Arisierung und Rückstellung von Apotheken in Österreich 9783737002110, 9783847102113, 9783847002116

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Arisierung und Rückstellung von Apotheken in Österreich
 9783737002110, 9783847102113, 9783847002116

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Alfred Fehringer

Arisierung und Rückstellung von Apotheken in Österreich

V& R unipress Vienna University Press

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0211-3 ISBN 978-3-8470-0211-6 (E-Book) Veröffentlichungen der Vienna University Press erscheinen im Verlag V& R unipress GmbH. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich, des Zukunftsfonds der Republik Österreich und des Nationalfonds der Republik Österreich. Ó 2013, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck und Bindung: CPI Buch Bücher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Vor dem ›Anschluss‹ 1938 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Stand der österreichischen Apothekerschaft 1938 . . . . . . . . . 1.1.1. Das Apothekengesetz von 1906 . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2. Die österreichische Apothekerschaft 1938 in Zahlen . . . . 1.1.3. Die pharmazeutischen Standesorganisationen bis 1938 . . 1.1.3.1. Die Apothekergremien . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3.2. Der Allgemeine Österreichische Apothekerverein . 1.1.3.3. Der Pharmazeutische Reichsverband für Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3.4. Die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich und die Versicherungsanstalt für Pharmazeuten . 1.1.3.5. Die Apotheker-Zentralkasse und die Pharmakred . 1.1.3.6. Die Heilmittelstelle und die Herba, Handelsaktiengesellschaft österreichischer Apotheker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Jüdische PharmazeutInnen in Österreich von der Gewerbefreiheit 1860 bis zum ›Anschluss‹ 1938 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Antisemitische Maßnahmen betreffend das Apothekenwesen im Deutschen Reich 1933 bis 1938 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1. Rechtliche Grundlagen der antisemitischen Sondergesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2. Antisemitische Maßnahmen betreffend das Apothekenwesen 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3. Antisemitische Maßnahmen betreffend das Apothekenwesen 1934 und 1935 . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4. Antisemitische Maßnahmen betreffend das Apothekenwesen 1936 bis zum ›Anschluss‹ 1938 . . . . . .

13 13 16 21 22 23 24 25 25 27

28 30 38 40 42 50 54

6 2. Der ›Anschluss‹ 1938 und seine Auswirkungen auf die österreichische Apothekerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Die Auflösung der pharmazeutischen Standesorganisationen und die Gleichschaltung der Standespresse . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich 1938 . . . . . . 2.3. Die ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken . . . . . . . . . . . . 2.3.1. Mag. Edwin Renner, Mastermind der ›Arisierungen‹ . . . 3. ›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. ›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Wien . . . . . . 3.1.1. Wien, Innere Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2. Wien, Leopoldstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3. Wien, Erdberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4. Wien, Wieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.5. Wien, Margareten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.6. Wien, Mariahilf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.7. Wien, Neubau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.8. Wien, Josefstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.9. Wien, Alsergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.10. Wien, Favoriten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.11. Wien, Simmering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.12. Wien, Meidling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.13. Wien, Penzing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.14. Wien, Rudolfsheim-Fünfhaus . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.15. Wien, Ottakring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.16. Wien, Hernals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.17. Wien, Währing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.18. Wien, Döbling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.19. Wien, Brigittenau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.20. Wien, Floridsdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.21. Wien, Donaustadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.22. Wien, Liesing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. ›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Niederösterreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. ›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Oberösterreich . 3.4. ›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken im Burgenland . . 3.5. ›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in der Steiermark .

Inhalt

57 57 64 69 82

93 93 93 118 129 136 138 146 148 151 152 160 169 170 181 185 189 193 197 204 207 208 212 215 219 228 230 233

7

Inhalt

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235 235 240 241 241 243 243 244 245 246 246

5. Zusammenfassung und Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . Kurzbiografien von NS-Funktionären Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungen . . . . . . . . . . . . .

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261 261 270 272 276

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Nach der Enteignung . . . . . . . . 4.1. Emigration und Exil . . . . . . 4.2. Deportation und Shoa . . . . . 4.2.1. Lublin . . . . . . . . . . 4.2.2. Łûdz´ (Litzmannstadt) . 4.2.3. Riga . . . . . . . . . . . 4.2.4. Izbica und Sobibûr . . . 4.2.5. Minsk, Maly Trostinec . 4.2.6. Terez†n (Theresienstadt) 4.2.7. Auschwitz-Birkenau . . 4.2.8. Andere Deportationen .

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Einleitung

Von der Historikerkommission der Republik Österreich wurde 2003 eine erste Bestandsaufnahme der ›Arisierungen‹ und der durch den Nationalsozialismus bedingten Berufsschädigungen in der österreichischen Apothekerschaft vorgelegt. Obwohl die Berichte der Historikerkommission die wesentlichsten Aspekte der ›Arisierung‹ von österreichischen Apotheken darstellten und auch Ausgangspunkt meiner eigenen Forschung waren, waren die Ausführungen der Historikerkommission ergänzungswürdig. So zeigte sich nach ersten Recherchen zur Geschichte des österreichischen Apothekenwesens im 20. Jahrhundert, dass diese Geschichte und im Besonderen jene der Jahre 1938 bis 1945 – somit auch die Geschichte von ›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken – erst in Ansätzen erforscht ist. Die vorliegende Forschungsarbeit beschäftigt sich daher mit der ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken im Jahr 1938 und ihrer Rückstellung nach dem Ende des NS-Regimes. An Hand der Beschreibung der Vorgeschichte, der 1938 handelnden Personen und Institutionen sowie von Fallstudien zu den einzelnen Apothekenbetrieben wird der Vorgang der nationalsozialistischen Enteignungsmaßnahmen im österreichischen Apothekenwesen dargestellt. Weiters werden die Rückstellungen dieser Betriebe nach 1945 und das Schicksal der von der nationalsozialistischen Verfolgung betroffenen jüdischen EigentümerInnen österreichischer Apotheken beschrieben. Mit dem Ende der Monarchie 1918 begann auch für die österreichische Pharmazie eine neue Zeit, die zum einen von der Diskussion um eine eventuelle Verstaatlichung der Apotheken sowie von der Integration von PharmazeutInnen aus den ehemaligen Kronländern bestimmt war. Zum anderen hatten die ApothekerInnen im ausgehenden 19. Jahrhundert durch Entstehung der Pharmaindustrie ihr Monopol an der Herstellung von Arzneimitteln verloren, industriell gefertigte Pharmazeutika begannen die in den Apotheken nach Rezepten zubereiteten Heilmittel zu ersetzen. Die rasante wissenschaftliche Entwicklung auf dem Gebiet der Pharmazie und ihrer Technologien stellte das herkömmliche Ausbildungssystem der PharmazeutInnen in Frage. So wurden in der ersten

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Einleitung

Republik wesentliche Schritte gesetzt, die die pharmazeutische Ausbildung von einem Lehrberuf zu einem Hochschulstudium der Pharmazie transformierten. Mit der Entwicklung des modernen Gesundheitssystems sowie der Etablierung von Krankenkassen wurden die ApothekerInnen auch ökonomisch unter Druck gesetzt. In Kapitel 1 wird daher die wirtschaftliche und soziale Situation der österreichischen ApothekerInnen von Anfang des 20. Jahrhunderts bis zum ›Anschluss‹ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 beleuchtet. Beginnend mit dem Apothekengesetz von 1907 werden die rechtlichen Rahmenbedingungen und Besonderheiten des österreichischen Apothekenwesens erläutert. Dabei werden auch die wesentlichsten der historisch gewachsenen und in der österreichischen Pharmazie verankerten Standesorganisationen der ApothekerInnen vorgestellt. Weiters wird die Stellung jüdischer PharmazeutInnen in der Apothekerschaft Österreichs von 1860 bis zum ›Anschluss‹ behandelt. Nach der nationalsozialistischen ›Machtübernahme‹ in Österreich im März 1938 wurden die pharmazeutischen Standesorganisationen in den NS-Staat eingegliedert und die österreichische Pharmazie mit der reichsdeutschen ›gleichgeschaltet‹. Die in Österreich nach dem ›Anschluss‹ in der Apothekerschaft unmittelbar und rasch umgesetzten antisemitischen Maßnahmen – neben der umfassenden ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken zählen dazu auch Ausbildungs- und Berufsverbote – finden ihre Entsprechung und Vorbereitung im Deutschen Reich der Jahre 1933 bis 1938. Die in dieser Zeit im Deutschen Reich getroffenen legistischen Maßnahmen zur schrittweisen Verschärfung der Judenverfolgung im Apothekenwesen werden in Kapitel 1.3. gesondert dargestellt. Wie andere Berufsfelder auch war die österreichische Pharmazie in der Folge mit ›Arisierungen‹ von Apotheken und anderen pharmazeutischen Betrieben sowie Entlassungen und Berufsverboten aus rassistischen Motiven konfrontiert. Die Entlassungen betrafen dabei nicht nur Angestellte von Apotheken sondern auch UniversitätslehrerInnen und Studierende der Pharmazie. Viele österreichische PharmazeutInnen wurden ins Exil gezwungen oder deportiert und ermordet. Die mit dem ›Anschluss‹ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 vorgenommenen Veränderungen im österreichische Apothekenwesen werden in Kapitel 2 beschrieben. Innerhalb weniger Wochen wurde eine kleinräumig und vielschichtig organisierte Berufsgruppe dem ›Führerprinzip‹ unterworfen, zentralisiert und im nationalsozialistischen Sinn ›gleichgeschaltet‹. Die historisch gewachsenen Standesvertretungen und ihre Presse sowie alle pharmazeutischen Vereine wurden aufgelöst und durch Ableger reichsdeutscher Pendants ersetzt. Einzig die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich blieb bestehen und überdauerte die NS-Herrschaft. Auch die Situation der jüdischen PharmazeutInnen veränderte sich im März 1938 gravierend. Neben den vielfach dokumentierten antisemitischen Übergriffen in den Tagen nach dem ›An-

Einleitung

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schluss‹ ging nun eine Gruppe nationalsozialistischer Pharmazeuten daran, ihre schon vor 1938 geplante ›Entjudung‹ des österreichischen Apothekenwesens in die Tat umzusetzen. Kapitel 2.3. stellt daher die Akteure der zentralisierten ›Arisierung‹ vor, erläutert den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich bewegten, und beschreibt ihre Vorgangsweise. Auffällig und erklärungsbedürftig erschien in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die ›Arisierungen‹ in der österreichischen Apothekerschaft mit erstaunlichem Tempo realisiert wurden. Fast alle von der ›Arisierung‹ betroffenen Betriebe wurden im Frühjahr und Sommer 1938 zwangsveräußert, die Erteilung der nötigen Konzessionen für die ›AriseurInnen‹ erfolgte im Herbst 1938 und schon zum Jahresende 1938 existierte in Österreich keine Apotheke mehr mit jüdischen EigentümerInnen. Dies alles in Vorwegnahme erst später erlassener antijüdischer Rechtsvorschriften. Es stellte sich daher die Frage, wie von wem und unter welchen Bedingungen ›Arisierungen‹ österreichischer Apotheken in so kurzer Zeit bewerkstelligt werden konnten. Von der ›Arisierungsinitiative‹ der nationalsozialistischen Pharmazeuten waren österreichweit 90 Apotheken betroffen, wobei in den Bundesländern Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Kärnten keine ›Arisierungen‹ von Apotheken festgestellt werden konnten. In Wien hingegen wurde mehr als ein Drittel aller 1938 bestehenden Apotheken von den nationalsozialistischen ›Arisierungsmaßnahmen‹ erfasst. In Kooperation mit den neuen MachthaberInnen wurden die Apotheken jüdischer EigentümerInnen ›arisiert‹, jüdische PharmazeutInnen wurden entlassen und zur Emigration genötigt. Das Novemberpogrom des Jahres 1938 verschärfte die prekäre Situation jüdischer ÖsterreicherInnen weiter und war das Signal zu ihrer endgültigen Vertreibung. Nach den Grundregeln der nationalsozialistischen Vertreibungspolitik der Vorkriegsjahre sollten die jüdischen BürgerInnen ihre Heimat mit so wenig Besitz wie möglich verlassen. Diese Untersuchung setzt sich daher in Kapitel 3 ausführlich und detailliert mit der ›Arisierung‹ von Apothekenbetrieben und deren Betriebsrechten, der ›Entjudung‹ zugehöriger Liegenschaften sowie etwaigen Rückstellungsverfahren nach 1945 auseinander. Die AkteurInnen der ›Arisierungen‹ und ihre jüdischen Opfer werden benannt und die Abläufe dieser Transaktionen rekonstruiert. Die einzelnen Fälle wurden jeweils so weit recherchiert, bis sich ein konzises Bild von Entziehung und Rückstellung ergab. In Kapitel 4 werden schließlich die Wege der zur Auswanderung genötigten österreichischen PharmazeutInnen nachgezeichnet. Nur wenige von ihnen kamen nach Ende des Krieges zurück nach Österreich. Welche Hindernisse einer solchen Rückwanderung in Einzelfällen entgegenstanden und welche Erfahrungen die RückkehrerInnen gemacht haben, wird anhand von Einzelschicksalen dargestellt. Darüber hinaus wird auch dem endgültigen Los derer,

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Einleitung

die sich nicht durch Emigration der nationalsozialistischen Verfolgung entziehen konnten und in Konzentrationslagern ermordet wurden, nachgegangen.

1.

Vor dem ›Anschluss‹ 1938

1.1. Stand der österreichischen Apothekerschaft 1938 Im 19. Jahrhundert nahm im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten die pharmazeutische Industrie auf dem Hoheitsgebiet der österreichisch-ungarischen Monarchie trotz der Größe des Raumes und der rund 50 Millionen EinwohnerInnen nur eine bescheidene Stellung ein. So waren 1890 nur 1084 Personen in Betrieben beschäftigt, die als industrialisierte pharmazeutisch-chemische Erzeugungsstätten anzusehen waren.1 Die Herstellung von Medikamenten erfolgte nämlich im 19. Jahrhundert in der kaiserlich-königlichen Monarchie noch überwiegend in Apotheken, die seit dem Mittelalter auf Grundlage regional unterschiedlicher Apothekerordnungen betrieben wurden. Mit der Verabschiedung des so genannten »Generalsanitätsnormativs«2 am 2. Jänner 1770 existierte erstmals ein umfassendes und überregionales legistisches Instrument, das die Gesundheitsverwaltung – und somit auch die Herstellung und Abgabe von Medikamenten in Apotheken – zu einer Angelegenheit des Gesamtstaates erklärte.3 In der Folge wurde dieses Gesetz durch diverse Hofentschließungen und Verordnungen ergänzt, ohne dass jedoch im 19. Jahrhundert eine zusammenfassende Regelung des österreichischen Apothekenwesens erfolgt wäre. Die Verhältnisse in der Pharmazie lagen bis zum Inkrafttreten der Gewerbeordnung sehr unklar. Hofkanzleidekrete und verschiedene Verordnungen des Staatsministeriums regelten die Rechtsverhältnisse auf dem Gebiete der Pharmazie. Durch das Kundmachungspatent vom 20. Dezember 1859, RGBl. Nr. 227, wurde die Pharmazie

1 Vgl. Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (Hg.), Pharma in Österreich. Probleme und Zielsetzungen einer modernen Heilmittelversorgung in Österreich, Wien 1979, 5. 2 Theresianisches Gesetzbuch 1770 – 1773, Nr. 1152, Generalsanitätsnormativum vom 2. Jänner 1770. 3 Vgl. Felix Czeike, Geschichte der Wiener Apotheken. Stadtgeschichte im Spiegel eines Berufsstandes. Hg. von Helga Czeike u. a., Wien 2008, 96 f.

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Vor dem ›Anschluss‹ 1938

von der Gewerbeordnung ausgenommen und man glaubte, daß die Gesetzgebung die Verhältnisse in der Pharmazie regeln werde.4

Da das Apothekergewerbe wie auch andere Gesundheitsberufe von der Gewerbeordnung des Jahres 1859 ausgenommen wurde5 und später nur einige Bestimmungen dieser Gewerbeordnung auf das Apothekenwesen Anwendung fanden,6 blieb die gesetzliche Regelung der österreichischen Pharmazie bis zur Verabschiedung des Apothekengesetzes von 1906 Stückwerk. Die wenigen Reformen, die während der 1850er und 1860er-Jahre vorgenommen wurden, betrafen meist das Arzneibuch und die Arzneitaxe.7 In den Apothekergremien – als lokale Interessenvertretungen und Aufsichtsinstanzen der Apothekerschaft per Hofentschließung vom 10. April 1773 neu begründet8 – und auch in den mit der Materie befassten Ministerien war man anscheinend der Meinung, dass das österreichische Apothekerwesen keiner Reform bedürfe.9 Dies obwohl die Probleme des Standes offensichtlich waren: die rasante Entwicklung der Chemie und die Industrialisierung, die anderenorts zum Aufbau einer Pharmaindustrie führten, wurden in der Habsburgermonarchie durch veraltete Vorschriften behindert. Die Ausbildung entsprach nicht mehr dem Stand des pharmazeutischen Wissens, die soziale Lage der angestellten Apotheker war prekär und die Gründungen von Krankenkassen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzten die Apotheker wirtschaftlich unter Druck.10 Um hier Abhilfe zu schaffen, begannen gegen Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche Gespräche und Konferenzen innerhalb der Gremien und der verschiedenen pharmazeutischen Vereine der Apothekerschaft.11 Mit den zuständigen Behör-

4 Redaktion der ÖAZ, Vierzig Jahre Apothekengesetz, in: ÖAZ, Nr. 9/10 (1947), 34 – 35, 34. 5 RGBl. 227/1859, Kaiserliches Patent vom 20. December 1859 womit eine Gewerbe-Ordnung für den ganzen Umfang des Reiches, mit Ausnahme des venetianischen Verwaltungsgebietes und der Militärgränze, erlassen, und vom 1. Mai 1860 angefangen in Wirksamkeit gesetzt wird, Art. V, lit. g. 6 Dies betraf die §§ 58 und 59 der Gewerbeordnung. Im Wesentlichen besagten sie, dass der Eigentümer eines Realgewerbes, der die Voraussetzungen zu dessen Führung nicht besaß, einen Vertreter bestellen oder das Gewerbe verpachten musste. Weiters, dass bei Übertragung eines konzessionierten Gewerbes eine neue Konzession zu erwirken sei. 7 Vgl. Otto Nowotny, Aufbruch in die Moderne. Das österreichische Apothekenwesen um 1900: Emanzipation, Druck und ein akademischer Beruf, in: ÖAZ, Nr. 13 (1999), 606 – 611, 606. 8 Theresianisches Gesetzbuch 1770 – 1773, Nr. 1477, Hofentschließung vom 10. April 1773. 9 Vgl. Nowotny, Aufbruch in die Moderne, 607. 10 Vgl. ebd., 608. 11 Eine detaillierte Darstellung einzelner Reformvorschläge und ihre Rezeption finden sich zum Beispiel bei Alois Kernbauer, Geschichte der pharmazeutischen Ausbildung in Österreich Teil 2. Zwischen Zunft und Wissenschaft. Der österreichische Apotheker- und Pharmazeutenstand in der Krise. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in das Jahr 1922, Graz 1989, 12 – 26.

Stand der österreichischen Apothekerschaft 1938

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den und Ministerien wurden Verhandlungen aufgenommen, um eine gemeinsame Lösung der bestehenden Probleme zu finden.12 Als ein erstes wesentliches Ergebnis dieser Reformbemühungen kann die Zulassung von Frauen zum Apothekerberuf gewertet werden. War es im Mittelalter und der Frühen Neuzeit noch üblich, dass auch Frauen im Apothekergewerbe tätig waren, so war ihnen mit Ausnahme der Apothekerinnen in Klosterapotheken katholischer Frauenorden dieser Beruf im 19. Jahrhundert verwehrt.13 Erst im 17. und 18. Jahrhundert wurde Frauen der Zugang zum Apothekerberuf zunehmend erschwert, mit der Etablierung der bürgerlichen Biedermeier-Familie wurden sie auch hier in die Privat-Sphäre gedrängt, wobei hier durch die räumliche Nähe (besonders bei Land-Apotheken, wo Offizin und Küche unter einem Dach lagen) die Grenzen zwischen privat und öffentlich fließender waren. Die Schwellen wurden formal durch die Studien-, Prüfungs- und Approbationsordnungen gesetzt, die Frauen ohne Mittelschul-Bildung nicht überwinden konnten.14

Eine wesentliche Voraussetzung für die Zulassung zum Apothekerberuf war nach der damaligen Ausbildungsordnung der Abschluss der 6. Klasse des Gymnasiums, um eine pharmazeutische Ausbildung zu beginnen, beziehungsweise die Matura um ein reguläres Hochschulstudium betreiben zu können. Die ersten Mädchengymnasien in der Donaumonarchie entstanden aufgrund privater Initiativen und ohne staatliche Unterstützung. 1870 forderte Marianne Hainisch die Errichtung von Realgymnasien für Mädchen sowie die Zulassung von Frauen zum Hochschulstudium und gründete aus privaten Mitteln ein sechsklassiges Lyzeum, das 1891 Öffentlichkeitsrecht erhielt. Durch den Verein für erweiterte Frauenbildung folgte schließlich 1892 in Wien die Gründung des ersten Mädchengymnasiums im deutschsprachigen Raum,15 die ersten Absolventinnen dieses Gymnasiums maturierten 1898 und erwarben somit die Berechtigung zum Beginn eines Studiums.16 1895 fiel in der ungarischen Reichshälfte die Entscheidung zugunsten des Frauenstudiums, womit die österreichische Reichshälfte unter Zugzwang kam: Dies umso mehr, als sich 1897 auch der »Allgemeine österreichische Apothekerverein« für eine Zulassung von Frauen zum pharmazeutischen Beruf aussprach. Nachdem durch Mi12 Vgl. Nowotny, Aufbruch in die Moderne, 607 f. 13 Vgl. Gabriele Beisswanger u. a., Frauen in der Pharmazie. Die Geschichte eines Frauenberufes, Stuttgart 2001, 3 – 22; vgl. Czeike, Wiener Apotheken, 118. 14 Elisabeth Fritsch, Wie die Pharmazie ein Frauenberuf wurde. Materialien zu den in Wien ausgebildeten und berufstätigen Pharmazeutinnen mit Schwerpunkt 1905 bis 1945, Wien 2007, 12. 15 heute: AHS-Rahlgasse, Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium, Rahlgasse 4, WienMariahilf. 16 Vgl. Fritsch, Frauenberuf, 21.

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Vor dem ›Anschluss‹ 1938

nisterialerlass vom 23. März 1897 Frauen mit österreichischer Staatsbürgerschaft und abgelegter Matura ab dem 18. Lebensjahr als ordentliche Hörerinnen an der philosophischen Fakultät zugelassen worden waren und im Juli 1900 der Oberste Sanitätsrat ein positives Gutachten abgegeben hatte, schloss sich auch das Gremium am 31. Juli 1900 in einer Eingabe an das Ministerium mit dem Ersuchen an, Frauen zur Ausübung des pharmazeutischen Berufs zuzulassen. Bereits am 3. September 1900 wurde eine entsprechende Verordnung erlassen, die am 1. Oktober in Kraft trat.17

Blieb die Zahl der Studentinnen der Pharmazie an den österreichischen Universitäten zunächst gering, so stieg der Anteil von Frauen im Pharmaziestudium während des Ersten Weltkrieges auch im Vergleich zu anderen Studienrichtungen stark an. So waren 1916 von 42 AbsolventInnen der Pharmazie an der Universität Wien 25 Frauen, 1917 studierten auf dem Gebiet des heutigen Österreich – an den Universitäten in Wien, Graz und Innsbruck – 89 angehende Pharmazeuten und 97 angehende Pharmazeutinnen.18 Ein erster Gesetzesentwurf zur Neuregelung des österreichischen Apothekenwesens wurde schließlich 1903 von der Regierung vorgelegt. Dieser und ein weiterer Entwurf fanden allerdings nicht die Zustimmung der Apothekerschaft. Erst die dritte Fassung des Gesetzes führte zu einer Einigung mit den Pharmazeuten und wurde von den beiden Häusern des Reichsrats beschlossen.19 Am 18. Dezember 1906 mit der erforderlichen kaiserlichen Sanktion versehen, konnte das Gesetz, betreffend die Regelung des Apothekenwesens,20 am 10. Jänner 1907 in Kraft treten.

1.1.1. Das Apothekengesetz von 1906 Im Folgenden wird hier kurz auf die wesentlichen Bestimmungen des Apothekengesetzes von 1906 eingegangen, das 1938 und somit zum Zeitpunkt der ›Arisierung‹ von österreichischen Apotheken noch in Kraft war und erst im Lauf des Jahres 1939 durch reichsdeutsche Bestimmungen21 ersetzt wurde. Damit soll die spezielle rechtliche Situation, in der sich die österreichischen Apothekenbetriebe 1938 befanden, veranschaulicht werden. Das Apothekengesetz von 1906 unterschied prinzipiell zwischen öffentlichen

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Czeike, Wiener Apotheken, 119 f. Vgl. Fritsch, Frauenberuf, 35. Vgl. Otto Zekert, Apotheken-Gesetzeskunde, Wien 1948, 7. RGBl. 5/1907, Gesetz vom 18. Dezember 1906 betreffend die Regelung des Apothekenwesens. Siehe hierzu Kapitel 2.3. Antisemitische Maßnahmen betreffend das Apothekenwesen im Deutschen Reich 1933 – 1938.

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Apotheken – hier wiederum zwischen Realapotheken und konzessionierten Apotheken – ärztlichen Hausapotheken und Anstaltsapotheken.22 Als Realapotheken wurden jene Apotheken bezeichnet, bei denen die Gewerbeberechtigung nicht einer Person verliehen wurde, sondern entweder an den Betrieb selbst – so genannte »verkäufliche Gewerbe« – oder an eine Liegenschaft – so genannte »radizirte Gewerbe« – gebunden war. »Verkäufliche Gewerbe« waren Betriebe, die samt Betriebserlaubnis von den EigentümerInnen verkauft, verschenkt, verpfändet oder vererbt werden konnten. Für diese Betriebe wurden bei den jeweils zuständigen Behörden so genannte »Vormerkungs-Protokolle« geführt, in denen der Besitzstand und seine Veränderung sowie allfällige Pfandrechte verzeichnet wurden. »Radizirte Gewerbe« waren Betriebe, die direkt an eine Liegenschaft gebunden waren, einen Teil und Wert derselben darstellten und im Grundbuch verzeichnet werden mussten. In diesem Fall konnten die Liegenschaft und der Betrieb nur gemeinsam verkauft werden.23 Verfügte der Eigentümer oder die Eigentümerin einer solchen Realapotheke nicht über die nötige Qualifikation zu ihrer Führung, so musste ein qualifizierter Pharmazeut oder eine qualifizierte Pharmazeutin für die Leitung der Apotheke eingestellt oder die Apotheke verpachtet werden.24 Neugründungen von Realgewerben und somit auch Neugründungen von Realapotheken waren schon seit der Gewerbeordnung von 1859 ausgeschlossen, das Apothekengesetz von 1906 wiederholte dieses Neugründungsverbot. Bestehende Realgewerbe wurden aber sowohl durch die Gewerbeordnung von 1859 als auch im Falle der Apotheken durch das Apothekengesetz von 1906 in ihrem Bestand bestätigt.25 Endgültig abgeschafft wurden die Realapotheken erst mit der Novelle zum Apothekengesetz, die mit 1. Jänner 1985 in Kraft trat. Sie bestimmte, dass öffentliche Apotheken – soweit sie nicht im Eigentum einer Gebietskörperschaft oder einer anderen Körperschaft öffentlichen Rechts stehen – nach einer zehnjährigen Übergangsfrist nur mehr auf Grund einer Personalkonzession betrieben werden durften.26 Konzessionierte öffentliche Apotheken bedurften hingegen zu ihrem Betrieb einer persönlichen, nicht übertragbaren Konzession.27 Zur Erlangung einer solchen Konzession und um somit als selbstständiger Apotheker oder selbstständige Apothekerin tätig sein zu können, sah das Apothekengesetz von 1906 22 RGBl. 5/1907, §§ 1, 28 und 35 23 Politische Gesetze und Verordnungen 1792 – 1848, Hofdekret vom 20. Februar 1795 wegen Uebertragung, Verpfändung und Verleihung der Gewerbe (in Oesterreich unter der Enns). 24 RGBl. 5/1907, § 22. 25 RGBl. 227/1859, Art. VII und RGBl. 5/1907, § 21. 26 BGBl. 502/1984, Bundesgesetz vom 27. November 1984 mit dem das Gesetz betreffend die Regelung des Apothekenwesens geändert wird, Art. II, Abs. 1 u. 5. 27 RGBl. 5/1907, § 12.

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vor, dass der Bewerber oder die Bewerberin die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sich »im Vollgenuß der bürgerlichen Rechte«28 befinden und den akademischen Grad eines Magisters der Pharmazie erlangt haben musste. Für die Erteilung der Konzession war es auch erforderlich, dass am Standort der Apotheke oder in der nächsten Umgebung ein praktizierender Arzt ansässig und das Bedürfnis der Bevölkerung nach einer Apotheke nachgewiesen war.29 Eine weitere Voraussetzung zur Erlangung der Konzession war bei Übernahme einer bestehenden Apotheke eine mindestens fünfjährige facheinschlägige Tätigkeit oder bei der Neugründung einer öffentlichen Apotheke eine 15-jährige Berufspraxis.30 Weiters enthielt das Apothekengesetz ein – auch noch heute gültiges – Kumulierungsverbot, das es nicht gestattete, mehr als eine Konzession zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke zu besitzen oder den Betrieb von mehr als einer öffentlichen Apotheke selbst zu führen.31 Da das Gesetz auch eine Verpflichtung enthielt, den Betrieb ununterbrochen aufrecht zu erhalten,32 konnten Unterbrechungen der Öffnungszeiten wie Nachtsperre, Sonntags- und Mittagssperre nur auf Grund behördlicher Anordnungen erfolgen.33 Diese Betriebspflicht sah auch vor, dass bei beabsichtigter Einstellung des Betriebes der Inhaber oder die Inhaberin der Apotheke mindestens zwei Monate vorher der Behörde die Zurücklegung der Konzession mitzuteilen hatte.34 Die Konzession konnte aber auch von der Behörde zurückgenommen werden, wenn der Betrieb der Apotheke mehr als sechs Monate lang unterbrochen wurde, wenn ein Mangel der persönlichen Eignung nachträglich zum Vorschein kam, wenn der Konzessionsinhaber oder die Konzessionsinhaberin die österreichische Staatsbürgerschaft verlor oder durch strafrechtliche Verurteilung der Verlust der Apothekerbefugnis ausgesprochen beziehungsweise der akademische Grad entzogen wurde.35 Nach § 15 des Apothekengesetzes musste bei Verkauf oder Vererbung einer öffentlichen, konzessionierten Apotheke der neue Eigentümer oder die neue Eigentümerin eine neue Konzession für die bestehende Apotheke erwirken. Nur wenn eine solche Apotheke nach dem Tod des Konzessionsinhabers oder der Konzessionsinhaberin im Erbwege auf die Witwe, den Witwer oder eheliche Kinder derselben überging, konnte die Apotheke für die Witwe, den Witwer 28 Dies bezog sich auf die erreichte Großjährigkeit und das Fehlen einer Entmündigung. Vgl. hierzu: Zekert, Gesetzeskunde, 8. 29 RGBl. 5/1907, § 10. 30 RGBl. 5/1907, § 3. 31 RGBl. 5/1907, § 2. 32 RGBl. 5/1907, § 13. 33 Vgl. Zekert, Gesetzeskunde, 18. 34 RGBl. 5/1907, § 13. 35 RGBl. 5/1907, § 19.

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beziehungsweise die Kinder bis zu ihrer Großjährigkeit auf Grundlage der alten Konzession fortbetrieben werden. Für den Betrieb der Apotheke musste ein »verantwortlicher Leiter« oder ein »Pächter« bestellt werden,36 der seinerseits den persönlichen und fachlichen Bedingungen entsprechen musste, die für die Erlangung einer Konzession notwendig waren.37 Für den Fall, dass ein eheliches Kind Pharmazeut oder Pharmazeutin war, konnte die Apotheke so lange weiter betrieben werden, bis er oder sie die selbständige Eignung zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke erlangte, längstens jedoch bis er oder sie das dreißigste Lebensjahr erreicht hatte.38 Zahl und Standorte öffentlicher Apotheken waren reglementiert und richteten sich nach den Bedürfnissen der Bevölkerung und nach der Zahl der in einer bestimmten Gegend bestehenden Apotheken und ärztlichen Hausapotheken, die durch die Errichtung einer neuen Apotheke in ihrem Bestand nicht gefährdet werden durften.39 Das traf auch auf die ärztlichen Hausapotheken zu, die nur dann genehmigt wurden, wenn keine öffentliche Apotheke im Ort selbst oder in der näheren Umgebung existierte.40 Anstaltsapotheken konnten von öffentlichen Heil- und Humanitätsanstalten sowie von Krankenversicherungsanstalten eingerichtet werden. In den meisten Fällen handelte es sich dabei um Krankenhausapotheken.41 Einen Sonderfall stellten die vorhandenen Apotheken von Klöstern dar. Sie wurden im Apothekengesetz von 1906 nicht eigens erwähnt. Ihre Betriebsberechtigung ergab sich aus § 61 des Gesetzes, der die auf Grund früherer Vorschriften erlangte Berechtigung zum Betrieb einer Apotheke fortschrieb.42 Das Apothekengesetz von 1906 – seiner Vorbereitung und Beschlussfassung gingen jahrelange Debatten voraus – kann als ein Kompromiss zwischen den damaligen ApothekenbesitzerInnen und den angestellten PharmazeutInnen gewertet werden. Lag es im Interesse ersterer, ihre Apotheken nach Möglichkeit als verkauf- und vor allem vererbbar definiert zu sehen, so drängten die angestellten ApothekerInnen zum einen auf eine unbeschränkte Niederlassungsfreiheit, zum anderen darauf, ein System reiner Personalkonzessionen zu etablieren.43 Das neue Apothekengesetz versuchte nun beiden Seiten Rechnung zu tragen, indem es zum einen die Übertragung von konzessionierten Apotheken sowohl im Erbwege als auch durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden ermöglichte, 36 37 38 39 40 41 42 43

RGBl. 5/1907, § 17. RGBl. 5/1907, § 4. RGBl. 5/1907, § 15. RGBl. 5/1907, § 10. RGBl. 5/1907, § 29. RGBl. 5/1907, § 35 sowie Zekert, Gesetzeskunde, 29 f. RGBl. 5/1907, § 61 sowie Zekert, Gesetzeskunde, 38 f. Vgl. Redaktion der ÖAZ, Apothekengesetz, 34.

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zum anderen aber festhielt, dass die Konzession zum Betriebe einer öffentlichen Apotheke eine persönliche sei und nicht auf andere übertragen werden könne.44 Der gegen Ende des 19. Jahrhundert vor allem durch die damals herrschende Verwaltungspraxis üblich gewordene »Apothekenschacher«45 wurde damit abgestellt. Die im Gesetz für die Erteilung einer Konzession vorgesehenen Voraussetzungen galten nun für alle BewerberInnen. Ein großer Vorteil, den das Gesetz den angestellten ApothekerInnen bot, lag in der Regelung und Vereinfachung der Neuerrichtung von Apotheken. Bei persönlicher Eignung war ein Ansuchen um eine freigewordene oder eine neue Konzession jederzeit möglich. So wurde, besonders in Wien, nach Verabschiedung des Apothekengesetzes eine große Zahl von öffentlichen Apotheken neu errichtet.46 Die in § 63 des Apothekengesetzes zur Vertretung der Apothekerschaft einschließlich der angestellten ApothekerInnen vorgesehene Errichtung von Apothekerkammern in allen Kronländern der Monarchie wurde jedoch nicht umgesetzt. Im Zuge der Implementierung des Apothekengesetzes erhielten die angestellten Apotheker durch ministerielle Verordnung vom 2. Jänner 1907 erstmals eine, wenn auch nicht sehr durchsetzungsstarke, Standesvertretung, die so genannten Ausschüsse der konditionierenden Pharmazeuten. Diese bei den jeweiligen Apothekergremien angesiedelten Interessenvertretungen wurden durch Wahlen unter den angestellten PharmazeutInnen bestimmt und waren berechtigt, in allen Belangen, in denen das Apothekengesetz von 1906 eine Stellungnahme der Standesvertretungen vorsah, ihrerseits Stellungnahmen abzugeben.47 Die existierenden Apothekergremien, erweitert um die Ausschüsse der konditionierenden Pharmazeuten, bestanden als offizielle Interessenvertretungen des Standes bis 1938 weiter.48 Die Gründung der Österreichischen Apothekerkammer erfolgte schließlich 1947.49 Wesentliche Materien des österreichischen Apothekenwesens, wie zum Beispiel das Arzneibuch, die Studienordnung, die Betriebsordnung und der Einsatz von Hilfskräften wurden auch nach Verabschiedung des Apothekengesetzes 1906 weiter im Verordnungswege geregelt, so dass das Apothekengesetz im Wesentlichen ein Rahmengesetz darstellte, das jeweils durch besagte Verordnungen aktualisiert wurde.50 44 45 46 47

RGBl. 5/1907, §§ 12 und 15. Vgl. Redaktion der ÖAZ, Apothekengesetz, 34. Vgl. ebd., 35. RGBl. 6/1907, Verordnung des Ministers des Inneren vom 2. Jänner 1907 betreffend die Bestellung von Ausschüssen der konditionierenden Pharmazeuten. 48 Vgl. Otto Nowotny, Von der Monarchie zur Republik. Das österreichische Apothekenwesen zwischen 1918 und 1938, Teil 2, in: ÖAZ, Nr. 16 (1995), 708 – 714, 708. 49 BGBl. 152/1947, Bundesgesetz vom 18. Juni 1947 betreffend die Errichtung einer Apothekerkammer. 50 Vgl. Nowotny, Von der Monarchie zur Republik II, 709.

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1.1.2. Die österreichische Apothekerschaft 1938 in Zahlen Um einen Überblick über die Größe des österreichischen Apothekenwesens zum Zeitpunkt des ›Anschlusses‹ Österreichs an das Deutsche Reich zu geben, soll diese hier in einigen wesentlichen Zahlen veranschaulicht werden. Laut einer Statistik des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 25. Mai 193851 stellte sich der Bestand an Apotheken, die Anzahl ihrer EigentümerInnen und Angestellten in Österreich Mitte des Jahres 1938 wie folgt dar : Tabelle 1: Apotheken in Österreich 1938

Burgenland Kärnten Niederösterreich Oberösterreich Salzburg Steiermark Tirol Vorarlberg Wien Gesamt

öffentliche Apotheken 30 35 141 82 23 83 26 10 222 652

Anstaltsapotheken – 2 1 2 2 3 – – 14 24

Klosterapotheken – 2 2 1 2 – – 4 11

ärztliche Hausapotheken 13 50 262 147 38 107 74 34 – 725

Summe der Apotheken 43 89 404 233 64 195 100 44 240 1412

Nicht berücksichtigt in dieser Auflistung sind etwaige Filialapotheken sowie Saisonapotheken als nur zeitweise betriebene, zweite Geschäftsstellen einer Stammapotheke wie zum Beispiel in Kur- und Erholungsorten. Tabelle 2: Selbstständige und angestellte ApothekerInnen in Österreich 1938

Burgenland Kärnten Niederösterreich Oberösterreich Salzburg Steiermark Tirol Vorarlberg Wien Gesamt

selbstständige ApothekerInnen 29 33 141 82 19 68 27 7 207 613

angestellte ApothekerInnen 5 28 85 83 30 107 28 9 474 849

Summe der ApothekerInnen 34 61 226 165 49 175 55 16 681 1462

51 ÖStA, AdR 03, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1938, Kt. 2329, IV-3537 – 8/38, Apothekenstatistik.

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PharmazeutInnen waren sowohl als selbstständige ApothekerInnen – und somit auch als UnternehmerInnen – als auch als Angestellte tätig. Der Anteil der Angestellten betrug nach obiger Liste dabei fast 60 Prozent, wobei vor allem in Wien von den PharmazeutInnen mehr als doppelt so viele als Angestellte wie als selbstständige ApothekerInnen arbeiteten. Nur in Niederösterreich und im Burgenland arbeiteten mehrheitlich selbstständige ApothekerInnen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass diese beiden Bundesländer die meisten kleinen Landapotheken aufwiesen, die zu umsatzschwach waren, um Angestellte beschäftigen zu können. Das Verhältnis zwischen selbstständigen ApothekerInnen und Angestellten war nicht friktionsfrei. Trotz gleicher Ausbildung unterschieden sie sich wesentlich in Einkommen, sozialem Status und Einflussmöglichkeiten in der Standespolitik. Die »soziale Frage« – im Wesentlichen Verteilungs- und Partizipationskonflikte – beschäftigte die österreichische Apothekerschaft seit Beginn des 20. Jahrhunderts wie kaum eine andere. Zu ihrer Lösung wurden Sozialmodelle wie die Versicherungsanstalt der Pharmazeuten und die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich mit ihren verschiedenen Versicherungsund Wohlfahrtseinrichtungen entwickelt, die schon in den 1920er-Jahren auf die später etablierte Sozialpartnerschaft der 2. Republik verwiesen.52 Die österreichische Apothekerschaft der 1930er-Jahre stellte sich somit zum einen als eine staatlicherseits stark reglementierte und kontrollierte Berufsgemeinschaft dar, in der vielerorts noch »der alte Zunftgeist herrschte«,53 zum anderen konnte – später entwickelte Sozialmodelle vorwegnehmend – mittels standeseigener sozialer Einrichtungen ein vergleichsweise stabiler interner Interessensausgleich zwischen EigentümerInnen von Apotheken und ihren angestellten KollegInnen gefunden werden.

1.1.3. Die pharmazeutischen Standesorganisationen bis 1938 Die Standesorganisationen der österreichischen PharmazeutInnen waren 1938 weit gefächert. Neben neun Apothekergremien, einem Großhandelsbetrieb, sozialen Einrichtungen wie der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich und der Versicherungsanstalt für Pharmazeuten sowie eigens für die spezielle Interessenslage der Pharmazie gegründeter Geldinstitute verfügte die österreichische Pharmazeutenschaft auch über eine Vielzahl von lokalen wirtschaftsorientierten, wissenschaftlichen, sozialen und standespolitischen Vereinen. Da 52 Siehe hierzu Kapitel 2.1.3. Die pharmazeutischen Standesorganisationen bis 1938. 53 Otto Nowotny, 50 Jahre Österreichische Apothekerkammer, in: ÖAZ, Nr. 19 (1997), 885 – 892, 885.

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einige diese Organisationen mehr oder weniger prominent in den folgenden Kapiteln eine Rolle spielen, sollen hier nun die wichtigsten dieser Institutionen vorgestellt werden.

1.1.3.1. Die Apothekergremien Die gewerbliche Organisation des Apothekerstandes blieb in der Ersten Republik in fast allen Belangen dieselbe wie zuvor in der Monarchie54 und gliederte sich in so genannte Apothekergremien. Als legale Vertretungen des Berufsstandes waren diese jeweils nur für ihr Gremialgebiet zuständig. Dort waren sie auch für den Kontakt der Apothekerschaft zu den für das Sanitäts- und Gesundheitswesen zuständigen Landesbehörden verantwortlich.55 Von den 33 Haupt-, Kreis- und Filialgremien der früheren Monarchie blieben nach 1918 nur die neun Apothekergremien, die sich auf dem Gebiet der Republik Österreich befanden, weiterhin bestehen.56 Das wichtigste dieser Apothekergremien war das 1831 eingerichtete Wiener Apotheker-Hauptgremium57 mit seinen vier niederösterreichischen – Viertel ob dem Manhartsberg, Viertel unter dem Manhartsberg, Viertel ober dem Wienerwald, Viertel unter dem Wienerwald – Filialgremien.58 Aus jedem dieser Filialgremien wurde jeweils ein Apotheker oder eine Apothekerin zu den Versammlungen des Wiener Hauptgremiums entsandt.59 Das Wiener Hauptgremium war auch für die Prüfung der Pharmazielehrlinge und die Ausstellung der Lehrbriefe zuständig.60 Neben dem schon erwähnten Wiener Apotheker-Hauptgremium existierten in der Zwischenkriegszeit noch folgende Apothekergremien auf dem Gebiet der Republik Österreich: das Oberösterreichische Apothekergremium, das Apothekergremium in Salzburg, das Steiermärkische Apothekergremium, das Kärntnerische Apothekergremium. In Tirol und Vorarlberg bestanden keine Apothekergremien, die Interessen der dortigen Apotheker und Apothekerinnen wurden durch den Allgemeinen österreichischen Apothekerverein und den Pharmazeutischen Reichsverband für Österreich vertreten. Weiters bestand ab 1922 auch ein Burgenländisches Apothekergremium, das allerdings 1930 von der burgenländischen Landesregierung aufgelöst wurde.61 Im Zuge der Implementierung des Apothekengesetzes von 1906 erhielten die 54 55 56 57 58 59 60 61

Vgl. Nowotny, Von der Monarchie zur Republik II, 708. Vgl. Nowotny, Aufbruch in die Moderne, 607. Vgl. Nowotny, Von der Monarchie zur Republik II, 709. Vgl. Czeike, Wiener Apotheken, 178. Vgl. Nowotny, Von der Monarchie zur Republik II, 709. Vgl. Czeike, Wiener Apotheken, 178 f. Vgl. ebd., 179. Vgl. Nowotny, Von der Monarchie zur Republik II, 709.

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angestellten Apotheker und Apothekerinnen durch ministerielle Verordnung vom 2. Jänner 1907 erstmals eine Standesvertretung, die so genannten Ausschüsse der konditionierenden Pharmazeuten. Diese bei den jeweiligen Apothekergremien angesiedelten Interessenvertretungen wurden durch Wahlen unter den angestellten PharmazeutInnen bestimmt und waren berechtigt, in allen Belangen, in denen das Apothekengesetz von 1906 eine Stellungnahme der Standesvertretungen vorsah, ihrerseits Stellungnahmen abzugeben.62 In der Zwischenkriegszeit wurden die VertreterInnen der angestellten PharmazeutInnen meist mehrheitlich vom Pharmazeutischen Reichsverband für Österreich als größter Fraktion innerhalb der Angestelltenschaft gestellt. Die Entscheidungsfindung in den Apothekergremien wurde wesentlich von den beiden großen pharmazeutischen Vereinen, dem Allgemeinen österreichischen Apothekerverein – in ihm organisierten sich die EigentümerInnen von Apotheken – und dem Pharmazeutischen Reichsverband für Österreich – er vertrat die Interessen der angestellten PharmazeutInnen – beeinflusst. Die Standespolitik wurde in den beiden Vereinen beschlossen, die jeweiligen VertreterInnen versuchten daraufhin, diese in den Gremien durchzusetzen.63

1.1.3.2. Der Allgemeine Österreichische Apothekerverein Bereits 1827 wurden erste Versuche unternommen, einen Apothekerverein zu gründen, doch erst 1848 wurde am ersten Kongress der österreichischen Apotheker ein entsprechender Beschluss gefasst. Durch die Wirren der Revolution von 1848 und die darauf folgende Periode staatlicher Repression wurde dieser Beschluss jedoch nicht realisiert. Erst 1859 konnte durch die beschlossene Erweiterung des 1856 gegründeten Mährischen Apothekervereins zum Allgemeinen österreichischen Apothekerverein ein entscheidender Schritt in Richtung Vereinsgründung gesetzt werden. 1861 wurde die Bewilligung zur Konstituierung dieses Vereines erreicht, die konstituierende Generalversammlung fand schließlich am 16. und 17. September 1861 statt.64 Obwohl der Verein laut seinen Statuten alle Pharmazeuten der Donaumonarchie vertreten sollte, entwickelte sich der Allgemeine österreichische Apothekerverein bald zur standespolitischen und wirtschaftlichen Interessenvertretung der Eigentümerinnen und Eigentü-

62 RGBl. 6/1907, Verordnung des Ministers des Inneren vom 2. Jänner 1907 betreffend die Bestellung von Ausschüssen der konditionierenden Pharmazeuten. 63 Vgl. Nowotny, Von der Monarchie zur Republik II, 708 f. 64 Vgl. Leopold Hochberger, Geschichte der Apotheken und des Apothekenwesens in Wien. Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Band 3, Teil 2: Die Geschichte des Wiener Apotheker Hauptgremiums, Wien 1930, 75.

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mer von Apotheken.65 Wie andere österreichische pharmazeutische Vereine wurde auch der Allgemeine österreichische Apothekerverein nach dem ›Anschluss‹ Österreichs an das Deutsche Reich im August 1938 aufgelöst. 1.1.3.3. Der Pharmazeutische Reichsverband für Österreich Nach einer ersten, wenig erfolgreichen Vereinsgründung im Jahr 1868 konstituierte sich am 28. September 1891 der Allgemeine österreichische ApothekerAssistentenverein als Interessensvertretung der angestellten Pharmazeuten Österreichs, und setzte erste Aktivitäten, um die Dienst-, Wohnungs-, und Gehaltssituation der angestellten Pharmazeuten zu verbessern. Ab 1896 firmierte dieser Verein als Allgemeiner österreichischer Pharmaceuten-Verein und benannte sich 1910 schließlich um in Pharmazeutischer Reichsverband für Österreich.66 Während der Zwischenkriegszeit von 1918 bis 1938 war der Reichsverband sicherlich die festestgefügte und bestgeführte Berufsorganisation der Pharmazeuten Österreichs.67

Ab 1919 erfolgte eine langsame Unterwanderung des Pharmazeutischen Reichsverbandes durch nationalsozialistisch gesinnte PharmazeutInnen, die nach dem Juliabkommen von 1936 – es hob das 1934 verhängte Verbot der NSDAP in Österreich auf – verstärkt Einfluss auf die Standespolitik des Pharmazeutischen Reichsverbandes nahm.68 Im Sinne der nationalsozialistischen ›Gleichschaltung‹ wurde auch der Pharmazeutische Reichsverband im August 1938 aufgelöst. 1.1.3.4. Die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich und die Versicherungsanstalt für Pharmazeuten Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es für die angestellten PharmazeutInnen keine soziale Absicherung. Die geringe Entlohnung während der aktiven Dienstzeit ließ die Bildung von Rücklagen für den Fall von Krankheit oder Arbeitslosigkeit – die somit Existenz bedrohend wurden – sowie als Altersvorsorge nicht zu. Ziel der angestellten PharmazeutInnen war daher ein in der 65 Vgl. Otto Nowotny, Das pharmazeutische Vereinswesen Österreichs zwischen 1802 und 2000, Teil 1, in: ÖAZ 54 (2000), 410 – 415, 412 f. 66 Vgl. Hochberger, Wiener Apotheker Hauptgremiums, 104. 67 Otto Nowotny, »Aus dem Dunkel«. Untergang und Wiedergeburt des Pharmazeutischen Reichsverbandes für Österreich 1938 und 1947, in: ÖAZ Jubiläumsausgabe 1996, 11 – 16, 11. 68 Vgl. Otto Nowotny, Von der Monarchie zur Republik. Das österreichische Apothekenwesen zwischen 1918 und 1938, Teil 1, in: ÖAZ Nr. 49 (1995), 622 – 625, 624.

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ganzen Monarchie einheitliches Gehalt, das, orientiert an den BeamtInnen, mit den Dienstjahren steigen sollte.69 1902 erreichten schließlich die DienstnehmerInnen in Wien, dass ihnen ihre DienstgeberInnen ein Grundgehalt bezahlten und eine dem Dienstalter entsprechende Zulage vom Wiener Apotheker Hauptgremium zugezahlt wurde. Dieses Modell wurde von der am 14. Oktober 1908 gegründeten Allgemeinen Gehaltskasse der Apotheker Österreichs übernommen. Da diese erste Gehaltskasse aber als Verein mit freiwilliger Mitgliedschaft konzipiert war und vor allem die Mehrzahl der Landapotheker diesem Verein nicht beitraten, konnte die Gehaltskasse ihren finanziellen Verpflichtungen auf die Dauer nicht nachkommen. 1919 beschloss der österreichische Nationalrat daher nach jahrelangen Verhandlungen zwischen den selbstständigen ApothekerInnen und ihren Angestellten das Gehaltskassengesetz,70 das alle ApothekerInnen Österreichs verpflichtete, der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich beizutreten.71 In den folgenden Jahren wurden die sozialen Einrichtungen, die die Pharmazeutische Gehaltskasse zur Verfügung stellte – so wurde 1921 ein Notstandsfonds gebildet, um erwerbsunfähige PharmazeutInnen sowie die Hinterbliebenen von PharmazeutInnen finanziell zu unterstützen – weiter ausgebaut.72 Als einzige Standesorganisation der österreichischen PharmazeutInnen wurde die Pharmazeutische Gehaltskasse 1938 nicht aufgelöst, sondern unter Aufsicht des Reichsstatthalters von Wien weitergeführt.73 1914 wurde, da das Apothekengesetz von 1906 eine Altersvorsorge für die angestellten PharmazeutInnen einer öffentlichen Apotheke sowie ihrer Hinterbliebenen vorschrieb,74 das erste Pensionsinstitut für die angestellten PharmazeutInnen gegründet.75 Dieses verlor jedoch durch die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg sein Vermögen und konnte daher seinen Aufgaben nicht mehr gerecht werden. Als 1923 durch den österreichischen Nationalrat ein neues Angestelltenversicherungsgesetz beschlossen werden sollte, war in diesem auch eine eigene Versicherungsanstalt für PharmazeutInnen vorgesehen. Nach Beschlussfassung des Gesetzes Ende 1926 konnte dann die Versicherungsanstalt für Pharmazeuten 1927 aktiv werden. Die Versicherungsanstalt für Pharmazeuten befand sich in Selbstverwaltung der österreichischen PharmazeutInnen und in 69 Vgl. Nowotny, Von der Monarchie zur Republik II, 711 f. 70 StGBl. 410/1919, Gehaltskassengesetz vom 30. Juli 1919. 71 Vgl. Nowotny, Von der Monarchie zur Republik II, 712. Zur Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich von ihrer Gründung bis 1938 siehe auch Alfred Fehringer u. Leopold Kögler, Gehaltskasse, 112 – 122. 72 Vgl. Nowotny, Von der Monarchie zur Republik II, 712. 73 Siehe hierzu Kapitel 3.2. Die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich 1938. 74 RGBl. 5/1907, § 11. 75 Vgl. Nowotny, Von der Monarchie zur Republik II, 712.

