Augustinus, De civitate dei [Reprint 2015 ed.] 9783050050409, 3050028718, 9783050028712

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Augustinus, De civitate dei [Reprint 2015 ed.]
 9783050050409, 3050028718, 9783050028712

Table of contents :
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AugustinusI

De civitate dei

II

Klassiker Auslegen Herausgegeben von Otfried Höffe Band 11

Otfried Höffe ist o. Professor für Philosophie an der Universität Tübingen.

Augustinus

De civitate dei

Herausgegeben von Christoph Horn

Akademie Verlag

III

IV Titelbild: Detail aus: Augustinus diskutiert mit dem Manichäer Faustus von Mileve, Bibliothèque municipale in Avranches (MS 90)

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Augustinus, De civitate dei / hrsg. von Christoph Horn – Berlin : Akad. Verl., 1997 (KLASSIKER AUSLEGEN ; Bd. 11) ISBN 3-05-002871-8

© Akademie Verlag GmbH, Berlin 1997 Der Akademie Verlag ist ein Unternehmen von WILEY-VCH. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. All rights reserved (including those of translation into other languages). No part of this book may be reproduced in any form – by photoprinting, microfilm, or any other means – nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publishers. Gesamtgestaltung: K. Groß, J. Metze, Chamäleon Design Agentur, Berlin Satz: Akademie Verlag, Hans Herschelmann Druck: GAM Media GmbH, Berlin Bindung: Buchbinderei Heinz Stein, Berlin Gesetzt aus Janson Antiqua Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Printed in the Federal Republic of Germany

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Inhalt Hinweise zur Benutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII 1. Einleitung Christoph Horn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Augustins Transformation der traditionellen römischen Staats- und Geschichtsauffassung (Buch I–V) Karla Pollmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Justice as the Foundation of the Political Community: Augustine and his Pagan Models (Book IV 4) Ernest L. Fortin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Augustin über menschliche Freiheit (Buch V) Siegbert Peetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Die Platoniker und die civitas dei (Buch VIII–X) Therese Fuhrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Welche Bedeutung hat das Augustinische Cogito? (Buch XI 26) Christoph Horn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 7. Die Wahl der Engel. Übel, Materie und Willensfreiheit (Buch XI–XII) Maria Bettetini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 8. Civitas dei – terrena civitas: The Concept of the Two Antithetical Cities and Its Sources (Books XI–XIV) Johannes van Oort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

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Inhalt 9. Geschichtsdarstellung, Geschichtsphilosophie und Geschichtsbewußtsein (Buch XII 10–XVIII) Christoph Horn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 10. Cain’s City: Augustine’s Reflections on the Origins of the Civil Society (Book XV 1–8) Donald X. Burt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 11. De civitate dei XIX als Buch der Augustinischen Friedenslehre Wilhelm Geerlings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 12. Christsein und Gesetz: Augustinus als Theoretiker des Naturrechts (Buch XIX) Gerhard Krieger/Ralf Wingendorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 13. Positivismus plus Moralismus: zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie Otfried Höffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Auswahlbibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Hinweise zu den Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

VII

Hinweise zur Benutzung Augustinus wird nach Werktitel, Buch, Kapitel- und gegebenenfalls Paragraphennummer zitiert, z. B. conf. VII 7,11 = Confessiones, Buch VII, Kapitel 7, Paragraph 11. Die verwendeten Abkürzungen folgen dem Augustinus-Lexikon, Bd. 1, XLIII–XLV: Acad. beata v. cat. rud. civ. conf. div.qu. doctr.chr. en.Ps. ep. c.ep.Pel. c.Faust. Gn.litt. Gn.adv.Man. Io.ev.tr. lib.arb. mag. mus. ord. retr. s.dom.m. sol. spir.et litt. trin. vera rel. util.cred.

Contra Academicos vel De Academicis De beata vita De cathecizandis rudibus De civitate dei Confessiones De diversis quaestionibus octoginta tribus De doctrina christiana Enarrationes in Psalmos Epistulae (Briefe) Contra duas epistulas Pelagianorum Contra Faustum Manicheum De Genesi ad litteram De Genesi adversus Manicheos In Iohannis evangelium tractatus De libero arbitrio De magistro De musica De ordine Retractationes De sermone domini in monte Soliloquia De spiritu et littera De trinitate De vera religione De utilitate credendi

Auf Literatur wird stets durch eine Abkürzung aus Autorennamen, Erscheinungsjahr und gegebenenfalls Seitenzahl hingewiesen (z. B. Müller 1990, 256). Am Ende der Beiträge wird die zitierte Literatur aufgeschlüsselt; im Fall von häufiger genannten oder besonders wichtigen Werken finden sich die näheren Angaben in der Bibliographie am Schluß des Bandes.

Einleitung

Christoph Horn

Einleitung

Die philosophische Bedeutung der Schrift De civitate dei fällt nicht auf den ersten Blick ins Auge. Zunächst wirkt Augustins opus magnum wie ein zu umfangreich geratenes, rein zeitbezogen argumentierendes und in seinem Anliegen ausschließlich theologisch-apologetisches Werk. Erst bei näherem Hinsehen erweist sich die Schrift auch als wichtiger Klassiker der philosophischen Ethik, der Religionsphilosophie, der Geistmetaphysik sowie der Staats- und Geschichtsphilosophie. Was die Bedeutung von De civitate dei zunächst verdeckt, ist der Umstand, daß diese Themen indirekt behandelt werden; sie ergeben sich erst auf dem Weg einer umfassenden christlichen Auseinandersetzung mit dem Selbstverständnis der heidnischen Antike. Besonderes Gewicht mißt Augustinus dabei dem römischen Selbstbewußtsein und den philosophischen Positionen der Platoniker sowie Varros und Ciceros bei. Im Bewußtsein, mit der christlichen Offenbarung den zentralen Schlüssel für eine angemessene Lebenshaltung sowie für die überlieferten philosophischen Probleme in der Hand zu halten, interpretiert Augustinus ihre Auffassungen als mehr oder minder bedeutende Teilmomente einer abschließenden, umfassenden Wahrheit. In dieser Situation einer Neubewertung der Tradition auf veränderter Basis gelangt Augustinus in mehrerer Hinsicht zu interessanten Umdeutungen und Innovationen. Das Hauptthema des Werkes ist die sogenannte civitas dei; dieser wörtlich als „Stadt Gottes“ zu übersetzende Ausdruck läßt sich in einem ersten Zugriff etwa als die „Gemeinschaft der

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Christoph Horn Erwählten“ wiedergeben. Augustinus legt sich Fragen vor wie: Wie kommt es zu einer solchen Gemeinschaft? Was sind ihre Merkmale? Wer ist ihr aufgrund welcher Faktoren zuzurechnen? Wie ist ihr Verhältnis zur restlichen Menschheit, der „irdischen Stadt“ (terrena civitas)? Welche Rolle spielen die beiden civitates im Lauf der Geschichte? Welches Ende nehmen sie? Aus Fragen dieser Art ergeben sich als Sekundärthemen die Probleme der Staats- und Geschichtsphilosophie: so die Frage nach dem Verhältnis von Staat und Religion(en), das Problem der moralischen oder aber funktionalen Staatsbegründung, die Frage nach dem vorbildlichen Herrscher, die Frage nach Loyalität oder Widerstand und nach dem Wert eines politischen Engagements der Staatsbürger, zudem das Problem der Rechtsbegründung, das Friedensproblem, das Problem des gerechten Krieges oder die komplexe Frage nach einer Deutung des Geschichtsverlaufs.

1.1 Anlaß, Thema und Entstehung von De civitate dei In der Praefatio zu Buch I erklärt Augustinus, er habe die Abfassung der Schrift in der Absicht einer „Verteidigung der ruhmvollen Stadt Gottes unternommen“; es handle sich um ein „großes und schwieriges Werk“ (opus magnum et arduum). Die zweite Feststellung ist noch wichtiger als die anfängliche apologetische Kennzeichnung; denn sie spielt nicht primär auf den beträchtlichen Umfang der Schrift an, sondern gibt die Ambitioniertheit des Gesamtplans zu erkennen. Augustinus setzt sich mit der Schrift ein doppeltes Ziel. Im ersten Teil sollen pagane Angriffe gegen das Christentum, die sich aus der Eroberung und Plünderung Roms durch die Westgoten ergaben, durch eine kritische Analyse der heidnischen Religion und Theologie abgewehrt werden (refutatio). Der zweite, wichtigere Teil dient dann der Aufgabe, das Christentum mittels einer Gesamtdarstellung seines Geschichtsbildes ins rechte Licht zu rücken (demonstratio, defensio). Das Werk ist somit alles andere als eine politischreligiöse Gelegenheitsschrift; das historische Ereignis, zu dem es in direkter Beziehung steht, erklärt nur einen kleinen Teil seines komplexen Inhalts.

Einleitung Am 24. August des Jahres 410 drangen nach wiederholten früheren Belagerungen westgotische Truppen unter Alarichs Führung in Rom ein; sie plünderten und verwüsteten die Stadt drei Tage lang. Daß das römische Reichsgebiet von räuberischen germanischen Verbänden durchzogen wurde, war zu diesem Zeitpunkt keine Besonderheit mehr: Zu Beginn des fünften Jahrhunderts bewegten sich Vandalen, Sweben, Alanen und Burgunder innerhalb der Grenzen des Imperiums. Die Westgoten hatten sich durch ihren Sieg bei Adrianopel (378) die Voraussetzung für ungehinderte Raubzüge auf dem Balkan und in Griechenland geschaffen. Zur Herausforderung für die christliche Apologetik wurde dennoch erst die Plünderung Roms, und zwar durch zwei zusätzlich wirksame Elemente: 1. durch die im Hintergrund noch immer präsente heidnische Staatstheologie, die am Prinzip do ut des ausgerichtet war und daher politischen Erfolg und Mißerfolg religiös interpretierte, und 2. durch den Symbolcharakter der Stadt Rom für die Identität und Tradition des gesamten Reiches. 1. Seit den Zeiten der Republik gehörte es zum religiösen Selbstverständnis der Römer, das Wohlergehen und den politischen Erfolg des Staates in unmittelbarer Abhängigkeit von der Einhaltung kultischer Regeln (pietas) zu deuten. Staatlich unterhaltene Priester hatten streng über eine Kultordnung zu wachen, die im wesentlichen aus Tieropfern und damit verbundenen politisch-militärischen Prognosen und Prophezeiungen bestand. Gegen das Fortbestehen dieser Staatstheologie hatte sich vor Augustinus bereits Ambrosius in jener berühmten Auseinandersetzung gewandt, die der Mailänder Bischof in den 390er Jahren mit dem Rhetor Symmachus führte, dem Kopf einer altrömischpagan orientierten Gruppe von Adligen. In Entgegnung auf dessen Dritte Relatio, in welcher Symmachus für die Wiederzulassung der verbotenen heidnischen Kulte plädierte, bestritt Ambrosius jeden Zusammenhang zwischen der heidnischen Kultordnung und dem politischen Erfolg Roms; nach Ambrosius ist die historische Größe Roms auf die römische virtus, nicht auf eine religiöse Regelobservanz zurückzuführen (ep. 18,7). Ironischerweise war es eben jener Symmachus, dem (der damals noch nicht konvertierte) Augustinus seine Berufung an den kaiserlichen Hof von Mailand zu verdanken hatte. In seiner Zurückweisung des Tun-Ergehens-Konnexes, wie ihn die altrömische Reli-

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Christoph Horn gion lehrte, knüpft Augustinus an Ambrosius an, argumentiert allerdings wesentlich ausführlicher: Er betreibt eine umfassende moralische Religionskritik und beruft sich auf ältere Zeugen und Indizien für eine schleichende Degeneration Roms, gesteht jedoch Rom wie schon Ambrosius durchaus genuine Tugenden zu (I–IV; VI–VII: dazu Pollmann in diesem Band). 2. Die Stadt Rom hatte seit ihrer mythenumwobenen Einnahme durch die Gallier (387 v. Chr.) zwar Belagerer, aber keine Eroberer mehr erlebt; selbst Hannibal scheiterte im Jahr 211 v. Chr. mit seinem Belagerungsversuch. Daher bildete die Integrität Roms das wichtigste Symbol für die politische und kulturelle Kontinuität des Reiches. Längst hatte sich neben der paganen Verehrung der römischen Tradition und Geschichte, die sich besonders mit Vergils Werk zum festen Topos römischen Selbstbewußtseins geworden war, auch eine christliche Form des römischen Patriotismus herausgebildet. Zu den Vertretern dieser „Reichstheologie“ gehörte besonders der Kirchenhistoriker Eusebius, in Augustins Umkreis etwa Hieronymus und Orosius. Unter dem Einfluß des Origenes interpretierte Eusebius die Koinzidenz der Geburt Jesu mit der augusteischen Friedensperiode als Werk der göttlichen Vorsehung; den Sieg von Kaiser Konstantin faßte er als einen Triumph des Christentums auf (vgl. Peterson 21951). Hieronymus ging soweit, die Eroberung Roms durch Alarich mit dem Fall Trojas und der Zerstörung Jerusalems zu parallelisieren (ep. 127, 12); er sah im Römischen Reich die unentbehrliche Basis für die christliche Kirche. Besonders pointiert findet sich die reichstheologische Perspektive bei Paulus Orosius. Der spanische Presbyter, ein Schüler Augustins, beendete in den Jahren 417–18 die sieben Bücher seiner Historiae adversus paganos; sie beziehen sich mitunter explizit auf die damals bereits vorliegenden zehn ersten Bücher von De civitate dei. Orosius’ Schrift geht sogar auf unmittelbare „Anweisungen“ (praecepta: I prol. 1 ff.) Augustins zurück: Er sollte die globi miseriae (II 18, 4) katalogartig zusammenstellen. Darüber hinausgehend enthält das Werk aber eine selbständige Gesamtdarstellung der Geschichte von Adam bis zur Gegenwart, wobei der Akzent – komplementär zu Augustins gleichzeitig verfaßtem Werk – auf der civitas diaboli liegt. Allerdings hat Orosius die von seinem Lehrer gestellte Aufgabe, die Katastrophen der Menschheitsgeschichte zu versammeln, weit überpointiert erfüllt; er zeichnet

Einleitung ein dezidiert negatives Bild der Geschichte. Noch klarer als beim Problem politischer Katastrophen ist der Dissens, der sich infolgedessen zwischen Augustinus und Orosius ergab, in der Frage der Reichstheologie greifbar. Denn Orosius interpretiert historische Ereignisse aus einer rigiden providentiellen und heilsgeschichtlichen Perspektive und deutet das christliche Römische Reich als den von der göttlichen Gnade begünstigten Zielpunkt der Geschichte; mitunter geht er soweit zu behaupten, Gott habe gezielt einen bestimmten Giftmord verhindert oder einen Bürgerkrieg beendet. Seine Grundthese liegt in der ausdrücklichen Identifikation der Begriffe romanitas, christianitas und humanitas (zu Orosius vgl. Goetz 1980). Anders als für die Anhänger der Reichstheologie ist es Augustins Ziel in De civitate dei, christianitas und romanitas grundsätzlich voneinander zu distanzieren. Das Römische Reich ist nach Augustinus keineswegs das bevorzugte Objekt göttlicher Gnade, und zwar auch nicht als ein christlich gewordenes Reich. Im Vergleich zur Tradition der römischen Panegyrik (einschließlich ihrer christlichen Variante bei Eusebius) fällt das Herrscherlob, das Augustinus den christlichen Kaisern Konstantin und Theodosius widmet, sehr moderat aus (vgl. V 25–26). Eine Christianisierung des Reiches und überhaupt eine christliche Politik liegt nicht in Augustins Absicht (vgl. Fortin und Höffe in diesem Band). Mehr noch, überhaupt keine sichtbare Institution, nicht einmal die Kirche, ist nach Augustinus einfachhin als Verkörperung einer moralischen Ausrichtung und der religiösen Integrität zu verstehen. Die Vorstellung eines endzeitlichen Gerichts relativiert vielmehr jeden geschichtlichen Tun-ErgehensZusammenhang; persönlicher oder politischer Erfolg und Mißerfolg steht zur moralischen Qualität der Handlungen in keiner unmittelbaren Relation. Denn in seinem Geschichtsmodell behält Augustinus zwar die Idee einer moralischen Weltordnung bei, spiritualisiert aber deren Grundlagen. Als geschichtsbestimmende Faktoren setzt er zwei grundverschiedene und unversöhnliche ethische Ausrichtungen an und keineswegs konkrete Ereignisse, Staaten, Institutionen oder Personen. Auf der Grundlage dieses Modells soll der moralisch tieferblickende Beobachter zwar einzelne Zusammenhänge zwischen der Qualität des Handelns und einem gottgeschenkten Wohlergehen feststellen können; insgesamt bietet das moralische Interpretations-

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Christoph Horn schema aber keinen handhabbaren Schlüssel für die Weltgeschichte. Sogar im Fall der Selbstwahrnehmung jedes Einzelnen (und damit erst recht bei der Fremdwahrnehmung) hält Augustinus – ebenso wie später Kant – Gewißheit in der moralischen Motivanalyse für unmöglich. Es ist ausgeschlossen, eigene oder fremde Integrität unzweifelhaft festzustellen und damit Aussagen über die eschatologische Errettung oder Verwerfung zu treffen. Die Entstehung der Schrift De civitate dei läßt sich anhand erhaltener Briefe zumindest im Umriß verfolgen. Augustins Anliegen, der paganen Opposition zu widersprechen, ist außer in der Person des Symmachus auch noch durch die Reaktionen auf einen Brief belegbar, den ein gebildeter Heide namens Volusianus an Augustinus richtete. Volusianus lehnte das Christentum – wie einst Augustinus selbst – unter Hinweis auf dessen intellektuelle Unzulänglichkeiten und Zumutungen ab (vgl. ep. 135,2; ep. 137). Der Kirchenvater mußte auf die Herausforderung reagieren und begann mit umfangreichen Vorarbeiten; diese konzeptionelle Phase könnte bereits 411 begonnen haben. Mit der Abfassung des Werkes war Augustinus mit Sicherheit in den Jahren 412/3–426/7 befaßt, also mindestens vierzehn Jahre lang. Der Text wurde schrittweise publiziert: Von Reaktionen auf die Bücher I–III handeln zwei Briefe an bzw. von Augustinus aus den Jahren 413–414 (ep. 154/155), die Bücher IV–V wurden 415 fertiggestellt, die Bücher VI–X um das Jahr 417, wie wir durch Orosius wissen; die Abfassung der Bücher XI–XXII muß im Jahr 427 beendet gewesen sein (weitere Einzelheiten finden sich bei Bardy 1959).

1.2 Aufbau und Gliederung des Werks Neben der thematischen Ambioniertheit von De civitate dei gibt es auch formale Gründe dafür, weshalb das Werk kaum als politische Gelegenheitsschrift gelten kann: es enthält eine Reihe von gliedernden Querverweisen, die auf eine Gesamtkomposition hindeuten. Diese Gliederungshinweise – und ähnliche Bemerkungen außerhalb des Werks – ermöglichen uns überdies eine inhaltliche Strukturierung der Schrift (vgl. bes. I 35 f. und X 32, die beiden von Divjak 1981 edierten Briefe an Firmus sowie retr.

Einleitung II 43,1 f.). Demnach zerfällt De civitate dei in zwei Hauptteile: Während die Bücher I–X eine Verteidigung des Christentums gegen heidnische Angriffe und Einwände enthalten, bieten die Bücher XI–XXII eine Gesamtdarstellung der christlichen Heilsgeschichte. Weitere Indizien für die thematische Gliederung des Werks ergeben sich aus den zahlreichen kleineren Vor- und Rückverweisen, die Augustinus in die Argumentation einstreut (dazu O’Daly 1994, 979 ff.). Den ersten Teil kann man aufgrund einer Bemerkung des späten Augustinus (retr. II 43,1 f.) in zwei Teile zerlegen: 1. Buch I–V: Argumentation gegen diejenigen, die den heidnischen Götterkult mit dem Ziel irdischen Wohlergehens betreiben; 2. Buch VI–X: Argumentation gegen diejenigen, die sich vom Götterkult jenseitiges Glück versprechen. Aufgrund einer genaueren Skizze der Bücher I–V (civ. I 36) läßt sich festhalten, daß Augustinus in ihnen einer anti-kirchlichen Instrumentalisierung der Niederlage Roms entgegentreten möchte; er möchte näherhin zeigen, (a) aufgrund welcher Faktoren Gott dem Römischen Reich – allgemein: den Staaten – politischen Erfolg schenkt, (b) warum der Götterkult für den politischen Erfolg irrelevant ist und (c) inwiefern der Götterkult dem Reich sogar geschadet hat. Präzise identifizieren läßt sich diese dreiteilige Themenskizze im Text allerdings nicht. Ähnlich unbestimmt bleibt im Text ein weiteres Gliederungsschema, dem Augustinus dennoch einige Bedeutung beigemessen haben dürfte: das sogenannte theologia tripertita-Schema. Bei ihm handelt es sich um einen religionsgeschichtlich bedeutenden Topos, der in den ersten Büchern von De civitate dei mehrfach wiederkehrt (IV 27; VI 5; 6; 12; VII 5–6). Augustinus hat diese auf die hellenistischen Philosophenschulen zurückführbare Einteilung von dem heidnischen Priester Scaevola und von Varro übernommen (zu Herkunft und Bedeutung des Schemas vgl. Lieberg 1973). Die heidnische Götterlehre weist demnach drei Teile auf: eine mythische Theologie, eine natürliche, d. h. philosophische Theologie und eine politische Theologie; Augustinus spricht von einer theologia fabulosa (mythicen), einer theologia naturalis (physicen) und einer theologia civilis (politicen). Nun liegt es nahe zu vermuten, daß sich die Dreiteilung auf Augustins anti-pagane Argumentation der zehn ersten Bücher beziehen

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Christoph Horn läßt. Nimmt man hierbei an, der Kirchenvater habe die heidnische Mythentheologie von vornherein nicht für widerlegenswert gehalten, so könnte man die zwei genannten Teile (Buch I–V und Buch VI–X) auf die Staatstheologie einerseits und die philosophische Theologie andererseits beziehen. Da Mythenkritik in den vier ersten Büchern aber durchaus vorkommt, ließe sich auch folgende (allerdings nicht sehr trennscharfe) Einteilung annehmen: 1. Buch I–IV: Darstellung und Kritik der paganen narrativen Theologie; 2. Buch V–VII: Darstellung und Kritik des römischen Staatskultus; 3. Buch VIII–X: Darstellung und Kritik der platonisch-neuplatonischen Theologie (die Augustinus als die einzig relevante philosophische Götterlehre des Heidentums ansieht). Der zweite Teil des Werks (Buch XI–XXII) ist aufgrund der Bemerkungen aus den Retractationes in drei Teile zu gliedern (vgl. schon civ. I 35): 4. Buch XI–XIV: Entstehung (exortus) der beiden Städte; 5. Buch XV–XVIII: ihr historischer Verlauf, ihre Entwicklung (procursus, excursus); 6. Buch XIX–XXII: ihr jeweils verdientes oder angemessenes Ende (debiti fines). Die Bücher XI–XXII erzählen die historia sacra von der himmlischen Bürgerschaft und von ihrem irdischen Gegenstück, und zwar gegliedert in die vorgeschichtliche Vergangenheit, in die Gegenwart, d. h. die Menschheitsgeschichte, und in die nicht historisch, sondern eschatologisch verstandene Zukunft; es handelt sich also um eine Nacherzählung der biblischen Heilsgeschichte, stark durchsetzt von philosophischen Passagen und profangeschichtlichen Berichten. Gewöhnlich bestimmt man das Verhältnis der beiden großen Teile von De civitate dei als die Relation von apologetisch-negativer Zurückweisung des Heidentums und thetisch-positiver Darlegung des Christentums. Nach einer erwägenswerten These J. van Oorts ließe sich aber auch daran denken, den gesamten zweiten Teil als eine ausführliche, musterhafte Katechese zu verstehen. Dabei würden sich die beiden Teile wie eine Verteidigung nach außen einerseits und eine spirituelle Einführung für Neulinge andererseits verhalten (vgl. 1991, 175–198). Beach-

Einleitung tenswert ist ebenso eine konkurrierende Interpretation; nach Studer (1990) enthält Buch X den Schlüssel zur Gliederung des Werks; demnach wäre der gesamte zweite Teil eine Entfaltung von Kapitel X 32, in dem die christliche Sicht der Geschichte – mit porphyrischen Mitteln – gegen Porphyrios verteidigt wird. Studer macht überdies darauf aufmerksam, daß die Trias von exortus, procursus und debiti fines in der antiken Rhetorik, etwa bei Quintilian, ein übliches Schema für eine Lob- und Tadelsrede im Blick auf eine Person bildete.

1.3 Zur Bedeutung der Antithese von civitas caelestis und terrena civitas Ein angemessenes Verständnis der Augustinischen civitas-Konzeption wird durch ihren eigentümlichen Synthesecharakter erschwert. Denn in ihr vereinigen sich weit auseinanderliegende sprachliche und inhaltliche Aspekte. Bereits im lateinischen Begriff civitas treffen mehrere Bedeutungsnuancen zusammen. Zunächst bezeichnet er eine soziale Gruppe, die Gemeinschaft der Bürger einer Stadt. Sodann steht er für die Stadt als geographisch-territoriales Gebilde; insofern bildet civitas das lateinische Äquivalent des griechischen Ausdrucks Polis. Mit dem Begriff Polis hat civitas ferner den politischen und den religiösen Aspekt gemeinsam; gemeint ist eine städtische Bürgerschaft unter einer zwangsbefugten Regierung, die zugleich eine Kultgemeinschaft bildet. Über „Polis“ hinaus meint der Ausdruck schließlich die abstrakte Zugehörigkeit zu einer Stadt, das Bürgerrecht oder die Staatsbürgerschaft. Hingegen bezeichnet civitas niemals einfach den Staat; die älteren deutschen Übersetzungen, die den Werktitel durch den Ausdruck „Gottesstaat“ wiedergeben, sind falsch und rufen abwegige Assoziationen hervor (vgl. näherhin van Oort in diesem Band). Augustinus verbindet die genannten Bedeutungsaspekte in seiner Wortverwendung. Die beiden civitates sind erstens Gemeinschaften (societates), also durch irgendeine Form von Sozialbindung charakterisierte Gruppen (hominum multitudo aliquo societatis vinculo conligata: XV 8); sie sind zweitens wohldefinierte, lokalisierbare Gebilde (freilich nur aus der Gottesperspektive, nicht in einem geographischen Sinn). Drittens stehen sie unter

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Christoph Horn der Herrschaft eines Regenten, die himmlische Stadt unter der Gottes (civitas dei) und die irdische unter der des Teufels (civitas diaboli). Und viertens haben sie eine Art von abstrakter Zugehörigkeit zu vergeben, eine Staatsbürgerschaft, die man auch in der Fremde beibehält. Folgerichtig bestimmt Augustinus die beiden civitates erstens durch ihren jeweiligen Gemeinschaftscharakter, der in der „himmlischen Stadt“ auf vollständiger Eintracht und in ihrem irdischen Gegenstück auf einem lediglich transitorischen, machtgestützten und vorteilsorientierten Konsens beruht. Zweitens sollen die beiden „Städte“, die unter irdischen Bedingungen bestenfalls annähernd identifizierbar sind, am Ende der Geschichte voneinander getrennt werden, um dann räumlich getrennt ewig fortzubestehen (in der Antithese von guten und schlechten Engeln existieren sie „bereits jetzt“ voneinander separiert). Drittens stehen sie unter dem Einfluß und Schutz sie bestimmender metaphysischer Kräfte; sie sind Teil eines größeren kosmischen Dramas. Und viertens gehört jeder Mensch (wie bereits jeder Engel) genau einer der beiden Gemeinschaften an; diese Zugehörigkeit nimmt den abstrakten Charakter einer Staatsbürgerschaft an, sobald ein Angehöriger der himmlischen Stadt als „Pilger“ oder „Fremder“ (peregrinus) auf der Erde leben muß, oder umgekehrt, wenn ein Angehöriger der irdischen Stadt äußerlich der Kirche angehört. Zwei der genannten Aspekte lassen sich leicht zur vorchristlichen Philosophie in Beziehung setzen. Augustins Konzeption einer von Gott regierten, einträchtigen menschlichen Gemeinschaft berührt sich offenkundig mit Platons „Kallipolis“ aus der Politeia, deren zentrales Merkmal ihre streng einheitliche Sozialform ist (vgl. 422e); bekanntlich versteht Platon seine Idealstadt ebenfalls als ein „Paradeigma im Himmel“ (592b; vgl. 472c), zu dessen Realisierung es einer göttlichen Intervention bedarf (493a, 499b, 592a). Zwei markante Unterschiede zu Platon bestehen freilich darin, daß Augustins Gemeinschaft weitgehend unpolitisch zu verstehen ist und daß man ihr rein individuellspirituell zugehören kann. In der Motivgeschichte des Platonismus gleicht sie aber in beiden Punkten Plotins Konzeption einer einheitlich-intelligiblen „Heimat“, zu der der Einzelne bereits jetzt Zugang hat und zu der er nach dem Aufenthalt „in der Fremde“, dem „Ort der Unähnlichkeit“, zurückkehren soll (I 6 [1] 8,21; vgl. bei Augustinus en.Ps. 49,22). Das Einheitsideal der

Einleitung göttlichen civitas läßt sich somit traditionell platonisch verstehen. Auch die Idee einer abstrakten Zugehörigkeit zur Gruppe der „guten“ oder aber „schlechten“ Menschen beruht auf einer traditionellen philosophischen Konzeption. In ihr wird die Aristotelisch-stoische Unterscheidung zweier grundlegender Strebensrichtungen aufgegriffen, die die Tugendkonzeption charakterisiert; entweder sind alle menschlichen Bestrebungen rational, einheitlich und gut, oder der Mensch ist schlecht, mit sich uneins und unvollkommen. Bei Augustinus erscheint diese Alternative in der Antithese von Gottesliebe und Selbstliebe (amor dei – amor sui: XIV 28; sermo 96,2; Gn.litt. XI 15,20). Zum dritten Punkt gibt es dagegen nur eine ungefähre philosophische Parallele, nämlich im Platonischen Mythos von den zwei Weltaltern (Politikos 268d–274e). Nach diesem soll im Zeitalter des Kronos, das dem gegenwärtigen Zeitalter des Zeus vorangegangen sei, ein Gott die Menschen gehütet haben (271e); jetzt dagegen hätten die Götter ihre Weltfürsorge aufgegeben (272e) mit dem fatalen Resultat, daß nun Menschen über Menschen herrschten, daß also die Herrscher meist nicht besser als die Beherrschten seien (275c). Ähnlich leben für Augustinus die postlapsarischen Menschen nicht länger unter Bedingungen göttlicher Leitung; sie existieren zusammen mit den „Verworfenen“ unter unüberwindlich schlechten irdischen Bedingungen, die Augustinus häufig als „dieses saeculum“ bezeichnet. Die Klage über die unangemessene, dem göttlichen Willen zuwiderlaufende Herrschaft von Menschen über Menschen findet sich daher auch bei Augustinus (XIX 15). Dennoch, überzeugender als diese Parallele ist der Hinweis, die Lehre einer „von Gott selbst erbauten Stadt“ sowie die Dualität eines Reichs des Guten und eines Reichs des Bösen sei auf die jüdisch-christliche Apokalyptik innerhalb der Bibel und in den ersten Jahrhunderten nach Christus zu beziehen. Augustinus selbst beruft sich auf die Psalmenstellen (Ps. 86 (87),3; vgl. 47 (48),2 f. und 45 (46),5 f.; vgl. Hebr. 11,10; 12,22; 13,14), in denen von der Zionerwartung die Rede ist (vgl. etwa civ. XI 1). Sodann stützt er sich auf die ReichGottes-Botschaft der Evangelien mit ihrer Betonung des inchoativen Charakters der basileia tou theou, mit ihrer Gerichtsvorstellung und ihrer messianischen Naherwartung. Und schließlich greift er auf die Entgegensetzung von Jerusalem und Babylon in der Apokalypse des Johannes (bes. 17 u. 21) zurück. In

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Christoph Horn diesem letzten Kontext ist die sinnbildliche Gleichsetzung zweier historischer Städte mit der ethischen Unterscheidung vorgebildet. Übrigens ist auch ein (dem Autor selbst nicht zureichend bewußtes) manichäisches Erbe bei Augustinus durchaus plausibel (vgl. van Oort 1996). Das vierte begriffliche Element, der Gedanke eines irdischen Pilgerwegs vor dem Hintergrund der eschatologischen Perspektive, ist ebenfalls mit Sicherheit jüdisch-christlicher Herkunft. Zwar sagt auch Platon vom Philosophen, er halte sich „nur mit dem Körper in der Polis auf“ und sei ansonsten ein Fremder (Theaitetos 173e). Im Neuen Testament kommt dieser für Augustins Bewußtsein wesentliche Punkt allerdings eindringlicher zur Sprache (vgl. Hebr 11,13; 13,14).1 Im übrigen bot sich die gedankliche Figur einer „mehrfachen Staatsbürgerschaft“, einer Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Gemeinschaften, dem Bürger des späten Römischen Reichs bereits aus politischen Gründen an. Er gehörte primär einer bestimmten Stadt zu (einschließlich einer Provinz), mit der er sich in der Regel eng identifizierte; die spätantiken Städte scheinen immer noch „Gemeinschaften des guten Lebens“ im Sinn der klassischen griechischen Polis gewesen zu sein. Sekundär war er römischer Staatsbürger, was in früheren Zeiten einen bedeutenden Rechtstitel ausmachte und noch im 4. und 5. Jahrhundert das Bewußtsein kultureller Superiorität gegenüber den Barbaren zum Ausdruck brachte. Zumal einem Christen mußte die Gedankenfigur plausibel scheinen, solange die Stadt- und die Reichsverwaltung den paganen Götterkult als Staatsaufgabe betrachteten; er konnte sich für dieses Bewußtsein auf das Pauluswort „Unsere Stadt (politeuma) aber ist im Himmel“ (Phil 3,20) berufen. Augustinus versteht unter den beiden civitates entgegengesetzte Gemeinschaften, die durch keinerlei äußeres Merkmal sicher identifizierbar sein sollen. Auch die subtileren Indizien dafür, daß jemand zur Gruppe der „Erwählten“ gehört, sind

1 Schmidt 1985 und 1987 hat gezeigt, daß der Terminus peregrinatio kein innerzeitlich-finales „Unterwegssein zu“ bedeutet, sondern lediglich den Aspekt des „In-der-Fremde-seins“ zum Ausdruck bringt. Freilich bezeichnet es ein Unterwegssein zu einem ewigen Ziel; im Hintergrund dieser Vorstellung steht neben der biblischen Eschatologie auch die neuplatonische Rückkehrkonzeption (vgl. die Trias von monê, prohodos und epistrophê).

Einleitung trügerisch; denn Gott nimmt auch seine Heiligen keineswegs von allen menschlichen Unvollkommenheiten aus. Augustinus spricht zudem ausdrücklich von Personen, die jetzt mit der civitas dei verbunden seien, künftig aber nicht mehr zu ihr gehörten, also von vorläufigen Mitgliedern (I 35; XVIII 49). Zwar glaubt er, die civitas dei sei greifbar in den alttestamentlichen Geschlechterreihen Seths und Sems (XV 20) sowie in der Geschichte des Volkes Israel (XVI 10 und 12), von wo sie seit dem Auftreten Jesu auf die Geschichte der Kirche übergegangen sei. Er räumt jedoch ein, daß es auch civitas dei-Mitglieder außerhalb Israels bzw. der Kirche gegeben habe, und hält andererseits die historische Kirche, die ecclesia peregrinans, für ein corpus permixtum; die beiden Gemeinschaften seien „untereinandergemischt“ (perplexae, permixtae: I 35). Die Disjunktion der beiden civitates ist vollständig. Jeder Mensch muß einer und kann nur einer der beiden Gruppen zugehören; allerdings besteht die Möglichkeit eines – göttlich prädestinierten – Übergangs von der „irdischen Stadt“ in die „Stadt Gottes“. Einen dritten Bereich (tertium quid) neben den beiden civitates kann es hingegen nicht geben – wie noch Leisegang (1926) unter Verweis auf die civitas terrena spiritalis, die ecclesia, zu erweisen suchte. Auch die Thesen von Marrou (1957) und Markus (1970), wonach die irdische Realität, das saeculum, eine solche dritte Größe bildet, sind nicht haltbar. Richtig ist vielmehr, daß Augustinus mit dem saeculum nur die von der irdischen civitas geprägten zeitlichen Lebensbedingungen meint, unter denen auch die Angehörigen der Gottesstadt leben müssen. Der falsche Eindruck, es gebe noch eine dritte Gemeinschaft, entsteht durch die Mischung der beiden Städte unter Bedingungen der Zeitlichkeit. Der Begriff saeculum bezeichnet aber lediglich eine äußerliche Mischung; er steht weder für einen neutralen Zwischenbereich noch für eine Synthese beider civitates. Aus demselben Grund ist es unzutreffend, einen irdischen Kampf der beiden Städte anzunehmen, der sich als prägendes Element durch die Geschichte zöge, wie dies Scholz (1911) in seinem Kommentar behauptete. Die beiden Städte haben nur äußerlich miteinander zu tun; tiefer betrachtet handelt es sich um eine Antithese ohne Interaktions- oder Berührungspunkte. Denn das Verhältnis der beiden Städte läßt sich nicht als eine

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Christoph Horn Platonische Urbild-Abbild-Relation interpretieren: Die terrena civitas erreicht zwar Vorstufen jener Friedens- und Gemeinschaftsgüter, die die civitas caelestis in vollem Umfang besitzt; dennoch bleiben die civitates einander strikt unähnlich. Das Verhältnis der beiden Städte ist nicht das von Form und Geformtem, wie wiederum Leisegang (1926) annahm. Ihre Differenz ergibt sich aus der Antithese von prä- und postlapsarischer Welteinrichtung: die terrena civitas ist Teil der göttlichen Strafordnung und weist insofern noch Restelemente der ursprünglich guten Schöpfung auf. Eine irrige Debatte wurde schließlich um die Frage geführt, ob die civitates primär empirisch oder metaphysisch zu verstehen seien; beides zugleich ist nur auf den ersten Blick ausgeschlossen. Die Streitfrage wurde von W. Kamlah (21950) dahingehend entschieden, daß die „pilgernde“ und die „himmlische“ Gottesstadt Teile einer einzigen Gemeinschaft sind; Augustinus versteht die Kirche nicht in einem historischkonkreten, sondern in einem eschatologischen Sinn als civitas dei, und daher gerät der empirische Aspekt, die sichtbare Kirche, nicht in Konflikt mit dem metaphysischen Aspekt, dem endzeitlichen Gottesreich. Eine ähnliche Lösung hat Ratzinger (1954) vorgeschlagen; demnach beinhaltet das sakramentale Element der empirischen Kirche das metaphysische Element des Gottesreichs. Als Mitglieder der beiden Städte gelten neben den erwählten bzw. verworfenen Menschen zusätzlich „heilige“ bzw. „gefallene“ Engel. Der irdische Gegensatz der beiden civitates setzt sich also auf der supramundanen Ebene fort; von dort nimmt er sogar – durch den Fall einiger Engel, der als Erklärungsbasis für den menschlichen Sündenfall dient – seinen Ausgang. Vom supramundanen Teil dieses Viererschemas erfahren wir allerdings wenig; Augustins Interesse richtet sich auf den philosophischen Erklärungswert der Antithese für die Geschichte und die Lebensumstände in der Gegenwart. Die unter irdischen Bedingungen pilgernde civitas dei ist, wie wir sahen, nicht direkt mit der Kirche identisch; ebensowenig fällt die civitas diaboli mit dem säkularen Imperium zusammen. Augustinus bringt die civitas dei aber immerhin eng mit der Geschichte Israels, zumal mit der babylonischen Gefangenschaft, in Verbindung. Die Antithese von Jerusalem und Babylon antizipiert die Relation der Kirche zu Rom, das er als das „zweite Babylon“ deutet (XVI 17 u. ö.).

Einleitung Spätestens an dieser Stelle fragt man sich natürlich, wie eine so wenig greifbare, so hintergründig konzipierte Antithese zu einem brauchbaren Interpretationsschema der Weltgeschichte werden kann. Die Schwierigkeit verringert sich, wenn man beachtet, daß Augustinus mitunter klare wertende Urteile für möglich hält; so sind etwa die Reiche Babylons und Roms Inbegriffe der irdischen Gemeinschaft. Augustinus nimmt offenkundig an, daß ein Interpret, der wie er selbst die biblischen Schriften als heuristische Grundlage für eine philosophische Geschichtsdeutung verwendet, zwar im Blick auf die Geschichte zu eindeutigen Ergebnissen gelangen kann, nicht aber im Blick auf Einzelpersonen oder Einzelereignisse. Die beiden grundlegenden Ausrichtungen des Strebens, Willens oder der Liebe kommen für ihn in allen Personen, Gruppen, Institutionen und Strukturen zum Ausdruck. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang etwa, wie Augustinus bereits die ungleichen biblischen Brüder Abel und Kain als Inbegriff dieser Antithese deutet. Von einer moralisierenden oder einer gnostischen Verurteilung des Weltlichen und Politischen kann bei Augustinus dennoch keine Rede sein. Die Romfeindschaft zahlreicher Kirchenväter teilt er ebensowenig wie die Politikverachtung der Donatisten. Er empfiehlt christlichen Lesern politische Loyalität gegenüber dem Staat und schätzt einerseits die Tugenden von christlich motivierten Herrschern, ohne andererseits ihre Einflußmöglichkeiten für sehr weitreichend zu halten. Indizien für ein Widerstandsrecht gegenüber ungerechten Herrschern finden sich bei Augustinus durchaus (vgl. quidquid iusserit patria contra deum, non audiatur: sermo 62,5,8); freilich zieht er dieses Mittel erst als äußerste Möglichkeit in Betracht (vgl. ep. 105,2,7; ep. 185,2,8; sermo 62,13). Die Güter eines wohlgeordneten Staates, wie Gerechtigkeit, Frieden, Sicherheit und Wohlstand, hält Augustinus für göttliche Gaben und empfiehlt zwar nicht ihren „Genuß“, wohl aber ihren „Gebrauch“ (vgl. quamdiu permixtae sunt ambae civitates, utimur et nos pace Babylonis: XIX 26). Mehr noch, die Forschung hat rekonstruiert, daß Augustinus staatliche Religionspolitik nicht nur gutgeheißen, sondern sogar selbst forciert hat; im Fall der Donatisten forderte er ein gewaltsames staatliches Eingreifen und rechtfertigte dieses mit dem Hinweis auf das „wahre“ Interesse der Zwangsbekehrten, eine sicherlich höchst ideologieverdächtige Argumentation (vgl. Brown 1972).

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1.4 Herkunft der civitas-Lehre Die Antithese zweier Menschengruppen findet sich in Augustins Werk seit De vera religione (26,48–27,50; verfaßt um 390). Dort überträgt der Kirchenvater die antike Lehre von den individuellen Lebensaltern, die er sowohl biologisch als auch geistlich interpretiert, auf die Menschheitsgeschichte und die Weltzeit; vor allem aber wendet er die ebenso Platonische wie Paulinische Antithese von „innerem und äußerem“, „altem und neuem“ Menschen erstmals auf zwei distinkte Personengruppen an (duo genera). In der Schrift De catechizandis rudibus (entstanden um 400) werden die beiden Gruppen dann erstmals als civitates bezeichnet; diese bildeten vom Geschichtsbeginn bis zum Ende der Zeiten konstante Faktoren, die „körperlich vermischt, aber willentlich getrennt“ seien. Die Katecheseschrift enthält auch bereits die metaphorische Antithese von Jerusalem (oder Zion) und Babylon für die beiden Städte; Augustinus interpretiert den Namen Jerusalem (bzw. Zion) als „Friedensschau“ oder „Kontemplation“, während Babylon etymologisch soviel wie „Verwirrung“ bedeuten soll (cat.rud. 21,37; zur civitas-Lehre vgl. auch Gn.litt. XI 15,20, c.ep.Parm. II 4,9 und en.Ps. 9,12.). Die Frage nach der Herkunft der civitas-Lehre ist bis heute nicht abschließend geklärt. Zwar schien eine Lösung bereits durch Hahn (1900) erreicht zu sein, der den donatistischen Dissidenten Tyconius als Quelle glaubte identifizieren zu können. Nun läßt sich zwar Augustins Rezeption des Liber regularum, der bedeutenden hermeneutischen Schrift des Tyconius, leicht verfolgen; dessen Apokalypsekommentar ist dagegen zu schlecht überliefert, als daß man die Herkunft des civitas-Motivs mit Sicherheit an ihm festmachen könnte. Ausgedehnte neuere Quellenstudien wurden von van Oort (1991) betrieben; er hält die Tyconius-Hypothese für unwahrscheinlich und schließt außerdem einen Ursprung der Augustinischen civitas-Lehre in der antiken Philosophie aus. Auch die Parallelen zu den älteren Kirchenvätern, besonders zu Clemens, Origenes und Ambrosius (vgl. Lamirande 1994, 958), scheinen eher oberflächlicher Art zu sein. Bedeutende Übereinstimmungen weist van Oort hingegen zu manichäischen Texten nach; die Manichäer verfügten u. a. über die Vorstellung zweier Reiche, über das Schema exortusprocursus-debiti fines, über einen vergleichbaren Pilgerbegriff so-

Einleitung wie über die Vorstellung eines corpus permixtum, das am Ende der Zeiten in seine zwei Bestandteile aufgelöst werden soll. Van Oorts zentrale Quellenhypothese setzt freilich noch an anderer Stelle an; sie bezieht sich auf die jüdisch-christliche Apokalyptikund Katechesetradition, wobei der Autor annimmt, die enge Affinität jüdischer und christlicher Gemeinden in Nordafrika habe eine wichtige Vermittlerrolle gespielt. Wie immer jedoch die genaue Herkunft verschiedener Anteile der civitas-Lehre zu bestimmen ist, es scheint nach Lage der Forschung unstrittig, daß Augustinus eine hochgradig selbständige Konzeption entwickelt hat.

1.5 Zur philosophischen Bedeutung von De civitate dei Die philosophische, philosophiehistorische und begriffsgeschichtliche Bedeutung der Schrift läßt sich anhand der acht wichtigsten Themenfelder skizzieren. (i) Staatsfundament: In seiner Theorie der Staatslegimitation rückt Augustinus von der Hauptlinie der antiken Staatsbegründung ab. Wie besonders die berühmte Seeräuberanekdote (IV 4) belegt, nähert sich Augustinus dem neuzeitlichen Kontraktualismus und dem Rechtspostivismus an. Vertragstheoretische Staatsbegründungen sind in der Antike zwar schon von einigen Sophisten, darunter Protagoras, und von Epikur vertreten worden (vgl. Kahn 1981; Sprute 1989); aber nach der von Platon, Aristoteles und Cicero bestimmten antiken Staatsphilosophie galt die Gerechtigkeit und nicht ein ursprünglicher Kontrakt als Fundament des Staates. Augustinus betont demgegenüber, der Konsens der Bürger, nicht die (auf der Erde unerreichbare) „wahre Gerechtigkeit“ sei die gesuchte Grundlage. Ob man deswegen soweit gehen soll zu behaupten, der Kirchenvater antizipiere eine funktional-pragmatische Staatslegitimation nach Hobbesschem Muster, ist eine umstrittene Frage (vgl. Höffe in diesem Band). Augustins Vergleich des Staates mit einer Räuberbande verfolgt die kritische Absicht zu zeigen, daß bei einer rechtsmoralischen Staatsdefinition gerade das Römische Reich nicht mehr als Staat gelten könnte. Der Kirchenvater hält eine Ausrichtung der Politik am ewigen göttlichen Moralgesetz zwar für wün-

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Christoph Horn schenswert, aber unter den Bedingungen einer „gefallenen Menschheit“ nicht für abschließend durchführbar. Läßt sich aus dieser Entkoppelung von Moral und Politik und aus der Spiritualisierung und Eschatologisierung des Moralischen schließen, Augustinus sei der geistige Ahnherr der liberalen Staatsauffassung? Die Frage ist differenziert zu beantworten; liberal ist zwar die Zurückhaltung des Augustinischen Staates in Moral- und Glücksfragen sowie der Rat an den christlichen Herrscher, eine moralisch geprägte Realpolitik zu betreiben; mit Sicherheit nicht liberal sind hingegen Augustins Vorstellungen zur staatlichen Religionspolitik (zum Für und Wider vgl. White 1994). Immerhin ist der vielfach gegen Augustinus erhobene Vorwurf ungerechtfertigt, er empfehle eine bedingungslose Loyalität gegenüber dem Staat (vgl. Burnell 1993). (ii) „Politischer Realismus“: Ein zentraler Punkt innerhalb der Augustinischen Geschichtsanalyse ist seine realpolitische, tendenziell pessimistische Einstellung (vgl. Niebuhr 21986). Augustinus scheint der erste Staatsphilosoph gewesen zu sein, der menschliches Leiden scharf akzentuiert und als grundsätzlich unüberwindbar angesehen hat; er begreift daher Politik als Möglichkeit einer allenfalls partiellen Verbesserung der Lebensverhältnisse, nicht als Anwendung einer Idealkonzeption oder als Herstellung vollkommener Verhältnisse. Bei Augustinus finden sich aufschlußreiche Beispiele für diese neue Situationsbeschreibung, etwa seine Beschreibung des Herrschaftsstrebens (libido dominandi) als des Grundmotivs der römischen Expansion, oder das Beispiel des Richters, der zur Wahrheitsfindung Foltermethoden einsetzt und sich dabei – trotz bester Absichten – in Unrecht verstrickt (XIX 6). Als weiteres Beispiel läßt sich die schonungslose Predigt 32 anführen, in der der Kirchenvater das politische Treiben städtischer Verwaltungen brandmarkt; dieses sei einzig von Faktoren bestimmt wie dem Ausbeutungsstreben, dem persönlichen Ehrgeiz, von Herrschsucht, Verschwendung und Ruhmsucht. Neben einer besonders drastischen Aufzählung irdischer Übel findet sich in XXII 22 auch ihre systematische Herleitung aus der Fehlorientierung des menschlichen Willens (vgl. Burt in diesem Band). (iii) Ethik: Augustinus vertritt eine teleologische Ethik nach dem Vorbild der klassischen und hellenistischen Philosophie. In der Linie der Platonischen, Aristotelischen und der stoischen

Einleitung Tradition ist er der Auffassung, daß menschliches Handeln einer impliziten Strebenslogik folgt. In letzter Konsequenz zielt es auf ein einziges Gut, das Glück verstanden als ewigen Frieden. Nach der auch in der Spätzeit beibehaltenen Überzeugung Augustins fällt der Philosophie hierbei die Aufgabe zu, Instrument eines bewußt betriebenen Glücksstrebens zu sein. Die Augustinische Version der Strebenskonzeption ist näherhin durch die uti-fruiDichotomie charakterisiert. Demnach sollen alle Güter allein Gegenstand des „Gebrauchs“ sein, und zwar instrumentell verstanden im Hinblick auf den „Genuß“ eines einzigen Gutes, nämlich Gottes. Güter auf der Erde haben daher einen begrenzten, nämlich instrumentellen Wert; Übel besitzen einen Hinweischarakter für das himmlische Glück. Augustinus hat diese Konzeption in einer subtilen Argumentation anhand des Friedensbegriffs ausgeführt (vgl. Geerlings in diesem Band). Was den späteren Augustinus (seit 396/7) vom philosophischen Modell unterscheidet, ist seine Skepsis hinsichtlich der Erreichbarkeit des Glücks unter irdischen Voraussetzungen. Das philosophische Weisheitsideal ist, so der Kirchenvater, seit dem Sündenfall unerreichbar geworden; irdische Tugenden sind eher als Laster denn als Tugenden zu betrachten (vitia sunt potius quam virtutes: XIX 25). Dennoch wäre es ein Mißverständnis anzunehmen, die Gnaden- und Erbsündenlehre habe die Strebenskonzeption beseitigt oder aufgehoben. Sie wird vielmehr beibehalten, aber eschatologisch uminterpretiert: Das verdeckte Ziel des menschlichen Strebens liegt im transzendenten, himmlischen Frieden der civitas dei oder in einem Zustand jenseitiger Verdammung im Fall der civitas diaboli. Im Hintergrund der „dualistischen“ Geschichtsinterpretationen Augustins findet sich also immer noch die antike Strebenstheorie. Die beiden fundamentalen Ausrichtungen des Willens oder der Liebe (XIV 28) stehen aber nicht länger der freien Wahl und der schrittweisen Selbstvervollkommnung offen; sie werden mit Elementen der Gnaden- und Prädestinationslehre verknüpft. (iv) Geschichtsbegriff: De civitate dei ist über weite Passagen hin eine Geschichtserzählung. Daß Augustinus gar eine Gesamtgeschichte der Menschheit bieten will, führt besonders zu drei philosophischen Fragen. Erstens ist von Interesse, welche Prinzipien dieser Erzählung zugrundegelegt werden. Wie entwickelt Augustinus historische Prinzipien und wie legitimiert er sie als

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Christoph Horn relevant für die gesamte Menschheitsgeschichte? Wie wendet er sie auf seine Geschichtserzählung an? Zweitens kann man fragen, ob es berechtigt ist, De civitate dei als eine geschichtsphilosophische Schrift oder wenigstens als Inspirationsquelle für jene Form von Geschichtsphilosophie anzusehen, die in der Neuzeit in „säkularisierter Form“ auftritt; letzteres ist die These von K. Löwith (21955). Verfügt Augustinus überhaupt über den Begriff einer Universalgeschichte? Und wenn ja, unterstellt er ein einziges, strenges Interpretationsschema? Ist er gar der Begründer des Fortschrittsbegriffs? Drittens ist zu überlegen, ob der Kirchenvater möglicherweise das genaue Gegenteil einer Geschichtsphilosophie vertritt, indem er – vielleicht erstmals in der Geistesgeschichte – die Einmaligkeit, Kontingenz und Unableitbarkeit des Geschichtlichen lehrt (zu diesen Fragen vgl. Horn in diesem Band). (v) Wille und Freiheit: Augustinus unterscheidet markant zwischen zwei grundlegenden Strebenstendenzen (amores, voluntates). Nun bedeutet die Feststellung bestimmter Strebensrichtungen zugleich die Behauptung einer (zumindest partiellen) Handlungsdetermination. Mit der Tatsache, daß Vernunftwesen solche Tendenzen aufweisen, läßt sich also nicht erklären, warum sie für ihr Handeln verantwortlich sein sollten, wie Moral, Strafrecht oder Pädagogik dies unterstellen. Im Gegenteil, die Zuschreibung von Verantwortlichkeit hängt davon ab, ob der Handelnde als Ursprung seiner Handlung zu betrachten ist; der Test hierfür liegt in der Frage, ob er über ein Vermögen verfügt, das ihm selbst bei klarer Erkenntnis des Richtigen die Wahl des Falschen ermöglicht. Erst hierin besteht neben dem Willensbegriff qua Strebenstendenz ein Willensbegriff verstanden als ein freies Entscheidungsvermögen. Nun läßt sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit das Augustinische liberum arbitrium-Konzeption als die erste vollständige philosophische Willenskonzeption in diesem Sinn ansehen (vgl. Dihle 1985). Augustinus scheint den Begriff der Wahlfreiheit als zentrale Entdeckung begriffen und zeitlebens hoch eingeschätzt zu haben. Er setzt ihn nicht allein wiederholt von der Strebenstendenz ab, sondern verteidigt ihn überdies gegen die Vorstellung einer umfassenden göttlichen Determination (vgl. Peetz in diesem Band). (vi) Theodizee: Der Gott der christlichen Tradition ist – wie schon der Gott Platons – nur dann moralisch gerechtfertigt,

Einleitung wenn er Urheber ausschließlich des Guten ist. In Leibniz’ Terminologie gesprochen ist zu zeigen, daß sowohl das metaphysische und das physische Übel als auch das moralische Übel als Einwände gegen die Annahme göttlicher Güte ausscheiden. Dieser Nachweis ist aber erst erbracht, wenn erstens das Geschaffene nicht als schlechthin mangelhaft und unwert, sondern als (freilich in unterschiedlichen Stufen und Graden) gut und wertvoll erscheint, wenn sich zweitens der funktionale Sinn des physischen sowie des moralischen Übels in einer insgesamt guten Weltordnung erweisen läßt und wenn drittens das moralische Übel der Wahl des Handelnden zugeschrieben werden muß. Alle drei Argumente finden sich in De civitate dei, und zwar in enger wechselseitiger Verknüpfung. Augustinus betont zum einen die Dignität alles Seienden bei gleichzeitiger Differenzierung der Grade seines Seinsbesitzes; die Mangelhaftigkeit einer Entität begründet demnach nicht ihre Wertlosigkeit, sondern bestenfalls ihre untergeordnete Stellung in der kosmischen Ordnung (privatio-Konzeption). Er sucht überdies den partiellen, relativen und transitorischen Sinn des Übels aus der Logik der Gesamtordnung zu erweisen. Insbesondere bemüht er sich aber darum, die Willensfreiheit in das Gesamtbild einzuordnen; dazu erweist er sie als eine unableitbare Freiheit, das Falsche zu wählen, die sich aus der Tatsache der Erschaffung des Menschen aus dem Nichts (als causa deficiens) ergebe (vgl. Bettetini in diesem Band). (vii) Cogito: In Augustins Werken findet sich eine Reihe von Stellen, an denen ein dem Cartesischen Cogito überraschend ähnliches Argument vertreten zu werden scheint. Bereits Zeitgenossen des Descartes wurden auf diese – scheinbare oder tatsächliche – Parallele zwischen den ansonsten sehr ungleichen Philosophen aufmerksam. Die Frage nach Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit des Augustinischen und des Cartesischen Cogito ist umso diffiziler, als bereits die Intention der beiden Autoren für sich genommen schwer zu klären ist. Das Argument für die unbezweifelbare Gewißheit des „Ich denke“ kann bei beiden Philosophen grundsätzlich einer logischen, einer performativen und einer transzendentalen Deutung unterzogen werden. Relevant ist zudem die Frage nach Ähnlichkeiten und Unterschieden in den geistesgeschichtlichen Hintergründen der beiden Cogitos-Konzeptionen (vgl. Horn in diesem Band).

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Christoph Horn (viii) Recht: Augustinus hat seine Rechtsphilosophie weitgehend in Auseinandersetzung mit Cicero erarbeitet. Es ist daher naheliegend zu meinen, Cicero und Augustinus nähmen eng verwandte Positionen ein. Nun hat aber K. M. Girardet (1983) gezeigt, daß Ciceros Schrift De legibus das ius naturae (auch lex naturae und lex aeterna) gar nicht im Sinn der aus der Begriffsgeschichte geläufigen, freilich später anzusiedelnden Dichotomie von „Naturrecht“ und „positivem Recht“ interpretiert. Cicero ist demnach keineswegs der Ansicht, positives Recht sei im Rückgriff auf ein überzeitliches Naturrecht zu legitimieren; er hält das Naturrecht vielmehr für einen Teil der römischen Rechts. Dieser überraschenden Ciceronischen Auffassung liegt eine Naturrechtsidee zugrunde, nach der dasjenige positive Recht, das „aus der Natur des Menschen hervorgeht“, selbst das Naturrecht sei; dieses wesensgemäße Recht entspreche aber weitgehend dem Recht der Römischen Republik. Folgt man der interessanten Fortführung dieser Perspektive bei Girardet (1995), so zeigt sich, daß Augustinus keineswegs als Anhänger, sondern als Opponent der Ciceronischen Rechtsphilosophie zu betrachten ist. Der Kirchenvater scheint geradezu der Begründer der dichotomischen Naturrechtskonzeption zu sein. Genauer gesagt entwickelt er eine dreistufige Rechtsauffassung: Danach ist das positive Recht, die lex temporalis, notwendig zeitlichen Wandlungen unterworfen, ohne daß dies für die ihr zugrundeliegende lex aeterna gälte. Diese bildet mit ihren incommutabiles regulae vielmehr den überzeitlichen Maßstab für gerechtes positives Recht; sie ist den Menschen „ins Herz“ oder „in den Geist“ eingeschrieben und soll vom Gesetzgeber soweit wie möglich beachtet werden. Unter der lex naturae schließlich versteht Augustinus einen bestimmten Teil der lex aeterna, nämlich diejenigen Regeln, die für die belebte und unbelebte Naturordnung maßgeblich sind; das speziell in der menschlichen Natur verankerte Naturgesetz ist nach Augustins Auffassung die Goldene Regel (vgl. Krieger/Wingendorf in diesem Band).

Einleitung

1.6 Zum vorliegenden Band Ziel dieses Bandes ist eine abschnittsweise Auslegung von De civitate dei, und zwar besonders eine Interpretation der philosophisch bedeutsamen Elemente des Werkes, ohne daß deshalb die theologischen, literarisch-philologischen oder geschichtswissenschaftlichen Aspekte ausgeblendet wären. Die Autoren des Bandes sind dabei bewußt so ausgewählt, daß unterschiedliche Fachbereiche, Diskussionskontexte und Traditionen zur Sprache kommen können. Da Augustinus philosophische Themen häufig in Formen von Exkursen und Digressionen entwickelt, ist eine trennscharfe Einteilung der zu behandelnden Abschnitte nicht möglich; zu thematischen Überschneidungen kommt es besonders im Blick auf das philosophisch bedeutende Buch XIX. Noch weniger ließ sich mit dem hier praktizierten Verfahren Vollständigkeit erreichen; eine Gesamtdeutung in Form eines historisch-philologischen Kommentars bleibt immer noch ein Desiderat der De civitate dei-Forschung. Zu danken habe ich den Autorinnen und Autoren für ihre Mitarbeit sowie dem Herausgeber der „Klassiker Auslegen“Reihe, Prof. Dr. Otfried Höffe, für seine zahlreichen Verbesserungsvorschläge. Besonderer Dank gilt Frau Prof. Dr. Maria Bettetini, die sich nach dem plötzlichen, verfrühten Tod von John Procopé (Cambridge) bereitfand, in kurzer Zeit dessen Part zu übernehmen. Tübingen, im Dezember 1996

Christoph Horn

Literatur Bardy, G. 1959: Introduction générale à la Cité de Dieu, in: Bibliothèque augustinienne 33, 9–144. Burnell, P. 1993: The Problem of Service to Unjust Regimes in Augustine’s City of God, in: Journal of the History of Ideas 54, 177–188. Dihle, A. 1985: Die Vorstellung vom Willen in der Antike, Göttingen (engl. 1982). Divjak, J. 1981: Sancti Aurelii Augustini Opera. Epistolae ex duobus codicibus nuper in lucem prolatae, Vindobonae (CSEL 88). Girardet, K. M. 1983: Die Ordnung der Welt. Ein Beitrag zur philosophischen und politischen Interpretation von Ciceros Schrift ,de legibus‘, Wiesbaden. Goetz, H.-W. 1980: Die Geschichtstheologie des Orosius, Darmstadt.

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Christoph Horn Hahn, T. 1900: Tyconius-Studien. Ein Beitrag zur Kirchen- und Dogmengeschichte des vierten Jahrhunderts, Leipzig. Kahn, Ch. 1981: The Origins of Social Contract Theory, in: G. B. Kerferd (Hg.), The Sophists and their Legacy, Hermes Einzelschriften 44, 92–108. Lamirande, E. 1994: Art. Civitas dei, in: Augustinus-Lexikon, Bd. 1, 958–969. Lieberg, G. 1973: Die ,theologia tripertita‘ in Forschung und Bezeugung, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt 1.4, 63–115. Niebuhr, R. 21986: Augustine’s Political Realism, in: R. McAfee Brown (Hg.), The Essential Reinhold Niebuhr, New Haven, 123–141. Peterson, E. 21951: Der Monotheismus als politisches Problem. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Theologie im Imperium Romanum, in: ders., Theologische Traktate, München, 45–147. Ratzinger, J. 1954: Herkunft und Sinn der Civitas-Lehre Augustins, in: Augustinus Magister, Bd. II, Paris, 965–979. Sprute, J. 1989: Vertragstheoretische Ansätze, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. I. Philologisch-historische Klasse, 1989, Nr. 2, 37–93.

Augustins Transformation

Karla Pollmann

Augustins Transformation der traditionellen römischen Staats- und Geschichtsauffassung (Buch I–V) Angesichts der deutlichen Makrostruktur von Augustins De civitate dei ist der Platz der Bücher I bis V klar zu bestimmen: Innerhalb des ersten, eher1 negativen Teiles (Bücher I bis X) sollen sie den Beweis erbringen, daß es keinen Zusammenhang zwischen der Anbetung der traditionellen römischen Gottheiten und dem Aufstieg Roms zur Weltmacht gibt und daß, dazu korrelativ, ebensowenig vom Versagen des neueingeführten Christengottes angesichts der Einnahme Roms durch die Westgoten im Jahre 410 die Rede sein kann, die als Symptom für den allgemeinen Untergang des Reiches gedeutet wurde. Um die traditionelle römische Vorstellung von dem Zusammenhang zwischen korrekter Befolgung religiöser Vorschriften (religio; pietas) und dem dadurch garantierten politischen oder militärischen Erfolg Roms zu entkräften, kombiniert Augustin verschiedene Argumentationsansätze: 1. den Aufweis von Unglücksfällen in der römischen Geschichte vor Christi Geburt, also vor der Existenz von Christen überhaupt, 2. die Einbindung seiner Zwei-Reiche-Lehre, also die Trennung von civitas dei und civitas terrena,

1 Nicht ausschließlich, da auch in Buch I bis X bereits direkte Darstellungen der christlichen Sichtweise bzw. der Überlegenheit des Christentums eingebunden sind (z. B. I 10–14; II 19.23–29; III 31; IV 33 f.; V 16–26), was natürlich den unmittelbar positiv für das Christentum argumentierenden zweiten Teil (Buch XI bis XXII) vorbereitet; vgl. van Oort 1991, 75–77 und O’Daly 1994, 979–982.

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Karla Pollmann 3. den Theodizee-Gedanken, daß Glück und Leiden gleichermaßen guten wie bösen Menschen widerfahren kann. Dadurch gewinnt die Kritik und Beurteilung des römischen Staates durch Augustin solchermaßen an Komplexität, daß bis in die jüngste Forschung die exakte Festlegung der Augustinischen Position schwerfällt (van Oort 1991, 151–163). Manche Fragen reicht Augustin aber auch ungelöst an das Mittelalter weiter (Duchrow 1981). Es lassen sich folgende Techniken unterscheiden, welche Augustin im Umgang mit der paganen römischen Tradition (in ihrer schriftlich niedergelegten Form) bzw. mit traditionellem römischen Gedankengut anwendet: 1. die radikale, unvereinbare Antithese zwischen negativem Heidentum und positivem Christentum, wobei oft das Heidentum aufgrund innerer Widersprüche als trügerisch und falsch erwiesen werden soll, 2. die Ausspielung kritischer paganer Stimmen gegen das durch diese selbst kritisierte Heidentum, welche als interne Zeugen für den Verfall Roms lange vor der Existenz des Christentums herangezogen werden, 3. die prinzipielle Anerkennung positiver paganer Vorbilder, Werte und Verhaltensweisen, die jedoch durch das Christentum innerhalb von dessen umgreifenden heilsgeschichtlichen Rahmen überboten und vollendet werden. Hier kommt es dann zu einer integrierenden Anverwandlung der paganen Tradition in die christliche Weltsicht. Anhand repräsentativer Beispiele aus Buch I bis V sollen diese Verfahren näher ausgeführt werden und zu einer ausdifferenzierten Darlegung der Augustinischen Staatsvorstellung verhelfen.

2.1 Sittliche Haltung (virtus/pietas) und Ruhm (gloria) Nach gängiger römischer Auffassung hatte Geschichtsschreibung die Aufgabe, durch die erzählende Vergegenwärtigung bemerkenswerter Gestalten der Vergangenheit und die Herausarbeitung ihrer Tugenden und Laster dem Leser moralische Maßstäbe und Verhaltensrichtlinien für sein eigenes Leben zu

Augustins Transformation vermitteln. Geschichtsschreibung hat damit durch die Präsentation solcher Beispiele (exempla) als Lehrerin für das Leben (magistra vitae) eine auf die Gegenwart des Lesers gerichtete, moralisch-erzieherische Funktion (Livius in der Praefatio zu Ab urbe condita). Diese Exempla-Technik wird von Augustin aufgegriffen, und er analysiert traditionelle Prototypen römischer Tugend aus seiner (nicht nur polemischen) Perspektive. Drei ausgewählte Beispiele sollen dies verdeutlichen. In den Kapiteln I 16–27 geht Augustin auf das Problem ein, daß während der Einnahme Roms im Jahre 410 christliche Frauen vergewaltigt worden waren, insbesondere auch solche, welche ihre Jungfräulichkeit Gott geweiht hatten. Aus Verzweiflung begingen manche von ihnen Selbstmord. Augustin legt in I 18 dar, daß diese Frauen schuldlos seien und daher ihre wahre innere Jungfräulichkeit bewahrt hätten, so daß keine Sühnung durch Selbstmord nötig gewesen wäre. In diesem Zusammenhang nimmt er sich in Kapitel I 19 eine berühmte pagane Entsprechung vor, Lucretia, eine vornehme, verheiratete Römerin, die von Sextus Tarquinius, dem Sohn des letzten römischen Königs Lucius Tarquinius Superbus, vergewaltigt worden war (Livius 1,58). Obgleich ihre Familie sie von jeder Schuld freispricht, meint Lucretia, ihre Unschuld durch ihren Selbstmord beweisen zu müssen, damit ihr niemand geheime Einwilligung in die Vergewaltigung und damit Ehebruch unterstellen könne. Augustin wertet dieses traditionelle Musterbeispiel römischer Keuschheit (Livius 1,57,10 castitas; 1,58,5.7 pudicitia; vgl. auch Cicero, De re publica 2,25,46) um, indem er unter Berücksichtigung legaler, moralischer und psychologischer Aspekte Lucretia widersprüchliches Verhalten nachweist: Entweder ist sie unschuldig und hat ein reines Gewissen, dann hat sie unrecht gehandelt, indem sie durch ihren Selbstmord eine Unschuldige tötete, oder aber sie ist schuldig, da sie sich die Vergewaltigung gerne gefallen ließ. Dann ist ihre Selbsttötung eine gerechte Strafe, aber ihre Keuschheit dahin, da sie somit eine Ehebrecherin wäre. Augustin will zeigen, daß Lucretia nicht aus Liebe zur Keuschheit, sondern aus schwächlichem Schamgefühl heraus Selbstmord begangen hat; von ihr anerkannte äußere Wertmaßstäbe treiben sie in dieses moralische Dilemma. Christliche Frauen stehen nach Augustin psychologisch nicht unter einem

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Karla Pollmann solchen Zwang, da ihre inwendige Haltung Gott, dem einzigen relevanten Maßstab, bekannt ist: „Denn sie haben innerlich den Ruhm der Keuschheit, das Zeugnis eines reinen Gewissens“ (civ. I 19). Ursache des paganen Dilemmas ist, daß sich nach heidnischer Vorstellung der Ruhm eines Menschen auf das Urteil anderer Menschen stützt, während Augustin den Maßstab des Ruhmes in das Innere des Menschen verlagert.2 Augustins Verneinung der Tugendhaftigkeit der Lucretia durch die Entlarvung der verlogenen Moralvorstellungen, auf denen sie basiert, wiegt umso schwerer, da die Rache von Lucretias Vergewaltigung zur Vertreibung der Tarquinii und zu dem Beginn der römischen Republik 510 v. Chr. führte. Augustin greift somit eine römische Urtugend an, die eng mit dem altrömischen Staatsverständnis verknüpft ist (Hand 1970,16 f.; Vermeulen 1981,200 f.). Ähnliches gilt für den Raub der Sabinerinnen, der in der ersten Generation nach der Romgründung (der Sage nach 753 v. Chr.) stattfand. Da nur dadurch der Fortbestand der jungen Stadt gesichert werden konnte, ist dieses Ereignis ursächlich mit den allerersten Anfängen Roms verknüpft zu sehen. Weil die Bitte der frauenlosen Römer, mit Frauen aus benachbarten Völkern Ehen schließen zu dürfen, abgeschlagen wird, greifen sie zu einer List und laden die umliegenden Völker zu einem Fest ein, bei dem sie die Töchter der Geladenen entführen. Auch Livius (1,9,13.15) muß zugeben, daß durch diese Verletzung des heiligen Gastrechtes von den Römern Unrecht getan wurde. Als Verteidigung führt er dann (1,9,14 f.) zwei Gesichtspunkte an, die für das römische Selbstverständnis charakteristisch sind: Zum einen waren die Römer zu diesem ungerechten Verhalten durch das vorausgehende, ebenfalls unrechte Abschlagen ihrer Bitte seitens der Nachbarn herausgefordert worden. Zum anderen blieb diese Rechtsverletzung einmalig und unwiederholt, die Geraubten wurden nicht als rechtlose Beute behandelt, was den Unrechtstatbestand auf Seiten der Römer ja etabliert hätte, son-

2 Dies wird bei Hand 1970, 16–27 nicht deutlich genug. Auch Vermeulen 1981, 211 f. betont zwar, daß bei den Christen anstelle der Mitmenschen Gott als Maßstab des Ruhmes tritt, geht aber nicht auf die inneren, psychologischen Konsequenzen dieser Änderung für den Menschen ein.

Augustins Transformation dern werden als römische Vollbürgerinnen in das somit wieder in Kraft gesetzte Rechtsgefüge auf höchster Ebene integriert. Auch Augustin bestätigt in De civitate dei II 17, daß das Beispiel dieser Übeltat nicht Schule machte. Jedoch weist er den frühen Römern erneut widersprüchliches Verhalten nach. Nach ihren eigenen Wertmaßstäben hätten sie sich nicht der Verletzung des Gastrechtes schuldig machen dürfen, ja, auch nicht müssen, da ihnen als gerechteres Mittel eine Kriegserklärung zur Verfügung gestanden hätte, um im Falle eines Sieges dann legal in Übereinstimmung mit geltendem Kriegsrecht die Töchter der Besiegten als Frauen heimzuführen. Augustin greift hier auf das traditionell im römischen Rechtsverständnis etablierte Konzept des gerechten Krieges (bellum iustum) zurück, um es argumentativ gegen die paganen Gegner auszuspielen. Ein gerechter Krieg mußte einen klar definierten Grund haben, wie z. B. zuvor erlittenes Unrecht, Schützung von angegriffenen Bundesgenossen, Vertreibung von Aggressoren oder die Wiedergewinnung verlorener Güter, und er mußte dem Feind formal angekündigt werden.3 Faßt man, wie es ja auch bei Livius der Fall ist, die ablehnende Haltung der Nachbarn gegenüber den Heiratsbestrebungen der Römer als Unrecht gegenüber den Römern auf, so ist innerhalb des römischen Rechtsverständnisses ein Rechtsgrund für ein bellum iustum gegeben, welches von den Römern aber nicht gegen die Sabiner geführt wurde. Augustin deckt also scharfsinnig einen Widerspruch innerhalb der paganen Argumentation auf, weswegen es ihm gelingt, das Exemplum des Raubes der Sabinerinnen gegen die Tradition auszulegen. Daß er diesem besondere Bedeutung beimißt, wird auch an seiner markanten Position (civ. II 17) deutlich, da hier nun, nachdem in II 3 bis 16 die Unmoral der paganen Götter abgehandelt worden war, ein neuer Abschnitt (II 17–22) über die Unmoral Roms eingeleitet wird. Insgesamt kann aus dieser Stelle nicht eindeutig geschlossen werden, daß Augustin Krieg als eine „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ anerkennt, jedoch lassen sich andere Passagen bei ihm finden, aus denen deutlich wird, daß er in bestimmten christli-

3 Vgl. z. B. Cicero, De officiis 1,11,36 und De re publica 2,23,35; 3,23,34 sowie auch Augustinus De civitate dei III 10; Deane 1963, 154–171; Russell 1975, 4 ff.

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Karla Pollmann chen Zusammenhängen einen „gerechten Krieg“ billigt (Russell 1975, 16 ff.; Lenihan 1988). In Buch III 13 kommt Augustin nochmals auf die Sabinerinnen zu sprechen. Livius 1,10–13 berichtet von den Kriegen der umliegenden Völkerschaften mit den Römern als Folge des Raubes der Sabinerinnen. Der Krieg zwischen Sabinern und Römern kommt durch das beherzte Eingreifen der Sabinerinnen zum Ende (Livius 1,13). Diese erinnern die beiden kämpfenden Seiten daran, daß sie als Schwiegerväter und Schwiegersöhne nicht gegenseitig ihr Blut vergießen sollten, was die Sabinerinnen entweder zu Waisen oder zu Witwen machen würde. Dieses „appeasement“-Argument wird von Augustin aufgegriffen, um die groteske und besonders tragische Situation dieses Krieges zu verdeutlichen, der die Sabinerinnen in diesen ausweglosen Konflikt treibt. Die Römer vergehen sich im Kampf gegen ihre Schwiegerväter gegen die traditionell geheiligten Rechte der Familienbande, was eine Verletzung der pietas bedeutet. Die zentrale römische Wertvorstellung der pietas, welche mit ,Frömmigkeit‘ ebenso unzulänglich wie mißverständlich wiedergegeben würde, bedeutet die gemessen an dem nach römischer Vorstellung vorgegebenen Ordnungssystem korrekte, pflichtbewußte Handlungsweise gegenüber Göttern und Mitmenschen (Mayer 1987, 120). Es handelt sich dabei also um eine menschliche Eigenschaft, deren Ausübung durch den Menschen erforderlich ist, um den Bestand der Gerechtigkeit zu garantieren. Somit demonstriert Augustin, daß traditionelle römische Wertvorstellungen wie bellum iustum und pietas, die eng mit der römischen Staatsvorstellung verbunden waren,4 bereits in altrömischer Zeit lange vor Christi Geburt nicht immer Gültigkeit besessen hatten. Zur Unterstützung seiner Argumentation bedient sich Augustin einer Methode, die von den rhetorischen Deklamationsübungen her vertraut ist, wo ein fiktiver juristischer Fall bzw. eine mythologische oder historische Erzählung in einem simulierten Plädoyer analysiert wird, um über den Schuldigen zu befinden. Augustin macht sich dieses Verfahren zunutze,

4 Vgl. z. B. Cicero, rep. 6,15,15: „Pflege Gerechtigkeit und Pflichtgefühl (pietas), welches letztere dann, wenn es gegenüber den Eltern und Verwandten groß ist, dem Vaterland gegenüber am größten ist“; ähnlich auch Cicero, inv. 2,22,65.

Augustins Transformation um eine ungewohnte, ja überraschende Perspektive einer für vertraut gehaltenen Begebenheit aufzuzeigen, und zerstört durch diese Umakzentuierung und Umwertung die Rechtfertigungsgrundlage der Gegenseite. Indirekt will er somit die Wahrheit des christlichen Glaubens anhand der paganen Geschichte(n) beweisen (Press 1982, 130–134). Augustin gebraucht römische Exempla aber nicht nur, um sie, der traditionellen Interpretation entgegengesetzt, zu entlarven, sondern gesteht den Römern durchaus auch vorbildhafte Vertreter der virtus zu, hier nun ganz der Tradition folgend, was besonders an seiner Behandlung von Regulus in Kapitel I 15 deutlich wird. Dieser war als römischer Feldherr im Ersten Punischen Krieg (264–241 v. Chr.) von den Karthagern gefangengenommen und dann als Friedensvermittler nach Rom geschickt worden. Er riet in Rom vom Friedensschluß ab, kehrte sodann wegen seines den Karthagern gegebenen Versprechens zu diesen zurück und wurde von ihnen der Legende nach grausam zu Tode gefoltert. Dieses Musterbeispiel römischer virtus bzw. pietas (z. B. Cicero, off. 1,13; Horaz, carm. 3,5; Livius, epit. 16; Silius Italicus 6, 346–528 und Gellius 6,4) wird von Augustin nicht bezüglich der Qualität seines Verhaltens angezweifelt, jedoch gegen die Heiden zugunsten der Christen ausgespielt: Entweder garantierten die Götter für gutes Verhalten im diesseitigen Leben Glück, dann wurde Regulus um dieses Glück von den paganen Göttern betrogen, oder aber sein gutes Verhalten läßt auf ewige, jenseitige Glückseligkeit hoffen, dann kann auch in einem christlichen Zeitalter zeitliches Unglück für Rom (ebenso wie für Regulus) akzeptiert werden. In De civitate dei I 24 wird Regulus nochmals als durchaus nachahmenswertes Vorbild für Christen dargestellt, da er sich aus Liebe zu seinem Vaterlande weder durch Glück verderben noch durch Unglück zerbrechen ließ. Gemäß der Schlußfolgerung a minore ad fortiorem hat dies auch für Christen zu gelten, und zwar in noch höherem Maße, da diese, im Gegensatz zu Regulus, den wahren Gott verehren und sich nach dem unzerstörbaren himmlischen Vaterland sehnen. Daher sind sie auch die wahren Vertreter der Tugend, denn „es gibt nur eine wahre Tugend, nämlich die, welche als Ziel das Gut erstrebt, welches von keinem anderen übertroffen werden kann“ (V 12). Bestimmt man im Rahmen dieser eudaimonistischen Tugend-Definition

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Karla Pollmann (Wetzel 1992, 45–68) als das höchste Gut den Gott der Christen, so stellen lediglich diejenigen, welche nach diesem Gott streben, wahre Tugendvertreter dar (Hand 1970, 27–41). Ganz analog geht er auch bezüglich der traditionellen Eigenschaft der pietas vor. Diese ist als vera pietas eine genuin christliche Eigenschaft, welche, in markantem Gegensatz zur heidnischen Vorstellung, eine Gabe Gottes darstellt, wo immer sie unter Menschen in Erscheinung tritt (Mayer 1987, 123–125). Zum anderen bedeutet die wahre Pietas die Verehrung des wahren Gottes, also des Gottes der Christen (V 19), welche im Idealfall auch vom christlichen Herrscher ausgeübt wird und die prinzipiell jeder Bürger der civitas dei besitzt (Mayer 1987, 129–131). Neben der eindeutigen Negierung von traditionell als positiv gewerteten Exempla (wie Lucretia) und dem Aufweis moralischer Inkonsequenz in der vorchristlichen römischen Vergangenheit (wie beim Raub der Sabinerinnen) wird hier nun ein guter Aspekt der römischen Vergangenheit anerkannt, der dann aber in den übergeordneten theologischen Rahmen des Christentums eingebunden wird, das somit als eine gesteigerte und vollendende Fortsetzung von positiven Aspekten des Heidentums zu verstehen ist.

2.2 Römische Staatsreligion In Ciceros De natura deorum 3,1,5 wird von Cotta in der sogenannten Cotta-Formel die traditionelle römische Einstellung zur staatserhaltenden Funktion der religio formuliert: Die Autorität der Tradition sei für die Staatsreligion entscheidend, weswegen die überkommenen römischen Rituale und Glaubensvorstellungen unverändert beibehalten werden sollten. Denn die Größe Roms verdanke sich der römischen Frömmigkeit, d. h. der genauen Einhaltung religiöser Vorstellungen.5 In der Hauptsache setzt sich Augustin bei seiner Attacke auf die religio nicht mit Ciceros De natura deorum auseinander, son-

5 Kerenyi 1962, 154–162. Dies wird auch von Augustin in civ. IV 9 aufgegriffen. Zur staatsstabilisierenden Funktion der römischen Religion äußern sich die Quellen von Polybios bis Symmachus (Ferguson 1980, 74–89).

Augustins Transformation dern mit Varros Antiquitates rerum divinarum (Hagendahl 1967, 517–522 und 601–617). Sein Ziel ist hier eine eindeutige, keine Vermittlung oder Adaptation zulassende Antithese zwischen christlichem Monotheismus und paganem Polytheismus. Letzterer soll in seiner inneren Widersprüchlichkeit (civ. IV 8–23), Verlogenheit (IV 27.30) und Ineffizienz bezüglich der Förderung des Staatswohlstandes (IV 22.34) erwiesen werden. Daher werden in diesem Argumentationszusammenhang pagane Zeugnisse ausschließlich zu dem negativen Zweck gebraucht, die pagane Position aus sich selbst heraus zu widerlegen, was Augustin selbst am Ende von Kapitel IV 31 explizit erklärt. Augustins Kritik des Polytheismus bedient sich hierbei zumeist hergebrachter Argumente, wie sie in der Hauptsache bereits die stoische Philosophie geäußert hatte (Hagendahl 1967, 605) und auch schon die christliche Apologetik vor ihm kannte (Tertullian, adv.nat. 2,9–15; Cardauns 1976, 127.186.) Augustin, wie viele seiner gebildeten Zeitgenossen (vgl. Flamant 1977, 63 f.), schätzt Varro wegen seiner Materialfülle und Gelehrsamkeit besonders und zieht ihn hier heran, da er die größte antiquarische Autorität in der Antike und der Spätantike besaß. Augustin geht es nämlich nicht um eine lediglich das Äußerliche treffende Kritik der zeitgenössischen paganen Kultpraxis, sondern um eine Auseinandersetzung mit der dahinterliegenden, grundsätzlichen Einstellung. Wenn es ihm hierbei gelingt, Varro, die antiquarisch-enzyklopädische Verkörperung traditioneller paganer Identität, argumentativ zu widerlegen, trifft er damit den Kern heidnischen Selbstverständnisses. Der von Hagendahl 1967, 607 f. erhobene Vorwurf der Unzeitgemäßheit der Augustinischen Argumentation ist daher zurückzuweisen (Cardauns 1976, 129). Um dieses zu erreichen, greift Augustin zentrale Punkte des römischen Staatskultes an, wozu er innerpagane Kritik verwendet. So sei der Staatskult verlogen, da die gebildeten Intellektuellen oft nicht an die entsprechenden Götter glaubten, aber dies dennoch dem Volk vorgaukeln wollten, was nach civ. IV 27 als Kritik des Pontifex Mucius Scaevola (Konsul 95 v. Chr.) bezeugt ist. Hier hätte Augustin sogar noch ein weiteres Indiz für die Widersprüchlichkeit des Staatskultes aufführen können: Männer wie Cicero oder Iulius Caesar hatten Priesterämter bekleidet, obgleich sie von ihrer inneren Überzeugung her Atheisten

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Karla Pollmann gewesen waren (Ferguson 1980, 77). In Kapitel IV 30 wird die Kritik des Balbus an der paganen anthropomorphen Göttervorstellung (aus Cicero, nat.deor. 2,28,70; ähnlich auch Cotta in Cicero, rep. 1,21,61; Hagendahl 1967, 613; Kerenyi 1962, 156 ff.) angeführt, welche Augustin aber noch nicht weit genug geht. Zum Teil greift er ältere pagane Verteidigungsversuche gegen pagane Kritik an. So erwähnt er in De civitate dei IV 24 einen Rechtfertigungsversuch seiner Gegner gegen Angriffe auf den Polytheismus (der wohl auf Varro zurückgeht6), welche argumentieren, daß einzelne Gottheiten wie Pecunia („Geld“) oder Virtus („Tugend“) nicht mit den Gaben selbst (also Geld bzw. Tugend) zu verwechseln seien, sondern als abstrakte Geber dahinterstünden. In Kapitel IV 25 führt Augustin diese Position ad absurdum, da die höchste Gabe, das Glück, nicht vom höchsten Gott der Römer, Juppiter, verliehen werde. Insgesamt gesehen verfolgt Augustin mit seiner Zerstörung der philosophisch-religiösen Basis des Polytheismus das Ziel, diesen aus sich selbst heraus in seiner Absurdität und gleichzeitig in seiner Inadäquatheit als Staatsreligion aufzuzeigen. Damit untergräbt er argumentativ eine weitere wichtige ideologische Säule römischen Staatsverständnisses.

