Ebd., Kommunikations-Zielrichtung. 39 Vgl. zur Theorie des Two-Step-Flow of Communication u. a. Paul Lazarsfeld / Bernard Berelson / Hazel Gaudet, The People’s Choice. How the Voter Makes up his Mind in a Presidential Campaign, 3. Aufl., New York / London 1968 (Wiederabdruck der Erstausgabe von 1944), S. 49 f.; Elihu Katz / Paul Lazarsfeld, Meinungsführer beim Einkauf, in: Werner Kroeber-Riel (Hrsg.), Marketingtheorie. Verhaltensorientierte Erklärungen von Marktreaktionen, Köln 1972, S. 107–121; zur modernen Anwendung siehe Michael Schenk, Medienwirkungsforschung, 2. Aufl., Tübingen 2002, S. 320–369.

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Beide titulierten die Werbemacher als »meinungsbildende Zeitschriften«, die als sog. Medien-Konstante das Grundgerüst der Werbeaktivitäten bilden sollten: Um eine »permanente[.] Zielgruppenansprache, gezielt auf meinungsbildende und meinungsfördernde Personen«40 zu konzentrieren, publizierte Ford in jeder wöchentlichen Ausgabe der Publikumszeitschriften Anzeigen. Die gezeigten Modelle und Sujets in den Annoncen wechselten jeweils wöchentlich. Das Ziel lautete, die Marke in ihrer ganzen Angebotsbreite im Gespräch zu halten.41 Die zweite Gruppe an Werbeträgern setzte sich aus Fachzeitschriften und Illustrierten zusammen. Dabei schaltete Ford in den vier auflagenstärksten Automobilzeitschriften (auto motor und sport, mot, Auto-Zeitung und ADAC Motorwelt) ebenfalls in allen Heften Werbungen. Die Botschaften streuten sich aufgrund des zwei- bis vierwöchentlichen Erscheinungsrhythmus allerdings zeitlich breiter. Nur sehr unregelmäßig erschienen zudem Modellreklamen in Fernsehzeitschriften (Bild & Funk, TV Hören und Sehen, Gong), BoulevardIllustrierten (Bunte, Quick, Neue Revue) oder spezialisierten Sport- und Wirtschaftsmagazinen (Kicker, Capital). Auffallend an der Aufstellung sind gleich mehrere Punkte: Nachvollziehbar ist die starke Präsenz in den Special-InterestZeitschriften, die sich dezidiert mit dem Automobil beschäftigten. Sie boten ein produktaffines Themenumfeld, so dass die besondere Aufmerksamkeit der Leser vorausgesetzt werden konnte. Umso geringer die Bezüge zwischen Zeitungssujet und dem Thema Automobil, desto seltener platzierte die Automobilindustrie hier ihre Werbekampagnen. Weniger nachvollziehbar erscheint demgegenüber, dass breite Gruppen von Fach- und Publikumszeitschriften – zumindest bei Ford – gänzlich ausgeschlossen blieben. Hierzu zählten nicht nur große Teile des stark wachsenden Marktes von Freizeit-, Reise- sowie der durchaus techniknahen Hifi- oder Fotozeitschriften. Auch ganze Sparten von sozialgruppen-spezifischen Printmedien, wie Jugend- und vor allem Frauenzeitschriften, fehlten. Während eine direkte Ansprache junger Autokäufer möglicherweise im Kontext der allgemeinen Werbekritik als moralisch nicht vertretbar eingestuft wurde, zeigt der Verzicht auf Frauenzeitschriften, dass der Automobilkauf weiterhin als Männerdomäne galt. Auch wenn bereits Ernest Dichter auf die einflussreiche emotional geleitete Rolle der Frau bei den Kaufentscheidungen hingewiesen hatte, gingen die Hersteller davon aus, dass es weiterhin Aufgabe des Mannes blieb, sich im Vorfeld über die technischen Feinheiten des Pkw-Angebots zu informieren.42 Ihn galt es daher, mit der Werbung anzusprechen. Diese geschlechterspezifischen Rollenbilder lösten sich offenbar erst in den 1980er Jahre auf. Erst jetzt gerieten

40 Alle Zitate dieses Abschnitts aus: HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 5, Ford 1975–76 Media, Überlegungen zur Mediaplanung für die Ford-Werbung 1976, Abschnitt: Medientaktik. 41 Vgl. ebd. 42 Vgl. Dichter, Strategie, S. 343 f.

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weibliche Zweitwagenbesitzer als direkte Kundenzielgruppe in das Bewusstsein der Autowerber.43 Die dritte Medienkomponente der Automobilwerbung bildeten die Zeitungen. Sie kamen primär zum Einsatz, um zeitlich befristete Werbeaktionen bekannt zu machen. So schaltete Ford 1976 nur in zwei, jeweils dreiwöchigen Phasen Modellreklamen in rund 280 regionalen und fünf überregionalen Tageszeitungen, um die Markteinführungen des neuen Ford Taunus bzw. des Ford Fiesta anzukündigen. Hier ging es jenseits von Zielgruppen zunächst darum, eine Grundaufmerksamkeit für die neuen Produkte herzustellen. Auf sie sollte die imagebezogene Magazinwerbung später aufbauen.44 Mit dem neu etablierten Medien-Mix teilten die Unternehmen die jeweiligen Werbeträger erstmals in ein wirkungshierarchisches System ein. Allein dies zeigt, dass sie Kommunikation vor diesem Hintergrund zunehmend als vielschichtigen Prozess modellierten. Einfache Sender-Empfänger-Vorstellungen erodierten, stattdessen wurde Werbung als ein Instrument aufgefasst, das unterschiedliche Wahrnehmungs- und Vermittlungsebenen bespielen sollte. Die Zeitungen oder auch das Fernsehen galten als reine »Informationsmedien«45; Fach- und Publikumszeitschriften, die eine »spezifische Selektion […] nach Modellen und deren Zielgruppen«46 erlaubten, kamen zur Imagebildung und direkten Ansprache von Kaufinteressenten zum Einsatz. Wochenzeitschriften wurden dagegen als indirekter Resonanzkörper für Produktbotschaften aufgefasst.47 Um diese neue Diversität der Werbung zu vertiefen, bedarf es einer Inhaltsanalyse der kommunikativen Botschaften.

1.2 Leistung und Prestige: Werbetrends der 1960er Jahre In ihren Anfängen nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte die deutsche Automobilindustrie die Werbung vornehmlich, um ihre wirtschaftlichen Erfolge hervorzuheben. Fester Bestandteil der Annoncen waren tabellarische Aufstellungen über stetig steigende Produktions- und Absatzzahlen.48 Die Botschaft lautete: Indem es den Konzernen gelang, Autos nun in Massen herzustellen, erfüllten sie den lang gehegten Wunsch der Konsumenten nach Automobilität. Die Werbung

43 Dies konstatiert auch eine breitere Untersuchung von Schnitzler, Entwicklung, S. 107 f. 44 Vgl. HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 5, Ford 1975–76 Media, Überlegungen zur Mediaplanung für die Ford-Werbung 1976, Abschnitte: Mediavorschlag Taunus, Mediavorschlag Bobcat. 45 Ebd., Medienstrategie. 46 Ebd., Mediaauswahl. 47 Vgl. Georg Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie. Eine Einführung, Stuttgart 1997, S. 1–29; Hansen / Bode, Marketing, S. 286. 48 Vgl. Busch, Strukturwandlungen, S. 161, Fn. 138; Vaillant, ›Ervolkswagen‹, S. 4.

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schuf somit eine »Identität von Verwertungsinteressen und Gebrauchswertinteressen«49, die Unternehmenswachstum mit sozialer Teilhabe assoziierte. Hinsichtlich der Werbeinhalte dominierten bei den Volumenherstellern sachliche Darstellungen über die Fahrzeugtechnik und den Gebrauchsnutzen. Die sog. Nutzenpräsentation von Transportfähigkeit, Zuverlässigkeit, Solidität und Leistungsbereitschaft prägte die 1950er Jahre.50 Anklänge auf den Prestigewert fanden sich lediglich in der Reklame für gehobene Fahrzeugangebote von Borgward, Opel oder BMW. »Mit einem Taunus sind sie überlegen«, formulierte Ford doppeldeutig; Opel bot mit dem Opel Rekord »einen Wagen der gut aussieht – und in dem man gut aussieht«51. Der Slogan »Auto fahren viele. BMW fahren Anspruchsvolle« wies noch deutlicher auf die soziale Hierarchisierung des Autokaufs hin, rekurrierte aber weiterhin primär auf die technische Überlegenheit.52 Emotionale Botschaften blieben zunächst ebenso selten wie die Werbekampagnen selbst. VW und Opel lancierten im Spiegel von 1952 bis 1960 überhaupt nur jeweils fünf Anzeigen. Die Gesamtzahl aller Autowerbungen in Fach- und Publikumszeitschriften erreichte in den 1960er Jahren keinen dreistelligen Wert.53 Es dominierten dezentrale Händlerwerbungen in Lokalzeitungen, die schlicht darauf zielten, die Angebote bekannt zu machen und Kunden zu einem Verkaufsgespräch zu animieren.54 Dies war nicht zuletzt eine Folge spezifischer Distributionsstrukturen. Automobile wurden in überwiegender Mehrheit über werkseigene Regionalniederlassungen oder markenexklusive Vertragshändler vertrieben. Der Kontakt zu den Kunden galt alleinig als Aufgabe der Händler, nicht des zentralen Managements.55 Zu Beginn der 1960er Jahre änderte die Autowerbung im Verlauf von nur wenigen Monaten ihren Charakter. Nun zeigten sich erste Ansätze einer inszenierten Produktsymbolik. Die punktuellen Informationsreklamen wurden durch überregionale Werbekampagnen ersetzt.56 Ausgelöst wurde dieser Prozess angebotsseitig. Unter dem Paradigma der kostenrationalen Massenfertigung bauten die Hersteller in Erwartung einer stetig 49 Wolf Dieter Lützen, Jubiläen, Jubiläen. Die Volkswagen-Annoncen der Jahre 1951 bis 1964, in: ders. / Hickethier / Reiss (Hrsg.), Auto, S.  68. 50 Vgl. Kriegeskorte, Automobilwerbung, S. 6. 51 Zitate aus Annoncen des Jahres 1959, in: ebd., S. 80 f.; Bernd Tuchen, Opel. Der Zuverlässige. Drei Jahrzehnte Opel in der Werbung, Königswinter 2005, S. 20. 52 Zit. nach Manfred Grunert / Florian Triebel, Das Unternehmen BMW seit 1916, München 2006, S. 471. 53 Vgl. Vaillant, ›Ervolkswagen‹, S. 5. 54 Die Kosten der regionalen Werbung wurden meist zwischen Werk und Händlern geteilt; Busch, Strukturwandlungen, S. 160. 55 Vgl. zu anderen Konsumgüterbranchen Kleinschmidt, Blick, S. 244; Hilger, ›Amerikanisierung‹, S. 202–210; zum Vertragshändlersystem: Diez, Handbuch, S. 166–176. Historische Analysen zur Distribution fehlen bislang. 56 Vgl. Frank Dietrich, Zur Produktion der Volkswagenwerbung, in: Hickethier / Lützen / Reiss (Hrsg.), Auto, S. 80.

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Abb. 26: Opel Kadett: Jung und voll Schwung (1963) Quelle: Freundin 5/1963 (links) u. auto motor und sport 15/1963 (rechts), (© Opel Automobile GmbH).

wachsenden Nachfrage ihre Produktionskapazitäten aus. Die Expansion in neue Absatzfelder intensivierte den Wettbewerb und gab der Werbung einen deutlichen Impuls. Als Initialzündung galt die Markteinführung des Opel Kadett. Der Rüsselsheimer Konzern verband seinen Vorstoß in das VW-Käfer-Segment 1962 mit einer Werbeoffensive.57 Die Werbeagentur McCann Erickson, die bereits seit 1929 für GM und über eine Berliner Niederlassung auch für die Adam Opel  AG tätig war, setzte dabei erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder moderne, in den USA erprobte Werbestrategien auf dem deutschen Markt ein. Ihre Basis bildete ein beschleunigter Insertionsrhythmus. Allein im Stern und Spiegel erschienen ganzseitige Schwarz-Weiß-Anzeigen in einem zweiwöchigen Turnus. Auch in der Form der Kundenabsprache durchbrach die Kampagne die üblichen Darstellungsstile des von Erich Kästner apostrophierten »motorisierten Biedermeier«58 der 1950er Jahre. 57 Vgl. Wolf Dieter Lützen, Abhängige Kommunikation. Volkswagenwerbung in Konkurrenz, Konjunktur und Krise, in: ders. / Hickethier / Reiss (Hrsg.), Auto, S. 90–124; auch bereits Kapitel II . 58 Erich Kästner, Heinrich Heine und wir (Februar 1956), in: Klaus Wagenbach u. a. (Hrsg.), Vaterland, Muttersprache, Deutsche Schriftsteller und ihr Staat seit 1945, Berlin 1979, S.  132. Vgl. Gries / Ilgen / Schindelbeck, Gehirn, S.  113.

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»Jung und voll Schwung« (Abb. 26) präsentierte sich der Kadett in den Headlines der Kampagne. Den traditionellen Markenslogan »Opel – der Zuverlässige« ergänzte die zusätzliche Produktlosung »Opel Kadett. Kurz gesagt o.k«. Statt Zeichnungen und abstrakte Graphiken zeigten Fotografien den Wagen in unterschiedlichen Alltags- und Freizeitsituationen. Der Textkommentar, die sog. Copy, beinhaltete weiterhin technisch-sachliche Informationen über Qualität, Sicherheit, Ausstattung und Motorleistung. Darin eingebunden fanden sich nun aber Botschaften, die eindringlich auf den emotionalen Zusatznutzen verwiesen. Das »muntere Auto« versprach »Vergnügen« – »Wochenende, Ausflug, Freunde besuchen.«59 Durch derartige Stimmungsbilder suchte die Werbung eine psychologische Beziehungsebene zum Konsumenten herzustellen. In der Branche war dieser Ansatz keineswegs unbekannt. In den Oberklassen hatten BMW, Opel oder Daimler-Benz bereits in den 1930er Jahren mit Prestigewerten geworben. Nun aber kamen diese Werbetechniken erstmals auch in den unteren Fahrzeugsegmenten zum Einsatz. Die neue Werbe- und Wettbewerbstaktik von Opel setzte die Marktkonkurrenten unter Zugzwang. In rascher Folge gingen Ford und BMW zu wesentlich offensiveren Kommunikationsstrategien über. VW ordnete seine Werbearbeit neu und engagierte die Agentur DDB (New York / Düsseldorf). Flächendeckend übernahmen firmenexterne Werbedienstleister die Konzeptionierung, Gestaltung und Mediaplanung der Kampagnen. Zwar hatte es in der Branche schon zuvor eine Zusammenarbeit mit freischaffenden Werbegraphikern und -textern gegeben, nun aber wurde das komplette Know-how über Service-Agenturen bezogen.60 Allein dieser Professionalisierungsschritt verweist auf einen erhöhten Bedarf, die Werbung strategisch neu auszurichten.61 Insbesondere der »Werbefeldzug gegen den Störenfried«62, den VW von der New Yorker Agentur DDB entwickeln ließ, wurde in der Branche als Zeichen gewertet, dass die lange Zeit ebenso bewunderten wie verschmähten SuggestivPraktiken der amerikanischen Werber nun auch in Deutschland Einzug hielten.63 Realiter war die Entscheidung für den Partner aus Übersee jedoch kaum überraschend. Die Agentur arbeitete schon seit 1959 erfolgreich für den US -Vertrieb von VW. Für die Wolfsburger lag es daher nahe, das Konzept einer selbstironisch, kreativen Werbeansprache auch auf ihrem Heimatmarkt auszuprobieren, um den 59 Siehe zu den Zitaten: Abb. 26. 60 Schon in den 1950er Jahren hatte es eine kurze Zusammenarbeit von VW mit der Agentur Matthes für den US -Markt gegeben. 61 Die Zusammenarbeit zwischen Opel und McCann Erickson währte von 1929 bis 1986. Ford vergab seine Werbeclaims von 1953 bis ebenfalls 1986 an JWT. VW zählt bis heute zu den Kunden von DDB. BMW wechselte in den 1970er Jahren nur formal seinen Werbepartner von der Firma Gramm & Grey auf Spiess & Ermisch, einer Ausgründung von Gramm & Grey, deren Leiter bereits zuvor als Chefberater für die BMW-Werbung verantwortlich war. Vgl. Art. »Mehr Spektakel«, in: Der Spiegel vom 9.6.1986, S. 86 f. 62 Lützen, Kommunikation, in: ders. / Hickethier / Reiss (Hrsg.), Auto, S. 90. 63 Siehe Busch, Strukturwandlungen, S. 161, Fn. 138.

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Absatz des VW Käfers zu aktivieren. Dabei war man sich Anfang der 1960er Jahre noch unsicher, ob die deutschen Konsumenten bereits reif für diese freche Art der Selbstvermarktung seien. Erst der überwältigende Erfolg der bis heute bekannten Kultkampagnen »Es gibt Formen, die kann man nicht verbessern« oder »Der VW läuft, und läuft, und läuft«, ließ diese Sorgen verfliegen.64 Unter dem Einfluss der amerikanischen Werber veränderten sich die Werbekonzepte. Emotionale Prestigewerbung ersetzte zusehends die nüchterne Präsenzreklame. Ziel war es nun, unverwechselbare Produktpersönlichkeiten zu inszenieren, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. Die methodische Fundierung lieferte neue psychologische Marktmodelle. Angesprochen auf das mögliche Geheimnis hinter dem Erfolg der VW-Werbung verwies der DDB -Mitbegründer Bill Bernbach noch Ende der 1950er Jahre ganz auf die intuitive Kreativität des Werbefachmanns. Nur der erfahrene Profi sei in der Lage, die Bedürfnisse des Marktes ›lesen‹ zu können: »Forschung kann uns nur sagen, was der Konsument hören will und wir können ihm genau das wiedergeben […] Werbung ist keine Wissenschaft, sondern Überredung. Und Überredung ist eine Kunst.«65 Diese Aussage zeigt den VW-Werbepartner ganz in der Tradition der manipulativ-psychologischen Werbelehre verhaftet. Langfristig halten ließ sich diese Sicht, die die Marktforschung zu einer Hilfsfunktion der Werbung degradierte, zweifellos nicht. Vielmehr sorgten die Fortschritte der Marktforschung dafür, dass die Werbegestalter einen neuen Orientierungsrahmen erhielten: das Image – verstanden als psychophänomenologisches, aber nun messbares Abbild der Kundenpräferenzen. Die imagebasierten Marktmodelle erklärten den Werbenden, wo und wie sie auf die Wahrnehmungen der Kunden einwirken sollten. Ihr potentieller Erfolg machte sich nicht mehr allein an Absatzzahlen fest. Man maß ihn daran, inwieweit die Imagewerte in eine strategisch gewünschte Richtung weiterentwickelt werden konnten. Gleichwohl sorgte die neue Stilistik der Imagewerbung nicht nur für Begeisterung, sondern auch für viel Irritation. Dies zeigte sich etwa, als die Düsseldorfer Agentur Werbe-Gramm 1967 ihre wegweisende Kampagne »Aus Freude am Fahren«66 vor den Händlern des Konzerns präsentierte. Letztere zeigten sich schockiert, dass ihre hochwertigen Produkte nun in Werbeplakaten »schmutzig, in der äußersten Zerreißprobe oder in einer dichten Staubwolke«67 gezeigt werden sollten. Dies nahm der Chefberater von Werbe-Gramm, Ermisch, zum Anlass, seinem erstaunten Publikum die grundlegenden theoretischen Prinzipien der Werbegestaltung näher zu erklären – eine Quelle, die heute eine selten 64 Anzeigen aus den Jahren 1962/63 in: Kriegeskorte, Automobilwerbung, S. 117 u. 119. 65 Interview von Bill Bernbach 1962, zit. nach: Pat DiRubbo, VW-Werbung in den USA als Modell für die deutsche VW-Werbung nach 1961, in: Hickethier / Lützen / Reiss (Hrsg.), Auto, S. 74. 66 BMWGA , UA 594, Agentur Werbe-Gramm, »Die BMW-Werbung«, Vortrag für das Händler- und Importeur-Meeting in München am 11.4.1967, S. 1. 67 Ebd.

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tiefe Einsicht in die Grundlagen der Werbepraxis der 1960er Jahre erlaubt. Der Werbefachmann führte aus: Für gewöhnlich betrachtet man die Werbung als Waffe des wirtschaftlichen Wettbewerbs, die mit möglichst stichhaltigen Beweisen, die Vorteile der eigenen Erzeugnisse gegenüber der Konkurrenz herauszuheben sucht. Das aber reicht nicht mehr aus. Um auf die Handlungen bestimmter Menschen oder Gruppen – ganz gleich ob beim Kauf einer Tube Zahnpasta oder eines Automobils  – einwirken zu können, dürfen sich die strategischen Überlegungen nicht mehr allein auf die sachliche Beweisführung beschränken.68

Um auf die Kaufmotive der Kunden einzuwirken, so Ermisch weiter, bedürfe es vielmehr, die ideellen Erwartungen der Kunden anzusprechen. Ohne Umschweife verwies der Werbeprofi auf die Nutzentheorien von Vershofen und Maslow, um zu erklären, dass der Automarkt der Zukunft auf einem Fundament der sozialen Aufstiegsambitionen der Konsumenten stehe. Jeder Anbieter müsse sich vergegenwärtigen, dass »das Handeln des Menschen nicht planlos ab[läuft] und […] in der Regel eine Zielsetzung hat.«69 Ob sich die Ziele verwirklichen lassen, erkenne der Kunde aber erst nach dem Kauf. Um seine Entscheidung aber früh auf ein spezifisches Automodell zu lenken, brauche »die Energie, das heißt der Wille des Menschen, […] zur Tat stets eine Brücke.«70 Diese Vermittlerrolle schrieb er der Werbung zu.71 Deutlich ist zu erkennen, dass die neue Art der Werbung ihre Kraft aus verhaltenswissenschaftlichen Theorien der Soziologie und Verbraucherforschung zog. Allerdings lösten sich die Werber (noch) nicht von der Vorstellung, das Konsumverhalten direkt bestimmen zu können. Vollmundig versprach die Agentur den Händlern erklären zu können, […] was wir tun müssen, um im Wettbewerb mit anderen diese Handlung beeinflussen zu können. […] All das, was wir mit dem Wort ›Werbung‹ beschreiben, ist dabei […] kein Einwirken auf das Objekt im Sinne einer materiellen Veränderung. Vielmehr wird durch werbliche Impulse um das materiell oft unveränderte Objekt eine Umwelt konstruiert, die das Image des Objektes beeinflusst.72

Indem die Werbung die Vorstellungen der Konsumenten psychologisch manipuliere, lautete die Vorstellung, wirke sie wirkungsvoll auf das Kaufverhalten ein. Die Werber der 1960er Jahre verharrten damit weiterhin in eingleisigen Sender-Empfänger-Modellen der Kommunikation. Statt mit objektiv-sachlichen Informationen wollte man nun lediglich mit Appellen an die unterbewussten 68 Ebd. 69 Ebd. 70 Ebd., S. 3. 71 In der Praxis enthielt die Konzeption damit bereits informationsökonomische Argumente. Vgl. Philip Nelson, Information and Consumer Behavior, in: Journal of Political Economy 78, 1970, H. 2, S. 311–329. 72 BMWGA , UA 594, BMW-Werbung 1967, S. 3.

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Wünsche künstliche Markenlandschaften entstehen lassen, die die Konsumenten in ihren Bann ziehen sollten. Keine Rede war davon, die Produktentwicklung von Beginn an auf die Erwartungen der Kunden abzustimmen. Solange es die Überzeugung blieb, die Images allein durch kommunikative Tricks in gewünschte Bahnen zu lenken, blieb die Werbung letztlich ein raffiniertes Absatzinstrument und zentrales Mittel des Consumer Engineering. Entsprechend orientierte sich das BMW-Werbekonzept an drei expliziten Aufgaben: erstens der Emotionalisierung der Werbung durch Botschaften, die auf den Prestigewert des Autos abzielen; zweitens die psychologische Beeinflussung der Kundenwahrnehmung und schließlich drittens die gezielte Platzierung des Images in einem konkurrenzfreien Marktfeld. Die Werbung sollte als »Produkterziehung des Konsumenten«73 wirken oder, wie es die Agentur ausdrückte: »Das bei dem Menschen von uns geformte Image eines Objektes ist wie ein Fahrplan, der ihn nicht zum Reisen zwingt, der aber, wenn er reist, sein Verhalten bestimmt.«74 Ausgehend von solchen Leitlinien veränderten sich ab Mitte der 1960er Jahre die Produktaussagen der Automobilindustrie. Bei der Auswahl der Botschaften begannen die Unternehmen bzw. ihre Agenturen zwischen zwei Ebenen zu unterscheiden: auf der einen Seite das sog. Kernangebot sachlicher Produkteigenschaften. Hierzu zählten Funktionalität, Qualität, Langlebigkeit, Zuverlässigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sicherheit; auf der anderen Seite das sog. Randangebot als Sammelbegriff für jene Attribute, die sich zur emotionalen Markierung der Produkte eigneten. Sie umfassten u. a. Geräumigkeit, Komfort und Ausstattung als Zeichen besonderer Luxuriösität und Repräsentationsfähigkeit oder aber ­ S -Leistung, Beschleunigung und Design als Ausdruck von Sportlichkeit, FahrP spaß und Individualität. Umso mehr alle Automobile in der Lage seien, die funktionellen Grunderwartungen der Konsumenten zu erfüllen, desto mehr »sinkt die Bedeutung des Kernangebotes und steigt der Wert des Randangebotes für den Kaufentscheid«75, lautete die Überzeugung der Werbemacher. Dementsprechend stark hoben sie diese Komponenten in ihrer Werbeansprache hervor. Die Autowerbung entwickelte sich zu einer Zurschaustellung der besten Zusatzleistungen. Der Hinweis auf die höhere Motorenkraft, die herausragende Bequemlichkeit oder die modernste Konstruktion sollte die eigenen Fahrzeuge von der Konkurrenz abheben. »L wie Luxus und S wir Sport. Das macht ihn zum 73 Lützen, Kommunikation, in: ders. / Hickethier / Reiss (Hrsg.), Auto, S. 92. 74 BMWGA , UA 594, BMW-Werbung 1967, S. 4. Kaum anderes stellte auch der VW-Werbepartner DDB 1968 in einem Konzeptionspapier heraus. Indem es sich DDB zur Aufgabe machte, die »imagemäßige Sonderstellung« der VW-Produkte zu erhalten, entwickelte sie eine eigene Imageposition zur »ständigen Aufwertung und Aktualisierung«: Auszug aus dem Planungsbericht für alle am Volkswagen-Typ 1-Etat arbeitenden DDB -Mitarbeiter, Internes Planungspapier 1968, S. 134. Hier zit. nach Dietrich, Produktion, in: Lützen /  Hickethier / Reiss (Hrsg.), Auto, S. 85. Leider konnten die mittlerweile in das Historische Archiv von VW übernommenen DDB -Unterlagen nicht eingesehen werden. 75 Ebd.

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Klassenbesten«, warb Opel für den Kadett. Der Rekord hatte schlicht »Vorteile in km, ccm und DM«, »im Heck: Raum, Raum, Raum. Innen: Größte Dimensionen.«76 Die Audi-Fahrzeuge verfügten über eine einzigartige Kombination aus »Luxusmotor, Luxusfahrwerk und Luxusausstattung«, woraus sich die einfache Frage an den Kunden ableitete: »Haben Sie ein Auto, das sich mit diesem messen kann?«77 Überlegene Angebote für überlegene Käufer, lautete das Motto. Somit war die Projektion zwischen Produktimage und Kundenpersönlichkeit recht einfach: Die Stärken des Autos sollten sich direkt auf den gesellschaftlichen Erfolg seines Besitzers übertragen. So wurde der Produktwettbewerb zum symbolischen Spiegel für das Ringen der Konsumenten um den sozialen Aufstieg. In der umkämpften Mittelklasse agierte Opel in Wort und Bild mit einer offensiven und einfachen Symbolsprache, die sich um Anerkennung, Leistungsfähigkeit und gesellschaftlicher Reputation drehte. »Stolz auf den stattlichen Wagen« präsentierte 1967 ein Rekord-Käufer seinen Neuerwerb der Familie, um mit einem »Gut gemacht, Vati«78 belohnt zu werden; eine Aussage, die sich nicht nur auf die richtige Kaufentscheidung, sondern mehr noch auf den beruflichen Erfolg bezog, der nötig war, um sich ein solches Auto überhaupt leisten zu können. In den Folgejahren avancierte die Opel-Werbung zu »einem Musterbeispiel von Traumweltmalereien für Neureiche. Vor den Prunkvillen mit ihren schönen Besitzern, die eine Welt im PS -Jet zu genießen scheinen, stehen die schmucken Rekords […]. Für den deutschen Biedermann-Besitzbürger eine Kampagne, die mit dem Holzhammer viel Prestige vortäuscht.«79 Bildlich wurden die Fahrzeuge in einem exklusiven Freizeit- und Berufsumfeld gezeigt – auf dem Golfplatz, beim Pferderennen, vor dem Flughafen oder exklusiven Hotels. Wortspiele mit den symbolträchtigen Baureihenbezeichnungen unterstützten die Gesamtaussage: »Fünf Stunden unterwegs. Im Diplomat. Sie steigen aus. Sie eröffnen die Verhandlungen. Müde? Keine Spur!«80 oder »Es macht sich gut, wenn der Kapitän mit einem Admiral kommt« (Abb. 27), wobei sich dies wahlweise auf einen Industrie- oder Flugkapitän und auf einen FreizeitSkipper beziehen konnte. Die Werbung setzte ganz generell stärker auf bildliche Botschaften. Sie sollten, wie Kroeber-Riel in seinem berühmten Leitsatz des modernen Marketings

76 Die Quellennachweise werden im Folgenden in verkürzter Zitierweise belegt. Verwiesen wird auf den Zeitschriftentitel, die Heftnummer und die Jahresangabe. Hier also (in Reihenfolge der Nennung): auto motor und sport 4/1968; auto motor und sport 4/1965; auto motor und sport 10/1965. 77 auto motor und sport 19/1968; auto motor und sport 3/1971. 78 Der Spiegel 54/1967; auch Tuchen, Opel, S. 54. 79 Manfred Schütte, Auto-Minus für Deutschland, in: Eckard Neumann  /  Wolfgang Sprang / K laus Hattemer (Hrsg.), Werbung in Deutschland. Jahrbuch der Werbung 1973, Düsseldorf 1973, S. 8. 80 Der Spiegel 37/1969.

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Abb. 27: Opel-Werbekampagne: Admiral. Der schnelle Reisewagen (1968) Quelle: auto motor und sport 10/1968 (© Opel Automobile GmbH).

formu­liert, als »schnelle Schüsse ins Gehirn«81 für größere Aufmerksamkeit sorgen. Ford etwa kombinierte stimmungsvolle Produktpräsentationen in Alltags- und Freizeitsujets mit Detailansichten von Design, Ausstattung und Motor (Abb. 28). Die 1966 von JWT speziell für den deutschen Markt entwickelten FordKampagnen wollten damit zugleich soziale Distinktionsziele ansprechen und die schlechten Imagewerte der Marke in Bezug auf die Fahrzeugtechnik korrigieren.

81 Werner Kroeber-Riel, Bildkommunikation. Imagerystrategien für die Werbung, München 1993, S. 7; vgl. zur Funktionalität bildlicher Werbekommunikation schon zuvor: KroeberRiel, Konsumentenverhalten, S. 108 f.

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Wie einfach sich die Agenturen die Wirkungsweise ihrer Werbung vorstellten, zeigen sog. Target-Plans, kurz T-Plans.82 Seit Ende der 1960er Jahre entwickelte JWT für Ford solche Werbekonzeptionen, die durch textliche und bildliche Reize die gewünschten sog. Zielreaktionen der Kunden provozieren wollten. Die Vorgehensweise der Werbespezialisten war dabei recht eigentümlich: Sie selbst konstruierten aus ihrem Erfahrungsschatz, welche emotionalen Wirkungen ihre Werbebotschaften auslösen würden. In einem doppelten Sinne formulierten sie somit eigene Erwartungen über die mutmaßlichen Erwartungen ihrer Kunden. Der Ford, so argumentierte die Agentur, »ist ein schickes Auto, das sich nicht hinter Nur-Vernunftgründen zu verstecken braucht  – mit dem ich mich voll identifiziere, weil es über das rein Technische hinaus meine geschmacklichen Ansprüche erfüllt.«83 In diesem Punkt nahm die Agentur ganz die Perspektive der Adressaten ein. Die Werber versuchten sich ›in die Köpfe‹ der Rezipienten hineinzuversetzen, um Werbewirkungen vorab zu simulieren. Der Clou daran war: Sie formulierten erst die Werbebotschaften und erwünschten Reaktionen, suchten sich aber erst dann die passende Zielgruppe, die für ihre Art der Interpretation zugänglich erschien. So wie im T-Plan vorgesehen, mutmaßte JWT, würden in erster Linie »Aufsteiger in der Autohierarchie mit […] einem entsprechend konservativen emotionalen Geltungsstreben [reagieren]. Sie wählen ihr Auto mehr mit den Augen als nach intellektuellen Kriterien […], sind ansprechbar auf eindrucksvolle äußere Größe und Linienführung«, im Sinne eines »meine Umwelt soll staunen.«84 Ähnliche Planungskonzepte übertrug die Ford-Werbung bis kurz vor der Ölpreiskrise auf das gesamte Sortiment. Dabei galt die Faustformel: umso größer und leistungsstärker die beworbenen Fahrzeuge, desto massiver griff die Agentur auf Superlative in den Werbebotschaften zurück. Die Pkws zeigten eine imponierende, luxuriöse und eindrucksvolle Größe, waren noch »unverwechselbarer in der Form«, verfügten über eine noch »komfortablere Fahrwerksabstimmung« oder eine »besonders hochwertige Ausstattung«.85 Mehr Leistung und Komfort, so das einfache Werbekonzept vom »Spaß an der Überlegenheit«86, bedeutete mehr Emotion und ein höheres Prestigeversprechen für den Kunden. Die Werbung von Ford und Opel trieb ihre Botschaften bis Ende der 1960er Jahre somit nur in eine Richtung: Größe und Leistung galt als Ausdruck der gesellschaftlichen Aufstiegsambitionen. Die Vorstellung von Zielgruppen, die hinter diesem Konzept stand, blieb zunächst schlicht. Die Konsumenten wurden

82 Vgl. HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 2, 1972–76, Ford T-Plans, Sammlung 1972/73. Es gibt Hinweise, dass die T-Plans 1967/68 eingeführt wurden. Sie sind aber erst ab 1972 überliefert. 83 Ebd., T-Plan Ford Taunus vom 2.3.1972. 84 Ebd. 85 Entnommen aus ebd., T-Plans Ford Granada und Ford Capri vom 4.12.1972. 86 Ebd., T-Plan Ford Escort, o. Dat. [1972].

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Abb. 28: Ford Taunus: Exklusives Fahrvergnügen (1966/67) Quelle: Kriegeskorte, Automobilwerbung, S. 92 f. (© Ford-Werke GmbH).

weiterhin nach ihrem Einkommen und sozialen Status kategorisiert.87 Um sich tatsächlich durch ein ausgeprägtes und spezifisches Image von anderen Konkurrenten zu unterscheiden, waren diese Werberaster viel zu grob.88 Erklärt werden kann diese noch halbherzige Umsetzung moderner Stratifikationsstrategien jedoch mit einem recht grundsätzlichen Dilemma der Werbung von Massenanbietern: Die letztlich dem Produktionsparadigma der Volumenfertigung geschuldete Notwendigkeit, Zielgruppen möglichst breit anzusprechen, stand einer ausgeprägten Imageprofilierung tendenziell entgegen. Der emotionale Appell an den sozialen Aufstiegswunsch war der kleinste gemeinsame Nenner, der potentielle Käufer von kleineren Kompaktmodellen, Mittel- und Oberklassefahrzeugen der Marken Opel und Ford zusammenband. Für Marken mit einem spezialisierten Produktprogramm war die Etablierung eines klaren Profils deutlich einfacher. Die Fokussierung des Angebots führte, so Willi Diez, »zu einem prägnanteren Markenbild und [schuf] zugleich eine bessere Distanz zum Wettbewerb.«89

87 Vgl. HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 5, Ford 1975–76 Media, Überlegungen zur Mediaplanung für die Ford-Werbung 1976, Präsentationscharts vom August 1975, o. S., Abschnitte: Käuferraster, Produkt-Zielgruppen. 88 Vgl. Günter Ogger, Die Marketing-Konzeptionen der deutschen Automobilindustrie: Ford. Zu wenig Profit? in: auto motor und sport, H. 10, 1973, S. 63. 89 Diez, Handbuch, S. 248 f.

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Gute Beispiele für erfolgreiche Positionierungskampagnen bieten Audi und

BMW. Beide konzentrierten sich recht früh auf einen unverwechselbaren Stamm

an Attribuierungen. Audi fokussierte sich in einer nüchternen Wort- und Bildsprache auf die »produktbezogene, informative Darstellung zur Beweisführung des besonderen technischen Nutzens.«90 Schon zur Markteinführung des Audi 100 im Jahr 1969 präsentierte der Konzern eine Werbung, die ganz auf Aussagen zum sozialen Prestigewert verzichtete. In den Kampagnen wimmelte es von technischen Fachbegriffen. Sie schienen eher von Ingenieuren als von Marketingfachleuten gestaltet zu sein. »Auto-Technik statt Auto-Mode«91 warb die Agentur Technical Team 1971 mit einem provokanten Seitenhieb auf die Reklamen von Opel und Ford. »Nicht größer, schneller muss man sein  – wir gewinnen den Vorsprung durch Technik.«92 Mit dieser Botschaft war der Markenslogan geboren, auf den das Unternehmen bis heute erfolgreich zurückgreift. Die Stärke dieses Markenprofils bestand in dem fortwährenden Versprechen an den Kunden, »nicht nur Autos […], sondern zuverlässige Innovationsträger anzubieten.«93 BMW dagegen wollte nach dem Strategieplan seiner Agentur Werbe-Gramm »nicht am Wettbewerb sachlich-technischer Aussagen teilnehmen, uns nicht auf den Streit um das beste Einzelargument einlassen, sondern um unsere Aussagen eine künstliche Distanz zur Konkurrenz legen.«94 Diese Art von ›semantischem Puffer‹ bildete die Konnotation von Exklusivität, die die BMW-Produkte besaßen. Dementsprechend unterschiedlich waren die Zielgruppen, auf welche die beiden Mittel- bis Oberklasseanbieter abhoben. Diese Strategie, argumentierte der Werbeanalyst Manfred Schütte bereits 1973, half dem Hersteller, eine eigene Zielgruppe zu finden: »Käuferschichten, die ihre Entscheidung eher von produktspezifischen Leistungswerten […] als von vordergründigen Prestigeerlebnissen abhängig machten.«95 Dies bedeutete keineswegs, dass etwa die Audi-Käufer nicht auch auf einen Statusgewinn aus waren. Sie lehnten es lediglich ab, ihre Repräsentationsziele offen zu proklamieren, mutmaßten die Werbemacher.96 Die Marke BMW fand ihr Alleinstellungsmerkmal dagegen in der Betonung besonderer Exklusivität. Das Ziel lautete, durch die Exklusivität des BMW-An-

90 Schütte, Auto-Minus, in: Neumann / Sprang / Hattemer (Hrsg.), Werbung, S. 8. Auf dessen Aussagen bezieht sich auch Gasteiger, Konsument, S. 160 f. 91 auto motor und sport 3/1971. 92 Der Slogan »Vorsprung durch Technik« kam 1971 zunächst für das Modell Ro80 zum Einsatz, zierte dann aber jede Produktanzeige des Konzerns. Siehe auto motor und sport 1/1971 u. 2/1971. 93 Bernd Gottschalk / Ralf Kalmbach (Hrsg.), Markenmanagement in der Automobilindustrie. Die Erfolgsstrategien internationaler Top-Manager, Ottobrunn 2003, S. 150. 94 BMWGA , UA 594, BMW-Werbung 1967, S. 9. 95 Schütte, Auto-Minus, in: Neumann / Sprang / Hattemer (Hrsg.), Werbung, S. 8. 96 Vgl. Gasteiger, Konsument, S. 161.

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gebots einen ideellen Image­vorsprung herauszuarbeiten und den außergewöhnlichen Kunden anzusprechen. Die Rezipienten sollten die Leistungsvorteile nicht nachlesen müssen, sondern die Hochwertigkeit der Produkte emotional verinnerlichen. Die Nische der Exklusivität lässt sich auch »ohne vordergründigen Vorbildverbraucher, ohne den dynamisch dreinblickenden Sporttaucher oder den aristokratischen Reiter hinter dem Auto [vermitteln]. Produktüberlegenheit, wie wir sie für BMW in Anspruch nehmen, lässt sich überzeugend […] demonstrieren auch ohne unsere Argumente an die typischen Argumente der Mitbewerber anzulehnen.«97 Bereits gegen Ende der 1960er Jahre betrieb BMW eine ganzheitliche Markenwerbung, die produktspezifische Bezüge nur noch herstellte, wenn eine neue Baureihe auf den Markt kam.98 Das wesentliche Instrument, um die Verbindung zwischen der Marke und der Besitzerpersönlichkeit zu stärken, bestand in dem Rückgriff auf psychologische Steigerungsstufen in der Werbesemantik. Die Modelle wurden nicht mit Objekteigenschaften eines Autos, sondern mit menschlichen Charakterzügen beschrieben. Wie aus einer Auflistung der neuen Sprachregelungen 1971 hervorgeht, wurde in der Werbung aus »sicher – selbstsicher«, aus »leistungsfähig – leistungsbewusst« oder aus »funktional – vital.«99 Allein dieses Dokument zeigt, wie sehr BMW daraufsetzte, nach den neuesten Erkenntnissen der Verhaltensforschung das Marken- und Fahrerimage zu harmonisieren. Eine Ausnahme in der Werbelandschaft der 1960er Jahre stellte lediglich die VW-Werbung dar. Sie setzte nicht auf technische oder soziale Überlegenheit, sondern stellte die objektiven Stärken des Mega-Sellers Käfer in den Bereichen Wirtschaftlichkeit, Qualität, Zuverlässigkeit und Funktionalität in den Vordergrund.100 Die Strategie, sich auf die Sachlichkeit zu konzentrieren, war kaum verwunderlich, da das veraltete Fahrzeug leistungsmäßig kaum mit modernen Modellen der Kompaktklasse mithalten konnte.101 Allein um die Authentizität der Werbeaussagen zu wahren, verbot sich ein direktes Aufspringen auf den Zug der Größen-, Kraft- und Statussymbolik. Geschickt verstand es die Agentur DDB, aus der Produktrückständigkeit eine klar konturierte Imageposition zu konstruieren. Sie inszenierte das Auslaufmodell mittels einer äußerst modernen, selbstironischen Werbesprache bewusst als klassenloses Alternativangebot, welches in seiner Form Originalität, in seinen technischen Eigenschaften die Grundsolidität eines echten ›Volks-Wagens‹ repräsentierte. 97 BMWGA , UA 594, BMW-Werbung 1967, S. 9. 98 Vgl. Grunert / Triebel, Unternehmen BMW, S. 477. 99 BMWGA , UA 1344, Gramm & Grey: Profilierung des Produktes – Analyse der Fahrerpsychologie – mögliche Werbewege vom 27.7.1971, S. 13. 100 Vgl. UVW, 250/2/1, Gruppenzentrale Marketing, Kurzfassung des langfristigen Marketingplans des VW-Konzerns für Personenwagen, (Mai 1971), S. 2. 101 Vgl. Schönhammer, Kulturwandel, in: Allesch  /  Billmann-Mahecha  /  Lang (Hrsg.), Aspekte, S. 186 f.

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Allerdings nahm auch die Käfer-Werbung den gesellschaftlichen Trend zur sozialen Hierarchisierung des Autokaufs offensiv auf und machte ihn sich geschickt zu nutze. »Verdienen Sie zu viel, um sich einen Volkswagen leisten zu können?«102 wurde 1965 in einer Anzeige gefragt, die damit auf die Oberflächlichkeit der neuen automobilen Gesellschaft verwies. In einer Folgeanzeige lieferte VW den Konsumenten ein nonkonformistisches Angebot, um aus dem Statusrennen auszuscheren: »Dies ist der Wagen für Leute, die sich unterscheiden wollen von Leuten, die sich unterscheiden wollen.«103 Der VW Käfer präsentierte sich selbstbewusst und zugleich lakonisch als »Statussymbölchen«104: Für viele Leute ist ein Auto nicht nur ein Auto, sondern ein Mittel, den anderen zu zeigen, wer man ist und was man darstellen möchte. Das Auto soll Reichtum dokumentieren. Oder Eleganz. Oder Kühnheit. Oder Sex. Es ist, wie die Psychologen sagen, ein Statussymbol. In dieser Beziehung gibt der VW wenig her. Man sieht ihm nicht an, was sein Fahrer ist […] Und doch ist auch der VW so etwas wie ein – wenn auch bescheidenes – Statussymbol. Wer ihn fährt, beweist, dass er Vernunft hat und wirtschaftlich denkt. Und dass er vor allem kein Auto braucht, um jemandem zu imponieren. Was viele bestimmt sehr imponierend finden.105

Die Schlichtheit des Fahrzeuges wurde hier geschickt zu einer Botschaft des Understatements umgeformt. Die mittlerweile öffentlich diskutierte Schwäche des Unternehmens, den Käfer durch einen zeitgemäßen Nachfolger abzulösen, kaschierte die Werbeagentur, indem sie die Entscheidung für einen solchen Wagen zur Charakterfrage für den Konsumenten erhob. Seit Ende der 1960er Jahre rückten bei der Käfer-Werbung jedoch immer mehr einfache Verkaufsziele in den Vordergrund. Ein Großteil der Anzeigen rekurrierte auf Preisvorteile bei sich häufenden Sonderaktionen.106 In der Werbebranche wurde dies mit der bissigen Umformulierung eines der bekanntesten VW-Werbeslogans in »…und er ramscht und ramscht und ramscht…«107 kommentiert. Es galt als offenes Geheimnis, dass die Werbung den Auftrag hatte, das Ende des Käfer-Lebenszyklus künstlich zu verlängern. Trotz der unterschiedlichen Akzentuierungen in den einzelnen Markenprofilen bleibt bis zur Ölpreiskrise 1973 ein allgemeiner Trend zur Inszenierung der schnellen, großen und komfortablen Rennreiselimousine zu konstatieren. Vermittelt über die stereotype Werbephrase der Produktüberlegenheit versprach die Werbung den Kunden einen individuellen Statuszuwachs und eine »libidinöse Bereicherung«108 ihres Alltags durch persönlichen Fahrspaß und unbegrenzte automobile Freiheit. 102 103 104 105 106 107 108

Kriegeskorte, Automobilwerbung, S. 124 u. 126. auto motor und sport 14/1965. Stern 29/1966. Ebd.; vgl. Otten, Textverwendung, in: Hickethier / Lützen / Reiss (Hrsg.), Auto, S. 152 f. Vgl. Gerold Lingnau, Die Wende auf dem Automobilmarkt, in: ebd., S. 59. Schütte, Auto-Minus, in: ebd., S. 9. Ingo Pfafferott, Tendenzwende in der Automobilwerbung, in: Zeitschrift für Verkehrssicherheit 19, 1973, Nr. 3, S. 185.

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Als problematisch erwies sich das Narrativ der Sportlichkeit, als sich die Hersteller im Kommunikationswettbewerb mit den Konkurrenten zu immer extremeren Werbebotschaften aufschwangen. Mit mehr PS konnte der Pkw-Besitzer laut Werbung seine Überlegenheit im Alltagsverkehr öffentlich zur Schau stellen und dabei Genuss, Selbstsicherheit und soziale Anerkennung gewinnen. »Der Leber-Plan verspricht ihnen die ganze Autobahn. Ford gibt ihnen die linke Seite schon heute«109, hieß es exemplarisch 1968. Durch Spurtstärke können die Fahrer andere Verkehrsteilnehmer »(wenn’s beliebt) einfach stehen lassen«. Unter Überschriften wie »130 PS. Die kennen keinen Respekt« suggerierten Anzeigen selbst für Mittelklassemodelle, dass auch die Besitzer es nicht nötig haben, Rücksicht auf die Umwelt zu nehmen. Schließlich, so der dazugehörige Werbetext, sind »die Starken [.] nur so lange mächtig bis ein stärkerer kommt.«110 Im Wettstreit um die Aufmerksamkeit trugen die Hersteller mit solchen Botschaften tendenziell zu einer Entsachlichung des Automobils bei. Selbst der ADAC kritisierte die Industrie schon 1970 dafür, Rasanz überzubetonen: Der ADAC hat sehr wohl etwas gegen diesen Pseudo-Sport, der sich auf den Werbe­ seiten breitmacht. Wir sind dagegen, dass ausschließlich PS , Powerslide und Be­ schleunigungszeiten anstelle von Argumenten treten. […] Ist von den verantwort­ lichen Werbeleuten und Automobilbossen noch niemand darauf gekommen, dass […] sie viele Autofahrer dazu verleiten, ihre und die Fähigkeiten des Wagens zu über­ schätzen?111

Ähnlich beklagte eine Fachjury der Werbegestalter im Jahrbuch der Werbung 1972 den »ästhetischen Niedergang der Automobilwerbung und das Sterben der Information.«112 Grundlegende Angaben über Preise und objektive Produkteigenschaften ließen die Hersteller zugunsten eines Prestige- und Geschwindigkeitskults oft fallen. Geschätzt tauchten schon 1970 in fast zwei Dritteln aller Anzeigen sportlich-kraftbetonte Inhalte auf.113 Und die Botschaften schienen ihre Wirkung nicht zu verfehlen: In einer Allensbach-Umfrage gaben immerhin 36 Prozent der deutschen Autofahrer an, Spaß daran zu finden, ihren Wagen so oft wie möglich voll auszufahren. Eine weitere Studie konstatierte, dass sogar zwei Drittel der Autobesitzer die Geschwindigkeit ihres Fahrzeuges als ›lustvoll‹, ›verführerisch‹ und ›rauschhaft‹ empfanden.114 Derartige Effekte schienen den

109 Der Spiegel 14/1968. 110 Vaillant, ›Ervolkswagen‹, S. 7; zweites Zit.: Der Spiegel 5/1969. 111 Rainer Nistl, Die ›Sportlichen‹, in: ADAC motorwelt, H. 9, 1970, S. 20 f.; auch Art. »So sollte Automobilwerbung aussehen«, in: ADAC motorwelt, H. 5, 1972, S. 31. 112 Schütte, Auto-Minus, in: Neumann / Sprang / Hattemer (Hrsg.), Werbung, S. 8. 113 Vgl. Ingo Pfafferott, Deutsche Automobilwerbung 1954 bis 1970, in: Zeitschrift für Verkehrssicherheit 17, 1971, Nr. 3, S. 190. 114 Vgl. Institut für Demoskopie Allensbach / Werner Harenberg, (Hrsg.), Spiegel-Umfrage ›Der Deutsche und sein Auto‹. Repräsentative Befragung bei Autofahrern. Tabellarische Ergebnisse zur Spiegel-Titelgeschichte 53/1971, Hamburg 1972, S. 94 f.

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Anspruch der Werbegestalter zu bestätigen, die Kundenbedürfnisse lenken und »neue Realitäten«115 schaffen zu können. Gerade die Übertreibungen in der automobilen Werbewelt provozierten aber auch die gesellschafts- und kulturkritischen Debatten über die unterschwelligen Verlockungskünste der Unternehmen. Als Teil der allgemeinen Konsum- und Marketingkritik prägten die Auseinandersetzungen um die Autowerbung bis weit in die 1970er Jahre hinein das öffentliche Bild von den verführenden Herstellern und den verführten Konsumenten.116

1.3 Rationalisierung der Unvernunft: Autowerbung der 1970er Jahre Die eingeübten Kommunikationsstrategien der Automobilunternehmen gerieten ausgangs der 1960er Jahre unter Druck. Angesichts der öffentlichen Debatten um die Folgekosten der Massenautomobilität machten sich erste Zweifel breit, ob die bisherigen Werbebotschaften noch zeitgemäß waren. Solange sich die Autokritik nicht auf die Kauffreude der Konsumenten auswirkte, änderte sich die Werbung kaum. Erst der schnelle Wechsel der Konsummotive ab 1973 führte die Marktgestaltungsphantasien der Unternehmen ad absurdum. Die starken externen Einflüsse zeigten den Werbern die Grenzen der Bedürfnislenkung auf. Der tiefgreifende Wandel der Werbekonzeptionen lässt sich am Beispiel von Ford nachvollziehen. Ab Herbst 1973 setzte eine intensive Diskussion zwischen dem Kölner Hersteller und der Werbeagentur Thompson über Konsequenzen der Ölpreiskrise ein. Die Marktsituation erfordere zwingend, neue Ansatzpunkte für die Kommunikation mit den Konsumenten, resümierte die Agentur gegenüber der deutschen und europäischen Firmenzentrale. Grundlegend sei dabei die Erkenntnis, »that the present problem is two-fold: A. product acceptance; B. company acceptance.«117 Die Preisinflation und die öffentliche Autokritik, so die Diagnose, führten dazu, dass die Kunden das bestehende Produktangebot nicht mehr annahmen. Vor diesem Hintergrund müsse sich die Ford-Geschäftsleitung der Aufgabe stellen, »of being more responsive to marketing problems and getting these ideas in front […].«118 JWT nutzte die Absatzkrise somit offensiv, um ihre Auftraggeber zu überzeugen, ein marketingbasiertes Management zu implementieren. Dahinter stand nicht nur die Überzeugung, die anstehenden Probleme mit Werbe- und Marke-

115 Kurt Vonesch, Neue Perspektiven der Verkaufsförderung, in: Der Markenartikel 21, 1959, S. 648. 116 Einen Überblick über die Genese der Werbetheorie bietet Reinhardt, Reklame, S. 2–6. 117 HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, 1973, Presentations, Akte 2, Situationsanalyse und Werbekonzept der Agentur JWT, o. Dat. [Nov. 1973], S. 9. 118 Ebd., Box 4, 1974, Correspondence, Akte 3, Strategiepapier vom Februar 1974, S. 2.