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Verwaltungseinheit mit der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich. Sie stellte Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung für die angestellten PharmazeutInnen und ihre Angehörigen zur Verfügung.76 Die Versicherungsanstalt für Pharmazeuten wurde nach dem ›Anschluss‹ Österreichs an das Deutsche Reich im Dezember 1938 aufgelöst.77 1.1.3.5. Die Apotheker-Zentralkasse und die Pharmakred Um den finanziellen Bedürfnissen der österreichischen Apothekerschaft besser entsprechen zu können als herkömmlich Geldinstitute, wurde 1910 das ZentralKredit- und Sparinstitut der Apotheker Österreichs, registrierte Genossenschaft m.b.H. mit Sitz in Wien als Geldinstitut der österreichischen Apothekerschaft gegründet. KundInnen dieses Instituts waren vor allem deutschsprachige ApothekerInnen aus dem Gebiet des heutigen Österreich. Die Bank überstand sowohl den Ersten Weltkrieg und den Zusammenbruch der Monarchie als auch die Hyperinflation der Nachkriegszeit. Nach dem Ersten Weltkrieg änderte sie ihren Namen in Apotheker-Zentralkasse, registrierte Genossenschaft m.b.H. Im Österreich der Zwischenkriegszeit war die Apotheker-Zentralkasse wenn auch eine kleine, so doch eine fixe Größe in der österreichischen Bankenlandschaft.78 Um seinen Mitgliedern zu günstigen Konditionen das für eine Pachtübernahme oder für den Schritt in die Selbstständigkeit nötige Kapital zur Verfügung stellen zu können, gründete der Pharmazeutische Reichsverband für Österreich am 7. April 1924 die Pharmakred, Kredit- und Garantiegenossenschaft, registrierte Genossenschaft m.b.H. mit Sitz in Wien. Die Pharmakred war ab ihrer Gründung sehr erfolgreich und zählte innerhalb weniger Jahre an die 700 Mitglieder. Nach dem ›Anschluss‹ wurde die Pharmakred im März 1938 unter kommissarische Verwaltung gestellt. Als kommissarischer Verwalter wurde wie bei vielen anderen pharmazeutischen Standesorganisationen der damalige Obmann der Pharmazeutischen Gehaltskasse und Präsident des Pharmazeutischen Reichsverbands, SA-Obertruppführer Mag. Franz Dittrich bestellt.79 Unter Druck der NS-Ausichtsbehörde fusionierten im April 1944 die Apotheker-Zentralkasse und die Pharmakred zur Wiener Apothekerbank. Die Wiener

76 Vgl. ebd. 77 Siehe hierzu Kapitel 3.1. Die Auflösung der pharmazeutischen Standesorganisationen und die Gleichschaltung der Standespresse. 78 Vgl. Otto Nowotny, Zur Geschichte des pharmazeutischen Bankwesens in Österreich. Die Bankinstitute der Apotheker, in: ÖAZ Nr. 58 (2004), 1002 – 1003, 1002 f. 79 Vgl. Nowotny, Pharmazeutisches Bankwesen, 1003. Siehe hierzu auch Kapitel 3.1. Die Auflösung der pharmazeutischen Standesorganisationen und die Gleichschaltung der Standespresse. Zur Person Franz Dittrich siehe Anhang, Kurzbiografien.

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Apothekerbank bestand bis nach 1945 weiter und wurde 1951 in Österreichische Apothekerbank umbenannt.80 1.1.3.6. Die Heilmittelstelle und die Herba, Handelsaktiengesellschaft österreichischer Apotheker Sowohl die Gründung der Heilmittelstelle als auch der Ausbau der Herba, Handelsaktiengesellschaft österreichischer Apotheker zu einem pharmazeutischen Großhandelsbetrieb waren Ergebnisse einer 1919 in der österreichischen Pharmazeutenschaft heftig und kontrovers geführten Verstaatlichungsdebatte. Der damalige sozialdemokratische Staatssekretär im Sozialministerium, Ferdinand Hanusch, und der Wiener sozialdemokratische Kommunalpolitiker Dr. Julius Tandler beabsichtigten, die Heilmittelindustrie und den Großhandel mit Medikamenten wie auch das Apothekenwesen zu verstaatlichen, um unter anderem eine Senkung der Arzneimittelpreise zu erreichen.81 Der Plan, die Apotheken zu verstaatlichen, wurde später fallengelassen, die Verstaatlichung des pharmazeutischen Großhandels war jedoch zum Teil erfolgreich. Bereits im Sommer 1919 erhielten die Apotheker Nachricht über die Arbeiten der Sozialisierungskommission für eine H e i l m i t t e l s t e l l e , gemeinwirtschaftliche Anstalt. Diese sollte durch Zusammenlegung der bestandenen Militär-Medikamentendirektion, der Medikamenten-Eigenregie des Krankenanstaltenfonds, sowie unter Beiziehung der Firmen Fritz-Petzold, Röder-Raabe und mehrerer anderer geschaffen werden. Ihr Zweck sollte sein, typesierte [sic!] Medikamente herzustellen und diese nebst dem übrigen Arzneimittelbedarf an die Kranken- und Humanitätsanstalten, sowie an die Krankenkassen mit Umgehung der Apotheken zu liefern, um durch diese direkte Abgabe eine Verbilligung der Medikamente herbeizuführen.82

Die Heilmittelstelle wurde schließlich mit Kabinettsratsbeschluss vom 30. September 1919 als eine gemeinwirtschaftliche Anstalt aus den Beständen der Militär-Medikamenten-Direktion – diese verfügte mit der Militär-Medikamenten-Eigenregie in Wien-Erdberg über moderne pharmazeutische Fertigungsanlagen und einen bedeutenden Rohstoffvorrat – und der MedikamentenEigenregie der Wiener öffentlichen Fondskrankenanstalten – angesiedelt im Wiener Allgemeinen Krankenhaus und Arzneimittelieferantin aller Wiener öffentlichen Fondskrankenanstalten – errichtet.83 Die Heilmittelstelle wurde mit 80 Vgl. Nowotny, Pharmazeutisches Bankwesen, 1003. 81 Vgl. Otto Nowotny, Von der Monarchie zur Republik I, 625 sowie ders., Von Materialisten und Grossisten. Die Anfänge des pharmazeutischen Großhandels in Österreich, in: ÖAZ 53 (1999), 792 – 798, 797. 82 Hochberger, Wiener Apotheker Hauptgremium, 194; Hervorhebungen im Original. 83 ÖStA, AdR 03, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1939, Kt. 2391, II8 – 257.531-k/1938 Österreichische Heilmittel Ges.m.b.H, Bericht betreffend die Österreichische Heilmittel

Stand der österreichischen Apothekerschaft 1938

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einem Kapital von 6,7 Millionen Kronen gegründet, wovon 3,7 Millionen durch eine Stammeinlage der Republik Österreich, 1 Million durch den Wiener Krankenanstaltenfonds und der Rest durch Teilschuldverschreibungen aufgebracht wurden.84 Die Fusion der Heilmittelstelle mit anderen, privaten pharmazeutischen Großhandelsbetrieben fand später nicht statt, die Heilmittelstelle blieb aber bestehen und wurde in der Erzeugung von pharmazeutischen Spezialitäten und Galenika sowie im Großhandel aktiv.85 Die österreichischen ApothekerInnen, die in der Gründung der Heilmittelstelle eine Monopolisierung des Arzneimittel- und Rohstoffhandels und eine damit ihnen drohende Liefer- und Preisabhängigkeit sahen, gingen nun daran, eine eigene pharmazeutische Großhandelsfirma zu errichten. Dafür wurde die Herba – eine von Wiener Apothekern am 12. Mai 1916 auf genossenschaftlicher Basis zum Anbau und zur Verwertung von Arznei- und Nutzpflanzen gegründete Firma – 1919 zum pharmazeutischen Großhandelsbetrieb ausgebaut. Die Herba wurde 1923 in eine Aktiengesellschaft, deren Aktien ausschließlich in den Besitz von PharmazeutInnen begeben wurden, mit dem Namen Herba, Handelsaktiengesellschaft österreichischer Apotheker umgewandelt.86 Mit Ministerratsbeschluss vom 2. März 1934 wurde die Heilmittelstelle in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt, die beiden einzigen GesellschafterInnen waren die Republik Österreich mit einem Anteil von 65 Prozent und der Wiener Krankenanstaltenfonds mit einer Beteiligung von 35 Prozent.87 Mit dem ›Anschluss‹ Österreichs an das Deutsche Reich war dann für die Herba die Zeit gekommen, sich der ungeliebten Konkurrentin Heilmittelstelle zu entledigen. Nachdem der Wiener Krankenanstaltenfonds durch den Stillhaltekommissar für Organisationen, Vereine und Verbände88 aufgelöst worden und sein Vermögen der Stadt Wien überantwortet worden war,89 gelang es der Herba im Lauf der nächsten Jahre, eine Beteiligung von 50 Prozent an den Heilmit-

84 85 86 87 88 89

Ges.m.b.H in Wien vom 12. Juni 1939; vgl. Otto Nowotny, Von der Monarchie zur Republik I, 625. ÖStA, AdR 03, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1939, Kt. 2391, II8 – 257.531-k/1938 Österreichische Heilmittel Ges.m.b.H, Bericht betreffend die Österreichische Heilmittel Ges.m.b.H in Wien vom 12. Juni 1939. Vgl. Nowotny, Pharmazeutischer Großhandel, 797. Vgl. ebd. ÖStA, AdR 03, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1939, Kt. 2391, II8 – 257.531-k/1938 Österreichische Heilmittel Ges.m.b.H, Bericht betreffend die Österreichische Heilmittel Ges.m.b.H in Wien vom 12. Juni 1939. Zur Funktion des Stillhaltekommissar für Organisationen, Vereine und Verbände siehe Kapitel 3.1. Die Auflösung der pharmazeutischen Standesorganisationen und die Gleichschaltung der Standespresse. ÖStA, AdR 03, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1939, Kt. 2391, II8 – 257.531-k/1938 Österreichische Heilmittel Ges.m.b.H, Bericht betreffend die Österreichische Heilmittel Ges.m.b.H in Wien vom 12. Juni 1939.

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telwerken in Wien-Erdberg zu kaufen. Die anderen 50 Prozent an den Heilmittelwerken verblieben im Besitz der Gemeindeverwaltung des Reichgaues Wien.90 Folgerichtig saßen dann auch ab April 1943 die Spitzenvertreter der nationalsozialistischen Apothekerschaft im Aufsichtsrat der Heilmittelwerke: SAObersturmbannführer Mag. Edwin Renner91 für die Stadt Wien und die SAObertruppführer Mag. Franz Dittrich, langjähriges Mitglied des Verwaltungsrats und seit Jänner 1939 Obmann des Aufsichtsrats der Herba, sowie Mag. Dr. Portisch92 für die Herba.93

1.2. Jüdische PharmazeutInnen in Österreich von der Gewerbefreiheit 1860 bis zum ›Anschluss‹ 1938 In Österreich-Ungarn gab es vor 1829 kein Gesetz, das Juden den Zugang zum Apothekerberuf verwehrte. Obwohl ihnen dieser Beruf somit theoretisch offen stand, wogen andere Restriktionen, denen die Juden und Jüdinnen in der Habsburgermonarchie vor 1867 unterworfen waren, schwerer. Für die Gebiete der späteren Republik Österreich waren dies Aufenthalts- und Niederlassungsverbote sowie das Verbot, Kultusgemeinden zu gründen. So lebten 1848 in der Reichshauptstadt Wien nur 197 sogenannte »tolerierte Juden« mit ihren Angehörigen und Bediensteten.94 Auf dem Gebiet des heutigen Österreich bestanden um das Jahr 1700 jüdische Gemeinden nur in Hohenems und Sulz in Vorarlberg sowie im Burgenland; in Innsbruck lebte nur eine Handvoll Juden. In Wien durften sich einige Hofjuden niederlassen, um die sich Angehörige und Bedienstete scharten. Die Gründung einer Gemeinde war der im Laufe des 18. Jahrhunderts stetig wachsenden Wiener »Judenschaft« aber bis zur Revolution von 1848 streng untersagt. In Nieder- und Oberösterreich, in Salzburg, der Steiermark und Kärnten war Juden bis 1848 die Niederlassung prinzipiell verboten. Ausnahmen gab es nur für jüdische Fabriksgründer in Niederösterreich nach 1782 90 ÖStA, AdR 03, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1945, 160.054/45, Volksgesundheitsamt an das Staatsamt für Handel, Gewerbe, Industrie und Verkehr vom 18. Mai 1945; WStLA, M.Abt. 202, Personalakten 1973 – 1979, A 6/914 Edwin Renner, Edwin Renner an die Hauptabteilung B der Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien vom 30. Oktober 1942. 91 Zur Person Edwin Renner siehe Kapitel 3.3.1. Edwin Renner, Mastermind der ›Arisierungen‹. 92 Zur Person Hans Portisch siehe Anhang, Kurzbiografien. 93 WStLA, M.Abt. 202, Personalakten 1973 – 1979, A 6/914 Edwin Renner, Heilmittelwerke Wien an die Hauptabteilung E der Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien vom 31. März 1943. 94 Vgl. Michael John, Zur wirtschaftlichen Bedeutung des Judentums in Österreich 1848 – 1938, in: Liga der Freunde des Judentums (Hg.), Österreichisch-Jüdisches Geistes- und Kulturleben, Band 3,Wien 1990, 39 – 85, 41.

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sowie für jüdische Familien, die sich während der französischen Besatzung Anfang des 19. Jahrhunderts in Kärnten und Krain niedergelassen hatten.95

Im Falle der Pharmazeuten kam für die Haupt- und Residenzstadt Wien noch ein seit dem Mittelalter gültiger Numerus clausus hinzu, der die Apotheken im Wiener Stadtgebiet bis 1782 auf in Summe 13 Betriebe beschränkte.96 Besagter Numerus clausus wurde zwar mit Hofentschließung vom 31. August 1782 durch Kaiser Joseph II. aufgehoben und die Gründung von Apotheken in und vor der Stadt freigegeben,97 ob an den in Folge neu gegründeten Apotheken auch jüdische Pharmazeuten beteiligt waren, konnte aber nicht festgestellt werden. Die Zahl der Wiener Apotheken stieg bis 1814 auf 17 Stadtapotheken und 22 Apotheken in den Vorstädten.98 Am 26. Mai 1829 bestimmte eine allerhöchste Entschließung von Kaiser Franz I., dass in allen Ländern der Habsburgermonarchie Juden die Ausübung des Apothekergewerbes nicht erlaubt sei.99 Diejenigen Juden aber, die bereits im Besitz einer Apotheke waren, erhielten die Erlaubnis, diese weiter zu betreiben. Mit Dekret vom 21. Juni 1833 und 2. Jänner 1835 wurde sowohl jüdischen als auch nichtjüdischen Apothekern untersagt, Gehilfen mit jüdischem Glauben zu beschäftigen oder jüdische Lehrlinge auszubilden.100 Die Revolution von 1848 markierte auch in der Geschichte der Juden und Jüdinnen der Donaumonarchie einen Wendepunkt. Mit der oktroyierten Verfassung vom 4. März 1849 wurden jüdische Staatsangehörige in staats- und privatrechtlicher Hinsicht den christlichen StaatsbürgerInnen weitgehend gleichgestellt.101 Obwohl die neoabsolutistische Politik der 1850er- Jahre Einschränkungen der Gleichstellung brachte, war die Entwicklung in Richtung jüdischer Emanzipation unumkehrbar. Nach Verabschiedung der Verfassung von 1849 – sie hob die Leibeigenschaft auf und gewährte die Freizügigkeit der Person innerhalb der Reichsgrenzen102 – setzte eine umfangreiche jüdische Binnenwanderung ein, die vor allem aus den jüdischen Siedlungsgebieten in Böhmen 95 Christoph Lind, Juden in den habsburgischen Ländern 1670 – 1848, in: Herwig Wolfram (Hg.), Österreichische Geschichte. Geschichte der Juden in Österreich, Wien 2006, 339 – 446, 339. 96 Vgl. Czeike, Wiener Apotheken, 79. 97 Vgl. ebd., 66. 98 Vgl. Czeike, Wiener Apotheken, 114. 99 Vgl. Hofkanzleidekret vom 26. Mai 1829 betreffend die Ausschließung der Juden von dem Betriebe des Apotheker-Gewerbes. 100 Vgl. Czeike, Wiener Apotheken, 164 f. 101 Albert Lichtblau, Integration, Vernichtungsversuch und Neubeginn. Österreichisch-jüdische Geschichte 1848 bis zur Gegenwart, in: Herwig Wolfram (Hg.), Österreichische Geschichte. Geschichte der Juden in Österreich, Wien 2006, 447 – 565, 455. 102 RGBl. 150/1949, Kaiserliches Patent vom 4. März 1849, die Reichsverfassung für das Kaiserthum Österreich enthaltend, §§ 25 u. 26.

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und Mähren Richtung Wien und den Donauraum verlief. Die Begründung der späteren niederösterreichischen Kultusgemeinden hatte darin ebenso seinen Ursprung wie der Umstand, dass über 80 Prozent der auf dem Gebiet der späteren Republik Österreich lebenden Juden und Jüdinnen in Wien beheimatet waren. Die jüdische Bevölkerung der Stadt wuchs bis 1857 auf 15.116 Personen an.103 Die Entschließung vom 16. Mai 1829, die Juden die Ausübung des Apothekengewerbes untersagt hatte wurde am 10. Jänner 1860 für alle Kronländer mit Ausnahme der Militärgrenze von Kaiser Franz Joseph I. aufgehoben.104 Seine kaiserlich-königliche Apostolische Majestät haben mit Allerhöchster Entschließung vom 10. Jänner 1860 alle Gesetze, wodurch die Juden von gewissen Gewerben, wie insbesondere vom Apothekergewerbe, dann in einigen Kronländern vom Schank-, Brau- und Müllergewerbe ausgeschlossen waren, aufzuheben und zu genehmigen geruht, daß die Juden überall, wo sie zum Aufenthalte und zur Ansäßigmachung berechtiget sind, zur Betreibung aller erlaubten Gewerbsgeschäfte mit Beobachtung der allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zugelassen werden.105

In den Jahren vom Berufsverbot 1829 bis zu dessen Aufhebung 1860 gab es in Wien lediglich zwei jüdische Apotheker, die jedoch bei Geschäftsantritt ihr Glaubensbekenntnis gewechselt hatten.106 Die Aufhebung der antijüdischen Bestimmungen im österreichischen Apothekenwesen steht im Zusammenhang mit der 1859 erfolgten Verabschiedung einer neuen Gewerbeordnung,107 die die Bindung zahlreicher Gewerbezulassungen an das christliche Glaubensbekenntnis beendete und die Diversifizierung der Berufsstruktur der jüdischen Bevölkerung ermöglichte.108 Allgemein wird die Epoche nach 1848 als Aufschwungphase für die jüdische Bevölkerung Österreich-Ungarns bezeichnet, der Neoabsolutismus sogar als »jüdisches Wirtschaftswunder«, das erst mit dem Börsenkrach 1873 einen Rückschlag erfuhr. Die Rücknahme von diskriminierenden Beschränkungen setzte Energien frei, die zunächst in der ökonomischen Partizipation wahrgenommen wurden.109

Die Freigabe des pharmazeutischen Gewerbes im Jahr 1860 und die endgültige rechtliche Gleichstellung aller StaatsbürgerInnen durch die Verfassungsgesetz103 Vgl. John, Wirtschaftliche Bedeutung, 40 f. 104 RGBl. 15/1860, Verordnung des Ministeriums des Inneren vom 13. Jänner 1860, betreffend die Aufhebungen der Beschränkungen, wodurch die Israeliten von gewissen Gewerben und von dem Aufenthalte auf dem flachen Lande in Galizien, im Großherzogthume Krakau und in der Bukowina ausgeschlossen sind. 105 RGBl. 15/1860, Abs. 1. 106 Vgl. Hochberger, Wiener Apotheker Hauptgremiums, 76. 107 RGBl. 227/1859; siehe hierzu Kapitel 2.1. Stand der österreichischen Apothekerschaft 1938. 108 Vgl. John, Wirtschaftliche Bedeutung, 41 f. 109 Lichtblau, Integration, 483.

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gebung des Jahres 1867 mit dem Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember dieses Jahres,110 sowie das interkonfessionelle Gesetz vom 25. Mai 1868111 führten zur rechtlichen Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung und vor allem in der Residenzstadt Wien auch zu einer wachsenden Zahl von Apothekern jüdischer Herkunft, sodass sie um 1900 ungefähr zehn Prozent aller Apotheker in Wien stellten.112 Die rechtliche Gleichstellung beförderte auch eine jüdische Massenzuwanderung nach Wien. Von 1870 bis 1890 stieg die Zahl von WienerInnen mit mosaischem Glauben von 40.000 auf mehr als 100.000 an.113 Nach der Volkszählung 1880 waren nur rund 30 Prozent der jüdischen Bevölkerung Wiens in dieser Stadt geboren, 28 Prozent stammten aus der ungarischen Reichshälfte, vor allem aus der Slowakei, 13 Prozent aus Mähren, 11 Prozent aus Galizien und der Bukowina, 10 Prozent aus Böhmen, 4 Prozent aus dem Ausland, der Rest aus dem übrigen Reichsgebiet.114

Im innerösterreichischen Raum und den Provinzstädten blieb die Zahl der jüdischen BewohnerInnen zur gleichen Zeit allerdings relativ gering. Ihre Zahl betrug an der Wende zum 20. Jahrhundert ungefähr 15.000 wovon ungefähr 10.000 im späteren Niederösterreich – dem näheren Einzugsgebiet der Hauptund Residenzstadt Wien – lebten.115 Nicht unerwähnt bleiben soll hier die jüdische Bevölkerung Deutsch-Westungarns, des späteren Burgenlandes. In diesem Raum lebten um 1900 etwa 4.000 Juden und Jüdinnen – zum Teil seit Generationen – in den so genannten »Siebengemeinden« (Eisenstadt, Mattersburg, Lackenbach, Deutschkreutz, Frauenkirchen, Gattendorf und Kittsee).116 Insgesamt machten zu dieser Zeit allerdings die jüdischen Bewohner Wiens mehr als 90 Prozent der auf dem späteren Gebiet der Republik Österreich ansässigen jüdischen Bevölkerung aus. Wien war zu einem Zentrum des mittelund osteuropäischen Judentums mit einem breiten jüdischen Mittelstand geworden.117 Im Zusammenspiel mit dem Bildungsbewusstsein des jüdischen Mittelstandes stieg auch die Zahl jüdischer StudentInnen an den österreichi110 RGBl. 142/1867, Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder. 111 RGBl. 49/1868, Gesetz vom 25. Mai 1868 wodurch die interconfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden. 112 Vgl. Frank Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker : Emanzipation, Emigration, Restitution. Die Geschichte deutscher und österreichisch-ungarischer Pharmazeuten, Frankfurt/Main 1999, 69. 113 Vgl. John, Wirtschaftliche Bedeutung, 42. 114 Ebd. , 43. 115 Vgl. ebd., 42. 116 Vgl. Hugo Gold, Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden des Burgenlandes, Tel Aviv 1970. 117 Vgl. John, Wirtschaftliche Bedeutung, 43 u. 51.

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schen Universitäten kontinuierlich und erreichte im Studienjahr 1912/13 ungefähr 20 Prozent.118 Der Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 brachte für das österreichische Judentum massive Veränderungen. Durch den Ausbruch der Kämpfe an der österreichisch-russischen Grenze waren große Teile der jüdischen Siedlungsgebiete in Ostgalizien und der Bukowina von Kriegshandlungen betroffen, die Bewohner flohen vor militärischen Aktionen, Requirierungen und Plünderungen.119 Ende 1914 musste Lemberg evakuiert werden und circa 60.000 Juden und Jüdinnen ergriffen die Flucht vor der russischen Armee. Die Angst der Flüchtlinge basierte auf negativen Erfahrungen der jüdischen Bevölkerung Rußlands, die vor dem Krieg schon mehrere Pogrome und eine judenfeindliche Gesetzgebung hatte erdulden müssen.120 Darüber hinaus verbreiteten antisemitische Kreise der polnischen Nationaldemokraten und Mitglieder des russischen Generalstabs den Vorwurf, Juden würden für Deutschland und Österreich-Ungarn spionieren. In verschiedenen russischen Ortschaften kam es daraufhin zu Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung.121 Damit geriet eine Flüchtlingswelle in Gang, die je nach Frontverlauf an Intensität zu- oder abnahm.122 Viele Flüchtlinge versuchten in den Westen der Monarchie zu gelangen, die meisten wählten die Haupt- und Residenzstadt Wien als Zufluchtsort, weil bereits familiäre Beziehungen dorthin bestanden oder Bekannte dort lebten.123 Am Höhepunkt der Flüchtlingswelle befanden sich allein in Wien circa 200.000 nichtjüdische und jüdische Flüchtlinge. Im Mai 1917 waren noch 40.637 mittellose jüdische Kriegsflüchtlinge in Wien,124 1918 belief sich ihre Zahl immer noch auf 34.223.125 Das Ende des Krieges führte zu keiner Rückwanderung der Kriegsflüchtlinge. Da im neu gegründeten Staat Polen nach dem Krieg eine Pogromwelle einsetzte, hielt der Zustrom von Flüchtlingen aus den ehemaligen Ostprovinzen der Habsburgermonarchie nach Wien weiter an. Der jüdische Bevölkerungsanteil der Stadt erreichte 1923 einen Höchststand von 201.513 Personen, was einem Anteil von 10,7 Prozent der Stadtbevölkerung entsprach.126 Die neuen Grenzziehungen des Jahres 1918 bedeuteten für die jüdische Bevölkerung des neu geschaffenen Kleinstaates Deutsch-Österreich einen massiven Einschnitt. Das vormals in die Habsburgermonarchie integrierte Mittel118 119 120 121 122 123 124 125 126

Vgl. Lichtblau, Integration, 482. Vgl. Heiko Haumann, Geschichte der Ostjuden, München 1998, 87. Vgl. Lichtblau, Integration, 490. Vgl. Haumann, Ostjuden, 87. Vgl. John, Wirtschaftliche Bedeutung, 57. Vgl. Lichtblau, Integration, 490. Vgl. ebd. Vgl. John, Wirtschaftliche Bedeutung, 57. Vgl. John, Wirtschaftliche Bedeutung, 57.

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osteuropa war ein offener Wirtschafts- und Migrationsraum gewesen, der sich nun in kleine, gegenüber dem wirtschaftlichen Austausch und einer ungehinderten Migration abgeschlossene, neue Staaten gliederte. Diese seit 1848 beziehungsweise 1867 auch für die jüdische Bevölkerung vorhanden gewesene Möglichkeit, sich in diesem Raum frei zu bewegen, war nun nicht mehr vorhanden. Das bedeutet für sie auch von den Gebieten abgeschnitten zu sein, aus denen die meisten von ihnen stammten und wo ihre Verwandten nach wie vor wohnten. Andererseits war Wien durch die Nachkriegsordnung zu einem demografischen Sonderfall innerhalb Österreichs geworden. 1923 betrug der Anteil der WienerInnen mit mosaischem Glaubensbekenntnis 10,8 Prozent der Bevölkerung, sie waren somit zur zweitgrößten Religionsgruppe geworden.127 Die Volkszählung 1923 macht deutlich, daß die Mehrzahl der Juden und Jüdinnen in Wien zugewandert waren und daß es bei der Zusammensetzung der jüdischen und nichtjüdischen Bevölkerung gemessen an Geburtsorten gravierende Unterschiede gab. Noch waren 25,5 Prozent der römisch-katholischen Wiener und Wienerinnen im sogenannten Ausland geboren, vornehmlich in einem der ehemaligen Kronländer. Bei der jüdischen Bevölkerung war der Anteil der im damaligen Ausland Geborenen mit 57,7 Prozent mehr als doppelt so hoch. Unter der römisch-katholischen Bevölkerung Wiens stammten 18,4 Prozent aus einem der österreichischen Bundesländer, unter der jüdischen hingegen nur 4 Prozent. Die jahrhundertelange Verbannung der jüdischen Bevölkerung aus etlichen Bundesländern wirkte noch nach.128

Die jüdische Zuwanderung nach Wien veränderte auch die Beschäftigungs- und EigentümerInnenstruktur in der österreichischen Apothekenlandschaft. Zwischen 1900 und 1938 stieg die Zahl der Apotheken in Wien von 109 auf 222, von denen um 1930 auf Grund der Zuwanderung aus den östlichen Provinzen der Donaumonarchie während und nach dem Ersten Weltkrieg ungefähr ein Drittel in jüdischem Eigentum stand.129 Ein Großteil der nach Wien zugewanderten jüdischen PharmazeutInnen kam aus Galizien und der Bukowina, einige auch aus Böhmen und Bosnien.130 Während des Krieges praktizierten in Wien allein 89 Aspiranten und Aspirantinnen aus G a l i z i e n oder B u k o w i n a , die noch innerhalb der Kriegsdauer ihre Ausbildungszeit vollendeten und die Studienzeit absolvierten. Von diesen jungen Pharmazeuten, sowie von den älteren, kriegsuntauglichen oder enthobenen Pharmazeuten kehrte nur ein verschwindend kleiner Teil in ihre Heimat zurück.131

127 Vgl. Lichtblau, Integration, 499. 128 Ebd., 499 – 501. 129 Vgl. Hochberger, Wiener Apotheker Hauptgremium, 76; Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 71. 130 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 191. 131 Hochberger, Geschichte der Apotheken, 76; Hervorhebungen im Original.

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Viele der aus den Provinzen der Donaumonarchie nach Wien zugewanderten PharmazeutInnen konnten die durch das Apothekengesetz 1906 vorgeschriebenen Anforderungen erfüllen. Ihre Ausbildung wurde in der Republik Österreich anerkannt und sie konnten auch die geforderte langjährige Praxis vorweisen. Ihnen kamen die zahlreichen Ausschreibungen von Konzessionen für neu zu errichtende Apotheken zugute, die im Zuge des Ausbaus des Gesundheitssystems nach 1918, vor allem in den Wiener Randbezirken, vergeben wurden. Nach Aufhören der Inflation nach dem ersten Kriege und Einführung der Schillingwährung wurde in Wien eine große Anzahl von Apotheken neu konzessioniert, da die damalige Gemeindeverwaltung die Absicht verfolgte, durch eine Vermehrung der Apotheken der Bevölkerung die Arzneibeschaffung zu erleichtern. Ein weiterer Grund für Neukonzessionierungen waren die umfangreichen Wohnhausbauten der Gemeinde Wien.132

Modernisierungsbestrebungen, wie sie in Wien in der Zwischenkriegszeit zu konstatieren sind, veränderten allerdings nicht den traditionellen, katholischen und halbfeudalen Charakter der österreichischen Gesellschaft. Auch der im 19. Jahrhundert begonnene Prozess der Assimilation jüdischer ÖsterreicherInnen konnte nicht restlos gelingen und wurde zunehmend in Frage gestellt.133 Seit dem Zusammenbruch des Habsburgerreiches herrschte in Österreich – abgesehen von einer Konjunktur in der Zeit von 1924 bis 1929 – eine andauernd krisenhafte ökonomische Situation, die durch ein niedriges Bruttonationalprodukt und eine hohe Arbeitslosigkeit gekennzeichnet war.134 Die geringe Kaufkraft der Bevölkerung, minderte auch die Erträge der Apotheken empfindlich. Steigende Arbeitslosigkeit unter den angestellten ApothekerInnen war die Folge, sie lag 1922 bei 16,6 Prozent. Der schon während der Kriegsjahre begonnene und bis in die 1920er Jahre andauernde Zustrom von PharmazeutInnen aus Galizien, der Bukowina und den polnischen Gebieten beunruhigte die ansässigen PharmazeutInnen, da die durch die vom Militärdienst zurückgekehrten Kollegen schon angespannte Arbeitsmarktlage durch die Zuwanderung weiter verschärft wurde.135 Besonders die Zuwanderung jüdischer Kolleginnen und Kollegen der früheren Donaumonarchie erregte die Gemüter vieler deutschnationaler Pharmazeuten, die nicht nur eine Vergrößerung der Stellenlosigkeit und damit verbunden eine Gefahr für die 132 Redaktion der ÖAZ, Bewertung der öffentlichen Apotheken im Jahre 1938, in: ÖAZ, Nr. 13/ 14 (1947), 49 – 50, 50. 133 Vgl. John Bunzl, Der lange Arm der Erinnerung. Jüdisches Bewußtsein heute, Wien u. a. 1987, 20. 134 Vgl. John, Wirtschaftliche Bedeutung, 60. 135 Vgl. Nowotny, Von der Monarchie zur Republik I, 623.

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sozialen Institutionen des Berufsstandes befürchteten, sondern auch das Eindringen sozialistisch-marxistischer Ideen in das bisher sehr konservative und meist auch deutschnationale standespolitische Denken vieler selbstständiger und angestellter Apotheker.136

Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise von 1929 und der stärker werdende Nationalsozialismus beförderten Anfang der 1930er Jahre den in der österreichischen Bevölkerung latent vorhandenen Antisemitismus. Die so genannte »Judenfrage« war unmittelbar mit Industrialisierung, Kapitalismus, Emanzipation und Nationalismus verknüpft. Bestehende soziale Konflikte wurden durch nationale und religiöse Differenzen angeheizt. Der Antisemitismus des 20. Jahrhunderts entwickelte sich vor dem gesellschaftlichen Hintergrund der rechtlichen Gleichstellung sowie dem relativen wirtschaftlichen Erfolg der jüdischen Bevölkerung und konnte auf die alte religionsbedingte Judenfeindschaft des vorkapitalistischen Zeitalters aufbauen. Dieser neue Antisemitismus war mit der fortschreitenden Industrialisierung und Umgestaltung der traditionellen Gesellschaftsordnung verbunden. Antimoderne und antikapitalistische Stimmungen konnten leicht in Antisemitismus münden, eigneten sich doch die jüdischen Kapitalisten, die »Geldjuden«, hervorragend als ein Feindbild der unbegriffenen neuen Wirtschaftsordnung.137 Das Klischee des gerissenen, schädlichen, »volks-verderbenden« Juden konnte leicht verallgemeinert und für wirtschaftliche Schwierigkeiten verantwortlich gemacht werden. Nicht nur nationale Gruppen versuchten, sich mit antisemitischer Agitation einen Massenanhang zu verschaffen.138 In den frühen dreißiger Jahren entstand mit dem Erstarken des Nationalsozialismus eine Boykottbewegung, die zur Ächtung jüdischer Geschäfte aufrief. Eine Reihe von Schriften erschien über die »Verjudung der Wirtschaft«. Bereits in den späten zwanziger Jahren hatten etliche Fremdenverkehrsgemeinden beschlossen, jüdische Gäste nicht mehr aufzunehmen, darunter Eferding, St. Johann im Pongau, Tamsweg, Trofaiach und Schladming.139

Der alltäglich gewordene Antisemitismus erschwerte die berufliche Etablierung jüdischer PharmazeutInnen zusehends. So war es für jüdische PharmaziestudentInnen, die nach Beendigung des Studiums noch ein Praktikum zu absolvieren hatten, fast unmöglich, einen entsprechenden Praktikumsplatz in einer Apotheke zu finden. Konnten Kinder jüdischer EigentümerInnen von Apotheken in der elterlichen Apotheke praktizieren, hatten andere jüdische PharmazeutInnen kaum eine Möglichkeit, ihre Ausbildung abzuschließen. Diese 136 137 138 139

Ebd. Vgl. John, Wirtschaftliche Bedeutung, 78. Vgl. Haumann, Ostjuden, 186. John, Wirtschaftliche Bedeutung, 60.

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Schwierigkeiten und die antisemitische Stimmung Mitte der 1930er-Jahre – verstärkt durch die nationalsozialistische Gesetzgebung im Deutschen Reich – veranlassten jüdische PharmaziestudentInnen vermehrt, nach Abschluss des Studiums zu emigrieren.140 Obwohl die antisemitischen Gesetze des Deutschen Reiches erst nach dem so genannten ›Anschluss‹ 1938 in Österreich wirksam wurden, sorgten sie auch schon davor für berechtigte Sorge unter den jüdischen ÖsterreicherInnen. Bereits einen Monat nach dem ›Anschluss‹ wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass im Apothekenwesen der ›Ostmark‹ innerhalb kürzester Frist diejenigen Maßnahmen zur ›Entjudung der Pharmazie‹ nachgeholt wurden, die im ›Altreich‹ Ende 1935 durch das Apothekenverpachtungsgesetz und seine Erste Durchführungsverordnung vom 26. März 1936 – letztere bestimmte in Artikel 3, dass öffentliche Apotheken, deren Inhaber Jude, ist verpachtet werden mussten und dass Juden als Pächter nicht zugelassen sind – eingeleitet worden waren.141 Am 13. April 1938 trat in Österreich das Gesetz über die Bestellung von kommissarischen Verwaltern und kommissarischen Überwachungspersonen in Kraft, das es dem Reichsstatthalter ermöglichte, Kommissare für österreichische Unternehmen zu bestellen.142 Damit wurde die noch im selben Jahr realisierte ›Arisierung‹ von 90 österreichischen Apotheken eingeleitet,143 und im Lauf der nächsten Monate verloren 208 angestellte jüdische PharmazeutInnen ihren Arbeitsplatz.144

1.3. Antisemitische Maßnahmen betreffend das Apothekenwesen im Deutschen Reich 1933 bis 1938 Im Deutschen Reich wurden Juden und Jüdinnen nach der Machtübergabe an die NationalsozialistInnen Anfang 1933 im Lauf der nächsten sechs Jahre schrittweise aus dem Apothekerberuf verdrängt. Im Gegensatz zu anderen akademischen Berufen, wie etwa ÄrztInnen oder JuristInnen, war die rechtliche Behinderung jüdischer ApothekerInnen zunächst nur in sehr mittelbarer Form zu beobachten, beziehungsweise war davon nur eine Minderheit der jüdischen 140 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker , 71 f. 141 DRGBl. I 1935, 1445, Gesetz über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken vom 13. Dezember 1935 sowie DRGBl. I 1936, 317, Erste Verordnung zum Gesetz über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken vom 26. März 1936. 142 GBlÖ 80/1938, Gesetz über die Bestellung von kommissarischen Verwaltern und kommissarischen Überwachungspersonen vom 13. April 1938. 143 Siehe hierzu Kapitel 3.3. Die ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken. 144 Vgl. Mitteilungen des provisorischen Ausschusses österreichischer Apotheker, Nr. 1 (1946), 6.

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PharmazeutInnen betroffen. Im Folgenden sollen hier die Maßnahmen des NSRegimes in den Jahren 1933 bis 1938 im Deutschen Reich dargestellt werden, deren Zweck es war, jüdische PharmazeutInnen aus der deutschen Wirtschaft auszuschließen. Allgemeine antisemitische gesetzliche Maßnahmen, wie zum Beispiel die Nürnberger Gesetze, die alle deutschen Juden und Jüdinnen unbeachtet ihrer Berufe betrafen, werden hier nur knapp behandelt. Es kann meines Erachtens davon ausgegangen werden, dass österreichische jüdische PharmazeutInnen die politische und vor allem die facheinschlägige Entwicklung im Deutschen Reich mit Interesse und Sorge mitverfolgten. Die antijüdischen legistischen Maßnahmen, die vor 1938 im Deutschen Reich gesetzt wurden, illustrierten den österreichischen Juden, wie NS-Politik ihnen gegenüber aussieht und was daher bei einem ›Anschluss‹ Österreichs an das Deutsche Reich zu erwarten wäre. Sie informierten aber auch die ProtagonistInnen der ›Arisierungen‹ in Österreich, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen über kurz oder lang auch in der späteren Ostmark gelten würden. Ende 1937 war somit den österreichischen jüdischen PharmazeutInnen bekannt, dass Juden und Jüdinnen im Deutschen Reich eine Beschäftigung als ApothekerIn generell verwehrt war, dass sie zu keinen pharmazeutischen Prüfungen mehr zugelassenen wurden, dass sie keine Konzessionen mehr erhalten konnten und, soweit sie EigentümerIn einer öffentlichen Apotheke waren, diese zu verpachten hätten. Es dürfte ihnen somit auch klar gewesen sein, was im Falle eines ›Anschlusses‹ Österreichs an das Deutsche Reich, dieser für sie persönlich bedeuten würde. Die Bereitschaft, nach dem 13. März 1938 die eigene Apotheke in Österreich zu veräußern, um das Land verlassen zu können, dürfte daher sehr ausgeprägt gewesen sein. Dies erklärt meines Erachtens die rasche ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken nach dem ›Anschluss‹ – die meisten Eigentumsübertragungen erfolgten noch im Sommer 1938 – sowie den Umstand, dass kaum Anstrengungen unternommen wurden, sich einer ›Arisierung‹ zu widersetzen. Andererseits erklärt die Annahme, dass österreichische PharmazeutInnen über die antijüdischen Maßnahmen im Deutschen Reich informiert waren, auch das Selbstverständnis und die ungehemmte Vorgangsweise von ›AriseurInnen‹. War ihnen doch klar, dass die im Deutschen Reich geltenden Vorschriften in absehbarer Zeit auch in Österreich Geltung erlangen würden. Im Folgenden wird die Entwicklung der antijüdischen legistischen Maßnahmen im Deutschen Reich von der Machtübergabe 1933 bis zum ›Anschluss‹ Österreichs 1938 in sehr verkürzter Form nachgezeichnet. Verkürzt deshalb, da die nationalsozialistische Umgestaltung Deutschlands eine Flut von oft mit dilletantischer Hast gefertigter Rechtsvorschriften hervorbrachte,145 die darüber hinaus im Falle reichs-rechtlicher Vorschriften von den Ländern oft nach eige145 Vgl. Uwe Dietrich Adam, Judenpolitik im Dritten Reich, Düsseldorf 1972, 109.

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nem Gutdünken interpretiert und den eigenen Intentionen angepasst wurden.146 Auch existierte, vor allem in der Anfangszeit der nationalsozialistischen Herrschaft, keine einheitliche Politik gegenüber den deutschen Juden und Jüdinnen. Je nach dem Grad der rassenpolitischen Überzeugung griffen sich einzelne Landesregierungen oder einige Landesminister dieses oder jenes regelungsbedürftige Gebiet heraus und paßten es durch entsprechende Bestimmungen der ideologischen Grundrichtung an.147

Etwaige lokale antisemitische Sonderbestimmungen, wie sie im Rahmen der Regionalverwaltungen möglich waren und auch gesetzt wurden, werden in der folgenden Darstellung daher nicht berücksichtigt. Relevanter – auch für den oben skizzierten Informationsstand der österreichischen jüdischen PharmazeutInnen vor dem ›Anschluss‹ – schien es mir, den Fokus der Untersuchung auf die Reichsgesetzgebung sowie auf zwei wesentliche Zentralinstanzen, nämlich das Reichsministerium des Inneren und das Preußische Ministerium des Inneren zu legen.

1.3.1. Rechtliche Grundlagen der antisemitischen Sondergesetzgebung Nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 wurde am nächsten Tag mit der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 – der so genannten Reichstagsbrandverordnung – die Grundlage für die nationalsozialistische Gewaltherrschaft der nächsten zwölf Jahre gelegt. Wesentliche Artikel der geltenden Verfassung des Deutschen Reichs wurden mit dieser Verordnung aufgehoben.148 Beschränkungen der persönlichen Freiheit, der freien Meinungsäußerung einschließlich der Pressefreiheit und des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis sowie Beschränkungen des Eigentums inklusive Anordnungen von Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen auch außerhalb der bestehenden Gesetze wurden mit der Reichstagsbrandverordnung für zulässig erklärt.149 Diese Verordnung bot der NSDAP die gewünschte Handhabe gegen die linke Opposition und ermöglichte die massenhafte Inhaftierung gegnerischer KandidatInnen zur bevorstehenden Reichstagswahl und 146 Vgl. ebd., 71. 147 Ebd., 74. 148 Es waren dies die Art. 114, 115 (persönliche Freiheit), 117 (Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis), 118 (Meinungsfreiheit), 123 und 124 (Versammlungs- und Vereinsfreiheit) sowie Art 153 (Eigentum) der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919 (DRGBl. I 1919, 1383). 149 DRGBl. I 1933, 83, Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933, § 1.

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die massive Behinderung von deren Wahlkämpfen mit dem Ziel, der NSDAP die absolute Mehrheit bei dieser Wahl zu sichern. In der Folge diente die Reichstagsbrandverordnung aber auch dazu, die Legitimation für Eingriffe der oben beschriebenen Art gegen alle Personen und Vereinigungen, deren Existenz oder deren Aktivitäten die Umgestaltung Deutschlands im nationalsozialistischen Sinne behindern hätte können, bereitzustellen. Weiter gab diese Verordnung der Reichsregierung das Recht, in die Gesetzgebung und Verwaltung der Länder einzugreifen und bildete somit auch die Grundlage für die Gleichschaltung von Ländern und Gemeinden und zur Zentralisierung des Deutschen Reiches.150 Nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 wurden von FunktionärInnen und AktivistInnen der NSDAP zwischen dem 7. und 13. März 1933 im ganzen Deutschen Reich antisemitische Terroraktionen organisiert, die den Machtanspruch der NationalsozialistInnen vor allem auch auf lokaler Ebene demonstrieren sollten.151 Diese Welle antijüdischer Ausschreitungen muß im Kontext der zunehmenden allgemeinen Gewalttätigkeit der NS-Basis nach dem Erlaß der Notverordnung vom 28. Februar und dem Wahlsieg Anfang März gesehen werden: Die gegen die Juden gerichteten Aktionen standen im unmittelbarem Zusammenhang mit den von den NSAktivisten in vielen Städten ausgelösten Unruhen, gewalttätigen Demonstrationen, Besetzungsaktionen und Terrorakten, mit deren Hilfe die lokale »Machtergreifung« der Nationalsozialisten erzwungen wurde.152

Diese und spätere Terroraktionen waren sowohl Selbstzweck, indem sie eine der NSDAP innewohnende Ideologie vom Wesen der Gewalt ausdrückten, als auch Mittel zum Zweck, um politische Entscheidungen vorzubereiten oder voranzutreiben.153 Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933 – dem so genannten Ermächtigungsgesetz – konnte von der NS-Führung ein weiterer wesentlicher Schritt zur vollständigen Eroberung der Macht gesetzt werden. Dem Ermächtigungsgesetz zufolge konnte die Reichsregierung nicht nur Verordnungen, sondern auch Gesetze und Verträge mit dem Ausland beschließen, die von der Verfassung abweichen konnten und keiner Kontrolle durch den Reichstag oder einem seiner Ausschüsse unterlagen. Das Ermächtigungsgesetz war thematisch nicht beschränkt und sollte für die kommenden vier Jahre gelten.154 Gemeinsam mit der Reichstagsbrandverord150 DRGBl. I 1933, 83, §§ 2 und 3. 151 Vgl. Peter Longerich, Politik der Vernichtung. Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung, München u. Zürich 1998, 26 – 28. 152 Longerich, Politik der Vernichtung, 26. 153 Vgl. Adam, Judenpolitik, 46. 154 DRGBl. I 1933, 141, Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933. Das Gesetz wurde vom nationalsozialistischen Reichstag am 30. Januar 1937 um weitere

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nung wurde durch das Ermächtigungsgesetz von 1933 im Deutschen Reich der dauernde zivile Ausnahmezustand geschaffen und der NSDAP jene unkontrollierte Macht verliehen, mit der sie allen später gesetzten staatlichen Maßnahmen den Schein der Legitimation verleihen konnte. Die NS-Führung hatte bereits nach der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes am 23. März ein wesentliches Zwischenziel auf dem Weg zur vollständigen Eroberung der Macht erreicht: Das Parlament war entmachtet, während die Länder und die meisten Gemeinden gleichgeschaltet, die Linksopposition weitgehend beseitigt war. In den folgenden Wochen ging es den Nationalsozialisten vor allem darum, ihre Machtstellung in den öffentlichen Verwaltungen sowie im bereits zu einem erheblichen Teil gleichgeschalteten Verbandswesen weiter auszubauen und damit die zweite Phase der Eroberung der Macht abzuschließen.155

1.3.2. Antisemitische Maßnahmen betreffend das Apothekenwesen 1933 Als eine der ersten antisemitischen Maßnahmen des NS-Regimes kann die Organisation eines das ganze Reichsgebiet betreffenden ›Boykotts‹ jüdischer Geschäfte und Gewerbebetriebe – darunter auch der Apotheken –, Arztpraxen und Kanzleien von Rechtanwälten gelten. Für den 1. April 1933, den so genannten ›Boykottsamstag‹, wurden die deutschen KonsumentInnen aufgefordert, besagte jüdische Unternehmungen zu boykottieren. Die Realisierung des geplanten ›Boykotts‹ wurde natürlich nicht der freiwilligen Entscheidung der KonsumentInnen überlassen, sondern mit staatlicher Unterstützung organisiert und mit Gewaltandrohung durchgesetzt.156 Vor jüdischen Geschäften wurden SAund HJ-Posten aufgestellt, um potentielle KundInnen am Eintritt zu hindern, vielerorts wurden ›BoykottbrecherInnen‹ und somit ›VolksverräterInnen‹ von den Posten fotografiert und aufgefordert, ihre Personalien bekannt zu geben.157 Es kam zu Massenaufläufen vor den zwangsweise boykottierten Geschäften und die meisten jüdischen LadenbesitzerInnen sahen sich durch die fortgesetzte Belästigung ihrer KundInnen gezwungen, ihre Geschäfte vorübergehend zu schließen.158 Im Zuge dieses deutschlandweiten ›Boykotts‹ jüdischer Unternehmungen

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vier Jahre bis zum 1. April 1941, am 30. Januar 1939 bis zum 10. Mai 1943 verlängert. Die letzte Verlängerung des Ermächtigungsgesetzes 1943 wurde nicht mehr durch den Reichstag, sondern durch einen Erlass Hitlers, der die Aufhebung dieses Gesetzes untersagte, verfügt. Longerich, Politik der Vernichtung, 31. Vgl. ebd., 35. Vgl. Raul Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden, Frankfurt/Main 1999 (Original: The Destruction of the European Jews, Chicago 1961), 42. Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 37.

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wurde zur Unterstützung der NS-Propaganda im April 1933 von der Arzneimittelkommission des Deutschen Ärztebundes eine vom N.S.D.–Ärztebund erarbeitete Liste pharmazeutischer Präparate ›jüdischer Herkunft‹ in der Apotheker-Zeitung veröffentlicht. Die ApothekerInnen sollten auf die ÄrztInnen in ihrer Umgebung einwirken, diese Präparate PatientInnen nicht mehr zu verschreiben. Ziel dieser Aktion war es, durch die Nichtverordnung der gelisteten Präparate Druck auf die herstellenden pharmazeutischen Betriebe auszuüben, um deren jüdische EigentümerInnen zu nötigen, sich aus der operativen Leitung ihrer Betriebe zurückzuziehen.159 Wieweit diese Aufforderung umgesetzt wurde, lässt sich nicht feststellen. Es finden sich allerdings Hinweise, dass zumindest auf lokaler Ebene entsprechende Maßnahmen gesetzt worden sind. So wies der Kölner Oberbürgermeister mit Rundschreiben vom 17. Mai 1933 die Ärzte der Stadt an, dass Arzneimittel, deren HerstellerInnen Juden oder Jüdinnen waren, nur dann zu verordnen wären, wenn andere gleichwertige Präparate nicht vorhanden sein sollten.160 Das erste von der NS-Regierung verabschiedete Gesetz, das sich nicht nur gegen die linke Opposition sondern auch direkt gegen jüdische Deutsche richtete, war das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, kurz Berufsbeamtengesetz. Es betraf neben BeamtInnen des Reichs, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände auch BeamtInnen von Körperschaften des öffentlichen Rechts und diesen gleichgestellte Einrichtungen und Unternehmungen sowie Bedienstete der Sozialversicherungsträger.161 Es bestimmte, dass politische GegnerInnen des Nationalsozialismus aus dem Dienst entlassen werden konnten162 und BeamtInnen mit ›nicht arischer‹ Abstammung in den Ruhestand zu versetzen waren.163 Entsprechend einer Intervention des Reichspräsidenten, Feldmarschall von Hindenburg,164 wurden jüdische BeamtInnen, die bereits seit dem 1. August 1914 im Dienst gewesen waren, die im Ersten Weltkrieg an der Front gekämpft hatten oder deren Väter oder Söhne in diesem Krieg gefallen waren, von dieser Regelung ausgenommen.165 Entgegen der Einschätzung der Gesetzgeber erfüllte eine erhebliche Anzahl jüdischer BeamtInnen diese Bedingungen166 und 1933 konnte daher 159 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 49 u. 57 f. 160 Vgl. Joseph Walk, Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat. Eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien – Inhalt und Bedeutung, Heidelberg u. Karlsruhe 1996, 23, Nr. 107, Rundschreiben des Kölner Oberbürgermeisters vom 17. Mai 1933 161 DRGBl. I 1933, 175; Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, § 1, Abs. 2. 162 DRGBl. I 1933, 175, § 4. 163 DRGBl. I 1933, 175, § 3 Abs. 1. 164 Vgl. Hilberg, Die Vernichtung, 88 f. sowie Adam, Judenpolitik, 63. 165 DRGBl. I 1933, 175, § 3 Abs. 2. 166 Vgl. Adam, Judenpolitik, 64.