2.3 Der geschichtliche Werdegang (historia) des römischen Staates Spätestens bei Cicero, rep. 1,37,38 und 2,1,2 findet sich die Vorstellung, daß der römische Staat durch seine Geschichte hindurch heranwächst und reift wie ein Mensch, eine Vorstellung, die bis in die Spätantike beibehalten wird (Symmachus, rel. 3,10,5.6; Prudentius, c.Symm. 2,653–660). Es macht das Wesen und den geschichtlichen Auftrag dieses Staates aus, die Herrschaft über die restlichen Völker der Erde zu erringen, um

6 Augustin spricht lediglich von einem anonymen Plural von Gegnern, wohl, um das Grundsätzliche dieser Position zu unterstreichen; vgl. dazu allgemein Hagendahl 1967, 698, der auf diese Stelle (bei Hagendahl frg. 698) nicht weiter eingeht. Sie wird in das 14. Buch von Varros Antiquitates eingeordnet, als frg. 91 Agahd = frg. 189 Cardauns (s. auch dessen Kommentar 216 f.).

Augustins Transformation geordnete Verhältnisse und den Weltfrieden zu errichten und zu wahren. Dies, verbunden mit der moralisch-ethischen Überlegenheit der Römer, garantiert und rechtfertigt auch deren politische Souveränität. Politik, Geschichte und moralische Wertvorstellungen sind also eng miteinander verbunden, was sich bereits in den vorausgehenden Abschnitten angedeutet hat. Am prägnantesten wurde dies in den berühmten Versen 851 bis 853 aus Vergils Buch 8 der Aeneis formuliert: 851 Du, Römer, denke immer daran, die Völker mit Befehlsgewalt zu regieren 852 (dies wirst du als Künste haben) und dem Frieden geordnete Verhältnisse aufzuerlegen, 853 die Unterwürfigen zu schonen und die Rebellischen durch Krieg zu vernichten. Besonders Vers 853 stellt die Magna Charta römischer Außenpolitik dar, welcher von Augustin daher auch gleich im Eingang von De civitate dei zitiert wird, und zwar zweimal, wobei er jeweils Techniken zur Unterminierung dieser Aussage anwendet, welche wir bereits wiederholt kennengelernt haben. In der Praefatio kontrastiert er diesen Vers mit dem Bibelvers aus Iac 4,6 „Gott wiedersteht den Hoffärtigen, aber den Demütigen gibt er Gnade“. Keine menschliche Macht dürfe etwas für sich usurpieren, was allein Gott zustehe. Diese Verkennung von menschlichen Grenzen bzw. Anmaßung göttlicher Gewalt bedeuteten mangelnde Demut und die überzogene Gier nach Herrschaft. Der römische Staat, der sich durch diesen Vers definiert, bezeugt dadurch übersteigerte Selbstliebe und gehört deswegen zur civitas terrena, welche durch diese Eigenliebe gekennzeichnet ist, welche mit der fehlenden Ausrichtung am wahren Gott einhergeht. Augustin benutzt hier also die kontrastierende Entsprechung zwischen Bibelvers und Vergilvers, um auf literarischer Ebene programmatisch und paradigmatisch die Korrekturbedürftigkeit der heidnischen Staatskonzeption durch eine christlich fundierte hervortreten zu lassen. In civ. I 6 kommt Augustin nochmals auf Vergil, Aen. 6,853 zu sprechen und zeigt an zwei vorchristlichen Beispielen aus der römischen Geschichte, daß die Römer nach der siegreichen Einnahme einer Stadt keineswegs immer die unterwürfigen Besiegten geschont haben.

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Karla Pollmann Die beiden Ereignisse aus dem Zweiten Punischen Krieg (218–201 v. Chr.) entnimmt Augustin der paganen Quelle Livius (25,24 f. bzw. 27,15 f.), spielt also wieder in der bereits erwähnten Manier paganen Anspruch gegen die nicht deckungsgleiche Wirklichkeit aus, um diesen Anspruch zu unterminieren. Schon früh waren auch pagane Gegenstimmen laut geworden, welche dieser theoretischen, positiven Fortschrittsteleologie des römischen Staates dessen praktischen moralischen Niedergang entgegenhielten: Livius praef. und Sallust (Heldmann 1993, 117), z. B. Cat. praef.; 5,9; hist. frg. 1,11 Maurenbrecher (= frg. 1,10 McGushin). Beide Geschichtsschreiber wollten mit ihrer Anprangerung des zeitgenössischen Verfalls einer Rückbesinnung auf konservative politische Werte das Wort reden. Die christlichen Autoren vor Augustin machen sich beide Sichtweisen vom römischen Staat und von der Funktion römischer Geschichte zu eigen, da sich beide mit dazu passenden biblischen Äußerungen harmonisieren ließen. Entweder wurde mit Apc 13 (Staat als „Untier“) alles, was mit weltlicher Staatsmacht zusammenhing, als mit wahrem Christentum unvereinbar verdammt (Hippolytos; Markus 21988, 46–51). Oder es wurde, im Anschluß an Rm 13 (Gehorsam gegenüber der weltlichen Obrigkeit), diese Romideologie in einer Reichstheologie christianisiert: Rom habe den Weltkreis befriedet, um so einer optimalen Verbreitung des Christentums den Weg zu bereiten, welches somit die wahre Erfüllung der römischen Geschichte bedeute (besonders Eusebius). Augustin schließt sich keiner dieser beiden Haltungen an, sondern überwindet sie dialektisch, indem er wiederum die bereits vertrauten Techniken anwendet: So werden die Greuel der Expansionskriege Roms in Augustins De civitate dei III 10–19 grundsätzlich als schlecht und ungerecht gebrandmarkt, womit er der traditionellen Rechtfertigung dieser Kriege bei Sallust (im Anschluß an Cicero, off. 2,26; Heldmann 1993, 98 ff.) als Selbstverteidigungskriege (Cat. 6,3 f.) oder als Allianzkriege (Cat. 6,5) innerhalb der bellum-iustum-Konzeption entgegentritt. In den meisten Fällen tritt Augustin Sallust aber nicht mit reiner Ablehnung entgegen. Sondern oft spielt er den paganen Zeugen Sallust, der einen Verfall römischer Sitten lange vor Christi Geburt bezeugt, gegen zeitgenössische Christengegner aus, die somit üble Verhältnisse der Gegenwart nicht dem Christengott zur Last legen dürften (civ. II 18).

Augustins Transformation Ferner spielt er ebenda Sallust gegen sich selbst aus, um die römische idealisierte Staatsauffassung zu untergraben. Die von Sallust in Cat. 5,9 und hist. frg. 1,16 M. (= frg. 1,13 McGushin) proklamierte Entwicklung von guten hin zu schlechten Verhältnissen erst nach 146 v. Chr. (dem Ende des Dritten Punischen Krieges und damit der endgültigen Vernichtung der außenpolitischen Gegnerin Karthago, die Rom zuvor zu innenpolitischer Konsolidierung gezwungen hatte) wird durch seine eigenen Hinweise in hist. 1,11 M. (= frg. 1,10 McGushin) auf Ungerechtigkeiten bereits zu Beginn der römischen Republik unglaubwürdig, was in De civitate dei III 16–20 noch reicher illustriert wird. Augustin verstärkt dies in Kapitel II 18 durch eine Interpretation von Sallust (hist. frg. 1,11 M. [= frg. 1,10 McGushin]), nach der Sallust auch in den von ihm als gut gelobten Zeiten zwischen dem Zweiten und Dritten Punischen Krieg nur relativ bessere Verhältnisse gemeint habe. Dies kann Augustin auch aus der römischen Geschichte selbst heraus belegen, da er in Kapitel III 21 (unter erneutem expliziten Hinweis auf Sall. hist. 1,11 M. [= frg. 1,10 McGushin]) darauf hinweist, daß in der als am gerechtesten gepriesenen Zeit zwischen dem Zweiten und dem Dritten Punischen Krieg in Rom die ungerechte Anklage von Scipio Africanus stattgefunden habe, der sich doch durch seinen Sieg über Hannibal bei Zama (202 v. Chr.) als der Retter des Vaterlandes erwiesen habe. Scipio habe daraufhin in das Exil gehen müssen und habe keinen Kontakt mehr zu seiner undankbaren Vaterstadt gewünscht (nach Livius 39,6,7). Am gründlichsten setzt Augustin sich mit der Sallustischen Geschichtskonzeption in Buch V 12 ff. auseinander. Zuerst (civ. V 12) zitiert er Sallust, Cat. 7,3 zur Unterstützung gegen die pagane religio-Ideologie: Was den römischen Staat in Wahrheit großgemacht hat, sind nicht die paganen Götter, sondern die Ruhmsucht (gloriae cupido), also eine menschliche Eigenschaft (Heldmann 1993, 99–101). Gegen Sallust beschreibt er diese nunmehr aber nicht als Tugend, sondern als Laster (V 13). Ferner erklärt er die Ruhmsucht zuerst im Anschluß an Sallust (Iug. 1,5) als ein Bestreben des Menschen, durch unsterblichen Ruhm auf Erden seine Sterblichkeit zu überwinden (V 14). Diese innerweltliche pagane Konzeption wird von Augustin jedoch ergänzt und umgewichtet: Er gesteht der Ruhmsucht einen gewissen irdischen Erfolg zu (V 12.15; vgl. Bonner 1986), der aber durch

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Karla Pollmann die umfassendere, weil transzendierende christliche Konzeption relativiert wird, nach welcher die wahre gloria erst im Jenseits erlangt wird (V 16–19 passim). Augustin erkennt also durchaus, im Anschluß an Sallust, im Ruhmesstreben die treibende Grundkraft der Geschichte an, verbindet dies dann aber mit seiner Zwei-Reiche-Lehre: Das Streben nach dem Ruhm vor Gott kennzeichnet die ewige civitas dei, im Gegensatz zur diesseitig orientierten Gier nach Selbstruhm in der civitas terrena. Augustins überwiegende Konzentration auf Sallusts Historiae ist aus mehreren Gründen verständlich: In diesem Werk äußert sich Sallust wesentlich negativer als in seinen Monographien Catilina und Bellum Iugurthinum über den Verfall des vorchristlichen römischen Staates (McGushin 1992, 78 f.), womit er natürlich eine geeignete Quelle zur Ausbeutung für Augustin bot. Auf der anderen Seite verdient es Beachtung, daß Augustin sich nicht einer annalistischen Tradition bedient, wie sie durch Livius 39,6–7 repräsentiert wird, die den römischen Verfall sogar noch früher als mit dem Ende des Dritten Punischen Krieges (146 v. Chr.), nämlich 187 v. Chr. mit der Rückkehr des Heeres von Manlius Vulso aus Asia beginnen läßt (McGushin 1992, 79). Ein Grund für die Bevorzugung Sallusts bei Augustin mag die Tradition sein, die Sallusts Epochenjahr 146 v. Chr. akzeptierte (Plinius, nat.hist. 33,150; Velleius Paterculus 2,1,1; Florus 1,33,1 sowie auch Orosius 5,8,2). Zum anderen kam die stark am Grundsätzlichen orientierte Geschichtskonzeption Sallusts dem Anliegen Augustins mehr entgegen. Die von Sallust herausgearbeiteten Grundmechanismen der römischen Geschichte, nämlich Eintracht und Zwietracht in Abhängigkeit von der Furcht vor dem außenpolitischen Feind, sowie die Zurückführung römischen Verhaltens auf die Grundmotivation der Ruhmgier bieten eine dankbare Angriffsfläche für Augustins stark ethisierende Gegenargumentation. Zudem lassen die Fragmente der Historiae Sallusts den Schluß zu, daß dieser in seinem spätesten Geschichtswerk in seiner Geschichtskonzeption soweit ging, eine Krise des römischen Reiches von seinen ersten Anfängen an zu konstatieren, die sich nach 146 v. Chr. lediglich dramatisch verstärkte (McGushin 1992,83), was wiederum Augustins Beweisziel der Existenz von vorchristlichen negativen Verhältnissen in Rom sehr entgegenkam.

Augustins Transformation

2.4 Zusammenfassung Wir haben im Verlauf dieser Untersuchung gesehen, daß Augustin nicht eine durchweg ablehnende, kompromißlose Haltung gegenüber der paganen Tradition einnimmt 7. Indem er sich manche pagane Argumente zunutze macht, um sie gegen pagane antichristliche Argumente auszuspielen und somit ihre Schlagkraft gegenüber der christlichen Position zu beseitigen, und indem er andererseits manche paganen Traditionen akzeptiert, sie jedoch in einen weiteren, weil eschatologischen christlichen Rahmen integriert, vermeidet er eine unvermittelte und unvermittelnde, radikale Ablehnung einerseits sowie eine identitätsverwischende christliche Anpassung andererseits. Damit erreicht er eine dialektische Vermittlung entsprechend polarisierter christlicher Positionen gegenüber dem Heidentum, in unserem Kontext gegenüber paganen, identitätsstiftenden Wertvorstellungen und gegenüber dem paganen Geschichtsverständnis. Die Konsequenzen dieses Augustinischen Vorgehens gehen aber noch einen Schritt weiter: Indem er – teilweise durchaus in Übereinstimmung mit entsprechenden paganen philosophischen Vorstellungen – das innerweltliche pagane Geschichtskonzept einer christlich-eschatologischen Geschichtsauffassung einverleibt, unterminiert er implizit den Welterklärungsanspruch sowie die identitätsstiftende und rechtfertigende Funktion der paganen Geschichtskonzeption, wobei er auch den traditionellen römischen Zusammenhang zwischen Staat, Geschichte und moralisch-religiösen Werten auflöst. Geistesgeschichtlich und theoretisch gesehen hat das pagane Konzept damit seine staatserhaltende Funktion für die kommenden Jahrhunderte verloren. Augustins Negierung eines innerweltlichen, historischen oder staatspolitischen Tun-Ergehens-Zusammenhangs führt einerseits zu einer christlich begründeten Befreiung von innerweltlichen Untergangsängsten, andererseits zur Beseitigung eines politisch-gesellschaftlichen Identifikations- und Rechtfertigungsmechanismus. Somit nimmt Augustin auf der einen Seite geistig den Untergang des weströmischen Reiches vorweg, ent-

7 Goar 1988 ist zu einseitig, wenn er Augustins Haltung als allgemein negativ gegenüber römischen Errungenschaften charakterisiert.

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Karla Pollmann wirft auf der anderen Seite jedoch ein geschichtsphilosophisches Konzept, das diesen Untergang denkerisch überwindet.

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(Alle Übersetzungen aus dem Lateinischen stammen von der Autorin.)

Augustine and his Pagan Models

Ernest L. Fortin

Justice as the Foundation of the Political Community: Augustine and his Pagan Models

Remota iustitia, quid sunt regna nisi magna latrocinia? (civ. IV 4) Like Plato’s Republic and Cicero’s De re publica, Augustine’s City of God is in the main a book about justice. More specifically, it is a book about justice as it came to be understood in the Christian West, thanks in large measure to Augustine himself. From it we learn how, against all odds, Christianity, the religion of love, became the official religion of the Roman Empire, the epitome of the ancient world’s most spectacular military achievements, and how the Empire, acquired through conquest, became in the minds of later generations a symbol of just rule. The purpose of the book may be said to be twofold: to encourage the practice of justice among human beings, and, by stressing the limitations of human justice, to caution against excessive zeal in its pursuit. It accomplishes this purpose by laying out a moral ideal whose demands are more stringent than even the most stringent demands of the philosophers, and by showing how this lofty ideal may be accommodated to the realities of the political life. The theme of justice is first introduced as part of Augustine’s response to the pagans who worshipped the gods of Roman mythology for the sake of the “enlargement and well-being” of the Empire1 and blamed Christianity for its recent political setbacks 1 See the frequent allusions to this question throughout the rest of Book IV, esp. chapters 3, 13, 15, 20, 28; also III 14. Rome’s appetite for aggrandizement had

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Ernest L. Fortin (civ. IV 2; retr. II 43,1). The latest of these was the sack of Rome by Alaric and his Goths in 410, a dramatic if largely symbolic event popularly interpreted as an act of revenge on the part of Rome’s gods, whose cult had been outlawed (by Theodosius in 380) and replaced by the cult of the Christian God (cf. civ. IV 2). Formulated in these crudely polytheistic terms, the pagan argument was not likely to carry much weight with the social elite, whose sole aim in propagating it was to discredit the new religion and inflame the populace against it (II 5; IV 1). The real concern was not with the wrath of the gods but with the impact that the spread of Christian morality was bound to have on Roman public life. Rome, the nation “dedicated to Mars” and the pursuit of the manly virtues (II 5; IV 29), owed its greatness, not to the protection of Jupiter or any of its other gods, whose existence had long ceased to be taken literally by educated Romans (III 3–4) but to its military prowess. By enlisting human beings in the service of a “higher and nobler” country, Christianity sundered the unity of the city and weakened the unconditional claim that it makes on the allegiance of its citizens (ep. XCI 1). Its doctrine of the universal brotherhood of human beings and their equality before God, its precept enjoining the love of one’s enemies, and its demand that evil be requited with good were all fundamentally at odds with the single most important fact of Roman political life, its imperialism and the desire to maintain its hegemony over the conquered nations (ep. CXXXVI 2, and CXXXVIII 3, 9–17). The situation was all the more precarious as the country’s security was being threatened by the presence of hordes of marauding barbarians on its borders. Implied in the pagan argument that Christianity was hostile to Roman expansionism is the notion that large political entities are preferable to smaller ones and worth defending for that reason. Such was the position taken by the rulers of the great ecumenical empires of antiquity, including the Roman emperors, whose eyes were set on the ultimate goal of all conquest, world domination. It was emphatically not the position taken by the leading thinkers of Greece and Rome, for whom the political association most caused it to become an object of “universal dread” among the nations of the ancient world (IV 5). Unless otherwise noted, all references either in the text or in the footnotes are to City of God.

Augustine and his Pagan Models favorable to the attainment of human perfection is the one that is large enough to satisfy all of one’s natural needs, but not so large as to exceed one’s capacity to know and love. Only under conditions such as these can citizens enjoy the freedom, friendly relations, and mutual trust required for their active engagement in public life.2 Human beings are by nature “political,” that is to say, members of a polis, and not a megapolis like Babylon, a city reputed to have been so large that when one part fell to the enemy, the rest of the city did not hear about it until three days later.3 A universal and despotic empire is not the most suitable locus of moral education or the best soil in which to plant the seeds of justice. Quite the contrary. The larger the city, the more likely it is to abound in injustices, bloody insurrections, and civil strife (XIX 5). It is important to note in this connection that Augustine himself never drew from Christianity’s unique character as a “universal religion” (X 32) the conclusion that all human beings should be united politically so as to form a single world society. The City of God depicts the happiest condition of humankind as one in which small cities and kingdoms exist side by side in neighborly concord (IV 15). Desirable as it may be, such a condition will never be fully and permanently realized. Whether we like it or not, war is inevitable. The wicked wage war on the just because they want to, and the just wage war on the wicked because they have to. In either case, independent cities and kingdoms eventually give way to large kingdoms established by the conquest of the weaker by the stronger. The most that can be hoped for in practice is that the just cause will triumph over the unjust one; for nothing is more injurious to everybody, including evildoers themselves, than that the latter should prosper and use their prosperity to oppress the good. The very size of the Empire, its customary belligerency, and the wealth pouring into it from different parts of the world had become major obstacles to the inculcation of the virtuous habits that make for a healthy political life. Rome was vulnerable, not because of the growing power 2 See on this subject the remarks by L. Strauss 1953, 130–31. 3 Cf. Arist., Pol. III, 1276a28. On the long controverted issue of the naturalness of civil society for Augustine, see among more recent studies G. Post 1964, C. Nederman 1988.

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Ernest L. Fortin of Christianity, as was alleged by its detractors, but because of its inability to live up to its own standards of justice and morality. Much of the framework for Augustine’s lengthy discussion of this subject was provided by Cicero’s De re publica. Instead of founding a new city in speech, as Socrates does in Plato’s Republic, Cicero took as his model an actual city, Rome (cf. De re publica II, 21–22.), whose virtues he purposely magnified in an effort to rekindle a measure of civic-mindedness in the hearts of his fellow countrymen. Augustine, who writes primarily in defense of Christianity, sets out to unmask Rome’s vices, which he traces back to the very origins of the city. Book II of the City of God deals with Rome’s spiritual and moral evils, epitomized by the lewdness of the city’s theatrical spectacles. Book III concentrates on the external disasters that had befallen Rome over the centuries. The analysis follows closely (although not exclusively) Book II of the De re publica, bringing out into the open a number of unpleasant truths that are only hinted at by Cicero and using Rome as a witness against itself to bolster Augustine’s case. A few examples will illustrate the point.

3.1 Rome and its Injustices In order to demonstrate Rome’s superiority to all other cities, Scipio, Cicero’s spokesman in the dialogue, begins by recalling the memorable events of earlier Roman history. It has been granted on all hands that justice is the soul of politics and that its choicest fruits are nowhere more conspicuously displayed than in Rome itself. One soon discovers, however, that the lavish praise bestowed upon Rome is accompanied by an undercurrent of criticism that extends to the whole of its history. The catalogue of thinly disguised injustices begins with Romulus, the founder of the city, who gained sole control of it by doing away with his brother Remus and later consolidated that control by treacherously “murdering” the Sabine king, Titus Tatius, whom he had been forced to accept as a partner on the throne after the infamous incident of the abduction of the Sabine women.4 The changes introduced into the Roman regime at this 4 civ. III 15. The De re publica II 14, speaks first of the “demise” (interitus) of

Augustine and his Pagan Models time can be seen as a series of concessions aimed at placating the senatorial faction, whose ambitions may have been thwarted by Romulus’s ruthless behavior. A fate similar to that of Titus Tatius was reserved for Romulus himself, whose assassins sought to conceal their crime by inventing the implausible story of his deification and translation to the realm of the gods. The event, said to have taken place during a sudden eclipse of the sun, had as its sole witness a rustic named Proculus Julius, who was suborned by the senators to give his testimony (De re publica II 10; cf. civ. III 15). Nor does the situation improve with the passing of time. Another king, Ancus Martius, is identified in the Roman Annals as “the son of Numa’s daughter,” an odd statement that causes one of the interlocutors, the distinguished jurist Laelius, to complain that the Annals are “obscure” on this point, for “they know the mother of this king but not his father” (De re publica II 33). The natural son, for such he must have been, had connections in high places indeed! The same pattern of injustices is repeated in a variety of ways under the reigns of later rulers, among them Tarquinius Superbus, admittedly a wicked king, whose excesses were responsible for the downfall of the monarchy and the hatred which the Romans harbored toward it from that moment on (civ. III 15; De re publica II 48). Lucretia has to commit suicide in order to vindicate her honor. Her husband Collatinus, although innocent, is forced into exile (civ. II 16; III 16; cf. De re publica II 53). Clearly, all was not well in the state of Rome’s affairs. As the story unfolds, we find Rome embarking upon a series of military ventures that would eventually make of her the mistress of the civilized world. These wars were called “just” for no other reason than that they had been “declared” (De re publica II 31) and were allegedly waged for the defense of Rome’s allies. Still, it did not take many centuries for Romulus’s village to grow into a world empire. Whatever its motives may have been, Rome was not eager to restore its allies to independent status once they had been successfully defended. Behind its relentless conquests lay an insatiable libido dominandi or desire to dominate that was Tatius, and shortly afterwards of his having been “murdered,” eo interfecto, presumably by Romulus.

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Ernest L. Fortin stoked by the constant need to appease or distract an unruly populace and its ambitious leaders, the tribunes. We had been given to understand that all these events were the result of careful planning on the part of not just one lawgiver, as in the case of Athens and Sparta, but of the long succession of sagacious rulers with whom the city had been blessed (II 2). Yet everyone is finally obliged to admit that most of what took place was due to accident or necessity much more than to design. Scipio sums the matter up nicely, if somewhat wistfully, when he confesses that “the nature of public affairs often defeats reason” (II 57). The alternative to Plato’s perfect city in speech, it turns out, is not Rome, the perfect city in deed, as was claimed earlier, but the “dung of Romulus”, Romuli faex (Cicero, Ad Atticum II 1,8). Little wonder that, by the end of Book II, the participants in the dialogue are prepared to return to the question of justice and its relation to civil society with a renewed sense of urgency. Their patriotism remains unshaken, but, now that they have been properly “edified,” it has become easier to persuade them to look to nature itself rather than to Rome for an exemplar of the most perfect city (II 39, 66). What the reader has been treated to is a whitewash of sorts, a vastly “embellished” panorama (picta coloribus: II 21) of the Roman republic in what was supposed to be its heyday. For all his pains to invest Roman history with an aura of unimpeachable dignity, Cicero was as radical in his approach to the problem of civil society as was Plato. He too seems to have despaired of ever finding in Rome, or for that matter anywhere else on earth, anything that even comes close to simple justice on the level of politics.

3.2 Augustine’s Moral Ideal. Augustinian Extremism The standard that informs Augustine’s diagnosis of Roman life is encapsulated in the biblical command of the love of God and neighbor, coupled with the Ciceronian notion of an eternal or natural law, defined as “that law which enjoins the preservation of the natural order and forbids its disturbance” (XIX 15), and, elsewhere, as the law requiring that all things be “most properly ordered” (ordinatissima) at all times (lib.arb. I 15). This perfect

Augustine and his Pagan Models order entails the total subordination of the lower to the higher both within the individual and in the whole of society. Individual human beings are rightly ordered when what is most noble in them, reason, rules the spirited part of the soul, when both reason and spiritedness combine to rule the desiring part, and when reason itself is ruled by God. A similar order exists in society at large when virtuous subjects obey wise rulers who govern in accordance with the divine will. Thus understood, the natural law represents the optimal rather than the minimal requirements of the moral life. What it imposes as a duty on everyone is the possession and exercise of all the virtues, including theoretical wisdom, despite the fact that the latter is the preserve of a small number of naturally gifted and well educated individuals. This uncommonly high standard underlies some of Augustine’s most extreme, one is almost tempted to say “outrageous”, pronouncements regarding morality. Take, to begin with, the discussion of the early Roman republic and its heroes, for whom Augustine professes sincere admiration but whose moral qualities, he says, should be “reckoned vices rather than virtues.”5 Moral virtue is that by which one is ordered to the proper end of human existence, which is God himself. In order to be effectively pursued, this end must be known. It follows that the pagans, who lacked this knowledge and worshipped false gods, were not truly virtuous. Even when sought on their own account and not for the sake of some external good, the virtues they claimed to possess were marred by the pride that inflated them. For Augustine, as for Plato, there is no such thing as moral virtue properly so called, by which I mean moral virtue unaccompanied by the dianoetic or intellectual virtues. Among the writers of classical antiquity, Aristotle and his followers are the only ones to speak of the nonphilosophic virtues as genuine virtues apart from their connection with theoretical wisdom, which is inaccessible to most people.6 Au5 civ. XIX 25: “It is for this reason that the virtues which the mind seems to itself to possess and by which it restrains the body and the vices … are vices rather than virtues so long as there is no reference to God in the matter.” Ibid., V 19: „No one without true piety, that is, true worship of the true God, can have true virtue.“ 6 It is in this precise sense that Aristotle has been called the “discoverer of moral virtue.” Cf. L. Strauss 1964, 27.

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Ernest L. Fortin gustine’s blanket condemnation of pagan virtue would thus seem to be grossly unfair to its practitioners insofar as, by his own admission, it makes impossibly high demands on them. Moreover, it was on the face of it highly impolitic since by berating pagan virtue Augustine was casting discredit on the very qualities on which Rome’s ability to defend itself depended. A second notable case in point is Augustine’s statement that “Rome was never a republic because true justice never had a place in it” (II 21, 4). Cicero had rightly defined the republic or commonwealth as a “group of rational beings held together by a common acknowledgment of right and a community of interests.” Upon examination, however, Augustine finds himself compelled to amend that definition by striking from it any reference to the key notion of right or justice, the “bond of human beings in cities”,7 on the ground that it is not to be found in any of them. Civil society, he says, is a group of rational beings held together, not by an acknowledgment of right, but by “a common agreement as to the objects of their love,” regardless of the quality of that love or the moral goodness or badness of its objects (XIX 24). Only in this truncated form can Rome be said to have been a republic. Cities are mere compacts of wickedness entered into, not for the sake of virtue or the truly good life, but for the sole purpose of preserving a modicum of peace among people who would otherwise be constantly at one another’s throats. Augustine’s reformulation of Cicero’s definition has frequently been taken to mean that he regarded the state as an amoral entity with no stake whatever in the character of its citizens, that politics has nothing to do with ethics, and that Augustine is best read as a Machiavellian before the letter, a champion of “valueneutrality,” or a precursor of modern social science positivism.8 To say this, however, is gravely to misconstrue Augustine’s thought. Augustine does not disagree with Cicero’s definition. The philosophers are right in pointing to justice as the healthy condition of cities, but they are unable to secure its performance. The argument may be summarized as follows: by asserting the 7 Aristotle, Pol. I 1253a37; cf. civ. II 21,1, where Augustine explains that concord is the strictest bond of any city and that it cannot be preserved where justice has become extinct. 8 See the discussion of this point in H. A. Deane 1963, 117–18.

Augustine and his Pagan Models desirability of justice and at the same time its practical impossibility, philosophy discloses its own inherent limitations; it thus implicitly proclaims the need to supplement human justice with a higher and more effective form of justice. The same grim judgment regarding the possibility of human justice is expressed in a picturesque way by means of the story of Alexander and the pirate, which challenges us with the assertion that kingdoms are nothing but robber bands or “gigantic larcenies” (magna latrocinia) and larcenies nothing but “small kingdoms” (parva regna), that, save for the magnitude of the crimes involved and the impunity with which they are committed, what Alexander does on a grand scale and with a huge fleet is not essentially different from what a pirate does on his own and with a single ship (IV 4). The passage of Cicero’s De re publica from which Augustine borrows this story (III 24) has unfortunately come down to us in a mutilated state, but we at least know that it belonged to a section of the dialogue in which for the sake of argument Philus defends the view that justice is the right of the stronger and hence a matter of convention rather than of nature.9 People abide by it not because it is desirable for its own sake but for reasons of necessity or self-interest. Down deep, the brightest among them know that it is only a pretense. Even though no ruler will admit it publicly, every society is organized for the benefit of those who run it. This is manifestly true of all corrupt regimes, but it is also true in a more subtle way of the just regimes, be they monarchies, aristocracies, democracies, or some judicious mixture of the three; for even the best of cities is governed by laws that cannot but favor the interests of its dominant class and thus benefit some of its members at the expense of others. This is as much as to say that the perfectly just regime has never existed in practice and never will. The choice of one regime over another always entails a trade-off of some sort in which the gains registered on one front are offset by the losses incurred on another. There is no such thing as a truly common good. Even the most decent citizen is willy-nilly implicated in the systemic inequities of the society whose life he shares and to whose perpetuation he contributes by working in it, paying taxes 9 See Augustine’s discussion of the conventionalist view of justice in II 21, 1.

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Ernest L. Fortin to it, and possibly holding office in it. Viewed in this light, the difference between the conqueror and the pirate is indeed negligible. Both are in it for themselves and neither one can claim any moral superiority over the other.10 What one does by sea the other does by land; the thievery is the same on both sides. Since, for the pirate, justice is a mere cover lending a kind of spurious dignity to one’s selfish pursuits, the conqueror cannot appeal to it to defend his way of life. To anyone who accepts the conventionalist premise that “right” is just a polite name for the will of the stronger, that is to say, of the de facto ruler, no qualitative difference separates the two. The question is whether the pirate can dismiss as irrelevant the distinction between the private enterprise in which he is engaged and the public character of the ruler’s activities. As a “soldier of the sea,” as he has sometimes been called, the pirate is literally a man without a country. Having renounced all allegiance to a common cause, he lives for himself and himself alone. His pretext is that the common cause with which the ruler has identified himself is unworthy of that kind of dedication; and he is convinced that in his heart of hearts the ruler knows this too. In the eyes of the pirate, the ruler’s “justice” is a mere show, a form of hypocrisy with which he himself can dispense. If the pirate can speak this way, however, it is only because he abstracts from the crucial consideration that pirates, who bear no public responsibilities, are condemned to living inglorious lives, whereas conquerors, who are in a position to establish the conditions

10 The best commentary on the story of Alexander and the pirate that I know of is the following exchange between the pirate Menas and Antony’s lieutenant Enobarbus in Shakespeare’s Antony and Cleopatra, II,vi,83–95: Menas. You and I have known, sir. Enobarbus. At sea, I think. Menas. We have, sir. Enobarbus. You have done well by water. Menas. And you by land. Enobarbus. I will praise any man that will praise me: though it cannot be denied what I have done by land. Menas. Nor what I have done by water. Enobarbus. Yes, something you can deny for your own safety: you have been a great thief by sea. Menas. And you by land. Enobarbus. There I deny my land service.

Augustine and his Pagan Models of relative safety and prosperity from which countless others will profit for a long time to come, are often glorious, even if the glory they seek is first and foremost their own. Their conquests are never or only very rarely just, but this does not prevent their later being used for nobler purposes, as appears to have happened in Rome under some of its better emperors. Despite its verging on cynicism, the pirate’s argument nevertheless contains an element of unpleasant truth, which is that in the end a man is only as good as the cause to which he has committed himself. This alone is enough to establish between political rule and piracy a deeper kinship than the legitimate ruler is willing to acknowledge. In the contest between the two antagonists no clear winner has emerged. But the debate has not been in vain. Its very inconclusiveness forces us to ask whether any political cause is worthy of the sacrifices that it demands of its devotees, and, if not, whether one should not look for a third possibility wherein the nagging tensions and contrarieties of human existence might find a more satisfactory solution. Surveying the problem from this higher vantage point, Cicero had philosophy to turn to as an alternative to the political life and a “consolation” for its disappointments. Augustine tells the same story to remind his readers that only by embracing the Christian faith will one ever be able to transcend the distinctions that dominate the political life and satisfy one’s longing for wholeness. Strange as it may seem to us, Augustine’s habit of equating “justice” with supreme justice, summa iustitia (II 21,1) and “city” with the perfectly just city has nothing unusual about it. It merely conforms to the general principle that the unqualified noun designates the perfected object. A thing is called good to the extent that it has all that belongs to it by reason of its nature. As the old Scholastic adage had it, bonum ex integra causa, malum ex quocumque defectu.11 To speak of a chair tout court is the same 11 See, in a similar vein, Aristotle, EN II, 1106b28–35: “It is possible to fail in many ways, … while to succeed is possible only in one way (for which reason also one is easy and the other difficult): to miss the mark easy, to hit it difficult; for these reasons also, then, excess and defect are characteristic of vice, and the mean of virtue. For men are good in but one way, but bad in many.” Cf. Thomas Aquinas, S.T., I–II,19,6, ad 1: Bonum causatur ex integra causa, malum autem ex singularibus defectibus. Thomas’s formulation is derived from the De Divinis Nominibus of the Pseudo-Dionysius.

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Ernest L. Fortin thing as to speak of a good chair, inasmuch a defective chair is not a chair in the full sense of the word. If I walk into a furniture store and ask for a chair, I do not have to specify that I want a good chair and would sound ridiculous if I did, for “good” in this instance adds nothing to what I mean when I use the word “chair” without qualification. The same principle applies to the notions of virtue and the city, which in the final analysis can only mean perfect virtue and the best city. As its etymology implies, the term “perfection,” from the Latin perficere, “to bring to completion,” is synonymous with wholeness. To the extent to which it lacks any of the things that belong to it by nature, the virtue or the city in question is less than what its name indicates and thus falls short of its definition. Aristotle intimated as much when he stated that “what a thing is when fully developed,” whether it be a human being, a horse, or a city, “we call its nature” (Politics, 1252b33). That is why, toward the end of Shakespeare’s Julius Caesar, Antony cannot praise the slain Brutus more highly than by calling him simply “a man”: This was the noblest Roman of them all. All the conspirators save only he Did that they did in envy of great Caesar; He only, in a general honest thought and common good to all, made one of them. His life was gentle, and the elements So mix’d in him, that Nature might stand up And say to all the world: “This was a man!” (V,v, 68–75) What renders Augustine’s approach to these matters problematic at first sight is that it overlooks the fact that some cities are better than others, or that there are degrees of goodness or badness.12 A 12 This is the issue that is often dealt with in a roundabout way under the heading of “fuzzy logic” by modern philosophers. The example often used for purposes of illustration is that of a chariot that is falling apart and will eventually be reduced to a heap of broken wheels, shafts, and panels in a corner of the yard. The question is, At what point did the chariot cease to be a chariot? To which the answer can only be: when it first began to disintegrate, however slightly. No matter how one looks at it, a chariot with a missing spoke, let alone a missing wheel, is less of a chariot than one that is whole. If my chariot is not too badly

Augustine and his Pagan Models more commonsensical approach to the problems of ethics and politics will generally shun sweeping statements of the kind that Augustine relishes but that are of little use to statesmen, whose first task is not to speculate about the nature of civil society but to improve the lives of the imperfect societies they are called upon to govern. This is not to suggest that Augustine was incapable of offering sound practical advice when asked to do so, but only to say that his more extreme statements serve a different purpose, that of casting in the sharpest possible light the intrinsic limitations of the political life. As he himself admits, there are other, “more plausible” (probabiliores) definitions of the city, according to which “Rome was indeed a republic, albeit one that was much better administered by the ancient Romans than by their descendants” (II 21, 4). What accounts for his predilection for the more uncompromising formulations of the same issues is a question to which we shall return in due course.

3.3 The Adaptation to the Needs of the Political Life The problem at hand is ultimately rooted in the fact that Christianity, unlike Judaism, has no political program of its own and neither imposes nor recommends any particular form of government or social organization. The pious Jew, who had been given a divine and hence perfect law by which to live, knew that by obeying that law he was doing what was pleasing to God. Christians, who were no longer under the Law, had no such assurance. They were simply told to obey their temporal rulers (Rom. 13: 1–7), whoever these might be (probably Nero, when Romans was written). At the same time they were urged to follow Christ, a notoriously vague injunction that can be taken to mean almost anything from going out into the wilderness and leading the life of an anchorite (like Antony of the desert), to preaching a Crusade (like St. Bernard), conquering a new world for Christ (like the reyes cristianos of Spain’s “golden age”), or running soup damaged, I may continue to call it by that name, but only to indicate that the time has not yet come to discard it, either because it is still serviceable or because it can be repaired.

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Ernest L. Fortin kitchens to feed the hungry (like Mother Teresa). To its credit, the Christian Church learned early on, in the struggle against Gnosticism, the first great internal threat to its existence, that unless it was able to demonstrate the compatibility of its teachings with life in society, it would suffer the fate of the fanatical sects of late antiquity and be suppressed. In this process of accommodation, Christians could appeal to a noble precedent, the Book of Genesis, which, in its account of the devolution from the state of innocence to the post-lapsarian state and thence to the post-diluvian state, provided some indication as to how human beings could adapt to less than perfect conditions of humanity without losing sight of the ideal of perfection to which they are called. To cite only one example, the precepts of the Noachide convenant accorded to human beings the right to put capital offenders to death (Gen. 9:5), a harsh practice justified only by the spread of evil in the world. The problem was not unfamiliar to the classical philosophers, who had to face it like everyone else and invented their own way or ways of dealing with it. For Plato, who has a tendency to study all things in the light of their highest metaphysical principles or the “ideas,” the only form of justice worthy of the name is absolute justice. But such principles are not directly applicable to actual cities and must be “diluted” in order to become operative. In all but the rarest instances, obstacles stemming from their bodily nature prevent human beings from becoming perfect lovers of justice.13 Few of them allow the love of the true and the beautiful to rule their lives and take precedence over the love of their own, a situation that rulers are obliged to tolerate, if only because any attempt to eradicate its causes would entail the use of a disproportionate amount of force and inflict even greater harm on people. Accordingly, the justice that we find in society at large, when we do find it, is at best a shadow or a pale image of true justice. It is what Plato terms “vulgar” or “so-called” virtue (cf. Phaedo 61a; Republic 518d). In keeping with his more down to earth outlook, Aristotle opted for a different approach, defending the existence of natu13 In On Free Choice of the Will, III 18–22, Augustine traces these obstacles to two causes, “ignorance” and the “difficulty” involved in the effort to overcome one’s lower self.

Augustine and his Pagan Models ral right while simultaneously maintaining that the whole of it is variable (EN V, 1134b18 f.). His solution consists in holding firm to the view that certain actions are intrinsically good and should be performed, whereas others are intrinsically evil and should be avoided. Yet, extraordinary circumstances, of the kind that tend to arise in times of war or national emergency, may occasionally render just an act that under normal circumstances would be unjust and vice versa. A classic example is the sacrifice of an innocent person for the sake of the common good when the latter cannot be preserved by any other means. In extreme cases such as these, what is chosen is not, as is often said, a lesser evil – a moral person never chooses evil, great or small – but the greater good that is secured by momentarily laying aside the ordinary rules of justice. A third formulation was offered by Cicero, who spoke of something called the “right of nations,” ius gentium,14 by which he meant that part of natural right which is harmonizable with the social life and mediates between natural right in the strict sense and civil right.15 Included in this right of nations are such matters as private property and slavery, both of which represent a departure from strict natural right: private property, because material goods do not necessarily belong by nature to their de facto owners, who may or may not know how to use them well or be inclined to do so; and slavery, because the people who have the misfortune of being reduced to that state (usually prisoners of war) do not necessarily deserve their fate. Cicero’s solution is the one that prevailed for many centuries in the West through its incorporation into Roman Law and its absorption into the Christian tradition via Isidore of Seville’s widely disseminated encyclopedia, the Etymologies (V,iv). It was later modified slightly and systematized by the great Scholastics of the Middle Ages. In response to Aristotle’s teaching regarding

14 The expression, which may have been coined by Cicero himself (cf. De re publica I 2; De officiis III 69), is apparently modeled on Aristotle’s koinos nomos, Rhet. I, 1372a and 1375a. 15 Such is the meaning attributed to the expression by Thomas Aquinas, according to whom ius gentium belongs in part to natural right and in part to positive right. Cf. I–II,95,5; II–II,57,3. The best account that I have seen of the use of ius gentium in Cicero is that of M. P. Zuckert 1989.

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Ernest L. Fortin the variability of natural right, Thomas Aquinas introduced a distinction, not found as such in Aristotle, between the primary and immutable precepts of the natural law and its secondary precepts, which are subject to change (I-II,94,5). Thomas’s distinction was not without its problems, however, for there were passages in the Bible that seemed to call into question the immutability of even the primary precepts. If these precepts are truly immutable, how could God command the sacrifice of Isaac (Gen., 22:1f.), the theft perpetrated by the Israelites at the time of the Exodus (Exod., 12:35–36), and Hosea’s extramarital relations with a prostitute (Hosea, 1:2)? Aquinas’s answer is that in each of these cases the matter of the deed has undergone a change. For example, the killing of Isaac, had it occurred, would not have been an act of murder because God, who is the author of life, is free to take it or order it to be taken whenever he sees fit. Nor was anything “stolen” from the Egyptians. God, the universal landlord and ultimate proprietor of all things, merely transferred the ownership of the goods in question from one nation to another (I–II,94,5, ad 2). Finally, in their quest for ever greater precision, some latemedieval thinkers distinguished between two forms of natural right: absolute natural right, whose principles brook no exceptions and are binding on everyone at all times, and conditional, relative, or secondary natural right, which presupposes the Fall and sanctions such institutions as private property, slavery, and coercive political rule, all of which were absent from the state of original justice and are necessitated – hence “justified” – only by the human being’s present inability to live fully in accordance with the dictates of reason.16 None of these approaches corresponds exactly to the one adopted by Augustine, who, as far as I can tell, avoids the expression ius gentium (with which he was undoubtedly familiar from Cicero), never speaks of primary and secondary natural law precepts, and is silent on the distinction between absolute and relative natural right, lest by invoking any of these theories he should confer upon 16 See, for example, Ockham, Dialogus, Part III, Treatise ii, Book 3, chap. 6. R. Hooker, Laws of Ecclesiastical Polity, I,10,13. A theory of relative natural right is attributed, misleadingly in my opinion, to the early Christian writers by E. Troeltsch 1960, Vol. I, 100, 153f, 201, et passim.

Augustine and his Pagan Models such necessary but imperfect practices as private property, slavery, and coercive government a greater degree of sanctity or inviolability than their inherent imperfection warrants. His own guiding principle is more directly biblical: the precept of the universal love of God and neighbor, in which, as he constantly reminds us, the entire message of the New Testament is summed up.17 It is not necessary to add that this lofty ideal is beyond the reach of ordinary human beings, for “there is no one, however laudably he may live, who does not yield in some points to the lust of the flesh” (I 9,1). The weakness of a human nature wounded by sin and the frequent intractability of human affairs are such as to require that the principles of Christian morality be diluted or softened if they are to retain their effectiveness. What we end up with in most cases is a kind of “lesser justice,” better suited to the conditions of this life: iustitia minor huic uitae competens (De spiritu et littera, XXXVI 65). Nowhere is this more apparent than in matters pertaining to warfare, the area in which the ordinary principles of justice have always been put to their severest test, to such an extent that Plato relegated these matters to the realm of practical wisdom rather than justice. According to the just war theory, to the elaboration of which Augustine is perhaps the most important early contributor, a war is just when it is waged to repel an unjust aggressor, defend an ally, secure a legitimate right of passage, rescue victims of oppression in countries other than one’s own whenever feasible, and the like. The theory stipulates that all other means of redress shall first have been exhausted, that the war shall be undertaken only out of necessity and for the sake of peace, and that it shall be carried out without undue harshness or violence. In all these cases, the assumption is that a war can be just on one side only, for “when we wage a just war, our enemies must be sinning” (XIX 15). If justice was on the side of Rome, the invading barbarians were guilty of injustice. But were the barbarians wholly unjust in their behavior toward Rome? The picture is far from clear. There is plenty of evidence to show that in many instances they were themselves acting out of necessity and under pressure from powerful hordes 17 In the De doctrina christiana, Augustine goes so far as to say that anyone who has understood that principle can dispense with Scripture altogether.

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Ernest L. Fortin to the east before whom they had little choice but to flee. Besides, in the course of the negotiations, Rome had few scruples about breaking faith with them, to the point of engaging in unspeakable treacheries. Thousands of barbarians serving in the Roman army were butchered once the reaction against them set in, and others, after having been promised asylum, were reduced to the most abject slavery upon their arrival (cf. Bainton 1960, 99–100). Rome, too, bore its share of responsibility for the troublesome situation in which it found itself. Augustine all but says it was only getting what it deserved. Beyond that was the nasty question of the justice of Rome’s own borders, often hinted at but rarely broached explicitly in the literature of the period. It was no secret that for the most part these borders been had acquired by force or unjust aggression. But how can a war undertaken for the defense of unjust borders be considered just? The problem is not unlike the one that arose more than a thousand years later in the wake of the Spanish conquest of the New World. Even if one grants the legitimacy of wars of civilization and agrees that according to natural justice the European invaders had some right to vast tracts of land that were not being put to good use,18 one can hardly hold it against the native Americans for taking up arms in their own defense. To this must be added the fact that it is rarely possible to engage in warfare without directly or indirectly inflicting harm on noncombatants and innocent bystanders. All in all, Augustine’s just war theory left many things unsaid, although not unnoticed. If anything can be thought to have motivated it, it is the conviction, not that a war is ever completely just, but that one cause may be “more just” (iustior) than another (XV 4). There are limits to how far one can go in establishing a nation’s right to the territory over which it rules or in laying down rules for the defense of that territory. For Augustine, the choice was between civilization and barbarism, and it was in the light of this choice that the decision to support one side or the

18 In classical political theory, property belongs in the strictest sense to the one who knows best how to use it and is disposed to act in accordance with that knowledge. Everyone nevertheless recognized that this was not a principle that cities could adopt as a matter of course, for any attempt to do so would result in chaos.

Augustine and his Pagan Models other had to be made. No one had fewer illusions than he did about the justice of the Roman Empire. If his heart was still with it, it is because he thought that the prospects for justice, slim as they always are, were greater within it than outside of it.

3.4 The Rejection of the Notion of a Christian Polity Augustine’s remarks on the problem of justice as it poses itself on the level of the political life often appear to be directed less against his pagan adversaries than against his coreligionists and, in some cases, his own disciples. Many prominent Christian writers of that period – Eusebius, Ambrose, Prudentius, and Orosius among them – had interpreted in a literal or temporal sense certain Old Testament prophecies relating to the blessings of the messianic age and had predicted an era of unprecedented material well-being under the auspices of Christianity and as a direct outcome of its emergence as a world religion uniting all human beings in the cult of the one true God. The signs of this momentous transformation, it was claimed, were already abroad. Swords were being turned into plowshares, justice and peace were on the verge of forging a permanent alliance, and the kingdom of God was about to be inaugurated, not in heaven, as some less worldly-minded apologists of the Christian faith were predicting, but here on earth. To the Christian was promised the best of both worlds. Not only did Christianity hold out the prospect of eternal bliss in heaven, it offered the answer to our most pressing problem here on earth. Augustine dismisses all such speculations as ingenious but unfounded in Scripture and contrary to its teaching (XVIII 52). He does not deny that human art and industry have made “stupefying advances” in the course of the centuries, but he is quick to add that this material and intellectual progress is not necessarily accompanied by a corresponding increase in moral goodness; for if these inventions have benefited man, they can also be used to destroy him (XXII 24). He further rejects outright the notion that evils will disappear or even diminish as time goes on. No doubt, God, being all-powerful, could do away with evil altogether, but not without the loss of a greater good for humankind.

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Ernest L. Fortin In their own way, the evils that he permits contribute to the human being’s spiritual advancement. They serve as a test for the just and a punishment for the wicked. They likewise insure that God will be loved for himself and not just for the material advantages accruing to us as a consequence of our good deeds; and by imposing on us the necessity of overcoming these evils both within and outside of ourselves, they enable us to reach an ever higher level of virtue and moral perfection.19 The unresolved issue is why, preferring as he so often does an all-or-nothing approach to moral matters, Augustine was so intent on painting the bleakest possible picture of the political life. The answer to that question is unfortunately not one that we, as products of a liberal democratic tradition that is unaware of or unsympathetic to the classical notion of the regime as a total way of life, are in a good position to appreciate. We may recall that in the City of God and the writings related to it Augustine set two goals for himself. The first was to counter the charge that Christianity was to blame for the Empire’s weakness in the face of the threat posed to its existence by the massing of barbarians on its borders. The second was to entice the pagan elite of his time to embrace the new faith, something that a number of them were reluctant to do on the ground that it taught people to be more concerned with the good of their souls than with that of the fatherland. The problem was brought home to Augustine in a poignant way by one of his friends, the aged Nectarius of Calama, a pagan whose heart still burned with patriotic fire, who had imbibed from Cicero’s De re publica the loyal citizen’s sentiment that there is no limit in either time or measure to the claim that their country has upon the care and service of right-hearted men, and who could not countenance a religion that was liable to dampen that sentiment (Augustine, Letter XCI,1). The difficulty is that the means by which these two goals might be met were in obvious tension with each other. One consisted in moderating the patriotic zeal of Augustine’s pagan friends so as to win them over to the Christian faith; the other, in reinforcing the patriotic zeal of his fellow Christians so as to attach them more firmly to the service of their earthly country. 19 Cf. I 29; XXII 22 and 23. On this whole subject, see to begin with T. E. Mommsen 1951, 346–74.

Augustine and his Pagan Models The critique of Roman political life and Roman religion that permeates so much of the City of God was specifically designed to make the pagan nobility aware of the problematic character of their devotion to Rome, admirable as it may have been in other respects. Its manifest one-sidedness – Rome was never a republic, the pagan virtues are nothing but vices, all rulers are pirates in disguise and all cities robber bands – brings home to us the relevance of the episode of Alexander and the pirate that we discussed earlier. Only by downplaying the merits of Roman political life and focusing on its defects could Augustine hope to persuade the pagan “holdouts” of his day that the time had come to embrace the new faith. What the discussion of justice in the City of God has finally made clear is that there is no such thing as a Christian polity. Christian wisdom and political power may occasionally coexist in a single subject, the person of the Christian ruler, but even in that case they remain distinct, cooperating with each other whenever possible but never merging one into the other. It is no accident that in the City of God Constantine and Theodosius, the two most famous early Christian emperors, are praised more for their defense of the Church or their humility than for their civic virtues.20 Christianity as Augustine understands it does indeed provide a solution to the problem of human society, but the solution is not one that is attainable in and through human society. Like that of the classical philosophers, albeit in a different way, it remains essentially transpolitical; for “only in heaven has been promised that which on earth we seek.”21

Bibliography Bainton, R. 1960: Christian Attitudes Toward War and Peace, New York. Deane, H. A. 1963: The Political and Social Ideas of St. Augustine, New York. Duval, Y. M. 1966: L’élogie de Théodose dans la Cité de Dieu (V,26,1), in: Recherches augustiniennes 4, 135–178.

20 civ. V 25 and 26. Cf. Y. M. Duval 1966. Of Theodosius, Augustine says that “he rejoiced more to be a member of the Church than he did to be a king on earth.” 21 en.Ps. XLVIII 6.

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Ernest L. Fortin Mommsen, Th. E. 1951: St. Augustine and the Christian Idea of Progress. The Background of the City of God, in: Journal of the History of Ideas 12, 346–374 (repr. in: Medieval and Renaissance Studies, 265–298). Nederman, C. 1988: Nature, Sin and the Origins of Society: The Ciceronian Tradition in Medieval Thought, in: Journal of the History of Ideas 49, 13–26. Post, G. 1964: Studies in Medieval Legal Thought: Public Law and the State, 1100–1322, Princeton. Strauss, L. 1953: Natural Right and History, Chicago. – 1964: The City and Man, Chicago. Troeltsch, E. 1960: The Social Teachings of the Christian Churches, New York. Zuckert, M. P. 1989: Bringing Philosophy Down from the Heavens: Natural Right in the Roman Law, Review of Politics 51, 70–85.

Augustin über menschliche Freiheit (Buch V)

Siegbert Peetz

Augustin über menschliche Freiheit (Buch V)

Augustins De civitate dei ist bekanntlich der großangelegte Versuch, die Christen gegen den Vorwurf in Schutz zu nehmen, sie seien schuld am Untergang Roms. Dieser Vorwurf bezog sein Gewicht aus der Tatsache, daß die christliche Religion Gott als den Herrn und Lenker der Geschichte begreift. Wenn sich dies tatsächlich so verhielt, so war der christliche Gott folglich der Urheber von Roms Untergang. Das V. Buch von De civitate dei läßt sich als Augustins Versuch lesen, den christlichen Gott von diesem Vorwurf durch drei komplementäre Gedankengänge zu entlasten. Im ersten Gedankengang entlastet Augustin Gott geschickt durch einen Wechsel der Perspektive: Er lenkt den Blick auf die Größe Roms, indem er mit der Behandlung der Frage, warum Gott Rom groß gemacht hat, den Kritikern des Christentums zu verstehen gibt, daß nicht nur Roms Untergang, sondern auch Roms Größe auf eben denselben christlichen Gott zurückgeführt werden müsse. Zweitens entlastet er Gott vom heidnischen Schuldvorwurf durch sein Insistieren auf dem Faktum menschlicher Freiheit, deren Vereinbarkeit mit der göttlichen Providenz er – gegen Cicero – herausarbeitet und für deren fatale Folgen er daher den Menschen zur Verantwortung zieht. Drittens funktionalisiert er den zentralen Wert römischen Lebens, die virtus, für das Christentum um, indem er ihre Ausrichtung auf Ruhm als das Resultat von Selbstsucht erweist und statt dessen für ihre Ausrichtung auf die Ehre Gottes als ihren letzten und höchsten Zweck plädiert.

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Siegbert Peetz Ich möchte mich im folgenden besonders mit dem zweiten Gedankengang auseinandersetzen. Denn hier skizziert Augustin sein Konzept menschlicher Freiheit, das heute vor allem deswegen von Interesse ist, weil er in ihm nach vorwiegender Meinung der Forschung zum ersten Mal einen kohärenten Begriff des Willens entwickelt1. Dieser ist durch Merkmale charakterisiert, die man heute hauptsächlich unter dem Begriff der Person bzw. des Selbst subsumiert: Spontaneität und Bewußtheit.2 Ich möchte Augustins Freiheitskonzept im Fokus seines Willensbegriffs zunächst allgemein skizzieren, in einem zweiten Schritt die spezifische Weise darlegen, in der sein Konzept im Kontext des Buches V von De civitate dei zur Anwendung kommt, schließlich es einer zusammenfassenden Kritik würdigen.

4.1 Zu Augustins Freiheitskonzept Grundlage der folgenden Ausführungen zu Augustins Freiheitskonzept sind die Schriften De libero arbitrio (388 bis 395 entstanden) und De civitate dei V (413 bis 415 entstanden). Die anthropologische Grunderfahrung, welche in Augustins Konzept menschlicher Freiheit verarbeitet wird, läßt sich anhand einer Sequenz von zwei Aussagen darlegen. Die erste Aussage lautet: Ich kann nicht alles, was ich will. Die Aussage thematisiert eine Differenz von Wollen und Können, aus welcher sich in bezug auf Augustins Begriff der Freiheit der Unterschied von Willens- und Handlungsfreiheit ergibt. Denn die Aussage impliziert einmal, daß ich die Freiheit habe, meinen Willen in der Weise zu bestimmen, daß ich wünschen kann, daß dieser Wille in meinen Handlungen wirksam werden möge. Sie impliziert zum anderen, daß ich nicht die Freiheit habe, all das zu erreichen, was der Gegenstand meines Willens ist. Anders ausgedrückt: Was in meiner Macht steht, ist – einzig und allein – mein Wille; was nicht in meiner Macht steht, ist die Realisierung all dessen, was dieser Wille will. Ich bin also frei zu wollen, was ich will, aber nicht frei, alles zu tun, was ich will. Nun 1 Vgl. hierfür Arendt 1979, 82–107; Dihle 1985, 138–149; Kahn 1988. 2 Für Spontaneität und Bewußtheit als Kriterien für das Vorliegen eines Willensbegriffs plädiert im Blick auf Augustin mit guten Gründen Horn 1996, 115 f.

Augustin über menschliche Freiheit (Buch V) läßt sich das, was ich zwar frei bin zu wollen, was aber nicht in meiner Macht steht zu tun, für Augustin mit einer zweiten Aussage benennen, welche die erste Aussage konkretisiert: Ich kann nicht das Gute, das ich will. Und diese Aussage wiederum läßt sich mit Paulus, an den Augustin anknüpft, wie folgt verschärfen: „Nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich“ (Röm 7,19; vgl. in ähnlichem Sinn auch Gal 5,17, von Augustin zitiert in civ. XIX 4). Was bringt diese Aussage an Neuem hinzu? Die bereits aus der ersten Aussage gewonnene Erkenntnis einer Differenz von Willens- und Handlungsfreiheit bei Augustin bezieht sich, wie hier sichtbar wird, auf das Tun des Guten. Der Mensch ist nicht imstande, aus eigener Kraft das Gute zu tun, obgleich es durchaus sein Wille sein kann, es zu tun. Er tut vielmehr im Gegenteil das Böse. Was ist der Grund für diese offenkundige Willensschwäche? Oder, mit den Worten des Paulus gefragt: Warum ist der Geist willig, das Fleisch aber schwach? Augustin führt ebenso wie Paulus die für den Menschen konstitutive Willensschwäche auf eine ererbte Disposition zurück. Für die Genese dieser „Erbsünde“ bemüht er den alttestamentarischen Sündenfallmythos: Da der mit freiem Willen ausgestattete Stammvater aller Menschen nicht der göttlichen Vernunft (mit der er begabt ist), sondern dem Affekt die Herrschaft über sich eingeräumt hat, hat er seinen Willen der Begierde (libido) versklavt und damit dem ganzen Menschengeschlecht eine Inklination zum Bösen vererbt, die es aus eigener Kraft nicht wieder rückgängig machen kann. Die Berufung auf den Mythos vom Sündenfall erfüllt somit die Funktion, menschliche Willensschwäche in bezug auf die Realisierung des Guten als evolutiv bedingte Disposition zu verankern und zugleich menschliche Willensfreiheit als solche aufrechtzuerhalten. Für den Willensbegriff hat dies die Folge, daß Augustin ihn in zwei unterschiedliche, aber aufeinander bezogene Momente aufspaltet: einerseits das liberum arbitrium als das Vermögen reflektierender Selbstbewertung (Volition) und andererseits die voluntas als das faktisch bestehende, durch die Richtung auf ein Objekt disponierte Streben (Disposition).3 Beide stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Dies zeigt sich vor allem daran, daß das liberum 3 Für diesen Aspekt des Augustinischen Willensbegriffs s. den Bok 1994.

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Siegbert Peetz arbitrium zwar prinzipiell als unabhängig zu denken ist; es kann aber von einer einmal bestehenden (sei es ererbten, sei es erworbenen) Willensdisposition in seinem Urteil zugunsten dieser Disposition inkliniert werden und, obgleich es nie mit ihr identisch werden kann, in ihr doch gleichsam gefangen sein. Auf der anderen Seite bewirkt das liberum arbitrium im Willen selbst dessen Distanz zu sich und damit eine für ihn konstitutive Selbstverdopplung. Es gibt kein bewußtes Streben nach etwas ohne ein zu ihm positiv oder negativ Stellung nehmendes Urteil: Der Wille ist als solcher in sich gespalten, er ist Streben und Urteilen, Wollen und Wille zugleich4. Gerade deswegen ist er aber auch alterabel. Die genannte begriffliche Differenzierung wird nun wichtig für Augustins Lösung des aus den genannten Aussagen entstehenden Problems, wie denn angesichts der dispositionellen Unfähigkeit des Menschen, das Gute zu tun, die Existenz des Guten in der Welt und damit überhaupt gute Taten erklärt werden können. Wenn der Mensch zwar aus sich die Freiheit hat, das Gute zu wollen, aber nicht die Freiheit, es auch zu tun, so läßt sich dieser Befund mit Augustin zum einen darauf zurückführen, daß seine ererbte Strebensdisposition (voluntas) zum Bösen hin in bezug auf das Handeln sich als stärker erweist als sein aus seinem liberum arbitrium hervorgegangener Wunsch, das Gute tun zu wollen; zum anderen darauf, daß diese in sich in unterschiedlich gerichtete voluntates zerfällt: Der Wille ist zerrissen, wie Augustin sagt (vgl. conf. VIII 10,22). Damit ist der Punkt erreicht, den Begriff einzuführen, der für Augustin die hier sich auftuende Schere zwischen Wollen und Können des Guten schließt und damit die menschliche Willensschwäche beseitigt: den Begriff der Gnade. Gnade ist nämlich die (unverdiente) Beihilfe Gottes, durch welche der Mensch seine Inklination zum Bösen überwindet und für Wollen und Tun des Guten frei wird. Indem Gott in der Person Christi als dem zweiten Adam exemplarisch Wollen und Können des Guten realisiert, erneuert er in Christus zugleich die volle Willensfreiheit des Menschen, die sogar diejenige vor dem Sündenfall insofern übertrifft, als sie beständig ist. 4 Ein gutes Beispiel für einen Konflikt zwischen Willensdisposition (voluntas) und Willensakt (velle) ist Augustins Darstellung des Prozesses seiner Bekehrung in conf. VIII 5.

Augustin über menschliche Freiheit (Buch V) Sie besteht in der freien Zustimmung zum Willen Gottes: Indem der Mensch seinen eigenen Willen dem Willen Gottes unterstellt, gewinnt er zugleich die verlorene Herrschaft über sich selbst zurück. Denn durch den freien Akt der Submission seines eigenen Willens unter den göttlichen Willen läßt er diesen, der als solcher gut ist und Gutes wirkt, in sich selbst zur Wirkung kommen.5 Das Wirken der Gnade Gottes auf dem Fundament der freien Zustimmung des Menschen realisiert also das Gute; Gott ist somit der Urheber alles Guten. Umgekehrt folgt hieraus, daß der Mensch die Herrschaft über sich selbst solange nicht gewinnt, als er die Gnade Gottes entbehrt. Diese kann in ihm solange nicht wirksam werden, als sein liberum arbitrium von Gott ab- und damit dem Bösen zugewandt bleibt. Es läßt sich also folgendes festhalten: Für Augustin hat der Mensch als Mensch volle Willensfreiheit – er kann seinen Willen zum Guten und zum Bösen bestimmen –, aber aufgrund seiner Geschichte nur eingeschränkte Handlungsfreiheit. Aus eigener Kraft vermag er nur das Böse; zur Realisierung des Guten bedarf es eines göttlichen Beistands, der Gnade, die ihrerseits aber die freie Zustimmung bzw. Offenheit des menschlichen Willens für sie voraussetzt. Für Augustins Freiheitskonzept ist somit eine Koppelung von Willensfreiheit, die er im Vermögen des liberum arbitrium lokalisiert, mit Willensschwäche, die er aus einer ererbten Willensdisposition des Menschen ableitet, charakteristisch. Je nach Argumentationskontext wird bald der eine, bald der andere Aspekt schärfer konturiert. Dies ist nun anhand von De civitate dei im Blick auf das V. Buch zu zeigen.

5 Er wird hierdurch also gewissermaßen zum Willen Gottes. Als Willen des Vaters (voluntas patris) hatte Marius Victorinus Christus bezeichnet (vgl. Adv.Arium, edd. Henry/Hadot, 1,31,22); wenn Augustin sagt, er habe das Konzept des liberum voluntatis arbitrium „gehört“, also nicht selbst entworfen (conf. VIII 3,5), so dürfte jedenfalls Marius Victorinus hierfür der wichtigste Impulsgeber gewesen sein – nicht nur durch seine Schriften, sondern auch durch seine Bekehrung zum Christentum, der Augustin Vorbildcharakter für seine eigene Bekehrung (die er als Kampf zweier Willen beschreibt) zuerkennt: exarsi ad imitandum (VIII 5,10).

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4.2 Freiheit im Kontext von De civitate dei Betrachtet man das Werk De civitate dei im Hinblick darauf, welcher Aspekt des Freiheitsproblems in ihm dominiert, so läßt sich feststellen, daß Augustins Form der Darstellung vor allem durch das Motiv einer Entlastung Gottes bestimmt ist. Das Hauptproblem, welches sich in diesem Zusammenhang stellt, ist: Wie kann man die Behauptung, daß alles Geschehen der göttlichen Providenz unterliege, mit der Tatsache des Bösen vereinbaren, ohne dieses Gott anzulasten? Man kann es dadurch, daß man das Böse als das Werk menschlicher Freiheit begreift. Dann aber sieht man sich vor die Notwendigkeit gestellt, das ontologische Problem der Bedingung der Möglichkeit des Bösen in einer insgesamt als gut beschriebenen Schöpfung zu lösen. Augustin begegnet der skizzierten Schwierigkeit – dem Grundproblem aller Theodizee – mit einem spezifischen Begriff des Nichts und einem neuen Begriff des Bösen. Beide Begriffe sind hier zu erörtern, bevor Innovationskraft und Leistungsfähigkeit des Augustinischen Willenskonzepts sowohl unter dem Aspekt seiner internen Logik wie auch unter dem seiner konstellativen Komponenten zu zeigen sind. Zunächst zu Augustins Begriff des Nichts, der in der Perspektive seines Konzepts der creatio ex nihilo gesehen werden muß. Augustin bestimmt das Nichts als außergöttliches Moment in jeder Kreatur, welches jegliches Sein entbehrt, in der Schöpfung selbst aber als Wandelbarkeit (mutabilitas) und „Nicht-ist“ (nonest) und d. h. letzten Endes als Materie präsent ist (vgl. conf. XII 6,6). Die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, daß für Augustin die Materie stricto sensu nicht mit dem Nichts identisch, sondern nur prope nihil, „beinahe nichts“ ist, weil sie auch im ungeformten Zustand bereits die Möglichkeit zur Gestalt und damit zum Guten hat (vgl. conf. XII 22,31), das Nichts also schon ansatzweise zum Verschwinden bringt, können hier vernachlässigt werden. Wichtig für unseren Zusammenhang ist, daß die wandelbare Materie die Weise der Präsenz des Nichts im Sein ist. Das Nichts selbst bestimmt Augustin als Mangel der Wirkursache (causa deficiens, vgl. civ. XII 7). Alle Kreatur hat somit eine aus Sein und Nichts gemischte Natur, das Werden. Das unterscheidet sie vom unwandelbaren göttlichen Sein. So betont Augustin: „Es gibt ein unwandelbares Gut, den einen,

Augustin über menschliche Freiheit (Buch V) wahren, seligen Gott; dagegen, was er geschaffen hat, ist zwar gut, weil es von ihm stammt, doch auch wandelbar, weil es nicht aus ihm, sondern aus nichts geschaffen ist“.6 Das Zitat zeigt, daß die für Augustins Ontologie grundlegende Differenz nicht diejenige von gut und böse, sondern diejenige von gut und nichts ist. Hieraus wiederum folgt, daß es für Augustin zwar eine Konvergenz von Seiendem und Gutem, keineswegs aber eine Konvergenz von Nichts und Bösem gibt. Augustin steht mit seiner Deutung der Materie als des privativen, nicht des moralischen Übels in der Tradition des Neuplatonismus; wie bereits Plotin (vgl. Enn. I 8,3,39 f.) wendet er sich auf diese Weise gegen eine gnostisch-manichäische Gleichsetzung von Materie und Bösem. Diesen Denkströmungen gegenüber ist das Böse für Augustin eine Weise des Verhältnisses zum Sein, über welche ein spezifisches Vermögen des Menschen verfügt, eben das liberum arbitrium, sein Wille, der hierdurch zum autonomen Vermögen einer freien Stellungnahme zum Sein avanciert. Für den Begriff des Bösen bedeutet dies: Das Böse ist weder Strukturmoment des Nichts noch des Seins – alles Sein stammt aus Gott und ist gut –, sondern die Hinwendung des autonomen Willens vom höchsten Sein zum geringeren, vom Nichts durchwirkten und daher wandelbaren Sein. Das Böse also ist nicht Moment des Seins, sondern ein praktisches Verhältnis zum Sein. Jede geschaffene Intelligenz, weil sie gemischter Natur ist – einerseits Geistwesen wie die göttliche Intelligenz, andererseits von dieser unterschieden, weil aus Nichts geschaffen –, steht vor der Notwendigkeit, sich zu Sein und Nichts als den beiden Strukturmomenten ihres kreatürlichen Seins, damit aber sich zu sich selbst ins Verhältnis zu setzen. Sie ist insofern zur Freiheit geradezu verurteilt. 6 civ. XII 1, vgl. ferner XV 21. Eine sich hieraus für Augustins Schöpfungsbegriff ergebende wichtige Konsequenz ist das Problem einer Genealogie der Zeit. Es erwächst daraus, daß auch die Engel als aus dem Nichts geschaffene Kreaturen keine reinen Geistwesen sein können, sondern als wandelbare Wesen – sie haben einen motus spiritalis (vgl. Gn.litt. V 5,12) – eine spezifische Art von Materialität und Zeitlichkeit haben. Der Engelfall führt Augustin so en passant zu der Erwägung der Möglichkeit einer (mit klassisch-antikem Denken unvereinbaren) vorweltlichen „Engelszeit“: „Es gab eine Zeit, als die Welt noch nicht war“ (civ. XII 16). Generell aber bleiben für ihn Engelszeit und Naturzeit Formen der einen mit der Welt koextensiven Weltzeit: „[…] so ist ohne alle Frage die Welt nicht in der Zeit, sondern mit der Zeit erschaffen“ (XI 6).

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Siegbert Peetz Wie man sieht, besteht die Eigenart dieses Konzepts wesentlich in einer handlungstheoretischen Transformation des Bösen: deficitur enim non ad mala, sed male (XII 8). Ergebnis ist die Autonomisierung des Willens gegenüber dem Wissen, ohne daß der Zusammenhang beider aufgehoben würde. Sie versetzt Augustin im Gegensatz zur Tradition der klassischen antiken Philosophie, für welche das Gute und das Böse nicht Gebrauchsweisen des Willens, sondern Implikate eines wahren oder falschen Urteils sind, in die vorteilhafte Lage, ein Tun wider besseres Wissen und damit die Möglichkeit eines vorsätzlich irrationalen Handelns erklären zu können. Dies hatte selbst die stoische Lehre von der Zustimmung (synkatathesis) nicht vermocht, mit der Augustins Konzept des liberum arbitrium eine starke Verwandtschaft zeigt.7 Denn diese Lehre besagt, daß die Vorstellung einer Handlung im Vorstellenden einen Handlungsimpuls/ Trieb auslöst, der erst dann zur Ausführung der Handlung bewegen kann, wenn zuvor die Vernunft in Form eines Urteils ihre Zustimmung gegeben hat. Kommt es nun zu einer Handlung im Affekt, so ist auch sie Folge einer Zustimmung, allerdings einer solchen, die schwach und falsch ist, also auf Irrtum beruht.8 Eine starke und wahre Zustimmung hingegen hätte von sich aus notwendigerweise auch ein vernünftiges Handeln zur Folge. Das stoische synkatathesis-Konzept verbleibt so im klassisch-antiken Rahmen der Dependenz des Willens vom Wissen und damit des Zutrauens in die handlungsleitende Kraft des Urteils. Demgegenüber läßt sich mit Augustins Konzept der Willensfreiheit zum ersten Mal irrationales Handeln, sofern man darunter ein Handeln versteht, welches seinem eigenen bestmöglichen Urteil zuwiderhandelt9, auf eine dispositionelle Divergenz von Wille und Wissen als Folge einer Herrschaft des Willens über das Wissen zurückführen. 7 Die Differenzen des Augustinischen Willenskonzepts zu anderen möglichen Äquivalenten für den Begriff des Willens in der antiken Philosophie (thymos, hekousion, prohairesis, boulêsis) erörtert Horn 1996, 119–126. – Wichtigste lateinische Quellen für die Lehre von der Zustimmung, die Augustin bekannt waren: Cicero, De fato 40–44; Seneca, ep. 113, 18 f. 8 asthenês kai pseudês synkatathesis, vgl. SVF (= Stoicorum Veterum Fragmenta, ed. v. Arnim) I 67 und III 380. 9 Vgl. hierzu Davidson, Wie ist Willensschwäche möglich? (1970), in: ders.1990, 43–72.

Augustin über menschliche Freiheit (Buch V) Das spezifisch Neue von Augustins Willenskonzept besteht somit wesentlich in einer Verselbständigung des Momentes des Willens im Wissen. Das klassisch-antike Konzept einer Kongruenz von Vernunft und Willen10 wird durch das Modell eines Konflikts zwischen Vernunft und Willen ersetzt. Leitmotiv dieser Operation ist ganz offensichtlich die Erfahrung, daß wahres Erkennen nicht notwendig auch gutes Handeln einschließt und daß es Formen des Affekts gibt, die nicht auf Mangel oder Falschheit des Wissens, sondern auf dessen Ohnmacht zurückzuführen sind. Es geht Augustin darum zu zeigen, daß zwar sehr oft richtige Einsicht vorhanden ist, daß diese sich aber gegen die „Macht der Gewohnheit“ nicht durchsetzen kann.11 Die Dissoziation von Wissen und Willen bedeutet so zugleich eine Dissoziation von Wissen und Macht. Wenn somit nicht Wissen, sondern Willen Macht ist, ist die Macht des Wissens abhängig von der Stärke des Willens. Dies aber bedeutet für Augustin: vom menschlichen Selbst. Nichts anderes ist es, was Augustins Blick auf seine Zeit bestimmt und sich in der Struktur von De civitate dei niederschlägt. Ihre Grundunterscheidung läßt sich als die Makroskopierung der Grundunterscheidung der Confessiones lesen: civitas dei und civitas terrena sind die Herrschaftsformen, die aus einem guten bzw. bösen Willen folgen. Da beide civitates Herrschaftsansprüche auf die Handlungsorientierung des Menschen erheben, kommt es in diesem selbst zu einem Machtkampf, der sich ihm als Kampf gegensätzlich zentrierter Ordnungen des Wissens darstellt: einer Ordnung, die am Primat der Vernunft, und einer anderen, die am Primat des Affekts orientiert ist. Die infolge ererbter Willensdisposition zur Gewohnheit gewordene Verfassung des Menschen kommt einer faktischen Entscheidung für die Herrschaft des Affektes gleich und manifestiert sich in allen möglichen Formen von Unbeherrschtheit. Zwei Bereiche, in denen 10 Vgl. hierfür die Definition des Willens durch die Stoiker bei Cicero, Tusc.disp. 4,12: quam [voluntatem] sic definiunt: voluntas est quae quid cum ratione desiderat. quae autem ratione adversa incitata est vehementius, ea libido est vel cupiditas effrenata […]. 11 Vgl. conf. VIII 5,10: Quippe ex voluntate perversa facta est libido, et dum servitur libidini, facta est consuetudo, et dum consuetudini non resistitur, facta est necessitas. Ferner ebd. VIII 5,12: ,Lex‘ enim ,peccati‘ est violentia consuetudinis, qua trahitur et tenetur etiam invitus animus eo merito, quo in eam volens illabitur.

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Siegbert Peetz sie besonders kraß hervortritt, werden von Augustin ausführlich behandelt: Sexualität, die, libidinös geworden, dem freien Willen des Menschen entzogen ist (vgl. Buch XIV), und Politik, in der Akrasie als Anarchie in Erscheinung tritt. Dieser civitas terrena, die Augustin auch mit der Metapher der Sintflut umschreibt, stellt er die Ordnung der civitas dei entgegen, deren Erkenntnis dem Menschen zwar möglich ist, die er aber aus eigenen Kräften deswegen nicht realisieren kann, weil er sich in die Folgen seiner affektbeherrschten Handlungsdisposition irreversibel verstrickt sieht. Der Mensch ist also frei, aber zugleich nicht (mehr) so frei, wie er sein möchte. Dieser Diagnose der conditio humana versucht Augustins Freiheitsbegriff durch die genannte Zweiteilung des Willensvermögens in liberum arbitrium und voluntas Rechnung zu tragen. Wenn Freiheit die Fähigkeit einer Stellungnahme zum Sein ist, impliziert sie die Verantwortlichkeit für deren Handlungsfolgen – auch und vor allem dann, wenn diese Handlungsfolgen irreversible Dispositionen erzeugen und damit den Handlungsspielraum selbst begrenzen: Noch der Verlust der Autonomie des Handelns ist eine Folge der nach wie vor bestehenden Autonomie des Willens. Augustins Zweiteilung hat somit auch den Sinn, die menschliche Freiheit gegen ihre eigenen Folgen zu sichern. Im V. Buch von De civitate dei, auf welches nun einzugehen ist, thematisiert Augustin das Freiheitsproblem im Horizont göttlichen Vorauswissens. Ungeachtet der unterschiedlichen Perspektive verfolgt er dasselbe Ziel der Sicherung menschlicher Freiheit, und zwar in Form der These ihrer Vereinbarkeit mit dem Vorauswissen Gottes. Er tut dies in den Kapiteln 1 bis 11 in einer zweifachen Auseinandersetzung mit Cicero. Dieser hatte für menschliche Willensfreiheit, aber gerade um ihretwillen zugleich gegen ein göttliches Vorauswissen argumentiert. Bezugspunkte von Augustins Versuch einer Widerlegung Ciceros sind dessen Schriften De divinatione und De fato. Wie die Kapitel V 1–7 zeigen, ist Augustin mit Cicero gegen Astrologie und greift hier – wie bereits in den Confessiones – Ciceros Zwillingsargument auf12. An die Astrologie sei die Frage zu richten, wie die Tatsache erklärt werden könne, daß die Lebensgänge von Zwillingen trotz identischer Geburtshoroskope 12 Vgl. Cicero, div. II 90–93; vgl. außerdem ders., fat. 7–11.

Augustin über menschliche Freiheit (Buch V) oft große Verschiedenheit zeigen13. Zur argumentativen Verstärkung von Ciceros Einwand fügt Augustin seinerseits das biblische Beispiel der Verschiedenheit von Leben und Charakter der Zwillinge Esau und Jakob hinzu (V 4). Gegen Cicero aber verteidigt Augustin in den Kapiteln V 8–11 vehement ein göttliches Vorauswissen der Zukunft. Auf diese Erörterung ist hier ausführlich einzugehen. In Kap. 9 rekonstruiert er zunächst Ciceros These der Unvereinbarkeit von göttlichem Vorauswissen und menschlicher Willensfreiheit in Form einer Analyse der Implikationen, die sich aus der Annahme des einen und des anderen ergeben. Diese Rekonstruktion läßt sich in Form von zwei Implikationenketten wie folgt wiedergeben: Annahme1: Es gibt ein göttliches Vorauswissen alles Zukünftigen. Daraus folgt: (1) Alles Zukünftige trifft nach der Ordnung ein, in welcher sein Eintreffen vorausgewußt ist. (2) Es gibt für Gottes Vorauswissen eine feste Ordnung der Dinge. (3) Es gibt eine feste Ordnung der Ursachen (denn nichts kann geschehen, dem nicht eine bewirkende Ursache voraufgeht). (4) Alles Geschehen geschieht durch ein Fatum. (5) Nichts steht in unserer Macht; es gibt keine Willensfreiheit. Die Implikationen der Annahme 2 „Es gibt Willensfreiheit“ erhält man, wenn man die genannte Implikationenkette in umgekehrter Reihenfolge liest und dabei die Folgerungen aus Annahme 1 jeweils negiert, also: Annahme 2: Es gibt Willensfreiheit. (Negation der Folgerung (5) aus Annahme 1) Daraus folgt: (1) Nicht alles Geschehen geschieht durch ein Fatum. (2) Es gibt keine feste Ordnung der Ursachen. usw. Gemäß den beiden von Augustin aus Cicero extrapolierten Implikationenketten scheint das Verhältnis von göttlichem Vorauswissen und menschlicher Willensfreiheit nur dasjenige einer 13 V 1–3; vgl. hierfür bereits conf. VII 6,8.

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Siegbert Peetz wechselseitigen Exklusion sein zu können: „Gibt es ein Vorauswissen des Zukünftigen, folgt all das, was damit verkettet ist, bis zu dem Ende, daß nichts mehr in unserem Willen steht. Steht aber etwas in unserem Willen, gelangt man mittels derselben Schritte in umgekehrter Richtung zu dem Schluß, daß es kein Vorauswissen des Zukünftigen gibt“ (V 9). Genau dies wird von Augustin aber bestritten. Gegen Cicero verteidigt er die These einer Kompatibilität beider, und zwar (1) durch die Ersetzung der Stelle des Fatum durch Gottes Willen, (2) durch die Verknüpfung dieses Willens mit der Macht – beides entwickelt in V 9 – und (3) durch einen mit Willensfreiheit verträglichen Begriff von Notwendigkeit – ausgeführt in V 10. Diese drei Schritte sind im folgenden zu erörtern. Ad (1): Was die Ersetzung des Fatum durch den Willen Gottes betrifft, so ändert Augustin zunächst die 1. Implikation von Annahme 2 so ab, daß er alles Geschehen auf Gottes Willen zurückführt. Aus der Tatsache, daß es dann kein Fatum, sondern nur einen göttlichen Willen gibt, folgt aber mitnichten, daß es keine feste Ordnung der Ursachen gibt. Für Augustin schließt Gottes Wille vielmehr eine feste Ordnung der Ursachen ein, in welcher menschliche Willensfreiheit als eine der wirkenden Ursachenarten eine prominente Rolle spielt. Wenn dem aber so ist, trifft tatsächlich alles so ein, wie von Gott vorausgewußt, weil er auch menschliches Wollen voraussieht. Augustin gibt diesem Gedanken zusätzliches Gewicht durch eine Radikalisierung von Ciceros Ursachenlehre. Cicero hatte zwar – was Augustin begrüßt – eingeräumt, daß nichts ohne Ursache geschehe14, zugleich aber festgehalten, daß nicht jede Ursache schicksalhaft sei. Es gebe außerdem noch zufällige, natürliche und willentliche Ursachen. Insbesondere die zufälligen Ursachen und damit die Rolle des Zufalls für das Zustandekommen von Ereignissen hatte Cicero sowohl gegen eine Allmacht des Fatum als auch gegen göttliches Vorauswissen und gegen einen alles determinierenden göttlichen Willen verteidigt.15 Augustin argumentiert gegen die stoische Annahme des Fatum und gegen Ciceros Verteidigung des Zufalls gleichermaßen, indem er ausführt, daß sowohl die zufälligen als auch die 14 Im Anschluß an Chrysipp, vgl. Cic. div. II 61; fat. 20–21; 23. 15 Vgl. bes. Cic. div. II 18 (göttliches Vorauswissen); 47; 67 f. (göttlicher Wille).

Augustin über menschliche Freiheit (Buch V) natürlichen Ursachen Modifikationen des einen göttlichen Willens seien und es daher eigentlich nur willentliche Wirkursachen gebe. So seien die zufälligen Ursachen in Wahrheit verborgene Ursachen, weil sich in ihnen der Wille Gottes nur verberge; so seien die natürlichen Ursachen ebenfalls Ausdruck des Willens Gottes, weil dieser der Urheber der Natur sei; so seien schließlich auch die willentlichen Ursachen bei Engeln, Menschen und den vernunftlosen Lebewesen, soweit man ihre Antriebe als willentlich bezeichne, in letzter Instanz von Gott selbst als dem ungeschaffenen Geist des Lebens und dem Schöpfer aller Kreaturen gewollt. Die Reduktion alles Seienden auf den göttlichen Willen als seinen Urheber scheint auf eine Negierung menschlicher Freiheit hinauszulaufen; denn bisher ist ja lediglich das stoische Fatum in einen göttlichen Willen transformiert. Außer diesem scheint ein anderer unabhängiger Wille nicht möglich. Doch ist dem nicht so. Wie Augustin es fertigbringt, daß er das Fatum leugnet und doch eine göttliche Providenz behauptet, daß er Kontingenz bestreitet und doch menschliche Freiheit begründet, – dies zeigt sein zweiter Argumentationsschritt, auf den nun einzugehen ist. Ad (2): Dieser Schritt besteht in der Verknüpfung des Willensbegriffs mit dem Begriff der Macht. Genauer: Er operiert mit dem unterschiedlichen Verhältnis von göttlichem und menschlichem Willen zur Macht. Gottes Wille ist dadurch ausgezeichnet, daß in ihm voluntas und potestas kongruieren, d. h. sein Wille ist zugleich höchste Macht (summa potestas, V 9). Die konstitutive Beziehung des Willens auf Macht ist der Grund dafür, daß Augustin mit der Transformation des Fatum in den göttlichen Willen nicht auch die determinierenden Implikationen des Fatum-Begriffs übernehmen muß. Wäre nämlich alles durch das Fatum bestimmt, gäbe es weder Zufall noch Freiheit; dann hätte Cicero mit seiner These Recht. Nun konzipiert Augustin aber den göttlichen Willen offensichtlich nach dem Modell der Macht eines römischen Kaisers, der seine Herrschaft dadurch sichert, daß er Macht so verteilt, daß sie ihm nicht gefährlich werden kann. So gewährt er nach eigenem Gutdünken (nicht notwendig nach Verdiensten) den einen seiner Untertanen Macht, den anderen nicht. Sogar den Feinden seines Staates kann er Macht gewähren, aber nur so viel, wie der strategi-

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Siegbert Peetz schen Absicherung seiner Herrschaft zuträglich ist – sei es, daß er damit nach außen seine Überlegenheit um so eindrucksvoller demonstrieren will, sei es, daß er damit nach innen die Bürger seines Staates zu einsichtigem Gehorsam erziehen will. Genau dies ist für Augustin der Sinn der civitas terrena und des Bösen in der Welt, deren Bestand durch das Böse nicht gefährdet wird, denn: „[…] alles ist letzten Endes dem Willen Gottes unterworfen, dem auch jeder Wille unterliegt, weil kein Wille Macht besitzt, wenn Gott sie ihm nicht zugesteht“16 Man sieht, wie Augustin hier die oben exponierte Differenz von Wollen und Können im Menschen für eine Vereinbarkeit von göttlichem Willen und menschlicher Willensfreiheit fruchtbar macht. Durch die Trennung von Wollen und Können im Menschen wird einerseits dessen Willensfreiheit gesichert – er ist, auch in seinem bösen Willen (der nicht aus Gott, sondern aus dem Nichts kommt) frei –, andererseits die Allmacht des göttlichen Willens gefestigt. Denn der menschliche Wille ist nur begrenzt handlungsfähig, weil ohne eigene Macht. So kann etwa ein böser Mensch noch so viel wollen – er wird, je mehr er will, desto stärker seine Ohnmacht erfahren, so daß er über kurz oder lang zu der Einsicht kommt, daß es für sein Wohlergehen am besten ist, seinen Willen zu begrenzen und auf sein Können abzustimmen. Wenn man nicht kann, was man will, erscheint es sinnvoll zu wollen, was man kann. So wird die stoische Zielvorstellung vom Glück als einer Autonomie durch Beschränkung – in Übereinstimmung mit der Natur zu leben – heilsgeschichtlich in dem Sinn integriert, daß das Erreichen dieses Ziels für Augustin keine Sache der eigenen Kräfte, sondern eines göttlichen Gnadenerweises ist. Sie scheint sogar mit der christlichen Vorstellung vom paradiesischen Zustand des Menschen identisch zu sein, wie folgende Stelle nahelegt: „Denn obwohl er [der Mensch] im Paradiese vor dem Sündenfall nicht alles konnte, wollte er doch auch nicht, was er nicht konnte, und konnte darum alles, was er wollte“ (XIV 15). Und doch unterscheiden sich christliche Paradiesesvorstellung und stoisches Glücksideal von Grund auf dadurch, daß sie, wie Augustin betont, konträren Motiven und Ausgangslagen entspringen: Beim paradiesischen 16 civ. V 9. Zum Bösen als Bestandteil der göttlichen Ökonomie der Welt vgl. auch XI 17 und XX 19 (Antichrist).