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tingmaßnahmen lösen zu können, sondern zugleich die Hoffnung auf neue Aufträge für die eigenen Dienstleistungsangebote. Zugleich musste die Agentur aber auch eigene Versäumnisse eingestehen. Wie aus einem internen Strategiepapier hervorgeht, erkannte sie drei zentrale Problemfelder, aus denen sie »selbstkritische Folgerungen«119 für die zukünftige Werbegestaltung ableitete: An erster Stelle stand der Befund, dass sich die Werbung zu sehr an Verkaufszielen orientiert habe. Dabei sei der Kunde aus dem Blick geraten. In Zukunft müsse sich die Kommunikationsarbeit gänzlich von den Erfordernissen der Produktion lösen und stattdessen alle Maßnahmen strikt aus Kundensicht be­ urteilen: »We must look at the total problem from the consumer’s point of view. Because the only thing that counts is how the consumer reacts.«120 Die Werbung erschien in dieser Lesart nicht mehr als Aktions-, sondern als Reaktionsinstrument, um sich den veränderten Käuferpräferenzen anzupassen.121 In einer Phase schwindenden Vertrauens habe das Unternehmen »eine Brücke des Verständnisses zwischen Ford und den skeptischen Kunden zu schlagen, die die vorhandenen Probleme nicht einfach leugnet.«122 Die Agentur plädierte somit für die Konsumentenorientierung und ein transparentes Krisenmanagement als neue Leitlinien der Werbekommunikation. Zweitens stellte sie einen Mangel an Gleichklang zwischen den Aussagen der Produkt- und Markenwerbung fest. Daher fehle es der Werbung an einem »natürliche[n] Selbstverstärkungseffekt«123. Alle Produktaussagen müssten unter dem Dach eines klar erkennbaren Markenauftritts harmonisiert werden, lautete die selbstgestellte Aufgabe. Es galt auf allen Ebenen des Produkt-, Marken- und Firmenimages »Argumente zu synchronisieren […], zu einer sinnvollen Koordination aller Informationsmittel und zu einer taktisch richtigen Verkettung des Einsatzes aller Einzelmittel zu kommen.« Nur so könne die Werbung eine »übergeordnete ideeliche Einheit« entwickeln, »die sie jetzt mehr denn je braucht.«124 Drittens schließlich dürfe die Werbung nicht mehr als isolierter Funktionsbereich verstanden werden. Sie sollte sich inhaltlich, formal und zeitlich eng mit der Public Relations und – soweit wie möglich – auch der Produktpolitik abstimmen. Die Werbung habe sich in »eine glaubwürdige Gesamtphilosophie als Grundlage der Modell- und Marketingpolitik«125 einzubetten, die alle Reklame-, Produkt- und Serviceleistungen als Instrumente der Vertrauensbildung auffasst. Nur auf diesem Wege könne der Öffentlichkeit ein Image vermittelt werden.126

119 Ebd., Memos, Reports, Tests, JWT-Bericht »Gedanken zu der Ford-Situation aus Frankfurter Sicht«, o. Dat. [Dez. 1973], S. 2. 120 Ebd., Box 3, 1973, Presentations, Akte 2 [Nov. 1973], S. 1. 121 Ebd., JWT-Präsentation »Wie wir die Marktsituation sehen«, o. Dat. [Okt. 1973], S. 2. 122 Ebd., Box 4, 1974, Memos, Reports, Tests, Gedanken zu der Ford-Situation, S. 2. 123 Ebd. 124 Ebd. 125 Ebd., S. 1. 126 Vgl. ebd.

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Hier zeichnet sich sehr deutlich ab, dass die Idee eines ganzheitlichen Marketingmanagements ab 1973 einen starken Auftrieb erhielt. In der Praxis schlugen sich die Vorüberlegungen bei Ford im Sommer 1974 in einer Kampagne unter dem Slogan ›Linie der Vernunft‹ nieder. Auf den bereits erwähnten produktbezogenen Vorstößen in den Feldern Kundengarantien und Komplettpreisangeboten setzte eine geschlossene Werbe- und PR-Kampagne für die Marke Ford auf. Die Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und Konditionenpolitik verschmolzen zu einem koordinierten »short term action programme«127 des Marketing. Das Rahmenkonzept lautete kurz: Fight strong competitive product action with consumer oriented merchandising action. […] Launch the ›Good Sense‹ campaign around the complete car concept […]. Immediately put every piece of communication under the ›Good Sense‹ banner […] and establish a cumulative effect under the ›Good Sense‹ umbrella from the mail stamp to point of sale to every single piece of communications aimed at the public, the dealers, the press and, above all, our own owner body.128

Aus kurzfristiger Sicht galt es in der Krise zunächst zu einer klassischen Produktwerbung mit einem hohen Anteil der »Vermittlung von qualitativen Produktinformationen«129 zurückzukehren. Sichtbar wurde dieser Umbruch in der formalen Gestaltung und Stilistik der Werbung. Um ihre Glaubwürdigkeit wiederherzustellen, gingen die deutschen Firmen zu einem wesentlich nüchternen Werbestil über, der mit höheren Wortanteilen in den Anzeigen sachlichtechnische Aussagen zum Fahrzeugangebot in den Vordergrund stellte.130 Auch in der Bildsprache wurden rasante PS -Boliden spätestens 1974 durch eine Darstellung von parkenden Pkw im Alltagseinsatz ersetzt. Sparsame Inszenierungen von Konstruktions- und Designmerkmalen dominierten die Anzeigenkampagnen. Direkte visuelle Anklänge auf den Prestige- oder Erlebniswert wurden zurückgenommen.131 Der Marktauftritt müsse durch eine grundsätzliche Zurückhaltung gekennzeichnet sein, lautete eine zeittypische Vorgabe der BMW-Geschäftsführung an 127 Ebd., Box 2, 1972–76, Ford T-Plans, Ford of Germany, Second Half 1974 Marketing Strategy, [Feb. 1974]. 128 Ebd. 129 Aussage von Dieter Kloss, Leiter der Presseabteilung, zit. nach: Art. »Marketing im Windkanal«, in: absatzwirtschaft, Nr. 5, 1975, S. 8. 130 1970 machte die Bildkommunikation in jeder zweiten Werbung mehr als 70 Prozent der Anzeigenfläche aus. Nur in 9,1 Prozent war der Text dominant. Bis 1975 rückten in nahezu 25 Prozent der Werbungen die Textinformationen wieder in den Vordergrund, während nur noch jede dritte Annonce mit großflächigen Abbildungen arbeitete. Gegen Ende der 1970er Jahre nahm der allgemeine Trend zur Visualisierung wieder zu. Er war in der Krise nur kurzzeitig unterbrochen. Vgl. Schnitzler, Entwicklung, S. 85 f.; auch Roth, Wertewandel, S. 193 f. 131 Vgl. Gerhard J.  Schmidt, Automobil-Werbung. Untersuchungen zur Semiotik in der Werbung, Stuttgart 1989, S. 364 f.

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seinen Werbepartner Spiess & Ermisch. Produktvergleiche und Anspielungen auf die sportliche Überlegenheit galt es zu vermeiden, die Verwendung von Superlativen und humorvollen Einlagen zu dezimieren, um die Marke gegenüber den sachlichen Interessen der Kunden nicht als ignorant erscheinen zu lassen.132 »Einfachheit und Ehrlichkeit«133 lautete nun auch die Kommunikations-Leitlinie bei Ford. Entsprechend verändert zeigten sich die T-Plans: Sensuell sollte die Werbung einfach nur darauf verweisen, dass die Anzeigen eine beachtenswerte Information der Firma Ford beinhalteten.134 Auf emotionaler Ebene richteten sich die Kampagnen ganz auf den von der Marktforschung identifizierten kritischen Konsumenten ein. Als erhoffte Zielreaktion sollte der Kunde es als »angenehm [empfinden], wie sachlich und informativ Ford über sein Modell­ angebot berichtet. Da muss man wenigstens nicht das Gefühl haben, überredet zu werden, sondern kann sich seine Meinung selber bilden.«135 Das Ziel der Informationswerbung war es somit, die Kunden in ihren eigenen Entscheidungen zu bestätigen. So wollte man dem Manipulationsverdacht der Werbekritiker entgegentreten.136 Mit einem wieder stärker informativen Werbestil, der die gesamten 1970er Jahre prägen sollte, verband sich ein inhaltlicher Wandel in der Auswahl und Kombinatorik der Werbebotschaften. Aus den vielschichtigen motivischen Gestaltungsformen für einzelne Produktreihen werden im Folgenden fünf zentrale Entwicklungstrends nachgezeichnet. 1.3.1

Wirtschaftlichkeit als Produktbotschaft

Repräsentation und Sportlichkeit verschwanden 1973/74 vorerst vollständig aus der Werbelandschaft. An ihre Stelle traten rationale Argumentationsmuster. Neben Qualitäts- und Sicherheitsattributen rückte die Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund. Zahlreiche Annoncen griffen die finanziellen Vorbehalte der Kunden beim Autokauf direkt als Werbemotiv auf. Audi simulierte in einer Kampagne vom Februar 1974 eine Art Verkaufsgespräch mit der verunsicherten Kundschaft: »Wenn Sie nicht wissen, ob es sich jetzt lohnt ein neues Auto zu kaufen«, lieferten die Ingolstädter »5 Punkte, die Sie bei Ihrer Entscheidung berücksichtigen sollten«  – allein drei Argumente drehten sich im engeren Sinne um eine den Geldbeutel schonenden Autonutzung (Abb. 29). 132 Vgl. BMWGA , UA 851, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 11.12.1973, S. 2. 133 HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 2, 1972–76, Ford T-Plans, Ford Taunus 1974 Advertising Strategy, Anlage 1: German Advertising Guidelines and Strategy (GAGS) vom 17.7.1974, S. 1 f. 134 Vgl. ebd., T-Plan Range-Kampagne vom 6.12.1973. 135 Ebd. 136 Vgl. ebd., Box 5, Ford ESO, JWT-Bericht: Competition January-June 1974, S. 2.

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Das Motiv der Sparsamkeit glaubwürdig an Sortimente anzuschließen, in denen Klein- und Kompaktwagen weitgehend fehlten, stellte sowohl die Volumenanbieter als auch die Oberklassespezialisten vor Schwierigkeiten. Schließlich galt es, die auf Größe und Motorenleistung ausgelegten Produkte umzudeklarieren, um ihre Images neu zu kalibrieren.137 Dieser Spagat gelang nur, indem die Werbung ein alternatives Deutungsangebot unterbreitete, woran die Wirtschaftlichkeit eines Fahrzeuges festzumachen sei. Der Verkaufspreis spielte hierbei nur eine randständige Bedeutung. Angesichts kontinuierlicher Preisanhebungen und durchweg günstigeren Angeboten der ausländischen Anbieter eignete er sich kaum als positive Werbebotschaft. Stattdessen galt es, die eigenen Mittelklassemodelle, wenn möglich, durch den Verweis auf niedrige Verbrauchswerte und geringe Haltungskosten attraktiv erscheinen zu lassen. Keineswegs nur kleine Automobile sind sparsam, lautete notgedrungen die Botschaft. Schließlich ergebe sich die Wirtschaftlichkeit nicht nur aus dem Benzinverbrauch, sondern in langfristiger Rechnung vor allem aus der Zuverlässigkeit, Lebensdauer und dem Wiederverkaufswert der deutschen Modelle. »Was nützt ein billiges Auto, wenn Inspektions- und Reparaturkosten den günstigen Kaufpreis schnell wieder wettmachen«, fragte die Audi-Werbung. VW erklärte den Kunden, »warum billige Autos Sie oft teuer zu stehen kommen.«138 Um eine Kundenabwanderung zu den Importmarken zu verhindern, wurde die Wirtschaftlichkeit kurzerhand zu einer Frage der besseren Verarbeitungs- und Servicequalität erklärt. Eingehend verwiesen Opel, Ford, VW und Audi auf einen geringen Wartungs- und Reparaturaufwand. VW warb sogar in eigenständigen Kampagnen für ihr dichtes Netz an Servicevertretungen, die auf der Basis eines innovativen Computer-Diagnose-Systems alle, natürlich nur selten auftretenden Probleme schnell und vor allem preiswert behoben. Selbst Daimler-Benz zeigte sich bemüht, seine Premiumfahrzeuge erstmals mit Konnotationen der Sparsamkeit zu besetzen. Dabei rekurrierten die Stuttgarter vor allem auf die technische Marktführerschaft bei der Entwicklung von wirtschaftlichen Dieselmotoren. Aufgrund der verbreiteten Skepsis gegenüber Großraumwagen forderte die Marketingplanung bereits im Winter 1973, dass die Werbung gesondert herausstellen müsse, dass sich »Wirtschaftlichkeit und ›hoher Anschaffungswert‹ nicht ausschließen.«139 Sparsames Fahren bedeute keineswegs zwangsläufig, einen Kleinwagen nutzen zu müssen. Vielmehr sei der Verbrauch nicht eine Frage des Fahrzeugs, sondern der Fahrweise. In diesem 137 Vgl. Marc Danner, Strategisches Nischenmanagement. Entstehung und Bearbeitung von Marktnischen, Wiesbaden 2002, S. 24. 138 Kampagne »Die VW-Computer-Diagnose entdeckt die teuersten Reparaturen – solange sie noch billig sind«, in: Der Spiegel 48/1973; auch die fünfteilige Werbeserie »Wir halten Ihren VW auf dem laufenden. Ihr VW Kundendienst«, in: Der Spiegel 20–23/1974. 139 HAD, Zahn / HS Raue 236, Thesen für eine Diskussion über den langfristigen Einfluss von Versorgungsschwierigkeiten mit Mineralöl auf die DBAG vom 21.12.1973, S. 12 f.

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Abb. 29: Audi: Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Komfort (1974) Quelle: Der Spiegel 6/1974 (© Audi AG).

Sinne lancierte der Konzern eine kombinierte Anzeigen- und Direktmail-Kampagne mit »praktischen Tipps, wie man Kraftstoff spart und sich den Umständen entsprechend richtig verhält.«140 Auch BMW und Opel, die als sportliche Marken besonders im Visier der Autokritik standen, platzierten ähnliche ›Fahrer-Erziehungs-Programme‹, um ihr Markenimage zu sanieren.141 Unter dem Slogan »Die richtige Einstellung zur Benzinkrise« postulierte der Rüsselsheimer Konzern: 140 Ebd., Energiekrise 197, Schreiben der Werbezentrale vom 6.11.1973, S. 4; vgl. ebd., Vorschläge für Ausführungen Dr. Zahns im Hinblick auf die Energieknappheit vom 4.12.1973, S. 2. 141 Vgl. Art. »Marketing im Windkanal«, in: absatzwirtschaft, Nr. 5, 1975, S. 8.

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Abb. 30: Opel Rekord und VW Passat: Wirtschaftlichkeit (1974) Quelle: Der Spiegel 4/1974 (links, © Opel Automobile GmbH) u. 40/1974 (rechts, © Volkswagen AG).

Wer an der Ampel wie Jackie Stewart im Rennen startet, […] partout das Gaspedal seines Wagens durchs Bodenblech drücken will, […] 6mal die Woche zum Supermarkt fährt, statt einmal sinnvoll einzukaufen, täglich 3 leere Autositze zur Arbeitsstelle transportiert, […] immer noch glaubt, im 2. Gang 50 km / h fahren zu müssen – statt rechtzeitig zu schalten, der wird bald zu Fuß gehen (und das nicht nur sonntags)! Wir möchten, dass alle Opel-Fahrer morgen noch fahren.142

Diese Strategie war ein direkter Versuch, sich neu über das automobile Leitbild zu verständigen. Mit derartigen Appellen wollte die Branche ihr Verantwortungsbewusstsein zeigen und suggerierte eine Interessenskongruenz zwischen Industrie, Politik und Gesellschaft in der Frage der Ressourcenschonung. Zugleich lenkten die Hersteller geschickt von ihren produktpolitischen Versäumnissen ab. Ganz dem Selbstbestimmtheitsparadigma der 1960er Jahre verhaftet, delegierten sie die Probleme an einen fehlerhaften Gebrauch durch die Konsumenten. Dem Kunden oblag es in dieser Werbelogik, die technisch-konstruktiven Anstrengungen der Unternehmen durch ein überlegtes Verhalten zu unterstützen.143 »Jetzt müssen Sie sparsam fahren, Benzin ist teuer« zeigte Audi Verständnis für das neue Kostenbewusstsein, verband damit aber zugleich den Hinweis, dass nur eine 142 Zit. nach: HAD, Zahn / HS Raue 236, Anzeigensammlung der Werbezentrale: Werbung im Zeichen der Ölkrise [Dez. 1973]. 143 Vgl. Vaillant, ›Ervolkswagen‹, S. 22.

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Entscheidung für ein Fahrzeug dieser Marke dem Kunden die Möglichkeit hierzu gebe. Noch direkter appellierte VW beim Erscheinen seines Kompaktmodells »Fahren sie den Golf. Benzin ist teuer«144 und behauptete mit dem Passat gar »Die Formel für ökonomisches Fahren gefunden zu haben« (Abb. 30). Jetzt lag es nur noch beim Konsumenten, diese Optionen auch zu nutzen. 1.3.2

Nutz und Lust: Die Rationalisierung der Emotionen

In Reaktion auf Autokritik und Benzinverteuerung stellten die Hersteller die Gebrauchswerte des Automobils wieder stärker in den Vordergrund. Dies war jedoch keineswegs damit verbunden, dass sie gänzlich auf emotionale Botschaften verzichteten. Bereits 1974 zeichnete sich ab, dass die Werbung die Pfade der auf Individualität und Selbstbestätigung ausgerichteten Attribuierungen wieder­ aufnahmen, wenn auch zunächst in einem zurückhaltenden Gewand.145 Zur Begründung führte die Agentur JWT exemplarisch aus, dass einseitige Werbestrategien, die nur auf den Lust- und Prestigegewinn abheben, sicherlich nicht mehr zeitgemäß seien. Ebenso wenig erscheine es aber sinnvoll, von einem Extrem der Emotionalisierung in ein anderes der vollständigen Versachlichung überzugehen. Trotz aller Bemühungen der Kunden, ihre Kaufentscheidungen zu kontrollieren, sei es »unwahrscheinlich, dass aus den Menschen so rasch rein rational handelnde Autokäufer werden. Emotionale Motive werden auch künftig einen wesentlichen Teil ihres Handelns bestimmen.«146 Das hier zu erkennende Vertrauen in die sozialen Mechanismen des Massenkonsums paarte sich mit zwei schlagkräftigen marketingstrategischen Überlegungen. Erstens legitimierte schon allein die objektive Beschaffenheit des bestehenden Modellprogramms, auf Emotionen zu verzichten. Zweitens erschien es wenig zweckmäßig, in der Krise alle Imagepositionen einzureißen, die man über Jahre mühsam aufgebaut hatte. Folglich hielt man »eine zu einseitige Betonung rein rationaler Argumente […] nicht für die richtige Antwort auf die gegenwärtige Situation.«147 Der Anspruch lautete also, einen Mittelweg zu finden. Die Werbemacher entwickelten hieraus Konzepte, die ganz auf die Ergebnisse der Marktforschung vertrauten. Sie gingen von einer fortlaufenden Differenzierung der Nachfrage aus, die sich in einem Spektrum zwischen den Polen Nutz und Lust abspielte. Die Werbung wollte beides anbieten, sowohl substantiell-rationale Informationen als auch Hinweise auf Fahrspaß und Lifestyle liefern. Dies sollte den Kunden die Möglichkeit geben, sich nach eigenen Wünschen aus dem breiten Regal der Werbe­ 144 auto motor und sport 19/1974; Markus Lupa, 50 Jahre Volkswagen Werbung, Hamburg 2002, S. 178. 145 Vgl. Schönhammer, Kulturwandel, in: Allesch  /  Billmann-Mahecha  /  Lang (Hrsg.), Aspekte, S. 182. 146 HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, 1973, Presentations, Akte 2, Marktsituation, S. 3 f. 147 Ebd.

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botschaften zu bedienen. Ob sie eher Substanzargumenten oder den Versprechen auf Zusatznutzen folgen wollten – beides bot die Werbung ab 1974 an. In der Praxis versuchten sich die Hersteller mit semantischen Stilblüten an dieser Quadratur des Kreises. Sie propagierten Sparsamkeit ohne Verzicht, um die Marktgängigkeit ihrer Fahrzeuge zu erhöhen. Mit dem Slogan »Zahlen Sie für die Wirtschaftlichkeit nicht jeden Preis« ermutigte zum Beispiel Ford seine Kunden, trotz ihrer finanziellen Vorbehalte nicht alle ebenso berechtigten Ansprüche auf ein Fahrerlebnis fallen zu lassen. »Beim nächsten Auto wird sich eingeschränkt«, nahm der Fließtext die Stimmung der Käufer auf und stellte dagegen: »Gut, aber tun Sie’s nicht an den falschen Stellen: am Platz und am Fahrkomfort«. Ein Ford-Modell offeriere die Möglichkeit, sich für Wirtschaftlichkeit zu entscheiden, »ohne klein beigeben zu müssen.«148 Psychologisch geschickt spielte die Werbung hier einerseits auf einen drohenden Prestigeverlust beim Kauf eines kleineren Fahrzeugs an. Andererseits hob sie die Souveränität der Konsumenten hervor, sich auch gegen den Trend für ein Auto nach eigenem Geschmack zu entscheiden. Noch deutlicher stilisierte sich das Unternehmen in einer Folgeanzeige als Anwalt gegen die Bevormundung: »Wie Sie Benzin sparen können, sagen Ihnen die Automobil-Clubs. Wie schnell Sie fahren dürfen, sagt Ihnen die Regierung  – Taunus ’74, damit sie wenigstens nicht an Raum und Komfort sparen müssen« (Abb. 31). Komplexere Positionierungskampagnen ersetzten die schlichten Überlegenheitswerbungen. Sie präsentierten die imagemäßig vorgeprägten Fahrzeuge nun als ideale Kompromisslösungen. Laut des advertising positioning statement der Agentur Thompson war es ihre primäre Aufgabe, Belege zu liefern, dass ein Ford »heute das richtige Auto [ist] sowohl für Leute, die Aufsteigen wollen, als auch für solche, die bereits Aufgestiegen sind. Er ist ausgereift und bietet […] Raum­ komfort und Funktionalität, verbunden mit attraktivem Aussehen.«149 Wesentlich leichter als seinen Konkurrenten fiel es Volkswagen, sich an die neue Marktsituation anzupassen. Im Gegensatz zu BMW, Opel oder Ford war das VW-Markenimage nicht mit hedonistischen Attributen vorgeprägt. Stattdessen ließ sich das konservative Käfer-Image leicht auf die neuen Modelle, die VW während der Krise auf den Markt brachte, übertragen.150 DDB richtete die Produktaussagen konsequent auf den traditionellen Markenkern aus Wirtschaftlichkeit, Dauerhaftigkeit und Verlässlichkeit aus, verband sie aber ebenfalls mit Anspielungen auf emotionale Bedürfnisse.151 Idealtypisch zeigte sich diese Strategie in der Einführungskampagne für den VW Golf. Eine vierseitige Auftaktanzeige lieferte detaillierte Informationen über 148 Zitate nach HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, 1973, Presentations, Akte 1, Abt. Textgestaltung, Zahlen sie für die Wirtschaftlichkeit nicht jeden Preis, Anzeigenkonzept vom 11.12.1973. 149 Ebd., Akte 1, Advertising Positioning Statement, o. Dat. [Ende 1973]. 150 Vgl. ebd., Box 5, Ford ESO, JWT-Bericht: Competition January-June 1974, Abschnitt: Volkswagen – Conclusions and Details, o. S. 151 Vgl. ebd., Abschnitt: Overall Volkswagen, o. S.

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Abb. 31: Ford Taunus: Werbung zur Energiepreiskrise (1974) Quelle: Der Spiegel 6/1974 (© Ford-Werke GmbH).

die technisch-konstruktiven Eigenschaften des neuen Kompaktmodells. Zugleich erklärte sie den Adressaten, dass das Autofahren auch weiterhin Freude bereite, wenn sich Funktionalität und Sparsamkeit mit Fahrkultur vereinigten. Spaß am Automobil, suggerierten acht szenische Darstellungen, könne der Kunde empfinden, wenn er die Transportfähigkeit des Wagens ausnütze, seltener eine Tankstelle aufsuchen müsse, aber eben auch, wenn er sich seine Beschleunigungsleistung zunutze mache (Abb. 32). Der von VW gewählte Slogan ›Auto, Motor und Spaß‹ stand dabei sinnbildlich für den neuen Dreiklang in der gemeinsamen Vermittlung von Funktion, Technik und Emotion. Die Werbung wollte und konnte auf Fahrlust- und Freiheitsgefühle als »wesentliche Attraktion des Produktes Automobil«152 nicht verzichten. Wie geschickt die VW-Werbung diese Vorgabe umsetzte, zeigen die 1974er Annoncen für die Modelle Golf und Scirocco. Die Anzeigen spielten mit Brüchen zwischen der Bild- und Textkommunikation, um Aufmerksamkeit zu erregen. Die Reklame »Ein neues Auto macht sich breit«153 knüpfte in Headline und Bild an altbewährte Überlegenheitsbotschaften an: Frontal und leicht von unten fotografiert blickte der Golf dem Rezipienten fast schon aufdringlich 152 Schönhammer, Kulturwandel, in: Allesch / Billmann-Mahecha / Lang (Hrsg.), Aspekte, S. 182. 153 Beide vorgenannten Werbungen aus: Der Spiegel 38/1974.

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entgegen  – ein Stilmittel, das zuvor für Oberklasselimousinen reserviert war, um Größe und exklusives Design zu dokumentieren. In der Copy wurde die vordergründige Botschaft jedoch zurück auf die Information geführt, dass sich der Golf aufgrund seiner Zuverlässigkeit und Qualität wachsender Beliebtheit erfreue. Dem gleichen Muster folgte die Anzeige »In 12,5 Sekunden wissen Sie mehr über den Golf«. Mit dem Abbild eines sich rasch entfernenden Fahrzeugs weckte sie sportliche Assoziationen. Der Text bezog den Slogan jedoch auf den Zeitaufwand, um den Kofferraum durch Umklappen der Rücksitzbank zusätzlich zu vergrößern. Die gleiche Taktik nutzte DDB auch beim Scirocco. Er sei »schön, schnell und sicher. Aber er ist auch ein VW: zuverlässig, gut verarbeitet und wirtschaftlich.«154 Die Werbetaktik war leicht zu durchschauen. Die Werbung rationalisierte die zuvor offen artikulierten Erlebnisbotschaften, indem sie ihnen stets relativierende Vernunftargumente zur Seite stellte. Damit griffen sie die in den Verbraucherschutz-, Verkehrssicherheits- und Umweltdebatten virulente Semantik aktiv auf. Zu einem echten Wandel der Inhalte kam es jedoch nicht, folgerte die Soziologin Kristina Vaillant. Die Lust am Autofahren wurde unter dem Deckmantel der Vernunft lediglich neu inszeniert.155 Umso mehr sich die Branche von dem Energiepreisschock erholte und sich das Kaufverhalten der Kunden normalisierte, desto mutiger wurde sie, wieder auf Emotionalität zu setzen. »Die Strategie des Gegenüberstellens der Ratio […] mit Verkaufsargumenten wie Luxus und Geschwindigkeit« erfüllte schließlich nur noch die Funktion einer »beruhigende[n] und bestätigende[n] Wirkung auf die Befriedigung von irrationalen Wünschen.«156 In dieser Rolle wurde das Vernunft-Argument zu einem sinnentleerten Allgemeinplatz, »Unvereinbares in schönster Eintracht«157 zu gruppieren. Die alten Superlative kehrten zurück: Die Ford-Mittelklassewagen stilisierte Thompson zu »Deutschlands wirtschaftlich­ sten Luxuswagen«, angetrieben mit »Vernunftpower.«158 Beim Capri forderte man die Kunden zu einem neuen Wettkampf auf: »Machen Sie sich einen Sport daraus, vernünftig zu sein.«159 Schon ab Mitte 1974 präsentierte VW den Scirocco einfach mit dem Oxymoron »Aufregend vernünftig«160. Selbst der Opel Diplomat mit seinem auf 230 PS hoch gezüchteten V8-Motor und einem Verbrauch von über 20 Litern Superbenzin bot, laut Werbung, das »beste Beispiel für preiswerten und vernünftigen Luxus.«161

154 Zitate aus: auto motor und sport 11/1974; ausführlich Böhler, Scirocco, S. 48 f. 155 Vgl. Vaillant, ›Ervolkswagen‹, S. 14 f. 156 Ebd. 157 Schönhammer, Kulturwandel, in: Allesch / Billmann-Mahecha / Lang (Hrsg.), Aspekte, S. 188. 158 Der Spiegel 12/1974 u. 4/1980. 159 HCD, JWT, Frankfurt Office Ads, Box 56, 1974, Ford CiMColloM. 160 auto motor und sport 11/1974; auto motor und sport 12/1974. 161 Der Spiegel 39/1974.

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Abb. 32: VW Golf Einführungskampagne: Auto, Motor und Spaß (1974) Quelle: Der Spiegel 28/74 (© Volkswagen AG).

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Gerade in höheren Größen- und Leistungsklassen bedurfte es großer Anstrengungen, um die objektiven Eigenschaften so umzucodieren, dass sie für die Argumentationslinie der Vernunft anschlussfähig waren. Sportwagen wurden von der Werbung bereits als ›vernünftig‹ deklariert, wenn sie relativ zur Motorenleistung auch nur vergleichsweise akzeptable Verbrauchswerte aufwiesen. Ein stärkerer Motor ließ sich auch zum Sicherheitsfaktor stilisieren, da man vermeintlich mit höherer Beschleunigung kritischen Verkehrssituationen ausweichen konnte.162 Selbst der Komfort von Oberklassefahrzeugen ließ sich so neu legitimieren. Er schützte den Fahrer scheinbar vor Bedienungsfehlern, sorgte für eine größere Laufruhe und Bequemlichkeit. »Komfort [ist] nicht nur ein Beitrag zum Wohlbefinden, sondern ein Sicherheitsfaktor«, brachte eine Audi-Werbung 1974 zum Ausdruck, denn »die innere Ruhe der großen Limousine überträgt sich auf den Fahrer.«163 Verweise auf Siege in Motorsport-Wettbewerben setzte die Automobilindustrie jedoch nicht mehr ein.164 Stattdessen fanden sich in den Anzeigen immer häufiger Auszüge aus dem TÜV-Mängelreport oder aus PkwTestberichten. Die Expertenurteile sollten den Werbeaussagen einen möglichst objektiven Charakter verleihen und die Echtheit der Produktbotschaften bescheinigen.165 Wenn auch die Vernunftmotive unterminiert wurden, gänzlich von ihnen lösen konnte sich die Automobilindustrie nicht mehr. 1.3.3

Identität und Lifestyle: Neue Wege der Zielgruppenansprache

Insbesondere nach der Energiepreiskrise setzte die Werbung statt auf Motive der sozialen Positionierung wesentlich stärker auf Selbstverwirklichungswerte. Annoncen, die mit Headlines wie »BMW 518: Sprung-Chance«166 offen auf den repräsentativen Charakter des Automobils anspielten, wurden durch LifestyleKonnotationen ersetzt. Die Werbeaussagen selbst bewegten sich auf der Maslowschen Bedürfnispyramide nach oben, um den von der Marktforschung ermittelten Hang zum Individualismus aufzugreifen. Bei BMW sollten die Konsumenten den Kauf eines Produktes aus der Markenfamilie nicht mehr als Frage des Status, sondern des persönlichen Lebensstils wahrnehmen. Ganz direkt spielten die Kampagnen

162 Vgl. etwa die Opel Monza-Werbung »Sicherheit in jeder Situation«, in: Der Spiegel 22/1978; ähnlich auch die Audi-Werbung »Im Audi. Es gibt ein Konzept gegen Überraschungen«, in: Der Spiegel 47/1977. 163 U. a. Der Spiegel 6/1974 sowie 5/1977. 164 Vgl. Astrid Klooth, ›Auto‹-Stereotypen? Deutsche, britische und französische Fahrzeugwerbung im Vergleich, Diss., Duisburg-Essen 2005, S. 161. 165 Vgl. die Anzeigen: »Deutschlands Autotester sagen die Wahrheit über den Commodore«, in: Der Spiegel 27/1973 u. »Der Audi 80. Wieder Sieger im TÜV-Report«, in: Der Spiegel 42/1977. 166 auto motor und sport 15/1974.

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Abb. 33: BMW 02er-Serie: Identity Car(d) (1974)

Abb. 34: Opel Commodore: Wer mit Stil lebt (1974)

Quelle: BMW Classic Archiv (links, © BMW Group Archiv)

Quelle: Der Spiegel 18/1974 (rechts, © Opel Automobile GmbH).

mit Schlagzeilen wie »Identity Car(d)« (Abb. 33) oder »Ausdruck der Persönlichkeit«167 auf die Identitätsbildung der Kunden an. Fahrzeug und Fahrer, lautete die Botschaft, vereinen »unveränderliche Kennzeichen.«168 Zur BMW-Markenfamilie zu gehören, sollte nicht mehr eine Frage des Geldes, sondern des individuellen Stilgefühls sein.169 Ähnlich fokussierte auch Opel seine Zielgruppenansprache und segmentierte den Markt nach Lebensstiltypen: »Individualisten haben ihre eigenen Vorstellungen«170 und »Wer mit Stil lebt, wird auch so fahren« (Abb. 34) überschrieb die Agentur McCann Erickson 1974 die Werbungen für das Mittelklassemodell Commodore. Zum Ende der 1970er Jahre propagierte die Opel-Werbung sogar, dass die innovativen Modellserien Monza und Senator vorgeblich selbst »einen neuen Lebensstil und eine grundlegend neue Interpretation von Mobilität« begründeten. Erst der Kauf, so die Idee, erhob den Kunden in einen exklusiven 167 auto motor und sport 4/1974 u. 31/1977. 168 Der Spiegel 11/1977. 169 Vgl. »Wo sich die Geister scheiden« u. »Das Kontrast-Programm«, in: auto motor und sport 12/1974 u. 16/1977. 170 Der Spiegel 22/1974.

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Kreis von Gleichgesinnten, »denen der Nutzwert eines Automobils ebenso viel bedeutet wie das Erlebnis des Fahrens.«171 Als ein Spezifikum der Automobilwerbung ist zu bezeichnen, dass sie gegen den allgemeinen Trend im Konsumgütermarketing nur selten die Möglichkeit von bildlichen Personen- und Zielgruppendarstellungen nutzte.172 In keinem Fall setzte die Printwerbung in den 1970er Jahren auf prominente Vorbilder, Meinungsträger oder Unikate, um die Markenidentifikation zu verstärken. Lediglich die Firmen Daimler-Benz und Opel ließen typische Vertreter angesehener Berufsgruppen, wie z. B. Ärzten, Architekten oder Firmenleitern, als Fürsprecher und Bürgen für die besonderen Leistungen ihrer Spitzenmodelle auftreten. Gleichwohl begrenzte sich der Einsatz von sog. Testimonials auch auf einmalige Anzeigenserien.173 Nur jede fünfte der 1974 insgesamt 99 im Wochenmagazin Der Spiegel veröffentlichten Werbungen deutscher Hersteller zeigte überhaupt Personen. 1980 lag der Anteil mit nur noch 16 Prozent sogar noch niedriger.174 Bis auf die meist nur schemenhaft erkennbaren männlichen Insassen bildeten BMW- und Audi-Werbungen keine Menschen ab. Ähnliches galt für Anzeigen der VW-Modelle K70, Passat und Scirocco. Lediglich bei Kleinwagen und Kompaktmodellen setzten Opel und VW Personen ein, um das Fahrzeug in Alltagsund Freizeitsituationen zu zeigen. Oft standen sie in den aufwendigen Settings aber nur als Staffage unerkannt im Bildhintergrund. Diese Scheu, mit direkten Zielgruppenbezügen zu agieren, überrascht zunächst, ist aber marketingstrategisch leicht zu erklären: Gerade bei Kompaktund Mittelklasselimousinen, die ein hohes Absatzvolumen in möglichst breiten Käuferschichten erreichen sollten, konnte eine Darstellung von Personen mit vordefinierten Alters- und Sozialeigenschaften dazu führen, dass sich der Interessentenkreis einengte. Im positiven Fall identifizierte sich der Rezipient mit der gezeigten Zielgruppe. Tat er es nicht, beschäftigte er sich nicht weiter mit dem beworbenen Objekt. Die Werbung lief ins Leere.175 Diese Problematik sorgte dafür, dass die Pkw-Werbungen  – übrigens bis heute – einen stark produktorientierten Charakter behielten. Die Ausrichtung des Angebots auf die Zielgruppen überließen die Werbegestalter primär den sym171 Der Spiegel 22/1978 sowie auch bereits Vaillant, ›Ervolkswagen‹, S. 16. 172 Vgl. Roth, Wertewandel, S. 121. 173 Vgl. Anzeigen zum Opel Diplomat: »In meinem Beruf lernt man Geld zu sparen, ohne Qualität zu opfern« u. »Die Erfahrung hat mich gelehrt, das selbst Luxus preiswert sein kann«, in: Der Spiegel 39/1974 u. 44/1974; zu Daimler-Benz siehe: »Ich verbringe mehr Zeit im Auto als im Urlaub – für mich ein Grund, Mercedes zu fahren« und »Wer fährt, braucht ein Auto. Wer viel fährt, braucht ein bißchen mehr«, in: auto motor und sport 21/1974 u. 25/1974. 174 Eigene Erhebungen. 175 Vgl. Diez, Handbuch, S. 276 f. Diese Schwierigkeit führte etwa beim Golf dazu, dass die Einführungskampagnen sowohl Einzelpersonen, Familien als auch Gruppen von jüngeren und älteren Paaren zeigten. Ziel war es, ein klassenloses Image zu entwickeln. Siehe Abb. 32.

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Abb. 35: Opel Rekord: Familien- und Freizeitgefährt (1974) Quelle: Der Spiegel 14/1974 (© Opel Automobile GmbH).

bolischen und ästhetischen Eigenschaften der Produkte – immer kombiniert mit der Offerte an die Kunden, die Fahrzeuge nach Motor, Farbe und Ausstattung individuell zuschneiden zu können. Das differenzierte Produkt blieb vor diesem Hintergrund wichtigstes Instrument, um die Zielgruppen anzusprechen. Auch ein zweiter Grund spielte eine Rolle: In Reaktion darauf, dass die direkte soziale Statusfunktion des Autos erodierte, versuchten es die Werber in enger Abstimmung mit der Marktforschung in eine neue, reservierte Funktion als Zuträger von Urlaubs- und Freizeiterlebnissen zu manövrieren. Das zum Alltagsgut avancierte Produkt galt nicht mehr als Selbstzweck der Erlebniswelt, sondern eher als Mittel zum Zweck, der dem Konsumenten half, sich sein Umfeld individuell zu erschließen. In den wenigen Fällen, wo Personen dargestellt wurden, dominierten daher die Sujets der Arbeitserleichterung und der Flucht aus dem

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Abb. 36: Ford Capri: Die besten Seiten der Vernunft (1974) Quelle: HCD, JWT, Frankfurt Office Ads, Box 56, 1974, Ford CiMColliM (© Ford-Werke GmbH).

Alltag – mit dem Auto als praktisches Hilfsmittel. Die Firma Ford deklarierte kurzerhand ihr komplettes Mittelklassesortiment zu einem ›Freizeit-Auto-Angebot‹. In der entsprechenden Direktmail-Kampagne hob man ganz auf die neue Freizeitorientierung ihrer Kunden ab: »Ist es nicht so: Wir stellen heute größere Ansprüche an unsere Freizeit: Wir tun mehr Dinge als vor Jahren und vor allem ganz andere.« Die Ford-Entwickler wollten verstanden haben, dass es bei einem modernen Auto primär darum ginge, »die Freizeit freizügiger zu machen.«176

176 HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, 1973, Akte 1, Abt. Textgestaltung, Direktmail-Kampagne »Freizeit«, Konzept vom 12.7.1973.

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Nicht nur die Kombi-Modelle inszenierten die Massenhersteller als »vielseitige Freizeitpartner«177. Selbst Sport- oder Kleinwagen wurden unter dem Hinweis auf ihre Ladekapazitäten zu freizeittauglichen Vehikeln erklärt.178 Zum stärksten Narrativ entwickelte sich allerdings das Reisen. Damit griffen die Werber nicht nur die Freiheitssymbolik aus den 1950er und 1960er Jahren wieder auf, sondern stilisierten das Automobil zum Gebrauchsgut für die besonderen Ereignisse im Leben. Opel bot dem Kunden ab 1974 eine »Reise­ limousine[n] der Spitzenklasse« als »Die beste Wahl für Urlaub und Alltag.«179 Aus marketingstrategischer Perspektive erfüllte der Rückgriff auf das Reisesujet eine Doppelfunktion: Er erlaubte der Werbung auf einem gesellschaftlich akzeptierten Feld wieder auf die Inszenierung von Traumwelten zurückzugreifen, um die Produkte emotional aufzuladen. Daneben lieferten man so nachvollziehbare Argumente für die Kunden, um die Existenzberechtigung größerer Fahrzeuge zu akzeptieren. In diesem Sinne kam dem Motiv eine zentrale Bedeutung zu, um das ins Wanken geratene Leitbild der Rennreiselimousine wieder zu stabilisieren. 1.3.4

Technik und Fortschritt: Garanten der Vernunft

Der wohl wichtigste Schritt, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, beinhaltete aber Technik und Fortschritt zu betonen. Wenn die Werbung in den 1960er Jahren auf technische Pkw-Eigenschaften hingewiesen hatte, dann lediglich im Kontext der Leistungsüberlegenheit. Die Vorstellung von einem fortschrittlichen Automobil verband sich stark mit einem besonders schnellen Fahrzeug mit starkem Motor.180 Mit jeder Markteinführung propagierte die Werbung, dass es gelungen sei, den technischen Vorsprung bei der PS -Leistung, Karosseriegestaltung oder puren Fahrzeuggröße vergrößert zu haben. Nun wandelten sich die Bezüge, in denen Technik präsentiert wurde. Die Bilder von Modernität und Fortschrittlichkeit lösten sich aus ihrer produktbezogenen Selbstreferenzialität. Durch die Einbindung der F&E in das Instrumentarium des Marketings ging es nicht mehr allein darum, die Grenzen des technisch Machbaren im Sinne eines ›größer-schneller-weiter‹ auszuschöpfen. Das angebotsseitige Paradigma des technology push wurde durch eine Vorstellung ersetzt, die die market pull-Effekte in den Vordergrund rückte.181 Gerade diese neue Sicht auf technische Innovationen dokumentierte die Kundenorientierung. 177 Vaillant, ›Ervolkswagen‹, S. 17. Sowie die Ford Kampagne »Vernunft Exklusiv« von 1980, vgl. HCD, JWT, Frankfurt Office Ads, Box 58, 1980, Ford CiM Folder 2. 178 Siehe u. a. »Polo. Überzeugend durch Technik und Größe«, in: Der Spiegel 20/1977 und »Familienfreundlich. Manta«, in: Der Spiegel 25/1977. 179 Der Spiegel 14/1974 u. 47/1976. 180 Vgl. Vaillant, ›Ervolkswagen‹, S. 8. 181 Vgl. zur Innovationstheorie und der Unterscheidung von technology-push und marketpull-Effekten vor allem Everett M.  Rogers, New Product Adoption and Diffusion in:

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Beinhaltete 1969 nur jede zehnte Werbung direkte Verweise auf die Themen Technik und Entwicklung, arbeitete 1975 jede vierte Reklame mit diesen Motiven.182 Ein neuer Ford vermittelte der Werbung zufolge ein »Gefühl von Geborgenheit, das nur aus hochentwickelter Technik kommt.«183 Opel bot 1977 »wirklich neuartige Automobile […] als Resultat technologischer Erfahrung und Innovation«184 an. BMW schuf mit der 3er-Serie »Platz für eine neue Idee« in der Mittelklasse und setzte seine Fahrzeuge symbolisch an den »Beginn einer neuen automobilen Entwicklung.«185 Die Botschaft, die sich hinter diesen Aussagen verbarg, war eindeutig: Die Industrie argumentierte, dass sie durch Forschungsanstrengungen in der Lage war, Antworten auf alle Probleme der Autonutzung zu finden. Mit Hilfe der Technik war es scheinbar möglich, die Fahrzeuge so ausgewogen zu konfigurieren, dass sie die politischen Vorgaben und die Verbraucherwünsche gleichermaßen erfüllen konnten. Dabei kam der Technik eine Brückenfunktion in der Kundenansprache zu. Der Verweis auf technische Innovationen gab der Vernunft objektive Substanz. Er diente zugleich als Aufruf an die Konsumenten, nun in allen Wagenklassen ihre Vorlieben ohne schlechtes Gewissen ausleben zu können. Die Strategie, mit Hilfe des Arguments der Technik das Leitbild der Rennreiselimousine neu zu fundieren, spiegelte sich idealtypisch in den Werbungen des Spezialisten Daimler-Benz und des Massenherstellers VW. Unter dem Slogan »Zukunftsweisende Technik  – zeitgemäße Wirtschaftlichkeit«186 wurde die Markteinführung der neuen S-Klasse von Mercedes 1980 zu einem Plädoyer für eine neue Harmonie. Angesichts der berechtigten Kritik habe man in den letzten Jahren fieberhaft an einer »Technologie der Entlastung« gearbeitet, die den Menschen in den Mittelpunkt der Forschung stelle. Dieser Weg erlaube nun eine »gleichzeitige Steigerung von individuellem und allgemeinem Nutzen, ohne bisher Erreichtes aufzugeben. […] Größtmögliche Sicherheit, entlastender Komfort und hohe Leistungsreserven vereinen sich […] in unübertroffener Ausgewogen­ heit. Die Reiselimousinen […] weisen einen neuen Weg im Automobilbau: Sie überwinden die bisherige Unvereinbarkeit von weniger Energieverbrauch und gesteigertem Fahrzeugnutzen.«187 Punktgenau beschrieb die Werbung das Leitbild des multifunktionalen Pkw. Nahezu identisch präsentierten sich 1978 die VW-Automobile ausdrücklich als »Beispiel dafür, wie man mit intelligenter Technik wirtschaftliche Autos bauen kann, die mehr Spaß am Autofahren […] bieten.«188 Der Polo war »Technisch Journal of Consumer Research 4, 1976, S. 290–301; ders., Diffusion of Innovations, New York 1995, S. 5. 182 Vgl. Roth, Wertewandel, S. 286. 183 auto motor und sport 19/1977 u. Der Spiegel 43/1977. 184 Der Spiegel 21–22/1978. 185 auto motor und sport 20/1977. 186 Der Spiegel 12/1980. 187 Ebd. 188 Der Spiegel 16/1978, hier zit. nach Vaillant, ›Ervolkswagen‹, S. 12.

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einfach nicht zu schlagen« und »überzeugend durch Größe und Technik.«189 Der Passat hingegen bot 1980 »Mehr Platz, mehr Komfort, mehr Eleganz, mehr Technik, aber nicht mehr Benzin.«190 Die Werbung versuchte somit immer die Eigenschaften hervorzuheben, die sich von Seiten des Betrachters nicht unmittelbar mit der Größenklassenzugehörigkeit des angebotenen Produktes verbanden. Bei größeren Pkw ging es darum, die Skepsis gegenüber einem hohen Benzinverbrauch zu entkräften. Bei Kleinwagen versprach man trotz sparsamen Motoren eine Vollausstattung, die Fahrerlebnis garantierte. Im Ergebnis entwickelte sich ein eigentümliches Kommunikationsmuster, das mit strategischen Kontrapunkten die Ausgewogenheit der Fahrzeuge proklamierte. In allen Klassen war die wirtschaftliche Rennreiselimousine nun scheinbar Realität. Als charakteristisch ist hervorzuheben, dass das Technik-Marketing ab Mitte der 1970er Jahre nicht nur die Produktkommunikation dominierte, sondern in breiter Front auch für Firmenimage-Kampagnen genutzt wurden. Für viele Unternehmen bot es überhaupt den Einstieg in neue Formen einer institutionellen Imagewerbung, die sich ganz darauf konzentrierte, die übergeordnete Markenakzeptanz zu verbessern. Einblicke in die Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu geben, eignete sich hervorragend für die Firmen, um sich in der Öffentlichkeit als verantwortungsvolle und kompetente Ansprechpartner für alle Zukunftsfragen der Automobilität zu zeigen. Bevorzugt nahmen solche reinen Imagewerbungen Bezug auf Themen der aktiven und passiven Verkehrssicherheit.191 Um nur ein Beispiel aus vielen herauszugreifen: Besonders kreativ zeigte sich VW, die im speziellen DDB -Stilmix aus Ernsthaftigkeit und Humor Testpuppen der Fahrsicherheitsforschung als Werbemotiv einsetzte. »Zu ihrer Sicherheit fahren wir mit einigen Leuten Schlitten« oder »Diese Familie arbeitet sich für Sie kaputt« lauteten exemplarische Schlagzeilen, in der sich Crash-Test-Dummys auf einem ›Familienfoto‹ versammelten.192 Diese Kampagnen richteten sich ausdrücklich nicht nur an die Pkw-Besitzer, sondern an alle Verkehrsteilnehmer. Auch sie, so die Botschaft, würden durch die Forschungsanstrengungen von VW vor Unfallfolgen geschützt. Besonders intensiv nutzte auch Daimler-Benz Innovationen in der Sicherheitstechnik als Werbeinstrument.193 Gerade als die Benzinpreissteigerungen 1979 den Absatz von Oberklassefahrzeugen wieder zu bedrohen schienen, konterte der Stuttgarter Konzern mit einer ausgeklügelten Imagekampagne, die seine Vorreiterrolle bei der Entwicklung des Airbags und des Anti-Blockier-Systems (ABS) in 189 Der Spiegel 13/1977 u. 20/1977. 190 Der Spiegel 25/1980. 191 Imagewerbungen zur aktiven und passiven Sicherheit lassen sich bei allen Herstellern erstmals ab Mitte der 1970er Jahre nachweisen. Vgl. »Sicherheit bei BMW: Innere Medizin«, in: auto motor und sport 11/1977 und »Ford hat nicht nur die eigenen Autos sicherer gemacht. Die Konsequenz der Vernunft«, in: Der Spiegel 27/1977. 192 Werbezitate aus: Der Spiegel 5/77 193 Vgl. Ulrich Clef, Die Ausgezeichneten. Unternehmenskarrieren mit Marketing, München 1998, S. 181.

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Abb. 37: Ford und Daimler: Modernität und Sicherheitstechnik (1980) Quelle: Der Spiegel 7/1980 (oben, (© Ford-Werke GmbH) u. 36/1980 (unten, © Daimler AG).

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den Mittelpunkt stellte (Abb. 37b). Die Automobilforschung, so der Tenor, müsse stets die Maschine in den Dienst der Sicherheit des Menschen stellen. Damit griff die Kampagne gezielt das bereits in der Produktwerbung lancierte Narrativ einer ›Technologie der Entlastung‹ auf. Wie VW positionierte sich das Unternehmen als Hüter der Interessen seiner Kunden und des kollektiven Anspruchs an einen insgesamt sicheren Straßenverkehr. »Ihr guter Stern auf allen Straßen«194 lautete der passende Markenslogan, mit dem sich Daimler symbolhaft als wertvolles und pflichtbewusstes Mitglied der Gesellschaft auswies. Die Reihe von Technikbezügen in institutionellen Werbungen liesse sich fast beliebig fortführen. Die Unternehmen berichteten nun ausführlich über ihre Anstrengungen bei der Qualitätssicherung oder bei der Motor- und Karosserieentwicklung. Sie präsentierten das Automobil als zukunftsfähiges Konzept individueller Mobilität. Zugleich frischten sie ihr Firmenimage mit visionären Ideen ihrer F&E-Abteilungen auf. Die von Opel in einer Imageanzeige ausgegebene Parole »Priorität und voller Einsatz für Forschung und moderne Technologie«195 galt für die gesamte Branche. Die Kölner Ford-Werke – aufgrund der Rückständigkeit ihres Sortiments heftig kritisiert – betrachteten nun die »Vernunft als Studienfach« (Abb. 37a). Sie veröffentlichten scheinbar geheime Konzeptstudien ihrer Ingenieure, um sich zukunftsorientiert zu präsentieren. Die VW-Entwickler jagten selbst Kurbelwellen »dreimal um die Welt« und setzten ihre Fahrzeuge härtesten Straßen- und Witterungsbedingungen aus, um im Kundeninteresse für beste Verarbeitungsqualität zu sorgen.196 Bei BMW war selbst der Kundendienst nun »ausschließlich ein Werkzeug des Fortschritts.«197 Auf die Paradoxie dieser Imagestrategie verwies Wolfgang Sachs bereits zu Beginn der 1980er Jahre. Indem sich die Hersteller in der Werbung als Krisenlöser darstellten, präsentierten sie sich gewissermaßen »als die besten Retter vor sich selbst.«198 Hinter dieser Vorgehensweise stand jedoch ein dezidiertes Marketingkonzept. Die Unternehmen suchten die Effizienz ihrer Kommunikate zu erhöhen, indem sie die Produktpräsentationen mit institutionellen Werbungen kombinierten. Ziel der gesamten Außenkommunikation war es, eine in sich geschlossene Firmen- und Markenidentität zu entwickeln, um sich am Markt zu positionieren. Dabei flossen Marktkommunikation, Verkaufswerbung und Public Relations zunehmend ineinander über.