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zunächst etwa die Hälfte der rund 5.000 jüdischen BeamtInnen im Dienst verbleiben.167 Mit der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 wurden dann auch die bis dahin noch im Dienst verbliebenen jüdischen BeamtInnen mit 31. Dezember 1935 zwangsweise in den Ruhestand versetzt.168 Im Bezug auf die deutschen jüdischen PharmazeutInnen betraf das Berufsbeamtengesetz nun all jene, die in der staatlichen Gesundheitsverwaltung, in den Krankenkassen und ihren Revisionsverbänden sowie in öffentlichen Krankenhäusern beschäftigt waren. Sie wurden wie ihre sozialdemokratischen oder kommunistischen Kollegen und Kolleginnen von ihren Arbeitsplätzen vertrieben. Jüdische ApothekenbesitzerInnen und ihre Angestellten waren von dieser Maßnahme nicht betroffen, trotzdem versuchten nun viele jüdische EigentümerInnen von öffentlichen Apotheken – in Erwartung weiterer, dann auch sie betreffenden antijüdischer Maßnahmen – ihre Betriebe nach außen hin zu ›tarnen‹, indem sie die Leitung ihrer Apotheke formal einem ›arischen‹ Apotheker übertrugen.169 In rascher Folge wurden – zumal im Berufsbeamtengesetz auch Definitionen für ›nicht arisch‹ beziehungsweise für ›arisch‹ fehlten – zahlreiche Durchführungsverordnungen zum Berufsbeamtengesetz erlassen. So bestimmte die Erste Verordnung zu diesem Gesetz vom 11. April 1933,170 dass als ›nicht arisch‹ gelten sollte, wer einen jüdischen Eltern- oder Großelternteil besaß; ein Eltern- oder Großelternteil galt dann als jüdisch, wenn er oder sie der jüdischen Religion angehört hatte.171 Die Zweite Verordnung zum Berufsbeamtengesetz dehnte die Bestimmungen dieses Gesetzes auf Angestellte und Arbeiter des Reichs, der Länder, der Gemeinden sowie von Körperschaften öffentlichen Rechts und gleichgestellten Unternehmungen aus und verfügte die Kündigung der davon Betroffenen mit Ende Mai 1933.172 Durch die Dritte Verordnung zur Durch167 Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 42 f. sowie Avraham Barkai, Vom Boykott zur »Entjudung«. Der wirtschaftliche Existenzkampf der Juden im Dritten Reich 1933 – 1943, Frankfurt/Main 1988, 36. 168 DRGBl. I 1935, 1333, Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935, § 4 Abs. 2. 169 Vgl. Gerald Schröder, NS-Pharmazie. Gleichschaltung des deutschen Apothekenwesens im Dritten Reich. Ursachen, Voraussetzungen, Theorien und Entwicklungen, Stuttgart 1988, 131 u. 272. 170 DRGBl. I 1933, 195, Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 11. April 1933. 171 DRGBl. I 1933, 195, Art. 2 zu § 3 DRGBl. I 1933, 175. Diese Definition von ›nicht arisch‹ war wesentlich enger gefasst als die später in der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 festgelegte Bestimmung, die neben ›arisch‹ und ›jüdisch‹ auch noch den Status ›Mischling‹ definierte, DRGBl. I 1935, 1333, § 2 Abs. 2. 172 DRGBl. I 1933, 233, Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 4. Mai 1933.

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führung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 6. Mai 1933 wurde die Wirksamkeit des Berufsbeamtengesetzes auf Richter, auf LehrerInnen in öffentlichen Schulen und alle HochschullehrerInnen, auf Notare sowie auf Beamte der Wehrmacht und der Schutzpolizei der Länder ausgeweitet.173 Es betraf nun auch jüdischen PharmazeutInnen, die als HochschullehrerInnen – ordentliche und außerordentliche ProfessorInnen sowie PrivatdozentInnen – tätig waren. Die gleiche Verordnung beschränkte auch die Ausnahmeregelung bezüglich ehemaliger ›Frontkämpfer‹ auf solche Personen, die nachweislich an Kampfhandlungen des Ersten Weltkrieges unmittelbar teilgenommen hatten.174 Ergänzt wurde das Berufsbeamtengesetz in Bezug auf die Neuaufnahme von BeamtInnen durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiete des allgemeinen Beamten-, des Besoldungs- und des Versorgungsrechts vom 30. Juni 1933. Dieses machte unter anderem die Berufung in das Beamtenverhältnis von der ›arischen Abstammung‹ auch des Ehepartners oder der Ehepartnerin abhängig und schrieb die Entlassung von ›arischen‹ BeamtInnen vor, die beabsichtigten, mit einer Person ›nicht arischer Abstammung‹ die Ehe einzugehen.175 Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtemtums stellte einen massiven Eingriff in die seit 1871 im Deutschen Reich geltende staatsbürgerliche Gleichberechtigung der Juden und Jüdinnen dar. Es markierte auch den Anfangspunkt eines neuartigen politischen Verständnisses hinsichtlich der gesetzlichen Behandlung von Minderheitsgruppen176 und war der Anfangspunkt einer formalrechtlich abgesicherten Strategie, die auf die Ausschaltung der jüdischen Minderheitsbevölkerung aus dem öffentlichen Leben abzielte.177 Die Tatsache, dass ein solcher »rassenpolitisch« motivierter Angriff gegen das bestehende Rechtssystem von der Beamtenschaft hingenommen wurde, bedeutete einen wesentlichen Erfolg der NSDAP gegenüber dem konservativen, dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit verpflichteten Staatsapparat. Mit dem Berufsbeamtengesetz war der Rassismus erstmals zu einer die bestehenden Verfassungsrechte brechenden Staatsdoktrin erhoben worden.178

173 DRGBl. I 1933, 245, Dritte Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 6. Mai 1933, Art. 2 zu § 1 DRGBl. I 1933, 175. 174 DRGBl. I 1933, 245, Art. 3 zu § 3 DRGBl. I 1933, 175. 175 DRGBl. I 1933, 433, Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiete des allgemeinen Beamten-, des Besoldungs- und des Versorgungsrechts vom 30. Juni 1933, Kapitel II § 1a Abs. 3. 176 Vgl. Adam, Judenpolitik, 64. 177 Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 42. 178 Ebd.

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Mit dem systematischen Ausschluss von Jüdinnen und Juden aus dem Apothekerberuf begannen die NationalsozialistInnen an den deutschen Universitäten. Zunächst wurden mit dem Gesetz über die Bildung von Studentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen vom 22. April 1933 jüdische StudentInnen aus dieser nun an allen deutschen Hochschulen als Bestandteil der Universität neu gegründeten Vertretungskörperschaft ausgeschlossen.179 Nachdem mit dem Berufsbeamtengesetz beziehungsweise seiner dritten Durchführungsverordnung bereits die jüdischen HochschullehrerInnen von den Universitäten vertrieben worden waren, wurde mit dem Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen vom 25. April 1933 ein antisemitischer Numerus clausus für Schulen – ausgenommen waren die Pflichtschulen – und Universitäten eingeführt.180 Bei den Neuaufnahmen ist darauf zu achten, daß die Zahl der Reichsdeutschen, die im Sinne des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (Reichsgesetzbl. I S. 175) nicht arischer Abstammung sind, unter der Gesamtheit der Besucher jeder Schule und jeder Fakultät den Anteil der Nichtarier an der reichsdeutschen Bevölkerung nicht übersteigt. Die Anteilszahl wird einheitlich für das ganze Reichsgebiet festgesetzt.181

Analog zum Berufsbeamtengesetz waren Kinder von ›Frontkämpfern‹ von diesem Gesetz nicht betroffen.182 Weiter ausgenommen waren ausländische Studierende183 und Kinder mit einem ›arischen‹ Elternteil beziehungsweise zwei ›arischen‹ Großeltern.184 Die erste Durchführungsverordnung vom gleichen Tag bestimmte den Prozentsatz für neu aufzunehmende ›Nichtarier‹ mit maximal 1,5 Prozent der SchulanfängerInnen, die Zahl der ›nichtarischen‹ SchülerInnen oder StudentInnen an einer Schule oder Fakultät wurde mit 5 Prozent der Gesamtzahl beschränkt.185 Für viele Lehrlinge in den Apotheken bestand nun de facto kaum noch eine Möglichkeit, ihre Ausbildung über das pharmazeutische Vorexamen hinaus fortzusetzen. Die Studienbücher der jüdischen StudentInnen, die im Rahmen des für sie nun geltenden Numerus clausus eine Zulassung

179 DRGBl. I 1933, 215, Gesetz über die Bildung von Studentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen vom 22. April 1933. 180 DRGBl. I 1933, 225, Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen vom 25. April 1933. 181 DRGBl. I 1933, 225, § 4 Abs. 1. 182 DRGBl. I 1933, 225, § 4 Abs. 3. 183 DRGBl. I 1933, 225, § 5. 184 DRGBl. I 1933, 225, § 4 Abs. 3. Nach NS-Diktion galten diese als »Mischlinge 1. Grades«. 185 DRGBl. I 1933, 226, Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen vom 25. April 1933, Art. 8 zu § 4 DRGBl. I 1933, 225.

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zum Pharmaziestudium erhielten, wurden mit einer gelben Schraffierung und dem amtlichen Vermerk »als Nichtarier zugelassen« versehen.186 Mit den Gesetzen vom April 1933 hatte der Nationalsozialismus zwar Teile seines Programms erfüllt und damit die erste Welle der antijüdischen Maßnahmengesetze abgeschlossen; die Auswirkungen dieser Gesetze waren indessen höchst unterschiedlich. Mit Ausnahme der Beamten, Anwälte und Ärzte war das deutsche Judentum in seiner Mehrheit noch nicht unmittelbar dem Druck von Ausnahmevorschriften ausgeliefert. Die zweite Welle der »völkischen Gesetzgebung« baute auf den ersten Maßnahmen auf und regelte Zulassungen zum Beruf und zur Ausbildung, so daß binnen kurzer Zeit wohl jede jüdische Familie Deutschlands direkt oder indirekt davon betroffen wurde.187

So verfügte ein Runderlass des Preußischen Ministeriums des Inneren am 26. Juni 1933, dass bei Ansuchen um die Zulassung zur pharmazeutischen Prüfung sowie um Erteilung der Approbation neben den in der Prüfungsordnung vorgeschriebenen Nachweisen folgende Unterlagen beizubringen waren: ein polizeilicher Staatsangehörigkeitsausweis, ein pfarramtlicher Taufschein und ein ausgefüllter Fragebogen zur Abstammung des Kandidaten oder der Kandidatin.188 Bei der Übersendung der Zeugnisse nach bestandener Prüfung wurde den ›nichtarischen‹ AbsolventInnen sodann mitgeteilt: Hierdurch erwerben Sie kein Anrecht auf Erteilung der Approbation im unmittelbaren Anschluss an die Ableistung der Candidatenzeit; denn Nichtarier erhalten die Approbation nur in begrenztem Umfang. Wann Sie berücksichtigt werden können, läßt sich zur Zeit nicht voraussehen.189

Da die Beschäftigung als Apotheker oder Apothekerin in einer öffentlichen Apotheke ohne erteilte Approbation nicht möglich war, kamen dieser Erlass und die damit ermöglichte behördliche Vorgangsweise de facto einem Berufsverbot für angehende jüdische ApothekerInnen gleich. Nachdem schon seit März 1933 im Zuge der Gleichschaltung der Standesvertretungen Druck auf die jüdischen Funktionäre in den verschiedenen pharmazeutischen Vertretungsorganisationen ausgeübt worden war, um sie zum Rücktritt zu nötigen,190 wurden sie im Laufe des Jahres 1933 systematisch aus der Standespolitik vertrieben. 186 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 58. 187 Adam, Judenpolitik, 72. 188 Preußisches Ministerium des Inneren, Runderlass vom 26. Juni 1933: Fragebogen usw. bei der Meldung zur ärztlichen, zahnärztlichen und pharmazeutischen Prüfung sowie bei den Approbationsgesuchen. In: Ministerialblatt für die Preußische Innere Verwaltung, Berlin 1933, Teil II, Spalte 320 f., § 1 Abs. 2 u. Abs. 7. 189 Auszug aus einem Begleitschreiben zum Prüfungszeugnis eines jüdischen Pharmazeuten. Zitiert nach Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 58. 190 Vgl. Schröder, NS-Pharmazie, 115 f.

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Neben einer Vielzahl von Spezialvereinen bestanden 1933 neben der 1932 gegründeten, nationalsozialistisch orientierten Arbeitsgemeinschaft Deutscher Apotheker (ADA) der 1872 gegründete Deutsche Apotheker-Verein (DAV)191 und der seit 1910 bestehende Verband deutscher Apotheker (VdA).192 In DAV und ADA waren sowohl EigentümerInnen von Apotheken als auch Apothekenangestellte vertreten, der VdA hingegen vertrat nur angestellte ApothekerInnen.193 Nachdem am 30. März 1933 der DAV durch Einsetzung eines Kommissars ›gleichgeschaltet‹ worden war, erging an alle Untergliederungen des Vereins die Aufforderung, jüdische Mitglieder aus allen Vorständen und Ausschüssen zu entfernen.194 Am 22. April 1933 beschloss schließlich eine außerordentliche Hauptversammlung des DAV in Berlin die Vereinigung des DAV mit der ADA zur Standesgemeinschaft Deutscher Apotheker (StDA).195 Der VdA wurde, nachdem sich schon im Frühjahr 1933 große Teile der Organisation der ADA angeschlossen hatten, am 24. Mai 1933 aufgelöst und im Vereinsregister gelöscht. Seine Einrichtungen und Mitglieder, sein Vermögen und seine Verpflichtungen gingen auf den Verband angestellter Ärzte und Apotheker (Väba) in der Nationalsozialistischen Angestelltenschaft (NSA) über.196 Der endgültige Ausschluss der jüdischen ApothekerInnen aus der Standesgemeinschaft Deutscher Apotheker erfolgte am 27. September 1933, als durch eine Satzungsänderung der ›Arierparagraph‹ in der StDA eingeführt wurde.197 Ordentliches Mitglied kann jeder im Besitz der Ehrenrechte befindliche Apotheker werden, welcher […] im Sinne des Beamtengesetzes deutscher Volksgenosse ist. […] Sämtliche nichtarischen Standesgenossen sind unverzüglich der Standesleitung zu melden. Dieselben werden mit sofortiger Wirkung aus der Standesgemeinschaft ausgeschlossen.198

Als im Sommer 1933 durch eine Rede Hitlers die ›NS-Revolution‹ für beendet erklärt wurde199 und im weiteren Verlauf des Jahres 1933 weiterreichende antisemitische Gesetze vertagt wurden, ging die erste antisemitische Welle in der Geschichte des ›Dritten Reichs‹ zu Ende. Obwohl dadurch der Verfolgungsdruck gegen die jüdische Minderheit abgeschwächt wurde, setzte die staatliche Büro191 Vgl. Caroline Schlick, Apotheken im totalitären Staat – Apothekenalltag in Deutschland von 1937 bis 1945, Stuttgart 2008 (= Fritz Kraft u. Christoph Friedrich (Hg.), Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie, Band 85), 3. 192 Vgl. Schröder, NS-Pharmazie, 28. 193 Vgl. ebd., 27 f. und 74. 194 Vgl. ebd., 123 f. 195 Vgl. ebd., 131. 196 Vgl. ebd., 151 – 162. 197 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 52 sowie Schröder, NS-Pharmazie, 148, Anm. 125. 198 Zitiert nach Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 52. 199 Vgl. Adam, Judenpolitik, 87.

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kratie ihre Bemühungen fort, sie aus zahlreichen Lebensbereichen zu verdrängen. Diese Verdrängungsmaßnahmen wurden dabei von den jeweiligen Behörden weitgehend selbstständig und nicht im Rahmen eines einheitlichen Gesamtkonzepts gesetzt.200 So bestimmte ein Runderlass des Preußischen Ministeriums des Inneren vom 14. Juli 1933, dass pharmazeutische Aufsichtsbeamte des Landes – so genannte Pharmazeutische Regionalbevollmächtigte – den ›Ariernachweis‹ zu erbringen hätten.201 Gleiches galt ab 19. August 1933 für ApothekerInnen, die bei pharmazeutischen Prüfungen und Vorprüfungen in Preußen als PrüferInnen tätig sein sollten.202 Mit einem weiteren Runderlass bestimmte das Preußische Ministerium des Inneren am 26. Oktober 1933 neue Richtlinien für die Vergabe von Apothekenkonzessionen. Demzufolge hatten nun BewerberInnen um eine Personalkonzession oder der Nachfolger beziehungsweise die Nachfolgerin einer Realkonzession für sich und gegebenenfalls auch für seinen oder ihren Ehepartner einen vom Sachverständigen für Rasseforschung bestätigten ›Ariernachweis‹ zu erbringen.203 Lautet die einem Bewerber von dem Sachverständigen für Rasseforschung beim Reichsministerium des Inneren ausgestellte Bescheinigung für seine Person oder die seiner Ehefrau auf »nichtarisch«, so ist er aus der Liste der Bewerber zu streichen.204

Dass nicht alle antisemitischen Initiativen auch die Zustimmung der jeweiligen Zentralbehörden fanden, illustriert ein gegen eine Boykottinitiative der Deutschen Apothekerschaft gerichteter Erlass des Reichswirtschaftsministeriums vom 8. Dezember 1933.205 Dieser verlangte die Beendigung des Boykotts und wies die öffentlichen und privaten Krankenversicherungsunternehmen darauf hin, dass »der Ausschluß nichtarischer Apotheker von der Belieferung der Mitglieder dieser Kassen als wirtschaftliche Boykottmaßnahme den Absichten

200 Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 50. 201 Preußisches Ministerium des Inneren, Runderlass vom 14. Juli 1933: Ariernachweis der Pharm. Reg.-Bevollmächtigten. In: Ministerialblatt für die Preußische Innere Verwaltung, Berlin 1933, Spalte 349. 202 Preußisches Ministerium des Inneren, Runderlass vom 19. August 1933: Ariernachweis und Altersgrenze der pharmazeutischen Prüfer. In: Ministerialblatt für die Preußische Innere Verwaltung, Berlin 1933, Spalte 405. 203 Preußisches Ministerium des Inneren, Runderlass vom 26. Oktober 1933: Vergebung von Apothekenkonzessionen. In: Ministerialblatt für die Preußische Innere Verwaltung, Berlin 1933, Spalte 509, Abs. 1 u. 4. 204 Preußisches Ministerium des Inneren, Runderlass vom 26. Oktober 1933: Vergebung von Apothekenkonzessionen. In: Ministerialblatt für die Preußische Innere Verwaltung, Berlin 1933, Spalte 509, Abs. 2. 205 Vgl. Adam, Judenpolitik, 88, Anm. 110.

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der Reichsregierung widerspricht und geeignet ist, das gesamte Wirtschaftsleben schwer zu schädigen«.206 Neben den gesetzlichen Maßnahmen, die die jüdische Minderheit aus Teilen der deutschen Öffentlichkeit und dem Wirtschaftsleben ausschloss, waren auch in der zweiten Hälfte des Jahres 1933 Belästigungen und Gewalttätigkeiten von Seiten der NS-AktivistInnen gegen sie an der Tagesordnung.207 So bleibt als Fazit für die zweite Jahreshälfte 1933 festzuhalten, daß der Boykott des jüdischen Wirtschaftslebens auf vielfältige Weise anhielt und vor allem die hochqualifizierten Juden weiter aus verschiedenen Lebensbereichen verdrängt wurden, aber weitergehende Maßnahmen, die innerhalb der NSDAP gefordert wurden, wie eine umfassende Ausschaltung von Juden aus der Wirtschaft, ein Ausschluß von der deutschen Staatsangehörigkeit oder auch eine umfassende Segregation der Juden insbesondere aus wirtschaftlichen und außenpolitischen Gründen unterblieb.208

1.3.3. Antisemitische Maßnahmen betreffend das Apothekenwesen 1934 und 1935 Im Lauf des Jahres 1934 blieb es im Wesentlichen bei der Situation, wie sie Ende 1933 bestand. Neben anhaltenden Boykottmaßnahmen und öffentlichen Diskriminierungen, denen sich die jüdische Minderheit von Seiten der NS-AktivistInnen ausgesetzt sah, versuchten die Behörden zum einen diese Angriffe einzudämmen, zum anderen mit eigenen Diskriminierungsmaßnahmen den Forderungen der NSDAP entgegenzukommen.209 So bestimmte eine am 5. April 1934 vom Reichsministerium des Inneren verabschiedete Verordnung über die Änderung der Prüfungsordnung für Ärzte, der Prüfungsordnung für Zahnärzte und der Prüfungsordnung für Apotheker, dass »die Zulassung zu den Prüfungen sowie die Erteilung der Approbation« zu versagen sind, »wenn berechtigte Zweifel an der nationalen oder moralischen Zuverlässigkeit des Antragstellers« gegeben sein sollten.210 Diese Zulassungsbeschränkung wurde zwar von den einzelnen Ländern unterschiedlich interpretiert, in den meisten Fällen wurde sie aber gegen jüdische AntragstellerInnen verwendet.211 206 Walk, Sonderrecht, 63, Nr. 304: Erlass des Reichswirtschaftsministeriums vom 8. Dezember 1933. 207 Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 51. 208 Ebd., 52. 209 Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 53. 210 Reichministerium des Inneren, Verordnung vom 5. April 1934: Verordnung über die Änderung der Prüfungsordnung für Ärzte, der Prüfungsordnung für Zahnärzte und der Prüfungsordnung für Apotheker. In: Reichsministerialblatt. Zentralblatt für das Deutsche Reich, Berlin 1934, 301. 211 Vgl. Adam, Judenpolitik, 76.

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Neben der Dekretierung antijüdischer Vorschriften versuchte das Reichsministerium des Inneren aber, auch lokale Maßnahmen gegen jüdische ApothekerInnen im Sinne einer stabilen Arzneimittelversorgung zu unterbinden und teilte mit Schreiben vom 2. August 1934 dem Preußischen Ministerium des Inneren mit, dass unautorisierte örtliche Maßnahmen gegen jüdische ApothekerInnen zu unterbleiben hätten. Es sei am 20. Februar 1934 im Reichskabinett über die jüdischen ApothekerInnen beraten worden und erst nach Einlangen einer Stellungnahme der Standesgemeinschaft Deutscher Apotheker zu dieser Frage könnten weitere legistische Schritte gesetzt werden.212 Am 4. September 1934 verfügte daraufhin das Preußische Ministerium des Inneren per Runderlass, dass die Gewerbefreiheit und die Rechte ‹nichtarischer‹ ApothekerInnen durch örtliche Anweisungen nicht einzuschränken seien, solange keine diesbezüglichen Gesetze veröffentlicht wären. Solange die Frage der Nichtarier im Apothekenberuf noch nicht geregelt ist, halte ich es in Übereinstimmung mit dem RMdI [Reichsministerium des Inneren] nicht für angängig, daß örtliche Stellen mit Sondermaßnahmen eingreifen. Hierdurch könnte der geordnete Apothekenbetrieb gefährdet und die Arzneiversorgung der Bevölkerung beeinträchtigt werden. Es ist auch nicht erwünscht, daß, solange der Staat einem nichtarischen Apotheker die Konzession beläßt, diesem auf indirektem Wege die Lebensmöglichkeit genommen oder beeinträchtigt wird.213

Da die oben erwähnte Änderung der Prüfungsordnung vom 5. April 1934 scheinbar nicht immer zu Ungunsten jüdischer BewerberInnen ausgelegt wurde, konkretisierte das Reichs- und Preußische Ministerium des Inneren – mit Erlass vom 25. Oktober 1934 wurden per 1. November 1934 das Reichsministerium des Inneren und das Preußische Ministerium des Inneren zusammengelegt214 – seine Intentionen und änderte am 8. Dezember 1934 die Prüfungsordnung für Apotheker in dezidiert anti-jüdischem Sinn. Mit der neuen Prüfungsordnung war nun ab 1. April 1935 bei der Anmeldung zu den pharmazeutischen Prüfungen ein Nachweis der ›arischen‹ Abstammung – Geburtsurkunden der Eltern und Großeltern – vorzulegen.215 Seit dem April 1933 konnten somit Jüdinnen und Juden zwar in einer durch den für sie geltenden numerus clausus festgesetzten 212 Vgl. ebd., 88. 213 Preußisches Ministerium des Inneren, Runderlass vom 4. September 1934: Ausschluß der im nichtarischen Besitz befindlichen Apotheken von Wohlfahrtslieferungen. In: Ministerialblatt für die Preußische Innere Verwaltung, Berlin 1934, Spalte 1125, Abs. 3. 214 Reichsministerium des Innern, Erlass vom 25. Oktober 1934: Zusammenlegung der Innenministerien des Reichs und Preußens. In: Reichsministerialblatt. Zentralblatt für das Deutsche Reich, Berlin 1934, 681. Vgl. hierzu auch Martin Broszat, Der Staat Hitlers, München 1969, 156. 215 Reichsministerium des Innern, Verordnung vom 8. Dezember 1934: Prüfungsordnung für Apotheker. In: Reichsministerialblatt. Zentralblatt für das Deutsche Reich, Berlin 1934, 769 – 775, § 6 Abs. 1 und § 21.

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Zahl Pharmazie studieren, aber spätestens seit dem 1. April 1935 keinen Abschluss ihrer Ausbildung mehr erreichen. Mit dem Ausschluss jüdischer AbiturientInnen von der Pharmazeutischen Vorprüfung durch die neue Prüfungsordnung war Juden und Jüdinnen nun der Zugang zum Apothekerberuf generell verwehrt. Im Zuge der zweiten antisemitischen Welle im Deutschen Reich im Frühjahr und Sommer 1935216 wurde auch in mehreren Schritten die endgültige ›Arisierung‹ aller deutschen jüdischen Apotheken in die Wege geleitet. So wies am 17. April 1935 das Reichs- und Preußische Ministerium des Inneren per Runderlass die zuständigen Behörden an, ›NichtarierInnen‹ oder BewerberInnen, die mit einer ›nichtarischen‹ Person verheiratet waren, die Erteilung einer Apothekenkonzession zu versagen.217 Damit wurde eine Regelung, die in Preußen schon seit dem 26. Oktober 1933 galt auf das gesamte Deutsche Reich ausgeweitet. Von der Verleihung einer Apothekenkonzession ist ausgeschlossen, wer nicht-arischer Abstammung oder mit einer nichtarischen Frau verheiratet ist. Der Bewerber hat seine und seiner Ehefrau arische Abstammung durch eine Bescheinigung der Reichsstelle für Sippenforschung beim Reichsministerium des Inneren nachzuweisen.218

Da das strafrechtlich verankerte Verbot einer ›Vermischung‹ von ›Ariern‹ und Juden eine rassenpolitische Kernforderungen der NSDAP war,219 wurden am Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg (10. bis 16. Sept. 1935) am 15. September 1935 die später so genannten Nürnberger Gesetze verabschiedet. Es waren dies das Reichsbürgergesetz und das Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre.220 Ersteres unterschied zwischen Staatsbürgern und dem durch dieses Gesetz geschaffenen Status des Reichsbürgers, in dem es feststellte: Reichsbürger ist nur der Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes, der durch sein Verhalten beweist, daß er gewillt und geeignet ist, in Treue dem Deutschen Volk und Reich zu dienen.221

216 Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 74 ff. 217 Vgl. Reichs- und Preußisches Ministerium des Inneren, Runderlass vom 17. April 1935: Grundsätze für die Verleihung von Apothekenkonzessionen. In: Ministerialblatt für die Preußische Innere Verwaltung, Berlin 1935, Spalte 629. 218 Reichs- und Preußisches Ministerium des Inneren, Runderlass vom 17. April 1935: Grundsätze für die Verleihung von Apothekenkonzessionen. In: Ministerialblatt für die Preußische Innere Verwaltung, Berlin 1935, Spalte 629, Abs. 1. 219 Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 95. 220 DRGBl. I 1935, 1146, Reichsbürgergesetz und Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935. 221 DRGBl. I 1935, 1146, Reichsbürgergesetz, § 2 Abs. 1.

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Weiters erklärte es den Reichsbürger zum alleinigen Träger der vollen politischen Rechte.222 Die entscheidende Frage, wer nun als Jude oder Jüdin zu gelten hatte, beantwortete das Reichsbürgergesetz nicht, sondern übertrug die Lösung dieser Frage auf noch zwischen dem Innenministerium und dem Stellvertreter des Führers zu verhandelnde Rechtsvorschriften.223 Mit der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 wurde diese Frage dann dahingehend geregelt, dass im wesentlichen als Jude oder Jüdin galt, wer von mindestens drei jüdischen Großeltern abstammte,224 als Mischling galt, wer von einem oder zwei jüdischen Großeltern abstammte.225 Das »Reichsbürgergesetz« beendete die seit 1871 in ganz Deutschland geltende, durch zahlreiche Maßnahmen der Nationalsozialisten seit 1933 bereits stark ausgehöhlte staatsbürgerliche Gleichheit der Juden. Das Gesetz führte eine Differenzierung zwischen »Staatsangehörigen« und Reichsbürgern ein […] Durch das Gesetz wurde also weder definiert, wer Jude sei, noch wurde festgelegt, wie man in den Genuß des »Reichsbürgerrechts« kommen könne. Das Gesetz schuf jedoch die Möglichkeit für den Erwerb der »Reichsbürgerschaft« neben der »rassischen« Qualifikation auch politische Bedingungen vorzuschreiben. Tatsächlich sollten nähere Ausführungsbestimmungen über den Erwerb des Reichsbürgerbriefs nie erlassen werden.226

Das Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre ebenfalls vom 15. September 1935 stellte Eheschließungen227 und außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen »Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes« unter Strafe.228 Weiter durften Juden »weibliche Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes unter 45 Jahren« nicht in ihrem Haushalt beschäftigen.229 Die Nürnberger Gesetze etablierten somit im Deutschen Reich eine Zweiklassengesellschaft, in der die deutschen Juden und Jüdinnen als der minderwertige Teil definiert wurden. Die Verabschiedung dieser Gesetze war in der nationalsozialistischen Politik der Segregation und Isolation der jüdischen Minderheit ein wesentlicher Schritt und beförderte die Durchsetzung des Antisemitismus als herrschende Ideologie der deutschen Gesellschaft.230 Die 222 DRGBl. I 1935, 1146, Reichsbürgergesetz, § 2 Abs. 3. 223 DRGBl. I 1935, 1146, Reichsbürgergesetz, § 3. 224 DRGBl. I 1935, 1333, Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935, § 5 Abs. 1. 225 DRGBl. I 1935, 1333, § 2 Abs. 2. 226 Longerich, Politik der Vernichtung, 105. 227 DRGBl. I 1935, 1146, Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre, § 1 Abs. 1. 228 DRGBl. I 1935, 1146, Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre, § 2. 229 DRGBl. I 1935, 1146, Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre, § 3. 230 Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 111.

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Nürnberger Gesetze und ihre ersten Durchführungsverordnungen wurden am 20. Mai 1938 in Österreich in Kraft gesetzt.231 Der wesentliche Schritt zur ›Arisierung‹ der deutschen jüdischen Apotheken erfolgte mit der Verabschiedung des Reichspachtgesetzes – Gesetz über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken vom 13. Dezember 1935.232 Darin wurde festgelegt, dass ab 1. April 1936 eine öffentliche Apotheke zu verpachten sei, wenn »der Inhaber in nationaler oder moralischer Hinsicht unzuverlässig ist«.233 Die Entscheidung darüber wurde der höheren Verwaltungsbehörde234 nach Anhörung der Berufsvertretung der ApothekerInnen anheim gestellt; ihre Entscheidung war endgültig.235 Pachtverträge, die auf Grund dieses Gesetzes geschlossen wurden, mussten der höheren Verwaltungsbehörde zur Genehmigung und Bestätigung des Pächters oder der Pächterin – auch für diese galten die oben angeführten Bestimmungen – vorgelegt werden.236 Auch laufende Pachtverträge mussten innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes bei der zuständigen höheren Verwaltungsbehörde zur Überprüfung eingereicht werden.237 Diese war ermächtigt, bestehende Pachtverträge von Amts wegen zu ändern oder aufzulösen.238 Gleiches galt für die Verwaltung einer öffentlichen Apotheke.239

1.3.4. Antisemitische Maßnahmen betreffend das Apothekenwesen 1936 bis zum ›Anschluss‹ 1938 Die Erste Verordnung zum Gesetz über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken vom 26. März 1936 konkretisierte sodann wenige Tage vor

231 GBlÖ 150/1938, Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Verordnung über die Einführung der Nürnberger Rassengesetze im Lande Österreich vom 20. Mai 1938 bekanntgemacht wird. 232 DRGBl. I 1935, 1445, Gesetz über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken vom 13. Dezember 1935. 233 DRGBl. I 1935, 1445, § 1 Abs. 2. 234 Die »höhere Verwaltungsbehörde« im Sinne des Reichspachtgesetzes wurde erst mit der Ersten Verordnung zu diesem Gesetz vom 26. März 1936 konkretisiert und für die einzelnen Länder unterschiedlich bestimmt. So war die höhere Verwaltungsbehörde im Sinne dieses Gesetzes in Preußen und Bayern der jeweilige Regierungspräsident, in Berlin der Staatskommissar der Hauptstadt Berlin, in Sachsen der Kreishauptmann und in den übrigen Ländern die jeweilige Landesregierung. 235 DRGBl. I 1935, 1445, § 1 Abs. 3. 236 DRGBl. I 1935, 1445, § 3 Abs. 1. 237 DRGBl. I 1935, 1445, § 2. 238 DRGBl. I 1935, 1445, § 6 Abs. 1 und 2. 239 DRGBl. I 1935, 1445, § 8.

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Inkrafttreten des Reichspachtgesetzes am 1. April 1936 eine wesentliche Intention des Gesetzgebers, indem sie in Artikel 3 bestimmte: Juden sind als Pächter nicht zugelassen. Öffentliche Apotheken, deren Inhaber Jude ist, unterliegen dem Verpachtungszwang.240

Mit dieser Konkretisierung des Reichspachtgesetzes durften somit ab dem 1. April 1936 jüdische PharmazeutInnen keine öffentliche Apotheke – weder als PächterInnen noch als VerwalterInnen – mehr leiten. Weiter bestimmte die Erste Verordnung zum Gesetz über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken, dass die Beurteilung der geforderten »nationalen Zuverlässigkeit« nicht nur wie im Reichspachtgesetz vorgeschrieben eine Kompetenz der höheren Verwaltungsbehörde sei, sondern nunmehr auch die Stellungnahme der Partei zu dieser Frage einzuholen wäre. Vor der Entscheidung über die Frage der Unzuverlässigkeit in nationaler Beziehung ist die Stellungnahme der örtlich zuständigen Gauleitung der NSDAP einzuholen.241

Neben dem Verbot der Leitung einer öffentlichen Apotheke durch jüdische PharmazeutInnen bedeutete das für die Praxis von Weiterbetrieb oder Verpachtung, dass die Leitung einer öffentlichen Apotheke auch für ›ArierInnen‹ ohne ein günstiges politisches Führungszeugnis der NSDAP nicht mehr möglich war. Obwohl das Reichspachtgesetz und seine Erste Verordnung erst mit 1. März 1939 in Österreich in Kraft traten,242 wurde dieser Passus schon im Frühjahr und Sommer 1938 bei der ›Arisierung‹ österreichischer jüdischer Apotheken umfassend angewandt. Alle PharmazeutInnen, die sich beim kommissarischen Verwalter aller jüdischen Apotheken in der Ostmark, Mag. Edwin Renner um die ›Arisierung‹ einer Apotheke bewarben, hatten ein entsprechendes politisches Führungszeugnis einer Parteidienststelle der NSDAP vorzulegen.243 Als die jüdischen PharmazeutInnen aufgrund des Reichspachtgesetzes und seiner Ersten Verordnung von der Leitung einer Apotheke ausgeschlossen wurden, betraf dies nicht die jüdischen Pharmazeutinnen, die in Drogerien tätig waren. Ebenso wenig waren diese von der 1937 erlassenen Bestallungsordnung für Apotheker betroffen, die ein generelles Beschäftigungsverbot für Juden und Jüdinnen in Apotheken etablierte. Der Vorteil, als PharmazeutIn eine Drogerie 240 DRGBl. I 1936, 317, Erste Verordnung zum Gesetz über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken vom 26. März 1936, Art. 3. 241 DRGBl. I 1936, 317, Art. 4. 242 GBlÖ 301/1939, Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Verordnung zur Einführung des Apothekenverpachtungsgesetzes im Lande Österreich vom 27. Februar 1939 bekanntgemacht wird. Zur Etablierung der Nürnberger Gesetze in Österreich siehe auch Kapitel 3.3. Die ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken. 243 Vgl. hierzu Kapitel 3.3. Die ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken. Zur Person Edwin Renner siehe auch Kapitel 3.3.1. Mag. Edwin Renner, Mastermind der ›Arisierungen‹.

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weiterhin führen zu dürfen, währte nur kurz. Im Zuge des Novemberpogroms 1938 wurden auch diese Unternehmen zwangsweise ›arisiert‹.244 Hatte schon am 17. April 1935 das Reichs- und Preußische Ministerium des Inneren die Verleihung von Apothekenkonzessionen an ›NichtarierInnen‹ und EhepartnerInnen von ›NichtarierInnen‹ untersagt, so wurde dieses Verbot mit Runderlass vom 19. Juni 1936 dahingehend präzisiert, dass von den BewerberInnen um eine solche Konzession nunmehr explizit der ›Ariernachweis‹ gefordert wurde. Die KonzessionswerberInnen hatten somit – nunmehr im Sinne der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935245 – den Nachweis zu erbringen, dass sie keine Juden waren, und dies durch Vorlage ihrer Geburtsurkunde sowie der Geburtsurkunden ihrer Eltern und Großeltern zu belegen.246 Nachdem schon mit der Prüfungsordnung vom 8. Dezember 1934 jüdischen PharmazeutInnen der Zugang zum Apothekerberuf verwehrt worden war, wurde Jüdinnen und Juden mit Bezug auf die Reichsapothekerordnung vom 18. April 1937247 – diese galt erstmals für das gesamte Deutsche Reich – mit der Bestallungsordnung für Apotheker vom 8. Oktober 1937 eine zukünftige Tätigkeit als ApothekerIn in einer öffentlichen Apotheke im gesamten Deutschen Reich grundsätzlich untersagt.248 Damit war angehenden jüdischen PharmazeutInnen jede Tätigkeit als ApothekerIn in einer öffentlichen Apotheke – insbesondere auch als Angestellte oder Angestellter – verboten worden. Ebenfalls am 8. Oktober 1937 wurden mit der Verfahrensordnung für die Apothekerberufsgerichte jüdische ApothekerInnen als Mitglieder eines solchen Berufsgerichts ausgeschlossen.249

244 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 93 – 95. 245 DRGBl. I 1935, 1333. 246 Reichs- und Preußisches Ministerium des Inneren, Runderlass vom 19. Juni 1936: Grundsätze für die Verleihung von Apothekenkonzessionen, in: Ministerial-Blatt des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Inneren, Berlin 1936, Spalte 828 f. 247 DRGBl. I 1937, 457, Reichsapothekerordnung vom 18. April 1937. Zur Reichsapothekerordnung siehe auch Kapitel 3.1. Die Auflösung der pharmazeutischen Standesorganisationen und die Gleichschaltung der Standespresse. 248 DRGBl. I 1937, 1118 f., Bestallungsordnung für Apotheker vom 8. Oktober 1937, § 6 Abs. 5. Die Bestallungsordnung für Apotheker wurde in Österreich rückwirkend zum 1. September 1939 durch Kundmachung des Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, wodurch die Verordnung über die Einführung der Bestallungsordnung für Apotheker in der Ostmark vom 25. September 1939 bekanntgemacht wird, in Kraft gesetzt (GBlÖ 1400/1939). 249 Vgl. DRGBl. I 1937, 1122 f., Verfahrensordnung für die Apothekerberufsgerichte vom 8. Oktober 1937, § 1 Abs. 2.

2.

Der ›Anschluss‹ 1938 und seine Auswirkungen auf die österreichische Apothekerschaft

2.1. Die Auflösung der pharmazeutischen Standesorganisationen und die Gleichschaltung der Standespresse Nach dem ›Anschluss‹ Österreichs an das Deutsche Reich am 13. März 1938 erfolgte auch die Auflösung der Berufsverbände und Vereine der österreichischen PharmazeutInnen. Dafür wurde SA-Obertruppführer Mag. Franz Dittrich am 21. März 1938 vom Landesobmann der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation (NSBO) zum kommissarischen Leiter des Pharmazeutischen Reichsverbandes und am 22. März 1938 vom kommissarischen Leiter des Gewerkschaftsbundes zum kommissarischen Leiter und Geschäftsführer für die Gewerkschaft der angestellten Apotheker bestellt.1 Über Auftrag des Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich und Gauleiters von Wien Josef Bürckel wurde Dittrich weiters am 28. März 1938 von Albert Hoffmann, dem Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände, zum kommissarischen Leiter sämtlicher pharmazeutischer Verbände und Vereine ernannt.2 Der Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände wurde am 18. März 1938 in der Person Albert Hoffmanns eingesetzt, seine Dienststelle bestand bis zum 30. November 1939. Ihm wurde die Neuordnung und ideologische Gleichschaltung des österreichischen Vereinswesens in nationalsozialistischem Sinne und die materielle Ausbeutung der österreichischen Vereine übertragen.3 Im Wesentlichen diente die Institution des Stillhaltekommissars mehreren Zielen: der Sicherung des Parteieinflusses auf das gesamte Vereinswesen, der Strukturbereinigung, der Vermögensaneignung, der Ausschaltung politischer Gegner sowie jeglicher 1 Pharmazeutische Presse, Nr. 13 (1938), 110. 2 Pharmazeutische Presse, Nr. 14 (1938), 120. 3 Vgl. Österreichische Historikerkommission, Schlussbericht der Historikerkommission der Republik Öster-reich, Wien u. München 2003, 223 f.

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Der ›Anschluss‹ 1938 und seine Auswirkungen

jüdischer Mitwirkung im Vereinswesen. Die Eingriffe des Stillhaltekommissars erstreckten sich nicht nur auf Vereine, sondern auch auf andere Organisationsformen, wie zum Beispiel Kammern und Gewerkschaften, Zünfte und Innungen, Religionsgemeinschaften (vor allem die Israelitische Kultusgemeinde), politische Parteien (Vaterländische Front), katholische Kongregationen, den Deutschen Ritterorden, Versicherungsvereine, manche wirtschaftlichen Unternehmungen, berufsständische Organisationen und Interessenvertretungen sowie teilweise Büchereien und Kinos.4

Das am 17. Mai 1938 verkündete Gesetz über die Überleitung und Eingliederung von Vereinen, Organisationen und Verbänden5 und eine dazu am selben Tag erlassene Durchführungsverordnung des Reichsstatthalters definierten das Ziel der Tätigkeit des Stillhaltekommissars und seiner Bevollmächtigten eindeutig: die Ausrichtung des gesamten Vereins-, Organisations- und Verbandswesen nach den Richtlinien der NSDAP. Es sollte keinen Verein mehr geben, der nicht von NationalsozialistInnen geführt wurde. § 1 besagter Durchführungsverordnung stellte dies wie folgt fest: § 1 Der Stillhaltekommisssar hat dafür zu sorgen, daß alle Vereine, Organisationen und Verbände nationalsozialistisch ausgerichtet und geführt werden. Er hat das Führungsrecht der NSDAP auf dem Gebiete der Menschenführung sicherzustellen.6

Die vom Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände als ausführende Organe eingesetzten kommissarischen LeiterInnen hatten bis zur endgültigen Entscheidung über die Zukunft der jeweiligen Organisationen die alltäglichen Geschäfte zu führen, die laufenden Einnahmen zu sichern – Mitgliedsbeiträge wurden weiter eingehoben – und generell eine ordentliche Finanzgebarung zu gewährleisten. Sie sollten das Vermögen der Vereine feststellen, die politische Zuverlässigkeit von Angestellten überprüfen, die Anordnungen des Stillhaltekommissars durchsetzen und die Interessen der NSDAP wahren. Sie durften im Einvernehmen mit dem zuständigen Gauleiter ihrerseits Unterbevollmächtigte ernennen, allerdings keine weiterreichenden Aktivitäten wie Kreditaufnahme, Grundstückserwerb oder auch Einstellungen und Entlassungen von sich aus entfalten.7 Nach seiner Ernennung zum Leiter sämtlicher pharmazeutischer Verbände und Vereine ernannte Mag. Franz Dittrich am 28. März 1938 seinerseits mit Zustimmung von Gauleiter Josef Bürckel Unterbevollmächtigte für die einzelnen Verbände und Vereine in der österreichischen Apothekerschaft. Die Ernennung 4 Historikerkommission, Schlussbericht, 225 f. 5 GBlÖ 136/1938, Gesetz über die Überleitung und Eingliederung von Vereinen, Organisationen und Verbänden vom 14. Mai 1938. 6 GBlÖ 137/1938, Verordnung des Reichsstatthalters (Österreichische Landesregierung) zur Durchführung des Gesetzes über die Überleitung und Eingliederung von Vereinen, Organisationen und Verbänden, G. Bl. Nr. 136/1938 ausgegeben am 17. Mai 1938, § 1. 7 Vgl. Pawlowsky u. a., Vereine, 120.

Die Auflösung der pharmazeutischen Standesorganisationen

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der Unterbevollmächtigten erfolgte nach dem Grundsatz, bewährte Partei- und Volksgenossen, die bisher die Leitung dieser Verbände und Vereine innehatten, auch weiter in ihren Leitungsfunktionen zu belassen.8 Dezidiert ausgenommen von der Verwaltung durch kommissarische Leiter waren die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich und die Versicherungsanstalt für Pharmazeuten. Die beiden Standesanstalten wurden weiterhin von den bisherigen Obmännern geführt.9 Für die Pharmazeutische Gehaltskasse waren dies die Mag. Franz Dittrich und Mag. Dr. Robert Paul10 sowie der Generalsekretär Mag. Walter Geyer,11 die Versicherungsanstalt für Pharmazeuten wurde weiter von Mag. Dr. Hans Portisch geleitet.12 Sämtliche Standesorganisationen und Vereine der österreichischen PharmazeutInnen mit Ausnahme der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich und der Versicherungsanstalt für Pharmazeuten wurden am 8. August 1938 vom Stillhaltekommissar aufgelöst beziehungsweise der Deutschen Apothekerschaft eingegliedert. Als Standesvertretung waren ab diesem Zeitpunkt nur mehr die Deutsche Apothekerschaft (DDA) und die Reichsapothekerkammer zugelassen.13 Die Deutsche Apothekerschaft war mit 1. Jänner 1935 entstanden, indem sich die Standesgemeinschaft Deutscher Apotheker14 in die Deutsche Apothekerschaft umbenannte.15 Geleitet wurde sie, wie schon vorher die Standesgemeinschaft Deutscher Apotheker, vom späteren Reichsapothekerführer Albert Schmierer.16 Dieser wurde durch einen so genannten Führerbeirat beraten, der aus Apothekenleitern wie auch aus angestellten Pharmazeuten bestand. Von 1939 bis 1945 gehörten diesem Gremium durchgehend auch zwei österreichische Pharmazeuten an, nämlich Mag. Walter Rentmeister17 und Mag. Franz Schweder18 aus Wien.19 Die DDA stellte die Vertretung der deutschen PharmazeutInnen dar und, 8 9 10 11 12

13 14 15 16 17 18 19

Pharmazeutische Presse, Nr. 14 (1938), 120. Ebd., 122. Zur Person Robert Paul siehe Anhang, Kurzbiografien. Vgl. Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich, 100 Jahre Gehaltskasse – 100 Jahre Zukunft. Festschrift, Bad Vöslau 2008, 179 – 193; zur Person Walter Geyer siehe Anhang, Kurzbiografien. Vgl. Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich, Tätigkeits- und Rechenschaftsbericht des amtsführenden Obmannes der »Pharmazeutischen Gehaltskasse« Ph. Mr. Franz Dittrich über die Ausgestaltung und Gebarung der »Pharmazeutischen Gehaltskasse« im Jahre 1937, Wien 1938, 72 f. Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 34 (1938), 27 f. Zur Gründung der Standesgemeinschaft Deutscher Apotheker siehe Kap. 2.5.2. Antisemitische Maßnahmen betreffend das Apothekenwesen 1933. Vgl. Schlick, Apotheken, 4. Vgl. ebd., 55; zur Person Albert Schmierer siehe Anhang, Kurzbiografien. Zur Person Walter Rentmeister siehe Anhang, Kurzbiografien. Zur Person Franz Schweder siehe Anhang, Kurzbiografien. Vgl. Schlick, Apotheken, 57.

60

Der ›Anschluss‹ 1938 und seine Auswirkungen

im Unterschied zur 1937 gegründeten Reichsapothekerkammer, war die Mitgliedschaft in der DDA während der Dauer des ›Dritten Reiches‹ freiwillig.20 Die Deutsche Apothekerschaft verstand sich zum einen als berufliche Kontrollinstanz, die die Geschäftspraktiken der ApothekerInnen überwachte, zum anderen war sie aber auch für die Aus- und Weiterbildung der PharmazeutInnen sowie für den Kontakt zu den Gesundheitsbehörden zuständig. Eine ihrer wesentlichen Aufgaben bestand – vor allem nach der Gründung der Reichsapothekerkammer, an die sie Kompetenzen abgeben musste – in der wirtschaftlichen Förderung der Apothekenbetriebe.21 Die ›Deutsche Apothekerschaft‹ kümmerte sich nach Gründung der Reichsapothekerkammer hauptsächlich um die wirtschaftlichen Belange der Apotheker. So beriet und betreute sie bei Rechts- und Steuerfragen, bei Darlehensgewährung sowie Entschuldung und förderte die Eigenherstellung von Arzneimitteln. Als wichtige Aufgabe überwachte sie als Verein des bürgerlichen Rechts ferner die Berufsvertretung, die Unterstützung der Apotheker durch geeignete Werbemaßnahmen sowie die Überwachung von Verträgen, die die Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln betrafen. Die ›Deutsche Apothekerschaft‹ war für die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Apotheker verantwortlich. Obwohl diese ab 1937 Aufgabe der Reichsapothekerkammer war, ›bediente‹ sich die Reichsapothekerkammer der von der ›Deutschen Apothekerschaft‹ unterhaltenen ›Akademie für pharmazeutische Fortbildung‹ und der ›Akademie der pharmazeutischen Wissenschaft‹.22

Die Deutsche Apothekerschaft war in Bezirke mit jeweils eigenen Geschäftstellen gegliedert, eine Einteilung, die mit jener der späteren Reichsapothekerkammer identisch war. Organ der DDA war das jährlich erscheinende Handbuch der Deutschen Apothekerschaft, in dem facheinschlägige Gesetze, Erlässe, Verordnungen und Statistiken veröffentlicht wurden.23 Die am 20. April 1937 als Körperschaft öffentlichen Rechts gegründete Reichsapothekerkammer hatte ihre gesetzliche Grundlage in der am 18. April 1937 verabschiedeten Reichsapothekerordnung.24 Diese galt erstmals für das ganze Deutsche Reich und begründete die Reichsapothekerkammer und die Bezirksapothekerkammern sowie eine eigene Berufsgerichtsbarkeit für die deutschen ApothekerInnen. Die Reichsapothekerordnung und ihre Erste Durchführungsverordnung vom 8. Oktober 193725 traten in Österreich mit Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich mit 1. März 1939 in Kraft.26 20 21 22 23 24 25

Vgl. ebd., 55 u. 72. Vgl. ebd., 55. Ebd., 56. Vgl. Schlick, Apotheken, 58. DRGBl. I 1937, 457, Reichsapothekerordnung vom 18. April 1937. DRGBl. I 1937, 1117, Erste Verordnung zur Durchführung der Reichsapothekerordnung vom 8. Oktober 1937.

Die Auflösung der pharmazeutischen Standesorganisationen

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Die Reichsapothekerkammer ist die Berufsvertretung der deutschen Apotheker, die über die Erfüllung der Pflichten der Berufsgenossen zu wachen und für ihr Wohl zu sorgen hat. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ihr Sitz wird nach Anhörung des Reichsapothekerführers von dem Reichsminister des Inneren bestimmt.27

Die Mitgliedschaft in der Reichsapothekerkammer war verpflichtend, ausgenommen von dieser Pflichtmitgliedschaft waren aktive Wehrmachtsapotheker und Apotheker, die auf andere Art im Dienst der Wehrmacht standen, für die Dauer ihres Dienstverhältnisses.28 Die Reichsapothekerkammer war in Bezirksapothekerkammern untergliedert,29 die laut Satzung der Reichsapothekerkammer vom 15. September 1937 nur Dienststellen der Reichsapothekerkammer darstellten und somit reine Ausführungsorgane ohne Entscheidungsbefugnisse waren.30 Zum Zeitpunkt 1938 bestanden im Deutschen Reich 14 Bezirksapothekerkammern.31 Geleitet wurde die Reichsapothekerkammer vom so genannten Reichsapothekerführer, der vom Reichsminister des Inneren im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers ernannt wurde.32 Zum Reichsapothekerführer wurde 1937 der Leiter der Deutschen Apothekerschaft, Albert Schmierer berufen, der diese Funktion bis zum Ende des Dritten Reichs ausübte.33 Die Reichsapothekerkammer bestand aus dem Reichsapothekerführer, seinem Stellvertreter, einem Beirat – einem beratendem Gremium aus je ein Vertreter einer Bezirksapothekerkammer sowie deren Stellvertretern – und einem Hochschullehrer.34 Für die Geschäftsführung der Reichsapothekerkammer wurde ein leitender Direktor sowie ein Stellvertreter für diesen engagiert.35 Die Bezirksapothekerkammern waren auf gleiche Weise wie die Reichsapothekerkammer organisiert und bestanden aus dem Leiter der Bezirksapothekerkammer, seinem Stellvertreter und einem fünfköpfigen Beirat. Besagte Beiräte hatten rein konsultativen Charakter, der jeweilige Kammerleiter konnte getreu dem ›Führerprinzip‹ nach eigenem Ermessen entscheiden.36 Die Satzung 26 GBLÖ 303/1939, Kundmachung des Reichstatthalters in Österreich, wodurch die Einführung der Reichsapothekerordnung im Lande Österreich vom 27. Februar 1939 bekanntgemacht wird. 27 DRGBl. I 1937, 457, § 5 Abs. 1 28 DRGBl. I 1937, 457, § 9 Abs. 1 u. 2. 29 DRGBl. I 1937, 457, § 6 Abs. 1 30 Vgl. Satzung der Reichsapothekerkammer vom 15. September 1937, § 8. Abgedruckt in Schlick, Apotheken, 466. 31 Vgl. Schlick, Apotheken, 65 f. 32 DRGBl. I 1937, 457, § 7 Abs. 1 33 Vgl. Schlick, Apotheken, 66 f. 34 DRGBl. I 1937, 457, § 7 Abs. 2 u. 3 sowie Satzung der Reichsapothekerkammer § 6. 35 Vgl. Schlick, Apotheken, 67. 36 Vgl. Satzung der Reichsapothekerkammer § 14.