Augustin über menschliche Freiheit (Buch V) Menschen verhält es sich so, daß er aus Überfluß an allem, was er brauchte, nicht wollte, was er nicht konnte; beim Menschen nach dem Sündenfall aber (der mißlichen Ausgangslage der Stoa) verhält es sich so, daß er aus Mangel an dem, was er braucht, sich bescheiden muß mit dem, was er hat.17 Aber die Differenz von Wollen und Können garantiert nicht nur eine Vereinbarkeit von göttlichem Willen und menschlicher Willensfreiheit; dieselbe Differenz ebnet zugleich den Weg für die Einsicht in die Divergenz von Vorauswissen und Vorherbestimmung Gottes. Das zeigt sich am deutlichsten an der weltbzw. heilsgeschichtlichen Rolle, die Augustin dem Bösen zudenkt. In V 10 bringt er dessen Vereinbarkeit mit der Allmacht Gottes auf die prägnante Formel: „Denn allmächtig nennt man ihn, weil er tut, was er will, und weil er nicht leidet, was er nicht will“. Das bedeutet: Das Böse geschieht nicht aus seinem Willen, aber doch auch nicht gegen seinen Willen, weil er zwar nicht den bösen, wohl aber den freien Willen seiner Geschöpfe will. Das bedeutet zugleich nicht, daß der Wille geschaffener Intelligenzen deswegen, weil er von Gott gewollt bzw. geschaffen ist, selbst, also in seinem Wollen, determiniert wäre. Gott kann vielmehr den geschaffenen Intelligenzen volle Willensfreiheit gerade deswegen einräumen, weil er die Folgen möglichen Handelns voraussieht und daher auch die Konsequenzen bösen Handelns in seinen Machtverteilungskalkül so einberechnen kann, daß sie der göttlichen Ökonomie nicht nur nicht zu schaden, sondern sie sogar zu stützen vermögen. Augustin erläutert dies an anderer Stelle im Zusammenhang der Erschaffung des Teufels: „Und da Gott, als er ihn schuf, seine künftige Bosheit nur zu genau kannte und voraussah, welche Güter er selbst aus dessen Übeln machen werde, deshalb sagt der Psalm: ,Das ist der Drache, den du gebildet hast, damit man ihn verspotte‘ (Ps 103,26), und meint damit, daß Gott, da er ihn bildete, und zwar in seiner Güte als einen Guten, schon in seiner Voraussicht Vorsorge

17 Vgl. XIV 25: „Aber zugegeben, es lebe einer, wie er will, weil er es sich abgerungen und auferlegt hat nicht zu wollen, was er nicht kann und nur das zu wollen, was er kann, so wie es bei Terenz heißt: ,Da das, was du willst, unmöglich ist, begehre das Mögliche‘: ist er etwa deshalb glücklich, weil er in seinem Elend geduldig ist? Denn das glückliche Leben hat man nicht, wenn man es nicht liebt“.

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Siegbert Peetz getroffen habe, wie er sich seiner auch als Bösen bedienen werde“ (XI 17; vgl. auch XX 19: Antichrist und Lehre vom katechon). Ad (3): Der dritte Gedankenschritt, den Augustin zugunsten seiner Kompatibilitätsthese durchführt, besteht in der Anwendung eines von dem der Stoa bewußt unterschiedenen Begriffs von Notwendigkeit in V 10. Für ein besseres Verständnis von Augustins Ausführungen zum Thema empfiehlt sich indessen ein Umweg über das dritte Buch von De libero arbitrio aus zwei Gründen: Einmal wendet Augustin hier diesen Begriff im Kontext des Freiheitsproblems zum ersten Mal an; zum zweiten ist gerade diese Darlegung neuerdings wieder zum Gegenstand einer kontrovers geführten Debatte um Augustins Begriff der Notwendigkeit geworden. Ausgelöst wurde die Diskussion durch einen bereits 1964 erschienenen Aufsatz von W. L. Rowe, an dem namentlich J. Hopkins und A. A. Pang Kritik geübt haben.18 Rowes These ist, daß es Augustin nicht gelingt, gegen Evodius’ Argumentation die Vereinbarkeit von göttlichem Vorauswissen und menschlicher Freiheit schlüssig zu verteidigen. Eine zentrale Rolle spielt in Rowes Argumentation der Begriff der Notwendigkeit. Rowe interpretiert ihn im Ausgang von ausgewählten Textstücken aus De libero arbitrio III 2,4; III 3,6; III 3,7; III 3,8 und De civitate dei V 10 in einem starken Sinn als kausale Notwendigkeit. Das heißt, auf das vorliegende Problem bezogen: Wenn es auf der Basis dieser kausalen Notwendigkeit notwendig ist, daß ein bestimmtes Ereignis eintreten wird, dann verursacht diese Notwendigkeit das Eintreten dieses Ereignisses. Es ergibt sich dann die folgende Schlußkette: (1) Was immer Gott vorausweiß, wird notwendigerweise geschehen. (2) Deswegen wird, wenn Gott vorausweiß, daß der Mensch sündigen wird, dieser notwendigerweise sündigen. (3) Wenn aber der Mensch notwendigerweise sündigen wird, hat er keinen freien Willen.

18 Vgl. Rowe 1964; Hopkins 1977; Pang 1994. – Zum Problemkomplex Willensfreiheit und Prädestination bei Augustin vgl. außerdem Rist 1969 und O’Daly 1989.

Augustin über menschliche Freiheit (Buch V) Läge Augustins Argumentation dieser Begriff von Notwendigkeit zugrunde, wäre Augustins These in der Tat nicht haltbar. Nun hat aber Pang gegen Rowe mit Recht geltend gemacht, daß der kausale Sinn von Notwendigkeit, den Rowe Augustin unterstellt, tatsächlich gar nicht von diesem, sondern von seinem Gesprächspartner Evodius in Anspruch genommen wird und Augustin selbst den Begriff Notwendigkeit in einem schwachen Sinn als konditionale Notwendigkeit versteht, die kausale Notwendigkeit hingegen implizit ablehnt (vgl. hierfür Pang 1994, 427). Daraus ergibt sich für Augustin ein in sich kohärentes Konzept von Notwendigkeit, welches seinen Gedankengang nunmehr als konsistent erscheinen läßt. Denn wenn es auf der Basis dieser konditionalen Notwendigkeit notwendig ist, daß ein bestimmtes Ereignis eintritt, dann ist das Eintreten dieses Ereignisses durch diese Notwendigkeit nicht verursacht, sondern nur mit ihr verbunden. Für eine konditionale Aussage bedeutet dies, daß die Notwendigkeit sich hier nicht auf den Inhalt der Aussage, sondern auf die Art der logischen Verknüpfung ihrer Glieder bezieht. Sie ist so zu verstehen, daß das Antecedens nicht ohne das Consequens der Fall sein kann, und zwar unabhängig davon, warum dies so ist. Im Ausgang von De libero arbitrio III 4,9–11 ergibt sich dann im Gegensatz zu Rowes Interpretation für Augustin selbst der folgende Gedankengang: (1) Es ist notwendig, daß, was immer Gott vorausweiß, geschehen wird. (2) Deswegen ist es notwendig, daß, wenn Gott vorausweiß, daß der Mensch sündigen wird, der Mensch sündigen wird. (3) Daraus folgt aber nicht, daß Gottes Vorauswissen zugleich die Ursache dafür ist, daß der Mensch sündigen wird. Also wird der Mensch nicht notwendigerweise, sondern aus freiem Willen sündigen. Es ist also festzuhalten: Selbst wenn es notwendig ist, daß, wenn Gott vorausweiß, daß der Mensch sündigen wird, dieser sündigen wird, so folgt daraus nicht, daß der Mensch gezwungenermaßen sündigen wird. Oder, mit Augustins anthropologischem Beispiel gesagt: „Wenn mich nicht alles täuscht, zwingst du doch den Betreffenden, von dem du im voraus weißt, daß er sündigen wird, nicht, daß er auf der Stelle sündigt“ (lib.arb. III 4,10).

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Siegbert Peetz Mit der Erörterung des Problems der Notwendigkeit in De libero arbitrio III ist zugleich der Horizont konturiert, vor dem Augustins Ausführungen zum Begriff der Notwendigkeit in V 10 gelesen werden müssen. Sie sind zentriert um den von der Stoa für die Bestimmung der Grenzen zwischen Eigenem und Fremdem konstitutiven Begriff des „to eph’hêmin“ (quae […] est in nostra potestate, V 10). Mit der Unterscheidung dessen, was in unserer Macht steht, von dem, was nicht in unserer Macht steht, umschreibt er den Bereich menschlicher Handlungsfreiheit (in Anknüpfung an Aristoteles, EN III 7). Im Blick auf ihn ist auch die stoische Ursachenlehre entworfen, vor deren Hintergrund Augustin hier sein Willenskonzept entfaltet. In ihr wird zwischen solchen Ursachen, welche der Notwendigkeit unterliegen, und solchen, welche ihr nicht unterliegen, unterschieden. Unter der Voraussetzung, daß nach stoischer Lehre Notwendigkeit mit dem identisch ist, was nicht in unserer Macht steht, ergibt sich, daß das Wollen selbst solcher – kausalen – Notwendigkeit nicht unterliegt. Daß es wirklich in unserer Macht steht, zeigt für Augustin vor allem sein spontaner Charakter. Denn „wenn wir wollen, ist es da, wenn wir nicht wollen, nicht: nicht nämlich würden wir wollen, wenn wir nicht wollten“ (V 10). Wollen und Wille erscheinen so als das, was uns unmittelbar zugänglich ist und was unmittelbar von uns ausgeht. Augustin nimmt in diesem Punkt Karneades’ Kritik an der Ursachenlehre der Stoa auf, wie man aus Ciceros Schrift De fato ersehen kann.19 Aber damit ist das, was Augustin hier vollzieht, in seiner Tragweite noch nicht zureichend erfaßt. Die Pointe seiner Operation besteht darin, daß er die Verwendung von Kategorien der Handlungsfreiheit auf das Gebiet der Willensfreiheit begrenzt und damit die menschliche Handlungsfreiheit selbst auf die Verfüg-

19 Karneades, Begründer der jüngeren Akademie, hatte auf die Möglichkeit verwiesen, daß die Epikureer ihre Behauptung der menschlichen Freiheit dadurch stark machen könnten, daß sie sie nicht auf die Lehre von der spontanen Bahnabweichung der Atome, sondern auf die von ihnen selbst gelehrte willentliche Selbstbewegung (animi motum voluntarium, vgl. Cic. fat. 23) stützten. Damit „könnten sie gegen Chrysipp leicht bestehen. Denn auch wenn sie einräumten, es gebe keine ursachenlose Bewegung, bräuchten sie noch lange nicht zuzugestehen, daß alles Geschehen aufgrund vorausgehender Ursachen erfolge: denn für den menschlichen Willen gebe es keine außerhalb seiner selbst liegenden vorausgehenden Ursachen“ (ebd.).

Augustin über menschliche Freiheit (Buch V) barkeit des eigenen Willens beschränkt. Damit aber nimmt er eine gravierende Verschiebung der Grenzen menschlicher Handlungsfreiheit vor. Denn wenn nur der Wille, nicht aber das, was der Wille will, in der Macht des Menschen steht, hängt die Realisierung dessen, was er will, nicht mehr von ihm selbst ab – der Mensch kann zwar sein Wollen, nicht aber sein Können selbst bestimmen. Sein Wille hat nur soviel Macht, als ihm von außen, d. h. für Augustin: vom allmächtigen göttlichen Willen, gewährt wird. In dieser Betonung der Differenz von Wollen und Können, der Augustin, wie oben erwähnt, in der terminologischen Unterscheidung von liberum arbitrium und voluntas Ausdruck verleiht, tritt zugleich die antipelagianische Stoßrichtung seines Denkens zutage: Pelagius war davon überzeugt, daß auch bei fehlendem Gnadenbeistand das Gute durch das liberum arbitrium realisiert werden könne. Demgegenüber hebt Augustin mit Bezug auf die beiden Momente des Willens auf den Unterschied von Natur und Gnade ab: Das liberum arbitrium ist ein Vermögen, welches dem Menschen von Gott als natürliche Gabe gegeben ist und ihm als solches auch nach dem Sündenfall erhalten bleibt; die (bona) voluntas hingegen bleibt der Gnade Gottes vorbehalten (vgl. c.ep.Pel. II 17; spir.et litt. 57; hierzu den Bok 1994, 259–262). In erster Linie gegen die Stoa argumentiert Augustin, wenn er in einem zweiten Schritt die Vereinbarkeit der konditionalen Notwendigkeit mit der Willensfreiheit am Beispiel des Willens Gottes und des Menschen zeigt. Wenn man sage, es sei notwendig, daß Gott immer lebe und alles vorauswisse, werde damit das Leben Gottes oder sein Vorauswissen nicht der (kausalen) Notwendigkeit unterworfen; ebenso verhalte es sich, wenn wir es notwendig nennen, daß wir, wenn wir wollen, auch freiwillig wollen. Es ist hier in jedem Fall unser freier Wille, der will, und dieser Wille bleibt als freier Wille auch dann bestehen, wenn er nicht erreicht, was er will. Die Einschränkung seiner Handlungsfreiheit bedeutet nicht die Aufhebung seiner Freiheit als Wille. Es stimme also nicht, so Augustin, daß deshalb nichts in unserem Willen steht, weil Gott im voraus weiß, was künftig in unserem Willen stehen wird. Also ergebe sich: est aliquid in nostra voluntate (V 10). Augustins in V 10 wiederholte These einer Vereinbarkeit von göttlichem Vorauswissen und menschlicher Freiheit enthält, wie

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Siegbert Peetz sich gezeigt hat, vor allem ein modallogisches Problempotential. Das erste Problem betrifft die Vereinbarkeit von menschlicher Freiheit und Notwendigkeit. Es wurde deutlich, daß Augustins These nur dann plausibel ist, wenn man zwei Arten von Notwendigkeit, kausale und konditionale Notwendigkeit, unterscheidet. Nur bei einem konditionalen Verständnis von Notwendigkeit ist in diesem Kontext menschliche Freiheit möglich. Daß Augustin seinen eigenen Begriff von Notwendigkeit in genau diesem Sinn gegen Evodius gebraucht, der ihn kausal versteht, hat, wie bereits erwähnt, die neuere Forschung gezeigt. Merkwürdig ist nur, daß sie dabei diejenigen Konzepte unbeachtet läßt, die im Horizont von Augustins Konzept eben diese Unterscheidung bereits explizit ausgearbeitet haben. Hier sind insbesondere die Konzepte von Anselm, Ockham und Leibniz zu nennen.20 Das zweite, mit dem Problem der Notwendigkeit verbundene Problem betrifft das göttliche Vorauswissen. Es handelt sich um das zeitlogische Problem der Wissensweise des Zukünftigen, welches sich aus der Asymmetrie von Vergangenheit und Zukunft ergibt. Denn schließlich hat die Zukunft eine Offenheit für Alternativen, welche die Vergangenheit nicht hat. Es ist möglich, ein zukünftiges Ereignis zu bewirken oder nicht zu bewirken; es ist aber nicht möglich, ein vergangenes Ereignis zu bewirken oder nicht zu bewirken. Weil die Zukunft offen ist, ist es auch nicht möglich, Zukünftiges als Zukünftiges zu wissen, da der Wahrheitswert von auf Zukünftiges bezogenen Aussagen deswegen nicht fixiert werden kann, weil er von zukünftigen Entscheidungen abhängig ist. Augustin ist sich dieser Schwierigkeit bewußt und zieht daraus die Konsequenz, daß auch Gott Zukünftiges als Zukünftiges nicht wissen kann – darin sind ihm Thomas von Aquin und im Kontext der neueren Diskussion A. N. Prior 1968 gefolgt. Die theologische Virulenz dieser Folgerung entschärft Augustin aber dadurch, daß er Gott eine andere Wissensweise des Zeitlichen insgesamt zuschreibt. Gott verfügt über ein Wissen derart, daß ihm das zeitlich Differente zeitlos, also ewig, gegenwärtig ist. In dieser Perspektive ist die Asymmetrie von Vergangenheit und Zukunft in eine Symmetrie 20 Hierfür aufschlußreich Øhrstrøm 1984, 209–222. Zu Leibniz speziell vgl. Jacobi 1980 und Liske 1993.

Augustin über menschliche Freiheit (Buch V) aufgehoben. Gott weiß das Zukünftige in der Weise, wie wir das Vergangene wissen. In De libero arbitrio heißt es: „So wie du mit deinem Gedächtnis keine vergangenen Taten erzwingst, so erzwingt auch Gott mit seinem Vorauswissen keine künftigen. Und gleich wie du dich an das erinnerst, was du getan hast, ohne alles getan zu haben, woran du dich erinnern könntest, so weiß auch Gott im voraus alles, dessen Schöpfer er ist, ohne jedoch alles hervorzubringen, was er im voraus wissen könnte“ (lib.arb. III 4,11). In De civitate dei charakterisiert Augustin die göttliche Wissensweise wie folgt: „Nicht auf unsere Weise blickt er auf Künftiges voraus oder auf Gegenwärtiges hin oder auf Vergangenes zurück, sondern auf eine andere, von unserer Art zu denken weit und hoch verschiedene. Denn sein Denken bewegt sich nicht wandelbar von diesem zu jenem, sondern ist ein gänzlich unwandelbares Schauen. Was zeitlich abläuft, was also, weil zukünftig, noch nicht ist, weil gegenwärtig, eben jetzt ist und, weil vergangen, nicht mehr ist, er erfaßt es alles in ruhender und ewiger Gegenwart“ (XI 21). Diese Lösung in bezug auf Gottes Vorauswissen ist später von Boethius und Thomas von Aquin übernommen worden und findet sich noch bei C. S. Peirce (hierzu Prior 1968, passim).

4.3 Wille ohne Macht Will man Augustins Konzept menschlicher Freiheit zusammenfassend charakterisieren, so ist dies am besten im Ausgang von seinem Willensbegriff möglich, den es in dieser Form vor Augustin so nicht gegeben hat. Ein erstes Merkmal des Begriffs liegt in der für ihn konstitutiven Duplizität seiner Momente: Er ist Streben (voluntas) und wertende Stellungnahme zu diesem Streben (liberum arbitrium) zugleich. Im Unterschied zu antiken Willenskonzepten – etwa dem des Aristoteles oder dem der Stoa (vgl. Rhet. I 10, 1369a2–4 bzw. Tusc.disp. 4,12) – ist er nicht mit rationalem Streben identisch, sondern dadurch gekennzeichnet, daß er sowohl rationales als auch irrationales Streben sein und sich zu beidem zustimmend oder ablehnend verhalten kann. In theoriegeschichtlicher Perspektive betrachtet, ist zu sagen, daß Augustin hier die Aristotelische Lehre vom Willen als rationalem Streben mit der

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Siegbert Peetz stoischen Lehre von der Zustimmung (synkatathesis) (1) verbindet und (2) sie jeweils um ihr Gegenteil, also um das Moment des irrationalen Strebens bzw. das Moment der Ablehnung, erweitert. Das zweite Merkmal des Begriffs besteht darin, daß Augustin, indem er den Willen als Streben und Stellungnahme zu diesem Streben faßt, den Unterschied von Willens- und Handlungsfreiheit in einem starken Sinn etabliert. Mit der Spaltung des Willens in die Momente liberum arbitrium und voluntas differenziert er klar zwischen der Freiheit zu wollen, was man wollen möchte, und der Freiheit zu tun, was man tun möchte. Beide Arten der Freiheit stehen in einem Verhältnis zueinander, welches deutlich wird, wenn man folgendes bedenkt: Das liberum arbitrium als Vermögen reflektierender Stellungnahme zu spontanen Willensregungen ist für Augustin eine nicht weiter ableitbare Urteilsinstanz, welche immer in unmittelbarer Verfügung des Menschen steht; sie ist damit so etwas wie sein personales Selbst. So legt Augustin in De civitate dei V 10 größten Wert auf folgende Feststellung: „Vielmehr darf man gerade deshalb nicht zweifeln, daß er selbst sündigt, wenn er sündigt, weil der, dessen Vorauswissen irrtumslos ist, vorausgewußt hat, nicht ein Schicksal, nicht ein Zufall noch sonst etwas anderes, sondern er selbst werde sündigen“ (Kursivierungen S. P.). Augustin konzipiert den in sich dupliken Willen des Menschen zudem als selbstursprünglich in einer Weise, welche dem Modell der causa sui sehr nahekommt, wie seine rhetorische Frage in De libero arbitrio zeigt: „Aber welche Ursache vor dem Willen wird es letzten Endes für den Willen geben können?“ (III 17,49). Die Selbstursprünglichkeit des Willens ist für ihn zugleich Gewähr für die Stabilität des liberum arbitrium. Ihm eignet gewissermaßen ein character indelebilis: „Wer von uns wollte behaupten, daß mit der Sünde des ersten Menschen das Vermögen freier Entscheidung dem Menschengeschlecht verlorenging? Die Freiheit zwar ging durch die Sünde zugrunde, aber das war jene Freiheit, die im Paradies herrschte […] denn das Vermögen freier Entscheidung ging im Sünder nicht so sehr verloren, daß durch es selbst hauptsächlich alle sündigen, die mit Lust und Liebe zur Sünde sündigen“ (c.ep.Pel. I 5). Das liberum arbitrium erscheint so als das unhintergehbare wie unzerstörbare Selbst des Menschen; seine Willensfreiheit ist unbeschränkt und unüberwindlich.

Augustin über menschliche Freiheit (Buch V) Die Spaltung des Willens in liberum arbitrium und voluntas hat also auf der einen Seite eine Willensfreiheit in einem starken Sinn zur Folge, die auf die Etablierung eines starken personalen Selbst hinausläuft. Auf der anderen Seite ist für Augustin die durch die Duplizität des Willens bedingte Stärkung des Selbst mit einer Schwächung seiner Macht gekoppelt. Der Wille ist frei, aber er hat aus sich keinen Handlungsspielraum, genauer: nur denjenigen Handlungsspielraum, der ihm von der göttlichen Allmacht eingeräumt wird21. Daß Augustin die Handlungsfreiheit des Menschen tendenziell aufhebt, wurde daran erkennbar, daß er sie strikt auf den Bereich der Bestimmung des Willens beschränkt und dementsprechend Kategorien der Handlungsfreiheit nur für den Bereich der Willensfreiheit gebraucht. Nicht zufällig wandelt er die Aussage des Karneades: est autem aliquid in nostra potestate in die Aussage: est aliquid in nostra voluntate ab (Cic. fat. 31 und Aug. civ. V 10). Als Hauptkonsequenz aus Augustins Konzept der menschlichen Freiheit ergibt sich somit der paradoxe Sachverhalt eines starken, aber ohnmächtigen Selbst. Die menschliche Willensfreiheit ist um den Preis ihrer Abkoppelung von der Macht erkauft, durch welche zugleich ihre Kompatibilität mit dem göttlichen Willen und Vorauswissen gesichert wird. Dieses Konzept eines Willens ohne Macht bedeutet, was seine Verlustseite betrifft, eine Minimierung menschlicher Handlungsfreiheit zugunsten von deren Einschreibung in den Wirkbereich göttlicher Gnade; das unterscheidet es grundlegend von den primär an Handlungsfreiheit interessierten Freiheitstheorien der Antike. Die ungeheure Wirkmächtigkeit von Augustins „Wille ohne Macht“ ist bekannt; noch Nietzsches „Wille zur Macht“ steht im Bann der durch Augustin inaugurierten Tradition. Das Konzept eines Willens ohne Macht bedeutet andererseits, was seine Gewinnseite angeht, die Entdeckung einer Freiheit im Wissen, welche der Theorie des Geistes eine praktische 21 Vgl. hierzu civ. V 10: „Denn wenn da bloß ein Wille wäre und nicht könnte, was er wollte, so läge dies daran, daß er durch einen mächtigeren Willen daran gehindert würde; und dennoch bliebe er auch dann als Wille bestehen; er wäre dann Wille nicht eines anderen, sondern der Wille dessen, der will, auch wenn er das, was er wollte, nicht vollbringen könnte. Was daher der Mensch wider seinen Willen erleidet, soll er nicht dem Willen anderer Menschen oder der Engel oder irgendeines erschaffenen Geistes zuschreiben, sondern vielmehr dem Willen dessen, der den Wollenden die Macht verleiht“.

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Siegbert Peetz sowie eine temporale Dimension erschließt und – vor allem in De trinitate – Konturen einer Theorie der Personalität vorzeichnet, auf die hier nur noch hingewiesen werden kann.22

Literatur Arendt, H. 1979: Vom Leben des Geistes, Bd. II: Das Wollen, München/Zürich (engl. 1978). Benz, E. 1932: Marius Victorinus und die Entwicklung der abendländischen Willensmetaphysik, Stuttgart. Clark, M. T. 1990: Was St. Augustine a Voluntarist? in: Studia Patristica XVIII, Bd. 4, 8–13. Davidson, D. 1990: Wie ist Willensschwäche möglich? (1970) in: ders.: Handlung und Ereignis, Frankfurt (engl. 1980). Dihle, A. 1985: Die Vorstellung vom Willen in der Antike, Göttingen (engl. 1982). Hopkins, J. 1977: Augustine on Foreknowledge and Free Will, in: International Journal for Philosophy of Religion 8, 111–126. Horn, C. 1996: Augustinus und die Entstehung des philosophischen Willensbegriffs, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 50, 113–132. Jacobi, K. 1980: Locke und Leibniz über den Begriff der menschlichen Freiheit und über die Motivation menschlichen Wollens und Wählens (Ess. – Nouv.Ess. IIc.21) (1977), in: Studia Leibnitiana Suppl. XIX, Bd. 1, 194–205. Kahn, C. 1988: Discovery of the Will: From Aristotle to Augustine, in: J. M. Dillon/A. A. Long (Hgg.), The Question of Eclecticism, Berkeley, 234–259. Kirwan, C. 1984: Rez. A. Dihle, The Theory of Will in Classical Antiquity, in: The Classical Review 34, 335–336. Liske, M.-T. 1993: Leibniz’ Freiheitslehre. Die logisch-metaphysischen Voraussetzungen von Leibniz’ Freiheitstheorie, Hamburg. O’Daly, G. J. P. 1989: Predestination and Freedom in Augustine’s Ethics, in: G. Vesey (Hg.), The Philosophy in Christianity, Cambridge, 85–97. Øhrstrøm, P. 1984: Anselm, Ockham and Leibniz on Divine Foreknowledge and Human Freedom, in: Erkenntnis 21, 209–222. Pang, A. A. 1994: Augustine on Divine Foreknowledge and Human Free Will, in: Revue des Études Augustiniennes 40, 417–433. Prior, A. N. 1968: The Formalities of Omniscience, in: ders., Papers on Time and Tense, Oxford. Rist, J. M. 1969: Augustine on Free Will and Predestination, in: Journal of Theological Studies 20, 420–447. Rowe, W. L. 1964: Augustine on Foreknowledge and Free Will, in: The Review of Metaphysics 18, 356–363.

22 Insofern stimme ich mit dem Statement von M. T. Clark völlig überein, daß Augustin kein Voluntarist, sondern ein Personalist sei, vgl. Clark 1990.

Die Platoniker und die civitas dei (Buch VIII–X)

Therese Fuhrer

Die Platoniker und die civitas dei (Buch VIII–X)

Augustin lernte die platonische Philosophie in der Zeit vor seiner Bekehrung in Mailand kennen und konnte dabei an eine bestehende christliche Tradition anknüpfen, die platonische und christliche Lehren zu vereinbaren suchte. Der Platonismus blieb von da an für Augustin ein System, welches ihm die Möglichkeit bot, bestimmte Fragen der christlichen Religion rational zu klären: mit der rein geistigen Gottesvorstellung, der Vorstellung einer immateriellen Welt, der Erkenntnislehre, in der ein empirischer und ein intelligibler Erkenntnisbereich unterschieden werden und gemäß der die Gotteserkenntnis allein durch die Hinwendung zum intelligiblen Bereich erlangt werden kann. Seit seinen Frühschriften hat Augustin aber immer auch die fundamentalen Unterschiede zwischen platonischer und christlicher Lehre hervorgehoben, die hauptsächlich die Vorstellung der Menschwerdung Gottes betreffen. Diese fundamentale Kritik an der platonischen Philosophie und an den Platonikern bezieht er in verschiedenen seiner Schriften in die Argumentation mit ein, und sie darf auch in De civitate dei nicht fehlen, wo die Abgrenzung der christlichen Religion gegenüber den heidnischen Kulten die Argumentation der Bücher I–X bestimmt. In den Büchern VIII–X macht er die platonische Theologie zuerst mit seinem Konzept der zwei civitates kompatibel, evaluiert sie dann im Vergleich mit den christlichen Vorstellungen vom Heilsweg und der Aufnahme ins Reich Gottes und verwirft sie schließlich. Augustins Ausführungen in diesem Teil der Schrift enthalten somit sowohl eine Würdigung der platonischen Leh-

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Therese Fuhrer re, die als einzige heidnische Philosophie die civitas dei richtig bestimmt habe, als auch eine Anklage gegen die Platoniker, weil sie den Zugang zur civitas dei nicht nur der Masse der Menschen nicht gezeigt hätten, sondern weil sie sogar für deren Scheitern auf dem Weg dorthin verantwortlich seien. Augustin fällt dieses Verdikt gegen die Platoniker jedoch nicht, ohne einerseits ihre Leistungen und andererseits ihre Fehler genau darzulegen.

5.1 Zum Inhalt von Buch VIII–X Augustins Auseinandersetzung mit der platonischen Philosophie in den Büchern VIII–X bildet den letzten Abschnitt des ersten Hauptteils (Bücher I–X) von De civitate dei, der sich gegen die Verfechter heidnischer Kulte richtet; innerhalb dieser Refutatio gehört der Abschnitt zu dem – auch bezüglich seiner Entstehungszeit (417 n. Chr.) eigenständigen – Teil, der sich mit denjenigen Menschen befaßt, „die glauben, die kultische Verehrung der Götter sei wegen des künftigen Lebens nach dem Tod beizubehalten“ (Bücher VI–X). Infolge dieser Abkehr von den Zielsetzungen und Belangen im Diesseits steht von nun an nicht mehr das Schicksal des römischen Staates im Zentrum des Interesses, wie dies in den Büchern II–V der Fall war: Nun ist klar, daß Rom nicht mit der civitas dei identifiziert werden kann, d. h. mit derjenigen (spirituellen) „Gemeinschaft von Bürgern“, welche die Engel und die durch Gottes Gnade Auserwählten umfaßt, die sich entweder auf Erden „in der Fremde“ (peregrinantes in terra) oder im „himmlischen Vaterland“ befinden. Die Mitbürgerschaft in der civitas dei kann somit nicht durch das Bemühen um das „Wohlergehen der menschlichen Angelegenheiten“ (die prosperitas rerum humanarum) erreicht werden. Im zweiten Teil der Refutatio, in den Büchern VI–X, geht es nun also um die Frage, ob diejenigen Menschen, deren Religiosität durch das Streben nach einer außerweltlichen beatitudo motiviert ist, Mitglieder der civitas dei sein oder werden können. Den Adressaten dieses zweiten Teils wird zwar insgesamt bereits eine höhere Wertschätzung entgegengebracht als den Gegnern der Bücher II–V, die nur auf eine diesseitige beatitudo ausgerichtet sind. Doch innerhalb dieses Teils soll in den Büchern VIII–X der Auseinandersetzung mit den Philosophen nun nochmals ver-

Die Platoniker und die civitas dei (Buch VIII–X) mehrte Aufmerksamkeit zuteil werden als den anderen Gegnern. Gemäß dem Schema der drei varronischen Kategorien der Theologie (der theologia tripertita) sind die Philosophen die Vertreter der theologia naturalis (der „physischen“ oder „natürlichen Götterlehre“): Die Philosophen befassen sich mit Naturwissenschaft, Logik und Ethik und stehen daher über den Vertretern der Staatsreligion und der Mythologie (der theologia civilis bzw. fabulosa), die Augustin in den Büchern VI–VII widerlegt hat und denen er damit die Mitbürgerschaft in der civitas dei abspricht. Denn die Philosophen befassen sich nicht nur – wie die Dichter – mit den Mythen, die im Theater dargestellt werden, oder – wie die Bürger und die Priester (die cives und die sacerdotes) – mit den Staatskulten, sondern mit dem Kosmos (dem mundus).

5.1.1 Würdigung der platonischen Lehre (Buch VIII 1–12) Gegner der Auseinandersetzung in den Büchern VIII–X sind nun aber nicht alle Vertreter der theologia naturalis, d. h. alle Philosophen, sondern Augustin konzentriert sich auf die Widerlegung der Platoniker; denn (1) sie haben Gott erkannt und kommen daher mit ihrer Gottesvorstellung der christlichen Lehre sehr nahe (Gott ist unkörperlich und unveränderlich, der Schöpfer und Lenker der Welt und der Weltseele, der somit über jeder Seele steht, der die menschliche Seele erleuchtet und zur beatitudo führt). Die Platoniker werden damit trotz ihrer polytheistischen Lehre über diejenigen Philosophen gestellt, die eine materialistische Gottesvorstellung haben (wie die Stoiker und die Epikureer) oder die wie Varro die (Welt-)Seele als den einzigen Gott verehren. (2) Sie sehen das höchste Ziel des Menschen (die beatitudo) darin erfüllt, Gott zu „genießen“ (deo frui), was der biblischen Formulierung des höchsten Ziels, „Gott anzuhangen“ (deo adhaerere nach Ps 72, 28), nahe kommt (VIII 8). (3) Sie haben aufgrund von Platons Dreiteilung der Philosophie „vielleicht“ den trinitarischen Gott erkannt (VIII 4). Unter den philosophi, d. h. den „Liebhabern der Weisheit“ (den amatores sapientiae), können höchstens sie zu den „Liebhabern der wahren Weisheit“ (den amatores v e r a e sapientiae) gehören, da sie gemäß der Gleichung „wahre Weisheit“ = Gott

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Therese Fuhrer (vera sapientia = deus) auch „Liebhaber Gottes“ (amatores dei) sind.1 Sie stehen damit über allen anderen Gegnern, mit denen sich Augustin in den Büchern I-VII auseinandergesetzt hat, (a) insofern als sie die beatitudo im Jenseits ansetzen (Abgrenzung zu den Gegnern in den Büchern II-V; Einschränkung auf die theologia); (b) insofern als ihre Lehre den ganzen Kosmos umfaßt (Abgrenzung zu den Gegnern in den Büchern VI-VII; Einschränkung auf die theologia naturalis); (c) insofern als ihre Gottesvorstellung „wahr“ ist (Abgrenzung zu den übrigen Philosophen; Einschränkung auf die amatores v e r a e sapientiae). Begründet wird dieses Urteil in einem philosophiegeschichtlichen Abriß, den Augustin in Platon kulminieren läßt (VIII 4), dessen Lehre zum einen auf die italische Schule (des Pythagoras) zurückgeht, wo die Vorstellung des Menschen als „Liebhaber der Weisheit“ (als philo-sophus), der selbst nicht weise sein kann, ihren Ursprung hat.2 Zweitens basiert sie auf der ionischen Naturphilosophie und drittens – nicht zuletzt – auf der Moralphilosophie von Platons Lehrer Sokrates, der sich mit der ethischen „Reinigung“ des Menschen befaßt hat. Dabei wird öfter betont, daß die platonische Philosophie der christlichen Lehre so nahe komme wie keine andere und daß die Platoniker „in vielen Dingen“ mit den Christen übereinstimmen (I 36 p. 52, 23f.: nobiscum multa sentiunt). So ist der Leser dieses ersten Abschnitts von Buch VIII (Kap. 1–11) fast geneigt zu denken, der Platonismus würde sich kaum von der christlichen Lehre unterscheiden – abgesehen von dem Umstand, daß Platon das historische Ereignis der Geburt Christi nicht erlebt und in seiner Lehre berücksichtigt haben kann. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Erörterung der bekannten Frage, ob nicht Platon den Propheten Jeremias gehört bzw. die alttestamentarischen Schriften der Propheten gelesen habe (VIII 11); Augustin verneint die Frage hier zwar,

1 Mit der Gleichung sapientia = deus bzw. philosophia = amor dei interpretiert Augustin die bekannte Übersetzung des gr. Begriffs philosophia platonisch (mit Bezug auf die platonische erôs-Metaphorik); dazu Regen 1983, 211 f. 2 Nach Plat. Phaedr. 278d (sophos ist nur Gott, der Mensch dagegen kann nur philosophos sein). Als Autor des Begriffs philosophia gilt Pythagoras.

Die Platoniker und die civitas dei (Buch VIII–X) schließt aber die Möglichkeit, daß Platon den Inhalt der Schriften auf mündlichem Weg erfahren habe, nicht aus.3 Nochmals wird also die Nähe der beiden Lehren hervorgehoben, und Platon wird sogar das Verdienst zugesprochen, neben Moses in Exodus 3, 14 das Wesen Gottes als einziger ontologisch richtig erfaßt zu haben. Der entscheidende Unterschied zwischen christlicher und platonischer Lehre wird allerdings bereits zu Beginn der Auseinandersetzung mit den Platonikern hervorgehoben: Wie die anderen heidnischen Theologien beschränkt sich auch die platonische Theologie nicht auf die Verehrung des „einen unveränderlichen Gottes“ (unus incommutabilis deus), sondern ist polytheistisch (VIII 1). Wenn man als Leser der darauf folgenden Ausführungen am Anfang von Buch VIII dennoch dazu neigt, diesen Umstand außer acht zu lassen, so wird man spätestens in Kap. 12 wiederum zur Ausgangsfrage von Buch VI zurückgeführt, die im folgenden die Diskussion der platonischen Theologie bestimmt: „ob man wegen der künftigen Glückseligkeit nach dem Tod einem Gott oder vielen Göttern Opfer darbringen solle“ (VI 12). Den Platonikern wird damit klar eine Gegenposition zum christlichen Monotheismus zugewiesen: Die Prosopographie der Philosophiegeschichte, die in Kap. 4 bei Platon stehengeblieben war, wird nun in Kap. 12 in Form einer Aufzählung der Nachfolger Platons bis zu den namhaftesten „neueren“ Vertretern der Akademie, den Platonici Plotin, Iamblich, Porphyrios und Apuleius, weitergeführt, und am Schluß des Kapitels steht die Feststellung: „Doch haben sie alle, wie auch die anderen Vertreter ihrer Lehre und auch Platon selbst, geglaubt, daß man vielen Göttern Opfer darbringen müsse“ (VIII 12).4

5.1.2 Die Wesensbestimmung der von den Platonikern verehrten Götter (Buch VIII 13–27) Der folgenden Abhandlung wird nun die Frage vorangestellt, ob – gemäß der platonischen Theologie – nur den „guten“ oder nur den „schlechten“ oder allen Göttern kultische Verehrung 3 Anders in doctr.chr. II 28,43. 4 Der Kultbegriff Platons und der Platoniker wird von Augustin undifferenziert

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Therese Fuhrer entgegengebracht werden soll. Als Grundlage der Argumentation dient Augustin die Meinung Platons, daß alle Götter gut seien. Im Anschluß daran bringt er die in der antiken christlichen Literatur verbreitete These vor, daß es sich bei den Göttern, die kultische Verehrung in Form von Schauspielen fordern und die Platon wegen ihrer sittlichen Anstößigkeit aus seinem Idealstaat verbannt, gar nicht um Götter, sondern um Dämonen handeln müsse.5 Diese sind gemäß den Ausführungen des Mittelplatonikers Apuleius erklärtermaßen schlecht (vgl. Abschnitt 5.1.3). Die Dämonen, die zwar einen unsterblichen Leib besitzen, denen aber die Menschen in vielen Bereichen überlegen sind, verdienen somit keine kultische Verehrung, zumal sie Eigenschaften aufweisen bzw. Tätigkeiten ausüben, welche die Platoniker selbst ablehnen (sie sind den Affekten unterworfen und leisten Beihilfe bei Zauberpraktiken). Sie sind nichts anderes als aus dem oberen Teil des Himmels verstoßene Wesen (d. h. gefallene Engel; vgl. dazu Abschnitt 5.1.3). Trotzdem werden diese Dämonen wegen ihrer Mittler-Funktion zwischen Göttern und Menschen kultisch verehrt, da die Götter selbst gemäß platonischer Theorie nicht mit sterblichen Körpern in Berührung treten können. Dies führt zur Kritik an der Vorstellung von Göttern, die einerseits mit den schlechten Dämonen verkehren sollen, andererseits aber auch nicht mit einem „guten“ Menschen, nicht einmal mit dem „guten“ Platon. Diese Vorstellung ist aber ohnehin widersinnig: Da die (schlechten) Dämonen den (guten) Göttern feind sind, können sie nicht als Vermittler zwischen ihnen und den Menschen fungieren. Die Verehrung der Dämonen im Kult bringt die Menschen also nicht zum erstrebten Ziel, zur Glückseligkeit im Jenseits. Die guten Götter sind andererseits nichts anderes als „gute“ bzw. „heilige“ Engel, und diese verlangen keine kultische Verehrung. Vielmehr sind sie in ihrem glückseligen Dasein das Vorbild der Menschen, die denn auch ihre Gemeinschaft erstreben (vgl. dazu Abschnitt 5.1.4). Auch die christlichen Märtyrer werden dementsprechend nicht kultisch verehrt. verwendet; auf die bestehenden Unterschiede der Vorstellungen innerhalb des Platonismus weist Kobusch 1983, 107–114 hin. 5 Zu Augustins Ausführungen zur (platonischen) Dämonenlehre vgl. van der Nat 1976, bes. 718; Rémy 1979, 180–272.

Die Platoniker und die civitas dei (Buch VIII–X) Aufgrund der Ausführungen von Buch VIII 13–27 kommt Augustin zu folgendem Fazit: Die Dämonen verdienen, insofern sie schlecht sind, keine kultische Verehrung um der künftigen Glückseligkeit nach dem Tod willen (VIII 27).

5.1.3 Die Dämonen als Mittelwesen zwischen Gott und Mensch (Buch IX) Den Ausführungen von Buch IX wird nun eine neue Fragestellung zugrunde gelegt: Gibt es etwa auch gute Dämonen, die als Mittler zwischen Menschen und Göttern fungieren und den Menschen zur jenseitigen Glückseligkeit führen können, die deshalb tatsächlich Verehrung verdienen?6 Apuleius beschreibt die Dämonen allerdings generell als von Affekten beherrschte Wesen, deren Seelen minderwertig sind im Vergleich mit den menschlichen Seelen; zwar besitzen sie einen unsterblichen Körper,7 doch steht ja der Leib gemäß platonischer Lehre unter dem Wert der Seele. Sie haben zwar eine Mittelstellung zwischen Göttern und Menschen, aber nur insofern, als sie mit den Göttern die Unsterblichkeit des Körpers und mit den Menschen, die zumindest im Diesseits die „Glückseligkeit“ nicht erlangen können, den Zustand der „Unseligkeit“ (der miseria) gemeinsam haben. Damit wird sowohl die Möglichkeit bestritten, daß es gute (d. h. „glückselige“) Dämonen gebe, als auch die Vorstellung abgelehnt, daß die Dämonen „gute“ Mittler zwischen Menschen und Göttern sein könnten. Auch wenn sie Mittelwesen sind, haben sie doch in ihrer miseria dazu die falschen Voraussetzungen; sie versperren vielmehr den Weg zur Glückseligkeit, als daß sie ihn weisen (vgl. dazu Abschnitt 5.2.1). Der „gute“ und „wahre“ Mittler, der die Menschen aus der „Unglückseligkeit der 6 Die Frage ist gestellt mit Bezug auf die heidnisch-philosophische Tradition, die – im Gegensatz zur christlichen (vgl. IX 19) – gute und böse Dämonen unterscheidet; dazu van der Nat 1976, 716 f. Die Annahme schlechter Dämonen ist jedoch erst nach-platonisch (vgl. ter Vrugt-Lentz 1976, 614). 7 Zur Dämonologie des Apuleius vgl. jetzt Bernard 1994. Für die Frage der (fleischlosen) Körperlichkeit der Dämonen, die für Augustin nicht ganz unproblematisch war (vgl. civ. XV 23 und XXI 10), vgl. van der Nat 1976, 730–732 und 759.

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Therese Fuhrer Sterblichen“ (der mortalis miseria) hinaus und zur „Glückseligkeit der Unsterblichen“ (zur beata inmortalitas) führt, muß folglich ein Wesen sein, das sowohl Mensch als auch Gott ist, indem es sterblich und glückselig ist. Doch welches Wesen kann diese Bedingungen erfüllen? Die guten Götter bzw. Engel sind keine solchen Mittelwesen, weil sie sowohl selig als auch unsterblich sind. Also erfüllt einzig Christus die Bedingungen: Er allein hat – als menschgewordener Gott, d. h. als beatus und als mortalis – die Sterblichkeit überwunden (mortalitate transacta) und kann somit die Menschen zur Glückseligkeit und zur Unsterblichkeit führen. Dem Einwand der Platoniker, daß die Vorstellung des menschgewordenen Gottes ihrem Axiom nullus deus miscetur homini („kein Gott tritt mit Menschen in Berührung“) widerspreche, hält Augustin seinerseits eine platonische Vorstellung entgegen: Die Annahme von Dämonen, die sich durch den Kontakt mit den Menschen „beflecken“ und anschließend die Götter kontaktieren, werde diesem Axiom ebensowenig gerecht. Der „gute Mittler“ (mediator bonus) „reinigt“ dagegen die Menschen und wird selbst trotz der Berührung mit dem Fleisch nicht befleckt. Eine solche Reinigung der Menschen vermögen die Dämonen dagegen nicht zu vollbringen – im Gegenteil: Sie ziehen die Menschen, die mit ihnen in Kontakt treten, vielmehr von Gott weg. Sie bzw. ihr Fürst werden daher faktisch mit den gefallenen Engeln bzw. mit dem Satan gleichgesetzt.8 Das Fazit der Ausführungen von Buch IX lautet analog zur Schlußfolgerung aus Buch VIII: Da die Dämonen in ihrer Funktion als Mittler die Menschen nicht zur Glückseligkeit führen können, gebührt ihnen auch keine kultische Verehrung (IX 23). Bezüglich ihrer Vorstellung von „guten“ Göttern (= guten Engeln) und „bösen“ Dämonen (= gefallenen Engeln, z. T. auch Göttern der nicht-platonischen Heiden) stimmen die „besseren“ Platoniker zwar mit den Christen überein (IX 23); man spricht also – wie Augustin in guter rhetorischer und apologetischer Tradition betont – trotz der verschiedenen Nomenklatur von denselben Dingen bzw. Wesen. Allerdings vertreten die Platoniker insofern eine falsche Lehrmeinung, als sie die Mittlerdienste 8 Zur Gleichsetzung von Dämonen und gefallenen Engeln in der christlichen Tradition vgl. van der Nat 1976, 724–26; Michl 1962, 132 f. und 198.

Die Platoniker und die civitas dei (Buch VIII–X) zwischen Mensch und Gott allein den Dämonen überlassen und den guten Göttern bzw. den guten Engeln auf der Grundlage des Axioms nullus deus miscetur homini nicht zugestehen, geschweige denn daß sie Christus als wahren Mittler anerkennen würden.

5.1.4 Die Fähigkeiten des wahren Mittlers: Die Reinigung und Befreiung der Menschen (Buch X) Buch IX schließt mit einem Vorverweis auf die Frage, die in Buch X an erster Stelle erörtert werden soll: ob man glauben soll, daß die Götter bzw. die (guten) Engel von den Menschen kultische Verehrung und Opfer verlangen (IX 23). Die Frage wird entsprechend der christlichen Tradition sogleich verneint: Verehrung gebührt nur dem höchsten Gott. Dies müßten auch die Platoniker zugeben, da sie ja Gott erkannt haben und über die richtige Gottesvorstellung verfügen; doch erliegen sie gerade deswegen dem Hochmut und leiten die Menschen in die Irre bzw. halten sie nicht vom Irrtum des Götter- und Dämonenkults ab (X 1 und 3). In einem kurzen Exkurs (X 1–6) wird nun erst einmal geklärt, welche Bedeutung und welche Form der kultischen Verehrung zukommt: Um das erstrebte Ziel, die Gemeinschaft mit Gott (deo adhaerere), zu erreichen, müssen die Menschen in sich selbst als Tempel ihre Demut bzw. ihre Seele bzw. sich selbst Gott als Opfer darbringen unter der Priesterschaft Christi. Daß dieser Kult allein dem höchsten Gott gebührt, wird den Menschen durch die Engel kundgetan und durch Wunder deutlich gemacht. Anknüpfend an die Darstellung der alttestamentarischen Wunder kommt Augustin im folgenden auf die Theurgie und Magie zu sprechen. Referenzperson ist von nun an der Neuplatoniker Porphyrios, der in seinen Schriften die Wirkung und Praktiken von Theurgie und Magie diskutiert und dabei im Gegensatz zu Apuleius die Möglichkeit einräumt, daß die Menschen die Dämonen damit erfolgreich beeinflussen könnten. Allerdings nimmt Porphyrios selbst gegenüber diesen Praktiken – wie in seinem Urteil über die Dämonen überhaupt – eine kritische Haltung ein (die Theurgie bewirke höchstens die „Rei-

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Therese Fuhrer nigung“ des unteren Seelenteils, könne aber nicht die höchste Erkenntnis vermitteln); doch spricht er sich nicht mit Überzeugung dagegen aus. Augustin stellt seinerseits die Wirkung der Magie ebenfalls nicht in Abrede, verurteilt sie aber klar und setzt ihr die Wunder, die den Menschen von Gott und den guten Engeln übermittelt werden, entgegen;9 den Dämonen stellt er die christlichen Märtyrer gegenüber (die er in seinem synkretistischen Bemühen mit den heidnischen Heroen vergleicht), welche die Dämonen mit Gottes und mit Christi Hilfe besiegen werden (vgl. XVIII 50). Damit stellt Augustin klar, daß der Mensch allein mit Gottes Hilfe von den Sünden gereinigt werden kann; die Dämonen, die selbst unrein sind, können diese Reinigung dagegen nicht erwirken. Ein von Porphyrios referiertes Orakel schreibt die reinigende Kraft denn auch nicht den Dämonen, sondern den „Urgründen des Seins“ (den principia) zu, die Augustin mit Gott Vater und Gott Sohn identifiziert. Porphyrios selbst spreche zudem vom „väterlichen Geist“ (der paterna mens bzw. dem patrikos nous), der allein die menschliche Unwissenheit tilgen könne.10 Er habe aber nicht erkannt, daß das principium, dem die paterna mens entspricht, Christus ist, sondern er habe sich vielmehr offen dagegen ausgesprochen, daß Christus als Mittler die Reinigung bewirken könne.11 9 Damit soll offenbar indirekt der heidnischen Gleichsetzung der alttestamentarischen Wunder und der Wundertaten Christi mit dem Dämonenzauber entgegnet werden. Ebenso wird die trügerische Divination der Dämonen den Weissagungen der biblischen Propheten gegenübergestellt (civ. X 31 p. 458, 6 ff.). Zu dieser Argumentation in der antiken christlichen Literatur vgl. van der Nat 1976, 745–749. 10 Der Heilige Geist ist gemäß den Ausführungen Augustins in X 23 in Porphyrios’ Lehre nicht mit berücksichtigt, es sei denn er lasse sich mit dessen Vorstellung des „Mittleren“ zwischen „Vater“ und „Sohn“ identifizieren; in dieser Beziehung sei Porphyrios somit Plotin überlegen, der seinen drei Hypostasen drei verschiedene Seinsstufen zuweist und damit einer subordinatianischen Trinitätslehre Vorschub leiste. Augustin ist sich jedoch offensichtlich nicht im Klaren bezüglich Porphyrios’ trinitarisch interpretierbaren Vorstellungen; dazu Rémy 1979, 110–114; TeSelle 1974, 125 f. 11 Bei der Vorstellung der „Reinigung“ besteht der Gegensatz zwischen platonischer und christlicher Lehrmeinung darin, daß aus christlicher Sicht die Reinigung in einer Befreiung von der Sünde besteht, die auf die Erbsünde zurückgeht (vgl. XIII 23), während für die Platoniker die Seele durch ihren Aufenthalt im Leib beschmutzt ist. Dazu Pannenberg 1985, 154–157.

Die Platoniker und die civitas dei (Buch VIII–X) Daraus ergibt sich folgendes Fazit von Buch X und gleichzeitig der gesamten Refutatio der platonischen Theologie: Die Platoniker sehen zwar dank ihrer richtigen Gotteserkenntnis das Ziel. Sie wollen aber in ihrem Hochmut den Weg, d. h. Christus, nicht anerkennen und begehen; sie lehnen die christliche Lehre ab aufgrund der darin zentralen Vorstellung von Gottes Fleischwerdung und Kreuzestod, die dem platonischen Prinzip omne corpus est fugiendum widerspricht, sowie aufgrund der Vorstellung von der Auferstehung des Leibes.12 Damit verbauen sich die Platoniker jedoch selbst den „universalen Weg zur Befreiung der Seele“ (die animae liberandae universalis via): Allein dieser Weg kann alle Menschen aus dem Elend der Sterblichkeit zur Glückseligkeit führen. Die Autorität, die den Menschen den Weg weist, gesteht Porphyrios denn auch keiner Philosophie zu, also auch nicht der eigenen; damit spricht er ihr das Prädikat einer verissima philosophia, das ihr wegen ihrer wahren Gottesvorstellung eigentlich zukommen könnte, selbst ab (X 32).

5.2 Die Intention der Ausführungen in Buch VIII–X Der Grundgedanke des ganzen Abschnitts von civ. VIII–X wird bereits am Anfang, d. h. schon in den Ausführungen von Buch VIII, deutlich: Die Dämonen sind schlecht und können deshalb den Menschen nicht zur Glückseligkeit im Jenseits verhelfen; also verdienen sie keine kultische Verehrung, die allein dem höchsten Gott gebührt; die im Kult erbetene Mittlertätigkeit, die von den Platonikern den Dämonen zugesprochen wird, kann allein Christus erfüllen. In allen drei Büchern werden somit – mit unterschiedlicher Gewichtung – dieselben oder ähnliche Argumente gegen den Polytheismus bzw. die Dämonenlehre der Platoniker mehrmals wieder aufgenommen; struktu-

12 Die Vorstellung, daß der ewige, unveränderliche nous sich in einen menschlichen vergänglichen, veränderlichen Körper begibt, ist der neuplatonischen Vorstellung vom Aufstieg der Seele zum „Einen“ geradezu diametral entgegengesetzt; dazu Zintzen 1965, 85 und 88. Augustin spricht allerdings nur die Vermutung aus, daß dies für die Platoniker ein Grund sein könnte, die christliche Lehre abzulehnen; dazu Pannenberg 1985, 153.

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Therese Fuhrer riert sind die Darlegungen durch jeweils modifizierte Fragestellungen an den Buchenden bzw. -anfängen: Welche Götter sollen kultisch verehrt werden (die guten oder die schlechten)? (VIII 13); gibt es (gute) Dämonen, die kultische Verehrung verdienen? (IX 1); sollen die Menschen die Engel kultisch verehren? (X 1). Angesichts der klaren Position Augustins wirken die Fragen eher rhetorisch, dienen aber dazu, die Diskussion und Widerlegung verschiedener platonischer Thesen anschließen zu können, die öfter in Form von Zitaten aus Schriften von Apuleius und Porphyrios vorgebracht werden. Die Bücher VIII–X von De civitate dei haben nicht zuletzt wegen dieses Zitatenschatzes vorwiegend das Interesse derjenigen Forscher auf sich gezogen, die sich mit Augustins Platonismuskritik aus Interesse an den verwendeten Quellen befaßten. Dabei wird oft außer acht gelassen, daß die Platoniker-Widerlegung, der letzte und erklärtermaßen wichtigste Teil der Refutatio, auch innerhalb der ganzen Schrift eine bestimmte Funktion zu erfüllen hat. Es bleibt also die Frage, welche Rolle die Ausführungen von De civitate dei VIII–X für die Zielsetzung der ganzen Schrift spielen, d. h. inwiefern die platonische Theologie für Augustins Konzept der zwei civitates relevant ist und die prominente Behandlung in den Büchern VIII–X rechtfertigt.

5.2.1 Die Kompatibilität platonischer und christlicher Vorstellungen Augustin stellt den Erörterungen der Bücher VIII–X eine Würdigung der Person und Lehre Platons voran, dessen Gottesvorstellung als richtig bezeichnet wird (die Platoniker haben „Gott erkannt“). In diesem Sinn ist die platonische Philosophie auch die einzige, der das Prädikat „wahr“ hätte zukommen können, da sie sich im Unterschied zu den materialistischen Lehren mit dem wahrhaft Seienden befaßt.13 Augustin gelingt es damit, das kritische Urteil paulinisch-christlicher Tradition über die Philo13 Die Unterscheidung der „wahren Philosophie“ (hê alêthês/alêhthinê philosophia) bzw. der „wahren Philosophen“ (hoi philosophountes orthôs) im Gegensatz zu anderen Schulen und ihren Vertretern geht auf Platon zurück (dazu Courcelle 1974, 655 mit Anm. 14).

Die Platoniker und die civitas dei (Buch VIII–X) sophie zu differenzieren und die Platoniker von dieser umfassenden Kritik auszuschließen.14 Der einzige Unterschied zur christlichen Lehre wird demnach zunächst nur darin gesehen, daß Platon einen polytheistischen Kult für notwendig hält, um die Glückseligkeit im Jenseits zu erlangen. In der Folge wendet sich Augustin dann aber nicht gegen Platon selbst, sondern beruft sich auf Apuleius bzw. in Buch X auf Porphyrios, die sich beide in ihren Schriften ausführlich zur Dämonenlehre und zu Theurgie und Magie geäußert haben. Motiviert bleibt die Diskussion ja durch die Frage, die Augustin dem zweiten Teil seiner Refutatio (Bücher VI–X) überhaupt zugrundelegt: wie und durch welchen Götterkult die Glückseligkeit im jenseitigen Leben erlangt werden könne. Im Zentrum von Augustins Interesse stehen somit die mittel- und neuplatonischen Vorstellungen von Göttern und Dämonen bzw. den damit verbundenen Kulten. Dabei wendet er sich in erster Linie gegen den Dämonenkult und hält den Platonikern aufgrund ihrer eigenen Thesen entgegen, daß die Dämonen, die ja erklärtermaßen den Affekten unterworfen und deshalb selbst nicht „glückselig“, sondern „elend“ und auch „schlecht“ sind, der Verehrung unwürdig sind. Andererseits ist Augustin aber auch darum bemüht, die platonische Vorstellung der Existenz von Dämonen, Göttern und dem einen höchsten Schöpfergott mit dem christlichen Weltbild in Beziehung zu bringen und weitgehend kompatibel zu machen. Er betont nachdrücklich, daß es sich bei den Unterschieden vor allem um eine Frage der Nomenklatur handle: d. h. die Platoniker müssen, wenn sie von Dämonen sprechen, die gefallenen Engel meinen; die Götter, die gemäß Platon alle gut sind,

14 Den Ausschluß der platonischen Lehre von der paulinischen Philosophiekritik vollzieht Augustin bereits in der Frühschrift ord. I 11,32 durch die Uminterpretation der Stelle aus dem Kolosserbrief (Col 2, 8) aufgrund von Io 18,36: „Es gebe nämlich eine andere Welt, die unseren Augen weit entrückt sei, die nur einige wenige ,gesunde‘ Menschen im Geist erblicken: dies macht Christus selbst genügend deutlich, der ja nicht sagt: ,mein Reich ist nicht von der Welt‘, sondern: ,mein Reich ist nicht von dieser Welt‘“. Mit dieser Kombination von Schriftzitaten deutet er die platonische Philosophie als Lehre, die sich mit einem ontologischen Bereich befaßt, der mit dem Reich Gottes identisch ist; sie befaßt sich also nicht mit den „Elementen dieser Welt“ wie die anderen Philosophien. Dazu Duchrow 1970, 186 ff. Vgl. auch unten S. 101 f.

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Therese Fuhrer entsprechen den heiligen Engeln. Damit läßt sich die zentrale Problematik nun klar herausstellen: Die kultische Verehrung der gefallenen Engel ist deshalb unsinnig, weil diese selbst nicht der civitas caelestis bzw. dei angehören und deshalb auch den Zugang zur beatitudo nicht ermöglichen können, die nur im Reich der „Bürgerschaft Gottes“ zu erlangen ist. Die kultische Verehrung der Götter bzw. guten Engel ist ebenfalls nicht sinnvoll, da sie selbst dies nicht wollen, sondern die Menschen zur Verehrung des höchsten Gottes auffordern. Indem Augustin die Kompatibilität zwischen platonischen und christlichen Vorstellungen voraussetzt, kann er den platonischen Polytheismus bzw. Dämonen- und Götterkult als verfehlt erweisen: Die im Kult angerufenen Instanzen können entweder – im Fall der Dämonen – die erbetenen Dienste nicht leisten oder werden – im Fall der guten Engel – falsch eingeschätzt und verkannt. Die Platoniker akzeptieren aber die kultische Verehrung der Dämonen und lassen zu, daß ihre Mittlerdienste im Kult erbeten werden. Doch die Dämonen führen die Menschen nicht nur nicht der beatitudo und damit nicht der erstrebten Mitbürgerschaft in der civitas dei zu (weder im Diesseits, innerhalb der civitas dei peregrinans in terra, noch im Jenseits): Da die Dämonen wegen ihrer Schlechtigkeit selbst der civitas diaboli angehören, ziehen sie und ihr „Fürst“ durch Vortäuschung wahrer Göttlichkeit die Menschen geradezu in ihre Gemeinschaft hinein. Damit verhindern sie die Gemeinschaft der Menschen mit den Engeln in der civitas dei. Bei der Herstellung der Kompatibilität von platonischer Götter- und Dämonenlehre einerseits und christlicher Engellehre andererseits kann sich Augustin auf eine bereits ausgeprägte christliche, im besonderen paulinische Tradition stützen, welche die (bösen) Dämonen bzw. die gefallenen Engel als Wesen darstellt, die darum bemüht sind, die Menschen von Gott fernzuhalten und ihre Verderbnis zu bewirken. Augustin kombiniert nun diese traditionelle Wesensbestimmung der Dämonen mit seinem Konzept der zwei civitates, indem er die Dämonen und die sie verehrenden Menschen als Bürger der civitas terrena bzw. diaboli bezeichnet. Andererseits setzt er das platonische Streben nach der Glückseligkeit, die er im christlichen Sinn als adhaerere deo interpretiert, mit dem Streben nach der Gemeinschaft mit den guten Engeln in der civitas dei gleich. Dies gelingt ihm aufgrund

Die Platoniker und die civitas dei (Buch VIII–X) der für weitgehend identisch erklärten platonischen und christlichen Kosmos- und Reich-Gottes-Vorstellung. Diese Gleichsetzung basiert auf der platonischen Vorstellung des Aufstiegs des Erkennenden zur Ideenschau und zur Erkenntnis der Wahrheit im Bereich des rein Geistigen sowie der Unterscheidung zwischen den Bereichen des geistig Erkennbaren (der intellegibilia) und des Sichtbaren und sinnlich Erfaßbaren (der sensibilia), also zwischen mundus intellegibilis und sensibilis: Der Erkennende wendet sich von der empirischen Welt ab und der Ideenwelt zu, die Plotin und Porphyrios als „Vaterland“ bezeichnen. Gott, der bei der höchsten Erkenntnis geschaut wird, ist für Plotin wie bereits für Platon der „Vater“,15 und Porphyrios spricht vom „väterlichen Geist“, durch den der Mensch Wissen erlangt (s. o. Abschn. 5.1.4). Wenn Augustin nun sagt, daß die Platoniker die patria erkannt hätten, wohin die Seelen zurückkehren wollen (X 32), setzt er ihren mundus intellegibilis mit dem Reich Gottes gleich, das er seinerseits öfter als superna, caelestis oder auch aeterna patria bezeichnet.16 Diese These von der Identität der platonischen und christlichen (metaphysischen) patria hat er bereits in der Zeit nach der Bekehrung geäußert (vgl. Anm. 14), jedoch später in seinen „Werkrevisionen“ (Retractationes I 3, 2) kritisiert: „Und (mir mißfällt), daß ich (die Vorstellung von) zwei Welten – einer sinnlich wahrnehmbaren und einer geistig erfaßbaren – nicht in Platons, sondern in meinem Namen vertreten habe [sc. in De ordine I 11, 32], wie wenn der Herr ebenfalls auf diese Vorstellung hätte hinweisen wollen, weil er ja nicht sagt: „mein Reich ist nicht von der Welt“, sondern: „mein Reich ist nicht von dieser Welt“ … Platon hat sich ja auch nicht darin geirrt, daß er die Existenz einer geistig erfaßbaren Welt lehrte, wenn man von der Terminologie absieht, die im kirchlichen Sprachgebrauch dafür nicht verwendet wird, und die Sache 15 Vgl. v. a. Plotin Enn. I 6 [1] 8,21 f.; Augustin paraphrasiert die Plotin-Stelle in civ. IX 17 p. 392,12 f.: fugiendum est igitur ad carissimam patriam, et ibi pater, et ibi omnia. Vgl. Plat. Tim. 28c; Porph. ad Marc. 6 16 Vgl. die Stellen bei Orbán 1980, 180 f.; Thraede 1983, 68; Schmidt 1985, 85–88. Diese Identifikation der platonischen mit der christlichen patria berechtigt jedoch nicht zur Gleichsetzung der civitas terrena mit dem mundus sensibilis, da es sich bei Augustins zwei civitates nicht um eine „gestufte Unterscheidung zweier Staaten nach ihrer Vollkommenheit handelt“, wie dies in der platonischen Zwei-Welten-Lehre der Fall ist; dazu van Oort 1991, 247–254.

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Therese Fuhrer selbst betrachten will. Er nannte nämlich diese geistig erfaßbare Welt die unvergängliche und unveränderliche Vernunft selbst, mit der Gott die Welt erschaffen hat … Wir hätten diesen Begriff [in der Schrift De ordine] nicht verwendet, wenn wir damals bereits entsprechend in den biblischen Wissenschaften gebildet gewesen wären.“ Wie aus dieser Selbstkritik deutlich wird, stößt sich Augustin nicht an der nominellen Gleichsetzung des mundus intellegibilis mit dem „Reich Gottes“, sondern vielmehr an seiner eigenen Interpretation des Schriftzitats Io 18, 36: „mein Reich ist nicht von dieser Welt“, das er früher im Sinn der platonischen ZweiWelten-Lehre gedeutet hat („mein Reich“ = mundus intellegibilis; „diese Welt“ = mundus sensibilis; vgl. oben Anm. 14). Hier in De civitate dei – wie in seiner Kritik in den Retractationes – verfährt er dagegen umgekehrt: Er geht von der Begrifflichkeit des kirchlichen Sprachgebrauchs (der ecclesiastica consuetudo) aus und gleicht ihr die platonische Vorstellung an; die christliche Vorstellung ist jetzt verbindlich, die Platon, wie Augustin in seiner Selbstkritik sagt, immerhin richtig erfaßt hat (nec … erravit), auch wenn er nicht biblische Termini verwendet hat. Bezüglich ihrer Konzeption des Ziels sind sich Platoniker und Christen also einig: Im christlichen Sinn besteht das Ziel in der Gemeinschaft mit den Engeln in der civitas dei im Reich Gottes (im „himmlischen Vaterland“); im platonischen Sinn in der Rückkehr zum Ursprung der Seelen, d. h. zu Gott „Vater“ und ins „Vaterland“ (also in den mundus intellegibilis). Die Befürwortung des Kults der Dämonen, der Mitglieder der civitas diaboli, durch die Platoniker ist deshalb umso absurder und steht dem Streben des Menschen nach der Glückseligkeit im himmlischen Vaterland diametral entgegen.

5.2.2 Das Verhältnis der Platoniker zur multitudo hominum In seiner Kritik des Dämonenkults, der Theurgie und der Magie beruft sich Augustin auf Aussagen des Apuleius bzw. Porphyrios, die belegen, daß diese selbst die Magie ablehnen und den rituellen Handlungen, welche die Theurgie vorschreibt, nicht die Wirkung zugestehen, die sich die Menschen durch ihre Ausübung erhoffen. Die Praktiken werden damit von den Platoni-

Die Platoniker und die civitas dei (Buch VIII–X) kern selbst disqualifiziert. Den Grund dafür, daß der Kult von ihnen dennoch gebilligt wird, sieht Augustin darin, daß sie sich davor gefürchtet hätten, das Volk zu verärgern, wenn sie sich offen dagegen ausgesprochen hätten (VIII 22); denn es handelt sich dabei ja um ein fest integriertes Element des Volksglaubens. So habe man dem Volk diesen Kult belassen (X 1 und 3).17 Mit dem Verhältnis der platonischen Philosophie zum „Volk“ (populus) bzw. zur „Menge“ (multitudo) wird eine Thematik berührt, deren Bedeutung Augustin bereits in seinen Frühschriften hervorhebt: Die Platoniker vertreten zwar eine Lehre, die bezüglich ihrer Gottesvorstellung und ihrer Ontologie als „wahre Philosophie“ gelten kann; doch da sie dabei die empirische Welt, die Sinneswahrnehmung und die diesseitsgerichteten Wertvorstellungen insgesamt gegenüber der rein geistigen Welt und dem Jenseits herabsetzen und den Menschen in der Folge die „Flucht aus dem Bereich des Körperlichen“ nahelegen, kann ihre Philosophie nicht „populär“ werden. Sie muß den Erfolg bei der Masse der Menschen (im schlechten Fall) den materialistischen Lehren und (im guten Fall) dem Christentum überlassen (X 27). Daraus ergibt sich die von Augustin an anderer Stelle referierte (mittelplatonische) These, daß die Platoniker vor dem Erfolg der Stoa und der Epikureer kapituliert und ihre eigene Lehre nur noch im Geheimen vertreten hätten, um sie vor der Profanierung zu schützen; die gefährlichen materialistischen Lehren hätten sie gegen außen also nicht mit eigenen, sondern mit skeptischen Thesen bekämpft.18 Denselben elitären Anstrich gibt Augustin in De civitate dei der Philosophie insgesamt, indem er dem Volk nur die mythische und die bürgerliche, die natürliche Theologie dagegen den Philosophen zuweist (VI 5).19 Die Beschäftigung mit der Philoso-

17 Als Motivation nennt Augustin auch die Angst der Platoniker, die Theurgen zu verärgern (vgl. X 26 f.). In X 11 (im Referat des Briefes an den Priester Anebo) werden Porphyrios’ Äußerungen zur Dämonenlehre mit der Vermutung entschuldigt, er habe Anebo nicht beleidigen wollen; hinter der Schrift stehe denn auch nur eine versteckte Kritik. – Dieser Umstand erklärt das von Kobusch 1983, 99 f. festgestellte „Auseinanderklaffen von Theorie und Praxis“ in der Lehre der Platoniker. 18 Vgl. Acad. III 17,38–18,41; ep. CXVIII 3,16–20. 19 Diese Ausgrenzung des Volkes von der Philosophie wird von Augustin denn auch beklagt (VI 5 und 6). – Vgl. auch VII 5 p. 280,8 ff., wo die Götterbilder als

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Therese Fuhrer phie bleibt also einigen „wenigen“ vorbehalten (X 27, nach Platon rep. 494a4). Doch selbst diese können, auch wenn sie weise sind, gemäß der platonischen Lehre nur selten und unter höchsten geistigen Anstrengungen in kurzen Augenblicken Gott erkennen (IX 16). Die Philosophie, und zwar ausschließlich die platonische, kann somit nur einem äußerst kleinen Kreis von Menschen die höchste Erkenntnis und die Schau des „himmlischen Vaterlands“ verschaffen, das die Platoniker als Ziel tatsächlich ja erkannt haben. Doch während auch einem Christen, der nicht in der platonischen Lehre gebildet ist, der Weg zur Erkenntnis offensteht (VIII 10) – nämlich über den Weg des Glaubens an die Autorität der christlichen Lehre –, bleibt der heidnischen multitudo diese Erkenntnis von vornherein verwehrt. Porphyrios soll die Möglichkeit einer universalen „Befreiung“ der Menschen denn auch bestritten haben (X 32). Doch gerade dieses Wissen um die Exklusivität (im prägnanten Sinn des Wortes) ihrer Lehre, die die Masse der Menschen von der Gotteserkenntnis ausschließt, hat die Platoniker nach der Meinung Augustins dazu veranlaßt, Konzessionen an den Volksglauben der multitudo zu machen: Statt der Philosophie bzw. dem intellektuellen Bemühen um die höchste Erkenntnis werden der multitudo als Hilfsmittel für die Erlangung der Glückseligkeit die Magie und Theurgie und damit die Mittlerdienste der Dämonen zugestanden (X 27). Da dieser Weg jedoch erklärtermaßen nicht zur beatitudo führt, kann die platonische Philosophie – so wenig wie jede andere heidnische Lehre bzw. jeder andere heidnische Kult – die Menschheit nicht zum erstrebten Ziel führen. Vielmehr beschuldigt Augustin die Platoniker, mit ihrer Dämonenlehre für den Irrtum der Masse der Menschen verantwortlich zu sein (X 3 p. 405, 23: als populorum erroribus auctores), d. h. die Menschen geradezu von der civitas dei wegzuführen und damit im Grunde nur enger an die civitas diaboli zu binden. Sie machen sich damit in gleicher Weise schuldig wie die (schlechten) Machthaber, die das Volk täuschen, indem sie es zum Dämonenkult anhalten, um es sich gefügig zu

Konzession an das Volk interpretiert werden, während die Vorstellung oder Schau der dei veri den Eingeweihten vorbehalten sei; die Götterbilder seien aber von den Dämonen beseelt (vgl. VIII 26). Dazu van der Nat 1976, 740.

Die Platoniker und die civitas dei (Buch VIII–X) machen (IV 32).20 Dieses Vergehen wiegt umso schwerer, als die Platoniker das Ziel, d. h. die Erfüllung der Glückseligkeit in Gott, ja sehen und Gott selbst erkannt haben, aber trotzdem die Menschen auf den falschen Weg führen, d. h. nicht auf die regalis via, quae una ducit ad regnum (X 32). Ihr Fehler besteht also darin, daß sie den „wahren“ Mittler Christus nicht anerkennen wollen: Sie wollen nicht sehen, daß er den ontologischen Gegensatz zwischen Mensch und Gott überwunden und damit der ganzen Menschheit den Weg zur beatitudo aufgezeigt hat. Die Platoniker hätten also zwar die Chance gehabt, den Menschen diesen Weg zu weisen (vgl. X 27),21 zumal sie (d. h. namentlich Porphyrios) die Notwendigkeit eines universalen Mittlers erkannt haben; trotz ihres Wissens um die Schlechtigkeit und Unfähigkeit der Dämonen wollten sie aber ihre Lehre auch nach dem Manifestwerden der via universalis durch Christus nicht modifizieren. Damit trugen sie dazu bei, daß das heidnische Volk von der civitas dei ausgeschlossen blieb.

5.3 Augustins Beurteilung der Platoniker Auch wenn Augustin gerade im Abschnitt der Bücher VIII–X von De civitate dei immer wieder auf die Nähe der platonischen Philosophie zur christlichen Lehre hinweist,22 spricht er ihr den 20 Augustin geht nicht auf die Problematik ein, daß gerade die Magie, aber auch der Engelkult, auch unter den Christen verbreitet war (dazu Michl 1962, 200). Russell 1981, 168 bemerkt in dieser Sache, daß sich Augustin in De civitate dei nicht nur bemüht „to win over intellectual pagans“, sondern auch um „the prevention of apostasy“; denn: „many Christians were still instinctively attracted to pagan practices“. 21 Augustin betont öfter, daß schon vor dem historischen Ereignis der Menschwerdung Gottes genügend Hinweise vorhanden gewesen seien, die den richtigen Weg angezeigt hätten. Dazu van Oort 1991, 100 f.; Schmidt 1985, 104–107. Platon selbst gesteht er zu, daß er, wenn er nach Christi Geburt gelebt und von dessen Wirkung auf die Menschheit erfahren hätte, ihn sicherlich als wahren Mittler zwischen Menschen und Gott anerkannt hätte (vera rel. 3–5). 22 Zur Tradition dieser differenziert-positiven Haltung der christlichen Gebildeten gegenüber dem Platonismus vgl. de Vogel 1985, bes. 27: „Christian intellectuals did not take an attitude of hostility towards Greek philosophy; mostly they were positively interested, though never without critical reserve. … With Platonic metaphysics … the Christians of the first centuries felt a real affinity, penetrating the depths of their inner life“.

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Therese Fuhrer Status einer Heilslehre für die Menschheit klar ab. Dennoch bleibt die Frage zu stellen, ob Augustin dachte, daß den „wenigen“, denen die platonische Philosophie die Gotteserkenntnis ermöglicht (hat), der Zugang zur civitas dei ebenfalls verwehrt bleibt – d. h. ob Philosophen wie Platon, Plotin oder Porphyrios, die nobilissimi unter den heidnischen Philosophen, die das Reich Gottes bzw. das „himmlische Vaterland“ als Ziel vor sich gesehen, Gott erkannt und die Gotteserkenntnis nicht sich selbst, sondern der Erleuchtung durch Gott zugestanden, ja sogar von dessen Gnade gesprochen haben (X 29): ob vielleicht sie zur civitas dei gehören oder zumindest dem Teil der Menschen angehört haben, die als Bürger der civitas dei auf Erden „in der Fremde sind“. Natürlich muß die Frage offen bleiben; denn, wie Augustin sagt, ist die Aufnahme der Menschen in die civitas dei von Gott vorbestimmt (vgl. I 35). Doch soviel wird aus seinen Ausführungen klar: Die Chancen stehen schlecht für die Platoniker. Gegen sie sprechen ihr Polytheismus sowie die Irreführung der multitudo: Sie sind schuldig, weil sie die Menschen wider besseres Wissen nicht vor dem Irrtum des Götter- und Dämonenkults bewahrten,23 auch wenn Augustin ihnen – sogar im Fall der anti-christlichen Polemik des Porphyrios – sozusagen mildernde Umstände zugesteht, indem er die Vermutung äußert, sie seien von den Dämonen getäuscht worden (X 27). Ein weiteres Argument Augustins gegen die Platoniker ist der Vorwurf des fehlenden Glaubens an die Menschwerdung Gottes und an die Mittlerfunktion Christi. Doch diesen Punkt bringt er nur am Rand vor: Den Vorwurf non credunt (sc. Platonici) äußert er erst in X 10, obwohl er für ihn natürlich nicht unbedeutend ist. Doch steht in der Refutatio der Bücher VIII–X natürlich die Taktik im Vordergrund, mit der sich Augustin als geschickter Rhetor und Apologet ganz bewußt auf die Argumentationsebene seiner Gegner begibt: Indem er die Kompatibilität der platonischen und christlichen Lehre betont, kann er genau aufzeigen, wo die platonische Lehre versagt, und indem er rationalistisch und pragmatisch argumentiert, versucht er zu erreichen, daß die 23 Immerhin spricht Augustin Apuleius und Porphyrios davon frei, die Theurgie in die platonische Lehre eingeführt zu haben (dies waren die Chaldaei magistri; vgl. X 27). Porphyrios wird wegen seiner Haltung in der Frage der Wiedereinkörperung der Seelen sogar über Platon gestellt (X 30).

Die Platoniker und die civitas dei (Buch VIII–X) angesprochenen Gegner selbst einsehen, daß nur Christus (als Mensch gewordener Gott) die Menschen zur civitas dei führen kann. Da aber die Menschwerdung Gottes letztlich Gegenstand des Glaubens ist, muß er am Ende doch die Tragweite seiner rationalistischen Argumentation einschränken und die Fehler, die er den Platonikern minutiös nachzuweisen versucht, auf ihren fehlenden Glauben zurückführen: „Sie haben keinen Glauben und deshalb auch keine Einsicht“ (X 32 p. 460, 18 f.: non credunt et ob hoc non intellegunt.).24 Unmißverständlich zeigt sich Augustins ablehnende Haltung gegenüber den Platonikern (einschließlich Platons) allerdings erst im zweiten Teil der Schrift.25 In den Büchern VIII–X beschränkt sich Augustins Auseinandersetzung mit der platonischen Philosophie ja vorerst auf die Thematik der theologia naturalis und dabei auf den Bereich der kultischen Verehrung von Göttern und Dämonen. Es geht im Abschnitt der Bücher VIII– X also nicht um eine umfassende Kritik der platonischen Lehre, sondern Augustin prüft im besonderen die platonische Theologie auf ihre Tauglichkeit hin, den Zugang zur beatitudo und zur civitas dei zu vermitteln. Dabei hebt er die Gemeinsamkeiten zwischen platonischer und christlicher Lehre hervor, aber nur, um die Platoniker mit seinen (d. h. mit christlichen) Argumenten auf deren Feld schlagen zu können: Er gesteht ihnen zu, das Ziel, d. h. das Reich der civitas dei, ontologisch richtig zu bestimmen; den Weg, den sie den Menschen dorthin weisen, verurteilt er jedoch deutlich. Nachdem also Augustin gezeigt hat, daß selbst die nobilissimi unter den Philosophen, die mit ihrem Verständnis von Gott und vom „himmlischen Vaterland“ der christlichen Lehre sehr nahe kommen, die Menschen nicht zur „Bürgerschaft Gottes“ führen können, kann die Refutatio der heidnischen Religion bzw. Theo24 Vgl. X 28 p. 446,29; X 29 p. 449,24. Dazu Rémy 1979, 172ff. Daß der Glaube Voraussetzung sei für die Zugehörigkeit zur civitas dei, wird von Scholz 1911 und anderen jedoch wohl zu einseitig als Hauptthese von De civitate dei verstanden; dazu Schmidt 1985, 89–93; van Oort 1991, 116 f. 25 Vgl. bes. XII 25 und 27; XIII 16–20. Dabei geht es um Fragen der Ewigkeit der Welt, der Metempsychose usw.; dazu Russell 1981, 162 f. – Die Interpretation von House 1983 bezüglich Augustins anti-platonischer Argumentation (die Platoniker würden durch die Verachtung der Materie dieser selbst eine falsche Bedeutung zumessen) trifft den Kern der Kritik allerdings nicht.

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Therese Fuhrer logie und Philosophie, welche die beatitudo verspricht, als abgeschlossen gelten. Das Feld ist somit frei für die Darlegung der christlichen Vorstellungen von der Entstehung und der Geschichte26 der civitas dei und vom Weg, der die Menschen dorthin führt.

Literatur Bernard, W. 1994: Zur Dämonologie des Apuleius von Madaura, in: Rheinisches Museum 137, 358–373. Courcelle, P. 1974: Verissima philosophia, in: J. Fontaine/C. Kannengiesser (Hgg.), Epektasis. Mélanges patristiques en l’honneur du Card. Daniélou, Paris, 653–59. House, D. 1983: St. Augustine’s account of the relation of Platonism to Christianity in De Civitate Dei, in: Dionysius 7, 43–48. Kobusch, T. 1983: Das Christentum als die Religion der Wahrheit. Überlegungen zu Augustins Begriff des Kultus, in: Revue des Etudes Augustiniennes 29, 97–128. Michl, J. 1962: Engel IV (christlich), in: Reallexikon für Antike und Christentum 5, 109–200. Pannenberg, W. 1985: Christentum und Platonismus. Die kritische Platonrezeption Augustins in ihrer Bedeutung für das gegenwärtige christliche Denken, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 96, 147–161. Rémy, G. 1979: Le Christ médiateur dans l’oeuvre de saint Augustin, 2 Bde., Lille/Paris. Russell, R. 1981: The Role of Neoplatonism in St. Augustine’s De Civitate Dei, in: H. J. Blumenthal/R. A. Markus (Hgg.), Neoplatonism and Early Christian Thought, Essays in Honour of A. H. Armstrong, London, 160–170. TeSelle, E. 1974: Porphyry and Augustine, in: Augustinian Studies 5, 113–147. van der Nat, P. G. 1976: Geister (Dämonen): C. III. Apologeten, in: Reallexikon für Antike und Christentum 9, 715–761. de Vogel, C. J. 1985: Platonism and Christianity: A Mere Antagonism or a Profound Common Ground?, in: Vigiliae Christianae 39, 1–62. ter Vrugt-Lentz, J. 1976: Geister (Dämonen): B. II. Vorhellenistisches Griechenland, in: Reallexikon für Antike und Christentum 9, 598-615. Zintzen, C. 1965: Die Wertung von Mystik und Magie in der neuplatonischen Philosophie, in: Rheinisches Museum 108, 71–100 (= ders. (Hg.), Die Philosophie des Neuplatonismus, Darmstadt 1977, 391–426).

26 Augustin antwortet damit auch auf die in X 32 referierte Aussage des Porphyrios, daß ihm in der „Geschichte“ eine via universalis salutis nicht bekannt sei. Dazu Studer 1995.

Welche Bedeutung hat das Augustinische Cogito?