194 Anzeige »Die Erfindung, die 10 Prozent aller Unfälle verhindern kann«, in: Der Spiegel 45/1980. 195 auto motor und sport 20/1977. 196 Zitate nach »Unsere Kurbelwellen jagen wir in einer Stunde dreimal um die Welt«, in: Der Spiegel 15/1977; »Wolfsburg hat die schlechtesten Straßen der Welt«, in: Der Spiegel 47/1977. 197 Der Spiegel 23/1980. 198 Sachs, Liebe zum Automobil, S. 244.

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2. Öffentlichkeitskommunikation: Die Sanierung des Firmenimages Mit der Idee der Public Relations gewann in Deutschland seit den 1950er Jahren ein zweites Feld der unternehmerischen Außenkommunikation an Bedeutung – zunächst allerdings mehr in der Theorie als in der Praxis. In der US -Managementlehre verfügte der Ansatz bereits über eine fast fünfzigjährige Tradition, als ihn Carl Hundhausen erstmals 1951 für den deutschen Sprachraum adaptierte und erörterte.199 Die Funktion der Werbung, so der Leiter der Presse- und Werbeabteilung der Firma Krupp, erschöpfe sich nicht darin, potentielle Kunden über die Erzeugnisse eines Unternehmens zu informieren. Es gelte in der Öffentlichkeit ganz grundsätzlich für das Unternehmen zu werben, um sein Ansehen zu verbessern und seine Anschauungen zu wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Fragestellungen der Zeit darzulegen. Hundhausen übersetzte den englischen Begriff Public Relations im Deutschen als ›Werbung um öffentliches Vertrauen‹ oder kurz als ›Vertrauenswerbung‹.200 Inhaltlich übernahm die deutsche Werbe- und Absatzlehre diese Begriffsbestimmung. Gleichwohl umschrieben nachfolgende Autoren den Originalbegriff mit zahlreichen Synonymen wie ›Meinungspflege‹, ›Gewinnung der öffentlichen Meinung‹ oder, wie heute noch gängig, ›Öffentlichkeitsarbeit‹.201 Mit Public Relations verband sich ein spezielles Verständnis über die Rolle und Position des Unternehmens in der Gesellschaft. Auf der Basis der demokratischpluralistischen Tradition der USA galt Public Relations als Instrument einer ideologiefreien, möglichst glaubwürdigen Informationsvermittlung und Gestaltung der unternehmerischen Beziehungen mit seiner Umwelt. Die Vertrauenswerbung im Sinne Hundhausens distanzierte sich deutlich von der Propaganda des Nationalsozialismus und auch von der massenpsychologischen Beeinflussungslehre 199 Vgl. Carl Hundhausen, Werbung um öffentliches Vertrauen: Public relations, Essen 1951. 200 Vgl. ders., Wirtschaftswerbung. Wesen und Formen der Werbung, Essen 1954, S. 142; Bruno Heini, Public Relations. Die Vertrauenswerbung der Privatunternehmung – mit besonderer Berücksichtigung amerikanischer Auffassungen und Methoden, Winterthur 1960, S. 35 f. 201 Dies galt trotz der Adaption des bereits von Domizlaff geprägten Begriffs der »Gewinnung öffentlichen Vertrauens«, von der sich Hundhausen distanzierte. Vgl. Günter Bentele / Tobias Liebert, PR-Geschichte in Deutschland. Allgemeine Entwicklung, Entwicklung der Wirtschafts-PR und Berührungspunkte zum Journalismus, in: Klaus Arnold / Christoph Neuberger (Hrsg.), Alte Medien  – neue Medien. Theorieperspektiven, Medienprofile, Einsatzfelder, Wiesbaden 2005, S. 228 sowie Michael Kunczik, Public Relations. Konzepte und Theorien, 5. Aufl., Köln u. a. 2002, S. 260 f.; allgemein: Carl Hundhausen, Public Relations. in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 8, Stuttgart 1964, S. 655; Elisabeth Binder, Die Entstehung unternehmerischer Public Relations in der Bundesrepublik Deutschland, Münster 1983, S. 8 f.

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Domizlaffs.202 »Die Unternehmung ist ein ›Bürger‹«203, formulierte er in Rückgriff auf die amerikanische Vorstellung einer corporate citizenship. Mit dieser Analogie verknüpfte sich einerseits der aus der patriarchalischen Wohlfahrtspflege bekannte Anspruch an Unternehmen, sich über die Geschäftstätigkeit hinaus als verantwortungsvoller Teil der Gesellschaft für deren Belange einzusetzen. Andererseits schwang hierin gerade ab Beginn der 1960er Jahre ein Bild des Unternehmens als soziale Institution mit. »›Die Öffentlichkeit‹ des Unternehmens […] ist fast ähnlich gegliedert wie die Umwelt eines Individuums«, formulierte Friedrich Korte, der 1962 in der Bad Harzburger Akademie für Führungskräfte erste PR-Kurse anbot. »Auch hier gibt es so etwas wie eine Familie  – die Betriebsgemeinschaft, eine Sippe – den Wirtschaftszweig. Es gibt Nachbarn – eine Gemeinde, es gibt ›Arbeitgeber‹ – Kunden. Man kann von einer Obrigkeit – den Ministerien, Parlamenten und Behörden sprechen. Es gibt die Lieferanten und nicht zuletzt die Geldgeber.«204 Noch stärker als der Marketingansatz implizierte Public Relations eine Orientierung des Unternehmens am Umfeld externer Anspruchsgruppen. Während sich das Marketing lediglich auf die Akteure des Absatzmarktes beziehe, so Korte, schließe die Public Relations alle sozialen und politischen Dimensionen der Interaktion ein. Nur wenn es durch stetige Meinungspflege gelinge, das Verständnis der Öffentlichkeit für das unternehmerische Verhalten zu gewinnen, könne sich ein Erfolg in den Verkaufsbemühungen einstellen.205 Zumindest in der Theorie entwickelte sich somit eine recht klare Aufgabenverteilung zwischen der Werbung, verstanden als Marktkommunikation, und der Public Relations als Öffentlichkeitskommunikation. Diese gewann durch die Adaption des Image-Ansatzes seit den 1960er Jahren an Präzision.206 Die Marktkommunikation hatte sich mit den auf den Käufer und das Kaufobjekt bezogenen Aktivitäten zu beschäftigen. Die Public Relations richtete sich dagegen an alle weiteren Interessengruppen. Ihre Aufgabe lautete, den »good will«207 im doppelten Wortsinn zu erhöhen: Es galt, die öffentlichen Beziehungen zu pflegen, um Ansehen, Akzeptanz und Vertrauen zu steigern, und sich zugleich in unternehmensrelevanten Anliegen des Wohlwollens von publizistischen, wirtschaft­ lichen, politischen und gesellschaftlichen Meinungs- und Entscheidungsträgern

202 Vgl. Hundhausen, Wirtschaftswerbung, S. 143. 203 ders., Werbung, S. 35. Siehe bereits Kleinschmidt, Blick, S. 206. 204 Friedrich H. Korte, Gute Public Relations fördern das Marketing, in: Der Volkswirt 16, 1962, Sonderbeilage Marketing: Moderne Werbe- und Verkaufsstrategie zu Nr. 41, S. 55. 205 Vgl. ebd., S. 56. 206 Vgl. Georg-Volkmar Zedtwitz-Arnim, Tu Gutes und rede darüber. Public Relations für die Wirtschaft, 3. Aufl., Köln 1978 (1. Aufl. 1961), S. 41; Hanns Ferdinand Josef Kropff, Angewandte Psychologie in Werbung und Vertrieb. Der gegenwärtige Entwicklungsstand der Werbepsychologie unter Einbeziehung soziopsychologischer Erfahrungen, Stuttgart 1960, S. 100 f. 207 Korte, Public Relations, S. 56.

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zu versichern. Mit einer wachsenden Bekanntheit des Unternehmens sollte zudem der Markenwert im Sinne eines ökonomischen Goodwills steigen.208 Die PR-Theorie legte bereits zu Beginn der 1960er Jahre die Grundlage für die »Sozialisierung des Unternehmens als auch seiner Außendarstellung«209, schlussfolgert thesenartig Dirk Reinhardt. Sicherlich: Die Architekten der in Deutschland noch jungen Profession gaben den Unternehmen hehre Grundsätze auf den Weg. Folgt man etwa dem Lehrbuch von Bruno Heini aus dem Jahr 1960, verlangte die unternehmerische Bekenntnis zur Gesellschaft, dass man sich zu einem Dialog mit allen Anspruchsgruppen öffne: »Vertrauen kann erst dann entstehen, wenn die Beziehung hergestellt ist und die Öffentlichkeit durch Taten und entsprechende Informationen von Bedeutung, Rechtschaffenheit, Vertrauenswürdigkeit und vor allem der Gleichheit der Interessen beider überzeugt ist.«210 Public Relations galt in dieser Lesart per se nicht als einseitige Beeinflussung. Sie sollte immer auch die Gegenrichtung, d. h. die Rückwirkung der Gesellschaftsinteressen auf das Unternehmen ernst nehmen. In der Kommunikationspraxis der Produzenten zeigten sich zwar bereits in den 1960er Jahren erste Ansätze von moderner PR . Von einer dialogischen Perspektive oder einer Sozialisierung ihrer Selbstwahrnehmung waren die Unternehmen aber noch ein gutes Stück entfernt.

2.1 Champagnerjournalismus: Öffentlichkeitsarbeit in den 1960er Jahren Die deutschen Automobilmanager sammelten vielfach durch Auslandsreisen Kenntnis über die offensiven Informationspraktiken ihrer US -Wettbewerber. Für die Auslandsmärkte schien es unabdingbar, solche Techniken zu adaptieren, um den nach dem Zweiten Weltkrieg belasteten Ruf deutscher Firmen zu verbessern.211 Auch für den deutschen Markt wurde der Öffentlichkeitsarbeit frühzeitig eine wachsende Bedeutung prophezeit. Diese Überzeugung kam u. a. in der Gründung der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) 1958 zum Ausdruck. In ihr organisierten sich zahlreiche Leiter von Presse- und Öffentlichkeitsabteilungen führender deutscher Industriekonzerne, darunter Heinz Schmidt von Daimler-Benz. Ihr Ziel war es, ein Forum des Austauschs über die Anwendungsmöglichkeiten des neuen Managementinstrumentariums zu bieten, professionelle Standards zu erarbeiten und die progressive PR-Idee mittels Lehrgängen populärer zu machen.212

208 209 210 211 212

Vgl. Heini, Public Relations, S. 36 u. 60; vgl. Bruhn, Streit, S. 76 f. Reinhardt, Ansätze, S. 53. Heini, Public Relations, S. 37. Vgl. Kleinschmidt, Blick, S. 219. Vgl. Kunczik, Public Relations, S. 149 f.; Binder, Entstehung, S. 236–239.

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Bei der praktischen Umsetzung traf der Public Relations-Ansatz jedoch auf eigene deutsche Traditionen der Kommunikationspolitik. Sie wirkten teilweise retardierend auf den Implementationsprozess bzw. setzten andere Schwerpunkte der Öffentlichkeitsarbeit. Hierzu zählte zum einen die dem Leitbild vom ›Ehrbaren Kaufmann‹ entspringende Vorstellung, sich als Unternehmer zwar verantwortlich gegenüber der politischen und sozialen Umwelt zu verhalten, sich aber nicht öffentlichkeitswirksam zu exponieren.213 Hundhausen sprach in den 1950er Jahren von einer ausgeprägten Öffentlichkeitsscheu deutscher Unternehmen. Neuere Arbeiten von Wischermann ordnen dieses Phänomen vorsichtiger einer defensiven Konfliktvermeidungsstrategie zu.214 Zum anderen waren Kommunikationspraktiken des politischen Lobbyismus fest verwurzelt. Die Zurückhaltung im Außenauftritt und ein aktives politisches Werben für die Interessen der Industrie schlossen sich gegenseitig keineswegs aus. Schließlich ging es bei der Lobbyarbeit weniger um ein sichtbares Wirken in der Öffentlichkeit, wie es die PR-Theorie vorsah, sondern vielmehr um eine Politik der Interessenlenkung aus dem Hintergrund. Dabei war es eher sogar gewünscht, dass die Maßnahmen nicht publik wurden, um ihren Einfluss auf die Meinungsbildung nicht zu gefährden.215 Nicht erst seit den 1960er Jahren bildete die Kontaktpflege mit politischen Entscheidungsträgern eine starke Säule der Öffentlichkeitsarbeit der Automobilindustrie. Die engen Beziehungen zwischen den Eliten standen dabei ganz in der ordnungspolitischen Tradition des deutschen Korporatismus. In Adenauers Kanzlerdemokratie avancierte der Lobbyismus zum festen, gewünschten Gestaltungsinstrument der sozialen Marktwirtschaft. Starke Industrieverbände und einflussreiche Unternehmerpersönlichkeiten – auch aus der Autoindustrie – galten der staatlichen Administration als willkommene Ansprechpartner. Die Grenzen zwischen Beratung, Vermittlung und Einflussnahme verschwommen in dieser Form des wirtschaftlichen Lobbyismus der frühen Bonner Republik.216 Auch die Autoindustrie nutzte vornehmlich ihre Verbandsvertretung, um den nichtöffentlichen Meinungsaustausch über öffentliche Angelegenheiten zu gestalten. Der VDA organisierte ab Mitte der 1960er Jahre regelmäßige »Gespräche

213 Siehe Daniel Klink, Der Ehrbare Kaufmann. Das ursprüngliche Leitbild der Betriebswirtschaftslehre und individuelle Grundlage für die CSR-Forschung, in: Joachim Schwalbach (Hrsg.), Corporate Social Responsibility. Zeitschrift für Betriebswirtschaft (Journal of Business Economics), Special Issue 3, Wiesbaden 2008, S. 57–79. 214 Vgl. Carl Hundhausen, Amerika, Essen 1950, S. 80 u. Wischermann, Unternehmenskultur, in: ders. (Hrsg.), Unternehmenskommunikation, S. 36. Vgl. Hilger, ›Amerikanisierung‹, S. 259 f. u. 267; Heinz Hartmann, Amerikanische Firmen in Deutschland. Beobachtungen über Kontakte und Kontraste zwischen Industriegesellschaften, Köln /  Opladen 1963, S. 144 f. 215 Vgl. Dietrich, Produktion, in: Hickethier / Lützen / Reiss (Hrsg.), Auto, S. 82. 216 Vgl. Karl-Heinz Niclauß, Kanzlerdemokratie, Regierungsführung von Konrad Adenauer bis Gerhard Schröder, Paderborn 2004, S. 68 f.

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im Kaminzimmer« und »Herrenabende«217, an denen hochrangige Vertreter der Ministerien teilnahmen. »Persönliche Gespräche«, urteilte der VDA freimütig, seien die effektivsten Mittel, um bei Politikern »Verständnis für die Anliegen der deutschen Automobilindustrie zu wecken.«218 Dem Verband kam zudem die Aufgabe zu, die Ministerien und Behörden regelmäßig mit Brancheninformationen zu versorgen, um das gemeinsame Gesellschaftsprojekt Massenmobilität gezielt voranzubringen.219 Bis in das letzte Drittel der 1960er Jahre blieb die Öffentlichkeitskommunikation einseitig darauf verhaftet, die Erwartungen der Industrie gegenüber der Politik zu formulieren. So vermerkte der VDA etwa im Kontext der Debatten um den Leber-Plan 1969 ausdrücklich, dass die Konzernvorstände ihn beauftragt hätten, »die Öffentlichkeit über die Notwendigkeit des Straßenbaues und über dessen Finanzierung zu informieren.«220 In ähnlicher Weise übernahm der Verband auch in den Diskussionen um die Fahrzeugsicherheit eine tragende Funktion. Bereits 1969 suchte der VDA das Thema durch ein erstes Pressekolloquium mit rund einhundert Journalisten zu besetzen. Da die Veranstaltung wenige Tage vor einem Anhörungsverfahren des Bundestags-Verkehrsausschusses zur Pkw-Sicherheit anberaumt wurde, war das Motiv offenkundig, den politischen Willensbildungsprozess durch eine möglichst positive Presse zu beeinflussen.221 Derartige Maßnahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit waren eng unter den Branchenunternehmen abgestimmt. Hierzu diente ein bereits zu Beginn der 1960er Jahre etablierter VDA-Presseausschuss. In regelmäßigen Treffen von Verbandsreferenten und Werksvertretern wurden die politischen und medialen Aktivitäten koordiniert. Der Außenkommunikation der Branche ging somit ein Prozess der inneren Meinungsbildung voraus, wodurch der VDA klassische Aufgabenfelder einer Interessenvereinigung erfüllte.222 In den Unternehmen selbst bildete die Pressearbeit ebenfalls nicht erst seit den 1960er Jahren den Kernbereich der Öffentlichkeitskommunikation. Spezielle Presseabteilungen hatten sich schon in der Zwischenkriegszeit konstituiert. Das Aufgabenfeld der Pressereferenten konzentrierte sich darauf, öffentliche Kommunikate der Geschäftsführung  – Vorstandsreden, Pressekonferenzen, Interviews etc. – vorzubereiten. Auch die Zusammenstellung von Pressespiegeln, die als frühe Form der Medienbeobachtungen gewertet werden können, diente primär dazu, den Informationsstand der Entscheidungsträger über öffentliche Debatten zu verbessern. Folgerichtig siedelten sich die Pressebüros institutionell nahe den 217 Bundesarchiv Koblenz (BA), B 102, 111450, Ministerialrat Pfeiffer an Minister ­Schmücker vom 26.5.1965, hier zit. nach Stephanie Tilly, ›Die guten Zeiten … sind vorbei.‹ Zum Verhältnis von Automobilindustrie, Politik und Automobilverband in den 1970er Jahren, in: Reitmayer / Rosenberger (Hrsg.), Unternehmen, S. 214. 218 VDA , Jahresbericht 1965/66, S. 46. 219 Siehe Tilly, Zeiten, in: Reitmayer / Rosenberger (Hrsg.), Unternehmen, S. 215. 220 VDA , Jahresbericht 1968/69, S. 70. 221 Vgl. ebd., S. 72. 222 Vgl. ebd.; Notate über den VDA-Presseausschuss finden sich ab 1965 in jeder Ausgabe.

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wichtigsten Akteuren der unternehmerischen Außenkommunikation an. In den 1960er Jahren waren sie als Stabstellen der Vorstandsebene beigeordnet. Dagegen betteten sich separate, unter der konkreten Bezeichnung Öffentlichkeitsarbeit geführte Abteilungen in die Verkaufsorganisationen ein.223 Jedes Unternehmen, das an einer Imagepflege interessiert sei, so formulierte der BMW-Pressechef 1967, habe sich als Zwischeninstanz »der Medien […] zu bedienen«, um mit den gewünschten Botschaften mit dem »größtem Wirkungsgrad auf größter Breite« zu den eigentlichen Adressaten vorzudringen.224 Dies zeigt, dass die Unterscheidung zwischen einer direkten und indirekten Wirkung von Öffentlichkeitsarbeit bereits fest in den unternehmerischen Kommunikationsstrategien verankert waren.225 In der Praxis oblag die unmittelbare Kontaktpflege mit der Öffentlichkeit den PR-Abteilungen. Sie organisierten Verbraucherveranstaltungen, sponserten Events oder Publikationsprojekte. Die Pressearbeit galt demgegenüber als mittelbare Kommunikation, die sich erst über die sog. Zwischen-Zielgruppe der Journalisten verbreite.226 In der Praxis etablierte sich somit eine Arbeitsteilung, die in der heutigen Kommunikationslehre als Trennung zwischen Media Relations und Public Relations bezeichnet wird.227 In diesen durchaus modernen Strukturen hielt sich aber die alte Überzeugung, dass die Unternehmen die Berichterstattung positiv beeinflussen konnten. Solange in der Gesellschaft Einvernehmen über die Individualmotorisierung herrschte, galten Medienvertreter in erster Linie als Multiplikatoren unternehmerischer Botschaften, weniger als ihre kritischen Kommentatoren.228 Man hegte tiefes Vertrauen in die Regelmechanismen der bundesrepublikanischen Konsensdemokratie. Beflügelt wurde die Pressearbeit durch einen in den 1960er Jahren rapide wachsenden Medienmarkt. Die Zahl an Zeitschriften und Zeitungen nahm deutlich zu. Das Fernsehen etablierte sich als neues Massenmedium. Während sich die Presseabteilungen zuvor nur um den Kontakt zu einer Handvoll Redakteure kümmern mussten, nahm sich nun eine immer buntere Palette von Presse-, Funk- und Fernsehredaktionen dem Thema Automobil an. Für internationale und nationale Zeitungen und Wochenschriften, Lokalzeitungen, Sport- und Freizeitmagazinen bis hin zu Mode- und Frauenzeitschriften, Fernsehprogramm223 Vgl. zu Daimler-Benz und BMW: HAD, Organisationspläne DBAG , Ressortverteilung 1956/59. Wann genau betriebliche Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit eingerichtet wurden, lässt sich nicht rekonstruieren. 224 BMWGA , UA 594, Referat Presseabteilung vom 13.4.1967, S. 4. 225 Vgl. Christoph Burmann / Christian Feddersen, Ökonomisierung von Imagewirkungen des Kultursponsoring, Münster 2008, S. 34. 226 Vgl. Miriam Meckel / Markus Will, Media Relations, in: Miriam Meckel / Beat F. Schmid (Hrsg.), Unternehmenskommunikation. Kommunikationsmanagement aus Sicht der Unternehmensführung, Wiesbaden 2008, S. 302. 227 Siehe zur Definition ebd., S. 293. 228 Vgl. BMWGA , UA 594, Referat Presseabteilung vom 13.4.1967, S. 4; Dietrich, Produktion, in: Hickethier / Lützen / Reiss (Hrsg.), Auto, S.  4 f.

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heften oder Ärzte-, Bauern- und Bäckereipostillen wurde eine ständige Autoseite zum Standard.229 Mithin steigerte sich der Informationsbedarf der Medien, die Frequenz von Presseanfragen wuchs und stellte allein in quantitativer Hinsicht neue Anforderungen an die Hersteller. Mitte der 1960er Jahre strukturierte beispielhaft BMW seine Presseabteilung um und bildete Einzelressorts für ›Wirtschaft‹ oder ›Technik und Sport‹.230 Die Mitarbeiterzahl verdoppelte sich allein von 1964 bis 1967 auf über dreißig Personen. Sie rekrutierten sich selbst vornehmlich aus ehemaligen Autojournalisten.231 Die Unternehmen bewerteten ihre höhere öffentliche Präsenz als positiv. Die Vervielfältigung der medialen Präsentationsplattformen galt als Ausdruck des großen Publikumsinteresses und steigender Absatzpotentiale. Mit der Zunahme an Optionen, den Bekanntheitsgrad von Marken und Produkten zu steigern, erhielt die Presse- und Medienarbeit zugleich immer stärker den Charakter eines Wettbewerbsinstruments – eine Funktion, die bald die ursprüngliche Aufgabe überdeckte. Thematisch setzten sich die Presseabteilungen nur am Rande mit öffentlichen Anliegen auseinander. Das vorrangige Ziel lautete vorerst nur, die wirtschaftlichen Erfolge der Hersteller öffentlich zu dokumentieren. Auf vororganisierten Pressekonferenzen informierte man die Öffentlichkeit in einem regelmäßigen Turnus über neue Modelle, Bilanzen, Produktions- und Verkaufsergebnisse. Die Vorstellungen, die sich mit dem Ablauf solcher Veranstaltungen verbanden, sind gut dokumentiert. Es ging weniger um einen Meinungsaustausch als gemeinsam mit den langjährigen journalistischen »Partnern unserer Pressearbeit«232 Markenbilder zu inszenieren. »Die Diskussion […] muss von der Presseabteilung so gesteuert sein, dass die das Werk interessierenden Fragen von den Journalisten unbedingt gestellt werden müssen. Dazu ist ein Katalog aller möglichen […] Fragen aufzustellen und dem Vorstand vorzulegen. Die Antworten werden gemeinsam erarbeitet und unmittelbar vor der Konferenz werden die vom Veranstalter gewünschten Fragen dann in schriftlicher Form an vertraute Presseleute gegeben, mit der Bitte, diese Fragen in der Diskussion zu stellen. So hat man die Möglichkeit […] noch einmal wichtige Probleme im Sinne des Hauses klären […] zu können.«233 Die Unternehmen strebten eine kontrollierte und zielgerichtete Informationslenkung an. Als Grundvoraussetzung hierfür galten möglichst enge Kontakte zu 229 Vgl. ebd., S. 1. 230 Etwa ab dem gleichen Zeitpunkt beschäftigte sich eine spezielle Sektion mit der Vergabe von Testwagen an die Automobilpresse, um die Präsenz der Marke bei Vergleichstests sicherzustellen. Vgl. ebd., S. 10. 231 Genaue Daten zur Rekrutierungspraxis der Automobilwirtschaft liegen leider nicht vor. Vgl. Klaas Apitz, Die Arbeit von PR-Agenturen, in: Günther Haedrich / Günter Barthenheier / Horst Kleinert (Hrsg.), Öffentlichkeitsarbeit. Dialog zwischen Institutionen und Gesellschaft. Ein Handbuch, Berlin / New York 1982, S. 148. 232 BMWGA , UA 594, Referat Presseabteilung vom 13.4.1967, S. 1 u. 4. 233 Ebd., S. 4 f.

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den Journalisten. Es sei selbstverständlich, urteilte ein Strategiepapier zur BMWMedienarbeit 1967, dass die Pressevertreter aus professionellen Motiven eine Veröffentlichung von Firmennachrichten grundsätzlich nur dann für begründet erachten, wenn sie Neuigkeiten enthalten. Demgegenüber ständen vielfach spezielle »Anliegen des Hauses« zur »redaktionellen Unterstützung einer Verkaufs- oder Werbemaßnahme.«234 Aufgrund der Vorbehalte der Presse gegenüber versteckter Werbung solle die Firmenkommunikation offensiv versuchen, die Veröffentlichungen im Sinne des Unternehmens zu steuern. Die Aufgabe der Presseabteilung wird es immer sein, die Faktoren so zu kompensieren und wo es nötig ist, zu manipulieren, dass der Informationswert der Meldung, vom Standpunkt des Redakteurs aus, eine Veröffentlichung rechtfertigt. Und wo dies […] nicht erreicht wird, da muss das persönliche Verhältnis vom Pressechef zum Redakteur ein Übriges tun, damit die Meldung dennoch erscheint.235

In diese internen Einschätzung zeigt sich eine weiterhin sehr einseitige Vorstellung, die die Unternehmen mit der Öffentlichkeitsarbeit verbanden: Sie konzentrierten sich darauf, die Medien mit allen Mitteln zu instrumentalisieren, um Imagebildung zu betreiben. Oft war in internen Strategiepapieren von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Presse die Rede. Hinter der viel beschworenen Harmonie stand aber ein kühl kalkuliertes System von Abhängigkeiten, in die man die Pressevertreter zu ziehen versuchte. Ebenso, »wie unsere Partner wissen müssen, dass wir sie nicht hinters Licht führen und wir Ihnen keine falschen Informationen verkaufen«236, konstatierte BMW, müsse man sichergehen, dass die Journalisten die Interessen des Unternehmens berücksich­ tigen. Dieser Deal gestaltete sich recht einfach. Die Presseabteilung gab vertrauliche Informationen nur an Medienvertreter weiter, die als Gegenleistung zu einer freundlichen Berichterstattung bereit waren. Dieser Handel werde auf allen Ebenen der Kommunikation mit großem Erfolg betrieben, stellten die BMW-Verantwortlichen selbstzufrieden fest. Der spezielle Vorteil der selektiven Weitergabe von Insider-Informationen bestehe darin, dass die Presseleute auf sie »[…] besonders begierig sind, die[se] aber auch das Verhältnis des Journalisten zum Werk intimer gestalten […]« und somit helfen, »die von uns gewünschten Aussagen in die gewollte Richtung zu lenken.«237 Auch bei VW war es offenbar gängige Praxis, ausgewählte Journalisten mit exklusiven Interviews und Meldungen auszustatten, um im Gegenzug einen redaktionellen Beitrag als kostengünstige Werbung zu erhalten. Der Vorteil für das Unternehmen bestand darin, dass die vermeintliche Objektivität des Mediums die Glaubwürdigkeit der indirekt versandten Botschaften erhöhte. So konnte die Werbe- und Imagewirkung bei den Lesern verstärkt werden. Die Redakteure hin234 Ebd., S. 8. 235 Ebd. 236 Ebd., S. 9. 237 Ebd.

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gegen bekamen ohne aufwendige Recherche den Artikel für die nächste Ausgabe serviert. Sie sicherten sich durch die Kooperation mit den Unternehmen eine wichtige Nachrichtenquelle und nicht selten auch den Auftrag zum Abdruck der nächsten Werbekampagne.238 So sehr die Medienstrategen sich auch bemüht sahen, diese Konstellation als eine Win-Win-Situation darzustellen, blieb eines auf der Strecke: die Informationsansprüche der Öffentlichkeit. Die von der DPRG 1964 formulierte Selbstverpflichtung auf die professionellen Verhaltensstandards, »jeden Versuch einer unlauteren Beeinflussung der Öffentlichkeit und ihrer Repräsentanten zu unterlassen und die Freiheit und Unabhängigkeit der Presse zu respektieren«239, wurde zugunsten kommerzieller Eigeninteressen schlichtweg unterlaufen. Während die Standesvertretung also ethisch und moralisch überhöhte Vorstellungen über die Intentionen der PR-Arbeit verbreiteten, kam in der Praxis die von Gernot Brauer jüngst treffend bezeichnete »Wine-and-Dine-Ära«240 zu ihrer vollen Entfaltung. Unter dem Deckmantel der Kontaktpflege zielte ein gewichtiger Teil der Pressearbeit darauf, sich mit aller Macht dem Wohlwollen der Medien zu vergewissern. Bei BMW legte man Dossiers über die persönlichen Vorlieben der Pressevertreter an. Die Notizen darüber, ob ein Journalist Rotwein trinkt, Schlüsselanhänger sammelt oder gerne verreist, dienten in der Kommunikation mit den Journalisten dazu, persönliche Nähe vorzutäuschen. Möglichst »originelle Aufmerksamkeiten oder auch gelegentliche Einladungen […] vertiefen den Kontakt.«241 Bei Ford lautete die Empfehlung, um ganz konkret das schlechte Abschneiden ihrer Modelle in Pressetests zu verbessern: »Establish an one-to-one-relationsship […] and keep the writers happy.«242 Beigefügt fand sich eine ganze Liste von Vorteilsnahmen. Hierzu zählte die Aufforderung, den Redakteuren vorgefertigte Artikel mit einem passenden Set kostenlosen Illustrationsmaterials zukommen zu lassen. Zur Pflichtausgabe jeden guten PR-Manns gehöre es zudem, seinen Pressepartnern nicht nur zu Geburtstagen und Weihnachten Geschenke zukommen zu lassen. Das mögliche Spektrum der ›Aufmerksamkeiten‹ reiche von desk toys mit persönlichen Gravuren über Autozubehör bis hin zur Möglichkeit, Journalisten Werksfahrzeuge zur kostenlosen privaten Nutzung zu überlassen. Falls erforderlich, lasse sich dies gegenüber der Öffentlichkeit leicht als

238 Diese These vertritt Dietrich, Produktion, in: Hickethier / Lützen / Reiss (Hrsg.), Auto, S. 82. 239 Grundsätze der Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG), angenommen von der ersten ordentlichen Mitgliederversammlung am 10.7.1964, zit. nach Barbara Baerns, Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus. Normen, Berufsbilder, Tatsachen, in: Haedrich /  Barthenheier / K leinert (Hrsg.), Öffentlichkeitsarbeit, S. 161. 240 Gernot Brauer, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ein Handbuch, Konstanz 2005, S. 65; Kunczik, Public Relations, S. 47. 241 BMWGA , UA 594, Referat Presseabteilung vom 13.4.1967, S. 1. 242 HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 2, 1972, Ford T-Plans, Strategiepapier: Ford in Germany vs. The Automotive Press, o. Dat. [1972], S. 1.

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journalistische Gebrauchsstudie legitimieren.243 Ford organisierte zudem Journalistenreisen an möglichst interessante, ausländische Unternehmensstandorte. »Nothing impresses a writer more than being flown in a company plane«244, hielt das Strategiepapier fest. Pressekonferenzen sollten zudem zu privaten Events mit Werksbesichtigungen und exklusiven Kulturveranstaltungen ausgebaut werden. Besonderer Wert müsse auf eine exklusive Bewirtung, eine hervorragende Unterbringung und eine allgemein angenehme Atmosphäre gelegt werden. Als Vorbild führte Ford die Firma VW an, die ihre Pressegäste in speziellen VIP-Lounges empfing und damit im Stile einer Weltfirma Imagewerbung betrieb.245 Bei derartigen Praktiken verschwammen die Grenzen zwischen Selbst­ darstellung, Anbiederung und Bestechung. So berichtete Der Spiegel über allzu ungenierte Versuche, sich eine gute Presse im wahrsten Sinne des Wortes zu erkaufen. Mehrfach fanden offenbar Journalisten bei Pressekonferenzen von Automobilfirmen ›in Süddeutschland‹ Kuverts mit vierstelligen DM-Beträgen oder Blanko-Schecks in ihren Hotelzimmern vor, mit denen sie ihre Spesen großzügig abrechnen sollten.246 Dieses eindeutig auf eine Manipulation der Meinungsmacher zielende Verhalten war keineswegs nur für die Automobilindustrie typisch. Auch in anderen Branchen zählte eine Lobbypolitik der ›süßen Maßnahmen‹ offenbar zum besonders gepflegten Methodenrepertoire. Dies berichtete 1967 zumindest der vormalige FDP-Bundesgeschäftsführer Karl-Hermann Flach in seiner kritischen Auseinandersetzung mit der politischen Pressekultur in Deutschland.247 Zwei Befunde drängen sich auf: Zum einen bestätigt sich, dass es offenbar zu den gängigen Vorstellungen der Pkw-Produzenten zählte, die Medienberichterstattung durch einfache Mittel der persönlichen Beeinflussung steuern zu können. Zum anderen lassen sich starke Indizien für eine unkritische Nähe zwischen wirtschaftlichen und medialen Akteuren und damit zwischen den im Idealfall autonomen Kommunikationssystemen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus finden.248 Die Traditionen der deutschen Medienkultur, die bis dato von einer verbreiteten Abwesenheit eines kritisch-investigativen Journalismus geprägt war,249 förderten einen verlautbarenden Berichterstattungsstil. Die 243 Vgl., ebd. 244 Ebd. 245 Vgl. ebd., S. 2. 246 Vgl. Art. »Public Relations: Werbung in Watte«, in: Der Spiegel vom 8.7.1968, S. 42. 247 Siehe Karl-Hermann Flach, Macht und Elend der Presse, Mainz 1967, S. 36–40. 248 Vgl. Barbara Baerns, Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus. Normen, Berufsbilder, Tatsachen, in: Haedrich / Barthenheier / K leinert (Hrsg.), Öffentlichkeitsarbeit, S. 171. 249 Siehe Armin Scholl / Siegfried Weischenberg, Journalismus in der Gesellschaft. Theorie, Methodologie und Empirie, Opladen / Wiesbaden 1998; Frank Marcinowski / Barbara Pfetsch, Die Öffentlichkeit der Korruption. Zur Rolle der Massenmedien zwischen Wächteramt, Skandalisierung und Instrumentalisierbarkeit, in: Politische Vierteljahrschrift, Sonderheft 35, 2005, S. 287–308, zur Medienkultur der frühen Bundesrepublik S. 296 f.

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Inhalte von PR-Kommunikaten flossen nicht selten unverändert in redaktionelle Beiträge ein. Dies erleichterte den Lobbyisten, Themen und Zeitpunkte der Berichterstattung zu determinieren.250 Gleichwohl wäre es sicherlich zu weitführend, solche Instrumentalisierungsversuche als Kennzeichen für ein prinzipiell korrumpiertes Pressewesen der Bonner Republik zu werten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die politischen Medien die Gefahr, durch Partikularinteressen beeinflusst zu werden, selbstkritisch problematisierten. Weit mehr als für die offen als tendenziös erkennbare Produktwerbung gelte »für die PR das Schlagwort von der geheimen Verführung«251, urteilte etwa Der Spiegel im Sommer 1968. Es dürfe nicht länger zugelassen werden, dass Presse, Funk und Fernsehen von der Industrie für ihre verborgenen Werbebotschaften missbraucht würden. Diese erkennbar an Packards’ Werbekritik angelehnten Vorwürfe richteten sich an die Pressebüros der Wirtschaft, die ihre Bestimmung weniger darin sahen, die Öffentlichkeit zu unterrichten, als vielmehr eine »Fortsetzung der Werbung mit anderen Mitteln«252 zu betreiben. Viel stärker aber noch, tadelte die politische Presse die mangelnde Moral in der eigenen Profession. Gerade in der neuen Vielfalt an Boulevard- und Unterhaltungsmedien erkannte sie das Risiko, dass die freie und objektive Berichterstattung kommerziell unterwandert werde. Als Musterbeispiel dienten Automagazine, die allein inhaltlich von Branchennachrichten abhängig waren und sich zudem finanziell nur durch Werbeschaltungen tragen ließen. Anstatt als kritisches Regulativ gegenüber interessenpolitischen Beeinflussungsversuchen zu wirken, war für Zeitschriften, die ganz bewusst Aspekte des Konsums zu ihrem Hauptinhalt erkoren, der Anreiz groß, sich zum Sprachrohr der Industrie machen zu lassen.253 Die Strukturveränderungen des Mediensystems förderten somit auf der Grundlage gegenseitiger Abhängigkeiten eine symbiotische Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Medien. Eine Steigerung des Öffentlichkeitsinteresses am Automobil war nicht nur förderlich für den Pkw-Absatz, sondern zugleich auch für ein Wachstum der Presseauflagen. Noch mehr als die Produktwerbung geriet somit eine von den Medien assistierte PR-Arbeit in den Ruf, die Alltagswelt systematisch auf den Konsum zu konditionieren. Die Ausweitung der medialen Unternehmenskommunikation verlief somit nahezu parallel mit einer gesellschaftspolitischen Problematisierung ihrer Folgen.254 Die Beziehung zwischen

250 Zur hieraus in den 1980er Jahren abgeleiteten Determinationsthese der Medieninhalte vgl. Barbara Baerns, Öffentlichkeitsarbeit oder Journalismus. Zum Einfluß im Mediensystem. Wissenschaft und Politik, Köln 1985. 251 Art. »Public Relations: Werbung in Watte«, in: Der Spiegel vom 8.7.1968, S. 32. 252 Laut des Spiegels lautete so die unter PR-Agenturen und betrieblichen Öffentlichkeitsabteilungen gängige, unter vorgehaltener Hand betonte Definition von PR . Zit. nach ebd., S. 33. 253 Vgl. ebd. 254 Vgl. König, Geschichte, S. 394 f. u. 399 f.

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PR , Medien und Kommerz stand frühzeitig im Fokus von Debatten über die de-

mokratische Verfasstheit der Bundesrepublik nach dem ›Wirtschaftswunder‹.255 Derartige Manipulationsvorwürfe prallten zunächst an den Unternehmen ab. Dabei war es gerade die allgegenwärtige Präsenz des neuen Paradigmas der Imageproduktion, die den Drang der Einflussnahme auf die Wahrnehmungen, Wünsche und Erwartungen der Konsumenten verstärkte. Die Unternehmen fühlten sich von den Kritikern missverstanden, da sie die Ausweitung ihrer Kommunikation mit der Umwelt immer auch als Dienst am Informationsbedarf der Öffentlichkeit interpretierten. Dies zeigt sich insbesondere in dem – neben politischen und medialen Lobbyismus – dritten Bereich der PR , der ›unmittelbaren Öffentlichkeitsarbeit‹. Mit der Maßgabe, eine Firmenidentität und Markenpersönlichkeit auszuprägen, die den Konsumenten, Händlern und Lieferanten die Möglichkeit geben sollte, sich mit den Werten des Unternehmens zu identifizieren, traten Autohersteller mit neuartigen Veranstaltungen in die Öffentlichkeit.256 Der Schritt nach außen, kritisierten bereits die zeitgenössischen PR-Theoretiker James Grunig und Todd Hunt, vollzog sich allerdings weiter auf der Basis asymmetrischer Kommunikationsmodelle.257 Außenkommunikation galt als Außendarstellung des eigenen Selbstbildnisses, ohne Sensoren für die Belange der Stakeholder zu entwickeln.258 Sinnbildlich für dieses Verständnis stehen die internen Leitlinien, die die BMW-Öffentlichkeitsabteilung 1967 für ihre Aktivitäten entwickelte. Die PRArbeit, hieß es hier, umfasse ein breites Feld von Tätigkeiten, die dem gemeinsamen Zweck dienen sollten, in der Öffentlichkeit »ein gewisses Urteil über die Zuverlässigkeit, Solidität oder auch Exklusivität eines Unternehmens bilden zu lassen.« Der Public Relations obliege es, »ganz allgemein zu demonstrieren, dass BMW ein modernes, zielbewusst geführtes Unternehmen ist, das […] nach allen Seiten fortschrittlich eingestellt ist.«259 Die PR-Maßnahmen nicht nur von BMW, sondern der gesamten Branche, richteten sich demnach primär darauf, die eigene wirtschaftliche Leistung zur Schau zu stellen. Eine Möglichkeit hierzu bot sich im Rahmen von Betriebsbesichtigungen. Grundsätzlich neu war dieses PR-Instrument nicht. Oftmals seit Jahrzehnten boten die Firmen Besucherprogramme an. Dies aber nur für einen kleinen Kreis ausgewählter Händler, Lieferanten, Journalisten oder politischen Gästen. Mit

255 Vgl. zu den Diskussionen um ›Macht‹ und ›soziale Verantwortung‹ unternehmerischer PR ausführlich: Kunczik, Public Relations, S. 49 f. 256 Siehe Wischermann, Unternehmenskultur, S. 38; auch Tanja Ringle, Strategische identitätsorientierte Markenführung: mit Fallstudien aus der Automobilindustrie, Wiesbaden 2006, S. 72 f. 257 Zur Unterscheidung zwischen asymmetrischer und symmetrischer Kommunikation siehe Grunig / Hunt, Managing, S. 32. 258 Vgl. Kleinschmidt, Blick, S. 218. 259 BMWGA , UA 594, Public Relations bei BMW. Strategiepapier vom 10.4.1967, S. 1.

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Ausnahme von Daimler-Benz gaben die Hersteller diese Beschränkung auf und erlaubten der breiten Öffentlichkeit Einblicke in ihre Betriebe.260 Sie schwenkten damit auf eine open-door-Politik US -amerikanischer Prägung ein, die die Imagevorteile deutlich höher als das Risiko der Industriespionage einstufte.261 Die Werksführungen sollten die Identität der Unternehmen greifbar erscheinen lassen und sie aus der Anonymität heben. Die Konzerne wollten nicht mehr als aus dem Hintergrund agierende Akteure erscheinen, sondern Persönlichkeit und Nahbarkeit demonstrieren. Die Faszination, die den Menschen beim Anblick der technischen Produktionsapparate erfasse, werde automatisch zu positiven Imageeffekten und einer »gewisse[n] Absatzwirkung«262 führen. Das tatsächlich enorm große Interesse des Publikums am Innenleben der Unternehmen und dem Artefakt Automobil bestätigte diese Anziehungskraft. Allein BMW verzeichnete seit 1965 jährlich rund 30.000 Werksbesucher mit stetig steigender Tendenz.263 Ein ebenso erfolgreiches Projekt der Öffentlichkeitsarbeit bildete die Gründung von Automuseen. Aus Anlass des Jubiläums ›75 Jahre Motorisierung‹ eröffnete Daimler-Benz 1961 eine Ausstellung mit historischen Exponaten.264 1966 folgte BMW. Auch Opel, VW und Ford stellten für öffentliche Ausstellungen an ihren Firmensitzen einzelne Fahrzeuge zur Verfügung und banden sie vermehrt in ihre Betriebsführungen ein. Über eigene Orte der Dokumentation der Firmengeschichte verfügten zunächst jedoch nur die beiden Spezialanbieter.265 Bei Daimler war dies sicherlich auf den in der Firmenkultur stark verankerten Gründermythos zurückzuführen. Die Erfindung des Automobils durch Carl Friedrich Benz wurde früh als marketingstrategischer Asset angesehen. Bei BMW fußte die Beschäftigung mit der eigenen Geschichte ebenfalls auf einer besonderen Erfahrung ganz anderer Art. Schließlich hatte der Münchner Autobauer 1959 gerade noch den Verlust seiner Unabhängigkeit abgewendet. Die Pflege der Unternehmenstradition prägte vermutlich schon allein deshalb das Bewusstsein der Verantwortlichen. Neben dem Faktor Firmenkultur bleibt als Ursache für die unterschiedlich intensive Nutzung der Geschichts-PR jedoch auch auf handfeste marketingstrategische Überlegungen zu verweisen. Als Nischenanbieter betonte BMW besonders 260 Vgl. UVW, Bestand Werkszeitung [ohne Signatur], Art. »Drei Millionen besichtigen die VW-Werke«, in: autogramm 4/1971 vom 2.12.1971, S. 4. 261 Hierauf verwies zeitgenössisch Heini, Public Relations, S. 107; zur Vorbildfunktion der USA auch Hilger, ›Amerikanisierung‹, S. 259–263. 262 Heini, Public Relations, S. 106. 263 Vgl. BMWGA , UA 594, Public Relations bei BMW 1967, S. 2. 264 Es ersetzte eine frühe Ausstellungshalle, die 1936 eingerichtet, im Zweiten Weltkrieg aber zerstört worden war. Vgl. Max-Gerrit von Pein, Traditionspflege im Hause Mercedes-Benz, in: Hans Pohl (Hrsg.), Traditionspflege in der Automobilindustrie. Eine Veranstaltung des Mercedes-Benz-Museums, Stuttgart 1991, S. 119. 265 Vgl. BMWGA , UA 594, Public Relations bei BMW 1967, S. 2. Erst Mitte der 1980er Jahre zogen VW und Opel mit eigenen Museen nach.

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die Exklusivität der Marke. Die neuesten Modelle mit Hilfe des Museums in eine historische Entwicklungslinie einzuordnen, band die ›Produkt-Persönlichkeiten‹ auf einen identitätsbildenden Ursprung zurück. Zudem ließ sich die technische Evolution der Fahrzeuge von BMW und Daimler-Benz als Ausweis von Innovationskraft, Erfahrung und Qualität nutzen. Die Firmen inszenierten damit ihre Produkte als Krönung der automobilen Schöpfung und ultimatives Konsumziel der Ausstellungsbesucher.266 Wie sehr »Sekundäreffekte zugunsten der Produktwerbung«267 als eigentliches Ziel hinter vielen PR-Maßnahmen stand, verdeutlicht das Beispiel der Filmdienste. Die PR-Abteilungen begannen in den 1960er Jahren professionelle Image- und Industriefilme zu produzieren, die kostenlos an private und öffentliche Organisationen – von Automobilclubs, Vereinen und Verbänden über Behörden, Polizei und Bundeswehr, allen Formen von schulischen Bildungsstätten bis hin zu Jugendgruppen und interessierten Mitarbeitern – verliehen wurden.268 Im Stil von Dokumentationen gaben die Filme in erster Linie Einblicke in die technischen oder betriebswirtschaftlichen Abläufe der Auto­produktion, die Firmengeschichte oder Rennsporterfolge.269 Die Film-PR basiere nicht auf einfachen Reklame-Filmen, konstatierte die VW-Öffentlichkeitsarbeit: Industriefilme […] werben nicht im Sinne von ›Unser Auto ist das Beste‹. Sondern sie informieren über Zusammenhänge, die mehr oder weniger direkt mit dem Produkt, bei VW also mit dem Automobil, zu tun haben. Dabei sollen sie – schlicht gesagt – Sympathie für unser Unternehmen wecken. Je geschickter ein solcher Film gemacht ist, desto weniger wird dem Zuschauer bewusst, dass er Sympathie für das dargestellte Unternehmen empfinden soll – eine Sympathie, die sich natürlich auch auf das Produkt überträgt. […] Mit Sicherheit sind viele dabei, deren Entscheidung, sich einen VW zu kaufen, vom einem der Filme beeinflusst wird.270

Eine ähnliche Taktik stand hinter den Bemühungen, Fahrzeuge in kommerziellen Kino- und Spielfilmen zu platzieren. Intern rühmte sich die BMW-PR überschwänglich dafür, sich im Buhlen um die Filmfirmen gegen massive Konkurrenz durchgesetzt zu haben. Die eigenen Modelle seien in besonders vielen internationalen Produktionen zu sehen. Die Uraufführungen der Blockbuster konnte man stets zu wirkungsvollen PR-Terminen mit den prominenten Hauptdarstellern

266 Dies erschließt sich aus: ebd., UA 1344, Spiegel, Weiterentwicklung des Typenprogramms 1964, Abschnitt 2: Zur historischen Bedingtheit des BMW-Image, S. 11 f. 267 Dietrich, Produktion, in: Hickethier / Lützen / Reiss (Hrsg.), Auto, S. 82. 268 Eine ausführliche Aufstellung der Nutzer des VW-Filmdienstes liefert UVW, Bestand Werkszeitung [ohne Signatur], Art. »Buntes Licht ins schwarze Dunkel. Der VW-Filmdienst als Teil der VW-Öffentlichkeitsarbeit«, in: autogramm 5/1975 vom 2.12.1975, S. 6. 269 Vgl. ebd.; BMWGA , UA 594, Public Relations bei BMW 1967, S. 3 f. 270 UVW, Bestand Werkszeitung [ohne Signatur], Art. »Buntes Licht ins schwarze Dunkel. Der VW-Filmdienst als Teil der VW-Öffentlichkeitsarbeit«, in: autogramm 5/1975 vom 2.12.1975, S. 6 f.

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nutzen.271 Gute Kontakte zu den beiden öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten sorgten zudem dafür, dass BMW-Fahrzeuge häufig in TV-Dokumentationen zum Thema Verkehr zum Einsatz kamen. Als Beweis für die Durchschlagskraft der BMW-PR stellte ihr Ressortleiter 1967 heraus, dass »es kein Automobilfabrikat gab, das mehr Sendungen in den beiden Fernsehprogrammen hatte als wir.«272 Das wohl berühmteste Beispiel für klassisches product placement lieferte jedoch VW mit dem 1968 gestarteten Herbie-Film aus dem Hause Disney. Ihm schloss sich in den 1970er Jahren eine ganze Reihe von Spielfilmen an, die den Käfer als liebevollen Alleskönner personifizierten.273 Auch die Förderung von Reisemedien, die sich seit den 1950er Jahren großer Beliebtheit erfreuten, gehörte zur PR-Arbeit. Dabei achteten die Hersteller bei allen Veröffentlichungen genauestens darauf, dass die kommunizierten Aussagen mit den erwünschten Imagebotschaften harmonisierten.274 Daneben lebte die klassische Form des automobilen Events, die Automobilausstellung, deutlich auf. Ob bei der Kirmes oder beim »Auto-Frühling« in Großund Kleinstädten: Die Hersteller generieten, organisierten oder finanzierten viele neuartige Ereignisse, die die Aufmerksamkeit von Konsumenten und der Presse auf sich zogen. ›Tage der offenen Tür‹ bei den Stammsitzen oder bei regionalen Händlern inszenierten sich als Volksfeste. Die Präsentation des Wagenangebots kombinierten die PR-Spezialisten mit Spaß- und Freizeitangeboten.275 Repräsentative Pavillons, wie sie beispielhaft BMW im Zentrum von München und später auch in weiteren deutschen Großstädten als dauerhafte Ausstellungsräume baute, dienten als Aktionsflächen für das PR und Begegnungsstätten mit dem Unternehmen. In diesen Lokalitäten wurden Kunstausstellungen, Modenschauen o. ä. ausgerichtet, um die Automobilmarken mit spezifischen Imageelementen zu verbinden.276 Zur Ereignisproduktion gehörten auch die Zusammenkünfte automobiler Fan-Clubs sowie inszenierte Sternfahrten und Oldtimer-Rallyes. Als prominentes Beispiel sei auf das in den 1960er Jahren mehrfach abgehaltene »Treffen der VW-Hunderttausender«277 verwiesen. Hier fanden sich zum Teil tausende treuer Kunden zur Huldigung des Automobilismus zusammen. Zu einer der wichtigs-

271 Vgl. BMWGA , UA 594, Public Relations bei BMW 1967, S. 4. 272 Ebd., S. 5. Offenbar wurden nicht nur Industriefilme unverändert und ohne Kennzeichnung ausgestrahlt. Vgl. Bernd Linhart, ›Öffentlichkeitsarbeit‹ mit Industriefilmen, in: Hickethier / Lützen / Reiss (Hrsg.), Auto, S.  193. 273 Vgl. Knut Hickethier / Gerhard Fiss / Erwin Reiss, Mythenproduktion, Käfer-Entertainment und Volkswagenerziehung in den verschiedenen Medien, in: Hickethier / Lützen /  Reiss (Hrsg.), Auto, insbes. S. 214 f. 274 Beispiele für solche Formen der ›Auto-Literatur‹ sind dokumentiert in ebd., S. 204 f. 275 Vgl. Knut Hickethier, ›Öffentlichkeitsarbeit‹ durch Ereignisproduktion, in: ders. / Lützen /  Reiss (Hrsg.), Auto, S. 178. 276 Vgl. BMWGA , UA 594, Public Relations bei BMW 1967, S. 7. 277 Hickethier, Ereignisproduktion, in: ders. / Lützen / Reiss (Hrsg.), Auto, S. 179.