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Der ›Anschluss‹ 1938 und seine Auswirkungen

der Reichsapothekerkammer enthielt mit Bezug auf das Berufsbeamtengesetz37 auch einen eigenen Arierparagraphen. Vor Berufung der Mitglieder der Reichsapothekerkammer und der Bezirksapothekerkammern ist der Nachweis der Deutschblütigkeit wie bei einem Beamten zu erbringen.38

Dem oben erwähnten Beirat in der Reichsapothekerkammer gehörten von 1940 bis 1945 auch vier österreichische Pharmazeuten an. Für die Bezirksapothekerkammer Alpenland waren dies Professor Dr. Ludwig Kofler39 aus Innsbruck und Mag. Wolf Strohschneider40 aus Salzburg, für die Bezirksapothekerkammer Donauland Mag. Franz Dittrich und Mag. Julius Hartman aus Wien.41 Die österreichischen Standesvertretungen wurden nach dem ›Anschluss‹ durch zwei große Bezirksorganisationen der Deutschen Apothekerschaft – sowie nach Inkrafttreten der Reichsapothekerordnung am 1. März 1939 in Österreich42 durch zwei Bezirksapothekerkammern – ersetzt: Donauland (für die Gaue Wien, Nieder- und Oberdonau) mit Sitz in Wien und Alpenland (für die Gaue Kärnten, Salzburg, Steiermark und Tirol) mit Sitz in Innsbruck. Zum Bezirksführer der Deutschen Apothekerschaft für den Bezirk Donauland sowie zum Leiter der Apothekerkammer Donauland wurde am 8. August 1938 SA-Obertruppführer Mag. Franz Schweder, zum Stellvertreter in der Deutschen Apothekerschaft SA-Obertruppführer Mag. Franz Dittrich und zum Stellvertreter in der Apothekerkammer Donauland SA-Oberführer Mag. Wolfgang Mitterdorfer43 bestellt. Zum Bezirksführer der Deutschen Apothekerschaft für den Bezirk Alpenland sowie zum Leiter der Apothekerkammer Alpenland wurde ebenfalls am 8. August der SA-Obertruppführer Mag. Robert Bichler,44 zum Stellvertreter in der Deutschen Apothekerschaft Parteigenosse Mag. August Jungschaffer45 und zum Stellvertreter in der Apothekerkammer Alpenland Parteigenosse Mag. August Lang46 ernannt.47 Das Vermögen der aufgelösten Vereine und Verbände erhielten die Bezirks37 Siehe hierzu auch Kapitel 2.5.2. Antisemitische Maßnahmen betreffend das Apothekenwesen 1933. 38 Satzung der Reichsapothekerkammer § 13. 39 Zur Person Ludwig Kofler siehe Anhang, Kurzbiografien. 40 Zur Person Wolf Strohschneider siehe Anhang, Kurzbiografien. 41 Vgl. Schlick, Apotheken, 68 f; zur Person Julius Hartman siehe Anhang, Kurzbiografien. 42 GBlÖ 303/1939, Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Verordnung zur Einführung der Reichsapothekerordnung im Lande Österreich vom 27. Februar 1939 kundgemacht wird. 43 Zur Person Wolfgang Mitterdorfer siehe Anhang, Kurzbiografien. 44 Zur Person Robert Bichler siehe Anhang, Kurzbiografien. 45 Zur Person August Jungschaffer siehe Anhang, Kurzbiografien. 46 Zur Person August Lang siehe Anhang, Kurzbiografien. 47 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 34 (1938), 28.

Die Auflösung der pharmazeutischen Standesorganisationen

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organisationen Donauland und Alpenland der Deutschen Apothekerschaft48 beziehungsweise die Reichsapothekerkammer in Berlin »mit der Auflage der zweckentsprechenden Verwendung in der Ostmark.«49 Zahlreiche Funktionen der österreichischen pharmazeutischen Standesvertretungen waren schon vor dem ›Anschluss‹ von nationalsozialistisch gesinnten Pharmazeuten übernommen worden. Die Auflösung und ›Abwicklung‹ der Standesorganisationen verlief daher weitgehend friktionsfrei. So bescheinigt ein in der Pharmazeutischen Presse vom 26. März 1938 abgedruckter Brief von Ludwig Uhl, in der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation (NSBO), zuständig für die ›berufsständische Durchdringung‹ von Betrieben mit NationalsozialistInnen, an Mag. Franz Dittrich, Präsident des Pharmazeutischen Reichsverbandes und Obmann der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich, letzterem seine erfolgreiche Infiltrationsarbeit im Sinne der NSDAP: Zur Information Ihrer Berufskreise bestätige ich Ihnen hiermit, daß sie seit mehr als zwei Jahren ständige Fühlungnahme mit mir und meinem Stellvertreter Herrn Hebein in politischer Hinsicht hatten. Wir selbst waren durch Reichsminister Ley beauftragt, Fühlungnahme mit nationalsozialistisch eingestellten Führern der einzelnen Berufsstände zu nehmen, um eine Durchsetzung dieser Berufsstände mit nationalsozialistisch eingestellten Männern zu vollziehen und zu veranlassen, daß in diesen Berufsständen eine nationalsozialistische Tätigkeit entfaltet werden kann. Sie erhielten von mir aus die Weisung, die bisher vollzogene Tarnung auch weiterhin beizubehalten, weil sie von mir und meinem Stellvertreter für mustergültig in dieser Hinsicht anerkannt wurden. Sie haben unser Ziel, die gesetzlichen Vertretungen mit Nationalsozialisten zu durchsetzen, 100 %ig erreicht und es zu Wege gebracht, daß in der für die Nationalsozialisten so äußerst schwierigen Zeit des Schuschniggsystems der Apothekerberuf im nationalsozialistischen Sinne geführt wurde.50

Nach dem ›Anschluss‹ 1938 verkündete daher Franz Dittrich im Tätigkeitsbericht der Pharmazeutischen Gehaltskasse für das Jahr 1937 nicht ohne Stolz: Bei dieser Gelegenheit darf festgestellt werden, daß wohl kein Beruf so durchsetzt wurde mit nationalsozialistischem Gedankengut, wie gerade der österreichische Apothekerberuf. Der Klassenkampfgedanke ist seit Jahrzehnten ausgeschieden, der soziale Ausgleich innerhalb des Berufes wurde durchgeführt und für alle Berufsangehörigen war die Berufs- und Volksgemeinschaft bindend. Der nationalsozialistische Staat anerkennt vor allem die sozialen Errungenschaften und es würde eine Unmöglichkeit bedeuten, etwa in unserem Berufe in jenem Augenblick die sozialen Errungenschaften und Einrichtungen abzubauen, wo die nationalsozialistische Bewegung

48 Vgl. Pawlowsky u. a., Vereine, 192. 49 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 34 (1938), 27. 50 Pharmazeutische Presse, Nr. 13 (1938), 110.

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Der ›Anschluss‹ 1938 und seine Auswirkungen

die Macht im Staate ergriffen hat und die Einigung aller deutschen Stämme herbeigeführt hat.51

Die Versicherungsanstalt für Pharmazeuten, seit 1927 auf gesetzlicher Basis in Verwaltungsgemeinschaft mit der Pharmazeutischen Gehaltskasse und mit eigenen Abteilungen für die Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie für erweiterte Heilbehandlung, Krankheitsvergütung, Unterstützung in Notfällen und einer Sterbekassa überdauerte das Jahr 1938 ebenfalls nicht. Mit der Verordnung über die Einführung der Sozialversicherung im Lande Österreich vom 22. Dezember 1938 wurde sie als selbständige Versicherungseinrichtung aufgelöst und der allgemeinen Sozialversicherung eingegliedert.52 Die angestellten PharmazeutInnen des früheren Österreich wurden nun Mitglieder der Deutschen Kranken- und Pensionsversicherungsanstalt und das Vermögen der österreichischen Versicherungsanstalt für Pharmazeuten wurde dieser Versicherung eingewiesen. Die Versicherungsanstalt für Pharmazeuten konnte nach 1945 nicht wieder errichtet werden.53 Auch die Standespresse der österreichischen Apothekerschaft wurde von der nationalsozialistischen ›Gleichschaltung‹ nicht verschont. Im Sinne einer zentralisierten Leitung des Standes und einer einheitlichen und konformen Meinungsbildung wurden die Zeitschriften Pharmazeutische Post, Pharmazeutische Presse, Pharmazeutische Monatshefte und Sciencia Pharmazeutica vom Deutschen Apotheker-Verlag Dr. Hans Hösel übernommen und ihr Erscheinen – die Sciencia Pharmazeutica als wissenschaftliche Beilage blieb bestehen – mit Anfang August 1938 eingestellt. Stattdessen erschien ab 6. August 1938 im Deutschen Apotheker-Verlag die Wiener Pharmazeutische Wochenschrift als nationalsozialistisches Einheitsorgan der österreichischen ApothekerInnen.54

2.2. Die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich 1938 In den Tagen nach dem ›Anschluss‹ wurden im damaligen Apothekerhaus in Wien-Mariahilf, Laimgrubengasse 27, die Räumlichkeiten des Pharmazeutischen Reichsverbands, der Pharmakred, des Ausschusses der konditionierenden Pharmazeuten, der Pharmazeutischen Presse, der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich und der Versicherungsanstalt der Pharmazeuten von Na51 Pharmazeutische Gehaltskasse, Tätigkeits- und Rechenschaftsbericht 1937, 73. 52 GBlÖ 703/1938, Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Verordnung über die Einführung der Sozialversicherung im Lande Österreich vom 22. Dezember 1938 bekanntgemacht wird. 53 Vgl. Nowotny, Von der Monarchie zur Republik II, 712. 54 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 32 (1938), 2.

Die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich 1938

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tionalsozialistInnen besetzt. Selbsternannte kommissarische Leiter beanspruchten die Übernahme der Geschäfte. Den versammelten Angestellten der Pharmazeutischen Gehaltskasse wurde erklärt, dass die Präsidenten außer Dienst gestellt seien und eine kommissarische Leitung eingesetzt wäre. Um die Situation zu klären und wieder geordnete Verhältnisse herzustellen, wurde der Reichsapothekerführer Albert Schmierer aus Berlin nach Wien gerufen.55 Dieser kam am 17. März 1938 in Wien an und bestätigte vorerst die amtierenden Funktionäre und den Weiterbestand der Pharmazeutischen Gehaltskasse.56 Einzig die Entlassung des Direktors des Pharmazeutischen Reichsverbandes und Hauptschriftleiters der Pharmazeutischen Presse Dr. Richard Kurtics57 – er war zu Zeiten des austrofaschistischen Ständestaates auch Verbindungsmann der Standesvertretungen zur Vaterländischen Front gewesen – wurde von Albert Schmierer gefordert.58 Er konnte sich mit seiner Forderung allerdings nicht durchsetzen, Richard Kurtics blieb Direktor des Pharmazeutischen Reichsverbandes bis zu dessen Auflösung durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände am 10. August 1938. Auch leitete er die Pharmazeutischen Presse59 bis zu ihrer Auflösung und übernahm auch im Nachfolgeorgan Wiener Pharmazeutische Wochenschrift die Schriftleitung.60 Unterstützung erhielten die amtierenden Funktionäre der Standesanstalten bei ihrem Versuch, den status quo zu erhalten, durch Beamte im Büro des Stillhaltekommissars und vor allem durch Mag. Walter Rentmeister.61 Dieser gehörte 1938 zu jener Fraktion der österreichischen NSDAP, die an der Spitze der Partei stand, als die ›Machtübernahme‹ in Österreich bewerkstelligt wurde und die mit dem späteren Kommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, Gauleiter Josef Bürckel, kooperierte.62 Im Vorfeld einer Versammlung der EigentümerInnen und Angestellten der Wiener Apothekenbetriebe, eines so genannten »Betriebsappells«, am 4. April 1938, veranstaltet zu Propagandazwecken anlässlich der für 10. April 1938 anberaumten Volksabstimmung, erschien in der Pharmazeutischen Presse vom 2. April 1938 unter »Zur Klarstellung« eine Erklärung Walter Rentmeisters zugunsten Franz Ditt55 Vgl. Franz Dittrich, Rede gehalten in der 37. Delegiertenhauptversammlung des Pharmazeutischen Reichsverbandes für Österreich am 15. November 1947 (Mitschrift), in: ÖAZ, Nr. 43/44 (1947), 187. 56 Pharmazeutische Presse, Nr. 13 (1938), 111. 57 Zur Person Richard Kurtics siehe Anhang, Kurzbiografien. 58 Vgl. Dittrich, Rede, 187. 59 Pharmazeutische Presse, Nr. 31 (1938), Impressum. 60 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 32 (1938), Impressum. 61 Vgl. Dittrich, Rede, 187. 62 Vgl. Gerhard Botz, Die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich. Planung und Verwirklichung des politisch-administrativen Anschlusses (1938 – 1940), Linz u.Wien 1972, 93 f.

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Der ›Anschluss‹ 1938 und seine Auswirkungen

richs. Diese Erklärung sollte offensichtlich dazu dienen, die Position Dittrichs im Pharmazeutischen Reichsverband und der Pharmazeutischen Gehaltskasse gegenüber anderen Fraktionen der NSDAP zu festigen. Als Kreisleiter der NSDAP im Viertel unter dem Wienerwald und Abgeordneter des Steinfeldgaues in den Jahren bis Juni 1933 bestätige ich, daß der Präsident des »Pharmazeutischen Reichsverbandes für Österreich« Herr Ph.Mr. Franz D i t t r i c h von mir persönlich unmittelbar nach den April-Wahlen 1932 in die NSDAP. aufgenommen wurde […]. Des weiteren gebe ich die eidesstattliche Erklärung ab, daß Parteigenosse Ph.Mr. Franz D D i t t r i c h von 1925 bis 1933, in den Jahren also, wo ich Gauleiter in Wien und Kreisleiter in Niederösterreich war, stets für die NSDAP. zur Verfügung stand und vor allem durch seine Initiative in den verschiedensten Wahlkämpfen mir persönlich namhafte Mittel zur Verfügung stellte. […] Ich erkläre daher als Mitglied der alten Garde der Partei, daß jeder irrsinnig ist, der über die Gesinnung des Parteigenossen D i t t r i c h irgendwelche Zweifel äußert.63

Der Kampf um die Pharmazeutische Gehaltskasse kann außer als wirtschaftlicher Interessenskonflikt – Landapotheken ohne Angestellte profitierten weniger von den Leistungen der Gehaltskasse als Stadtapotheken mit mehreren Angestellten – auch als eine Auswirkung interner Kämpfe österreichischer NationalsozialistInnen gesehen werden. Die Illegalität der NSDAP während des Ständestaats bewirkte Krisen und Spannungen, die vor allem zwischen den nach Deutschland geflohenen und den im Land gebliebenen NationalsozialistInnen entstanden waren. Laut dem Historiker Gerhard Botz gab es, abgesehen von persönlichen Rivalitäten, im Frühjahr 1938 drei konkurrierende Gruppen innerhalb der österreichischen NSDAP: zum einen die in den Jahren 1933 und 1934 nach Deutschland geflüchteten NationalsozialistInnen um den späteren Gauleiter von Tirol Franz Hofer (von dieser Seite kamen auch später immer wieder Initiativen zur Auflösung der Pharmazeutischen Gehaltskasse), zum zweiten die zwischen 1934 und 1938 in Österreich aktiven, so genannten »revolutionären« Illegalen, die allerdings kurz vor dem ›Anschluss‹ von Hitler entmachtet wurden. Die dritte Fraktion, die so genannten »Kärntner«, wurde von Hitler seit Februar 1938 favorisiert und stand im März 1938 an der Spitze der österreichischen NSDAP. Zu dieser Fraktion zählten auch der spätere Gauleiter von Oberdonau August Eigruber und der spätere Gauleiter von Niederdonau Dr. Hugo Jury.64 Letzterer war im Kabinett Seyß-Inquart Minister für soziale Verwaltung und daher mit vielen NationalsozialistInnen in der österreichischen Apothekerschaft bekannt. Vor allem zwischen der letzten Fraktion und den nach dem Verbot der NSDAP im Juni 1933 ins Deutsche Reich geflohenen und 1938

63 Pharmazeutische Presse, Nr. 14 (1938), 122; Hervorhebungen im Original. 64 Zur Person Dr. Hugo Jury siehe Anhang, Kurzbiografien.

Die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich 1938

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nach Österreich zurückgekehrten NationalsozialistInnen nahm der parteiinterne Konkurrenzkampf besonders heftige Formen an.65 Mit der ersten Auseinandersetzung um die Pharmazeutische Gehaltskasse im März 1938 war die Angelegenheit allerdings noch nicht endgültig geregelt. In einer Rede vor Delegierten des wieder gegründeten Pharmazeutischen Reichsverbands im Jahr 1947 stellte Mag. Franz Dittrich die weiteren Ereignisse des Jahres 1938 in der Pharmazeutischen Gehaltskasse wie folgt dar : […] und schon einige Wochen nach diesen ersten Ereignissen erschienen die Vertreter der deutschen Apothekerschaft unter Führung des Reichsgeschäftsführers Dr. Genicke, die nunmehr die Kassenbestände unserer Verbände aufnahmen und erklärten, ihren Sitz in den Räumen des österreichischen Apothekervereines für die nächste Zeit aufzuschlagen. Wir erhielten die Mitteilung, daß wir aus der Berufsführung auszuscheiden haben und gleichzeitig wurde uns die Liste der vom Reichsapothekerführer ernannten Berufskollegen verlesen, die den Beruf nunmehr zu führen hätten.66

Mit der Ernennung Franz Dittrichs zum kommissarischen Leiter des Pharmazeutischen Reichsverbandes und der Gewerkschaft der Angestellten Apotheker am 21. beziehungsweise 22. März 1938 sowie mit seiner Bestellung zum kommissarischen Leiter aller pharmazeutischen Vereine in Österreich am 28. März 1938 durch Josef Bürckel dürfte dieser Konflikt vorerst beigelegt worden sein. Franz Dittrich hatte sich gegen seine parteiinternen Widersacher durchgesetzt. Ein Bericht in der Pharmazeutischen Presse über eine am 10. Juni 1938 stattgefundene Vorstandssitzung der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich führt dazu Folgendes aus: Sodann gibt er [Franz Dittrich] einen Bericht über die Vorkommnisse, die sich in den ersten Tagen des Umbruches in den Anstalten abgespielt haben, woselbst nicht von zuständigen Stellen eine kommissarische Leitung eingesetzt worden war. In dem Augenblick aber, wo Präsident D i t t r i c h vom Herrn Gauleiter B ü r c k e l mit der kommissarischen Leitung aller pharmazeutischen Verbände und Vereine betraut wurde, war der Zwischenfall erledigt und alles Weitere ging den ordentlichen und ruhigen Weg. Bei dieser ruhigen Entwicklung hat sich gezeigt, daß in unserem Berufe keine Notwendigkeit zu organisatorischen Aenderungen gegeben war, weil die Auffassung in den Anstalten, ebenso wie in der Berufsführung, schon längst eine solche war, die sich mit der neuen Zeit voll und ganz deckt. Es bedurfte bei uns keiner innerlichen Umstellung, sondern nur einer Klarstellung. Die Entwicklung in unseren Anstalten ging stets den Weg der nationalen und sozialen Idee.67

65 Vgl. Botz, Anschluss, 93 f. 66 Vgl. Dittrich, Rede, 187. 67 Die Tagungen der Standesanstalten. 2. Vorstandssitzung der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich, in: Pharmazeutische Presse, Nr. 26 (1938), 219 f. Hervorhebungen im Original.

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Der ›Anschluss‹ 1938 und seine Auswirkungen

Als im Frühjahr 1939 im Sinne einer Anpassung an die Verhältnisse im Deutschen Reich das Besoldungsschema für die österreichischen PharmazeutInnen geändert werden sollte,68 wurde von Mag. Egon Moser, dem Bezirksapothekerführer der Deutschen Apothekerschaft Bezirk Alpenland, ein weiterer Versuch unternommen, die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich abschaffen zu lassen.69 Seine diesbezügliche Eingabe an das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten vom 21. März 1939 wurde vom Gauleiter Tirols, Franz Hofer, in einem weiteren Schreiben an das Ministerium befürwortet.70 Auch dieser Versuch, die Pharmazeutische Gehaltskasse aufzulösen, scheiterte an Mag. Walter Rentmeister, der direkt beim Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, Josef Bürckel, für den Weiterbestand der Pharmazeutischen Gehaltskasse intervenierte.71 Unterstützung erhielt die Pharmazeutische Gehaltskasse auch von Ministerialrat Max Fizia – er war als Bundeskommissär im Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten zuständig für den Kontakt zur Pharmazeutischen Gehaltskasse – und dem Sektionschef im Ministerium, Dr. Hugo Jäckl.72 Die endgültige Entscheidung für den Fortbestand der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich dürfte dann am Deutschen Apothekertag des Jahres 1939 von 3. bis 6. Juni in Dresden gefallen sein. Bei dieser Tagung konnten sich die Vertreter der Bezirksorganisation Donauland gegen die Vertreter der Bezirksorganisation Alpenland durchsetzen. Letztere hatten seit dem ›Anschluss‹ immer wieder versucht, die Pharmazeutische Gehaltskasse abzuschaffen.73 Gesetzlich festgeschrieben wurde der Weiterbestand der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich schließlich mit der im Zuge der Umsetzung des Gesetzes über den Aufbau der Verwaltung in der Ostmark (Ostmarkgesetz)74 verlautbarten Dritten Verordnung über die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen des Reichsstatthalters in Österreich (Österreichische Landesregierung) vom 16. September 1939.75 Dort wurde in § 2 Absatz 2 der Reichsstatt68 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1939, Kt.2392, II8 – 255.155-K/ 1939, PhGK an das Ministerium für Innere und Kulturelle Angelegenheiten vom 25. Februar 1939. 69 Ebd., Mag. Egon Moser an das Ministerium für Innere und Kulturelle Angelegenheiten vom 21. März 1939. 70 Ebd., Gauleiter Franz Hofer an das Ministerium für Innere und Kulturelle Angelegenheiten, 27. April 1939. 71 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1939, Kt.2392, II8 – 255.155-K/ 1939, Mag. Walter Rentmeister an Josef Bürckel vom 23. Mai 1939. 72 Ebd., Aktenvermerk vom 16. Juli 1939. 73 Vgl. Dittrich, Rede, 187. 74 GBlÖ 500/1939, Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch das Gesetz über den Aufbau der Verwaltung in der Ostmark (Ostmarkgesetz) vom 14. April 1939 bekanntgemacht wird. 75 GBlÖ 1188/1939, Kundmachung des Reichskommissars für die Wiedervereinigung Öster-

Die ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken

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halter in Wien als Aufsichtsorgan der österreichweit tätigen Pharmazeutischen Gehaltskasse bestimmt.

2.3. Die ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken Mit dem ›Anschluss‹ Österreichs an das Deutsche Reich gerieten im März 1938 etwa 200.000 österreichische Juden und Jüdinnen unter nationalsozialistische Herrschaft. In Österreich erreichte die Judenverfolgung innerhalb kürzester Zeit ein Ausmaß, das die antisemitischen Wellen von 1933 und 1935 im Deutschen Reich übertraf und die im ›Altreich‹ im Verlauf von mehreren Jahren geschaffenen prekären Lebensbedingungen für Juden und Jüdinnen auch auf ihre österreichischen LeidensgenossInnen übertrug. Ab der Jahreswende 1937/1938 wurde im Deutschen Reich die ›Arisierung‹ – eine nationalsozialistische Wortschöpfung, die den Prozess der Entfernung von Juden und Jüdinnen aus dem Wirtschafts- und Berufsleben bezeichnete – von staatlicher Seite systematisiert.76 Die ›Arisierung‹ umfasste in einem weiteren Sinn sowohl die Enteignung jüdischen Eigentums und Vermögens zugunsten von Nichtjuden und -jüdinnen (›ArierInnen‹) und die Liquidierung von Betrieben als auch Entlassungen, Berufsverbote und die Einschränkung gewerblicher Tätigkeit. Aus Sicht der NSIdeologie war die ›Entjudung‹ der Wirtschaft ein Ziel an sich. Auf volkswirtschaftlicher Ebene bot sie zum Zweck der Angleichung der österreichischen Wirtschaft an die des Deutschen Reiches staatliche Zugriffsmöglichkeiten auf die Privatwirtschaft wie sie sonst nicht möglich gewesen wären.77 Die »Arisierung« gewann ihre Dynamik im Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaftsbereinigung und individueller Bereicherung. Ihren großen historischen Sinn hat sie als Form des Eingriffs des Staates in die Privatwirtschaft im Gefolge der großen Wirtschaftskrise.78

Während im Deutschen Reich Anfang 1938 noch an der gesetzlichen Expropriierung der Juden und Jüdinnen gearbeitet wurde, war in Österreich von Anfang an der direkte und gewaltsame Zugriff auf das jüdische Eigentum in Form reichs mit dem Deutschen Reich, wodurch die Dritte Verordnung über die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen des Reichsstatthalters in Österreich (Österreichische Landesregierung) vom 16. September 1939 bekanntgemacht wird.; vgl. Helfried Pfeifer, Hg., Die Ostmark: Eingliederung und Neugestaltung. Historisch-systematische Gesetzessammlung nach dem Stande vom 16. April 1941, mit Einführungen, Erläuterungen, Verweisungen und Schrifttumsangaben, Wien 1941, 624. 76 Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 162. 77 Vgl. Berthold Unfried, Liquidierung und »Arisierung« von Betrieben als Elemente von Strukturpolitik und NS-»Wiedergutmachung«, in: Ulrike Felber u. a., Ökonomie der Arisierung. Teil 1: Grundzüge, Akteure und Institutionen, Wien 2004, 167 f. 78 Unfried, Strukturpolitik,168.

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Der ›Anschluss‹ 1938 und seine Auswirkungen

so genannter ›wilder Arisierungen‹ – eigenmächtige Enteignungen jüdischer EigentümerInnen durch selbsternannte ›AriseurInnen‹ aus den Reihen der NSDAP-Mitglieder – ein zentraler Bestandteil der Verfolgungsmaßnahmen.79 Als ersten Schritt zu späteren ›Arisierungen‹ und um die ›wilden Arisierungen‹ in geordnete Bahnen zu lenken, trat am 13. April 1938 in Österreich das Gesetz über die Bestellung von kommissarischen Verwaltern und kommissarischen Überwachungspersonen in Kraft.80 Damit konnte der Reichsstatthalter für alle inländischen österreichischen Unternehmungen kommissarische Verwalter oder kommissarische Aufsichtspersonen bestellen. Diese waren zu allen Rechtshandlungen für das jeweilige Unternehmen befugt und sollten die spätere ›Arisierung‹ oder Liquidierung der Unternehmen vorbereiten. Aufgrund der Verordnung zur Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. April 1938 mussten auch die österreichischen Juden und Jüdinnen ihr Vermögen, so es 5000,– Reichsmark überstieg, anmelden.81 Zeitgleich mit dieser Verordnung wurde vom Beauftragten für den Vierjahresplan, Hermann Göring, eine Anordnung erlassen, die bestimmte, dass der Verkauf oder die Verpachtung eines Betriebes einer behördlichen Genehmigung bedürfe, sobald es sich um jüdisches Eigentum handle.82 Da zu diesem Zeitpunkt die Nürnberger Gesetze in Österreich noch nicht in Kraft gesetzt waren, wurden mit der Kundmachung obiger Verordnung am 27. April 1938 zugleich jene Teile der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 kundgemacht, die definierten, wer als jüdisch zu gelten hatte.83 Mit Kundmachung vom 20. Mai 1938 traten schließlich auch die Nürnberger Gesetze – das Reichsbürgergesetz84 und das so genannte Blutschutzgesetz85 beide vom 15. September 1935 sowie deren Erste Durchführungsverordnungen86 – am 28. Mai 1938 in Österreich in Kraft.87 Mit 79 Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 162. 80 GBlÖ 80/1938, Gesetz über die Bestellung von kommissarischen Verwaltern und kommissarischen Überwachungspersonen vom 13. April 1938. 81 DRGBl. I 1938, 414 bzw. GBlÖ 102/1938, Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. April 1938 bekanntgemacht wird. 82 DRGBl. I 1938, 415 bzw. GBlÖ 103/1938, Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Anordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan auf Grund der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. April 1938 bekanntgemacht wird. 83 DRGBl. I 1935, 1333, Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935, § 2 Abs. 2 u. § 5. 84 DRGBl. I 1935, 1146, Reichsbürgergesetz vom 15. September 1935. 85 DRGBl. I 1935, 1146, Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935 86 DRGBl. I 1935, 1333, Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 und DRGBl. I 1935, 1334, Erste Verordnung zur Ausführung des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 14. November 1935. 87 GBlÖ 150/1938, Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Verord-

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der Dritten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. Juni 1938 wurden die Bestandsaufnahme und Erfassung aller als jüdisch geltender Betriebe verfügt. Jüdische Geschäfte, Firmen und Liegenschaften konnten fortan nur noch mit Genehmigung veräußert und erworben werden.88 Die lückenlose ›Arisierung‹ jüdischer Apothekenbetriebe in Österreich, von den österreichischen NationalsozialistInnen schon vor dem März 1938 beschlossen,89 wurde nach dem ›Anschluss‹ als primäres Ziel der neuen Standespolitik ohne Verzögerung umgesetzt. So stellte der spätere Kommissarische Verwalter der jüdischen Apotheken in der Ostmark SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner in der Pharmazeutischen Wochenschrift vom 3. Juni 1939 fest: Schon in der illegalen Zeit wurde bei Zusammenkünften der nationalsozialistischen Berufskameraden von der Arisierung der jüdischen Apothekenbetriebe in der Ostmark gesprochen, weil es als unerträglicher Zustand empfunden werden mußte, daß ein großer Teil der jüdischen Apothekenbesitzer in ihren Apotheken nicht die Sanitätsanstalt sahen, die zum Dienste an der Volksgesundheit berufen ist, sondern sie nur vom rein geschäftlichen, betont merkantilistischen Standpunkte aus betrachtete. Für diese jüdischen Apotheker waren die Apotheken lediglich Melkkühe und Mittel zum skrupellosen Gelderwerb.90

Über Intervention des schon erwähnten Reichstagsabgeordneten Mag. Walter Rentmeister wurde Edwin Renner noch im März 1938 vom damaligen Minister für soziale Verwaltung, Dr. Hugo Jury, mit der ›Arisierung‹ der österreichischen jüdischen Apothekenbetriebe betraut.91 Für die angestrebten ›Arisierungen‹ war allerdings vorerst keine gesetzliche Handhabe vorhanden. Dies änderte sich am 13. April 1938 mit dem schon erwähnten Gesetz über die Bestellung von kommissarischen Verwaltern und kommissarischen Überwachungspersonen,92 sowie mit der Verordnung zur Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. April 193893 und der darauf basierenden Gründung der Vermögensverkehrsstelle im österreichischen Ministerium für Handel und Verkehr am 18. Mai 1938.94 Gegründet, um die ›wilden Arisierungen‹ der Tage nach dem ›Anschluss‹

88 89 90 91 92 93 94

nung über die Einführung der Nürnberger Rassengesetze im Lande Österreich vom 20. Mai 1938 bekanntgemacht wird. DRGBl. I 1938, 627 bzw. GBlÖ 193/1938, Kundmachung des Reichstatthalters in Österreich, wodurch die Dritte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. Juni 1938 bekanntgemacht wird. Vgl. Edwin Renner, Arisierung der Apotheken in der Ostmark, in: Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 22 (1939), 326. Renner, Arisierung, 326. Vgl. Renner, Arisierung, 327. GBlÖ 80/1938. GBlÖ 102/1938. GBlÖ 139/1938, Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich über die Übertragung von Befugnissen nach den Vorschriften über die Anmeldung des Vermögens von Juden und über die Errichtung einer Vermögensverkehrsstelle im Ministerium für Handel und Verkehr ;

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Der ›Anschluss‹ 1938 und seine Auswirkungen

in gesetzeskonforme Bahnen zu lenken, oblag der Vermögensverkehrstelle neben der Bestellung von Kommissaren, Treuhändern und Liquidatoren für Unternehmen – so genannten Abwicklern – die Kontrolle, Organisation und auch Planung der ›Arisierungen‹ in Österreich. Bei ihr waren die oben erwähnten Vermögensanmeldungen einzubringen, sie überprüfte Kaufverträge und KaufwerberInnen, bestimmte Kaufpreis sowie die ›Entjudungsauflage‹ für zu ›arisierende‹ Unternehmen. Sie verordnete die Liquidierung von Betrieben und verwaltete die ›Arisierungserlöse‹, die dem NS-Staat über die ›Entjudungsauflage‹ zuflossen.95 Jüdisches Eigentum konnte nur noch mit ihrer Genehmigung veräußert werden, vor dem 18. Mai 1938 erfolgte Eigentumsübertragungen mussten nachträglich zur Genehmigung durch die Vermögensverkehrsstelle vorgelegt werden.96 Konzipiert und umgesetzt wurde die umfassende ›Arisierung‹ jüdischer Apotheken in Österreich ab April 1938 vom SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner, damals kommissarischer Leiter des pharmazeutischen Referats im Ministerium für soziale Verwaltung,97 dem Staatskommissar in der Privatwirtschaft, späterem Leiter der Vermögensverkehrsstelle und Wiener Gauwirtschaftsberater Walter Rafelsberger, SA-Obersturmbannführer Mag. Walter Rentmeister, Mitglied des Deutschen Reichstages, dem SA-Obertruppführer und Obmann der Pharmazeutischen Gehaltskasse sowie Präsident des Pharmazeutischen Reichsverbands Mag. Franz Dittrich, dem Obmann der Versicherungsanstalt für Pharmazeuten, SA-Obertruppführer Dr. Hans Portisch sowie von SA-Obertruppführer Mag. Franz Schweder, Präsident des Österreichischen Apothekervereins.98 Mit Bezug auf das Gesetz über die Bestellung von kommissarischen Verwaltern und kommissarischen Überwachungspersonen vom 13. April 193899 wurden mit Erklärung des Reichsstatthalters sämtliche ›nichtarische‹ Apotheken in Österreich per 19. Mai 1938 unter kommissarische Verwaltung gestellt und diese Mag. Edwin Renner übertragen.100 Am 24. Mai 1938 wurde Edwin Renner

95 96 97 98 99 100

zur Vermögensverkehrsstelle siehe Gertraud Fuchs, Die Vermögensverkehrsstelle als Arisierungsbehörde jüdischer Betriebe, Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien, Wien 1989. Vgl. Fritz Weber, Die Arisierung in Österreich: Grundzüge, Akteure und Institutionen, in: Ulrike Felber u. a., Ökonomie der Arisierung. Teil 1: Grundzüge, Akteure und Institutionen, Wien 2004, 81 f. Vgl. Weber, Arisierung, 93. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Gedächtnisniederschrift vom 17. Mai 1938. Vgl. Renner, Arisierung, 327. GBlÖ 80/1938. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem

Die ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken

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schließlich vom Staatskommissar in der Privatwirtschaft Walter Rafelsberger per Dekret für alle zur ›Arisierung‹ vorgesehenen österreichischen Apotheken – nunmehr für jeden einzelnen Betrieb gesondert – zum kommissarischen Verwalter bestellt.101 Nachdem Edwin Renner im Sinne der beschlossenen zentralisierten ›Arisierung‹ jüdischer Apotheken als kommissarischer Verwalter für diese bestellt war, installierte er seinerseits die zukünftigen ›AriseurInnen‹ als verantwortliche LeiterInnen in den jeweiligen Betrieben. Der Grund für diese im Vergleich zu anderen Branchen, in denen ab März 1938 ebenfalls umfassend ›arisiert‹ wurde, indirekte Vorgangsweise, lag darin, dass es nach der Dienstanweisung für kommissarische Verwalter und kommissarische Überwachungspersonen unter Punkt 10 den kommissarischen Verwaltern untersagt war, die von ihnen überwachten Betriebe selbst im ›Arisierungswege‹ zu erwerben.102 Dafür, dass Edwin Renner bei dieser ›Arisierungsaktion‹ nicht leer ausging, sorgte er selbst, indem er sich in einigen der ›arisierten‹ Betriebe als stiller Gesellschafter beteiligen ließ und sich somit ein beträchtliches und aufwandloses Nebeneinkommen sicherte.103 Im Folgenden wurden die jüdischen EigentümerInnen unter Androhung der Verhaftung genötigt, einem formalisierten Gedächtnisprotokoll zuzustimmen, das die Übergabe ihrer Betriebe an die ›AriseurInnen‹ zu einem noch festzulegenden Kaufpreis regelte.104 Diese Gedächtnisprotokolle wurden sodann von anwesenden Zeugen unterfertigt. Edwin Renner beschreibt dieses Verfahren wie folgt: Über die Durchführung der Entjudungsaktion und über die Überleitung der jüdischen Apotheken in arischen Besitz ist noch besonders zu sagen, daß das gegenseitige Einvernehmen zwischen dem jüdischen Besitzer und dem arischen Erwerber hergestellt und dieses in Form eines Gedächtnisprotokolles mit Verträgen über Verkauf und Erwerbung festgehalten wurde. Hiemit besitzen sämtliche Übertragungen durch die Entjudungsaktion rechtliche Grundlagen und können von den gewesenen Besitzern der übertragenen Apotheken nicht mehr angefochten werden.105

Nach der Errichtung dieser »Kaufverträge« wurde von der Vermögensverkehrsstelle eine vorläufige Genehmigung für den ›Ariseur‹ oder die ›Ariseurin‹ ein-

101 102 103 104 105

Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Gedächtnisniederschrift vom 17. Mai 1938. Die Bestellungsdekrete wurden alle mit Datum 24. Mai 1938 für den jeweiligen Apothekenbetrieb einzeln ausgestellt und finden sich in den diversen Handelsgerichtsakten der Apothekenbetriebe. Vgl. Renner, Arisierung, 327. Siehe hierzu Kapitel 3.3.1. Edwin Renner, Mastermind der ›Arisierungen‹. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/11, Aktennotiz vom 12. September 1938. Renner, Arisierung, 327.

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Der ›Anschluss‹ 1938 und seine Auswirkungen

geholt und der zu ›arisierende‹ Betrieb einer Wirtschaftsprüfung unterzogen, die im Wesentlichen dazu diente, den Umsatz des Jahres 1937 zu ermitteln und eventuelle Passiva der Betriebe festzustellen. In einem von der Sammelstelle A am 18. November 1960 initiierten Rückstellungsverfahren betreffend die Apotheke »Zum heiligen Georg« in Himberg, Niederösterreich,106 gab der damalige Direktor der Österreichischen Apothekerbank,107 Raimund Kreuter, am 9. April 1962 folgende Zeugenaussage zu Protokoll: Ich bin seit 37 Jahren in den Diensten der Apothekerbank. […] Ich habe nach dem 13. 3. 1938 deshalb mit allen arisierten Apotheken zu tun gehabt, weil die VVSt. [Vermögensverkehrsstelle] die finanzielle Transaktion durch die Apothekerbank abwickeln ließ. […] Ich weiß nur, aus meiner Erfahrung in der Apothekerbank, daß der Vorgang bei Arisierungsapotheken folgender war : Zunächst wurde der Arisierungswert der Apotheke festgesetzt: Das waren 70 % des zuletzt versteuerten Jahresumsatzes. Diese Festsetzung traf eine Kommission, der Magister Renner vorstand. Das war eine Kommission, die von der VVSt. aus gebildet wurde. Diese 70 % des letzten Jahresumsatzes mußte der Übernehmer der Apotheke als Kaufpreis bezahlen, und zwar 60 % an die VVSt. und 40 % an den Voreigentümer. Diese 40 % durfte der Übernehmer jedoch nicht direkt an den Vorbesitzer auszahlen, sondern wurden zunächst die bestehenden Verpflichtungen abgedeckt, der verbleibende Rest mußte dann auf ein Sperrkonto erlegt werden, über welches der Vorbesitzer nur mit Genehmigung der VVSt. verfügen durfte. Vor dem März 1938 wurde in Wien für eine Apotheke der 1 12 bis 1,8 fache Jahresumsatz als Kaufpreis bezahlt, am Land der einfache Umsatz.108

Die Kaufpreise, die SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner für die jüdischen Apotheken bestimmte, errechneten sich somit alle nach dem gleichen Schema: Vom Umsatz des Jahres 1937 wurden mit der Begründung, dass die Arzneimittelpreise durch den ›Anschluss‹ gesunken wären, dreißig Prozent pauschal abgezogen, die Differenz ergab den offiziellen Kaufpreis. Sechzig Prozent dieses Kaufpreises waren von den KäuferInnen als ›Arisierungsauflage‹ an die Vermögensverkehrsstelle zu überweisen, die somit Hauptnutznießerin der ›Arisierungen‹ wurde.109 Um den oft nicht sehr finanzkräftigen ›AriseurInnen‹ den Erwerb der vormals jüdischen Unternehmungen zu erleichtern, wurde die Begleichung der ›Arisierungsauflage‹ auf zehn Jahre gestundet110 und konnte somit leicht aus den laufenden Gewinnen der ›arisierten‹ Unternehmungen beglichen 106 Siehe hierzu auch Kapitel 5.2. ›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Niederösterreich, Apotheke »Zum heiligen Georg«, Himberg, Hauptplatz 9. 107 Zur Apothekerbank siehe Kapitel 2.1.3.5. Die Apotheker-Zentralkasse und die Pharmakred. 108 WStLA, LGZ, A 29, Rk 245/60, Sammelstelle A vs. Therese, Liselotte u. Ernst Meixner, Zeugenaussage Raimund Kreuter in der öffentlichen Verhandlung vom 9. April 1962. 109 Vgl. Renner, Arisierung, 327; ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Aktennotiz vom 12. September 1938. 110 Vgl. ÖAZ, Bewertung, 50.

Die ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken

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werden. Vierzig Prozent des von der Vermögensverkehrstelle festgesetzten Kaufpreises erhielten nach Abzug etwaiger Außenstände die zum Verkauf genötigten EigentümerInnen; das Geld war auf ein Sperrkonto zu überweisen.111 Die Verfügung über dieses Sperrkonto von Seiten der ehemaligen EigentümerInnen – um zum Beispiel die Judenvermögensabgabe112 oder die Reichsfluchtsteuer113 zu begleichen – war an eine entsprechende Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle gebunden. Wurde der Verkehrswert einer Apotheke vor 1938 mit bis zu 180 Prozent des zuletzt erzielten Jahresumsatzes angenommen,114 so sank er für die EigentümerInnen mit dieser Vorgangsweise auf 28 Prozent des Vorjahresumsatzes. Die Geschädigten wurden auf diese Weise nicht nur um einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens gebracht, sondern stießen bei dem verständlichen Wunsch, das Land zu verlassen, auf zusätzliche bürokratische Hindernisse. Die Reichsfluchtsteuer und die Judenvermögensabgabe – eingeführt als antijüdische Strafsteuer nach dem Pogrom vom 10. November 1938 – wurden nach den Wertangaben in den Vermögensanmeldungen, deren Grundlage die Bilanz von 1937 war, und nicht nach den erzielten Verkaufspreisen für die Betriebe berechnet. Zur Emigration gezwungene Juden und Jüdinnen sahen sich daher mit Steuerforderungen konfrontiert, die ihre verbliebenen finanziellen Möglichkeiten bei Weitem überstiegen. Dazu kam, dass die neuen EigentümerInnen ihren Zahlungspflichten nur sehr zögerlich nachkamen, die Begleichung aller offenen Steuerforderungen aber unabdingbar war, um die nötigen Ausreisepapiere zu erlangen. Eine Aktennotiz aus dem Büro des Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, Josef Bürckel, vom 12. September 111 Vgl. Renner, Arisierung, 327; ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1. 112 Die Judenvermögensabgabe (JUVA) wurde am 12. November 1938 mit der Verordnung über eine Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit (DRGBl. I 1938, 1579) von den NationalsozialistInnen als Reaktion auf das Attentat von Herschel Grynspan auf den deutschen Botschaftssekretär in Paris, Ernst vom Rath, eingeführt. Sie betrug vorerst 20 Prozent des seit 26. April 1938 angemeldeten Vermögens und wurde ab Oktober 1939 auf 25 Prozent dieses Vermögens erhöht. Vgl. Historikerkommission, Schlussbericht, 127. 113 Seit 1931 erhob das das Deutsche Reich von allen Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, die aus Deutschland emigrierten, eine Reichsfluchtsteuer. Im Vollzug der Finanzbehörden wandelte sich diese ab 1933 zunehmend zu einer antijüdischen Sondersteuer. Bei der Flucht aus dem Deutschen Reich aber auch bei der Deportation in ein Konzentrationslager – das Protektorat Böhmen und Mähren sowie die dem Deutschen Reich angegliederten Teile Polens galten nicht als Ausland – mussten Juden und Jüdinnen die Reichsfluchtsteuer entrichten. Die Reichsfluchtsteuer betrug 25 Prozent jenes Vermögens, das ab 26. April 1938 angemeldet werden musste. Vgl. Historikerkommission, Schlussbericht, 128. 114 Vgl. ÖAZ, Bewertung, 49.

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Der ›Anschluss‹ 1938 und seine Auswirkungen

1938 beschreibt die Auswirkungen der im Sommer 1938 erfolgten Enteignungsmaßnahmen in der österreichischen Apothekerschaft recht drastisch: Für die Reichsfluchtsteuer werden jedoch im allgemeinen derartig hohe Werte angesetzt, dass es den Beteiligten nicht einmal möglich ist, aus dem wie vorstehend berechneten Kaufpreis ihre Reichsfluchtsteuer zu bezahlen, da aus dem verbleibenden Kaufpreis sämtliche Unkosten gedeckt werden müssen. Es wird uns ein Beispiel genannt, wonach bei einem Objekt, das am 1. Jänner 1938 einen Wert von RM 200.000.– hatte, ein Restbetrag von RM 4.000,– verblieb. Zahlungen aus dem verbleibenden Restbetrag werden angeblich nur unter größten Schwierigkeiten geleistet, sodass die Betroffenen ihren Lebensunterhalt aus Zuwendungen von Fremden bestreiten müssen. Einsprüche oder Einwendungen gegen das Verfahren sollen bis in die letzte Woche hinein mit Verhaftungen geahndet worden sein.115

Was nun die Konzessionen für die ›arisierten‹ Apotheken betraf, so war es auch vor 1938 üblich, diese zugunsten des Erwerbers oder der Erwerberin einer Apotheke zurückzulegen. Die Konzessionen für die ›arisierten‹ Apotheken wurden entweder von den ehemaligen KonzessionsinhaberInnen oder vom kommissarischen Verwalter zurückgelegt und erloschen.116 Die Zurücklegung der Apothekenkonzession bedingte nicht automatisch die Neuverleihung der Konzession an die ›AriseurInnen‹, in der Praxis wurde dies aber so gehandhabt. Die ›Arisierungen‹ der jüdischen Apotheken erfolgte somit in mehreren Schritten. Im Mai 1938 wurde für alle zu arisierenden Apotheken zentral ein kommissarischer Verwalter eingesetzt. Im Sommer 1938 erfolgte sodann die Installierung von verantwortlichen LeiterInnen – meist die späteren ›AriseurInnen‹ – in den jeweiligen Apotheken. Zeitgleich, ab Ende Juni 1938, wurden die EigentümerInnen von Mag. Edwin Renner zum Verkauf ihrer Betriebe genötigt. Nach der Feststellung des Wertes anhand des letzten Jahresumsatzes wurde sodann der Kaufpreis für die Apotheke errechnet und den ›AriseurInnen‹ die endgültige Genehmigung zur ›Arisierung‹ von Seiten der Vermögensverkehrsstelle erteilt. Nach den so erfolgten Eigentumsübertragungen wurden ab Ende September/Anfang Oktober 1938 die Konzessionen für die ›arisierten‹ Apotheken an die neuen EigentümerInnen erteilt. Den Abschluss des Verfahrens bildete der Eintrag der neuen InhaberInnen in das Handelsregister ab Dezember 1938. Zu beachten ist hierbei auch, dass einige der ›Arisierungen‹ nicht die ganze Apotheke betrafen, sondern Anteilsrechte beziehungsweise Beteiligungen an Betriebsgesellschaften zu Gunsten eines ›arischen‹ Miteigentümers enteignet wurden. Schon an 3. September 1938 meldete die Bezirksdienststelle Donauland der 115 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Aktennotiz vom 12. September 1938. 116 Vgl. Kolonovits, Rechtsfragen, 38.

Die ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken

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Deutschen Apothekerschaft dem damaligen Gauleiter von Wien, Odilo Globocnik, den erfolgreichen Abschluss der ›Arisierungen‹: Gauleiter! Ich melde Ihnen hiermit, dass die Arisierung der Wiener jüdischen Apotheken abgeschlossen ist. Von den Wiener Apotheken waren 37 % jüdisch, von rund 220 Apotheken 76. Die früheren jüdischen Apotheken befinden sich zur Gänze in Händen von Parteigenossen und ist es uns ausserdem gelungen, nur ostmärkische Kollegen zur Übernahme der Apotheken heranzuziehen. Auch die notwendigen Kredite wurden teils verschafft, teils so in die Wege geleitet, dass sie nach Übertragung der Konzession sofort flüssig werden. Nach Abschluss der Arisierung ergeben sich nun zwei Schwierigkeiten: 1.) Die sofortige Übertragung der Konzession an die Parteigenossen, die im Wege der Vermögensverkehrsstelle die jüdische Apotheke erworben haben. Hier hat das sofortige Entscheidungsrecht der Bürgermeister von Wien. 2.) Die Ermöglichung der Auswanderung der früheren jüdischen Apothekenbesitzer. Hier liegt die einzige Schwierigkeit bei der Reichsfluchtsteuerstelle in Wien. Ich habe mir gestattet, über diese beiden Punkte die notwendigen Informationen ausführlicher in Beilage darzulegen und bitte Sie, Gauleiter, um Ihre Unterstützung, damit durch die Erledigung dieser beiden dringenden Angelegenheiten die Arisierung der Wiener Apotheken endgiltig abgeschlossen erscheint. Heil Hitler!117

Um bei den ›Arisierungen‹ zum Zug zu kommen, war es sowohl nötig, Mitglied in der NSDAP oder zumindest »politisch unbedenklich« zu sein, als auch eine längere Berufserfahrung zu haben, um später die Konzession für die Apotheke erlangen zu können. Viele der ›AriseurInnen‹ waren daher schon vorher jahrelang als verantwortliche LeiterInnen in einer Apotheke tätig gewesen. Wer für eine ›Arisierung‹ in Frage kam und wer nicht, wurde von Mag. Edwin Renner wie folgt bestimmt: Von vornherein wurden sämtliche Berufskameraden, die schon im Besitze einer Apotheke sind, selbst wenn sie Parteigenossen waren, grundsätzlich ausgeschaltet, denn es konnte nicht angehen, daß ein Berufskamerad, der schon eine Apotheke sein Eigentum nennt, noch eine zweite erwirbt. Von den übrigen Berufskameraden, die als Bewerber auftraten, wurde die Auswahl auf Grund der Dauer der Parteizugehörigkeit, nach ihren charakterlichen Eigenschaften, nach der Anzahl ihrer Kinder, besonders aber nach ihrer Leistung für Partei und Volk, getroffen. Außerdem musste jeder Bewerber von seiner Kreisleitung ein Befürwortungsschreiben vorlegen und den Ariernachweis für sich und seine Frau erbringen.118 117 ÖstA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6 Apotheken, V-34.288 – 18/46, Deutsche Apothekerschaft Bezirksdienststelle Donauland an Gauleiter Odilo Globocnik vom 3. September 1938. Da dieses Schreiben nur in einem Durchschlag ohne Unterschrift überliefert ist, lässt sich nicht feststellen, wer dieses Schreiben an den Gauleiter verfasste. 118 Renner, Arisierung, 328.

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Der ›Anschluss‹ 1938 und seine Auswirkungen

Viele der jüdischen EigentümerInnen von Apotheken deuteten die Zeichen der Zeit richtig und versuchten, nach dem ›Anschluss‹ – manche auch schon kurz zuvor – ihren Betrieb rasch zu verkaufen, um einer ›Arisierung‹ zuvorzukommen. Doch auch in diesen Fällen muss von einem Vermögensentzug gesprochen werden, da der Vermögenstransfer ohne die nationalsozialistische Machtübernahme nicht erfolgt wäre. Die Argumentation einiger ›AriseurInnen‹ nach 1945, Verkaufsverhandlungen wären mit den jüdischen EigentümerInnen schon vor der ›Machtergreifung‹ der NationalsozialistInnen gepflogen worden, ändert nichts an der Unfreiwilligkeit der Verkäufe nach dem 13. März 1938. Auch war ab diesem Zeitpunkt keine freie Käuferwahl gegeben, noch war eine marktkonforme Preisbildung möglich. Selbst in Fällen, wo die Verkaufsverhandlungen schon sehr früh einen Abschluss fanden, wurden die Vereinbarungen nach Intervention von Mag. Edwin Renner durch die Vermögensverkehrsstelle für die VerkäuferInnen nachträglich verschlechtert. Mit dem System der Sperrkonten wurde darüber hinaus die freie Verfügbarkeit der VerkäuferInnen über den Kaufpreis aufgehoben. Zwei Wiener Apotheker setzten sich mit Hilfe des Rechtsanwalts Dr. Josef Gutwenger – er brachte Ende Dezember 1938 bei Gauleiter Bürckel eine entsprechende Beschwerde ein – erfolgreich gegen die geplanten ›Arisierungen‹ zur Wehr.119 Im ersten Fall wurde, da der betroffene Apotheker erfolgreich darauf verwies, dass er ›arischer‹ Abstammung sei, sein Einspruch von der Vermögensverkehrsstelle im September 1939 akzeptiert.120 Im zweiten Fall hatte die Beschwerde erst nach der Scheidung des Apothekers von seiner jüdischen Frau und der Übertragung ihres Anteils und des Anteils der gemeinsamen Tochter an der Apotheke sowie der Konzession auf den Schwiegersohn Erfolg.121 Einer dritten Eingabe Gutwengers zu Gunsten eines Apothekers in Niederösterreich war kein Erfolg beschieden. Wohl gab das Reichsministerium des Inneren im Februar 1940 der Beschwerde gegen die ›Arisierung‹ der Apotheke recht, die betroffene Familie war allerdings schon vor dieser Entscheidung aus ihrer Heimatgemeinde vertrieben worden und zog es vor, Konzession und Betrieb zu veräußern, um weiteren Verfolgungen zu entgehen.122 119 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1. 120 Ebd. Es handelte sich hierbei um die Aeskulap-Apotheke des Mag. Karl Jindrich, WienErdberg, Erdbergstraße 108. 121 Ernestine Krug, Die Wiener Apotheken im 20. Jahrhundert. Erarbeitet nach den Akten der Gehaltskasse der Österreichischen Apothekerkammer, Wien 1977, ohne Seitenzahlen. Es handelte sich hierbei um die Internationale Apotheke des Dr. Arnold Stumpf, Wien-Innere Stadt, Kärntnerring 17. 122 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1; vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 74. Siehe hierzu auch Kapitel 4.2. St. Anna-Apotheke, Ebreichsdorf.