Christoph Horn

Welche Bedeutung hat das Augustinische Cogito? (Buch XI 26)

Die Einschätzung, Descartes sei der Begründer der neuzeitlichen Philosophie, gründet sich natürlich nicht nur darauf, daß die Lebenszeit des französischen Rationalisten ins Zeitalter der geographischen und wissenschaftlichen Entdeckungen, der Konfessionskriege und früher Formen des Kapitalismus fällt. Vielmehr scheint eine bemerkenswerte und für die Neuzeit kennzeichnende philosophische Innovation in Descartes’ Überzeugung zu liegen, er habe ein unerschütterliches Erkenntnisfundament und damit die Sicherung des gesamten menschlichen Wissens in der Gewißheit des denkenden Ich entdeckt. Es wirkt daher überraschend, daß sich Argumente, in denen die unmittelbare Selbstgegebenheit des Denkenden eine Rolle spielt, bereits bei dem spätantiken Kirchenvater Augustinus ausmachen lassen. In Analogie zur Cartesischen Konzeption eines Cogito, (ergo) sum sprechen einige Philosophiehistoriker daher auch von einem Augustinischen Cogito. Tatsächlich enthalten bereits die Augustinischen Frühschriften Passagen, die frappant an Descartes erinnern. Im Frühwerk kommt die Idee einer unbestreitbaren Gewißheit am deutlichsten in De vera religione zum Ausdruck, wo es heißt: Wer auf den Akt des Zweifelns achte, könne eben darin eine Gewißheit finden; wer an der Existenz von Wahrheit zweifle, könne eben in seinem Zweifel etwas unbezweifelbar Wahres entdecken (39,73). Von den weiteren Stellen, an denen ein solches Cogito-Argument greifbar wird (beata v. 2,7; sol. II 1,2; lib.arb. II 3,7; civ. XI 26; trin. X 10,13–16 und XV 12,21), ist diejenige aus De civi-

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Christoph Horn tate dei die ausführlichste und zweifellos die interessanteste. Freilich wird die Stelle sehr unterschiedlich interpretiert. Antizipiert Augustinus dort das Cartesische Cogito? Und wenn ja, erweist sich dadurch der philosophiehistorische Topos vom Cartesischen Neueinsatz als bloßes Konstrukt? Was genau ist der Sinn des Augustinischen Cogito?

6.1 Das Cogito von De civitate dei XI 26 und sein Kontext Betrachten wir zunächst den Text, in dem das Argument in seiner besten Version formuliert wird. Augustinus wendet sich mit seiner Hilfe gegen den Einwand der akademischen Skepsis, auch die Behauptung einer unmittelbaren Selbstgewißheit könne auf Täuschung beruhen: „Denn wenn ich mich täusche, bin ich (Si enim fallor, sum). Wer nämlich nicht ist, kann sich keinesfalls täuschen; und auf diese Weise bin ich, wenn ich mich täusche. Da ich demnach bin, wenn ich mich täusche, wie könnte ich mich dann darüber täuschen, daß ich bin, wenn doch sicher ist, daß ich bin, wenn ich mich täusche? Da ich es also wäre, der sich täuschte, auch wenn ich mich täuschte, steht es außer Zweifel, daß ich weiß, daß ich bin. Dann ist es aber folgerichtig, daß ich mich auch darin nicht täusche, daß ich weiß, daß ich weiß, daß ich bin. Denn ebenso wie ich weiß, daß ich bin, weiß ich auch um eben dieses mein Wissen. Und indem ich diese zwei liebe, füge ich diesen Dingen, die ich weiß, als ein Drittes von nicht geringerer Wertschätzung die Liebe hinzu. Denn ich täusche mich auch darin nicht, daß ich sie liebe, wenn ich mich nicht in dem täusche, was ich liebe; und auch wenn dies falsch wäre, wäre es doch wahr, daß ich Falsches liebte. Denn wie sonst könnte man mich mit Recht tadeln und mit Recht von der Liebe zum Falschen abhalten, als wenn es falsch wäre, daß ich es liebte? Da aber auch jenes wahr und gewiß ist, kann niemand bezweifeln, daß auch die Gegenstände der Liebe und die Liebe selbst wahr und gewiß sind. Denn ebensowenig gibt es jemanden, der nicht existieren wollte, wie es irgendjemanden gibt, der nicht glücklich sein wollte. Denn wie kann einer glücklich sein, wenn er überhaupt nicht ist?“

Welche Bedeutung hat das Augustinische Cogito? Das zitierte Textstück beginnt mit der Wendung Si enim fallor, sum, die mit Formulierungen bei Descartes eng verwandt zu sein scheint. Mit dem Si enim fallor, sum antwortet Augustinus auf den fiktiven Einwand eines Skeptikers, der selbst die Gewißheit der eigenen Existenz bezweifelt, indem er fragt: „Was wäre, wenn ich mich darin täuschte, daß ich existiere?“ Augustinus hebt dagegen hervor, daß die Annahme, ich täuschte mich in meiner Existenz, bereits impliziert, daß ich existiere; folglich sei das eigene Sein unbezweifelbar. Das klingt klarerweise Cartesisch. Andererseits wirkt Augustins Fortführung des Arguments befremdlich. Die Beweisführung zielt nicht nur darauf ab, die unmittelbare Gewißheit meines Seins zu erweisen, sondern wird in einem zweiten Schritt erweitert um mein Wissen dieser Gewißheit und in einem dritten Schritt um meine Liebe zur ersten wie zur zweiten Gewißheit. Von Descartes her gesehen ist der zweite Schritt sicher zulässig; denn auch für ihn bedeutet nicht nur der Akt des Zweifelns, sondern ebenso jede andere cogitatio, d. h. jeder andere Akt der res cogitans, für sich genommen eine unmittelbare Gewißheit. Der dritte Schritt ist daher für Descartes nur akzeptabel, wenn amare keine emotional-affektive Liebe bezeichnet, sondern einen geistigen Akt zum Ausdruck bringt. Daß letzteres tatsächlich der Fall ist, zeigt sich am Schluß des zitierten Textstücks. Dort wird deutlich, daß amare in diesem Kontext soviel bedeuten muß wie „bewußt bejahen“ oder „rational erstreben“, also als terminus technicus innerhalb einer eudaimonistisch-teleologischen Ethik gebraucht wird. Offenkundig kann Augustinus sogar bei seinem skeptischen Gegner die Grundformel aller antiken Glückstheorien voraussetzen: Niemand will unglücklich sein; jeder strebt von Natur aus nach dem Glück. Die Formel unterstellt, daß das menschliche Glücksstreben rational ist – oder richtiger: rational betrieben werden soll. Von dieser Formel ausgehend verstand auch die akademische Skepsis ihr philosophisches Anliegen als glückstheoretisch motiviert: Denn wenn es falsche Überzeugungen sind, die die menschliche Seele irritieren und vom Glücklichsein abhalten, dann ist es rational, allem die Zustimmung vorzuenthalten, was bezweifelbar, folglich möglicherweise falsch ist; nun ist aber alles bezweifelbar; also ist eine allgemeine Urteilsenthaltung (epochê) rational. Augustinus will somit am Ende unseres Textes nachweisen, daß die Zustimmung zum eigenen Sein und zum eigenen

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Christoph Horn Wissen rational, da unmittelbar gewiß, ist; dies ist der Sinn des amare. Er unterstützt diesen Punkt übrigens zusätzlich so, daß er aus dem Satz „Es gibt niemanden, der nicht glücklich sein wollte“ die Präsupposition gewinnt „Es gibt niemanden, der nicht sein wollte“ (für den Zusammenhang von Cogito und eudaimonistischer Ethik vgl. auch trin. XV 12,21). Daß Augustinus gerade drei geistige Akte, nämlich das Wissen um Sein, Wissen und Liebe, auszeichnen will, wäre Descartes sicher als willkürlich erschienen. Allerdings glaubte auch Augustinus nicht, daß gerade diese drei – sei es im ausschließlichen, sei es im primären Sinn – gewiß seien. Das geht schon daraus hervor, daß er im menschlichen Geist an anderen Stellen durchaus unterschiedliche Triaden hervorhebt. In den Soliloquia und in De libero arbitrio ist es der – aus der neuplatonischen PlatonDeutung übernommene (vgl. Hadot 1960) – Ternar von Sein, Leben und Denken, der in Form eines Cogito-Arguments als unbezweifelbare Gewißheit ausgezeichnet wird. In De trinitate handelt es sich besonders um die Triaden mens, amor und notitia und um memoria, intelligentia und voluntas. Wie an unserer Stelle in De civitate dei soll auch mit beiden zuletzt genannten Triaden ein Analogieargument zugunsten der christlichen Trinitätslehre gegeben werden: der menschliche Geist gleicht der göttlichen Trinität; er bildet – neben vielen anderen Phänomenen, z. B. der Dreiteilung der Philosophie in Physik, Logik und Ethik (civ. XI 25) – ein weiteres natürliches, d. h. nicht der Offenbarung entnommenes Indiz zugunsten der Richtigkeit der Trinitätskonzeption.1 Weder ist also in unserem Text die Trias als solche ausgezeichnet (vielmehr setzt Augustinus mehr als drei unmittelbar gewisse mentale Akte an), noch ist gerade diese Trias ausgezeichnet (vielmehr kennt er andere Dreiergruppen). Der trinitätstheologische Kontext ist dem Augustinischen Cogito also nicht wesentlich. Ob der eudaimonistisch-teleologische Zusammenhang, der sich im Begriff des amare andeutet, von zentraler Bedeutung ist, wird noch zu diskutieren sein.

1 Eine vergleichbare Tendenz haben die Cartesischen Aussagen, die Idee eines vollkommenen Wesens wie auch die Unendlichkeit des freien menschlichen Willens seien Hinweise auf die Urbild-Abbild-Relation von Gott und menschlichem Ich (vgl. III. Med.; imago; similitudo: IV. Med. 8).

Welche Bedeutung hat das Augustinische Cogito?

6.2 Das Cartesische und das Augustinische Cogito Bereits im 17. Jahrhundert haben Zeitgenossen des Descartes auf die enge Affinität zwischen Augustins Si enim fallor, sum und dem Cartesischen Cogito verwiesen. Gleich drei seiner Diskussionspartner, die Philosophen Mersenne, Colvius und Arnauld, machten Descartes auf Paralleltexte bei dem Kirchenvater aufmerksam. In einem aufschlußreichen Brief vom 14. 11. 1640 bedankt sich Descartes bei Colvius für dessen Hinweis auf De trinitate XV. Er, Descartes, habe eigens die städtische Bibliothek aufgesucht, um dort den Text nachzulesen; freilich, während Augustinus nur die schlichte Entdeckung der Existenz des Zweifelnden gemacht habe (worauf, so Descartes, jeder Autor stoßen könne), habe er selbst etwas wesentlich Weitergehendes gezeigt, nämlich daß das denkende Ich eine immaterielle Substanz sei (Adam-Tannery III 247 f.; vgl. den Brief an Mersenne vom 23. 5. 1637: AT I 376). Diese Einschätzung einer Differenz zwischen den beiden Theorien ist freilich oberflächlich und wird De trinitate nicht gerecht. So hat G. Matthews (1992, 15) mit Recht darauf verwiesen, daß auch Augustinus die Unkörperlichkeit des sich selbst erkennenden Geistes hervorhebt: der sich selbst erkennende Geist sei weder mit Luft, Feuer, Gehirn, Blut noch Atomen zu identifizieren (X 10,14–16). Offenkundig ist Descartes daran interessiert, seine eigene Konzeption möglichst weit von derjenigen Augustins zu distanzieren. Auch die Briefstelle, die den Gang zur Bibliothek schildert, um auf diese Weise eine völlige Unvertrautheit mit Augustins Schriften zu suggerieren, dürfte kaum der Wahrheit entsprechen. Henri Gouhier hat in einer ausführlichen historischen Studie (1978; vgl. zuvor Blanchet 1920 und Lewis 1954) plausibel gemacht, daß Descartes im Laufe seiner Ausbildung bei den Jesuiten von La Flèche unmöglich solche Augustinischen Zentraltexte wie De trinitate und De civitate dei ignoriert haben kann. Was immer Descartes’ Motiv für die nachdrückliche Distanzierung von Augustinus gewesen sein mag,2 eine sachliche Unähnlichkeit der beiden Cogitos ist nicht so evident, wie Descartes selbst behauptet. 2 Die Briefe an Mersenne und Colvius legen die These nahe, Descartes habe die Parallelen bei Augustinus durchaus selbst gesehen und wider besseres Wissen

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Christoph Horn In der Forschung des 20. Jahrhunderts wurde das Verhältnis der beiden historischen Positionen höchst unterschiedlich beurteilt. Die beiden extremen Antipoden sind N. Abercrombie und E. Gilson. Während Abercrombie (21972) die Parallelen zwischen Augustinus und Descartes der Sache nach für oberflächlich erklärte, da die Augustinische Beweisabsicht eine wesentlich bescheidenere sei, war es Gilson (31967 sowie 41969), der in beiden Konzeptionen analoge Bausteine eines rationalistischen Systemdenkens sah, das jeweils in einem Gottesbeweis gipfelt. Um die Kontroverse angemessen beurteilen zu können, müssen wir nun einige Parallelen und Differenzen zusammenstellen. Eine erste augenfällige Ähnlichkeit zwischen den Positionen besteht in der Behauptung beider Autoren, mit dem Cogito eine die Skepsis endgültig niederschlagende, eine nachweislich irrtumsfreie Gewißheit zu besitzen. Beide, Augustinus und Descartes, erheben den Anspruch, über subjektive Gewißheit hinaus objektive, irrtumsfreie Erkenntnisse darlegen zu können. Die Anzahl der Gewißheiten ist für beide potentiell unendlich, nämlich so groß wie die Zahl der cogitationes; Augustinus thematisiert diese potentielle Unendlichkeit sogar explizit.3 Zweitens spielen skeptische Theorieteile in allen beiden Positionen eine zentrale Rolle; denn beide Konzeptionen werden als indirekte, als apagogische Argumente präsentiert. Augustinus verwendet dabei ebenso wie Descartes den Gedanken, unsere Erfassung der Wirklichkeit könne etwa durch Wahnsinn korrumpiert oder überhaupt nur ein Traum sein (Acad. III 11,25 f.; trin. XV 12,21). Zwar kommt der Skepsis bei Augustinus eine eher negative Funktion zu, während sie bei Descartes eine konstruktive Rolle spielt: Augustinus weist eine akademische Attacke zurück, Descartes dagegen gebraucht den methodischen Zweifel als eigenes Handwerkszeug. Aber inhaltlich fällt dieser Unterschied kaum ins Gewicht; denn es ist gleichgültig, ob ein Autor auf eine externe Position wie die akademische Skepsis, die zu umfassen-

zurückgewiesen; sein Motiv könnte gewesen sein, die Kraft seiner Argumentation nicht durch die Berufung auf die Autorität des Kirchenvaters schwächen zu wollen: vgl. Marion 1996, 37–43. 3 Nach De trinitate XV 12,21 kann die Selbstgewißheit des Zweifelnden ihrerseits zum Wissensgegenstand werden, ebenso diese usw. Somit liegen unendlich viele Gewißheiten vor.

Welche Bedeutung hat das Augustinische Cogito? dem Zweifel und zu Urteilsenthaltung auffordert, lediglich reagiert oder ob er in einem eigenen Gedankenexperiment – wie in dem des genius malignus – alles möglicherweise Falsche hypothetisch als falsch ansetzt. Eine dritte Parallele liegt darin, daß sich beiden Autoren zufolge festhalten läßt, daß die Außenwelt qua Phänomen eine unbezweifelbare Gewißheit darstellt; denn gleichgültig, ob ein ins Wasser gehaltenes Ruder in Wahrheit geknickt oder gerade ist, es erscheint mir als geknickt (Acad. III 11,26; vgl. II. Meditation, AT VII 29). Eine vierte Übereinstimmung besteht, wie bereits erwähnt, in der Überzeugung beider Philosophen, mit dem antiskeptischen Cogito zugleich die Existenz einer immateriellen, geistigen Entität, des animus oder der res cogitans, bewiesen zu haben (dieser Punkt bleibt allerdings zu präzisieren). Eine fünfte Ähnlichkeit läßt sich schließlich darin finden, daß beide Autoren den Cogito-Argumenten eine fundierende Funktion für die Absicherung weitreichender theoretischer Folgerungen zuerkennen; beide Philosophen stützen etwa ihre Gottesbeweise auf das Cogito. So bildet in De libero arbitrio der Gedanke der Selbstgewißheit des Geistes den Ausgangspunkt für einen anschließend geführten Gottesbeweis (II 3,7 ff.). Bei Descartes beruht der Gottesbeweis der III. Meditation auf der Gewißheit des Cogito und dem Schluß von der klaren und distinkten Idee eines unendlich-vollkommenen Wesens auf dessen Realität. Allerdings bestehen näher betrachtet auch markante Unterschiede. Anders als Descartes rückt Augustinus das Cogito nämlich keineswegs ins Zentrum seiner Philosophie; er gebraucht das Argument immer nur en passant, sogar in seiner ausführlichen Darlegung von De civitate dei XI 26. Weder in autobiographischen Texten noch in seiner abschließenden Selbstbeurteilung, den Retractationes, wird das Cogito als philosophischer Hauptgedanke des Kirchenvaters gekennzeichnet. Augustinus gibt weder zu erkennen, woher sein Argument entlehnt ist, noch erhebt er den Anspruch, selbst der Entdecker des Arguments zu sein; er kann es also kaum für zentral gehalten haben. Mehr noch, obwohl er verschiedentlich auf das Argument zurückkommt, entwickelt er keine gleichbleibende Form seiner Präsentation. Erst recht bildet Augustinus keine abgekürzte, formalisierte Sprechweise, um auf das Argument andernorts rasch Bezug nehmen zu können. Vor allem aber faßt er es nicht in dem

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Christoph Horn Sinn als fundamentum inconcussum auf, daß sich das gesamte Wissen aus dieser Zentralgewißheit ableiten ließe. Der Kirchenvater präsentiert das gesicherte Wissen nirgends in Form eines Ableitungsmodells, bei dem alle Aussagen zum Zentrum des Cogito in Beziehung gesetzt würden. Ist daraus nun zu schließen, daß Augustinus die fundamentale Stellung des Cogito nicht verstanden hat? Oder muß man vielleicht annehmen, daß er nicht dasselbe Argument wie Descartes gemeint haben kann? Eine zustimmende Antwort auf eine dieser Vermutungen legt sich aus mehreren Gründen nahe. Zunächst, das Argument aus De civitate dei scheint lediglich hypothetisch gemeint zu sein (Si enim fallor, sum), während das Cartesische Cogito offenkundig kategorisch vorgetragen wird (Cogito, (ergo) sum). Weiter fällt auf, daß Augustinus in der frühesten Version seines Arguments lediglich behauptet, der Weise wisse, warum, wie und ob er am Leben sei (Acad. III 9,18 f.); in einer wenig später entstandenen Schrift sagt der Kirchenvater ähnlich, der Leib und das Leben seien unmittelbar gewiß (beata v. 2,7; ähnlich trin. X 10,13; XV 12,21). Sollte Augustinus meinen, daß sich die leibliche Existenz empirischer Personen beweisen lasse, so treffen seine Argumente den Sinn von Descartes’ Cogito natürlich nicht. Überdies wirkt irritierend, daß Augustinus seine Argumente nicht durchgehend in der ersten Person vorträgt; z. B. spricht er an einer Stelle zunächst in der zweiten Person („Sieh zu, ob du bezweifeln kannst, daß du zweifelst“) und dann sogar in der dritten Person („Jeder, der einsieht, daß er zweifelt, sieht etwas Wahres ein“: vera rel. 39,73). Bei Descartes wird das Cogito dagegen mit gutem Grund streng an die Selbstreflexion und ihre grammatische Form, die erste Person Singular, geknüpft. Betrachtet man schließlich die Reihe der zweifelsfreien Gewißheiten, die der Kirchenvater in Contra Academicos anführt, so gewinnt die Vermutung noch weiter an Boden, daß Augustinus den Sinn des Cartesischen Cogito tatsächlich entweder nicht erfaßt oder nicht gemeint haben kann. Beispiele für zweifelsfreie Gewißheiten sind dort etwa die Sätze „Die Welt ist entweder eine, oder sie ist nicht eine“ oder „3 x 3 = 9“ (III 10,23–26). Logische oder mathematische Gewißheiten unterliegen bei Descartes hingegen durchaus der Täuschungsmöglichkeit, der ich seitens eines genius malignus ausgesetzt sein könnte.

Welche Bedeutung hat das Augustinische Cogito?

6.3 Die Argumentation von De civitate dei XI 26 Worin besteht nun in dem zitierten Textstück das Beweisziel Augustins und worin die Beweisführung? Die einfachste Deutung des Augustinischen Cogito stammt von J. Hintikka (1962). Nach Hintikka beruht das Augustinische Argument einfach darauf, daß eine implizite existentielle Präsupposition unserer Handlungsbeschreibungen ausdrücklich gemacht wird. Hintikka weist daher eine Parallelisierung der beiden historischen Konzeptionen mit der Bemerkung zurück, der Augustinische Schluß Si enim fallor, sum reiche nicht weiter als etwa der Schluß ambulo, ergo sum oder der Schluß video, ergo sum (1962, 23; ähnlich Coughlan 1982, 149). Das Subjekt, das in der Argumentation erschlossen wird, sei einfach das in der grammatischen Form des fallor unterstellte Ich. In gewissem Umfang kommt der Wortlaut unseres Textes dieser Deutung entgegen. Die Feststellung, daß sich nicht täuschen könne, wer nicht sei, klingt in der Tat wie die Feststellung, wer nicht existiere, könne erst recht nicht spazierengehen; auch Augustins Formulierungen in der zweiten oder dritten Person unterstützen diese Auffassung. Trifft Hintikkas Interpretation zu, so besteht Augustins Folgerung lediglich darin, aus dem Akt der Täuschung die Notwendigkeit eines Subjekts der Täuschung zu erschließen, ein Zusammenhang, den die sprachliche Form trivialerweise nahelegt. Freilich wäre der Schluß, so trivial und selbstverständlich er zu sein scheint, falsch; denn auch einer Dramen- oder Romanfigur lassen sich Handlungen zuschreiben, ohne daß auf ihre Existenz geschlossen werden darf. Nun läßt sich Hintikkas Deutung freilich mit Sicherheit ausschließen; denn Augustinus gebraucht in keiner seiner CogitoPassagen ein Beispiel der Art ambulo, ergo sum. Im Gegenteil, in den Soliloquia werden als unmittelbare Gewißheiten nur die Sätze „Ich weiß, daß ich bin“ und „Ich weiß, daß ich denke“ angeführt; explizit zurückgewiesen wird hingegen die unmittelbare Gewißheit der Sätze „Ich weiß, daß ich mich bewege“ und „Ich weiß, daß ich unsterblich bin“ (II 1,2). In De trinitate zählt Augustinus neben dem „Leben“ (vivere) zu demjenigen, was „der Geist von sich selbst weiß“, lediglich se meminisse, intelligere, velle, cogitare, scire und iudicare (X 10,14), also klarerweise nur mentale Akte. Wenn Augustinus aber im Bereich der Ich-Aussa-

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Christoph Horn gen eine Differenzierung zwischen gewissen und nicht-gewissen Urteilen vornimmt, kann seine These unmöglich lauten: „In allem, was ich von mir behaupte, setze ich stets die Existenz eines Ich voraus“. Vielmehr wäre ambulo, ergo sum für ihn keine unbezweifelbare Gewißheit. Plausibler scheint es daher, jene Passagen, die von der Gewißheit des eigenen Leibes oder Lebens sprechen, für ungenaue Formulierungen eines dem Cartesischen Cogito äquivalenten Gedankens zu halten.4 Ähnlich unwahrscheinlich ist im Blick auf Augustins Texte diejenige Interpretation, die Hintikka für das Cartesische Cogito vorschlägt: seine Deutung im Sinne eines performativen Arguments. Ein performatives Argument liegt dann vor, wenn die Wahrheit oder Falschheit des Satzinhalts aus irgendwelchen Außenumständen des Sprechakts folgt, besonders aus den empirischen Bedingungen dessen, der einen Satz denkt oder ausspricht. Nach dieser Interpretation stellen Sätze wie „Ich bin hier“ eine unmittelbare Gewißheit und „Ich existiere nicht“ eine sichere Falschaussage dar, sooft sie von jemandem aktuell gedacht oder ausgesprochen werden; im Unterschied dazu ist die Aussage „Ich bin der Bischof von Hippo“ dann, aber auch nur dann wahr, wenn sie von einem Bischof von Hippo gebraucht wird. Die performative Deutung bezieht also den empirisch-konkreten Sprecher, der unter bestimmten räumlich-zeitlichen Bedingungen steht, in die Betrachtung ein. Ein performativ gemeintes Cogito würde dann auf invariante Voraussetzungen verweisen, die für Sprecher in jeder Situation erfüllt sind. Bezogen auf die beiden historischen Positionen wirft sie allerdings die Frage auf, wie mit einem solchen Argument – über die momentane Selbstvergewisserung hinaus – die Gewißheit einer zeitübergreifenden Existenz des Geistes bewiesen werden sollte. Zumindest Augustinus scheint dieses Beweisziel im Sinn zu haben (aber wohl auch Descartes, wenn auch einige gute Belegstellen für eine performative Deutung sprechen). Keiner der Augustinischen Texte präsentiert das Cogito als ein Argument, dessen Wahrheit davon abhängt, daß es von einer empirischen Person an einem 4 Bereits Matthews (1992, 42) erwägt, ob „leben“ hier uneigentlich für „existieren“ verwendet sein könnte; dann wären Augustins Aussagen nicht mehr von der cartesischen Position unterscheidbar. Tatsächlich läßt sich im antiken Sprachgebrauch zên oder vivere einfach als das Sein von Lebewesen verstehen.

Welche Bedeutung hat das Augustinische Cogito? räumlich und zeitlich bestimmbaren Punkt gedacht oder ausgesprochen wird. In Verbindung mit der These von einer existentiellen Präsupposition wird in der Descartes-Interpretation häufig eine logische Interpretation des Cogito vertreten; diese beruft sich etwa darauf, daß das Cartesische Argument in der Variante des Discours de la Méthode mit einem folgernden ergo versehen ist: Cogito, ergo sum (Je pense, donc je suis). Kommt diese Deutung für Augustinus in Betracht? Mit einem logischen Argument hätten wir es dann zu tun, wenn im vorliegenden Fall ein Schluß von Prämissen auf einen Folgesatz beabsichtigt wäre. Ein solcher Schluß könnte etwa die Form des modus ponens annehmen. Aus den Prämissen: (1) Alles, was denkt, existiert. (2) Ich denke. ergibt sich dabei die Folgerung: (3) Ich existiere. Für unseren Text De civitate dei XI 26 steht außer Zweifel, daß die logische Form des Arguments grundsätzlich eine wichtige Rolle spielt. Denn Augustinus gesteht dem Skeptiker ja ausdrücklich die Annahme zu, ich täuschte mich in der Behauptung, daß ich bin. Aus dieser Annahme folgert Augustinus dann in einem zweiten Schritt, daß ich bin. Es liegt also ein logischer Schluß von etwa folgender Form vor; aus den Prämissen: (1') Ich täusche mich in der Behauptung, daß ich bin. (2') Wenn ich mich täusche, dann bin ich. folgt: (3') Wenn ich mich in der Behauptung täusche, daß ich bin, dann bin ich. Es ergibt sich also ein Widerspruch innerhalb der Folgerung (3'), durch den sich die Prämisse (1') als unhaltbar erweist. Somit hat Augustinus an unserer Textstelle offenkundig folgende Gesamtargumentation im Sinn (vgl. schon Matthews 1972; 1992, 31 ff.); aus den Prämissen: (1'') Entweder habe ich recht, oder ich täusche mich, daß ich bin. (2'') Wenn ich mit der Behauptung recht habe, daß ich bin, dann bin ich. (3'') Wenn ich mich mit der Behauptung täusche, daß ich bin, dann bin ich (= 3').

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Christoph Horn (4'') Unabhängig davon, ob ich damit recht habe oder mich täusche, daß ich bin, bin ich. schließt er: (5'') Ich bin. Ist Augustins gesamtes Argument damit hinreichend erfaßt? Sicherlich nicht; denn die zuletzt genannte logische Rekonstruktion des Textabschnitts XI 26 mag den Argumentationsgang richtig darstellen, aber sie erklärt noch immer nicht, was den Übergang von „Ich täusche mich“ zu „Ich bin“ in (2'), (3') und (3'') rechtfertigt. Gegen eine logische Interpretation, wie sie in den Sätzen (1)–(3) dargestellt ist, spricht nun, daß derselbe Schluß zulässig wäre, wenn in (2) an die Stelle des Personalpronomens der ersten Person Singular der Name einer empirischen Person treten würde. Dann liegt z. B. ein Schluß vor von den Prämissen: (1''') Alles, was denkt, existiert. (2''') Augustinus denkt. auf die Folgerung: (3''') Augustinus existiert. Auch wenn, wie schon erwähnt, manche Augustinische Texte die Gewißheit von Leib und Leben behaupten und überdies in der zweiten oder dritten Person formuliert sind, ist es mit den Texten dennoch unvereinbar anzunehmen, daß Augustins Cogito die Existenz eines empirischen Menschen als Beweisziel hat. Eine Folgerung in Bezug auf Objekte in der Welt, wie z. B. über den Bischof von Hippo, wird in den Augustinischen Argumenten nicht nur nirgends angedeutet, sondern im Gegenteil strikt abgelehnt. Gemeint sein muß vielmehr, daß der menschliche Geist über die Möglichkeit verfügt, sich „von außen nach innen“, nämlich „zu sich selbst“, zu wenden, um dort zu unbezweifelbarer Gewißheit zu gelangen. Denn Augustinus bezeichnet die Gewißheit der eigenen Existenz als das „innerste Wissen“ (intima scientia: trin. XV 12,21). Die Begriffe Geist oder Ich sind für eine angemessene Interpretation des Arguments wesentlich. Muß das Augustinische Argument daher eine performative Deutung erhalten? Nein, denn der Akzent liegt nicht auf der aktuellen Selbstvergewisserung eines empirischen Sprechers, sondern auf der Dauerhaftigkeit und Invarianz eines nicht-empirischen, inneren Bereichs. Im Blick auf die spätere Begriffsgeschichte kann man von einem „reinen“ oder „transzendentalen“ Ich sprechen.

Welche Bedeutung hat das Augustinische Cogito?

6.4 Augustins Entdeckung der „Innenwelt“ Augustinus führt weder einen Beweis, in dem die aktuelle Selbstvergewisserung einer empirischen Person angestrebt wird, noch beweist er die Existenz jedes sich täuschenden Menschen, also dessen Existenz als einer empirisch vorkommenden Entität. Denn das Wissen, das Augustinus über „Augustinus“, den historischen Bischof von Hippo, besitzen kann, erfüllt noch nicht die Bedingung, „inneres Wissen“, d. h. Wissen seiner selbst zu sein. Der zentrale Punkt des Arguments ist die Entdeckung des Unterschieds, der zwischen empirischen Entitäten und dem nichtempirischen Ich besteht: Fragt man nach dem empirischen Vorkommen von Kentauren und Einhörnern oder nach der historischen Existenz eines afrikanischen Bischofs namens Augustinus, so stellt man grundlegend andere Fragen, als wenn man seine eigene Existenz einem Zweifel unterzieht. Denn es ist trivial und wenig sinnvoll, die Frage nach der eigenen Existenz in einem empirischen Sinn zu stellen – während es durchaus sinnvoll ist, die empirische oder historische Existenz fremder Entitäten in Zweifel zu ziehen. Die Frage nach der eigenen Existenz kann relevanterweise nur einen nicht-empirischen, einen transzendentalen Sinn haben. Die transzendentale Interpretation des Cogito verweist darauf, daß das Personalpronomen der ersten Person Singular sich in einem doppelten Sinn gebrauchen läßt; dies wird aus dem Vergleich der folgenden zwei Sätze deutlich: (a) Ich weiß, daß ich der Bischof von Hippo bin. (b) Ich weiß, daß ich existiere. Beispielsweise kann die Aussage (a) im Fall eines vorübergehenden Gedächtnisverlustes von einigem Wert sein; sie ist in einem empirisch-pragmatischen Sinn gewiß, aber dennoch prinzipiell irrtumsanfällig. Die Aussage (b) ist dagegen von der Kenntnis empirischer Tatsachen unabhängig und beansprucht Irrtumsfreiheit. Auch wenn ich beide Aussagen wahrheitsgemäß von mir treffen kann, ist das Ich des ersten Satzes dennoch ein anderes als das des zweiten. Das wird daran erkennbar, daß sich aus (a) und (b) als Prämissen nicht die Folgerung ergibt: (c) Ich weiß, daß ich, der Bischof von Hippo, existiere. Vielmehr bezeichnen beide Ich-Verwendungen in Satz (a) eine empirisch-historische Person, während beide Ich-Verwen-

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Christoph Horn dungen in Satz (b) nicht-empirisch gemeint sind, d. h. mit keinem Gegenstand der Welt identifiziert werden können. In dem Satz: (a’) Ich weiß, daß er der Bischof von Hippo ist. wird dasselbe Ich verwendet wie in (a), während in dem Satz: (b’) Ich weiß, daß er existiert. statt des introspektiv gewonnenen transzendentalen Ich ein empirisches Ich vorausgesetzt wird. Augustinus und Descartes interpretieren die Entdeckung dieses Unterschieds übereinstimmend so, daß es sich bei dem Ich, dessen Existenz nicht bezweifelt werden kann, um eine immaterielle, eine geistige Substanz handelt. So stellt Descartes in der II. Meditation fest, das „Ich denke“ lasse sich unmöglich als Körper oder als Wind, Feuer, Dampf, Hauch usw. identifizieren (AT VII 27). Ganz ähnlich sagt Augustinus, wir könnten mithilfe unseres Denkens die Körperstelle, die das „Herz“ unseres Denkens ausmacht, unmöglich lokalisieren (De anima et eius origine IV 6,7). Das Denken weiß nicht, was es ist, z. B. ob es eine Einheit oder eine Vielheit darstellt (sol. I 1,2); es sei „nichts mit leiblichen Augen Wahrnehmbares“, aber auch kein „Phantasiegebilde“ (vera rel. 39,73). Betrachtet man das Denken aus der Innenperspektive, so gibt es für beide Philosophen nichts, was seine empirische Bestimmung erlaubt oder gar seine Bindung an bestimmte Körperorgane nahelegt. Bei Augustinus ist mit diesem Punkt, also mit der Immaterialität des im Denken erfaßten Ich, das Hauptinteresse am CogitoArgument bezeichnet. Die Beweisbarkeit einer unkörperlichen Innenwelt mit ihren Charakteristika Unableitbarkeit und strenge Irrtumsfreiheit erscheint dem Kirchenvater als geeignete Basis für sein religionsphilosophisches Anliegen. Denn die Eigenschaften Immaterialität, ontologische Priorität und Gewißheit, die das Cogito mit sich führt, kann Augustinus nun im Sinn der Gottesprädikate der biblischen Offenbarung deuten; hinzu kommen für ihn die logischen und mathematischen Gewißheiten als Indizien dafür, daß sich zusätzlich das Gottesprädikat der Unveränderlichkeit im menschlichen Geist ausmachen läßt. Es ist somit nicht erstaunlich, daß der Schritt vom Cogito-Argument zum Gottesbeweis für Augustinus denkbar kurz ist; der Kirchenvater hält den Gottesbeweis dann für erbracht, wenn sich die Subjekt-Unabhängigkeit der im „Inneren“ des Menschen zu-

Welche Bedeutung hat das Augustinische Cogito? gänglichen Denkinhalte zeigen läßt. Im Anschluß daran genügt es ihm, auf den Umstand aufmerksam zu machen, daß die nichtempirischen Wahrheiten, über die der menschliche Geist nur vorübergehend und ansatzweise verfügt, einer einheitlichen, ungeteilten, die ganze Wahrheit umfassenden Quelle entstammen müssen. Augustinus verbindet mit dem Cogito überdies die neuplatonische Vorstellung, man könne auf dem Weg des Denkens Gott erreichen. Zwar schließt auch Descartes an sein Cogito zwei Gottesbeweise an; bei Augustinus ist aber – anders als bei Descartes – an eine Art von aktuellem Aufstieg des menschlichen Geistes zu Gott gedacht. Man hat verschiedentlich darauf hingewiesen, daß auch der Cartesische Werktitel Meditationes noch die antike und mittelalterliche Konzeption eines Itinerarium mentis in deum anklingen läßt. Dennoch ist der Zusammenhang von Philosophie und Theologie bei Augustinus wesentlich enger konzipiert: Philosophie bedeutet für ihn unmittelbar eine „Rückkehr zu Gott“ (ad deum reditus: beata v. 4,36). Die Themen Seele und Gott bilden für ihn einen einheitlichen – und den einzig wertvollen – Wissensgegenstand. In den Soliloquia heißt es daher im fiktiven Dialog zwischen ,Augustinus‘ und der ,Vernunft‘, er wünsche „Gott und die Seele zu wissen und nichts außerdem“ (deum et animam scire cupio. Nihilne plus? Nihil omnino: I 7). Wiederholt hat der Kirchenvater den anagogischen Charakter der Wissenserlangung in Stufenform dargelegt (besonders in De ordine II und in Confessiones VII 17,23). Die berühmteste Belegstelle, die den Zusammenhang zwischen dem Cogito und dem „Aufstieg des Geistes“ herstellt, ist die Aufforderung aus De vera religione, nicht nach außen, sondern nach innen zu gehen, da die Wahrheit im „inneren Menschen“ wohne (noli foras ire, in teipsum redi; in interiore homine habitat veritas: vera rel. 39,72). Auf der Basis einer transzendentalen Interpretation läßt sich, wie ich glaube, das Cogito bei Augustinus und Descartes als sachlich eng verwandt ansehen (mit einer kleinen Einschränkung: vgl. Abschnitt 6.6). Dagegen differieren die Kontexte, in denen die Argumente verwendet werden, ganz erheblich. Während Augustins Verwendung stark von der protreptisch-anagogischen Philosophiekonzeption des Platonismus geprägt ist, gebraucht Descartes das Argument als Basis eines – zumindest der

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Christoph Horn Intention nach – streng deduktiv angelegten Systems des gesicherten Wissens. Zwar wäre es falsch, der Antike die Idee einer solchen mathesis universalis abzuerkennen und der Neuzeit den Gedanken eines philosophischen Aufstiegs aus Platons Höhle streitig zu machen; dennoch ist die unterschiedliche Akzentsetzung bei Augustinus und Descartes klar greifbar.

6.5 Zu den Quellen der Augustinischen Innenwelt-Konzeption Wenn es richtig ist, daß bereits Augustinus sinngemäß (wenn auch nicht kontextgemäß) über das Cartesische Cogito verfügt, dann stellt sich die Frage, ob er als Entdecker des Arguments gelten kann oder seinerseits von bestimmbaren älteren Quellen abhängt. In Augustins Werk wird die Argumentationsfigur erstmals innerhalb der frühen Auseinandersetzung mit der akademischen Skepsis entwickelt. Allerdings lassen sich in der Schrift Contra Academicos eher Vorformen des Arguments als ein vollentwickeltes Cogito ausmachen. Zudem spielt es keine sehr akzentuierte Rolle; Augustinus trägt vielmehr eine undifferenzierte Reihe teils guter, teils fragwürdiger Einwände gegen den Skeptizismus zusammen, unter denen die beiden Stellen, die ein Cogito-Argument enthalten, fast übersehen werden könnten (vgl. Acad. III 9,19 und III 11,26). Es ist daher prima facie nicht sehr plausibel, daß der anti-skeptische Kontext der ursprüngliche Ort einer Entdeckung oder Übernahme des Arguments sein könnte. Weit eher bietet es sich an, den Ursprung des Augustinischen Cogito in der Strebenstheorie zu suchen, die Augustinus in der Tradition der eudaimonistisch-teleologischen Ethik der Antike vertritt. Dafür spricht bereits, daß die eben genannte früheste Belegstelle „dem Weisen“ eine unmittelbare Selbsterfassung zuerkennt. In De civitate dei wie in De trinitate stellt Augustinus – wie wir schon sahen – explizit einen Zusammenhang zwischen dem Cogito und der ethischen Strebenskonzeption her. Von großer Bedeutung für den Übergang von der eudaimonistischen Ethik zum Cogito dürfte sein, daß Augustinus die Strebenstheorie gelegentlich in eine strenge Form zu bringen versucht: Das Glück – und zwar für den Kirchenvater das Glück des Friedens –

Welche Bedeutung hat das Augustinische Cogito? ist danach nicht allein das oberste wohlverstandene Strebensziel, sondern zudem das Ziel, das zu haben niemand rationalerweise bestreiten kann. Gibt nun jemand zu, dieses Ziel zu haben – wie die Akademiker es tun –, so muß er auch eine Diskussion über die in der Zielbeschreibung enthaltenen Wissensvoraussetzungen und über die adäquate Zielerreichung zulassen. Instruktiv ist in diesem Zusammenhang das Augustinische Beispiel des Räubers Cacus (civ. XIX 12): Cacus, der mythische Inbegriff des skrupellosen und asozialen Verbrechers, zielt ebenso wie alle anderen Lebewesen auf das Glück des Friedens; er sucht in seiner Räuberhöhle den ungestörten Genuß der geraubten Güter. Auch er, der scheinbar ganz nach unmoralischen Prinzipien lebt, bestätigt somit noch, daß sich die Mittel-ZielRelation nicht umkehren läßt. Zwar kann jemand, so verallgemeinert Augustinus, unfriedliche Mittel gebrauchen, um einen für sich angenehmen Frieden zu erreichen, aber niemand kann den Unfrieden selbst zu seinem Strebensziel machen. Die Perversion der Moralität ist für Augustinus nur innerhalb der Wahl der Mittel (und bei der falschen inhaltlichen Bestimmung des Strebensziels) möglich, eine Wahl der Mittel-Ziel-Relation innerhalb der Strebensordnung ist aber ausgeschlossen. Niemand kann bestreiten, das Strebensziel des Glücks oder Friedens zu verfolgen. Die Vermutung, das Augustinische Cogito könnte sich aus der Ethik herleiten, läßt sich noch wesentlich präzisieren. Die antike Ethik macht eine angemessene Selbsterkenntnis und Selbstprüfung zur Bedingung für eine adäquate Strebensordnung. Dieses Motiv der ethisch-religiös motivierten Selbsterkenntnis besitzt eine lange Tradition, beginnend mit der archaischen Spruchweisheit der Sieben Weisen und der delphischen Tempelinschrift gnôthi sauton. Der Spruch bildet einen zentralen Anstoß für das Philosophieren des Sokrates; bei Platon erscheint der Gedanke etwa in der Lehre von der Sorge um die Seele und der Einübung in den Tod (Phaidon 67e) oder im Begriff eines selbstbezüglichen Wissens, das als Besonnenheit (sôphrosynê) verstanden wird (Charmides 166c, 169b). Bei Aristoteles findet sich eine epistemologisch-metaphysische Version dieses Motivs im Begriff eines sich selbst erfassenden göttlichen Denkens (Metaphysik Lambda 9, 1074b34 f.). Bei der Selbstreflexion, die Platon und Aristoteles zum Ausdruck bringen wollen, handelt es sich also

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Christoph Horn keineswegs um eine Theorie der menschlichen Subjektivität im neuzeitlichen Sinn und erst recht nicht um die Cartesische Suche nach einer darauf gegründeten ersten und unerschütterlichen Gewißheit. Selbstbewußtsein ist gerade kein alltägliches, sondern ein ethisch gefordertes Phänomen, durch das neben Gott nur der Philosoph charakterisiert ist. Daß sich Augustinus demgegenüber der Cartesischen Auffassung so stark nähern konnte, ohne den antiken Theoriekontext zu verlassen, dürfte mit der neuplatonischen Geistmetaphysik bei Plotin zusammenhängen, von der Augustinus nachhaltig beeinflußt ist. Plotins Theorie ist der Intention nach eine Verteidigung des Selbstbewußtseinsbegriffs gegen Sextus Empiricus. Sextus hatte gegen diese, wie er glaubte, unsinnige Konzeption eingewandt, Erkennen bedeute stets, daß ein Erkennendes etwas anderes zum Erkenntnisgegenstand hat; denn weder könne sich etwas Einfaches selbst erfassen (dann wäre es nämlich insgesamt als Erkennendes zu bestimmen und nicht zugleich als Erkanntes) noch etwas Komplexes (denn zwar könne der erkennende Teil einer Entität deren übrige Teile erkennen, nicht aber sich selbst, da er seinerseits entweder einfach oder komplex sei – was zur erstgenannten Unmöglichkeit oder aber zu einem unendlichen Regreß führe: Adversus Mathematicos VII 284–286, 310–312). Zentrales Merkmal der hiergegen gerichteten Plotinischen nous-Lehre ist es, daß der nous in Gestalt der Platonischen Ideen unmittelbar sich selbst denkt. Plotin vertrat gegenüber der Tradition der antiken Selbstbewußtseinstheorie also insofern eine Innovation, als seine nous-Lehre unter dem Eindruck skeptischer Bedenken das göttliche Selbstbewußtsein als eine unmittelbare Einheit (bei nur logischer Verschiedenheit) von Denksubjekt und Denkobjekt im Denkakt interpretiert (vgl. bes. Enneade V 3 [49] 5). Freilich wird auch bei Plotin ein unmittelbares Selbstbewußtsein primär dem göttlichen Denken zugeschrieben und erst sekundär dem Philosophen, der in der „Geistwerdung“ fortgeschritten ist (vgl. V 3 [49] 4; VI 8 [39] 5). Ein alltägliches Phänomen des Selbstbewußtseins ist auch hier noch nicht gemeint. Sogar bei Augustinus ist dieser Primat noch greifbar: Selbsterkenntnis ist primär der göttlichen Trinität zuzuerkennen; und ebenso bringt erst der Weise ein Verständnis für das Cogito auf. Der Übergang von Plotins anti-pyrrhonischer Geistmetaphysik

Welche Bedeutung hat das Augustinische Cogito? zu Augustins anti-akademischem Cogito ergibt sich nun aus Augustins Interesse an der Urbild-Abbild-Relation von göttlichem und menschlichem Geist. Erkennbar wird der Zusammenhang des Augustinischen Cogito mit der Theorie des göttlichen Geistes in De trinitate. Dort wird das Cogito aus der trinitarischen Selbsterkenntnis hergeleitet (Buch IX und X) und auch später noch gemeinsam mit jenem „inneren Wort“ thematisiert, das sich unmittelbar selbst erfassen soll (XV 21,40). Auch die menschliche Selbsterfassung, soweit sie sich auf den „inneren Menschen“ bezieht, ist, so Augustins originelle Leistung, unmittelbar und daher unbezweifelbar.

6.6 Augustinus und das Problem der weltlosen Innerlichkeit Charles Taylor hat in seiner wichtigen Studie Quellen des Selbst die Genese des modernen Selbstbewußtseins untersucht und dabei die, wie er meint, problematische Tendenz der Moderne herausgestellt, die „innere Stimme meiner wahren Empfindungen“ darüber befinden zu lassen, was gut ist (vgl. 1994, 630). Indem Taylor die Bedeutung Augustins für die Cartesische Erkenntnistheorie hervorhebt, behauptet er, der Kirchenvater habe mit der Wendung nach innen einen verhängnisvollen ersten Schritt zur Subjektivierung der Wirklichkeit vollzogen: auf Augustinus lasse sich die moderne „Verirrung“ einer Ansetzung innerer Objekte und eines weltlosen Ich zurückführen.5

5 „Es ist kaum übertrieben zu sagen, daß Augustin derjenige war, der die Innerlichkeit der radikalen Reflexivität ins Spiel gebracht hat und sie dann der abendländischen Denktradition vermacht hat. Das war ein schicksalhafter Schritt, denn inzwischen haben wir zweifelsohne dafür gesorgt, daß sich der Standpunkt der ersten Person zu einer Sache von enormer Bedeutung ausgewachsen hat. Durch die neuzeitliche erkenntnistheoretische Überlieferung seit Descartes und alle ihre Ausläufer in der modernen Kultur ist dieser Standpunkt etwas Fundamentales geworden – man könnte auch meinen, daß wir dadurch auf einen Irrweg geraten sind. Auf diese Weise ist sogar die Anschauung hervorgebracht worden, es gebe einen speziellen Bereich „innerer“ Gegenstände, die nur von diesem Standpunkt aus zugänglich seien. Ein weiteres Resultat ist die Vorstellung, der Ausgangspunkt des „Ich denke“ liege irgendwie außerhalb der Welt der Dinge, die wir erfahren.“

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Christoph Horn Ist es tatsächlich richtig, Augustinus als den zentralen Vorläufer der Konzeption eines weltlosen, solipsistischen Ich und damit des Geist-Materie-Dualismus anzusehen? Im Blick auf den Kirchenvater wirkt dies wenig überzeugend, betrachtet man nur die Herkunft des Augustinischen Cogito aus der antiken Ethik und der Geistmetaphysik. Taylors These scheint den Bischof von Hippo in unzulässiger Weise von der antiken Tradition zu isolieren. Zudem, für Augustinus liegt der mit dem Cogito verbundene philosophische Gewinn nicht in der Entdeckung eines introspektiv erfaßbaren (und schon gar nicht eines solipsistischen) Ich, sondern allgemeiner im Aufweis einer geistigen Realität; entscheidend ist für ihn erst der Übergang von dieser Entdeckung zu einer philosophischen Erschließung Gottes (vgl. das Diktum, Gott sei interior intimo meo et superior summo meo: conf. III 6,11). Das menschliche Ich als erste und absolute Größe anzusetzen, wäre Augustinus dagegen als ein Mißverständnis seines Anliegens erschienen. Überdies bleibt bei Taylor unbeachtet, daß das Cogito auch in einem genuin Augustinischen Sinn weitergewirkt hat, etwa bei Tommaso Campanella oder Marsilio Ficino (vgl. dazu Blanchet 1920). Augustins Cogito scheint also eine Cartesische Deutung keineswegs provoziert zu haben. Dazu kommt noch eine Beobachtung, die auf B. Williams zurückgeht und von M. Burnyeat entfaltet wurde. Nach Burnyeats These (1982) sind sämtliche Autoren vor Descartes von der realen Existenz von Körpern überzeugt, und zwar selbst dann, wenn sie insoweit „Idealisten“ sind, als sie der Außenweltwahrnehmung subjektive Zutaten zuschreiben. Erstmals Descartes habe sein Cogito so aufgefaßt, daß das existierende Ich eine strikt unkörperliche res cogitans darstellt. Zwar hätten bereits antike Philosophen, etwa Plotin und Augustinus, bestimmte Entitäten für geistig-immateriell gehalten, sie hätten aber niemals die gesamte Erfahrungswelt dem erkennenden Subjekt gegenübergestellt. Obwohl Augustinus die Innenwelt, die durch das Cogito erschlossen wird, für unkörperlich hält, bestimmt er den „realen“ Menschen dennoch nicht allein durch sie; vielmehr ist das Ich, dessen Nachweis Augustinus führen will, eine Synthese aus Körper und Geist (vgl. hierzu auch Matthews 1992, 51). Augustinus unterstellt bei seinem Cogito augenscheinlich, daß auch der eigene Körper und überdies das Fremdpsychische irrtumsfrei erweisbar seien.

Welche Bedeutung hat das Augustinische Cogito? Von Descartes her gesehen liegt hierin ein gravierender Mangel, der seine vehemente Distanzierung von Augustins Cogito rechtfertigt (auch wenn dies wohl nicht Descartes’ tatsächliches Motiv gewesen ist). So betrachtet bedeutet das Cartesisch verstandene Cogito in der Tat einen epochalen Auffassungsunterschied. Erwägenswert bleibt die These Taylors also insofern, als man eine historische Entwicklung annehmen könnte, die sich mit Augustinischen Mitteln gegen dessen Intention richtet.

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Die Wahl der Engel. Übel, Materie und Willensfreiheit

Maria Bettetini

Die Wahl der Engel. Übel, Materie und Willensfreiheit (Buch XI–XII)

Ziel dieses Beitrags ist es, gestützt auf eine Lektüre der Bücher XI und XII von De civitate dei die Begriffe des Übels, der Materie und des freien Willens zu untersuchen, und zwar besonders mit Blick auf die Augustinische Konzeption des Sündenfalls. Zwar diskutieren diese beiden Bücher nicht unmittelbar die Ereignisse um Adam und Eva, die erst in Buch XIII im Mittelpunkt stehen; was sie thematisieren, ist vielmehr der Sündenfall der Engel. Das ist jedoch nur vorteilhaft, da es uns ermöglicht, das Wahlverhalten der gefallenen (aber auch der integren) Engel und damit den ersten Ausgangspunkt einer freien Entscheidung zugunsten des Übels in Augenschein zu nehmen. Ohne daß die Ausflucht einer bloßen Zwischenerklärung möglich wäre, erhebt sich bei dieser Konstellation die Frage nach der Ursache des Übels (unde malum?). Dabei gehen wir wie folgt vor. Wir geben zunächst jeweils eine Textanalyse zu den Büchern XI und XII, beschränkt auf die verschiedenen, häufig unausdrücklichen Augustinischen Argumentationsziele sowie auf seine Rückgriffe auf andere Denker. Wir folgen dem Text möglichst genau, und zwar nach der Interpretationsthese, daß Augustinus – trotz seiner vielfältigen pastoralen und apologetischen Anliegen – seine Texte höchst sorgfältig komponiert und Bilder oder Begriffe nie beliebig verwendet. Auf der Grundlage eines Vergleichs mit der neuplatonischen Tradition und mit Augustinischen Paralleltexten, besonders zur formlosen Materie in den Confessiones, versuchen wir dann zu zeigen, daß die Originalität von Augustins Denken über Übel

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Maria Bettetini und Freiheit teils in einer Neubestimmung des Materie- und des Willensbegriffs, teils in einer vollständigen und wohldurchdachten Fassung der traditionellen Konzeption besteht.

7.1 Der Ursprung der beiden civitates Buch XI ist das erste des zweiten Teils von De civitate dei. Nach seinem kritischen Durchgang durch die römische Geschichte und der pars destruens, welche die pagane Religion und die platonische Philosophie attackiert, beginnt Augustinus nun, dem Leser jenseits von Mythen und zufälligen philosophischen Intuitionen die „wahre Lehre“ darzulegen. Damit dies möglich ist, muß er den Ursprung der beiden Städte erläutern, die zwar miteinander vermischt sein sollen, aber dennoch unterschiedliche Anfänge und Zielpunkte aufweisen. Wie wir aus De civitate dei X 7 wissen, bestehen die beiden Städte nicht allein aus Menschen, sondern zudem aus guten sowie bösen Engeln. Warum aber wird diese Information so spät gegeben? Im Anschluß an neuere Forschungen (vgl. Simonetti in: Cavalcanti 1996, 167–179) können wir dies so erklären, daß es Augustins vorrangiges Anliegen war, die Stadt Gottes in ihrem gegenwärtigen irdischen Exil vorzuführen; sie erwartet hier den Jüngsten Tag, dessen Zeitpunkt allein Gott bekannt sein soll. In dem Augenblick, in dem die Engel literarisch in Erscheinung treten, charakterisiert durch Überlegenheit und Unwandelbarkeit, soll nun die civitas dei für die Leser zur aktuellen Realität werden. Denn Jerusalem ist keine bloße Metapher für einen künftigen Zustand; vielmehr soll es bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt in großartiger Form existieren, wie wir etwa der Passage Enarrationes in Psalmos 64,3 entnehmen können. Um die Anfänge der beiden civitates behandeln zu können, muß Augustinus den Weg einer Diskussion der Geschichtszeit und der Unterscheidung von Wandelbarkeit und Unwandelbarkeit einschlagen. Demnach ist die wandelbare Welt zugleich mit der Geschichtszeit durch einen unwandelbaren, außerzeitlichen Gott geschaffen, der seine Pläne und seinen Willen im Verlauf der Weltschöpfung nicht ändert. Diese Opposition von Veränderlichkeit und Unveränderlichkeit wird thetisch an den Anfang gesetzt. Augustinus vergleicht die Mühe, die ein Mensch für das

Die Wahl der Engel. Übel, Materie und Willensfreiheit Nachvollziehen dieses Unterschieds und für ein Verständnis des Schöpfungsvorgangs aufwenden kann, mit der Abenddämmerung: danach verdunkelt sich die Sache im Fortschreiten immer mehr. In einer traditionellen platonischen Metapher gesprochen, gleicht die Morgendämmerung jener Situation, in der der Mensch ausschließlich Wissen im Licht der göttlichen Sonne, nicht dagegen über diese selbst, d. h. Gott, erwirbt. Deshalb erreicht er bestenfalls Selbsterkenntnis und erfaßt zudem die Geschöpfe, wie sie in den ersten Kapitel der Genesis präsentiert werden. Der mögliche Höhepunkt dieses Wissens ist die Erkenntnis, daß die „Sabbatruhe Gottes“ gleichbedeutend mit der „Ruhe der in Gott Ruhenden“ ist (XI 7–8). Damit enden die Schwierigkeiten freilich noch nicht, die sich einer menschlichen Erkenntnis des Ursprungs der beiden civitates entgegenstellen. Da von Engeln im Schöpfungsbericht nicht direkt die Rede ist, ist es für Augustinus ausgeschlossen, ihnen klare Merkmale zuzuschreiben; er muß vielmehr auf Hypothesen zurückgreifen. Möglicherweise sind sie das Licht, das im Genesis-Bericht noch vor der Erschaffung der Sonne erwähnt wird, möglicherweise aber auch das Licht, das als „Tag“ bezeichnet wird (XI 9). Augustinus legt sich auf die zweite Möglichkeit fest, also auf jenes Licht, das durch Partizipation am ewigen Licht geschaffen worden sein soll. Und schließlich gibt er eine Erläuterung ihres Zustands: das ewige Licht erleuchte jeden Engel, zumindest sofern dieser „hell“ sei, während einem Engel, der sich von Gott abwende, das göttliche Licht fehlen soll; er wird zum „Schatten in sich selbst“. „Denn das Böse“, so Augustinus, „hat kein Wesen, vielmehr wird der Verlust des Guten böse genannt“ (XI 9 in fine).

7.2 Übel als Verlust des Guten bei Plotin Augustins Argumentation geht jetzt zügig voran. Nachdem er den ontologischen Status der Engel mithilfe der Lichtmetapher geklärt hat, geht er direkt zur Definition des „Bösen-an-sich“ als eines „Verlustes des Guten“ über. Ohne daß wir hier auf die Frage der Augustinischen Quellen bei Plotin, Porphyrios (oder auch bei beiden) eingehen können, sollen nun einige Passagen aus Plotins erster Enneade in Erinnerung gerufen werden.

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Maria Bettetini Bekanntlich interpretiert Plotin das Übel als „gleichsam eine Form des Nichtseins“ (hoion eidos ti tou mê ontos on), wobei allerdings das „Nichtsein“ keine absolute Negation darstellen, sondern „lediglich anders als das Sein“ sein soll (mê on de outi to pantelôs mê on, alla heteron monon tou ontos: Enneade I 8 [51] 3). Gleich anschließend wird im Text klargestellt, daß diese Andersheit gegenüber dem Sein nicht – wie im Platonischen Sophistes – die Andersheit von Ruhe und Bewegung meint und daß mit dem so verstandenen Nichtsein ebensowenig die wahrnehmbare Welt insgesamt angesprochen ist; gemeint ist vielmehr dasjenige, was „noch später“ als letztere ist (nämlich die Materie). Dabei wird das primäre, das absolute Übel mit vollkommener Formlosigkeit gleichgesetzt; es ist „Formlosigkeit im Gegensatz zum Maß“, „das Grenzenlose gegen die Grenze, das Gestaltlose gegen das Gestaltungsprinzip, das stets Bedürftige gegen das Selbstgenügende, das immer Unbestimmte und niemals Ruhende, das stets Aufnehmende, aber nie Gesättigte, vollständige Armut“ (ebd.). Was die Beschreibung von Privation und Verlust anlangt, so läßt sich festhalten, daß Augustinus Plotin präzise folgt – nicht dagegen in der Gleichsetzung von Materie und reinem Übel. Plotin behauptet überdies, das reine Nichtsein weise die genannten Charakteristika nicht nur als akzidentelle Eigenschaften auf, sondern „gleichsam als seine Substanz“ (ousia), wenn er auch zögert, den Substanzbegriff für das Übel zu gebrauchen; er fügt daher sein bekanntes relativierendes hoion hinzu. Doch bestätigt er noch einmal: Es muß ein selbständig identifizierbares „erstes Übel“ geben, das Form und Maß, wenn diese mit ihm verbunden werden, depotenziert; dieses erste Übel ist ein bloßes Nachbild dessen, was wirklich existiert. Die selbständige Entität, die als ein solches Nichtsein allein in Frage kommt, ist nun die reine Materie (hylê). In Enneade I 8 [51] 7 gilt das Übel, die Materie, als das „Letzte“ oder „Äußerste“ (eschaton), als das unterste Produkt des Guten und damit als dasjenige, was nichts Gutes mehr an sich hat. Es bildet das notwendige Gegenüber des Guten; wie im Timaios ist die Materie der Enneaden qualitätslos und insofern schlecht. Auch nach Porphyrios ist das reine Übel die Materie (vgl. Sententiae ad intelligibilia ducentes XXX; Lamberz 21); diese ist immer im Werden, steht niemals still und kann ebensowenig fliehen: sie ist vollkommener Seinsmangel. „Sie ist das wahre Nichtsein: das bloße Abbild und Phantasma

Die Wahl der Engel. Übel, Materie und Willensfreiheit der Körpermasse“, das zwar „nichts besitzt, aber dennoch alles zu besitzen scheint“ (XX; Lamberz 11). Für Plotin kann sie als absolutes Übel allerdings nicht unabhängig existieren. In den Enneaden wird dies aus der Unterscheidung zwischen intelligibler und sensibler Materie deutlich. Erstere ist ewig und stets mit sich selbst identisch, letztere dagegen, das Substrat der Körper, wird als ein solches Nichtsein bestimmt, das niemals mit sich selbst identisch sein kann (Enneade II 4 [12] 3). Die sensible Materie wird als unaffizierbar und als selbst unkörperlich gedacht; materielle Körper kommen also erst durch eine Form-Materie-Synthese zustande. Die Materie, so Plotin, ist „weder Seele noch Geist noch Leben noch Form noch Vernunft noch Grenze“ (Enneade III 6 [26] 7). Durch den Mangel aller Bestimmtheit kann sie somit nicht als Sein beschrieben werden, obwohl sie das Substrat aller körperlichen Entitäten darstellt. Während diese durchaus nicht nichts sind, ist sie, das Materialprinzip aller Körper, tatsächlich nichts. Freilich ist dieses Übel „notwendig“ und zudem „nie allein“ (Enneade I 8 [51] 15); denn vermittelt durch das Wesen oder die Kraft des Guten erscheint es als „gleichsam gefesselt mit schönen Banden, wie ja auch bestimmte Gefangene mit goldenen Ketten gefesselt werden“ (ebd.). Das Motiv der kosmischen Harmonie wird innerhalb der Enneaden häufig aufgegriffen; ihm zufolge wird das Übel als notwendig für die Vollkommenheit des Universums gedeutet. Die Vorsehung, worunter Plotin die Entsprechung von logos und Weltverlauf versteht, ordnet alles auf vollkommene Weise; nichts ist dabei nutzlos, schädlich oder häßlich. Auch bei Augustinus lassen sich zahlreiche Äußerungen finden, die das Vertrauen in eine umfassende kosmische Harmonie bezeugen (zu dieser „ästhetischen Theologie“ vgl. von Balthasar 1962; Sciuto 1991; Bettetini 1992). Allerdings werden wir sehen, daß dies nicht immer garantiert ist. Zur Begriffsklärung sollten wir nun festhalten, daß auch für ihn das „Übel keine Substanz“ ist. Augustinus übernimmt Plotins Zurückweisung substantialistischer Deutungen wie derjenigen des Manichäismus. Allerdings belegt Augustins Lektüre des Anfangs der Genesis auch, daß er das Übel nicht mit der Materie gleichsetzt. Das Augustinische Nichtsein ist das strikte Nichts, wohingegen Materie für ihn bereits ein Etwas ist und daher naturgemäß gut sein muß.

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Maria Bettetini Dreizehn Jahrhunderte später differenziert Leibniz zwischen einem malum physicum, einem malum morale und einem malum metaphysicum (Essais de Théodicée I 21 ff.). Während das erste das natürliche Übel meint (Krankheiten, Naturkatastrophen etc.) und das dritte die notwendige Unvollkommenheit eines begrenzten Geschöpfes bezeichnet, rührt das moralische Übel weder vom physischen noch vom metaphysischen Übel her. Wir werden bei Augustinus eine verwandte Differenzierung vorfinden.

7.3 Materie und Nichtsein bei Augustinus Um ein klares Bild der Beziehung von Materie und Nichtsein bei Augustinus zu erhalten, ziehen wir eine Textstelle aus den Confessiones heran, in der er das Materieproblem direkt thematisiert, um so eine Grenzlinie zwischen der Materie und dem Nichts zu gewinnen. Buch XII der Confessiones bietet eine detaillierte Exegese der ersten Verse der Genesis, die in der Augustinus vorliegenden lateinischen Version lauten: In principio fecit Deus cælum et terram: terra erat invisibilis et incomposita, et tenebræ erant super abyssum. Sogleich mit den ersten Zeilen von Buch XII ist für Augustinus klar, daß der Beginn der Bibel nicht die Entstehung der jetzt sichtbaren Erde und des Himmels beschreiben soll, sondern die Erschaffung des „Himmels der Himmel“ sowie der formlosen Materie. Augustinus bemüht sich daher, die Situation unmittelbar vor der Erschaffung der Welt zu erhellen, in der Gott aus dem Nichts eben den „Himmel der Himmel“ und die erste Materie, aus denen unser Himmel und unsere Erde entstanden seien, hervorgebracht habe. Im Augenblick vor der Erschaffung der materiellen Dinge soll der Lauf der Zeit noch nicht eingesetzt haben; doch handelt es sich nach dem GenesisBericht bereits um den ersten Schöpfungstag. Dieser erste Schöpfungstag scheint deshalb als zeitlich ausdehnungslos beschrieben zu werden, zumal er ja von nichts Geschaffenem erlebt wird. Andererseits „dauert“ der erste Tag insofern, als die formlose Materie besteht, ohne freilich etwas Bestimmtes zu sein, „weder Farbe noch Form noch Körper noch Geist“ (non erat aliquid, non color, non figura, non corpus, non spiritus). „Und dennoch gab es nicht überhaupt nichts, da es doch die Formlo-

Die Wahl der Engel. Übel, Materie und Willensfreiheit sigkeit ohne irgendeine Gestalt gab“ (non tamen omnino nihil: erat quædam informitas sine ulla specie). Dieser Punkt ist nicht leicht zu fassen: ein Tag ohne Dauer gekennzeichnet durch ein NichtEtwas, das dennoch nicht nichts sein soll. Augustinus sagt, die Bibel bezeichne es passend als die „unsichtbare und formlose Erde“, in Wirklichkeit wüßten wir aber nicht, wie wir es bestimmen sollen (conf. XII 4,4). Die erste Schwierigkeit besteht darin, sich etwas derartiges vorzustellen. Zu einem früheren Zeitpunkt seiner Biographie, als Manichäer, habe er, so berichtet Augustinus, bereits gelegentlich von dieser Formel gehört, sie aber nicht verstanden; freilich hätten die, die sie gebrauchten, sie ebensowenig erfaßt (conf. XII 6,6). Er selbst habe sie sich so vorgestellt, als besäße das Nicht-Etwas unzählige Formen (species). Augustins Geist (mens) hat erst auf der Basis einer Vorstellung Erfolg, die von der alle Formen rezipierenden Materie aus Platons Timaios inspiriert zu sein scheint (vgl. „Wenn wir sie aber als eine unsichtbare und gestaltlose Form beschreiben, alles aufnehmend, am Intelligiblen teilnehmend auf eine höchst unerklärliche Weise und äußerst schwer zu erfassen, so werden wir nichts Falsches behaupten“: Timaios 51a). Augustinus erwägt in Confessiones XII 5,5, ob er es mit etwas zu tun hat, das weder eine intelligible noch eine sensible Form darstellt. Aber er gerät dabei in die Schwierigkeit, etwas denken zu sollen, das in der Mitte zwischen Form und Nichts angesiedelt ist. Einfacher wäre es, das vollkommen formlose Nichts zu denken, als „etwas zwischen Form und Nichts, das weder geformt noch nichts ist“ (quiddam inter formam et nihil nec formatum nec nihil). Ein wirkliches Verstehen ergibt sich deshalb nicht aus dem Vorbild geformter Körper, die sich in der Imagination vordrängen, sondern aus der Reflexion auf Körper und deren Wandelbarkeit, auf den Umstand, daß sie aufhören zu sein, was sie sind, und zu etwas werden, das sie nicht sind. Dieser Vorgang soll nun nicht in dem Sinn auf dem Nichts beruhen, daß der Übergang von einem zum anderen Zustand einen „Fall“ ins Nichtsein erforderlich machen würde. Was Augustinus mit Aristoteles und Plotin annimmt, ist vielmehr, daß der Übergang von „Form zu Form durch ein bestimmtes Ungeformtes geschieht“ (forma in formam per informe quiddam fieri; vgl. Plotin Enneade II 4 [12] 2; Aristoteles

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Maria Bettetini Physik A 9; Metaphysik H 1). Diese Annahme bestätigt sich im Laufe des Dialogs, den Augustinus literarisch mit Gott führt, so daß er schließlich die formlose Materie definieren kann als die „Wandelbarkeit der wandelbaren Dinge selbst, […] aufnahmefähig für alle diejenigen Formen, in die diese wandelbaren Dinge verwandelt werden“ (conf. XII 6,6). Die Schwierigkeit, die formlose Materie angemessen auszudrücken, wird augenfällig in der berühmten Aussage „Wenn es einem erlaubt wäre zu sagen ,ein Etwas-Nichts‘, ein ,Ist, Istnicht‘, würde ich es so sagen“ (conf. XII 6,6). Freilich ist das nicht erlaubt, und dennoch müssen diese Formulierungen mangels besserer Beschreibungen vorläufig akzeptiert werden. Platons Timaios, den Augustinus wahrscheinlich in der Übersetzung Ciceros kannte, ist voller Kennzeichnungen des Materialprinzips, wie sie auch für die formlose Materie der Confessions gelten. In zweiten Teil der Rede des Timaios wird die „dritte Art“ (triton genos) mit ihrer Kraft und Eigenschaft diskutiert, das „Aufnehmende alles Entstandenen“ zu sein, „vergleichbar einer Amme“ (Timaios 49a). Insofern es sich um eine aufnehmende Größe handelt, soll auch der Ausdruck „Mutter“ angemessen sein, insofern alle Formen aufgenommen werden, müsse etwas vorliegen, das selbst „frei von allen Formen“ und „unsichtbar und formlos“ sei (Timaios 50d–51b), wie wir es auch bei Augustinus gefunden haben. Diese dritte Art soll der Ort alles dessen sein, was dem Werden unterliegt; es handle sich um einem Bereich oder ein Ort, der sich nur „erfassen läßt durch eine bastardhafte Überlegung ohne die Hilfe der Wahrnehmung, und es ist ein bloßer Gegenstand der Überzeugung“ (Timaios 52b). Auch in Aristoteles’ Metaphysik gilt die Materie als unerkennbar (agnôstos) und unbegrenzt (ahoriston), als nichts aktuell Bestimmtes, sondern lediglich Potentielles (vgl. Metaphysik VII 10, 1036a 8 f.; VII 11, 1037a27; VIII 1, 1042a27 f.). Die erste Materie wird wie folgt bestimmt: „Wenn es aber ein Erstes gibt, das nicht mehr von einem anderen als ,von jenem herrührend‘ ausgesagt wird, dann ist dies die erste Materie (hylê prôtê)“ (IX 7, 1049a24–26). Nun wissen wir, daß Augustinus die Metaphysik nicht gelesen, sondern bestenfalls indirekt zur Kenntnis genommen hat; dies gilt auch für die von Plotin übernommene und weiterentwickelte Aristotelische Materiekonzeption. Plotin gibt von der (unteren) Materie die folgende Definition: „Man nennt

Die Wahl der Engel. Übel, Materie und Willensfreiheit sie passenderweise nichtseiend […], wirklich und eigentlich nichtseiend, ein Schatten und Trugbild der Masse, ein Trachten nach Substanz, ein Ruhendes, das nicht stillsteht, ein an sich Unsichtbares, das dem, der es sehen möchte, entrinnt und da ist, wenn man es nicht sieht (sieht man aber genau hin, so ist es nicht zu sehen), das immer die Gegensätze an sich in Erscheinung treten läßt, groß und klein, mehr und weniger, Mangel und Überfluß, ein Schattenbild, das nicht standhält und doch auch nicht zu entrinnen vermag (denn nicht einmal dazu hat es die Kraft, da es keine Kraft vom Geist bekommt), sondern es ermangelt alles dessen, was Sein heißt“ (Enneade III 6 [26] 7).1 Auch wenn Augustins formlose Materie mehrere der bei Plotin genannten Kennzeichen auf sich vereinigt, läßt sie sich dennoch nicht als nicht-seiend qualifizieren. Wir sahen dies bereits anhand von Aussagen aus Buch XII der Confessiones. Wir haben es also mit einer formlosen Materie zu tun, die ganz ohne Bestimmung sein soll, seien dies Gattungsbestimmungen, modale oder formale Bestimmungen. Es handelt sich dennoch nicht um Plotins Nichtseiendes; dieses hält Augustinus, wie wir sahen, für begrifflich leichter faßbar. Vielmehr geht es Augustinus um eine Größe, die „nach“ dem Nichts und „vor“ den geschaffenen Entitäten zu plazieren ist, die gekennzeichnet ist durch zeitliche Ausdehnungslosigkeit, aufnahmefähig für alle Formen (capax formarum omnium) und als Basis der Veränderlichkeit aller veränderlicher Entitäten dient. Augustinus meint ein subtiles Grenzphänomen zwischen dem Nichts und dem Geschaffenen, um den kurzen Augenblick, in dem der „höchste Komponist“ (archimusicus) seinen Atem anhält, bevor er das Orchester anleitet, eine einheitliche, konkrete Musik zu spielen.

7.4 Die Grenze zwischen Sein und Nichtsein in De civitate dei Wir stoßen auf dasselbe Erfordernis, ein Etwas (aliquid) zwischen Sein und Nichtsein und zwischen absoluter Unwandelbarkeit und Veränderlichkeit zu definieren, welches die Differenz

1 Nach der Übersetzung von W. Theiler und R. Beutler (leicht modifiziert).

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Maria Bettetini zu beiden einhält, ebenfalls in Buch XI von De civitate dei. Die Passagen, die hier auf die Definition des Übels als eines Verlustes an Gutem folgen, untersuchen diese anspruchsvolle Konzeption aber nicht weiter; sie wird erst in Buch XII neu aufgegriffen. Stattdessen werden jetzt ihre Konsequenzen behandelt, und zwar auf dem Weg einer Definition der Engel, ihrer Glückseligkeit sowie ihres freien Willens. Augustinus bestätigt zunächst die Unwandelbarkeit Gottes, der „Dinge schuf, die er bereits zuvor kannte“ (XI 10), Dinge, die daher unmöglich außerhalb seines Blickfelds existieren können. Dann geht er dazu über, die relative Unwandelbarkeit der Engel zu betrachten. Sie „sind niemals Schatten gewesen“ (XI 11), und ihre Glückseligkeit gründet in ihrem „ununterbrochenen Genuß des unwandelbaren Gutes“ sowie in der „vollkommenen Sicherheit, ohne Zweifel und Täuschung, bezüglich der ewigen Dauer dieses Zustands“ (XI 13). Noch bevor er den Grad an Unwandelbarkeit diskutiert, der den guten Engeln zuteil wird, schneidet Augustinus die Frage nach den bösen Engeln an. Diese sollen zwar im selben Glückszustand geschaffen, aber nur vorübergehend darin verblieben sein, bis sie „willentlich“ abfielen. Es gab also einen Augenblick des Abfalls, während andererseits die guten Engel in ihrer Gewißheit über die ewige Dauer ihres Glücks verharrten. Denn wenn diese Aussage nicht in Augustins Intention läge, wie sollte dann der gute Engel seines ewigen Glücks gewiß sein können, der böse hingegen nicht? Nun könnte sich ein Opponent, so Augustinus, auf 1 Joh 3,8 berufen, wonach „der Teufel von Anfang an sündigte“. Darauf antwortet Augustinus, „von Anfang an“ könne unmöglich strikt zu verstehen sein. Denn, so erklärt er, falls jemand als Sünder geschaffen wäre, dann wäre er dies nicht erst willentlich geworden und wäre folgerichtig gar kein Sünder. Daher müsse es eine Zeitspanne zwischen der Erschaffung der guten Engel und der ersten Sünde jener Engel gegeben haben, die willentlich schlecht geworden seien. Augustinus lokalisiert den Beginn des Übels also unzweifelhaft in der Sünde, nicht in der göttlichen Schöpfung. Tatsächlich sündige der Teufel „von Anfang an“, freilich sei hiermit der Anfang einer gewissen Unveränderlichkeit sowohl der guten als auch der bösen Engel gemeint, nicht der Schöpfungsbeginn. Offenkundig haben wir es hier wie schon in den

Die Wahl der Engel. Übel, Materie und Willensfreiheit Confessiones mit einer „dritten Art“ von Zeitspanne zu tun, mit jener Zeit, die sich zwischen dem Schöpfungsbeginn und der ersten Sünde erstreckt haben soll. Die Passage läßt sich mithin so zusammenfassen: Der Unwandelbare schafft das Wandelbare; einige wandelbare Entitäten erlangen Unwandelbarkeit (und zwar teils im positiven, teils im negativen Sinn); andere veränderliche Entitäten setzen zunächst ihren Wandel fort und erreichen Unveränderlichkeit erst nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne.

7.5 Harmonie der Gegensätze Obwohl der Disput mit den Manichäern bei der Niederschrift dieser Kapitel von De civitate dei nicht von erstrangiger Bedeutung für Augustinus ist,2 läßt er auch hier die Gelegenheit eines anti-manichäischen Angriffs nicht aus. Wäre das Wesen des Teufels intrinsisch böse, dann könne man nicht von Sünde, einem Abfall und einem wirklichen Bösen sprechen – allesamt Begriffe, die Willentlichkeit voraussetzten. Die Manichäer werden im Text zwar nicht genannt, doch ist der Bezug auf ihre Lehre von zwei am Beginn des Universums stehenden Wesen, einem guten und einem schlechten, offenkundig. Aus ihrer Sicht sind Engel und Zwischengötter wesensgemäß teils gut und teils böse. Hingegen schuf Gott nach Augustins Auffassung alle Dinge gut: die biblische Tradition überlagert hier den Augustinischen Rückgriff auf den Timaios. In einer Passage aus Kapitel 17 ist Augustinus im Begriff, den Platonischen Demiurgen im Sinn des welterschaffenden Gottes zu deuten, um so seine Konzeption eines harmonischen und wohlgeordneten Universums zu stützen. Wir finden daher an dieser Stelle die erste von mehreren Digressionen zur „Ordnung aller Dinge“: Geschöpfe weisen zwar unterschiedliche Vollkommenheitsgrade auf, doch sind sie alle wohlgeordnet und gut. Selbst willentlich von Gott abgefallene Geschöpfe sollen immer noch in die Ordnung einbezogen sein, da Gott „der gerechteste Ordner der bösen Willen“ ist (XI 17). 2 Zum Einfluß der Manichäer auf Augustinus vgl. van Oort 1996; zu ihrer Präsenz in De civitate dei vgl. ders. 1996a.

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Maria Bettetini In Übereinstimmung mit seinen Frühschriften, etwa De ordine aus dem Jahr 386, reformuliert Augustinus seine Lehre von der Zusammensetzung der Weltordnung und bezieht sie nun gleichfalls auf die abgefallenen Engel: „Gott würde ja keinen Menschen erschaffen haben und erst recht keinen Engel, dessen künftige Schlechtigkeit er vorausgesehen hätte, wüßte er nicht ebenso, wie er sich ihrer zum Nutzen der Guten bedienen und so das geordnete Weltganze wie ein herrliches Gedicht gewissermaßen mit allerlei Antithesen ausschmücken würde“ (XI 18). Etwas später im Text erscheint der wichtige Vergleich mit einem Gemälde, welches durch die Verbindung von Licht und Schatten schöner wird. Andernorts verwendet Augustinus auch die Vorstellung von einem Musikstück, das gerade durch Pausen an Schönheit gewinnt. Vielleicht in Anspielung auf seine eigene Vergangenheit als Rhetor ist seine bevorzugte Metapher freilich diejenige von der Komposition einer Rede. In Kapitel 22 stellt Augustinus fest, es komme hierbei nicht auf die Quantität an, sondern auf Harmonie und Proportion, und bietet damit eine – in ihrer mittelalterlichen Nachwirkung folgenreiche – Rede-Definition in stoischPlotinischen Begriffen. Besonders die „Schönheit der Zeiten“ soll sich auf eine wohlkomponierte Einheit von Gegensätzen gründen; sie schließt daher Beiträge sowohl der guten als auch der bösen Engel ein. Auch wenn diese von Gott getrennt sind, soll Gott ihren Verrat vorhergesehen haben. Dies ist ein verwickelter Punkt. Auf der Basis der hermeneutischen Prinzipien, wie sie etwa in De doctrina christiana und in den Confessiones3 entfaltet werden – dort wird die „Dunkelheit der Worte“ positiv aufgefaßt, nämlich als die Möglichkeit, „mehr als eine einzige Wahrheit“ ans Tageslicht zu fördern –, versteht Augustinus die Trennung von Licht und Finsternis aus Genesis 1,16–18 als die unwiderrufliche Zweiteilung zwischen der Gruppe der (guten) Engel (societas angelorum) und den „verdüsterten Geistern der vom Licht abgefallenen bösen Engel“ (XI 19). Diese Zweiteilung beruht auf göttlichem Vorherwissen bezüglich ihrer Wahlentscheidungen und folgt diesen nicht erst nach; Gott ist „auch das künftige, nicht durch die Natur, sondern durch den Willen verursachte Böse weder verborgen noch ungewiß“ (ebd.). Die Engel sind also bereits zweigeteilt, bevor sie ihre Entschei3 Vgl. doctr.chr. III 25,37–III 28,39; conf. XII 14,17; XII 30,41–XII 32,43.

Die Wahl der Engel. Übel, Materie und Willensfreiheit dung faktisch getroffen haben; dennoch bedeutet dies keine Determination, sondern ergibt sich lediglich aus dem Begriff einer umfassenden und unveränderlichen göttlichen Vorsehung (XI 21). Dieser letzte Punkt ist von einiger Bedeutung. Wenn nämlich Gottes Unwandelbarkeit nicht einmal durch eine grundlegende und unwiderrufliche Wahl seitens der Engel affiziert wird, dann kann sie durch nichts untergraben werden. Dann aber ist die manichäische Lehre, wie Augustinus hervorhebt, sinnlos, wonach Gott durch die Notwendigkeit, das gegen ihn gerichtete Übel aufzuheben, zur Weltschöpfung veranlaßt worden sein soll. Noch bevor die erste Sünde begangen wird, konnte Gott Gutes von Bösem unterscheiden; für ihn kann es im Weltlauf nichts Überraschendes geben, das ihn zu unvorhergesehenen Korrekturen veranlassen würde. Sein Vorherwissen rettet somit seine Unwandelbarkeit und gestattet es Augustinus, die Plotinische Ersetzung starrer Notwendigkeit durch die pronoia aufrechtzuhalten. Die Freiheit der Engel ist dagegen schwerer zu behaupten. Um die manichäische Substantialisierung des Bösen zu vermeiden, deutet Augustinus das Universum als eine harmonische Ordnung, in der alles vorhergesehen ist und in der dennoch für die Freiheit von Engeln und Menschen Platz ist; auch wenn die Metaphern mit denen Plotins übereinstimmen, kann ihre Bedeutung somit nicht dieselbe sein. Dennoch läßt Augustins Argumentation diese Frage bis zum nächsten Buch ungelöst (vgl. 7.8 ff.).

7.6 Triaden In den verbleibenden Kapiteln von Buch XI ist Augustinus immer noch mit der Verteidigung der Güte der Schöpfung gegen die Manichäer befaßt, aber auch gegen Origenes’ Ansicht, die Welt sei als Ort zur Bestrafung sündiger Seelen erschaffen worden. Falls der Körper in einem platonischen Sinn als Strafe zu verstehen wäre, warum sollten dann, fragt Augustinus, die abgefallenen Engel von dieser Strafe ausgenommen sein, zumal sie doch weit eher als Menschen eine Bestrafung verdienen würden? In Wahrheit sei jede geschaffene Entität gut, und daher solle man auf die drei kanonischen Fragen, die sich über jedes

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Maria Bettetini Geschöpf stellen lassen (von wem es geschaffen sei, mit welchen Mitteln und zu welchem Zweck)4 antworten „von Gott, durch das Wort, weil er gut ist“. Die dreifache Frage mit ihren drei Antworten wird in den Folgekapiteln sowohl durch Trinitätsanalogien aufgegriffen (denn die Trinität soll ihre „Spuren“ in der gesamten Schöpfung hinterlassen haben) als auch durch Analogien zu der Platon zugeschriebenen Dreiteilung der Philosophie in Physik, Logik und Ethik, die in Buch XI als definitiver Beweis für die Güte der Schöpfung herangezogen wird. Unter dem Einfluß neupythagoreischer Tendenzen, die Augustinus niemals preisgegeben zu haben scheint, gibt ihm die Dreiteilung der Philosophie Anlaß zu weiteren triadischen Spekulationen (XI 25). Hierbei handelt es sich nur auf den ersten Blick um abwegige Konstruktionen. Dieses Element gestattet es Augustinus jedoch, in der Mitte eines Buches, das den Ursprung des Universums und den Engelfall darlegen soll, seine bekannte Lehre vom „Bild“ des dreieinigen Gottes in jedem Menschen zu entwickeln. Zwar scheint dies mit dem Hauptthema des Buches wenig zu tun zu haben. Doch ist es eine überlegte Vorbereitung des Lesers auf die Behandlung der Willensfreiheit im nachfolgenden Buch. Augustinus fügt direkt anschließend die moralische Komponente des korrekten Vernunftgebrauchs hinzu, womit er an dieser Stelle noch in der Tradition der klassischen Übereinstimmungsthese von Wissen und Tugend steht. Im Licht einer Verbindung unterschiedlicher Definitionen der Innenstruktur handelt es sich bei der Argumentation, die durch diesen recht speziellen Gebrauch der uti-frui-Distinktion eingeführt wird, um eine Parallele zu dem Gedankengang von De libero arbitrio (II 7,20–13,53). Die impliziten Adressaten der Argumentation sind hier die akademischen Skeptiker. Ausgangspunkt ist der Zweifel, ich könnte in allem, womit ich bekannt zu sein glaube, täuschen. Doch selbst wenn ich mich in allem, womit ich bekannt zu sein glaube, täuschen sollte, kann ich mich doch, so argumentiert Augustinus, nicht darüber täuschen, ob ich bin; denn wenn ich nicht wäre, könnte ich mich nicht täuschen. Und eben jener „innere Sinn“, der mich über mein Sein belehrt, lehrt mich auch, daß ich weiß, daß ich bin und meine 4 Vgl. XI 23, zudem vera rel. 7,13; 18,35. Als Quelle kommt Cicero in Betracht, auch für die Dreiteilung der Philosophie (vgl. Lucullus 33, 116 ff.).

Die Wahl der Engel. Übel, Materie und Willensfreiheit Liebe (d. h. Zustimmung) dazu, daß ich bin und dies weiß. Die Passage ist mit Recht berühmt. Sie hat den besonderen Vorzug, den Dialog über die Willensfreiheit in knapper Form zusammenzufassen und dessen Phänomenanalyse neu zu entfalten: niemand lehnt das Sein ab; jeder tendiert natürlicherweise zu einer Zurückweisung des Nichts; jeder liebt Wissen, und zwar bis zu dem Grad, daß jeder bewußtes Leiden einem bewußtlosen Genuß vorzieht.