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ten Event-Aktivitäten avancierten gegen Ende der Dekade jedoch Rennsportveranstaltungen. Auch die Verbindung zwischen Automobil und Sport hatte bereits eine lange Tradition. Als Sportlichkeit zu einem wichtigen Kaufkriterium von Privatwagen aufstiegen und TV-Übertragungen als mediale Multiplikationsinstanzen für Sportveranstaltungen aufkamen, intensivierten sich die Bemühungen der Autoproduzenten auf diesem Feld. Die Spannbreite reichte vom FormelSport über den markeneigenen sog. Fabrikatsport bis hin zum Rennwochenende für sportbegeisterte Privatfahrer. Die PR-Abteilungen verstanden solche Sportveranstaltungen ganz offen als Eventinszenierungen im öffentlichen Raum zur »besonderen Unterstützung unserer weltweiten Werbebemühungen.«278 Insgesamt erwies sich die PR-Arbeit der deutschen Automobilfirmen in den 1960er Jahren eher als Öffentlichkeitsbearbeitung, als dass sie sich tatsächlich um Vertrauensbildung bemühte. Theorie und Praxis lagen an diesem Punkt weit auseinander. Auffallend – und für die deutschen Konsumgüterproduzenten ganz allgemein charakteristisch – war dabei, dass gesellschaftspolitische Themen auf der Agenda der Öffentlichkeitsarbeit weitgehend fehlten.279 Erst als sich die Erwartungen des Umfeldes veränderten, gerieten die herkömmlichen Kommunikationsmuster ins Wanken. Mit der Erosion des gesellschaftlichen Autokonsenses wurden Public Relations immer mehr zum Werkzeug des Krisenmanagements und zur Suche nach Wegen echter dialogischer Vertrauensarbeit.

2.2 Von der Krisen-PR zur Vertrauenswerbung in den 1970er Jahren Für die Automobilindustrie nahm die Entwicklung seit den späten 1960er Jahren zunächst beinahe schizophrene Züge an. Auf der einen Seite fragten die Konsumenten auch nach der Rezession 1967 so intensiv wie niemals zuvor Pkws nach. Auch die Begeisterung für prestigestarke Modelle hielt an, so dass das automobile Leitbild in der Konsumentenöffentlichkeit weiterhin als stabil schien. In der politischen und publizistischen Öffentlichkeit verdichteten sich dagegen die Signale, dass die Entwicklungspfade der erlebnisorientierten Massenkonsumgesellschaft auf eine zunehmend reflexive Beschäftigung der Industriegesellschaft mit den von ihr selbst produzierten Risiken prallte.280

278 BMWGA , UA 594, Referat Presseabteilung vom 13.4.1967, S. 2 f. Hier auch eine Übersicht über den Motorsport in den Medien. 279 Vgl. Hilger, ›Amerikanisierung‹, S. 268. 280 Vgl. Schulze, Erlebnisgesellschaft; Beck, Risikogesellschaft. Auf die Diskrepanz zwischen Kunden- und Öffentlichkeitsakzeptanz verwies Art. »Überall Geschubse und gereiztes Klima«, in: Der Spiegel vom 19.5.1973, S. 61 f.

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2.2.1 Konflikte Für die Öffentlichkeitsarbeit hatte die Politisierung des Automobils mehrere Konsequenzen. Der Kreis der Akteure im Kommunikationsfeld Automobil dehnte sich aus. Aus Partnern der Motorisierung wurden kritische Anspruchsgruppen, die sensibilisiert für die Probleme der Massenmotorisierung neue Anliegen an die Unternehmen herantrugen. Ein solcher Rollenwechsel lässt sich für die reformwillige Verkehrs- und Wirtschaftspolitik als auch für Teile der politischen Presse konstatieren, die sich als öffentliche »Bedenkenproduzenten«281 neu positionierten. Politik und Medien nahmen sich dabei Argumenten von Verbraucher- und Umweltschützern, Sozial- und Umweltwissenschaftlern an, die mit ihrer Meinung erstmals massiv in den öffentlichen Kommunikationsraum drangen. Die neuen gesellschaftspolitischen Arenen der Auseinandersetzung um das Automobil waren den Herstellern bis dato fremd – und sie wirkten umso gefahrvoller, da sich die Leitbildkrise in einer Phase ausprägte, in der auch die wirtschaftlichen Wachstumsperspektiven unsicherer wurden. Jede Kritik und jede verkehrs- und umweltpolitische Regulierungsmaßnahme bewertete die Automobilindustrie vor diesem Hintergrund als stabilitätsgefährdenden Eingriff in den Automarkt.282 Neben einer psychologischen Verunsicherung der Kunden mahnte sie an, dass einer Anpassung des Angebots an die geforderten Umweltund Sicherheitsauflagen das Produkt verteuern, damit die Verkaufsaussichten reduzieren und die ökonomische Krise des Sektors vertiefen würde.283 Die Aufgabenstellung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit veränderte sich angesichts des schwierigen Mixes ökonomischer und soziokultureller Herausforderungen. Die Unternehmen verloren ihr Vertrauen in die bestehenden kognitiven Regelsysteme als der automobile Konsens der ersten Nachkriegsjahrzehnte erodierte.284 Die bisherigen Erfahrungen im Umgang mit der Öffentlichkeit entwerteten sich, als die Kommunikationspartner der Unternehmen ihre Positionen veränderten. Mit der neuen Komplexität der Meinungsstrukturen im Kommunikationsfeld Automobil änderte sich der Orientierungsrahmen für die etablierten PR-Strategien. Eine ungehinderte Lenkung der öffentlichen Entscheidungs- und Meinungsträger schien kaum mehr möglich. Vielmehr sahen sich die Akteure der Automobilwirtschaft einer Kommunikationskonkurrenz auf neuer Ebene ausgesetzt. 281 Jürgen Lottmann, Umweltbelastungen im zeitlichen Wandel, in: Burghard Freudenfeld (Hrsg.), Die Zukunftschancen unserer Gesellschaft. Kolloquium des Verbandes der Automobilindustrie e. V. (VDA) in Zusammenarbeit mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft, Köln, 7.–9. Juli 1982 in Rottach-Egern; Referate und Resümee, Köln 1983, S. 71. 282 Vgl. Diekmann, Verkehr, S. 134. 283 Vgl. ebd., S. 136. 284 Vgl. Siegenthaler, Regelvertrauen.

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Für die PR-Arbeit war es unabdingbar, Stellung zu den Anliegen ihrer sozialen Umwelt zu beziehen. Die große Bedeutung, die den Themen Ökologie und Verkehrssicherheit eingeräumt wurde, machte sie zu imagerelevanten Problemfeldern. Public Relations entwickelte sich vor diesem Hintergrund vom Werbeinstrument zu einem wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Issue-Management.285 Erste Anzeichen für eine reaktive Krisen-PR zeigten sich in den Bemühungen des VDA, meinungsbildend in die sensiblen Debatten einzugreifen. Seine Publikationstätigkeit nahm bereits um den Dekadenwechsel deutlich zu und steigerte sich in den Folgejahren entsprechend der Konjunkturen der Autokritik. Durch neue informationspolitische Instrumente, wie der 1969 gestarteten wissenschaftlichen Schriftenreihe, versuchte der VDA die Positionen der Branche zu verteidigen. In jährlich drei bis vier Einzelbänden wurden hier Ergebnisse von Forschungsaktivitäten veröffentlicht, die vom Verband initiiert und finanziell gefördert wurden. Das Themenspektrum reichte von Verkehrsentwicklungsplänen und Mobilitätskonzepten bis hin zu zahlreichen Sicherheits- und Umweltstudien.286 Die Veröffentlichungen erfüllten mehrere Funktionen: sie dokumentierten, dass man sich verantwortungsbewusst mit den Problemen der Automobilität beschäftigte, dienten als Kompetenznachweis und nicht zuletzt als Argumentensammlung, die den Mitgliedern Hilfestellung für die interessenspolitische Auseinandersetzung geben sollte.287 Dabei schwankten die Arbeiten stilistisch zwischen Elementen der Belehrung, Relativierung und Rechtfertigung. Stellvertretend für das Grundgerüst der Krisen-PR der Automobilindustrie mag allein der Aufbau der bereits 1971 publizierten Studie Verkehr-Sicherheit-Umwelt stehen.288 Den Rückzugspunkt bildete der Verweis auf die wirtschaftlichen und sozialen Schlüsselfunktionen des Autos. Der vom Verband lancierte Kernsatz »Jeder Siebente lebt vom Automobil«289 entwickelte zu Beginn der 1970er Jahre Schlagwortcharakter, um die unverrückbare Abhängigkeit der Gesamtwirtschaft und vieler Arbeitsplätze von der Branche hervorzuheben. Auch auf dem gesellschaftlichen Diskussionsfeld suchte die Automobilindustrie ihre Position so weit wie möglich von eigenen unternehmerischen Interessen zu entkleiden. Stattdessen griff sie auf die argumentative Verknüpfung zwischen Mobilität, individueller Freiheit und dem Grundrecht auf soziale Wohlstandsteilhabe zurück, die lange als Eckpfeiler der Verständigung zwischen Politik und Wirtschaft fungiert hatte. »Bei aller Sicherheits- und Umwelteuphorie können die wirtschaftlichen und sozialen Aspekte einschneidender, die Fahrzeuge verteuernder Vorschriften 285 Vgl. Diez, Handbuch, S. 295. 286 Einen Kurzüberblick über die VDA-Schriftenreihe liefert Freudenfeld, Zukunftschancen, S. 245 f. 287 Vgl. VDA , Jahresbericht 1971/72, S. 103. 288 Vgl. VDA , Verkehr – Sicherheit – Umwelt. 289 Ebd., S. 14; Bundesministerium für Wirtschaft (Hrsg.), Die Automobilindustrie in der Bundesrepublik Deutschland. Bedeutung, Struktur, Lage und Aussichten, Bonn 1974, S. 24.

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nicht vernachlässigt werden«290, konstatierte der VDA-Geschäftsführer Achim Diekmann in einer kommentierten Kurzfassung der Studie für die Zeitschrift Internationales Verkehrswesen. Durch teure Modifikationen dürfe man Familien mit niedrigem Einkommen nicht von ihrem Recht auf Automobilität ausschließen. »Der dem Menschen innewohnende Wunsch, Herr über Zeit und Raum zu sein, [ist] in keiner Automobilfabrik erfunden worden«291, betonte der VDA . Die Automobilindustrie habe einen gesellschaftlichen Auftrag, den Bedürfnissen der Menschen nachzukommen. Auf diese Legitimationsstrategie baute auch das eigentliche Issue-Management, d. h. die Auseinandersetzung mit »Externalitäten des Autofahrens«292. Hier waren frühzeitig drei Grundlinien erkennbar: Zum einen zeigte der Verband zunächst grundsätzliches Verständnis für die potentiellen Beeinträchtigungen von Umwelt und Gesundheit, relativierte aber in einem Atemzug die unternehmerische Verantwortung für ihr Entstehen. Dezidiert setzte sich die Studie mit den Ursachen steigender Unfallzahlen und wachsender Abgas- und Lärmemissionen auseinander. Sicherlich, lautete ihr Fazit, konzentriere sich das Unfallgeschehen auf den Verkehrsträger Automobil. Dies sei jedoch »als unmittelbare Folge unzureichender […] Verkehrsflächen, teilweise aber auch als Folge menschlicher Unzulänglichkeiten« zu werten. Im Umweltbereich sei ein Pkw »nur unter bestimmten, ungünstigen Konstellationen«293 schadhaft – bei seltenen Wetterlagen, hohem Verkehrsaufkommen oder gesundheitlichen Vorschädigungen der Betroffenen. Neben Fabriken, Kraftwerken und Hausbrand­ öfen sei das Auto als nur eine von vielen Quellen für die Schadstoffbelastungen der Luft verantwortlich.294 Die offizielle Verbandslinie delegierte die Verantwortung somit an infrastrukturelle Versäumnisse der öffentlichen Hand und ein unsensibles Verhalten der Verkehrsteilnehmer. Offenbar orientiert an dem kooperativen Planungsideal der staatlichen Wirtschaftspolitik richtete sich ihr Plädoyer auf eine konzertierte Aktion für die Verkehrspolitik. Es müsse das Ziel sein, öffentliche und private Interessen zu synchronisieren und das Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie durch ein Zusammenwirken aller Akteure zu entschärfen, betonte der VDA-Chef Diekmann.295 Sinnvoll könne dies nur mit Hilfe »eines Stufenplanes geschehen, der – zeitlich gestaffelt und unter Berücksichtigung der für Bund, Länder, Gemeinden, Industrie, Fahrzeughalter und Privathaushalte entstehenden finanziellen Belastungen – den erwünschten Zustand in vertretbarer Zeit zu erreichen gestattet.«296 Im Rahmen eines solchen Lastenverteilungsprogramms, lautete diese dritte Argumentationslinie, sei die Automobilwirtschaft jederzeit zu 290 Diekmann, Verkehr, S. 136. 291 VDA , Jahresbericht 1972/73, S. 46. 292 Tilly, Zeiten, in: Reitmayer / Rosenberger (Hrsg.), Unternehmen, S. 229. 293 Beide Zitate: VDA , Verkehr, S. 15. 294 Vgl. ebd. 295 Vgl. Diekmann, Verkehr, S. 134. 296 VDA , Verkehr, S. 16.

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freiwilligen Initiativen bereit. Man arbeite daran, durch eine bessere Fahrzeugtechnik einen Beitrag für eine sichere und umweltfreundliche Automobilität zu leisten. Der Verband nahm damit Anfang der 1970er Jahre eine versöhnlich-kooperative Haltung ein. Mit dem Angebot zur Selbstverpflichtung verbanden sich allerdings eigene Erwartungen an die politischen Entscheidungsträger. Sie sollten von weiteren Regulierungen absehen und berücksichtigen, dass die Ingenieure vor allem Zeit benötigten, um die Lärm- und Abgasemissionen zu senken. Zudem erhoffte man sich ein klares Bekenntnis zur Individualmotorisierung. Geradezu beschwörend ließ der VDA verlauten: [Es bestehe] kein Anlass, angesichts der Probleme […], in emotionale Auseinandersetzungen auszuweichen und nach dirigistischen, die Freiheit des Einzelnen beschränkenden Lösungen zu rufen. Bei einem vernünftigen Zusammenwirken aller Bereiche, die auf den Straßenverkehr Einfluss haben, besteht durchaus die Hoffnung, dass es uns mit einem vertretbaren Aufwand gelingt, die hohen Unfallzahlen zu senken, das Abgas- und Geräuschverhalten der Automobile zu verbessern und eine angemessene Infrastruktur für das sichere und umweltfreundliche Automobil zu schaffen. Freilich sind alle diese Ziele nur in einer wachsenden, nach internationalen Maßstäben leistungsfähigen Wirtschaft zu erreichen. Wer Reformen anstrebt, sollte daher nicht vergessen, dass in diesem Wachstumsprozess – man mag es nun bedauern oder nicht – die Automobilindustrie und die Kraftverkehrswirtschaft einen entscheidenden Platz einnehmen.297

Die PR-Arbeit des Verbandes konzentrierte sich darauf, alle Instrumente der Lobbyarbeit in diese Richtung auszubauen. Als Novum notierte der VDA, dass er ab Herbst 1971 Aussprachen mit den drei Bundestagsfraktionen organisieren konnte, in denen man sich über die gegenseitigen Erwartungen auszutauschen vermochte. Die Bemühungen, den Kontakt zu den politischen Entscheidungsträgern zu stärken, unterstützte die seit Jahresbeginn 1972 erscheinende Informationsbroschüre autotelegramm. Sie wurde an alle Abgeordneten des Bundestages und der Landtage verteilt und enthielt Stellungnahmen zu tagesaktuellen Themen der Automobilität und Verkehrspolitik. Schon die erste Ausgabe diskutierte ein breites Spektrum von Reformplänen von der Umstellung der KfzBesteuerung, über die Einführung von Geschwindigkeitsbegrenzungen bis hin zur Förderung des öffentlichen Personennah- und -fernverkehrs.298 Bestehende Publikationsreihen passte der VDA an. So enthielten die Jahresberichte ab 1971 die neuen Abschnitte ›Sicherheit‹ und ›Umwelt‹, in denen für die Branchenunternehmen Informationen über technische Konstruktionsrichtlinien auf nationaler und internationaler Ebene zusammengestellt wurden.299 Nach der Ölpreiskrise änderten sich Stil und Gestaltung abermals. Die Jahres297 Diekmann, Verkehr, S. 139. 298 Vgl. VDA , Jahresbericht 1971/72, S. 102. Auf diese Indizien verweist Tilly, Zeiten, S. 230. 299 Vgl. VDA , Jahresbericht 1970/71.

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berichte trugen nun den kurzen Titel auto und richteten sich mit allgemeinverständlichem Kommentarteil zu den Themen ›Auto und Wirtschaft‹, ›Auto und Staat‹, ›Auto und Gesellschaft‹, ›Auto und Energie‹ sowie ›Auto und Verbraucher‹ nun nicht mehr nur auf die Selbstunterrichtung der Mitgliedsfirmen, sondern vielmehr nach außen. So erklärte die Ausgabe 1976: »Mit diesem Bericht möchte die Automobilindustrie die Öffentlichkeit auf die vielfältigen Probleme aufmerksam machen, denen sie sich gegenübersieht. Der Bericht […] soll gleichzeitig um Verständnis für die Anliegen dieses Industriezweiges werben.«300 Auch die VDA-Mitteilungen, die eigentliche Mitgliederzeitschrift, richteten sich mehr und mehr auf die Außenkommunikation. Eine Sonderseite ›Argumente‹ dokumentierte ab 1972 speziell die sozial- und gesellschaftspolitische Stimmungslage. Sie lieferte den Presse- und Öffentlichkeitsabteilungen der Hersteller Empfehlungen, um ihre Position gegenüber »Gegnern des bestehenden gesellschaftlichen Systems«301 zu verteidigen. Ganz unter dem Eindruck der sich verändernden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stand auch die wichtigste PR-Veranstaltung des Automobilverbandes, die Frankfurter Automobilmesse. In den 1960er Jahren war die in einem zweijährigen Turnus organisierte Veranstaltung zu einem Fenster des Motorisierungsbooms avanciert. 1971 sagten Verband und Hersteller die Messe erstmals in Friedenszeiten ab. Als Begründung führte eine gemeinsame Presseerklärung die ungünstige Kosten- und Ertragslage an, die die Branche zum Sparen zwinge. Angesichts der Herausforderungen sehe man sich veranlasst, die Werbeausgaben besser in den Ausbau von Ingenieurskapazitäten fließen zu lassen. »Gerade heute, da so entscheidende Probleme wie Umweltschutz und Verkehrssicherheit auf die Automobilindustrie zukommen«, setze man statt einer Präsentation des Erreichten auf eine entschlossene Weiterentwicklung des Pkw-Angebots.302 Ganz sicher fehlten der Autoindustrie nicht die Mittel, um die allein schon durch die Eintrittskarten refinanzierte Messe durchzuführen. Die Absage kam vielmehr einem gezielten symbolischen Protest gleich, mit dem man eine »ganz persönliche Grußadresse an die ungeliebte Regierung«303 entsandte. Aus der Rückschau ist der Verzicht auf die IAA als Indiz für die zunehmende Schärfe der Auseinandersetzungen zu werten. Zugleich dokumentierte sich aber auch eine große Unsicherheit, wie die Öffentlichkeitsarbeit mit dem Meinungswandel umgehen sollte. Die Unternehmen konnten 1971 noch keine Fahrzeuge vorstellen, die der Autokritik mit adäquaten Sicherheits- und Umweltfeatures Rechnung trugen. Vor diesem Hintergrund befürchteten sie mit einer Messe, auf der man 300 VDA , Jahresbericht auto 1975/76, S. 6. 301 VDA , Mitteilungen, Monatshefte 1972; VDA , Jahresbericht 1971/72, S. 103. 302 Presseerklärung des VDA vom 20.1.1971, hier zit. nach Rupert Stuhlemmer, 50 Automobil-Ausstellungen in Deutschland, 1897–1983, Frankfurt / M. 1983, S. 27. 303 Art. »Aus der Zauberkiste«, in: Der Spiegel vom 25.1.1971, S. 23. Ähnlich kommentierten FR und FAZ .

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nur die gewohnt leistungsstarken Pkw würde präsentieren können, den Skeptikern neue Angriffsflächen zu bieten. Intern kam die Absage einem Eingeständnis gleich, dass die bestehenden Sortimente nicht mehr zeitgemäß erschienen. Nach außen wurde der Schritt jedoch geschickt als PR-Maßnahme instrumentalisiert. Es bot sich die Gelegenheit, mittels einer breiten Medienkampagne, Aufmerksamkeit für die Probleme der Branche zu erheischen und den ›Schwarzen Peter‹ der Politik zu zuschieben.304 1973 fand die IAA in einem neuen Gewand statt. Erstmals wurden öffentliche Diskussionsveranstaltungen, in denen verkehrs-, wirtschafts- und gesellschaftliche Fragen der Zeit aufgegriffen wurden, in das Messeprogramm integriert. Erklärtes Ziel der Organisatoren war es, der Branche eine Plattform zu bieten, um ihre Standpunkte zu erläutern, kursierende Fehlinformationen zu beheben und die Debatte zurück in sachliche Bahnen zu lenken.305 Thematisch konzentrierte sich die IAA unter dem Motto ›Mit dem Auto in die Zukunft‹ darauf, die Entwicklungsperspektiven auf dem Weg zu einem umweltfreundlichen Massenverkehrsmittel zu dokumentieren.306 Über den Erfolg ihrer Bemühungen zeigten sich die Unternehmen nach Messeende ernüchtert. Das überwiegend negative Echo in der Öffentlichkeit lasse nur den Schluss zu, dass es »nur begrenzt gelungen ist, dem Motto der IAA […] gerecht zu werden«307, urteilte der BMW-Vorstand. Die Befürchtung, neue Debatten zu provozieren, war jetzt Realität geworden. Mit wenigen Ausnahmen – wie der neuen Modellgeneration von VW – missbilligten Publikum, Politik und Fachpresse die Konfiguration der deutschen PkwModelle und verwiesen auf die nun offensichtlichen Programmlücken kleiner, verbrauchsarmer Fahrzeuge.308 Sorgen bereitete der Branche weniger die Produktkritik als die Frontstellung mit der Politik, die sich im Umfeld der IAA entlud. Das Benzin-Bleigesetz und das Umweltprogramm von 1971 hatten die Industrievertreter noch argwöhnisch, aber größtenteils sachlich kommentiert. In den Vorgaben für eine langsame Absenkung der Emissionen erkannte man einen gemäßigten Regierungskurs, der den Vorstellungen eines gemeinsamen Stufenplans nahekam.309 Bereits 1972 stieg die Fieberkurve der Debatten aber deutlich an, als u. a. die Themen Tempolimit, Gurtpflicht, Kfz- und Mineralölbesteuerung, Auflösung der Preisbindung und der Ausbau des ÖPNV auf die Agenda der Verkehrs- und Umweltpolitik drängten. Das kurz vor der Messe 1973 veröffentlichte Kursbuch Der Mensch hat Vorfahrt sorgte für eine weitere Zuspitzung der Konflikte.310 In seiner Eröffnungsrede 304 Vgl. Schönhammer, Kulturwandel, in: Allesch / Billmann-Mahecha / Lang (Hrsg.), Aspekte, S. 187 f. 305 Vgl. VDA , Jahresbericht 1972/73, S. 46. 306 Vgl. Schönhammer, Kulturwandel, in: Allesch / Billmann-Mahecha / Lang (Hrsg.), Aspekte, S. 188. 307 BMWGA , UA 851, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 24.9.1973, S. 3. 308 Vgl. die Stellungnahme: ebd. 309 Vgl. Goebel, Anpassung, S. 106. 310 Vgl. Lauritzen, Mensch.

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erneuerte der Bundesverkehrsminister Lauritzen sein Bekenntnis zu ordnungspolitischen Reglementierungen. Erstmals stellte die Regierung das Konzept Individualverkehr ganz grundlegend in Frage. Die Autokonzerne verurteilten dies als offene Kampfansage und Zeichen einer »amtlichen Automobilfeindlichkeit«311. Der VDA griff die Regierung auf breiter Front an, unterstellte ihr den Drang zur »Sozialisierung« privater Lebensbereiche zur »staatlichen Bevormundung […] auf dem Weg in eine kommandierte Gesellschaft.«312 Es bestehe die Gefahr, dass sich der Staat von systemkritischen Kräften instrumentalisieren lasse, wenn er auf dem Rücken von Millionen von Autofahrern »weltanschauliche Theorien zum Durchbruch verhelfe.«313 Kurz vor dem Ölpreisschock versteifte sich die Industrie weiter auf Verschwörungstheorien. Sie sortierte ihre Umwelt in automobilfreundliche und -feindliche Gruppen. Auf der einen Seite standen die Autonutzer, deren Konsum- und Freiheitsbedürfnisse sie bediente. Auf der anderen Seite wähnten sie die Autogegner, die »mit verschwommenen Vorstellungen kollektiver Bedürfnisbefriedigung […] eine Art konzertierter Aktion gegen das Automobil in Gang […] setzen.«314 In einer Zeit, in der viel über die von der Wirtschaft »›manipulierte Gesellschaft‹ geschrieben und gesprochen wird«, hätten es Verbraucherschützer, System­ kritiker und linke Alternative geschafft, die öffentliche Meinung mit ihrer »Anti-Auto-Hysterie« zu infizieren. Umso mehr die Differenzen über die Zukunft des Automobils offensichtlich schienen, desto offener unterstellte man der sozialliberalen Regierung Populismus und ideologische Verbissenheit.315 Die ursprünglich sachliche Krisen-PR verwandelte sich zu einer konfronta­ tiven Verteidigungsstrategie. Dieser Umschwung war nicht nur in der Automobilindustrie spürbar, wie jüngst Werner Kurzlechner feststellte. Die deutschen Manager wiesen die in der Öffentlichkeit kursierende Kritik an einer mangelnden Modernität ihrer Betriebsleitungs- und Marktbearbeitungsstrategien zurück. Mit einer offensiven PR-Strategie stilisierten sie die Unternehmerkritik zu einem Fundamentalangriff auf die freie Marktgesellschaft.316 VW-Chef Leiding machte im Spiegel eine »Mode gewordene Verteufelung und Verketzerung des Automobils«317 aus. Die Vorstände von Kuehnheim (BMW) und Zahn (Daimler-Benz) erkannten künstliche »Störgrößen« und »politische Nackenschläge« gegen die man sich »mit Zähnen und Klauen« verteidigen müsse.318

311 Vgl. Tilly, Zeiten, in: Reitmayer / Rosenberger (Hrsg.), Unternehmen, S. 220. 312 BAB , 102/77728, Stellungnahme der Automobilindustrie zum Konzept des Bundes­ ministers für Verkehr vom 12.6.1973. 313 VDA , Jahresbericht 1972/73, S. 5 314 Diekmann, Verkehr, S. 133. 315 Alle Zitate des Absatzes aus ebd.; VDA , Jahresbericht 1971/72, S. 104. 316 Vgl. Kurzlechner, Semantik, S. 289 f. 317 Art. »Überall Gedränge und Geschubse«, in: Der Spiegel vom 10.5.1973, S. 54. 318 Art. »Ein Einheitsauto ist das Ende«, in: WirtschaftsWoche vom 1.3.1974, S. 77; Art. »Mit Zähnen und Klauen verteidigen«, in: WirtschaftsWoche vom 20.6.1975, S. 34.

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Kaum weniger eindrücklich verdeutlicht ein Kommentar der VW-Öffentlichkeitsabteilung die Sicht der Industrie: Stünden wir in der Automobilindustrie nicht allzu oft im Kreuzfeuer unberechtigter Kritik, wir könnten uns beinahe amüsieren über die vielen pseudomenschenfreundlichen Aktionen, die sich derzeit wieder einmal gegen das Auto richten. Da entdecken leidenschaftliche Gesetzesmacher ganz urplötzlich eine Flut von Sicherheits- und Antiabgasgesetzen zu fordern; und schießen nicht selten weit über das von unabhängigen Wissenschaftlern für vernünftig gehaltene Ziel hinaus. Ein Mr. Nader hat es sich zur fixen Idee werden lassen, Autos zu bekämpfen wie Krankheitskeime. Übereifrigen Umweltschützern erscheinen in Albträumen lauter giftspeiende Auspuffrohre. Und Stadtväter, denen das Geld für einen mittelmäßigen Straßenbau fehlt, haben plötzlich welches, um schwach besetzte Massenverkehrsmittel [zu fördern]; nicht aus sozialer Einsicht, sondern als Anti-Auto-Pille.319

Der Umstand, dass die Kunden die öffentlichen Verkehrsmittel nicht annehmen würden, so die PR-Profis von VW weiter, sei ein eindeutiger Beweis, dass »der Pkw das Verkehrsmittel des Individualisten ist und bleibt, und […] dass unsere Massengesellschaft doch noch nicht so vermasst – oder vermasselt? – ist.«320 2.2.2 Zurück zum Konsens Auf den ersten Blick überraschend entschärften sich die Auseinandersetzungen mit dem Einsetzen der Ölpreiskrise. Die ambitionierten Umweltziele der Regie­ rung rückten angesichts der wirtschaftlichen Krise deutlich nach hinten. Zwar griffen die symbolischen Sonntagsfahrverbote und Geschwindigkeitsbeschränkungen kurzfristig und rigoros in den Individualverkehr ein. Die ad hoc-Maßnahmen verloren gegenüber den gesamtwirtschaftlichen Stabilisierungsbemühungen aber rasch an Legitimation, als ihre vordergründige Aufgabe der Verbrauchssenkung im Frühjahr 1974 obsolet erschien. Die Sorge um das ökonomische Wohlergehen der Schlüsselbranche machte es der Automobillobby leicht, ihre Argumente in der öffentlichen Meinungsbildung wieder stärker zum Tragen zu bringen. Bei einem Weihnachtsessen mit führenden Vertretern aus Politik und Medien forderte der Daimler-Benz-Direktor Zahn alle Beteiligten auf, »wieder ein Klima des Vertrauens zu schaffen«, das den Konsumenten nicht weiter vom Kauf eines Automobils abhalte. Sein Forderungskatalog umfasste: 1. Wieder sachliche Verkehrsdiskussion anstelle ständiger Polemik gegen das Auto; 2. Keine weiteren Maßnahmen zur Verteuerung der Autohaltung; 3. Keine […] Einengung der Konstrukteure und Autofahrer durch Reglementierungen jeglicher Art; 319 UVW, Bestand Werkszeitung [ohne Signatur], Art. »Der Nulltarif killt keine Autos«, in: autogramm 2/1972 vom 8.5.1972, S. 1. 320 Ebd.

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4. Beseitigung des verbreiteten Misstrauens, dass die Geschwindigkeitsbegrenzungen auf den Autobahnen auch nach der Energiekrise von Dauer sein könnten.321

Zahn forderte ein deutliches Signal der Regierung, dass sie angesichts der Branchenkrise ihre automobilfeindliche Politik aufgebe und sich »durch ein Wort des Verkehrsministers« oder besser »ein klares Wort des Bundeskanzlers« zum Individualverkehr bekenne.322 Tatsächlich folgte auf den Schlagabtausch in den Jahren 1972 und 1973 eine Phase der Restabilisierung des automobilen Konsenses. Letztlich bis zur Waldsterbendebatte ab Mitte der 1980er Jahre gab sich der Gesetzgeber zwar nicht um jeden Preis einem die Automobilität forcierenden Kurs hin, enthielt sich aber weitgehend von weiteren Eingriffen. Es wäre dennoch falsch zu behaupten, dass sich die Kritik gänzlich aus der Diskussion verbannen ließ. Auf dem Weg zum Massengebrauchsgut hatte das Automobil seine ökologische Unschuld verloren. Der Makel kollektiver Folgekosten blieb im Bewusstsein von Politik und Öffentlichkeit erhalten.323 Die Kritik pflanzte sich fort, wenn auch formverändert und nicht mehr allein von einer »umweltbewussten Minderheit innerhalb der Funktionseliten«324 getragen. Die aus kollektiven Bedürfnissen geborene Sicherheits- und Umweltsensibilität übertrug sich im Zuge des Ölpreisschocks auf die Käuferwünsche. Zwar fokussierten sich die Interessen der Konsumenten primär unter finanziellen Erwägungen auf eine verbesserte Wirtschaftlichkeit der angebotenen Pkw. Die Senkung des Verbrauchs implizierte aber positive Effekte im Hinblick auf die Ressourcen- und Umweltschonung. Für die Unternehmen erwuchsen aus abstrakten gesamtgesellschaftlichen Ansprüchen sehr konkrete Kauferwartungen. Es blieb eine wettbewerbsstrategische Notwendigkeit, auf das öffentliche Meinungsbild einzuwirken und daraus resultierend Imagepflege zu betreiben. Wendet man den Blick vom politischen Lobbyismus auf die mittelbaren Media Relations und die unmittelbaren Public Relations, zeigen sich auf der Unternehmensebene nachhaltige Strategie- und Perspektivverschiebungen. Im Bereich der Medienarbeit mahnten die zuständigen Betriebsabteilungen an, die Vorstellung ad acta zu legen, die Presse zur Lenkung der öffentlichen Meinungen instrumentalisieren zu können. »Die Zeiten des ›Champagnerjournalismus‹ in der Automobilindustrie sind vorüber«325, urteilte ein Konzeptpapier zur Neugestaltung der Pressearbeit bei BMW 1975, »echte Information und Willen zur Kooperation«326 seien die Leitlinien, an denen man sich orientieren wollte. 321 HAD, Energiekrise 197, Textentwurf für die Ausführungen Dr. Zahn beim Weihnachtsessen am 19. Dezember, speziell im Hinblick auf die Energieknappheit vom 4.12.1973, S. 4. 322 Ebd. 323 Zur ›ökologischen Katerstimmung‹: Klenke, Stau, S. 96. 324 Ebd., S. 88. 325 BMWGA , UA 936, Pressearbeit bei BMW, Konzeption 1975, S. 11. 326 Ebd.

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In dieser Schlussfolgerung schwang keineswegs ein Bedauern mit. Äußerst reflektiert analysierte die Studie, wie die Strukturveränderungen des Medienmarktes auf die Kommunikationsbeziehungen zwischen Unternehmen und Umwelt einwirkten. Die kritischere Haltung gegenüber unternehmerischen Einflussnahmen wurde nun als Ausdruck einer an sich begrüßenswerten gesellschaftlichen Demokratisierung gewertet. Das Firmenmarketing habe sich darauf einzustellen, dass die Skepsis gegenüber den einseitigen Werbetaktiken ausgehend von der Systemkritik der ›neuen Linken‹ mittlerweile tief in die Gesellschaft eingedrungen und zum Bestandteil eines grundlegenden Wertewandels avanciert sei, der sich nicht mehr zurückdrängen lasse. Eine unreflektierte Kenntnisnahme von Firmeninformationen sei durch PR nicht mehr zu erreichen: »Kritisches Wohlwollen ist das Optimum«327 – und selbst dies nur dann, wenn sich die Unternehmen aufrichtig der Öffentlichkeit zuwenden würden. Eng mit dem Befund der kritischen Gesellschaft verband sich das Bild einer zunehmend informierten Gesellschaft.328 Dezidiert griff die BMW-Presseabteilung die Thesen zeitgenössischer Kybernetiker und Informationswissenschaftler, wie Gernot Wersig und Karl Steinbuch, auf. Sie proklamierte das Anbrechen eines »Zeitalters der pluralistischen Massendemokratie«329, welches auf den Fundamenten einer neuen Informationsgesellschaft fuße. In einer Gesellschaft, in der die Zahl der Multiplikatoren der öffentlichen Meinungsbildung zunahm, bestehe für die Konsumenten die Option, Qualität und Wahrheitsgehalt von jedweder Botschaft kritisch abzuwägen. Daraus leitete BMW abermals die Vorstellung einer Kommunikationskonkurrenz ab, die die Öffentlichkeitsarbeit in einen dialogischen Austausch zwinge. »Die ›informierte Gesellschaft‹ lässt sich nicht mehr mit taktischen Schachzügen abspeisen«, folgerte BMW und schloss ein Plädoyer für die Pressefreiheit an: »Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe, indem sie Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung bezieht, Kritik übt und damit an der demokratischen Meinungsbildung mitwirkt. Die Presse ist nicht käuflich.«330 Diese Neubewertung der Pressearbeit war keineswegs ein firmenspezifischer Einzelfall. Unter dem nahezu paradigmatischen Titel »Kein X für ein U vormachen. Möglichkeiten und Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit«331 positionierte sich etwa die VW-Öffentlichkeitsarbeit in der Firmenzeitschrift autogramm neu. Auch sie mahnte einseitige Kommunikationsstrategien zu überdenken. Dabei 327 Ebd., S. 5. 328 Vgl. ebd. 329 BMWGA , UA 936, Pressearbeit bei BMW. Konzeption 1975, S. 11. Vgl. Karl Steinbuch, Die informierte Gesellschaft. Geschichte und Zukunft der Nachrichtentechnik, 4. Aufl., Stuttgart 1970; Gernot Wersig, Informationssoziologie. Hinweise zu einem informa­ tionswissenschaftlichen Teilbereich, Frankfurt / M. 1973. 330 BMWGA , UA 936, Pressearbeit bei BMW. Konzeption 1975, S. 11. 331 UVW, Bestand Werkszeitung [ohne Signatur], Art. »Kein X für ein U vormachen. Die Möglichkeiten und Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit«, in: autogramm 2/1975 vom 28.2.1975, S. 6.

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ging der Bericht sogar so weit, auf die Deformationen zu verweisen, die der deutschen Gesellschaft durch die staatlich gelenkte Pressepropaganda in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden waren. Im Gegensatz dazu zeige die berechtigte Diskussion um die Automobilität, dass aus der Bundesrepublik nun ein wachsender demokratischer Staat geworden sei: »Darin erfüllt die Presse eine öffentliche Aufgabe, indem sie zu Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt und auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt. […] Die deutsche Publizistik […] ist vielmehr in hohem Maße frei. Für unsere Betrachtung folgt daraus, dass die Institutionen in diesem Staat – Unternehmen zumal – Journalisten nicht als Angestellte, Propagandisten oder Befehlsempfänger betrachten können. Journalisten müssen für uns vielmehr gleichrangige Gesprächspartner sein, von denen wir wissen, dass sie in ihren Zeitungen letztlich das schreiben, was sie selber für richtig halten.332

Es ist deutlich zu erkennen, dass die betrieblichen PR-Spezialisten der Presse eine neue Rolle zuwiesen. Die Medien galten nicht mehr als passive Informationsvermittler, sondern als aktive Mitgestalter des öffentlichen Meinungsbildes. Dies umschloss einerseits eine Filterfunktion innerhalb des Kommunikationsflusses, andererseits die Fähigkeit, durch eine besondere Gewichtung in der Berichterstattung die Aufmerksamkeit der Rezipienten auf spezifische Themen zu lenken. Die Unternehmen adaptierten damit das in der empirischen Kommunikationsforschung der frühen 1970er Jahre populäre Modell des Agenda-Setting.333 Die von den PR-Abteilungen offenbar breit rezipierten wissenschaftlichen Belege für eine Korrelation zwischen Medienberichterstattung und öffentlicher Diskussion wirkten nachhaltig auf die Kommunikationsstrategien ein, da sie letztlich nur die praktischen Erfahrungen bestätigten, die die Unternehmen selbst gemacht hatten. 1974 konstatierte die BMW-Presseabteilung: Die Macht der Massenmedien ist jedem bewusst. Es gibt keine effektvolleren Meinungsmacher […]. Zwei, drei systematisch negative Artikel […] besitzen eine Aussageund Überzeugungskraft, die von keiner noch so gut gemachten Anzeigenkampagne und von keiner noch so glanzvollen Automobilausstellung je erreicht wird.334

Nüchtern betrachtet waren den Unternehmen die Grenzen ihres eigenen Einflusses aufgezeigt worden. Der Umstand, dass die Presse in betriebsinternen Analysen nun auffallend häufig als »vierte Gewalt«335 im Staat bezeichnet wurde, zeigt, wie ernst man sie nun als aktiven Spieler der Imagebildung nahm. Man mag dies skeptisch als eine erzwungene Akzeptanz werten. In dem Bewusstsein, die 332 Ebd. 333 Vgl. McCombs / Shaw, Agenda-Setting, S. 176–187. 334 BMWGA , UA 936, Pressearbeit als Instrument der BMW Public Relations. Ein Arbeitspapier, o. Dat. [1974], S. 41. 335 UVW, Bestand Werkszeitung [ohne Signatur], Art. »Kein X für ein U vormachen. Die Möglichkeiten und Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit«, in: autogramm 2/1975 vom 28.2.1975, S. 6.

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Imagekrise nur in Kooperation mit den wichtigen Meinungsführern korrigieren zu können, erschien ein wertschätzendes Bekenntnis zur Mediendemokratie unverzichtbar. Positiv gewendet mag man derartige Stellungnahmen aber auch als Indiz werten, dass sich die Unternehmen auf einen Prozess der inneren Demokratisierung der Bundesrepublik einließen.336 Fast schon als Vorausgriff auf die später von Ulrich Beck formulierten Thesen der Risikogesellschaft äußerte die VW-Werkszeitung, dass sozioökonomische Zusammenhänge mit dem Übergang zu Massenproduktion und -konsumtion kaum mehr überschaubar seien. Information sei der einzige Weg für den modernen Menschen, die Entwicklungen zu verstehen. Dies gelte für kollektive Umweltfolgen der Massenproduktion ebenso wie für die symbolische Wirkung von Kaufentscheidungen. Die neue Komplexität der Warenwelt evozierte in diesem Deutungsbild vielschichtige Orientierungsprobleme. Mithin werteten die PR-Fachleute es als gerade natürlich, dass sich in Krisenzeiten das »Verlangen nach sachlichem und verständlichem Informationsaustausch […] als echtes Lebensbedürfnis« entwickelte. »Es kann kein Zweifel bestehen, die Öffentlichkeit will heutzutage wissen was ist. […] Sie will Ursachen und Wirkungen erfahren, und zwar nicht nur von guten, sondern gerade auch von schlechten Nachrichten.«337 Auf der Grundlage dieser Situationsanalyse forderten die Öffentlichkeitsabteilungen einen Paradigmenwechsel in der betrieblichen Kommunikation. Die Firmenberichterstattung habe sich nicht allein an den Geschäftszielen, sondern an der Informationspflicht gegenüber der Öffentlichkeit zu orientieren. Umso mehr die Gesellschaft Aufklärung einfordere, habe man sich auf einen »umfassenden und wahrheitsgetreuen Austausch«338 einzulassen. Zum neuen PR-Stil sollte dabei zählen. öffentliche Konfliktfelder offen anzusprechen. Ab dem zweiten Drittel der 1970er Jahre drängten die Presse- und Öffentlichkeitsabteilungen mit diesem Argument massiv auf eine Ausdehnung ihrer betrieblichen Kompetenzen. Das eigentliche Problem, konstatierte z. B. die BMW-Presse­ abteilung 1974 selbstkritisch, bestehe nicht in den gesellschaftlichen Umbrüchen, sondern in offensichtlichen Mängeln der bisherigen Kommunikationskonzepte, diesen Wandel wahrzunehmen und auf ihn zu reagieren: »Was jedoch – fachlich ausgedrückt  – eine ernsthafte und fundierte Beziehungsnahme zum sozialen Umfeld sein müsste, ist hier [in diesem Hause] zumeist eine in den Anfängen stecken gebliebene Öffentlichkeitsarbeit.«339 Besonders harsch waren die Seitenhiebe der Kommunikationsabteilungen von VW und Daimler-Benz gegenüber althergebrachten Taktiken ihrer Geschäftsleitungen, »die Öffentlichkeit gelegentlich benutzen zu wollen, um bestimmte kommerzielle Ziele durchzusetzen und defensiv zu reagieren, wenn sich negative Entwicklungen abzeichnen […]. Öffentlichkeitsarbeit muss als Dauerleistung 336 Vgl. Wolfrum, Demokratie, S. 315. 337 UVW, Bestand Werkszeitung, »Kein X«, S. 6. 338 Ebd. 339 Ebd., Pressearbeit bei BMW. Konzeption 1975, S. 12.

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betrieben werden. Die für diese Arbeit […] Verantwortlichen dürfen nicht mit Kosmetikern verwechselt werden. Sie sind vielmehr Fachleute für das Know How des Informationsaustausches. […] Heimlichtuerei weckt nur Schuldvermutungen. Klare Auskünfte dagegen töten Gerüchte und Halbwahrheiten.«340 Wie schwierig es für die untergeordneten Ressorts sein konnte, ihre Ideen einer offensiven Kommunikation gegen innerbetriebliche Vorbehalte durchzusetzen, zeigt das Beispiel Daimler-Benz. Unter dem Eindruck der Ölpreiskrise beauftragte der Vorstand im Herbst 1973 eine Arbeitsgruppe, mit einer kombinierten Marketing-PR-Offensive gegen die Ressentiments einzuschreiten. Allerdings wurden die bereits vorbereiteten Presseerklärungen und Aktionskonzepte auf oberster Ebene wieder verworfen. Stattdessen reduzierte der Vorstand die Pressearbeit auf ein Minimum. Es könne nicht »Ziel der Öffentlichkeitsarbeit unseres Hauses sein, Schwierigkeiten zu dramatisieren oder durch eigene Aktivitäten gar erst bewusst zu machen.«341 Diese Haltung traf auf vehementen Widerstand der progressiven Experten in der Presseabteilung. Sie wiesen mahnend auf die Gefahr hin, dass die Öffentlichkeit das Schweigen nicht mehr als Unangreifbarkeit eines Branchenprimus, sondern als »schuldbewusste Sprachlosigkeit«342 auslegen würde. Tatsächlich wirkte sich die zurückhaltende Informationspolitik mittelfristig negativ aus. Im April 1976 meldete die Unternehmenskommunikation, dass sich selbst langjährige Kontaktpartner über eine »mangelnde Information über Hausinterna, innerbetriebliche Vorgänge, sozialpolitische und gesellschaftspolitische Aktivitäten des Hauses«343 beschwerten. In der Folge wandte sich Daimler-Benz einer offeneren Medienstrategie zu. Trotz gradueller zeitlicher Differenzen bleibt festzuhalten, dass sich die Kommunikationspraktiken spätestens ab Mitte der 1970er Jahre an Prinzipien einer »inversen Public Relations«344 ausrichteten  – ein Schritt, der von der Theorie schon lange eingefordert und in anderen Branchen längst verankert war.345 Die Unterlassung bewusster Täuschungsversuche sowie der Verzicht auf polemische Angriffe gegenüber den Medien waren nur zwei der Grundregeln für den Strategiewechsel. Eine dritte Leitlinie der Krisen-PR bildete die Selbstver340 Ebd., Bestand Werkszeitung, »Kein X«, S. 6. 341 HAD, Zahn / HS Raue 236, Schreiben an die Mitglieder des Vorstandes vom 20.11.1973. Vgl. auch die vorhergehende Korrespondenz in: ebd., Energiekrise 197, Schreiben des Leiters der Presseabteilung H. G.  Kloos an Heinz Schmidt vom 6.11.1973 sowie ebd., Schreiben an Heinz Schmidt betr. Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit anlässlich schwieriger werdender Kraftstoff-Versorgung vom 6.11.1973. Siehe bereits Ingo Köhler, Marketingmanagement als Strukturmodell. Der organisatorische Wandel in der deutschen Automobilindustrie der 1960er bis 80er Jahre, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 53, 2008, S. 216–239. 342 HAD, Zahn / HS Raue 236, Werbung im Zeichen der Ölkrise, Bericht Werbezentrale vom 19.12.1973, S. 3. 343 Ebd., Zahn / HS , Langeck 384, Schreiben von Heinz Schmidt an Langeck vom 14.4.1976, hier zit. nach Hilger, ›Amerikanisierung‹, S. 265. 344 Hartmann, Gutachten, S. 105. 345 Vgl. Kleinschmidt, Blick, S. 204 f.

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pflichtung auf die neue »Grundwahrheit unseres Metiers: ›Agieren ist besser als reagieren‹«346. Um das verlorene Vertrauen der Öffentlichkeit in die Leistungen der Unternehmen zurückzugewinnen, setzte die Branche auf hohe Präsenz in den meinungsbildenden Medien. In der Leitbild- und Absatzkrise erhöhte sich der Umfang von Interviews und Stellungnahmen führender Firmenvertreter.347 Die BMW-Presseabteilung bezeichnete die »qualitative und quantitative Verbesserung der gedruckten Informationen« als eine unverzichtbare »erste Stufe von Sofortmaßnahmen.«348 Konkret verkürzte sie die zeitlichen Abstände, in denen man mit Pressemitteilungen an die Öffentlichkeit trat. Daneben richtete sie einen regelmäßigen Artikeldienst Story of the Month ein, um Stellungnahmen des Unternehmens zu aktuellen gesellschaftlichen Debatten liefern.349 Neu war auch, die Informationsangebote inhaltlich auf die Schwerpunkte der jeweiligen Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen anzupassen. Die Kommunikationsmittel wurden erstmals nach einem ziel- und themengruppenspezifischen Verteiler an die Automobil-, Wirtschafts- und Boulevardpresse versandt.350 Mithin wandelte sich auch ihr visuelles Erscheinungsbild. Selbst die zuvor schlicht gehaltenen Geschäftsberichte präsentierten sich nach der Ölpreiskrise als Hochglanzbroschüren. Neben den trockenen Bilanzdaten enthielten sie immer aufwendiger gestaltete Bild- und Informationsteile, die ganz offensichtlich der Imagebildung dienten.351 Parallel zum Ausbau der Pressearbeit bemühten sich die Automobilkonzerne darum, ihre Kommunikation zu systematisieren. Alle Außenkontakte des Hauses sollten zentral über die dafür zuständigen Abteilungen abgewickelt werden, forderten unisono der BMW-Vorstand und das Marketing.352 Es gelte zu vermeiden, dass sich einzelne Niederlassungen, Firmenbereiche oder Funktionsträger auf direkte Gespräche mit der Presse einließen. Zu groß erschien die Gefahr, dass divergierende Aussagen die Glaubwürdigkeit der gesamten Organisation untergraben würden.353 Jede Botschaft, die das Unternehmen verließ, sollte auf ihre Stimmigkeit mit den Kommunikationszielen überprüft werden. Die Imagekrise sorgte so für eine zentral koordinierte Informationspolitik. Oberste Priorität hatte dabei ein möglichst geschlossenes Meinungsbild nach außen. 346 BMWGA , UA 936, Pressearbeit als Instrument der BMW Public Relations. Ein Arbeitspapier, o. Dat. [1975], S. 41. 347 Vgl. Goebel, Anpassung, S. 272. 348 BMWGA , UA 936, Pressearbeit bei BMW. Konzeption 1975, S. 1. 349 Vgl. ebd. 350 Siehe ausführlich ebd., S. 1. u. 4. 351 Vgl. die Gestaltung der VW-Geschäftsberichte der Jahre 1971, 1974 und 1980. Allein ihr Umfang verdoppelte sich auf über achtzig Seiten; VW AG , Bericht über das Geschäftsjahr, Wolfsburg 1971 passim. 352 Vgl. BMWGA , UA 851, Protokoll zur Vorstandsitzung vom 26.10.1973, S. 8 f. 353 Vgl. ebd., UA 936, Pressearbeit bei BMW. Konzeption 1975, S. 12; ähnliche Stellungnahmen finden sich seit 1972 auch bei Daimler-Benz.