Die ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken

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Die Anzahl der ›arisierten‹ Apotheken in Österreich beläuft sich auf insgesamt 90. Ausgangspunkt dieser Zählung war eine von Mag. Edwin Renner wahrscheinlich Ende Dezember 1938 erstellte Liste ›arisierter‹ Apotheken, die allerdings auch noch die oben erwähnten Beschwerdefälle enthält. Von den ›arisierten‹ Apotheken befanden sich 78 in Wien, zwölf weitere in den Bundesländern Niederösterreich (7), Oberösterreich (2), dem Burgenland (2) und der Steiermark (1). Für die Bundesländer Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Kärnten sind in dieser Liste keine ›arisierten‹ Apotheken verzeichnet.123 Im Jänner 1939 bezifferte Mag. Edwin Renner in einem Bericht an den Gauleiter Josef Bürckel das finanzielle Gesamtmaß dieser ›Arisierungsaktion‹ mit 3.876.820,– Reichsmark, wobei über die ›Arisierungsauflagen‹ dem Deutschen Reich rund 1.783.828,– Reichsmark zukamen.124 Für die weitere Erforschung der Vermögensentziehungen und Berufsschädigungen innerhalb der österreichischen Apothekerschaft dienten oben angeführte Zahlen als Grundlage und Richtlinie. Dies deshalb, da andernorts vorhandene Zahlenangaben oft widersprüchlich und nicht ausreichend dokumentiert sind. So wird vielfach nicht zwischen selbständigen ApothekerInnen, PächterInnen oder angestellten ApothekerInnen unterschieden, und 1938 und in den folgenden Jahren erfolgte Vermögensübertragungen werden – oft nicht näher untersucht – generell als ›Arisierungsfälle‹ bewertet. Die ›Entjudung‹ des Apothekenwesens, für die die NationalsozialistInnen im Deutschen Reich fast fünf Jahre benötigten, war in Österreich binnen weniger Monate – nicht zuletzt da das NS-Regime hier an die politische Tradition eines »Volksantisemitismus« anknüpfen konnte125 – realisiert worden. Besagte ›Entjudung‹ des Apothekenwesens war nicht nur aus der Sicht der ›AriseurInnen‹ eine günstige Entwicklung, sondern auch für den um die Arbeitsplätze seiner KollegInnen besorgten Obmann der Pharmazeutischen Gehaltskasse Franz Dittrich. Schon im Jahre 1938 aber war die Postenlosigkeit mit einem Schlage beseitigt, da alle jüdischen Apothekenbesitzer und angestellten Apotheker aus dem Beruf auszuscheiden hatten. Der Prozentsatz war nicht gering, so daß die vorhandene Reserve an arbeitslosen Kollegen sofort aufgebraucht wurde. Da sich aber auch die wirtschaftli123 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1. Die Liste von Mag. Edwin Renner sieht im Detail etwas anders aus, da hierfür die damals gültigen Gaugrenzen – Gau Groß-Wien, das Burgenland aufgeteilt zwischen Niederdonau und Steiermark – zu Grunde gelegt wurden. Obige Zahlen richten sich nach den heutigen Landesgrenzen. Die Liste Edwin Renners gibt für Wien 84 jüdische Apotheken, für Niederdonau 5, für Oberdonau 2 und für die Steiermark eine jüdische Apotheke an. 124 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1. 125 Vgl. John, Wirtschaftliche Bedeutung, 79.

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Der ›Anschluss‹ 1938 und seine Auswirkungen

chen Verhältnisse, man kann fast sagen, mit einem Schlag besserten, zeigte sich auch eine vermehrte Einstellungsnotwendigkeit an Mitarbeitern. Bereits Ende 1938 war die hier vorhandene Reserve am Arbeitsmarkte aufgebraucht und man mußte sogar auf Rentner zurückgreifen, um einigermaßen den Mangel an Arbeitskräften zu lindern.126

Als schließlich am 15. November 1938 die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12. November 1938127 in Österreich in Kraft trat, betraf dies auch die jüdische PharmazeutInnen, die noch als verantwortliche LeiterInnen in öffentlichen Apotheken tätig waren. Dieser Verordnung zufolge konnten Juden und Jüdinnen nicht mehr Betriebsführer eines Gewerbebetriebes sein, als leitende Angestellte eines Wirtschaftunternehmens konnte ihnen mit einer Frist von sechs Wochen gekündigt werden. Nach Ablauf der Kündigungsfrist erloschen alle Ansprüche der ArbeitnehmerInnen aus dem gekündigten Vertrag, insbesondere auch Ansprüche auf Versorgungsbezüge und Abfindungen.128 Am 3. Dezember 1938 wurde mit der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens129 unter anderem die ›Zwangsarisierung‹ beziehungsweise Stilllegung der noch existierenden jüdischen Gewerbebetriebe und somit auch der Apotheken angeordnet. Verkaufserlöse aus den Veräußerungen mussten auf Sperrkonten eingezahlt werden.130 Mit der Achten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 17. Jänner 1939 erloschen zum 31. Jänner 1939 alle Juden oder Jüdinnen verliehenen Approbationen und Diplome und somit auch die Konzessionen und die Berufserlaubnis aller jüdischen PharmazeutInnen.131 Damit wurde jüdischen PharmazeutInnen jede Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke, insbesondere auch als Dienstnehmer oder Dienstnehmerin, untersagt. Dienstverträge jüdischer PharmazeutInnen konnten von nun an vorzeitig gekündigt werden,132 Mietverträge, an denen sie beteiligt waren, wurden kündbar gestellt.133 126 Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich, Tätigkeits- und Rechenschaftsbericht des amtsführenden Obmannes der »Pharmazeutischen Gehaltskasse« Ph. Mr. Franz Dittrich über die Ausgestaltung und Gebarung der »Pharmazeutischen Gehaltskasse« in den Jahren 1938 und 1939, Wien 1940, 3 127 DRGBl. I 1938, 1580 bzw. GBlÖ 584/1938, Kundmachung des Reichsstatthalters in Öster reich, wodurch die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirt schaftsleben vom 12. November 1938 bekanntgemacht wird. 128 GBlÖ 584/1938, § 2. 129 DRGBl. I 1938, 1709 bzw. GBlÖ 633/1938, Kundmachung des Reichsstatthalters in Öster reich, wodurch die Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. De zember 1938 bekanntgemacht wird. 130 Vgl. Hilberg, Die Vernichtung, 85 ff. 131 DRGBl. I 1939, 47 bzw. GBlÖ 106/1939, Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Achte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 17. Jänner 1939 bekanntge macht wird, § 1. 132 GBlÖ 106/1939, § 6.

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Mit 1. März 1939 wurde in Österreich das Gesetz über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken134 sowie seine erste Durchführungsverordnung135 in Kraft gesetzt.136 Es bestimmte, dass eine öffentliche Apotheke zu verpachten sei, wenn deren bisheriger Inhaber oder bisherige Inhaberin in nationaler Beziehung unzuverlässig war.137 Juden und Jüdinnen waren als PächterInnen nicht zugelassen, öffentliche Apotheken, deren Inhaber Jude oder Jüdin war, unterlagen fortan dem Verpachtungszwang.138 Mit Runderlass des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Inneren vom 20. Mai 1939 wurde Juden und Jüdinnen unter Bezug auf die Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 auch der Besitz einer Apotheke verboten. Die seit 1. März 1939 zu verpachtenden Betriebe mussten nun bis zum 30. Juni 1939 verkauft werden, die entsprechenden Veräußerungsverträge waren genehmigungspflichtig.139 Die mit der Achten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 17. Jänner 1939 erloschenen Personalkonzessionen jüdischer PharmazeutInnen waren neu auszuschreiben.140 Rückwirkend zum 1. September 1939 wurde am 25. September 1939 schließlich auch die reichsdeutsche Bestallungsordnung für Apotheker vom 8. Oktober 1937141 in Österreich in Kraft gesetzt.142 Darin wurde unter anderem bestimmt, dass die Bestallung als ApothekerIn zu versagen ist, wenn der Bewerber oder die Bewerberin Jude oder Jüdin ist.143 Den Abschluss der ›Arisierung‹ bildeten die Elfte und die Dreizehnte Verordnung zum Reichsbürgergesetz (25. November 1941144 beziehungsweise 1. Juli

133 134 135 136 137 138 139 140 141 142

143 144

GBlÖ 106/1939, § 7. DRGBl I 1935, 1445. DRGBl I 1936, 317. GBlÖ 301/1939, Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Ver ordnung zur Einführung des Apothekenverpachtungsgesetzes im Lande Österreich vom 27. Februar 1939 bekanntgemacht wird. GBlÖ 301/1939, § 1 Abs. 2. GBlÖ 301/1939, Art. 3 Reichs- und Preußisches Ministerium des Inneren, Runderlass vom 20. Mai 1939: Entjudung von Apothekenbetriebsrechten. In: Ministerial-Blatt des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Inneren, Berlin 1939, Spalte 1137 f, Abs. 1 u. 2. Reichs- und Preußisches Ministerium des Inneren, Runderlass vom 20. Mai 1939: Entjudung von Apothekenbetriebsrechten. In: Ministerial-Blatt des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Inneren, Berlin 1939, Spalte 1138, Teil II. DRGBl I 1937, 1118. GBlÖ 1400/1939, Kundmachung des Reichskommissars für die Wiedervereinigung Öst erreichs mit dem Deutschen Reich, wodurch die Verordnung über die Einführung der Bestallungsordnung für Apotheker in der Ostmark vom 25. September 1939 bekanntge macht wird. GBlÖ 1400/1939, § 6 Abs. 5. DRGBl I 1941, 722, Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941.

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1943145), nach denen das gesamte Vermögen der ausgewanderten, der nach Osten deportierten und der im Deutschen Reich – inklusive dem Protektorat Böhmen und Mähren – verstorbenen Juden und Jüdinnen reichsdeutscher Staatsangehörigkeit dem Reich verfiel.

2.3.1. Mag. Edwin Renner, Mastermind der ›Arisierungen‹ Die ›Arisierungen‹ der österreichischen Apotheken 1938 wurden wesentlich von einem Pharmazeuten und illegalem NSDAP-Mitglied, dem SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner, geplant, organisiert und umgesetzt. Dieser war 1938 kommissarischer Leiter des Pharmazeutischen Referats im Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten und seit dem 19. Mai 1938 als kommissarischer Verwalter der jüdischen Apotheken in der Ostmark mit der ›Arisierung‹ der österreichischen jüdischen Apotheken betraut. Für die folgenden Ausführungen wurden der Gauakt (Akt des Gaupersonalamts des Reichsgaues Wien), der im Personalamt der Stadt Wien (Magistratsabteilung 2) zu Edwin Renner geführte Personalakt, der Akt des Volksgerichtsverfahrens gegen Edwin Renner und der Akt zu dessen Verlassenschaftsabhandlung herangezogen. Vorweg muss festgestellt werden, dass die Angaben, die Mag. Edwin Renner nach dem ›Anschluss‹ über sich selbst machte, jedenfalls mit Vorsicht zu betrachten sind, da er sich gegenüber dem Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien – die meisten seiner Angaben entstammen der Korrespondenz mit diesem Amt – als in seinem Engagement für die NSDAP erfolgreicher darstellte als er wahrscheinlich war. So gründete er angeblich schon 1920 eine Ortsgruppe der NSDAP in Bruck an der Leitha,146 der Partei trat er aber erst 1922 bei. Da die Ermittlungen zum späteren Volksgerichtsverfahren die Unterlagen des Gaupersonalamts benützten, finden sich die Angaben Edwin Renners gegenüber dem Gaupersonalamt auch im Akt zu seinem Volksgerichtsverfahren wieder. Edwin Renner wurde am 12. November 1895 in Schattawa,147 Südböhmen, als Sohn Franz Renners und seiner Frau Maria geboren148 und hatte fünf Ge145 DRGBl. I 1943, 372, Dreizehnte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 1. Juli 1943. 146 ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Edwin Renner an die Gauleitung Wien vom 13. Oktober 1938. Wahrscheinlich bezog sich Edwin Renner hier auf die »Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei« (DNSAP) in der er schon vor 1920 Mitglied war. Vergleiche hierzu Anmerkung 155. 147 Heute der Ortsteil Z‚tonˇ der Gemeinde Lenora, Bezirk Prachatice, in der Tschechischen Republik. 148 WStLA, M.Abt. 202, Personalamt, Personalakten 1973 – 1979, A 6/914 Edwin Renner, Fra gebogen vom 16. Juli 1938.

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schwister.149 Er besuchte sechs Klassen des k.k. Staatsgymnasiums150 in Prachatitz151 und begann dort am 1. August 1914 in einer öffentlichen Apotheke seine Lehre als Apotheker, die er am 3. August 1917 mit der Vorprüfung vor dem Prager Apothekerkollegium abschloss.152 Am ersten Weltkrieg nahm Edwin Renner als Leutnant im Infanterieregiment 91 vom 28. August 1916 bis Kriegsende teil und war davon vom 14. Februar 1917 bis 11. November 1918 im Fronteinsatz.153 Er wurde dabei verwundet, und mehrfach ausgezeichnet.154 Er war Mitglied im Sudentendeutschen Heimatbund und der Landsmannschaft Böhmerwald.155 Nach dem Krieg studierte Edwin Renner in Prag Pharmazie und war dort bis 1920 Mitglied der Deutschen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (DNSAP)156 149 WStLA, BG Innere Stadt, 28 A 977/1945, Verlassenschaft nach Mag. Edwin Renner, Test ament vom 7. Jänner 1945. 150 WStLA, M.Abt. 202, Personalamt, Personalakten 1973 – 1979, A 6/914 Edwin Renner, Stan desausweis vom 16. Juli 1938. 151 Heute die Bezirksstadt Prachatice in der Tschechischen Republik. 152 WStLA, Volksgericht Wien 1946, Vg 11 Vr 7527/46, Karteikarte der Deutschen Apotheker schaft, o.Dat. 153 Ebd. 154 ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, interner Fragebogen der Kreisleitung Wien I, 13. November 1938; ebd., Fragebogen für die Betreuung und Vermittlung der »Alten Garde«, 19. Oktober 1938. 155 WStLA, Volksgericht Wien 1946, Vg 11 Vr 7527/46, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit an die Staatsanwaltschaft Wien vom 26. September 1946. Die Landsmannschaft Böhmerwald war eine ursprünglich in Prag ansässige, studentische Korporation mit sud entendeutschem Hintergrund und Pflichtmensur. Heute als Alte Prager Landsmannschaft Böhmerwald zu Linz aktiv und Mitglied im 1954 gegründeten Österreichischen Lands mannschafter- und Turnerschafter Convent (ÖLTC). 156 ÖStA, AdR ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Curriculum vitae, undatiert – wahrscheinlich Ende Juni 1938; ÖStA, AdR ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Edwin Renner an die Gauleitung Wien vom 13. Oktober 1938. Edwin Renner selbst spricht von der »deutsch-sozialen Arbeiterpartei« und bezieht sich dabei auf die Politiker Ing. Rudolf Jung und Hans Krebs. Beide waren Mitglieder der im August 1904 in Trautenau (Trutnov, Nordostböhmen) gegründeten »Deutschen Arbeiterpartei« (DAP). Bemühungen der mährischen Landesorganisation der DAP 1910 die Partei in »Deutschsoziale Partei« umzubennen war kein Erfolg beschieden. Es ist daher m. E. davon auszugehen, dass Edwin Renner hier die »Deutsche Arbeiterpartei« meinte. Die »Deutsche Arbeiterpartei« war eine deutschnationale, antisemitische und antislawische Arbeiterpartei, die vor allem in jenen Gebieten der k.k. Monarchie aktiv war, die von Nationalitätenkonflikten betroffen waren. Bei der 1911 abgehaltenen Wahl zum österreichischen Reichsrat erhielt die DAP drei Mandate. Am 5. Mai 1918 benannte sich die DAP um in »Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei« (DNSAP). Die DNSAP war in Österreich und der Tschechoslowakei aktiv. Sie stand der Gründung der Tschechoslowakei ablehnend gegenüber und forderte unter anderem den Anschluss der deutschsprachigen Gebiete an das Deutsche Reich oder Österreich (vgl. hierzu Rudolf Brandstötter, Dr. Walter Riehl und die Geschichte der nationalsozialistischen Bewegung in Österreich, Dissertation an der Universität Wien 1969 sowie Alexander Schilling, Dr. Walter Riehl und die Geschichte des Nationalsozialismus, Leipzig 1933).

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und im Studentenbeirat aktiv.157 Er beendete sein Pharmaziestudium mit der Staatsprüfung zum Apotheker am 22. Oktober 1920 in Prag158 und trat am 1. November 1920 in der Apotheke »Zur heiligen Dreifaltigkeit« im niederösterreichischen Bruck an der Leitha – sein Bruder Heinrich Renner war dort Vorstand des örtlichen Postamtes159 – seine erste Stelle als angestellter Pharmazeut in einer öffentlichen Apotheke an.160 Dort gründete er nach eigenen Angaben im Herbst 1920 eine Ortsgruppe der NSDAP, die er bis zum Herbst 1924 als Ortsgruppenleiter führte, und er war angeblich auch Mitbegründer von NSDAP-Ortsgruppen in den umliegenden Ortschaften Höflein, Parndorf, Wilfleinsdorf und Neusiedl am See.161 Im Gegensatz zu den Angaben Edwin Renners über seine Aktivitäten in den frühen 1920er Jahren in Bruck an der Leitha bescheinigt ihm eine Auskunft des dortigen Gendarmeriepostens vom 4. November 1946 weit weniger parteipolitische Prominenz: Mit dem Berichte das [sic!] R e n n e r Edwin, geb. am 12. 11. 1895 in der Stadtgemeinde Bruck an der Leitha, gänzlich unbekannt ist. [gez.] Eichinger, Revier Inspektor162

Nach eigenen Angaben trat Mag. Edwin Renner am 7. Dezember 1922 der NSDAP bei und erhielt die Mitgliedsnummer 51.721.163 Mit 25. April 1924 wechselte er als Vertragsapotheker in die Apotheke des Wiener Allgemeinen Krankenhauses,164 wurde im selben Jahr Mitglied der SA165 und übernahm unter

157 ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, interner Fragebogen der Kreisleitung Wien I, 13. November 1938. 158 WStLA, Volksgericht Wien 1946, Vg 11 Vr 7527/46, Karteikarte der Deutschen Apotheker schaft, o.Dat. 159 WStLA, BG Innere Stadt, 28 A 977/1945, Verlassenschaft nach Mag. Edwin Renner, Tod fallaufnahme vom 1. Oktober 1945. 160 ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Cur riculum vitae, undatiert – wahrscheinlich Ende Juni 1938; WStLA, M.Abt. 202, Personal akten 1973 – 1979, A 6/914 Edwin Renner, Standesausweis vom 16. Juli 1938. 161 ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Edwin Renner an die Gauleitung Wien vom 13. Oktober 1938. 162 WStLA, Volksgericht Wien 1946, Vg 11 Vr 7527/46, Gendarmerieposten Bruck an der Leitha an das LG f. Strafsachen Wien vom 4. November 1946. 163 WStLA, M.Abt. 202, Personalamt, Personalakten 1973 – 1979, A 6/914 Edwin Renner, Fra gebogen des Personalamts der Stadt Wien vom 8. April 1940. 164 ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Cur riculum vitae, undatiert – wahrscheinlich Ende Juni 1938; WStLA, M.Abt. 202, Personal akten 1973 – 1979, A 6/914 Edwin Renner, Helene Renner an die M.Abt. 2 vom 15. Mai 1968. 165 ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Formblatt des Gaupersonalamtes Wien, 23. August 1943.

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dem damaligen Gauleiter Wiens, Mag. Walter Rentmeister,166 als Kreisleiter167 die Führung der SA für die Wiener Gemeindebezirke Alsergrund, Hernals und Ottakring.168 Am 15. Juni 1926 wechselte er in die Apotheke des Kaiserin Elisabeth Spitals169 und wurde 1927 Bezirksleiter der NSDAP im Gemeindebezirk Ottakring.170 Am 1. Februar 1929 wurde er Beamter des Wiener Krankenanstaltenfonds171 und war in der Folge in den Apotheken des Kaiserin Elisabeth Spitals (bis 22. September 1929) und des Kaiser Franz Josef Spitals (23. September 1929 bis 22. Februar 1937) – dort angeblich in der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation (NSBO) aktiv172 – sowie in der Apotheke des Krankenhauses Wieden (23. Februar 1937 bis 23. März 1938) beschäftigt. Als gewählter Standesvertreter der angestellten ApothekerInnen war er Mitglied im Ausschuß der konditionierenden Pharmazeuten für Wien.173 Nach dem Verbot der NSDAP in Österreich im Juni 1933 war er in der Illegalität weiter für die Partei tätig und stieg in der SA bis zum Sturmbannführer in der Standarte 5, im Wiener Gemeindebezirk Hernals auf.174 Am 5. März 1938 heiratete Mag. Edwin Renner in der katholischen Pfarre Wien-Breitenfeld die Buchhalterin Helene Albine Wasylowicz.175 Mit der NS-Machtübernahme wurde er unter dem Minister und späteren 166 Zur Person Mag. Walter Rentmeister siehe auch Kapitel 3.2. Die pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich 1938 sowie Kapitel 5.1.10., Apotheke »Zur Mutter Gottes«. 167 WStLA, Volksgericht Wien 1946, Vg 11 Vr 7527/46, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit an die Staatsanwaltschaft Wien vom 30. März 1946. 168 ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Edwin Renner an die Gauleitung Wien vom 13. Oktober 1938. 169 WStLA, M.Abt. 202, Personalamt, Personalakten 1973 – 1979, A 6/914 Edwin Renner, Stan desausweis vom 16. Juli 1938. 170 ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Personalfragebogen vom 18. 05. 1938 sowie Edwin Renner an die Gauleitung Wien vom 13. Oktober 1938. 171 WStLA, M.Abt. 202, Personalamt, Personalakten 1973 – 1979, A 6/914 Edwin Renner, An staltenverwaltung der Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien an das Personalamt vom 25. Jänner 1941. 172 Die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) existierte allerdings 1927 noch nicht. Die NSBO bildete sich erst 1928 nach dem Vorbild der Organisationsstruktur der Kommunistischen Partei aus von NSDAP-Mitgliedern gegründeten Betriebsgruppen. Möglicherweise bezieht sich Edwin Renner hier auf eine dieser Betriebsgruppen oder er irrte sich in der Datierung. 173 ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Cur riculum vitae, undatiert – wahrscheinlich Ende Juni 1938; WStLA, M.Abt. 202, Personal akten 1973 – 1979, A 6/914 Edwin Renner, Standesausweis vom 16. Juli 1938. 174 ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Curriculum vitae, undatiert – wahrscheinlich Ende Juni 1938; ebd., Edwin Renner an die Gauleitung Wien vom 13. Oktober 1938. 175 WStLA, M.Abt. 202, Personalamt, Personalakten 1973 – 1979, A 6/914 Edwin Renner, Stan desausweis vom 16. Juli 1938.

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Gauleiter und Reichsstatthalter von Niederdonau Dr. Hugo Jury am 25. März 1938 im Ministerium für soziale Verwaltung als kommissarischer Leiter mit den Agenden des pharmazeutischen Referats für die Wiener öffentlichen Fondskrankenanstalten betraut.176 Seine Tätigkeit umfasste dabei die Aufsicht der zehn Wiener Spitals-Apotheken und ihres Personals sowie die Kontrolle des zentralen Einkaufs und der Arzneimittelbeschaffung für diese Apotheken, weiters die Betreuung bei Arzneimittelbeschaffung und Überprüfung der Apothekenrechnungen für die Wiener Spitäler ohne eigene Apotheke.177 In der Präsidialratssitzung vom 31. März 1938 wurde er auf Antrag des damaligen Präsidenten Mag. Franz Dittrich in den Präsidialrat des Pharmazeutischen Reichsverbandes kooptiert. Seinen Antrag begründete Präsident Dittrich damit, dass Edwin Renner ein tüchtiger Fachmann, treuer Reichsverbändler und »eines der ältesten Mitglieder der NSDAP« sei sowie »stets auch im Sinne der Parteigrundsätze innerhalb des Verbandes gewirkt« habe.178 Nach der Auflösung der pharmazeutischen Standesvertretungseinrichtungen in Österreich und der Etablierung der entsprechenden reichsdeutschen Organisationen wurde Edwin Renner im Frühjahr 1938 auch Referent für die beamteten Pharmazeuten in der Bezirksstelle Donauland der Deutschen Apothekerschaft und in der Bezirksapothekerkammer Donauland.179 Mit Wirkung vom 19. Mai 1938 wurde er mit Bezug auf das Gesetz über die Bestellung von kommissarischen Verwaltern und kommissarischen Überwachungspersonen vom 13. April 1938180 mit Anordnung des Reichsstatthalters zum kommissarischen Verwalter »sämtlicher nichtarischer Apotheken im Lande Österreich« bestimmt.181 Am 24. Mai 1938 wurde Edwin Renner schließlich vom Staatskommissar in der Privatwirtschaft Walter Rafelsberger per Dekret für alle zur ›Arisierung‹ vorgesehenen österreichischen Apotheken – nunmehr für jeden einzelnen Betrieb gesondert – zum kommissarischen Verwalter bestellt182 und begann mit der ›Arisierung‹ der als jüdisch geltenden Apothekenbetriebe in

176 177 178 179

Ebd. Ebd., Memorandum Edwin Renners o.Dat. Pharmazeutische Presse, Nr. 16 (1938), 141. ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Curriculum vitae, undatiert – wahrscheinlich Ende Juni 1938. 180 GBlÖ 80/1938. 181 ÖStA, AdR 04, Bürckel-Materie, Kt. 91, 2160/14/1, Gedächtnisniederschrift und Anord nung vom 17. Mai 1938. 182 Die Bestellungsdekrete wurden alle mit Datum 24. 05. 1938 für den jeweiligen Apothekenbetrieb einzeln ausgestellt und finden sich in den diversen Handelsgerichtsakten der Apothekenbetriebe.

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Österreich.183 Im Juni 1938 wurde Mag. Edwin Renner zum SA-Standartenapotheker der Standarte 5 in der SA-Brigade 91 ernannt.184 Dass Edwin Renner in seiner Funktion als kommissarischer Verwalter der jüdischen Apotheken in der Ostmark nicht nur als überzeugter Nationalsozialist und Antisemit im Sinne der Partei und ihrer Politik handelte, sondern auch gekonnt in die eigene Tasche wirtschaftete, belegen Aussagen ehemaliger ›Ariseure‹ nach 1945 sowie sein Testament vom 7. Jänner 1945. So führt Mag. Wenzel Wenig, ›Ariseur‹ der Herder-Apotheke in Wien-Simmering, in seiner Anmeldung entzogener Vermögen vom 9. November 1946 aus: Ich war vor dem Jahre 1938 auf Grund eines Vertrages durch 8 Jahre lang angestellter Magister der »Herder-Apotheke« in Wien XI., Ehamgasse 4, deren Konzessionär und Inhaber Magister Josef Roth war. Schon vor dem Umbruch war zwischen mir und dem Magister Roth, der die kommenden Ereignisse vorausgesehen hatte und mit dem ich persönlich in bestem Einvernehmen stand, besprochen worden, dass ich die Apotheke im Falle einer nationalsozialistischen Machtübernahme übernehmen sollte. Durch das Dazwischentreten des späterhin bestellten Arisierungskommissäres für sämtliche Wiener Apotheken, Magister Edwin Renner, nahm jedoch die Angelegenheit einen anderen Verlauf. Mr. Renner erklärte den zwischen Mr. Roth und mir abgeschlossenen Vertrag für null und nichtig und erklärte weiters, dass die Apotheke ein illegaler Parteimann bekommen werde. Gleichzeitig gab er mir jedoch zu verstehen, dass er die Apotheke eventuell auch mir geben würde, wenn ich mich entschliessen könnte, ihn an den Erträgnissen intern zu beteiligen. […] Die mir von Magister Renner aufgezwungene Beteiligung erstreckte sich auf 50 % der Einnahmen der Apotheke, ohne dass dieser irgend eine Einlage oder eine Mitarbeit geleistet hätte. Er sicherte sich also auf diese Weise ein vollkommen arbeitsloses Einkommen. Magister Renner ist auch noch in einer ganzen Reihe anderer Fälle in gleicher Weise vorgegangen.185

In seinem Testament führt Edwin Renner zwei weitere Beteiligungen bei ›arisierten‹ Apotheken an und zwar eine Beteiligung zu 25 Prozent an der Apotheke »Zum Schwan«, Wien-Innere Stadt, und eine Beteiligung zu 50 Prozent an der »Apotheke zum heiligen Johann«, Wien-Favoriten.186 Die Gewinne aus diesen Beteiligungen investierte er zum Teil in Aktien der Herba sowie Aktien der Österreichischen Apothekerbank, zum Teil veranlagte er sie auf einfache Sparbücher diverser Institute.187 Die Höhe seines Vermögens zum Zeitpunkt seines 183 ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Curriculum vitae, undatiert – wahrscheinlich Ende Juni 1938. 184 Pharmazeutische Presse, Nr. 26 (1938), 228. 185 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 11, 23, Anmeldung durch Mag. Wenzel Wenig vom 9. November 1946. 186 WStLA, BG Innere Stadt, 28 A 977/1945, Verlassenschaft nach Mag. Edwin Renner, Test ament vom 7. Jänner 1945; siehe hierzu auch Kapitel 4.1. ›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Wien. 187 Ebd.

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Der ›Anschluss‹ 1938 und seine Auswirkungen

Todes ist nicht bekannt, da im Zuge seiner Verlassenschaftsabhandlung kein Inventar erstellt wurde.188 Es dürfte aber beträchtlich gewesen sein, betrug doch der Profit aus einer einzigen Beteiligung, nämlich der an der Herder-Apotheke, in Summe 62.709,08 Reichsmark.189 Erbin dieses Vermögens wurde am 6. September 1958 seine Witwe Helene Renner.190 Mit Erlass des Reichsstatthalters in Österreich über die Geschäftseinteilung der österreichischen Landesregierung vom 30. Mai 1938, übernahm das neu gebildete Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten auch Agenden des Gesundheitswesens vom bisherigen Ministerium für soziale Verwaltung, und Edwin Renner wechselte unter Beibehaltung seiner Befugnisse in dieses Ressort.191 Er trat am 1. August 1938 dem Reichsbund der Deutschen Beamten (RDB) bei192 und wurde vom Bundesministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten in den Aufsichtsrat der Heilmittelwerke Wien entsandt.193 Am 19. Oktober 1938 stellte Edwin Renner beim Gaupersonalamt einen Erfassungsantrag, in welchem er seine illegalen Verdienste für die NSDAP anführte.194 Er wurde daraufhin als Parteimitglied und »Alter Kämpfer« mit der Mitgliedsnummer 51.721 anerkannt195 und am 30. Jänner 1939 zum SA-Obersturmbannführer in der SA-Gruppe Donau, Brigade 91 befördert.196 Am 30. Jänner 1940 wurde ihm die Dienstauszeichnung in Bronze und Silber197 sowie am 1. März 1940 das goldene Ehrenzeichen der NSDAP verliehen.198 Am 17. Februar

188 WStLA, BG Innere Stadt, 28 A 977/1945, Verlassenschaft nach Mag. Edwin Renner, Ein antwortungsurkunde vom 6. September 1958. 189 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 11, 23, Enderkenntnis vom 29. September 1953. 190 WStLA, BG Innere Stadt, 28 A 977/1945, Verlassenschaft nach Mag. Edwin Renner, Ein antwortungsurkunde vom 6. September 1958. 191 GBlÖ Nr. 154/1938, Erlass über die Geschäftseinteilung der österreichischen Landes regierung vom 30. Mai 1938, § 2 Abs. 1 lit. b und § 6. 192 ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Karteikarte unbekannter Provenienz, dem Gauakt angeschlossen am 16. Februar 1948. 193 WStLA, M.Abt. 202, Personalamt, Personalakten 1973 – 1979, A 6/914 Edwin Renner, Edwin Renner an die Hauptabteilung B der Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien vom 30. Oktober 1942. 194 ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Fragebogen für die Betreuung und Vermittlung der »Alten Garde«, 19. Oktober 1938. 195 WStLA, Volksgericht Wien 1946, Vg 11 Vr 7527/46, Antrag des Staatsanwaltes auf Ver mögensverfall, 16. Mai 1947; WStLA, M.Abt. 202, Personalamt, Personalakten 1973 – 1979, A 6/914 Edwin Renner, Bestätigung der Gauleitung Wien 1939, o.Dat. 196 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 6 (1939), 86. 197 ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Beiblatt zum Gauakt vom 22. Oktober 1941. 198 Ebd., Karteikarten des BM f. Inneres, undatiert; ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Kreisleitung Wien I an das Gaupersonalamt Wien, 27. September 1943.

Die ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken

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1941 wurde Mag. Edwin Renner vom Reichsstatthalter in Wien (Gemeindeverwaltung) zum Städtischen Apothekendirektor ernannt.199 Mit Einberufungsbefehl des Wehrkreiskommandos I wurde Edwin Renner am 16. August 1941 als Unterapotheker zur Wehrdienstleistung im Reservelazarett XIa, Spital der Rudolfstiftung, in Wien-Erdberg einberufen.200 Seine Zeit bei der Wehrmacht währte allerdings nicht lange, schon am 1. Dezember 1941 wurde er »bis auf Weiteres unabkömmlich gestellt«.201 Am 30. Jänner 1942 wurde Mag. Edwin Renner mit der Dienstauszeichnung in Gold bedacht202 und 1943 zum SA-Standartenführer befördert.203 Edwin Renner verstarb am 9. April 1945 unter nicht vollständig geklärten Umständen. In einer Anfragebeantwortung teilte hierzu der Provisorische Ausschuß österreichischer Apotheker dem Landesgericht für Strafsachen Wien am 27. Oktober 1946 mit: Hiezu wird bemerkt, dass der Genannte soweit unsere Informationen reichen, im Zuge der unmittelbaren Kriegshandlungen in Wien in seiner Wohnung durch Selbstmord oder Herzschlag verschieden und in einem Park begraben worden sein soll.204

Ob Edwin Renner, wie oben behauptet, in seiner Wohnung in Wien-Josefstadt, Pfeilgasse 46 verstarb – so auch die Angaben einer Meldeauskunft der Polizeidirektion Wien vom 7. November 1946205 – oder, wie in seiner Todfallaufnahme vom 1. Oktober 1945 vermerkt, in Wien-Innere Stadt, Schottenring 24206 muss ungeklärt bleiben. Da die Todfallaufnahme erst am 1. Oktober 1945 erfolgte und er am 12. Oktober 1945 am Friedhof Südwest, Wien-Meidling, begraben wurde,207 liegt die Vermutung nahe, dass er tatsächlich nach seinem Tod vorerst in einem Park bestattet und später umgebettet wurde. In Unkenntnis seines Todes erstattete die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit im Bundesministerium für Inneres am 30. März 1946 bei der 199 WStLA, M.Abt. 202, Personalamt, Personalakten 1973 – 1979, A 6/914 Edwin Renner, Er nennungsurkunde vom 17. Februar 1941. 200 WStLA, M.Abt. 202, Personalamt, Personalakten 1973 – 1979, A 6/914 Edwin Renner, An staltenamt der Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien an das Personalamt vom 2. und 5. September 1941. 201 Ebd. 202 ÖStA, AdR, ZNsZ GA, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien 1938 – 1945, GA 5742, Beiblatt zum Gauakt vom 22. November 1941. 203 Ebd., Karteikarten des BM f. Inneres, undatiert. 204 WStLA, Volksgericht Wien 1946, Vg 11 Vr 7527/46, Provisorischer Ausschuss öst erreichischer Apotheker an das Landesgericht für Strafsachen vom 27. Oktober 1946. 205 Ebd., Meldeauskunft der Polizeidirektion Wien vom 7. November 1946. 206 WStLA, BG Innere Stadt, 28 A 977/1945, Verlassenschaft nach Mag. Edwin Renner, Tod fallaufnahme vom 1. Oktober 1945. 207 Friedhofsdatenbank der Stadt Wien, Friedhof Südwest, 1120 Wien, Wundtgasse 1 A, Gruppe 10, Reihe 4, Nummer 6, www.friedhoefewien.at (13. 05. 2011)

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Der ›Anschluss‹ 1938 und seine Auswirkungen

Staatsanwaltschaft Wien Strafanzeige gegen Edwin Renner. Ihm wurde Bereicherung unter Ausnützung von NS-Einrichtungen (§ 6 Kriegsverbrechergesetz208) sowie seine Zugehörigkeit zur NSDAP nach ihrem Verbot im Juni 1933 (§§ 10 und 11 Verbotsgesetz209) zur Last gelegt.210 Die Staatsanwaltschaft Wien beantragte daraufhin am 17. Oktober 1946 beim Landesgericht für Strafsachen Wien die Voruntersuchung wegen Verbrechen nach den §§ 10 und 11 des Verbotsgesetzes und wegen § 6 des Kriegsverbrechergesetzes gegen Edwin Renner sowie die Erlassung eines Steckbriefes.211 Nachdem im Zuge der Voruntersuchung festgestellt wurde, dass der Beschuldigte schon verstorben war, teilte die Staatsanwaltschaft Wien dem zuständigen Untersuchungsrichter am 16. Mai 1947 mit, dass sie die Verfolgung Edwin Renners aufgehoben habe. Zugleich stellte sie einen Antrag auf den Verfall seines Nachlassvermögens zu Gunsten der Republik Österreich.212 Am 17. Juni 1947 wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien der Rechtsanwalt Dr. Adalbert Pauls zum Pflichtverteidiger in der Strafsache gegen Edwin Renner bestellt und die Hauptverhandlung vor dem Volksgericht Wien für den 30. August 1947 anberaumt.213 Da das Gericht den Sachverhalt als ausreichend geklärt erachtete, wurde auf die Einvernahme von ZeugInnen verzichtet. Ein entsprechender Beweisantrag des Pflichtverteidigers wurde daher einstimmig abgewiesen. Edwin Renner wurde einhellig des Hochverrats für schuldig befunden und sein gesamter Nachlass für verfallen erklärt.214 Nachdem vom österreichischen Nationalrat am 18. Juli 1956 die Vermögensverfallsamnestie beschlossen wurde,215 stellte die Witwe Edwin Renners, Helene Renner, durch ihren Rechtsanwalt Friedrich Pölzl am 6. Oktober 1956 beim Landesgericht für Strafsachen Wien einen Antrag auf Aufhebung des 1947 ausgesprochenen Vermögensverfalls und Rückerstattung des Nachlassvermögens ihres Mannes.216 Ein entsprechender Beschluss des Landesgerichts für 208 BGBl. Nr. 32/1945, Verfassungsgesetz vom 26. Juni 1945 über Kriegsverbrechen und andere nationalsozialistische Untaten. 209 BGBl. Nr. 13/1945, Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP. 210 WStLA, Volksgericht Wien 1946, Vg 11 Vr 7527/46, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit an die Staatsanwaltschaft Wien vom 30. März 1946. 211 Ebd., Antrag der Staatsanwaltschaft vom 17. Oktober 1946. 212 WStLA, Volksgericht Wien 1946, Vg 11 Vr 7527/46, Antrag der Staatsanwaltschaft vom 16. Mai 1947. 213 Ebd., Verteidigerbestellung sowie Ausschreibung der Hauptverhandlung vom 17. Juni 1947. 214 Ebd., Protokoll der Hauptversammlung und Urteil vom 30. August 1947. 215 BGBl. 155/1956, Bundesverfassungsgesetz vom 18. Juli 1956, womit Gruppen ehemaliger Nationalsozialisten in Ansehung der Strafe des Vermögensverfalls amnestiert werden (Vermögensverfallsamnestie). 216 WStLA, Volksgericht Wien 1946, Vg 11 Vr 7527/46, RA Dr. Friedrich Pölzl an das Landes gericht für Strafsachen Wien vom 6. Oktober 1956.

Die ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken

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Strafsachen, mit dem Helene Renner das für verfallen erklärte Vermögen Edwin Renners zu erstatten wäre, wurde am 19. November 1956 gefasst und erlangte mit 27. Jänner 1957 Rechtskraft.217 Der Nachlass Edwin Renners wurde schließlich am 6. September 1958 seiner Witwe Helene Renner als Alleinerbin eingeantwortet.218 Helene Renner verstarb am 28. September 1978 im Wilhelminenspital der Stadt Wien im 79. Lebensjahr219 und wurde am 5. Oktober 1978 im Grab ihres Mannes Edwin Renner bestattet.220

217 Ebd., Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. November 1956. 218 WStLA, BG Innere Stadt, 28 A 977/1945, Verlassenschaft nach Mag. Edwin Renner, Ein antwortungsurkunde vom 6. September 1958. 219 WStLA, MA 202, Personalamt, Personalakten der Stadt Wien 1973 – 1979, A 6/914 Edwin Renner, Abschrift aus dem Sterbebuch des Standesamtes Wien-Ottakring vom 24. Jänner 1979. 220 Friedhofsdatenbank der Stadt Wien, Friedhof Südwest, 1120 Wien, Wundtgasse 1 A, Gruppe 10, Reihe 4, Nummer 6, www.friedhoefewien.at (13. 05. 2011)

3.

›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

Die folgenden Kapitel zu den ›Arisierungen‹ und Rückstellungen österreichischer Apotheken findet sich – mittlerweile ergänzt und erweitert – auch im Forschungsbericht zum 100jährigen Jubiläum der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich.1

3.1. ›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Wien 3.1.1. Wien, Innere Stadt Alte Feldapotheke, Wien 1., Stephansplatz 8 Die »Alte k.k. Feldapotheke« – eine der ältesten Apotheken Österreichs und 1938 der Leitbetrieb der Branche – war 1895 von Moriz Kris erworben worden. Nach seinem Tod am 25. Jänner 1913 wurde die Apotheke unter wechselnden LeiterInnen als Witwenbetrieb fortgeführt. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 1. Jänner 1918 wurde die Realapotheke der Witwe Helene Kris und den Söhnen Georg und Stefan zu gleichen Teilen zugesprochen.2 Eigentümerin der Realapotheke war seit 1919 die offene Handelsgesellschaft »Alte Feldapotheke, M. Kris«.3 Der Apotheke angeschlossen war die Drogengroßhandlung »M. Kris Söhne«, ebenfalls eine offene Handelsgesellschaft, die am selben Standort ge-

1 Alfred Fehringer u. Leopold Kögler, Die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich von 1908 bis 1948 unter besonderer Berücksichtigung der ›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Forschungsprojekt zum 100-jährigen Jubiläum der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich (http://www.gehaltskasse.at). 2 Leopold Hochberger und Josef Noggler, Geschichte der Apotheken und des Apothekerwesens in Wien von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Bd 2: Geschichte der Wiener Apotheken, Wien 1919, 6 f. 3 Krug, Wiener Apotheken.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

meinsam mit der Apotheke geführt und bilanziert wurde.4 GesellschafterInnen dieser Unternehmungen waren zu gleichen Teilen Helene Kris – Witwe des 1913 verstorbenen Vorbesitzers Mag. Moriz Kris – und ihre Söhne Georg und Stefan Kris.5 Geleitet wurde die Alte Feldapotheke seit 1. August 1935 von Mag. Friedrich Druschba.6 Laut einem 1938 erstellten Schätzgutachten repräsentierten beide Unternehmungen per 1. Jänner 1938 einen Wert von 1.810.500,– Schilling beziehungsweise RM 1.207.000,– Reichsmark.7 Die Ereignisse nach dem 13. März 1938 stellte Anna Kris – die Frau des Gesellschafters Stefan Kris – am 15. November 1946 in einer Eingabe an das Bundesministerium für Eigentumskontrolle und Planwirtschaft wie folgt dar : Da die 3 Gesellschafter Juden waren, wurden sie kurze Zeit nach der »Machtergreifung« Hitlers in Österreich gezwungen, die Leitung der obbezeichneten Unternehmen einem eingesetzten kommissarischen Leiter zu überlassen, der in der Person des Oskar Teufel bestand. Kurze Zeit nach Aufnahme seiner Tätigkeit, somit schon Anfang Mai 1938, hat Herr Teufel die damaligen Gesellschafter Frau HELENE KRIS – damals 67 Jahre alt – und deren beide Söhne STEFAN und GEORG KRIS, mit allen möglichen versteckten und offenen Drohungen zu veranlassen versucht, durch Verkauf das Unternehmen zu arisieren. Die Gesellschafter versuchten anfänglich, diesen gezwungenen Verkauf trotz Drohungen hinauszuschieben, als aber die Drohungen immer stärker wurden und schliesslich alle 3 Gesellschafter grundlos in »Schutzhaft« genommen wurden, mussten die drei Gesellschafter dem Drucke, unter dem sie standen, weichen und sich zu einem Verkauf der obigen Unternehmen zu solchen Bedingungen verstehen, zu welchen sie freiwillig niemals ihre Zustimmung gegeben hätten. Den Gesellschaftern wurde ein »Kaufvertrag« zur Fertigung vorgelegt, wonach die Gesellschafter sich verpflichten mussten, die obigen Unternehmen samt allen Aktiven den »Käufern« gegen Bezahlung der Passiven zu überlassen. Die Unternehmungen hatten damals, laut Schätzung über Veranlassung der Steuerbehörde mit Stichtag 1. 1. 1938, einen Wert von ca. S 1,800.000,– , dem gegenüber Passiva der Unternehmen von ca. S 600.000,– standen. Die »Käufer« erstanden sohin die Unternehmen um ein Drittel des Schätzwertes. Die Gesellschafter selbst gingen völlig leer aus diesen glänzend von ihnen bis dahin geführten Unternehmen aus.8

Besagte Käufer waren der Sohn des erwähnten kommissarischen Verwalters Oskar Teufel, Dr. Harald Teufel – ein mehrfach dekoriertes ›illegales‹ Mitglied 4 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 830, Anmeldung durch Karoline Eichinger vom 14. November 1946. 5 Krug, Wiener Apotheken; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 829 u. 830, Vergleich vom 9. August 1949. 6 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/4, verstorbene Magister bis Geburtsjahr 1900. 7 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 527, Anna Kris an das BM f. Eigentumskontrolle und Planwirtschaft vom 15. November 1946; die Umrechnung von Schilling in Reichsmark erfolgte 1938 im Verhältnis 1,5:1. 8 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 527, Anna Kris an das BM f. Eigentumskontrolle und Planwirtschaft vom 15. November 1946; Hervorhebungen im Original.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Wien

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der NSDAP – und Dkfm. Nikolaus Bujas, ein Geschäftsmann aus Herzogenburg.9 Der von Anna Kris erwähnte Kaufvertrag wurde am 3. Oktober 1938 in Form eines Gedenkprotokolls errichtet und am 5. Oktober 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt. Diese setzte den Kaufpreis vorerst mit 393.528,– Reichsmark fest, was den von Anna Kris erwähnten Passiven der Unternehmungen entsprach. Durch die Übernahme einer weiteren Steuerforderung durch die ›Ariseure‹ erhöhte sich der Kaufpreis letztlich auf effektive 439.348,– Reichsmark. Die ehemaligen jüdischen EigentümerInnen erhielten nichts aus dem Zwangsverkauf ihrer Unternehmungen.10 Helene, Georg und Stefan Kris konnten 1938 mit ihren Familien vor den NationalsozialistInnen fliehen und emigrierten nach Shanghai,11 wo Stefan Kris am 13. Mai 1944 verstarb. Helene Kris und Georg Kris verstarben ebenfalls in Shanghai, erstere am 8. Dezember, letzterer am 18. Juni 1946.12 Am 8. April 1945 wurde bei einem Bombenangriff die Alte Feldapotheke samt Einrichtung und Warenlager durch einen Brand vollständig vernichtet. Für die Drogengroßhandlung – diese wurde seit 1. Jänner 1941 getrennt von der Apotheke geführt – wurde am 19. Mai 1945 Karoline Eichinger als öffentliche Verwalterin eingesetzt, die mangels eines Betriebslokals und wegen fehlender Vorräte das Geschäft in reduziertem Umfang weiterführte. Als Auslieferungslager der Drogengroßhandlung dienten zu dieser Zeit die Räume der Drogerie Willmitzer in Wien 7, Neubaugasse 12. Die Alte Feldapotheke wurde vorerst nicht wiedererrichtet.13 Im Juni 1947 wurde Karoline Eichinger als öffentliche Verwalterin der Drogengroßhandlung durch Gisela Kris, Witwe und Erbin nach Georg Kris, in dieser Funktion ersetzt.14 Im November 1946 hatte die Witwe und Erbin von Stefan Kris, Anna Kris, die Rückstellung der 1938 entzogenen Unternehmungen beantragt.15 Das daraufhin 1948 eröffnete Rückstellungsverfahren endete am 9. August 1949 mit einem Vergleich, in dem Anna und Gisela Kris gegen die Übernahme der vorhandenen Betriebsverbindlichkeiten sowohl die Alte Feldapotheke als auch die Drogengroßhandlung samt Konzessionen zurückgestellt wurden.16 Nach der Rückstel9 Ebd., Anna Kris an das BM f. Eigentumskontrolle und Planwirtschaft vom 15. November 1946; Krug, Wiener Apotheken. 10 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 829, Anmeldung durch Karoline Eichinger vom 14. November 1946. 11 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 221. 12 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 829 u. 830, Vergleich vom 9. August 1949. 13 Ebd., sowie Anmeldung durch Karoline Eichinger vom 14. November 1946. 14 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 9277. 15 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 527, Anna Kris an das BM f. Eigentumskontrolle und Planwirtschaft vom 15. November 1946. 16 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 829 u. 830, Vergleich vom 9. August 1949.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

lung verkauften Anna und Gisela Kris die Alte Feldapotheke an die Wiener Gebietskrankenkasse.17 Die Drogengroßhandlung wurde nach dem Verkauf der Apotheke nicht mehr weitergeführt und die Firma am 14. April 1958 im Wiener Handelsregister gelöscht.18 Alte Salvator-Apotheke, Wien 1., Kärntnerstraße 1619 Eigentümerin der Alten Salvator-Apotheke war 1938 die offene Handelsgesellschaft »Alte Salvator-Apotheke Dr. Jaques Rainer«. Gesellschafter dieser OHG waren seit 1928 zu je 30 Prozent Dr. Otto Lustig und Dr. Hilde Lustig. Dritter Gesellschafter mit einer 40-prozentigen Beteiligung war seit 1936 Dr. Richard Kolm.20 Konzessionär der Apotheke war seit 1935 Dr. Otto Lustig.21 Der Betrieb erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 107.500,– Reichsmark und war schuldenfrei.22 Am 19. Juli 1938 wurde die Alte Salvator-Apotheke vom kommissarischen Verwalter aller jüdischen Apotheken in der Ostmark, SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner, mittels Gedächtnisprotokoll an Mag. Kamillo Winter – NSDAP-Mitglied seit 1932 und ›Alter Kämpfer‹ der Partei23 – übergeben.24 Dieser wurde am 22. Juli 1938 zum Leiter der Apotheke bestellt.25 Die ›Arisierung‹ der Alten Salvator-Apotheke wurde am 18. Oktober 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt und ein Kaufpreis von 77.150,– Reichsmark festgesetzt. Davon waren 46.290,– Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ im Laufe der nächsten zehn Jahre an die Vermögensverkehrsstelle abzuführen, 30.860,– Reichsmark wurden zu Gunsten der ehemaligen GesellschafterInnen auf ein Sperrkonto bei der Pharmakred eingezahlt.26 Die Konzession für die Alte Salvator-Apotheke erhielt Kamillo Winter am 8. November 1938.27 17 Krug, Wiener Apotheken. 18 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 9277. 19 Die Apotheke existiert heute nicht mehr. 20 Krug, Wiener Apotheken; ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 21 Krug, Wiener Apotheken. 22 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 23 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, V-46.347 – 18/46, BMfI an BMfsV vom 28. Juli 1946. 24 WStLA, Handelsgericht Wien (1863 – 20. Jh.), A47, HRA-Registerakten der aufgelassenen Firmen 1939 – 1993, HRA 3615, Bescheid der Vermögensverkehrsstelle vom 18. Oktober 1938. 25 Krug, Wiener Apotheken. 26 WStLA, Handelsgericht Wien (1863 – 20. Jh.), A47, HRA-Registerakten der aufgelassenen

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Wien

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Dr. Otto Lustig und Dr. Hilde Lustig konnten 1939 flüchten und emigrierten in die USA.28 Auch Dr. Richard Kolm konnte sich im Oktober 1938 über Prag nach Brüssel in Sicherheit bringen. Im Mai 1940 emigrierte er über Rotterdam nach New York.29 Die Alte Salvator-Apotheke wurde im April 1945 bei Kampfhandlung vollständig zerstört30 und nicht wieder aufgebaut. 1951 beantragte Otto Lustig aus dem Exil die Rückstellung der 1938 entzogenen Apotheke. In einem daraufhin geführten Rückstellungsverfahren wurden ihm mit Vergleich vom 17. April 1951 die verbliebenen Aktiven der Apotheke – Standort der Apotheke, Kundenkreis, Marken- und Firmenrechte sowie die Konzession – zurückgestellt.31 Da Otto Lustig allerdings innerhalb der von den Gesundheitsbehörden eingeräumten Fristen die Wiederinbetriebnahme der Apotheke nicht bewerkstelligte, wurde die Konzession für erloschen erklärt und am 27. Mai 1960 von der Landeshauptmannschaft Wien eingezogen.32 Eine von Dr. Lustig eingebrachte Berufung gegen die Konzessionsentziehung wurde am 12. September 1961 mit Bescheid des Bundesministeriums für soziale Verwaltung abgewiesen.33 Die noch unter »Alte Salvator-Apotheke Ph.Mr. Kamillo Winter« im Wiener Handelsregister protokollierte Firma wurde daher am 30. Oktober 1963 von Amts wegen gelöscht.34

Apotheke »Zum heiligen Leopold«, Wien 1., Plankengasse 635 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke »Zum heiligen Leopold« war seit 1918 Mag. Eduard Bloch.36 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 57.566,03 Reichsmark auf und war schuldenfrei. Am 24. Mai 1938 wurde auch für

27 28 29 30 31 32

33 34 35 36

Firmen 1939 – 1993, HRA 3615, Bescheid der Vermögensverkehrsstelle vom 18. Oktober 1938; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1554, Anmeldung durch Mag. Kamillo Winter vom 10. November 1946. Krug, Wiener Apotheken. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 222. Vgl. die Autobiografie des Sohnes Henry Kolm auf www.henrykolm.com, (24. 04. 2008). WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1554, Anmeldung durch Mag. Kamillo Winter vom 10. November 1946. Ebd., Vergleich vom 17. April 1951. WStLA, Handelsgericht Wien (1863 – 20. Jh.), A47, HRA-Registerakten der aufgelassenen Firmen 1939 – 1993, HRA 3615, Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien an das Handelsgericht Wien vom 18. März 1963; AdPhGK, Betriebsakt 01022, Bescheid vom 12. September 1961. AdPhGK, Betriebsakt 01022, Bescheid vom 12. September 1961. WStLA, Handelsgericht Wien (1863 – 20. Jh.), A47, HRA-Registerakten der aufgelassenen Firmen 1939 – 1993, HRA 3615, Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 29. Oktober 1963. Heute: Alte Leopoldsapotheke. WStLA, Handelsgericht Wien (1863 – 20. Jh.), B 76, A–Register : offene Handelsgesellschaften 1906 – 1938, A 37, 250.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

diese Apotheke der SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner als kommissarischer Verwalter eingesetzt; dieser verkaufte die Apotheke im Sommer 1938 an Mag. Georg Hugh-Bloch, den Adoptivsohn Eduard Blochs.37 Die Vermögensverkehrsstelle setzte für die Apotheke einen Kaufpreis von 40.296,22 Reichsmark fest und verfügte eine ›Arisierungsauflage‹ von 24.177,73 Reichsmark. Mag. Eduard Bloch erhielt 16.118,49 Reichsmark aus dem Verkauf seiner Apotheke auf ein Sperrkonto gutgeschrieben.38 Die Konzession für die Apotheke »Zum heiligen Leopold« erhielt Mag. Hugh-Bloch am 8. November 1938.39 Am 2. Februar 1939 wurden die neuen Eigentumsverhältnisse im Wiener Handelsregister protokolliert und der Name der Apotheke auf »Alte Leopoldsapotheke Ph. Mr. Georg Hugh-Bloch« geändert.40 Mag. Eduard Bloch verstarb im Mai 1940 in Wien und wurde am 21. Mai 1940 am Wiener Zentralfriedhof bestattet.41 1945 verblieb die »Alte Leopoldsapotheke« im Eigentum von Mag. Georg Hugh-Bloch. Die Apotheke scheint zwar in einer Liste ›arisierter‹ Apotheken der Sammelstellen auf, wahrscheinlich wurde aber im Hinblick darauf, dass die Apotheke innerhalb der Familie weiterveräußert wurde, von den Sammelstellen kein Rückstellungsantrag gestellt.