7.7 Liebe der Liebe Nun könnte auch ein Platoniker sagen: von Gott geschaffen zu sein, heiße, geliebt zu werden; das Wissen, also das wahre und einzige Leben der Seele, sei Gegenstand der Liebe. Genau an dieser Stelle führt Augustinus seine Innovation ein: Jeder liebt das Sein und das Wissen, doch zudem soll jeder auch jene Liebe lieben, mit der er diese beiden liebt. Daher richtet sich die Feststellung gegen den ethischen Intellektualismus; es sei nicht angemessen, das Gute im Blick auf den Menschen zu definieren, der es weiß, als vielmehr im Blick auf den, der es liebt (XI 28). Allerdings soll es sich um eine nicht-evidente, eine sinnlich nicht erfaßbare Liebe handeln: „Warum empfinden wir in unserem Inneren nicht unsere Liebe zu dieser Liebe, mit der wir jedes Gut lieben?“ Die Antwort hierauf erscheint auf den anschließenden Seiten und ist für die Kennzeichnung des freien Willens zentral. Denn es ist keineswegs klar, daß die Liebe auf das gerichtet ist, „wodurch wir gut leben“. In jedem Menschen existieren vielmehr „zwei Arten von Liebe“, die ihn in entgegengesetzte Richtungen ziehen. Während Tiere, Pflanzen, Steine und Dinge generell durch ein „Begehren“ nach ihrem angemessenen Ort geleitet werden, durch das „Gewicht“ (pondus), das jedes Ding an seinen geeigneten Platz führt, gelte dies für Menschen gerade nicht. In ihnen bestehe vielmehr ein zweifaches Gewicht; es gebe eine Liebe (amor), die nicht zwangsläufig in eine einzige Richtung tendiert, und es gebe eine Ordnung (ordo), die abirren kann5. Dies ruft Instabilität hervor, einen dauernden Wandel, einen Zustand schmerzhafter „Pilgerschaft“. Verglichen damit 5 Vgl. lib.arb. III 1,2; conf. XIII 9,10; ep. 55,10,18; en.Ps. 29,2,10; 29,10,21.

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Maria Bettetini scheinen die Engel vorzüglich wohlgeordnet zu sein. Sie sind „sicher und gewiß ihrer wahren und ewigen Glückseligkeit“. Freilich ist auch deren Wissen – wie das unsere – eine zweischneidige Angelegenheit. Allerdings gestatte ihnen die Gottesbetrachtung, außer sich selbst auch unsere Leiden zu erkennen und uns deshalb zu Hilfe kommen zu können. Nach einigen Zwischenüberlegungen schließt Buch XI mit diesem Gedanken. Der Ursprung der beiden civitates liegt in zwei Gruppen von Engeln. Bislang sahen wir, wie es zu den beiden Gemeinschaften gekommen sein soll; jetzt werden wir sehen, warum dies geschah. Die anti-manichäische Polemik dauert auch in Buch XII noch an (1–3), wobei die Güte der ursprünglichen Natur der gefallenen Engel akzentuiert wird. Dieses Beharren könnte im Jahr 417, nach der Abfassung zahlreicher anti-manichäischer Schriften, darunter De Genesi contra Manicheos und De natura boni, bereits als unnötig erscheinen. Doch ist die These von der Güte der Schöpfung ein so kennzeichnender Zug der Augustinischen Freiheitskonzeption, daß die häufigen Wiederholungen ernst genommen zu werden verdienen. Es sind eben nicht die unterschiedlichen Naturanlagen der Engel, die sich schicksalsträchtig auswirken; vielmehr „darf man nicht daran zweifeln, daß das entgegengesetzte Streben der guten und bösen Engel […] in der Verschiedenheit ihres Wollens und Begehrens“ begründet sei (XII 1). Die gute Natur der Engel wird dabei durch ihre Separation von Gott beschädigt; Augustinus scheint anzunehmen, daß diese Natur – wäre sie bereits schlecht – durch die Trennung von Gott keine prinzipielle Modifikation erfahren würde. Vor allem kann sie nicht schlecht sein, weil dies auf einen schlechten Urheber hinweisen würde; nun kann aber nichts durch etwas anderes entstehen als durch Gott. Im Blick auf Exodus 3,14 erklärt Augustinus jedes Gott entgegengesetzte Wesen für „nichtexistent“. Moralisches Übel, d. h. Böses, kann somit nicht anders existieren denn als unrechte Handlung, und zwar nicht begangen an dem nicht-affizierbaren Gott, sondern an eben jener Kreatur selbst, die sich für eine Trennung von ihm entscheidet. Daher gibt es moralische Depravation einzig aufgrund unrechter Handlungen. Wenn es nun zu solchen unrechten Handlungen kommt, liegt stets nur ein Übel vor, das zu etwas Gutem hinzutritt; da nämlich immer ein

Die Wahl der Engel. Übel, Materie und Willensfreiheit Geschöpf Gottes im Spiel sein muß, das durch unrechte Handlungen depraviert wird, bleibt dieses stets insoweit gut, als es Geschöpf ist – wenngleich in einer korrumpierten Form. Augustinus setzt nun zusätzlich ein Gut an, das aus der Strafgerechtigkeit resultieren soll: ein in sich gutes Geschöpf, das depraviert ist und bestraft wird, weist gegenüber dem durch Bosheit korrumpierten Geschöpf das Gut der Strafe auf. Demgegenüber tritt das physische Übel stets auf Anordnung der göttlichen Vorsehung auf, auch wenn Menschen dies infolge ihrer kognitiven Schwäche nicht erfassen mögen (XII 4); für natürliches Übel existiert stets eine verborgene Ursache (ratio), die freilich für die Wahlentscheidung der Engel nicht verantwortlich sein soll. Die bösen Engel haben sich von Gott abgewandt; dabei wird zwar ihr Sein nicht aufgehoben, aber sie erleiden eine Minderung (diminutio) und verurteilen sich selbst zum Unglück. Warum aber sollten sie dies tun?

7.8 Ursache des bösen Willens? Augustinus verfügt über keine andere Antwort als: „Sucht man nach einer bewirkenden Ursache des bösen Willens, so findet man keine“ (XII 6). In der Tat: „Es ist der böse Wille, der das böse Werk vollbringt, aber es gibt nichts, was den bösen Willen bewirkt“. Die griechische Philosophie beruft sich in diesem Punkt auf den Irrtum, auf einen Mangel an Rationalität. Für Sokrates kann nur Unwissenheit böse Handlungen hervorrufen. Platon systematisiert diesen moralischen Intellektualismus: die Überwindung der sinnlichen Welt und die durch Dialektik erlangte Ideenerkenntnis führt den Menschen geradlinig zur Tugend. Selbst in der berühmten Passage aus Politeia X, wo die Wahl des künftigen Lebensschicksals durch die zur Reinkarnation anstehenden Seelen geschildert wird, dürfte diese Wahl allein auf dem Wissensstand beruhen, der in früheren Leben erworben wurde. Wissen ist der einzige Schatz, der beim Übergang vom Leben zum Tod nicht zerstört wird (vgl. Politeia X 617e–620d). Aristoteles erläutert die Freiwilligkeit oder Überlegtheit einer Handlung in der Nikomachischen Ethik wie in der Eudemischen Ethik ebenfalls anhand eines Konfliktmodells von vernünftigen und unvernünftigen Handlungsanteilen.

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Maria Bettetini Auch Plotin behauptet, daß das „Übel bei den Menschen nicht mit ihrem Willen (ouch hekontas) eindringt“ (Enneade I 8 [51] 5). Freiheit besteht nach seiner Auffassung nicht in praktischem Handeln, sondern im Gegenteil gerade im Freisein von allem Handeln in der materiellen Welt, das sich aus dem Aufstieg in die intelligible Welt ergibt – eine Möglichkeit, die nicht jedem offensteht. Eine Freiheit zur falschen Entscheidung gibt es für Plotin nicht; vielmehr besteht Freiheit allein in „richtiger Überlegung und richtigem Streben“ (Enneade VI 8 [39] 2). Freilich können wir beim späten Platon, bei Aristoteles und den Stoikern auch erste Anzeichen dafür finden, daß der Wille nicht ausschließlich als durch den Intellekt bestimmt gedacht wird. In der neueren Literatur ist man daher mit Recht vorsichtig, Augustinus allein die Entdeckung des Willensbegriffs zuzuschreiben; wird dies doch getan, dann mit dem Zusatz, es handle sich nicht um eine idiosynkratisch-christliche Begriffsprägung, sondern um eine bei Platon und Aristoteles angelegte, aber nicht vollständig erreichte Konzeption (vgl. Dihle 1985; Horn 1996). Der innovative Charakter der Augustinischen Diskussion liegt nun hauptsächlich darin, daß die Idee der Willensfreiheit bis zu extremen Konsequenzen für ihr Verhältnis zum Wissen fortgeführt und daß eine Integration der Willensfreiheit in ein Plotinisch und Platonisch geordnetes Universum vorgenommen wird. Da die Augustinische Materie gut ist, gilt sie nicht länger als eine grausam depravierende Fessel, als ein Gefängnis oder als eine Tendenz zum Nichtsein. Sowohl der Begriff einer formlosen Materie als auch der einer unbestimmten Zeit, welche Veränderlichkeit von der Unveränderlichkeit einer Engelexistenz unterscheiden soll, bilden Grenzfälle, deren Funktion darin besteht, jede Kontamination des Seins durch das Übel auszuschließen. Mit anderen Worten: für die Fehlentscheidung findet sich keine Entschuldigung. Auch wenn die Wahl der Engel in ein Übergangsstadium fällt, bleibt es dennoch ein unkontaminiertes Stadium. Warum also wählen sie falsch? Wie wir bereits in XII 6 sahen, kann der böse Wille keine Ursache haben. Dafür wird folgender Beweis gegeben. Zunächst kann die Ursache des bösen Willens kein guter Wille sein. Ebensowenig kann er aber auf einen bösen Willen zurückgehen, weil sich dann die Frage nach dessen Ursprung usw. ad infinitum stellen würde. Oder man müßte, um den Regreß abzu-

Die Wahl der Engel. Übel, Materie und Willensfreiheit wenden, ein erstes Prinzip des Bösen annehmen. Um nun die ungeliebte manichäischen Lösung zu vermeiden, fragt Augustinus, welcher Art von Wesen ein erster böser Wille überhaupt zukommen kann. Falls überhaupt keiner, kann es einen bösen Willen nicht geben. Falls einigen Wesen, so würde er sie des in ihrer Natur liegenden Guten berauben. Folgerichtig muß ein spontaner Wechsel in ihnen stattfinden, der sie dieses Gutes beraubt. Daher kann es keinen bösen Willen ab æterno geben. Augustinus nimmt nun an, etwas, das selbst nicht über einen Willen verfügt, hätte den bösen Willen hervorgerufen. Aber auch diese Hypothese wird sofort zurückgewiesen. Wäre dieses Etwas nämlich etwas Höheres als ein böser Wille, so müßte es gut sein und käme folgerichtig für dessen Verursachung nicht in Frage. Wäre es hingegen etwas Niedrigeres, so müßte es sich zumindest um ein Seiendes handeln, das als solches Genus-, Artund Ordnungszugehörigkeit aufweist; als etwas Gutes kann es ein Böses aber grundsätzlich nicht erzeugen. Das Böse wird bei Augustinus also weder durch Dinge noch durch die Materie verursacht. Dies sei ebenso evident bezogen auf Menschen wie auf Engel. Augustinus gibt dazu ein Beispiel, bei dem es um die verschiedenen Reaktionen zweier psychisch und physisch vergleichbarer Menschen auf ein und dieselbe Versuchung geht. Wenn wir wissen wollen, sagt er, was den bösen Willen in einem der beiden hervorgerufen hat, dann wird auch eine sorgfältige Suche nichts erbringen (XII 6). Nichts innerhalb einer individuellen Person kommt dafür in Frage, da auch dieses stets ein Teil der guten Natur sein müßte. Die Lösung besteht vielmehr darin, daß der böse Wille entsteht, weil „der Mensch aus Nichts erschaffen worden ist“. Daher werde er vom Nichts angezogen. Das Nichts ist hier – anders als bei Platon, Plotin oder Porphyrios – nicht als das „erste Übel“, das „primär Schlechte“, das „anders als Sein“ zu verstehen, also nicht als Materie; von der ungeformten Materie sahen wir vielmehr, daß Augustinus sie zwischen den Schöpfungsbeginn und die Existenz geformter Materie plaziert. Es ist unmöglich, dieses strikte Nichts zu wissen oder auszudrücken; es ausfindig machen zu wollen, „hieße die Finsternis sehen und das Schweigen hören wollen“ (XII 7). Da wir jetzt aber über den freien Willen von Geschöpfen und nicht über die Harmonie der Welt nachdenken, übernehmen jene „Dunkel-

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Maria Bettetini heit“, die an anderen Stellen von De civitate dei zur Verschönerung von Gemälden beitrug, sowie die Stelle, die anderswo die Schönheit der Musik erhöhen sollte, die Funktion, eine bislang nicht thematisierte absolute Abwesenheit des Guten anzudeuten. Die Schuld sowohl von Menschen als auch Engeln liegt darin, sich dieser Abwesenheit anzunähern und ihr gleichsam Macht über sich einzuräumen. Dies erhöht ihre Flüchtigkeit, die sie vom unwandelbaren Gott trennt und von dem für Gott kennzeichnenden Zustand der „Ruhe“ (quies). Tatsächlich verbessern sich auch die guten Engel nicht gegenüber ihrem Erschaffungszustand. Sie verharren lediglich in einem Zustand, erwerben allerdings durch ihren Wahlakt das Wissen um die ewige Dauer ihres Zustands. Die bösen Engel hingegen wandeln sich.

7.9 Die Zeit der Engel Nun entsteht ein weiteres Problem. Es wäre nämlich zu einfach, Ruhe mit Sein zu identifizieren und Bewegung (motus) mit einer Distanz vom Sein. Vielmehr erfahren wir in Buch XII, daß sich auch die guten Engel bewegen. Genauer gesagt ist es eben der Augenblick ihrer Erschaffung, in dem der Zeitfluß beginnt. Die Unsterblichkeit der Engel bleibt von der Zeit unberührt, doch vollziehen sich ihre Bewegungen, die den Zeitfluß erst veranlassen, von der Zukunft hin zur Vergangenheit (XII 16). Der Kontext dieses Perspektivenwechsels ist ein Einwand gegen jene Philosophen, besonders Apuleius, die eine Gleichewigkeit des Kosmos mit Gott lehrten. Augustinus entgegnet denen, die einwenden, Gott sei nicht immer der Schöpfer und Herr, wenn es nicht ewige Geschöpfe gebe, indem er sagt, Gott habe bereits vor der Schöpfung existiert, dagegen seien die Engel „ewig“ in dem Sinn, daß sie existierten, seitdem es die Zeit gebe (XII 16). Damit es Zeit geben könne, müsse Wandelbares existieren; vor der Schöpfung habe es in Gott lediglich Unwandelbarkeit gegeben. Zusammenfassend gesagt und ohne auf Menschen zu rekurrieren: Augustinus lehrt ein Unwandelbares, welches unwandelbare Geschöpfe schafft, die sich wandeln, einige nur hinsichtlich ihrer Existenz, andere, weil sie den absoluten Wandel gewählt

Die Wahl der Engel. Übel, Materie und Willensfreiheit haben, der sich aus der mit dem Nichts verbundenen Privation ergibt. Wie bei Plotin können wir hier eine asymmetrische neuplatonische Relation ausmachen, dergemäß Gott der geschaffenen Welt Leben einflößt, ohne seine eigene Unwandelbarkeit preiszugeben. Er besitzt in sich selbst die Zeit und die Gesamtheit des geschaffenen Seins, ohne bei der Erschaffung der Welt seine Ganzheit zu teilen oder seine Ewigkeit zu verzeitlichen. Gott steht mit der Welt in Relation und bleibt zugleich unabhängig von dieser Relation. Er setzt die Zeit ein und hält sie in Bewegung, ohne selbst temporalisiert zu werden; er ist mensura sine mensura, numerus sine numero und pondus sine pondere (Gn.litt. IV 3,8). Die Schöpfung verursacht in Gott deshalb keinen Wandel, weil er sie immer gewollt hat. Heißt dies, daß sie im neuplatonischen Sinn notwendig ist? Man hat die Frage aufgeworfen (vgl. Lettieri in: Cavalcanti 1996, 215–244), ob es nicht schlüssiger und konsistenter wäre, Gott von der Absurdität einer Schöpfung zu befreien und nur den ewigen Selbstrekurs eines Identischen beizubehalten. In diesem Fall wäre die Welt keine Innovation (novitas), sondern eine natürliche und ewige Notwendigkeit, ein zwangsläufiger Hervorgang guter Entitäten aus einem Guten, eines Schattens als des bloßen Begleitphänomens zum Licht und einer Zeit, die die Ewigkeit des Prinzips imitiert. Es ist demgegenüber kein Zufall, daß diese Passage von De civitate dei durchsetzt ist vom Eingeständnis der Unzulänglichkeit gegenüber den Geheimnissen der Schöpfung; Augustinus will hier lediglich Antwortversuche bieten. Obwohl Kontingentes nicht in sich selbst notwendig ist, ist es auf unveränderliche Weise gewollt als Gegenstück zu der Notwendigkeit, die auf zeitlose Weise eben den Moment seines ersten Auftretens bestimmt. Und obwohl sie nicht mit ihrer Notwendigkeit identifizierbar ist, ist die Zeit ewig präsent im göttlichen Willen. Der Schöpfungsakt erweist sich paradoxerweise als identisch mit der ewigen „Ruhe“ Gottes: „Er erneuert sein Handeln durch Ruhen und ruht durch Handeln“ (XII 17).

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7.10 Sein – Ruhe – Bewegung und die Mittelstellung des Menschen Die neuplatonische Konzeption sieht im absoluten Prinzip (hen) eine nicht-relationale, differenzlose Einheit, im göttlichen Geist (nous) dagegen eine relationale und vermittelnde Größe, ein bewegtes Sein, eine Einheit bei gleichzeitig vorhandener interner Differenz. Es ist nun wichtig zu sehen, ob Augustins Begriff eines „Selbst-Seins“ (idipsum esse) ein striktes Eines meint oder aber Raum für eine dynamische, Differenz aufweisende Form von Identität läßt. Von der innertrinitarischen Dialektik einmal abgesehen ist es besonders der Gedanke einer intelligiblen Welt, der „in“ Gott eine Mannigfaltigkeit zu denken erlaubt. Man muß dazu im Auge behalten, daß Augustins Begriff des göttlichen Einen (unum) nicht dem Aristotelischen Hinweis einer Koextension von „Sein“ und „Einheit“ folgt, sondern dem Platonischen Modell, demgemäß das Eine über dem Vielen (hen epi pollois) steht und zugleich unmittelbar mit ihm verbunden ist. Die einzige Weise, in der Augustins „Selbst-Sein“ in sich differente Inhalte haben kann, ohne sie in sich aufzuheben und ohne seine Einfachheit zu verlieren, ist die in Platonisch-neuplatonische Begriffe gefaßte intelligible Mannigfaltigkeit, die weder eine Vielheit von Dingen noch von Gedanken meint, also – in der scholastischen Alternative gesprochen – weder eine reale noch eine begriffliche Differenz bezeichnet (vgl. Samek Lodovici 1979). In Platons Sophistes (249a–b) erscheint erstmals die Konzeption einer in sich differenten Einheit höchster Genera (megista genê), in der die konträren Momente miteinander verknüpft sein sollen (symplokê eidôn). Nun finden wir freilich, wie P. Hadot (1968b) gezeigt hat, bereits bei Porphyrios und Marius Victorinus neben der Konzeption eines Absoluten, das in seiner vollständigen Andersheit keinerlei Relationalität aufweist, noch eine weitere Konzeption, bei der das Eine als Bewegung verstanden wird, die konträre Bestimmungen zu einer Form von Identität verknüpft, in welcher die Teilmomente nicht aufgelöst werden. Auf ihrer höchsten Stufe koinzidieren demnach die entgegengesetzten Momente: Gott ist Ruhe und unendliche Bewegung oder Bewegung und unabbildbare Ruhe.6 Porphyrios’ Gleichsetzung des Einen mit dem Sein macht ihn zur Ausnahme innerhalb der neuplato-

Die Wahl der Engel. Übel, Materie und Willensfreiheit nischen Tradition und eröffnet ihm neue begriffliche Möglichkeiten. Wenn Gott zugleich Sein und Nichtsein ist, Gedanke und Nicht-Gedanke, dann ist die positive Theologie nicht weniger legitim als die negative – und tatsächlich macht Augustinus in diesem Sinn von beiden Gebrauch. Gott ist für ihn paradoxerweise in der Lage, unbewegt sowie identisch zu bleiben, aber gleichzeitig den Zeitverlauf in Gang zu setzen und den gesamten Bereich der „Andersheit“ zu kennen. Am klarsten erscheint dieser Gedanke in der berühmten Passage De civitate dei XII 18, die von Gottes Wissen um das Unendliche handelt. Gott ist gleichzeitig unveränderlich und doch fähig, Unendliches wie die Menge der Zahlen zu erfassen, und zwar weil sein Wissen diese Inhalte nicht sukzessive durchläuft. Denn er erfaßt das Unfaßbare – etwa die unzählbaren Zahlen – „in einem unbegreiflichen Begreifen“, da alles Unendliche auf eine nicht-nachvollziehbare Weise für Gott erfaßbar sein soll. Die neuplatonischen Modelle werden hierbei allerdings bis zu ihren Leistungsgrenzen beansprucht. Gott, der gleichzeitig unbewegt und Schöpfer sein soll, wird zugleich als Einheit und als differenzsetzende Allmacht und Freiheit gedacht. Er soll sogar frei von seiner eigenen Absolutheit und daher fähig sein, die Grenzen seiner eigenen Perfektion zu verlassen. Daher kann er kontingente Wesen schaffen, ohne diese auf eine bestimmte Notwendigkeit festzulegen: vielmehr hat er ihren Willen – was möglich gewesen wäre – nicht auf eine Unfähigkeit zur Sünde festgelegt. In Fortsetzung seiner anti-manichäischen Argumentation hebt Augustinus rasch hervor, daß dies nicht bedeutet, Gott habe das Böse gewollt. Vielmehr habe Gott sich für diese Option entschieden, weil er Wesen wählte, die durch das Nichts kontaminiert sind, wandelbare Geschöpfe, deren Wandelbarkeit eine Folge ihrer freien Wahl ist. Dies ist der Preis, den Augustinus für den Verzicht auf die neuplatonische Notwendigkeit bezahlt. Dies ist zugleich ein wichtiger Angelpunkt des westlichen Denkens: Wenn das Böse eine Korruption bedeutet, warum wurde es erlaubt? Warum hat Gott diese unter allen möglichen Welten ausgewählt? Warum haben die Engel ohne Rücksicht auf 6 (siehe S. 152): Für Victorinus s. Adversus Arium I 49,17–40; für Porphyrios den Parmenides-Kommentar, II Fol. 91v.

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Maria Bettetini ihr Schicksal so unterschiedliche Wahlentscheidungen getroffen? Es hilft nicht weiter zu behaupten, daß einige mehr, andere weniger Unterstützung seitens der „helfenden Hand“ des Schöpfers erhalten hätten. Um Gottes Allmacht nicht zu gefährden, nähert sich Augustinus gefährlich dem Prädestinationismus an, was den Sinn des in diesen Büchern von De civitate dei Entfalteten stark in Frage stellt. Buch XII von De civitate dei endet mit der Frage nach der ersten von Menschen begangenen Sünde, wobei Menschen als Mittelwesen zwischen Engeln und Tieren charakterisiert werden (XII 22). Die Materie spielt bei ihrer Wahl eine Rolle. Vielleicht kann man insofern von drei oder vier civitates sprechen. Augustinus allerdings denkt, daß diese Mittelstellung des Menschen nicht so weit von der der Engel entfernt ist, und so setzt er nur deren zwei an. Die beiden civitates haben ihren Ursprung in den ersten Menschen. Gott wußte, daß aus ihnen andere Menschen hervorgehen würden, die den bösen Engeln in der Bestrafung und den guten bei der Belohnung folgen würden (XII 28). Zusammenfassend läßt sich somit sagen: Augustinus anti-manichäische Polemik führt ihn dazu, das Übel als Privation, als Korruption einer guten Natur, als reines Nichtsein zu verstehen. Seine Genesis-Lektüre hält ihn allerdings davon ab, das reine Nichts oder Übel mit der Materie zu identifizieren. Daher ist er gezwungen, die Grenzbegriffe einer formlosen Materie und einer vor der Wahl der Engel liegenden Zeit einzuführen. Die Wahl der Engel soll auf keinerlei Wirkursache zurückzuführen sein; diese Wahl soll helfen zu verstehen, wie sich der rigide Dualismus von Ruhe und Bewegung überwinden läßt. Teils im Anschluß an, teils im Gegensatz zur neuplatonischen Terminologie konzipiert Augustinus ein unwandelbares Prinzip, das nach seiner ewigen Entscheidung wandelbare Entitäten erschafft, welche Unwandelbarkeit erreichen können, obwohl sie (unter Berufung auf die Zeit der Engel) in einem Zustand relativer Wandelbarkeit verbleiben sollen. Am Beginn der Disharmonie steht eine freie Entscheidung: Gott nahm hin, daß das Nichts imstande ist, das Sein zu korrumpieren. Hierin liegt der Ursprung der beiden civitates, und was daran von der stoischen und neuplatonischen Notwendigkeit übrigbleibt, ist: es muß sich genau um zwei civitates handeln.7

Die Wahl der Engel. Übel, Materie und Willensfreiheit

Literatur Alici, L./Piccolomini, R./Pieretti A. (Hgg.) 1996: Il mistero del male e la libertà possibile: lettura del De civitate Dei di Agostino, Roma. v. Balthasar, H. U. 1962: Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik. Band II: Fächer der Stile, Einsiedeln. Beierwaltes, W. 1969: Augustins Interpretation von Sapientia XI, 21, in: Revue des Études Augustiniennes, 15, 51–61. – 1980: Identität und Differenz, Frankfurt a. M. Bettetini, M. (ed.) 1992: Agostino: Ordine, musica, bellezza, Milano. – 1994: La misura delle cose. Struttura e modelli dell’universo secondo Agostino d’Ippona, Milano. Dihle, A. 1985: Die Vorstellung vom Willen in der Antike, Göttingen (engl. 1982). Hadot, P. 1968a: La notion de nombre infini chez Augustin, in: Annuaire 1967– 1968 de l’École pratique des Hautes Études, Ve section, Sciences religieuses: Patristique latine, 176–181. – 1968b: Porphyre et Victorinus, 2 voll., Paris. – (ed.) 1993: Porfirio: Commentario al „Parmenide“ di Platone, Milano. Horn, Ch. 1996: Augustinus und die Entstehung des philosophischen Willensbegriffs, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 50, 113–132. van Oort 1996: Mani, Manichaeism, and Augustine, Tbilisi. – 1996a: Manichaeism in Augustine’s De civitate Dei, in: E. Cavalcanti (Hg.) 1996, 193–214. Samek Lodovici, E. 1979: Dio e mondo. Relazione, causa, spazio in S. Agostino, Roma. Sciuto, I. 1991: Interiorità e male nel De civitate Dei, in Interiorità e intenzionalità nel De civitate Dei, Roma. Solignac, A. 1958: Doxographies et manuels dans la formation philosophique de saint Augustin, in: Recherches augustiniennes 1, 113–148.

7 (siehe S. 154): Für seine wertvolle Hilfe bei der deutschen Übersetzung meines Artikels danke ich Christoph Horn.

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Civitas dei-terrena civitas

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Civitas dei-terrena civitas: The Concept of the Two Antithetical Cities and Its Sources (Books XI–XIV) In the first ten books of his De civitate Dei, Augustine presents, for the most part, a grand apology. In fact his work is, as suggested by its full title according to the best manuscripts, written ‘against the pagans’ (adversus paganos). From the very outset, however, its author had a higher aim. When refuting the accusations of his pagan opponents, Augustine maintains that there is a fundamental antithesis between the citizens of the ‘city of God’ (civitas dei) and those of the ‘earthly city’ (terrena civitas). In this essay, we will focus on the famous concept of the two antithetical cities as Augustine describes it in his De civitate Dei, Books XI–XIV in particular, and on the possible sources for this distinction. Although in the course of the past decades (and even centuries) many researchers have given their opinion on both Augustine’s doctrine of the two cities and its possible sources, the question deserves a fresh examination. Especially since the Second World War, several discoveries have been made in the field of Early Christianity, Judaism in the age of Jesus Christ, Gnosticism and Manichaeism. Hence the question whether these discoveries have any bearing upon the study of Augustine’s City of God. Before examining these and other related questions, however, it seems advisable to listen to Augustine himself. In this context, we will first try to expound as clearly and concisely as possible what he says, in his City of God, about the origin and history of the two civitates. After that, his concept of civitas can be treated separately. It transpires that this is a rather manifold concept; but

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Johannes van Oort its main meaning is ‘city’ (and not ‘state’, or ‘society’, or such like). The radical antithesis of the two cities and some characteristics of both will be outlined next. After this, the question of the sources will be dealt with. We will end with some conclusions and a few general comments.

8.1 Origin, course and ‘destined ends’ of the two cities In Book XI, Augustine begins the second part of his ‘great and difficult work’1. He states explicitly that it deals with the origin, the course, and the destined ends (… de … exortu et excursu et debitis finibus …, XI,1) of the two civitates. The biblical narrative of Creation discloses the origin of the civitas Dei: in the world of angels. The earthly city originated from the rebellion of the fallen angels against God, before the creation of man. These two ‘societies’ (societates) are opposed to each other as light is opposed to darkness (33). In Book XII, Augustine states that the two cities are distinct entities: one consists of the good angels and the good men and the other of the demons and the wicked men. From the Scriptures it is known that humankind was created by God: it has not existed for all eternity and it does not follow a circular course as some philosophers contend. God created man in His own image, without assistance from angels or lower gods. With the first man, the whole plenitude of the human race (… omnem plenitudinem generis humani …, Breu. 38) came into being: God already saw in that first man the two civitates. Book XIII continues by relating that the Fall entailed mortality and death. This punishment of sin even effects the righteous: although they have been redeemed through the grace of God, the consequences of sin remain. Death begins at the very moment that man enters this life. In fact, life is a cursus ad mortem, a ‘course towards death’2. 1 Thus Augustine’s characterization in the long and brilliantly composed opening sentence of his City of God. The phrase ‘magnum opus et arduum’ seems to be reminiscent of Cicero (De or. 33). 2 The wording (particularly evident in XIII,10) is most probably reminiscent of

Civitas dei-terrena civitas In Book XIV, Augustine continues his exposition of sin and the power of death. Sin was transmitted to all of Adam’s descendants, but the grace of God rescued a number of people from the second (i.e. eternal) death. Thus humanity is divided into two civitates: the city of those who live ‘according to man’ (secundum hominem) and the city of those who live ‘according to God’ (secundum Deum). Yet it is not the body that causes sin, but the evil will. Anger and lust were not part of man’s primordial state before his sin. In Paradise procreation would have taken place, but without the sinful libido (on this, see e. g. Van Oort 1987, esp. 147–148 on civ. XIV). From the ‘condemned mass’ (massa damnata) God chooses the citizens of the civitas Dei according to a fixed number (certus numerus, 26). At the end of the rather long Book XIV, Augustine once again returns to his idea that two kinds of love (cf. 13) ultimately constitute the two cities. The passage is worth quoting in full: ‘We see then that two loves (amores duo) constituted two civitates: the earthly by self-love, even to the contempt of God; the heavenly by the love of God, even to the contempt of self. The one glorifies in itself, the other in the Lord (cf. 2 Cor. 10,17). The one seeks glory from men; but the greatest glory of the other is God, the witness of conscience. The one lifts up its head in its own glory; the other says to its God: My glory and the One who raises my head (Ps. 3,4). The one is dominated by lust for power (libido dominandi), both in its princes and in the nations it subjugates; in the other those in authority and the subjects serve each other in love, the former in guidance (consulendo), the latter in obedience (obtemperando). The one loves its own strength represented in its mighty ones; the other says to its God: I will love You, O Lord, my strength’ (Ps. 17,2) (XIV,28). Thus the contents of Books XI–XIV can be summarized. It should be stressed, however, that this short survey indicates only the main lines. When dictating these books between c. 417–420, Augustine felt obliged to make many digressions. In XI, for instance, he dwells at considerable length on the days of Creation (4–10); the beauty of the universe (18); and Trinitarian questions (10; 24–29). The reader who endures, however, will be Seneca, although it may also be seen as a commonplace. See e. g. Andresen’s remark to Thimme’s translation (II,875) and Hagendahl 1967, 678 n. 6.

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Johannes van Oort surprised by remarks like those which seem to prove Augustine to be a precursor of Descartes’ famous cogito (26). And although the bishop’s long excursus on sex and sin in Books XIII–XIV could well annoy the majority of modern readers, many of his observations seem to be very factual, if not even topical. In this part as well, Augustine’s opus magum turns out to be a book of enthralling parks and dull deserts. But the work in its entirety is written according to a premeditated design. More than once, Augustine refers explicitly to such a structured plan of the whole work or of its major parts3, as he does in his Retractationes4. After the mainly apologetic part (Books I–X), there is a (mainly) thetic part in three sets of four books: on the origin (XI–XIV), the course (XV–XVIII) and the final ends (XIX–XXII) of both the city of God and the earthly city. The historical course of these civitates (primarily the civitas Dei, in XVIII the terrena civitas5) comprises four books, as does the description of their ‘destined ends’. Most important in our context, though, are the first four books of the thetic part. Here, in particular, Augustine discusses the origin and the radical antithesis of the two cities.

8.2 The concept ‘civitas’ Before going into these topics, a few comments on the concept civitas seem to be required. In German, for instance, and in related languages, it is often rendered as Staat. It should be questioned, however, whether this is the most apt rendering. As Heinrich Scholz has already remarked: “Es ist für das Verständnis der Augustinischen Gedanken verhängnisvoll geworden, daß man civitas zu sorglos mit ‘Staat’ übersetzt hat”6. The Latin word civitas, not least in Augustine’s vocabulary, has various meanings. It can denote the community of citizens; the 3 E. g. in I,35; II,2; IV,1–2; V,26: VI praef. and 1; X,32; XI,1; XV,1; XVII,1; XVIII,1; XX,30. 4 retr. II,43; cf. e. g. his letters to a certain Firmus (Ep. ad Firmum 1 A* and 2*). 5 It may be noted in passing that A. is always speaking about the terrena civitas, not about a civitas terrena. 6 Scholz 1911, 84. Cf. e. g. 86: ‘Es folgt, daß “Staat” eine sehr ungenügende, ja geradezu irreführende Übersetzung von civitas ist …’.

Civitas dei-terrena civitas city or the area where a group of citizens lives; the state; or e. g. citizenship, the status of citizen (civis). Most of these (more or less distinct) meanings can be found in Augustine’s De civitate Dei (cf. e. g. Del Estal & Rosado, 1956). For example, in XV,8 he says that civitas is ‘nothing else but a number of people held together by some communal bond’7. Here, civitas can denote the same as societas. In Book XIV,1, he uses civitas and societas synonymously: ‘… yet there are no more than two kinds of human society, which we may justly call two cities’8. Elsewhere he equates civitas and urbs; and also regnum or populus Dei occur as equivalents of civitas Dei. Basically, however, for Augustine the Latin word civitas denotes the same as the Greek substantive polis. It means a group of people as a community, a society with its own politics, legal standards, ethics, economics and, not least, its own religion. In particular, this last element was essential in both the Greek polis and the Roman civitas. The civitas was even the central object of Roman religion. As we will see, the religious component is also very important in Augustine’s concept. But his choice of the word civitas also has another reason. When writing about the origin and nature of the civitas Dei, Augustine makes special references to Biblical passages which refer to Jerusalem. So he does in Book XI,1 in particular: “We call city of God that city to which the Scripture bears witness…”. Here, he presents a number of quotations from the Psalms (86, 47, 459) and concludes: “From these and similar testimonies, which are too numerous for all to be mentioned, we have learnt that there is a city of God”10. In the metaphorical language of Scripture, the civitas Jerusalem is a city, as is its antithesis Babylon11. 7 ‘… civitas, quae nihil est aliud quam hominum multitudo aliquo societatis vinculo conligata …’. 8 ‘… non tamen amplius quam duo quaedam genera humanae societatis existerent, quas civitates duas … merito appellare possemus’. Cf. e. g. XII,1 (… duas civitates, hoc est, societates), XII,28 (… societates tamquam civitates duas…), etc. 9 Vulgate numbering; Hebrew text: 87, 48 and 46. 10 ‘Civitatem Dei dicimus, cuius ea scriptura testis est … His atque huius modi testimoniis, quae omnia commemorare nimis longum est, didicimus esse quandam civitatem Dei…’. 11 For further arguments against a translation by ‘state’, ‘Bürgerschaft’ (Kamlah 1951), ‘Herrschaftsverband’ (Duchrow 1970), or ‘kingdom’ (also against Del

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8.3 Two antithetical cities According to Augustine, both cities stand in radical opposition to each other. Basically this is due to their different origins. In Book XI, he explains that the earthly city originated from the rebellion of the angels against God, before the creation of man. This rebellion caused a split between the good, God-fearing angels and the evil ones. Besides their origin in the world of angels, there was the two cities’ incipience among men. In Adam, according to the foreknowledge of God, both civitates came into this world: a society of those desiring to live according to the flesh, to man; and, simultaneously, a society of those desiring to live according to the spirit, to God (e. g. XIV,1–4). At the time of the Fall, the course (excursus or procursus12) of the two cities began. This course will continue until the Last Day; then the two cities will be separated for ever. Although Augustine stresses on more than one occasion the fact that both civitates are ‘interwoven’ or ‘intermingled’ during the time of this world13 (a fact which directly bears upon any search for ‘meaning in history’!), he nevertheless continues to speak about their fundamental antithesis: as he himself insists in a key-sentence in XIV,13: ‘And certainly this is the great difference that distinguishes the two cities of which we speak: the one is the society of the godly men, the other of the ungodly, and each has its own angels belonging to it. In the one city love of God is leading, in the other, love of self’14.

Estal 1956), see Van Oort 1991, esp. 105 ff. The same arguments seem to be valid against Toynbee’s rendering ‘commonwealth’; cf. Arnold J. Toynbee, A Study of History, VI, 365–369. 12 In De civitate Dei Augustine uses both words indiscriminately: procursus in I,35; X,32; XV,1; XVI,12.35.43; XVII,1.4.14; XVIII,1.2; excursus in XI,1; XV,1.9. It became clear from a letter published by C. Lambot in 1939, that he actually prefers excursus; see Ep. ad Firmum 1: ‘… procursum sive dicere maluimus excursum…’. Retractationes II,43 reads: ‘excursum sive procursum’. 13 E. g. XI,1: ‘… de duarum civitatum, terrenam scilicet et caelestis, quas in hoc interum saeculo perplexas quodam modo diximus invicemque permixtas…’. Cf. e. g. I,35 and X,32. 14 ‘Profecto ista est magna differentia, qua civitas, unde loquimur, utraque discernitur, una scilicet societas piorum hominum, altera impiorum, singula quaeque cum angelis ad se pertinentibus, in quibus praecessit hac amor Dei, hac amor sui’.

Civitas dei-terrena civitas The absolute antithesis is apparent from the names Augustine uses to denote these two cities. Time and again in both Books XI–XIV and elsewhere, he not only describes them as the civitas Dei opposed to the terrena civitas, but he also refers to them as ‘the eternal city’ versus ‘the temporal city’, ‘the immortal city’ contrary to ‘the mortal city’, ‘the city of the believers’ against ‘the city of the wicked’. This antithesis is evident from some other characteristic features of each of the two cities as well: ‘natural birth’ is opposed to ‘supernatural birth’; ‘temporality’ to ‘eternity’; ‘pride’ to ‘humility’; ‘worship of idols’ to ‘the worship of the true God’. The last mentioned contradistinctions, however, should not lead us astray as if Augustine meant a type of ‘spiritual’ entities. This was, for instance, the (very influential) view of Heinrich Scholz. According to his ‘idealistic’ interpretation, the two cities were allegories for belief and disbelief (Scholz 1911, 70 f.). Scholz particularly inferred this from Augustine’s remark that the two antithetical societies of human beings are ‘mystically’ called two cities (XV,115). The word mystice can indeed mean ‘allegorically’ in this context. For Augustine, though, the two cities were not mere metaphysical concepts, but real existing entities. Here, the term mystice first and foremost means: according to the allegorical interpretation of the Bible. This can be demonstrated by means of a comparison between the quotation from Book XV and a parallel statement in XIV,1: “… yet there are not more than two kinds of human society, which we may well call two cities in accordance with our Scriptures”16.

8.4 In search of Augustine’s sources A sentence like the last quoted one (which, moreover, can be combined with passages such as those cited from XI,1) seems already to solve the question of Augustine’s sources: Augustine himself points to the Scriptures.

15 ‘… quas [sc. duo genera hominum] etiam mystice appellamus civitates duas…’. 16 ‘…. non tamen amplius quam duo quaedam genera humanae societatis existerent, quas civitates duas secundum scripturas nostras merito appellare possemus’.

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Johannes van Oort This evidence should never be underestimated17. From other parts of De civitate Dei, and from other works of Augustine18, it can be strengthened. Furthermore, when expounding his view that there are two antithetical cities, Augustine combines his concept with Biblical themes such as (in his wording) ‘the two kinds of people’ (duo genera hominum) and ‘the two kingdoms’ (duo regna). Thus Biblical thought and Biblical language (Jerusalem versus Babylon!) seem to constitute the real source of Augustine’s theory of the two civitates. Yet there are several serious objections to this view. It may be remarked that, in providing Scriptural evidence, Augustine only explicitly refers to texts in which the civitas Dei is mentioned. These references to texts of the Psalms, moreover, are interpreted as relating to ‘the heavenly city’ Jerusalem (civitas caelestis). Besides, more or less obvious evidence from e. g. the Apocalypse to substantiate his view of two antithetical cities is scanty and, at any rate, far from conclusive. Although it is evident that Biblical themes time and again resound in both Augustine’s imagery and (more elaborated) doctrine of two cities, it is doubtful that Scripture is his one and only source. Furthermore, it should be remarked that in Augustine’s doctrine several earlier and contemporary philosophical traditions exerted their influence. Here, it may suffice to mention his concept of uti and frui, and his concept of pax. Most important, however, seems to be the fact that Augustine’s doctrine of the two civitates is a comprehensive theory in which many influences -not least earlier Christian ones- could find their place. Within the allotted space of a few pages, only a few of the most important results of research on this subject can be given here (cf. Van Oort 1991, 199–371). As far as it seems to be necessary, we will substantiate them from books XI–XIV in particular. Without doubt Augustine was thoroughly familiar with the Manichaean doctrine of the two kingdoms19. During a long period, from his nineteenth up to and even beyond his twenty-

17 See the references in Van Oort 1991, e. g. 312–318 & 117–123. 18 See e. g. Lauras & Rondet 1953, esp. 114 ff. for the en. in Ps. 19 For Augustine’s enduring (and, as far as we can see, sometimes unique) acquaintance with Manichaeism in the years when he wrote his De civitate Dei, see Van Oort 1996.

Civitas dei-terrena civitas eighth year, he was an adherent of Manichaeism. Several discoveries of texts (Turfan, Tunhuang, Medinet Madi, the presently ongoing excavations in the Egyptian Dakhleh-Oasis) have brought to light the doctrines of the Manichaeans. We now know for certain that the Manichaean writings20 often referred to a heavenly kingdom and even a heavenly city, whose antithesis is the kingdom of darkness, the kingdom of this world (see e. g. Allberry 1938, 9; cf. e. g. Haardt 1967, 224–227). The heavenly kingdom is a peaceful city of angels and men (see e. g. Allberry 1938, 99); one day the believers will be added to the number of the angels (see e. g. Allberry 1938, 213). The kingdom of darkness is completely divided, swollen with pride, full of dark lust and envy21. When in civ. XI, 33 Augustine describes the terrena civitas as ‘swelling with pride’, as ‘turbulent’ with its ‘dark cupidities’, as ‘smoking’ and so on22, such language seems to be reminiscent of Manichaeism. In this context, it can also be noted that, according to the Manichaeans, as also for Augustine in e. g. civ. XI, 1, a doctrine of two kingdoms or civitates was connected with a division of history into three ‘times’ (initium, medium, finis; cf. exortus, excursus, debiti fines). This central doctrine, expounded for instance by Mani himself in his Epistula fundamenti (the ‘Fundamental Letter’ against which Augustine wrote his elucidating refutation: see c. ep.fund. 12 and 13 in particular), was even used by the Manichaeans as a catechetical tenet23. These and other striking similarities with Manichaean views, however, should not lead to a straightforward conclusion as if Manichaeism were Augustine’s (main or even sole) source of 20 All the Manichaean texts, supplemented by the relevant (and sometimes most important) citations of Manichaean writings in the anti-heretical works of Church fathers like Augustine and e. g. Muslim writers, are scheduled to be published in the new Corpus Fontium Manichaeorum. The first volume of the Series Coptica has been published recently: G. Wurst, Die Bema-Psalmen, Manichaean Psalm Book, Part II, Fasc. I, Turnhout 1996. 21 See e. g. Polotsky / Böhlig 1940, 128; cf. Gardner 1995, 136–137. 22 ‘… alteram [sc. angelicam societatem] tumentum typho; … alteram propriae celsitudinis inmundo amore fumantem; … istam tenebrosis cupiditatibus turbulentam’. The whole passage, in which e. g. also is spoken of ‘libido’ and ‘invidia’ as characteristics of the terrena civitas, deserves a fresh examination in the light of the (new) Manichaean sources. 23 Cf. Van Oort 1991, 214 ff. for other Latin, Coptic and even Old Turkish and Chinese testimonies.

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Johannes van Oort inspiration24. Especially the discovery of the Cologne ManiCodex brought to light Mani’s own roots in Judaeo-Christian circles. To a certain extent, Mani and Augustine may have been influenced by a same tradition. In the Christian tradition prior to Augustine, the Donatist Tyconius has been identified by many as the prime source of his doctrine of the two cities25. The very complicated problems surrounding Tyconius’ commentary on the Apocalypse, however, do not allow us to speak here with certainty. At any rate, one cannot simply refer (as has been done by several researchers), to his Liber regularum. The most that can be said unequivocally is that Augustine’s use of the terms corpus and civitas as denoting the two cities appear to resemble Tyconius’ terminology. But Augustine sets forth a full-fledged doctrine of two civitates; he describes world history as being the history of two cities; and he stresses that these absolutely-antithetical societies ultimately consist of two kinds of men, angels and their princes. One does not find this in the writings of Tyconius which have survived. Generally speaking, the same holds true for many other earlier Christian authors like e. g. Ambrose, Lactantius, Cyprian, Tertullian, and the great Origen. In all of them we find certain elements which parallel Augustine’s doctrine and could have influenced it. Moreover, the metaphor of the two antithetical cities turns out to be present in the Shepherd of Hermas; in e. g. the Acts of Peter and the Twelve Apostles, one of the writings of Nag Hammadi (NHC VI,1); and prominently in the so-called Pseudo-Clementines. All of these texts, like the Apocalypse of John, can be considered bearing witnesses to an archaic form of Christianity in which Jewish imagery, doctrine, and ethics were still strongly present. Besides, in the Jewish texts from Qumran one finds basic elements: in the writing usually called the Manual of Discipline (1 QS) mention is made of two antithetical spirits (princes, angels), two antithetical (kinds of) ways, and two antithetical societies of good and evil people. There are strong reasons to suppose that a body of these and related doctrines not 24 Cf. e. g. Alfaric 1918; Reitzenstein 1924; and, above all, Adam 1952/1958. 25 Since the publication of T. Hahn’s ground breaking Tyconius-Studien (1900). It should be noted, however, that Hahn himself was very cautious in this respect and rightly stressed the tentative character of his investigations.

Civitas dei-terrena civitas only played its role in Jewish catechetical teaching (cf. 1 QS), but also in Christian (baptismal and other) catechetical instruction. It will not be by chance that Augustine also presented his more or less fully-fledged doctrine of two cities for the first time in his work The Catechizing of the Uninstructed. Here, about twenty years before he started the second part of his City of God, it is already said: ‘So there are two civitates – one of the wicked, the other of the saints – which are carried down (perducuntur) from the beginning of mankind to the end of the world. Now they are intermingled bodies (corpora permixtae), but separated by will. They are destined to be again separated in body on the Day of Judgment …’26. On the basis of these and related facts it can be concluded that -apart from the Biblical testimonies- essential elements of Augustine’s doctrine of the two civitates were often present in both the earlier Christian and the Jewish traditions. Moreover, in the case of a man who not only received the then current classical education (albeit that initially his knowledge of Greek was weak), but who also continued the study of his (Latin) auctores, a certain classical-philosophical influence upon his doctrine may be expected. This seems all the more likely in view of the profound influence exerted by Neoplatonism. Though certain philosophical elements can indeed be detected, on the central tenets of his doctrine they seem to have exerted hardly any influence. Little similarity can be discerned between Augustine’s concept of two cities, kingdoms, worlds or realms and those in (Neo)Platonism, the Stoa or Philo. In fact, closer examination reveals a number of differences. Thus, the Platonic distinction between two worlds, whereby the material world is a representation of the immaterial one, turns out to be radically different from Augustine’s antithetical concept: the terrena civitas is not an adumbration of the civitas Dei. Nor is there any essential agreement with the views about two cities in Stoic circles or in the writings of Philo. In contrast to the philosophical ideas expressed there, Augustine’s emphasis is on the antithesis of the two civitates.

26 cat. rud. 31: ‘Duae itaque civitates, una iniquorum, altera sanctorum, ab initio generis humani usque in finem saeculi perducuntur, nunc permixtae corporibus, sed voluntatibus separatae, in die vero iudicii etiam corpore separandae…’.

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Johannes van Oort

8.5 Conclusions Here, in this book that aims to explicate one of the classics of world literature, the preceding few pages may give rise to the following conclusions: (1) Within the premeditated design of the circumstantial work On the City of God, Books XI–XIV are of primordial importance to understand both the origin and nature of the two antithetical civitates; (2) In Augustine’s concept of civitas, the religious (and, consequently, the cultic) component is essential; (3) Although in this saeculum the two cities are inextricably intermingled and interwoven, in essence they are radically different; (4) The question of Augustine’s sources remains a very complicated matter. Apart from some philosophical influences, the essential elements of Augustine’s concept of the two civitates appear to be present in earlier Christian, Jewish, and particularly the archaic Judaeo-Christian traditions. Here e. g. the Biblical data (which exerted their own and, without doubt, important influence) are most prominently expounded within the framework of a narratio of the Heilsgeschichte which, in turn, was usually part of catechetical instruction. Thus Augustine seems to have received the essential elements of his doctrine of the Two Cities from earlier tradition, but he moulded them into a comprehensive concept by means of his own genius.

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Geschichtsdarstellung

Christoph Horn

Geschichtsdarstellung, Geschichtsphilosophie und Geschichtsbewußtsein (Buch XII 10–XVIII)

Die Frage nach den Besonderheiten der Augustinischen Geschichtskonzeption gehört zu den komplexesten Problemen, die man im Blick auf De civitate dei aufwerfen kann. Zu unterscheiden sind mindestens drei Bedeutungen dieser Frage. Erstens kann man wissen wollen, welchen Geschichtsbegriff Augustinus seiner Deutung historischer Fakten zugrundelegt: Welche Einzelereignisse hält er für berichtenswert und weshalb? Durch welche interpretatorische Klammer verbindet er die Einzelereignisse? Und ergibt sich daraus eine konsistente Geschichtserzählung? Hinzu kommen Detailfragen wie: Verfügt Augustinus über einen Begriff der Universalgeschichte? Oder setzt er eher die biblische Konzeption heilsgeschichtlicher Schlüsselberichte, die einige wenige Begebenheiten akzentuieren, fort? Steht er in der Tradition römischer Nationalgeschichtsschreibung? Wie tendenziös fällt seine Darstellung aus? Betreibt er eine biblisch und kirchengeschichtlich angelegte providentielle Historiographie? Unterstellt er gar eine romfreundliche oder -feindliche Teleologie? Läßt er dem Profanen ein Eigenrecht gegenüber dem heilsgeschichtlich Relevanten? Zweitens kann man sich fragen, ob Augustinus, wie dies wiederholt behauptet worden ist, als der Entdecker, als die Quelle oder wenigstens als wichtiger Vorläufer der neuzeitlichen Geschichtsphilosophie betrachtet werden muß. Ob ein Autor Geschichtsphilosoph im modernen Sinn ist, entscheidet sich am Maßstab eines starken Kriteriums, wonach er nicht nur über den Begriff der Universalgeschichte verfügen, sondern zusätzlich die Absicht

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Christoph Horn haben muß, bestimmte teleologische Gesetzmäßigkeiten, ein Ziel oder einen Gesamtsinn der Geschichte zu erweisen. Im pointiertesten Sinn Geschichtsphilosoph ist, wer von der Entdeckung teleologischer Tendenzen – wie z. B. Joachim von Fiore oder Marx – zu historischen Prognosen übergeht. Man kann sich jedoch fragen, ob der Begriff Geschichtsphilosophie nicht auch in einer schwächeren Bedeutung sinnvoll gebraucht werden kann. Dieses schwächere Kriterium könnte etwa lauten, daß ein Autor über ein Bewußtsein historischer Prozeßhaftigkeit verfügen muß und vor diesem Hintergrund irgendeine übergreifende Interpretation des „Laufs der Zeiten“ zu geben versucht, sei es im Sinn einer Kontinuitäts- oder auch einer Diskontinuitätsthese. Drittens schließlich läßt sich die Frage nach Augustins Geschichtsbegriff so stellen, daß man untersucht, wieweit Augustinus über eine Vorstellung von Veränderlichkeit, Vergänglichkeit und Geschichtlichkeit verfügt. Die Vermutung ist keineswegs abwegig, daß Augustinus der erste „Perspektivist“ gewesen sein könnte. Zwar ist eine perspektivisch-geschichtliche Selbstinterpretation grundsätzlich ein modernes Phänomen, so daß kaum zu erwarten ist, daß Augustinus über ein vollständig entwickeltes Bewußtsein von Zeitlichkeit, Endlichkeit und Relativität im Sinn des Historismus oder der Hermeneutik verfügt. Dennoch ist es erwägenswert, Augustinus als den zentralen Wegbereiter dieser Sichtweise anzusehen. Bekanntlich hat der junge Heidegger im Anschluß an Kierkegaard eine „phänomenologische Interpretation“ der urchristlichen Lebenserfahrung versucht, die gerade bei Augustinus Hinweise für ein Bewußtsein historischer Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit entdeckt. Zwischen dem zweiten und dem dritten Problemaspekt besteht eine grundsätzliche Spannung, zumindest wenn man „Geschichtsphilosophie“ im starken Wortsinn versteht. Entweder deckt ein Autor historische Grundlinien und Tendenzen unter Vernachlässigung des Einzelgeschehens auf, oder er besitzt ein Bewußtsein für geschichtliche Unwiederholbarkeit und Kontingenz, ohne eine Gesamtdeutung zu versuchen. Im Fall Augustins dagegen, so die hier vertretene These, sind geschichtsphilosophische und perspektivistische Tendenzen zugleich und jeweils in überraschendem Umfang vorhanden. Jedoch, was bei dem Kirchenvater wie Geschichtsphilosophie oder wie Perspektivismus und Kontingenzerfahrung aussieht, erweist sich als eine

Geschichtsdarstellung Gesamtposition jenseits dieser Alternative. Das Textstück, das unserer Interpretation zugrundeliegt (XII 10–XVIII), ist außerordentlich weitläufig und thematisch höchst disparat. Sein Hauptaugenmerk richtet sich darauf, so wird sich zeigen, die Weltgeschichte vor dem Hintergrund der zwei entgegengesetzten civitates darzustellen.

9.1 Augustins Darstellung historischer Ereignisse In den Büchern XV bis XVIII gibt Augustinus einen Gesamtabriß der Welthistorie. Den größten Teil der Menschheitsgeschichte, nämlich fünf von sechs Zeitaltern (articuli temporis, aetates), sieht er im Alten Testament dargestellt, so daß er einen wichtigen Teil seiner Aufgabe in der kommentierenden Nacherzählung der Bibel erblickt. Von Adam geht er dabei rasch auf Kain und Abel über, behandelt weitere Personen und Ereignisse aus der Genesis und erläutert dann die Geschichts- sowie die Prophetenbücher des Alten Testaments. An einigen Stellen wird dabei das Sechs-Weltalter-Schema explizit verwendet (XVI 24 und 43; vgl. XXI 16 und XXII 30). Dieses Epochenschema ist aber keineswegs dominant; Augustinus hat es in früheren Schriften klarer und ausführlicher präsentiert (vgl. Gn. adv. Man. I 23, 35–41; vera rel. 26,48–27,50, div. qu. 58,2). Offenkundig wichtiger ist das Deutungsschema der duae civitates. Drei Texte sind nun besonders geeignet, Augustins historische narratio näher zu charakterisieren: 1. die interpretierende Nacherzählung der Geschichte von Kain und Abel (XV 1–8), 2. die Darstellung der säkularen Weltgeschichte (XVI 17; XVIII 2-26) sowie 3. die Zusammenfassung des Auftretens Jesu und der Kirchengeschichte (XVIII 49–54). 1. Der Passus über Kain und Abel hat insofern exemplarischen Charakter, als Augustinus die Erzählung aus Genesis 4 zielstrebig nach Indizien für die Dualität der beiden civitates auswertet. In der Figur des Kain sieht er das biblische Fundament für eine unmittelbare Verbindung von Gottferne und Staatsgründung. Kain, der sich in seinem Handeln gegen Gott richtet und schließlich sogar seinen Bruder tötet, imitiert die civitas dei durch Gründung eines irdischen Staates. Abel ist hingegen Bürger der göttlichen Gemeinschaft und benötigt als „Fremder“ oder „Pil-

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Christoph Horn ger“ keine zusätzliche irdische civitas. Die irdische Gemeinschaft tendiert – wie am Beispiel der verwandten Erzählung von Romulus und Remus erläutert wird – permanent zur inneren und äußeren Zwietracht; daher können irdische Staaten das Gut des vorübergehenden Friedens nur mit gewaltsamen Mitteln erlangen und aufrechterhalten. Dagegen ist die göttliche civitas durch eine unteilbare Liebe geeint. Kains Staat ist damit das exemplum oder der archetypos der politischen Wirklichkeit (XV 5). Die beiden Gemeinschaften, so hebt Augustinus hervor, existierten „verdeckt“ nebeneinander; sichtbar sei nur ihre Vermischung: Abel und Kain, Sara und Hagar, Isaak und Ismael usw. seien nicht äußerlich, sondern allein durch ihre innere Orientierung voneinander unterschieden. 2. Bemerkenswert an Augustins historischer Darstellung der irdischen civitas ist, daß er sein Material aus der profanen politischen Geschichte großer Staaten oder Weltreiche gewinnt. Besonders das Assyrerreich mit seiner Hauptstadt Babylon und das Römische Reich werden auf der Basis ihrer Geschichte als Inbegriffe der civitas diaboli präsentiert. Augustinus gibt hierfür die theologische Begründung, die großen Weltreiche stünden unter der Leitung „abtrünniger Engel“ (XVI 17). Der Ausdruck terrena civitas ist, obwohl er ein singulare tantum für die Gesamtheit aller eigennützig motivierten Gemeinschaften darstellt, somit ein steigerungsfähiger Begriff: am meisten entsprechen ihm Babylon und Rom; alle anderen irdischen Gesellschaften seien gleichsam deren Anhängsel (velut adpendices: XVIII 2). Auffälligerweise hätten, so Augustinus, Babylon und Rom einander direkt abgelöst; der Fall der einen Herrschaft koinzidiere mit der Geburt der anderen (21). Die historische Entwicklung der terrena civitas folgt also einer gewissen Verlaufslogik. Augustinus bemüht sich näherhin darum, die Geschichte der „irdischen Stadt“ chronologisch und thematisch der biblischen Geschichte zu parallelisieren: mit dem Beginn des Assyrerreichs bringt er Abrahams Auftreten in Verbindung, mit dem Aufstieg Roms die alttestamentlichen Propheten (27). Für das verwendete profangeschichtliche Material beruft sich Augustinus explizit auf Vorlagen bei Varro und vor allem auf Eusebius (in der Übersetzung des Hieronymus: vgl. XVIII 8). 3. Dem Auftreten Christi und der daran anschließenden Kirchengeschichte sind lediglich sechs knappe Kapitel gewidmet

Geschichtsdarstellung (XVIII 49–54). Über Christi Leben heißt es darin lapidar: „Nachdem er das heilige Evangelium, soweit dies durch seine leibliche Präsenz geschehen sollte, ausgesät hatte, litt er, starb er und stand er auf“ (49). Nicht minder lapidar – ohne jede Detailschilderung – wird die Ausbreitung des Christentums und seine epochemachende Durchsetzung konstatiert, also ein Prozeß von immerhin dreihundert Jahren (50). Was Augustinus hingegen zentral interessiert, ist zunächst die Funktion der Häretiker in der Kirchengeschichte (er schreibt ihren „Irrtümern“ einen sich ex negativo ergebenden, relativen Nutzen zu: 51), sodann die korrekte Bestimmung der Anzahl der Christenverfolgungen (52) und schließlich die Berechnung des Weltendes (53). Die beiden zuletzt genannten Themen werden bemerkenswert nüchtern und rational abgehandelt: Augustinus warnt vor einer rigiden typologischen Übertragung biblischer Aussagen auf die historische Wirklichkeit, und er erklärt die Vorausberechnung des Weltendes für grundsätzlich unmöglich: Christus habe dieses Wissen seinen Zuhörern bewußt vorenthalten. Betrachtet man die drei angeführten Beispiele, so läßt sich zunächst feststellen, daß Augustinus historisches Material nicht um seiner selbst willen versammelt. Er ist kein Historiker, und zwar nicht nur kein Universalhistoriker, sondern ebensowenig ein römischer National-, ein Zeit- oder ein Kirchenhistoriker. Der Geschichtsabriß von De civitate dei ist knapp und auf wenige Grundlinien beschränkt. Der Kirchenvater betreibt dennoch keine starre oder willkürliche historische Auswahl; auch fällt seine Faktenschilderung keineswegs vorurteilsbeladen aus. Und schließlich ist auffälligerweise das Motiv einer Heilsgeschichte, nach der das göttliche Handeln unvorhersehbar und unableitbar ist, zwar vorhanden, aber nicht beherrschend. Vielmehr stützt sich Augustinus auf ihm vorliegende Chroniken, die er – wie schon das Alte Testament – gerafft nacherzählt und mit philosophischen Kommentaren versieht. Überraschend ist dabei, daß er keine dezidierte Unterscheidung zwischen heilsgeschichtlich bedeutsamen und bloß säkularen Quellentexten vornimmt. Er behandelt biblische Gestalten und Vorkommnisse wie anderweitig tradierte historische Fakten und gesteht ihnen zwar mehr Raum und mehr Glaubwürdigkeit zu als der „Fabeltheologie“ Varros (vgl. XVIII 10), nicht aber den Status der sakralen gegenüber der profanen Wahrheit. Vielmehr enthält die Bibel die Geschichte

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Christoph Horn aller beider civitates, und ebenso weist die Geschichte der anderen Völker Spuren beider Gemeinschaften auf. Die Kohärenz des dargestellten historischen Materials ergibt sich für Augustinus vor dem Hintergrund seines philosophischen Anliegens. Sein Ziel ist eine historische Gesamtinterpretation im Licht der ethischen Dualität zweier grundlegender Strebensrichtungen. Dabei wäre es vor dem Hintergrund der Ereignisse des Jahres 410 naheliegend zu erwarten, daß er das Christentum mit solchen Mitteln verteidigt wie gewagten spekulativ-typologischen Kombinationen, dem einseitigen Lob christlicher Herrscher oder mit anderen Mitteln manipulativer Geschichtsinterpretation. Augustinus deutet typologische und prophetische Elemente der Bibel hingegen ausschließlich im Blick auf das Erscheinen Christi; in die politische Wirklichkeit liest er keine Logik hinein. Überdies erweist er sich als frei von panegyrischen Tendenzen. Er lobt zwar die Kaiser Konstantin und Theodosius, dies aber sehr verhalten und mehr zur exemplarischen Darstellung von Herrschertugenden (V 25–26); ein gegenwartsbezogenes Herrscherlob ist bei ihm nicht zu finden. Insbesondere fehlt in De civitate dei ganz das Motiv der tempora christiana: Augustinus vertritt keinen christlichen Triumphalismus, wie Eusebius, Rufinus, Orosius oder Hesychus dies taten. Möglicherweise beruht dieses Fehlen einer Augustinischen Reichstheologie auf einem biographischen Wandel; R. A. Markus (1970) hat anhand von gutem Material plausibel gemacht, daß das tempora christiana-Motiv beim frühen Augustinus noch greifbar sei (dagegen Madec 1975). Umgekehrt wäre es ein bloßes Konstrukt zu vermuten, Augustinus sei bereits wegen seiner afrikanischen Abstammung antirömisch eingestellt gewesen. Sowenig Augustinus an einer Verifikation heilsgeschichtlicher Perspektiven in historischen Begebenheiten liegt, sowenig ist ihm am Nachweis profangeschichtlicher Dekadenz gelegen. Dazu ist allerdings eine Präzisierung nötig: in De civitate dei fällt ein historisch-politischer „Realismus“ ins Auge, der den Autor als nüchtern-kritischen Beobachter ausweist. Besonders in den Büchern XIX und XXII wird die Unerreichbarkeit von Glück, Tugend, Freude, Rechtssicherheit, Frieden und Freundschaft unter irdischen Bedingungen betont. (Für die wichtigsten Zeugnisse des Augustinischen Realismus vgl. L. Boros 1954, 149–204.) Freilich ist dieser Rea-

Geschichtsdarstellung lismus nicht primär romkritisch, sondern eschatologisch zu verstehen. Der Eindruck von Nüchternheit verstärkt sich noch, wenn man beachtet, daß Augustinus keinerlei prognostische Absicht verfolgt; weder interpretiert er bestimmte historische Entwicklungen, etwa den Niedergang des Römischen Reichs, als Vorboten des Weltendes, noch schließt er sich an chiliastische Berechnungen an. Zwar insistiert der Kirchenvater darauf, seit dem Weltbeginn seien nicht mehr als 6000 Jahre vergangen (XII 11). Er zieht daraus aber nicht den naheliegenden Schluß, daß jedem der sechs Zeitalter exakt tausend Jahre zukommen. Andernorts hat er dies zumindest als Möglichkeit erwogen (vgl. trin. IV 4,7); im Jahr 393 scheint Augustinus – wenn auch nur vorübergehend – einen Chiliasmus vertreten zu haben: dort ist von einem „irdischen Zwischenreich“ die Rede, in dem die „Heiligen“ tausend Jahre lang in Frieden auf der Erde leben sollen (sermo 259, 2). In De civitate dei erscheint der Chiliasmus dagegen nicht. Bemerkenswert ist zudem eine Feststellung im Brief 197, 3–4, wo es heißt, der Termin des Weltendes sei weder berechenbar noch aus der Schrift erschließbar. Schon in den Frühschriften sagt der Kirchenvater, die Dauer des sechsten Weltalters sei nicht bestimmbar (Gn.adv.Man. I 24,42; div.qu. 58,2). Die Ursache seiner Zurückhaltung gegenüber historischen Wertungen ist darin zu suchen, daß Augustinus an Geschichte nur soweit interessiert ist, wie zum Erweis der überhistorischen Antithese der beiden civitates erforderlich ist; das Interpretationsschema der beiden civitates erweist sich damit als historisch so undogmatisch, daß es keine Manipulation von Fakten nach sich zieht. Wir können festhalten, daß Augustins Geschichtsdarstellung einen offenen, geradezu liberalen historischen Abriß bietet. Augustinus läßt kaum eine Tendenz zur Pressung oder Unterdrückung von Fakten erkennen, er erfindet oder beschönigt nichts. Sein Interesse, die Geschichte als historia calamitatum darzustellen, führt ihn anders als Orosius nicht zu einer einseitig negativen Sicht. Die leitende Konzeption ist eine moralische Weltbetrachtung, wobei die moralischen Rollen zwar klar definiert, aber nicht starr an bestimmte Personen, Völker oder Institutionen vergeben sind. Augustins Interesse liegt darin, die Präsenz und die Interaktion der beiden civitates im Weltverlauf zu erweisen und nachvollziehbar, gleichsam sichtbar zu

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Christoph Horn machen. Seine Intention erscheint insoweit als nicht vorrangig apologetisch, sondern eher als katechetisch (vgl. van Oort 1991, 175–198). Diese Darstellungsform ist – neben der christlichen Katechesetradition – überdies eng mit der philosophisch-literarischen Gattung von Protreptik und Paränese verbunden.

9.2 Augustinus und die Geschichtsphilosophie Wenden wir uns damit der Frage zu, ob Augustinus ein Interpretationsschema vertritt, das man geschichtsphilosophisch nennen kann. Während man in der älteren Forschung, etwa bei Reinkens (1866), Seyrich (1891), Niemann (1895) oder Scholz (1911), eine unkritisch-selbstverständliche Rede vom Geschichtsphilosophen Augustinus findet, wird die Bezeichnung „Geschichtsphilosophie“ für die historische Konzeption von De civitate dei in späteren Arbeiten meist abgelehnt, deutlich bei Troeltsch (1915), Kamlah (21951), Löwith (21955), Markus (1970) und Schmidt (1985). Die ältere Ansicht scheint gelegentlich unreflektiert aufgegriffen zu werden (Schmidt 1987 verweist u. a. auf Blochs Prinzip Hoffnung). Ob diese Beziehung tatsächlich anachronistisch ist, läßt sich nicht ohne eine Diskussion der begrifflichen Kriterien von Geschichtsphilosophie entscheiden. Nehmen wir zunächst den neuzeitlichen starken Wortsinn als Kriterium. In dreierlei Hinsicht läßt sich dann die These von einer Augustinischen Geschichtsphilosophie zurückweisen. Einmal kann man sicher nicht wie Scholz behaupten, Augustinus lehre einen welthistorischen „Kampf“ von Gut und Böse oder von Glaube und Unglaube, vergleichbar etwa der Religionsschrift Kants. Vielmehr bestehen die beiden civitates aus der Innenperspektive betrachtet parallel nebeneinander und gehen äußerlich gesehen eine Mischung ein. In einem substantiellen Sinn interagieren sie dabei weder positiv noch negativ: Jeder Mensch gehört zu jedem Zeitpunkt genau einer der beiden Gemeinschaften an (wenn auch die Möglichkeit eines Übergangs zur civitas dei besteht). Weiterhin liegt es auf der Hand, daß Augustinus keine Geschichtsphilosophie im Sinn einer pessimistischen oder optimistischen historischen Gesamttendenz vertritt. Der inchoative Charakter des Gottesreichs in der civitas dei wird nicht innergeschichtlich, sondern erst am Ende der

Geschichtsdarstellung Zeiten aufgehoben. Augustins bereits erwähnter „realistischer“ Blickwinkel bedeutet keineswegs, daß sich die Übel nach Ansicht des Kirchenvaters immer weiter steigern und in der Gegenwart ein Höchstmaß erreichen würden. Umgekehrt markiert der Sieg des Christentums, wie wir sahen, keinen epochalen Fortschritt. Die Gegenwart, verstanden als das Greisenalter der Menschheit, ist für ihn weder eine Krisenzeit noch eine Zeit der Altersweisheit. Und schließlich sahen wir bereits, daß er die Idee einer Heilsgeschichte nicht stark akzentuiert; darunter wäre das Auftreten von Ereignissen zu verstehen, die zur menschlichen Geschichte zuvor unbekannte Heils- und Erlösungsfaktoren beisteuern würden. Bei Augustinus verweisen zwar Propheten auf Christus, und dessen irdisches Auftreten bedeutet durchaus den zentralen geschichtlichen Wendepunkt. Dennoch bleibt das Schema der beiden civitates dominant: Diese existieren schon vor Beginn der Menschheitsgeschichte und bleiben im Lauf ihrer Geschichte unverändert bestehen.1 Die Kürze der Schilderungen des Lebens Jesu und der Kirchengeschichte erklärt sich also daraus, daß diese für eine weitere Explikation der civitatesAntithese nicht zentral sind. Augustinus hat den Nutzen der bloßen Geschichtsbetrachtung nicht sehr hoch veranschlagt. So sagt er einmal, der „Glaube an die zeitliche Geschichte“ (fides temporalis historiae) nähre nur diejenigen Christen, die „noch nicht zur Erkenntnis geistiger und ewiger Gegenstände imstande“ seien (en.Ps. 8,5). Entscheidend ist für ihn die philosophische Geschichtsinterpretation, nicht die Betrachtung von Einzelereignissen. Kann man somit behaupten, daß spätere Geschichtsphilosophien die Augustinischen Interpretationselemente Zwei-ReicheLehre und Eschatologie notwendig zur Voraussetzung haben? Sind die Konzeptionen bei Hegel oder Marx folgerichtig Säkularisate der Geschichtstheologie Augustins? Dies ist bekanntlich die These der einflußreichen Abhandlung K. Löwiths (21955). Das größte Problem dieser im Grunde attraktiven These liegt in ihrer zu einfachen Opposition von antiker und moderner Zeitauffassung. Während die Antike angeblich einen statisch-räum1 Daß sich die civitas dei im Geschichtsverlauf von ihrer engen Verknüpfung mit Israel ablöst und auf die Kirche überträgt, ändert ebenfalls nichts an ihrer begrifflichen Einheitlichkeit.

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Christoph Horn lichen Zeitbegriff besitzt, soll die jüdisch-christliche Denkweise dynamisch und linear sein. Somit ergibt sich bei Löwith die scharfe Opposition einer zyklischen hellenisch-römischen und einer geschichtlichen jüdisch-christlichen Zeitauffassung.2 Löwith verbindet mit dieser Opposition eine pointierte Wertung: der monotheistischen Weltverneinung stellt er die pagane Weltbejahung gegenüber. Wie Nietzsche, der das Christentum gerade mit seiner Lehre von der Ewigen Wiederkehr endgültig zu überwinden hofft, bewertet Löwith die angebliche jüdischchristliche Geschichtsteleologie negativ und rät dazu, ihre historische Nachfolgerin, die Geschichtsphilosophie, zugunsten eines skeptischen historischen Selbstverständnisses preiszugeben. Übrigens ist von jüdischer und christlicher Seite auf derselben Basis gelegentlich die genau entgegengesetzte Wertung vorgenommen worden. Bei näherem Hinsehen erweist sich Löwiths Opposition als grundsätzlich fragwürdig. Zyklustheorien sind in der Antike selten deutlich vertreten worden; hingegen findet sich durchaus das Fortschrittsmotiv. So hat H. Cancik (21989) daran erinnert, daß sich Theorien zeitlicher Linearität und historischen Fortschritts bereits im Umfeld der Stoa nachweisen lassen. Dies ist umso bemerkenswerter, als es gerade die Stoiker waren, bei denen gleichzeitig die Vorstellung einer ewigen Wiederkehr greifbar ist (vgl. Zenon: Stoicorum Veterum Fragmenta I 97–109 und Chrysipp: II 623–631). Auch De civitate dei stützt Löwiths Opposition nicht. Augustins Zurückweisung der Lehre von der ewigen Wiederkehr richtet sich keineswegs im Namen des Christentums gegen eine pagane Auffassung, auch nicht speziell gegen die Stoiker (bei denen die Kreislauf-Lehre überdies nicht unumstritten war). Augustinus beruft sich zustimmend auf den Heiden Porphyrios, der eine ewige Wiederkehr gleichfalls ablehnt (XII 21), während er sich ebenso explizit gegen Christen – darunter wohl Origenes oder Origenes-Schüler – wendet, die die Schriftstelle Kohelet 1,9 zur Stützung der Lehre von der ewigen Wiederkehr heranziehen (XII 10 und 14). Mehr noch, Augustins 2 „Der Kreis, der nach Ansicht der Alten die einzig vollkommene, weil in sich selbst beschlossene Bewegung, ist zwecklos und verwerflich, wenn das Kreuz das Sinnbild des Lebens ist und dessen Sinn in einem Ziel zur Erfüllung kommt“ (21955, 152 f.).

Geschichtsdarstellung Argument besteht keineswegs in der Singularität des göttlichen Heilgeschehens. Zwar erscheint die Einmaligkeit von Christi Leben und Sterben (z. B. XII 14) im Kontext der Ablehnung der Wiederkehr-Konzeption. Augustins zentrales Argument ist aber, daß eine Aufhebung der endzeitlichen Glückseligkeit durch einen Neubeginn der Geschichte die gesamte eudaimonistische Konzeption sinnlos machen würde. Gelange das menschliche Glücksstreben nämlich an kein abschließendes Ende, so besitze es überhaupt kein sinnvolles Ziel; dann sei aber das gesamte Glücksstreben absurd (vgl. Honnefelder 1986, 43–45).3 Daneben wendet sich Augustinus gegen die Behauptung, sogar Gottes Wissen könne nichts Unendliches erfassen (XII 18); die nichtquantitative Unendlichkeit Gottes, für die sich Augustinus demgegenüber einsetzt, ist aber keine christliche, sondern eine neuplatonische Auffassung (vgl. Hadot 1990). Auch wenn Löwiths Opposition kaum haltbar sein dürfte, bleibt seine These, De civitate dei habe in säkularisierter Form weitergewirkt, dennoch erwägenswert. Zwar verwendet Augustinus den Begriff der Universalgeschichte nicht als erster, aber die Annahme scheint plausibel, daß er aufgrund seines vergleichsweise strengeren, einheitlicheren und systematisch durchdachteren Geschichtsbegriffs weit eher als Geschichtsphilosoph gelten kann als frühere pagane wie christliche Autoren. Diese Einschätzung beruht nun allerdings auf dem schon erwähnten schwächeren Begriffskriterium. Näherhin lassen sich vier Indizien für diese Sichtweise anführen: 1. Augustins biblische Vorgaben, die Schöpfungtheologie und die Eschatologie, geben der Weltzeit einen universell definierten Rahmen; der Zeitraum zwischen der Erschaffung der Welt und dem Endgericht umfaßt die gesamte menschliche Geschichtszeit. 2. Augustinus vertritt mehrere historische Gliederungsschemata, vor allem die Vier-Reiche-Lehre und das Sechs-Weltalter-Schema, mittels derer er gegeneinander abgrenzbare historische Epochen unterscheidet; dabei versucht er, den Epochen eine Art „Zeitgeist“ zuzuschreiben. 3. „Menschheit“ ist bei Augustinus ein umfassenderer und einheitlicherer Begriff, als er sonst in der antiken Literatur verwendet wird; außerhalb der Sphäre des 3 Zu Unrecht hält Löwith (ebd.) Augustins eudaimonistische Konzeption für fideistisch, nicht für philosophisch.

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Christoph Horn Römischen Reichs samt seiner Nachbarn schließt er ausdrücklich alle anderen Völker in seine Geschichtsbetrachtung ein. 4.Augustinus ist davon überzeugt, daß die Menschheit eine von Gott komponierte, sinnvolle geschichtliche Einheit durchläuft; die Einheit der Weltgeschichte ist Ausdruck der göttlicher Ordnung, Vorsehung und Weltfürsorge. Die genannten Punkte bedürfen einiger Erläuterungen. 1. Augustins historische Perspektive weist über Rom hinaus und ist im strengen Sinn universalhistorisch orientiert. Pagane Historiographen (etwa Augustins älterer Zeitgenosse Ammianus Marcellinus) hielten den Untergang der römischen Weltordnung trotz der massiven militärischen Bedrohung für undenkbar. Für sie bildete das Römische Reich die Grundlage der Geschichtsinterpretation; seit Livius’ Werk Ab urbe condita orientierte sich die pagane Historiographie am nationalgeschichtlichen Interpretationsrahmen. Die christliche Perspektive weicht hiervon erkennbar ab; so hält Augustinus das Ende Roms für möglich, ohne es wie der Kirchenvater Laktanz geradezu zu befürworten (vgl. Divinae Institutiones VII 15 f.). Christliche Autoren betrieben neben dem spezielleren historiographischen Genre „Kirchengeschichte“ das universellere Genre „Weltchronik“. Weltchroniken, wie sie etwa von den Christen Sextos Iulios Aphrikanos, Hippolytos von Rom und besonders von Eusebius verfaßt wurden, sind die Vorläufer der Augustinischen Geschichtsdarstellung. Sie geben eine Übersicht über die Gesamtgeschichte zwischen der göttlichen Weltschöpfung und dem Endgericht. Augustinus konnte sich auf diese christliche Tradition universaler Historiographie stützen. Zwar findet sich das Thema Universalgeschichte bereits in vorchristlicher Zeit, etwa bei dem stoisch geprägten Historiker Diodoros von Sizilien (vgl. Cancik 21989); doch Diodoros läßt die gesamte welthistorische Entwicklung in Caesars Herrschaft gipfeln. Während also Diodoros seine universale Perspektive wiederum zugunsten der Zeitgeschichte preisgibt, verfügt Augustinus über einen Geschichtsbegriff, den er von allen irdischen Reichen, Institutionen, Personen und von allen Indizien für einen innerweltlichen Fortschritt oder Verfall loslöst. 2. Augustinus interessiert sich – wie generell fast nur jüdischchristliche Autoren (eine Ausnahme bildet der Heide Aemilius Sura) – für eine Abfolgeordnung der Zeitalter und der politi-

Geschichtsdarstellung schen Weltmächte. Natürlich ist dies keine christliche Erfindung. Der Gedanke spielt seit Hesiods Differenzierung von fünf Zeitaltern (Erga kai hêmerai 106–201) eine Rolle. Im Mythos des Platonischen Politikos (268d–274e) findet sich eine Zwei-Weltalter-Lehre erstmals als eine philosophische Konzeption. Das Interesse jüdisch-christlicher Autoren gründete sich auf das apokalyptische Buch Daniel (Kap. 2 und 7), dessen Ankündigung von vier welthistorischen Reichen sie auf Babylon, das medischpersische Reich, auf das Reich Alexanders und auf Rom bezogen. Mit dem Römischen Reich endet nach dieser Interpretation des prophetischen Textes die Universalgeschichte. Auch Augustinus beruft sich nachdrücklich auf diese Vier-Reiche-Lehre und verweist für ihre genauere Auslegung auf Hieronymus (XX 23). Dieser Verweis erklärt die knappe Präsentation der Vier-ReicheLehre; daß Augustinus sie für unwichtig gehalten hat, ergibt sich aus dem Text nicht. Dennoch ist das wichtigere Periodisierungsschema zweifellos die Sechs-Weltalter-Lehre, da diese sich, anders als die VierReiche-Konzeption, auf die Geschichte der civitas dei bezieht. Die Augustinische Konzeption setzt sechs bzw. sieben Epochen der Menschheitsgeschichte an (und nicht nur, wie der Heide Florus, Epochen der römischen Geschichte): 1. von Adam bis Noah, 2. von Noah bis Abraham, 3. von Abraham bis David, 4. von David bis zur babylonischen Gefangenschaft, 5. von dieser bis zur Geburt Christi, 6. von Christus bis zum Ende der Welt und 7. die ewige „Sabbatruhe“. Augustinus unterstellt den Epochen inhaltliche Differenzen; am klarsten sind die Stufen einer göttlichen Pädagogik (wenn auch ohne direkten Geschichtsbezug) in dem frühen Text De animae quantitate ausgeführt (33,70–76). Auf die Geschichte angewandt realisiert jede Epoche ein bestimmtes Leitmotiv, und zwar in doppelter Entsprechung sowohl zu den individuellen Lebensstadien (infantia, pueritia, adolescentia, iuventus, senior aetas, senectus) als auch zu den (daraus abgeleiteten) geistlichen Entwicklungsstufen des Menschen. Es handelt sich hierbei um die von Irenäus von Lyon bereits am Ende des 2. Jahrhunderts begründete Idee einer heilgeschichtlichen Pädagogik. Betrachten wir Augustins Übertragung des Entwicklungsoder Erziehungsschemas auf die Universalgeschichte in De civitate dei. Die pointierteste Aussage lautet: „Ebenso wie die rechte

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Christoph Horn Erziehung des Menschen schritt auch die des Menschengeschlechts, wenigstens so weit das Volk Gottes in Frage kam, in gewissen Zeitabschnitten, den Altersstufen vergleichbar, voran, so daß es sich allmählich vom Zeitlichen zur Erfassung des Ewigen, vom Sichtbaren zum Unsichtbaren erhob“ (X 14). Der Kontext dieser Aussage ist eine historische Reflexion: Augustinus erläutert damit, weshalb es zur Zeit des Alten Testaments anders als in der Gegenwart Wunder oder visuelle Gotteserscheinungen gegeben habe; er hält sie deswegen für künftig nicht mehr erforderlich, weil die civitas dei die Lektion der göttlichen Unsichtbarkeit in der Zwischenzeit gelernt habe (vgl. vera rel. 25, 46 f., retr. I 13, 7). Ähnlich sagt Augustinus an anderer Stelle, das Neue Testament folge auf das Alte, so wie es beim Menschen die Ordnung gebiete, daß das Geistige auf das Seelische oder der himmlische Mensch auf den irdischen folge (XVIII 11). Einige weitere Beispiele zeigen, daß seine Geschichtsdarstellung durchaus im Blick auf den Lebensaltervergleich und den Gedanken einer göttlichen Erziehung verfaßt ist (vgl. das wichtige Material bei Müller 1993, 294). Ob die Bedeutung dieser nicht stark akzentuierten Konzeption mit Schmidt 1985 gering zu veranschlagen ist, wird noch zu fragen sein. Hier läßt sich zumindest festhalten, daß Augustins Weltalter-Schema ein klares Indiz für sein Geschichtsbewußtsein hergibt. Was das vorliegende Schema allerdings von einer Verfalls- oder Fortschrittsidee unterscheidet, ist das Fehlen jeglicher Wertung. Der göttlich begünstigte Teil der Menschheitsgeschichte durchläuft demnach Phasen mit jeweils unterschiedlicher Sinnausrichtung, und diese Phasen sollen einer strengen Ablauflogik unterliegen. Augustinus vertritt dabei nur den Gedanken der sinnvollen Kohärenz, nicht den der Teleologie der Geschichte. 3. Der Kirchenvater betont die Einheit der Menschheit in einem noch höheren Maß als etwa der stoische Kosmopolitismus. Während die Stoiker den Vernunftbesitz als Grundlage der menschlichen Verbundenheit betrachteten, spricht Augustinus zusätzlich von einer „Verwandtschaft“ aller Menschen. Er sieht in ihr geradezu ein spezifisches Merkmal, das Menschen von den Tieren, die jeweils nur artgleich sein sollen, unterscheidet. Während sich alle Menschen auf Adam, einen einzigen Stammvater, zurückführen ließen, habe Gott von allen Tieren mehrere Exemplare geschaffen. Den Menschen, so Augustinus, ist auf

Geschichtsdarstellung diese singuläre Weise „die Einheit der Gesellschaft und das Band der Einmütigkeit“ nahegelegt (societatis unitas vinculumque concordiae: XII 22; sermo 268, 3). Die Menschengattung lasse sich als ein einziger Mensch betrachten (cum totum genus humanum tanquam unum hominem constitueris: div.qu. 58, 2). Gleichzeitig bilden die Menschen jedoch in ebenso singulärer Weise „eine zwieträchtige Gattung“ (genus … discordiosum: XII 28). Denn seit dem Sündenfall und der babylonischen Sprachverwirrung sei die Menschheit in 72 Nationen und ebensoviele Sprachen zerrissen (XVI 9). Nun findet sich zwar auch in Platons Metallmythos (Politeia III, 414d–415c) die Vorstellung, alle Menschen seien „erdgeboren“ und insofern Geschwister. Bei Platon handelt es sich allerdings, wie ausdrücklich eingeräumt wird, um eine politische Lüge, die die Chancengleichheit sicherstellen und zugleich die begabungsbedingte Standeszugehörigkeit erklären soll. Mit der idealen Polis aus Platons Politeia eher vergleichbar ist dagegen die Augustinische Vorstellung, daß die bei der babylonischen Sprachverwirrung aufgespaltene Menschheit in der civitas dei wiederum zu einer Einheit gelangt. Ebenso wie durch Adam die Menschheit zersplittert sei, werde sie (genauer ihr dazu prädestinierter Teil) durch Christus zu einer Einheit zusammengeführt; die „Heiligen“ bilden dabei schon auf der Erde eine enge Gemeinschaft (XIX 5), die sich eschatologisch vollenden soll. 4. Die Gesamtgeschichte ist für Augustinus eine streng geordnete Einheit, die der kompositorischen Ganzheit eines „großen Liedes“ vergleichbar sein soll (velut magnum carmen: ep. 138,5). Die Menschheit stelle in ihrer Geschichte eine kontinuierliche organische Einheit dar, vergleichbar den Blättern eines immergrünen Baumes (en.Ps. 101,2,10). Aus dem Lauf der Geschichte, nämlich „durch die höchst geordnete Zeitenfolge“ (per ordinatissimam temporum seriem: lib.arb. III 21,60), soll somit das erlösende Handeln Gottes erschließbar sein, das der Einheit der Geschichte als Prinzip zugrundeliege. Nach Augustins traditionell Platonischer Auffassung existieren neben der einen Welt keine weiteren Universen (vgl. Platon, Timaios 30d ff.). Und dieses eine Universum hat seinen Sinn ausschließlich in der Menschheitsgeschichte; hierbei ist die Geschichte als Feld der moralischen Bewährung konzipiert. Das irdische saeculum dient dem Zweck, den Kreis der Prädestinierten vollständig zu machen,

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Christoph Horn wie es gelegentlich heißt (etwa De bono viduitatis 23, 28). Die Einheit der Geschichte beruht somit auf einer überlegten göttlichen Disposition: Augustinus bezeichnet diese meist als dispensatio temporalis (vera rel. 55,110, div.qu. 53,1, civ. X 32). Über verschiedene Orte und Zeitpunkte verteilt stellt sich die Geschichte als ein streng geordnete, sinnvolles Ganzes dar, dessen Essenz die biblisch bezeugte Heilgeschichte ist, für die Augustinus auch den Begriff historia sacra gebraucht.4 Soweit die vier Indizien für die These, daß Augustinus über die Idee einer einheitlichen Universalgeschichte verfügt, an der sich die neuzeitliche Geschichtsphilosophie entzündet haben könnte. Widersprochen wurde dieser These, wie bereits erwähnt, von E. A. Schmidt. Schmidt hat vor allem zu bedenken gegeben, daß Augustinus nur ein mangelhaftes Bewußtsein von Prozeßhaftigkeit besitze und daß für ihn kein einheitliches Geschichtssubjekt existiere; stattdessen stünden zwei getrennte Subjekte unverbunden nebeneinander. Die These ist etwas überpointiert. Zunächst spricht dagegen, daß das Werk De civitate dei einen Überblick über die Geschichte beider Gemeinschaften bieten will, also durchaus einen übergreifenden Standpunkt einnimmt. Für diese Geschichtsbeschreibung ist überdies charakteristisch, daß die beiden civitates in diesem saeculum miteinander bis zur Unkenntlichkeit vermischt sind; Augustins Anliegen ist es gerade, sie innerhalb des konfusen Geschichtsverlaufs identifizierbar zu machen. Zudem vertritt Augustinus die These vom Wert des Übels für das Gute, einschließlich des relativen Nutzens der Sünde (XIV 11); daraus folgt, daß die Einheit der göttlich konzipierten Geschichte durch das Bestehen der civitas diaboli nicht gemindert, sondern sogar erhöht wird. Die „Bösen“ werden zwar im Endgericht verworfen, sind aber für den Geschichtsverlauf keineswegs funktionslos. Und endlich sind die beiden civitates nicht ausschließlich antithetisch konzipiert; gelegentlich werden sie sogar als nur graduell verschieden charakterisiert. So kann auch die irdische civitas über ein gewisses Maß an Frieden, Eintracht, Rechtssicherheit und sogar Gerechtigkeit verfügen (vgl. XV 2 und XIX 13). Ebenso wie die „Heiligen“ die 4 Zu den Begriffen dispensatio temporalis und historia vgl. Müller 1993, 225–232. Studer 1995 und 1996 führt den Augustinischen historia-Begriff (= narratio) wesentlich auf das Wortverständnis des Porphyrios zurück.