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Drei Voraussetzungen galt es zu erfüllen, um dieses Ziel zu erreichen: Erstens ein permanenter gegenseitiger Kommunikationsaustausch innerhalb der Unternehmen. Hierzu wurden erstmals ab Mitte der 1970er Jahre regelmäßige Treffen zwischen PR-Experten der Stammwerke, der In- und Auslandsniederlassungen sowie der Händlerorganisation organisiert. Zweitens wurde – wie gezeigt – die Marktforschung um eine gesellschaftspolitische Dimension erweitert, um die Umfeldsignale zu sammeln und zu verarbeiten. Drittens strebten die neuen Konzepte eine inhaltliche Abstimmung zwischen der Produktwerbung, der Pressearbeit sowie dem Sponsoring und Event-Marketing der Öffentlichkeitsarbeit an. Das Planungsideal des Marketing-Ansatzes integrierte nun auch die Öffentlichkeitskommunikation als Bestandteil einer geschlossenen stakeholderorientierten Managementstrategie. Deutliches Signum dieses neuen Stils waren Firmenanzeigen, die offensiv politische Statements des Unternehmens lancierten. Vorreiter auf dem Gebiet solch institutioneller ›Meinungsmache‹ war der Volkswagen-Konzern. Er initiierte ab Juli 1973 eine Werbekampagne, die allein die allgemeine gesellschaftliche Bedeutung des Automobils thematisierte. Über ein halbes Jahr lang erschien in der Bild-Zeitung wöchentlich eine Anzeige, die in großen Lettern den Sinnspruch formulierte: »Das Auto trägt zum Wohlstand bei, macht uns mobil und macht uns frei und macht Millionen Menschen satt, wie gut das man das Auto hat.« Als Mahnung an die Kritiker textete VW: »Wer das Auto bekämpft, gefährdet die deutsche Wirtschaft, gefährdet unseren Lebensstandard. Das Auto ist ein Stück Freiheit.«354 Das Statement rekurrierte auf die etablierte Verbindung von Automobilität, individueller Freiheit und volkswirtschaftlichem Wachstum. Die Anzeige zielte darauf, den Autokonsens aktiv wiederzubeleben und vor allem den Schulterschluss zwischen Produzenten und Autofahrern zu erneuern. In der hauseigenen Werkszeitung wertete VW die Aktion als »Anti-Anti-Autokampagne«355. Es sei nun Aufgabe der Unternehmen, die Stimme für die autofreundlichen Kräfte der Gesellschaft zu erheben, welche in der öffentlichen Diskussion längst nicht mehr ausreichend repräsentiert seien. Die Autoindustrie stilisierte sich zum Freiheitskämpfer und Anwalt ihrer Kunden. Das Ziel war offensichtlich: Durch eine Art Sammlungspolitik sollte ein medialer Gegendruck erzeugt werden, um drohende politische Regulierungen abzubremsen. Die Firmen sahen sich dabei als Verteidiger legitimer individueller Interessen der Bürger, der Unternehmen und nicht zuletzt ihrer Mitarbeiter. »VW [tritt] – zugegeben – für unser Produkt, gleichzeitig aber auch für die Belange der einzelnen Kraftfahrer ein«, und fügte adressiert an die Mitarbeiter hinzu: »Wir alle sollten dabei helfen!«356 Dass der Hersteller selbst die eigenen Mitarbeiter aktivierte, um sie im Alltag, in Gesprächen mit Verwandten und Freunden als Meinungsmultiplikatoren ein354 UVW, Bestand Werkszeitung [ohne Signatur], Art. »Anti-Anti-Auto-Kampagne«, in: autogramm 4/1975 vom 28.9.1974, S. 3. 355 Ebd. 356 Ebd.

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zusetzen, zeigt, wie sie sich mit den neuen komplexeren Kommunikationswegen auseinandersetzten. Der Appell an das ›Wir‹ richtete sich jedoch nicht allein nach außen, sondern vielmehr auch nach innen. Angesichts der durch die Mitbestimmungsdebatten ohnehin angespannten Stimmung zielte er darauf, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken und die spürbare Unruhe der Belegschaft wegen potentieller Erlassungen abzumildern. So lässt sich etwa auch ein weiterer Artikel der autogramm aus dem Sommer 1973 interpretieren, der den Mitarbeitern unter dem Titel »Ist das Automobil wirklich die Plage des Jahrhunderts?« eine »praktische Argumentensammlung für alle, die dem Automobil wohlgesonnen sind«, anbot. Die Vorwürfe, dass das Auto die Menschen vergifte und als »Mordmaschine« agiere, seien haltlos und übertrieben, urteilte die Zeitschrift. Da es in Zukunft dennoch immer häufiger vorkommen werde, dass »VW-Mitarbeiter als Vertreter der Automobilindustrie ihr Produkt in der Öffentlichkeit verteidigen müssen«, sei es notwendig, Hilfestellungen für die privaten Diskussionen zu geben. Wenn der Mitarbeiter im kleinen Kreis überzeugend wirke, könne er dem Unternehmen als Ganzem helfen und damit seinen Arbeitsplatz sichern.357 Setzte die Öffentlichkeitsarbeit bis zur Ölpreiskrise auf eine apologetische Strategie der politischen Schuldzuweisungen, des Relativierens und Dementierens, so schlug sie ab 1974 eine neue Richtung ein. Es zeichnete sich ein neuer Dreiklang der Außenkommunikation ab: Die Unternehmen stellten ihr soziales Verantwortungsbewusstsein heraus, präsentierten ihr Produkt als unverzichtbaren Alltagsgegenstand moderner Lebenswelten und dokumentierten schließlich ihre hohe technische Kompetenz zur Lösung aller Umweltproblematiken. In enger Abstimmung mit der Produktwerbung gehörten die Schlagwörter Sachlichkeit, Vernunft und Verantwortung zu den Kernelementen einer Strategie, die die Zukunftsfähigkeit der automobilen Gesellschaft propagierte. Den Auftakt für die PR-Offensive bildete im Frühjahr 1974 bezeichnenderweise die erste und im gesamten Untersuchungszeitraum einzige Gemeinschaftswerbung der deutschen Hersteller. »Autofahrer. Das ist unsere große Chance!«358 titelte eine von J. Walter Thompson entwickelte Branchen-Kampagne, die aus einer Serie von Print-Anzeigen, Fernseh- und Rundfunk-Spots bestand. Sie nahm die Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzungen zum Anlass, sich direkt an die Autonutzer zu wenden: Jetzt können wir selbst entscheiden, wie sicher wir fahren wollen. Setzen wir diese Freiheit nicht leichtfertig aufs Spiel. Bringen wir den Beweis, dass wir nicht für alles Vorschriften brauchen. Autofahrer, das ist unsere Freiheit. Das ist unsere Chance. Schalten wir mit dem Zündschlüssel nicht nur den Motor, sondern auch unser Herz

357 Alle Zitate nach ebd., Art. »Ist das Auto wirklich die Plage des Jahrhunderts? Eine praktische Argumenten-Sammlung für alle, die dem Automobil gutgesonnen sind«, in: autogramm 3/1974 vom 9.7.1973, S. 1 f. 358 Zit. nach Gemeinschaftsanzeige in: auto motor und sport 6/1974.

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für alle anderen Verkehrsteilnehmer ein. […] Denn: Es gibt kein Recht auf Freiheit ohne die Pflicht zur persönlichen Verantwortung.359

Mit dem Standpunkt, dass sich die Freiheit des einzelnen in der Rücksichtnahme auf die Interessen der Allgemeinheit begrenze, übernahm die Branche eine der zentralen gesellschaftspolitischen Leitlinien, die von der Reformpolitik der sozialliberalen Koalition seit den ausgehenden 1960er Jahren formuliert wurden. Wie interne Konzeptpapiere zeigen, war dieses Entgegenkommen keineswegs altruistisch motiviert. Die Haltung basierte vielmehr auf marketingstrategischer Berechnung: Nur, wenn es gelinge, die Pkw-Fahrer als omnipräsente Imageträger für das Automobil zu einem rücksichtsvollen Verhalten zu erziehen, könne man politischen Eingriffen die Legitimationsbasis entziehen. Die Betonung der Eigenverantwortung wurde so nicht nur zu einem Feigenblatt, sondern auch zu einem PR-Instrument, um den bestehenden Status quo zu erhalten. Die strategische gesellschaftsorientierte PR-Arbeit ist für die deutsche Automobilindustrie völlig neuartig, hielt Thompson gegenüber seinen Auftraggebern fest. Allen Beteiligten müsse bewusst werden, »dass Verbraucher-Information/ -Beratung das Ziel der Spots [sei] und nicht der Verkauf. Einzelinteressen müssen deshalb zurücktreten«, wenn es darum gehe »nach allzu langer Passivität […] endlich eine geschlossene und sachliche Reaktion der Automobilhersteller« auf die öffentliche Kritik zu zeigen.360 Auch wenn diese PR-Aktion einmalig blieb, markierte sie doch den Durchbruch für neue Formen der Öffentlichkeitsarbeit. Im Verlauf der 1970er Jahre ergänzten alle Hersteller ihre Produktwerbung mit Elementen einer institutionellen Imagepflege.361 Ford kombinierte die ›Linie der Vernunft‹-Produktwerbung im Sommer 1974 mit einer PR-Aktion für die Automobilität. »Das Auto macht den Menschen beweglicher. Und wir sind stolz darauf […] viel dazu beigetragen zu haben«, lautete die Aussage. Primäres Ziel des Unternehmens sei der »vernünftige Fortschritt«, damit die Automobile »dem Menschen noch besser dienen: in seiner Freizeit und in seiner Welt der Wirtschaft.«362 Nahezu philosophisch berichtete Daimler-Benz in einer doppelseitigen Anzeige »Von der besonderen Verantwortung eines Automobilherstellers«: [Das Unternehmen] hat eine Verantwortung nicht mehr nur gegenüber seinen Kunden und Mitarbeitern, oder gegenüber seinen Lieferanten, oder seinen Aktionären, sondern auch gegenüber der Gesellschaft in der wir leben. […] Dieser Verantwortung gerecht zu werden […] ist nicht leichter geworden […]. Den Aufgaben dieser Zeit aber wollen wir uns nicht nur stellen, wir können auch unseren Teil dazu beitragen, sie zu lösen. Mit Besonnenheit und Mut. Mit Erfindungskraft und Können. Mit Phantasie, mit

359 Ebd. 360 Ebd. 361 Vgl. BMWGA , UA 852/2, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 6.2.1974, S. 27. 362 Entwurf in: HCD, JWT, Frankfurt Office Ads, Box 56, 1974 Ford CiM / Tim.

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unternehmerischer Tatkraft und mit großen finanziellen Mitteln. Denn die Probleme dieser Zeit sind nicht nur Probleme, sondern auch Chancen.363

Die Öffnung der Unternehmen gegenüber ihrer sozialen Umwelt wurde auf allen Ebenen der Außenkommunikation öffentlich zur Schau gestellt. VW und DaimlerBenz legten 1976/77 Fotoserien auf, die ihre F&E-Anstrengungen auf den Gebieten der Energieeinsparung, Lärmreduzierung und Sicherheit illustrierten. Mittels wohldosierter Einblicke in den Werksalltag dokumentierten die Firmen ihr Engagement für gesamtgesellschaftliche Interessen. Auch der produktionsseitige Umweltschutz rückte auf die PR-Agenda. Der Wolfsburger Autokonzern klärte den Leser mit der Kampagne ›Rohstoffreserven‹ über die Bedeutung des Recycling im betriebsinternen Material- und Produktionsfluss auf.364 Auch die Reinigung von Abwässern oder die Filterung von Industrieabgasen wurden Gegenstand der Vertrauenswerbung.365 Parallel begannen werkseigene Kundenzeitschriften wie die Gute Fahrt (VW), Mercedes-Benz in aller Welt, das BMWJournal oder Opel-Fahrer ausführlich über gesellschaftspolitische Themen zu berichten.366 Mitarbeiterzeitschriften informierten die Belegschaft über Sozial- und Umweltprojekte. »Die Arbeit können wir nicht abschaffen. Aber die Plage«367 überschrieb Volkswagen ihre Initiativen für verbesserte Arbeitsbedingungen. Mit großer Resonanz rief Daimler-Benz seine Mitarbeiter in der Werkszeitung intern zur Diskussion der Frage auf: »Monotonie am Fließband. Nur überstrapaziertes Schlagwort oder ernstzunehmendes Problem?«368 Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des von der Regierungskoalition 1974 angestoßenen Aktionsprogramms ›Humanisierung der Arbeit‹ sahen sich die Unternehmen veranlasst, auch auf diesem Feld ihr Verantwortungsbewusstsein zu dokumentieren.369 Der Verweis auf das soziale und ökologische Gewissen wurde Teil der Image- und Identitätsbildung nach innen und außen. Aus der situativen, oft emotionalen Krisen-PR entwickelte sich eine sachlich-dialogische. Das neue Harmoniebedürfnis zeigte 363 Spiegel 35/1980, S. 60 f. 364 Vgl. Goebel, Anpassung, S. 268. 365 Vgl. zu den PR-Maßnahmen des VW-Konzerns zum Umweltschutz: Malte Schumacher / Manfred Grieger, Wasser, Boden, Luft. Beiträge zur Umweltgeschichte des Volkswagenwerks Wolfsburg, Wolfsburg 2002; Tywuschik, Wandel, S. 162. 366 Exemplarisch HAD, Bestand Mitarbeiterzeitung, Art. »…die Karten offen auf den Tisch gelegt. Modernste Anlagen stehen im Dienst des Umweltschutzes«, in: intern 1/1975, S. 46 f. 367 Goebel, Anpassung, S. 269. 368 HAD, Bestand Mitarbeiterzeitung, Art. »Monotonie am Fließband. Nur überstrapaziertes Schlagwort oder ernstzunehmendes Problem?«, in: intern, 4/1973, S. 4–9. 369 Ausführlich Kleinschmidt, Blick, insbes. S. 200 f.; Fritz Vilmar, Menschenwürde im Betrieb. Modelle der Humanisierung und Demokratisierung der industriellen Arbeitswelt, Reinbek bei Hamburg 1973, S. 16 f.; Hermann Kaste, Arbeitgeber und Humanisierung der Arbeit. Eine exemplarische Analyse, Opladen 1981. Zur Thematisierung von Arbeitsbeziehungen in Mitarbeiter- und Publikumszeitschriften siehe Art. »Ford ist stolz auf seine 50.000 Mitarbeiter«, in: HCD, JWT, Frankfurt Office Ads, Box 55, 1973/74 Ford CiM-Binder.

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sich besonders auch bei der Eventorganisation. Die erste IAA nach der Ölpreiskrise stand unter dem Leitmotiv ›Besser Leben mit dem Automobil‹. In seiner programmatischen Eröffnungsrede stellte Daimler-Chef Zahn heraus: Die ›Show in Chrom und Lack‹ gehört mehr und mehr der Vergangenheit an. Entsprechend dem Motto der diesjährigen IAA […] ist es heute das vorrangige Ziel, das Auto als ein langlebiges, sicheres und umweltfreundliches Produkt für den notwendigen Bedarf herauszustellen, das geeignet ist, sich in seine soziale Umwelt einzuordnen.370

Infostände und Diskussionsrunden setzten sich unter den Titeln ›Auto + Wirtschaft‹, ›Auto + Energie‹, ›Auto + Umwelt‹, ›Auto + Fahrer‹, ›Auto + Verbraucher‹, ›Auto + Sicherheit‹ oder ›Auto + Frau‹ zielgruppengerecht mit Zukunftsfragen der Automobilitätsentwicklung auseinander. Der entsprechende Begleitband hielt als neuen Tenor fest: Die Grundlage für jedes unternehmerische Handeln seien die Bedürfnisse des Menschen – unabhängig davon, ob es sich um wirtschaftliche, soziale oder ökologische, um individuelle Nutz- oder kollektive Schutzinteressen handele.371 Die Argumentationslinien der Branche näherten sich erkennbar an die zwei Jahre zuvor heftig kritisierte Prämisse des SPD -Verkehrsministers über die ›Vorfahrt für den Menschen‹ an. Auch kleinere regionale Unternehmensveranstaltungen passten sich in das neue Transparenz-Konzept ein. 1973 organisierte Daimler in den Händler- und Kundendienstbetrieben der 15 größten deutschen Städte Aktionswochenenden zum Thema Sicherheit. Den Besuchern präsentierten sich Schnittmodelle von Fahrzeugen oder spielerische Demonstrationsaufbauten zur passiven und aktiven Fahrzeugsicherheit. Fahrsicherheitstrainings, Erste-Hilfe-Kurse und Verkehrsverhaltensschulungen der Verkehrswachten komplettierten die Veranstaltungen.372 Im Oktober 1975 startete in der noch jungen Bielefelder Regionalniederlassung des Stuttgarter Konzerns ein Pilotprojekt. Über den Zeitraum von rund sechs Monaten waren die Verkaufshallen Ort einer Ausstellung zum Thema »Bielefeld 2000 – Unsere Welt von morgen«373. Die aufwendige Wissenschaftsschau präsentierte forschungsbasierte Zukunftsprojektionen zu den Feldern Bildung und Wissen, Arbeit und Mensch, Gesundheit und Medizin, Energie und Rohstoffe sowie Verkehr und Umwelt. Publikumsmagnet waren Exponate aus der Raumfahrt, darunter ein Stück Mondgestein. Begleitend wurden Diskussionsrunden und Expertengespräche in der ganzen Breite der Themenpalette angeboten. Wir haben »einen völlig neuen Weg der Öffentlichkeitsarbeit beschritten, indem man auf die übliche Produktwerbung einmal verzichtete und 370 Zit. nach Daimler AG (Hrsg.), Streifzug durch die Geschichte: Die Internationale Automobilausstellung (IAA) und Mercedes-Benz, Stuttgart 2010 (online unter http://www. omnibusarchiv.de; eingesehen am 16.4.2017). 371 Vgl. VDA , Besser leben mit dem Auto, Frankfurt / M. 1976, S. 41. 372 Auszug einer PR-Anzeige von Daimler-Benz 1973, hier nach: Goebel, Anpassung, S. 273. 373 HAD, Bestand Mitarbeiterzeitung, Art. »Monotonie am Fließband. Nur überstrapaziertes Schlagwort oder ernstzunehmendes Problem?«, in: intern, 4/1973, S. 4–9.

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aktuelle Probleme, die jeden Bürger berühren, veranschaulichte«374, vermerkte die PR-Zentrale. Mehr als 80.000 Besuchern habe das Unternehmen sein soziales Pflichtgefühl bewiesen. Die positiven Wirkungen auf das Image und die Verkaufszahlen seien zwar schwer messbar, anhand des überragenden Publikumsinteresses aber mehr als zu erwarten.375 Mit vielen ähnlichen Aktionen löste sich die Öffentlichkeitsarbeit gegen Ende der 1970er Jahre zum Teil gänzlich vom Thema Auto. Das Sponsoring von kulturellen und sozialen Organisationen, von Jugend- und Sportveranstaltungen am Ort des Firmensitzes – aber auch darüber hinaus – wurde intensiviert. BMW etwa initiierte im April 1979 als bundesweit erstes Unternehmen ein Public-Private-Partnership auf dem Gebiet der Kultur- und Kunstförderung.376 Gemeinsam mit der Stadt München gründeten sie den Verein Spielmotor, der bis heute Theater-, Tanz- und Musikfestivals organisiert. Laut dem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit, Horst Avenarius, nahm man diesen Schritt gezielt vor, um sich der Gesellschaft als breit interessierter Bürger zu präsentieren. Die Förderung junger, avantgardistischer Kunst galt als ideal, um die Firmenidentität weiter in Richtung Modernität und Dynamik zu entwickeln.377 Die Idee der Firmenpersönlichkeit, die in den 1960er Jahren geboren war, setzte sich nun auf allen Ebenen der Umfeldansprache durch. Eine für den Kunden erkennbare Identität zu entwickeln, d. h. für spezifische Produkte, Lebensstile aber auch politische Meinungen zu stehen, bestimmte die neue Vorstellung vom Unternehmen als ganzheitliches Wahrnehmungs- und Kommunikationssystem. Damit rückte der Ansatz der Corporate Identity, der in den USA bereits seit den 1950er Jahren reflektiert worden war, nun auch in das Blickfeld der deutschen Pkw-Produzenten. Das Ideal eines einheitlichen Erscheinungsbildes bezog sich dabei zunehmend auch auf bildliche Markensignaturen. Die Agentur JWT konstatierte 1977, dass der branchenübergreifende Wunsch, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren, ganz neue Schwerpunkte in der Marketing- und PR-Dienst­ leistung gesetzt habe. »We have to continue and broaden our activity in the area of corporate identity with a continuing programe [for] major companies, including our own clients.«378 Sicherlich: Markensymbole, wie der Mercedes-Stern, die BMW-Raute oder der Opel-Blitz, waren schon lange als symbolische Werbeinstrumente eingesetzt worden; bislang aber vornehmlich nur, um die eigentlichen Verkaufsobjekte sicht374 Ebd., Art. »Lebhaftes Echo auf eine geglückte Aktion«, in: intern 3/1976, S. 13. 375 Vgl. ebd., S. 15. 376 Siehe Presseinformation der BMW-Öffentlichkeitsarbeit: »Eine der ältesten Public-Private-Partnerships Deutschlands feiert Jubiläum: der Spielmotor München e. V. wurde vor 30 Jahren von der Stadt München und BMW ins Lebens gerufen« vom 4.4.2009 (online unter http://www.presseportal.de/pm/28255/1380370/ bmw_group; eingesehen am 18.6.2017). 377 Vgl. ebd. 378 HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 2, 1972–76, Ford T-Plans, Ford of Germany, Marketing Strategy, Nachtrag o. Dat. [1977].

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bar zu markieren. Umso überraschender erscheint jedoch, dass es erst der Krise der 1970er Jahre bedurfte, um visuelle Markentechniken auf alle Firmenkommunikate zu übertragen. Selbst die US -amerikanischen Mutterkonzerne gingen erst jetzt in der Praxis dazu über, das Corporate Design zu vereinheitlichen. So forderte 1971 der Vorstandschef des Ford-Konzerns, Henry Ford II, alle in- und ausländischen Firmenvertretungen auf, den Kampf um die Aufmerksamkeit des Kunden durch ein abgestimmtes äußeres Erscheinungsbild aufzunehmen: One of the most valuable assets we have is the public recognition and acceptance of Ford Motor Company and its products and services […]. All of us should be concerned with preserving and strengthening this good reputation and gaining maximum marketing advantage from it. This goal can be met […] by presenting a unified, attractive and readily recognizable appearance in all of the Company’s visual communications – with disciplined use of trademarks, trade names and brand names.379

Beigefügt fand sich ein Corporate Identity-Handbuch, in dem bis ins kleinste Detail Designvorgaben formuliert wurden.380 In ähnlicher Weise setzte auch BMW ab 1974 ein umfangreiches Corporate Identity-Programm um.381 Alle Drucksachen – von Broschüren über Briefbögen und Versandtaschen bis hin zu Notizzetteln – sollten ein BMW-typisches Firmengesicht erhalten.382 Besonderen Wert legte man darauf, dass nun auch die Vertragshändler in das visuelle Marketingkonzept einbezogen wurden. Zu diesem Zweck lieferte nun die Werbezentrale in München alle Werbe- und Informationsmaterialien und gab vor, wo und in welcher Größe Leuchtreklamen, Namens- und Markenzeichen an den Außenfassaden und in den Verkaufsräumen zu platzieren waren. Das Ziel sei es, die Händlerbindung der Kunden zu optimieren.383 Der Point-of-Sale wurde auf diese Weise – ähnlich wie bei Warenhäusern bereits seit den 1950er und 1960er Jahren – auf Möglichkeiten untersucht, per visuellen Reizen das Kaufverhalten der Kunden psychologisch anzuregen. Auch dies war eine Neuerung, in der image- und identitätsorientierte PR- und Marketingansätze zusammenflossen. Ein einheitliches Corporate Design wurde nun als Ausdruck der Identitätsbildung und unverzichtbare Ingredienz eines ganzheitlichen Marketing-Konzeptes verstanden. 379 BFR , Public Relations Records Collection, 1681, Vol. 1, Schreiben von Henry Ford II an die Corporate Identity Manual Holders, o. Dat. [März 1971]. 380 Vgl. ebd., Corporate Identity Manual, released March 1974, S. 1/01, nebst Designmuster-Sammlung; HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 2, 1972–76, Ford T-Plans, Ford of Germany, Second Half 1974 Marketing Strategy, o. Dat. [Febr. 1974]. Erste, noch rudimentäre Design-Handbücher hatte der Konzern wohl erstmals 1969 in den USA entworfen. 381 Vgl. BMWGA , UA 1448, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 6.6.1978, S. 10 f. 382 Vgl. ebd., UA 936, Pressearbeit bei BMW. Konzeption 1975, S. 23; ebd., UA 1456, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 13.12.1977, S. 23 f. 383 Ford begann die Dealership Identification der Kunden in dem Mittelpunkt des Design Marketing zu stellen; siehe BFR , Public Relations Records Collection, 1681, Vol. 1, Corporate Identity Manual, March 1974, S. 1/01. Ähnlich: BMWGA , UA 1456, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 13.12.1977, S. 24 f.

VII. Organisationswandel: Vom Krisenstab zum Marketingmanagement

Die deutschen Automobilhersteller befanden sich seit der Mitte der 1960er Jahre in einem schrittweisen Transformationsprozess von einer Produktions- zu einer Stakeholder-Orientierung. Marketing, Marktforschung und Umfeld-PR wurden mehr und mehr zu strategischen Steuerungsinstrumenten des Managements. Mithin verankerte sich das Marketing-Regelsystem in den Organisationsstrukturen der Konzerne; Kompetenzen wurden neu verteilt, Entscheidungswege verändert. Die Reorganisation nahm ihren Anfang in situativen, zunächst oft behelfsmäßigen Anpassungen der Managementprozesse. Gemäß der Organisationstheorie von Alfred D. Chandler entstehen aus den oft zunächst behelfsmäßigen Krisenmaßnahmen spürbare Koordinationsprobleme, die erst durch eine grundlegende Neujustierung der Organisationsstrukturen behoben werden können. Die Strukturen folgen dem Strategiewechsel also nach.1 Gewissermaßen erkennt das lernende Unternehmen somit, dass die etablierten Informationsund Entscheidungsstrukturen sich nicht mehr eignen, um adäquat auf einen Wandel des Marktes zu reagieren.2 Die Umbrüche des Umfeldes spiegeln sich somit in Organisationsbrüchen in den Unternehmen, wenn ihre entscheidungsrelevanten Erfahrungen durch einen Marktwandel entwertet bzw. dysfunktional werden.3 Pointiert sollte man seit den 1970er Jahren daher wohl von einem Structure Follows Marketing Strategy sprechen – und dies gilt nicht allein für die Automobilindustrie.4 1 Vgl. Alfred D. Chandler, Strategy and Structure. Chapters in the History of the American Industrial Enterprise, Cambridge / M A 1962. 2 Vgl. Gerald Lembke, Die lernende Organisation als Grundlage einer entwicklungsfähigen Unternehmung, Marburg 2004; Albach, Unternehmen; Kleinschmidt, Blick, S. 40 f.; Berghoff, Unternehmensgeschichte, S. 71; Neil Fligstein, Chandler and the Sociology of Organizations, in: Business History Review 82, 2008, H. 2, S. 241–250. 3 Vgl. Müller, Organisationsformen, S. 248 f. 4 Vgl. Chandler, Strategy; zu Beispielen aus der US -Autoindustrie: ders. (Hrsg.), Giant Enterprise. Ford, General Motors and the Automobile Industry. Sources and Readings, New York u. a. 1964; ders. (Hrsg.), Managerial Innovation at General Motors, New York 1979. Andere Branchen sind bislang nur rudimentär untersucht: Anthony E.  Cascino, Organizational Implications of the Marketing Concept, in: Eugene J. Kelley / William Lazer (Hrsg.), Mana­ gerial Marketing. Perspectives and Viewpoints. A Source Book, 3. Aufl., Homewood / Ill. 1967, S. 345 f.; Bebié, Käuferverhalten; Utz, Umweltwandel; Dankwart Rost, Art. »Werbung zwischen Stab und Linie«, in: absatzwirtschaft, H. 8, 1970, S. 11–18.

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Organisationswandel: Vom Krisenstab zum Marketingmanagement

Mögliche Aufschlüsse über diesen Prozess lassen sich durch nachweisbare Veränderungen in der Ablauforganisation von Entscheidungsprozessen gewinnen. Solche Kompetenzverschiebungen wurden in den Unternehmen jedoch weder reibungslos noch konfliktfrei ausgehandelt. Konsumentenorientierung bedeutete, die Produkte vorab an den ermittelten Kundenwünschen auszurichten, die Leistungsverwertung also schon im Prozess der Leistungserstellung mitzudenken. Die Organisationsentwicklung der Konzerne macht diesen Schritt idealtypisch sichtbar. Gleichzeitig etablierten sich neue Formen der Zusammenarbeit von Entwicklung, Produktion und Vertrieb, die sich unter Führung neuartiger Marketing-Zentralen auch in den Strukturcharts der Unternehmen niederschlug.5

1. Marketing als Governance und Organisationsmodell Schon vor Mitte der 1960er Jahre zeigte sich bei allen deutschen (und deutschamerikanischen) Unternehmen eine auf den ersten Blick recht einfache Zuständigkeitsverteilung in produktpolitischen Fragen. Auf der Vorstandsebene bildeten sich sog. Produktausschüsse. Dieses Gremium setzte sich aus den Direktoren oder Delegierten der Vorstandsressorts zusammen und traf letztlich die verbindlichen Entscheidungen über die Modellpolitik.6 Die Zusammenstellung der Datengrundlagen für die Ausschuss-Treffen erfolgte innerhalb der einzelnen Ressorts und damit weitgehend voneinander getrennt. Je größer jedoch die Masse der zu berücksichtigenden Marktinformationen wurde, desto stärker zeigten die Hersteller Ambitionen, dem Vorstandsentscheid steuernde und koordinierende Betriebseinheiten vorzuschalten. Neue beim Vertrieb angesiedelte Koordinationsstellen sollten die Daten bündeln, systematisieren und zu ganzheitlichen Strategiekonzepten zusammenführen. Sie bildeten den ersten institutionellen Ankerpunkt, um das Marketing zum Steuermann produkt- und damit produktionsstrategischer Entscheidungen werden zu lassen.7 Bei den Massenherstellern übernahmen Marketing-Planungsabteilungen schon ab Mitte der 1960er Jahre die Aufgabe, sowohl alle internen Betriebs- also 5 Vgl. Köhler, Marketingmanagement, S. 216–239. 6 Vgl. Jagoda, Produktpolitik, S. 189. Für Opel und VW: Günther Ogger, Die Marketing-Konzeptionen der deutschen Automobilindustrie: Opel. Kontakt zum Markt, in: auto motor und sport, H. 10, 1973, S. 60 sowie UVW, 250/2/1, Kurzfassung des Langfristigen Marketingplans des VW-Konzerns für Personenwagen, Dezember 1968. Bereits hier wurde als Adressat ein ›Ausschuss für Produktplanung‹ genannt. 7 Eine Ausnahme bildete Daimler-Benz, wo die Produktplanung lange Zeit dem technischen Bereich zugeordnet blieb. Vgl. Köhler, Marketingmanagement, S. 220–232.

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auch externen Marktdaten zusammenzustellen, an denen sich die Modellpolitik ausrichten sollte. Im Verlauf der 1970er Jahre wurde die Programmplanung in spezialisierte Ressorts der Marketingabteilungen ausgegliedert, die zu Zentralen der Strategieentwicklung avancierten. So führte etwa die Adam Opel  AG 1973 eine Stabsabteilung ›Programmplanung‹ unter dem Dach des Vertriebs ein; VW folgte wenig später. Ekkehard Rhode, Verkaufschef in Rüsselsheim, bemühte eine einfache Maschinen-Metapher, um das neue Entscheidungsmodell zu verdeutlichen: Sicherlich habe nun […] jeder der verantwortlichen Männer, sei er für die Entwicklung, die Produktion, die Administration zuständig, [.] das Markt-Denken im Blut. […] Sehen sie das Ganze aber mal als großes System. Da gibt es den Input: Informationen über den Markt und seine möglichen Veränderungen, Informationen über technische Entwicklungen, neue Fertigungstechniken, neue Werkstoffe, neue Gesetze und Vorschriften. Jeder steuert diese Informationen aus seinem Erfahrungsbereich bei. Sie werden gesammelt, analysiert und in Form von Vorschlägen an die einzelnen Stellen weitergeleitet. Die müssen dann selbst sehen, was sie daraus machen. Das Resultat ist der Output: ein neues Modell.8

Bei BMW setzte Robert A. Lutz 1972 eine Neugliederung durch, mit der eine Abteilung ›Unternehmensplanung‹ als Stabstelle des Vertriebs gebildet wurde.9 Dabei trat der von Ford nach München gewechselte Manager noch einmal kräftig gegen seinen Vorgänger Hahnemann nach. So sei es zwar dessen Verdienst, dem Marketing frühzeitig eine starke Stimme gegeben zu haben, eine durchgreifende Reorganisation des Konzerns habe dieser aber stets behindert.10 »Wir stehen bei BMW jetzt mitten im Übergang vom Improvisationsstadium zur systematischen Planung.«11 In der Folge etablierte sich das Marketing bei den Herstellern als 8 Hier zit. nach Ogger, Opel, S. 62. 9 Der Zeitpunkt ihrer Gründung ist aus den Quellen leider nicht ersichtlich. Vgl. aber BMWGA , UA 1617, Exposé zu Aufgaben und Kompetenz-Beschreibung der Hauptabteilung VM-1 Vertriebsplanung vom 26.10.1972, insbes. den Hinweis auf die Abteilung Unternehmensplanung (AU-3), S. 1. Die Vorstandsprotokolle von BMW weisen zudem darauf hin, dass die Planungszentrale seit den frühen 1970er Jahren alle produktpolitischen Entscheidungen vorbereitete. So hieß es z. B. in einem Grundsatzpapier zur BMW-Modellentwicklung 1973: »AU-3 erhält den Auftrag, die Unterlagen für diese Vorstandssitzung in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen des Hauses vorzubereiten.« BMWGA , UA 851, Protokoll zur außerordentlichen Vorstandssitzung am 18.10.1973, S. 2; auch Jagoda, Produktpolitik, S. 189. 10 Vgl. das 1970 geführte Interview mit Paul G. Hahnemann, abgedr. bei Lothar Behr, Die Autobosse. 16 Interviews mit den Chefs der europäischen Automobilindustrie, München 1971, S. 100. 11 So kommentierte Peter Weiher die Modernisierung des Marketings bei BMW. Der ehemalige Leiter der Ford- und VW-Marketingplanung war zeitgleich mit Lutz zu BMW gewechselt. Dort leitete er die Unternehmensplanung. Zit. nach Günther Ogger, Die Marketing-Konzeptionen der deutschen Automobilindustrie: BMW. Das Geschäft mit der Lücke, in: auto motor und sport, H. 2, 1973, S. 77.

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Funktionsbereich, der von Details der Produktgestaltung bis hin zu kompletten, geschlossenen Programmkonzepten alles lieferte. Die Planungsstellen nahmen die Synthese sämtlicher wirtschaftlicher, technischer und gesellschaftlicher Bestimmungsfaktoren vor. Allein schon die Organisationveränderungen belegen somit den zunehmenden Einfluss ganzheitlicher Marketingmanagementansätze auf die Strategiebildung.12 Gleichwohl würde es zu weit gehen, aus dem Bedeutungszuwachs des Marketings eine alleinige Definitionsmacht herauszulesen. Mehrere Gründe sprechen dafür, den Einfluss zu relativieren: Erstens traten in der Praxis Divergenzen zwischen auf dem Papier formulierten Ablaufplänen und den tatsächlichen informellen Entscheidungsstrukturen auf.13 Die Marketingkonzepte konnten nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie innerhalb der Unternehmensleitung auf eine breite Akzeptanz trafen. So mussten etwa die Leiter der Entwicklung oder der Produktion bereit sein, eigene Planungskompetenzen an das Marketing abzutreten und ihre Arbeit an den neuen Imagezielen auszurichten. Diesem Schritt stand ein verbreitetes Ressortdenken entgegen. Über lange Zeit hatten die funktionalen Organisationsmuster in den Unternehmen zu streng hierarchischen, desintegrierten Entscheidungspfaden geführt, die sich – wenn überhaupt – nun langsam zugunsten kooperativer Zusammenarbeit auflösen ließen. Das Problem, nur bis zum eigenen Tellerrand zu denken, bestand sicherlich nicht allein in der Automobilbranche, worauf exemplarisch bereits Harm Schröter in seiner Studie zum Marketing bei der Beiersdorf  AG hinweist.14 Typisch war aber wohl, dass die Zunahme des Wettbewerbsdrucks die Unternehmen sensibilisierte, stärker auf innerbetriebliche Synergien zu setzen. Bei den Pkw-Produzenten waren die Strukturdefizite spätestens mit der Ölpreis- und Absatzkrise nicht mehr zu übersehen. Sinnbildlich schwor Toni Schmücker 1975 die leitenden VW-Angestellten anlässlich seiner Berufung zum Vorstandsvorsitzender darauf ein, dass nur ein gemeinsames Handeln dazu geeignet sei, firmeninterne Abstimmungsprobleme zu beseitigen und das Unternehmen auf die neuen Markterfordernisse einzustellen. Er betonte: Kommunikationswege [müssen] kurz und offen sein, und zwar in beide Richtungen. Der ungestörte Informationsfluss setzt die Bereitschaft zur Kooperation voraus […]. Es wird künftig in besonderem Maße darauf geachtet werden müssen, dass hier keine Engpässe entstehen. […] Mir missfällt das ausgeprägte Ressortdenken. Ich will keine einsamen Entscheidungen, und ich will deshalb auch, dass sie ihre Vorgesetzten im Sinne unserer gemeinsamen Sache dann konstruktiv herausfordern, wenn Sie glau12 Vgl. etwa die Einbindung der VW-Marketingplanung in die Gestaltung der neuen Produktpalette am Beispiel des Scirocco in: Böhler, Scirocco, S. 12. 13 Siehe problematisierend Karolina Frenzel / Michael Müller / Hermann Sottong, Das Unternehmen im Kopf. Schlüssel zum erfolgreichen Change-Management. Das Praxisbuch, München 2000, S. 9 f. 14 Vgl. Schröter, Erfolgsfaktor, in: Feldenkirchen / Schönert-Röhlk / Schulz (Hrsg.), Wirtschaft, S. 1116.

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ben, dass […] wir bei Entscheidungsansätzen in die falsche Richtung zu marschieren drohen.15

Ähnlich argumentierte der BMW-Vorstand im Sommer 1974. Er forderte seine Abteilungsleiter ebenfalls auf, das gerade in produktpolitischen Fragen noch häufig anzutreffende Ressortdenken endlich zu überwinden. Ansonsten drohe ein Ungleichgewicht zwischen den internen Produktentscheidungen und den Umfeldanforderungen.16 Der Organisationswandel brauchte vor diesem Hintergrund einen nicht immer einfachen Mentalitätswechsel, um die Idee des ganzheitlichen Marketingmanagements in der Alltagspraxis tatsächlich wirksam werden zu lassen. Zweitens gestaltete sich die Entscheidungsfindung innerhalb der Produktund Programmausschüsse weiterhin als Aushandlungsprozess zwischen den Abteilungen. Um eine Modelländerung auf den Weg zu bringen, brauchte es die Zustimmung aller Geschäftsbereiche. Die Grundlage der Arbeit in den Kommissionen bildeten sog. Produktblätter oder Product Sheets. Hierin formulierte die Marketingplanung die übergeordneten strategischen Ziele, die durch Maßnahmen erreicht werden sollten. Es folgten ein Bedarfsplan der Marktforschung und ein Finanzplan, der die Produktionskosten bezifferte und eine Preisstellung des Modells vorschlug. Den Kern des Ganzen bildete jedoch die sog. ModellMatrix – eine Übersicht aller vorgesehenen Komponenten. Hier fanden sich Angaben von der technischen Motorkonfiguration bis hin zu kleinsten optischen Ausstattungsdetails.17 Wie das Produktblatt für die VW Golf ›Sparvariante‹ von 1974 exemplarisch zeigt, nahmen die Produktions-, Entwicklungs-, Finanz- und Vertriebsabteilungen zu jedem Detail ausführlich Stellung. Zudem besaßen sie in der Produktkommission sowohl ein Vorschlags- als auch ein Veto-Recht.18 Der Vertrieb lehnte es etwa ab, die neuen Golf-Varianten ohne Schließzylinder an der Beifahrertür oder Türkontaktschalter für die Innenbeleuchtung zu fertigen. Beide von der Produktions- und Finanzabteilung vorgeschlagenen Maßnahmen sollten die Fertigungskosten reduzieren, galten gegenüber den Kunden jedoch als nicht vertretbar. Im Gegenzug lehnte die Produktionsabteilung die Anregung des Verkaufs ab, kleinere Rückleuchten zu verwenden, da dies eine komplette Neukonzeption der Heckpartie des Fahrzeuges erfordert hätte. Das Bauteil war zudem in keinem anderen Fahrzeug zu verwenden und widersprach damit dem Baukastenprinzip.19 15 UVW, 610/405/1, Ansprache von Toni Schmücker vor leitenden Angestellten am 28.4.1975, S. 22. 16 Siehe BMWGA , UA 852/1, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 12.6.1974, S. 4. 17 Vgl. zum Aufbau der Produktblätter beispielhaft ebd., Akte BMW E 23 Facelift, Produktmatrix 7er Reihe, Stand ab Modelljahr 1983, S. 4. 18 Vgl. UVW, 373/175/2, Abt. Marketing-Produktprogramm (Schwittlinsky), Notiz für Münzner vom 30.9.1974, S. 8. 19 Vgl. ebd., Anlage 1, Produktprogramm VW AG betr. Modelländerung: Golf-Sparversion (neu im Programm), Produkt-Sheet vom 1.10.1974, S. 2 f. Weitere Produktblätter finden

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Allein diese wenigen Beispiele zeigen, dass sich die Produktgestaltung als ein langwieriger Prozess der gegenseitigen Kontrolle erwies. Das konkrete Ergebnis war stets eine Abwägung zwischen technischen, finanziellen und absatzstrategischen Überlegungen. Erst, wenn alle Bereichsvertreter einen Kompromiss gefunden hatten, wurde der Fahrzeugentwurf als Vorlage an den Vorstand weitergegeben.20 Im weiteren Ablauf zeigt sich ein dritter Punkt, der die Begrenzungen eines Marketingmanagements widerspiegelt: Die entscheidende Hürde, die die projektierten Fahrzeuge auf ihrem Weg zur Serienfertigung nehmen mussten, bildete keineswegs die Kundenmeinung, sondern ein erfolgreiches Abschneiden bei der Prüfung durch den Gesamtvorstand. In ausführlichen Präsentationen, die den Charakter von innerbetrieblichen Marketing-Events trugen, stellten die Kommissionen die Prototypen vor.21 Produktbesichtigungen, Probefahrten sowie Referate von Technikern und Vertriebsmitarbeitern füllten ein umfangreiches Programm. Neben den eigenen Modellen wurden ähnliche Konkurrenzfahrzeuge bereitgestellt, um einen direkten Vergleich zu ermöglichen.22 Die Ergebnisberichte der Vorstandspräsentationen zeigen, dass die Direktoren stark in die zuvor ausgehandelten Konzepte eingriffen. Ihre Änderungswünsche reichten etwa für das E 21-Projekt, der späteren BMW 3er-Reihe, von technischen Vorgaben (u. a. Fahrwerksabstimmung, Senkung von Fahr- und Windgeräuschen), optischen Korrekturen (u. a. Veränderungen der Farbpalette oder des Innenraumstoffes) bis hin zu Ausstattungsdetails (wie z. B. den Einbau einer Ablagefläche für einen Autoatlas oder eine griffigere Lenkradummantelung).23 Auch wenn die Basiskonzepte nur selten grundsätzlich geändert wurden, zeigt dieses Verfahren, dass die Organisationshierarchie trotz aller institutionalisierter Kooperation weiterhin breiten Raum für intuitive, persönliche Top-down-Entscheidungen einnahm. Allen voran die Generaldirektoren behielten erkennbar ihre machtvolle Stellung. Vieles hing letztlich davon ab, ob an diesen Schaltstellen Führungspersönlichkeiten saßen, die eine Marketingorientierung tatsächlich beförderten.

sich in den Anlagen 5 bis 15 für die Varianten des Golf und Passat / Audi 80, jeweils auch für potentielle US -Modelle. 20 Vgl. ebd., Vorlage des Ausschusses für Produktplanung Nr. 51 vom 7.10.1974, hier speziell zur Gestaltung der Typ 1-Modellpalette, Status geheim. 21 Vgl. ebd., 373/176/1, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 12.12.1974, S. 1. 22 So stellte etwa VW seinen Vorständen bei der Präsentation eines Golf Komfort und einer Luxusausstattung des Scirocco im Winter 1974 allein acht vergleichbare Fahrzeuge von Wettbewerbern vor: einen Audi 100, Ford Consul, Ford Granada, Opel Rekord, Opel Commodore, Peugeot 504 und einen BMW 518/525. Vgl. ebd., Präsentation für den Gesamtvorstand, Arbeitsprogramm vom 2. und 10.12.1974. 23 Vgl. BMWGA , UA 1446, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 4.2.1976, Anlage: Fahrbeurteilungen Vorstand, S. 2 f.

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2. Dialog und Konfrontation: Die Manager und der Organisationswandel 1969 beschrieb der Karlsruher Betriebswirt Bruno Albrecht eingängig die Probleme deutscher Firmen, Marketingmanagement nach US -amerikanischen Vorbild zu etablieren: Jede unternehmerische Grundeinstellung ist der Ausdruck der geistigen Orientierung der Unternehmensführung. Die Schaffung einer neuen ›business philosophy‹ im Sinne der Marketing-Konzeption muss daher an der Unternehmensspitze beginnen. […] Solange die oberste Geschäftsleitung die Marketingorientierung nicht für sich selbst in Anspruch nimmt und überzeugend vertreten kann, solange wird sich keine neue Grundeinstellung im Unternehmen durchsetzen.24

Seine Annahme, dass sich ein Paradigmenwechsel nur »von oben nach unten, niemals umgekehrt«25 vollziehen werde, erscheint aus dem Blickwinkel moderner Institutionentheorien antiquiert und mag Ausdruck dafür sein, wie sehr hierarchische Führungsvorstellungen in der zeitgenössischen Wirtschaftslehre verankert waren. Tatsächlich jedoch zeigt sich, dass in der Praxis die Impulse für eine Nachfrageorientierung nicht selten von der Basis aus zunächst eher nachgeordneten Marktforschungs-, Verkaufs- und Kommunikationsabteilungen stammten. Gleichwohl wäre es ebenso realitätsfern, die Rolle der Unternehmensleiter zu unterschätzen. Ohne ihre Rückendeckung war ein Umbau schlichtweg nicht durchsetzbar, denn letztlich kam ihnen die Aufgabe zu, den Marketinggedanken zu verbreiten, Widerstände zu beheben und potentielle Ressortrivalitäten zu moderieren.26 Die Besetzung des Top-Managements und mithin die Frage, welche professionalen Vorprägungen, Erfahrungen, strategischen Präferenzen und Organisationsmodelle den persönlichen Führungsstil beeinflussten, hatte eine nicht zu unterschätzende Relevanz für die Gestaltung des Wandels. Betrachtet man die Rekrutierungsmuster der deutschen Autokonzerne seit der Mitte der 1960er Jahre, zeichnet sich ab, dass mit den Absatzkrisen die Aufstiegschancen von 24 Beide Zitate nach Albrecht, Marketing, S. 14. 25 Ebd.; vgl. auch die viel rezipierte Buchveröffentlichung: ders. Marketing. Die Konzeption für jede marktorientierte Unternehmensführung, 2. erw. Aufl., Düsseldorf u. a. 1972. 26 Zu den Aufgaben der Unternehmensführung bei der Durchsetzung des Marketingmanagements äußerte Theordore Levitt: »[…] the chief executive himself has the inescapable responsibility for creating this environment, this viewpoint, this attitude, this aspiration. He himself must set the company’s style, its direction, and its goals. This means he has to know precisely where he himself wants to go, and to make sure the whole organization is enthusiastically aware of where that is. This is a first requisite of leadership […]«, aus: Theodore Levitt, Marketing Myopia, in: Harvard Business Review 38, 1960, H. 4 (Juli–August), S. 56.

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Organisationswandel: Vom Krisenstab zum Marketingmanagement

Vertriebsspezialisten stiegen. Bis dato verfügten die deutschen Generaldirektoren traditionell über eine technische, juristische oder finanzkaufmännische Ausbildung, wie z. B. Heinrich Nordhoff bei VW und Edward Zdunek bei der Adam Opel  AG. Beide verfügten über eine Ingenieursausbildung und führten die größten deutschen Autowerke als charismatische Persönlichkeiten über den langen Zeitraum von 1948 bis 1961 (Zdunek) bzw. 1968 (Nordhoff).27 Auch die Oberklassespezialisten BMW und Daimler-Benz setzten in den 1960er und 1970er Jahren auf Kontinuität. Bei Daimler-Benz agierte der ausgebildete Jurist Joachim Zahn ab 1965 zunächst als Vorstandssprecher, dann seit 1971 als Vorstandsvorsitzender. Er war 1958 als Finanzdirektor bei dem Stuttgarter Konzern eingetreten und leitete dessen Geschicke bis 1979.28 Bei BMW begann 1970 eine bis 1993 dauernde Ära des Ingenieurs Eberhard von Kuenheim. Der Vertraute des BMW-Mehrheitsaktionärs Herbert Quandt war technischer Leiter der Industrie-Werke Karlsruhe GmbH, bevor er auf den Vorstandsposten wechselte.29 In ihren Führungsstilen ähnelten sich die Top-Manager. Sie leiteten ihre Firmen als konservativ-autoritäre Patriarchen und standen damit fest verwurzelt in der Managementtradition des frühen Rheinischen Kapitalismus.30 Eine neue Generation von ›amerikanisch-liberal‹ denkenden Führungskräften hatte sich bis zum Ende der 1960er Jahre in der Automobilindustrie noch nicht durchgesetzt, was Paul Erkers These eines erst späten personellen Wandels in der deutschen Wirtschaft bestätigt.31 Gleichwohl zeigten sich der BMW- und der Daimler-Chef in unterschiedlicher Weise offen für die Belange des Verkaufs. Gemäß der etablierten Qualitäts- und Technikkultur bei Daimler-Benz förderte Zahn gezielt den Einfluss des Entwicklungsressorts. Sein engster Vertrauter war 27 Zu den Biographien der Konzernlenker vgl. u. a. Edelmann, Heinz Nordhoff; dies., Heinrich Nordhoff. Ein deutscher Manager in der Automobilindustrie, in: Paul Erker / Toni Pierenkemper (Hrsg.), Deutsche Unternehmer zwischen Kriegswirtschaft und Wiederaufbau. Studien zur Erfahrungsbildung von Industrie-Eliten, München 1999, S. 19–52; Helmut Becker, Darwins Gesetz in der Automobilindustrie. Warum deutsche Hersteller zu den Gewinnern zählen, Berlin / Heidelberg 2010, S. 102; Reinhold Billstein u. a., Working for the Enemy. Ford, General Motors, and Forced Labor in Germany During the Second World War, New York u. a. 2000, S. 97. 28 Zur Biographie von Joachim Zahn: Behr, Autobosse, S. 200. 29 Vgl. Christoph Hardt / Christoph Neßhöfer, ›Der Adler fliegt am besten allein‹. Der BMWHerrscher Eberhard von Kuenheim, in: Bernd Ziesemer (Hrsg.), Pioniere der deutschen Wirtschaft. Was wir von den großen Unternehmerpersönlichkeiten lernen können, Frankfurt / New York 2006, S. 207–236. 30 Vgl. Manfred Grieger, Der neue Geist im Volkswagenwerk, Produktinnovation, Kapazitäts­ abbau und Mitbestimmungsmodernisierung 1968–1976, in: Reitmayer  /  Rosenberger (Hrsg.), Unternehmen, S. 31. 31 Vgl. Paul Erker, Einleitung: Industrie-Eliten im 20. Jahrhundert, in: ders. / Toni Pierenkemper (Hrsg.), Unternehmer, S. 14 f.; siehe dagegen Berghahn, der im Zuge der historischen Amerikanisierungs-Debatte von einem deutlich früheren Auftreten einer neuen Managergeneration und mithin von einem Bruch mit autoritären Denkweisen ausgeht: Berghahn, Unternehmer, in: Herbst / Bührer / Sowade (Hrsg.), Marshall-Plan, S. 279 f.