Apotheke »Zum goldenen Reichsapfel«, Wien 1., Singerstraße 15 Eigentümerin und Konzessionärin der Apotheke »Zum goldenen Reichsapfel« war seit 1922 Sophie Pserhofer. Sie führte mit Mag. Johann Stuchlik als verantwortlichem Leiter die Apotheke seit Ableben ihres Mannes, Mag. Richard Pserhofer, als Witwenfortbetrieb.42 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 47.646,30 Reichsmark43 und wies Betriebsschulden von 5.408,79 Reichsmark auf.44 Am 27. Juli 1938 wurde der spätere ›Ariseur‹ Mag. Franz Wratschko von Edwin Renner als verantwortlicher Leiter der Apotheke 37 Ebd.; Krug, Wiener Apotheken. 38 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 39 Krug, Wiener Apotheken. 40 WStLA, Handelsgericht Wien (1863 – 20. Jh.), B 76, A–Register : offene Handelsgesellschaften 1906 – 1938, A 37, 250. 41 Stadt Wien, Friedhofsdatenbank, http://www.friedhoefewien.at (05. 10. 2010) 42 Krug, Wiener Apotheken. 43 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 44 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 173 N, Anmeldung durch Helga Wratschko vom 17. Jänner 1947.

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eingesetzt.45 Die endgültige ›Arisierung‹ der Apotheke »Zum goldenen Reichsapfel« wurde dann am 17. August 1938 von Mag. Renner und Mag. Wratschko mittels Kaufvertrag bewerkstelligt. In der Genehmigung dieser Transaktion setzte die Vermögensverkehrsstelle am 24. November 1938 den Kaufpreis für die Apotheke mit 33.352,41 Reichsmark fest.46 60 Prozent dieses Kaufpreises, somit 20.011,45 Reichsmark, sollten als ›Arisierungsauflage‹ zu Gunsten der Vermögensverkehrsstelle abgeführt, der Rest von 13.340,96 Reichsmark auf ein Sperrkonto für Sophie Pserhofer eingezahlt werden.47 Die ehemalige Eigentümerin der Apotheke »Zum goldenen Reichsapfel« erhielt somit keine für sie verfügbare Gegenleistung aus dem Zwangsverkauf ihrer Apotheke.48 Mit Bescheid der Abteilung 8 des Wiener Magistrats vom 29. November 1938 wurde die Konzession für die Apotheke auf Mag. Franz Wratschko übertragen49 und am 6. Juni 1939 der neue Eigentümer im Wiener Handelsregister protokolliert.50 Sophie Pserhofer hatte den Zwangsverkauf ihrer Apotheke nicht abgewartet und war schon im Sommer 1938 nach Opatija in Istrien geflohen. Später emigrierte sie nach Monte Carlo, wo sie die NS-Herrschaft überlebte.51 Mit Bescheid der Wiener Magistratsabteilung II vom 30. Juni 1945 wurde Mag. Johann Stuchlik zum verantwortlichen Leiter der Apotheke »Zum goldenen Reichapfel« bestellt52 und am 30. Oktober 1945 mit der öffentlichen Verwaltung betraut.53 Er leitete die Apotheke in dieser Funktion bis zur Aufhebung der öffentlichen Verwaltung und Rückstellung der Apotheke an Sophie Pserhofer. Die Rückstellung der Apotheke »Zum goldenen Reichsapfel« samt Konzession erfolgte am 25. September 1948 mit Bescheid des Bundesministeriums für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung.54 Das daraufhin gestellte Ansuchen von Sophie Pserhofer auf neuerlichen Witwenfortbetrieb wurde je-

45 Krug, Wiener Apotheken. 46 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 173 N, Anmeldung durch Helga Wratschko vom 17. Jänner 1947. 47 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 48 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 189, Anmeldung durch Sophie Pserhofer vom 23. Oktober 1946. 49 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 50 (1938), 257. 50 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 4889. 51 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 795, Anmeldung durch Mag. Johann Stuchlik vom 15. November 1946. 52 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1945, Kt.3, IV-161.524 – 15/45, Wiener M.Abt. II an das StAfsV vom 14. September 1945. 53 Krug, Wiener Apotheken. 54 Ebd.

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doch abgelehnt55 und die Konzession am 7. September 1950 auf Mag. Johann Lehr übertragen.56 Mit ihm gründete Sophie Pserhofer am 18. September 1950 eine offene Handelsgesellschaft zum weiteren Betrieb der Apotheke.57 Apotheke »Zum Heiligen Geist«, Wien 1., Operngasse 16 Einen eher ungewöhnlichen ›Arisierungsfall‹ stellt die Apotheke »Zum Heiligen Geist«, Wien 1, Operngasse 16, dar. Dies weniger auf Grund der ›Arisierung‹ eines 1/10-Anteiles an dieser Apotheke, der Mag. Erich Peiser gehörte, sondern vielmehr aufgrund von historischen Details, die in der Begründung eines Rückstellungserkenntnisses aus 1950 enthalten sind und die die pharmazeutischen Standesvertretungen betreffen. Besagte Apotheke stand Anfang 1938 zu 10 Prozent im Eigentum von Mag. Erich Peiser, 90 Prozent der Apotheke gehörten dem Pharmazeutischen Reichsverband für Österreich, der sie mit Kaufvertrag vom 21. Dezember 1937 – finanziert von der Pharmakred – von der »Vedepha Ges.m.b.H.« erworben hatte. Die »Vedepha Ges.m.b.H.« war eine reichsdeutsche pharmazeutische Handelsgesellschaft, die ihre Anteile an der Apotheke im April 1936 – damals noch unter dem Namen »Vedepha, Vertrieb deutscher pharmazeutischer Produkte Creutzberg u. Co.« – von der »Chemosan-Union AG«, einer österreichischen Chemikaliengroßhandlung, erworben hatte.58 Mag. Erich Peiser war in Deutschland seit 1913 Geschäftsführer des Verbandes deutscher Apotheker sowie seit 1929 Vorsitzender der internationalen Apothekergewerkschaft mit Sitz in Prag gewesen. Der Verband deutscher Apotheker wurde 1933 durch die NationalsozialistInnen aufgelöst und Erich Peiser floh aus dem Deutschen Reich nach Österreich.59 Im Oktober 1935 wurde er Miteigentümer der Apotheke »Zum heiligen Geist« in Wien.60 Am 18. März 1938 musste Mag. Peiser seinen Anteil an der Apotheke um 30.000,– Reichsmark an Dr. Richard Kurtics verkaufen, der diesen Anteil am 5. April 1938 an Louise Schäffer weiterveräußerte.61 Später wurde der Kaufpreis für diesen Geschäftsanteil auf 10.992,22 Reichsmark vermindert, von dem die Vermögensverkehrsstelle 6.595,42 Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ einbe55 WStLA, NSDAP Wien (1932 – 1955), Kartei des Gauamts für Volksgesundheit, Index: allgemein A–Z. 56 Krug, Wiener Apotheken. 57 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 4889. 58 Krug, Wiener Apotheken. 59 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 30 u. 118. 60 Krug, Wiener Apotheken. 61 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1314, Anmeldung durch Dr. Eduard Schäffer vom 13. November 1946.

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hielt. Die restlichen 4.396,88 Reichsmark gingen an Mag. Erich Peiser.62 Am 1. April 1938 wurde Dr. Eduard Schäffer im Auftrag des Pharmazeutischen Reichsverbandes als verantwortlicher Leiter der Apotheke eingesetzt. Der 90prozentige Anteil an der Apotheke blieb vorerst im Eigentum des Pharmazeutischen Reichsverbandes für Österreich. Als mit Verfügung des Stillhaltekommissars Albert Hoffmann am 8. August 1938 auch der Pharmazeutische Reichsverband aufgelöst wurde, wurde sein Vereinsvermögen, sohin auch der Anteil an der Apotheke »Zum Heiligen Geist«, dem Bezirksverband Donauland der Deutschen Apothekerschaft übertragen.63 Diese verkaufte den Geschäftsanteil am 28. Mai 1940 um 270.000,– Reichsmark an Dr. Eduard Schäffer. Der Kaufpreis entsprach der Verpflichtung, die der Pharmazeutische Reichsverband für Österreich 1937 beim Kauf seines 90-prozentigen Anteiles bei der Pharmakred eingegangen war, die aushaftende Schuld wurde von Dr. Schäffer übernommen.64 Da Louise Schäffer am 11. Juni 1941 ihren 10-prozentigen Anteil an der Apotheke per Notariatsakt unentgeltlich ihrem Gatten abtrat, war Eduard Schäffer ab diesem Zeitpunkt Alleininhaber der Apotheke »Zum Heiligen Geist«.65 Mag. Erich Peiser floh nach dem ›Anschluss‹ aus Österreich und wurde nach einer Odysee durch Belgien, Frankreich und Italien in einem französischen Lager interniert. Von dort gelang es ihm später, in die Schweiz zu entkommen.66 Nach Beschluss des Dritten Rückstellungsgesetzes im Februar 1947 machte Erich Peiser – er hatte sich nach Basel in Sicherheit bringen können – seinen Anspruch auf Rückstellung seines Anteils an der Apotheke »Zum heiligen Geist« geltend. In einem am 29. August 1949 geschlossenen Vergleich verzichtete er gegen Zahlung von 10.000,– Schilling auf seinen Anteil an der Apotheke zu Gunsten von Dr. Eduard Schäffer.67 Auch der inzwischen neu konstituierte Pharmazeutische Reichsverband für Österreich machte Ansprüche auf Rückstellung seines Anteils an der Apotheke »Zum Heiligen Geist« geltend. Dieses Rückstellungsbegehren wurde allerdings von der Rückstellungskommission Wien I mit Enderkenntnis vom 23. Juni 1950 abgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass weder der Pharmazeutische 62 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 63 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 34 (1938), 27. 64 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1314, Enderkenntnis vom 23. Juni 1950. 65 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1314, Anmeldung durch Dr. Eduard Schäffer vom 13. November 1946. 66 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 118. 67 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1314, Vergleich vom 29. August 1949.

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Reichsverband für Österreich noch der Österreichische Apothekerverein politischer Verfolgung durch den Nationalsozialismus ausgesetzt gewesen wären, sondern im Gegenteil sich schon am 12. März 1938, also einen Tag vor dem ›Anschluss‹, selbst aufgelöst hätten. Auch seien alle maßgebenden Funktionäre weiterhin in führender Stellung verblieben und hätten über die Fachpresse alle ehemaligen Mitglieder aufgefordert, sich der Deutschen Apothekerschaft geschlossen einzugliedern. Auch sei das Vermögen des Pharmazeutischen Reichsverbandes durch den Stillhaltekommissar dem Bezirksverband Donauland der Deutschen Apothekerschaft mit der ausdrücklichen Auflage zweckentsprechender Verwendung innerhalb der Ostmark eingewiesen und nicht zu Gunsten des Stillhaltekommissars und der NSDAP eingezogen worden. Im Weiteren hätte die Veräußerung der Apothekenanteile durch den Bezirksverband Donauland keiner Genehmigung durch reichsdeutsche Stellen bedurft, und es sei auch die freie Wahl des Käufers beziehungsweise der Käuferin gegeben gewesen.68

Apotheke »Zum Kronprinz Rudolf«, Wien 1., Rudolfsplatz 569 Eigentümerin der Apotheke »Zum Kronprinz Rudolf« war seit 1929 eine Stiftung der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, das Benno Rothziegel’sche Stiftungskapital Wien. Auf Wunsch des am 26. Jänner 1929 verstorbenen Vorbesitzers Mag. Benno Rothziegel wurde diese Stiftung nach seinem Tod zur Unterstützung des Blindenheims des Israelitischen Blindeninstitutes eingerichtet und enthielt neben Wertpapieren und Bargeld auch die Apotheke »Zum Kronprinz Rudolf«. In seinem Testament bestimmte Benno Rothziegel weiter, dass die beiden bei ihm angestellten PharmazeutInnen Mag.a Bronislawa Friedmann und Mag. Wilhelm Szapu ein lebenslanges Fruchtgenussrecht an der Apotheke besitzen und nach deren Ableben die Apotheke in das Eigentum der Israelitischen Kultusgemeinde Wien übergehen sollte.70 Konzessionärin der Apotheke war seit 1931 Bronislawa Friedmann.71 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 93.333,33 Reichsmark und war schuldenfrei.72 Im September 1938 wurde der ›illegale‹ Nationalsozia68 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1314, Enderkenntnis vom 23. Juni 1950. 69 Heute: Werdertor-Apotheke, Wien 1., Werdertorgasse 5. 70 Vgl. Angelika Shoshana Duizend Jensen, Jüdische Gemeinden, Vereine, Stiftungen und Fonds. »Arisierung« und Restitution, Wien 2002, 112 f. 71 Vgl. Fritsch, Pharmazie, 33 f. 72 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939.

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list73 und spätere ›Ariseur‹ Mag. Josef Ehrlich zum verantwortlichen Leiter der Apotheke bestellt, der im selben Monat eine Standortverlegung der Apotheke nach Wien 1, Franz Josefskai 47, beantragte.74 Bei der Finalisierung dieser Enteignung kam es allerdings zu Kompetenzdifferenzen innerhalb der NS-Bürokratie. So sah sich die Vermögensverkehrsstelle für die Arisierung des Betriebes zuständig, setzte den Kaufpreis mit 65.300,– Reichsmark fest und schrieb eine ›Arisierungsauflage‹ von 39.200,– Reichsmark vor. Mit dem Argument, dass Stiftungen in seine Kompetenz fielen, nahm der Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände Albert Hoffmann gegen diese Regelung Stellung und verlangte, dass der gesamte Kaufpreis für die Apotheke der in seinem Einflussbereich gelegenen Allgemeinen Stiftung für jüdische Fürsorge – eine zur Aufnahme des Vermögens liquidierter jüdischer Stiftungen dienende Einrichtung – zuzufallen hätte.75 Albert Hoffmann konnte sich durchsetzen und Mag. Josef Ehrlich bezahlte 40 Prozent des Kaufpreises bei Übernahme der Apotheke und den Rest in Monatsraten zu 333,33 Reichsmark76 an den Unterbevollmächtigten des Stillhaltekommissars, den Rechtanwalt Dr. Ludwig Mattausch.77 Die Konzession für die Apotheke »Zum Kronprinz Rudolf« erhielt Josef Ehrlich am 23. Februar 1939.78 Mag.a Bronislawa Friedmann konnte 1939 fliehen79 und emigrierte nach Venezuela.80 Auch Mag. Wilhelm Szapu konnte sich 1939 in Sicherheit bringen und floh nach Palästina, wo er wieder als Apotheker tätig wurde. Er kehrte 1948 nach Wien zurück.81 Am 17. April 1945 wurde die Apotheke »Zum Kronprinz Rudolf« an ihrem neuen Standort Wien 1., Franz Josefskai 47 durch einen Brand vollständig zerstört. Mag. Josef Ehrlich wurde nach dem Krieg von einem Volksgericht wegen missbräuchlicher Bereicherung beim Erwerb der Apotheke zu einem Jahr Haft verurteilt. Dieses Volksgerichtsurteil wurde später vom Obersten Gerichtshof aufgehoben und Josef Ehrlich wieder zur Berufsausübung zugelassen.82 1949 beantragten Bronislawa Friedmann und Wilhelm Szapu die Rückstellung der Konzession sowie je 190.000,– Schilling für entgangene Erträgnisse aus der Apotheke »Zum Kronprinz Rudolf«. Diesem Rückstellungsbegehren schloss 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82

WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 39 (1938), 103. Vgl. Duizend Jensen, Jüdische Gemeinden, 113. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 249, Anmeldung durch Mag. Josef Ehrlich vom 12. November 1946. Vgl. Duizend Jensen, Jüdische Gemeinden, 113. WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 219. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 249, Vergleich vom 23. Juli 1952. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 219. Vgl. Duizend Jensen, Jüdische Gemeinden, 228.

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sich die Israelitische Kultusgemeinde Wien an und forderte ihrerseits 352.760,– Schilling als Entschädigung.83 Da Mag.a Friedmann vom Rechtsbüro der IKG Wien geraten wurde, zu Gunsten von Mag. Szapu auf die Konzession zu verzichten, um eine neuerliche Verleihung derselben an Mag. Ehrlich zu verhindern,84 endete das Rückstellungsverfahren am 23. Juli 1952 mit einem Vergleich, in dem Mag. Wilhelm Szapu die Konzession für die Apotheke »Zum Kronprinz Rudolf« sowie alle noch vorhandenen Betriebsmittel zurückgestellt wurden und Mag. Josef Ehrlich eine Entschädigung von in Summe 5.000,– Schilling bezahlte.85 Die 1945 zerstörte Apotheke wurde in den folgenden Jahren in Wien 1., Werdertorgasse 5, neu aufgebaut und 1964 in »Werdertor-Apotheke« umbenannt.86

Apotheke »Zum römischen Kaiser«, Wien 1., Wollzeile 13 Konzessionär und Alleininhaber der Apotheke »Zum römischen Kaiser« war seit 1914 Mag. Ignaz Zilz.87 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 129.000,– Reichsmark und war schuldenfrei.88 Am 8. Juni 1938 setzte sich der kommissarische Verwalter der jüdischen Apotheken in der Ostmark, Mag. Edwin Renner, selbst als verantwortlicher Leiter der Apotheke ein, um die ›Arisierung‹ derselben voranzutreiben. Indem er am 10. Juni 1938 Mag.a Milica Manzoni als verantwortliche Leiterin einzusetzen versuchte, unternahm Mag. Zilz einen letzten Versuch, der drohenden ›Arisierung‹ seiner Apotheke durch Edwin Renner zuvorzukommen beziehungsweise eine bessere Verhandlungsposition zu erreichen. Dieser Versuch scheiterte allerdings, und am 1. August 1938 wurde von Mag. Renner der spätere ›Ariseur‹ Dr. Josef Salomon als verantwortlicher Leiter eingesetzt.89 Ignaz Zilz wurde genötigt, seine Apotheke zu veräußern, der entsprechende Kaufvertrag wurde am 22. November 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt. Als ›Arisierungsauflage‹ wurden 67.740,– Reichsmark bestimmt, Mag. Zilz erhielt aus dem Verkauf 36.901,31 Reichsmark, die in drei Monatsraten auf ein Sperrkonto einbezahlt wurden.90 Die 83 84 85 86 87 88

Vgl. Ebd. Vgl. Ebd. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 249, Vergleich vom 23. Juli 1952. Krug, Wiener Apotheken. Ebd. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 89 Krug, Wiener Apotheken. 90 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 164, Anmeldung durch Mag. Maximilian Winternitz, 5. November 1946.

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Konzession für die Apotheke »Zum römischen Kaiser« erhielt Dr. Salomon am 10. November 1938.91 Mit 1. Jänner 1939 wurde eine offene Handelsgesellschaft zum Betrieb der Apotheke gegründet, der neben Dr. Salomon auch Dr. Werner Schrutka als Gesellschafter mit je 50-prozentiger Beteiligung angehörten.92 Mag. Ignaz Zilz flüchtete noch 1939 nach Großbritannien,93 wo er am 14. September 1941 in Harrogate verstarb.94 Am 11. April 1946 wurde Mag. Maximilian Winternitz als öffentlicher Verwalter für die Apotheke »Zum römischen Kaiser« eingesetzt,95 und 1948 beantragte schließlich die Witwe von Mag. Ignaz Zilz, Margarethe Zilz, von London aus die Rückstellung der 1938 ihrem Mann entzogenen Apotheke. Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 16. November 1948 mit einem Vergleich vor der Rückstellungskommission Wien V, in dem ihr die Apotheke »Zum römischen Kaiser« samt der Konzession zum Betrieb derselben zurückgestellt wurde.96

Apotheke »Zum Schwan«, Wien 1., Schottenring 14 Eigentümer- und Betreibergesellschaft der Apotheke »Zum Schwan« war seit 1924 die offene Handelsgesellschaft »B.V. Bibus Apotheke zum Schwan«.97 GesellschafterInnen dieser OHG waren 1938 Helene Ahl und ihr Sohn Mag. Heinrich Ahl,98 letzterer war seit 1934 auch Konzessionär der Apotheke.99 Der Betrieb erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 117.487,– Reichsmark und war schuldenfrei.100 Um der drohenden ›Arisierung‹ ihres Betriebes zuvorzukommen, schlossen die jüdischen EigentümerInnen Anfang April 1938 mit dem langjährigen Angestellten Mag. Franz Foldina101 einen Pachtvertrag ab, der aber 91 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 46 (1938), 200. 92 Krug, Wiener Apotheken; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 164, Anmeldung durch Mag. Maximilian Winternitz vom 5. November 1946. 93 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 225. 94 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 164, Anmeldung durch Mag. Maximilian Winternitz, 5. November 1946. 95 Krug, Wiener Apotheken; zu Mag. Maximilian Winternitz siehe auch Kapitel 5.1.13., St. Lukas-Apotheke. 96 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 164, Vergleich vom 16. November 1948. 97 Krug, Wiener Apotheken.; Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesell-schaften, HRA 5193. 98 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 105/61, Teilerkenntnis vom 24. September 1949. 99 Krug, Wiener Apotheken. 100 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 101 Zu Mag. Franz Foldina siehe auch Kapitel 5.1.1., Mohren-Apotheke.

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von Edwin Renner und der Vermögensverkehrsstelle nicht akzeptiert wurde. Ende Mai 1938 übernahm daher der spätere ›Ariseur‹ und Mitglied der NSDAP102 Mag. Robert Knotek die Leitung der Apotheke.103 Die drohende Vernichtung seiner Existenz durch den Verlust seiner Apotheke vor Augen nahm sich Mag. Heinrich Ahl am 16. Mai 1938 das Leben. Am 30. Juli 1938 wurden Helene Ahl und Erna Ahl – Witwe und Erbin nach Heinrich Ahl – von den NationalsozialistInnen genötigt, ihre Apotheke an Robert Knotek zu übertragen. Als Übernahmepreis wurden von der Vermögensverkehrsstelle 82.440,90 Reichsmark festgelegt.104 Nach Abzug einer ›Arisierungsauflage‹ in Höhe von 49.394,55 Reichsmark verblieben den ehemaligen EigentümerInnen 32.896,35 Reichsmark, die auf ein Sperrkonto einzuzahlen waren.105 Am 19. Oktober 1938 wurde zum Betrieb der ›arisierten‹ Apotheke eine offene Handelsgesellschaft gegründet, der neben Mag. Knotek mit einer Beteiligung von 50 Prozent auch Mag. Foldina als Gesellschafter mit einer Beteiligung von 25 Prozent und Mag. Edwin Renner mit einer Beteiligung von 25 Prozent als stiller Gesellschafter angehörten.106 Die Konzession zum Betrieb der Apotheke erhielt Mag. Robert Knotek schließlich am 7. November 1938.107 Helene und Erna Ahl konnten noch Ende 1938 beziehungsweise Anfang 1939 vor der nationalsozialistischen Verfolgung flüchten108 und emigrierten in die USA.109 Die Apotheke »Zum Schwan« wurde am 10. April 1945 durch Bombeneinwirkung und Kampfhandlungen sowie darauffolgende Plünderungen vollständig zerstört.110 Am 18. Dezember 1948 beantragten Helene und Erna Ahl die Rückstellung ihrer 1938 entzogenen Apotheke.111 In einem ersten Teilerkenntnis der Rückstellungskommission Wien V vom 24. September 1949 wurde die Nichtigkeit der 1938 erfolgten Vermögensübertragung sowie der Umstand, dass bei dieser Transaktion die Regeln des redlichen Verkehrs nicht eingehalten

102 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 7, V-31.599 – 18/46, Wiener Apotheker-Hauptgremium an das BMfsV vom 25. April 1946. 103 Krug, Wiener Apotheken. 104 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 105/61, Teilerkenntnis vom 24. September 1949. 105 Ebd.; ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 106 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 105/61, Gegenäußerung Mag. Franz Foldina vom 9. März 1949 und Mag. Robert Knotek vom 31. Mai 1949 an die Rückstellungskommission. 107 Krug, Wiener Apotheken. 108 Fritsch, Pharmazie, 112. 109 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 105/61, Rückstellungsantrag vom 18. Dezember 1948. 110 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1019, Anmeldung durch Mag. Robert Knotek vom 14. November 1946. 111 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 105 /61, Rückstellungsantrag vom 18. Dezember 1948.

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wurden, festgestellt. Allerdings wurde kein sich daraus ergebender Leistungsauftrag erteilt. Der entsprechende Passus des Teilerkenntnisses lautete: Da die Erstantragstellerin und der verstorbene Heinrich Ahl bzw. dessen Verlassenschaft zu den in § 2 Abs.1 3. Rst.Ges. genannten Personen gehören, liegt in der Übertragung der Apotheke an den Erstantragsgegner zweifellos eine Entziehung im Sinne des 3. Rst.Ges. Diese Entziehung ist gem. § 3 leg.cit. nichtig. Die Nichtigkeit hätte die Rückstellungspflicht zur Folge, wenn von dem durch die nichtige Rechtshandlung übertragenen Vermögen noch etwas vorhanden wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall, da die vorhandenen Sachwerte zur Gänze vernichtet wurden und die Konzession durch den Entzug untergegangen ist. Die Kommission musste sich daher auf das Feststellungserkenntnis beschränken, daß die angefochtene Vermögensübertragung nichtig sei.112

Dieses Teilerkenntnis hatte nun zur Folge, dass sowohl die Antragstellerinnen Helene und Erna Ahl – es wurde ihnen durch dieses Teilerkenntnis nichts zurückgestellt – als auch die Antragsgegner Mag. Knotek und Mag. Foldina – sie sahen in diesem Teilerkenntnis die Chance, dass der Rückstellungsantrag abgewiesen werden könnte – gegen dieses Teilerkenntnis Beschwerde einlegten. Das Verfahren wurde somit an die nächste Instanz, die Rückstellungsoberkommission, verwiesen. Diese bestätigte am 14. März 1950 das erste Teilerkenntnis und ergänzte es dahingehend, dass den Antragstellerinnen alle noch vorhandenen Aktiven des Unternehmens – das Firmenrecht, die Konzession und der ideelle Wert des Unternehmens – zurückzustellen und von den Antragsgegnern alle zu diesem Zwecke erforderlichen Erklärungen abzugeben seien.113 In Folge dieses Beschlusses der Rückstellungsoberkommission wurde zwischen den Streitparteien ein außergerichtlicher Vergleich zur Bereinigung verbliebener Forderungen – sie betrafen die Erträgnisse des Unternehmens seit seiner Entziehung 1938 – geschlossen.114 Helene und Erna Ahl verkauften die Rechte an der Apotheke »Zum Schwan« an Dr. Ernst Krug.115 Die Konzession für die Apotheke erhielt Ernst Krug am 28. Mai 1951.116 Da von den Rückstellungswerberinnen beziehungsweise deren Rechtsanwalt Dr. Karl Chmela nach Bestätigung des Teilerkenntnisses durch die Rückstellungsoberkommission verabsäumt wurde, den daraufhin geschlossenen Vergleich amtskundig zu machen, führte die Rückstellungskommission diesen Fall 112 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 105 /61., Teilerkenntnis vom 24. September 1949. 113 Ebd., Beschluss der Rückstellungsoberkommission vom 14. März 1950. 114 Ebd., RA Dr. Karl Chmela an die Rückstellungskommission vom 10. Mai 1961 sowie Enderkenntnis vom 3. Oktober 1961. 115 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 5193; zu Dr. Ernst Krug siehe auch Kapitel 5.1.3., Neuling-Apotheke sowie Kapitel 5.1.5., Apotheke »Zum heiligen Georg«. 116 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z.

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jahrelang als »unerledigt abgelegt«. Sie wartete nach Bestätigung des Teilerkenntnisses durch die Rückstellungsoberkommission auf einen Antrag zur Fortführung des Verfahrens seitens der Rückstellungswerberinnen. 10 Jahre später fragte die Rückstellungskommission nach, ob das Rückstellungsbegehren noch aufrecht sei und das Verfahren daher fortgeführt werden müsse.117 Da inzwischen die Rückstellungswerberinnen Helene und Erna Ahl verstorben waren, erklärte Dr. Chmela, er könne mangels Vollmachten den Rückstellungsantrag nicht zurückziehen, obwohl bereits ein Vergleich geschlossen worden wäre.118 Die Rückstellungskommission setzte daraufhin für den 3. Oktober 1961 eine öffentliche Verhandlung fest – ausständig waren nach dem Teilerkenntnis vom 24. September 1949 noch die Verrechnung der Erträgnisse – und fällte nach Zeugeneinvernahme, die den Abschluss eines Vergleichs im Jahre 1951 bestätigte, ein Enderkenntnis, das auf Abweisung des Begehrens der Ausfolge der Erträgnisse lautete, womit das Verfahren beendet werden konnte.119 Apotheke »Zur Goldenen Krone«, Wien 1., Himmelpfortgasse 14 Die Real-Apotheke »Zur Goldenen Krone« befand sich seit 1928 im Eigentum der offenen Handelsgesellschaft »Apotheke zur goldenen Krone, Anton Waldheim«. Verantwortlicher Leiter der Apotheke war seit 7. April 1934 Mag. Eugen Löwy.120 Die GesellschafterInnen dieser OHG waren Anfang 1938 Mag. Hugo Thorsch und Camilla Eisler zu je 33 Prozent sowie Mag. Eugen Löwy und Mag. Erwin Diehl zu je 17 Prozent.121 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 101.423,83 Reichsmark auf, war allerdings auch mit Betriebsschulden in unbekannter Höhe belastet.122 Eugen Löwy verließ noch im Juni 1938 Österreich, um der nationalsozialistischen Verfolgung zu entkommen; die Leitung der Apotheke »Zur goldenen Krone« übernahm daher am 29. Juni 1938 Erwin Diehl.123 Da er aber den neuen Machthabern politisch nicht einwandfrei erschien – er war kein Mitglied der NSDAP – und überdies in einer ›Mischehe‹ lebte,124 wurde ihm 117 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 105/61, Beschluss der Rückstellungskommission Wien V vom 18. März 1961. 118 Ebd., RA Dr. Karl Chmela an die Rückstellungskommission Wien V vom 10. Mai 1961. 119 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 105/61, Verhandlungsprotokoll und Enderkenntnis der Rückstellungskommission Wien V vom 3. Oktober 1961. 120 Krug, Wiener Apotheken. 121 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1308, Mag. Adolf Grimus-Grimburg an das Magistratische Bezirksamt für den I. Wiener Gemeindebezirk vom 21. Oktober 1946. 122 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 123 Krug, Wiener Apotheken. 124 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1308, Mag. Adolf Grimus-Grimburg an das Magistratische Bezirksamt für den I. Wiener Gemeindebezirk vom 21. Oktober 1946.

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von Mag. Edwin Renner die Leitung entzogen und diese am 1. Juli 1938 auf Dr. Robert Baur übertragen.125 Weiters ließ sich Edwin Renner als Abwesenheitskurator des geflüchteten Eugen Löwy einsetzen126 und bereitete im Laufe des Sommers 1938 die ›Arisierung‹ des Mehrheitsanteils an der Apotheke »Zur goldenen Krone« vor. Die Anteile von Mag. Hugo Thorsch und Camilla Eisler – zusammen 2/3 der Beteiligungen an der Apotheke – wurden schließlich mit Kaufvertrag vom 1. September 1938 an Gisela Asztalos um in Summe 66.666,67 Reichsmark veräußert. Der Kaufpreis wurde zur Abdeckung der Betriebsverbindlichkeiten verwendet.127 Warum bei dieser ›Arisierung‹ der langjährige Miteigentümer der Apotheke Mag. Diehl nicht zum Zug kam, sondern eine branchenfremde Beweberin von Mag. Renner ausgewählt wurde, erklärte Erwin Diehl in seiner Anmeldung entzogenen Vermögens wie folgt: Ich habe keinen Druck auf die Gesellschafter ausgeübt, auszuscheiden. Dies ergibt sich auch daraus, dass ich nach wie vor mit den ausscheidenden Gesellschaftern in bestem Einvernehmen blieb und dass ich infolge meiner Ehe mit einem Mischling (nach den Nürnberger Gesetzen) selbst belastet war, und man mir z. B. die Übernahme von Apothekenanteilen als politisch unverlässlich strikte abgelehnt hatte.128

Nachdem nun der Großteil des ehemaligen jüdischen Eigentums an der Apotheke »Zur goldenen Krone« ›arisiert‹ worden war, wurde Dr. Robert Baur von Edwin Renner als verantwortlicher Leiter dieser Apotheke wieder enthoben und am 23. September 1938 in der Apotheke des Dr. Arnold Stumpf – dieser wollte sich mit der geplanten ›Arisierung‹ seiner Apotheke nicht abfinden und setzte sich dagegen zur Wehr – als verantwortlicher Leiter installiert.129 Die nun noch in jüdischem Eigentum stehende 17-prozentige Beteiligung des Mag. Eugen Löwy an der Apotheke »Zur goldenen Krone« wurde von seinem Abwesenheitskurator Edwin Renner am 14. Oktober 1938 um 16.667,– Reichsmark an Mag. Adolf Grimus-Grimburg verkauft. Da dieser Geschäftsanteil Mag. Löwys mit 40.000,– Schilling an Mag. Diehl verpfändet war, wurde der Kaufpreis zur Abdeckung dieser Verbindlichkeit verwendet, und Eugen Löwy erhielt nichts aus dem Zwangsverkauf seiner Beteiligung.130 Nach somit erfolgter vollständiger ›Arisierung‹ aller ehemals jüdischen Beteiligungen an der Apotheke »Zur goldenen 125 Krug, Wiener Apotheken. 126 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1308, Mag. Adolf Grimus-Grimburg an das Magistratische Bezirksamt für den I. Wiener Gemeindebezirk vom 21. Oktober 1946. 127 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1638, Anmeldung durch Gisela Hattwig, geb. Asztalos, vom 21. Oktober 1946. 128 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1029, Mag. Erwin Diehl an das Magistratische Bezirksamt für den I. Wiener Gemeindebezirk vom 12. November 1946. 129 Krug, Wiener Apotheken; siehe hierzu Kapitel 4.1. 1. Internationale Apotheke. 130 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1308, Mag. Adolf Grimus-Grimburg an das Magistratische Bezirksamt für den I. Wiener Gemeindebezirk vom 21. Oktober 1946.

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Krone« wurde am 26. November 1938 Mag. Adolf Grimus-Grimburg zum verantwortlichen Leiter der Apotheke bestellt.131 Mag. Hugo Thorsch – er war amerikanischer Staatsbürger – kehrte noch 1938 zurück in die USA.132 Auch Camilla Eisler konnte vor den NationalsozialistInnen fliehen und emigrierte nach London.133 Sie kehrte 1950 nach Wien zurück.134 Mag. Eugen Löwy – er hatte Österreich schon im Juni 1938 verlassen – flüchtete nach Frankreich, wo er später verhaftet und im Lager Pithiviers interniert wurde. Von dort wurde er am 17. Juli 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet.135 Anlässlich der Kampfhandlungen zur Befreiung Wiens im April 1945 wurde das Warenlager der Apotheke »Zur goldenen Krone« geplündert, die Apotheke selbst blieb bestehen.136 Am 29. Oktober 1945 wurde Mag. Adolf GrimusGrimburg wiederum als verantwortlicher Leiter der Apotheke eingesetzt.137 1947 beantragte Camilla Eisler die Rückstellung der ihr 1938 entzogenen Anteile an der Apotheke »Zur goldenen Krone«. In einem daraufhin geführten Rückstellungsverfahren wurden ihr am 25. Februar 1949 gegen die Zahlung von 60.000,– Schilling an Gisela Hattwig-Asztalos für den von dieser 1938 entrichteten Kaufpreis die 1/3-Beteiligung an der Apotheke zurückgestellt.138 Auch Emma Thorsch, die Erbin nach Mag. Hugo Thorsch, erhielt 1949 in außergerichtlichen Vergleichen mit Gisela Hattwig-Asztalos und Adolf Grimus-Grimburg – er hatte im Jahre 1940 um 23.000,– Reichsmark einen Anteil von 17 Prozent an der Apotheke von Gisela Asztalos erworben139 – ihre Geschäftsanteile an der Apotheke zurückgestellt.140 1953 beanspruchte auch der Erbe nach Mag. Eugen Löwy, dessen Neffe Frederic Barany, die Rückstellung der seinem Onkel 1938 entzogenen Anteile an der 131 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. 132 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1029, Mag. Erwin Diehl an das Magistratische Bezirksamt für den I. Wiener Gemeindebezirk vom 12. November 1946. 133 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1638, Beilage zur Anmeldung durch Gisela Hattwig, geb. Asztalos, vom 21. Oktober 1946. 134 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 219. 135 Yad Vashem – The Holocaust Martyrs’ and Heroes’ Remembrance Authority, The Central Database of Shoah Victims’ Names, http://www.yadvashem.org (Oktober 2007). 136 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1308, Anmeldung durch Mag. Adolf Grimus-Grimburg vom 11. November 1946. 137 Krug, Wiener Apotheken. 138 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1638, Vergleich vom 25. Februar 1949. 139 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1308, Mag. Adolf Grimus-Grimburg an das Magistratische Bezirksamt für den I. Wiener Gemeindebezirk vom 21. Oktober 1946. 140 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1638, RA Dr. Kurt Schreiber an das Magistratische Bezirksamt für den I. Wiener Gemeindebezirk vom 1. August 1949; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1307, RA Dr. Kurt Schreiber an das Magistratische Bezirksamt für den I. Wiener Gemeindebezirk vom 1. Oktober 1949.

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Apotheke »Zur goldenen Krone.« Das daraufhin gegen Erwin Diehl und Adolf Grimus-Grimburg eröffnete Rückstellungsverfahren endete am 2. Oktober 1956 mit einem Vergleich, in dem Frederic Barany gegen die Zahlung von 30.000,– Schilling auf die Rückstellung der geforderten Geschäftsanteile verzichtete.141

Apotheke »Zum König von Ungarn«, Wien 1., Rotenturmstraße 18142 Die Apotheke »Zum König von Ungarn« wurde seit 1921 von der »C. Brady OHG« betrieben. Neben der Apotheke besaß die Gesellschaft auch einen Großhandels- und Erzeugungsbetrieb für pharmazeutische Spezialitäten und Kosmetika in Wien 2., Obere Donaustraße 91.143 Konzessionärin dieser Unternehmungen war seit dem Tod des früheren Konzessionärs und Miteigentümers Mag. Hermann Brady – er verstarb am 4. August 1929 – seine Witwe Olga Brady.144 GesellschafterInnen der offenen Handelsgeselllschaft C. Brady OHG waren 1938 Olga Brady, ihr Adoptivsohn Dr. Walter Khünl-Brady und der langjährige Mitarbeiter Mag. Max Todres.145 Schon vor dem März 1938 wurden zwischen den Gesellschaftern Walter Khünl-Brady und Max Todres Verhandlungen zum Zwecke der Übertragung der Gesellschaftsanteile von Mag. Todres – sein Anteil belief sich auf 50 Prozent der Unternehmungen146 – an Dr. Khünl-Brady aufgenommen. Am 17. März 1938 wurde in diesem Sinne ein Vertrag geschlossen, in dem der Kaufpreis der Anteile mit 100.000,– Schilling vereinbart wurde.147 Walter Khünl-Brady beschrieb im November 1946 die Umstände dieser Transaktion in seiner Anmeldung entzogenen Vermögens wie folgt: Die Verhandlungen zogen sich hinaus und waren Anfangs März 1938 nahezu abgeschlossen. Unmittelbar vor dem endgiltigen Abschluss erfolgte die Annexion Oesterreichs und machte die Abschliessung einer Vereinbarung wie sie geplant war deshalb unmöglich, weil Mr. Todres damals als Jude nach den Nürnberger Rassegesetzen angesehen wurde. Erst viel später stellte das Sippenamt die arische Abstammung des Herrn Mr. Todres fest. Durch den Einmarsch der deutschen Truppen wurde die Ver141 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1308, Vergleich vom 3. Oktober 1956. 142 Heute: Brady-Apotheke »Zum roten Turm«, Wien 1., Rotenturmstraße 23. 143 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 858, Anmeldung durch Mag. Max Todres vom 15. November 1946. 144 Krug, Wiener Apotheken. 145 Ebd.; Leopold Hochberger und Josef Noggler, Geschichte der Wiener Apotheken. Geschichte der Apotheken und des Apothekerwesens in Wien von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, Bd. 2, Wien 1919, 53. 146 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 858, Anmeldung durch Mag. Max Todres vom 15. November 1946. 147 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1234, Anmeldung durch Dr. Walter Khünl-Brady, 13. November 1946.

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handlungsgrundlage und die Preisbestimmung wesentlich beeinflusst. – Es wurde ein Kommissar für die Arisierung österreichischer Apotheken in der Person des Herrn Ph.Mr. Edwin Renner eingesetzt, der freihändige Apothekenverkäufe unmöglich machte.148

Am 22. Juli 1938 wurde daher unter dem Diktat der Vermögensverkehrsstelle ein neuer Kaufvertrag errichtet, in dem der Preis für die Geschäftsanteile von Mag. Todres mit 36.667,– Reichsmark festgesetzt wurde.149 10 Prozent davon musste Max Todres als ›Arisierungsauflage‹ an die Vermögensverkehrsstelle abführen, den Rest erhielt er bar ausbezahlt.150 Am 21. November 1938 legte Olga Brady ihre Konzession zurück, die daraufhin Dr. Walter Khünl-Brady erteilt wurde.151 Mag. Max Todres blieb in Wien und strengte vor dem Reichssippenamt ein Verfahren zur Feststellung seiner ›arischen‹ Abstammung an. Diese wurde auch 1942 vom Reichssippenamt bestätigt.152 Die Apotheke »Zum König von Ungarn« wurde im April 1945 durch einen Brand vollständig zerstört. Auch der Großhandelsbetrieb wurde im März 1945 durch Bomben beschädigt und in Folge geplündert.153 Da sich Dr. Walter KhünlBrady bis Juli 1945 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft befand,154 übernahm Mag. Max Todres am 2. Juni 1945 die Leitung der Apotheke und wurde am 5. Juli 1945 zum öffentlichen Verwalter ernannt. Max Todres verstarb in dieser Funktion am 26. März 1947.155 1948 beantragte Friederike Todres die Rückstellung der ihrem Mann 1938 entzogenen Gesellschaftsanteile. Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 18. Februar 1957 vor der Rückstellungskommission Wien V mit einem Vergleich, in dem Dr. Walter Khünl-Brady die Geschäftsanteile zurückstellte und 2.603,54 Schilling an Friederike Todres bezahlte.156

148 Ebd. 149 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1234, Anmeldung durch Dr. Walter Khünl-Brady, 13. November 1946. 150 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 858, Anmeldung durch Mag. Max Todres vom 15. November 1946. 151 Krug, Wiener Apotheken. 152 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 224. 153 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 1234, Anmeldung durch Dr. Walter Khünl-Brady vom 13. November 1946. 154 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. 155 Krug, Wiener Apotheken. 156 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 858 u. 1234, Vergleich vom 18. Februar 1957.

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Mohren-Apotheke, Wien 1., Wipplingerstraße 12 Eigentümerinnen dieser Realapotheke waren 1938 zu gleichen Teilen die Schwestern Edith Solka, geb. Korwill, und Mag.a Gertrude Saphir, geb. Korwill.157 Geleitet wurde die Mohren-Apotheke seit 1936 von Gertrude Saphir.158 Der Betrieb erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 89.979,20 Reichsmark und war schuldenfrei.159 Anfang Mai 1938 wurde die Leitung der Apotheke von der späteren ›Ariseurin‹ Mag.a Frieda Kahls übernommen160 und am 19. Mai 1938 SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner auch in dieser Apotheke als kommissarischer Verwalter eingesetzt.161 Mit Kaufvertrag vom 12. Juli 1938 wurde die Mohren-Apotheke schließlich an Mag.a Frieda Kahls und Mag. Anton Datz übertragen.162 Als Übernahmepreis wurde von der Vermögensverkehrsstelle ein Betrag von 62.985,40 Reichsmark festgesetzt und eine ›Arisierungsauflage‹ von 37.791,24 Reichsmark vorgeschrieben. Mag.a Getrude Saphir und Edith Solka bekamen in Summe 25.194,16 Reichsmark zuerkannt, die auf Sperrkonten überwiesen wurden.163 Die Eigentumsübertragung wurde im Oktober 1938 abgeschlossen164 und am 17. Oktober 1938 erhielten Frieda Kahls und Anton Datz die Genehmigung zur Führung der Realapotheke.165 Mag.a Gertrude Saphir konnte noch 1938 Österreich verlassen, emigrierte in die USA und lebte bis zu ihrer Rückkehr nach Wien im Jahr 1949 in Chicago.166 Edith Solka blieb in Wien und überlebte hier die NS-Herrschaft. Angesichts der bevorstehenden Befreiung Wiens durch die Rote Armee verübte Anton Datz am 10. April 1945 Selbstmord.167 Frieda Datz, geb. Kahls – sie hatte zwischenzeitlich ihren Geschäftspartner Mag. Datz geheiratet – flüchtete 157 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 158 Fritsch, Pharmazie, 106, Anmerkung 726. 159 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 160 Pharmazeutische Presse, Nr. 20 (1938), 172. 161 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Gedächtnisniederschrift vom 17. Mai 1938. 162 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 409 u. 410, Anmeldungen durch Mag.a Frieda Datz und Charlotte Wuschko vom 15. November 1948. 163 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 164 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 43 (1938), 162. 165 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. 166 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 223. 167 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 891, Anmeldung durch Edith Röder vom 15. November 1946; WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z.

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nach Ostermiething in Oberösterreich.168 Die somit verwaiste Mohren-Apotheke wurde daher ab 14. Juni 1945 in »treuhändiger Führung für Rechnung des zukünftigen Besitzers« von Mag. Franz Foldina, dem ehemaligen ›Ariseur‹ der inzwischen vollständig zerstörten Apotheke »Zum Schwan« geleitet.169 Am 22. August 1945 wurde die ehemalige Miteigentümerin der Mohren-Apotheke Edith Röder, vormals Solka – sie hatte am 22. April 1945 ein zweites Mal geheiratet – zur öffentlichen Verwalterin der Mohren-Apotheke bestellt.170 1947 beantragten Gertrude Saphir und Edith Röder die Rückstellung ihrer 1938 entzogenen Apotheke. Im daraufhin eröffneten Rückstellungsverfahren wurde ihnen mit Teilerkenntnis der Rückstellungskommission Wien V vom 9. Juni 1948 die Mohren-Apotheke zurückgestellt.171 Am 26. November 1948 wurde auch die öffentliche Verwaltung aufgehoben und die Genehmigung zur Führung der Apotheke den Rückstellungswerberinnen erteilt.172 Rathaus-Apotheke, Wien 1., Stadiongasse 10 Eigentümerin dieser Apotheke war Anfang 1938 die offene Handelsgesellschaft »Rathaus-Apotheke, Mr. pharm. Robert Kronstein«. Gesellschafter dieser OHG waren zu je 50 Prozent Dr. Georg Burger und Mag. Robert Kronstein,173 letzterer war seit 1920 Konzessionär der Rathaus-Apotheke.174 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 156.667,– Reichsmark auf und war schuldenfrei.175 Am 1. Juni 1938 wurde Mag. Gustav Hlas – Mitglied der NSDAP, der, um als ›Illegaler‹ zu gelten und somit bei den geplanten ›Arisierungen‹ eher zum Zug zu kommen, seinen Beitritt zur Partei auf 1934 vordatieren ließ176 – als verantwortlicher Leiter der Rathaus-Apotheke eingesetzt.177 Am 30. Juli 1938 wurde schließlich mittels Gedächtnisprotokoll die Apotheke von Mag. Gustav Hlas und Mag. Rudolf Kretschmer – letzterer SA-Truppführer und seit Juni 1938 Standartenapotheker einer SA-Marinestandarte178 – ›arisiert‹.179 Diese ›Arisierung‹ wurde am 168 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 410, Anmeldung durch Mag.a Frieda Datz vom 15. November 1946. 169 Zu Mag. Franz Foldina siehe auch Kapitel 4.1.1., Apotheke »Zum Schwan«. 170 Krug, Wiener Apotheken. 171 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 409, Teilerkenntnis vom 9. Juni 1948. 172 Krug, Wiener Apotheken. 173 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 517, Anmeldung durch RA Dr. Mag. Robert Röhrl vom 2. Jänner 1947. 174 Krug, Wiener Apotheken. 175 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 176 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/4, verstorbene Magister bis Geburtsjahr 1900. 177 Krug, Wiener Apotheken. 178 Pharmazeutische Presse, Nr. 26 (1938), 228.

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16. November 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt180 und ein Übernahmepreis von 109.667,– Reichsmark festgelegt.181 Davon sollten 65.820,– Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ im Laufe der nächsten zehn Jahre zu Gunsten der Vermögensverkehrsstelle bei der Pharmakred eingezahlt werden. 40 Prozent des von der Vermögensverkehrsstelle festgelegten Kaufpreises gingen zum einen an das Finanzamt, um die für Mag. Kronstein geforderte Reichsfluchtsteuer abzudecken, zum anderen an Hildegard Burger, die Gattin des ehemaligen Teilhabers Dr. Georg Burger.182 Die Konzession für die RathausApotheke wurde schließlich am 17. Jänner 1939 auf Mag. Kretschmer übertragen.183 Mag. Robert Kronstein verließ 1939 Österreich und flüchtete nach Liechtenstein,184 wo er in Vaduz die Leitung der St. Franziskus-Apotheke übernahm.185 Auch Dr. Georg Burger brachte sich 1939 vor den NationalsozialistInnen in Sicherheit und floh nach Großbritannien. Später emigrierte er von dort nach Australien, wo er sich in Melbourne niederließ.186 Am 1. Juli 1946187 traten die beiden ›Ariseure‹ aus dem Unternehmen aus und einigten sich mit den ehemaligen Eigentümern über die Rückstellung der Rathaus-Apotheke.188 Auf Grund § 19 des Verbotsgesetzes vom Mai 1945189 – es untersagte NationalsozialistInnen die Veräußerung oder Belastung ihres unbeweglichen Vermögens bis zu einem durch Verordnung noch zu bestimmenden späteren Zeitpunkt – konnte ein entsprechender Übergabevertrag im Sommer 1946 nicht realisiert werden. Die Rathaus-Apotheke wurde daher in Folge von Mag.a Irene Pusch als Provisorin geleitet und von den ehemaligen Inhabern Mag. Kronstein und Dr. Burger ihre Bestellung zur öffentlichen Verwalterin beantragt.190 Am 4. November 1947 schlossen Robert Kronstein und Georg Burger 179 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 517, Anmeldung durch RA Dr. Mag. Robert Röhrl vom 2. Jänner 1947. 180 Ebd. 181 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 182 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 517, Anmeldung durch RA Dr. Mag. Robert Röhrl vom 2. Jänner 1947. 183 Krug, Wiener Apotheken. 184 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 221. 185 Vgl. ebd., 147. 186 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 218. 187 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/4, verstorbene Magister bis Geburtsjahr 1900. 188 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 517, Anmeldung durch RA Dr. Mag. Robert Röhrl vom 2. Jänner 1947. 189 BGBl. Nr. 13/1945. 190 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 517, Anmeldung durch RA Dr. Mag. Robert Röhrl vom 2. Jänner 1947.