Geschichtsdarstellung Lasten des saeculum mittragen müssen, genießen sie auch dessen Güter, vor allem den staatlich garantierten Frieden. Sie halten solche Güter allerdings nicht für Strebensziele, sondern finalisieren sie im Blick auf das Ziel eines „Genusses“ Gottes (gemäß der uti-frui-Distinktion). Es ist sicher zutreffend, daß Augustinus kein Geschichtsphilosoph im neuzeitlichen Sinn der teleologischen Geschichtsauffassung ist. Geschichtsphilosophie betreibt er aber insofern, als er – wie einige paganen und vor allem jüdisch-christlichen Autoren vor ihm – einen kohärenten, sinnvollen, begrenzten Geschichtsverlauf sowie bestimmte Periodisierungsschemata behauptet. Sein Begriff einer einheitlichen Geschichtszeit ist überdies so streng und folgerichtig konzipiert, daß man ihn durchaus als Vorbereiter der neuzeitlichen Geschichtsphilosophie ansehen kann. Augustins pointiertes historisches Einheitsbewußtsein wird nicht dadurch gemindert, daß die duae civitates-Konzeption zeitübergreifend und insofern „unhistorisch“ angelegt ist. Denn sein Modell stellt eine Verbindung des ethisch-strebenstheoretischen mit dem biblisch-eschatologischen Motiv her und hebt so dessen statischen Charakter auf.

9.3 Augustinus über Zeiteinmaligkeit und Sinneinmaligkeit Im Sommersemester 1921 hielt Martin Heidegger in Freiburg eine Vorlesung unter dem Titel „Augustinus und der Neuplatonismus“. Heideggers Augustinus-Deutung richtet sich gegen die zeitgenössischen Interpreten Ernst Troeltsch, Adolf von Harnack und Wilhelm Dilthey. Deren „objektgeschichtliche Einstellung“ verkenne, daß Augustins Philosophie in bemerkenswerter Weise – trotz ihrer partiellen neuplatonisch-metaphysischen Überformung – den „ursprünglichen Vollzugssinn“ der Phänomene thematisiere. Gemeint ist, daß Augustinus in der Linie der frühchristlichen Endzeiterwartung (die Heidegger besonders bei Paulus untersucht hat: vgl. 1995, 1–156) ein nichtobjektives, „historisches“, von den Existenzmöglichkeiten herkommendes Zeitverständnis lehre. Heidegger stützt sich für diese Ansicht nicht auf De civitate dei; die für seine Deutung zentralen Begriffe tentatio und curare gewinnt er aus den Confessiones.

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Christoph Horn Dennoch ließe sich Heideggers Deutung als interessante Hypothese auf das Augustinische Gesamtwerk anwenden. Augustins Zeit- und Geschichtsbegriff ist tatsächlich in weitem Umfang eschatologisch geprägt. Aber hat er deshalb die traditionelle Auffassung, Zeit sei ein objektives Kontinuum von Jetztpunkten, ganz oder auch nur partiell überwunden? Versteht Augustinus den Augenblick als einmalige Handlungschance mit absoluter Heilsbedeutung? In De civitate dei ist es besonders die Betonung des irdischen Schreckens und der in diesem Leben unerreichbaren Vollkommenheit, die für die Heideggersche Sichtweise spricht (etwa XXII 22). Einschlägig scheint ferner eine Passage in der frühen Schrift De libero arbitrio, wonach die Vergangenheit belanglos sei im Vergleich zur Zukunft: Wichtiger, als etwa eine Fehleinschätzung im Blick auf Vergangenes zu beheben, sei es, sich darauf zu konzentrieren, „wer ich mit Hilfe meines Schöpfers künftig sein werde“. Ebenso sei beim Kauf eines Gewandes der vergangene Winter uninteressant, nicht aber der kommende; für einen Reisenden sei sein Herkunftsort unwichtig, solange ihm klar sei, wie er an sein Ziel gelange (III 21,61). An anderer Stelle betont Augustinus den punktuellen Charakter der Abwendung vom Bösen, die zu jedem Zeitpunkt vor dem Tod möglich sei (In Iohannis evangelium 33, 8). Zweifellos gibt es einige weiteren Indizien zugunsten unserer Annahme: 1. Augustinus lehrt die Singularität der Welthistorie. Er weist in Buch XII zyklische Zeittheorien zurück und betont die Einmaligkeit der Geschichte. Unter den Begründungen für die Zeiteinmaligkeit finden sich Stellen, in denen Augustinus die Singularität der Heilereignisse wenigstens mitanführt (Christus semel locutus est: civ. V 5; semel enim Christus mortuus est: XII 14; non enim Christus iterum in cruce videndus est: trin. XV 27, 49). 2. Er lehrt die Unberechenbarkeit und Unableitbarkeit des Weltendes. Augustins offener Zeithorizont kommt z. B. in der Abweisung historischer Prognosen zum Ausdruck: „Ich fürchte, wie ich gestehen muß, wir könnten uns betreffs der zehn Könige täuschen, die der Antichrist … antreffen soll; und dann würde er vielleicht ganz unvermutet kommen“ (XX 23). 3. Augustinus relativiert den innerweltlichen Tun-Ergehens-Konnex. So konstatiert er, die göttliche Vorsehung setze gütige oder grausame Kaiser ein, ohne daß Verdienst und Schuld dabei eine Rolle spielten (V 21). Auch in I 8–10 wird das Glück des Ungerechten

Geschichtsdarstellung und das Unglück des Gerechten vom Schema Belohnung und Strafe abgelöst und mit dem Gedanken einer irdischen Prüfung verbunden. 4. Er betont die Bedeutung der moralischen Einzelhandlung und der Konversion. Besonders die Confessiones stellen die Punktualität und Unableitbarkeit des Konversionsereignisses heraus. Alle vier Punkte bilden gute Indizien zugunsten unserer an Heidegger angelehnten Hypothese. Ihre Richtigkeit entscheidet sich allerdings erst daran, welchen genauen Sinn die Konzeption einer singulären, unableitbaren, moralisch konzipierten Weltzeit bei Augustinus hat. Um dies zu klären, bietet sich der vielleicht bemerkenswerteste Augustinische Text zum Problem historischer Kontingenz an (conf. III 7,13). Der Kirchenvater führt dort „Mißverständnisse“ aus, die seine Konversion behindert hätten; dazu gehört auch sein früheres Unverständnis gegenüber historischer Relativität. Er sei davon irritiert gewesen, daß ganz unterschiedliche moralische Regeln in verschiedenen Ländern oder Epochen gültig seien. Der Autor der Confessiones zieht daraus die Konsequenz: „Die Menschen aber, deren Leben auf Erden kurz ist, sind nicht imstande, die Verhältnisse in früheren Jahrhunderten und bei anderen Völkern, die sie nicht erlebt haben, mit denen, die sie selbst erlebt haben, als ein einziges Geflecht zu begreifen“ (causas contexere saeculorum priorum aliarumque gentium). Die Textstelle belegt, daß Augustinus nicht die Unmöglichkeit einer historischer Gesamtperspektive lehrt, sondern meint, daß Menschen gewöhnlich damit überfordert seien, historische Differenzen als Einheit zusammengehöriger Aspekte zu erfassen. Daß dies Augustins Auffassung ist, zeigt sich an seiner expliziten Zurückweisung der Kontingenzthese. Zudem ergibt es sich aus der Feststellung, das Problem historischer Relativität sei kein anderes als jenes Einheitsproblem, das sich demjenigen stelle, der die verschiedenen, aber zusammengehörigen Arbeiten innerhalb eines Haushalts betrachte oder auch die funktionale Differenzierung von Teilen einer Rüstung oder von Körpergliedern. Hinter der moralischen Vielfalt der Völker und Epochen stehe das eine, unveränderliche göttliche Gesetz, das jedoch unterschiedliche räumliche und zeitliche Ausprägungen erhalte. Augustinus nimmt eine perspektivische, keine perspektivistische historische Kontingenz an. Geschichtliche Vielfalt erklärt

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Christoph Horn er aus dem Wechsel verschiedenartiger Anwendungsbedingungen, unter denen die göttliche Weltordnung agiert, nicht aus der Inkonstanz oder gar der Nichtexistenz einer solchen Weltordnung. Mehr noch, im Prinzip ist es auch für Menschen möglich, die Weltgeschichte wahrheitsgemäß darzustellen; dabei fungiere die Wahrheit als das „Goldband, das die Reihe von Edelsteinen“ verbindet (cat. rud. 6, 10). Die perspektivische Kontingenz ist überwindbar; anders hätte es keinen Sinn, daß Augustinus ein relativistisches Mißverständnis der Geschichte zu seinen eigenen frühen Irrtümern zählt. Augustinus sieht im Geschichtsverlauf einen Wissensgegenstand: Das saeculum ist für ihn vergleichbar einem kohärenten Gewebe, einem wohlkomponiertem Lied oder einem Theaterstück. Der frühe Augustinus legt den Akzent darauf, daß die moralische und kognitive Insuffizienz philosophisch zu beheben sei: „Wir selbst sind die Zeiten; wie wir sind, so sind auch diese“ (nos sumus tempora; quales sumus, talia sunt tempora: sermo 80,8). Für den Gnadentheoretiker seit 396/7 sind die Wissensbedingungen demgegenüber stärker, aber keineswegs prinzipiell verdeckt: „Aus vergangenen Ereignissen stellen wir Vermutungen über die Zukunft an – wenn auch nicht mit sicherer Erkenntnis“ (trin. XV 7,13; vgl. civ. I 28). Es ist daher nicht richtig, die Entzogenheit der Geschichtsordnung als Resultat einer pessimistisch oder eschatologisch geprägten Spätphase zu deuten: bereits die Frühphilosophie betont die Ungreifbarkeit philosophischer Erkenntnis; sie soll nur selten und nur mit göttlicher Unterstützung gelingen (Acad. III 5,11). Zur Subjektivität jener perspektivischen „Vorstellungen“, die die Erkenntnis behindern, heißt es in einer anderen Frühschrift: „Vorstellungen sind mit großer Vorsicht zu behandeln. Daß sie Irrtümer sind, verrät die Tatsache, daß sie sich bei einer Änderung des Bewußtseins – das einem Spiegel gleicht – ändern, während das Antlitz der Wahrheit eines und unveränderlich bleibt“ (sol. II 35). Nicht haltbar ist somit die Ansicht, Augustinus habe, seitdem er die Gnadenkonzeption für sein Denken entdeckt habe, Begriffe wie Ordnung, Friede oder harmonische Einheit nicht mehr für geschichtsrelevant gehalten. Insbesondere ist es bedenklich, mit Kurt Flasch zu sagen, der späte Augustinus habe geschichtliche Ereignisse postuliert, die von der Ideenordnung unabhängig seien (21994, 372); der Text De trinitate IV 16, 21 gibt dies nicht her. Vielmehr wird dort den

Geschichtsdarstellung Neuplatonikern eine Erkenntnis der Ideenordnung zugebilligt; nicht erkannt hätten sie jedoch, wie sich die veränderliche, sinnliche Welt – darunter die Geschichte – aus der intelligiblen Welt herleiten lasse.5 M. a. W., die Erkenntnisleistung der paganen Philosophen soll eine bescheidene, aber nicht wertlose Errungenschaft sein, die freilich von der Prognosefähigkeit der Propheten weit überboten werde (trin. IV 17,22; vgl. XV 27,49). Für Augustinus bleibt die Geschichte durchaus ein objektivierbarer Sachverhalt. Etwas grundsätzlich Neues in der Geschichte ist nicht in dem Sinn möglich, daß ein Ereignis von der göttlichen Vorsehung unabhängig wäre; das Wort novum kennzeichnet bei Augustinus lediglich die heilsgeschichtlichen Ereignisse, insofern diese mit der Erlösung des „alten Menschen“ durch seine „Neuwerdung“ charakterisiert sind. Damit hängt der Gedanke der Irreversibilität des Neuen zusammen: die Erlösung ist endgültig und unhintergehbar, ohne daß dies zum Gedanken einer ordnungstranszendenten Singularität führt.

9.4 Schlußfolgerungen Nach einer allzu einfachen, aber noch immer gebräuchlichen Antithese hat die antike Philosophie ewige Wahrheiten, die christliche Religion dagegen geschichtliche Heilsereignisse zum Gegenstand. De civitate dei, das wichtigste Geschichtswerk des spätantiken Christentums, bestätigt diese Antithese jedoch in keiner Hinsicht. Wie wir sahen, ist Augustinus weder Historiker noch (im starken Wortsinn) Geschichtsphilosoph noch gar Perspektivist. Er vertritt vielmehr eine Geschichtsauffassung, die einerseits den Einzelereignissen ihr Eigenrecht beläßt (sogar mit der Tendenz, sie bewußt ungeschönt zu betrachten). Sein Interesse an einzelnen Begebenheiten geht andererseits nicht soweit, daß er Vergangenes, verstanden als einmalig und unwiederholbar, um seiner selbst willen für wichtig halten würde; sogar der historische Aspekt der Heilgeschichte wird nicht besonders betont. Augustins Geschichtsbild ist zudem einerseits 5 Die neuplatonischen Philosophen seien nicht fähig gewesen, den Lauf der Jahrhunderte zu erforschen (nullo modo eos potuisse prolixiorum saeculorum seriem vestigare) – was nicht heißt, daß dies strikt unmöglich sei.

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Christoph Horn von der Annahme einer Verlaufslogik und daher von strengen Einteilungen geprägt, die sich andererseits aber nicht dogmatisch in den Vordergrund schieben. Der Kirchenvater betont in ethischer Absicht die Unvorhersehbarkeit und Unableitbarkeit der Geschichte, ohne den Gedanken einer erkennbaren und darstellbaren metaphysischen Ordnung damit im mindesten preiszugeben. Augustinus nimmt somit eine Position jenseits der Alternative von biblischer „Geschichtlichkeit“ und „statischer“ antiker Philosophie ein. Um diese Konstellation zu verstehen, muß man sich Augustins apologetischen Ausgangspunkt vor Augen führen: In den Jahren nach 410 mußte er sich mit philosophisch gebildeten Heiden auseinandersetzen, die, wie B. Studer gezeigt hat, an Porphyrios’ historia-Begriff orientiert waren. Augustinus konnte diesen Adressaten weder eine ideologische Geschichtskonstruktion anbieten noch eine plakative Endzeitmahnung. Stattdessen reagiert Augustinus so, daß er die Entzogenheit der historischen Abfolgelogik zu erweisen sucht. Statt also eine alleserklärende, zurechtkonstruierte Teleologie oder aber im Gegenteil das unkalkulierbare, nahe Weltende zu behaupten, überträgt er die ethische Teleologie der Strebenstheorie auf das Phänomen Geschichte. Die menschliche Geschichte bleibt für den Kirchenvater – in der Linie des Platonismus und der Stoa – ethisch ausgerichtet. Augustinus bestimmt die historia im strengen Wortsinn mit Blick auf die Einheit einer moralischen Zeitordnung (vgl. doctr.chr. II 27,41 ff.); aus diesem Wortverständnis leitet er die menschliche Disziplin einer retrospektiv verfahrenden Geschichtsschreibung ab, die – wahrheitsgemäß betrieben – durchaus nützlich sei (vgl. historia facta narrat fideliter atque utiliter: ebd.). Ihr Nutzen besteht allerdings nur darin, alle Ereignisse als Auswirkungen zweier ethischer Grundausrichtungen zu verstehen. De civitate dei bewegt sich somit jenseits der Alternativen von Faktengeschichte versus tendenziöser Geschichtsschreibung, von Geschichtsphilosophie versus skeptischer Nüchternheit und von metaphysisch-antikem Weltbild versus eschatologischem Messianismus. Diese eigentümliche Zwischenposition konnte auf die mittelalterliche Chroniktradition (besonders Otto von Freising) ebenso inspirierend wirken wie auf die spekulative Geschichtsphilosophie (Joachim von Fiore, J. B. Bossuet) und erscheint darüber hinaus als Antizipation moderner Geschicht-

Geschichtsdarstellung lichkeits- und Kontingenzerfahrung – ohne mit einer dieser Optionen identisch zu sein.

Literatur Boros, L. 1954: Das Problem der Zeitlichkeit bei Augustinus, München. Cancik, H. 21989: Die Rechtfertigung Gottes durch den „Fortschritt der Zeiten“. Zur Differenz jüdisch-christlicher und hellenisch-römischer Zeit- und Geschichtsvorstellungen, in: H. Gumin/H. Meier (Hgg.), Die Zeit, München, 257–288. Hadot, P. 1990: La notion d’infini chez saint Augustin, in: Philosophie 26, 59–72. Heidegger, M. 1995: Phänomenologie des religiösen Lebens, hg. v. M. Jung/ Th. Regehly/C. Strube, Gesamtausgabe Bd. 60, Frankfurt a.M. Herzog, R. 1980: Orosius oder die Formulierung eines Fortschrittskonzepts aus der Erfahrung des Niedergangs, in: R. Koselleck/P. Widmer (Hgg.): Niedergang. Studien zu einem geschichtlichen Thema, Stuttgart, 79–102. Honnefelder, L. 1986: Die Einmaligkeit des Geschichtlichen. Die philosophischen Voraussetzungen der Geschichtsdeutung Augustins, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 40, 33–51. Kehl, A./Marrou, H.-I. 1978: Art. Geschichtsphilosophie, in: Reallexikon für Antike und Christentum, Bd. X, 703–779. Madec, G. 1975: Tempora christiana: Expression du triomphalisme chrétien ou récrimination païenne, in: P. Mayer/W. Eckermann (Hgg.), Scientia Augustiniana, Würzburg, 112–136. Maier, F. G. 1980: Niedergang als Erfahrung und Begriff. Die Zeitgenossen und die Krise Westroms 370–470, in: R. Koselleck/P. Widmer (Hgg.), Niedergang. Studien zu einem geschichtlichen Thema, Stuttgart, 59–78. Niemann, A. 1895: Augustins Geschichtsphilosophie, Greifswald. Reinkens, J. H. 1866: Die Geschichtsphilosophie des hl. Augustinus, Schaffhausen. Seyrich, G. 1891: Die Geschichtsphilosophie Augustins nach seiner Schrift De civitate dei, Diss., Chemnitz. Studer, B. 1995: La cognitio historialis di Pofirio nel De civitate Dei di Agostino (ciu. 10,32), in: La narrativa cristiana antica, Roma, 529–553. – 1996: La cognitio historialis di Porfirio nel De civitate Dei, in: E. Cavalcanti (Hg.), Il De civitate Dei, Roma, 51–65. Troeltsch, E. 1915: Augustin, die christliche Antike und das Mittelalter. Im Anschluß an die Schrift „De civitate dei“, München/Berlin (Nachdruck Aalen 1963).

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Cain’s City

Donald X. Burt O.S.A.

Cain’s City: Augustine’s Reflections on the Origins of the Civil Society (Book XV 1–8)

The pages that follow will consider Augustine’s reflections on the creation of the first political society, the city of Cain, and the implications that his analysis has for his overall evaluation of the worth of the state.1 All of his reflections on social and political philosophy are based on two assumptions about human beings and are developed within the context of his doctrine of the “Two Cities”. It is therefore useful to begin this consideration of the story of Cain’s city with a few words on these matters. Augustine believed that there were two facts about human beings which were supported both by experience and by the testimony of sacred scripture. The first fact is that human beings are social animals. “The life of the wise human being on earth and in heaven is social” (civ. XIX 5; XIX 12). Humans are meant to be related to each other in a friendly way and when such relationships are not present the individual can live no better than an imperfect life. In a perfect world friendship would be the foundation of every society: family, state, or purely voluntary groups such as religious communities. Indeed, friendly “oneness of heart” is the only guarantee of peace with others and without it there can be no true or lasting happiness. Human societies are

1 The story of Cain’s murder of his brother Abel and the consequent building of the first city is told in the fourth chapter of the book of Genesis. Augustine refers to the story at least 144 times throughout his works but his main treatment is in book XV of De civitate dei. For a commentary on his discussion cf. Vincenzo Messana 1976.

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Donald X. Burt O.S.A. like concentric circles etched in the calm waters of a pond. At the center is the individual and reaching out from it is family, state, and finally the world itself. A war between self and self at the center quickly ripples out causing disturbance in the grouping of individuals that constitute the family and in the grouping of families that go to make up the state. The conflicts that occur inside and outside the states in the world lead to the destruction of peace in the entire world itself. Put simply, humans cannot have “oneness of heart” with others in society as long as they are torn apart by divisions within themselves. Unfortunately, this is precisely the present condition of every individual, and this fact is at the root of everything that Augustine will say about society. Human societies will always fall short of an ideal “oneness of heart” because the hearts of every individual are divided. Human beings may indeed be precious vessels carrying elements of the divine throughout this world, but “… they have been put into the furnace and have come out cracked.” In ordinary language, humans are all “cracked pots”, divided selves, fields of battle on which are waged the war between desire and obligation. It is no wonder then that families are sometimes torn apart and states must function as protectors of the weak and punishers of the criminal. The days of Eden are over and life now will always be something less than paradise.2 Augustine believed that the reason for this unhappy situation is the historic tendency of humans to make bad choices, choices which have made it difficult for them to think clearly and to control aberrant desire. It was not always so. In the beginning humans, within the limits of their finite capacities, were able to know easily, judge wisely, and love reasonably. All this ended in the first generation and ever after humans discovered that, though they retained the great good gifts of a thirst for knowledge and the power to love, they were often confused in their thinking and disorderly in their loving. As one author suggests,

2 En.ps. 99.11. On the difficult task of finally achieving true fellowship in this life, cf. civ. XIX 5–9. Herbert Deane comments: “If we wish to understand how social, economic, and political life operate, and indeed how they must operate, we have to start with the assumption that we are dealing, for the most part, with fallen, sinful man. It is absolutely impossible to establish on earth a society or state made up of saints.” (1963, 40).

Cain’s City Eve’s words upon the birth of her first child, “I have produced a man with the help of the Lord!” (Genesis, 4.1), exemplified the damage that had been done. Her exuberant words seem to indicate a blindness that prevented her from seeing that the production of this human being was more God’s work than hers and that the baby she so joyfully hugged was already “damaged” goods, that his life would be a constant struggle between what he ought to love and what he in fact would love.3 It is this conflict between “loves”, both inside and outside the individual, that is the foundation for Augustine’s division of humans and angels into two supratemporal societies or cities. The best of these, the city of God, is the fellowship of faithful humans (societas piorum hominum) and angels who love created things for the sake of God and who love God above all. Its perfection will come at the end of time when rational creatures will enjoy “… a perfect harmony [concordia] of love obedient to God, a love which molds their many spirits into one heart.”4 Since God is the first citizen of this heavenly city, it can be truly said to be eternal; it had no beginning and will have no end. The first creatures to become citizens were those angels who at the beginning of time chose to remain faithful to God. Its history on earth began when the first innocent human beings were created and its first appearance in human society was in the loving family that they formed in Eden. In these days after Eden, it appears in human affairs as a society in exile, a pilgrim people marching in time and through death towards its one and only home, the fullness of the city of God in heaven.5 3 Cf. Leon Kass 1996, 20. 4 civ. XV 3. Cf. cat. rud. 19.31. It is worthy of note that the “oneness of heart” in such a “perfect” society does not preclude someone being in charge. What makes the society perfect is not the absence of an authority but that the authority is exercised and obeyed out of love. This is quite different from the society described in Hobbes’ Leviathan where authority is justified out of a need for a strong leader to keep a fragile peace among humans who have come together out of selfinterest and who remain fundamentally self-centered. I have argued elsewhere that Augustine did not think that the relationship of ruler to ruled in civil society is a sign that its flows from sin rather than nature. Cf. Donald X. Burt 1991. 5 civ. XV 5; 1.preface. In order to distinguish “earthly cities” such as Henoch, Rome, and Babylon from the “earthly city” that is the supratemporal society that began with Satan and will last through eternity, I will use terrena civitas to designate the latter.

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Donald X. Burt O.S.A. The second supratemporal society dividing humans and angels is called by Augustine the terrena civitas (literally the “earthly city”) not because it exists only on earth but because the attention and love of its members is directed primarily at temporal goods, oneself or other created things. It is the fellowship of those angels who were and those humans who will be finally and forever unfaithful to God. It began in time with the angelic rejection of God and it will continue forever in its fullness in hell. It began to exist on earth when humans first chose to reject God’s will and the first time that it became a dominating influence in human society was in the city formed by Cain.6 Every society is formed by a common love which creates a harmony among sometimes quite different people, playing out their tune of life on quite different instruments (civ. XV 8; XXI 2). A society is not made bad or good on the basis of loving or not loving; it is the nature of its love that establishes its value. Thus, a state living according to the ideals of the city of God will have as its fundamental virtues humility and charity. Citizens and rulers alike will glorify God and seek only that personal glory that they can get from God. The ruler and ruled will be joined in a fellowship such that rulers will truly care about their subjects and those ruled will give happy obedience to the rules that regulate their lives. The wisdom of such a society will direct its members to the right worship of God as they wait for their reward in that kingdom of the saintly where God alone is king. No temporal society can be a perfect replica of the eternal city of God but the best of them can become true earthly shadows and prophecies of that heavenly kingdom. By the same token, the worst of them can become a veritable “hell on earth”, a visible

6 Cf. civ. X 32; XI 1; XIV 1; XIV 13; XV 1. Cf. Johannes Van Oort 1991, 93. Adam and Eve, formed by God, began as members of the heavenly city but through their sin lost their citizenship and needed regeneration through grace to regain their status. (Augustine seems to believe that they did just that and were ultimately saved). All children of the first humans were born as citizens of the earthly city and needed regeneration by grace to have a claim on membership in the city of God. Abel was the first one who received such grace but since he was murdered before he could propagate, the history of the heavenly city on earth is traced through Seth (the third son of Adam and Eve) and his offspring. The earthly city’s progress through time is traced through Cain and his descendants. Cf. en. Ps. 142.3.

Cain’s City presence of the terrena civitas that has Satan as its king. In Augustine’s view this was the sort of civil society formed when Cain built the first city.7

10.1 Cain’s City The story of the creation of the first political society, the citystate of Cain, really begins in Eden with the formation of the first family. The family was formed by God to cure the loneliness of man by the creation of woman. At the beginning it was a union of humans who had a true “oneness of heart” with each other and with God. Unfortunately it did not last in this ideal condition. Those first humans used their great gift of freedom to destroy their paradise by disobeying the one and only rule that God imposed. As a result the family which had at first been a “shadow” of the heavenly city on earth, now became a “shadow” of the terrena civitas, its members infected with the same pride and selfcenteredness that caused the downfall of Satan.8 Every human being born thereafter would carry with them these wounds. Born as members of the terrena civitas, they could only become members of the heavenly city by special divine intervention (civ. XV 1). Thus, Cain and Abel both began their lives in the same condition, wounded and weak, unable to see beyond the good that this earth could provide, seeking their happiness in whatever respect and honor that the opinion of others could provide. Soon their paths diverged. For reasons known to God alone, Abel was rescued and predestined to become a citizen of the heavenly city. He became a shepherd wandering across the earth, owning none of it, living off the good things provided in passing pastures, testifying by his pilgrim life to his status as a citizen of heaven. Cain was left to his own devices with no alternative but to try to make a home for himself on earth; and this he did, 7 civ. XV 2. In another place I have argued that Augustine maintained that political society is just as “natural” for human beings as the family: Donald X. Burt 1990. 8 Augustine notes that the greatest sign of human pride is found in blaming others for one’s sin (Adam accusing Eve and Eve accusing the serpent) or in denying that one has sinned at all (as Augustine saw exemplified in the story of Cain’s murder of Abel. Cf. civ. XIV 14.

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Donald X. Burt O.S.A. symbolically reflecting his destiny by rooting himself in the soil as a farmer. He sought his honor in the fruits yielded by his land. Perhaps this different attitude towards their work and the goods produced provides an insight into the reasons for God’s rejection of Cain and his subsequent murder of his brother. Cain apparently had not lost his faith. He believed in God and valued God’s opinion. When he brought his offering to God, he hoped that he would receive some recognition. To his dismay, his brother’s offering was accepted and his was not. Was Abel’s offering more precious, more noble? It is true that Abel’s sacrifice is said to have been from the “best” of his herd and there is no similar statement about the quality of the “fruits of the soil” offered by Cain. Perhaps Cain’s problem was that he saw his gift as a representation of himself, as being the fruits of his labors in the fields, his wise planning, and for this he expected some reward for what he alone had accomplished. Put simply, Cain’s sacrifice was self-serving whereas Abel’s pointed beyond himself to the one who was the cause of the living animals that he tended. Perhaps Cain’s envy of his brother began when he compared his life with that of his brother. Abel was free to wander far and wide with his flock while Cain, sweaty and dirty, was a slave to this earth, the first of that sad multitude who through time are condemned to bury their noses in the here and now with little or no opportunity to scale the heights or raise their eyes to the sky. For whatever reason, the fact of the matter is that Cain’s sacrifice was rejected and he became crestfallen and resentful. Soon after he killed his brother in a fit of envious rage and was condemned by God to become a restless wanderer on earth. He then joined with others of like mind in establishing the first civil society, a city-state named after his son Henoch.9 Augustine observes that Cain’s city was not to be last political society born out of violence. Rome too began with the spilling of 9 civ. XV 5. Augustine has his own explanation for God’s rejection of Cain’s sacrifice. Reflecting on the words of John in his first letter (3.12), he points out that while Cain gave God a portion of his possessions, there is no indication that he gave himself to God. This selfish “holding back” of self was made even worse when he showed regret when his brother’s sacrifice was accepted. His worst fault was in hating his brother without provocation. (civ. XV 7) Thus, Cain’s sacrifice was not rejected because of what was or was not offered; rather it was because “in Cain there was no love”. Cf. In ep. Joannis ad Parthos, 5.8

Cain’s City a brother’s blood. There is however an important difference in the two stories. Romulus and Remus were both citizens of the terrena civitas with all the weakness and passions of “earthy” men. Like so many political leaders thereafter, each brother was driven by a desire for glory to exercise an absolute sovereignty over others, a domination of others that would make of them truly lesser beings. For the two brothers power-sharing was not a viable alternative for either of them. Absolute dominion cannot be divided without becoming less than absolute. Both brothers knew that there could be only one true emperor; the competition had to be eliminated. Cain had a different motive for killing Abel. He did not hate Abel because he was a threat to his land or his control of his soon to be built city. Abel had no interest in creating a city. Indeed, he was more concerned about the goods of heaven than the goods of earth. As a result Cain’s violence against his brother was more heinous than that of Romulus. At least Romulus had some reason for fearing his brother. Remus was driven by an equal passion for glory and perhaps would have killed Romulus given half a chance. Through a bit of intricate reasoning Romulus could have argued that he was killing his brother in self-defense. Cain could not claim such an extenuating circumstance. His reason for killing his brother was envy and the act was performed with a clear mind and a cold heart. Like Satan, Cain had begun to hate others simply because they were good.10 Augustine read the story of Cain and Abel as the symbolic beginning of the history of the “two cities” here on earth. The wandering shepherd Abel was the spiritual father of all those faithful souls who thereafter would live as pilgrims on earth and frequently be persecuted for their troubles, those who would live “in bondage” because they were separated from the only home they could ever know, the heavenly city that awaited them beyond death. The raw material for the city of Cain was quite different. Cain formed his city from humans dominated by the

10 Augustine writes: “The cause of the murder was a satanic envy that drives humans to hate the good simply because they are good. Goodness after all is not a commodity (such as land, or money, or power) that can be lessened when it is shared with others. Indeed, it must be shared in order to be preserved and the more that it is shared the more that it expands in oneself.” civ. XV 5.

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Donald X. Burt O.S.A. vices of the terrena civitas. It was created by a murderer for all those who sought for themselves a permanent place here on earth, a community of those who sought only earthly goods and this for selfish reasons. No doubt the citizens of that first city quickly discovered the lesson that subsequent history confirmed: a community of greedy egoists cannot avoid the disruption of internal squabbles and external wars. Over time they came to realize that the temporal peace they sought could only be won through war and that any joy in victory was quickly dampened by anxiety over possible future failures. They learned the somber fact that the power to win a war is not enough to keep a peace in a turbulent society populated by selfish people whose one concern is their own prosperity and their own safety.11 Considering the character of the citizens of that first city, Augustine believed that it was fitting to name it after its first king, Cain’s son Henoch. “Henoch” means “dedicated” and the city that he ruled was truly a society of those who were “dedicated” to and at home in this world. They did not consider themselves to be pilgrims on earth, much less exiles. They were home and were quite satisfied with whatever passing peace and happiness this world could provide (civ. XV 17). The passions that dominated the life of Henoch were very different from the ideals of those who were making their way through time towards the city of God. Their mystical father was Seth, Cain’s second brother, and his name too was appropriate. “Seth” means “resurrection” and it symbolized all those throughout history who would seek their ultimate good in the land beyond death when the souls of the just would be reunited with their bodies in the heavenly city. This same spirit is suggested by the scriptural account of Enos. Enos as the son of Seth was literally a son of “resurrection” and he is described as one who “hoped to call on the name of the Lord”. He thus pointed 11 civ. XV 4. Peter Brown describes the conditions under which the first city was formed as follows: “The social institution within which an unfallen human race might have unfolded to form a mighty commonwealth, a res publica such as Cicero had sighed for, had become harsh prison walls that now merely confined the worse excesses of the egoism, violence, and self-destructiveness of a fallen humanity. Men and women had not fallen into society from an angelic state of paradise [as happened with the first family]. They had swept even society into their fall” (1988, 405).

Cain’s City towards all those who would look to the future for their salvation and would hope here and now for the divine assistance to achieve it. Eventually the spiritual sons and daughters of Seth would themselves gather together in cities, but these cities would be driven by ideals very different from those of Henoch, the city of Cain. Henoch was a city of “belongings”, filled with those who belonged to this world, whose main concern was to gather for themselves as many “belongings” as possible. The descendants of Seth gathered in earthly cities of “longings”, longings for heaven and final union with God (civ. XV 18; XV 21).

10.2 Implications for every State Cain’s city, like all societies reflecting the terrena civitas, found that its perverse nature created two obstacles to the friendship that would insure a stable peace. They were unable to communicate with each other and they were driven by greed. Friendship, the “oneness of heart” necessary for a peaceful society, depends upon some intimate knowledge of the other and an absolute trust. However, as Augustine notes, there are problems with knowledge and trust in our present condition. I am a mystery to myself and hence find it impossible to discover the personal facts that I should reveal to you to make you my friend. Even if I do know what I want to say, I have difficulty in finding the words to express it. Finally, if I discover the truth about myself and find the right words to express, I still can never be sure how you hear and understand those words. When we speak to each other our communication is controlled by the principle: “Omne recipit secundum modum recipientis”. This difficulty in knowing the other can be overcome by an absolute trust, but here too there are problems. Humans have a xenophobic fear of taking a leap into the unknown. It is difficult to trust anything or anyone who is not just like ourselves. Without knowledge and trust in others we become isolated and achieving “oneness in heart” is impossible. As Augustine laconically observes: “A man is more at home with his dog than with a foreigner.”12 12 Cf. serm. 120.2. Barrow notes that Augustine believed that the wisdom of Rome was reflected in their practice of imposing a common language and a

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Donald X. Burt O.S.A. A second reason for conflict in societies modeled after Cain’s city is found in their narrow focus on the goods of this world. Since temporal goods are limited and the egoist’s desire for them is infinite, there is a greedy competition to get as much as possible and an envy of those who seem to have more. Members of the terrena civitas are still social animals but their passion for personal prosperity overrides altruistic considerations. Such greed is one of the major reasons why life on earth is characterized by Augustine as being infected by a chronic condition of war and the wars waged are more vicious than any conflict between animals. Peace, when it occurs, often depends on the “sworn oaths of barbarians” and consequently new wars are always threatening (civ. XVIII 2; XVII 13). Earthly-minded humans are driven to dominate others, to become like gods themselves, perhaps in the vain hope of achieving immortality by destroying others or by pretending to be superior beings, masters in a land of slaves.13 There is no question that Augustine considered Henoch, the city built by Cain, as a paradigm for all that was worst in political society. However, it is equally clear that he believed that the evil present in Henoch was not because it was a “state” but rather because of the passions and loves of its members. “State” was never used by Augustine as a synonym for terrena civitas, nor was “church” equivalent to “city of God”. In this life no human society, be it church or state, is fixed in a tendency towards either supratemporal society. The reason is because none of the people who make up church or state are here and now firmly and irreversibly citizens of either supratemporal society. Conversion common law on conquered peoples. This more than anything was a powerful instrument in keeping the peace. Cf. civ. XIX 7. Cf. R. H. Barrow 1950, 204. On the place the tower of Babel played in the history of the terrena civitas on earth, cf. civ. XVI 4–16. 13 civ. XIV 28; XV 4. Cf. P. R. L. Brown 1972, 320–21. Cf. also Barrow 1950, 116; Van Oort 1991, 116. In an interesting study on the fear of death, Becker suggests that both the desire to dominate and the acceptance of domination may be ways in which humans try to overcome death, saying either “I will be secure if I make others my slave” or “I will be secure if I submit completely to the strength of the master.” Augustine would no doubt say that both attitudes are signs of our “broken condition”. In Eden there was no death and even now in citizens of the heavenly city there should be very little fear of death. Cf. Ernest Becker 1973, 98 & 127.

Cain’s City or perversion is possible for individuals and for societies as long as they exist on earth. No state deserving of the name can be completely bad. To be a state it must at least have a minimal respect for justice in that it seeks some sort of common good. On that humble foundation it is possible to build a state that is as good as any temporal society can be.14 Augustine recognizes three possible levels of goodness in political society: 1. a state where ruler and ruled are inspired by the faith, virtues, and values of the city of God; 2. a state whose members are motivated to serve the common good by earthly virtues (e.g. the desire for earthly honor); 3. a state driven by no virtue at all whose members are bonded together only by a common desire for personal welfare and personal peace. The first of these has never been achieved in human history but remains a worthy ideal. The second was exemplified by Rome at its best. The third was first realized in the city of Cain. Cain’s city was the first and perhaps the worst example of “Babylon”, the symbol of states dominated by the values of the earthly city. Augustine describes these worst of all states as ones having “… depraved citizens who favor private desires over public good, rulers who love to rule, and a political structure where favors and votes are freely bought and sold” (lib.arb. I 6.14–15). In such states there is little or no public virtue beyond a selfish interest in promoting a common good of peace and prosperity. A second level of goodness is found in states such as Rome which are inspired by a virtue which makes rulers and ruled alike promote the common good over personal interests. Such “pagan” states are far from perfect. Rome, for example, did not always recognize the true God and the patriotism of its emperors was probably always driven more by a desire for personal glory

14 Barrow 1950, 258 notes that Augustine could not reasonably deny some justice and goodness in the state without being inconsistent with at least four other positions he defends: (1) all history, including the rise and fall of civil societies, comes under God’s providence; (2) the state is a natural outgrowth of the family; (3) even pagan states such as the Roman Empire have value if they are rooted in true virtues; (4) it is right and proper for Christians to use the temporal prosperity and peace promoted by the state. Cf. Jeremy Adams 1971, 131–32.

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Donald X. Burt O.S.A. than the glory of God, but even in its most pagan days the rulers and citizens did have a pride in community that was absent in the worst of states. Rome had many imperfections but it was no Henoch, and Augustine always maintained that it was better to have a state ruled by men of some virtue even though the virtue of true religion was absent. At least a noble pagan is not likely to turn into a self-seeking domineering tyrant. The Roman emperors’ passion for personal honor and their concern for how history would remember them was not a very high motive for doing good, but at least it prompted them to be concerned about their subjects and to treat them fairly.15 However, despite his sometimes kind words about Rome, Augustine never believed that it was an earthly replica of the heavenly Jerusalem that was the true city of God. In its devotion to earthly goods, in its pride, in its obsession with earthly honor, Rome came closer to being a “Babylon”, the supratemporal terrena civitas existing in time. Indeed, as Augustine remarks, there is some merit in saying that Rome was no better than a second Babylon and that Babylon was the first Rome (cf. civ. XVI 11; XVI 17; XVIII 2). Some authors have suggested that Augustine recognized a tertium quid, a middle ground, between states that reflect the vices of the terrena civitas and those that reflect the virtues of the city of God. In modern terms this might be described as the pure secular state, a society neither bad nor good which is properly concerned only with temporal goods. In my view such a neutral state was far from Augustine’s way of thinking. For Augustine there was no “secular good”. All goods [temporal and eternal] are true goods and a person’s eternal destiny is determined not by the goods pursued but how the goods were pursued. The task of the virtuous person is not to decide to love “this” and not to love “that”; rather it is to love all things in a rational way, God above all and everything else for the sake of God. Indeed, the specific difference between citizens of the terrena civitas and citizens of the city of God is that the former “enjoy” temporal goods and the latter “use” them to achieve an eternal end.16 15 civ. V 19. Cf. Barrow 1950, 165 ff. 16 Augustine describes the difference between uti and frui with respect to temporal goods as follows: “The good use the world in order to rejoice in God, the wicked on the contrary want to use God in order to enjoy the world.” civ.

Cain’s City This society of “users” rather than “enjoyers” is achieved in the best states where citizens live a virtuous life believing in the true faith and where leaders, instilled with the same faith-filled virtues, also possess the art of good governance.17 In such political societies citizens can experience a hint of what their life will be in the eternal city of God, a life where those who have been reborn in grace become sharers in a peace that excludes all selfish love in favor of a love that rejoices in a common and unchanging good, a love which molds many souls into a single heart, “the many blending together in a perfect symphony of obedient love” (civ. XV 3). Of course even such a political heaven on earth falls far below the perfection of the heavenly Jerusalem that is the fullness of the city of God. From time to time there may be kings or even emperors on earth but there can never be a truly Christian empire. The only empire of Christ is the heavenly city and that empire is eternal. Even the best of states on earth will exist only for a time. Still, as long as they last, they give to their members the best that a political society can provide: temporal peace and prosperity in a community of friends.18 In various places Augustine expands on the characteristics of such a state. He notes, for example, that it will be well-ordered both in its clear distinction between those who rule and those who are ruled, and in the faithful performance of their respective duties by both groups. In such an ideal state everyone takes seriously their responsibility to be guardians of the common good and no one places private interest over the interests of the community. There is recognition of the fact that all authority to rule comes from God and also that it is proper for a serious people to participate in the choice of their leaders (cf. lib.arb. I 6). In such a state the virtuous, assuming that they are qualified, XV 7; I 10. Cf. D. J. MacQueen 1973, 93. On the issue of the tertium quid cf. H. I. Marrou 1957, 341–50; Van Oort 1991, 150 ff. gives a useful summary of the debate. 17 civ. V 19. It is interesting to note that Augustine did not believe that being a “saint” was a sufficient qualification for being a good ruler. One must also have mastered the “art” of ruling. As one in a position of authority himself, he obviously learned through experience that ruling well is more of an art than a science. 18 civ. V 19. Cf. Van Oort 1991, 162–63.

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Donald X. Burt O.S.A. should not be reluctant to take up positions of authority, and if in the providence of God authority is given them, they should rule with such grace that their subjects are pleased to follow their direction (ord. II 8.25). In such a society permeated by the ideals of the city of God, the rulers remain always humble, conscious that despite their regal trappings they remain weak human beings whose only strength comes from God. Their very freedom to satisfy every desire makes them more hesitant to give in to them. Their ability to indulge every vice motivates them to even greater virtue. Their greatest joy comes from controlling their own passions rather than from ruling others. They are both just and merciful, ready to punish the criminal but also prepared to show mercy when this will accomplish the desired reform. They are always aware that their rule is a divine vocation and that the purpose of their rule is not to achieve personal glory but to provide a means of working out their salvation through service to God and their fellow citizens (civ. V 24). If a state can find someone who worships the true God, lives a life of virtue, and has mastered the art of ruling, it is not only right and proper for that person to rule, it is a great gift if they are able to rule for a long time. Indeed, in this life being ruled by good persons is truly a blessing, not so much for them (since the burdens of authority bring special temptations) as for the society that they serve.19 Augustine recognized that every state [indeed every human society] will have some of the perverse characteristics of Cain’s city, but he also believed that there was the possibility of improvement. It is possible, with the help of God, for even wounded humans to create a political society which takes care of the legitimate temporal needs of its citizens while not neglecting or ignoring the fact that all are still pilgrims on this earth. Even the worst of states can be improved if ruler and ruled come to love in the right way, loving God above all and each other as friends. And even when this ideal cannot be realized, when the state is more like “Babylon” than the heavenly “Jerusalem”, the minimal order and temporary peace it may achieve is still a true good that should not be despised by the good people who benefit from it. Indeed they should consider the peace and legitimate earthly 19 Cf. civ. V 19; IV 3. Cf. J. L. Treloar 1988, 565–90.

Cain’s City pleasures provided by their political society as part of the plan of God, a comfort afforded to his chosen people as they make their way through the trials of life.20 It is a fact of our present condition that, although God gives the heavenly kingdom only to the virtuous, he allows earthly kingdoms to be ruled both by the good and the bad, sometimes to reward virtue, sometimes to test it. Whether the state is bad or good, none will last forever; consequently, those passing through it on the way to the heavenly city should be patient and try to do the best they can with the state they have. No doubt if Augustine had the opportunity he would have advised the good people of the city of Cain (if any were to be found) to be patient with the evil they could not control, to try to make their society better, and to take advantage of whatever peace and prosperity their society provided (cf. civ. V 1; V 21. en.Ps., 61.8). Indeed, as TeSelle suggests, Augustine’s advice to any group of humans making their way towards the city of God and living in a less than perfect political society would most likely be similar to the instructions that God gave to Israel in exile in Babylon: Build houses to dwell in; plant gardens and eat their fruits. Take wives and beget sons and daughters; find wives for you sons and give your daughters husbands, so that they may bear sons and daughters. There you must increase in number, not decrease. Promote the welfare of the city to which I have exiled you; pray for it to the Lord, for upon its welfare depends your own.21

Bibliography Adams, J. 1971: The “Populus” of Augustine and Jerome, New Haven: Yale University Press. Barrow, R. H. 1950: Introduction to St. Augustine “The City of God”, London: Faber and Faber. Becker, E. 1973: The Denial of Death, New York: The Free Press. Brown, P. 1972: Political Society, in: R. A. Markus (Ed.), Augustine: A Collection of Critical Essays. – 1988: The Body and Society, New York: Columbia University Press.

20 civ. XIX 26; en. Ps. 34/1, 6. Cf. H. Rodet 1956, 343–64. 21 Jeremiah 29.5–7. Cf. Eugene TeSelle 1970, 275.

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De civitate dei XIX als Buch der Friedenslehre

Wilhelm Geerlings

De civitate dei XIX als Buch der Augustinischen Friedenslehre

„Das Gut des Friedens ist derart groß, daß auch im Bereich der irdischen und vergänglichen Dinge nichts lieber gehört, nichts sehnlicher begehrt und letztlich nichts Besseres gefunden werden kann“, schreibt Augustin in De civitate dei (XIX 11). Der Begriff des Friedens – darüber herrscht Konsens in der Augustinforschung – ist von zentraler Bedeutung für das Denken des Kirchenvaters. Von seinen frühen theologischen Werken an durchzieht der Friedensbegriff alle Reflexionsstufen und Entwicklungsstadien des Bischofs von Hippo. Unter Bezug auf Joh 16,33 – „Dies habe ich gesagt, damit ihr in mir den Frieden habt“ – predigt er etwa: „Denn das hat Christus als Grund seiner Rede genannt, daß sie in ihm den Frieden haben. Dies ist ja der eigentliche Grund, warum wir Christen sind. Denn dieser Friede wird kein Ende haben, sondern er wird Ziel unseres gesamten Denkens und Handelns sein“ (Io.ev.tr. 104,1). Das Friedensthema durchzieht das gesamte Werk Augustins, am ausführlichsten wird es aber im XIX. Buch seines Opus magnum De civitate dei behandelt. Vor dem Hintergrund der Einnahme Roms im Jahr 410 entwickelt Augustin dort innerhalb seiner Lehre von der civitas dei eine umfassende Friedenskonzeption. Auch wenn es ihm dabei primär um die „Stadt Gottes“ geht (vgl. civitas sancta, civitas fidelis, civitas in terra peregrina in caelo fundata est: Sermo 105,9; PL 38, 623), gibt er darüber hinaus eine weitausgreifende, auch politische Elemente einschließende Friedenstheorie. Denn die civitas-Vorstellung bildet bekanntlich den Rahmen, innerhalb dessen Augustin seine

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Wilhelm Geerlings „prinzipielle Verhältnisbestimmung von Christianitas und Romanitas“ (Horn 1995, 114) entfaltet. Eine politische Verhältnisbestimmung von Staat und Kirche liegt ihm zwar fern; doch aus der eschatologischen Bestimmung des Pax-Begriffs ergeben sich durchaus auch politisch-soziale Aspekte. Augustin selbst spricht recht präzise über seine eschatologische Grundintention, wenn er an anderer Stelle schreibt: „Wenn der Tod im Siege verschlungen sein wird, dann wird es diese Dinge nicht mehr geben; und es wird Friede sein – voller und ewiger Friede. Wir werden in einer Art Stadt sein. Brüder, wenn ich von dieser Stadt spreche, und besonders wenn die Ärgernisse hier groß werden, dann kann ich mir selbst nicht mehr Einhalt gebieten“ (en.Ps. 84,10).

11.1 Das Friedensthema im Denken Augustins Bereits kurz nach der Priesterweihe (391) behandelt Augustin den Friedensbegriff in seinem Bergpredigt-Kommentar (De sermone domini in monte aus dem Jahr 394), und zwar im Anschluß an die Seligpreisung der Friedfertigen: „Selig die Friedfertigen; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden“ (Mt 5,9). Wahrer Friede bedeute wahre Vollkommenheit; in ihm soll es keinen Widerstreit mehr geben. Deshalb würden die Gotteskinder, so Augustin weiter, die einzig Friedfertigen genannt, denn sie befänden sich in keiner Weise mehr in Disharmonie mit Gott. Wenn dieser Zustand erreicht sei, dann sollen die „Kinder“ mit Recht an der Vollkommenheit des Vaters teilnehmen. Für Augustins hier entwickelten frühen Friedensbegriff ist es nun von besonderem Interesse zu sehen, was genau der Kirchenvater unter dem „Besitz des Friedens“ versteht: In sich selbst besitze nämlich derjenige den Frieden, dessen ganzes Streben und Wollen der Vernunft gehorche. Verstand und Wille seien dann im Einklang, und die niederen Triebe stünden unter deren Herrschaft. Der Friede des Gottesreiches sei einem solchen Menschen bereits geschenkt; alles soll in ihm wohlgeordnet sein. Denn das, was den Menschen zum Menschen mache, seine geistigen Fähigkeiten, herrsche dann über die anderen Anlagen, die er mit den Tieren gemein hat; willig ordneten sich letztere unter.

De civitate dei XIX als Buch der Friedenslehre Offensichtlich vertritt Augustin hier einen christlichen Friedensbegriff, der sich eng an die philosophische Tugendkonzeption der Antike und deren Vorstellungen von „Seelenruhe“ (apatheia, ataraxia, galênê) anlehnt. Augustin fährt nun fort: Diese geistigen Fähigkeiten des Menschen, Verstand und Wille, unterstellen sich freilich ihrerseits einem Höheren. Sie gehorchen der ewigen Wahrheit, die sich im eingeborenen Sohn Gottes geoffenbart hat. Nur der kann anderen befehlen, der sich willig einem Höheren unterwirft. Dies ist der Friede, der denen gegeben ist, die „guten Willens sind“ (Lk 2,14). Und weiter: Wer ein solches Leben führe, sei in Wahrheit und Wirklichkeit und im vollkommensten Sinne ein Weiser. Wo diese Friedensherrschaft als der Ausdruck höchster Ordnung aufgerichtet sei, habe der Fürst dieser Welt seine Macht verloren. Er könne sie nur über die Verworfenen und mit sich Zerfallenen ausüben. Habe dieser innere Friede einmal festen Fuß gefaßt, hat er sich tief verwurzeln können, dann werde jede Anfechtung, die vom „bösen Feind“ von außen her erregt werde, nicht mehr schaden, sondern diene im Gegenteil nur stärker zu Gottes Ehre und Herrlichkeit. Das Haus komme dann nicht mehr ins Wanken. Es erwiese sich im Gegenteil, wie stark es im Innern gebaut sei, da alle Machenschaften des Bösen an ihm zerschellten. Daher werde zusätzlich die andere Verheißung gegeben: „Selig, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen; denn ihrer ist das Himmelreich (Mt 5,10)“ (vgl. s.dom.m. 1,2,9). In dem längeren Textstück, das wir eben paraphrasierten, wird der Friede als eine Aufgabe betrachtet, dessen Lösung der philosophisch und religiös entwickelten Persönlichkeit, dem „Weisen“ und „Vollkommenen“, anvertraut ist. Dieser vermag den Frieden zu erreichen, nämlich den inneren Frieden, den die Vernunft zwischen den Teilvermögen der Seele herstellt. Der Augustin des Bergpredigtkommentars von 394 hält den Frieden also für realisierbar, und zwar schon in dieser Zeit und überdies in endgültiger und irreversibler Form, d.h. so, daß ein Rückfall in seelische Konflikte ausgeschlossen ist. Deutlich wird dies auch an einer im Text wenig später folgenden Stelle: „Den Friedfertigen wird Gottähnlichkeit verheißen. Sie sind die wahren Weisen. Sie sind wirklich nach Gottes Ebenbild zu einem neuen Menschen geformt worden. ,Selig die Friedensstifter; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.‘ Schon in diesem Leben

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Wilhelm Geerlings kann dies wahr werden, wie wir auch überzeugt sind, daß es an den Aposteln in Erfüllung gegangen ist. Denn die allseitige Umwandlung in die engelgleiche Lebensform, die uns nach diesem Leben verheißen ist, kann mit Worten nicht umschrieben werden“ (s.dom.m. 4,12). Drei Jahre vor seinem Tod, im Jahr 427, durchmustert der greise Augustin alle seine Schriften und erklärt in seinen Retractationes: „Zur gleichen Zeit habe ich zwei Bände über die Bergpredigt des Herrn nach Matthäus geschrieben. Im ersten der zwei Bücher sage ich über den Satz: Selig die Friedensstifter, weil sie Kinder Gottes genannt werden: ,Die Weisheit stimmt mit den Friedensstiftern überein. In ihnen ist alles geordnet, bei ihnen gibt es keine Revolte wider die Vernunft, alles gehorcht dem Geist des Menschen, der selbst Gott gehorcht‘. Diese Worte rufen mit Recht einen schlechten Eindruck hervor. Es gibt niemanden in diesem Leben, in dem nicht das Gesetz der Glieder mit dem ,Gesetz des Geistes‘ im Streite liegt. Ja, selbst wenn der Geist des Menschen dem Gesetz der Glieder so widersteht, daß er ihm in nichts zustimmt, bleibt ihm trotzdem der Streit nicht erspart. Der Satz also, es gebe ,keine Revolte wider die Vernunft‘, kann richtig nur in dem Sinne aufgefaßt werden, daß die Friedensstifter, wenn sie die Begierden des Fleisches zähmen, ihr Endziel in der Erreichung des vollsten Friedens sehen“ (retr. I 19,1 f.). Augustin fährt dann fort: „In der Folge nochmals auf das evangelische Wort zurückkommend: Selig die Friedensstifter, weil sie Kinder Gottes genannt werden; fügte ich hinzu: ,Und das kann sogar in diesem Leben erfüllt werden, so wie wir glauben, daß sich der Friede bei den Aposteln erfüllt hat‘. Das ist so zu verstehen, daß wir nicht glauben sollen, die Apostel hätten nicht auch im Laufe ihres irdischen Lebens eine Revolte des Fleisches gegen den Geist durchgekämpft, sondern daß wir hienieden vermögen, zu demselben Grad zu gelangen wie die Apostel, das heißt, nach dem Maße menschlicher Vollendung, soweit es ihr möglich ist, sich hier zu verwirklichen. Ich habe nämlich nicht gesagt, der Friede könne in diesem Leben erfüllt werden, denn wir glaubten ja, daß er sich bei den Aposteln erfüllt habe; sondern es heißt: ,wie wir glauben, daß er sich bei den Aposteln erfüllt hat‘. Daß er auf die Art erfüllt werde, wie er sich bei ihnen erfüllt habe, dieses heißt: mit jener Vollkommenheit, deren man

De civitate dei XIX als Buch der Friedenslehre fähig ist in diesem Leben. Aber es geht hier nicht um die ganze Fülle des Friedens unserer Hoffnung, den wir erst besitzen werden, wenn gesagt sein wird: Wo ist dein Stachel, Tod? (1 Kor 5,55)“ (ebd.). Vergleicht man die Aussagen des Bergpredigt-Kommentars mit denen aus den Retractationes, so fällt eine deutliche Differenz auf – auch wenn sich der greise Augustin bemüht, bereits dem frühen Text seine spätere Friedenskonzeption zu unterlegen und den „Frieden der Apostel“ lediglich als relativ vollkommen hinzustellen. Zwischen dem moralischen Optimismus, der sich in Augustins Frühwerk von 394 findet, und der Umdeutung dieses Textes, wie sie in den Retractationes erscheint, liegt bekanntlich eine deutliche Verschiebung des Augustinischen Denkens. Mit der Entdeckung der Paulinischen Gnadenlehre – literarisch greifbar in der um 396 verfaßten Schrift De diversis quaestionibus ad Simplicianum – kehrt Augustin der zuversichtlichen Stimmung der Frühschriften den Rücken zu und entwickelt eine eher pessimistische Anthropologie; kurz charakterisierbar ist letztere durch die Augustinische Sentenz: „Der Mensch besitzt aus sich selbst nichts als Lüge und Sünde“ (Io.ev.tr. 5,1). Vor einer Überschätzung dieses Wandels ist gleichwohl zu warnen. Die Ausdrücke „Optimismus“ und „Pessimismus“ sind hier nur auf diesseitige moralische Fortschritte zu beziehen, wie sie das Individuum – im Sinn der philosophischen Glückstheorien der Antike – aus eigener Initiative, nämlich durch gezielte asketische Übungen erreichen kann. Unbeeinflußt von seiner zunehmenden Skepsis im Blick auf eine derartige Möglichkeit, diesseitiges Glück zu erlangen, ist natürlich Augustins „Optimismus“ im Sinn der christlichen Erlösungshoffnung.

11.2 Friede und Krieg bei Augustin Aufgrund der primär eschatologischen Ausrichtung der späten Augustinischen Theologie erscheint die diesseitige Welt dem Kirchenvater freilich insgesamt aus einem nüchtern-skeptischen Blickwinkel. Dabei wird der Wert des irdischen Friedens keineswegs bestritten. Das läßt sich gerade daran zeigen, daß Augustin an einer Theorie des gerechten Krieges (bellum iustum) durchaus interessiert ist.

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Wilhelm Geerlings Krieg gehört – wie jede Form von Unordnung – nicht zum ursprünglichen göttlichen Schöpfungsplan; in diesem gibt es keinen Platz für das Übel (malum). In De vera religione schildert Augustin stattdessen den vom Menschen willkürlich gewählten Abfall von der intelligiblen Welt als Auslöser von Streit und Krieg und schreibt dann: „Und diejenigen, die an Streitigkeiten Vergnügen finden, verlieren den Frieden und geraten in die allergrößten Schwierigkeiten: Denn der Anfang dieser größten Schwierigkeit ist der Krieg und der Streit“ (54,104). Der Krieg erscheint dabei als das Strebensziel desjenigen Menschen, der sich von Gott abgewandt hat. Mit der Formel von den zwei grundlegenden Strebensrichtungen (fecerunt itaque civitates duas amores duo) verknüpft Augustin deshalb die Vorstellung, pax bzw. bellum bildeten die beiden gegensätzlichen impliziten Strebensziele, die ein Mensch prinzipiell verfolgen kann und zwischen denen er zu wählen hat. Nun sind die beiden civitates mit ihren zwei unterschiedlichen Lebensformen grundsätzlich nicht miteinander vermittelbar; daher bleiben auch Frieden und Krieg einander entgegengesetzt. So kann Augustin schreiben: „Aber weil nun offenbar – ebenso wie das Elend der Glückseligkeit und der Tod dem Leben – auch der Krieg dem Frieden entgegengesetzt ist, muß man fragen, was für ein Krieg als äußerstes Übel der Bösen dem verheißenen hochgelobten Frieden, dem höchsten Gut der Frommen, gegenübersteht“. Nun ist es für Augustin allerdings ausgeschlossen, daß jemand sich aufgrund eigener Wahl für ein Maß an Unfrieden und Unordnung entscheiden könnte, in dem Frieden und Ordnung gänzlich aufgehoben wären. Vielmehr bleibt jedes Individuum, das sich selbst in einen Gegensatz zum ordo stellt, in gewisser Weise in die Gesamtordnung integriert. So heißt es im Zusammenhang mit dem Beispiel des mythischen Räubers Cacus, keines Menschen Laster könne sich so sehr wider die Natur richten, daß es imstande sei, die letzten Spuren dieser Natur auszutilgen (XIX 12). Dies gilt selbst für den Krieg, der den Frieden zumindest in mancher Hinsicht voraussetzt. So sagt Augustin: „Wie es also zwar ein Leben ohne Schmerz geben kann, aber keinen Schmerz ohne Leben, so gibt es auch einen Frieden ohne allen Krieg, niemals aber einen Krieg ohne irgendwelchen Frieden, es versteht sich, nicht sofern Krieg ist, sondern sofern der Krieg von denen oder inmitten derer geführt wird, die irgend-

De civitate dei XIX als Buch der Friedenslehre welche Naturen sind. Denn diese können keinesfalls existieren, wenn nicht irgendwie auf der Grundlage des Friedens“ (XIX 13). Soweit es sich um Gottes Schöpfung handelt, herrschen Ordnung und Friede. Daher heißt es von der „Natur des Teufels“: „Er verharrte zwar nicht in der Ruhe der Ordnung, entfloh aber nicht der Macht des Ordners. Das Gute, das Gott ihm in seiner Natur verlieh, entzieht ihn nicht der Gerechtigkeit Gottes, die ihn der Strafe überliefert; freilich verfolgt Gott damit nicht das Gute, das er erschuf, sondern das Böse, das jener beging“ (ebd.). Der Krieg ist ein Übel, das die irdischen Bedingungen nach dem Sündenfall besonders deutlich erkennbar macht; er gehört nicht zum ursprünglichen göttlichen Schöpfungsplan, sondern folgt der Logik einer Strafordnung. In unserem Buch XIX stellt Augustin daher fest, daß selbst die Notwendigkeit gerechter Kriege ein Indiz für die Unordnung der diesseitigen Welt darstellt: „Doch, so sagt man, der Weise wird nur gerechte Kriege führen. Als ob er nicht, wenn er menschlich fühlt, noch viel mehr über die Notwendigkeit gerechter Kriege trauern müßte! Denn wären sie nicht gerecht, dürfte er sie nicht führen, gäbe es also für den Weisen keine Kriege. Nur die Ungerechtigkeit der gegnerischen Seite zwingt ja den Weisen zu gerechter Kriegführung. Und diese Ungerechtigkeit muß ein Mensch an Menschen betrauern, auch wenn keine Nötigung zu Kriegen daraus erwächst. Wer also diese großen, schauerlichen, verheerenden Übel leidvoll betrachtet, der gestehe, daß sie ein Elend sind“ (XIX 7). Andererseits ist der Krieg für Augustin nicht nur ein menschlicher Verstoß gegen die göttliche Ordnung, vielmehr kommt ihm innerhalb der Strafordnung auch eine positive, den gerechten Frieden vorbereitende Rolle zu. Gegenüber dem Manichäer Faustus, der Augustin die Vorstellung vorhält, es gebe von Gott befohlene Kriege, differenziert er: „Es macht einen Unterschied, mit welchen Gründen und für welche Urheber Menschen Kriege, die geführt werden sollen, auf sich nehmen“ (c.Faust. 22,75). Wenn gegen böswillig angezettelte Aggressionen vorgegangen werden muß, dann handelt es sich um „zu führende Kriege“ (bella geranda), die in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes stehen. Wie diese Aussagen zur gerechten Kriegführung bereits erkennen lassen, ergibt sich eine moralische Rechtfertigung des Krieges stets nur aus der Zielsetzung der Friedensstiftung. Zu-

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Wilhelm Geerlings dem müssen alle nicht-kriegerischen Mittel zur Abwendung einer Aggression ausgeschöpft sein, und der Krieg darf nicht Eroberung oder Rache, sondern nur Gerechtigkeit und Frieden zum Ziel haben. Neben solchen Elementen einer Theorie des gerechten Kriegsgrundes (ius ad bellum) stellt Augustin auch Überlegungen zum gerechten Verhalten im Krieg an (ius in bello), besonders die Mahnung, auf alle Grausamkeiten zu verzichten. Gut zusammengefaßt erscheinen diese Aspekte in einem Brief an Bonifatius, den comes Africae: „Wenn du dich also zur Schlacht rüstest, so bedenke vor allem, daß auch deine körperliche Kraft ein Geschenk Gottes ist. So wirst du dich daran erinnern, daß die Gabe Gottes nicht gegen Gott verwendet werden darf. Die versprochene Treue muß ja auch gegenüber dem Feind eingehalten werden, gegen den man Krieg führt, wieviel mehr gegenüber dem Freund, für den man streitet. Der Wille muß den Frieden im Auge haben, der Krieg darf nur eine Folge der Notwendigkeit sein. Dann wird uns Gott von der Not befreien und uns im Frieden bewahren. Denn man sucht nicht den Frieden, damit Krieg entstehe, sondern man führt Krieg, damit der Friede erreicht wird. Sei also auch im Kriege friedfertig, so daß du durch deinen Sieg den Besiegten den Vorteil des Friedens verschaffst“ (ep. 189,6; zur Augustinischen Theorie des gerechten Krieges vgl. besonders Langan 1991).

11.3 Der Aufbau von Buch XIX Nach Auskunft der Retractationes sind die letzten Bücher von De civitate dei der Frage nach dem geschichtlichen Ende der beiden Städte gewidmet (retr. II 43). Das diesen letzten Teil des Augustinischen Werkes eröffnende Buch XIX ist zweifelsohne das wichtigste, da unter dem leitenden Gesichtspunkt – was ist das Endziel, worin besteht das höchste Gut, was ist der wahre Friede? – der Kern Augustinischer Theologie dargeboten wird. Als Ziel seiner Ausführungen nennt der Bischof von Hippo, die „Heiden“ von ihren „törichten Ansichten“ wegzubringen (XIX 1). Gleichsam karikierend beginnt er die Meinung Varros zu referieren, in der Frage nach dem höchsten Gut gebe es 288 verschiedene Lehrmeinungen. Durch Reduktion auf vier Dinge, die jeder Mensch ohne Anleitung erstrebt – Lust, Ruhe, die

De civitate dei XIX als Buch der Friedenslehre Summe beider sowie die sog. ursprünglichen Naturgüter – und auf die dreifache Frage, ob diese Tugenden um ihrer selbst oder der Dinge oder beider wegen zu erstreben seien, ergeben sich zwölf Schulen. Varro selbst habe schon die angeführten 288 Lehrmeinungen auf drei reduziert. Mit dieser distanziert-ironischen Vorführung will Augustin zeigen, daß die Stadt Gottes nur über eine einzige Konzeption des höchsten Gutes und der Glückseligkeit verfügt, während die Vielzahl der Lehrmeinungen unterstreicht, daß die terrena civitas Babylon, nämlich Verwirrung heißt (XVI 4).1 Nach diesem Präludium behandelt Augustin in den Kapiteln 4–10 den Zustand der terrena civitas. Es handelt sich dabei gleichsam um das Ausbreiten einer Folie, vor deren Hintergrund die civitas dei heller erstrahlen kann. Die Gesamtabsicht seiner Ausführungen ist zu zeigen, daß es in dieser Welt kein sicheres, unveränderliches und wahres Gut geben kann. Der Kirchenvater entwickelt seine Gedanken in Auseinandersetzung mit der antiken Lehre vom finis bonorum. Dabei ist bemerkenswert, daß er die teleologische Glückstheorie selbst durchaus akzeptiert, sie aber gegen ihre heidnischen Erfinder richtet, indem er nachzuweisen versucht, daß nur die christliche Endzeithoffnung als Erfüllung des menschlichen Glücksstrebens in Betracht kommt. Dieser erste Teil, der den Zustand der terrena civitas beschreibt, wird in Kap. 10 mit einer Zusammenfassung abgeschlossen. Augustin zeigt in einer pessimistischen Schau auf, daß es nicht nur in der civitas diaboli keinen Frieden geben kann, sondern daß den Menschen, solange sie in diesem Leben weilen, überhaupt nur ein vorläufiger, irdischer Friede in Geduld und Bewährung zukommen kann. „Hier nennt man uns auch zwar glücklich, wenn wir Frieden in dem bescheidenen Maß besitzen, wie er hier bei guter Lebensführung besessen werden kann. Aber diese Glückseligkeit ist, verglichen mit jener, die wir endgültig nennen, nichts als Elend“ (XIX 10). Im dritten, die Kapitel 11–16 umfassenden Teil entwickelt Augustin seine positive Konzeption eines ewigen Friedens. Die-

1 Vgl. CCL 48,504: Babylon quippe interpretabur confusio. Ähnlich argumentiert Augustin bereits in IV 9, wobei er der heidnischen Vielfalt der Götter die Verehrung des einen Gottes gegenüberstellt.

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Wilhelm Geerlings se Kapitel, namentlich die Pax-Tafel, bilden das Kernstück von Buch XIX. Da nach dem vorher Ausgeführten klar ist, daß der Mensch selbst nicht Garant des Friedens sein kann, bedarf er der Hinwendung ad illam pacem, quae homini mortali est cum immortali deo. Die Hinwendung zu Gott stellt die notwendige und hinreichende Bedingung einer pax ordinata sowie der concordia dar, auch wenn die hinreichende Erfüllung des Friedens sogar für den Gott zugewandten Menschen nicht im irdischen Leben erreichbar ist. Die Kapitel 17–19, die den vierten Teil unseres Textes bilden, weisen auf die gegenseitige Durchdringung der beiden „Städte“ hin. Solange die Geschichte nicht abgeschlossen ist, haben die Bürger der Gottesstadt auch noch Teil am irdischen Staat und am irdischen Frieden. Insofern der Friede auch die Übereinstimmung des Menschen mit sich selbst und die Übereinstimmung der Menschen untereinander einschließt, profitieren die Bewohner der Gottesstadt durchaus vom Frieden dieser Welt. Gleichsam nebenher weist Augustin noch die Einwände der akademischen Skeptiker (Kap. 18) wie die der Kyniker (Kap. 19) zurück. Der fünfte Teil (Kap. 20–25) erläutert, wie die in der terrena civitas keimhaft angelegte Hoffnung in die Wirklichkeit der civitas dei übergeht. Die irdische Gemeinschaft, hier paradigmatisch das Römische Reich, ist selbst nach der Definition des Heiden Cicero kein Staat, deshalb kann in ihr auch kein Genuß der Glückseligkeit begründet sein. Dies ist nur in der Verehrung des einzigen Gottes, des Christengottes, möglich. Die für Augustins Ethik maßgebliche Unterscheidung von uti und frui, von Gebrauch und Genuß, kommt hierbei zur Anwendung. Die richtige Strebensordnung besitzt allein der, der alle Güter mit dem Ziel eines Genusses Gottes im ewigen Frieden gebraucht. Eine Zusammenfassung (Kap. 26–28) schließt das Friedensbuch ab. Augustin hebt aus seinen Ausführungen zwei Punkte hervor: a) Gott hat den Menschen derart geschaffen, daß er naturnotwendig auf den Frieden hingeordnet ist: hoc naturalis ordo praescribit; ita deus hominem condidit. b) Nur in der civitas dei herrscht wahrer Friede. Friede ist ein „analoger“ Begriff, d.h. ein Ausdruck, der sowohl für den irdi-

De civitate dei XIX als Buch der Friedenslehre schen als auch für den himmlischen Frieden verwandt werden kann. Deshalb ist der hiesige, diesseitige Friede nur ein Vorausbild des ewigen Friedens. Übersicht zu Buch XIX (vgl. die Textüberschriften des Breviculus): Teil I: Die terrena civitas und ihr Glücksverständnis Kap. 1–3: 288 verschiedene Lehrmeinungen (philosophische Schulen) zur Frage des höchsten Gutes und ihre Reduktion auf wenige Grundgüter Teil II: Kap. 4:

Der unfriedliche Zustand der terrena civitas Die Unerreichbarkeit des höchsten Gutes unter irdischen Bedingungen Kap. 5: Generelle Instabilität der sozialen Güter und der sozialen Beziehungen (Familie, Staat) Kap. 6: Das irdische Elend am Beispiel der menschlichen Rechtsprechung Kap. 7: Sprachenverwirrung und Krieg als Kennzeichen der terrena civitas Kap. 8: Unzuverlässigkeit selbst der Freundschaft Kap. 9: Selbst Engel garantieren in diesem Leben kein Heil Kap. 10: Zusammenfassung: Aufforderung zu Hoffnung, Standhaftigkeit und Bewährung in diesem Leben

Teil III: Kap. 11: Kap. 12: Kap. 13: Kap. 14:

Der Friedensgedanke Der ewige Friede als das höchste Gut Streben nach Frieden als ein allgemeines Naturgesetz Pax-Tafel: Die Rangordnung der Friedensebenen Befehl und Gehorsam als Grundlagen des sozialen Friedens Kap. 15: Exkurs: Sklaverei als Folge einer pervertierten Schöpfungsordnung Kap. 16: Exkurs: Die angemessene Ausübung der Herrschergewalt Teil IV:

Friede in der terrena civitas und Friede in der civitas caelestis Kap. 17: Zwei einander ergänzende Friedensformen, gipfelnd in der pax caelestis

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Wilhelm Geerlings Kap. 18: Gegen den Zweifel der akademischen Skeptiker Kap. 19: Lebensführung der civitas caelestis unter irdischen Bedingungen (gegen die Kyniker) Teil V: Der Sieg der civitas dei über die terrena civitas Kap. 20: Hoffnung als einzige Möglichkeit des Glücks in diesem Leben Kap. 21: Das Römische Reich ist gemessen an Ciceros Definition kein Staat Kap. 22: Der einzige wahre Gott der Christen Kap. 23: Heidnische Orakel über den Christengott Kap. 24: Rom als Staat bei geänderter Staatsdefinition Kap. 25: Echte Tugend besteht nur, wo wahre Gottesverehrung herrscht Teil VI: Zusammenfassung Kap. 26: Zeitlicher Friede nützt auch der auf der Erde pilgernden civitas dei. Kap. 27: Unvollkommenheit der pax terrestis Kap. 28: Das Ende der Gottlosen

11.4 Zur Frage einer literarischen Vorlage von Buch XIX 12–17 Die Kapitel 12–17 von Buch XIX bieten eine konzentrierte Darstellung der unterschiedlichen Friedensformen. Im Mittelpunkt steht die Friedenstafel des 13. Kapitels. Die Interpretation der hier entfalteten Augustinischen Friedenslehre hat zwei unterschiedliche Positionen hervorgebracht. Auf der einen Seite hat H. Fuchs in einer ausführlichen Untersuchung (1926, 21965) die These vertreten, Augustin kenne nur den eschatologischen Frieden. Er stützt sich in seiner Argumentation in weitem Umfang auf De civitate dei, zieht aber auch Belege aus anderen Schriften heran. Für Fuchs scheint zweifelsfrei erwiesen, daß Augustin den Friedensbegriff ausschließlich als Kennzeichen des jenseitigen Lebens versteht. Wenn er nun – wie in Buch XIX – zusätzlich auch diesseitige Friedensformen beschreibe, so könnten diese Elemente unmöglich von Augustin stammen. Folgerichtig meint Fuchs, der Kirchenvater habe sie einer bestimmten Vorla-

De civitate dei XIX als Buch der Friedenslehre ge entlehnt. Fuchs identifiziert diese lateinische Vorlage, in der griechische Friedensvorstellungen gesammelt wären, als Varros Schrift Pius aut de pace (vgl. Fuchs 21965, 150 f.). Zugunsten einer Lokalisierung der Augustinischen Vorlage bei Varro führt Fuchs das Argument an, daß diese die Begriffssprache und die Seelenlehre der mittleren Stoa verwende. Zudem scheint bereits der Verfasser dieser Schrift die pax hominum als ordinata concordia zu bestimmen und daraus die Verpflichtung abzuleiten, man dürfe keinem anderen schaden, sondern solle ihm nützen. Fuchs entdeckt hier eine Übereinstimmung mit Cicero (De officiis I 10,31), bei dem dieses Prinzip (eine die Goldene Regel überbietende Formel) zu den Fundamenten der Gerechtigkeit gezählt wird. Eine vergleichbare Position, so Fuchs, sei besonders von Antiochos von Askalon entwickelt und von dessen Schüler Varro aufgegriffen worden. Varro habe in seinem Logistoricus de pace, einer dem Andenken des Metellus Pius gewidmeten Schrift, eine Zusammenfassung der Friedenskonzeption der mittleren Stoa gegeben und damit Augustin die entscheidende Vorlage für dessen Friedenslehre geliefert. Gegen die Position von Fuchs wendet sich in pointierter Form die Abhandlung von Laufs (1973). Laufs möchte den Nachweis erbringen, daß Augustin weder von Varro noch von einer anderen Vorlage abhängig sein kann. Er führt aus dem Augustinischen Werk zahlreiche Belegstellen für die These an, Augustins Friedensgedanke sei ganz – also auch im politisch-moralischen Teil – in der theologischen Welt des Kirchenvaters verwurzelt und bilde in der Form, in der er in Buch XIX entwickelt wird, keineswegs einen Fremdkörper. Die Einzelelemente, aus denen sich die Konzeption von De civitate dei XIX zusammensetzt, werden bei Laufs detailliert auf der Basis anderer Schriften dokumentiert (1973, 125–135). Dabei zeigt er, daß Augustin durchaus Aspekte von Frieden und Friedensverwirklichung kennt, die bereits in diesem Leben von Bedeutung sein sollen. Nach Laufs’ Meinung weist Fuchs’ Abhandlung den grundlegenden Fehler auf, „die Kapitel 15–17 von der Grundkonzeption des Gesamtwerkes und von Augustins Begriffs- und Gedankenwelt losgelöst“ zu haben; so sei Fuchs gerade in den entscheidenden Punkten Augustins Gedankengang nicht gerecht geworden (1973, 125). Dem Laufsschen Urteil ist im wesentlichen zuzustimmen. Die Frage, ob das XIX. Buch auf eine unmittelbar vorliegende

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Wilhelm Geerlings antike Quelle zurückzuführen ist, kann damit eindeutig negativ beantwortet werden. Auch die Varro-Forschung ist Laufs gefolgt und hält die These von Fuchs mittlerweile für widerlegt (vgl. Cardauns 1982, 11). Erwähnenswert ist freilich, daß in der älteren Literatur gelegentlich noch andere Quellen angeführt werden.2 Davon unabhängig – und durch Laufs urgiert – ist zu fragen, ob sich Augustins Integration der diesseitigen und jenseitigen Friedensvorstellung als gelungen ansehen läßt. Gegenüber der überpointierten Position von Fuchs, aber auch gegenüber dem gelegentlich zu vehement argumentierenden Laufs muß man dabei herausstellen, daß Augustinus dem irdischen Frieden einen zu geringen Stellenwert beimißt, auch wenn er ihn keineswegs ignoriert.

11.5 Die Friedenslehre von Buch XIX Gleichsam als Präludium zur Friedensfrage hatte Augustin in den ersten zehn Kapiteln die Frage nach dem „gebührenden Endausgang der beiden Staaten, des irdischen und des himmlischen“ erörtert. Augustin ordnet also die Friedensfrage ein in den Kontext der Frage nach der Glückseligkeit des Menschen. „Denn nichts anderes treibt den Menschen zum Philosophieren, als das Verlangen nach Glückseligkeit, und glückselig macht ihn nur das höchste Gut.“3 Dieses höchste Gut benennt er in Kapitel 11 – dem Eintritt in die Erörterung des Friedensgedankens: „So könnten wir denn sagen, unser höchstes Gut oder, wie wir es vorhin nannten, das ewige Leben sei der Friede, zumal wir daran denken, daß zu der Gottesstadt, der unsere mühevolle Untersuchung gilt, das heilige Psalmwort gesprochen ward: Preise, Jerusalem, den Herrn, lobe, Zion, deinen Gott; denn er hat festgemacht die Riegel deiner Tore und gesegnet deine Kinder drinnen; er hat dir als Ziel den Frieden gesetzt“ (Ps 146,12). Der hymnische Preis auf den Frieden schließt mit den Worten: „Denn wer hörte nicht gern von dem Endziel des Staates, von 2 So nennt Theiler 21966, 73 z. B. einen unbekannten neuplatonischen Autor. 3 civ. XIX 1. Zum Problem der augustinischen beatitudo und ihrer Einordnung in die antike Philosophie vgl. Beierwaltes 1981.