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Hans Scherenberg, der von 1952 bis 1957 zunächst als Pkw-Konstruktionschef, ab 1965 dann als Direktor für Entwicklung und Forschung die Geschicke des Konzerns maßgeblich beeinflusste. Die Möglichkeiten des Vertriebs, sich gegen diesen gewichtigen Duopol durchzusetzen, blieben relativ begrenzt.32 Gänzlich anders war die Lage bei BMW. Durch die erfolgreiche Nischen-Strate­ gie des langjährigen Verkaufschefs Hahnemann hatte sich das Marketing hoffähig gemacht. Obwohl sich von Kuenheim dieser Bedeutung durchaus bewusst war, begann seine Ära mit heftigen Machtkämpfen mit den Verkaufsdirektoren, zunächst mit Hahnemann 1971, dann mit Lutz 1973. Die Auseinandersetzungen zeigen, dass die Umfeldorientierung schwierige strukturelle, letztlich aber auch persönliche Konflikte provozierte, wenn konservative Führungsprinzipien durch aufstrebende, zunehmend selbstbewusste Marketingmanager in Frage gestellt wurden. Der Auslöser für die Konfrontationen war dabei keineswegs zwangsläufig die mangelnde Bereitschaft des Betriebsleiters, neue Wege zu gehen, als vielmehr die Aggressivität, mit der die Verkaufschefs ihren neuen Steuerungsanspruch vorbrachten. Das Marktgespür und Verkaufstalent Hahnemanns waren bekannt und in der gesamten Branche gefürchtet.33 Als ebenso berüchtigt galt betriebsintern sein herrischer Führungsstil und seine Neigung zur öffentlichen Selbstdarstellung als ›Mr. BMW‹. Sie ließ ihn nicht davor haltmachen, den neuen Vorstandsvorsitzenden in einer der ersten gemeinsamen Pressekonferenzen als »unseren Lehrling«34 zu diskreditieren. Zum offenen Konflikt kam es jedoch, als sich der Verkaufschef ungebeten in die Kompetenzbereiche anderer Vorstände einmischte, gemeinsame Investitionsbeschlüsse – wie die Produktionsverlegung ins ländliche Dingolfing – öffentlich kritisierte und sich intern über die zu vorsichtige, rein kostenorientierte Geschäftsstrategie des Technokraten Kuenheim beklagte.35 Seine Demission war vor diesem Hintergrund eine Folge mangelnder Teamorientierung, gepaart mit einem Hang zur Selbstüberschätzung. Wie Gerulf Hirts Studie zur Selbstwahrnehmung deutscher Werbe- und Verkaufsexperten in der Nachkriegszeit nahelegt, war dieses Verhalten jedoch nicht allein seiner Persönlichkeit geschuldet, sondern einer spezifischen Berufsmentalität der aufstrebenden Marketingfachleute, die mit Mitteln der Selbstinszenierung und offensiven Einmischung nach Anerkennung strebten.36 32 Vgl. etwa die von Zahn und Scherenberg dominant geführte Diskussion über ein ›kleines‹ Mercedes-Modell in: HAD, Protokoll zur Vorstandssitzung vom 20.1.1972. 33 So kommentierte ein Daimler-Benz-Vorstand die Kündigung von Hahnemann 1971: »Der Sturz von Hahnemann hat bei der gesamten Konkurrenz Freude ausgelöst, weil der beste Mann weg ist.« Zit. nach: Art. »Schocker aus Homburg«, in: Der Spiegel vom 1.11.1971, S. 108. 34 Diese Äußerung wurde in der Presse mehrfach aufgegriffen; hier zit. nach: Art. »Bob macht die Sache«, in: Der Spiegel vom 7.12.1972, S. 41. 35 Vgl. Art. »Schocker aus Homburg«, in: Der Spiegel vom 1.11.1971, S. 108. 36 Vgl. Gerulf Hirt, Verkannte Propheten? Zur »Expertenkultur« (west)deutscher Werbekommunikatoren bis zur Rezession 1966/67, Leipzig 2013.

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Dieser Ansatz scheint umso überzeugender, da sich die Auseinandersetzungen bei BMW mit Robert A.  Lutz wiederholten. Mit der Abwerbung des SchweizAmerikaners37, bis dahin Opel-Verkaufschef in Rüsselsheim, leitete der 43-jährige Kuenheim eine Verjüngung des BMW-Vorstands ein, bei der sowohl die Marketing- als auch die Produktionsleitung in neue Hände überging. Die Hoffnungen, mit dem ehemaligen Düsenjägerpiloten der US -Luftwaffe eine zwar ebenso starke, aber weitaus kooperationsfähigere Persönlichkeit für den strategisch wichtigen Posten des Verkaufschefs gewonnen zu haben, wurden rasch enttäuscht. Ähnlich wie sein Vorgänger forderte der junge Karrieremanager Lutz im Vorstand die alleinige Planungshoheit für sein Ressort ein. Der Spiegel, der das Engagement des GM-Managers noch 1972 als cleveren Schachzug gefeiert hatte, kommentierte später: Die BMW-Vorstandsmitglieder nahmen übel, dass Technik-Fan Lutz in andere Vorstandsbereiche hineinredete, fleißige Öffentlichkeitsarbeit leistete und schon bald bekannter war als das übrige BMW-Management. Nur im eigenen Bereich, dem Marketing, […] klappte es bei Lutz nicht so recht.38

Angesichts der Autokritik traf Lutz mit seiner ausschließlich auf das Sportlichkeitsimage fokussierten Marketingstrategie auf große Probleme. Trotz starker Vorbehalte des Entwicklungschefs Bernhard Osswald, der vorschlug, die BMWNische durch eine komfortorientierte Qualitätsstrategie in Richtung auf das Hochpreissegment zu verschieben, setzte er darauf, die Modelle durch TuningMaßnahmen weiter einseitig auf individualistische Käufer auszurichten. Die sog. ›Lutz-Rakete‹, ein 1973 vorgestellter BMW 2002 Turbo, der durch seine in großer Spiegelschrift auf dem Frontspoiler angebrachte Typenbezeichnung darauf aufmerksam machen sollte, dass sich ein weitaus schnelleres Fahrzeug ›in seinem Nacken‹ befand, entwickelte sich zu einem Imagedesaster für den Münchner Konzern. Zu diesem Zeitpunkt war innerhalb des Vorstandes offenbar schon entschieden, dass der Vertrag mit dem extrovertierten Verkaufsdirektor aufgelöst werden würde.39 Das Beispiel BMW legt nahe, dass sich nicht nur die klassischen Funktionsbereiche auf die neue Bedeutung des Marketings einstellen mussten. Auch die Marketingdirektoren selbst hatten sich erst an ihre neue Position zu gewöhnen. Um tatsächlich als integrative Schnittstelle agieren zu können, war ein kooperatives Verhalten erforderlich. Der Versuch, die veränderte Marktsituation als Sprungbrett zu nutzen, um die Kräfteverhältnisse einseitig zu verschieben und persönliche Karriereambitionen zu verfolgen, wirkte eher hemmend auf den

37 Zur Biographie von Lutz siehe Art. »Robert A. Lutz«, in: Der Spiegel vom 8.5.1978, S. 164; Eintrag »Robert A. Lutz«, in: Munzinger Internationales Biographisches Archiv 41/2010 vom 12.10.2010. 38 Art. »Träume am Steuer«, in: Der Spiegel vom 7.12.1972, S. 82. 39 Vgl. ebd.

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Prozess der konsumentenorientierten Neuausrichtung. Zudem widersprach eine solche Verhaltensweise der Marketingmanagement-Idee und schwächte damit die eigene Legitimationsbasis. Netzwerkstrukturen ließen sich in der Unternehmensführung nur durchsetzen, wenn sich alle Akteure auf die neuen gemeinsamen Marketingziele einließen. Dies schloss ausdrücklich die Mitarbeiter des Marketingressorts mit ein. Sie wussten um die zunehmende Abhängigkeit der Unternehmen von Marktwissen. Es war daher verlockend, Eigeninteressen zu verfolgen. Der Wandel in der Organisationsstruktur bettete sich dabei in den Kontext einer langfristig latenten Debatte über die Dysfunktionalität autoritärer Führungskonzepte ein. Ausgehend von der These einer Managementlücke40 gegenüber der US -Wirtschaft forderte die wissenschaftliche und publizistische Öffentlichkeit die deutschen Wirtschaftsbosse auf, zu modernen Formen eines partizipativen Managementstils überzugehen. Auch wenn das »›1968‹ der Manager«41 sicherlich keine plötzlichen Palastrevolutionen auslöste, so forcierte der notwendige Übergang zum Marketingmanagement dennoch eine weitere Öffnung der deutschen Unternehmen gegenüber neuen Managementmethoden der Moderation, Delegation und Teamarbeit. In der Praxis erwiesen sich diese institutionellen Lernprozesse jedoch als äußerst schmerzlich. So verfiel die deutsche Automobilindustrie seit der Mitte der 1960er Jahre zunächst in eine Phase, in der sich die Suche nach Orientierung eher in einem hilflosen Austausch von Köpfen statt von Konzepten niederschlug. In einem schnellen Wechsel wurden Firmenleiter und Marketingdirektoren geschasst. Ein situatives Hire and Fire bestimmte das Krisenmanagement und ließ gerade bei den Massenherstellern kaum personelle Kontinuität zu. Auf der Suche nach Ursachen ist allgemein davon auszugehen, dass sich die Fallstricke für die Manager angesichts der aufziehenden Krisen vermehrten. Probleme bei der Neuausrichtung der Modellpolitik, Absatzschwund und Liquiditätsengpässe sowie wachsende Auseinandersetzungen um Löhne und Mitbestimmung bildeten ein 40 Vgl. Heinz Hartmann, Der deutsche Unternehmer. Autorität und Organisation, Frankfurt / M. 1968 (dt. Übersetzung der englischen Erstausgabe: Princeton 1959); Jean-Jacques Servan-Schreiber, Das Ende der Industriegesellschaft, was nun? Die Herausforderung der Welt, o. O. 1983, S. 278; Helge Pross / Karl W.Boetticher, Manager des Kapitalismus. Untersuchung über leitende Angestellte in Großunternehmen, Frankfurt / M. 1971. 41 Kleinschmidt, ›1968‹, in: ders. / Hesse / Lauschke (Hrsg.), Kulturalismus, S. 30. Vgl. auch Plumpe, 1968, S. 60. In einem weiteren soziologischen Bezugsrahmen zu den Ordnungsstrukturen und Legitimationsgrundlagen des Kapitalismus setzten diese Entwicklungen innerhalb und außerhalb der Unternehmen auch: Vgl. Luc Boltanski / Ève Chiapello, Die Arbeit der Kritik und der normative Wandel, in: Marion von Osten (Hrsg.), Norm der Abweichung, Zürich 2003, S. 61 u. 75; dies., Der neue Geist des Kapitalismus, Konstanz 2003, insbes. S. 184 f. Eine Auseinandersetzung mit den grundlegenden Formen, Funktionen und Ursprüngen für die Durchsetzung kooperativer Managementpraktiken bietet Ulrich Pekruhl, Partizipatives Management. Konzepte und Kulturen, München / Mering 2001, S. 17.

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komplexes Geflecht von Herausforderungen, an denen Firmenleiter scheiterten. Im Einzelfall dynamisierten spezielle firmentypische Organisations- und Strukturprobleme die Führungsprobleme. Dies etwa gilt für den Fall Volkswagen, wo sich die Suche eines Nachfolgers für den Firmenpatriarchen Nordhoff als überaus schwierig erwies. Faktisch nahm er seine Aufgaben aufgrund gesundheitlicher Probleme bereits seit Sommer 1967 nicht mehr wahr. Mitten in der ersten Rezessionsphase der deutschen Nachkriegswirtschaft führte sein Ausscheiden bei VW zu einem personellen Machtvakuum und einer existenzgefährdenden strategischen Konzeptlosigkeit, sich aus der Käfer-Monokultur zu lösen. In relativ kurzen Abständen folgten Nordhoff in nur sieben Jahren drei Vorstandsvorsitzende nach. Zunächst übernahm Kurt Lotz, ein ehemaliger Generalstabsoffizier, der beim Elektrokonzern Brown, Boveri & Cie. vom Buchhalter zum Generaldirektor aufgestiegen war.42 Seine sichtbare Unentschlossenheit in der Modellpolitik führte zu einer unstimmigen und kostenträchtigen Vielfalt von Pkw-Konstruktionen, die ihm schon im September 1971 seine Position kostete.43 Sein Nachfolger wurde mit Rudolf Leiding ein Kandidat mit Stallgeruch. Der gelernte Kfz-Mechaniker hatte 1957 den Aufbau des VW-Werks in Kassel organisiert und war 1965 in die Geschäftsführung der Auto Union, drei Jahre später in die Leitung von VW do Brasil eingestiegen. Ab 1971 hatte er schließlich den Vorstandsvorsitz der Audi NSU Auto Union  AG inne, bevor er seinen konzerninternen Aufstieg an die Spitze der Wolfsburger Zentrale krönte. Für das Amt prädestinierte ihn sein Ruf als harter Sanierer der Konzernsparten und als technisch detailversierter ›Vater‹ des Ingolstädter Erfolgsmodells Audi 100. Leiding fokussierte seine Arbeit ganz auf ein rigoroses Sparprogramm und die Entwicklung der neuen Produktgeneration Golf / Passat. Die Fachzeitschrift auto motor und sport kommentierte: »Nordhoff verkaufte ein mieses Auto mit einer superben Händler-Organisation, Lotz ließ prima Werbung machen und Leiding will endlich gute Autos bauen.«44 Trotz der sich abzeichnenden Erfolge brachte Leiding 1975 sein ausnehmend autoritärer Führungsstil zu Fall. Einen ersten Machtkampf mit dem Verkaufschef gewann er noch. Im Herbst 1972 drängte er Carl Hahn wegen vorgeblichen Fehlern bei der Einführung eines neuen Vertriebssystems aus dem Unternehmen.45 Als er in den Tarifverhandlungen 1974 einen ähnlich harten Konfrontationskurs

42 Vgl. UVW, 174/537/2, Protokoll zur Aufsichtsratssitzung vom 17.4.1968, S. 2; zur Bio­ graphie von Kurt Lotz siehe Art. »Ehemaliger VW-Chef Kurt Lotz ist tot. Ein Nachruf«, in: Handelsblatt vom 12.3.2005, S. 14 sowie seine Autobiographie: Lotz, Lebenserfahrungen, insbes. S. 49 f. 43 Zu den Umständen seiner Demission vgl. Grieger, Geist, in: Reitmayer / Rosenberger (Hrsg.), Unternehmen, S. 44. 44 Art. »Die Marketing-Konzeptionen der deutschen Autoindustrie«, in: auto motor und sport, H. 9, 1973, S. 54. 45 Vgl. Art. »Rein in die Kartoffeln«, in: Der Spiegel vom 9.11.1981, S. 130.

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einschlug, ging er als Verlierer hervor. Aufgrund seiner offenen Kritik an der Lohnpolitik der Gewerkschaften galt er im November 1974 für die sozialliberalen Interessenvertreter des Bundes und des Landes im VW-Aufsichtsrat als nicht mehr tragbar.46 Der Demission Leidings folgte zum 10. Februar 1975 die Berufung von Toni Schmücker.47 Erstmals übernahm damit ein Manager aus dem Marketingfach den Vorstandsvorsitz. Mit dem ehemaligen Verkaufsdirektor von Ford und Chef der Rheinischen Stahlwerke kehrte die Kontinuität in die Vorstandsetage zurück. Schmücker hatte das Amt bis 1982 inne. Als er aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat, kehrte Carl Hahn zu VW zurück und leitete die Geschicke des Konzerns bis zum Beginn der 1990er Jahre. Die Berufungen von Schmücker und Hahn waren deutliche Indizien, dass nun ausgewiesenen Marketingspezialisten am ehesten zugetraut wurde, das Unternehmen auf den Wandel einzustellen. Tatsächlich gab Schmücker dem Volkswagen-Konzern neue Impulse in Richtung eines Marketingmanagements.48 Das Erfolgsmoment seiner Tätigkeit bestand jedoch vor allem darin, dass er das Unternehmen auf dialogische Kooperationsformen einschwor. Schon bei seinem ersten Auftritt vor dem Gesamtvorstand betonte er »das Prinzip der integrativen Führung«49 als Credo seiner Amtsführung. Nur durch einen optimierten Informationsfluss und die Zusammenarbeit aller Hierarchieebenen sei die Krise in einem gemeinschaftlichen Kraftakt abzuwenden. Im Aufsichtsrat fügte er im April 1974 hinzu: Das Unternehmen ist immer zu autoritär geführt worden. Es gab zu viele einsame Entscheidungen […]. Blinde Gehorsamserwartung an die Führungsphilosophie durch den Mann an der Spitze töten jede Kreativität, lässt keine Mitverantwortung zu und lässt nur solche Mitarbeiter nach oben kommen, die im falsch verstandenen Sinne ›loyal‹ sind. Entscheidungen werden oft ad hoc gefällt, ohne dass sie auf der unvermeidlichen Dichte von Analyse und Planung beruhen. Die Organisationsform des Unternehmens ist antiquiert. Der Vorstand ist durch Tagesaufgaben blockiert und kann daher kaum über die notwendigen Perspektiven für die Zukunft verfügen. Die Verlagerung nahezu aller Verantwortung und Entscheidungen in die Spitze ist falsch. Das Unternehmen ist verkrustet, teilweise von Misstrauen und Angst beherrscht, ebenso von zu viel Ressortdenken und hat auch deshalb einen entscheidenden Konkurrenznachteil. Das Verhältnis zur Belegschaft ist gestört.50 46 Vgl. Art. »Vorstandsquerelen bei Volkswagen«, in: Der Spiegel vom 9.9.1974, S. 34; Art. »Gearbeitet wie ein Berserker«, in: Der Spiegel vom 30.12.1974, S. 22–26; UVW, 373/831/1, Protokoll zur Aufsichtsratssitzung vom 10.1.1975, S. 3. 47 Zur Biographie Toni Schmückers siehe Manfred Grieger, Toni Schmücker, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 23, Berlin 2007, S. 264–265. 48 Vgl. den von Schmücker eingeforderten Konzeptentwurf für eine betriebliche Gesamtplanung: UVW, 119/442/2, Protokoll zur Aufsichtsratssitzung vom 14.4.1974, insbes. Anhang: Gesamtplanung 27 A betr. Anpassung der Produktion an den Absatzbedarf zur Sicherung der Liquidität und Wiederherstellung der Rentabilität vom 21.3.1975. 49 Ebd., 373/177/2, Protokoll zur Vorstandssitzung am 11.2.1975, S. 2. 50 Ebd., 610/405/2, Rede von Toni Schmücker zur Aufsichtsratssitzung am 25.4.1975, S. 3.

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Kaum deutlicher konnte Schmücker seinen Willen verdeutlichen, die Firmenkultur verändern zu wollen. Hierzu zählte seine Initiative, dass sich die rund siebzig leitenden Angestellten aller Ressorts nun regelmäßig außerhalb des Organisationskorsetts zu Informationstreffen zusammenfanden. So sollten potentielle Abstimmungsprobleme auf dem kurzen Dienstweg beseitigt werden.51 Ein weiteres Beispiel war die Einsetzung eines paritätisch besetzten Ausschusses ›VW-Produktivität‹. Dieser wurde mit der Aufgabe betraut, eine Problemanalyse aller Fertigungsschritte vorzunehmen und dem Vorstand Lösungsmöglichkeiten vorzulegen.52 Grundsätzlich bildete die stärkere Einbeziehung von Gewerkschaft und Belegschaft in die Entscheidungsprozesse ein Signum der Amtszeit Schmückers. Damit gelang es ihm letztlich, die Schärfe aus den Tarifund Mitbestimmungsdebatten zu nehmen.53 Der offene Kommunikationsstil und die Appelle, die Produktivkräfte durch Teamwork zu stärken, rückten den Vorstandsvorsitzenden mehr und mehr in die Position eines moderierenden Entscheiders – eine Rolle, die mit dem modernen, integrativen Modell des Marketingmanagements überaus konform ging. Während der Wolfsburger Konzern nach einigen Umbrüchen zu einer vielleicht spezifisch ›deutschen‹ Mischung aus Beständigkeit, Korporatismus und Modernisierung zurückfand, entpuppten sich die Chefsessel der amerikanischen Töchterunternehmen Opel und Ford als permanente Schleudersitze. Auch hier waren die Ursachen mannigfaltig: Zum einen war das Prinzip Führungswechsel deutlich stärker in den US -amerikanischen Corporate Governance-Konzepten verankert.54 Der Austausch des Leitungspersonals galt als gängiges und legitimes Mittel, situative Geschäftsimpulse zu setzen. In deutschen Unternehmen galt die Jobrotation dagegen eher als imageschädigend und als Indiz für das Fehlen einer Langfriststrategie.55 Zum anderen waren die deutschen Dependancen der Detroiter Multinationals weniger eigenständig. Nicht selten war ein Direktorenposten hier nur eine Durchgangsstation für die Managerkarrieren im Gesamtkonzern. Allein dieser Umstand erhöhte die Frequenz der Führungswechsel, denn die begrenzten Gestaltungsmöglichkeiten im Tochterunternehmen ließen die Positionen weniger attraktiv erscheinen. Allein bei Opel wechselte der Vorstandsvorsitzende sechs Mal zwischen 1965 und 1980. Auf Nelson J. Stork folgten L. Ralph Mason (1966), Alexander Cunningham (1970), John McCormack (1974), James Waters (1976) und Robert Stempel (1980).56 Die Aufenthaltsdauer 51 Vgl. ebd., Ansprache vor leitenden Angestellten am 28.4.1975. S. 22 f. 52 Vgl. ebd., S. 19. 53 Siehe zur Rolle Schmückers für die Ausprägung spezifischer Kooperationen der betrieblichen Mitbestimmung bei VW u. a. Grieger, Geist, in: Reitmayer / Rosenberger (Hrsg.), Unternehmen, S. 65; Haipeter, Mitbestimmung, S. 162–165. 54 Vgl. hierzu problematisierend u. a. Elmar Gerum, Kann Corporate Governance Gerechtigkeit schaffen?, in: Georg Schreyögg / Peter Conrad (Hrsg.), Gerechtigkeit und Management, Wiesbaden 2004, S. 11 f. 55 Siehe Becker, Darwins Gesetz, S. 102. 56 Vgl. ebd., S. 287.

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der Top-Manager lag damit bei nur etwas über drei Jahren. Bei allen Direktoren handelte es sich bis Mitte der 1970er Jahre um Ingenieure, Produktionstechniker oder Finanzspezialisten. Erst mit der Berufung von Waters stand der Firma – zu einem ähnlichen Zeitpunkt wie bei VW – erstmals ein Marketingfachmann vor.57 Zudem ist auffallend, dass es sich bei allen Leitern ausnahmslos um US -amerikanische Manager handelte. GM gewährte Opel zumindest partielle strategische Unabhängigkeit. So überließ man etwa die Modellpolitik für den europäischen Markt den Konstruktions- und Stylingabteilungen in Rüsselsheim. Für die Leitung kamen aber nur delegierte Spitzenmanager aus der Detroiter Zentrale in Frage. Ganz offen wurde kommuniziert, dass diese Personalstrategie dafür sorgen sollte, die Werkspolitik kompromisslos an die übergeordneten Konzerninteressen zurückzubinden.58 Eine noch deutlich schlechtere Position nahmen die Deutschen FordWerke AG in der Gesamtstruktur ihres Mutterkonzerns ein. Die Folge war, dass sich das Personalkarussell noch schneller drehte. In auffallender Regelmäßigkeit von rund zwei Jahren wechselten sich amerikanische und deutsche Manager an der Spitze des Kölner Werkes ab: Robert G. Layton (1965), Max Ueber (1967), John A. Banning (1969), Hans-Adolf Barthelmeh (1971), Hans Schaberger (1973), Robert A. Lutz (1974) und Peter Weiher (1976).59 Ford legte die Geschicke seines Tochterunternehmens früher in die Hände eines Generalmanagers aus dem Fachgebiet Vertrieb. Als Max Ueber 1967 die Leitung übernahm, war er nicht nur der erste deutschstämmige Generaldirektor seit fast dreißig Jahren, sondern auch der erste ›Verkäufer‹, der es bis an die Spitze von Ford of Germany schaffte. Ueber hatte federführend den Aufbau des Ford-Händlernetzes in Deutschland geleitet und war nach 1957 zum ersten Verkaufsvorstand in der Geschichte der Konzerntochter ernannt worden.60 Sicherlich war auch seine Berufung als Signal zu werten, dass das Unternehmen dem Absatz als neue Engstelle des Automobilgeschäfts bewertete. Daraus jedoch den Schluss zu ziehen, dass sich ein Marketingmanagement bei Ford früher als bei den Konkurrenten durchsetzte, wäre falsch. Im Gegenteil: Der Konzern kämpfte gerade in dieser Phase mit einer mangelnden Integration von Produktion und Vermarktung. Im Zuge einer Reorganisation ihres Übersee57 Vgl. zur Biographie von John F. Waters den entsprechenden Eintrag in: Munzinger Internationales Biographisches Archiv 14/1981 vom 23.3.1981. 58 So argumentierte beispielsweise der Opel-Generaldirektor John P. McCormack 1975. Siehe Rainer Frenkel, Platz eins im Visier. Zeit-Gespräch mit Opel-Chef John P. McCormack über die Marktstrategie seines Unternehmens, in: Die Zeit vom 12.9.1975. 59 Erst Peter Weiher hielt sich länger als zwei Jahre im Amt. Er wurde 1981 durch Daniel Goeudevert ersetzt, der von der Deutschen Renault AG zu Ford wechselte. Vgl. Art. »Peter Weiher«, in: Munzinger Internationales Biographisches Archiv 2/1988 vom 4.1.1988; Daniel Goeudevert, Wie ein Vogel im Aquarium. Aus dem Leben eines Managers, Berlin 1996. 60 Vgl. zur Biographie von Max Ueber: Art. »Hauptsache verkaufen«, in: Der Spiegel vom 26.6.1967, S. 52 f.

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geschäftes zwang die Detroiter Mutterfirma ihre europäischen Töchter 1967 in ein enges, zentralistisches Korsett. Bis dato waren die beiden Niederlassungen in Dagenham bei London und Köln-Deutz als weitgehend separierte Konzerndivisionen geführt worden. Sie verfügten über eigene Entwicklungsabteilungen, betrieben eigene Marktforschung und individuelle Vertriebsstrategien. Mit der Umorganisation zur Ford of Europe wurde eine neue Dachgesellschaft mit Sitz in England gegründet. Die Maßnahme zielte darauf, kostenintensive Doppelstrukturen aufzulösen und Entscheidungsprozesse zu bündeln.61 »Die Zusammenfassung der Schlagkraft der beiden europäischen Ford-Tochterfirmen«, kommentierte der Spiegel 1968 noch optimistisch, diene dem Zweck, »noch tiefer in Europas Automarkt einzudringen«.62 Mit der Neugliederung verband sich die Vorstel­lung, die Grundgemeinsamkeiten eines europäischen Käufergeschmacks zukünftig zentral zu eruieren und mit möglichst einheitlichen Produkt- und Werbekonzepten zu bedienen.63 Indem die Fahrzeuge auf allen europäischen Märkten in gleicher Form angeboten werden sollten, hoffte man auf Synergien in der Fertigung. Die Umsetzung dieses theoretisch durchaus sinnvollen Konzepts scheiterte jedoch in der Praxis. Ford gelang es nicht, ein gleichermaßen auf allen europäischen Märkten erfolgreiches Produktdesign zu entwerfen. Offen urteilte die Deutschland-Leitung 1973, dass sich die Idee einer ›Europa-Linie‹ unter den aktuellen Marktbedingungen als utopisch erweise. Die Präferenzen der europäischen Kunden, insbesondere im Vergleich England und Deutschland, seien aufgrund unterschiedlicher Traditionen im Fahrzeugbau zu different, als dass sie sich auf ein Styling reduzieren ließen. Und wenn es doch eine mögliche Lösung gebe, müsse man sich vor allem an den Wünschen der deutschen Kunden orientieren.64 Damit kritisierten die Kölner indirekt die neue Dominanz der FoE-Zentrale. Sie hatte dazu geführt, dass die Mittelklassemodelle nach angloamerikanischen Anschauungen entworfen wurden, die technisch und stilistisch auf dem deutschen Markt nur schlecht ankamen.65 Hinter diesen Fehlern in der Produktpolitik verbarg sich ein grundlegendes Organisationsproblem. Die Kölner Niederlassung verlor durch die Umgestaltung der Konzernstruktur ihre Entscheidungskompetenzen. Die regionale Divisionalisierung – lange als Vorteil des US -Organisationsmodells gefeiert – wurde primär aus Kostenerwägungen zu einer ›alten‹ Zentralität zurückgeführt. Die Koordination der Fahrzeugentwicklung übernahm faktisch die FoE-Zentrale. Massive 61 Vgl. hierzu die Darstellung der Reorganisationsmaßnahmen durch die Ford-Werbeagentur JWT in: HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 4, 1973–74, Ford ESO, Correspondence, Akte 1, JWT and Ford of Europe, Bericht von Don Johnston am 24.4.1970, S. 1. 62 Art. »Opel aus Köln«, in: Der Spiegel vom 26.2.1968, S. 57. 63 Vgl. ebd.; zur sog. Europa-Strategie vgl. ausführlich auch das 1971 geführte Interview mit dem Ford-Chef Hans-Adolf Barthelmeh, abgedr. in: Behr, Autobosse, S. 22. 64 Vgl. HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, Ford 1973, Ford of Germany, Press Comments and Owner Evaluation Reports, First Half 1973. 65 Vgl. Art. »Opel aus Köln«, in: Der Spiegel vom 26.2.1968, S. 57.

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Eingriffe machten eine nachfrageorientierte Modellpolitik in den Dependancen unmöglich. Auch in allen anderen Funktionsbereichen von der Finanz- bis zur Werbepolitik war das rheinische Automobilwerk nun an strenge Vorgaben aus London gebunden. Es wurde »mehr und mehr zur europäischen Ersatzteilzentrale«66 degradiert. Seine Hauptaufgabe sollte sein, Automobile nach im Ausland vorgefertigten Konstruktionsplänen herzustellen und sich zudem auf die schlichte Distribution zu konzentrieren. »Hauptsache Verkaufen«67 lautete die Devise. Die Besetzung des Generaldirektorenpostens mit Verkaufsspezialisten beruhte vor diesem Hintergrund nicht auf dem Motiv eines Marketingmanagements. Die deutsche Niederlassung sollte lediglich als regionale Vertriebsorganisation agieren – ein Umstand, der als Rückschritt für die Marktorientierung gewertet werden muss. Die Ford-Werke in Deutschland verloren mit ihren strategischen Kompetenzen einen Großteil ihrer Eigenständigkeit. Der Bedeutungsverlust hatte gravierende Konsequenzen: Zahlreiche erfahrene Manager verließen das Kölner Unternehmen. 1967/68 wanderten der Produktionsvorstand, Finanzdirektor, Verkaufschef Toni Schmücker, Chef-Marktforscher Werner Schmidt und Planungschef Peter Weiher ab.68 Wichtiges Marketing-Know-how ging dem Unternehmen damit verloren. Insbesondere Volkswagen profitierte von der Kündigungswelle.69 Zudem lähmten Kompetenzstreitigkeiten und Informationsdefizite die Zusammenarbeit zwischen der Londoner Zentrale und den Werken. »Ford of Europe is  a misconstruction«70 urteilte ein interner Bericht von JWT. Im gleichen Jahr sprach der ehemalige Ford Deutschland-Chef Robert Layton von einem Organisationschaos. Die Gremien der Kölner Ford-Werke AG existierten »only as a cover up«71. Die Direktoren und Aufsichtsräte mussten machtlos mit ansehen, wie ihre Ideen von der Europazentrale missachtet und übergangen wurden. Die Handlungskompetenzen der deutschen Manager, auch nur über kleinere Vorgänge innerhalb ihres eigenen Hauses zu befinden, wurden durch eine übermächtige Verwaltungsbürokratie beschnitten. Auf die zunehmenden Beschwerden über komplizierte Entscheidungswege reagierte John Banning, 66 Art. »Jetzt ist Schluss«, in: Der Spiegel vom 20.7.1973, S. 52. 67 Art. »Hauptsache Verkaufen«, in: Der Spiegel vom 26.6.1967, S. 52 f. Mit Ausnahme von Hans Schaberger handelte es sich bei allen Vorstandsvorsitzenden der Ford-Werke AG in Köln seit Max Ueber um ehemalige Vertriebsmanager. 68 Vgl. Art. »Opel aus Köln«, in: Der Spiegel vom 26.2.1968, S. 57. 69 Toni Schmücker kam 1975 über eine Zwischenstation bei Rheinstahl als Generaldirektor zu VW. Werner Schmidt leitete dort die Verkaufsabteilung. Marketing-Planer Weiher baute die Planungsabteilung bei VW auf, bis er 1976 als Vorstandsvorsitzender zu Ford zurückkehrte. 70 HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, Ford 1973, Akte 2, Press Comments on FoE and Ford Products, o. Dat. [1973], S. 1. Auch ebd., Memos, reports, tests, Schreiben von G. B. McKenzie betr. Organisation and Appointments Sales vom 14.9.1973, nebst Anhang. 71 Hier zit. nach ebd., Black Papers, Client Series, Box 3, Ford 1973, Akte 2, Press Comments S. 2. Vgl. auch Günther Ogger, Die Marketing-Konzeptionen der deutschen Automobilindustrie: Ford. Zu wenig Profit?, in: auto motor und sport, H. 10, 1973, S. 63.

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einer der vielen Nachfolger Laytons, schon 1971 mit der resignierenden Antwort: »Do you know all I am able to decide? That I’m allowed to send you a bunch of flowers for DM 20.–«72. Für alle darüberhinausgehenden Entscheidungen habe die Betriebsleitung das Headquarter zu konsultieren. Und deren Stellungnahme ließ nicht selten mehrere Wochen auf sich warten. Gleichzeitig übersprangen die Londoner Verantwortlichen nicht selten alle Hierarchieebenen und gaben direkte Anweisungen an einzelne Betriebsstellen in den Werken. Ein geordneter Informationsfluss war so unmöglich.73 Selbst der Firmenpatriarch Henry Ford II musste kurz vor der Ölkrise 1973 eingestehen: In my opinion, communication within the firm is lousy – from the top all the way down the scale, and the other way around. It is bad from the top because things are not explained well enough. And it is bad going up the scale because it just doesn’t get across. Since Cologne has been integrated into Europe Organization, fruitful intercommunications between development, production and distribution have become rare.74

Dabei war es gerade der oberste Ford-Chef selbst, der durch selbstherrliche Eingriffe in die Modellpolitik die Frustration der Manager in Köln noch steigerte. Beispielsweise kippte er bei einer Vorstandspräsentation zu Beginn 1973 kurzerhand die neue Modellgeneration des Ford Escort und schickte die deutschen und englischen Ingenieure zurück an ihre Schreibtische, um einen Neuentwurf vorzunehmen. Nicht zuletzt diese Bevormundung – die dafür mitverantwortlich war, dass der Konzern bei Ausbruch der ersten Ölpreiskrise nicht über ein kleineres Mittelklassemodell verfügte – veranlasste den Ford-Deutschland Chef Hans-Adolf Barthelmeh im Sommer 1973 zum freiwilligen Rücktritt. »Dafür werden wir nicht bezahlt, Statthalter zu sein«75, kommentierte er seine eigene Kündigung. In ähnlicher Weise urteilte ein interner JWT-Bericht aus Anlass des erneuten Führungswechsels: Ford könne erst dann zu einer erfolgreichen Marktstrategie zurückfinden, wenn die Produkt- und Marketingstrategien nicht durch einsame Entscheidungen aus Übersee torpediert werden würden, denn: »Since it is Henry Ford II himself who decides whether or not a model is to go into series production, the designers right from the start are out to style models after what they consider to be the taste off their boss, rather than after the tastes of the public.«76 Erst unter der Ägide von Robert A. Lutz gelang es Ford, das Europa-Geschäft wiederzubeleben und alternative Ansätze zu finden, um die Organisationsdefizite zu beheben. Als Lutz 1974 den Vorstandsvorsitz übernahm, war er kurz 72 73 74 75

HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, Ford 1973, Akte 2, Press Comments, S. 1. Vgl. Art. »Jetzt ist Schluß«, in: Der Spiegel vom 30.7.1973, S. 52. HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, Ford 1973, Akte 2, Press Comments, S. 3. Stellungnahme von Barthelmeh abgedr. in: Art. »Jetzt ist Schluß«, in: Der Spiegel vom 30.7.1973, S. 52. 76 HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 3, Ford 1973, Akte 2, Press Comments on FoE and Ford Products, o. Dat. [1973], S. 5.

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zuvor als BMW-Verkaufsdirektor gescheitert. Dennoch galt er als einer der besten Kenner des deutschen Marktes.77 Tatsächlich gelang es ihm, sich gegen heftige Widerstände bei der FoE-Zentrale durchzusetzen und das Markenimage mittels innovativer Maßnahmen, wie der Garantieausweitung, zu stabilisieren. Seine Verkaufserfolge verliehen seiner Forderung Nachdruck, die Eigenständigkeit der Kölner Niederlassung gerade in der Produktpolitik wieder zu stärken. Lutz setzte durch, dass die Modelle Fiesta und Escort II federführend in den deutschen Entwicklungsbüros gestaltet wurden. Parallel führte er in Köln abteilungsübergreifende Kommissionen ein. Ein ›Kommunikations-Komitee‹ koordinierte fortan alle PR- und Werbearbeiten; ein ›Produkt-Komitee‹ führte in monatlichen Sitzungen Entwicklung, Produktion, Finanzen und Verkauf zusammen, um gemeinsame Pkw-Konfigurationen zu entwerfen. Als Lutz 1976 in die FoE-Zentrale wechselte, setzte er sein Konzept auch auf europäischer Ebene um. Außerhalb der strengen Organisationshierarchien sorgten Kommissionen für eine Vernetzung der Funktionsbereiche und stellten die Einbindung der Tochtergesellschaften in die strategische Planung sicher.78 Auch bei Ford setzte sich somit ein Organisationsmodell durch, in dem sich zentrale und dezentrale Strukturelemente miteinander kombinierten. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die in den Unternehmen lange Zeit zersplitterten Marketingfunktionen spätestens in den 1970er Jahren zusammen­ geführt wurden. Durch eine Ausweitung der Kompetenzen und Zielvorgaben etablierte sich ein ganzheitliches Marketingmanagement. Für diese Anpassung gab es allerdings keinen Königsweg. Unabhängig von den differenten Implementierungsformen einte die neuen Organisationsmodelle, dass das Marketing sowohl strategische Gestaltungskompetenzen übernahm, als auch als Kontrollinstanz die operative Umsetzung der Maßnahmen überwachte.79 Diese duale Verankerung konnte durch Kommissionen, Projektgruppen oder MarketingZentralen realisiert werden. Als vorübergehende Task Forces gegründete Ko­ operationsstellen bildeten sie nicht selten die Vorstufe für eine institutionelle Verankerung der Marketing-Steuerung. Der Organisationswandel folgte also der Strategiebildung nach. Dabei wurde der Organisationswandel keineswegs zwangsläufig gezielt vorgenommen, sondern situativ durch Dysfunktionalitäten angestoßen, die in der Krise aufschienen. Die Einführung eines Marketing-Managements hatte damit in der Praxis den Charakter eines inkrementellen reality testing process.80 77 Vgl. Rainer Frenkel, Lutz der Branchenschreck, in: Die Zeit vom 27.2.1976. 78 Vgl. zur Bedeutung des 1974 von Lutz eingeführten Komitees, das als produkt- und kommunikationsstrategische Task Force agierte: HCD, JWT, Black Papers, Client Series, Box 2, 1977–1978, GSA , Annual Management Assessment & Objectives 1977/78 German Speaking Area, S. 25. 79 Vgl. Albrecht, Konzeption, S. 66. 80 Siehe bereits Ingo Köhler, Overcoming Stagnation. Product Policy and Marketing in the German Automobile Industry of the 1970s, in: Business History Review 84, 2010, S. 71.

VIII. Identity Car(d). Eine Schlussbetrachtung

An Diagnosen des Umbruchs mangelt es bislang nicht, wird die Zeit ›nach dem Boom‹ historisch beschrieben. Die Rückkehr von wirtschaftlichen Krisen, anhaltende Wertedebatten und Prozesse der kulturellen und sozialen Umschichtung lassen die 1970er Jahre als ein Jahrzehnt des Wandels hin zu einer modernen Massenkonsumgesellschaft erscheinen. Diese Beschreibung dominierte auch bereits die Erfahrungswelt der Zeitgenossen und wurde durch die Gegenwartsanalysen von Soziologen und Ökonomen unterfüttert. Sie beschworen wahlweise eine Phase des ökonomischen Strukturwandels, einer Auflandung der Globalisierung oder ein Ende der Arbeitsgesellschaft; mit Begriffen der Risiko- oder Erlebnisgesellschaft beschrieben sie zugleich die divergierenden Pole einer zunehmend individualisierten, zugleich aber auch reflexiven Moderne, in der sich das Zusammenleben aus traditionellen Klassen- und Schichtenzusammenhängen löste. Nahezu zeitgleich schwangen sich Marketingexperten auf, die neuen Konsumwelten zu erklären. Schnell war in der Wirtschaftsliteratur von einer Marketing-Revolution die Rede, mit der das Produktionsparadigma der ›Wirtschaftswunderjahre‹ scheinbar mühelos neuen konsumentenorientierten Managementstrategien Platz machte. Mit neuen Werbe- und PR-Maßnahmen, die aus den USA nach Europa schwappten, sollte es gelingen, die Herausforderungen des sozioökonomischen Umbruchs zu meistern. Marketing avancierte zu einer modernen Sozialtechnik, die die Marktkräfte bändigen und neu zu sortieren suchte. Eng hangelte sich die wirtschafts- und zeitgeschichtliche Forschung bislang entlang dieser mit Verve vorgetragenen Beschreibungsmodelle. Sie übernahm damit die zeitgenössischen Erzählungen und Realitätskonstruktionen, die sie eigentlich zum Gegenstand ihrer Untersuchung machen sollte. Periodisieren, ordnen und strukturieren ist die natürliche Herangehensweise der Geschichtswissenschaft, sich einem Zeitabschnitt zu nähern, der sich für eine Historisierung öffnet. Schlichte, oft zu Schlagwörtern verkommene Analysezugänge haben vor diesem Hintergrund eine spürbare Anziehungskraft. Gleichwohl gilt es sich der »bestechenden Suggestivität«1 vorgefertigter Interpretationsentwürfe zu entziehen und kritisch nach den Triebkräften, Verflechtungen und Überlagerungen in der historischen Genese des Neuen zu fragen. Werden Transformationen beobachtet, drängen sich Fragen nach zeitlichen und räumlichen Mustern von Verhaltensveränderungen und Wissensbeständen, nach Pfaden und Brüchen, taktgebenden und abhängigen Variablen auf. 1 Doering-Manteuffel / Raphael, Boom, S.  86.

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Als ein zentrales Ergebnis der Studie ist festzuhalten, dass der Wandel der 1970er Jahre schwerlich mit Hilfe einfacher Kausalketten zu erklären ist. Auch lassen sich die Umbrüche nicht analysieren, ohne die historischen Vorbedingungen zu betrachten. Veränderte der Konsum die Kultur? Oder eher die Kultur die Konsumformen? Prägten die neuen Marketingstile den Markt oder forderte der Marktwandel neue Kommunikationswege ein? In solchen UrsacheWirkungs-Kategorien zu denken, verbietet sich, wenn man die soziale und kulturelle Einbettung des Ökonomischen ernst nimmt. Denn die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Transformationsprozesse in den 1970er Jahren vermischten sich und lassen sich in der Rückschau nur schwer topologisch auseinanderdividieren. Daher destilliert diese Studie zunächst die Wirkungsebenen der Transformation, um schließlich zu zeigen, wie sie dynamisch ineinandergriffen. Sie rekonstruiert Verhaltensmuster, Wahrnehmungen und Lernprozesse von Unternehmern, Konsumenten sowie politischen und medialen Akteuren und plädiert für eine systematische empirische Mikroperspektive, um neues Licht auf Kontinuitäten und Diskontinuitäten zu werfen. Die gilt in nationalen als auch in transnationalen Kontexten, die hier in die komparative Untersuchung einfließen, wenn es darum geht, die Effekte eines globalen Know-how-Transfers auf einen lokalen Markt zu bemessen. Klassische Elemente einer Branchenanalyse kombinieren sich mit einer Interaktionsgeschichte des Automobils. Dabei wurde Kommunikationskanäle und Diskurse in den Mittelpunkt gerückt, um die Bezugspunkte zwischen Unternehmens- und Umfeldwandel näher zu bestimmen. Es zeigte sich, dass sich das Automobil in vielen unterschiedlichen Rollen tief in die Geschichte der Nachkriegsgesellschaft eingeschrieben hat: als komplex produziertes Massenprodukt und wichtiges Exportgut, als nachhaltiger konjunktureller Wachstumsmotor, als Mobilitätsvermittler, soziales Repräsentationsobjekt und symbolischer Identitätsstifter. Mit dem Automobil rückte ab den 1960er Jahren ein zentraler Tragpfeiler des Modernisierungs- und Wohlstandskonsenses der jungen Bundesrepublik in den Fokus von einschneidenden Reformdebatten. Marktendogener Strukturwandel paarte sich mit Verschiebungen in der soziokulturellen Tektonik der Bundesrepublik. Als allgemein zentrale Signatur dieser Umbruchphase konnte herausgearbeitet werden, dass sich ein zunehmendes Spannungsfeld zwischen individuellen und kollektiven Interessen entfaltete. Persönliche Nutzenerwartungen gerieten in Konflikt mit öffentlich problematisierten Risiken einer auf Massenkonsum basierten Lebensweise. Das Automobil geriet als wohl stärkstes Symbol der Wohlstandsgesellschaft in das Zentrum der Auseinandersetzungen. Die Reifeprozesse des Marktes und der materiellen Kultur überlagerten sich. Die Folge waren komplexe Transformationen in den Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Verhaltenspraktiken der involvierten Akteure, die sich bei näherem Hinsehen als brüchiger, inkonsistenter und differenzierter erwiesen als bislang angenommen.

Eine Schlussbetrachtung

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Markt- und Konsumwandel Gerade in der betriebswirtschaftlichen Literatur hält sich bis heute der in den 1960 Jahren geprägte Begriff des Verkäufermarktes, um das Verhältnis zwischen Anbietern und Nachfragern in der Rekonstruktionsphase der westdeutschen Wirtschaft zu beschreiben. Gleichwohl zeigt die historische Analyse, dass diese Beschreibung für den Automarkt wenig präzise ist. So lebte die deutsche Automobilindustrie zunächst im Wesentlichen vom Export, agierte also durchaus auf fortgeschrittenen, wettbewerbsintensiven Märkten, bevor die Motorisierung auch im Inland an Fahrt aufnahm. Typische Charakteristika eines Verkäufermarktes zeigte die Marktentwicklung in Deutschland nicht. So fanden die Anbieter zwar eine latent überbordende Nachfrage vor, konnten ihre vermeintliche Marktmacht jedoch nicht durch Preisanhebungen abschöpfen – im Gegenteil: Da die Konsummöglichkeiten breiter Gesellschaftsschichten noch finanziell begrenzt blieben, galt es die Expansionskräfte durch eine zurückhaltende Preispolitik und den investitionsintensiven Ausbau von Fertigungskapazitäten erst anzufeuern. Treffender ist daher von Erstausstattungsmärkten zu reden, um die strukturellen Konfigurationen von Absatz und Konsum angemessen zu benennen. Erst im Übergang von den 1950er zu den 1960er Jahren übersprangen immer mehr Konsumenten in noch recht festen sozialen Formationen die Einkommensschwelle, um Autobesitzer zu werden. Solange das extensive Wachstum anhielt, setzten die Automobilhersteller auf eine klare Aufteilung ihrer Angebotsfelder, um allen Anbietern ausreichend Entfaltungsräume zu eröffnen. Der Branchenwettbewerb blieb schwach ausgeprägt. In friedlicher Koexistenz bedienten Volkswagen, Opel und Ford die Neukunden in den unteren bzw. mittleren Marktsegmenten, während BMW oder Mercedes die höheren Teilmärkte abdeckten. Das erste Credo – gerade der Basisanbieter – lautete, ihre Fertigungsund Vertriebskapazitäten auszubauen, um den nachrückenden Pkw-Bedarf zu befriedigen. Harmonisch griffen Konsumstrukturen, Produktanforderungen und das fordistische Produktionsmodell ineinander. Das Prinzip der Massenfertigung verlangte hohe Ausbringungsmengen, um Vorteile der Kostendegression zu nutzen. In ihren Grundkonfigurationen standardisierte Modelle erlaubten, diese Wachstumsspielräume entfalten zu lassen. Dass mit Borgward ein zunächst erfolgreicher Konkurrent insolvent ging, da er wenig kostenbewusst zu früh auf technische Produktdifferenzierung setzte, ist bezeichnend. Das Erfolgsmodell der frühen Motorisierung beherbergte jedoch bereits den Keim für eine einschneidende Veränderung der Nachfrage- und Angebotsdeterminanten: Je mehr sich das Automobil in der Bevölkerung verbreitete, desto stärker verloren die Erstkäufe gegenüber der Ersatzbeschaffung an Bedeutung. 1965 wurde schon jeder dritte, um 1970 fast jeder zweite Neuwagen an bereits motorisierte Kunden verkauft. Der Wandel vom Erst- zum Ersatzbeschaffungsmarkt war einer der wichtigsten Marksteine auf dem Weg in eine sozial differenzierte und zugleich ökonomisch kompetitive Konsumgesellschaft. Gleichwohl ist dieser für die Automobilindustrie, aber mit etwas zeitlichem Vorlauf auch

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für alle dauerhaften Konsumgüter typische Prozess von der konsumhistorischen Forschung bislang nicht ausreichend beleuchtet worden. Drei Wirkungsfelder sind zu identifizieren: Erstens verlor das extensive Wachstum des Automarktes an Kraft. Es ließen sich zwar noch bis in die 1970er Jahre weitere Absatzzuwächse durch den Zustrom von Neukunden erzielen, immer wichtiger aber wurden Strategien der intensiven Marktbearbeitung, der Bindung und Abwerbung von Ersatzkäufern. Schon ab Mitte der 1960er Jahre entwickelte sich das Szenario einer mittelfristig drohenden Marktsättigung zu einer zentralen Handlungsorientierung der Unternehmen. Damit verband sich zweitens der Übergang zu einem forcierten Wettbewerb. Die Anbieter rückten mit neuen Fahrzeuglinien in die Marktfelder ihrer Konkurrenten ein. Die betriebswirtschaftliche Logik hinter diesem Schritt war bestechend einfach: Folgekäufe waren durch das Muster aufsteigenden Konsums geprägt. Die Ersatznachfrage schwappte wellenartig in höhere Fahrzeugsegmente. Die Anbieter mussten ihren Kunden in die automobilen Mittelklassen folgen, um ihre Fertigungskapazitäten in die Felder zu verlegen, in denen sich die Nachfrage konzentrierte. Die Produktproliferation der Massenanbieter provozierte einen zunehmenden Wettbewerb um die Gunst der Kunden. Drittens ist herauszustellen, dass der strukturelle Marktwandel untrennbar mit qualitativen Verschiebungen der Käuferpräferenzen in Verbindung stand. In den Anfangsjahren der Automobilisierung begrenzten sich die Erwartungshorizonte der Erstkäufer auf seine funktionellen Eigenschaften, individuelle Mobilität und Bewegungsfreiheit zu gewährleisten. Mit einem kleinen Geldbeutel ließen sich diese Wünsche schon allein mit dem konformistischen Design eines VW Käfers befriedigen. Als sich der reine PkwBesitz jedoch nicht mehr zur sozialen Distinktion eignete, traten emotionale Zusatznutzenerwartungen wie Größe, Motorleistung, Komfort und Markenprestige in das Blickfeld aufsteigender Konsummuster. Das Mittelklasseauto bildete ausgangs der 1960er Jahre das sinnbildliche Herzstück der dickbauchigen bundesrepublikanischen Gesellschaftspyramide. In ihm verdichtete sich zudem das Idealbild des Universalwagens mit hoher Reichweite, guter Beschleunigung, Fahrkomfort und Transportkapazität. Das Konzept der Rennreiselimousine avancierte zum kollektiven Orientierungspunkt für die automobile Gesellschaft. In der historischen Analyse des kulturellen Konsumwandels betritt die Studie Neuland, indem sie den Leitbildansatz der soziologischen Produkt- und Technikgeneseforschung adaptiert. Sie zeigt, dass sich der Marktwettbewerb der Hersteller in den 1970er Jahren nicht nur im Zuge externer Einwirkungen der Ölpreiskrisen, sondern auch durch latente gesamtgesellschaftliche Konflikte um die Determinationshoheit des automobilen Leitbildes verschärfte. Der dialogische Automobilkonsens der 1950er Jahre zerbrach mit dem Aufkommen der Umwelt-, Sicherheits- und Konsumkritik. Auffallend war, dass die Impulse zur Neukonfiguration der Rennreiselimousine nur sehr beschränkt auf Initiativen einer Grassroot-Verbraucher- und Umweltschutzbewegung zurückgingen. Vielmehr positionierten sich Politik, Medien und Wissenschaft als Sprachrohr kollektiver Interessen. Den Elitendiskursen gegenüber standen

Eine Schlussbetrachtung

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nicht nur die ökonomischen Vernunftappelle der Hersteller, sondern auch eine zumindest bis zur Ersten Ölpreiskrise relativ gleichgültige Konsumentenschaft. Vermittelt über die Praktiken des aufsteigenden Konsums dokumentierte ihr anhaltender Wunsch nach schnelleren und komfortableren Pkw, dass sie weiter unbeirrt individuelle Vorteile und Wünsche betonten. Entgegen der spürbaren ökologischen Sensibilisierung in der politischen und medialen Bewertung des Automobils boomte der Absatz von sportlich-komfortablen Mittel- und Oberklassefahrzeugen. Das Spannungsfeld zwischen persönlichen und gesamtgesellschaftlichen Interessen erschwerte eine neue Verständigung über das Leitbild und führte zu einer offenen Kommunikationskonkurrenz zwischen Unternehmen und öffentlichen Anspruchsgruppen über zukunftsweisende Produkt- und Verkehrskonzepte. Überlagert wurden diese wachsenden Ambivalenzen in der Wahrnehmung des Automobils durch Differenzierungsprozesse, deren Dynamiken sich gerade aus der starken Individualisierung des Konsums speisten. Wie im Detail gezeigt werden konnte, wichen die funktionalen Kauferwartungen zunehmend sozialen Distinktions- und emotionalen Selbstverwirklichungsmotiven. Anders als etwa in dem plakativen, aber nur begrenzt erklärungskräftigen Modell der Bedürfnispyramide von Maslow schichteten sich diese Motivlagen jedoch im Zeitverlauf nicht stufenförmig aufeinander auf, sondern sorgten mit zunehmender Konsumfähigkeit für eine immer breitere Differenzierung des Kaufverhaltens. Die Individualisierung entbettete den Autokonsum aus einfachen sozialen Stratifikationen. Dabei ›entstanden‹ die Geltungs-, Erbauungs- und Selbstverwirklichungswünsche nicht erst in den 1960er oder 1970er Jahren, wie manche soziologischen und kulturhistorischen Beschreibungen des Werte- und Konsumwandels nahezulegen scheinen, sondern waren in den Köpfen der Verbraucher frühzeitig als Konsumprojektionen des passenden Identity Cars vorhanden. Der Ölpreisschock bremste die fortschreitende Verbreitung und auch die Pluralisierung des Autokonsums nur für einige Monate ab. Die steigenden Benzinpreise sorgten für eine phasenweise Kaufzurückhaltung und eine Renaissance von konservativen Gebrauchswerten. Zentraler aber war, dass die Krise in Verbindung mit der ökologischen Autokritik mittelfristig die Aufspaltung und Streuung der Konsumpräferenzen beschleunigte. Denn in deutlich unterschiedlicher Intensität, aber doch verbreitet, nahmen die einzelnen Käufergruppen Attribute der Sparsamkeit und Umweltverträglichkeit in ihren Anforderungskatalog auf. Die Käufergruppen differenzierten sich danach aus, welche Priorität sie den rationalen Gebrauchs- und emotionalen Zusatzzielen in ihrer Kaufagenda zuwiesen. Das Schnittmengenkonzept der Rennreiselimousine erwies sich als robust, aber zugleich als flexibel genug, um die neuen Motivfelder zu integrieren. Dies zeigte sich insbesondere, als in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre die alten Signaturen des aufsteigenden Konsums und der Wunsch nach prestigeträchtigen Modellen wieder auflebte. Kennzeichen der pluralen Konsumgesellschaft war es nun, dass die Autokäufer von den Herstellern eine vergrößerte Bandbreite an Angeboten verlangten, in denen sie ihre Präferenzen repräsentiert sahen. Das neu

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vermessene Automobil der 1970er Jahre musste in seinen Ausmaßen nicht mehr zwangsläufig größer sein, die divergierenden Gebrauchs- und Zusatzleistungen aber zumindest subjektiv in eine verbesserte Relation zueinander stellen. Ob der Konsument seine Bedürfnisse in einem relativ sparsamen Sportwagen oder aber in einem sportlichen Sparmodell verwirklicht sah  – hinter beiden Varianten standen lediglich Abwandlungen des neuen Leitbilds. Folgende Schlussfolgerungen sind aus dieser Entwicklung zu ziehen: Das Automobil zeigte sich trotz neuer Herausforderungen keineswegs entzaubert, wie in der Literatur häufig behauptet. Zudem lässt die Pluralisierung der Konsumformen der 1970er Jahre erkennen, dass sich weder die reflexiven Werte des oft beschriebenen Modells der Risikogesellschaft, noch der Hedonismus einer Erlebnisgesellschaft dominant durchsetzten. Sie bildeten lediglich Facetten der neuen Wahrnehmungsvielfalt. Die Massenkonsumgesellschaft war vielmehr in einem hohen Grad von einer Vermischung, Streuung und Differenzierung der Trends in Lifestyle- und Wertemilieus geprägt, die der materiellen Kultur eine bislang kaum beachtete Variabilität gaben. Sie ließ im weiten Bogen des Wertehimmels zahlreiche Legitimierungsstrategien für individuelle Aneignungs- und Verhaltenspraktiken zu. Die Persistenzen und Ambivalenzen der Wahrnehmung des Automobils spiegelten sich in der letztlich beliebigen ›Alles-in-einem‹-Konfiguration des möglichst umweltverträglichen Rennreisewagens wieder – eine Mentalität, die beim heute anhaltenden Run auf sog. Sport-Utility-Vehicles (SUV) seine Entsprechung findet und die Expertenkreise angesichts des Verhaltens der Autokäufer mit einem ähnlich verzweifelten Kopfschütteln zurücklässt wie in den 1970er Jahren. Image-Konstruktionen: Marktvorstellungen im Wandel Die Kombination aus Markt- und Umfeldwandel stellte die Unternehmen der Automobilindustrie vor vielfältige Herausforderungen. Eine neue Unsicherheit griff um sich: Die Erwartungen, die die Firmen in das Verhalten ihrer externen Anspruchsgruppen setzten, gerieten ins Wanken. Das Käuferverhalten erschien zunehmend als unübersichtlich und sozial unsortiert, das Wettbewerberverhalten als offen kompetitiv und die öffentlichen Stellungnahmen von Politik, Medien und Wissenschaft als skeptisch bis hin zu automobilfeindlich. Mithin entwerteten sich die etablierten Verständigungsregeln und Erfahrungswerte der Konsenszeit. Zum anderen schrieb sich die Unsicherheit tief in die Unternehmensorganisationen ein. Die etablierten Prozesse der Vorbereitung und Anbahnung von betrieblichen Entscheidungsprozessen wurden auf den Prüfstand gestellt. Auf der Suche nach alternativen, erfolgssichernden Marktbearbeitungsstrategien erwies es sich als notwendig, den Rahmen der Marktbeobachtung auszuweiten, um Entscheidungen durch eine dichtere Basis an Informationsressourcen neu zu fundieren. Drei zeittypische Prozesse veränderten die Unternehmen: Erstens wurden intuitive, auf die Erfahrungskompetenz der Führungskräfte bauende Formen der Marktabschätzung durch strukturierte und professionelle Verfahren ersetzt.