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mit den ›Ariseuren‹ ihrer Apotheke, Rudolf Kretschmer und Gustav Hlas, einen außergerichtlichen Vergleich, in dem ihnen gegen Übernahme eines Teiles der Betriebsschulden bei der Apothekerbank die Rathaus-Apotheke samt Konzession zurückgestellt wurde.191 § 13 des Dritten Rückstellungsgesetzes vom 6. Februar 1947192 ermöglichte nun diese Vorgangsweise.

Schweden-Apotheke, Wien 1., Schwedenplatz 2 Eigentümer und Konzessionär der Schwedenapotheke war Anfang 1938 Mag. Ignaz Bauer, der die Apotheke 1933 von Anna Teichner erworben hatte.193 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 102.400,– Reichsmark194 und war mit Verbindlichkeiten – im Wesentlichen Warenschulden – in Höhe von 35.490,– Reichsmark belastet. Darüber hinaus haftete aus dem Erwerb der Apotheke durch Mag. Bauer noch eine Restforderung von 200.000 Schilling aus. Diese war zum Großteil mit einer Forderung gegen Mag.a Malvine Kirschen – Ignaz Bauer hatte ihr 1933 die Apotheke »Zur Maria Lourdes« in Wien-Meidling verkauft, um die Schweden-Apotheke erwerben zu können – in der Höhe von 125.000 Schilling abgedeckt.195 Am 11. Juli 1938 wurde Mag. Bauer vom kommissarischen Verwalter aller jüdischen Apotheken in der Ostmark, SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner, genötigt, die Schweden-Apotheke an Dr. Friedrich Reichel zu verkaufen.196 Vier Tage später, am 15. Juli 1938, wurde Dr. Reichel als verantwortlicher Leiter der Apotheke eingesetzt.197 Da es erklärtes Ziel der nationalsozialistischen ›Ariseure‹ war, die österreichischen jüdischen Apotheken möglichst belastungsfrei zu ›arisieren‹, wurde Mag. Ignaz Bauer im September 1938 aufgefordert, auf seine Forderungen an Mag.a Malvine Kirschen, deren Apotheke in Wien-Meidling ebenfalls ›arisiert‹ wurde, zu verzichten. Um für sich selbst und für seine Berufskollegin die Ausreise zu ermöglichen, verzichtete Ignaz Bauer am 13. Oktober 1938 auf seine Forderungen gegen Malvine Kirschen198 und legte auch seine Konzession für die 191 Ebd., Vergleich vom 4. November 1947. 192 BGBl. Nr. 54/1947. 193 Krug, Wiener Apotheken; zu Mag. Ignaz Bauer siehe auch Kapitel 5.1.12., Apotheke »Zur Maria Lourdes«. 194 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 195 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 12, C 49, Erkenntnis vom 17. Oktober 1952. 196 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 102/62, Rückstellungsantrag vom 27. Juni 1953 und Gegenäußerung vom 22. Oktober 1953. 197 Krug, Wiener Apotheken. 198 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 102/62, Rückstellungsantrag vom 27. Juni 1953 und Gegenäußerung vom 22. Oktober 1953.

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Schweden-Apotheke zurück.199 Die Konzession wurde am 17. November 1938 Dr. Friedrich Reichel erteilt.200 Der Kaufvertrag in Form eines Gedächtnisprotokolls wurde am 1. Dezember 1938 von der Vermögensverkehrsstelle per Bescheid genehmigt. Als ›Arisierungsauflage‹ wurde in diesem Bescheid ein Betrag von 37.080,– Reichsmark vorgeschrieben, Mag. Bauer erhielt aus dem Zwangsverkauf seiner Apotheke 28.672,– Reichsmark auf ein Sperrkonto gutgeschrieben.201 Mag. Ignaz Bauer konnte 1939 fliehen und emigrierte über Bolivien nach Argentinien. Er verstarb am 10. April 1943 in Buenos Aires.202 Am 5. März 1943 wurde die Schweden-Apotheke auf eine Kommanditgesellschaft übertragen, deren persönlich haftender Gesellschafter Dr. Friedrich Reichel und deren Kommanditistin Mathilde Reichel waren.203 Die Apotheke wurde am 11. April 1945 durch Kampfhandlungen vollständig zerstört204 und vorerst nicht wieder aufgebaut. Dr. Reichel verstarb am 17. Juli 1951,205 die Konzession für die Schwedenapotheke ging in Folge auf seinen Sohn, den Pharmaziestudenten Fritz Herbert Reichel, über.206 1952 forderte Emmerich Paul Teichner, Sohn der inzwischen verstorbenen Anna Teichner, von der Verlassenschaft nach Dr. Friedrich Reichel den aus dem Verkauf der Apotheke 1933 noch immer aushaftenden Kaufpreisrest von 200.000,– Schilling zurück. Mit Vergleich vom 20. März 1952 wurde die bestehende Kommanditgesellschaft »Schweden-Apotheke, Dr. Friedrich Reichel, KG« dergestalt geändert, dass Emmerich Paul Teichner als persönlich haftender Gesellschafter in die Gesellschaft eintrat und Mathilde Reichel als Kommanditistin ausschied. Fritz Herbert Reichel trat als Kommanditist mit einer Kommanditeinlage von 3.000,– Schilling in die Gesellschaft ein. Für die zur Verfügungstellung der Konzession erhielt er den Betrag von 37.000,– Schilling und die Zusicherung, seine zukünftige Aspiranten- und Praktikantentätigkeit in der Schweden-Apotheke absolvieren zu können, sowie das Anrecht auf einen späteren Dienstvertrag. Der Firmennamen wurde geändert in »Schweden-Apotheke, Emmerich Paul Teichner, KG« und die Apotheke im Lauf des Jahres 1952 199 Ebd., Teilerkenntnis vom 21. September 1954. 200 Krug, Wiener Apotheken. 201 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 102/62, Teilerkenntnis vom 21. September 1954 und Gegenäußerung vom 22. Oktober 1953. 202 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 103, Anmeldung durch Dr. Friedrich Reichel vom 16. Oktober 1946; WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 102/62, Teilerkenntnis vom 21. September 1954. 203 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 102/62, Rückstellungsantrag vom 27. Juni 1953. 204 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 103, Anmeldung durch Dr. Friedrich Reichel vom 16. Oktober 1946. 205 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. 206 Krug, Wiener Apotheken.

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wiedererrichtet. Die Neueröffnung der Schweden-Apotheke erfolgte am 24. Dezember 1952.207 Am 27. Juni 1953 stellte die Tochter des 1943 im Exil verstorbenen Mag. Ignaz Bauer, Margarete Weingarten, einen Antrag auf Rückstellung der ihrem Vater 1938 entzogenen Apotheke. Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren wurde in der ersten Instanz dahingehend entschieden, dass der Antrag auf Rückstellung der Schweden-Apotheke abgewiesen wurde. Im entsprechenden Teilerkenntnis vom 21. September 1954 wurde diese Abweisung wie folgt begründet: Wenn auch nach der ständigen Rechtsprechung die Rückstellungspflicht zu bejahen ist, wenn ein gleichartiges Unternehmen in einem Lokal eröffnet wird, das von einem rassisch Verfolgten infolge der nationalsozialistischen Machtübernahme stillgelegt oder liquidiert worden ist, so gilt dies nur unter der Voraussetzung, dass nicht zwischen der Einstellung des alten und der Wiedereröffnung des neuen Betriebes ein so langer Zeitraum vergangen war, dass die Erinnerung an das ehemals bestandene gleichartige Unternehmen verblasst war. Letzteres kann aber im gegenständlichen Fall umsomehr angenommen werden, als es sich um eine Betriebsstätte handelt, die dem Erdboden gleichgemacht wurde, deren Umgebung gleichfalls weitgehend zerstört wurde und die durch fast 8 Jahre bis zum Wiederaufbau eine Trümmerstätte geblieben war.208

Gegen diese Entscheidung ergriffene Rechtsmittel – das Verfahren wurde in Folge durch alle Instanzen geführt – blieben erfolglos. Das Verfahren endete am 7. Februar 1955 mit einem Beschluss der Obersten Rückstellungskommission, in dem das Teilerkenntnis der ersten Instanz bestätigt und das Rückstellungsbegehren somit endgültig abgelehnt wurde.209

3.1.2. Wien, Leopoldstadt Apotheke »Zur Hoffnung«, Wien 2., Heinestraße 37 Eigentümer der Apotheke »Zur Hoffnung« waren seit 1934 Mag. Fritz Schwarz zu 75 Prozent und Dr. Paul Hirsch zu 25 Prozent. Konzessionär der Apotheke war seit 1921 Mag. Schwarz.210 Der Betrieb erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 91.523,76 Reichsmark und war mit ungefähr 27.000,– Reichsmark verschuldet.211 Anfang Juni 1938 übernahm der spätere ›Ariseur‹ Mag. Egon 207 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 1, 103, Vergleich vom 20. März 1952; WStLA, LGZ, A 29, Rk 102/62, Gegenäußerung vom 22. Oktober 1953. 208 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 102/62, Teilerkenntnis vom 21. September 1954. 209 Ebd., Beschluss vom 7. Februar 1955. 210 Krug, Wiener Apotheken. 211 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem

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Fleischmann die verantwortliche Leitung der Apotheke »Zur Hoffnung« und mit Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle vom 18. November 1938 ging die Apotheke in sein Eigentum über.212 Der von der Vermögensverkehrsstelle festgesetzte Kaufpreis für die Apotheke »Zur Hoffnung« betrug dabei 64.066,63 Reichsmark. Davon wurde eine ›Arisierungsauflage‹ von 36.263,35 Reichsmark zu Gunsten der Vermögensverkehrsstelle abgezogen und der Rest des Kaufpreises zur Abdeckung der Betriebsverbindlichkeiten verwendet. Fritz Schwarz und sein Teilhaber Paul Hirsch erhielten nichts aus dem Zwangsverkauf ihrer Apotheke.213 Die Konzession für die Apotheke »Zur Hoffnung« erhielt Egon Fleischmann am 31. Dezember 1938.214 Mag. Fritz Schwarz floh 1939 mit seiner Familie nach Jugoslawien, wo er 1941 in Orohovice an den Folgen des nationalsozialistischen Terrors verstarb.215 Dr. Paul Hirsch konnte sich nach Australien in Sicherheit bringen, wo er später in Brisbane in der chemischen Industrie tätig wurde.216 Die Apotheke »Zur Hoffnung« wurde am 7. September 1945 unter öffentliche Verwaltung gestellt und von Mag. Karl Schmiedel geleitet.217 Als eine der ersten RückkehrerInnen aus dem Exil bemühte sich Gabriele Schwarz – Witwe und Erbin nach Mag. Fritz Schwarz – vorerst vergeblich um die Rückstellung der ihrem Mann 1938 entzogenen Apotheke. Auch ein Gesuch an Bundeskanzler Leopold Figl, das sie zusammen mit anderen RückkehrerInnen wie Mag. Bronislaw Herz und Mag.a Malvine Kirschen verfasste,218 zeitigte vorerst kein befriedigendes Ergebnis. Die Antwort des Bundesministeriums für soziale Verwaltung auf ihr Rückstellungsbegehren liest sich wie folgt: Über ihr an den Herrn Bundeskanzler gerichtetes, von ihm mir zur Prüfung übersandtes Gesuch, muss ich ihnen leider mitteilen, dass ich Ihnen zur Zeit nur die Mitarbeit in der Ihnen seinerzeit entzogenen Apotheke bewilligen kann. Ihr seinerzeit eingereichtes Ansuchen um Gewährung eines Unterhaltsbeitrages aus der Apotheke »Zur Hoffnung« in Wien, II., Heinestr. 37, wurde an das Bundesministerium für Ver-

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Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939, Verschuldung errechnet als Differenz von Kaufpreis und ›Arisierungsauflage‹. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 70, Anmeldung durch Gabriele Schwarz vom 5. November 1946. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Krug, Wiener Apotheken. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 223; ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 7, V-11.480 – 18/46, Mag. Bronislav Herz u. a. an Bundeskanzler Leopold Figl vom 8. März 1946. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 221. Krug, Wiener Apotheken. ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 7, V-11.480 – 18/46, Mag. Bronislav Herz u. a. an Bundeskanzler Leopold Figl vom 8. März 1946.

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mögensicherung und Wirtschaftsplanung in Wien, I., Hofburg, Amalientrakt, zuständigkeitshalber befürwortet weitergeleitet und hoffe ich, dass ihrem Anbringen Folge gegeben wird. Bezüglich Rückgabe der Ihnen seinerzeit entzogenen Apotheke wird die gesetzliche Regelung der gesamten Wiedergutmachungsfrage abgewartet werden müssen.219

Am 28. August 1946 gelang es Gabriele Schwarz dennoch, zur öffentlichen Verwalterin der Apotheke »Zur Hoffnung« bestellt zu werden,220 und 1948 wurde die Apotheke an sie und ihren Sohn Mag. Herbert Schwarz zurückgestellt.221 Am 24. Mai 1950 wurde von Gabriele Schwarz und ihrem Sohn sowie Mag. Isidor Gingold eine offene Handelsgesellschaft zum Weiterbetrieb der Apotheke gegründet.222 Die Konzession für die Apotheke »Zur Hoffnung« erhielt Mag. Gingold am 10. Juli 1950.223

Bären-Apotheke, Wien 2., Taborstraße 26 Eigentümerinnen dieser Real-Apotheke waren seit 1936 Martha Raditz zu 25 Prozent und ihre Tochter Mag.a Elisabeth Brüll zu 75 Prozent. Seit 1930 führte Elisabeth Brüll die Apotheke als verantwortliche Leiterin.224 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 72.054,88 Reichsmark auf und war schuldenfrei.225 Auch in diesem Betrieb wurde Mag. Edwin Renner als kommissarischer Verwalter eingesetzt226 und die Apotheke schließlich an Mag. Rudolf Trnkoczy verkauft. Als Kaufpreis wurden von der Vermögensverkehrsstelle 50.438,42 Reichsmark festgelegt, wovon 30.263,05 Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ an die Vermögensverkehrsstelle und 20.175,37 Reichsmark auf Sperrkonten zu Gunsten der ehemaligen Eigentümerinnen zu zahlen waren.227 Die Bären-Apotheke wurde daraufhin mit Bescheid des Besonderen Stadtamtes in Wien vom 219 Ebd., BM Karl Maisel an Gabriele Schwarz vom 10. April 1946. 220 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 70, Anmeldung durch Gabriele Schwarz vom 5. November 1946. 221 WStLA, NSDAP Wien (1932 – 1955), Kartei des Gauamts für Volksgesundheit, Index: allgemein A–Z; Fritsch, Pharmazie, 112. 222 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 3894; zu Mag. Isidor Gingold siehe auch Kapitel 4.1.12., Apotheke »Zum hl. Josef«. 223 Krug, Wiener Apotheken. 224 Krug, Wiener Apotheken 225 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 226 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 8 (1939), 112. 227 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939.

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30. November 1938 in das Eigentum des Mag. Trnkoczy übertragen228 und im Februar 1939 dieser Eigentumswechsel im Handelsregister protokolliert.229 Zum weiteren Schicksal der ehemaligen jüdischen Inhaberinnen der BärenApotheke und ihrer Anteile an der Apotheke machte Rudolf Trnkoczy in seiner Anmeldung entzogenen Vermögens vom 12. November 1946 folgende Angaben: Ausserdem habe ich die Vorbesitzer, mit denen ich von Anfang an in bestem Einvernehmen gestanden bin, durch monatliche Barleistungen und Naturalzubussen unterstützt. Die Vorbesitzer verblieben bis zu ihrer Verschickung in Lager durch ca 4 Jahre in Wien. Während dieser ganzen Zeit habe ich sie in jeder nur erdenklichen Art und Weise unterstützt und war mit ihnen in ständigem persönlichen und freundschaftlichen Kontakt. […] Als die Vorbesitzer, welche ich auch während ihrer Verschickung in Lager unterstützt hatte, wieder nach Wien zurückgekehrt waren, und zwar Frau Elisabeth Reif im Mai 1945 und Frau Martha Raditz im Juni 1934 [gemeint ist sicher Juni 1945], habe ich dieselben sofort bei mir aufgenommen und befinden sich beide seit dieser Zeit in gemeinsamem Haushalt mit mir. Bezüglich der Fortführung des gemeldeten Unternehmens ist ein Gesellschaftsvertrag errichtet worden, dessen notariell beglaubigte Abschrift ich beilege. In diesem Vertrag haben wir uns vollkommen ausgeglichen und gehört das Unternehmen jetzt: Frau Martha Raditz zu 25 %, Frau Elisabeth Reif zu 25 % und mir zu 50 %. Dieser Vertrag ist zwecks Protokollierung der Gesellschaft beim Gericht, Wien I. Riemergasse eingereicht worden und ist seit 1. Aug. 1945 in Geltung.230

Mag.a Elisabeth Raditz – sie hatte zwischenzeitlich ein zweites Mal geheiratet und trug nun den Namen Reif – war am 23. Oktober 1941 in das Getto Łûdz´ deportiert worden, wo sie die nächsten Jahre als Apothekerin tätig war.231 Am 9. Juli 1944 wurde sie von Łûdz´ nach Auschwitz deportiert. Elisabeth Reif überlebte ihren Aufenthalt in dem nationalsozialistischen Vernichtungslager und wurde am 25. Juli 1944 in das Konzentrationslager Gross-Rosen überstellt. Am 17. April 1945 wurde sie schließlich im Lager Mährisch Weisswasser von der Roten Armee befreit.232 Sie kehrte im Mai 1945 nach Wien zurück und emigrierte später in die USA.233 Martha Raditz versuchte nach der Deportation ihrer Tochter im Oktober 1941, dem nationalsozialistischen Terror zu entkommen. Sie wurde beim Versuch, die Grenze des Deutschen Reiches zu überschreiten, von der Geheimen Staatspolizei im Jänner 1942 festgenommen234 und am 1. April

228 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 50 (1938), 257. 229 Ebd., Nr. 8 (1939), 112. 230 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1402, Beilagen zur Anmeldung durch Mag. Rudolf Trnkoczy vom 12. November 1946. 231 DÖW, Deportationskartei der IKG Wien. 232 Ebd. 233 Ebd. 234 DÖW, Gestapo.

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1943 nach Terez†n deportiert.235 Sie überlebte, obwohl mittlerweile 70 Jahre alt, das Konzentrationslager Terez†n und kehrte im Juni 1945 nach Wien zurück.236 Erzherzog Karl-Apotheke, Wien 2., Ennsgasse 23 EigentümerInnen der Erzherzog Karl-Apotheke waren nach dem Ableben des Vorbesitzers Mag. Emil Silberstein am 12. November 1934 seine Witwe Clothilde Silberstein zu 70 Prozent und sein Sohn Mag. August Silberstein zu 30 Prozent. Letzterer erhielt die Konzession zum Betrieb der Apotheke am 19. Jänner 1937.237 Der Betrieb erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 92.516,80 Reichsmark und war mit 40.168,85 Reichsmark verschuldet.238 Im Juni 1938 wurde der spätere ›Ariseur‹ Mag. Karl Juffmann – er war seit 1. Oktober 1928 Angestellter der Apotheke239 und seit 1. Jänner 1937 Mitglied der NSDAP240 – zum verantwortlichen Leiter bestellt.241 Anfang August 1938 wurde SA-Sturmbannführer Mag. Renner als kommissarischer Verwalter für die Erzherzog Karl-Apotheke eingesetzt, der seinerseits Karl Juffmann als verantwortlichen Leiter bestätigte.242 Im November 1938 wurde schließlich ein Kaufvertrag errichtet, in dem die Vermögensverkehrsstelle den Kaufpreis für die Apotheke mit 64.761,– Reichsmark festsetzte. Die Übernahme der Betriebsverbindlichkeiten durch Mag. Juffmann wurde dabei als Teil des Kaufpreises erachtet und weiters eine ›Arisierungsauflage‹ von 22.054,– Reichsmark vorgeschrieben, die in gleichen Monatsraten über die nächsten zehn Jahre zu begleichen wäre. Clothilde und August Silberstein erhielten nichts aus dem Zwangsverkauf ihrer Apotheke.243 Karl Juffmann erhielt die Konzession 235 ÖStA, AdR, E- uReang., FLD 26730, FA Innere Stadt-Ost an die Länderbank AG vom 11. September 1943. 236 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1402, Beilage 4/b zur Anmeldung durch Mag. Rudolf Trnkoczy vom 12. November 1946. 237 Krug, Wiener Apotheken; ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 238 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1834, Anmeldung durch Mag. Karl Juffmann vom 15. November 1950. 239 Krug, Wiener Apotheken. 240 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1945, Kt. 2, IV-160.442 – 15/45, Provisorischer Ausschuss Österreichischer Apotheker an das StAfsV vom 3. Juli 1945. 241 Pharmazeutische Presse, Nr. 25 (1938), 217. 242 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 33 (1938), 26, u. Nr. 34 (1938), 39. 243 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1834, Anmeldung durch Mag. Karl Juffmann vom 15. November 1950.

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zum Betrieb der Erzherzog Karl-Apotheke am 29. November 1938.244 Sofort nach Abschluss des Kaufvertrages trat Mag. Franz Wollmann – NSDAP-Mitglied seit 1933245 – dem Unternehmen als Gesellschafter bei246 und im Jänner 1939 wurden die neuen Inhaber im Wiener Handelsregister protokolliert.247 Mag. August Silberstein und seine Mutter Clothilde Silberstein konnten noch 1938 fliehen und emigrierten über Panama nach S¼o Paulo in Brasilien.248 Im Juli 1945 wurde die Erzherzog Karl-Apotheke unter öffentliche Verwaltung gestellt249 und zuerst von Mag. Friedrich Gruber und ab 21. Jänner 1947 bis zur Aufhebung der öffentlichen Verwaltung am 10. Jänner 1951 von Dr.a Juliane Trauner geleitet.250 Mag. Karl Juffmann wurde im Oktober 1946 vom Volksgericht Wien wegen Denunziation und missbräuchlicher Bereicherung während der NS-Zeit zu zweieinhalb Jahren verschärften Kerkers, Ersatz der Kosten des Strafverfahrens und Vermögensverfall zu Gunsten der Republik Österreich verurteilt.251 1947 beantragte Mag. August Silberstein die Rückstellung der Erzherzog Karl-Apotheke. Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 18. November 1950 mit einem Vergleich, in dem ihm gegen die Bezahlung einer Gegenforderung der ›Ariseure‹ in Höhe von 40.000,– Schilling die Apotheke samt Konzession zurückgestellt wurde.252 1951 verkaufte August Silberstein die Apotheke an die am 29. September 1951 gegründete offene Handelsgesellschaft »Erzherzog Karl-Apotheke, Perner & Co«.253 Mag. Silberstein kehrte nicht nach Österreich zurück und verstarb Anfang der 1970er-Jahre in S¼o Paulo.254

244 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 50 (1938), 257. 245 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1945, Kt. 2, IV-160.442 – 15/45, Provisorischer Ausschuss Österreichischer Apotheker an das StAfsV vom 3. Juli 1945. 246 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1834, RA Dr.a Elisabeth Pann an das Magistratische Bezirksamt für den 2. Wiener Gemeindebezirk vom 15. November 1950. 247 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 3 (1938), 44. 248 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 224; Fritsch, Pharmazie, 112. 249 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1834, RA Dr.a Elisabeth Pann an das Magistratische Bezirksamt für den 2. Wiener Gemeindebezirk vom 15. November 1950. 250 Krug, Wiener Apotheken; zu Mag. Friedrich Gruber und Dr.a Juliane Trauner geb. Adelpoller siehe auch Kapitel 5.1.20., Apotheke »Zur Mutter Gottes«. 251 Ebd. 252 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1834, Vergleich vom 18. November 1950. 253 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 9290. 254 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 224.

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Franzensbrücken-Apotheke, Wien 2., Franzensbrückenstraße 17 Eigentümerin und Konzessionärin der Franzensbrücken-Apotheke war seit 1933 Dr.a Minna Huppert.255 1937 erwirtschaftete der Betrieb einen Umsatz von 46.123,96 Reichsmark und war schuldenfrei.256 Mit Kaufvertrag vom 18. Juli 1938 ›arisierte‹ Dr. Wilhelm Koch die Apotheke.257 Er wurde am 25. August 1938 zum verantwortlichen Leiter bestellt.258 Als Kaufpreis wurde von der Vermögensverkehrsstelle der Betrag von 32.286,80 Reichsmark festgelegt. Davon erhielt die Vermögensverkehrsstelle 19.372,10 Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹, der Rest von 12.914,70 Reichsmark wurde für Dr.a Huppert auf ein Sperrkonto hinterlegt.259 Die Konzession für die Franzensbrücken-Apotheke erhielt Dr. Koch am 12. Oktober 1938,260 die endgültige Genehmigung für den Vermögenstransfer wurde am 21. November 1938 von der Vermögensverkehrsstelle erteilt.261 Im Jänner 1939 wurden die veränderten Eigentumsverhältnisse schließlich auch im Handelsregister protokolliert.262 Dr. Minna Huppert konnte 1939 nach Shanghai flüchten. Später emigrierte sie nach Melbourne in Australien, wo sie wieder als Pharmazeutin arbeitete.263 Am 8. April 1945 wurde die Franzensbrücken-Apotheke durch Kampfhandlungen vollständig zerstört.264 1949 beantragte Dr. Minna Huppert die Rückstellung ihrer 1938 entzogenen Apotheke. Nachdem ihr in einem Teilerkenntnis der Rückstellungskommission Wien V vom 21. April 1951 die Apotheke zugesprochen wurde,265 schloss Dr. Huppert am 26. Juni 1951 mit Dr. Koch einen Vergleich, in dem sie gegen die Zahlung von 85.000,– Schilling auf die Rückstellung ihrer Apotheke verzichtete.266

255 Krug, Wiener Apotheken. 256 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 257 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1893, Teilerkenntnis vom 21. April 1951. 258 Krug, Wiener Apotheken. 259 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 260 Krug, Wiener Apotheken. 261 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1893, Anmeldung durch Dr. Wilhelm Koch vom 1. Februar 1952. 262 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 6 (1939), 86. 263 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 221. 264 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1893, Anmeldung durch Dr. Wilhelm Koch vom 1. Februar 1952. 265 Ebd., Teilerkenntnis vom 21. April 1951. 266 Ebd., Vergleich vom 26. Juni 1951.

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Freudenauer-Apotheke, Wien 2., Handelskai 426267 Eigentümer und Konzessionär der Freudenauer-Apotheke war seit ihrer Eröffnung im September 1932 Mag. Arthur Boltuch.268 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 45.400,– Reichsmark269 und war mit 18.134,– Reichsmark verschuldet.270 Mit Kaufvertrag vom 1. Oktober 1938 wurde die Apotheke von Mag. Karl Löschnigg – er war seit Februar 1935 Mitglied und Organisationsleiter der NSDAP271 – ›arisiert‹.272 Als Kaufpreis wurden von der Vermögensverkehrsstelle 31.780,– Reichsmark und eine ›Arisierungsauflage‹ von 18.019,55 Reichsmark vorgeschrieben.273 Mag. Boltuch erhielt, mit dem Argument, dass die Verbindlichkeiten der Apotheke vom ›Ariseur‹ übernommen worden waren, nichts aus dem Zwangsverkauf seiner Apotheke.274 Am 31. Dezember 1938 erhielt Karl Löschnigg auch die Konzession für die FreudenauerApotheke.275 Mag. Arthur Boltuch verstarb am 20. Jänner 1940 in Wien im Alter von 59 Jahren an den Folgen der zahlreichen Verfolgungen und Schädigungen, die er durch die NationalsozialistInnen erleiden musste.276 Er wurde am 26. Jänner 1940 am Wiener Zentralfriedhof beerdigt.277 In den Apriltagen 1945 wurde die Freudenauer-Apotheke durch Kampfhandlungen schwer beschädigt und geplündert.278 Bei der Befreiung Wiens durch die Rote Armee verübte Mag. Karl Löschnigg am 10. April 1945 Selbst-

267 Heute: Freudenauer-Apotheke, Wien 2., Wehlistraße 307. 268 Krug, Wiener Apotheken. 269 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 270 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1084, Anmeldung durch Hedwig Boltuch vom 11. November 1946. 271 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, V-5709 – 18/46, Wiener Apotheker-Hauptgremium an das BMfsV vom 8. Februar 1946. 272 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1084, Anmeldung durch Hedwig Boltuch vom 11. November 1946. 273 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 274 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1084, Anmeldung durch Hedwig Boltuch vom 11. November 1946. 275 Krug, Wiener Apotheken. 276 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, IV-1842 – 15/46, Hedwig Boltuch an das StAfsV vom 28. Dezember 1945. 277 Stadt Wien, Friedhofsdatenbank, www.friedhoefewien.at (15. 10. 2007). 278 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1084, Anmeldung durch Hedwig Boltuch vom 11. November 1946.

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mord,279 die Apotheke wurde in Folge bis Ende 1945 von den sowjetischen Truppen zu Wohnzwecken beschlagnahmt.280 Am 21. Jänner 1947 wurde Hedwig Boltuch, die Witwe nach Mag. Arthur Boltuch, zur öffentlichen Verwalterin der Freudenauer-Apotheke bestellt. Da sie die gesetzlichen Erfordernisse zur selbständigen Leitung nicht erbringen konnte, wurde ihr die Auflage erteilt, für die pharmazeutische Leitung der Apotheke einen Provisor durch das Apotheker-Hauptgremium bestellen zu lassen.281 In einem am 13. Februar 1951 vor der Rückstellungskommission Wien I geschlossenen Vergleich wurde Hedwig Boltuch von den Erbinnen Mag. Karl Löschniggs die Freudenauer-Apotheke und die Konzession zum Betrieb derselben zurückgestellt.282

Mathilden-Apotheke, Wien 2., Gaußplatz 3 Eigentümer und Konzessionär der Mathilden-Apotheke war seit September 1911 Mag. Friedrich Altschul.283 Die Apotheke erwirtschafte 1937 einen Jahresumsatz von 48.696,76 Reichsmark und war schuldenfrei.284 Am 24. August 1938 wurde zum Zwecke der ›Arisierung‹ Mag. Karl Foilt als verantwortlicher Leiter eingesetzt,285 der am 28. November 1938 in dieser Position von Mag. Hans Ledwinka ersetzt wurde, der die Apotheke letztlich ›arisieren‹ sollte.286 Von der Vermögensverkehrsstelle wurde der Übernahmepreis für die Mathilden-Apotheke mit 34.087,70 Reichsmark festgelegt und davon eine ›Arisierungsauflage‹ von 20.452,62 Reichsmark bestimmt. Für Mag. Altschul sollten 13.635,08 Reichsmark auf ein Sperrkonto eingezahlt werden.287 Die Konzession zum Betrieb der Apotheke wurde am 31. Dezember 1938 auf Hans Ledwinka übertragen.288 Mag. Friedrich Altschul verstarb am 2. Juni 1941 im Alter von 60 Jahren im 279 Krug, Wiener Apotheken.; ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, IV-8524 – 18/47, Aktenvermerk vom 6. August 1945. 280 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, IV-1842 – 15/46, Hedwig Boltuch an das StAfsV vom 28. Dezember 1945. 281 Ebd., Bescheid des BMfVuW vom 21. Jänner 1947. 282 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1084, Vergleich vom 13. Februar 1951. 283 Vgl. Wiener Apotheker-Hauptgremium, Apothekerwesen in Wien, 79; Krug, Wiener Apotheken. 284 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 285 Krug, Wiener Apotheken; Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 37 (1938), 76. 286 Krug, Wiener Apotheken; Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 51 (1938), 267. 287 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 288 Krug, Wiener Apotheken.

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Rothschildspital in Wien und wurde zwei Tage später am Wiener Zentralfriedhof beerdigt.289 Im April 1945 wurde die Apotheke geplündert und am 26. April 1945 unter öffentliche Verwaltung durch Mag. Karl Martin Weeber gestellt. Diesem folgte am 15. Oktober 1945 Mag. Hermann Liebig als öffentlicher Verwalter,290 der am 15. Dezember 1947 durch Mag.a Cilli Baumgarten in dieser Position abgelöst wurde.291 1948 beantragten Susanne Skrein und Johanna Locker, die Töchter Mag. Friedrich Altschuls, von London aus die Rückstellung der ihrem Vater 1938 entzogenen Mathilden-Apotheke. Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 11. November 1948 mit einem Vergleich, in dem den Antragstellerinnen gegen die Zahlung von 1.500,– Schilling die Apotheke samt Miet- und Betriebsrechten zurückgestellt wurde.292 Die öffentliche Verwaltung der Apotheke wurde am 14. Jänner 1949 aufgehoben293 und Mag.a Cilli Baumgarten – auch sie eine von den NationalsozialistInnen verfolgte Pharmazeutin, die sich im Februar 1939 nach England in Sicherheit bringen konnte und im März 1946 nach Wien zurückkehrte – am 25. Jänner 1949 als verantwortliche Leiterin der Apotheke eingesetzt.294 Apotheke »Zur Rotunde«, Wien 2., Ausstellungsstraße 53295 Eigentümer der Apotheke »Zur Rotunde« waren seit 1936 Dr. Hans Spitzer und Dr. Franz Klein, letzterer besaß auch die Konzession zum Betrieb der Apotheke. 1937 erwirtschaftete die Apotheke einen Jahresumsatz von 76.564,50 Reichsmark und war schuldenfrei.296 Noch im März 1938 wurde der spätere ›Ariseur‹ Mag. Alois Wahl – er war seit 1932 Mitglied der NSDAP297 – zum verantwortlichen Leiter bestellt298 und mit Dekret des Staatskommissars in der Privatwirtschaft vom 24. Mai 1938 wurde Mag. Edwin Renner als kommissarischer Verwalter der Apotheke eingesetzt.299 Am 15. Juli 1938 wurde sodann ein Kaufver289 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 218; IKG Wien, Friedhofsdatenbank, http:// www.ikg-wien.at (05. 10. 2007). 290 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 11, Anmeldung durch Mag. Hermann Liebig im Oktober 1946. 291 Krug, Wiener Apotheken. 292 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 11, Vergleich vom 11. November 1948. 293 Krug, Wiener Apotheken. 294 Vgl. Fritsch, Pharmazie, 88. 295 Heute: Rotunden-Apotheke. 296 Krug, Wiener Apotheken; AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 297 Krug, Wiener Apotheken. 298 Pharmazeutische Presse, Nr. 15 (1938), 132. 299 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 33 (1938), 26.

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trag zur Übergabe der Apotheke an Mag. Alois Wahl errichtet.300 Als Kaufpreis wurde von der Vermögensverkehrsstelle der Betrag von 53.595,15 Reichsmark bestimmt und eine ›Arisierungsauflage‹ von 32.157,10 Reichsmark vorgeschrieben.301 Die ehemaligen Eigentümer der Apotheke erhielten nach Angabe des ›Ariseurs‹ Mag. Wahl 21.448,70 Reichsmark bar ausbezahlt.302 Alois Wahl erhielt die Konzession zum Betrieb der Apotheke »Zur Rotunde« am 12. Oktober 1938,303 die neuen Eigentumsverhältnisse wurden schließlich im Jänner 1939 im Handelsregister protokolliert.304 Dr. Hans Spitzer konnte noch 1938 nach Australien emigrieren, wo er bis zu seinem Ableben 1975 als Chemiker tätig war.305 Auch Dr. Franz Klein konnte sich vor der nationalsozialistischen Verfolgung in Sicherheit bringen und emigrierte über Belgien in die USA.306 Die Apotheke »Zur Rotunde« wurde am 10. April 1945 durch Kampfhandlungen vollständig zerstört.307 Zur Aufrechterhaltung der Medikamentenversorgung errichtete Mag. Alois Wahl im Sommer 1945 in Wien 2, Sebastian Kneippgasse 8, einen Notbetrieb, den er im September 1945 eröffnete.308 1948 beantragten Dr. Franz Klein und Dr. Hans Spitzer die Rückstellung ihrer Apotheke. Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 10. Mai 1949 mit einem Vergleich, in dem die Antragsteller gegen die Zahlung von 70.000,– Schilling auf die Rückstellung der Apotheke »Zur Rotunde« verzichteten.309

300 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1041, Anmeldung durch Mag. Alois Wahl vom 12. November 1946. 301 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 302 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1041, Anmeldung durch Mag. Alois Wahl vom 12. November 1946. Ähnliche, nicht verschriftlichte Zusatzvereinbarungen finden sich auch in anderen Arisierungsfällen und erscheinen daher auch hier plausibel. Ob die Angaben von Alois Wahl tatsächlich der Wahrheit entsprechen, konnte nicht festgestellt werden. 303 Krug, Wiener Apotheken. 304 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 3 (1938), 44. 305 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 224. 306 Ebd., 221. 307 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1041, Anmeldung durch Mag. Alois Wahl vom 12. November 1946. 308 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-34.288 – 18/46, Wiener Apotheker-Hauptgremium an BM f. soziale Verwaltung vom 6. Juli 1946. 309 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 2, 1041, Vergleich vom 10. Mai 1949.

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3.1.3. Wien, Erdberg Apotheke »Zum heiligen Othmar«, Wien 3., Löwengasse 35310 Eigentümerin der Apotheke war seit 1934 die offene Handelsgesellschaft »Apotheke zum heil. Othmar Ph. Mr. Hans Schuh & Co«.311 Gesellschafter dieser OHG waren Anfang 1938 Mag. Betty Püringer mit einer Beteiligung von 25 Prozent, die Verlassenschaft nach Mag. Hedwig Neumann mit 17 Prozent, Dr. Ferdinand Neumann mit 33 Prozent sowie Mag. Hans Schuh mit einer Beteiligung von 25 Prozent.312 Konzessionär der Apotheke »Zum heiligen Othmar« war seit Mai 1934 Mag. Hans Schuh,313 an Dr.a Gisela Weiss, die Schwester von Mag.a Püringer, war seit 1930 die Prokura für die Firma erteilt.314 Das Unternehmen erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 62.933,60 Reichsmark und war schuldenfrei.315 Ursprünglich sollte nur die Beteiligung von Mag.a Püringer ›arisiert‹ werden. Wie es zur Übernahme aller Gesellschaftsanteile durch Dr.a Christine Vogl kam, erklärte diese in ihrer Beilage zur Anmeldung entzogenen Vermögens vom 12. November 1946 wie folgt: Im Sommer 1938 wurde mir durch den Beamten der Apothekerkammer in Wien, Herrn Anton Bartolschitz, die Apotheke zum heil. Othmar Hans Schuh & Co in Wien III., Löwengasse 35, zum Kaufe angeboten. […] Sowohl die Verlassenschaft Ph. Mr. Hedwig Neumann wie Frau Ph. Mr. Betty Püringer wollten verkaufen, letztere weil sie Jüdin nach den Nürnberger Gesetzen war. Dem Verkaufe schlossen sich dann die anderen Gesellschafter, Mr. Schuh und Dr. Neumann an. Frau Mr. Betty Püringer war zur Zeit des Kaufabschlusses bereits in Prag und wurde durch ihre Schwester, Frau Dr. Gisela Weiss, die Generalvollmacht von ihr hatte, vertreten.316

Der entsprechende Kaufvertrag wurde am 2. August 1938 errichtet317 und die Übertragung der Geschäftsanteile von Betty Püringer an Christine Vogl im 310 Heute: Wien 3., Hetzgasse 37. 311 WStLA, Handelsgericht Wien (1863 – 20. Jh.), B 76, A–Register : offene Handelsgesellschaften 1906 – 1938, A 3, 57. 312 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 427, Beilage zur Anmeldung durch Dr.a Christine Vogel vom 12. November 1946. 313 Krug, Wiener Apotheken. 314 WStLA, Handelsgericht Wien (1863 – 20. Jh.), B 76, A–Register : offene Handelsgesellschaften 1906 – 1938, A 3, 57. 315 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Der dort angegebene Jahresumsatz 1937 bezieht sich nur auf den Anteil von Mag.a Püringer und wurde für die obige Darstellung auf den Gesamtumsatz hochgerechnet. 316 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 427, Beilage zur Anmeldung durch Dr.a Christine Vogel vom 12. November 1946. 317 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 427, Beilage zur Anmeldung durch Dr.a Christine Vogel vom 12. November 1946.

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Herbst 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt. Letztere setzte den Kaufpreis für die Anteile von Betty Püringer mit 11.013,47 Reichsmark fest und schrieb eine ›Arisierungsauflage‹ von 6.618,09 Reichsmark vor. 4.405,38 Reichsmark gingen an ein Sperrkonto für Mag.a Betty Püringer bei der Pharmakred.318 Die Konzession für die Apotheke »Zum heiligen Othmar« erhielt Dr.a Christine Vogl am 5. November 1938,319 der ehemalige Konzessionär Mag. Hans Schuh blieb als Angestellter in der Apotheke.320 Betty Püringer, die schon vor dem Zwangsverkauf ihrer Geschäftsanteile nach Prag geflüchtet war, emigrierte später nach Palästina, wo sie 1941 in Tel Aviv verstarb.321 Auch ihre Schwester Gisela Weiss konnte sich vor der nationalsozialistischen Verfolgung nach Tel Aviv in Sicherheit bringen.322 Die Apotheke »Zum heiligen Othmar« wurde am 8. April 1945 durch einen während der Kampfhandlungen um Wien von der SS gelegten Brand vollständig zerstört. Dr.a Christine Vogl richtete daher in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Standortes der Apotheke in der Hetzgasse 40 einen Notbetrieb ein.323 1948 beantragten Gisela Weiss und ihr Bruder Theodor G. White die Rückstellung der ihrer Schwester 1938 entzogenen Geschäftsanteile an der Apotheke »Zum heiligen Othmar«. Ein daraufhin geführtes Rückstellungsverfahren endete am 31. August 1949 mit einem Vergleich, in dem die AntragstellerInnen gegen die Zahlung von 35.000,– Schilling auf die Rückstellung der Gesellschaftsanteile verzichteten.324 Carolus-Apotheke, Wien 3., Rennweg 41 Die Carolus-Apotheke war seit 1935 zu gleichen Teilen im Eigentum von Mag. Karl Rosner und Mag. Josef Epstein, letzterer hatte die Konzession zum Betrieb der Apotheke am 16. Februar 1924 erhalten.325 Die Apotheke erzielte 1937 einen Jahresumsatz von 64.200,– Reichsmark326 und war mit 49.903,– Reichsmark 318 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 319 Krug, Wiener Apotheken. 320 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. 321 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 748, Beilage zur Anmeldung durch die Trofaiacher Eisen& Stahlwerke AG vom 12. November 1946. 322 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 427, Vergleich vom 26. Oktober 1949. 323 Ebd., Anmeldung durch Dr.a Christine Vogel vom 5. November 1946. 324 Ebd., Vergleich vom 26. Oktober 1949. 325 Krug, Wiener Apotheken; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 61, Anmeldung durch Dr. Julius Hahn vom 7. November 1946. 326 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939.

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verschuldet.327 Am 15. Juli 1938 wurde zwischen den jüdischen Eigentümern und dem ›Ariseur‹ Mag. Josef Hannl ein mündlicher Kaufvertrag vereinbart,328 der später von der Vermögensverkehrsstelle neu festgelegt wurde. Der Kaufpreis für die Carolus-Apotheke wurde amtlich mit 44.940,– Reichsmark bestimmt,329 für die ehemaligen Eigentümer sollten 17.979,– Reichsmark auf Sperrkonten überwiesen werden. Davon erhielt Karl Rosner allerdings nur 3.000,– Reichsmark, um seine Ausreise zu finanzieren.330 Als ›Arisierungsauflage‹ wurden in diesem Fall nur 729,50 Reichsmark von der Vermögensverkehrsstelle vorgeschrieben,331 da der Großteil des Kaufpreises für die Begleichung der Verbindlichkeiten verwendet wurde. Die Konzession zum Betrieb der Carolus-Apotheke erhielt Josef Hannl schließlich am 20. Februar 1939.332 Mag. Karl Rosner konnte noch 1938 fliehen333 und emigrierte nach New York.334 Mag. Josef Epstein blieb in Wien und wurde von dort am 15. Oktober 1941 nach Łûdz´ deportiert.335 Er war noch ein halbes Jahr im Getto als Apotheker tätig und verstarb im Alter von 66 Jahren am 10. Mai 1942 im Getto Łûdz´.336 Am 2. Juli 1945 verstarb Mag. Josef Hannl in Wien, die Carolus-Apotheke wurde am 19. September 1945 unter öffentliche Verwaltung gestellt und von Mag. Theodor Heinrich Mayer bis zu seinem Tod am 3. November 1949 geleitet. Vom 25. Jänner 1950 bis zum 29. Dezember 1953 wurde Mag. Rudolf Zaininger von Amts wegen mit der Leitung der Apotheke betraut.337 1953 beantragten Mag. Karl Rosner und die ErbInnen nach Mag. Josef Epstein, seine Kinder Camillo Epstein und Gertrud Auerbach, die Rückstellung der Carolus-Apotheke. Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 28. Dezember 1953 mit einem Vergleich, in dem die AntragstellerInnen gegen

327 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 390, Anmeldung durch Dr. Theodor Mayer, 14. November 1946. 328 Ebd. 329 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 330 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 61, Anmeldung durch Dr. Julius Hahn vom 7. November 1946. 331 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 332 Krug, Wiener Apotheken. 333 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 223. 334 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 61, Anmeldung durch Dr. Julius Hahn vom 7. November 1946. 335 DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001. 336 Yad Vashem, http://www.yadvashem.org (Oktober 2007). 337 Krug, Wiener Apotheken; zu Mag. Rudolf Zaininger siehe auch Kapitel 4.1.14., Apotheke »Zur heiligen Maria vom Siege«.

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die Zahlung von 455.000,– Schilling auf die Rückstellung der Apotheke verzichteten.338 Erdberg-Apotheke, Wien 3., Schlachthausgasse 11 Eigentümer und Konzessionär der Erdberg-Apotheke war seit 1928 Mag. Isaak Schatz.339 Der Betrieb erzielte 1937 einen Jahresummsatz von 34.990,60 Reichsmark340 und wies Schulden in der Höhe von 33.758,– Reichsmark auf. Am 1. Juli 1938 ›arisierte‹ Mag. Rudolf Steiner die Erdberg-Apotheke und stellte am 13. Juli 1938 ein Ansuchen um Erwerbung der Apotheke an die Vermögensverkehrsstelle. Diese setzte den Kaufpreis mit 24.493,– Reichsmark fest. Von diesem Übernahmepreis sollten 14.696,– Reichsmark an die Vermögensverkehrsstelle überwiesen und 9.797,– Reichsmark auf ein Sperrkonto des geschädigten Eigentümers einbezahlt werden. Die Vermögensverkehrsstelle verzichtete später in Anbetracht des von Mag. Steiner übernommenen Schuldenstandes auf die Überweisung der vorgeschriebenen ›Arisierungsauflage‹ und gab auch das Sperrkonto von Mag. Schatz zur Abdeckung der Schulden frei. Von dem Kaufpreis ist Isaak Schatz somit nichts zur freien Verfügung zugekommen. Rudolf Steiner bezahlte lediglich einen Betrag von 600,– Reichsmark als Unterstützung für die Auswanderung von Adam Schatz, dem Sohn von Mag. Isaak Schatz.341 Die Konzession für die Erdberg-Apotheke erhielt Mag. Rudolf Steiner am 7. November 1938,342 der Erwerb der Apotheke wurde schließlich am 18. November 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt.343 Mag. Isaak Schatz wurde am 15. Juli 1942 von Wien nach Terez†n deportiert und am 21. September 1942 von dort nach Treblinka gebracht. Er hat die nationalsozialistische Verfolgung nicht überlebt.344 Am 7. September 1945 wurde die Apotheke unter öffentliche Verwaltung gestellt und in Folge von Mag.a Melanie Nitsche bis zum 21. Mai 1947 und darauf bis zum 8. November 1948 durch Mag.a Maria Kless geleitet.345 Mit Urteil des Volksgerichts Wien vom 12. Juni 1947 wurde Rudolf Steiner als ›Illegaler‹ und NS-Funktionär nach § 11 Verbotsgesetz zu einem Jahr schweren Kerkers und 338 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 61 u. 390, Vergleich vom 28. Dezember 1953. 339 Krug, Wiener Apotheken. 340 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 341 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 935, Bescheid der FLD vom 28. September 1949. 342 Krug, Wiener Apotheken. 343 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 935, Bescheid der FLD vom 28. September 1949. 344 Yad Vashem, http://www.yadvashem.org (Oktober 2007). 345 Krug, Wiener Apotheken; zu Mag.a Maria Kless siehe auch Kapitel 5.1.12., Apotheke »Zur Maria Lourdes«.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Wien

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Verfall seines Vermögens zu Gunsten der Republik verurteilt.346 Da dadurch die Apotheke Eigentum der Republik wurde, war nach § 3 des Zweiten Rückstellungsgesetzes die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland für die Rückstellung zuständig.347 Ein von Adam Schatz am 26. März 1948 eingebrachtes Rückstellungsbegehren wurde daher mit Bescheid der Finanzlandesdirektion vom 28. September 1949 entschieden. Adam Schatz erhielt mit diesem Bescheid die seinem Vater 1938 entzogene Erdberg-Apotheke zurückgestellt.348 Fasan-Apotheke, Wien 3., Hohlweggasse 21 Eigentümer und Konzessionär der Fasan-Apotheke war seit 26. Juni 1909 Mag. Gustav Schüller.349 1937 erwirtschaftete diese Apotheke einen Jahresumsatz von 91.832,19 Reichsmark und war schuldenfrei.350 Am 19. Juli 1938 wurde zwischen Mag. Schüller und Mag. Karl Pucher ein Kaufvertrag errichtet, in dem von der Vermögensverkehrsstelle der Kaufpreis für die Apotheke mit 64.282,53 Reichsmark festgelegt wurde. Davon erhielt die Vermögensverkehrsstelle 38.569,52 Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹, die restlichen 25.713,01 Reichsmark wurden zu Gunsten Gustav Schüllers auf ein Sperrkonto hinterlegt.351 Karl Pucher wurde im August 1938 zum verantwortlichen Leiter bestellt352 und erhielt die Konzession zum Betrieb der Fasan-Apotheke mit Bescheid vom 26. September 1938.353 Im Februar 1939 wurden die veränderten Eigentumsverhältnisse im Handelsregister protokolliert.354 Mag. Gustav Schüller starb am 12. Februar 1939 im Alter von 61 Jahren im Sanatorium Auersperg,355 in der Auerspergstraße 9 im achten Wiener Gemeindebezirk.356

346 347 348 349 350 351 352 353 354 355 356

WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 935, Bescheid der FLD vom 28. September 1949. BGBl. Nr. 53/1947. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 935, Bescheid der FLD vom 28. September 1949. Vgl. Wiener Apotheker-Hauptgremium, Apothekerwesen in Wien, 98. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 394, Anmeldung durch Karoline Pucher vom 13. November 1946. Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 34 (1938), 39. Ebd., Nr. 40 (1938), 117. Ebd., Nr. 7 (1939), 102. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 394, Anmeldung durch Karoline Pucher für Mag. Karl Pucher vom 13. November 1946. Vgl. Tina Walzer u. Stephan Tempel, Unser Wien: »Arisierung« auf österreichisch, Berlin 2001, 207. Das »Sanatorium Luithen«, später »Auersperg« genannt, wurde 1907/08 nach

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

Am 21. Juni 1945 wurde Mag. Hans Brauner von der Abteilung II des Wiener Magistrats zum Leiter der Fasan-Apotheke bestellt357 und am 7. September 1945 als öffentlicher Verwalter eingesetzt.358 Ab 21. Jänner 1947 wurde die Apotheke dann von Mag.a Maria Eibel geleitet, bis Mag. Karl Pucher am 11. Februar 1949 wieder die Leitung der Fasan-Apotheke übernahm.359 1948 beantragte die Erbin nach Mag. Gustav Schüller, Ibolya Suranyi, die Rückstellung der 1938 entzogenen Apotheke. Im folgenden Rückstellungsverfahren einigte sie sich am 20. Oktober 1949 mit Mag. Pucher auf einen Vergleich, in dem sie gegen die Zahlung von 90.000,– Schilling auf die Rückstellung der Fasan-Apotheke verzichtete.360

Neuling-Apotheke, Wien 3., Neulinggasse 15361 Inhaber und Konzessionär der Neuling-Apotheke war seit 1925 Mag. Adalbert Glaser.362 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 73.532,04 Reichsmark auf und war schuldenfrei.363 Am 25. Juli 1938 wurde der Nationalsozialist364 Mag. Franz Fitz zum verantwortlichen Leiter der Apotheke bestellt.365 Im September 1938 genehmigte die Vermögensverkehrsstelle die ›Arisierung‹ der NeulingApotheke durch Franz Fitz366 und schrieb einen Kaufpreis von 51.472,40 Reichsmark für die Apotheke vor.367 Als ›Arisierungsauflage‹ waren 30.883,45 Reichsmark an die Vermögensverkehrsstelle zu entrichten, 20.588,95 Reichsmark wurden als Anteil für Adalbert Glaser bestimmt.368 Die Konzession für die Neuling-Apotheke erhielt Franz Fitz am 27. September 1938 und änderte den Namen der Apotheke in »Viktoria-Apotheke«.369

357 358 359 360 361 362 363 364 365 366 367 368 369

Plänen von Robert Oerley gebaut, heute befindet sich an diesem Standort das Hotel »The Levante Parliament«. ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1945, Kt.3, IV-161.524 – 15/45, Wiener M.Abt. II an das StAfsV vom 14. September 1945. Krug, Wiener Apotheken. Ebd. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 394 u. 462, Vergleich vom 20. Oktober 1949. Heute: Wien 3., Ungargasse 51. Krug, Wiener Apotheken. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Ebd. Krug, Wiener Apotheken.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Wien

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Mag. Adalbert Glaser blieb in Wien und wurde am 29. Juli 1942 nach Terez†n deportiert. Dort fiel er am 27. September 1942 der nationalsozialistischen Verfolgung zum Opfer.370 Am 20. Oktober 1945 wurde die Neuling-Apotheke unter öffentliche Verwaltung gestellt und bis März 1950 von Mag. Walter Blabensteiner geleitet.371 Die Apotheke wurde im März 1950 an Margarete Werner, die Erbin nach Adalbert Glaser, zurückgestellt. Da Margarete Werner die Apotheke nicht selbst führen konnte, gründete sie am 4. Mai 1950 zusammen mit Dr. Ernst Krug eine offene Handelsgesellschaft zum Betrieb der Apotheke. Die Apotheke erhielt auch wieder ihren alten Namen, nämlich »Neuling-Apotheke Mr. pharm. Adalbert Glaser«.372 Die Konzession für die Neuling-Apotheke erhielt Ernst Krug am 29. April 1950.373

St. Markus-Apotheke, Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 130 Die St. Markus-Apotheke stand seit 1931 zu gleichen Teilen im Eigentum von Mag. Elias Rosenberg und Mag. Arthur Löw, letzterer hatte die Konzession zum Betrieb der Apotheke am 11. Jänner 1909 erhalten.374 Der Betrieb wies 1937 einen Jahresumsatz von 61.333,34 Reichsmark auf und war schuldenfrei.375 Am 24. Mai 1938 wurde SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner als kommissarischer Verwalter eingesetzt, der daran ging, die ›Arisierung‹ des Betriebes durch Dr. Otto Türk in die Wege zu leiten.376 Dieser wurde Anfang Oktober 1938 zum verantwortlichen Leiter bestellt377 und übernahm am 21. November 1938 um den von der Vermögensverkehrsstelle festgesetzten Kaufpreis von 42.933,34 Reichs-

370 Yad Vashem, http://www.yadvashem.org (Oktober 2007). 371 Krug, Wiener Apotheken. 372 WStLA, M.Abt. 13, Kartei K 1/3, Apotheken; Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 7529. Die Rückstellung der Neuling-Apotheke an Margarete Werner ergibt sich aus einem Eintrag im Register des Handelsgerichts Wien vom 6. Juli 1950. Zum Rückstellungsverfahren selbst können keine weiteren Angaben gemacht werden. 373 WStLA, Kartei MA 212, K2 – 3, verstorbene Apotheker A-Z; zu Dr. Ernst Krug siehe auch Kapitel 5.1.1., Apotheke »Zum Schwan« sowie Kapitel 5.1.5., Apotheke »Zum heiligen Georg«. 374 WStLA, Kartei MA 212, K2 – 3, verstorbene Apotheker A-Z. 375 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 376 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 33 (1938), 26; zu Dr. Otto Türk siehe auch Kapitel 4.1.17., Marien-Apotheke. 377 Ebd., Nr. 41 (1938), 128.