De civitate dei XIX als Buch der Friedenslehre dem wir reden, und dem Frieden selbst, der so süß und allen teuer ist?“ (XIX 11). Deshalb kann Augustin im 12. Kapitel auch die ihm sonst geläufige Formel „So wie es niemand gibt, der nicht glücklich sein will“ variieren zu „Denn wie es niemand gibt, der sich nicht freuen will, so gibt es auch niemanden, der keinen Frieden haben will“ (ebd.). Das Streben nach Frieden wird hier keineswegs als ein beliebig wählbares Ziel angesehen; auch ist es nicht allein als eine moralische Forderung aufzufassen, das Streben nach Frieden ist für Augustin gleichsam ein Naturgesetz. „Denn daß es so ist, wird mir jeder zugeben, der die menschlichen Verhältnisse und die gemeinsame Natur ins Auge faßt“ (ebd.). Die beiden hierfür entscheidenden Schlüsselbegriffe lauten natura communis und res humanae. Die Natur des Menschen ist auf Gemeinschaft hin angelegt (XIX 16); sie weist deshalb das Verlangen nach societas, concordia und pax auf. Augustin konstatiert eine solche Anthropologie der Kooperation schon für den ersten Menschen. Gott, so der Kirchenvater, hat ihn zwar als einzigen und einzelnen geschaffen, allerdings ihn dann nicht allein und ohne menschliche Gesellschaft gelassen. Deshalb hat er ihm ausdrücklich die Gemeinschaft und das Band der Einheit ans Herz gelegt, und so wurden die Menschen nicht nur durch die Gleichheit der Natur, sondern auch durch die Zuneigung der Verwandtschaft verknüpft. Diese dem Menschen innenwohnende Sozialnatur schließt gleichzeitig das Verlangen nach Eintracht (concordia) ein. Die Menschen sind also sowohl durch die Gleichheit der Natur als auch durch verwandtschaftliche Beziehungen zusammengeschlossen (XIV 1). Deswegen ist das Band des Friedens unitas et concordia (ebd.). Dieses Streben nach Gemeinschaft und Eintracht, das bereits den paradiesischen Menschen auszeichnete, umschreibt Augustin mit der Formel: pacem habere velle, „den Frieden haben wollen“ (XIX 12). Der Natur des ersten Menschen wohnt also das Streben nach societas, concordia und pax inne. Als sich Adam von Gott abwandte und sich hochmütig selbst zum Maßstab des Lebens machte, soll sich zugleich die Natur des Menschen verändert haben: „Zum Schlechten wurde die menschliche Natur gewandelt“ (XIV 1). Sie hat den Bezug zu Gott verloren und sieht nur noch sich selbst als Grund an. An die Stelle des amor dei ist in diesem Fall

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Wilhelm Geerlings der amor sui, die Selbstliebe, getreten. Weil Adam die Bindung an Gott gelöst hat, fehlt ihm nun auch der Bezug zum Endziel, es fehlt ihm der Bezug zur wahren pax. Denn die Verletzung der Natur schließt konsequenterweise gleichzeitig auch die Verletzung der Strebensrichtung des Menschen ein. Und eine Wandlung der Strebensrichtung bedeutet auch einen Wandel innerhalb der Tendenz zu Gemeinschaft und Frieden. Wenngleich die „Bösen“ ebenso wie die „Guten“ weiterhin nach societas und pax streben, so ist das Streben der Bösen doch das Streben nach einer pervertierten Form dieser Zentralgüter. Nun kann freilich auch dieses pervertierte Verlangen nach societas die terrena civitas zusammenhalten. Die durch Hochmut verderbte menschliche Natur haßt jetzt zwar die wahre Gerechtigkeit und den wahren Frieden Gottes und kann nur noch einen verderbten Frieden erlangen. Trotzdem ist auf dieser Basis noch eine stabile Staatsund Friedenordnung möglich. Augustin hält sogar einen zwischenstaatlichen Frieden für denkbar, nämlich daß eine Vielzahl kleiner Staaten „wie die Häuser einer Stadt“ friedlich nebeneinander existieren (IV 15). Von der ursprünglichen Natur des Menschen bleiben nur noch Reste (vestigia) erhalten; deshalb ist die Strebensrichtung, wenn auch pervertiert, weiterhin im Menschen präsent. Bei dem durch die Gnade in den ursprünglichen Zustand zurückversetzten und damit guten Menschen ist dagegen die alte Strebensrichtungen wiederhergestellt; diese sind darum Bürger der civitas dei. Sie erlangen die wahre Gemeinschaft mit Gott und den Engeln, sie besitzen die pax aeterna. Deshalb werden auch die guten Menschen durch die von Gott stammenden Gesetze geleitet und brauchen sich nicht mehr auf die schwachen Restspuren zu stützen. Das dem Bösen einwohnende Streben nach Gemeinschaft aktualisiert sich demgegenüber in der Herrschsucht (libido dominandi). Deshalb ist ihre Geschichte eine Geschichte von Krieg, Unterdrückung und Gewaltherrschaft.

11.6 pax und ordo Das Streben der Guten richtet sich auf eine rechtlich und durch die richtige Liebesform geordnete Eintracht, die ordinata concordia (XIX 12). Hier nun bezieht Augustin die Begriffe Frieden

De civitate dei XIX als Buch der Friedenslehre und Ordnung aufeinander. Bereits in den Confessiones hatte Augustin eine schöne Darstellung seiner ordo-Konzeption gegeben, die er im weiteren konsequent durchhält. Auf der Grundlage eines scala-naturae-Modells vertritt er dort die Ansicht, jedes Geschöpf bis hin zum Menschen besitze innerhalb des Gesamten der Schöpfung seinen angemessenen Ort, seinen festgelegten Rang. Gleichsam durch die ihm einwohnende Schwerkraft wird jedes Geschöpf an den ihm zustehenden Ort gezogen. Beim Menschen zeigt sich diese Schwerkraft in der ihm eigenen Form der „Liebe“: Amor meus pondus meum (conf. XIII 9,10). Der Stein wird durch ein Gewicht an den ihm zukommenden Ort gezogen. Gleiches gilt von allen anderen Geschöpfen. Der mit Willensfreiheit begabte Mensch entdeckt seine auf Gott gerichtete Liebe als die dem Menschen eigentümliche Schwerkraft. Der amor sui zieht den Menschen in die irdische Gemeinschaft, der amor dei bringt ihn in die Gottesstadt. Wenn das Strebensvermögen des Menschen zur Ruhe gekommen ist, wenn es also seine Stelle im ordo gefunden hat, dann soll der Friede eingekehrt sein: pax omnium rerum tranquillitas ordinis.4 Falsche Strebensrichtungen, Krieg und Gewalt, stören hingegen den ordo; sie beruhen darauf, daß Menschen den ihnen zukommenden Ort nicht anerkennen wollen. Deshalb sind Verwirrung und Chaos Kennzeichen sündhafter Unordnung, Ruhe und Friede dagegen Indizien für ein richtig geführtes Leben. Wer seinen Ort gefunden hat, braucht sich von diesem nicht mehr wegzubewegen. Augustin sieht in der Aufhebung jeglicher Bewegung das Kennzeichen des wahren Friedens: Quies, tranquillitas (XIX 13). Gott selbst ist als der höchste Schöpfer und Ordner derjenige, der seine Friedensgesetze dieser Natur eingestiftet hat (ebd.). Diese Friedensgesetze richten an den Menschen die Forderung nach dem rechten ordo. Gott selbst ist die Grundlage des Friedens, denn er ist die pax naturalis sui ordinis (XIX 13). Von dieser schöpfungstheologischen Begründung von Frieden und Ordnung unterscheidet Augustin die moralische Ebene. An deren Verwirklichung muß der Mensch durch sein rechtes Verhalten mitwirken. Er muß sich in den Willen Gottes einfügen, d. h. moralisch handeln.

4 civ. XIX 3; CCL 48,679. Zur Theorie des ordo vgl. Rief 1962.

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Wilhelm Geerlings Die Beziehung von ordo und pax ist der Hintergrund für die große Pax-Tafel des 13. Kapitels. Denn hier spannt sich der Bogen vom Frieden des Körpers hin zum Frieden der civitas caelestis und zur ewigen Ruheordnung aller Dinge.

11.7 Die Pax-Tafel XIX 13 Augustin stellt die umfassende Friedensordnung in folgender achtteiligen Aufzählung dar: pax itaque corporis est ordinata temperatura partium, pax animae inrationalis ordinata requies appetitionum, pax animae rationalis ordinata cognitionis actionisque consensio, pax corporis et animae ordinata vita et salus animantis, pax hominis mortalis et dei ordinata in fide sub aeterna lege oboedientia, pax hominum ordinata concordia, pax domus ordinata imperandi atque oboediendi concordia civium, pax caelestis civitatis ordinatissima et concordissima societas fruendi Deo et invicem in Deo, pax omnium rerum tranquillitas ordinis. ordo est parium dispariumque rerum sua cuique loca tribuens dispositio. In der Übersetzung von W. Thimme lautet die Passage wie folgt: „So besteht denn der Friede eines Körpers in dem geordneten Verhältnis seiner Teile, der Friede einer vernunftlosen Seele in der geordneten Ruhelage der Triebe, der Friede einer vernünftigen Seele in der geordneten Übereinstimmung von Denken und Handeln, der Friede zwischen Leib und Seele in dem geordneten Leben und Wohlbefinden des beseelten Wesens, der Friede zwischen dem sterblichen Menschen und Gott in dem geordneten gläubigen Gehorsam gegen das ewige Gesetz, der Friede unter Menschen in der geordneten Eintracht der Hausbewohner im Befehlen und Gehorchen, der Friede des Staates in der geordneten Eintracht der Bürger im Befehlen und Gehorchen, der Friede des himmlischen Staates in der bestgeordneten, einträchtigsten Gemeinschaft des Gottesgenusses und gegenseitigen Genusses in Gott, der Friede aller Dinge in der

De civitate dei XIX als Buch der Friedenslehre Ruhe der Ordnung. Ordnung aber ist die Verteilung gleicher und ungleicher Dinge, die jedem den gebührenden Platz anweist“ (XIX 13). Die Friedenstafel ist hierarchisch aufsteigend angelegt. Mit der pax corporis beginnend, steigt die Bestimmung der einzelnen Friedensformen auf zur pax omnium rerum. In allen aufgeführten Definitionen bezeichnet Friede eine Art von Gleichgewichtszustand. Dieser Zustand wird erreicht durch Ordnung, die den Ausgleich herbeiführt. Der jeweilige Gleichgewichtszustand wird bezeichnet als: 1. temperatura: Friede des Körpers, 2. requies: Friede der unvernünftigen Seele, 3. consensio: Friede der vernünftigen Seele, 4. vita et salus: Friede zwischen Leib und Seele, 5. oboedientia: Friede zwischen Mensch und Gott, 6. concordia: Friede der Menschen, 7. societas: Friede der civitas caelestis, 8. tranquillitas: Friede aller Dinge. Achtmal wird der Friede als „geordnet“ beschrieben, um schließlich innerhalb der Charakterisierung der eschatologischen Friedensfülle als ordinatissima gesteigert zu werden: Der „Friede aller Dinge“ gilt als „im höchsten Grade geordnet“.5 Die fünf ersten Glieder der Pax-Tafel bezeichnen die Friedensstufen der einzelnen Menschen. Sie bauen aufeinander auf, wobei die unteren Stufen jeweils die Voraussetzung der oberen bilden. „Wenn nämlich der Friede des Körpers fehlt, dann wird auch der Friede der vernunftlosen Seele verhindert, weil sie nicht zur Ruhe ihrer Triebe gelangen kann“ (XIX 14). Die enge Bezogenheit des körperlichen Friedens auf den Frieden der Seele ist Bedingung menschlichen Lebens, sie wird von Augustin als

5 Im Anschluß an Fuchs halten zahlreiche Autoren daran fest, die Pax-Tafel lehne sich eng an die Vorlage bei Varro an. Freilich darf deshalb die Originalität Augustins nicht bezweifelt werden. Er hat das letzte Glied der ursprünglichen Reihenfolge (mundus: Gottheit und Menschheit einschließend) durch die christliche Formel pax hominis mortalis et dei ersetzt. Auf diese Weise konnte die pax caelestis civitatis den Abschluß der ganzen Reihe bieten: vgl. dazu Fuchs 21965, 38. Duchrow 21983, 217 meint, die Tafel basiere auf den Aristotelischen Gesellschaftsstufen (domus-civitas) und sei mit stoischen Elementen angereichert worden. Dagegen wendet sich Laufs 1973, 131 f., der die alleinige Urheberschaft für Augustin reklamieren will.

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Wilhelm Geerlings consortium (Io.ev.tr. 23,5), Freundschaft und als concordia bezeichnet (c.ep.Man. 30). Der körperliche Friede findet seinen Ausdruck im Zusammenstimmen der Körperteile, ein Gedanke, der im Augustinischen Werk auch sonst vielfältigen Ausdruck findet.6 Gemeinantiker Auffassung entsprechend kennt die Augustinische Anthropologie auch eine vernunftlose Seele. Der Friede der vernunftlosen Seele wird dann erreicht, wenn diese sich der vernünftigen Seele unterstellt und bemüht ist, „weder vom Schmerz belästigt noch vom Tode aufgelöst zu werden, … aufgrund dieser Erkenntnis sich Leben und Wandel zurechtlegt“ (XIX 14). In der Unterordnung der vernünftigen Seele wird schon deutlich, daß eine zentrale Bedingung für den Frieden der Gehorsam ist. Gehorsam gilt geradezu als „Mutter und Wächterin aller Tugenden“ (mater quodam modo est omnium custosque virtutum: XIV 12; CCL 48,434). Gehorsam gegenüber Gott besteht in der Erfüllung seiner Gebote, konkret der Gottes- und Nächstenliebe. Über den Einklang beider Gebote kann Augustin leicht den Übergang zum sozialen Frieden finden. Mit dem „Frieden des Hauses“ (pax domus) und dem „Frieden der Stadt“ (pax civitatis) bezieht sich Augustin natürlich auf den politisch-sozialen Frieden. Augustin formuliert dazu jene bereits erwähnte, über die Goldene Regel im Sinne einer supererogatorischen Verpflichtung hinausgehende Formel, die Eintracht und Frieden begründen soll: Erstens keinem zu schaden und zweitens jedem nach Möglichkeit zu helfen.7 Auch in diesem Bereich wird nach dem Prinzip der Über- bzw. Unterordnung, dem Schema von Befehl und Gehorsam der Friede als geordnete Eintracht konstituiert. Die pax civitatis bestimmt Augustin durch die Relation von Befehl (imperare) und Gehorsam (oboedire), ohne jedoch näher darauf einzugehen. Wichtiger ist ihm die deutliche Herausstellung des Gegensatzes von civitas dei und terrena civitas. In Kapitel 17 führt Augustin zur Erläuterung den in der Friedenstafel nicht vorkommenden Begriff pax terrena ein. Dieser Begriff 6 Vgl. Bezeichnungen wie harmonia: imm.an 2,2; CSEL 89,102; civ. XXII 24; CCL 48,850; integritas et unitas: Gn.adv.Man. I 21,32; PL 34,188. 7 Primum ut nulli noceat, deinde ut etiam prosit, cui potuerit: XIX 14; CCL 48,681. Zur Traditionsgeschichte vgl. Fuchs 21965, 149 f.

De civitate dei XIX als Buch der Friedenslehre kommt auch sonst in De civitate dei vor; er soll unterstreichen, daß der irdische Frieden bei allem Glauben an die Macht des jenseitigen Friedens durchaus bereits in dieser Welt wirkt und daß er keineswegs geringgeschätzt werden darf. Abgeschlossen wird die Friedenstafel mit der allgemeinen Wesensbestimmung pax omnium rerum tranquillitas ordinis. Hierbei handelt es sich nicht um eine Definition, sondern eher um eine Umschreibung der verschiedenen Bereiche, in denen Frieden geschaffen werden muß. Die Universalität des Friedens ist damit angesprochen. Der Begriff tranquillitas wird im Augustinischen Latein praktisch synonym mit pax verwendet. Die Ruhe, die aus der Ordnung erwächst, ist also identisch mit dem Frieden. Auch ein zweites Syntagma – pax und ordo – wird von Augustin häufig herangezogen. Wo Ordnung beachtet wird und herrscht, dort ist auch Frieden. Beides – ordo wie pax – wird ständig im Blick auf den Schöpfer interpretiert. In diesem Sinn ist Gott als Urheber und Spender des Friedens zu verstehen.

11.8 Zur Würdigung der Augustinischen Friedenskonzeption Augustins Friedensgedanke ist einer der großen abendländischen Entwürfe zur Theologie des Friedens. Mit seinem Friedensbegriff verbindet der Bischof von Hippo den ontologischen Ordnungsgedanken, den naturphilosophischen bzw. handlungstheoretischen Begriff einer natürlichen Strebenstendenz und die ethische Konzeption eines verbindlich zu wählenden Handlungszieles. Das geordnete Zueinander aller Dinge wird dabei so bestimmt, daß jedes Geschöpf ungestört an seinem natürlichen Ort existieren soll. Im Blick auf den Menschen versteht Augustin somit unter Frieden einen im deskriptiven wie im normativen Sinne konstitutiven Bestandteil der menschlichen Natur. Diese zunächst individuelle, an platonischen und stoischen Vorbildern orientierte Begriffsbestimmung wird von Augustin im Rahmen der civitas-Lehre dahingehend erweitert, daß die menschliche Natur als grundsätzlich kooperativ gedacht wird: Der Friede besitzt im Fall des Menschen eine soziale Dimension. Freilich ist die politisch-soziale Friedensordnung lediglich ein Nebenthema Augustins. Es ergibt sich für ihn nur insoweit, als

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Wilhelm Geerlings die ursprüngliche und die endzeitliche göttliche Friedensordnung unter den insgesamt schlechten irdischen Bedingungen noch in einigen Phänomenen greifbar sein sollen. Über eine solche Thematisierung der geschöpflichen und der sozialen Friedensordnung hinaus gilt der Friede für Augustin hauptsächlich als Aufgabe, die der Mensch als Gottesgeschöpf ergreifen muß. Der Zustand, den der Bischof von Hippo beim gefallenen Menschen als politischen Frieden bezeichnet, ist hingegen – was ihn bereits als Resultat einer Verfallsordnung kennzeichnet – nur in der Unter- und Überordnung, einer Herrschafts- und Zwangsordnung möglich. Der dieser Konzeption eigene statische und konservative Charakter wird dadurch ausgeglichen, daß der Kirchenvater die pax dieser Welt in der pax aeterna der „himmlischen Stadt“ aufgehen sieht. Bezeichnenderweise schließen darum die Confessiones wie De civitate dei mit der Vision des ewigen Sabbats. E. Jüngel (1983, 25–36) hat diese Konzeption im Licht seiner an Carl Schmitt angelehnten Rede von einer „Tyrannei der Werte“ zurückgewiesen. Augustin, so Jüngel, habe den irdischen Frieden dadurch herabgesetzt und geradezu entwertet, daß er den ewigen Frieden Gottes als Höchstwert hingestellt habe. Tatsächlich ist der Eindruck nicht von der Hand zu weisen, daß Augustin dem irdischen Frieden ein zu geringes Gewicht beimißt; ob deshalb Augustins Strebenslogik von relativem und absolutem Gut insgesamt hinfällig ist, ist allerdings eine völlig andere, bei Jüngel kaum zureichend behandelte Frage.

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Augustinus als Theoretiker des Naturrechts

Gerhard Krieger/Ralf Wingendorf

Christsein und Gesetz: Augustinus als Theoretiker des Naturrechts (Buch XIX)

Die Eroberung Roms durch die Westgoten bedeutete für die Zeitgenossen zweifelsohne die Gefährdung der römischen Rechtsordnung. Mag dieses Recht bei Cicero sogar selbst für unveränderlich gehalten werden, der antiken philosophischen Tradition ist allerdings der Gedanke eines unabhängig von der Meinung der Menschen geltenden, ungeschriebenen „Naturgesetzes“ (lex naturalis) wohl vertraut. Augustinus greift diesen Gedanken auf, indem er ihn auf jenes Gesetz bezieht, von dem Paulus im Römerbrief sagt, es sei den Heiden ins Herz geschrieben (2,12–15; die betreffende Stelle bei Augustinus: ep. 157,3,15; vgl. auch s.dom.m. II 9,32 und trin. XIV 15,21). Auf welche Weise trägt Augustinus dem Gesichtspunkt eines dem Menschen von sich aus und im ursprünglichen Sinne zugänglichen Maßstabes seiner Daseins- und Lebensgestaltung Rechnung? Und wie verbindet er die im Naturgesetz eröffnete Glücksperspektive mit der christlichen Heilszusage?

12.1 Christliche Theologie als „wahre Philosophie“ – Augustins Gesetzeslehre vor dem Hintergrund des Verhältnisses von Philosophie und Theologie „Solange der Mensch sterblich ist, ist er notwendig auch elend“ (civ. IX 15). Diese Feststellung markiert wie kaum eine andere

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Gerhard Krieger/Ralf Wingendorf die Haltung des Kirchenvaters gegenüber dem in der antiken philosophischen Tradition vertretenen Selbstvollendungsanspruch des Menschen. Aufgrund seiner Vergänglichkeit, d. h. von der grundlegenden Bedingung des Menschseins her bestreitet Augustinus, daß Erfüllung und Vollendung menschlichem Handeln offenstehen. Wie ist diese Überzeugung mit der Bejahung des Naturgesetzes vereinbar? Da Augustins Auffassung vom Naturgesetz unmittelbar mit seiner Beurteilung der menschlichen Glücksbefähigung zusammenhängt und durch seine Einschätzung der Rolle der Philosophie bestimmt ist, sei Augustins Auffassung zunächst von seiner generellen Haltung gegenüber der Philosophie her betrachtet. In dieser Beurteilung stimmt Augustin im wesentlichen mit seinen spätantik-christlichen Vorgängern überein, die sich für eine Indienstnahme der Philosophie durch die Christen aussprechen. Augustinus begreift die christliche Auffassung – wie schon Clemens von Alexandrien und Origenes – als die „wahre Philosophie“.1 Auf diese Weise kommt es zu einer „Gleichsetzung von Philosophie und (christlicher) Theologie“ (Horn 1995, 9), in deren Konsequenz der Philosophie eine instrumentelle oder funktionale Bedeutung zukommt. Der eigentliche Sinn der Philosophie liegt in ihrem „Nutzen“, und dieser Nutzen bestimmt sich danach, wie sie ein außerhalb ihrer selbst liegendes Ziel oder Gut verwirklichen hilft. Streng betrachtet erfüllt nur Gott die Bedingung, an sich selbst und nicht um eines anderen willen Erfüllung zu bieten, d. h. schlechthinniges Ziel zu sein. Verhielte es sich anders, „würden wir gewiß auch unsere eigene Weisheit selbst erzeugen, […] auch würde uns unsere eigene Liebe, von uns ausgehend und uns zugewandt, zum glückseligen Leben genügen“ (civ. XI 25). Freilich ließe sich einwenden, daß die Verähnlichung mit Gott bereits in der antiken Philosophie durchaus letztendliche Erfüllung versprach und als erreichbar galt (vgl. etwa Aristoteles, EN X 7, 1177b30 ff.). Insofern kann die Besonderheit der Augustinischen Auffassung nicht in der Transzendenz menschlicher Ver1 Die zitierte Formel findet sich bei Augustinus etwa in ord. II, 16 und civ. XVIII 37; vgl. dazu und zu ihrer spätantik-christlichen Vorgeschichte Honnefelder 1992; ferner zur Diskussion der mit dieser Formel verbundenen Einschätzung der Rolle der Philosophie bei Augustinus Krieger 1994.

Augustinus als Theoretiker des Naturrechts vollkommnung liegen. Aus christlicher Sicht gefragt: Wie entgeht Augustin der Gefahr, die göttliche Aktivität bei der Vollendung des Menschen außer acht zu lassen, d. h. die christliche Identität preiszugeben? Worin liegt also der spezifisch theologische Sinn der Identifizierung von Theologie und Philosophie? Diese Frage soll hier im Blick auf die Gesetzeslehre des Bischofs von Hippo beantwortet werden. Die dazu in den vorliegenden Überlegungen entwickelte These besagt: Der „Ort“ der Gesetzeslehre Augustins ist theologischer Natur, und der eigentliche theologische Gehalt des Gesetzes besteht in der ausschließlich göttlichen Begründung des Gutseins des Menschen. Diese Begründung verbindet sich aber mit keinerlei inhaltlicher Vorgabe. Der entscheidende Aspekt der theologischen Begründung des Gesetzes ist deswegen, daß sich das geforderte Tun (d. i. die Liebe zu Gott) seinem Gefordertsein und damit auch seiner Realisierung nach allein göttlicher Initiative (theologisch gesprochen: der Gnade) verdankt. Da das entscheidende Ziel auf diese Weise menschlicher Verfügbarkeit entzogen bleibt, kann es keine Kontinuität zwischen den transzendenten Möglichkeiten des Menschen und dem Vollendung versprechenden Tun geben. Die Bedeutung dieser „Theologisierung“ des menschlichen Daseinssinns wäre freilich verfehlt, wenn man behauptete, Augustin überantworte den Menschen damit weitgehend theologischer Verfügung; diese Deutung wiese in die von Flasch (1980) und Blumenberg (1988) eingeschlagene Richtung. Dem steht aber entgegen, daß Augustin es an inhaltlichen Ableitungen aus der theologischen Sinn- und Zielbestimmung fehlen läßt, und in Verbindung damit, daß er die Philosophie zum unverzichtbaren und integralen Instrument theologischen Verstehens macht. Dem Gehalt nach umfaßt das Gesetz das, was zur Aufrechterhaltung menschlicher Daseins- und Handlungsbefähigung erforderlich und allein philosophisch zugänglich ist. Da dessen Respektierung das Überleben sichert, besitzt die Philosophie eine wesentliche Funktion für das gute Leben der Gottesliebe. So wenig also einerseits übersehen werden darf, daß Augustin mit der Anerkennung des funktionalen Wertes der Philosophie den inhaltlichen Anspruch der Theologie begrenzt, so wenig darf man andererseits die Zurückweisung des menschlichen Selbstvollendungsanspruchs unterschätzen. Augustins Kritik

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Gerhard Krieger/Ralf Wingendorf stellt die spezifischen Möglichkeiten des Menschen ihrem Wert nach der übrigen Natur gleich, und insoweit stuft sie den Menschen in der Wertschätzung im Vergleich zur Antike zurück. Diese beiden Aspekte – Begrenzung sowohl des menschlichen Selbstvollendungsanspruchs als auch des theologischen Anspruchs seinem Inhalt nach – stehen schließlich in unmittelbarem Zusammenhang mit der strukturellen Differenz der Gesetzesauffassung Augustins im Vergleich zu der Ciceros. Die angesprochene strukturelle Differenz zeigt sich darin, daß bei Cicero lex aeterna bzw. lex divina und lex naturalis gleichgesetzt (vgl. De legibus I 18–27) und sogar Teil des positiven Rechts in Gestalt des „Codex Ciceronianus“ werden (vgl. De legibus II 14). Im Unterschied dazu steht bei Augustin auf der einen Seite die Annahme unveränderlicher Gesetze, die zugleich Maßstab und Quelle für die Formulierung zeitlicher Gesetze auf der anderen Seite darstellt. Da das Gesetz seinem Inhalt nach allein philosophisch, die Natur der Gesetzlichkeit aber theologisch gedacht wird, besteht das entscheidende Motiv für die skizzierte Differenzierung des normativen Feldes darin, daß für Augustin das schlechthin maßgebende Ziel, die Gottesliebe, menschlicher Verfügung entzogen ist. Freilich darf Augustin wegen dieses Motivs nicht als philosophisch korrumpiert gelten; davor schützt ihn die ausschließlich philosophische Beurteilbarkeit der gesetzlichen Gehalte. Beides, sowohl das Motiv als auch die Unangemessenheit des angesprochenen Vorwurfs wird im Fehlen jeglicher „Anwendung“ der unveränderlichen Regeln durch Augustin faßbar.2

12.2 Der ordo naturalis als relative Wertordnung Die Grundlage der antiken Naturrechtsvorstellung bildet die Überzeugung der Selbstvollendungsfähigkeit des Menschen. Augustinus beansprucht im vierten Kapitel des XIX. Buches von De civitate dei, die Frage nach dem höchsten Gut und Glück des Menschen sowohl theologisch als auch philosophisch zu beantworten. Der Christ sieht das summum bonum im ewigen Leben, 2 Die skizzierte Struktur-These hat erstmals Girardet 1995 vorgelegt. Der Aspekt der alleinigen Beurteilbarkeit des Gesetzes seinem Gehalt nach durch die Philosophie bleibt bei ihm unberücksichtigt.

Augustinus als Theoretiker des Naturrechts das summum malum im ewigen Tod. Bedingung für die verheißene Vollendung ist eine rechte Lebensführung. Entsprechend dem theologischen „Ort“ dieser Antwort gibt Augustin eine Erläuterung anhand eines Schriftzitats: Der Gerechte lebt aus dem Glauben (Hab 2,4; Röm 1,17; Gal 3,11). Dabei unterscheidet er einen theoretisch (hinsichtlich der Erkennbarkeit des Endziels) und einen praktisch relevanten Aspekt (hinsichtlich seiner Realisierungsbedingung): Theoretisch ist das summum bonum nur im Glauben zugänglich; praktisch ist die notwendige Bedingung zur Erlangung des Heils, das recte vivere, nur mit Gottes Hilfe möglich. Ausdrücklich weist Augustinus darauf hin, daß der Mensch sein Lebensziel weder schon schauen noch recht leben kann: „Denn wir sehen unser Gut noch nicht, … können auch nicht aus eigener Kraft recht leben …“ (XIX 4). Die philosophischen Grundfragen werden damit christlicherseits einer bloß diesseitigen Lösung entzogen. Da diese Antwort für den Ungläubigen unverständlich und unbefriedigend bleibt, ist zu fragen, inwieweit Augustin seiner Ankündigung gerecht wird, über die Frage nach dem Glück mit Mitteln der Vernunft (ratione) (vgl. XIX 1) zu urteilen. Philosophisch wäre also zu zeigen, daß eine immanente Glücksmöglichkeit des Menschen rational nicht begründet werden kann. Augustinus geht aber noch einen Schritt weiter: Er erweist auf philosophischem Wege, daß eine diesseitige Vollendung des Menschen unmöglich ist. Wer trotzdem von einem Glück in diesem Leben spricht, behauptet also nicht einfach mehr, als er vernünftigerweise behaupten kann, sondern schlechterdings Unvernünftiges. Die Philosophie erkennt demnach das summum bonum zwar als transzendent, aber damit zugleich als philosophisch nicht weiter bestimmbar. Mithin ist das Ergebnis der rationalen Reflexion ein negativ-kritisches: Der Mensch weiß, worin seine Bestimmung nicht bestehen kann, nämlich in allem Diesseitigen. Er weiß aber andererseits nicht, worin seine jenseitige Bestimmung exakt besteht. Der Mensch ist aus sich heraus fähig zu erkennen, daß er aus sich heraus nicht fähig ist, glücklich zu werden.3

3 In diesem Sinne bezieht Augustin bereits an jener Stelle im Buch IX, 14 und 15 von De civitate dei Stellung, an der sich der anfangs genannte Hinweis auf die

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Gerhard Krieger/Ralf Wingendorf Bleibt der zuvor beschriebene Akt philosophischer Selbstbegrenzung im Ergebnis bloß negativ? Ist der Umstand, daß der Philosoph über das höchste Gut näherhin nichts zu sagen weiß, gleichbedeutend damit, daß sich rational auch nichts über die rechte Lebensführung ausmachen läßt? Findet nicht der Christ in den Werken der Weisen viele nützliche und mit dem Glauben übereinstimmende Handlungsanweisungen? Trifft dies zu, so verfügen auch die Heiden über einen Maßstab des guten Tuns. Wie ist das möglich, wenn sie das Endziel des Lebens nicht kennen? Wie läßt sich dieses Wissen angesichts der zuvor beschriebenen Selbstrestriktion der Vernunft einordnen? Unsere Antwort auf diese Fragen gliedert sich in zwei Momente, die anhand der Kapitel vier und vierzehn des XIX. Buches von De civitate dei entwickelt und belegt werden sollen: Wenn Augustinus von rechter Lebensführung spricht, so verweist er auf eine zugrundeliegende Richtschnur der Praxis. Dieser begegnen wir in der Konzeption des ordo naturalis. Recht leben bedeutet demnach, die natürliche Ordnung zu wahren, indem man Niederes dem Höheren unterordnet. Die vernünftige Willentlichkeit des Menschen ist in der Lage, die relative Wertordnung der Erfahrungswelt als solche zu erkennen und entsprechend zu handeln. Demnach kann aber jeglicher Handlung nur ein bedingter Wert zugesprochen werden; sie ist in einem relativen Sinne nützlich, indem sie entsprechend der diesseitigen Ordnung funktioniert. Dieser immanente Funktionszusammenhang wird zugleich in seiner Gesamtheit zum Gegenstand philosophischer Reflexion. Der Vernunft ist nämlich auch der Grenzbegriff eines absoluten, alle Erfahrung übersteigenden Wertes zugänglich, d. h. die immanente Ordnung kann als bloß relative, mithin unvollständige Struktur erkannt werden (XIX 4). Diese Erkenntnis betrifft näherhin die Vorrangigkeit des Unveränderlichen vor dem Veränderlichen und ist im Sinne einer theoretischen Erkenntnis zu verstehen. Dazu sind wir auf der Grundlage der jedermann (oder zumindest den meisten) verfügbaren regula veritatis in der Lage. Die Frage nach dem Vorrang des Unveränderlichen setzt die Unveränderlichkeit einer Regel voraus, nach der das Unveränderliche als solches identifizierbar ist. Vergänglichkeit als Grund der fehlenden Glücksbefähigung des Menschen findet; vgl. zu diesem Text im einzelnen Krieger 1994, 91 f.

Augustinus als Theoretiker des Naturrechts Insofern der Mensch natürlicherweise über diese Regel verfügt, kann er den ordo naturalis als seiner Struktur nach unvollständig, d. h. vergänglich erkennen (vgl. De doctrina christiana I 7 und 8; dazu näher Krieger 1994, 114 f.). Mit dieser Erkenntnis ist die philosophische Transzendierung des Natürlichen geleistet. Die Lücke, die sich aus der Erkenntnis der Relativität der natürlichen Ordnung ergibt, ist erst im Akt des Glaubens an den liebenden, die Vollendung verheißenden Gott zu schließen. Die Transzendierung des ordo naturalis hat demnach sowohl eine theoretische als auch eine praktische Dimension. In theoretischer Hinsicht wird der Abschluß der relativen Wertordnung durch die Integration derselben in die lex aeterna geleistet. Durch eine derartige metaphysisch-theologische Interpretation wird der ordo naturalis des Verdachts einer bloß vorgefundenen Beliebigkeit enthoben. Um jedoch unter dem Titel einer lex naturalis auch praktische Bedeutsamkeit, d. i. Normativität zu erlangen, bedarf es der subjektiven Aneignung dieses Gehalts in Gestalt der Gottesliebe. Mit anderen Worten: Die allgemeiner Vernunft zugängliche, relative Wertordnung des ordo naturalis ist an sich nicht präskriptiv, da ihr Grund, die Naturerhaltung, bloß bedingt, nicht aber, wie der (geoffenbarte) Naturzweck, unbedingt gegeben ist. Die praktische Perspektive als solche markiert bei Augustinus die Grenze zwischen theologischer und philosophischer Sicht (XIX 14). Im weiteren Verlauf des vierten Kapitels widerlegt Augustinus die Möglichkeit des irdischen Glücks, indem er das malum als eine unaufhebbare Komponente des menschlichen Lebens darstellt. Unser Dasein ist bezüglich der Naturgüter durch prinzipielle Ohnmacht gekennzeichnet. Durch das niemals auszuschließende Einwirken höherer Gewalt bleiben sie einer uneingeschränkten Verfügbarkeit entzogen. Dem im Übel befangenen Menschen ist es bloß darum zu tun, seine Existenz als rationalpraktisches Wesen sicherzustellen. Die Tugenden erweisen sich dabei insofern als nützlich, als man erst mit ihrer Hilfe im eigentlichen Sinne handelt, d. h. das tut, was vernünftigerweise, und nicht aufgrund niederer Antriebe, gewollt wird. Mit der bloßen Konservation der eigenen Funktionalität ist das Glück selbst jedoch noch gar nicht in den Blick gekommen. Eine Einbettung dieser immanent abgeschlossenen Wertordnung in einen transzendenten Finalitätskontext, der mit der Beantwortung

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Gerhard Krieger/Ralf Wingendorf ihrer Sinnfrage zugleich auch ihre Normativität begründet, ist sola ratione nicht zu leisten. In der Aufzählung aller grundsätzlichen Möglichkeiten des diesseitigen Glücks, das menschliche Dasein (Naturgüter) und Handeln (Tugenden) betreffend, liegt eine fundamentale Kritik der korrespondierenden philosophischen Theorien; Augustinus versucht, gleichsam den Inbegriff des heidnischen Denkens ad absurdum zu führen. Die Aufgabe des diesseitig realisierbaren Glücks kann vom philosophischen Denken prinzipiell nicht gelöst werden. Er konstruiert eine Summe möglicher Positionen, um sie an ihrem gemeinsamen neuralgischen Punkt um so entschiedener zurückzuweisen. Ganz gleich, welchen anthropologischen Standpunkt die antiken Denker auch vertreten oder welche besondere körperliche oder geistige Disposition ihnen als die hervorragendste erscheint, sie alle begehen denselben Fehler, „das Endziel des Guten und Bösen“ im Diesseits zu lokalisieren. Die allgemeinen Titel, unter denen Augustinus die philosophischen Glücksentwürfe zusammenfaßt, sind die von Leib und Seele. Daran knüpft er die „Urgüter der Natur“ (prima naturae) und die „Tugend“ (virtus) an. Im folgenden zeigen wir an diesen Momenten im einzelnen, inwiefern sie mit dem Begriff des höchsten Gutes unvereinbar sind. Dabei kommt dem Begriff des malum, als Zeichen der äußeren und inneren Kontingenz der menschlichen Existenz, entscheidende Bedeutung zu. Betrachten wir erstens die Argumentation hinsichtlich der angeborenen Naturgüter: „Wann, wo und wie wäre es wohl in diesem Leben mit ihnen so gut bestellt, daß sie nicht, ungewissen Zufällen ausgesetzt, unsicher schwankten?“ (XIX 4). Sie werden insgesamt als kontingent erwiesen. Das in ihnen liegende Glück ist damit erstens der Intensität und Dauer nach endlich und zweitens der menschlichen Einflußnahme entzogen, d. h. es unterliegt äußeren Bedingungen. Dies bedeutet für die Urgüter des Leibes (Augustin nennt u. a. Lust, Schönheit, Gesundheit und Beweglichkeit), daß niemand vor ihrem Verlust sicher ist. Jedermann kann zu jeder Zeit von physischen Übeln ergriffen und seiner angeborenen Güter beraubt werden. Deshalb aber dürfen die prima naturae nicht höchste Güter genannt werden, denn der Mensch erkennt sie, da er über den Maßstab des Unveränderlichen verfügt, als veränderlich (sc. vergänglich) und somit als minderwertig.

Augustinus als Theoretiker des Naturrechts In analoger Argumentation wendet sich Augustinus den Urgütern des Geistes zu. Da die mentalen Funktionen nicht unabhängig vom Körper ausgeübt werden können, sind auch sie vielerlei Bedingungen und Übeln unterworfen, vom Verlust des Gesichtssinnes bis hin zu den Geisteskrankheiten. Der Weise, der im selbstgenügsamen, auf ewige Wahrheit gerichteten Vernunftgebrauch die Festung seiner Glückseligkeit erblickt, vergißt, daß auch die Geistestätigkeit eines endlichen Wesens zufälligem Geschehen ausgesetzt ist. Für die prima naturae insgesamt gilt also, daß sie, da die menschliche Natur als solche kontingent ist, ihrer intensiven sowohl als extensiven Größe nach begrenzt und in ihrer Realisierbarkeit bedingt sind. Das summum bonum, als das die gesamte Praxis mittelbar leitende Endziel, muß jedoch erstens seiner Quantität nach als uneingeschränkt und zweitens, soll es im Diesseits lokalisiert sein, seiner Realität nach als verfügbar gedacht werden. Beide Kennzeichen konnte Augustinus im Durchgang durch die Naturgüter im einzelnen widerlegen. Methodisch verfuhr er dabei so, daß er jedem bonum ein malum gegenüberstellte, welches das erstere limitiert bzw. negiert, ohne dabei menschlicher Einflußnahme zu unterstehen. Zweitens ist die Argumentation bezüglich der Tugend zu analysieren. Diese galt, besonders bei Stoikern und Neuplatonikern, als die höchste Leistung der menschlichen Seele. Insofern sich der Mensch kraft ihrer zu den äußeren Übeln verhalten kann, scheint sie deren zufälligem Spiel entzogen zu sein. Es ist an ihm selbst, ein guter, d. h. tugendhafter Mensch zu sein. Insofern sein Leben aber durch die Tugend uneingeschränkt gut wird, ist es, da an sich (d. i. innerlich) frei von allem Übel, auch glücklich. Augustin tritt dieser Auffassung so entgegen, daß er von der Tugend sagt, „sie könne doch hienieden nichts weiter tun, als ohne Aufhören mit den Lastern kämpfen, und zwar nicht denen, die draußen, sondern drinnen sind, nicht fremden, sondern durchaus selbsteigenen“ (XIX 4). Dementsprechend wird im folgenden von der Tugend unter den Bedingungen des irdischen Lebens gehandelt. Dieses Leben erweist sich aber gerade dadurch, daß es der Tugend in ihrer negativen Funktion permanent bedarf, an sich als durchgehend unheil. Im Durchgang durch die vier Kardinaltugenden zeigt Augustinus, daß sie im Diesseits bloß zur Kompensation humaner

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Gerhard Krieger/Ralf Wingendorf Kontingenz, nicht jedoch zu deren Aufhebung taugen. Anders gesagt: Die Tugend erweist sich als Bedingung des menschlichen Handelns, indem sie alle Störungen, die aus seiner Leiblichkeit resultieren, auszuschalten versucht. Ihre immanente Aufgabe ist es, die Funktion des Menschen als rational-willentliches Wesen sicherzustellen. Dies bedeutet, daß der Mensch bestenfalls dazu in der Lage ist, den status quo, nämlich die Naturordnung der Dinge, nach der u. a. Vernünftiges über Unvernünftiges herrschen soll, aufrechtzuerhalten, nicht aber auch zur Vollendung zu führen. Das menschliche Handeln selbst hat keinen absoluten, sondern einen relativen Wert; mithin darf auch der Tugend, als seiner Bedingung, nicht der Status des höchsten Guts zuerkannt werden. Ihr Platz im Augustinischen Denken ist vielmehr der eines nützlichen Werkzeugs, mit dessen Hilfe der Mensch die immanente Naturordnung realisieren kann. Fehlt die Tugend, so wird der ordo naturalis pervertiert, indem das Fleisch den Geist beherrscht und sich Niederes über Höheres erhebt (vgl. etwa lib.arb. I 8,18 und ep. 140,2,4). Die Tatsache, daß der Mensch der Tugend ständig bedarf (um überhaupt das tun zu können, was er eigentlich, d. i. als vernünftiges Wesen, tun will), ist für Augustin ein direkter Hinweis darauf, daß er in Übeln befangen und also nicht glücklich ist. Die irdische Tugend wird so zum Indikator des Elends menschlichen Lebens. Ihr Ziel, die vollständige Aufhebung aller sinnlichen Affektionen des Willens, sei es durch innere (moralische) oder äußere (physische) Übel, kann sie im Diesseits prinzipiell nicht erreichen. Ferner: Dieses Ziel selbst ist nicht einmal das letzte Ziel, sondern nur seine negative Bedingung. Die „wirkliche Tugend“ erkennt daher ihre Beschränktheit, indem sie die Vollendung der gläubigen Hoffnung vorbehält. Die positive Funktion der Tugend nämlich, der amor dei4, ist gerade das Kennzeichen der civitas dei, mithin nur dem Gläubigen, nicht aber dem Menschen an sich zu eigen. Von heilmachender Hoffnung und geduldiger Glaubenserwar4 Hök 1959, 123 verweist darauf, daß Augustinus nicht die Auffassung Ciceros teilt, „nach welcher Tugend nicht anders denkbar ist als hier auf Erden, wo es etwas zu überwinden gibt“. Im Verhältnis zu Gott erhalten die Tugenden darüber hinaus den Charakter der Liebe und fungieren damit „hier in der Zeit als das Mittel, wodurch der Mensch wieder zu Gott zurückkehrt, andererseits in der Ewigkeit als das Mittel, wodurch er bei Gott verbleibt“, ebd.; vgl. des weiteren Hök 1959, 127 ff.

Augustinus als Theoretiker des Naturrechts tung ist freilich erst am Schluß des Kapitels die Rede, wo das philosophische Argumentationsziel, der autolimitative Charakter der menschlichen Praxis, bereits erreicht ist. Unsere Darstellung läßt sich anhand der Tugenden der Mäßigkeit und der Tapferkeit verdeutlichen. Die Mäßigkeit versucht die menschliche Handlungsfähigkeit dadurch sicherzustellen, daß sie die Begierden des Fleisches zügelt. Das Vorhandensein der libido aber, welche die Kompensationsfunktion dieser Tugend erst erforderlich macht, ist Teil unseres „unheilvollen“, mithin unvollendeten und nicht im höchsten Sinne glücklich zu nennenden Zustands. Die Freiheit von inneren Übeln ist uns in diesem Leben versagt. Die Tugend des Maßes ist demnach ein Indiz für das unvermeidliche malum der libido. Dieses malum verbietet es, im Blick auf das irdische Leben, sei es auch noch so tugendhaft, vom bonum als einschränkungslos vorhanden, eben als summum bonum, zu sprechen. Augustin gebraucht hierfür das Bild vom Kampf, in dem wir in diesem Leben beständig liegen.5 Schon die Abwesenheit aller (inneren wie äußeren) Übel, oder, wie Augustinus sagt, das „Heilsein“ des Menschen, die negative Bedingung seiner Glückseligkeit (des „Siegpreises“), ist im Diesseits nicht zu erreichen: „Und wer hat es in der Weisheit so weit gebracht, daß er gegen die Begierden überhaupt keinen Kampf mehr zu führen brauchte?“ (XIX 4). Die Ausführungen Augustins zur diesseitigen Funktion von Klugheit und Gerechtigkeit bestätigen die These vom prinzipiellen Unheilsein des Lebens. Ohne die Freiheit vom Übel aber kann der Begriff der Glückseligkeit nicht gedacht werden. Die Tapferkeit wird als „einleuchtendste Zeugin der menschlichen Übel“ gekennzeichnet (ebd.). Der Tapfere erträgt geduldig alles Leid, das ihm im Leben widerfährt. Dabei nimmt die Tapferkeit insofern eine Sonderstellung in der Augustinischen Tugendkonzeption ein, als sie es ausschließlich mit äußeren Übeln zu tun hat. Von daher ergibt sich auch eine inhaltliche Verbindung zu den Naturgütern und deren Kontingenz. Zunächst beschäftigt sich Augustinus mit der Lehrmeinung der Stoa. Um die These vom immanent-realisierbaren Charakter des höchsten Gutes (ebd.: „… die sich einreden, sie besäßen 5 Eine nähere Analyse des Zwiespalts menschlicher Willkürfreiheit findet sich bei Horn 1996, 128.

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Gerhard Krieger/Ralf Wingendorf schon jetzt das höchste Gut und erreichten aus eigener Kraft die Glückseligkeit, …“) aufrechterhalten zu können, leugnen diese die Existenz wirklicher Übel. Da die Tapferkeit alles aushält, sei der Mensch wahrhaft glücklich, denn es gebe kein Übel, das ihm wirklich schade. Die stoische Position wird jedoch widersprüchlich, wenn ihr Weiser im Fall eines aller Naturgüter beraubten Lebens den Freitod wählt, denn offensichtlich setzt diese Empfehlung die bestrittene Existenz des Übels voraus. Die Behauptung eines glücklichen und mithin übelfreien Lebens, dem man zugleich durch Selbstötung entfliehen soll, ist widersinnig. Im Gegensatz zur stoischen Position, die auf theoretische Geschlossenheit (konsequenter Ausschluß der Möglichkeit des Übels) abzielt, ist der Konzeption Varros ein gewisser Pragmatismus zueigen. Die Existenz des malum wird zwar nicht bestritten, ist aber insgesamt begrenzt. Auch im größten Elend bleibt schließlich noch der Ausweg des Todes. Die mögliche Aufhebung aller Übel durch den Tod als letztes Refugium der Glückseligkeit läßt Augustin jedoch nicht gelten. Damit wird nämlich nicht nur das malum, sondern auch das Leben selbst als Inbegriff aller Handlungsmöglichkeit aufgehoben. Eine derartige Selbstaufhebung menschlicher Bedingtheit ist also praktisch fruchtlos. Das malum ist auf beiden Wegen nicht zu umgehen; es läßt sich weder theoretisch leugnen (Stoa) noch praktisch verharmlosen (Varro). Wie schon im Bereich der Naturgüter, so zeigt sich also auch an den Tugenden, daß sich das malum menschlicher Kontrolle entzieht. Indem es das bonum potentiell wie aktuell limitiert bzw. negiert, wird dessen uneingeschränkte Realität (als summum bonum) ad absurdum geführt. Die im Augustinischen Denken mit der Immanenz unauflöslich verbundene Kontingenz tritt am Menschen auf zweifache Weise in Erscheinung, und zwar äußerlich so, daß sein physisches Vermögen in bezug auf die gegenständliche Welt (einschließlich seines eigenen Körpers) begrenzt und er der natürlichen Zufälligkeit ausgesetzt ist (d. h. die prima naturae können ihm genommen werden), und innerlich so, daß sein psychisches Vermögen in bezug auf seine eigene Natur als rational-willentliches Wesen begrenzt ist, indem er aufgrund seiner Leiblichkeit permanenter Affektion durch sinnliche Antriebe unterliegt (d. h. er tut nicht notwendig das, was er rationaliter tun will). Ein derart begrenztes Vermögen ist aber außer-

Augustinus als Theoretiker des Naturrechts stande, ein unbegrenztes Gut hervorzubringen: „Legen doch selbst die Tugenden, die unfraglich das Beste und Wertvollste sind, was man hier an Menschen finden kann, je stärker der Beistand ist, den sie gegen die Macht der Gefahren, Mühen und Schmerzen gewähren, ein um so zuverlässigeres Zeugnis vom bestehenden Elende ab“ (XIX 4). Die Tugenden dienen im Blick auf das Diesseits nur zur Kompensation der menschlichen Leiden und Schwächen. Sie sind insofern „nützlich“, als sie dem Menschen einen spezifischen Handlungsraum eröffnen. Dieser ist einerseits nicht unbeschränkt, insofern der Mensch das malum nicht völlig verhindern kann, aber andererseits doch so groß, daß er nicht zur bloßen Funktion seiner irrationalen Komponente reduziert wird.

12.3 Die Begründung der Verbindlichkeit als Grenze theologischer und philosophischer Sinnbestimmung Der gesamte ordo naturalis ist seinem Sinn und Ziel nach menschlichem Dasein und Handeln untergeordnet. Ihm fehlt freilich eine der natürlichen Vernunft zugängliche Sinn- und Zielbestimmung im definitiven Sinne. Aus diesem Grund hat der ordo naturalis einen bloß relativen Orientierungssinn. Diese Situation vermag die natürliche Vernunft (oder die Philosophie) zwar zu durchschauen, sie kann sie aber nicht aufheben. Insoweit bleibt die philosophische Beantwortung des menschlichen Glücksverlangens negativ und kritisch. Augustin greift die relative Wertordnung des ordo naturalis auf, indem er alle irdischen Gegebenheiten und Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt des Friedens auf menschliches Dasein und Handeln bezieht. Auf diese Weise nimmt er das zum Ziel, was er als den Inbegriff der äußeren und inneren Bedingungen dieses menschlichen Daseins und Handelns kennzeichnet. Nur indem der Mensch alles auf den Frieden bezieht, „kann er Nützliches erkennen und sein Leben und Verhalten nach dieser Erkenntnis einrichten“ (XIX 14). Augustin begrenzt somit zwar alles irdische Geschehen seinem Sinn und Ziel nach auf die Aufrechterhaltung und Wahrung der menschlichen Handlungs-

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Gerhard Krieger/Ralf Wingendorf möglichkeiten. Doch diese Handlungsmöglichkeiten sind keinem anderen Ziel verpflichtet als der Aufrechterhaltung und Wahrung eben jener Ordnung, die sie bedingt. Dieser relativen Ordnung gibt Augustin eine transzendente Sinn- und Zielbestimmung, indem er den irdischen Frieden auf den Frieden bezieht, „der zwischen dem sterblichen Menschen und dem unsterblichen Gott besteht“. Dabei hebt Augustin zum einen ausdrücklich den Glauben als Grund der Hinordnung auf das transzendente Ziel hervor. Zum anderen kennzeichnet er diese Hinordnung als einen Akt gemäß dem ewigen Gesetz: „So muß denn aller Friede, der Friede des Leibes und der Seele sowie der zwischen Leib und Seele, gerichtet sein auf jenen Frieden, der den sterblichen Menschen mit dem unsterblichen Gott verbindet; dann besitzt er den im Glauben geordneten Gehorsam gegen das göttliche Gesetz“ (vgl. XIX 14). Das besagt: Die natürliche Ordnung beruht ihrem Inhalt und ihrer (gegebenen) Ordnungsstruktur nach auf göttlicher Vorstellung. Deswegen erfaßt der Mensch in der Erkenntnis des ordo naturalis letztlich die im göttlichen Willen verankerte Seins- und Sollensordnung für die gesamte Schöpfung, d. i. die lex aeterna. Insofern ist mit der Erkenntnis des göttlichen Ursprungs dieser Ordnung keinerlei Modifikation oder Erweiterung des materialen Bestandes des ordo naturalis verknüpft. Entsprechend interpretiert Augustin das Gesetz seinem Inhalt nach im Sinne der Goldenen Regel, indem er fordert, „erstens keinem zu schaden und zweitens sogar jedem womöglich zu nutzen“ (XIX 14). Indem das Gesetz die Respektierung der allgemein-menschlichen Daseins- und Handlungsbedingungen und damit in erster Linie Bestandssicherung fordert6, wird der Gehalt der natürlichen Ordnung weder verändert noch gar ausgeweitet. Augustin konkretisiert das fragliche Gesetz durch das Verbot der Sklaverei, indem er sich am skizzierten funktionalen Gesichtspunkt orientiert und die Wahrung der universellen Bedingungen menschlichen Daseins und Handelns einfordert (vgl. XIX 15).

6 Vgl. c. Faust. XXII 27: ratio divina vel voluntas dei ordinem naturalem conservari iubens, perturbari vetans; frei übersetzt: „Alles soll das sein und bleiben, als was es überhaupt kraft göttlichen Willens geschaffen wurde“.

Augustinus als Theoretiker des Naturrechts Zudem macht die praktische Seite den theologischen Charakter der transzendenten Sinnbestimmung aus: Da die Gesetzeserkenntnis die Bedingungen menschlicher Existenz betrachtet, ist sie gemäß ihrem Gegenstand theoretischer Natur. Insofern kommt es in theoretischer Hinsicht zur herausgestellten Identifizierung der lex aeterna mit dem ordo naturalis. Zugleich fällt diese Erkenntnis aufgrund der Identifizierung der beiden Ordnungen der Sache nach in die Kompetenz der Philosophie. Aus diesem Grund bleibt die theologische Bedeutung dieser Erkenntnis auf den göttlichen Ursprung der Hinordnung auf das transzendente Ziel, d. h. der Gesetzlichkeit der Ordnung beschränkt. Insofern macht der praktische Aspekt der transzendenten Sinnbestimmung den Kern der theologischen Zuständigkeit aus. Diese praktische Seite der Transzendierung der relativen Wertordnung des ordo naturalis deutet sich darin an, daß Augustin davon spricht, daß der Mensch bei der Hinordnung auf das transzendente Ziel, sowohl „der göttlichen Unterweisung“ (magisterium divinum) als auch „der göttlichen Unterstützung“ (auditorium divinum: ebd.) bedürfe. Daß Augustin die göttliche Unterstützung erwähnt, deutet insoweit auf die praktische Aneignung der transzendenten Sinn- und Zielbestimmung hin, als bei einer Unterstützung etwas vorausgesetzt scheint, dem die Unterstützung gilt, und in bezug auf die Gottesliebe gesagt werden kann, daß der Mensch zu ihrer Realisierung in praktischer Hinsicht der göttlichen Hilfe bedarf. Daß die Gottesliebe in den Augen Augustins die eigentlich praktische Aneignung der transzendenten Sinn- und Zielbestimmung vollzieht, zeigt sich zum einen daran, daß er dieses Verhältnis gesondert in den Blick nimmt. Zweitens kommt er erst im Anschluß an diese Betrachtung auf die praktischen Gesichtspunkte zu sprechen, die sich aus dem transzendenten Sinn und Ziel menschlichen Daseins ergeben. Dementsprechend ist drittens erst nach der Betrachtung des Liebesverhältnisses vom präskriptiven Charakter des ordo naturalis die Rede.7 Schließlich sind es die Verknüpfung des Gebotes der Gottesliebe mit dem der Nächstenliebe und dessen nähere Erläute7 Vgl. XIX 15: Hoc naturalis ordo praescribit; daß Augustin die Kennzeichnung des präskriptiven Momentes im allgemeinen bewußt vornimmt, unterstreicht auch Mayer 1990, 144, Anm. 69.

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Gerhard Krieger/Ralf Wingendorf rung, durch die Augustin die Begrenzung des genuin theologischen Gehaltes des Gesetzes auf dessen Anspruchscharakter deutlich macht. Das Ziel des Gebotes der Nächstenliebe, das Augustin das zweite der Hauptgebote Gottes nennt, liegt nach seinen Worten darin, das friedliche Zusammenleben der Menschen zu ermöglichen, um auf diese Weise „dem Nächsten zur Gottesliebe zu verhelfen“ (XIX 14). Somit fordert das Gebot der Nächstenliebe die Erfüllung der relativen Wertordnung des ordo naturalis im Sinne der transzendenten Sinn- und Zielbestimmung des Menschen. Dem Inhalte nach macht Augustin diese Erfüllung aber ausschließlich von der Wahrung jener Funktionszusammenhänge abhängig, die den Bestand der natürlichen Ordnung ausmachen; er erläutert das Gebot der Nächstenliebe nämlich mit Hilfe jener der Goldenen Regel entsprechenden Formel, „keinem zu schaden und jedem womöglich zu nutzen“. Da somit das Gebot der Nächstenliebe allein zur theologischen Integration natürlicher Wertorientierung führt, nicht aber zur Veränderung des normativen Feldes, beschränkt sich der theologische Sinn des Gesetzes auf die Begründung der Präskriptivität.8

12.4 Veränderbarkeit und Unveränderbarkeit der Wertordnung Schließlich ist aus zwei Gründen auf Überlegungen Augustins aus dem ersten Buch von De libero arbitrio einzugehen. Zum einen ist dieser Text zentral für Augustins frühes Verständnis des Naturrechtes.9 Augustin nennt die lex aeterna in dieser Schrift „höchstes Vernunftgesetz“ (lex quae summa ratio nominatur) und spricht von dessen „Eingeprägtsein“ im Menschen (impressa nobis) (vgl. lib.arb. I 6,15). Doch gerät dies nicht in Konflikt mit der theologischen Position, die ansonsten für Augustins Haltung in

8 Dieses Ergebnis bestätigt die Analyse entsprechender Aussagen in De doctrina christiana, vgl. dazu Krieger 1994, bes. 112 ff. Zum strikt transzendenten Inhalt der lex aeterna vgl. auch lib.arb. I 15,32. 9 Ricken 1994, 142 etwa spricht von dem „einzige(n) Text, der argumentativ und zusammenhängend einen Begriff des natürlichen Sittengesetzes entwickelt“, ähnlich Fortin 1978, 186.

Augustinus als Theoretiker des Naturrechts der hier interessierenden Frage kennzeichnend ist und die sich auch in De civitate dei zeigte10. Der sachliche Grund, den Überlegungen in De libero arbitrio Aufmerksamkeit zu schenken, liegt darin, daß Augustin in diesem Text die Frage beantwortet, wie die Veränderung von Gesetzen zu beurteilen ist. Welche Rolle spielt hier das ewige Gesetz? Es geht im besonderen um jene Bedeutung des ewigen Gesetzes als Maßstab und Quelle konkreter Normen (vgl. etwa lib. arb. I 6, 15 sowie vera rel. XXXI 58), die die strukturelle Differenz in der Gesetzesauffassung zwischen Cicero und Augustin markiert. Gemäß der Begrenzung des theologischen Charakters des Gesetzes dem Inhalte nach heißt dies, den Wandel der positiven Rechtsordnung zu einer Art Testfall für die aufgezeigte, relative Eigenständigkeit des ordo naturalis zu machen. Denn sofern Augustin die positive Rechtsordnung zum Bestand des ordo naturalis zählt, dürfte er, sofern er der Rechtsordnung relative Eigenständigkeit zuspricht, keinerlei Versuch unternehmen, aus der lex aeterna Gesichtspunkte zur Beurteilung des angesprochenen Wandels zu gewinnen. Nähme Augustin hingegen die Rechtsordnung aus dem ordo naturalis aus, stellte sich die Frage nach dessen Verbindlichkeit und deren Grund. Augustins Antwort läßt sich in negativer und in positiver Hinsicht charakterisieren. Zum einen unterläßt er jeglichen Versuch, das staatliche Recht aus der lex aeterna abzuleiten. Zum anderen bestimmt er den Sinn der lex temporalis allein von der Aufrechterhaltung eines geordneten Zusammenlebens her (vgl. lib.arb. I 15,32). Augustin begreift die Aufgabe der Gesetzgebung aus ihrer Funktion. An jenem Beispiel gesagt, das Augustin zur Veranschaulichung des Problems des Wandels der Gesetze verwendet: Die Gerechtigkeit der Besetzung der staatlichen Ämter durch Wahl bestimmt sich allein nach Maßgabe der tatsächlichen Verfaßtheit der betreffenden Gemeinschaft. Eine solche Regelung ist deswegen nur gerecht, wenn sich die staatliche

10 Den theologischen Charakter der Augustinischen lex aeterna (im Unterschied zu ihrem philosophischen Verständnis bei Cicero) betont auch die Mehrzahl der Interpreten; vgl. etwa Chroust 1973, 59 f.; Fortin 1978, 180; Girardet 1995, 267. Einen Hinweis auf den theologischen Charakter der lex aeterna stellt weiter der Umstand dar, daß Augustin Sünde als Verstoß gegen dieses Gesetz interpretiert. Vgl. c.Faust. XXII 27.

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Gerhard Krieger/Ralf Wingendorf Gemeinschaft in einem moralisch und rechtlich geordneten Zustand befindet. Ist dieser nicht gegeben, hält es Augustin ebenso für gerecht, derartige Regelungen aufzuheben (vgl. lib.arb. I 6,14–15). Der Gesichtspunkt, unter dem das ewige Gesetz „veranlaßt, daß das […] zeitlich genannte, sei es rechtmäßig erlassen, sei es rechtmäßig geändert wird“ (lib.arb. I 6,15), betrifft allein die Funktionalität des Gemeinwesens und seiner Rechtsordnung, d. h. die Aufrechterhaltung der diesseitigen menschlichen Handlungsmöglichkeiten. Insoweit entspricht diese Sinnund Zielbestimmung staatlicher Gesetzgebung voll und ganz dem relativen Orientierungssinn des ordo naturalis.

12.5 Augustinus als theologischer Naturrechtstheoretiker Unsere These, daß Augustinus ein Theoretiker des Naturrechts ist, umfaßt einen positiven und einen negativen Aspekt. Der negative Aspekt besagt: Der theologische Sinn des Naturrechtsgedankens betrifft nicht die Gehalte dieses Gesetzes. Vielmehr, und darin besteht der positive Aspekt unserer These, gibt Augustinus auf theologischem Wege allein eine Begründung des Momentes der Gesetzlichkeit als solcher. Dieses Moment wird faßbar im Gebot der Gottesliebe. In diesem Akt der Gottesliebe erfolgt die subjektiv-praktische Aneignung des ordo naturalis, der als solcher von theologischen Vorgaben unabhängig ist. Was den skizzierten negativen Aspekt der hier vorgetragenen These betrifft, ist zunächst auf Augustins Haltung zur Glücksbefähigung des Menschen zu verweisen: Die betreffende Diskussion in unserem Text ist mit einem ausdrücklich philosophischen Anspruch verbunden. Augustinus unternimmt eine Selbstbegrenzung der Philosophie, die einerseits im Verzicht auf eine definitive Bestimmung menschlichen Glücks besteht. Andererseits ist diese Erkenntnis Ergebnis philosophischer Reflexion, und insofern erweist sich die Philosophie als unverzichtbares Instrument menschlicher Sinnorientierung. Entsprechend kommt auch dem ordo naturalis in orientierender Hinsicht eine relative Bedeutung zu. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an jene Begrenzung, die Augustinus im Blick sowohl auf die dem Menschen von Natur aus zukommenden Fähigkeiten (prima na-

Augustinus als Theoretiker des Naturrechts turae) wie auch auf die menschlichem Wirken unterliegenden Kräfte (virtus) vornimmt. Weil die Tugenden im Diesseits bloß zur Kompensation humaner Kontingenz, nicht jedoch zu deren Aufhebung taugen, hebt auch der Umstand, daß sie im Jenseits in ein Verhältnis zum summum bonum treten und auf diese Weise zu „wahren“ Tugenden werden, ihr konstitutives Unvermögen bezüglich der Glückseligkeit keineswegs auf: An der objektiven Funktion der Tugenden hat sich beim Wechsel zur Glaubensperspektive nichts geändert. Lediglich der subjektive Modus ihrer Ausübung durch den Menschen ist ein anderer:11 Sie werden vom Gläubigen nicht mehr als Organon eines Glücksstrebens mißbraucht, das im Menschen das Maß aller Dinge erblickt. Im Gegenteil: Sie werden zu Kronzeugen der eigenen Bedingtheit und überantworten sich, allerdings nicht ohne das ihre getan zu haben, der Hoffnung auf das zukünftige Heil (vgl. XIX 4). Der negative Charakter des theologischen Verständnisses der lex naturalis findet schließlich eine Bestätigung in Augustins Interpretation der Goldenen Regel. In unserem Textzusammenhang faßt Augustinus das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe gemäß der Goldenen Regel zusammen.12 Ähnlich verfährt Augustinus auch an anderer Stelle, wo er zunächst Gottes- und Nächstenliebe als den Kern des Dekalogs kennzeichnet und sie dann auf die Goldene Regel bezieht.13 Augustinus vermeidet es also, die (theologischen) Vorgaben des Dekalogs für die Vorstellung eines allgemein-praktischen Grundsatzes zu nutzen. Zum anderen erhebt die Goldene Regel gerade das zu Sinn und Ziel menschlichen Daseins und Handelns, worin ein Leben gemäß dem ordo naturalis seine (relative) Erfüllung findet: Sich selbst

11 Hök 1959, 128 betont „…, daß das richtige Ziel entscheidend ist für den Wert der Tugend – ja, genau genommen, dafür, ob sie im eigentlichen Sinne Tugend genannt werden kann“. Konkret bedeutet dies: „Die Intention hinter aller Tugend soll deshalb die Liebe zu Gott und die Sehnsucht nach Gott sein. Wahrhafte Tugend ist allein diejenige, die dahin zielt, zum Genusse Gottes zu kommen“, ebd. 12 Vgl. die unter III zitierte Wendung aus XIX 14. 13 Decem […] praecepta ad duo illa referuntur … ut diligamus deum et proximum, et duo illa ad unum illud. Unum est autem: ,Quod tibi fieri non uis, alii ne feceris‘. Ibi continentur decem, ibi continentur duo. S. IX 14. Ähnlich auch in en. Ps. 118, sermo XXV 4 und ep. 157, 3, 15.

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Gerhard Krieger/Ralf Wingendorf und niemandem schaden zu wollen heißt nichts anderes, als die allgemeinen Daseins- und Handlungsbedingungen zu respektieren. Man kann Augustinus zwar vorwerfen, bei dieser Begrenzung menschlichen Daseinssinns das eigentliche praktische Problem noch gar nicht in den Blick zu nehmen; indem Augustinus aus der grundlegenden Bedingung menschlicher Praxis auf deren Nichtaufhebbarkeit aus menschlicher Kraft und damit auf die fehlende Selbstvollendungsfähigkeit des Menschen schließt, greift er nämlich das Problem der Gestaltbarkeit menschlichen Daseins noch gar nicht auf. Doch liegt in Augustins Folgerung keinesfalls ein theologisch begründeter Schluß vor. Wie die Begründung des Verbots der Sklaverei belegt, hindert diese Beschränkung Augustinus nicht daran, konkrete Normen zu formulieren. Die von Augustinus vorgenommene Selbstbegrenzung der Philosophie beinhaltet den Verzicht auf eine definitive Sinnbestimmung und verweist zugleich auf die Unverzichtbarkeit philosophischer, d. h. dem Menschen von sich aus offenstehender Orientierung. Diese Selbstbegrenzung der Philosophie bringt exemplarisch zum Ausdruck, was sich als Struktur des ordo naturalis präsentiert, nämlich eine Ordnung, die gegeben und als solche zu realisieren ist. Am Beispiel der Friedensordnung gesagt: Der Friede ist Bedingung menschlichen Daseins und Handelns und als diese zu bewahren. Die naturale Ordnung ist auf diese Weise durch eine relative Eigenständigkeit gekennzeichnet. In ihrer Relativität, und damit kommen wir zur Erläuterung des positiven Aspekts unserer These, steht sie einer Transzendierung im Sinne einer abschließenden Sinn- und Zielbestimmung offen, ohne daß dieser Schritt freilich von der Ordnung selbst erzwungen würde. In diesem Sinne weist Augustinus darauf hin, daß das malum eine unaufhebbare Komponente des menschlichen Lebens darstellt. Indem der Mensch erkennt, daß seine endgültige Bestimmung nicht im Diesseitigen liegen kann, erweist er sich als offen für eine darüber hinausgehende Orientierung. Aufgrund seiner Eigenständigkeit besitzt der ordo naturalis jedoch einen limitierenden Charakter hinsichtlich des summum bonum. Am Beispiel gesagt: Werden die Tugenden auch erst dadurch zu wahren Tugenden, daß sie der Gottesliebe unterstellt sind, so bleibt es doch ihre Aufgabe, das Bedingtsein menschlicher Existenz ertragen zu helfen. Die von Augustinus

Augustinus als Theoretiker des Naturrechts gesuchte abschließende Orientierung muß demnach eine solche sein, die die funktionale Struktur des ordo naturalis als solche respektiert und im Ganzen transzendiert. Da Augustinus das in der antiken Philosophie bejahte Ziel der Verähnlichung mit Gott nicht mehr den (nicht in Zweifel gezogenen) transzendenten Möglichkeiten des Menschen zuschreibt, macht der Gedanke des unmittelbaren und uneingeschränkten In-Anspruch-Genommenseins des Menschen durch Gott den eigentlichen Kern der Augustinischen Naturrechtskonzeption aus. In diesem Sinne bildet die Begründung des Praktischen die eigentliche Grenze der theologischen und der philosophischen Betrachtung. Diese These sei weiter im Blick darauf erläutert, daß Augustinus „dem Wollen […] ausdrücklich Priorität vor dem Erkennen“ (Dihle 1985, 142) einräumt und damit den (offenbarungstheologischen) Primat der Praxis vertritt. Dafür sollen zwei Argumente aus dem Kontext der Augustinischen Willenslehre angeführt werden: Mit dem ersten Argument (conf. VIII 9,21; dazu näher Horn 1996, 128) macht Augustin deutlich, daß menschliches Wollen nur als konkretes und insofern partikuläres Wollen auftreten kann. In seiner Konkretheit und Partikularität kann es aber das menschliche Dasein nie in seiner Gesamtheit und damit definitiv bestimmen, da ansonsten die partikuläre Natur dieses Wollens zerstört wäre. Insofern liegt dem konkreten Wollen ein Wille zugrunde, der der menschlichen Existenz im ganzen ihre Ausrichtung gibt und den der Mensch nicht selbst hervorzubringen vermag. Hebt diese Überlegung, die in ihrer philosophischen und begrenzenden Natur ganz der Augustinischen Aufgabenstellung der Philosophie entspricht, die Unverfügbarkeit der Letztbestimmtheit des Willens für den Menschen und dementsprechend ihre göttliche Begründung hervor, so verdeutlicht das zweite Argument den Primat der Praxis. Und zwar tritt diese Vorrangstellung daran zu Tage, daß der menschliche Geist sich erst im Akt der Selbsterkenntnis erkennt, während er die Liebe zu sich nicht erst hervorbringt, wenn er sich selbst liebt (trin. XII 17,18; dazu näher Dihle ebd.) Das bedeutet, daß in der Selbsterkenntnis des menschlichen Geistes die Verbindung zwischen dem Objekt und dem Subjekt ein eigener willentlicher Akt ist. Dadurch sind der Erkennende und das intentional Erkannte unmittelbar und nicht erst in der tatsächlichen Erkenntnis mit-

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Gerhard Krieger/Ralf Wingendorf einander verbunden. Diese Unmittelbarkeit aber verleiht dem Willen den Vorrang vor dem Erkennen und verweist zugleich auf die angesprochene, willentliche Gesamtausrichtung. Im übrigen machen insbesondere die in diesem Zusammenhang gegebenen Bezüge zu Aristoteles und Plotin deutlich, daß Augustin mit diesem Schritt den antiken Rahmen bewußt verläßt (vgl. dazu näher Horn 1996, 130). Daß Augustinus im Rechtsbereich zwischen unveränderlichen Gesetzen auf der einen Seite und zeitlichen, veränderbaren Gesetzen auf der anderen Seite unterscheidet und auf diese Weise Ciceros Betrachtungsweise, die die Einheit des gesamten Rechtsfeldes betont, strukturell verändert, kann ebenfalls im Lichte dieser Ausgrenzung des Praktischen aus der Zuständigkeit der menschlichen Vernunft gedeutet werden. Denn der Kirchenvater unternimmt keinerlei Versuche der „Anwendung“ unveränderlicher Regeln. Vielmehr ist die Wahrung der menschlichen Daseins- und Handlungsbedingungen der alleinige Maßstab der Beurteilung positiver Gesetzgebung im Besonderen und der zum ordo naturalis gehörenden Normierungen im Allgemeinen. Fragt man deswegen, welche Gesetze für Augustinus unveränderlich sind, bleiben nur die beiden Gebote der Gottes- und Nächstenliebe übrig. Leistet das letztgenannte die theologische Integration natürlicher Wertorientierung gemäß der Relativität der natürlichen Ordnung, bildet das Gebot der Gottesliebe den Kernbestand des infragestehenden Gesetzesbereiches, d. i. der (theologische) Grund der Gesetzlichkeit. Zugleich macht die allgemeine Verfügbarkeit der regula veritatis als Beurteilungskriterium der Unveränderlichkeit deutlich, daß die theologische Zuständigkeit ganz auf diesen einen, praktischen Aspekt begrenzt ist. Wenn man abschließend nach den Motiven fragt, die Augustin dazu bewogen haben, den Gesetzeskomplex theologisch zu deuten, so kann man zunächst – im Vergleich zu Ciceros theologisch-kosmologischer Deutung der lex aeterna (vgl. De leg. II 8,10; De off. III 23) – auf die Entdivinisierung der Natur und die damit verbundene Distanzierung des Menschen in seinem Verhältnis zu Gott verweisen.14 Indem Augustinus den ordo natu14 Dieses Motiv klingt ebenfalls an bei Chroust 1973, 59, und Girardet 1995, 281.

Augustinus als Theoretiker des Naturrechts ralis als Funktionszusammenhang begreift, eröffnet er eine von theologischen Prämissen unabhängige und insofern entdivinisierte Betrachtungsweise der Natur; diese erlaubt dann auch dem Gesichtspunkt der Veränderung der Natur mehr Gewicht zuzuerkennen, als dies bei Cicero der Fall ist. Der funktionale Blick auf die Natur schließt aber keineswegs eine den Naturzusammenhang als Ganzen reflektierende Deutung im theoretischen Sinne aus, wie sie sich in Augustins Verständnis der lex aeterna artikuliert. Unter Berücksichtigung dieser beiden Aspekte ist es erforderlich, auch in praktischer Hinsicht zu einer abschließenden Sinn- und Zielbestimmung zu gelangen. Denn zum einen bietet der ordo naturalis nur eine relative Orientierung und ist in dieser Hinsicht zugleich transzendierbar. Zum anderen ist aus Augustins christlicher Sicht die Zusage endgültiger Erfüllung unerläßlich. Aus diesen Gründen geht mit der Entdivinisierung der Natur und ihrer theoretischen Deutung jene Theologisierung der Praxis einher, wie sie sich in Augustins Verständnis des Liebesgebots manifestiert. Während in theoretischer Hinsicht die Distanz des Menschen zu Gott also dadurch wächst, daß die Natur ihre quasi-göttliche Dignität verliert, ist der Mensch in praktischer Hinsicht unmittelbar von Gott angesprochen.

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Zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie

Otfried Höffe

Positivismus plus Moralismus: zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie

13.1 Staatsdefinierende oder staatsnormierende Gerechtigkeit? In einer berühmten Anekdote läßt Augustinus einen Seeräuber, von Alexander dem Großen zur Rechenschaft gezogen, freimütig antworten: „Machst du es mit dem Erdkreis anders? Ich freilich mit meinem winzigen Schiff heiße Räuber, während man dich mit der großen Flotte Feldherr nennt“ (IV 4; vgl. schon Cicero, De re publica III 14). Für Alexander mag die Antwort dreist klingen, für den Staatstheoretiker weist sie auf die ernste Schwierigkeit, eine Rechts- und Staatsordnung von einer Räuberbande oder einem Verbrechersyndikat, pars pro toto: von der Mafia, trennscharf zu unterscheiden. Allerdings scheint der Anfang desselben Kapitels schon die Lösung bereitzulegen. Gekleidet in eine rhetorische Frage: „Was anders sind also Reiche, wenn ihnen Gerechtigkeit fehlt, als große Räuberbanden?“ (remota itaque iustitia quid sunt regna nisi magna latrocinia?) scheint Augustinus das Unterscheidungsmerkmal in der Gerechtigkeit zu sehen. Und so bedeutende Rechtstheoretiker wie Hans Kelsen (Reine Rechtslehre 21960, 46) un H. L. A. Hart (The Concept of Law 1961, 152) verstehen Augustinus genau in diesem Sinn: Soziale Einheiten, denen es an Gerechtigkeit fehlt, sind keine Staatswesen, sondern Räuberbanden. Die Frage, ob diese Lösung überzeugt, gehört nicht bloß in die Staatstheorie, sondern auch zum Themenkomplex „Recht und Moral“. Wie auch immer man sich zu Augustinus’ Ansicht

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Otfried Höffe stellt – die seitdem gegenwärtige, vorher schon bei Cicero, davor von Platon erörterte Alternative lautet: Der spezifische Gesichtspunkt der Moral, die Gerechtigkeit, ist für Recht und Staat entweder, wie es bei Augustinus der Fall zu sein scheint, unverzichtbar oder aber, wie Kelsen und Hart im Gegenzug behaupten, überflüssig, vielleicht sogar störend. Dort spricht man gern von Rechts- und Staatsmoralismus, hier von Rechts- und Staatspositivismus. In beiden Fällen denken wir bei der Gerechtigkeit vor allem an eine Eigenschaft von Gesetzen und Institutionen. Seit Platons Politeia weiß die Philosophie aber, daß die für ein Gemeinwesen entscheidende Gerechtigkeit auch die Eigenschaft von Personen sein kann. Infolgedessen gibt es für beide, den Moralismus und den Positivismus, zwei Spielarten. Die für die Definition unverzichtbare oder aber überflüssige Gerechtigkeit ist entweder (wie in Platons Politeia) eine Eigenschaft von Personen oder aber (wie in Platons Nomoi) von Gesetzen und Institutionen. Dort kommt es auf die Gerechtigkeit des Herrschers, die personale Gerechtigkeit, hier auf die der Herrschaftsordnung, die politische Gerechtigkeit, an, und im einen Fall kann man vom personalen, im anderen vom politischen Rechtsund Staatsmoralismus bzw. Rechts- und Staatspositivismus sprechen. Die Interpretation von Augustinus’ These – nennen wir sie die remota-Formel – ist also nur auf den ersten Blick klar. Auf den zweiten Blick gibt sie die Alternative von personalem oder aber politischem Rechts- und Staatsmoralismus frei. Außerdem drängt sich eine weitere Unterscheidung auf. Falls Augustinus die Gerechtigkeit für unverzichtbar erklärt, so muß er sie nicht notwendig auf die elementare Definition von Staatlichkeit beziehen, so daß ein Herrschaftsverband ohne Gerechtigkeit das Gegenteil dessen wäre, was wir unter einem Staat verstehen, eine bloße Räuberbande. Die Gerechtigkeit könnte auch lediglich das Kriterium abgeben, das moralisch bessere von moralisch schlechteren Staaten abzusetzen erlaubt, um im Fall vollständig fehlender Gerechtigkeit die Staaten nicht definitorisch, wohl aber legitimatorisch mit Räuberbanden gleichzusetzen: Rundum ungerechte Staaten sind moralisch nicht besser als Räuberbanden. Nach der ersten (von Kelsen und Hart vertretenen) Augustinus-Deutung wäre die Gerechtigkeit für den Kirchenvater ein staatskonstituierendes und staatsdefinierendes Element; zumin-

Zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie dest eine elementare Schicht von Gerechtigkeit gälte als conditio sine qua non von Staatlichkeit. Im zweiten (von Kelsen und Hart nicht erwogenen) Fall würde die Gerechtigkeit nur als staatsnormierendes Element fungieren, das in der bloßen Staatlichkeit fehlen darf, im moralisch legitimen Staat dagegen nicht. Bleibt man bei der ersten Deutung, so ergibt sich als weitere Schwierigkeit, daß die Komposition des in Frage stehenden Kapitels nicht einleuchtet: Warum sollte Augustinus zu Beginn des Kapitels IV 4 eine These vertreten, die er am Ende des Kapitels, mit der Seeräuberanekdote, wieder in Frage stellt? Denn der Seeräuber zweifelt ja nicht an der Staatlichkeit des AlexanderReiches, sondern an dessen Recht, den Staat durch (räuberische) Feldzüge zu erweitern. Und in seiner Kritik am expansionistischen Rom bekräftigt Augustinus diesen Zweifel (vgl. etwa III 10 ff.). Die Frage, ob man das Recht, und ebenso, ob man den Staat auch ohne Gerechtigkeit bzw., genereller, ohne Moral bestimmen kann, erinnert an rechts- und staatstheoretische Kontroversen der Neuzeit. Die Frage wird aber schon vor Augustinus aufgeworfen, überdies von ihm nicht zum ersten Mal. Der Kirchenvater (II 21, auch XIX 21) nimmt selbst Bezug auf die von Cicero in De re publica (II 42–44) berichtete Debatte, die Scipio mit Philus und Laelius führt und die ihrerseits vom klassischen Vorbild, der Politeia, abhängt. Gegen die verbreitete Behauptung, kein Staat sei ohne Ungerechtigkeit zu regieren, setzt Laelius die Gegenbehauptung, nichts sei für den Staat so nachteilig wie Ungerechtigkeit; denn nur mit Hilfe der Gerechtigkeit habe die Eintracht, das festeste und beste Band der Unversehrtheit jedes Staates, Bestand. Damit taucht übrigens eine dritte Möglichkeit auf: die Gerechtigkeit weder als staatsdefinierendes noch als staatsnormierendes, sondern als zum Wohl oder aber Wehe des Staates beitragendes, als staatserhaltendes oder aber die Erhaltung gefährdendes, kurz: als staatspragmatisches Element. Der Frage, wie Augustinus’ remota–Formel zu verstehen ist – im Sinne eines Moralismus oder eines Positivismus, personal oder aber politisch, schließlich definierend, normierend oder pragmatisch – kann man sich über den Entstehungszusammenhang nähern (zur Interpretation vgl. Christes 1980 und Weissengruber 1980). Obwohl De civitate dei, das für viele Jahrhun-

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Otfried Höffe derte wichtigste Werk christlicher Staatstheorie, mit Nachdruck einen größeren, überzeitlichen Anspruch erhebt, wird es ohne seinen geschichtlichen Zusammenhang kaum verständlich. Zwei Gesichtspunkte sind hier wichtig: Einerseits wendet sich Augustinus an und gegen jene „Heiden“, die dem Christentum die Schuld am Niedergang Roms geben, namentlich an der kurz zuvor erfolgten Plünderung Roms durch die Goten (410 n. Chr.). Zusätzlich richtet er sich gegen Christen, die eine christliche Variante des traditionellen römischen Staatsgedankens, eine „Reichstheologie“, vertreten und durch den Fall Roms verunsichert sind. Gegenüber diesen Adressaten argumentiert der Kirchenvater anti-römisch, indem er zunächst auf die grundlegende Überheblichkeit (superbia) Roms und dann im einzelnen darauf hinweist, daß die Zerstörung besiegter Städte ein allgemeiner Kriegsbrauch ist, den die Römer selbst pflegten; daß eine gewisse Milde der gotischen Eroberer gerade von ihrem Christsein herrühre (I 2–7; auch II 2, IV 2); daß das Römische Reich schwere Übel bereits vor dem Verbot des Götterkults erlitten habe (bes. II–III); ferner, daß Rom schwerwiegendes historisches Unrecht anzulasten sei (z. B. der Raub der Sabinerinnen und die Verstoßung der Tarquinier); daß überdies bereits das vorchristliche Rom – etwa bei Sallust und Cicero – schwere Selbstvorwürfe erhebe (I 5, II 18.21, II 2, V 12 u.ö.); schließlich, daß eine durch ungerechte Kriege erlangte Weltherrschaft kein Glück bringe (z. B. IV 3.5). Nach diesem Kontext ist von der remota-Formel keine staatsdefinierende, wohl aber eine staatsnormierende oder eine staatspragmatische Bedeutung zu erwarten. Auf der anderen Seite setzt sich Augustinus mit der Frage auseinander, wie sich das zu staatlicher Macht gekommene Christentum überhaupt zu einem Staatswesen, näherhin zum Römischen Reich als dem vorherrschenden Staat, verhalten soll. Vor Konstantin lag es nahe, nach dem Vorbild Tertullians jede staatliche Herrschaft, da sie auf Kriege und die mit ihnen verbundene Gewalt gründet, zu diskreditieren (z. B. Apologeticum 25,14). Zu Augustinus’ Zeit bot es sich umgekehrt an, die Herrschaft christlicher Kaiser in der Nachfolge von Eusebius zu verklären (z. B. Vita Constantini IV 48). Seitdem mit Galerius ein römischer Kaiser zunächst, im Toleranzedikt von 311, das Christentum gleichstellt (bestätigt in Mailand 313), seitdem Kaiser Konstan-

Zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie tin die Kirche begünstigt und sich am Ende sogar taufen läßt, seitdem sich also das bislang heidnische Imperium in ein christliches Reich umwandelt – im Jahr 380 erhebt Kaiser Theodosius das Christentum zur Staatsreligion –, scheint die christliche Staatstheorie ihren Gegenstand nicht länger negativ bewerten zu können. Von diesem zweiten Kontext her legt sich nahe, De civitate dei als sozialgeschichtliche und vor allem staatstheoretische Apologie des christlich gewordenen Staates zu verstehen. Die Legitimation eines Staates ist aber, wie bereits idealtypisch dargelegt, auf zweierlei Weise möglich. Entweder sieht man die Staatlichkeit als solche für legitim an – dann setzt man sie aber nicht mit Räuberbanden gleich –, oder man reserviert die Legitimität für gewisse Staaten, während man andere, bei denen man sie vermißt, mit Räuberbanden vergleicht. Insofern man statt von (moralischer) Legitimität auch von (politischer) Gerechtigkeit spricht, handelt es sich entweder um die staatsdefinierende oder lediglich um die staatsnormierende Gerechtigkeit oder aber um eine vormoralische, staatspragmatische Legitimität. Von einer christlichen Apologie des Staates sind eher die zweite und die dritte Legitimitätsvermutung zu erwarten: daß nicht alle, wohl aber die heidnischen Staaten zu Räuberbanden erklärt werden, während man christlichen Staaten Legitimität zubilligt. Erneut erweist sich die staatsdefinierende Interpretation der remota-Formel als unplausibel. Die neutestamentlichen Aussagen, wonach man dem Kaiser geben solle, was des Kaisers ist (Mt 22,21 parr.), und wonach jede staatliche Ordnung von Gott eingesetzt sei (Röm 13,1–7), legen allerdings auch die erste, stärkere Legitimitätsvermutung nahe. Ihr zufolge verfügt alle staatliche Herrschaftsordnung über jenes Mindestmaß an Legitimität, das es erlaubt, Christen zum Gehorsam gegen den Staat aufzufordern. Außerdem geht es nach dem Titel des Werkes und nach dem ersten Satz der Vorrede um eine Apologie nicht des christlichen, sondern des Gottesstaates. Von seiner Gerechtigkeit, der vollkommenen Gerechtigkeit, aus könnte sich aber der Unterschied, der zwischen heidnischen und christlichen Staaten besteht, relativieren. Im Angesicht der civitas dei könnte der Gerechtigkeitsgewinn des christlichen Staates so gering ausfallen, daß man ihn vernachlässigen kann und selbst der christliche Staat noch zu sehr einer

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Otfried Höffe Räuberbande gleicht. Augustinus wäre dann ein staatstheoretischer Positivist und im Extremfall zusätzlich insofern ein Machiavellist, als er die irdischen Gemeinwesen der Willkür der Herrscher überließe. Damit bleibt unsere Frage unentschieden; der Entstehungszusammenhang läßt die staatsdefinierende Bedeutung der Gerechtigkeit zwar als wenig plausibel, die eschatologische Ausrichtung des Werkes läßt sie aber nicht als schlechthin unplausibel erscheinen.