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Die Vertriebsabteilungen entwickelten sich unter dem Begriff des Marketings zu betrieblichen Zentralen der Sammlung und Verarbeitung von Informationen, welche sie nun bottom-up in die Unternehmenssysteme einspeisten. Zudem wurden externe Berater erstmals systematisch herangezogen, um den Informationsstand der Unternehmen zu erweitern. Zweitens führte der Rückgriff auf neue Analyse- und Prognosetechniken zu einer betrieblichen Reorganisation, in der neue Praktiken des Team- und Projektmanagements eingeübt wurden. Strategieentscheidungen wurden hierdurch gewissermaßen kollektiviert, um sie auf eine breitere Legitimationsbasis zu stellen. Drittens, und für die Rekonfigurationen der Unternehmen entscheidend, wandelte und erweiterte sich das Marktverständnis. Dieser letzte Befund ist nicht neu und bereits als Argumentationslinie der Verfechter einer »Marketing-Revolution« bekannt. Auch die historische Unternehmens- und Marketingforschung betonte bislang oft genug, dass sich in Deutschland in den 1960er Jahren ein im Vergleich zu den USA verspäteter Paradigmenwechsel von einer Produktions- zu einer Kundenorientierung vollzogen habe. Diese Sicht traf zu Recht auf Kritik, weil einzelne, heute dem Werkzeugkasten des Marketings zugeordnete Geschäftstechniken bewiesener Maßen schon bei Konsumgüterproduzenten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts vorzufinden waren. Diese Studie plädiert für eine begriffliche Präzisierung des Diskurses und eine höhere Tiefenschärfe in der Analyse des unternehmerischen Marktverständnisses. So waren die 1960er oder 1970er Jahre sicherlich nicht die Geburtsstunde des Marketings, wohl aber bildeten sie die Sattelzeit des Marketingmanagements. In der Automobilbranche lässt sich erkennen, dass sich zuvor situativ, intuitiv und vereinzelt genutzte Marketingmethoden zu einem neuartigen Regelsystem der Unternehmenssteuerung verdichteten. Das Marketing erreichte im Marketingmanagement eine neue Qualitäts- und Reflexionsstufe, die ihre Wirkung darin entfaltete, den Fluss der Informationen, die Entscheidungshierarchien und damit die Organisation selbst gravierend umzugestalten. Auch hier verbietet sich jede Rede von einer ›Revolution‹. Der Übergang zum Marketingmanagement verlief in der Automobilbranche keineswegs abrupt, sondern charakterisierte sich als graduelle, oft sogar inkonsistente Diffusion des Marketinggedankens in die Betriebe. Die Handlungsmuster passten sich in einem langwierigen Lernprozess daran an, dass die durchaus erwarteten endogenen Strukturveränderungen des Marktes durch unerwartete exogene Einflüsse überlagert und dynamisiert wurden. Im Vertrauen auf makroökonomische Stabilität und den Mobilitätskonsens blendeten die Unternehmen die Politik, die Medien und auch die Konsumenten als unabhängige Variablen der Marktentwicklung lange Zeit aus. Die Genese des Marketingmanagements stand demgegenüber für einen Prozess, in dem von den Firmen ein neues Set an ökonomischen, politischen und soziokulturellen Faktoren als marktrelevant eingeschätzt und in die Strategiebildung einbezogen wurde. Zudem war sie Ausdruck einer neuartigen sozialreflexiven Unternehmensphilosophie, in der sich die Konturen

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der Fundamentalliberalisierung abbildeten, die die Gesellschaftsentwicklung der Bundesrepublik in den langen 1970er Jahren als Basissignatur kennzeichneten. Die deutlichsten Indizien für eine veränderte Marktwahrnehmung zeigten sich in der Marktforschung – und damit in einem Feld, das von der bisherigen Geschichtsforschung stiefmütterlich als Begleiterscheinung des Aufstiegs des Marketings bewertet wurde. Die exemplarische Untersuchung der Automobilbranche verdeutlichte demgegenüber, dass die Marktforschung als zentraler Ideen- und Methodenlieferant für das Management fungierte. So ließen sich die Marktanalysen gewissermaßen als Logbücher lesen, wann einzelne Marktund Umfeldfaktoren in das Blickfeld der Unternehmen gerieten. Der Ausgangsbefund für die 1950er Jahre war frappierend. Kein Konzern bemühte sich ernsthaft, den Markt zu erkunden und die Käufer zu kennen. Marktforschung reduzierte sich auf die Absatzzählung und kurze Prognosehorizonte. Sie diente allein der Fertigungsplanung, was den Eindruck einer geradezu autistischen Produktionsorientierung unterstreicht. Bis weit in die 1960er Jahre dominierten rein quantifizierende Erhebungen. Um Käuferwanderungen zwischen den Marken zu rekonstruieren, begannen zwar einzelne betriebliche Untereinheiten des Vertriebs, den Kundenstamm sozialstatistisch in Alters-, Berufs- und Einkommensgruppen einzuteilen, zählten aber weiterhin lediglich anonyme Kaufakte. Es fehlte an einer Feedback-Kultur, die Produktangebote auch qualitativ mit den Käuferwünschen abzugleichen. Dieser Befund ist aus ideenhistorischer Perspektive vor allem deshalb erstaunlich, weil die psychologische Motivforschung und mit ihr alternative Methoden einer umfragebasierten, qualitativen Marktanalyse durchaus bekannt waren. Die Automanager rezipierten diese seit den 1930er Jahren vor allem in den USA weiterentwickelten Techniken, adaptierten sie aber zunächst nicht. Die Frage, warum der Wissenstransfer ganz offensichtlich nicht funktionierte und vor allem, warum selbst die US -amerikanischen Töchterunternehmen Ford und Opel ihren Know-how-Vorsprung kaum zu nutzen versuchten, ist weder mit hohen Verfahrungskosten, noch mit einem geringen Informationsbedarf oder gar mit einer Amerikanisierungs-Skepsis erschöpfend zu beantworten. Als entscheidendes Problem kristallisierten sich vielmehr methodische Defizite der frühen Motivforschung heraus. Sie war noch nicht in der Lage, die Ergebnisse der innovativen Umfragetechniken anwendungsorientiert und wissenschaftlich präzise auszuwerten. Ihre freien Interpretationen von Kundenaussagen galt als spekulativ, wenig repräsentativ und vor allem als nicht repetitiv reproduzierbar, was einer systematischen Beobachtung der Käuferpräferenzen entgegenstand. Wissenschaftshistorisch betrachtet galten die Analysetechniken des marketing­ affinen irresistible empire USA als fehlbar und unvollkommen. Trotz der vielen ideengeschichtlichen Studien zur Marketinggeschichte blieb bislang unbeachtet, dass es eines konzeptionellen Neustarts der qualitativen Marktforschung bedurfte, um die praktische Implementierung eines Marketingmanagements anzustoßen. Erst nach der behavioristischen Neufundierung der Marktanalysen in der Mitte der 1960er Jahre steigerte sich der Einsatz qualitativer Prognosen in

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den Unternehmen und öffnete sich ein Anwendermarkt für externe Beratungsdienstleister. Rekapituliert man unter diesem Fokus bereits vorliegende unternehmenshistorische Einzelfallstudien, so ist erkennbar, dass dieser Befund über den Tellerrand der Automobilbranche hinaus seine Gültigkeit hat. Gleiches gilt für den internationalen Vergleich, da sowohl in den USA als auch auf dem deutschen Markt für einheimische und ausländische (Auto-)Hersteller die neuen Diffusionsimpulse einer verwissenschaftlichten Marktforschung deutlich sichtbar waren. Exemplarisch steht hierfür das von Bernt Spiegel für BMW entworfene Nischen­modell, das mit Hilfe semantischer Differential-Auswertungen den Markt als empirisch ausmessbares Meinungsfeld modellierte. Die neue Möglichkeit, qualitative Kundenwahrnehmungen zu quantifizieren, erlaubte Produktund Markenpositionierungen visuell sichtbar zu machen und sie erstmals überzeugend für den Anwender aufzubereiten. Weiterhin bleibt zu betonen, dass der Adaptionsprozess der neuen Marktforschungstechniken inkrementell verlief. Er war durch firmenindividuelle Ungleichzeitigkeiten geprägt. Mit BMW, Ford und Volkswagen zeigten sich einige Unternehmen als early adopters, während etwa Daimler bis zum Ölpreisschock darauf verzichtete, seine Strategie der Qualitätsführerschaft marktpsychologisch zu überprüfen. Als grundlegender Trend zeichnete sich jedoch ab, dass die Unternehmen von der Mitte der 1960er bis zur Mitte der 1970er Jahre von einem anlassgebundenen (bei Produktneueinführungen oder rückläufigem Absatz) zu einem systematischen, prospektiven Einsatz qualitativer Marktbeobachtungen übergingen. Zudem vergrößerte sich die Brennweite der Imageanalysen. Wurden zunächst meist einzelne Produktbilder rekonstruiert, konzentrierten sich die Analysen ab Ende der 1960er Jahre auf übergeordnete Marken- und Firmenwahrnehmungen. In den 1970er Jahren gingen die Firmen schließlich dazu über, die Identitäts- und Einstellungsfigurationen von Konsumentenmilieus zu semantisieren, um die Passgenauigkeit von Marken- und Käuferpersönlichkeiten abzuprüfen. Der Übergang vom Markt- zum Gesellschaftsmonitoring steht für eine spannende Verknüpfung zwischen den sozialen und unternehmerischen Umwälzungen in (post-)modernen Massenkonsumgesellschaften: Als sich die Lebens- und Konsumformen auf der Basis distinktiver Selbstinszenierungspraktiken differenzierten, wirkten konstruierte Markenimages als Transmitter dieser Trends. Das Auto als Identity Car(d)  war sprichwörtlicher Ausdruck einer zunehmenden sozioökonomischen Imagestilisierung auf Angebots- und Nachfrageseite. In diesem Kontext steht die Einführung neuer Marktforschungspraktiken für eine tief greifende Imagewende im unternehmerischen Marktverständnis, die in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre zu verorten ist. Kennzeichnend für diese Imagewende war, dass sich die in der Produktionsorientierung manifestierte Selbstbezogenheit der Betriebe abschwächte. Mit dem Versuch, die Wahrnehmung der Marken aus der Sicht von Konsumenten und Stakeholdern zu rekonstruieren, erhielten die Geschäftsstrategien eine reflexive Rückbindung.

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Entscheidungen waren nach der Imagewende wesentlich stärker als zuvor nach außen gerichtet. Innerbetriebliche Logiken verloren gegenüber den Notwendigkeiten der gesellschaftlichen Einbettung an Bedeutung. Die Automobilbranche wähnte sich seither nicht mehr allein in einem handfesten Leistungswettbewerb um Produktivität, Prozess- und Produktinnovationen, sondern in einer ebenso marktrelevanten Kommunikationskonkurrenz um Kundenwahrnehmungen, Imagepositionen und – seit der Leitbildkrise noch verstärkter – um die öffentliche Einstellung zur Automobilität. Fest integriert in diese neuen Vorstellungen fand sich die Überzeugung, Produkte nicht mehr allein als materielle Objekte, sondern als symbolisch aufladbare Container für Imagebotschaften anzusehen. Das Image – bis dahin eher eine gefühlsmäßige Kategorie des guten Rufes, Goodwills und Kundenvertrauens – entwickelte sich zu einem professionellen betriebswirtschaftlichen Strategiewerkzeug und war aus einer steigenden Welle von Image- und Marketingplänen, Produktprogrammen, Werbe- und PR-Konzepten nicht mehr wegzudenken. Markterfolg basierte in dieser Lesart auf der Fähigkeit des Unternehmens, Produkt- und Markenpersönlichkeiten zu entwickeln und sie im Meinungsmarkt des modernen Wettbewerbs klar erkennbar werden zu lassen. Im neuen Regelsystem des Marketingmanagements rückte die Marktforschung und die Formulierung von Imagezielen von einer Hilfsfunktion des Vertriebs nun an den Anfang der unternehmerischen Agenda. Unternehmenskommunikation: Marktgestaltung und Interaktion Dass sich der Übergang zum Marketingmanagement keineswegs gradlinig und reibungslos gestaltete, zeigt sich in den Werbe- und PR-Praktiken der Automobilbranche. Trotz der Imagewende blieb der Perspektivwechsel allenfalls unvollendet, weil die deutschen und deutsch-amerikanischen Unternehmen hartnäckig an der Vorstellung festhielten, die Wahrnehmungen der Konsumenten durch Werbung manipulieren zu können. Dieses Relikt der klassischen Absatz- und Werbelehre wirkte retardierend auf eine tatsächliche Öffnung gegenüber den Interessen ihrer externen Anspruchsgruppen. In Wort und Bild betonten insbesondere Ford und GM, aber auch BMW den Prestigewert ihrer Marken. Die Inszenierungen sozialer Distinktion folgten der Aufstiegseuphorie der Gesellschaft und sollten sie zusätzlich befeuern. Auch VW markierte sein Erfolgsmodell Käfer in den berühmten DDB -Kampagnen emotional – wobei es allerdings eher darum ging, den Marktlebenszyklus des technisch bald veralteten Modells zu verlängern. So fortschrittlich es auf den ersten Blick schien, die Produkte als Projektionsflächen für Konsumerwartungen zu nutzen, so wenig richteten sich die Kommunikationsstrategien auf einen Dialog mit den Kunden aus. Die frühen Marketingpläne rekurrierten auf einfache Reiz-Reaktions-Modelle der behavioristischen Psychologie. Die Werbebotschaften galten als wirkungsvolle Instrumente einer angebotsseitigen Strukturierung des Marktes mit psychologischen Mitteln. Die hochgradig präsente Idee des Consumer Engineering ließ die Unternehmen jedoch nahezu autistisch und blind bleiben, als es darum ging,

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die vielfältigen Signale eines grundlegenden Gesellschaftswandels zu erkennen. Im Hinblick auf eine globale Transfergeschichte des Marketing-Know-hows ist in diesem Kontext abermals hervorzuheben, dass die aus den USA stammenden Industriekonzerne und Consultants in die gleiche Falle liefen wie ihre deutschen Kontrahenten. Der Erfahrungsvorsprung im Handling moderner Massenkonsumgesellschaften hatte sich bis zum Beginn der 1970er Jahre ganz offenbar aufgebraucht. Erst die Absatz- und Leitbildkrise schwächte die Gestaltungsphantasien ab. Statt aktiver Meinungssteuerung sahen sich die Marketingexperten jetzt in der Rolle, die eigenen Aussagen adaptiv an die sich ausdifferenzierenden Kundenpräferenzen anzupassen. Die Kommunikation zwischen Herstellern, Konsumenten und Stakeholdern wurde nun neu als symmetrisches Austauschsystem interpretiert, bei dem es vor allem galt, Disharmonien zwischen der angebotsseitigen Bereitstellung und der nachfrageseitigen Aneignung auszugleichen. In der akuten Ölpreiskrise kennzeichnete die Werbung der gesamten Automobilbranche eine wortwörtliche Sprachlosigkeit, die auf die Unsicherheit der Entscheidungsträger zurückzuführen war, wie man dem veränderten Konsumentenverhalten begegnen sollte. Wie die konfliktreichen Debatten zwischen der Ford-Konzernspitze und ihren Consultants von J. Walther Thompson oder auch die Auseinandersetzungen zwischen Vorstand und Marketingressort bei Daimler offenlegten, brodelte es im Inneren der Betriebe. Für die Marketingabteilungen bot sich die Chance, sich als Problemlöser zu präsentieren und ihre Vorstellungen eines informationsbasierten, umfeldsensiblen Marketings in die Organisationen einzuspeisen. Die Krise fungierte damit als letzter Türöffner für die Ideen des Marketingmanagements, stärkte die Kompetenzen und die Position ihrer Verfechter in den Unternehmen. In der Werbeansprache prägte sich ein neuer Stil heraus, der sich aus der Automobilbranche bald auch auf anderen Konsumfeldern ausbreitete: Die Werbung folgte einer Strategie des Relativierens. Nüchtern-informative Botschaften kehrten zurück, vermengten sich aber rasch wieder mit emotionalen Appellen. Nutzund Lustfunktionen, Aussagen zur Sicherheit, Qualität und Wirtschaftlichkeit kombinierten sich eigentümlich mit Analogien zu unbeschwerter Fahrfreude, Komfort und Sportlichkeit. Diese widersprüchlichen, geradezu paradoxen Kombinationen hatten zum Zweck, die jeweiligen Botschaften zu relativieren und Käuferentscheidungen je nach persönlicher Präferenzlage in die eine oder andere Richtung zu rationalisieren. Spurtstärke und Komfort deklarierten sich als Sicherheitsfaktoren; geringer Verbrauch sollte stets im Verhältnis zur Fahrzeugleistung beurteilt werden. Diese Kunstgriffe ermöglichten es dem Käufer, die eigenen Selbstverwirklichungsziele unter einem Deckmantel der Vernunft weiter zu verfolgen. Trotz ihres formal sachlichen Anstrichs ging es in der Werbung jedoch weiterhin darum, Autos durch Emotionen zu verkaufen. Es wäre daher verfehlt, der zeitgenössischen Literatur zu folgen und von einem Wandel von einer manipulativen zu einer informativen Werbetechnik auszugehen. Die PkwWerbung behielt ihren instrumentellen Charakter.

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Betrachtet man die Werbung als Spiegel der Gesellschaft, lassen sich leicht grundsätzliche Ableitungen zur Verfasstheit der Konsummoderne vornehmen. Hinter der freien Kombinierbarkeit von Sachlichkeit und Emotionalität verbirgt sich eine Art Schlingern der Gesellschaft zwischen den Polen Risikoperzeption und Erlebnisdrang, eine bis in die Mikroebene der einzelnen Kaufentscheide einwirkende Kompromisssuche zwischen individuellen und kollektiven Interessen. Mit mehrdeutigen Leitbildern, wie dem ›Alles-in-Einem‹-Automobil, schuf sich die ambivalente Massenkonsumgesellschaft flexibel auslegbare Legitimationsstrukturen, die es ermöglichten, jedes Konsumverhalten argumentativ vertretbar erscheinen zu lassen. Ähnliche Strömungen, wie in der Werbekommunikation, fanden sich auch in der Öffentlichkeitsarbeit. Zwar betonte die historische Marketingforschung bislang zu Recht, dass in der DPRG und der PR-Theorie bereits seit den 1950er Jahren Feedback-Konzepte aufkeimten, die das Idealbild eines sozial verantwortlichen Unternehmens propagierten. In der Praxis verwurzelten sich diese hehren Ideen bis zum Ende der 1960er Jahre zumindest in der Automobilbranche jedoch nicht. Die wachsende Präsenz von Automobilthemen in Fachjournalen und Boulevardmedien, die die Automobilisierungseuphorie der jungen Bundesrepublik medial begleitete, werteten die Marketingabteilungen von Ford, BMW oder VW primär als Chance, durch Öffentlichkeitsarbeit Werbung mit anderen Mitteln zu betreiben. Die subtilen bis offen nepotistischen PR-Strategien der Wine-and-Dine-Ära verdeutlichen, wie überzeugt die Unternehmen waren, die Medien als Sprachrohre ihrer Interessen instrumentieren zu können. Zugleich werfen sie aber auch ein Schlaglicht auf den Zustand der Medienlandschaft in der jungen Bonner Republik. Sie ließ es durch ihre unkritische Distanzlosigkeit in der Berichterstattung offenbar zu, von der Industrie vereinnahmt zu werden. Nicht nur die deutschen, auch die US -Tochterfirmen sahen sich kaum verpflichtet, ihre Kommunikation an die in den überseeischen Zentralen längst gängigen Prinzipien einer Corporate Citizenship zu orientieren. Dies mag man als Folge einer ungenügenden demokratischen Rückbindung ansehen, die sich vor 1968 in der politischen Ökonomie des auf informelle Interessenkoordinierung setzenden Rheinischen Kapitalismus allgemein abzeichnete. Gleichwohl mehrten sich Ende der 1960er Jahre die Zeichen, dass die oft beschriebene Fundamentalliberalisierung der Bundesrepublik nicht vor den Werkstoren Halt machte – und somit eine Amerikanisierung der betrieblichen Public Relations erst ermöglichte. Mit der öffentlich aufflammenden Kritik scherten nicht nur Teile der Politik aus dem Automobilkonsens aus; zugleich sahen sich die Hersteller mit einer deutlich emanzipierteren Presse konfrontiert, die ihre Rolle als Korrektiv des soziopolitischen Meinungsbildungsprozesses offensiver wahrnahm als zuvor. Im Ergebnis beklagten die PR-Ressorts offen einen Kontrollverlust in den Kommunikationsbeziehungen mit ihren externen Anspruchsgruppen. In einem durchaus konfliktreichen Lernprozess, der abermals insbesondere von den betriebsinternen Kommunikationsexperten und Beratungsagenturen angetrieben wurde, verloren asymmetrische Sender-Empfänger-Modelle in der

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Unternehmenskommunikation an Bedeutung, während dialogische Formen der Öffentlichkeitsarbeit reüssierten. Sicherlich war das in den Firmen nun allenthalben lautstarke Bekenntnis, die Presse müsse als unverzichtbare »vierte Gewalt« der Demokratie wirken können, Teil einer symbolischen Strategie, um die Beziehungen zwischen Unternehmen und Medien wieder zu stabilisieren. Gleichwohl war die neue Sensibilität für mediales Agenda-Setting zugleich ein deutliches Indiz, dass die Unternehmen die gesellschaftlichen Diskurse nun als marktrelevant ernst nahmen. Die betrieblichen PR-Instrumente richteten sich an der Vorgabe aus, die eigenen Positionen in dem von konkurrierenden Deutungsangeboten gefüllten öffentlichen Raum stets präsent und hörbar werden zu lassen. Ein grundsätzlicher Bruch mit den Kernprinzipien des koordinierten Kapitalismus läutete der neue Wettstreit um Meinungshoheit, mediale Präsenz und Repräsentation gesellschaftlicher Verantwortung freilich nicht ein. Lediglich die tradierten informellen Modi der Aushandlung konfligierender Interessen öffneten und demokratisierten sich. Der vorbehaltlose Wachstumskonsens der wirtschaftlichen Boomjahre wich einer Konfliktpartnerschaft, in der Vertreter aus der Politik, gesellschaftlichen Organisationen und den Unternehmen die Effizienz kooperativer Problemlösungen betonten, aber zugleich hart um die Deutungshoheit ihrer Positionen rangen. Zieht man hier die historische Parallele zum Wandel der industriellen Arbeitsbeziehungen, scheint der Übergang zur konfrontativen Koordinierung mehr als nur eine Momentaufnahme. Letztere wurde zu einem grundsätzlichen Signum eines neuen Geistes des Rheinischen Kapitalismus. Liberalisierung bedeutete, sich auf eine intensive Kommunikationskonkurrenz einzulassen, ohne die normative Dialogbereitschaft zu verlieren. Besonders deutlich traten diese Prinzipien ab 1973/74 zu Tage. Die externe ökonomische Krise führte Politik, Medien und Industrie auf einen Kompromisspfad zurück, der eine zögerliche staatliche Umweltregulierung des Automarktes mit einer unternehmerischen Selbstverpflichtung auf die Interessen der Allgemeinheit austarierte. Der hohe Aufwand, der für diese neuen Formen der sozialen und politischen Verhandlungsprozesse betrieben werden musste, wertete die Öffentlichkeitsarbeit auf und verankerte sie fest im Marketingmanagement. Die betriebliche und verbandliche Außenkommunikation expandierte und professionalisierte sich. Mittels zahlreicher neuer PR-Kommunikate suchte der VDA das sozioökologische Gewissen der Industrie öffentlichkeitswirksam zu betonen und die Kritik an den Externalitäten der Massenmobilität zu entkräften. Vor allem aber war neu, dass auch die Konzerne eigene Bündel neuartiger PR-Maßnahmen schnürten, um ihre öffentliche Sichtbarkeit zu erhöhen. Auf vielen Kommunikationsebenen fanden sich seit den ausgehenden 1960er Jahren Indizien, dass sich die Branche ihrem Umfeld öffnete  – sei es durch mittelbare Formen des Eventmanagements, des Ausstellungs- oder Kultursponsorings oder auch durch unmittelbare Publikumsinszenierungen der Werksabläufe und der Firmen­ tradition. Ihre Dynamik entfaltete die PR-Arbeit keineswegs allein als defensive Verteidigungstaktik gegenüber autokritischen Strömungen. Vielmehr verdankte

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Identity Car(d)

sie ihren Aufstieg auch ihrer Anschlussfähigkeit in die marktstrategische Modellwelt des Image-Paradigmas. Im Fokus der betrieblichen Public Relations stand gleichermaßen, den allgemeinen gesellschaftlichen Goodwill der Autoindustrie zu sanieren als auch die imagebasierte Wettbewerbsposition der einzelnen Anbieter im Marktfeld zu verbessern. Nicht nur das Produkt, auch das über­ geordnete Firmenimage galt als unverzichtbare Komponente einer nach außen möglichst geschlossen in Erscheinung tretenden Markenpersönlichkeit, die den Konsumenten als Orientierungshilfe für ihre Kaufentscheide dienen sollte. Die Open-Door-Politik avancierte damit zu einem Werkzeug, um symbolische Alleinstellungsmerkmale zu ›produzieren‹. Das Ziel lautete, die Markenbilder von der Konkurrenz abzusetzen. Ab Mitte der 1970er Jahre integrierte das Marketingmanagement-Konzept die einzelnen Kommunikationsinstrumente der Produktwerbung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und unterstellte sie unter dem Begriff der Corporate Identity den Zielen der Image- und Marketingplanung. In einem ganzheitlichen und möglichst einzigartigen Erscheinungsbild eines Unternehmens in der Öffentlichkeit sollte sich nach dieser Lesart eine Markenphilosophie sowie das Leistungsangebot und die Arbeitsweise zeigen. Ob Qualität und Fortschrittlichkeit bei Daimler oder Praktikabilität und Vernunft bei VW – mit großem Aufwand und einer breiten Palette von Werbe- und PR-Maßnahmen suchten die Autofirmen differente Assoziationsmuster für sich in Anspruch zu nehmen. Auch die in der Branche erst spät vorgenommenen Anstrengungen zur Vereinheitlichung des Corporate Designs, der Einbeziehung der Mitarbeiter in die Außenkommunikation und die am Ende des Untersuchungszeitraums aufkeimenden Diskurse über Corporate Social Responsibility und Corporate Culture setzten bei solchen integrativen Ansätzen einer inneren und äußeren Identitätsbildung an. In diesem Sinne war die Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit keineswegs anthroposophischer Selbstzweck, sondern vielmehr eine unter dem Dach des Marketings erstmals stabsmäßig organisierte und stringent strategische Form der sozialen Einbettung unternehmerischen Handelns. Globalisierung des Marketings: Grenzen und Reichweiten Allein die Vielzahl der aus dem Amerikanischen übernommenen Begriffe, die in die Marketingwissenschaft und Praxis Einzug hielten, lassen auf einen intensiven Know-How-Transfer schließen. Allerdings zeigt die Analyse, dass die Diffusion des Marketingmanagement-Gedankens keineswegs einen einseitigen Weg von Amerika nach Deutschland beschritt. Es handelte sich um einen vielschichtigen transnationalen Entwicklungsprozess, in dem das Markt- und Methodenwissen in beiden Fließrichtungen transportiert wurde. Sicherlich kam US -amerikanischen Beratungs- und Marktforschungsagenturen eine wichtige Rolle zu, wenn es darum ging, neue Erkenntnisse der anwendungsorientierten Forschung deutschen Unternehmen näher zu bringen. Zudem wandten die deutschen Autokonzerne, oft in Person ihrer führenden Manager, den Blick nach Übersee, um den Zusammengang zwischen Konsumverhalten, Gesellschaftswandel und Marktveränderungen zu erschließen und neue Instrumente der marktorientierten Un-

Eine Schlussbetrachtung

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ternehmensführung zu entdecken. Gleichwohl zeigte sich seit den 1960er Jahren immer mehr, dass sich die Erfahrungen, die die Experten in der fortgeschrittenen Autogesellschaft der USA gesammelt hatten, nicht eins zu eins auf die deutschen Markt- und Gesellschaftsbedingungen übertragbar waren. Frappierend ist, welche großen Probleme gerade amerikanische Automobilkonzerne und Beratungsagenturen hatten, den Konsumwandel in Deutschland abzuschätzen und die Spezifika der deutschen Autokultur in ihre Prognosemodelle einzubauen. Die einfache Übertragung von Denkmodellen aus den USA stießen an den ländercharakteristischen Motorisierungsmustern an ihre Grenzen. Gepaart mit dem letztlich überheblichen Vertrauen auf die manipulativen Kräfte des Consumer Engineering blieben die Ansätze eines weitblickenden Marktmonitoring auch in den deutsch-amerikanischen Industrie- und Beratungsunternehmen lange punktuell und fragmentär. Dies galt auch und insbesondere aufgrund der stark zentralisierten Steuerung der Töchterunternehmen aus den fernen Firmenzentralen. Erst in der Absatz- und Leitbildkrise der 1970er Jahre setzten sich das Imageparadigma und mithin systematische Instrumente des Marketings in der Praxis tatsächlich durch. Die Grundlage hierfür boten methodisch innovative Ansätze der qualitativen Marktforschung, an deren Weiterentwicklung seit den 1960er Jahren gleichermaßen deutsche und amerikanische Ideengeber arbeiteten. So ist davon auszugehen, dass Spiegels Nischenansatz, das Compagnon Lebensstil-Modell oder auch die Sinus-Milieus über die institutionellen Transferkanäle der Produzenten und Dienstleister ihren Weg zurück in die USA fanden. In der Genese des Marketingmanagements überlagerten sich Prozesse des transnationalen Austauschs sowie der lokalen Rezeption und Adaption professioneller Managementmodelle. In der Mikroökonomie des Automobilsektors ließen sich vor diesem Hintergrund idealtypische Gestaltungscharakteristika einer wissensbasierten Globalisierung erkennen. Baupläne des Marketingmanagements In der Gesamtschau implementierte sich der Marketinggedanke schleichend in den Unternehmen der Automobilbranche. Der Prozess speiste sich dabei aus höchst unterschiedlichen Quellen. Marktendogene und -exogene Wandlungen, graduelle und dynamische Transformationen der Unternehmensumwelt überlagerten sich und lösten zögerliche Lernprozesse aus, in denen neue Informationsbestände und Wissensressourcen zunächst nach alten Denkmustern der Nachfragesteuerung instrumentalisiert, bevor sie objektiv operationalisiert wurden. Allein die Frage, ob es sich bei der Durchsetzung des Marketingmanagements um einen pro- oder reaktiven Prozess handelte, ist nach dieser Tiefenanalyse nicht mehr so leicht zu beantworten wie von der Marketinggeschichtsschreibung bislang gedacht. Auch die These der Amerikanisierung der Managementmethoden gerät in Zweifel, wenn selbst Unternehmen mit engsten Transferkanälen in die USA nur rudimentär auf die vermeintlich vorbildhaften Strategieempfehlungen zurückgriffen. Der Übergang zum Marketingmanagement erscheint somit als wesentlich grundsätzlicherer Neustart des Marketings auf dem wissenschaft-

486

Identity Car(d)

lichen Fundament eines technoiden, radikalen Behaviorismus. Erst als etwa Spiegels Marktmodell den Wettbewerb in den Kategorien Image, Wahrnehmung und Konsumentenverhalten beschrieb, setzte ein Strategiewechsel und damit auch ein Umbau der Organisationsstrukturen der Unternehmen ein. Wie der Branchenvergleich ersichtlich macht, lieferte das Marketingkonzept die grundlegenden Konstruktionsparameter, nicht aber die konkreten Umbaupläne für die Unternehmen. Zum Grundprinzip avancierte die Integration von den zuvor separierten, nach eigenen Logiken agierenden Funktionsbereichen Entwicklung, Produktion, Produktplanung und Vertrieb unter den Ziel­vorgaben des Marketings. Diese ganzheitliche Steuerung ›vom Konsumenten aus‹ wurde in den Unternehmen in verschiedenen Formen, in interfunktionellen Ausschüssen, Projektgruppen oder Zentralstellen in die Praxis umgesetzt. Gemeinsam war ihnen, dass Marktforschung und Marketingplanung an den Beginn der betrieblichen Wertschöpfungskette rückten und nicht mehr als reine Vertriebshilfen nachgelagert waren. Damit verband sich als zweites Merkmal, dass die Ressorts in der betrieblichen Organisationhierarchie aufstiegen und mit strategischen Kompetenzen ausgestattet wurden. Demgemäß veränderte sich auch die Balance in den innerbetrieblichen Willensbildungsprozessen. Der intuitive Patriarchalismus der ›Wirtschaftswunderkapitäne‹ weichte auf. Die Unternehmen öffneten sich für interaktive, teamorientierte Betriebsleitungskonzepte. Auf diese Weise verliefen die Lernprozesse, auf deren Basis sich das Marketingmanagement etablierte, in einer doppelten Fließrichtung von unten nach oben und von außen ins Innere der Betriebe. Angesichts der neuen Unsicherheiten griffen die Unternehmensvorstände intensiv auf die Expertise externer Consultants- und Full-Service-Agenturen zurück. Diese implementierten die neuartigen Ideen in enger Zusammenarbeit mit betrieblichen Marketing- und Marktforschungs­ abteilungen, die gewissermaßen von der Basis der Unternehmen den notwendigen Diffusionsdruck erzeugten. Hier war es eine neue Generation von Marketing- und Vertriebsmanagern, die die Konzepte der Team- und Projektarbeit sowie des Issue-Managements bis in die Führungsetagen durchsetzten und dort die langjährige Dominanz von Ingenieuren, Technikern und Juristen durchbrachen. Auch in diesem Wandel der Governance-Konzepte wirkten Werteund Wirtschaftswandel eng zusammen. Die Liberalisierung der Gesellschaft koppelte sich in einem ›1968‹ der Manager rück und sorgte dafür, dass traditionelle Führungsmodelle abgelöst wurden – ein Trend, der zumindest in den Großkonzernen der Automobilindustrie auffällig war, der aber noch auf seine Tragfähigkeit für andere Branchen und Unternehmensformen zu überprüfen sein wird. Zugleich ließ sich beobachten, dass der unternehmerische Organisations- und Strategiewandel in klassischer Chandlerscher Manier ineinandergriff. Dabei vollzog sich die Integration der Produktpolitik in das Marketingmanagement als wechselseitige Rückkopplung. So ist bislang kaum beachtet worden, dass es nicht allein die Idee der Marketingorientierung war, die eine veränderte Produktpolitik evozierte, sondern dass die bereits in den 1960er Jahren eingeschlagenen

Eine Schlussbetrachtung

487

Strukturpfade der Angebots- und Produktionsgestaltung eine graduelle Verlagerung des Wettbewerbs auf imagebasierte, quasi ›entobjektivierte‹ Instrumente der Kommunikationskonkurrenz förderten. Ganz grundsätzlich ist in diesem Kontext die These zu formulieren, dass die Geschwindigkeit, mit der sich moderne Marketinginstrumente in einer Industriebranche durchsetzten, nicht zuletzt von den Gütereigenschaften der zu vermarktenden Waren abhing. So lässt es der Blick in vorliegende Fallstudienanalysen der historischen Marketingliteratur kaum verwunderlich erscheinen, dass der Einsatz von werblichen und marketinggestützten Verkaufshilfen gerade bei weitgehend homogenen Alltagskonsumgütern (wie Waschmittel, Hygieneartikeln, Tabakwaren oder Schokolade), aber auch bei technisch weniger differenzierbaren Geräten (etwa Wasch- und Küchenmaschinen, Reifen) zum Teil deutlich früher aufkam als in der deutschen Automobilbranche. Gleichwohl war auch bei dem in tausenden speziellen Variationen herstellbaren Produkt Automobil ausgangs der 1960er Jahre eine komplizierte Überlagerung von Differenzierungs- und Homogenisierungseffekten in der Warenbereitstellung erkennbar, die für ausgereifte Märkte der Massenproduktion als typisch anzusehen waren. So konnte die Branchenstudie den Befund erstmals im Detail herausarbeiten, dass die Hersteller spätestens seit den 1970er Jahren eine zunehmende physische Angleichung ihrer Modellangebote beklagten. Ihre Wurzeln hatte diese Problematik in vier zum Teil paradoxen produktpolitischen Entwicklungstrends: Erstens setzten die Hersteller auf eine deutliche Ausweitung ihrer Produktangebote, um sich an die Kundenpräferenzen anzupassen. Um den auf- oder auch absteigenden Konsumenten in allen Segmenten passende Produkte des eigenen Hauses anzubieten, gingen insbesondere die Massenanbieter zu neuartigen Vollsortiment-Programmen über. Sie deckten ein ›nach oben‹ möglichst weites Spektrum von Marktsegmenten ab, indem sie mit fein gesetzten Preis-, Leistungs- und Ausstattungsstufen Autos für jeden Geschmack zur Verfügung stellten. Auch die Produktlinien der Oberklassenanbieter bewegten sich auf die Konkurrenzfelder zu. Sie rundeten ihre Angebote in den unteren Teilsegmenten ab, um ihre Kunden schon dort abzuholen und die Markenbindung zu stärken. Die Produktprogramme begannen sich erstmals intensiv zu überschneiden. Zweitens stellte die Produktproliferation, die Produktionsmodelle des Fordismus und Sloanismus in ihrer Reinform in Frage. Weder das badge engineering von Opel noch die reduzierte Massenfertigung von VW konnten den Wechsellagen der Nachfrage entsprechen. Die Modell- und Innovationszyklen hatten sich auf einen neuen Mittelweg einzustellen, für den die Baukastenfertigung die rationalste produkttechnische Grundlage lieferte. Die Durchsetzung des Marketingmanagements verband sich vor diesem Hintergrund eng mit dem Übergang zur flexiblen Volumenfertigung – ein Zusammengang, der nicht nur für die Automobilbranche als wichtiger Dynamisierungseffekt gilt. Beide Entwicklungen förderten die konsumentengerechte Auffächerung der Produktpalette, führten aber zugleich dazu, dass die Branchenkonzerne in den einzelnen Markt-

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Identity Car(d)

segmenten mit durchaus differenzierbaren, in ihrer Konfigurationsvielfalt aber ebenso ähnlichen Produktvarianten aufwarteten. Drittens waren es dann die gesetzlichen Bauvorschriften, die zwangsläufig technische Orientierung an neuen Sicherheits- und Wirtschaftlichkeitsaspekten, die durch ähnlich stromlinienförmige Designformen die sichtbaren Angebotsähnlichkeiten noch erhöhten. Eine ebenso ambivalente Rolle ist schließlich, viertens, auch der Marktforschung zuzuschreiben, die die Produktpolitiken ausgangs der 1960er Jahre durch ihre eigentümlichen systemischen Logiken in Richtung der Angleichung trimmten. Unabhängig davon, mit welchen Consultants die Firmen zusammenarbeiteten, basierten die Marktanalysen methodisch stets auf dem Instrument des sog. Differenzialvergleichs. Wie die Studie detailliert herausarbeitet, bedeutet dies, dass als Referenz für die Bewertung der eigenen Marken und Produkte ausschließlich die Imagewerte der jeweiligen Konkurrenten herangezogen wurden. Schwächelte ein Modell im Kundenurteil über Motorleistung oder Ausstattung, rieten die Marketingexperten genau hier nachzubessern. Die Praktiken des Vergleichens ließen ein in hohem Maße selbstreferenzielles System der Leistungsanpassung entstehen. Vorstoß und Verfolgung lautete die neue Maxime. Jede erfolgreiche produktpolitische Maßnahme eines Herstellers sollte von den direkten Konkurrenten möglichst nachgeahmt werden, um nicht an Kundengunst zu verlieren. Die Imagemessung förderte somit die technische Homogenisierung der Produkte und verstetigte das Querschnittsideal der Rennreiselimousine. Zudem setzte sie eine eigendynamische Spirale der Kundenorientierung in Gang und stärkte die Suche nach imageorientierten Alleinstellungsmerkmalen. Unterscheidbarkeit war durch eine emotionale Markierung von Marken, Firmen und Produkten deutlich leichter herstellbar als über klassische produktbezogene Wettbewerbsstrategien. Auffällig war in diesem Zusammenhang zudem, dass auf dem Automobilmarkt ab den 1970er Jahren kurzfristig greifende Wettbewerbsinstrumente der Serviceund Konditionenpolitik stark an Bedeutung zunahmen. Dieses Phänomen war auf eine produktstrategische Reaktionslücke während der Ölpreiskrise 1973/74 zurückzuführen. Die Automobilindustrie brauchte einige Jahre Entwicklungszeit, um die differenzierten Vollsortimente aufzubauen und ihre Angebote an die sich rasch pluralisierenden Käuferpräferenzen anzupassen. Auch hier reichte der Vorstoß eines Anbieters, Ford, um bislang ungenutzte Wettbewerbsinstrumente in der Branche zu aktivieren. Die ursprünglich lediglich als kurzfristig wirksame Anti-Krisen-Maßnahmen gedachten, konsumentenfreundlichen Verbesserungen des Kundendienstes, der Garantie- und Kaufkonditionen verankerten sich jedoch fest im Portfolio des Marketingmanagements. Mithin aktivierten die Unternehmen kompetitive Marktstrategien, auf die sie zuvor aus Rücksichtnahme auf die oligopolistische Harmonie der Märkte verzichtet hatten. Das Marketingmanagement veränderte somit nicht nur die betrieblichen Organisationsformen und Strategiewerkzeuge; es warf zugleich das tradierte Branchengefüge um und verschob die Perspektive auf einen freieren Wettbewerb.

Eine Schlussbetrachtung

489

Letztlich  – und hier schließt sich der Kreis zwischen marktexogenen und -endogenen Wandlungsprozessen  – wirkten die sozialtechnischen Praktiken des Marketingmanagements rekursiv auf die zeitgenössischen soziologischen Modellbeschreibungen der (nur scheinbar) postindustriellen Massenkonsumgesellschaft ein. Spätestens ab dem zweiten Drittel der 1970er Jahre gingen die Unternehmen zu einer kontinuierlichen Image- und Konsumentenbeobachtung über, die nun auch ein systematisches Monitoring gesamtgesellschaftlicher Strömungen und Diskurse beinhaltete. Wie die für BMW entwickelten CompagnonModelle der Marktforschung eindrucksvoll unter Beweis stellten, arbeiteten die Betriebe mit Hochdruck an neuartigen Typologisierungen der Gesellschaft. Sie erhoben nun nicht mehr allein die Markenwahrnehmungen der Konsumenten, sondern musterten die Nutzer nach Persönlichkeitsmerkmalen, Interessen-, Meinungs- und Verhaltensgruppen. Diese Lebensstil-Segmentierungen bildeten keine konsequente Weiterentwicklung einer Verwissenschaftlichung des Konsums. Sie griffen vielmehr frühzeitig sozialwissenschaftliche Analysen des Wertewandels auf und thematisierten die Individualisierung und Entstandardisierung als Grundmuster gesellschaftlicher Umbruchprozesse. Frappierender ist aber der Befund, dass die ökonomischen Gesellschaftsmodelle in einem offenen Wissenstransfer wieder in die Sozialstudien der späten 1970er und 1980er Jahre zurückflossen. Die Lektüre von Marktforschungs- und Marketingberichten liest sich wie eine Vorwegnahme der großen Gesellschaftstheorien der Risikogesellschaft, der Erlebnisgesellschaft oder auch des von Daniel Bell geprägten Theorems einer postindustriellen Gesellschaft. Die praktische Notwendigkeit für Konsumgüterunternehmen und Consultingfirmen, modellhafte Realitätskonstruktionen der Gesellschaft zu entwerfen, um sie als Marktprojektionen handhabbar zu machen, trug somit erheblich dazu bei, dass sich innovative Wissensressourcen der Gesellschaftsanalyse entfalteten. Dabei prägen derartige Lifestyle- und Milieubeschreibungen bis heute nachhaltig unser Bild über die Baupläne der deutschen Nachkriegsgesellschaft – auch wenn es sich hierbei primär um ökonomisch motivierte Realitätskonstruktionen des Sozialen handelte. In dieser Hinsicht war die ökonomische Neuvermessung des Automobils untrennbar mit einer neuartigen Kartographierung der inneren sozialen und kulturellen Verfasstheit der Bundesrepublik verbunden. In diesem Gefüge hat das Automobil bis heute kaum an Funktionalität als symbolische Identity Car(d) moderner Lebens- und Konsumentwürfe verloren.