13.2 Moralismus oder Positivismus? Welche Position also vertritt De civitate dei tatsächlich? Wie gesagt, verstehen Kelsen und Hart die remota-Formel im Sinne eines Rechtsmoralismus, allerdings ohne auf die genannte Alternative – personale oder politische Gerechtigkeit – einzugehen, auch ohne die normierende und die pragmatische Interpretation nur in Erwägung zu ziehen. Außerdem müßten sie genauer von einem Staatsmoralismus sprechen, da es um die Gerechtigkeit als Element einer Staatsdefinition geht. Für den komplementäre Rechtsmoralismus könnten sie sich allerdings auf ein anderes Augustinisches Diktum berufen, auf die im Anschluß an Cicero formulierte Wendung: „… es gibt kein Recht, wo keine Gerechtigkeit ist“ (… non est autem ius, ubi nulla iustitia est: XIX 21). Bevor wir in den Disput um den Rechts- und Staatsmoralismus eintreten, bedarf es einer weiteren Begriffsklärung: Der Rechtsmoralismus ist von jener strengeren Position, dem Gesetzesmoralismus, zu unterscheiden, der den Gerechtigkeitsbezug für jede einzelne Rechtsbestimmung einfordert: für jedes Gesetz, vielleicht sogar jeden Erlaß. Die bescheidenere Position des Rechtsmoralismus verlangt dagegen den Gerechtigkeitsbezug lediglich für die Rechtsordnung als ganze. Keineswegs behauptet er, Staaten, die unter einigen, vielleicht sogar vielen Gesichtspunkten der Gerechtigkeit widersprächen, seien gar keine Staaten. Solche verwerflichen Staaten – eine Tyrannei, eine Diktatur, im schlimmsten Fall ein totalitärer Staat – wären für ihn allenfalls „Unstaaten“ im Sinne von „Unrechtsstaaten“ (corruptiones regnorum), nicht aber „Nicht-Staaten“. Kennzeichnend für den Rechtsmoralismus ist also die These von einem unabdingbaren moralischen Staatsfundament; nur eine Herr-

Zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie schaftsordnung, der jegliche Gerechtigkeit fehlt, wird mit einer Räuberbande gleichgesetzt. Wenn die These des bescheideneren Rechtsmoralismus zutrifft, übt die Gerechtigkeit im Bereich des Politischen eine doppelte Funktion aus. Sie ist einerseits das rechts- und staatsnormierende Kriterium, das in einem Rechts- und Staatswesen moralisch legitime („gerechte“) von moralisch illegitimen („ungerechten“) Momenten zu unterscheiden erlaubt. Andererseits ist die Gerechtigkeit auch jenes rechts- und staatskonstituierende Prinzip, mit dessen Hilfe ein rechts- und staatsförmiger Zwang – beispielsweise Steuern zu zahlen – gegen bloße Macht abgesetzt wird, etwa die räuberischen Nötigung, die Brieftasche herauszurücken. Nach der Konzeption einer rechtsdefinierenden Gerechtigkeit ist ein Sozialzwang, der keinerlei Gerechtigkeitsbezug aufweist, nicht bloß moralisch verwerflich; er hätte sogar überhaupt keinen Rechtscharakter. Positiv formuliert: Ohne ein Minimum an Gerechtigkeit können zwangsfähige Verbindlichkeiten nicht einmal im bloß positiven Sinn „Recht“ heißen. (Zur näheren Diskussion s. Höffe 1987, Teil I.) Schon dieser Hinweis zeigt, daß die unter dem Stichwort „Recht und Moral“ geführten Kontroversen keine so holzschnittartig einfachen Lösungen verdienen, wie sie in der Regel angeboten werden. Weder muß die eine, als Moralismus angesprochene Seite mangels begrifflicher Klarheit die Phänomene Recht und Moral bzw. Gerechtigkeit vermischen, um entweder in Übereinstimmung mit der strengsten Position, dem Gesetzesmoralismus, „Unrecht“ mit „Nichtrecht“, oder gemäß einer mittleren Position „Unrechtsstaaten“ mit „Nichtstaaten“ gleichzusetzen. Noch muß die andere, Positivismus genannte Seite Recht und Staat in einem zynischen Machiavellismus der blanken Willkür der Herrschenden überlassen. Eine ernsthafte Auseinandersetzung spitzt sich vielmehr auf die Frage zu, ob man nicht zunächst zwischen einer relativen und einer absoluten Trennung von Recht und Moral unterscheiden muß, um sodann bei der Rechtsdefinition nur in bestimmter, aber nicht schlechthin jeder Hinsicht auf den Gerechtigkeitsbezug zu verzichten. Ist nur ein partieller Gerechtigkeitsverzicht gemeint, so ist die beliebte These vom Rechtspositivismus als eines politischen Amoralismus ein Mythos. Genaugenommen liegt gar kein Rechtspositivismus, sondern eine positivismusneutrale analyti-

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Otfried Höffe sche Rechtstheorie vor, die beispielsweise in rechtsdogmatischer Perspektive den Gerechtigkeitsbezug für nicht notwendig, ihn aber etwa im Sinne von positiven, nämlich im geltenden Recht aufgenommenen Gerechtigkeitsprinzipien für zulässig hält. Wird dagegen der Gerechtigkeitsbezug aus dem Begriff des positiven Rechts vollständig herausgenommen, dann ist die Gegenthese ein Mythos, der rechtstheoretische Positivismus bestehe in nichts anderem als einer analytischen Rechtstheorie, die die moralische Frage nach dem legitimen, gerechten Recht beiseite lasse und im Sinne einer Arbeitsteilung sich lediglich mit der Klärung des Rechtsbegriffs befasse. Wendet man diese Unterscheidungen auf die remota-Formel an, so könnte sie, wie Kelsen und Hart vermuten, einen Rechtsmoralismus beinhalten, ohne daß dieser im Sinne eines Gesetzesmoralismus zu verstehen wäre. Wäre sie dagegen rechtspositivistisch gemeint, so müßte sie sich keineswegs mit der These von der strikten Amoralität der Staatsordnung verbinden. Die Frage, welche Lesart richtig ist, läßt sich allein von der remotaFormel her nicht entscheiden. Wie schon der Entstehungszusammenhang, so erlaubt auch die Formel selbst keine eindeutige Antwort. Wegen der Zweideutigkeit des Ablativs remota iustitia läßt sie nämlich beide Lesarten zu. Versteht man ihn im konditionalen Sinn („falls die Gerechtigkeit fehlt“), so trifft die staatsdefinierende Lesart zu, nach der Staaten ohne Gerechtigkeit in Wahrheit keine Staaten sind. Versteht man den Ausdruck dagegen kausal („weil ihnen die Gerechtigkeit fehlt“), so fehlt es nach Augustinus’ Meinung allen Staaten an Gerechtigkeit, und es gilt die staatsnormierende Deutung, wonach Staaten, den Räuberbanden vergleichbar, als solche kein moralisches Fundament besitzen – wenn auch einige von ihnen ein gewisses Maß an Gerechtigkeit verwirklichen mögen. Beide Lesarten lassen übrigens gleichermaßen die Frage offen, ob die Gerechtigkeit im personalen oder aber im politischen Sinn gemeint ist.

13.3 Augustinus’ Staatsbegriff Liest man De civitate dei als Apologie des christlich gewordenen Staates, so kann man den Eindruck gewinnen, Augustinus betrachte die Person des christlichen Herrschers als notwendige

Zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie und hinreichende Voraussetzung für eine genuine, von Räuberbanden verschiedene Staatlichkeit, er vertrete also einen personalen staatstheoretischen Moralismus. Allerdings bliebe dann die Frage offen, ob dieser Moralismus tatsächlich staatsdefinierend oder nicht eher bloß staatsnormierend gemeint ist. Betrachtet man dagegen die eschatologische Ausrichtung des Werkes, so könnte man zur entgegengesetzten Einschätzung kommen, kein irdischer Staat, nicht einmal der christliche, sondern allein das himmlische Reich, der Gottesstaat (civitas dei), verfüge über Gerechtigkeit. In dieser Deutung wird Augustinus zu einem staatstheoretischen Positivisten, der – eventuell à contre cœur – zu einem Machiavellisten würde, nämlich dann, wenn er die irdischen Gemeinwesen der Willkür ihrer Herrscher überließe. Beide Deutungen lassen sich bei näherem Hinsehen nicht halten. Weder macht De civitate dei die personale Gerechtigkeit des Herrschers zum Fundament jedes Gemeinwesens (1.), noch vertritt das Werk einen sowohl von personaler wie politischer Gerechtigkeit abgekoppelten, also rundum gerechtigkeitsfreien Staatsbegriff (2.). 1. Nach dem eingeschobenen Wort „also“ (igitur) versteht Augustinus die remota-Formel als Folgerung aus dem zuvor Gesagten. Das unmittelbar vorangehende Kapitel IV 3 hat einen ideologiekritischen Unterton. Augustinus will die hochtönenden Ausdrücke „Völker, Königreiche, Provinzen“ ihres hohen Klanges entkleiden und auf die durch sie bezeichnete Realität einen von leerem Gerede ungetrübten Blick werfen. Zunächst könnte man meinen, es handle sich dabei um eine spezielle Kritik am heidnischen Rom und an seiner Staatstheologie, die Größe und Glanz auf die eigenen Götter und ihre Verehrung zurückführe. Schließt man die remota-Formel daran an, so würde hier ausschließlich das heidnische Rom zu einem Räuberstaat erklärt. De civitate dei meint dies jedoch nicht. Denn obwohl Augustinus Roms unmoralische Kriege kritisiert und seinen Erfolg, die gewaltige Expansion, als ungerecht ansieht (IV 3 u. ö.: vgl. Schilling 1910, 87 ff.), versteht er als entscheidenden Grundzug Roms nicht die Habgier, sondern die Ruhmsucht, die, weil sie schlimmere Laster bremse, gelegentlich fast als Tugend erscheinen könne (V 13). Beginnend mit der Vorrede, hält Augustinus die Ruhmsucht zwar für eine prinzipielle moralische Verkehrtheit, aus der sich Hochmut (superbia) und Herrschgier

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Otfried Höffe (dominandi libido) ergeben sollen (vgl. Thraede 1977). Er kann Roms relative Vorzüge aber auch anerkennen, Rom sogar bisweilen als vorbildlich hinstellen (vgl. I 24; V 18; ep. 138,3,17; die ältere Kontroverse zwischen Maier 1955 und Straub 1972 über Augustinus’ Rom-Verachtung oder aber Patriotismus muß daher als überholt gelten). Wenn Kapitel IV 3 nicht speziell gegen Rom gerichtet ist, muß es sich an die Adresse von Staaten überhaupt wenden. Schwierig wird es dann mit der Analogie von Individuum und Staat und der anscheinend behaupteten Entsprechung von Gerechtigkeit und Glückseligkeit: Meint Augustinus, daß soziale Entitäten (Familien, Völker, Staaten) nicht anders als Individuen zwei Grundformen aufweisen, so daß es auch auf sozialer Ebene den Gerechten gibt, der in seiner Rechtschaffenheit zwar nur bescheiden, dafür aber in Eintracht mit seinen Mitmenschen, überdies gesund und ruhigen Gewissens, kurz: glücklich lebt, und den Reichen, der sein Vermögen dank unersättlicher Begierde ins Ungemessene vergrößert, zugleich aber in ständiger Angst vor Feindseligkeiten, mithin unglücklich lebt? Wäre diese Deutung von IV 3 richtig, so würde ein unmittelbarer Zusammenhang von (individueller und staatlicher) Gerechtigkeit und (persönlichem bzw. politischem) Erfolg behauptet und vom Ungerechten gesagt, daß er sich selbst schade, während sich Gerechtigkeit bezahlt mache. Und weil die volle Gerechtigkeit (vera iustitia) nur durch den wahren, also christlichen Gott zugänglich wird, müßte Augustinus einen (staats-)pragmatischen Moralismus vertreten und die Übernahme des Christentums nicht allein auf persönlicher, sondern auch auf staatlicher Ebene für vorteilhaft erklären. Folgerichtig könnte nur ein Christ der vollkommene Herrscher sein; seine und nur seine Herrschaft brächte einem Staat dauerhafte Sicherheit, Wohlstand und vor allem Gerechtigkeit und Frieden. In der Tat sagt Kapitel IV 3 zunächst in Bezug auf Einzelpersonen, es sei unsinnig, äußeren Gütern auch um den Preis innerer Unruhe und äußerer Feindseligkeiten nachzugehen; sodann behauptet es das gleiche von Familien, Völkern und Reichen. Insbesondere sei diese Unruhe, so Augustinus, der Zustand des Römischen Reichs, wie es auch zuvor der Zustand des Assyrischen Reichs gewesen sei. Beide ließen sich zwar im Sinn ihres Expansionismus als erfolgreich, im Sinn der wahren Glücksgü-

Zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie ter aber nicht als glücklich bezeichnen (vgl. IV 5–6). Im selben Sinn nennt Augustinus in V 24 christliche Kaiser nicht dann glücklich, wenn sie sich „der Spenden und Tröstungen in der Mühsal dieses Lebens“ erfreuen, sondern „wenn sie gerecht regieren“. Dennoch kann hier kein pragmatischer Moralismus vorliegen. In Buch IV konfrontiert Augustinus zwar die heidnischen Staatstheologen mit der Frage, ob sie einen Grund hätten, ihren Göttern für die römische Expansion dankbar zu sein; die Antwort, die er unterstellt, ist natürlich negativ (vgl. IV 7–13). Augustinus will aber weder sagen, es ergehe allen Ungerechten schlecht und allen Gerechten gut (seien dies Individuen oder Staaten), noch behauptet er, die heidnische Religion und nicht das Christentum habe Roms Unglück heraufbeschworen; und noch weniger erklärt er, unter einem christlichen Herrscher sei das Hegemoniestreben eines Staates gerechtfertigt, da es die unterworfenen Völker glücklich mache. Der Kirchenvater vertritt für Gerechtigkeit und Wohlergehen einen bescheideneren Zusammenhang. Nicht daß es dem Gerechten gut, dem Ungerechten schlecht ergehe, behauptet er, wohl aber, daß es sich nicht lohne, um jeden Preis nach äußeren Gütern zu streben. Den Hintergrund dieser Relativierung äußerer Güter bildet die eschatologische Ausrichtung von De civitate dei. Ihr zufolge kann selbst ein christlicher Regent den Staat nicht zu vollkommener Gerechtigkeit führen. Weil sich die perfectio iustitiae erst im endzeitlichen Gottesstaat erreichen läßt (XIX 27; vgl. vera … iustitia non est nisi in ea re publica, cuius conditor rectorque Christus est: II 21), kann sie, die vollkommene Gerechtigkeit, weder das Staatsfundament noch das Staatsziel abgeben. Freilich kann der christliche Regent für relative Gerechtigkeit sorgen, indem er gleichsam sozialtechnische Schritte zur Verbesserung der politischen Situation vornimmt. Und diese Fähigkeit habe er seinem paganen Amtskollegen deshalb voraus, weil er als Christ Anteil an der vera iustitia des Gottesreiches habe und weil nur er bei dem von Platon und Cicero übernommenen Gerechtigkeitsprinzip sua cuique distribuere (jedem das Seine zuteilen) den Gott zustehenden Anteil beurteilen könne. Allerdings sei selbst in der Seele des gerechten Christen die Gerechtigkeit lediglich „wie eine geometrische Figur, die in den Sand gemalt“ sei, nicht wie eine, die der Verstand betrachte (XI 29). Die irdische Alternative

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Otfried Höffe zur vollkommenen Gerechtigkeit des Gottesstaates bewegt sich also zwischen einem vollkommen ungerechten und einem hinsichtlich seines Fundaments im Grundsatz ungerechten, in Einzelheiten aber doch gerechten Staates. In der Argumentation gegen die paganen und christlichen Staatstheologen bezieht sich Augustinus mit der Antithese von äußeren und inneren Gütern auf die Glücksdiskussion der Platonischen sowie der stoischen Ethik. In Gestalt der Opposition des Weisen, der auch unter schlimmen politischen Umständen glücklich ist, und des Tyrannen, der in Wahrheit seiner eigenen Seele Schaden zufügt, greift er in Kapitel IV 3 auf das Platonisch-stoische Autarkie-Ideal zurück. Sieht man jedoch genauer hin, so argumentiert er an dieser Stelle lediglich ad hominem, bezogen auf seine paganen Gegenspieler. Denn wie etwa Kapitel XX 2 zeigt, vertritt Augustinus selbst nicht mehr die These eines (für Menschen nachvollziehbaren) innerweltlichen Tun-Ergehens-Zusammenhangs; im Gegenteil, es könne auch den Guten schlecht und den Bösen gut ergehen. Zudem hält Augustinus jetzt, in seiner Spätphilosophie, das heidnisch-philosophische Tugendideal für unter irdischen Bedingungen prinzipiell uneinlösbar (vgl. XIX 4). An die Stelle des Weisheitsideals, das er selbst bis in die 390er Jahre lehrte (z. B. beata v. 4,25), tritt eine zwar verwandte, aber in einem wichtigen Punkt veränderte Position: Wegen der christlichen Sündentheologie bleibt jene Person, die die Rolle des Platonisch-stoischen Philosophen übernimmt, der christliche Erwählte oder Heilige, zahlreichen moralischen Anfechtungen und Unvollkommenheiten ausgesetzt. Er taugt nicht zu Platons Philosophenkönig, erhält somit keinen den gerechten Staat verbürgenden Rang. Herrschaftsverbände, an deren Spitze ein wahrer Christ steht (zur Kritik des Scheinchristen: V 25), sind bestenfalls von der krassen Habgier und der extremen Gewalt von Räuberbanden ausgenommen. Das christliche Herrscherideal erhält aber in De civitate dei nur ein moderates Gewicht (vgl. V 24–26). Daß man „auf die eigene Kraft pocht, statt im Herrn Ruhm zu suchen“ (VIII 4), geschieht auch bei ihnen. Weil dieselbe Gefahr für die Untertanen, auch wenn sie Christen sind, droht, erscheint auch die christlich regierte terrena civitas als jenes „Babylon“, das Augustinus als „Genossenschaft der gottlosen Engel und Menschen“ (XVIII 18), letztlich als einen „Staat des Teufels“ anspricht (XVI 16). Auch

Zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie in ihrer moderaten Form ist Augustinus’ Wertschätzung des christlichen Herrschers allerdings nicht unproblematisch. Für die Gerechtigkeit und das Wohlergehen des Gemeinwesens werden nämlich nicht so sehr die Institutionen und Gesetze als die moralische Qualität der Bürger, namentlich der Herrscher, verantwortlich gemacht. (Heute besteht die entgegengesetzte Gefahr, einer A-Personalisierung; namentlich in der Systemtheorie ist von Personen und ihrer Korruptionsgefährdung keine Rede mehr; zur Kritik vgl. Höffe 1990, Kap. 3.1). Die These erinnert an Platons Politeia, an ihren Zusammenhang von personaler und politischer Gerechtigkeit (vgl. Höffe 1997, Kap. 4). Wie bei Platon, so ist auch für Augustinus die politische Ungerechtigkeit („Räuberei“) die Folge der personalen Ungerechtigkeit, bei Platon der Habgier (pleonexia), bei Augustinus die Herrschsucht (libido dominandi). Im Unterschied zu Platon wird sie aber nicht durch Erziehung und Philosophie, sondern letztlich nur durch die Gottesliebe, amor dei, überwunden (z. B. V 19), was ein zweites Argument dafür abgibt, daß nur der wahre Christ zum (relativ) guten Herrscher taugt (vgl. XIV 28). Mit Augustinus’ Personalisierung gerechter Herrschaft verbindet sich die Gefahr einer negativen Moralisierung: Statt über die Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit von Gesetzen und Verfassungen spricht man mehr über die Korruption von Personen, der Kirchenvater vor allem über die Habgier der römischen Führungselite und über rechtschaffene Herrscher als ihr Gegenbild (vgl. etwa den „Fürstenspiegel“: V 24). Augustinus dürfte darin von einer in der Spätantike seit Kaiser Diokletian beobachtbaren Tendenz beeinflußt sein; anstelle des ius strictum wurde im Römischen Reich zunehmend eine Rechtsprechung der Billigkeit praktiziert, und an die Stelle institutioneller Administration traten vermehrt willkürliche Verwaltungsakte (vgl. Hadot 1972, 602–606). 2. Daß die remota-Formel staatsnormierend, nicht staatsdefinierend gemeint ist, zeigt nicht bloß die Seeräuber-Anekdote, sondern schon die unmittelbar anschließende Umkehrung: Räuberbanden sind nichts anderes als kleine Reiche (latrocinia quid sunt nisi parva regna?). Entgegen dem Urteil von Kelsen und Hart erweist sich Augustinus nicht als Rechtsmoralist, sondern als ein (gemäßigter) Rechtspositivist, der die Staaten zwar gegen die Gerechtigkeit hin geöffnet sieht, ansonsten aber keinen prin-

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Otfried Höffe zipiellen Unterschied zwischen Staaten und Räuberbanden annimmt. Weil wir unter einer Räuberbande eine soziale Entität verstehen, die eklatant gegen Gerechtigkeit verstößt, könnte man die Umkehrung der remota-Formel als eine Aufwertung der Räuberbanden lesen. Augustinus geht es jedoch im Gegenteil um jene moralische Relativierung irdischer Staatlichkeit, die in der ideologiekritischen Bemerkung des vorausgehenden Kapitels (IV 3) anklingt. Zur Begründung sowohl der remota-Formel als auch ihrer Umkehrung führt Kapitel IV 4 wie im Vorübergehen und in genialer Kürze einen Staatsbegriff ein, der aus neun Elementen besteht. In den ersten fünf Elementen kann Augustinus die Räuberbanden deshalb den Staaten (qua Königreichen: regna) gleichstellen, weil er im Blick auf die Außenperspektive einzig mit der Gewalt gegen andere rechnet. Dem, der sich mit der Innenperspektive, dem Gesichtspunkt der Bandenmitglieder, zufrieden gibt, erscheinen Räuberbanden in der Tat nicht anders als Staaten. Sie sind (1) aus einer Vielzahl von Menschen gebildet, stehen (2) unter Befehl eines Anführers, dessen Stellung sich, weil (3a) die Mitglieder durch einen Gesellschaftsvertrag (pactum societatis) verbunden sind, nicht in erster Linie überlegener Macht, sondern einer Autorisierung durch Zustimmung verdankt. (Außerdem bedeutet der Vertrag, daß der daraus hervorgehende Staat – was Augustinus hier allerdings nicht anspricht – (3b) eine künstliche Einheit im Unterschied zur natürlichen Einheit, der Familie, bildet.) Es gilt (4) ein Gesetz (lex), nach dem man (5) das gemeinsam erworbene Gut teilt. Erst mit den folgenden drei Definitionselementen unterscheiden sich Räuberbanden von Staaten: Nur bei Staaten im Vollsinn gibt es (6) eine Menschenmenge, die groß genug ist, um als „Volk“ gelten zu können; weiterhin (7) die städtische Siedlungsform und einen nennenswerten Territorialbesitz sowie (8) die rechtliche Straflosigkeit für ihre (räuberischen) Handlungen. Da sich Augustinus der dann folgenden These des Seeräubers anschließt, muß man die drei letztgenannten Definitionsmerkmale (6–8) als nicht entscheidend betrachten. Wesentlich sind vielmehr nur die Gemeinsamkeiten (1–5); ferner daß beide, Staaten und Räuberbanden, so das Merkmal (9), gleichermaßen nach außen an Eroberung und Plünderung interessiert sind.

Zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie Ob Staat oder räuberischer Quasi-Staat – beide erscheinen als Ordnungen von Befehl und Gehorsam, was an jene neuzeitliche Imperativentheorie erinnert, die von Hobbes über Bentham bis Austin vertreten, eine moralisch neutrale, freilich nicht zureichende Bestimmung vornimmt. Erstaunlicherweise werden dennoch die Elemente (6)–(9) nicht neutral, sondern mit dem Unterton moralischer Anklage eingeführt. Die wachsende Bevölkerungszahl, so läßt Augustinus den Seeräuber sagen, ergibt sich aus dem „Zuzug verkommener Menschen“; mit ihrer Hilfe werden Ortschaften besetzt, Neugründungen vorgenommen, Städte erobert und fremde Völker unterworfen. Die Habgier von Staaten ist also nicht geringer als die von Seeräubern, findet vielmehr eine Stütze in wachsender Macht. Die Verbindung von Größe mit Gewalt hat aber zur Folge, daß niemand mehr mächtig genug ist, den so entstandenen Staat für seine Übeltaten zur Rechenschaft zu ziehen. Diese Situation, daß sich das Unrecht der Straflosigkeit (inpunitas) erfreut, läßt sich als Souveränität ansprechen; denn die soziale Einheit verfügt über jene höchste Gewalt, der von außen niemand hereinzureden vermag. Als geschichtliches Beispiel für eine Räuberbande, die sich beinahe zu einem Staat (regnum) entwickelt hätte, führt Augustinus übrigens das Gladiatoren- bzw. Sklavenheer unter Spartakus an (IV 5), als Beispiel für einen Staat, den man als große Räuberbande ansehen muß, das Assyrerreich unter Ninus (9. Jh. v. Chr.), der als erster König einen Krieg aus Herrschgier begonnen haben soll (V 6). Wir sehen: Augustinus meint mit Sicherheit nicht, Gerechtigkeit sei ein notwendiges Merkmal von Staatlichkeit, ein staatskonstituierendes und staatsdefinierendes Element. Daß er im Gegenteil Staaten für gerechtigkeitsunabhängig definierbar hält, läßt sich anhand seiner Reaktion auf Cicero bestätigen, der wiederum auf Aristoteles (Politik I 2, 1253a17 f.: dikaiou kai adikou … koinônia) zurückgreift. Nach dem von Augustinus referierten Ciceronischen Staatsbegriff (II 21; XIX 21 und 24), setzt ein Staat sowohl „Übereinstimmung im Recht“ (iuris consensus) voraus als auch „Gemeinsamkeit der Interessen“ (utilitatis communio). Nun könnte man das erste Element empirisch verstehen und überall dort, wo gemeinsame Gesetze herrschen, gegeben sehen. Augustinus dagegen hat ein normatives Verständnis. Er bindet das Recht an die Gerechtigkeit, gibt sich dabei aber nicht mit jener bescheidenen, rechtsdefinierenden Gerechtigkeit zu-

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Otfried Höffe frieden, die auf die Gleichheit der Gesetze und ihren Lebensund Eigentumsschutz abhebt; er fordert vielmehr vollkommene Gerechtigkeit ein.

13.4 Positivismus, Moralismus und Eschatologie Mit diesem – von Aristoteles her gesehen wie auch in der Sache – unnötig anspruchsvollen Verständnis könnte der Kirchenvater den (gemäßigten) Rechtspositivismus verlassen und wenigstens in gewisser Hinsicht den von Kelsen und Hart kritisierten Rechtsmoralismus doch übernehmen. In der Tat sagt er deutlich genug, wo keine Gerechtigkeit sei, könne auch kein Recht sein (XIX 21). Ein derartiger Rechtsmoralismus hätte aber eine Folge, die Augustinus für unplausibel hält: das Römische Reich wäre trotz seiner langen Geschichte gar kein Staat gewesen (XIX 24). Aus gutem Grund hält er daher die Forderung nach irdischer Gerechtigkeit als Definitionsmerkmal von Staatlichkeit für unangemessen, weshalb er eine gegenüber Cicero neue, jetzt auf den Gerechtigkeitsbezug verzichtende Staatsdefinition vertritt. Für sie ändert er übrigens den Subjektbegriff; wie Cicero spricht er nicht mehr von regnum oder imperium, sondern von res publica. Augustinus geht vom (Staats-)Volk (populus) aus, das er als „eine Verbindung rationaler Wesen“ definiert, „die durch die einträchtige Gemeinschaft der von ihr geliebten Dinge verbunden ist“ (rationalis multitudinis coetus, rerum quas diligit concordi communione sociatus: XIX 24). Im selben Kapitel hebt der Kirchenvater eigens hervor, daß beliebige gemeinsame Interessen („geliebte Dinge“) staatskonstituierend seien. Handelt es sich dabei um Beutegüter wie im Fall einer Räuberbande oder des expansionistischen Römischen Reichs, so ist die Staatsdefinition nicht weniger erfüllt als in dem Fall, daß man Gerechtigkeit als gemeinsames Gut anstrebt. Damit bewahrt Augustinus von der Aristotelisch-Ciceronischen Definition nur die pragmatische Seite, den gemeinsamen Nutzen, während er das zweite Element aufgibt, und dies wohl deshalb, weil er es zunächst zu anspruchsvoll versteht und sodann zu Recht sieht, daß ein so verstandenes Element für die Staatsdefinition überflüssig, sogar schädlich ist. Zugleich übersieht er die für ein Gemeinwesen charakteristische Organisati-

Zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie onsform des gemeinsamen Rechts (Gesetze existieren nach IV 4 freilich auch in einer Räuberbande). Insofern wird Augustinus zu einem Vorläufer des modernen Rechts- und Staatspositivismus. Freilich liegt es nicht in seiner Absicht, den Staat von der Moralzumutung freizusprechen. Im Gegenteil bleibt für ihn der vollkommen gerechte Staat ein sinnvoller, unter irdischen Bedingungen aber prinzipiell uneinlösbarer Begriff. Insgesamt verbindet De civitate dei einen strengen staatsdefinierenden Positivismus mit einem bescheidenen staatsnormierenden Moralismus und einem erneut strengen eschatologischen Rechtsmoralismus. Augustinus kennt nicht bloß eine Gerechtigkeitsbindung des Staates; er verschärft sie sogar zur Bindung an die wahre Gerechtigkeit. Weil diese aber auf Erden unerreichbar ist, erscheint jeder irdische Staat als relativ ungerecht, nämlich von der wahren Gerechtigkeit so weit entfernt, daß er nicht anders als eine Räuberbande aussieht. Augustinus’ rechts- und staatstheoretischer Positivismus ist der Preis für die eschatologische Relativierung des Irdischen. Eine Identität von Staat und Räuberbande ergibt sich nämlich nur in eschatologischer Perpektive. Vergleicht man die irdischen Staaten untereinander, so gibt es hinsichtlich ihrer Gerechtigkeit große Unterschiede, die auch Augustinus nicht etwa für belanglos hält. Eine klare Formulierung der Doppelperspektive fehlt jedoch; und dieses Defizit leistet den beiden widersprüchlichen Interpretationen, der positivistischen und der moralistischen Deutung, Vorschub. Die positivistische Lesart: Schon weil überhaupt Menschen über Menschen herrschen, erscheint der Staat in eschatologischer Perspektive als ein Gemeinwesen, das nie zur wahren Gerechtigkeit findet, folglich wie eine Räuberbande aussieht. Die moralistische Lesart: Der Staat bleibt aufgerufen, sich zur wahren Gerechtigkeit zu bekehren, was ihm freilich erst im Jenseits, als Gottesstaat, gelingt. Achtet man auf die Elemente (3) und (5) der in Kapitel IV 4 enthaltenen Staatsdefinition, so erscheint diese als eine Wendung in der antiken Staatstheorie, als ein Vorgriff auf den Zusammenhang von Interesse und Konsens aus der Hobbesschen Vertragstheorie. Augustinus ist allerdings nicht der erste antike Vertragstheoretiker. Indizien für eine kontraktualistische Staatsbegründung finden sich bereits bei den Sophisten (dazu Kahn 1981, Sprute 1989). Beispielsweise referiert Glaukon im zweiten

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Otfried Höffe Buch der Platonischen Politeia (II 359a) ein sophistisches Vertragsargument; es beruht auf der allgemeinen Anerkennung des Vorteils, der entsteht, wenn man durch gegenseitigen Verzicht auf Unrechttun selber kein Unrecht erleiden muß. Eine Vertragstheorie der Gerechtigkeit findet sich auch bei Epikur; dieser sieht im „Recht der Natur“ eine „Vereinbarung über das, was zuträglich ist, um einander nicht zu schädigen noch geschädigt zu werden“ (Kyriai doxai 31; vgl. 33). Im Blick auf die Vertragstheorie stellt sich generell die Frage, ob man sie positivistisch angemessen verstehen kann oder ob sie nicht allein wegen des Zusammenhangs von Interesse und Konsens immer schon eine gewisse Gerechtigkeitsschicht enthält. Insofern sich auch bei Augustinus die Befehl-Gehorsams-Ordnung, zumal bei der Räuberbande, nicht überlegener Macht oder göttlicher Stiftung, sondern einer freien Übereinkunft verdankt und diese mit dem gemeinsamen Vorteil eines jeden Mitglieds zusammenhängt, tauchen im Katalog der Definitionsmerkmale Momente von Legitimität auf, die Augustinus allerdings nicht als solche würdigt: Wegen des dritten genannten Begriffselementes, weil die soziale Entität gemäß dem Vertrag aus freier Zustimmung der Mitglieder, nicht aus Zwang entsteht, kommt ein demokratisches Element ins Spiel, das man als formale Gerechtigkeit bezeichnen und das bei Räuberbanden sogar deutlicher als bei Staaten ausgeprägt sein kann. Denn letztere entstehen häufig durch Besetzen, Erobern oder Unterwerfen, kurz: durch Gewalt. Dazu kommt im sechsten Begriffselement eine substantielle oder materiale Gerechtigkeit. Die Beute wird geteilt, so daß die Räuberbande für jedes Mitglied vorteilhaft und insofern, wegen eines nicht bloß kollektiven, sondern distributiven Vorteils, auch gerecht ist. Nicht zuletzt gibt es – allerdings nur in IV 4, nicht in XIX 24 – jene subsidiäre Gerechtigkeit, nämlich Gleichbehandlung, die im fünften Element, dem Gesetz, also in einer allgemeinen Regel, enthalten ist. Fixiert auf die unter dem Blickwinkel „Räuberbande“ vorherrschende Ungerechtigkeit, also auf die Außenperspektive und die dazu gehörende Habgier der Führungselite, beachtet Augustinus zumindest in IV 3 diese Gerechtigkeitsansätze, die der Innenperspektive der politischen Grundordnung, nicht. Er legt sich auch nicht die Frage vor, inwieweit der Übergang von der Räuberbande zum Staat zu einer Stärkung oder aber Schwä-

Zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie chung der Gerechtigkeitsansätze führt. Die gewaltsame Erweiterung der sozialen Einheit bedeutet jedenfalls eine Schwächung der Gerechtigkeit, ebenso die Möglichkeit, daß in größeren Einheiten vielleicht nicht mehr jedes Mitglied am Vorteil partizipiert. Andererseits kommt es dann zu einer Stärkung zumindest der subsidiären Gerechtigkeit, wenn die gesamte Organisation der größeren Einheit mit Hilfe von Gesetzen erfolgt. Vor allem fehlt bei Augustinus jenes Grundelement der staatsdefinierenden Gerechtigkeit: daß ein Gemeinwesen, indem es durch das Strafrecht Leib und Leben, Eigentum, den guten Namen („Ehre“) und andere Rechtsgüter schützt, Vorteile erbringt, die jedem zugute kommen. Weil De civitate dei den entscheidenden Vorteil von Staaten gegenüber Räuberbanden, die distributiv vorteilhafte Rechtssicherung, nicht anführt, gelangt es nicht zu einer staatsdefinierenden Gerechtigkeit. Auf diese Weise findet schon bei Augustinus statt, was Rechtsund Staatspositivisten von Hobbes (dieser ist freilich ein Positivist nur mit Einschränkung; vgl. Höffe 1996) – über Bentham und Austin bis Kelsen und Hart (wiederum ein Positivist mit Einschränkung) für sich in Anspruch nehmen wollen. Die Gerechtigkeit oder, genereller, die Moral erscheint nicht als staatsdefinierendes, sondern lediglich als staatsnormierendes Moment. Anders als die modernen Positivisten gesteht Augustinus zwar zu, daß die Gerechtigkeit im Staatsfundament eine gewisse Rolle spielt. Er versteht diese jedoch nur im Sinn einer göttlichen Strafgerechtigkeit in einer Welt, die durch den menschlichen „Sündenfall“ geprägt ist. Vor dem Hintergrund dieser Lehre wird klar, weshalb er sagen kann, irdische Macht sei stets als göttliche Gabe verliehen, auch dann, wenn sie unmoralischen Personen überlassen ist (vgl. deus igitur … felicitatis auctor et dator …, ipse dat regna terrena et bonis et malis: IV 33). Andererseits hält Augustinus für die Staatsordnung eine Art Restmoral für erstrebenswert, die gemäß Röm 13,1–7 die Loyalität des christlichen Staatsbürgers rechtfertigt (vgl. c. Faust. 22,75 f.). Tadelnswert sei nicht schon die staatliche Zwangsgewalt, sondern nur die Tyrannis (vgl. nec vituperabilis ordo regiae potestatis, si rex crudelitate tyrannica saeviat: De bono coniugali 4,16). Infolgedessen kennt der Kirchenvater auch ein Recht auf bürgerlichen Ungehorsam gegen ein tyrannisches Regiment (ep. 105,2,7; c. Faust. 19,2). Außerdem gesteht er der staatlichen Vertragsord-

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Otfried Höffe nung ausdrücklich eine eigene Rationalität zu (vgl. est enim civitas non quorumlibet animantium, sed rationalium multitudo, legis unius societate devincta: Quaestiones evangeliorum II 46,3). Nicht zuletzt stellt er fest, daß diejenigen Güter, die im Vetragskonsens gemeinsam angestrebt werden, nicht nur vermeintliche, sondern wirkliche Güter sind (non autem recte dicitur ea bona non esse, quae concupiscit haec civitas: XV 4). Augustinus meint also keineswegs, die Staatsordnung sei moralisch prinzipiell korrupt; dennoch glaubt er, daß moralische Elemente unter den Bedingungen einer göttlichen Strafordnung niemals staatsprägend werden können. Überdies befaßt sich er mit der impliziten Moral moralisch zweifelhafter Personen oder Körperschaften. In Buch XIX vertritt er dazu die Position, es gebe niemanden, der ohne Restelemente von Moral auskommen könne. Wenn er am Beispiel des mythischen Straßenräubers Cacus feststellt, daß selbst dieser stillschweigend die Friedens- und Rechtsordnung voraussetze, um seinen Raubzügen ungestört nachgehen zu können (XIX 12), so beruft er sich insofern auf Cacus’ eigene Restmoral, als nicht einmal der konsequente Egoist den Primat des Friedens vor dem Unfrieden aufhebe, wenn auch nur im Blick auf sich selbst. Ähnlich sagt Augustinus, selbst der unmoralischste Krieg werde um eines künftigen Friedens willen unternommen. Und der innere Friede eines noch so korrupten Staates (und damit auch der Räuberbande), seine „geordnete Eintracht“ (ordinata concordia), ist in De civitate dei ein bleibendes Indiz für die umfassende göttliche Friedensordnung, selbst wenn hier nur eine Schwundstufe vorliegt (XIX 13). Allgemein gesprochen, kann die Strebensordnung von Personen oder Institutionen rundum „pervertiert“ sein; sie enthält dennoch bleibende Spuren ihrer ursprünglichen, auf Gott gerichteten Ordnung. Dieser Umstand hebt den staatsdefinierenden Positivismus von Kapitel IV 4 freilich nicht auf; im Gegenteil, er liegt ihm zugrunde. Denn Augustinus hält solche Restelemente nicht für moralisch im Vollsinn des Wortes (zur perfectio iustitiae vgl. oben S. 269). Er bejaht solche Elemente als werthaft positiv, schränkt aber den Bereich des moralisch Guten auf den strengen Sinn einer göttlich orientierten Willensteleologie ein. Der Preis ist offensichtlich hoch; der Kirchenvater nimmt sich die Möglichkeit, an der unbedingten moralischen Qualität von

Zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie individuellen Handlungen und von politischen Institutionen festzuhalten. In diesem Punkt liegt sicherlich die zentrale Schwäche der Augustinischen Staatstheorie (vgl. schon Duchrow 21983, 317). Anders als die modernen Positivisten streitet sie zwar nicht rundweg ab, daß sich hinter einigen der staatsdefinierende Begriffselemente ein Zug von Gerechtigkeit verbirgt. Aber sie kann diese Elemente nicht im Vollsinn als moralisch akzeptieren. Daß Augustinus die sich in ihnen abzeichnende, genuine staatsdefinierende Gerechtigkeit nicht anerkennt, dürfte – neben ihrer starken eschatologischen und sündentheologischen Ausrichtung – mit der Überbetonung der personalen Gerechtigkeit zusammenhängen: „Dient darum ein Mensch Gott nicht, was kann es dann in ihm noch an Gerechtigkeit geben? … Und wenn in einem solchen Menschen keinerlei Gerechtigkeit ist, dann auch zweifellos nicht in einem Kreise, der aus lauter solchen Menschen besteht“ (XIX 21). Dieser Satz überzeugt für die personale Gerechtigkeit durchaus; aus ihrem Fehlen folgt aber nicht, daß es auch den Institutionen und Gesetzen an Gerechtigkeit fehlen müßte.

13.5 Defizit an staatsnormierender Gerechtigkeit Augustinus’ Staatstheorie ist nicht schlechthin gerechtigkeitsindifferent; wohl aber läßt sie den verbleibenden Elementen von Gerechtigkeit keine angemessene Würdigung zuteil werden. Zusätzlich zur eschatologischen Relativierung der irdischen Gerechtigkeit herrscht eine Tendenz zur Negativdarstellung vor: Staatlichkeit wird vornehmlich aus der Perspektive von Ungerechtigkeit, Gewalt und Krieg dargestellt. In der Geschichte der antiken Staatsbeschreibung ist dieser Pessimismus neuartig. Ihn als „politischen Realismus“ zu bezeichnen (Niebuhr 21986), heißt, Augustinus’ Staatstheorie zu wohlwollend zu beurteilen. Gewiß, der Kirchenvater legt den Finger auf wunde Stellen der römischen Geschichte, ohne eine negative Propaganda etwa im Stil des Orosius, eines zeitgenössichen spanischen Presbyters, zu betreiben. Die zu einem Realismus erforderliche Fähigkeit, beide Seiten, das Gute wie das Böse, gleichermaßen anzuerkennen, kann man ihm aber schwerlich zuschreiben.

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Otfried Höffe Beginnend mit dem Brudermord Kains, den er zugleich als ersten Stadtgründer präsentiert (XV 1–8), sieht Augustinus die Geschichte politischer Herrschaft mehrheitlich als Unrechtsund Katastrophengeschichte an. Deutlich zeigt sich dies an den heidnischen Weltreichen, vor allem am Römischen Reich, an dessen Ursprung er ebenfalls einen Brudermord sieht, den von Romulus an Remus, begangen aus dem Ehrgeiz, der einzige Staatsgründer zu sein. Auch Roms Entwicklung zu politischer Größe erscheint vornehmlich von einer Blutspur aus Gewalt und Krieg begleitet. Außer acht bleiben bei Augustinus dagegen positive Elemente wie jener Fortschritt an Gerechtigkeit, den Aischylos in der Orestie so nachdrücklich darstellt, die Ablösung der privaten Blutrache durch ein öffentliches Gesetz, verbunden mit der unparteiischen Auslegung durch ein Gericht. Unbeachtet bleibt auch jener Gerechtigkeitsgewinn, der in Aristoteles’ Unterscheidung verschiedener Herrschaftsbegriffe liegt und in einer Herrschaftsform gipfelt, die Augustinus’ eschatologischer Relativierung der Herrschaft von Menschen über Menschen erstaunlich nahekommt: der Ablösung personaler Herrschaft durch die Herrschaft der Gesetze und der Bestimmung der verbleibenden personalen Herrschaft als Herrschaft von Freien über Freie (Politik I 7, 1255b20 f. ; vgl. Höffe 1996, Kap. 16). Zwei Beispiele mögen das genannte Defizit verdeutlichen: die Bewertung der Sklaverei und die des Gerichtswesens. Obwohl Augustinus durchaus als Vertreter einer naturrechtlichen Rechtsbegründung gelten kann, sogar diese Begründungsfigur wesentlich geprägt hat (lib.arb. I 6,14 f.; vera rel. 31,58; conf. III 7,13: vgl. Girardet 1995), verfügt er noch nicht über eine Grundrechtskonzeption, wie sie sich aus dem Gedanken moralischer Rechtsprinzipien ergibt. Dieses Desiderat könnte man zwar für nicht weiter erstaunlich halten, denn bekanntlich braucht es lange, bis man allgemeine Menschenrechte formuliert (vgl. Höffe 1996b, Kap. 4). Andererseits sind für die Langwierigkeit dieses Prozesses Denker wie Augustinus mitverantwortlich, denn sie konzentrieren sich so stark auf die moralische Qualität von Individuen, daß sie unterschiedliche gesellschaftliche Rechtsstellungen nicht als rechtsmoralisches Problem wahrnehmen; stattdessen deuten sie sie invidualethisch. Im Fall der Sklaverei rät Augustinus lediglich zu einer Relativierung der Rollen von Herrschaft und Knechtschaft; für ihn ist

Zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie der gute Mensch frei, auch wenn er dient, der schlechte aber ein Knecht, auch wenn er herrscht. Folgerichtig blendet das dem servitus, der Sklaverei oder Knechtschaft, gewidmete Kapitel XIX 15 Fragen politischer Legitimation und Normierung aus. Augustinus betont zwar, daß der Mensch, weil nach Gottes Ebenbild geschaffen, nur über Tiere, nicht über Menschen herrschen dürfe: „Von Natur, wie Gott den Menschen anfangs schuf, ist niemand Sklave eines Menschen“. Die Sklaverei gehöre demnach nicht in die Ordnung der Schöpfung (ordo creaturarum), wohl aber zur göttlichen Strafordnung. Sie sei eine Konsequenz des menschlich verschuldeten „Sündenfalls“ und seiner Tradierung in Form der „Erbsünde“. Infolgedessen verlangt er nicht, die Sklaverei abzuschaffen – was auch Paulus im Brief an Philemon nicht tut – , obwohl er sie keineswegs für moralisch legitim hält. Aus Augustinus’ Deutung des Herrschaft-Knechtschafts-Verhältnisses ergibt sich lediglich eine Aufforderung zur Demut an die Dienenden und eine Aufforderung zur Bescheidenheit an die Herrschenden. Die Herrschenden sollen „an der Last ihrer Herrschaft schwerer tragen als die Knechte an der ihres Dienstes“ (XIX 16). Eine solche individualethische Deutung läßt sich nicht von dem Vorwurf freisprechen, die Gegenwart zugunsten einer Vertröstung auf das Jenseits zu überspringen. Gegen die Diagnose einer eschatologischen Vertröstung spricht auch nicht, daß jeder vor der Erbsünde gleich sei, so daß kein ideologisches Theorem vorliege. Denn nach der Erbsündenlehre darf es zwar eine generelle Sklaverei geben, nach der kein Mensch rundum frei ist, aber nicht jene spezielle Sklaverei, die in der rechtlichen Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen besteht. Im Gegenteil müßte auch für Augustinus eine Veränderung der Rechtsordnung denkbar sein, die zwar weiterhin eine Herrschaftsordnung mit autorisierter Gewalt (potestas) erlaubt, aber nicht-autorisierte, „nackte“ Gewalt (violentia) ebenso ausschließt wie das Rechtsinstitut der Sklaverei. Augustinus läßt also einige der in seiner eigenen Konzeption liegenden Möglichkeiten unbeachtet. Im übrigen ist eine derartige Kritik keineswegs anachronistisch. Bereits ein Jahrhundert zuvor hatte der Kirchenvater Gregor von Nyssa die Sklaverei in scharfer Form als unnatürlich verworfen (Hom. in Eccl. 4; PG 44,664 f.). Dies läßt Augustinus’ Position in Sachen

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Otfried Höffe Sklaverei ideengeschichtlich gesehen als rückschrittlich erscheinen. Nicht anders sieht es bei der Bewertung des Gerichtswesens aus. Obwohl der Kirchenvater etwa die Folter bei Strafprozessen für moralisch illegitim hält, gesteht er ihre Unvermeidlichkeit unter Bedingungen irdischer Rechtsfindung zu. Er beklagt zwar ihren faktischen Gebrauch, fordert aber nicht, sie abzuschaffen. In seiner providenztheologisch begründeten Apologie des Bestehenden geht er sogar so weit, daß er in der Folter ein Zeichen göttlicher Vorsehung in einer Situation aus insgesamt pervertierten Bedingungen sieht (XIX 6). Noch einmal: dies bedeutet keine ideologische Verteidigung von Folter; wohl aber ist es ein Hinweis darauf, daß Augustinus die rechtsmoralischen Möglichkeiten seiner eigenen Theorie nicht ausschöpft. In einem Brief (153,6,16) schreibt er: „Mit Sicherheit nicht ohne (sc. göttliche) Absicht wurde die Macht des Königs eingerichtet, das Recht des Richters zur Verhängung der Todesstrafe, die Haken des Henkers, die Waffen der Soldaten, die Disziplinierung durch den Herrscher, ja sogar die Strenge des guten Vaters. Alle diese haben ihre eigenen Methoden, Ursachen, Gründe und Vorteile“. Unerörtert bleibt hierbei, unter welchen rechtsmoralischen Bedingungen das Rechtswesen als legitim zu betrachten ist und wann es seine Legitimation einbüßt.

13.6 Antizipiert Augustinus den liberalen Staat der Moderne? Wie wir sahen, werden in Augustinus’ rechtspositivistischer Staatsauffassung moralische Elemente innerhalb der Grundlagen des Staates zwar wahrgenommen, aber als nicht genuin moralisch interpretiert; sie gelten allenfalls als Rest- oder Verfallsphänomene von Moral. Diese Relativierung einer staatsdefinierenden Moral bzw. Gerechtigkeit wurde von einigen Interpreten als Antizipation des liberalen und pluralistischen Staates der Moderne aufgefaßt. Ausführlich verteidigt wird diese These etwa von R. A. Markus (1970), vorbereitet von H. Deane (1963, Kap. 4). In der Tat gibt es zwei Elemente, die modern wirken: die freie Übereinkunft über die Einrichtung einer Befehl-Gehorsams-Ordnung des Staates und deren inhaltliche Rechtferti-

Zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie gung durch den für jedes Mitglied entstehenden Vorteil. Dies sind sogar nicht irgendwelche, sondern zentrale Legitimitätselemente moderner Staatlichkeit; das erste greift dem Demokratiegedanken vor, das zweite läuft auf Gerechtigkeit, verstanden als distributiver Vorteil, hinaus. In der Rechts- und Staatstheorie unterscheidet man in der Regel zwischen drei Legitimationsformen, den Machttheorien, den Zustimmungs- oder Anerkennungstheorien und als Vermittlung zwischen beiden den Befugnis- oder Ermächtigungstheorien. An Augustinus’ Beispiel deutet sich an, daß die drei Legitimationsformen nicht als ein „Entweder-Oder“ verstanden werden müssen, sondern einen bestimmten systematischen Zusammenhang bilden können. Die Macht, die zu jeder Staatlichkeit gehört, kann sich der Anerkennung der Betroffenen verdanken, die ihrerseits eine Person oder Instanz zur Machtausübung ermächtigen. Eine Antizipation des modernen Liberalismus läge aber nur vor, wenn eine positivistische oder funktionalistische Theorie den liberalen Staat adäquat beschreiben würde – was nicht der Fall ist. Von einem rechtsmoralischen Verständnis des Liberalismus her gesehen reichen die zwei genannten Elemente zur Bestätigung der von Markus verfochtenen These hingegen nicht aus. Augustinus selbst faßt diese Elemente gerade nicht als Momente staatsdefinierender Gerechtigkeit auf; er verfügt über Elemente staatsdefinierender Gerechtigkeit lediglich à contre cœur und setzt sie keineswegs zur Begründung einer ethisch adäquaten Staatsordnung ein. Markus hätte bestenfalls recht, wenn man den liberalen Staat durch die Relativierung rechtsmoralischer Prinzipien charakterisieren dürfte, was allerdings unplausibel ist (vgl. Rawls 1971; Höffe 1987). Mehr Aussicht auf Erfolg hat die Antizipationsthese im Blick auf ein anderes Element des Liberalismus, seine Neutralität in Fragen nach dem guten Leben. Weil jeder Bürger berechtigt ist, selber zu bestimmen, was er für gut und vorteilhaft hält, konzentriert sich der liberale Staat auf eine Rechtsordnung, die sich auf jene gesellschaftlichen Grundgüter (Rawls 1971, §15) bzw. Interessen zweiter Stufe (Höffe 1996a, Kap. 3.4) verpflichtet, ohne die man seine gewöhnlichen Interessen nicht verfolgen kann. Auf diese Weise garantiert er die Vereinbarkeit verschiedener Lebensauffassungen, Weltanschauungen und Religionen; umgekehrt verpflichtet er alle Bürger auf die Anerkennung derjenigen

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Otfried Höffe Verfassungsprinzipien, die diese Pluralität erst ermöglichen. Mit der von den Bürgern geforderten Toleranz anderer Auffassungen vom guten Leben ist zugleich eine Grenze der Toleranz abgesteckt. Im Gegensatz zu einem bloßen Laissez-faire verlangt der liberale Staat von den zu schützenden Lebensformen und Weltanschauungen jenes Mindestmaß an Vernunft, durch das sie mit fremden, selbst gegenläufigen Auffassungen vom guten Leben koexistenzfähig sind. Zugunsten der Antizipationsthese läßt sich nun anführen, daß auch der Augustinische Staat nicht die Aufgabe hat, das gute Leben oder die Tugend seiner Bürger zu fördern. Dem liberalen Staat der Moderne vergleichbar, hält er sich in Fragen der rechten Lebensführung zurück und beschränkt sich darauf, die Rechtsordnung zu sichern und die Grundgüter bereitzustellen. Hierin unterscheidet sich Augustinus grundlegend von Platon. Zwar spielt auch in dessen Philosophenideal der Staat nicht die Rolle der conditio sine qua non für die persönliche Entwicklung zum „Weisen“, wohl aber läßt sich für Platon ein Philosophenstaat denken, der eine die Tugend und das Glück optimal fördernde Verfassung besitzt, und es läßt sich ein Gesetzesstaat denken, der eine zweitbeste Lösung für die Aufgabe bietet, seine Bürger „besser zu machen“. Demgegenüber kann und soll der Augustinische Staat niemanden in dem Sinn moralisch besser machen, daß er dadurch zu seinem Heil, einem guten und gelungenen Leben, gelangte. Der Staat hat lediglich die Aufgabe, seinen Bürgern die erforderlichen Güter, besonders den Frieden, zu sichern. Unter unvollkommenen irdischen Bedingungen, im saeculum, wie der Kirchenvater sagt (z. B. I 35; XV 1), müssen alle Bürger trotz ihrer prinzipiell unterschiedlichen Strebensrichtungen miteinander auskommen. Während die von Gott „Erwählten“ ihre Handlungen ausschließlich am höchsten Strebensziel ausrichten, verfolgen die „Verworfenen“, mit denen sie ununterscheidbar vermischt zusammenleben, Ziele wie Reichtum, Macht, Ansehen oder Genuß. Und in dieser Offenheit gegenüber Strebenszielen könnte man den neuzeitlichen Gedanken einer Trennung von Kirche und Staat, eine Aufteilung ihrer Zuständigkeiten, vorbereitet sehen. Für Augustinus wäre es unsinnig zu erwarten, die Zahl der Erwählten ließe sich durch irgendeine staatliche Maßnahme erhöhen. Ein genuin moralisches Staatsfundament zu fordern, erscheint ihm daher als weder

Zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie möglich noch nötig; vielmehr tut selbst ein christlicher Staat gut daran, sich neutral zu verhalten. Daß er eine gewisse Pluralität von Lebensauffassungen als rational vertretbar ansieht, zeigt auch seine Auseinandersetzung mit Varro, der bekanntlich auf 288 philosophisch denkbare Glückskonzeptionen kommt (XIX 1), die Augustinus auf drei Begriffe des höchsten Gutes reduziert (XIX 2). Allerdings nimmt er die Varro-Debatte nicht unmittelbar zum Anlaß einer liberalen, für einen Pluralismus der Glückserwartungen offenen Staatstheorie. Vielmehr stellt er Varros eigener Auffassung vom höchsten Gut (XIX 3) die christliche Ansicht entgegen (XIX 4), ohne die Aufgabe zu sehen, Begriffe wie Grundgüter oder höherstufige Interessen zu bilden. Und damit fehlt ihm ein Grundelement der liberalen Rechtsund Staatstheorie (vgl. White 1994, 145). Für den heutigen Leser hat die Antithese von „Erwählten“ (civitas dei) und „Verworfenen“ (civitas diaboli) eine illiberale, überdies pharisäische Einfärbung. Der Augustinische Gott erwählt aber nicht nach irgendwelchen individuellen Eigenschaften oder Verdiensten, sondern nach gänzlich uneinsehbaren Prinzipien (z. B. Simpl. I 2,22). Den Erwählten, die im irdischen Leben „auf verborgene Weise“ (mystice) der civitas dei angehören und zugleich Bürger eines irdischen Staates sind, bringt ein relativ gerechter und gut funktionierender Staat durchaus einen Nutzen und ebenso eine schlechte politische Herrschaft einen Schaden (vgl. quamdiu permixtae sunt ambae civitates, utimur et nos pace Babylonis: XIX 26). Wie hoch Nutzen und Schaden aber zu veranschlagen sind, hängt von der Perspektive ab. Vom eschatologischen Standpunkt aus sind beide gering. Denn für die Gerechten bedeutet das Übel, das ihnen von ungerechten Herren angetan wird, keine Strafe für Vergehen, sondern lediglich eine Probe der Tugend (IV 3). Vom Standpunkt des irdischen Staates sind dagegen Nutzen und Schaden groß. Dem irdischen Staat obliegen nämlich Aufgaben, insbesondere die Sicherung des irdischen Friedens, die selbst der „himmlische Staat auf Erden“ anerkennt (XIX 17). Der irdische Staat, der stets „Babylon“ bleibt, was als „Verwirrung“ übersetzt wird (XVII 16 und XVIII 41), hat von sich her keinerlei Heilsbedeutung. Die „Erwählten“ verstehen es, sich diese Güter auf dem Weg zu Gott zunutze zu machen, während die „Verworfenen“ sich irrigerweise auf solche irdischen Güter als ihr summum bonum richten. Erneut gilt aber:

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Otfried Höffe moralisch indifferent ist Augustinus nicht; denn gerechte Herrscher sorgen sich um den Frieden, während ungerechte Herrscher in ihrer Habgier (Expansionsgier) oder Ruhmsucht ständig Kriege führen. Besonders deutlich spricht gegen eine liberalistische Interpretation von De civitate dei Augustinus’ Haltung zur staatlichen Religionspolitik. Wie wir etwa durch den Brief 93 aus dem Jahr 408 wissen, hat der Kirchenvater die staatliche Verfolgung einer christlichen Gruppierung, der Donatisten, nicht bloß gutgeheißen, sondern sogar mitinitiiert. Zwar wäre es falsch, ihn deshalb als repressiven Großinquisitor hinzustellen. Allerdings setzt er sich nicht für eine Aufhebung des von christlichen Herrschern vor Augustinus erlassenen Verbots, die römischen Götter zu verehren, ein. Er stellt zwar eine Toleranzforderung auf, aber nur zugunsten der eigenen, christlichen Sache: „… der Staat darf die Religion, die den einen höchsten und wahren Gott zu verehren lehrt, nicht hindern“ (XIX 4). Zugunsten von Liberalität spricht eher, was Augustinus von der „himmlischen civitas auf Erden“ sagt, nämlich, daß Gott für sie „aus allen Völkern seine Bürger beruft und aus allen Zungen seine Pilgergemeinde sammelt. Er fragt nicht nach Unterschieden in Sitten, Gesetzen und Einrichtungen, … er lehnt oder schafft nichts davon ab“ (XIX 17). Hier tritt eine gewisse kulturelle Offenheit und Toleranz zutage, in der sich der freiheitliche Staat der Moderne wiederfinden könnte. Der Augustinische Pluralismus ist freilich auf das endzeitliche Gottesreich bezogen. Zudem ist er nicht aus einer normativen Wertschätzung staatlicher Gesetze und Institutionen abgeleitet. Wer wie Augustinus den irdischen Staat nur als den Rahmen ansieht, in dem man „gleichsam in Gefangenschaft sein Pilgerleben führt“ (ebd.), hat zwar keine Bedenken, den Gesetzen des irdischen Staates zu gehorchen. Auch hat er ein gewisses Interesse, den Rahmen so zu gestalten, daß man sein Pilgerleben führen darf, womit ein Element des freiheitlichen Staates, seine religiöse Toleranz, angesprochen ist. Schließlich mag er sogar ein Interesse an einem insgesamt friedlichen, harmonischen und gerechten Zustand des Gemeinwesens haben. Aber wer die Staatsordnung nicht als genuin moralisches Phänomen anerkennt, ist an einer normativen Theorie des Politischen nicht ernsthaft interessiert. Was Augustinus also antizipiert, ist nur oder immerhin die Loslösung des Staatsprinzips von jenen Lebenseinstellungen

Zu Augustinus’ eschatologischer Staatstheorie und Güterkonzeptionen der Bürger, die heilsrelevant sind. Damit greift er der für die Neuzeit kennzeichnenden Privatisierung und Verinnerlichung der Religion und zugleich der weltanschaulichen Neutralisierung des Staates vor. Dies tut er freilich nicht grundsätzlich, sondern aus einer Verbindung der eschatologischen Perspektive mit dem Interesse der Christen, Gott anhängen zu dürfen. Mit Sicherheit ist auf diese Weise die Konzeption liberaler (freiheitlicher) Staatlichkeit noch nicht erreicht.

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Personenregister Abercrombie, N. 114 Adam, A. 166 Adams, J. 205 Aemilius Sura 182 Alarich 3 f., 42 Alexander d. Gr. 49 f., 61, 183, 259, 261 Alfaric, P. 166 Allberry, C. R. C. 165 Ambrosius 3 f., 16, 59, 166 Ammianus Marcellinus 182 Anselm v. Canterbury 82 Antiochus von Askalon 223 Apuleius 91 f., 95, 98 f., 102, 106 Arendt, H. 64 Aristoteles 11, 17 f., 43, 48, 51 f., 55 f., 80, 83, 125 f., 137–139, 147 f., 152, 229, 236, 256, 273 f., 280 Arnauld, A. de 113 Austin, J. 273, 277 v. Balthasar, H. U. 135 Bardy, G. 6 Barrow, R. H. 203–206 Becker, E. 204 Beierwaltes, W. 224 Bentham, J. 273, 277 Bernard, W. 93 Bernhard v. Clairvaux 53 Bettetini, M. 21, 135 Blanchet, L. 113, 128 Bloch, E. 178 Blumenberg, H. 237 Böhlig, A. 165 Boethius 83 den Bok, N. W. 65, 81 Bonner, G. 37 Boros, L. 176 Bossuet, J. B. 192 Brown, P. 15, 202, 204 Burnell, P. 18 Burnyeat, M. 128 Burt, D. X. 18, 197

Campanella, T. 128 Cancik, H. 180, 182 Cardauns, 33 f., 224 Cavalcanti, E. 132, 151 Christes, J. 261 Chroust, A. H. 251, 256 Chrysipp 74, 80, 180 Cicero 1, 17, 22, 27, 29–34, 36, 41, 44, 46, 48 f., 51, 55, 60, 63, 70–75, 80, 85, 138, 144, 158, 222 f., 235, 238, 244, 251, 256 f., 259, 261 f., 269, 273 f. Clemens von Alexandrien 16, 236 Coughlan, M. J. 117 Courcelle, P. 98 Cyprian 166 Davidson, D. 70 Deane, H. 29, 48, 196, 282 Descartes, R. 21, 109–129, 160 Dihle, A. 20, 64, 148, 255 Dilthey, W. 187 Diodoros von Sizilien 182 Diokletian 271 (Pseudo-)Dionysius Areopagita 51 Divjak, J. 6 Duchrow, U. 26, 99, 161, 229, 279 Duval, Y. M. 61 Epikur 17, 276 del Estal, G. 161 Eusebius 4 f., 36, 59, 174, 176, 182, 262 Ferguson, J. 32, 34 Ficino, M. 128 Firmus 6, 160, 162 Flamant, J. 33 Flasch, K. 190, 237 Florus 38, 183 Fortin, E. L. 5, 250 f. Fuchs, H. 222–224, 229 f. Gardner, I. 165 Geerlings, W. 19

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Personenregister Gellius 31 Gilson, E. 114 Girardet, K. M. 22, 238, 256, 280 Goar, R. J. 39 Goetz, H.-W. 5 Gouhier, H. 113 Gregor von Nyssa 281 Haardt, R. 165 Hadot, P. 112, 152, 271 Hagendahl, H. 31 f., 159 Hahn, T. 16, 166 Hand, V. 28, 32 Hannibal 4, 37 v. Harnack, A. 187 Hart, H. L. A. 259–261, 264, 266, 271, 274, 277 Hegel, G. W. F. 179 Heidegger, M. 172, 187 ff. Heldmann, K. 36 f. Hesiod 183 Hesychus 176 Hieronymus 4, 174, 183 Hintikka, J. 117 f. Hippolytos 36, 182 Hobbes, Th. 17, 197, 273, 275, 277 Höffe, O. 5, 17, 265, 271, 277, 280, 283 Hök, G. 244, 253 Honnefelder, L. 181, 236 Hooker, R. 56 Hopkins, J. 78 Horaz 31 Horn, Ch. 20 f., 64, 70, 148, 236, 245, 255 f. House, D. 107 Iamblich 91 Irenäus von Lyon 183 Isidor von Sevilla 55 Jacobi, K. 82 Jesus Christus 4, 13, 66 f., 90, 95–97, 105, 107, 157, 173, 175, 211 Joachim von Fiore 172, 192 f. Jüngel, E. 232

Kahn, Ch. 17, 64, 275 Kamlah, W. 14, 161 Kant, I. 6, 178 Karneades 80 Kass, L. 197 Kelsen, H. 259–261, 264, 266, 271, 274, 277 Kerenyi, C. 32, 34 Kierkegaard, S. 172 Kobusch, Th. 92 Konstantin 4 f., 61, 176, 262 Krieger, G. 22, 236, 240 f., 250 Laktanz 166 Lamirande, E. 16 Langan, J. 218 Laufs, J. 223 f., 229 Lauras, A. 164 Lenihan, D. A. 30 Leibniz, G. W. 82, 136 Leisegang, H. 13 f. Lettieri, G. 151 Lewis, G. 113 Lieberg, G. 7 Liske, M. Th. 82 Livius 27, 29–31, 36–38 Löwith, K. 20, 179–181 MacQueen, D. J. 207 Madec, G. 176 Maier, F. G. 268 Marion, J.-L. 114 Markus, R. A. 13, 36, 176, 282 f. Marrou, H.-I. 13 Marx, K. 172, 179 Matthews, G. 113, 118 f., 128 Mayer, C. 30, 32, 249 McGushin, P. 36–38 Messana, V. 195 Michl, J. 94, 105 Mommsen, T. E. 60 Müller, Ch. 184, 186 van der Nat, P. G. 92–94, 96, 104 Nederman, C. 43 Niebuhr, R. 18, 279 Niemann, A. 178 Nietzsche, F. 85, 180

Personenregister v. Ockham, Wilhelm 56, 82 O’Daly, G. J. P. 7, 25, 78 Øhrstrøm, P. 82 van Oort, J. 8 f, 12, 16 f., 25 f., 101, 105, 141, 159, 162, 164f., 178, 198, 204, 207 Orbán, A. P. 101 Origenes 4, 16, 143, 180, 236 Orosius 4–6, 38, 59, 176f., 279 Otto von Freising 192 Pang, A. A. 78 f. Pannenberg, W. 96 f. Paulus 12, 65, 98f., 187, 215, 235 Peetz, S. 20 Peirce, Ch. S. 83 Pelagius 81 Peterson, E. 4 Platon 10–12, 17 f., 41, 44, 46 f., 54, 87, 89–93, 97–104, 106 f., 125 f., 137 f., 143 f., 147–149, 152, 185, 260, 269–271, 276, 284 Plinius 38 Plotin 10, 69, 91, 101, 106, 126, 128, 133–139, 142 f., 148–153, 256 Pollmann, K. 4 Polotsky, H. J. 165 Polybios 32 Porphyrios 9, 91, 95–99, 101–106, 108, 133 f., 152, 180, 186 Post, G. 43 Prior, A. N. 82 f. Protagoras 17 Prudentius 34, 59 Quintilian

Rowe, W. L. 78 f. Rufinus 176 Russell, R. 29, 105, 107 Sallust 36–38, 262 Samek Lodovici, E. 152 Sciuto, I. 135 Schilling, O. 267 Schmidt, E. A. 12, 101, 105, 178, 184, 186 Schmitt, C. 232 Scholz, H. 13, 160, 163, 178 Seneca 70, 159 Sextus Empiricus 126 Seyrich, G. 178 Shakespeare, W. 50, 52 Simonetti, M. 132 Sokrates 44, 90, 125, 147 Sprute, J. 17, 275 Straub, J. 268 Strauss, L. 43, 47 Studer, B. 9, 108, 192 Symmachus 3, 6, 32, 34 Taylor, Ch. 127–129 Tertullian 33, 262 TeSelle, E. 96, 209 Theodosius 5, 42, 61, 176, 263 Theiler, W. 139, 224 Thimme, W. 159, 228 Thraede, K. 101, 268 Thomas v. Aquin 51, 55 f., 82 f. Toynbee, A. J. 162 Treloar, J. L. 208 Troeltsch, E. 56, 187 Tyconius 16, 166

9

Ratzinger, J. 14 Rawls, J. 283 Regen, F. 90 Reinkens, J. H. 178 Reitzenstein, R. 166 Rémy, G. 92, 96, 107 Ricken, F. 250 Rief, J. 227 Rist, J. M. 78 Rodet, H. 164, 209 Rosado, J. J. 161

Varro 1, 7, 33 f., 89, 174 f., 218 f., 223 f., 229, 246, 284 f. Vergil 4, 35 Vermeulen, A. J. 28 Victorinus, Marius V. 67, 152 f. de Vogel, C. J. 105 Volusianus 6 ter Vrugt-Lentz, J. 93 Weissengruber, F. 261 Wetzel, J. R. 32 White, M. 18, 285

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Personenregister Williams, B. 128 Wingendorf, R. 22

Zenon von Kition 180 Zintzen, C. 97 Zuckert, M. P. 55

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Sachregister Affekt 71 f., 93, 246 Allmacht 59, 76 f., 81, 153 f. amores duo (zwei Strebensrichtungen) 11, 20, 159, 162, 197, 225 ff., 255 amor dei (Gottesliebe) 11 f., 225 ff., 238, 244, 249, 252 ff., 275 amor sui (Eigennutz) 11, 225 ff., 255 Apologetik 2 f., 7 f., 94, 131 Aristokratie 49 beatitudo s. Glück bellum iustum (gerechter Krieg) s. Krieg Böses (moralisches Übel) 48, 65 f., 68 ff., 76 ff., 133, 142, 146, 149, 153 f., 178, 213, 217, 242, 279 Chiliasmus 177 civitates duae (zwei Städte) 9 ff., 14 ff., 71, 100 ff., 157 ff., 173, 177, 186, 285 civitas dei (Stadt Gottes) 1 ff., 157 ff., 178, 197, 204, 206 f. terrena civitas (irdische Stadt) 2 ff., 157 ff., 174, 198 f., 203 f., 270 Cogito 21 f., 109 ff., 160 corpus permixtum (Vermischung beider Städte) 13, 17, 162, 285 creatio ex nihilo 68 Dämonen (neuplatonische Dämonenlehre) 92 ff., 97 ff., 102 ff. Demokratie 49, 276 Determination 20, 74 f., 143 Eigentum 55–57, 277 Engel 92 ff., 105, 131 ff., 158 epochê (skeptische Urteilsenthaltung) 111, 115 Erbsünde 1, 19, 65, 96, 281 Erkenntnistheorie 127 Erwählung 2, 12f., 284 f.

Ethik 19, 111 f., 124 Eudaimonismus (s.auch Glück) 31 f., 112, 181, 215 Ewige Wiederkehr (Zyklustheorie) 180 ff. Form (metaphysische F.) 134 ff. Fortschritt (historischer F.) 59 f., 178, 183 f. Freiheit 63 ff., 68 ff., 75, 78 80 f., 83 ff., 146, 148, 245 Willensfreiheit s. Wille göttliche F. 153 Freundschaft 176 Frieden (pax) 19, 164, 174, 176, 186 f., 211 ff., 227 ff., 247 f., 268 Geist-Materie-Dualismus 128 Gerechtigkeit (iustitia) 41, 48 f., 51, 57 f., 187, 205, 217 f., 223, 251 personale G. 260 ff. politische G. 49 ff., 259–287 Geschichte 171–193 Geschichtsphilosophie 171 f., 178 ff. historische Einmaligkeit (s.auch Kontingenz) 187 ff. Theorie der Geschichtsperioden 182 ff. Gesetzesmoralismus 264 Gewissen 28 Gewißheit (antiskeptische G.) 109 ff., 116 ff., 122 Glück (beatitudo) 76 f., 88 ff., 92 ff., 99 ff., 104 f., 107 f., 111, 125, 146, 176, 181, 195, 219 f., 224, 236, 238 f., 245 f., 268 Gnadenkonzeption 5, 19, 35, 67, 76, 81, 85, 88, 106, 215, 226, 237 Gottesbeweis 115, 122 f. Gottesvorstellung 87, 89 Gut soziale Grundgüter 198, 204, 206, 277 f. höchstes Gut (s. summum bonum)

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Sachregister das Gute 65 ff., 69 f., 81, 133 f., 145, 149 f., 178, 186, 242, 278 f. Heilsgeschichte 5, 76, 168, 171, 175 f., 179, 183, 186 Hermeneutik 142, 172 historia (Geschichte, primär als narratio) 19f.,173 ff., 179, 192 f. Ich 110, 112 Illumination 104 Immaterialität 128 innerer-äußerer Mensch 16 intelligibel-sensibel 135, 137 Kontingenz 75, 189, 244 ff., 253 Kontraktualismus s.Vertragstheorie Krieg (bellum) 43, 57 f., 204, 215–218 gerechter Krieg 29 f., 36, 57 f., 215 ff. lex aeterna (divina) (göttliches Recht) 23, 238, 248 ff., 256 lex naturalis (überpositives Recht) 22, 235 f., 238, 253 lex temporalis (positives Recht) 22, 251 Liberalismus (politischer L.) 18, 282 ff. liberum arbitrium (Entscheidungsfreiheit) 20, 65 ff., 69 ff., 81, 83 ff. libido dominandi (Herrschsucht) 45, 159, 267, 271 Manichäismus 12, 16, 69, 135, 137, 141, 143, 146, 153 f., 217 Materie 68 f., 131 ff. Mensch alter-neuer Mensch 16 innerer Mensch 123, 127 Monarchie 49 Monotheismus 33, 91 Naturrecht (s. auch lex naturalis) 46, 55 f., 235 ff., 280 Nichtsein, Nichts 68 f., 135–140, 153 f.

Notwendigkeit 74 ff., 81 kausale N. 81 f. konditionale N. 81 Ontologie, ontologisch 68 f., 91, 103, 105, 107, 112, 133, 231 Ordnung (ordo) 46, 73 f., 145, 217, 227 ff., 240 geschichtliche Ordnung (dispensatio temporalis) 186 ordo naturalis 23, 238 ff., 244, 247 ff., 252 ff., 279 Srebensordnung 278 patria (neuplatonische Rückkehrkonzeption) 10, 12, 101 ff., 106 f. peregrinatio (irdischer „Pilgerzustand“) 12 f., 16, 88, 145, 173 f., 286 Pessimismus (bei Augustinus) 4 f., 18, 80 f., 177 f., 215, 279 Philosophisches Leben-politisches Leben 51 pietas (römische Staatstheologie) 25, 30 ff. Polytheismus 33 f., 89, 91, 97 ff., 106, 219 Prädestination 19, 77 f., 106, 154, 185 f. Privationstheorie (s. auch Übel) 134, 140, 151 „Realismus“ (Augustins politischer R.) 18 f., 58 f., 279 Recht (s.auch lex aeterna/naturalis/ temporalis) 22 f., 48, 277 ff. Rechtsmoralismus 17, 260 ff. Rechtspositivismus 17, 260 ff., 282 f. Reichstheologie 4, 59, 262 Reinkarnation 106, 147 f. religio (s.auch pietas) 25, 32 f., 37 Rhetorik 9, 30, 94, 142 saeculum (Inbegriff irdischer Lebensbedingungen) 13, 185 f., 284 Seeräuber-Vergleich 17 f., 49–51, 61, 259 ff.

Sachregister Skepsis (akademische S.) 103, 110 f. 114 f., 119, 124, 126, 144, 220, 222 Sklaverei 55–57, 280 f. Sozialnatur des Menschen 184 f., 195 Staat erste Staatsgründung 195, 199f., 279 Staatskritik 26, 28, 34, 279 Staatsmoralismus 260 ff. Staatspositivismus 260 ff. Strebenstheorie (s.auch Eudaimonismus) 19 f., 66, 70 ff., 83 f., 192, 227, 231 Substanz (ousia) 134 Sünde (s.auch Erbsünde) 57, 65, 76 ff., 84, 96, 140 f., 143 f., 153, 160, 173, 185 f., 215, 225 f., 251, 270, 277, 279 summum bonum (höchstes Gut) 32, 207, 218 ff., 224, 238, 243 ff., 253 f., 285 summum malum (größtes Übel) 239 superbia (Überheblichkeit) 199, 262, 267 synkatathesis (stoische Zustimmungslehre) 70, 84 Teleologie 36, 171 f., 184, 187, 192, 219, 241, 278 tertium quid (Bereich zwischen den beiden civitates) 13, 206 Theodizee 21, 26, 68 Theologie 89 f., 107, 135, 153 theologia tripertita 7, 89 f., 103 Toleranz 283 ff. Trinität 89, 96, 112, 126 f., 144, 152 Tugend (virtus) 19, 27 f., 31 f., 37, 41, 48 f., 52, 54, 60, 63, 176, 198, 205–208, 213, 219, 222, 241 ff., 253 f., 270, 284 Tun-Ergehens-Konnex 3,5,39, 188 f., 270 Tyrannis 264, 277 Übel (malum) 21, 131 ff., 186, 216, 241, 243 ff.,

metaphysisches Ü. 21, 136 physisches Ü. 21, 136, 147, 242 moralisches Ü. (s. auch Böses) 21, 136, 146 f. Urbild-Abbild-Relation 112, 127 uti-frui-Distinktion (GebrauchGenuß) 15, 19, 89, 144, 164, 187, 207, 220, 228 Vernunft 70 f., 135, 212–214, 239, 241, 244, 284 Vertragstheorie (Kontraktualismus) 17, 48–50, 275 f., 283 Verwerfung (des Menschen durch Gott) 14 virtus s. Tugend Völkerrecht (ius gentium) 55 f. voluntas s. Wille Vorauswissen (praescientia) 72 f., 77 ff., 81 ff., 142 Vorsehung (providentia) 4, 63, 75, 135, 143, 147, 182, 188 f., 191, 282 Wahrheit 1, 109, 175 f. Weltstaatlichkeit 43 Widerstandsrecht 15, 277 Wille (voluntas; vgl. liberum arbitrium) 20 f., 64 ff., 72, 81, 83 ff. autonomer W. 69 ff. böser W. 71, 76, 141, 147 ff. göttlicher W. 11, 67, 74 ff., 81, 85, 151, 217, 227, 248 guter W. 71, 76, 148, 213 menschlicher W. 65 ff., 74, 76 f., 148, 212 f., 240, 244, 255 f. Willensfreiheit 21, 64 ff., 72 f., 76 ff., 81, 84 f., 112, 131 ff., 140, 145, 149 Willensschwäche 65, 67 Zeit 150 ff., 184, 188 Zwangsbefugnis (staatliche Herrschaftsordnung) 56 f., 263 ff., 281 Zwei-Welten-Platonismus 101 f.

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Hinweise zu den Autoren Maria Bettetini, Dr. phil., geboren 1962, ist Dozentin für Moralphilosophie an der Universität Venedig. Buchveröffentlichungen: Ordine, musica, bellezza (1992); Il maestro e la parola (1993); Sulla bugia (1994) (Übersetzungen und Kommentare zu Werken Augustins); La misura delle cose. Struttura e modelli dell’universo secondo Agostino d’Ippona (1994). Aufsätze zur Philosophie der Antike. Donald X. Burt, born 1929. Professor of Philosophy, Villanova University (1980–1996). Publications: Recent Books: Augustine’s World: An Introduction to his Speculative Philosophy (1996); The Pilgrim God (1995); „But When You Are Older“ (1992). Articles on Augustine in: Augustinian Studies, Augustinianum, Collectanea Augustiniana, Studia Patristica, Augustiniana, Angelicum. Ernest L. Fortin, born 1923. Professor of Theology, Boston College, U.S.A., 1971–97. Publications: Books: Christianisme et culture philosophique au cinquième siècle: la querelle de l’âme humaine en Occident (1959). Co-editor, Medieval political Philosophy: a Sourcebook (1963). Dissidence et philosophie au moyen âge: Dante et ses antécédents (1981). Dantes Göttliche Komödie als Utopie (1991). Collected Essays I: The Birth of Philosophic Christianity; II: Classical Christianity and the Political Order; III: Human Rights, Social Justice, and the Common Good (1996). Therese Fuhrer, Dr. phil., geb. 1959, ist o. Professorin für Lateinische Philologie an der Universität Trier und Mitherausgeberin des Augustinus-Lexikons. Buchveröffentlichungen: Die Auseinandersetzung mit den Chorlyrikern in den Epinikien des Kallimachos, Schweizerische Beiträge zur Altertumswissenschaft 23, Basel/Kassel (1992); Einleitung und Kommentar zu Augustinus Contra Academicos (vel De Academicis) 2 und 3, Patristische Texte und Studien 46, Berlin/New York (1997). Aufsätze u. a. zu Antiphon, Kallimachos, Cicero, Catull und Augustinus. Projekte: Neuedition der augustinischen Dialoge

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Hinweise zu den Autoren Contra Academicos, De beata vita und De ordine, CSEL Bd. 63; Einleitung, Übersetzung und Kommentar zu Augustin, De magistro, Fontes Christiani, Freiburg ca. 1998. Wilhelm Geerlings, Dr. theol., geb. 1941. Studium der Geschichte, Philosophie und Theologie. Seit 1980 Professor für Kirchengeschichte, Christliche Archäologie und Patrologie an der Ruhr-Universität Bochum. Buchveröffentlichungen: Christus Exemplum. Studien zur Christologie und Christusfrömmigkeit Augustins (1978); Hippolyt, Traditio christiana = FC 1 (1991). Federführender Herausgeber der Reihe Fontes Christiani; (zus. mit S. Döpp); Herausgeber des Lexikon der antiken christlichen Literatur. Otfried Höffe, Dr. phil., geb. 1943, studierte 1964–70 Philosophie, Geschichte, Theologie und Soziologie in Münster. Saarbrücken, Tübingen und München. Visiting Scholar der Columbia University in New York (1970/71). 1977 o. Professor für Philosophie an der Universität Duisburg. 1978–92 Lehrstuhlinhaber für Ethik und Sozialphilosophie an der Universität Freiburg i. Ü. Seit 1992 o. Professor für Philosophie an der Universität Tübingen. Buchveröffentlichungen: Praktische Philosophie – Das Modell des Aristoteles (21996); Strategien der Humanität (21985); Ethik und Politik (31987); Sittlichpolitische Diskurse (1981); Immanuel Kant (41996); Politische Gerechtigkeit (21989); Den Staat braucht selbst ein Volk von Teufeln (1988); Kategorische Rechtsprinzipien (21995); Moral als Preis der Moderne (31995); Aristoteles (1996); Vernunft und Recht (1996). Herausgeber: Lexikon der Ethik (51997); „Große Denker“ (1980 ff.); Klassiker der Philosophie (31993); Zeitschrift für philosophische Forschung (seit 1977); „Klassiker Auslegen“ (seit 1995) u. a. Christoph Horn, Dr. phil., geb. 1964, studierte Philosophie, Klassische Philologie und Theologie in Freiburg i. Br., Paris und München. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Philosophischen Seminar der Universität Tübingen. Buchveröffentlichungen: Plotin über Sein, Zahl und Einheit. Eine Studie zu den systematischen Grundlagen der Enneaden (1995); Augustinus (1995). Aufsätze zur antiken und zur praktischen Philosophie.

Hinweise zu den Autoren Gerhard Krieger, Dr. phil., geb. 1951, ist Professor für Philosophie an der Theologischen Fakultät Trier. Wichtigste Veröffentlichungen: Der Begriff der praktischen Vernunft nach Johannes Buridanus (1986); Mitherausgeber: Tradition und Innovation (1988); Thomas von Aquin: De magistro (1988); Philosophische Propädeutik I und II (1994/1996); Aufsätze zur Philosophie des Mittelalters, zur Metaphysik, zur Ethik und zur Naturphilosophie. Johannes van Oort, Dr. theol., born 1949, (Associate) Professor of Ecclesiastical History at the University of Utrecht since 1986; Senior Research Fellow Royal Netherlands Academy of Arts and Sciences 1987–1992; Fellow Netherlands Institute for Advanced Study 1991–1992; Visiting Professor British Academy 1995–1996. Member of several international societies of learning. Main publications on the history of the Early Church (particularly Augustine), on the history of the Reformation, and on Manichaeism. Siegbert Peetz, Dr. phil., geb. 1954, ist Privatdozent am Institut für Philosophie der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Studium der Philosophie, Lateinischen Philologie und Geschichte in Freiburg/Br. und München. Buchveröffentlichungen: Die Wiederkehr im Unterschied. Ernst von Lasaulx (1989); Die Freiheit im Wissen. Eine Untersuchung zu Schellings Konzept der Rationalität (1995). Herausgebertätigkeit: Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, System der Weltalter (1990). Aufsätze zur antiken und zur klassischen deutschen Philosophie sowie zu Themen der Kunst- und der Geschichtstheorie. Karla Pollmann, Dr. phil. habil., geb. 1963, ist Dozentin für Klassische Philologie an der University of St. Andrews (Schottland) und Mitherausgeberin der Zeitschrift für Antikes Christentum. Buchpublikationen: Das Carmen adversus Marcionitas. Einleitung, Text, Übersetzung und Kommentar (1991); DOCTRINA CHRISTIANA. Untersuchungen zu den Anfängen der christlichen Hermeneutik unter besonderer Berücksichtigung von Augustinus, De doctrina christiana (1996). Aufsätze zur griechischen und lateinischen Literatur.

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Hinweise zu den Autoren Ralf Wingendorf, M. A., geb. 1967, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Philosophie I der Theologischen Fakultät Trier. Veröffentlichung: Verknüpfungslogische Interpretation der Kantischen Urteilstafel im Anschluß an W. Bröcker, in: P. Baumanns (Hg.), Realität und Begriff (1993).