Abkürzungsverzeichnis

Abb. Abbildung ABS Anti-Blockier-System Abt. Abteilung ACE Auto Club Europa e. V. ADAC Allgemeine Deutsche Automobil-Club e. V. AG Aktiengesellschaft AgV Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e. V. Anm. d. V. Anmerkung des Verfassers APO Außerparlamentarische Opposition Art. Artikel Aufl. Auflage BA Bundesarchiv Koblenz BAB Bundesarchiv Berlin BFR Benson Ford Research Center, Dearborn / M I BGB Bundesgesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BIP Bruttoinlandsprodukt BMW Bayerische Motoren Werke AG BMWGA BMW Group Archiv ccm Kubikzentimeter CDU Christlich Demokratische Union CSU Christlich Soziale Union Cw Luftwiderstands-Beiwerte dB Dezibel DDB Doyle Dane Bernbach Werbeagentur DGB Deutscher Gewerkschaftsbund Dipl. Diplomarbeit Diss. Dissertation DIVO Deutsches Institut für Volksumfragen DIW Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DM Deutsche Mark DPRG Deutsche Public Relations Gesellschaft e. V. durchges. durchgesehene DVR Deutscher Verkehrssicherheitsrat e. V. ECE Economic Commission for Europe EDV Elektronische Datenverarbeitung EFTA European Free Trade Association EG Europäische Gemeinschaft EPA Environmental Protection Agency EPCA Energy Policy and Conservation Act erw. erweiterte

492 ESC EWG

Abkürzungsverzeichnis

Experimental Safety Vehicles Europäische Wirtschaftsgemeinschaft F&E Forschung und Entwicklung FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FDP Freie Demokratische Partei Fn. Fußnote FoE Ford of Europe FoG Ford of Germany gez. gezeichnet GfK Gesellschaft für Konsumforschung GFL Gerald R. Ford Library, Ann Arbor / M I General Motors GM GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung H. Heft HAD Historisches Archiv Daimler AG HCD John W. Hartman Center for Sales, Advertising & Marketing History an der Duke University, Durham / NC HML Hagley Museum and Library, Wilmington / DE Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv HWWA IAA Internationale Automobilausstellung Ifo Institut für Wirtschaftsforschung IG Metall Industriegewerkschaft IOMTR International Organization for Motor Trades and Repairs JWT J. Walter Thompson Werbeagentur KBA Kraftfahrt-Bundesamt KdF Kraft durch Freude Kfz Kraftfahrzeug MIT Massachusetts Institute of Technology mpg miles per gallon Nfz Nutzfahrzeug NRW Nordrhein-Westfalen NS Nationalsozialismus OPEC Organization of the Petroleum Exporting Countries ÖPNV Öffentlicher Personen-Nahverkehr Pers. Person(en) Pf. Pfennig Pkm Personenkilometer Pkw Personenkraftwagen PR Public Relations PS Pferdestärke SPD Sozialdemokratische Partei Deutschands Stjb Statistisches Jahrbuch SVR Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Tab. Tabelle TÜV Technischer Überwachungsverein e. V. TuZ Tatsachen und Zahlen aus der Kraftverkehrswirtschaft

Abkürzungsverzeichnis

UN UVW

493

United Nations Unternehmensarchiv Volkswagen AG (Historische Kommunikation) v. H. von Hundert VDA Verband Deutscher Automobilindustrie VDI Verband deutscher Ingenieure VW Volkswagen

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1:

BIP, Realeinkommen und Inflation in der BRD, 1965–1983

Abb. 2:

BIP, Produktion und Neuzulassungen von Pkw in der BRD,

Abb. 3:

Produktion und Neuzulassungen von Pkw in der BRD, 1965–1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Abb. 4:

Krise vor der Krise: Monatliche Neuzulassungen in der BRD, 1972/73 (© Der Spiegel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Abb. 5:

Pkw-Absatz deutscher Automobilhersteller im In- und Ausland, 1960–1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

Abb. 6:

Kraftfahrer-Preisindex, 1969–1982 (1980 = 100) . . . . . . . . . 83

Abb. 7:

Kosten für Pkw-Anschaffung, Haltung und Kraftstoffe, 1969–1982 (1980 = 100) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

Abb. 8:

Karikatur ›Anhalter 71‹ (© Der Spiegel) . . . . . . . . . . . . . . 84

Abb. 9:

Entwicklung der Realeinkommen in der BRD, 1965–1985 . . . 88

(Veränderungen zum Vorjahr in v. H.) . . . . . . . . . . . . . . 66 1965–1983 (Veränderungen zum Vorjahr in v. H.) . . . . . . . . 70

Abb. 10: Pkw-Bestand in der BRD, 1950–1982 . . . . . . . . . . . . . . . 92 Abb. 11: Pkw-Neuzulassungen in der BRD nach VDA-Leistungsklassen, 1950–1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Abb. 12: Fahrzeuggewicht des Opel Rekord / Olympia, 1955–1970 . . . . 125 Abb. 13: Höchstgeschwindigkeit des Opel Rekord / Olympia, 1955–1970 125 Abb. 14: Benzinverbrauch des Opel Rekord / Olympia, 1955–1970 . . . . 127 Abb. 15: Straßenverkehrsopfer: Tote und Verletzte, 1955–1982 . . . . . . 145 Abb. 16: Käuferbewegung und Markenloyalität. Vereinfachtes Marktmodell der VW-Marktforschung (1968) . . 205 Abb. 17: Exklusivität und Repräsentation. Psychologisches Marktmodell für BMW (1964) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Abb. 18: Imagebasiertes Marktmodell der VW-Marktforschung (1968)

235

Abb. 19: Markenprofile von VW, Audi und BMW (1970) . . . . . . . . . 242

496

Abbildungsverzeichnis

Abb. 20: Pkw-Neuzulassungen in der BRD nach VDA-Leistungsklassen, 1970–1982 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Abb. 21: Die wichtigsten Kaufgründe für BMW, 1974–77 . . . . . . . . . 267 Abb. 22: Präferenzfeld-Vergleich für den BMW 320 (1978) . . . . . . . . 284 Abb. 23: Anzahl von Baureihen und Typen deutscher Hersteller, 1965–1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Abb. 24: Typen je Baureihe und Fertigungsmengen, 1965–1985 . . . . . 301 Abb. 25: Listenpreise deutscher Hersteller (kumulierte Werte), 1969–1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Abb. 26: Opel Kadett: Jung und voll Schwung (1963, © Opel Automobile GmbH) . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Abb. 27: Opel-Werbekampagne: Admiral. Der schnelle Reisewagen (1968, © Opel Automobile GmbH) . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 Abb. 28: Ford Taunus: Exklusives Fahrvergnügen (1966/67 © Ford-Werke AG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Abb. 29: Audi: Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Komfort (1974 , © Audi AG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 Abb. 30: Opel Rekord und VW Passat: Wirtschaftlichkeit (1974, © Opel Automobile GmbH, Volkswagen AG) . . . . . . . 398 Abb. 31: Ford Taunus: Werbung zur Energiepreiskrise (1974 © Ford-Werke AG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 Abb. 32: VW Golf Einführungskampagne: Auto, Motor und Spaß (1974, © Volkswagen AG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 Abb. 33: BMW 02er-Serie: Identity Car(d) (1974 , © BMW Group Archiv) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Abb. 34: Opel Commodore: Wer mit Stil lebt (1974, © Opel Automobile GmbH) . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Abb. 35: Opel Rekord: Familien- und Freizeitgefährt (1974, © Opel Automobile GmbH) . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Abb. 36: Ford Capri: Die besten Seiten der Vernunft (1974, © Ford-Werke AG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 Abb. 37: Ford und Daimler: Modernität und Sicherheitstechnik (1980, © Ford-Werke AG, Daimler AG) . . . . . . . . . . . . . . 412

Tabellenverzeichnis

Tab. 1:

Produktion und Neuzulassungen von Pkw in der BRD, 1950–1965 (Veränderungen zum Vorjahr in v. H.) . . . . . . . 43

Tab. 2:

Pkw-Dichte in der BRD, 1946–1966 (Bestand pro 1.000 Einwohner) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Tab. 3:

Durchschnittliche monatliche Haushaltsnettoeinkommen in der BRD, 1950–1968 (Berufsgruppen, in DM) . . . . . . . . . 45

Tab. 4:

Nachfragestruktur der privaten Haushalte, 1950–1970 (Ausgabearten, in v. H.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Tab. 5:

Ausstattung mit langlebigen Gebrauchsgütern, 1965 (private Haushalte, in v. H.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

Tab. 6:

Pkw-Neuzulassungen in- und ausländischer Fabrikate, 1955–1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

Tab. 7:

Produktdifferenzierung nach Marktsegmenten, 1965 (Pkw-Modelle über 10.000 Neuzulassungen) . . . . . . . . . . . 60

Tab. 8:

Exportquote deutscher Automobilhersteller, 1960–1983 . . . . 76

Tab. 9:

Direkte Preiselastizität der Neuwagen-Nachfrage, 1970–1982

86

Tab. 10: Laufende monatliche Pkw-Aufwendungen, 1966–1982 (Haushalte mittleren Einkommens, Anteile am privaten Verbrauch in v. H.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Tab. 11:

Pkw-Dichte und Nachfragedeterminanten, 1965–1985 . . . . . 92

Tab. 12: Erst- und Ersatzbedarf, 1960–1983 . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Tab. 13: Motorisierung nach sozialen Statusgruppen, 1965–1983 (Erst- u. Zweitwagen, in v. H.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Tab. 14:

Motorisierung nach Haushaltsgrößen, 1965–1983 (in v. H.) . . 98

Tab. 15: Die Wunschautos der Deutschen, Umfrage zum Idealwagen (1970) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Tab. 16: Anteil von Erstkäufern am Gesamtabsatz ausgewählter Pkw-Modelle (in v. H.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Tab. 17:

Marktanteile der Pkw-Modelle im Erstkäufermarkt (in v. H.) . . 206

498 Tab. 18:

Tabellenverzeichnis

Abwanderungsstrukturen. VW Käfer und Opel Kadett im Vergleich, 1964–1968 (in v. H.) . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

Tab. 19: Markenloyalität. Ausgewählte in- und ausländische Anbieter, ­1963–1968 (in v. H.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Tab. 20: Käufertypologie der Zielgruppe ›kleiner BMW‹ (1973) . . . . . 214 Tab. 21:

Verbesserungswünsche am eigenen Automobil (1969) . . . . . 236

Tab. 22:

Kaufmotivstrukturen. Relevanzskala der VW-Marktforschung (1968) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

Tab. 23:

Markenimage VW, Ford und Opel. ›Selbstimage‹ von Firmenkunden (1970, nach Schulnoten) . . . . . . . . . . . 243

Tab. 24: Leitlinien der Imagepolitik des VW-Konzerns (1971) . . . . . . 246 Tab. 25: Entwicklung der Pkw-Segmente in der BRD, 1972–1976 . . . . 260 Tab. 26: Compagnon-Modell. Psychologische Segmentation der Fahrertypen Inland (1978) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Tab. 27:

Produktdifferenzierung nach Baureihen, Baugruppen und Motorkonfigurationen, 1965–1985 . . . . . . . . . . . . . . 304

Tab. 28: Marktanteile deutscher Hersteller in VDA-Leistungsklassen, 1965–1980 (in v. H.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Tab. 29: Modellwechsel und -pflege, 1960–1990 (durchschn. Zyklen in Jahren) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Tab. 30: Jährliche Anhebungen der Listenpreise, 1969–1982 (Index 1968 = 100, Veränderungen zum Vorjahr in v. H.) . . . . 349 Tab. 31:

Werbeausgaben, 1965–1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372

Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Archivalische Quellen BMW Group Archiv (BMWGA)

Bestand UA darin: Sammlung Vorstandsprotokolle Sammlung Aufsichtsratsprotokolle Sammlung Marktforschungsberichte Sammlung Vertrieb Sammlung Bernt Spiegel Sammlung Vorträge und Reden Bestand UR darin: Sammlung Produktkonzepte Sammlung Marketingpläne

Historisches Archiv Daimler AG (HAD)

Bestand Vorstandsprotokolle Daimler-Benz AG Bestand Aufsichtsratsprotokolle Daimler-Benz AG Bestand Organisationspläne Bestand Hitzinger (1963) Bestand Verkaufsorganisation In- und Ausland (Breitschwerdt) Bestand Mitarbeiterzeitung ›intern‹ Bestand Zahn (Zahn / HS Staelin / Zahn / HS Raue) Bestand Zentralstatistik Sammlung Energiekrise Sammlung Marktforschung DBAG 1973–1976 Sammlung Werbung Image DBAG 1968–1970

Unternehmensarchiv Volkswagen AG (UVW) Bestand Vorstandsprotokolle Bestand Aufsichtsratsprotokolle Bestand Werkszeitung ›autogramm‹

Sammlung Marktforschung und Marketing Sammlung Verkaufsberichte Sammlung Reden, Vorträge und Publikationen Sammlung Kostenstellen und Läger

500

Quellen- und Literaturverzeichnis

Sammlung Organisationshandbücher Sammlung VW Krise 1971–75 (Presseausschnitte)

John W. Hartman Center for Sales, Advertising & Marketing History, Duke University, Durham / NC (HCD) Bestand darin: Sammlung Sammlung Sammlung Sammlung Sammlung

J. Walter Thompson (JWT), Client Series Ford Black Papers Frankfurt Office Ads Ihlefeld Papers Marketing Vertical Files Domestic Advertisments Collection Ford

Benson Ford Research Center, Dearborn / MI (BFR) Bestand Bestand

Public Relations Collection 1879–1987 Sales and Advertising Records Collection

Gerald R. Ford Presidential Library, Ann Arbor / MI (GFL) Bestand Bestand Bestand Bestand

James M. Cannon Files (Environmental Protection Agency) Michael Raoul-Duval Files (Environmental Protection Agency) Norman E. Ross Files (Office of the White House Press Secretary) L. William Seidman Files (Energy Resources Council, Secretary of Interior)

Hagley Museum and Library, Wilmington / DE (HML) Bestand

Ernest Dichter Papers

2. Gedruckte Quellen und Periodika 2.1 Statistische Sammlungen Institut für Demoskopie Allensbach (Hrsg.), Auto-Report, Allensbach / Bonn 1964/1965. Institut für Demoskopie Allensbach (Hrsg.), Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Allensbach / Bonn 1965–67/1968–73. Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung, Bonn 1978. Kraftfahrt-Bundesamt (Hrsg.), Statistische Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes und der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr, Bonn / Bad Godesberg 1965–1985. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten, Stuttgart / Mainz 1966/67–1980/81. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statis Archiv CD 1950–2003, Wiesbaden 2004. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart / Mainz 1960–1985. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen: Bruttoinlandsprodukt, Bruttonationaleinkommen, Volkseinkommen. Lange Reihen ab 1950, Wiesbaden 2009.

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2.2 Zeitungen und Zeitschriften ADAC motorwelt auto motor und sport Autohaus Capital Der Spiegel Die Welt Die Zeit Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) Frankfurter Rundschau Freundin Hamburger Abendblatt Handelsblatt mot auto-journal Stern Washington Post WirtschaftsWoche

2.3 Sonstige Periodika, Berichte und Nachschlagewerke Bundesminister für Verkehr (Hrsg.), Verkehr in Zahlen, Bonn 1972, 1985, 1998. Burda GmbH (Hrsg.), Typologie der Wünsche 1980. Strukturen von Zielgruppen und deren Kommunikationsverhalten. Eine Untersuchungsreihe der Burda Marktforschung, Bd. 11: PKW und Krafträder, Offenburg 1980. Burda GmbH (Hrsg.), Typologie der Wünsche. Bedürfnis-Strukturen von Leserschaften. Eine Untersuchung der Burda Kommunikationsforschung, Offenburg 1974. Deutsche Shell (Hrsg.), Aufschwung nach der Talfahrt. Shell-Prognose des PKW-Bestandes bis zum Jahr 2000, Hamburg 1981. Deutsche Shell (Hrsg.), Grenzen der Motorisierung in Sicht. Shell-Prognose des PkwBestandes bis zum Jahr 2010, Hamburg 1989. Deutsche Shell (Hrsg.), Prognose des Pkw-Bestandes. Die Motorisierung im Spannungsfeld von Eigendynamik und Bremsfaktoren, Hamburg 1973. Deutsche Shell (Hrsg.), Prognose des Pkw-Bestandes. Die Motorisierung am Beginn ihrer zweiten Entwicklungsphase, Hamburg 1971 Deutsche Shell (Hrsg.), Prognose des Pkw-Bestandes. Die strukturelle Zusammen­ setzung der künftigen Pkw-Besitzer, Hamburg 1969. Deutsche Shell (Hrsg.), Prognose des Pkw-Bestandes. Frauen bestimmen weitere Motorisierung, Hamburg 1987.

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Register

Personenregister Banning, John A.  465–467 Barthelmeh, Hans-Adolf  465, 468 Bell, Daniel  25, 489 Bergler, Reinhold  240 Bernbach, Bill  380 Bevis, Joseph C.  240 Borgward, Carl F. W.  59 Brandt, Willy  64 Breitschwerdt, Werner  310 Brown, George  194 Chandler, Alfred D.  451, 486 Cheskin, Louis  226 Cunningham, Alexander  464 Dichter, Ernest  116 f., 173, 216–224, 369, 376 Diekmann, Achim  75, 329, 333 f., 338, 432 Diez, Willi  325, 387 Domizlaff, Hans  369, 415 Erb, Hans F.  177 Erhard, Ludwig  108, 216 Fiala, Ernst  338 Flach, Karl Hermann  423 Ford, Henry II.  314, 450, 468 Galbraith, John Kenneth  174 f. Giddens, Anthony  23 Guthrie, Gordon  315 Hahn, Carl  248, 462 f. Hahnemann, Paul G.  227, 231 f., 453, 459 Hundhausen, Carl  414, 416 Inglehart, Ronald  13, 26, 274, 290

Jagoda, Heinrich  220, 297 Katona, George  98, 216 Korte, Friedrich  415 Kropff, Hanns Ferdinand   225 Kuehnheim, Eberhard von  186, 328, 436, 458 f. Lauritzen, Lauritz  148, 162, 436 Layton, Robert G.  465, 467 Lazarsfeld, Paul  216, 375 Leber, Georg  109, 147 f., 417 Leiding, Rudolf  96, 262, 286, 289 f., 436, 462, 463 Lewin, Kurt  226 Lotz, Kurt  71, 129, 305, 461 Lutz, Robert A.  273–277, 329, 354, 362, 364, 453, 459 f., 465, 468 f. Maslow, Abraham  134, 273–275, 382, 475 Mason, L. Ralph  464 McCormack, John  464 Meffert, Heribert  179, 184, 252, 298 Menge, Wolfgang  176 Nader, Ralph  150, 174–176, 437 Nordhoff, Heinrich  57, 71, 110, 458, 462 Osswald, Bernhard  460 Packard, Vance  174–176, 424 Quandt, Herbert  458 Richter-Brohm, Heinrich  193, 196 Riesman, David  174

544 Sachs, Wolfgang  105, 413 Schaberger, Hans  314, 465 Schäfer, Erich  202, 216 Schelsky, Helmut  145, 272 Scherenberg, Hans  320, 459 Schiller, Karl  64, 66 Schmidbauer, Wolfgang  176 Schmidt, Heinz  265, 416 Schmidt, Helmut  66, 68, 355 Schmidt, Werner  467 Schmücker, Toni  454, 463 f., 467 Schulze, Gerhard  13, 133, 282 Schütte, Manfred  388 Seebohm, Hans-Christoph  111 Sigmund, Rolf  191, 195 Sloan, Alfred P.  14 f. Spiegel, Bernt  117, 220, 226 f., 229–233, 239, 265, 268, 275, 276, 281, 284, 329, 479, 486

Register

Steinbuch, Karl  439 Stempel, Robert  464 Stork, Nelson J.  464 Sträter, Artur  144 Tedlow, Robert  27, 29, 197 Ueber, Max  71, 198, 465 Veblen, Thorstein  134 Vershofen, Wilhelm  134, 216, 382 Waters, James  464 f. Weiher, Peter  340, 465, 467 Wersig, Gernot  439 Zahn, Joachim  78, 186, 256, 436–438, 448, 458 Zdunek, Eduard  458

Sachregister Abgas  142, 154–158, 160, 162, 169, 432, 433 – Abgas-Grenzwerte siehe Regulierung Absatz  11, 47, 55, 71–78, 80, 82, 93, 121, 190, 204, 259, 261, 298 – Absatzboom  96, 193, 252, 355 – Absatzforschung  192, 196, 217, 254 – Absatzkrise  23, 57, 72–75, 77, 102, 183–185, 199, 255, 263, 302, 392, 457, 481 – Absatzprognosen siehe Marktforschungsmethoden – Absatzzyklen  38, 91, 191, 253, 262, 361 ADAC , Allgemeiner Deutscher Auto­ mobil-Club   37, 106–109, 122 f., 145, 149, 160, 163, 180, 376, 391 Agenda-Setting  440, 483 Airbag  153, 331, 338, 411 Allensbach, Institut für Demoskopie  136, 208 f., 293, 391 Amerikanisierung  15, 27, 173, 223, 478, 482, 485

Aneignungspraxis siehe Produkt­ aneignung Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV)  175 Arbeitslosigkeit  12, 41, 65–69, 87, 168 Audi NSU Auto Union  15, 78, 245, 248, 259, 305, 388, 396, 462 Ausstattung  116, 152, 329, 336, 343, 363 – Ausstattungspolitik  57, 59, 126, 263, 324, 338, 354, 357, 361, 363, 411, 456, 487 – Ausstattungsvarianten (Pkw).  102, 126–128, 300–303, 306, 312, 323, 355, 359 Auto Union  50, 59, 245, 462 Autobahn  109, 149–153, 169, 391, 438 Autoklinik 344 Autokritik  142 f., 151, 155, 165–168, 176 f., 186, 262, 271, 273, 285, 3­ 31–333, 392, 397, 399, 430–436, 460, 475 Automobilclubs  106, 109, 137, 144–148, 151, 160, 167, 175, 400, 427 f.

545

Sachregister

Automobilismus  15, 104, 108, 155, 254, 428 Automobilität  11, 44–47, 56, 87, 99, 102 f., 106, 111 f., 130, 137–139, 179, 257, 291, 411, 431–433, 446–448, 480 Automobilpreise  45, 53, 72, 74, 80–85, 129, 230, 289, 333, 339, 348, 352–354 Automobilzeitschriften  135, 160, 175, 180, 376, 424 Automuseum  426 f. Autopflege 136 Basis Research, Institut für Marketing-, Motiv- und Werbeforschung  257, 293 f. Baugruppen  303 f. Baukastenfertigung  302–305, 312, 318, 322, 341, 343, 346, 455, 487 Baureihen  56, 115, 128 f., 213, 300–306, 310, 317, 322–325, 343 Bedürfnispyramide, Maslow’sche  134, 273, 404, 475 Benzin-Blei-Gesetz  161, 170, 338 Benzinpreis  64, 75, 81 f., 90, 140, 168, 258, 261, 334, 411, 475 Benzinsparen  90, 167 f., 257, 338, 396–400 Benzinverbrauch  126 f., 149, 163 f., 167, 170, 235, 238, 266, 334–339, 396, 411, 438 BMW, Bayerische Motoren Werke AG  14 f., 37, 50, 55, 59, 79, 113, 118, 129, 190–196, 199, 201, 208, 211–215, 225, 227–232, 239, 241, 249, 253, 255, 258 f., 265, 268 f., 274, 281–284, 288, 303, 317–320, 332–336, 339, 342–344, 353, 375, 378, 380, 383, 388 f., 397, 405, 420–428, 438 f., 449 f., 453, 459 f., 479 Borgward Automobil- und MotorenWerke, Carl F. W.  50, 59, 218, 378, 473 Bretton-Woods-System  41, 61 f. Chrysler Motor Corp.  54 Citroën, S. A.  54 Clean Air Act siehe Regulierung  157

Club of Rome  18, 103, 163 Compagnon Marktforschungs-Institut  278- 283, 293, 370, 485, 489 Compagnon-Modell  281–283, 485, 489 Consulting siehe Unternehmensberatung Consumer Engineering  32, 173, 176, 217, 383, 480, 485 Corporate Design  450, 484 Corporate Governance  22, 452, 464, 486 Corporate Identity  413, 425, 449 f., 484 Corporate Social Responsibility  241, 445–447, 484 Crash-Test-Dummy  331, 411 Daimler-Benz AG  14 f., 37, 50, 52, 54, 57, 62, 79, 129, 152, 193, 201, 225, 229 f., 233, 253–259, 265, 270, 288, 295, 303, 317, 319–321, 331 f., 338, 341 f., 374, 396, 406, 410 f., 413, 426, 441 f., 447, 457, 479, 481 Datsun / Nissan Automobil AG 310 DDB, Werbeagentur  293, 380 f., 389, 400, 402, 411, 480 Demontage 49 Design (Pkw)  55, 85, 115, 123, 127, 130, 195, 218, 221–224, 237, 247, 266, 269, 299, 303, 309, 317, 323, 327, 343, 359, 383, 394, 466, 488 Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG)  416, 482 Deutsches Institut für Volksumfragen (DIVO) 100 Diesel-Technologie  57, 79, 270, 306, 319–322, 335, 340, 345, 396 DM-Aufwertung  61–63, 350 Downsizing  317, 322 f., 337–341, 455 ECE -Vorschriften siehe Regulierung EDV 212

Einkommen – Einkommensentwicklung  16, 41, 46–49, 65 f., 71, 80 f., 88, 99, 119, 168, 192, 200, 347 – Einkommenserwartung  74, 87 – Einkommensgruppen siehe PkwNachfrage

546 Emnid, Marktforschungsinstitut  105, 208, 258 Energieeffizienz  321, 327, 334–338 Energiepreiskrise siehe Ölpreiskrise Energiesicherungsgesetz 167 Environmental Protection Agency, EPA  157 f. Erlebnisgesellschaft  13, 18, 133, 141, 282, 429, 471, 476, 489 Ersatzbedarf siehe Pkw-Nachfrage Erstbedarf siehe Pkw-Nachfrage Exklusivität siehe Produktattribute Export  43 f., 53, 56, 75–77, 309, 341, 473 – Exportmodelle (Pkw)  56, 151, 158, 341 – Exportorientierung  11, 53, 341 – Exportpreise  61 f., 158, 341, 350 – Exportquote  44, 75 f. – Exportventil  44, 76 f. Facelift siehe auch Modellwechsel  56, 85, 224, 323–327, 352, 371 Fahrspaß  115, 120, 286, 338, 383, 390, 399 Fiat S. p. A.  50, 54, 113, 117, 309 Firmenimage siehe Image Firmenpersönlichkeit siehe Corporate Identity Flottenverbrauch 170 Ford Werke, Deutsche  15, 50–56, 59, 79, 128 f., 194, 218–224, 242, 259, 265, 269 f., 291, 294, 306 f., 314–316, 323, 325, 343 f., 348, 355, 357, 361–364, 375 f., 380, 386, 394–396, 408, 422 f., 464–469, 478–481 Ford Motor Company, Dearborn (USA)  53, 194, 218, 314, 450, 465 Ford of Europe, Dagenham / Warley (UK)  233, 314 f., 465–467 Fordismus siehe auch Massenproduk­ tion  11, 14 f., 27, 52, 56, 108, 128, 305, 473, 487 Fortbildung 249 Fortschrittlichkeit siehe Produktattribute Frankreich – Autokonzerne  54, 309 – Importfahrzeuge  63, 117, 129, 207, 309

Register

Frauen (Zielgruppe)  136, 215, 376, 448 Freiheit, automobile  106–108, 111, 143, 148, 162, 173, 286, 431, 445–446 Freizeit  26, 133, 134 f., 292, 408 f. – Freizeitgesellschaft 289 – Freizeitmobilität  104, 114, 132–138, 291 – Freizeitverhalten  136, 289, 407 Fuldamobil 50 Full-Service-Agentur siehe Werbe­ agentur Gallup-Institute, Marktforschung  209 Garantie  90, 180, 299, 347, 357, ­363–365, 394, 488 Gebrauchtwagen  46, 56, 88, 96, 101, 121 f., 201 f., 356 Geltungsnutzen siehe auch Produkt­ attribute 104, 276, 328, 386, 475 General Motors Company, Detroit (USA)  53, 56, 194, 219, 302, 325, 379, 460, 465, 480 Gesundheitsgefahren  143 f., 155, 158–160 GfK, Ges. für Konsumforschung  181, 213 Glas GmbH, Hans  50 Globalsteuerung  24, 64–68 Gramm & Grey, Werbeagentur  380 Größensegmente (Pkw)  54, 58, 79, 120 f., 192, 202, 205, 259–261, 288, 306, 404 Haltedauer  74, 208–213, 257, 266, 286 Haltungskosten  46, 81–84, 88–90, 112 f., 122, 136, 235, 261, 317, 339, 363, 396 Händler siehe Vertriebsorganisation – Händlerumfragen siehe Markt­ forschungsmethoden – Händlerprämie 357–359 Hedonismus  17, 26, 35, 133, 400, 476 Hobby  104, 133–136 Höchstgeschwindigkeit  125 f., 237 Humanisierung der Arbeit  447 Idealwagen  116–118, 227, 288 Image  217, 225, 228 f., 244, 251

Sachregister

– Firmenimage  221–224, 240 f., 244, 265, 359, 392, 413 f., 484 – Imagekrise  244, 264, 268 f., 314, 320, 441–443, 460 – Imagestrategie  229, 232, 239, 245, 246, 247, 249, 250, 266, 269, 273, 277, 294, 312, 326, 343, 368, 383, 387, 425, 438, 480 – Image-Ansatz siehe Markt­ forschungsmethoden – Markenimage  221, 226, 228, 234, 239 f., 243 f., 247 f., 253, 263–265, 269, 284, 287, 326, 347, 359, 369, 392, 400, 469, 479 – Produktimage  222–227, 229, 234, 236, 248, 265, 269, 277, 326, 345, 369, 371, 384, 392 Import  54, 129, 170, 207, 309, 329, 396 Individualität siehe Produktattribute Individualverkehr  16, 41, 47, 110, 131 f., 138, 141, 147, 150, 162–165, 186, 262, 436 Informationsmanagement  20, 189, 249 Infratest  208–210, 257, 267, 293 Ingenieure  149, 151, 181, 225, 231, 298, 319, 336 f., 388, 413, 433, 465, 468, 486 Institut für Absatzforschung  293 Institut für Marktpsychologie  233, 270 Institut für Motivforschung  209 Institut für Weltwirtschaft  96 Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo)  262 Internationale Automobilmesse (IAA)  195, 434 f., 448 Investitionen   52 – Forschungsinvestitionen  161, 287, 298, 316, 327, 357 – Rationalisierungsinvestitionen 351, 356, 357 – Sachinvestitionen  52 f., 68, 78, 303, 316, 320, 325, 459, 473 – Verkehrswesen  64, 67 f., 109, 147 f., 165 Issue-Management siehe Public Relations Italien – Autokonzerne  54, 309 – Importe  117, 309

547 Japan – Autokonzerne  51, 310 – Automobilmarkt 73 – Importe  310, 329 – Japanische Herausforderung  310, 329 Journalismus  123, 178, 417–425, 440 K+S Dr. Kapferer & Dr. Schmidt Ges. für Wirtschaftsanalyse u. Markt­ erkundung 208 Kabinenroller  47, 50, 112 Käfer-Krise  243, 248, 264 Katalysator  158–161, 171, 332, 337 Käufermarkt  29, 58, 91, 183 f., 251 f., 275, 348 Käufertest  195, 225, 234, 360 Käufertypologie siehe Konsumententypologie Kaufmotive siehe auch Motivforschung 114, 216 f., 227, 230, 233, 238, 241, 251–254, 264 f., 271, 285, 382 Kaufzurückhaltung  48, 74, 77, 255, 475 Kfz-Steuer  46, 81, 113, 164, 258, 433 Kfz-Versicherung  46, 81, 84, 113, 147 Kleinstwagen  46 f., 55 f., 112–114, 120–122, 129 Kleinwagen  57, 113, 120–122, 128 f., 152, 192, 202, 259 f., 288, 307, 310–317, 336, 342, 346, 396, 406, 409, 411 Klimaanlage 338 Know-how siehe Wissensbildung Komfort siehe Produktattribute Kommunikation siehe auch Unternehmenskommunikation – Kommunikationsbeziehungen 22, 439, 482 – Kommunikationskonkurrenz 372, 391, 430, 439, 475, 480–483, 487 – Kommunikationspolitik  21, 367 f., 416 – Kommunikationsstrategie  19 f., 27, 197, 237, 380, 392, 419, 439 f., 480 – Kommunikationsziele  266, 375, 442 Kompaktklasse (Pkw)  45, 54, 120 f., 128–130, 259 f., 307, 312 f., 336, 342, 389, 401, 406

548 Konditionenpolitik  38, 55, 297 f., 346 f., 357, 361, 394, 488 Konsumentenorientierung 452 Konsumentensouveränität  169, 175, 288 Konsumententypologie  210–213, 221, 226, 277, 281–283, 293, 489 Konsumerismus  175, 178–181, 305 Konsumgesellschaft  141, 143, 177, 182, 218, 272–274, 300, 473, 475 Konsumkritik  172–175, 186, 474 Konsumkultur  19, 33, 35, 103, 276, 473 Konsumpräferenzen  113, 116, 119, 136, 179, 226, 255, 275, 370 f., 381, 475 Konsumpsychologie  101, 118, 133, 216 f., 220, 264, 273 f., 312 Konsumstruktur (private Haushalte)  47, 48, 58, 87, 88 Konsumverhalten  19, 37, 86, 191, 194, 202 f., 205, 217, 254, 261, 264 f., 270, 319, 335 – aufsteigender Konsum  116, 119–121, 127, 136, 201, 252, 261–263, 269, 273–275, 285, 309, 322, 330, 382, 474 f. – demonstrativer Konsum  107, 134, 272 – Differenzierung  12, 27, 82, 97, 117, 135, 186, 271, 274, 283, 285, 303, 360, 399, 475 f. – Identitätsbildung  133, 136, 272, 274 f., 282, 285, 404, 475 – Individualisierung  12, 133, 276 f., 328, 475, 489 – Pluralisierung  12, 26, 133, 179, 270, 277, 475 f. – Präferenzen  113, 116, 119, 136, 179, 226, 255, 275, 370 f., 381, 475 – Repräsentationsfunktion siehe auch Geltungsnutzen  35, 262, 273 f., 285, 288, 475 – Understatement  324, 390 Kraftfahrer-Preisindex  82 f. Kraftfahrt-Bundesamt (KBA)  50, 54, 120 f. 191, 259 f., 300 Krisenmanagement  21, 266, 322, 355, 429–431, 435, 461 Kundendienst  43, 234, 237, 242–248, 266, 270, 299, 365, 396, 413, 448, 488

Register

Kundenservice  53, 82–84, 180, 240, 247, 297–299, 357, 365 Kundenwanderung  205, 209–211, 229, 233, 261, 315, 358, 361, 396, 478 Kundenzeitschrift 447 Lagerbestand  77–80, 254, 358 Lärmbelastung  36, 142 f., 154–159, 162, 165, 170, 235, 333, 432 Leber-Plan  109, 391 Lebensstilforschung siehe Markt­ forschungsmethoden Leichtbauweise 336 Leistungsklassen siehe Größensegmente (Pkw) Leitbild Automobil  11, 15 f., 18 f., 23, 33, 37 f., 103, 114, 116, 119, 122, 130, 176, 186, 257, 266, 271–274, 285, 287, 327, 343 f., 369, 429 f., 474 f., 480 f. Leseverhalten siehe Mediennutzung Lieferfristen  53, 77, 79, 257 Lobbyismus  417, 423–425, 433, 438 Lohn – Lohnentwicklung  51 f., 64 f. – Lohnkosten  51, 69, 85, 209, 348–350, 352 – Lohnpolitik  64 f., 272, 463 Manager  193, 436, 453, 458, 461–468, 486 Markenidentität  330, 413 Markenimage siehe Image Markenloyalität  101, 203–207, 210 f., 221, 244, 298, 343, 406 Marketingkritik  181 f., 223, 392 Marketinglehre  21, 30, 180, 182, 185, 197, 226, 291, 297 – Absatzlehre  182–184, 292, 414 – behavioristische Psychologie  226, 233, 255, 478–480, 486 – Marketing-Mix  21, 180, 248, 298, 365 – Marketing-Revolution  21, 30, 184, 471, 477 – Scientific Marketing  216, 217 – verhaltenswissenschaftliche Theorie 23, 217, 226, 227, 382

Sachregister

Marketingmanagement  21–23, 30, 33, 37, 39, 183–186, 193, 248, 250 f., 254, 265, 347, 367, 394, 450–457, 461, 463–467, 469, 477–481, 483, 485–489 Marketingorganisation  211, 245, 295, 341, 396, 452–454, 460, 469, 477, 481, 486 Marketingplan  243–246, 250, 294, 313, 325, 372, 480 Marketingstrategie  15, 33, 38, 173, 181, 216, 248 f., 361, 370, 413, 455, 460, 468, 484, 486 Markteinführung  124, 207, 288, 307, 319, 322, 379, 388, 409 f. Marktforschung  22, 38, 118, 189–196, 200, 204 f., 207, 209–212, 220, 224 f., 231, 234, 248–256, 263, 271, 274, 292, 344, 373, 478, 486, 488 – betriebliche Marktforschung  190– 193, 196, 198, 209, 215, 253, 264, 294, 373, 465 – kommerzielle Marktforschung  20, 30, 194, 208–210, 227, 240, 273, 293, 481 – Marktforschungsinstitute  208, 210, 221, 227, 257–259, 273, 282, 293 f., 374 – Primärforschung  196, 209 f., 250, 281 – Sekundärforschung  191 f., 199, 201, 249 f., 256, 262 – qualitative Marktforschung  191, 194, 197, 215–218, 221, 224, 251, 255, 276, 478 – quantitative Marktforschung  197, 211, 215, 251, 478 Marktforschungsmethoden  30, 38, 195, 252 – Absatzprognosen  191–192, 198, 202, 215, 249, 254, 262, 478 – Absterbetafel  201 f. – Ad hoc-Studien  207 – AIO -Ansatz 281 – Geschäftsklima-Index 262 – Händlerumfragen  192–195, 210 – Image-Ansatz  196, 216 f., 225 f., 230 f., 233 f., 250–254, 275, 359, 415, 479, 488

549 – Image-Studien (einzelne Firmen)  224, 227–229, 233–237, 240 f., 243, 265, 267, 270, 281, 283, 285, 344 f. – Käuferbewegungs-Modell 201–207, 213, 233 – Konkurrenzbeobachtung  191, 203 – Lebensstil-Ansatz  136, 277–80, 282, 285–287, 290 f., 344, 404, 489 – Marktpsychologie  195, 213, 216 f., 228, 264, 273 – Milieu-Studien  282, 291, 476, 489 – Motivforschung  37, 174, 197, 216– 220, 225, 227, 233, 237, 244, 248, 251, 266 f., 273, 276, 478 – Produktzyklus-Modell 199–202 – Segmentationsanalyse  204, 208 f., 212, 226, 281, 283 – Semantische Differentiale  226–229, 241, 244, 345, 479 – Verbundforschung  191, 210 Marktmodelle  197 f., 202 f., 205, 207, 226, 230–235, 264, 275, 283, 381, 478, 486 Marktprognose  91 f., 189, 198 f., 255, 276, 290 Marktsättigung  12, 18, 38, 58, 91, 96, 197–199, 230, 474 Marktsegmentierung  197, 203 f., 213, 225–227, 233, 266, 283 Massenkonsumgesellschaft  35, 41, 115, 135, 173, 276, 471, 476, 479, 482, 489 Massenproduktion siehe auch Fordismus 14, 27, 51, 58, 80, 114, 128, 172, 297, 302, 327, 378, 387, 441, 473, 487 Materialforschung  331, 336 Materialkosten  63, 80, 85, 336, 348–350, 355 materielle Kultur  17–19, 173, 289, 472, 476 Mazda Motor Corp.  310 McCann Erickson  194, 373, 379 f., 405 McKinsey & Company  372 Medien – Markt-Medien-Analyse  294, 374, 377 – Medienauswahl  213, 371–373, 377 – Medienbeobachtung 418

550 – Mediendemokratie 441 – Medienmarkt siehe auch Journalismus  419, 423 f., 439, 482 – Mediennutzung  213–215, 294, 374–376, 421 Mehrmarkenstrategie  59, 245 Meinungsführer siehe Werbelehre Milieu  282, 291, 476, 485, 489 Mitbestimmung  65, 179, 445, 461, 464 Mittelklasse (Pkw)  46, 54–59, 73, 118, 121 f., 126, 128 f., 152, 186, 193, 241, 242, 245, 259–263, 269, 286, 306, 310, 312–318, 322 f., 336, 344, 353, 474 Mobilität  11, 49, 98 f., 112, 121, 130–133, 139, 177, 333, 474 – Massenmobilität  108, 143, 252, 392, 418, 483 – Mobilitätsverhalten  99, 131, 136–138 – Mobilitätszwänge  133, 168 – Pendlerverkehr  132, 164 Modelltypen  191, 300, 303, 319 Modellwechsel siehe auch Facelift   55, 126, 241, 304, 324–327, 330, 336, 339, 345 f. Monitoring  294, 303, 479, 485, 489 Motivforschung siehe Marktforschungsmethoden Motorenentwicklung  303, 306, 310, 319–322, 338, 396 Motorisierung siehe auch PkwDichte  15, 41, 45 f., 49, 54, 61, 71, 81, 87, 91–97, 99, 104 f., 108, 112, 116 f., 120, 141, 158, 162, 192, 199 f., 252 f., 256, 286, 473 – Massenmotorisierung 18, 38, 41, 110, 141, 155, 162, 430 – Motorisierungseuphorie  139, 142, 156 – Pkw-Dichte  45, 91–93, 99, 143, 200 Motorleistung  siehe auch Produktattribute 112, 116, 126, 259, 267, 307, 312 f., 317, 335, 339, 383, 404 Motorrad  47, 56, 112–114, 155, 285 Nachindustrielle Gesellschaft  26, 489 Nielsen, AC Marktforschung  209 Nivellierte Mittelstandsgesellschaft  111, 272

Register

NSU (Deutsche Fiat)  15, 113, 128

Nürnberger Schule  216, 276

Oberklasse (Pkw)  54, 80, 121, 124, 129, 201, 229, 258, 259–263, 285, 288, 323, 336, 338, 380, 388, 411 OFF, Marktforschungsinstitut  285 Öffentlichkeitsarbeit siehe Public Relations Öffentlichkeitskommunikation siehe Public Relations Oldtimer-Rallye 428 Ölpreiskrise (1973/74)  12–14, 18, 41, 61–65, 73, 75 f., 82, 94, 149, 155, 166–169, 254 f., 257, 259–261, 268, 273, 324, 346, 392, 437, 475 Ölpreiskrise (1979/80)  14, 20, 41, 68–71, 80, 94, 302, 316, 320 Opel AG, Adam  14 f., 50–54,, 56, 59, 79, 128–130, 194, 218, 221, 223, 242, 259, 269, 303, 306 f., 309, 314–319, 323, 326, 343, 348, 355, 359, 363 f., 375, 378–380, 384, 386, 396 f., 405 f., 409, 453, 464 f., 478, 487 Open-Door-Politik siehe Public Relations ÖPNV  131, 162–166, 435 Organisationslernen  20, 23, 451, 461, 477 Pannenstatistik 180 Pendlerpauschale  110, 164 Personalkosten siehe Lohnkosten Personalpolitik  461, 464 f. Peugeot 54 Pkw-Dichte siehe Motorisierung Pkw-Nachfrage  53, 71 – Altersstruktur 99–101 – Einkommensgruppen  46 f., 55 f., 81, 87 f., 97, 112, 115 f., 133, 158, 192, 200, 213, 274, 347, 478 – Ergänzungsbedarf siehe Zweitwagen – Ersatzbedarf  90, 93 f., 101, 112, 129, 200, 201 f., 473 f. – Erstbedarf  93, 112, 192, 198–201, 473, 474 – Familienzyklus  99 f.

Sachregister

– gewerblicher Bedarf  46, 56 f., 104, 258 – Haushaltsgröße  98 f., 213 – soziale Diffusion (Trickle-DownEffekt)  16, 38, 48, 86, 96, 102, 116, 136 – soziodemographische Faktoren  47, 87, 96–101, 111, 211, 213, 387 – Stadt-Land-Gefälle 99 Pkw-Neuzulassungen  42, 46, 54–59, 70–72, 86, 100, 111, 120, 201, 204, 259, 262, 307 Polaritätsprofil siehe Marktforschungsmethoden / Semantische Differentiale Porsche AG  79, 118, 129 f., 208, 233, 245–247, 269, 303, 305 Portfolio-Management siehe Produkt­ portfolio Postmoderne  18, 26, 35 Preis – Komplettpreis  361, 363 f., 394 – Pkw-Preise siehe Automobilpreise – Preisabsprachen  348, 352–356, 362 – Preisbindung auch Regulierung  178, 347, 355, 435 – Preiselastizität  81, 86, 88, 102, 258, 284 – Preispolitik  21, 55 f., 72, 80, 85–87, 247, 318, 326–328, 347–356, 473 – Preisregulierung siehe Regulierung – Preiswettbewerb  53, 55, 129, 186, 315, 329, 347 f., 353–357, 361 Pressearbeit siehe Public Relations Pressefreiheit  422, 439 Produktaneignung  11, 17 f., 34, 103, 112, 117, 130, 136, 220, 264, 275, 282, 286, 391, 476, 481 Produktbild siehe Image Produktdifferenzierung  58, 60, 300–306, 317, 323, 328, 330, 343, 368, 473, 487 Produktentwicklung  33, 85, 292, 310, 326, 345, 347, 383 Produkterlebnis  113–115, 136, 153, 224, 240, 400, 411 Produktimage siehe Image Produktion  42, 50, 54, 69, 79 – Produktionskapazitäten  49, 52, 58 f., 78, 318, 334, 351

551 – Produktionskosten  51, 64, 128, 305 f., 324, 348, 355, 361, 455 Produktivität  16, 50–52, 56, 80, 298, 349, 356, 480 Produktkonfiguration  22, 124, 156, 179, 217, 232, 234, 299 f., 330, 337–339, 343 f., 456 Produktpersönlichkeit  220, 283, 389 Produktpolitik  21, 56, 58, 179, 185, 203, 224, 237, 244, 247, 297–304, 307, 321, 393, 466, 469, 486 Produktportfolio  299, 307, 318, 343 Produktproliferation  306, 363, 474 Produktattribute – Exklusivität  105, 230 f., 268, 388 f., 405, 427 – Fortschrittlichkeit  59, 240, 243–247, 312, 326, 409 f., 484 – Freiheit  105–108, 186, 252, 401, 444 – Individualität  106, 132, 241, 322, 335, 383, 405, 437 – Komfort  114–116, 119, 124, 153, 180, 222, 235, 237, 270, 285, 287, 303, 321 f., 331, 383, 386, 400, 404, 481 – Leistung  81, 85, 110, 123, 126, 180, 237, 267, 287, 290, 312, 316, 322, 335, 339, 354, 377, 383, 386, 409 – Qualität  81, 119, 180, 222, 234, 240, 243–245, 266, 329, 331, 389, 402, 481, 484 – Repräsentation  113, 120–122, 130 f., 232, 239, 285, 321 f., 377, 383 f., 395, 400 – Sicherheit  151 f., 234, 299, 331 f., 338, 346, 418 – Sparsamkeit  244, 288, 334, 396, 400 f., 475 – Sportlichkeit  119, 123, 126, 130, 136, 154, 230, 241, 266–270, 287, 290, 322, 335, 383, 391, 395, 429, 481 – Umweltverträglichkeit  156, 299, 327, 331 f., 346, 475 – Wirtschaftlichkeit  112 f., 119, 123, 237, 243, 266 f., 270, 287, 289, 299, 313, 321, 327, 331, 334, 346, 383, 389, 395–398, 400, 410, 438, 481

552 – Zuverlässigkeit  81, 119, 195, 219, 234, 237, 240, 243, 245, 270, 378, 383, 389, 396, 402 Produzentenhaftung  152, 178, 364 psychologische Obsoleszenz  57, 93, 176, 223, 305, 326, 328 Public Relations  32, 39, 248, 367 f., 393 f., 413–422, 423, 425, 429–431, 434, 438 f., 441–449, 460, 482–484 – asymmetrische Kommunikation  425, 482 – Event-Marketing  428 f., 448 f. – Issue-Management  431 f., 486 – Media Relations  419, 438 – Open-Door-Ansatz  426, 484 – Product Placement  428 – Sponsoring 449 Public-Private-Partnership 449 Qualität siehe Produktattribute Qualitätsorientierung  303, 320, 329 f. Rabatte  81, 180, 261, 299, 347, 358, 390 Ratenkauf 100 Rationalisierung  51, 79, 167, 241, 303, 329, 349–351, 356 f. Regulierung – Abgasvorschriften  157–160, 170, 332, 340, 342 – Bau- u. Betriebsvorschriften  151, 331, 340, 341 f., 444 – Gesetzgebung Deutschland  151, 158 f., 161, 169 – Gesetzgebung EG (ECE-Vorschriften)  159, 340 – Gesetzgebung USA  151 f., 157 f., 170, 332, 341 f. – Preisregulierung  347, 355 f. – Promillegrenze 145–148 – Sicherheitsvorschriften  152, 340–342 Reiz-Reaktions-Schema 226 Renault S. A.  54, 309 Rennreiselimousine  114–116, 119, 122 f., 130, 285–288, 334, 338, 390, 409–411, 474 f., 488 Rennsport  104, 427, 429

Register

Rezession 1966/67  18, 41, 48, 61, 69–71, 75, 94, 96, 121, 198, 251 f., 259 Rheinischer Kapitalismus  27, 169, 176, 458, 482, 483 Risikogesellschaft  13, 141, 155, 441, 471, 476, 489 Sachverständigenrat für Umweltfragen 158–162 Semantische Differentiale siehe Marktforschungsmethoden Semantisierung  234, 244, 282, 368 Sicherheit siehe Produktattribute Sicherheitsgurt  153 f., 331, 338, 340, 363, 435 Sicherheitsvorgaben siehe Regulierung Siedlungsstruktur  99, 131, 132 Sinus-Institut, Marktforschung  273, 290, 291, 293, 303, 344 Sloanismus  14 f., 302, 306, 487 Small Car Blues  157, 307–311 Smog  157 f., 170, 176 Sonderserien  315, 359–361 Sonntagsfahrverbote  73, 167, 473 Sortimentspolitik siehe auch Produktportfolio  56, 299 f., 306, 318, 323 f., 328, 343, 371, 455, 487 Sparmodelle siehe Downsizing Sparsamkeit siehe Produktattribute Spiess & Ermisch, Werbeagentur  395 Sponsoring siehe Public Relations Sportlichkeit siehe Produktattribute Sportwagen  118, 121, 129 f., 208, 232, 305, 404, 409 Stadtplanung  131, 156, 164 Stadt, autogerechte  131, 156, 171 Stagflation  64, 66 f., 168 Stau  143, 333 Straßenbau  109 f., 147, 165, 417, 437 Styling siehe Design (Pkw) SUV (Sport Utility Vehicles)  476 Taxi  57, 258, 320, 321 Teamarbeit  461, 464, 477, 486 Technical Team Werbeagentur  388 Tempolimit  73, 109, 145, 148 f., 153, 167–169, 286, 319, 435, 437

Sachregister

553

Testberichte  122, 151, 180, 270, 404 Testimonials 406 Thompson, J. Walter Werbeagentur  38, 194, 257, 292 f., 314 f., 362, 373–375, 385, 392, 399–402, 445 f., 449, 467 TOP, Institut für Marketing  208 Tourismus  138 f., 407, 409 Toyota Motor Corp.  310 Trading up siehe Konsumverhalten Trickle-Down-Effekt siehe Pkw-Nachfrage TÜV, Techn. Überwachungsverein  180, 404 TÜV-Prüfung 169

– Design (Pkw)  115, 158, 218, 224, 309 – Exportmarkt  44, 128, 310, 342 – Marketinglehre  21, 27, 116, 174, 182, 199, 202, 216–218, 226, 414 – Marketingmanagement  27, 182, 457 – Marketingorganisation  194, 464 – PR-Lehre   416 – Produktpolitik  56, 314, 331, 361 – Unternehmensstruktur  233, 314, 466, 468 – Verbraucherschutz  150, 157, 174, 176 – Vorbildfunktion  91, 116, 173, 200, 218, 457, 485 US -Dollar  61–63, 341

Umfragen siehe auch Markforschung  105, 118 f., 136, 153, 195, 208–210, 219, 254 f., 294, 332, 344, 478 Umwelt – Umweltbewusstsein  155, 159, 165, 292, 294, 332, 438 – Umweltfreundlichkeit siehe Produkt­ attribute – Umweltpolitik  161, 168–170, 435 – Umweltschutz  155, 161 f., 167, 169, 171, 235, 286, 311, 338, 434, 447, 474 – Umweltverschmutzung  18, 143, 158, 262 – Verkehrslärm siehe Lärmbelastung Unfallsimulator 331 Unternehmensberatung  20, 25, 37, 182, 189, 194, 208, 233, 273, 282, 293, 482, 486, 488 Unternehmensführung  21, 182–184, 249, 347, 457–464, 485 Unternehmenskommunikation siehe auch Kommunikation  22, 32, 34, 367 f., 424, 441 f., 480, 483 Unternehmensorganisation  193 f., 212, 249, 418–421, 451–457, 461, 467, 469, 477, 486

VDA , Verband der Automobilindustrie 

USA

– Autokonzerne siehe auch bei Firmen 42, 51, 53, 194, 218, 223 – Automobilmarkt  15, 29, 42, 73, 91 f., 137, 150, 200, 306, 341

37, 75, 82, 90, 101, 152, 163, 190–192, 196, 200, 210, 256, 262, 300, 303, 333, 352, 417 f., 431–434 Verbraucherschutz  18, 151, 154, 157, 172, 175–181, 355, 402, 474 Verkäufermarkt  53, 190, 473 Verkehr – Verkehrserziehung  144, 148, 397, 448 – Verkehrsplanung  130, 147, 156, 164–167 – Verkehrspolitik  36, 109 f., 147–150, 156, 162, 168, 170, 342, 432 – Verkehrssicherheit  18, 141–144, 148, 150, 153 f., 156, 162, 331, 342, 402, 411, 434 – Verkehrsunfälle  84, 143–145, 152, 333, 432 Verkehrssicherheitsrat (DVR) 148 Verkehrswacht 144 Vertrieb  78, 190, 247, 354, 378, 467 – Vertriebsorganisation  43, 49, 75, 192, 249, 378, 443, 450, 453, 462–465, 467 – Vertriebsorientierung  190, 207, 248, 357 Volkswagen AG   37, 50–54, 56 f., 59, 77, 79, 113, 128 f., 190, 193 f., 196, 199, 201, 203 f., 207 f., 221, 225, 233, 242–245, 247, 249, 259, 265, 270, 290, 298, 307, 312 f., 323, 326, 336, 342 f.,

554 348, 355, 357, 359, 363 f., 375, 380, 389 f., 396, 402, 410, 413, 423, 428, 441–443, 447, 453, 462 f., 467, 479, 487 Vollsortiment   307, 311 324, 346, 487 f., 488 Volumenhersteller  79, 118, 129 f., 233, 303, 307, 311, 317, 328 f., 357 f., 371, 378, 396 Volvo Group  152 Vorbesitz   201–204, 207, 213, 233 Waldsterben  155, 166, 438 Werbeagentur  20, 189, 194, 293, 372–374, 379, 381, 384, 386, 389, 392, 480, 486 Werbeausgaben  371–374, 434 Werbefilme (Filmdienst)  427 Werbe-Gramm, Werbeagentur  381, 388, 389 Werbekritik  376, 395, 424 Werbelehre  244, 369, 381 f., 480 – Manipulationsthese  173, 370, 382 – Meinungsführer  140, 213, 375, 406, 441 – psychologische Werbelehre  32, 173, 415 – Two-Step-Flow-Modell 375 Werbung  367, 369 – Händlerwerbung  357, 375, 378, 382 – Imagewerbung  368, 377, 381 f., 389–392, 397, 411, 423, 446

Register

– Informationswerbung  380, 394, 481 – Lifestyle-Werbung  380, 384, 399, 405, 407 f. – Prestigewerbung  378, 380 f., 383 f., 386, 388, 391, 394 – Technikwerbung  388, 409, 411, 413 – Überlegenheitswerbung  389, 391 – Vernunft-Kampagne  402–404, 481 Werksführungen  423, 425 f.426 Wertewandel  14, 26, 133, 264, 271, 273, 290–292, 369, 476 Wiederverkaufswert  235, 238, 266, 313, 326, 396 Windkanal  335, 344 Wine-and-Dine-Ära  422, 482 Wirtschaftlichkeit siehe Produkt­ attribute Wissensbildung  23, 26, 30, 189, 203, 209, 225, 248, 282, 291 Wissenstransfer  15, 22, 27, 192, 194, 199, 209, 217, 273, 472, 478–481, 484, 489 Zeitschriftenmarkt  374, 376, 419 Zielgruppen  15, 197, 210 f., 216, 221, 230, 236, 268, 283, 293, 344, 360, 374, 377, 386, 388, 406, 419 Zündapp-Werke GmbH  50 Zusatznutzen  120, 134, 217, 237, 276, 380, 400, 474 Zuverlässigkeit siehe Produktattribute Zweitwagen  96 f., 377