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mark die St. Markus-Apotheke.378 Von dem Übernahmepreis gingen 25.759,99 Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ an die Vermögensverkehrsstelle, 17.173,34 Reichsmark wurden auf Sperrkonten der ehemaligen Eigentümer überwiesen.379 Am 8. Februar 1939 erhielt Otto Türk auch die Konzession zum Betrieb der Apotheke.380 Mag. Arthur Löw konnte 1939 Österreich verlassen. Er emigrierte über Italien in die USA, wo er 1943 in New York verstarb.381 Auch Mag. Elias Rosenberg verließ 1939 Wien382 und flüchtete nach Shanghai. Er verstarb dort am 4. August 1945.383 Am 16. August 1945 wurde die St. Markus-Apotheke unter öffentliche Verwaltung gestellt und – mit einer Unterbrechung vom 18. Jänner 1946 bis 3. Oktober 1947, in der die Apotheke durch die amerikanische property-control verwaltet wurde – von Mag.a Anna Schlichtinger bis zum 16. Mai 1950 geleitet.384 1947 wurde von den ErbInnen nach Mag. Arthur Löw, seiner Frau Anna Loew und seinem Sohn Peter C. Loew, sowie von der Erbin nach Mag. Elias Rosenberg, seiner Frau Dorit Rosenberg, ein Antrag auf Rückstellung der Apotheke gestellt. Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 29. November 1949 mit einem Vergleich, in dem den AntragstellerInnen die St. Markus-Apotheke zurückgestellt wurde.385

3.1.4. Wien, Wieden Belvedere-Apotheke, Wien 4., Prinz Eugen-Straße 24 Eigentümer und Konzessionär der Belvedere-Apotheke war seit 1932 Dr. Siegmund Becker,386 seine Frau Gabriele Becker war mit 50.000,– Reichsmark an der Apotheke beteiligt.387 Der Betrieb erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von

378 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 65, Anmeldung durch Mag.a Anna Schlichtinger, 6. November 1946. 379 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 380 Krug, Wiener Apotheken. 381 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 222. 382 Ebd., 223. 383 DÖW, Überlebende. 384 Krug, Wiener Apotheken. 385 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 3, 179, Anmeldung durch Franz Mayer vom 16. November 1946 sowie Vergleich vom 29. November 1949. 386 Krug, Wiener Apotheken. 387 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem

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55.245,98 Reichsmark388 und hatte Warenschulden in der Höhe von 19.653,99 Reichsmark.389 Nach dem ›Anschluss‹ im März 1938 versuchten Dr. Becker und seine Frau Gabriele Österreich möglichst rasch zu verlassen, und suchten aus diesem Grund einen Käufer oder eine Käuferin für ihre Apotheke. Schon am 23. März 1938 nahm daher Dr. Becker mit der aus Graz stammenden Dr.a Senta Fischer Kontakt auf, um über einen Verkauf seiner Apotheke in Verhandlung zu treten, er verkaufte die Belvedere-Apotheke an Dr.a Fischer am 4. April 1938. Als Kaufpreis wurde die Summe von 84.000,– Reichsmark bestimmt – das Eineinhalbfache des letzten Jahresumsatzes, wie vor dem ›Anschluss‹ üblich – und in der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Josef Gutwenger390 ein entsprechender Kaufvertrag errichtet. Die verantwortliche Leitung der Apotheke erhielt Dr.a Fischer am 9. April 1938. Die Konzessionsübertragung von Dr. Becker auf Dr.a Fischer verzögerte sich allerdings durch die im Frühjahr 1938 von den neuen Machthabern initiierte Umbildung der zuständigen Behörden, und am 30. Mai 1938 wurde Dr.a Senta Fischer vor den kommissarischen Verwalter aller jüdischen Apotheken in der Ostmark, SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner, zitiert. Dieser eröffnete ihr, dass der am 4. April 1938 errichtete Kaufvertrag in Hinblick auf die nationalsozialistische Rechtsauffassung ungültig sei, dass sie aber weiter gnadenhalber als Provisorin unter seiner Aufsicht die Belvedere-Apotheke leiten dürfe. Um aber die Apotheke erwerben zu können, müsse sich Dr.a Fischer als ›Ariseurin‹ bewerben und jedenfalls ein politisches Führungszeugnis beibringen. Letzteres wurde ihr von Ing. Josef Helfrich, dem Wahlgauleiter der Steiermark, ausgestellt, und am 7. Juli 1938 wurde vom Bezirksapothekenführer Mag. Robert Bichler391 ein neuer Kaufvertrag in Form eines Gedächtnisprotokolls aufgesetzt.392 Dieser neue Kaufvertrag enthielt nun die üblichen Verschlechterungen für die jüdischen VerkäuferInnen. Der Kaufpreis wurde mit 38.672,18 Reichsmark festgesetzt und somit im Vergleich zum ursprünglich vereinbarten Preis um mehr als die Hälfte vermindert. Dieser zweite Kaufvertrag wurde am 22. November 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt, die eine ›Arisierungsauflage‹ zu ihren Gunsten in der Höhe von 19.018,19 Reichsmark vorschrieb. Der Rest des

388 389 390 391 392

Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Ebd. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 4, 424, Vermögensverkehrsstelle an Dr.a Senta Fischer vom 22. November 1938. Zu Rechtsanwalt Dr. Josef Gutwenger siehe auch das Kapitel 3.3. Die ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken. Zur Funktion des Bezirksapothekenführers siehe Kapitel 3.1. Die Auflösung der pharmazeutischen Standesorganisationen und die Gleichschaltung der Standespresse. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 4, 424, Dr.a Senta Fischer an das Magistratische Bezirksamt für den 4. Wiener Gemeindebezirk vom 14. November 1946.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

Kaufpreises wurde zur Abdeckung der Betriebsverbindlichkeiten verwendet. Dr. Siegmund Becker und seine Frau Gabriele erhielten nichts aus dem Zwangsverkauf ihrer Apotheke.393 Die Konzession für die Belvedere-Apotheke erhielt Dr.a Senta Fischer am 26. September 1938.394 Dr. Siegmund Becker und Gabriele Becker konnten vorerst nach Belgrad fliehen,395 wo Dr. Becker allerdings später in das von der kroatischen Ustascha geführte Konzentrationslager Jasenovac deportiert und dort im Frühjahr 1942 ermordet wurde.396 Gabriele Becker konnte sich mit ihrer Tochter Eva in Sicherheit bringen und emigrierte nach Palästina.397 Am 19. September 1945 wurde die Belvedere-Apotheke unter öffentliche Verwaltung gestellt und in der Folge von verschiedenen PharmazeutInnen geleitet.398 1948 beantragten Gabriele und Eva Becker die Rückstellung des 1938 entzogenen Betriebes. Im daraufhin geführten Rückstellungsverfahren wurde ihnen mit Teilerkenntnis vom 26. Juli 1950 sowie mit Beschluss der Rückstellungsoberkommission vom 31. Oktober 1950 die Belvedere-Apotheke samt dem Anrecht auf die Konzession gegen die Zahlung von 15.000,– Schilling zurückgestellt.399

3.1.5. Wien, Margareten Apotheke »Zum heiligen Georg«, Wien 5., Wimmergasse 33400 Die Apotheke »Zum Heiligen Georg« war seit 1929 Eigentum einer offenen Handelsgesellschaft und wurde als Witwenfortbetrieb geführt. GesellschafterInnen waren 1938 Hedwig Friedjung – sie war auch im Besitz der Konzession – und ihre Söhne Hans Friedjung und Dr. Georg Friedjung. Die Apotheke wurde Anfang 1938 von Mag.a Klara Eibl geleitet.401 Der Betrieb erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 95.032,– Reichsmark und war mit 8.438,57 Reichsmark verschuldet.402 Am 19. Juli 1938 wurde der spätere ›Ariseur‹ Dr. Ernst Krug als

Ebd., Vermögensverkehrsstelle an Dra. Senta Fischer vom 22. November 1938. Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 40 (1938), 117. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 218. Yad Vashem, http://www.yadvashem.org (Oktober 2007). WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 4, 424, Erkenntnis vom 26. Juli 1950. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 4, 424, Erkenntnis vom 26. Juli 1950 sowie Beschluss vom 31. Oktober 1950; WStLA, Handelsgericht Wien (1863 – 20. Jh.), A47, HRA-Registerakten der aufgelassenen Firmen 1939 – 1993, HRA 4570, Vergleich vom 26. April 1951. 400 Heute: Siebenbrunnen-Apotheke, Wien 5., Siebenbrunnengasse 32. 401 Krug, Wiener Apotheken. 402 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem

393 394 395 396 397 398 399

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verantwortlicher Leiter für die Apotheke »Zum heiligen Georg« eingesetzt.403 Mittels Kaufvertrag vom 22. Juli 1938 wurde die Apotheke endgültig ›arisiert‹,404 die Konzession zum Betrieb der Apotheke erhielt Dr. Krug am 14. Oktober 1938.405 In der Genehmigung des erwähnten Kaufvertrages schrieb die Vermögensverkehrsstelle am 18. November 1938 einen Übernahmewert von 66.522,40 Reichsmark vor, von dem 39.913,44 Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ zu Gunsten der Vermögensverkehrsstelle vom Käufer abzuführen waren. Den VerkäuferInnen wurden 20.533,60 Reichsmark zugesprochen. Davon waren noch die Verpflichtungen des Betriebes abzudecken, der Rest war auf einem Sperrkonto zu deponieren.406 Protokolliert im Wiener Handelsregister wurde diese Eigentumsübertragung noch im Dezember 1938.407 Hedwig Friedjung wurde am 28. Oktober 1941 von Wien nach Łûdz´ deportiert.408 Sie hat die Verfolgung durch den Nationalsozialismus nicht überlebt.409 Hans Friedjung, der sich zur Zeit der nationalsozialistischen Machtübernahme in der Tschechoslowakei befand,410 konnte später von dort nach Italien fliehen und überlebte die nationalsozialistische Verfolgung in Rom.411 Dr. Georg Friedjung wurde 1938 in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. 1939 konnte er sich in die Schweiz in Sicherheit bringen, wo er später in Zürich wieder die Leitung einer Apotheke übernahm.412 Mit Bescheid vom 21. Juni 1945 wurde Mag. Ludwig Roniger von der Abteilung II des Wiener Magistrats zum verantwortlichen Leiter der Apotheke »Zum heiligen Georg« bestellt413 und am 27. August 1945 mit der öffentlichen Verwaltung der Apotheke betraut.414 1948 beantragten Dr. Georg Friedjung und

403 404 405 406 407 408 409 410 411 412 413 414

Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Krug, Wiener Apotheken; zu Dr. Ernst Krug siehe auch Kapitel 4.1.1., Apotheke »Zum Schwan« sowie Kapitel 4.1.3., Neuling-Apotheke. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 528, Anmeldung durch Mag. Ludwig Roniger vom 9. November 1946. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 528, Anmeldung durch Mag. Ludwig Roniger vom 9. November 1946. Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 52 (1938), 283. DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001. Yad Vashem, http://www.yadvashem.org (Oktober 2007). ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 528, Vergleich vom 18. Juni 1949. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 219 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1945, Kt.3, IV-161.524 – 15/45, Wiener M.Abt. II an das StAfsV vom 14. 09. 1945; zu Mag. Ludwig Roniger siehe Kapitel 4.2., St. Anna-Apotheke, Ebreichsdorf. Krug, Wiener Apotheken.

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Hans Friedjung die Rückstellung ihrer Apotheke. Ein daraufhin geführtes Rückstellungsverfahren endete am 18. Juni 1949 mit einem Vergleich, in dem den Antragstellern die Apotheke samt Konzession zurückgestellt wurde.415 Apotheke »Zur heiligen Margarethe«, Wien 5., Margaretenstraße 75416 Eigentümerin der Apotheke »Zur heiligen Margarethe« war seit 1913 die offene Handelsgesellschaft »Apotheke zur heiligen Margarethe Grünberg & Metall«, Konzessionär der Apotheke war ebenfalls seit 1913 Mag. Heinrich Grünberg. GesellschafterInnen der offenen Handelsgesellschaft waren Anfang 1938 zu je 25 Prozent Mag. Heinrich Grünberg und dessen Sohn Mag. Fritz Grünberg sowie Adele Metall und deren Tochter Mag.a Vilma Lichtenstern.417 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 70.390,98 Reichsmark auf und war schuldenfrei.418 Am 22. Juli 1938 wurde der Nationalsozialist Mag. Arthur Sauer – er war von August 1934 bis März 1938 Mitglied der Österreichischen Legion im Deutschen Reich – zum verantwortlichen Leiter der Apotheke bestellt.419 Mit Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle ›arisierte‹ er die Apotheke »Zur heiligen Margarethe« am 18. November 1938.420 Der dabei von der Vermögensverkehrsstelle vorgeschriebene Kaufpreis für die Apotheke betrug 49.210,78 Reichsmark, die zu leistende ›Arisierungsauflage‹ wurde mit 29.526,41 Reichsmark festgesetzt. Die jüdischen EigentümerInnen der Apotheke erhielten in Summe 19.684,27 Reichsmark auf ein Sperrkonto bei der Pharmakred überwiesen.421 Die Konzession für die Apotheke »Zur heiligen Margarethe« erhielt Mag. Arthur Sauer am 8. November 1938.422 Am 1. Jänner 1939 wurde mit der Gründung einer offenen Handelsgesellschaft Mag.a Angela Hopfer – auch sie ein Mitglied der NSDAP423 – von Mag. Sauer an dem Unternehmen beteiligt.424 415 416 417 418 419 420 421

422 423

WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 528, Vergleich vom 18. Juni 1949. Heute: Margareten-Apotheke. Krug, Wiener Apotheken. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 264, Anmeldung durch Mag.a Hermine Urvary vom 15. November 1946. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 264, Anmeldung durch Mag.a Hermine Urvary vom 15. November 1946. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/4, verstorbene Magister bis Geburtsjahr 1900.

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Mag. Heinrich Grünberg blieb nach der Enteignung der Apotheke »Zur heiligen Margarethe« in Wien. Am 19. Oktober 1941 wurde er mit seiner Frau Paula Grünberg von Wien nach Łûdz´ deportiert,425 wo Heinrich Grünberg im Getto als Apotheker tätig war.426 Mag. Heinrich Grünberg und Paula Grünberg haben die nationalsozialistische Verfolgung nicht überlebt.427 Ihr Sohn, Fritz Grünberg, brachte sich 1939 in Sicherheit und emigrierte mit seiner Familie nach Bolivien.428 Er gründete in La Paz eine chemische Fabrik, die er auch selbst leitete, und verstarb 1948 in der bolivianischen Hauptstadt im Alter von nur 37 Jahren an den Folgen einer Herzerkrankung.429 Adele Metall und ihre Tochter Mag.a Vilma Lichtenstern konnten noch 1938 nach Großbritannien fliehen, wo Vilma Lichtenstern nach Absolvierung eines einjährigen Kurses Member of the Pharmazeutical Society of Great Britain (MPS) werden und somit in ihrem erlernten Beruf arbeiten konnte.430 Da Mag. Arthur Sauer nach Ende seines Wehrdienstes als Oberstabsapotheker431 nicht nach Wien zurückkehrte, sondern sich nach Westösterreich absetzte, und auch Mag.a Angela Hopfer aus Wien flüchtete,432 wurde mit Bescheid der Wiener Magistratsabteilung II Mag. Alexander Girg am 30. Juni 1945 zum verantwortlichen Leiter der verwaisten Apotheke bestellt.433 Da allerdings auch Alexander Girg ein Mitglied der NSDAP war,434 wurde die Apotheke am 16. August 1945 unter öffentliche Verwaltung gestellt und von Mag.a Hermine Urvary geleitet.435 Am 30. Jänner 1948 wurde sie in dieser Funktion durch Mag.a Fanny Tritt ersetzt.436 1947 beantragten Adele Metall und Mag.a Vilma Lichtenstern von London aus und Friederike Grünberg, die Witwe und Erbin nach Mag. Fritz Grünberg, sowie ihr Sohn Alexander Thomas Grünberg von New York aus die Rückstellung der 424 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 4104. 425 DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001. 426 Yad Vashem, http://www.yadvashem.org (Oktober 2007). 427 Ebd. 428 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 220. 429 Vgl. Fritsch, Pharmazie, 113. 430 Vgl. ebd., 89 u. 113; Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 104 u. 222. 431 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1945, Kt. 2, IV-160.868 – 15/45, Wiener Gebietskrankenkasse an das StAfsV vom 24. Juli 1945. 432 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 264, Anmeldung durch Mag.a Hermine Urvary vom 15. November 1946. 433 Krug, Wiener Apotheken. 434 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1945, Kt. 2, IV-160.868 – 15/45, Wiener Gebietskrankenkasse an das StAfsV vom 24. Juli 1945. 435 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 264, Anmeldung durch Mag.a Hermine Urvary vom 15. November 1946. 436 Krug, Wiener Apotheken.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

1938 entzogenen Apotheke.437 Mit Teilerkenntnis vom 6. November 1947 wurde ihnen die Apotheke »Zur heiligen Margarethe« zurückgestellt438 und am selben Tag von den RückstellungswerberInnen eine offene Handelsgesellschaft zum Betrieb der Apotheke gegründet.439 Da aber keiner der GesellschafterInnen über die Voraussetzungen zum Erwerb der Konzession verfügte, wurde am 1. Februar 1949 Mag.a Fanny Tritt zur Leiterin der Apotheke bestellt.440 Mag.a Vilma Lichtenstern kam nach der Rückstellung der Apotheke zurück nach Wien und erhielt am 7. April 1949 vom Bundesministerium für soziale Verwaltung die Bewilligung, bis Ende 1949 in ihrer Apotheke zu arbeiten. Mit Bescheid des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 12. Dezember 1949 wurde auch ihrem Ansuchen entsprochen, die für die Erwerbung der Konzession notwendige fünfjährige Praxis zu verkürzen. Diese wurde auf zweieinhalb Jahre vermindert. Die Konzession zum Betrieb der Apotheke »Zur heiligen Margarethe« erhielt Vilma Lichtenstern schließlich am 27. Juni 1950.441 Am 7. August 1950 übergab sie die Leitung der Apotheke an Mag. Stephan Ubl442 und kehrte noch im selben Jahr nach London zurück.443 1952 verkauften die GesellschafterInnen der Apotheke »Zur heiligen Margarethe« diese an Stephan Ubl, der am 20. Dezember 1952 auch die Konzession für die Apotheke erhielt.444

Haydn-Apotheke, Wien 5., Margarethengürtel 98 Eigentümerin der Haydn-Apotheke war seit ihrer Eröffnung am 22. Dezember 1926445 die offene Handelsgesellschaft »Haydn-Apotheke, Mag. Pharm. Josef Kramer«, deren Gesellschafter Berthold Mayer, Max Eisner und Mag. Josef Kramer waren.446 Letzterer war auch seit 1926 Inhaber der Konzession.447 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 57.328,04 Reichsmark448 437 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 264, Vergleich vom 25. April 1950. 438 Ebd. 439 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 4104. 440 Krug, Wiener Apotheken. 441 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/2, ausgeschiedene Apotheker. 442 Krug, Wiener Apotheken. 443 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/2, ausgeschiedene Apotheker. 444 Krug, Wiener Apotheken; Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 4104. 445 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 29, V-107.947 – 18/47, Volksgerichtsurteil gegen Mag. Otto Jaksch vom 25. April 1947. 446 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 259 u. 319, Bescheid der FLD vom 22. November 1951. 447 Krug, Wiener Apotheken. 448 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939.

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und war mit 12.603,– Reichsmark (zum Großteil Lieferantenverbindlichkeiten) verschuldet.449 Am 18. Juli 1938 wurde die Haydn-Apotheke von Mag. Otto Jaksch – NSDAP-Mitglied seit 1921 und Ende 1938 mit dem goldenen Parteiabzeichen dekorierter ›Alter Kämpfer‹ – mittels Kaufvertrag in Form eines Gedächtnisprotokolls ›arisiert‹,450 und Mag. Jaksch am 22. Juli 1938 zum verantwortlichen Leiter der Apotheke bestellt.451 Diese ›Arisierung‹ wurde am 27. Oktober 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt, die einen Kaufpreis von 40.129,63 Reichsmark für die Apotheke festsetzte. Auf Basis dieses Kaufpreises wurde eine ›Arisierungsauflage‹ von 24.077,78 Reichsmark vorgeschrieben, die vom Käufer zu Gunsten der Vermögensverkehrsstelle abzuführen war. Von den den ehemaligen Gesellschaftern zugebilligten 16.051,31 Reichsmark wurden zuerst die Betriebsverbindlichkeiten abgedeckt, den Rest von 3.438,31 Reichsmark erhielt Mag. Josef Kramer. Die Kapitalkonten von je 35.000,– Schilling der beiden anderen Gesellschafter, Berthold Mayer und Max Eisner, blieben bei der Berechnung des Kaufpreises vollkommen unberücksichtigt und wurden auch nicht abgelöst.452 Die Konzession für die HaydnApotheke erhielt Mag. Otto Jaksch am 21. Dezember 1938.453 Berthold Mayer konnte vor den NationalsozialistInnen fliehen und emigrierte mit seiner Familie in die USA, wo er sich in Kalifornien niederließ.454 Er verstarb am 1. Juli 1947 im Exil.455 Mag. Josef Kramer blieb in Wien und wurde am 19. Oktober 1941 mit seiner Frau Grete nach Łûdz´ deportiert.456 Er war dort im Getto als Apotheker tätig, bevor sich seine Spuren verlieren.457 Josef und Grete Kramer haben die Verfolgung durch die NationalsozialistInnen nicht überlebt, sie wurden 1949 für tot erklärt.458 Auch Max Eisner blieb in Wien, von wo er mit seiner Frau Irma am 14. September 1942 nach Maly Trostinec deportiert wurde. Max und Irma Eisner wurden dort am 18. September 1942 ermordet.459 Am 19. Februar 1945 wurde die Haydn-Apotheke bei einem Bombenangriff auf Wien beschädigt, im April 1945 flüchtete Mag. Otto Jaksch während der 449 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 29, V-107.947 – 18/47, Volksgerichtsurteil gegen Mag. Otto Jaksch vom 25. April 1947. 450 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 259 u. 319, Bescheid der FLD vom 22. November 1951. 451 Krug, Wiener Apotheken. 452 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 259 u. 319, Bescheid der FLD vom 22. November 1951; ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 29, V-107.947 – 18/47, Volksgerichtsurteil gegen Mag. Otto Jaksch vom 25. April 1947. 453 Krug, Wiener Apotheken. 454 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 259 u. 319, Bescheid der FLD vom 22. November 1951. 455 WStLA, BG Innere Stadt, 19 A 194/1950, Verlassenschaft nach Berthold Mayer. 456 DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001. 457 Yad Vashem, http://www.yadvashem.org (Oktober 2007). 458 WstLA, BG Innere Stadt, 1 A 160/1949 u. 1 A 161/1949, Verlassenschaften nach Mag. Josef Kramer und Grete Kramer. 459 DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001.

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Befreiung Wiens durch die Rote Armee nach Linz.460 Die somit verwaiste HaydnApotheke wurde am 26. September 1945 unter öffentliche Verwaltung gestellt und die nächsten Jahre von Mag. Franz Eder geleitet.461 Mag. Otto Jaksch wurde am 25. April 1947 vom Volksgericht Wien wegen Hochverrats und missbräuchlicher Bereicherung im Zuge der ›Arisierung‹ der Haydn-Apotheke zu zwei Jahren verschärften Kerkers, Ersatz der Verfahrenskosten sowie Verfall seines Vermögens zu Gunsten der Republik Österreich verurteilt. Die Haydn-Apotheke ging somit in das Eigentum der Republik über. Am 9. September 1947 wurde Otto Jaksch – mit der Verurteilung ging auch der Verlust des akademischen Grades einher – von der Wiener Magistratsabteilung 16 die Konzession für die Apotheke entzogen.462 Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland vom 22. November 1951 wurde den Erben nach Mag. Josef Kramer, Berthold Mayer und Max Eisner, schließlich die Haydn-Apotheke zurückgestellt.463 Da von diesen niemand über die Berechtigung zur Leitung einer öffentlichen Apotheke in Österreich verfügte, wurde am 1. Jänner 1952 eine Kommanditgesellschaft »Haydn-Apotheke, Mr.Pharm. Franz Eder & Co« zum Betrieb der Apotheke gegründet, der neben dem persönlich haftenden Gesellschafter Mag. Eder auch Pauline Hertzka und Emma Konetschny als Kommanditistinnen angehörten.464 Am 8. Jänner 1952 wurde Mag. Franz Eder zum verantwortlichen Leiter bestellt, die Konzession für die Haydn-Apotheke erhielt er am 29. Juli 1952.465

Muttergottes-Apotheke, Wien 5., Schönbrunnerstraße 50 EigentümerInnen der Muttergottes-Apotheke waren seit 1931 zu gleichen Teilen Karoline Fuchs und ihr Sohn Heinrich Ferdinand Fuchs. Karoline Fuchs führte seit dem Tod ihres Mannes Mag. Siegmund Ferdinand Fuchs im Jahr 1929 die Apotheke als Witwenfortbetrieb, verantwortliche Leiterin war Anfang 1938 Mag.a Klara Schönfeld.466 Der Betrieb erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz 460 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 319, Anmeldung durch Mag. Franz Eder vom 15. November 1946. 461 Krug, Wiener Apotheken. 462 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 29, V-107.947 – 18/47, Volksgerichtsurteil gegen Mag. Otto Jaksch vom 25. April 1947 und Bescheid der M.Abt. 16 vom 9. September 1947. 463 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 259 u. 319, Bescheid der FLD vom 22. November 1951. 464 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 10315. 465 Krug, Wiener Apotheken. 466 Ebd.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Wien

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von 56.305,21 Reichsmark467 und war mit ungefähr 30.000,– Reichsmark verschuldet.468 Am 20. Juli 1938 wurde von Mag. Edwin Renner der spätere ›Ariseur‹ Mag. Wenzel Bernhard als verantwortlicher Leiter für die Muttergottes-Apotheke eingesetzt.469 Mit Gedächtnisprotokoll vom 1. August 1938 und der Genehmigung des Verkaufs durch die Vermögensverkehrsstelle vom 5. November 1938 wurde die Apotheke sodann von Mag. Bernhard ›arisiert‹.470 Der von der Vermögensverkehrsstelle bestimmte Übernahmepreis betrug dabei 39.413,65 Reichsmark, als ›Arisierungsauflage‹ zu Gunsten der Vermögensverkehrsstelle wurden 9.764,65 Reichsmark festgesetzt. Der Rest des Kaufpreises wurde zur Abdeckung der Betriebsverbindlichkeiten benutzt. Karoline und Heinrich Ferdinand Fuchs erhielten nichts aus dem Zwangsverkauf ihrer Apotheke.471 Die Konzession für die Muttergottes-Apotheke erhielt Mag. Bernhard am 26. September 1938.472 Heinrich Ferdinand Fuchs konnte sich 1939 nach Italien in Sicherheit bringen, von wo er später in die USA emigrierte473 und sich in Los Angeles niederließ.474 Auch seiner Mutter Karoline Fuchs gelang die Flucht nach Los Angeles.475 Im Frühjahr 1945 wurde die Muttergottes-Apotheke durch Bomben beschädigt und das Warenlager geplündert.476 Da Mag. Bernhard wegen seiner Zugehörigkeit zur NSDAP mit Berufsverbot belegt war,477 wurde am 4. April 1946 Mag.a Eva Gerhard zur verantwortlichen Leiterin bestellt.478 Anfang 1948 wurde die Apotheke an Karoline und Heinrich Ferdinand Fuchs zurückgestellt. Sie gründeten am 21. Februar 1948 mit Mag. Johann Mladenow eine offene Han-

467 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 468 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 259, Anmeldung durch Mag. Wenzel Bernhard, 14. November 1946. 469 Krug, Wiener Apotheken.; Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 33 (1938), 24. 470 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 259, Anmeldung durch Mag. Wenzel Bernhard, 14. November 1946. 471 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 472 Krug, Wiener Apotheken. 473 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 220. 474 WStLA-Bibliothek, M 812/1, Das Handelsregister Wien zum Stichtag 28. Dezember 1949, Wien 1949. 475 Ebd. 476 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 5, 259, Anmeldung durch Mag. Wenzel Bernhard, 14. November 1946. 477 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/4, verstorbene Magister bis Geburtsjahr 1900. 478 Krug, Wiener Apotheken.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

delsgesellschaft zum Betrieb der Apotheke.479 Die Konzession für die Muttergottes-Apotheke erhielt Johann Mladenow am 1. Oktober 1949.480

3.1.6. Wien, Mariahilf Apotheke am Naschmarkt, Wien 6., Linke Wienzeile 20 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke am Naschmarkt war seit Juli 1936 Dr. Julius Becker.481 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 72.559,40 Reichsmark482 und war mit 50.066,– Reichsmark (vornehmlich Lieferantenverbindlichkeiten) verschuldet.483 Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme im März 1938 versuchte Dr. Becker, seine Apotheke zu verkaufen, und nahm zu diesem Zweck mit Mag. Otto Ehrmann Verkaufsverhandlungen auf, in denen schließlich ein Kaufpreis von 80.000,– Reichsmark für die Apotheke vereinbart wurde. Diese Vereinbarung enthielt auch die Verpflichtung des Käufers, in Anrechnung auf den Kaufpreis, die Geschäftsschulden zu übernehmen. Der Verkauf wurde jedoch nicht finalisiert, da Julius Becker am 11. Mai 1938 Selbstmord verübte. Die weiteren Verkaufsverhandlungen fanden daraufhin zwischen dem Bruder des verstorbenen Dr. Julius Becker, Dr. Sigmund Becker, und Mag. Ehrmann statt. Der auch bei diesen Verhandlungen in Aussicht genommene Kaufpreis von 80.000,– Reichsmark wurde jedoch von der Vermögensverkehrsstelle nicht akzeptiert. Diese setzte den vereinbarten Kaufpreis auf 50.819,58 Reichsmark herab und schrieb 448,18 Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ vor. Der restliche Kaufpreis wurde zur Abdeckung der Warenschulden verwendet. Weiters wurde von Rudolf Titz, Schwiegervater des Otto Ehrmann und Kunstseidenfabrikant in Marburg, ein Betrag von 350.000,– Dinar (dies entsprach in etwa dem Wert von 40.000,– Reichsmark) an Dr. Sigmund Becker bezahlt. Auf Druck der ›Ariseure‹ erklärten Anna Becker und ihr Sohn Fritz Becker in der im Sommer 1938 geführten Verlassenschaftsabhandlung nach Dr. Julius Becker, dass sie die Erbschaft nicht annehmen und auch vom ihrem Recht, die Apotheke als Witwen- oder Deszendentenfortbetrieb zu führen, keinen

479 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 4439. 480 Krug, Wiener Apotheken. 481 Krug, Wiener Apotheken. 482 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 483 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 6, 1138 u. 155, Bescheid der FLD vom 25. November 1950.

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Gebrauch machen würden.484 Nachdem Anna Becker auch die Konzession zum Betrieb der Apotheke am Naschmarkt zu Gunsten Mag. Ehrmanns zurückgelegt hatte, erhielt sie dieser mit Bescheid des Wiener Magistrats vom 26. September 1938.485 Anna Becker und Fritz Becker emigrierten nach Italien, wo sie in Rom den Krieg überlebten und am 11. Dezember 1946 die Rückstellung der Apotheke am Naschmarkt beantragten.486 Am 10. Oktober 1945 war die Apotheke am Naschmarkt unter öffentliche Verwaltung gestellt und Mag. Max Prihoda als Verwalter eingesetzt worden.487 Ab 24. April 1946 wurde die Apotheke von Mag.a Theodora Doblhammer als verantwortlicher Leiterin geführt.488 Mag. Otto Ehrmann wurde im Februar 1946 inhaftiert489 und am 20. Februar 1947490 vom Volksgericht Wien wegen Hochverrats, Denunziation und Betrugs verurteilt.491 Vom Vorwurf der missbräuchlichen Bereicherung im Zuge der ›Arisierung‹ der Apotheke am Naschmark wurde er freigesprochen.492 Die Verurteilung durch das Volksgericht zog auch den Verlust des akademischen Grades und den Verfall des Vermögens von Otto Ehrmann zu Gunsten der Republik Österreich nach sich. Aus diesem Grund war nach § 3 des Zweiten Rückstellungsgesetzes die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland für die Rückstellung zuständig.493 Am 28. August 1948 wurde bis zur Beendigung des Rückstellungsverfahrens durch die Finanzlandesdirektion in der Person des Mag. Viktor Kainzmayer ein Bevollmächtigter der Republik Österreich für die Apotheke am Naschmark bestellt.494 Mit Bescheid vom 25. November 1950 wurde die Apotheke schließlich an Anna und Fritz Becker zurückgestellt.495

484 Ebd. 485 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 40 (1938), 117. 486 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 6, 155, Anmeldung durch Anna Becker vom 12. November 1946. 487 Krug, Wiener Apotheken. 488 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 6, 1138, Anmeldung durch Mag.a Theodora Doblhammer vom 11. November 1946; zu Mag.a Theodora Doblhammer siehe auch Kapitel 5.1.11., Herder-Apotheke. 489 Ebd. 490 Ebd., Bescheid der FLD vom 25. November 1950. 491 Krug, Wiener Apotheken. 492 Ebd. 493 BGBl. Nr. 53/1947. 494 Krug, Wiener Apotheken. 495 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 6, 1138 u. 155, Bescheid der FLD vom 25. November 1950.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

3.1.7. Wien, Neubau Babenberger-Apotheke, Wien 7., Mariahilferstraße 8 Einen besonderen Fall in der Geschichte der ›Arisierungen‹ österreichischer Apotheken 1938 stellt jener der Babenberger-Apotheke in Wien Neubau dar, da es sich hierbei um keine ›Arisierung‹ im eigentlichen Sinne handelte, sondern um den Verkauf einer Apotheke, der – wäre er einige Monate früher passiert – keine Komplikationen ausgelöst hätte. Durch den tatsächlichen Zeitpunkt des Geschehens wurden aber alle Beteiligten mit der Methodik der ›Arisierungen‹ und der Art der Durchsetzung nationalsozialistischer Herrschaftsansprüche konfrontiert. Eigentümerinnen der Babenberger-Apotheke waren seit 1936 Hermine Wurst und ihre Tochter Hermine Zaluzansky, beide ›Arierinnen‹, keine von ihnen war Pharmazeutin. Sie erwarben die Apotheke 1936 in Unkenntnis, dass für deren Betrieb eine Personalkonzession notwendig wäre, die mangels Befähigung keiner von ihnen erteilt werden würde.496 Der Vorbesitzer und Konzessionseigner Dr. Philipp Sobel führte daher vorerst die Apotheke weiter, bis am 23. Juli 1937 die Konzession auf den langjährigen Mitarbeiter der Apotheke Mag. Josef Rieber übertragen497 und dieser mit einem geringen Prozentsatz am Ertrag der Apotheke beteiligt wurde.498 Da der Betrieb aber nicht den von den Eigentümerinnen erhofften Gewinn abwarf – dem Jahresumsatz 1937 von ungefähr 75.000,– Schilling standen Lieferantenverbindlichkeiten von 39.343,98 Schilling entgegen – versuchten sie Anfang 1938, die Babenberger-Apotheke zu verkaufen. Sie beauftragten zu diesem Zweck die Vermittlungsstelle der Pharmazeutischen Gehaltskasse mit der Vermittlung des Verkaufs der Apotheke, fanden allerdings keinen Käufer und keine Käuferin, der oder die den verlangten Kaufpreis zu entrichten bereit gewesen wäre.499 Mit dem ›Anschluss‹ im März 1938 und den darauf folgenden Übergriffen gegen jüdisches Eigentum wurde auch die Babenberger-Apotheke – durch den jüdischen Konzessionär Mag. Rieber galt sie nach allgemeinem Dafürhalten als jüdische Apotheke – zur Zielscheibe antisemitischer Aktionen. So wurden die Fenster der Apotheke mit Plakaten, die die Aufschrift »jüdische Apotheke« trugen, beklebt, durch SS-Uniformierte den KundInnen der Eintritt in die

496 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 246/60 Sammelstelle B vs. Mag. Theodor Watzlawick. 497 Krug, Wiener Apotheken; zu Dr. Philipp Sobel siehe auch Kapitel 4.1.9., Apotheke »Zum Biber«. 498 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 246/60, Sammelstelle B an die Rückstellungskommission , 14. Februar 1961. 499 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 246/60, Mag. Theodor Watzlawick an die Rückstellungskommission vom 21. Dezember 1960.

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Apotheke verwehrt und unter dem Titel »Requirierungen« Waren aus der Apotheke entwendet.500 Noch im Frühjahr 1938 wurde Mag. Franz Heger als kommissarischer Verwalter der Apotheke eingesetzt, der daraufhin versuchte, die Babenberger-Apotheke zu den von der Vermögensverkehrsstelle für jüdische Apotheken festgesetzten Bedingungen zu ›arisieren‹.501 Die beiden Eigentümerinnen setzten sich allerdings gegen diesen Enteignungsversuch zur Wehr und erreichten schließlich, dass die Vermögensverkehrsstelle ihre Rechte als ›arische‹ Eigentümerinnen akzeptierte und die Apotheke zum freihändigen Verkauf freigab. Am 20. Juli 1938 verkauften Hermine Wurst und Hermine Zaluzansky die Babenberger-Apotheke um 53.333,33 Reichsmark und Übernahme der Betriebsschulden in Höhe von 26.229,32 Reichsmark an Mag. Theodor Watzlawick.502 Noch am selben Tag legte Mag. Rieber die Konzession für die Apotheke zurück,503 die am 27. September 1938 auf Mag. Watzlawick übertragen wurde.504 Als die Wiener Pharmazeutische Wochenschrift in ihrer Ausgabe vom 20. August 1938 den Verkauf der Babenberger-Apotheke als ›Arisierung‹ meldete,505 begehrte Theodor Watzlawick, diesen aus seiner Sicht unrichtigen Sachverhalt zu berichtigen und folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen: Ich habe die Babenberger-Apotheke in Wien VII., Mariahilferstraße 8, nicht von Herrn Dr. Philipp Sobel, der schon lange nicht mehr Besitzer dieser Apotheke war, sondern von den beiden arischen Besitzern, Frau Wurst und Frau Zaluzansky als arischen Besitz gegen Barzahlung erworben. Der bisherige, allerdings jüdische Treuhänder der Konzession, Ph.Mr. Josef Rieber, war an dem Besitz durch Eigenkapital nicht beteiligt, sondern vertraglich verpflichtet, im Verkaufsfalle die Konzession zurückzulegen.506

Durch die Veröffentlichung dieser Gegendarstellung sah sich nun der kommissarische Verwalter der jüdischen Apotheken in der Ostmark, SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner, veranlasst, Mag. Watzlawick vorzuladen und ihn zu verwarnen. Auf diese Richtigstellung hin stellte mich Mr. Renner zur Rede und sagte mir, dass diese zwar vollkommen zutreffe, dass sie aber auffallend sei. Ob ich mich etwa schämen 500 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 246/60, Sammelstelle B an die Rückstellungskommission vom 14. November 1960 sowie Zeugenaussage Hermine Schinzel vom 8. Mai 1961. 501 Ebd., Sammelstelle B an die Rückstellungskommission vom 14. November 1960. 502 Ebd., Mag. Theodor Watzlawick an die Rückstellungskommission vom 21. Dezember 1960; die im zitierten Schreiben von Theodor Watzlawick mit S 39.343,98 angegebenen Lieferantenverbindlichkeiten wurden hier zum damals gültigen Kurs von Schilling zu Reichsmark mit 1,5:1 umgerechnet. 503 Ebd., Sammelstelle B an die Rückstellungskommission vom 14. November 1960. 504 Krug, Wiener Apotheken. 505 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 34 (1938), 39. 506 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 35 (1938), 49.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

würde, als Arisierer zu gelten? Wegen meiner bejahenden Antwort wurde ich von ihm verwarnt und mir mein gänzlicher Ruin und noch mehr angedroht. Bezeichnend hierfür war nur beispielweise die bekannte Geste des Aufgehängtwerdens. So musste ich die Sache auf sich beruhen lassen und konnte nicht meinen Entschluss ausführen, bei der Vermögensverkehrsstelle gegen diesen Übergriff zu protestieren. Es lag ja auf der Hand, dass dies ein Übergriff war, denn die Konzession war in diesem speziellen Fall nur eine reine Formsache, weil Mr. Rieber eben nur Treuhänder und nicht wirklicher Besitzer war […].507

Am 30. November 1938 genehmigte die Vermögensverkehrsstelle die Übertragung der Konzession – sie betrachtete diese im Unterschied zur Apotheke anscheinend als jüdisches Eigentum – an Mag. Watzlawick und schrieb eine ›Arisierungsauflage‹ von 500,– Reichsmark vor.508 Auch dagegen protestierte Theodor Watzlawick, allerdings erfolglos. Ich habe gegen die Vorschreibung dieser Zahlung von RM 500,– unter Hinweis darauf, dass die gegenständliche Apotheke selbst nach den Festlegungen der Vermögensverkehrsstelle rein arischer Besitz war, sofort remonstriert. Ich habe hiebei mit Recht auch darauf verwiesen, dass ich den Betrieb nicht von den jüdischen Vorbesitzern Sobel sondern von dessen Nachfolgern, den arischen Frauen Wurst und Zaluzansky erworben habe. Diese meine Einwendungen wurden auch für stichhältig befunden. Da ich jedoch kein Mitglied der NSDAP war, wurde mir gleichzeitig nahegelegt, den Betrag als Parteispende zu betrachten und einzuzahlen, wozu ich mich schließlich veranlasst sah, weil ich mir begreiflicherweise als Nichtparteigenosse die damals allmächtigen Parteidienststellen nicht zum Feinde machen wollte.509

Weit härter trafen die nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen Mag. Josef Rieber. Er wurde am 5. März 1941 von Wien nach Modliborzyce deportiert.510 Weder sein Todesort noch das Datum seiner Ermordung sind bekannt, sehr wahrscheinlich wurde Josef Rieber im Frühjahr oder Sommer 1942 im Rahmen der Aktion Reinhardt in Belzec, Sobibûr oder Treblinka ermordet.511 Der Verkauf der Babenberger-Apotheke im Jahre 1938 – wiewohl nur in Bezug auf Mag. Josef Rieber eine ›Arisierung‹ – beschäftigte dennoch nach 1945 die Rückstellungskommission Wien V. Da Mag. Josef Rieber Jude war und keine Erben hinterließ, nahm die Sammelstelle B seine Rechte auf Rückstellung wahr 507 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-162.718 – 15/45, Mag. Theodor Watzlawick an das Apotheker Hauptgremium vom 18. Juni 1946. 508 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 246/60, Mag. Theodor Watzlawick an die Rückstellungskommission vom 21. Dezember 1960. 509 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 246/60, Mag. Theodor Watzlawick an die Rückstellungskommission vom 21. Dezember 1960; Hervorhebungen im Original. 510 DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001. 511 Vgl. Florian Freund u. Heinz Safrian, Vertreibung und Ermordung. Zum Schicksal der österreichischen Juden 1938 – 1945. Das Projekt »Namentliche Erfassung der österreichischen Holocaustopfer«, Wien 1993, 19 ff.

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und brachte am 14. November 1960 gegen Mag. Theodor Watzlawick einen Antrag auf Rückstellung der Babenberger-Apotheke ein.512 Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 28. Juni 1961 zum einen mit der Feststellung, dass Theodor Watzlawick beim Erwerb der Babenberger-Apotheke die Regeln des redlichen Verkehrs eingehalten hätte und somit die Sammelstelle B den Antrag auf Rückstellung der Apotheke und die Verrechnung der Erträgnisse seit dem Zeitpunkt der Erwerbung zurückziehe, zum anderen mit einem Vergleich, der gegen die Zahlung von 50.000,– Schilling an die Sammelstelle B alle gegenseitigen Forderungen für bereinigt erklärte.513

3.1.8. Wien, Josefstadt Kaiser Josef-Apotheke, Wien 8., Alserstraße 51 EigentümerInnen der Kaiser Josef-Apotheke waren Anfang 1938 zu gleichen Teilen Mag. Stefan Bressler und seine Frau Marie Bressler,514 Konzessionär der Apotheke war seit 1932 Stefan Bressler.515 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Umsatz von 47.276,– Reichsmark,516 und war – nach Angaben des späteren ›Ariseurs‹ SA-Oberscharführer Dr. Franz Vitez – mit 107.920,– Reichsmark, davon eine Forderung der Pharmakred in Höhe von 71.310,– Reichsmark, belastet.517 Schon am 24. März 1938 wurde die Konzession der Apotheke an Franz Vitez übertragen518 und am 15. Juni 1938 wurden Mag. Stefan und Marie Bressler vom kommissarischen Verwalter Mag. Edwin Renner mittels Androhung von Gestapo- und SA-Einsatz genötigt, ihre Apotheke an Dr. Vitez zu verkaufen.519 Im für ›Arisierungen‹ von Apotheken üblichen Genehmigungsverfahren setzte die Vermögensverkehrsstelle den Kaufpreis mit 33.088,– Reichsmark fest und bestimmte, dass sowohl der Anteil der VerkäuferInnen in Höhe von 13.235,– 512 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 246/60, Sammelstelle B an die Rückstellungskommission vom 14. November 1960. 513 Ebd., Protokoll der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 1961. 514 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 515 AdPhGK, Betriebsakt 08052, Mag. Stefan Bressler an die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich vom 25. Mai 1932. 516 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 517 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 8, 72, Beilage zur Anmeldung durch Dr. Franz Letter, 17. Oktober 1946. 518 Krug, Wiener Apotheken. 519 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 8, 21, Anmeldung durch Dr. Propper vom 30. Oktober 1946.

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Reichsmark als auch die ›Arisierungsauflage‹ zur Abdeckung eines Teiles der Außenstände zu verwenden sei. Der Kaufpreis wurde von Dr. Vitez mittels eines langfristigen Darlehens der Pharmakred – von dem allerdings bis 1945 nur die Zinsen bedient wurden – beglichen. Die Übernahme der Kaiser Josef-Apotheke durch Dr. Franz Vitez wurde schließlich am 30. November 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt.520 Mag. Stefan Bressler und Marie Bressler konnten noch Ende 1939 ausreisen und emigrierten nach Rio de Janeiro.521 Im April 1945 flüchtete Dr. Franz Vitez vor der Roten Armee nach Bad Ischl, wurde aber später von den amerikanischen Besatzungsbehörden ausgeforscht und als ehemaliger aktiver Nationalsozialist und SA-Truppführer522 im Lager Marcus W. Orr des Counter Intelligence Corps in Glasenbach interniert.523 Die Kaiser Josef-Apotheke wurde noch 1945 unter öffentliche Verwaltung durch die Wiener Gebietskrankenkasse gestellt.524 1948 wurde die Apotheke an Mag. Stefan Bressler zurückgestellt525 und auf seinen Vorschlag am 28. Juli 1949 die Leitung der Apotheke von Amts wegen auf Mag.a Maria Kubicek übertragen.526 1950 verkaufte Stefan Bressler die Kaiser Josef-Apotheke an Mag. Robert Schmid, der am 15. November 1950 auch die Konzession für die Apotheke erhielt.527

3.1.9. Wien, Alsergrund Apotheke »Zum Biber«, Wien 9., Porzellangasse 5 Eigentümer der Apotheke »Zum Biber« waren seit 1928 Mag. Martin Sobel und sein Bruder Dr. Philipp Sobel, letzterer hatte am 6. Oktober 1937 von seinem älteren Bruder die Konzession für die Apotheke übernommen.528 Die Apotheke 520 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 8, 72, Beilage zur Anmeldung durch Dr. Franz Letter, 17. Oktober 1946. 521 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 8, 21, Anmeldung durch Dr. Propper vom 30. Oktober 1946. 522 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 6 (1939), 86. 523 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 8, 72, Anmeldung durch Dr. Franz Letter vom 17. Oktober 1946. 524 Ebd., Beilage zur Anmeldung durch Dr. Franz Letter vom 17. Oktober 1946. 525 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 4479. 526 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 29, V-69.422 – 18/47; Krug, Wiener Apotheken. 527 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 4479; Krug, Wiener Apotheken. 528 Krug, Wiener Apotheken; zu Dr. Philipp Sobel siehe auch Kapitel 5.1.7., BabenbergerApotheke.

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wies 1937 einen Jahresumsatz von 69.600,– Reichsmark auf und war schuldenfrei.529 Am 9. Juli 1938 wurde die Apotheke von Mag. Anton Greger – seit 15. Jänner 1931 Mitglied der NSDAP und anerkannter ›Alter Kämpfer‹ für die Partei – ›arisiert‹.530 Am 29. August 1938 übernahm Mag. Greger auch die Leitung der Apotheke »Zum Biber«.531 Die ›Arisierung‹ der Apotheke wurde am 13. Oktober 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt, die als Kaufpreis 48.700,– Reichsmark festsetzte und eine ›Arisierungsauflage‹ von 29.220,– Reichsmark bestimmte. Mag. Martin und Dr. Philipp Sobel sollten 19.480,– Reichsmark abzüglich eventueller Betriebsverbindlichkeiten erhalten.532 Von diesem Betrag überwies Anton Greger im Jahr 1939 13.860,– Reichsmark auf ein Sperrkonto bei der Pharmakred, die Begleichung eines Teiles der ›Arisierungsauflage‹ erfolgte in monatlichen Raten aus den Erträgnissen der Apotheke.533 Martin und Philipp Sobel erhielten nichts aus dem Zwangsverkauf ihrer Apotheke.534 Die Konzession für die Apotheke »Zum Biber« erhielt Mag. Anton Greger am 28. September 1938,535 im Jänner 1939 wurde der Verkauf im Handelsregister protokolliert.536 Dr. Philipp Sobel konnte noch im Sommer 1938 nach Italien fliehen.537 Von dort emigrierte er nach Chile, wo er in Vina del Mar als Chemiker Beschäftigung fand.538 Mag. Martin Sobel blieb in Wien und wurde am 29. Juni 1942 nach Terez†n deportiert.539 Er verstarb im Getto Terez†n540 und wurde mit 26. März 1943 für tot erklärt.541 Am 7. September 1945 wurde die Apotheke »Zum Biber« unter öffentliche Verwaltung gestellt und von der schon am 29. April 1945 als verantwortliche Leiterin eingesetzten Mag.a Hertha Beischer geführt.542 Diese wurde am 6. Dezember 1947 von Mag. Otto Wieninger in der öffentlichen Verwaltung der Apotheke abgelöst.543 Im Jänner 1948 wurde der ›Ariseur‹ Mag. Anton Greger 529 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 530 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 15565, Urteil des Volksgerichtes Wien vom 22. Jänner 1948. 531 Krug, Wiener Apotheken. 532 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 15565, Urteil des Volksgerichtes Wien vom 22. Jänner 1948. 533 Ebd., Betriebsprüfungsbericht von Dr. Otto Lippert vom 16. September 1948. 534 ÖStA, AdR 06, E- u. Reang., FLD 15565, Protokoll der Vernehmung Dr. Philipp Sobels vom 9. Juli 1948. 535 Krug, Wiener Apotheken. 536 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 5 (1939), 71. 537 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 15565, Protokoll der Vernehmung Dr. Philipp Sobels vom 9. Juli 1948; vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 113. 538 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 148. 539 DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001. 540 Yad Vashem, http://www.yadvashem.org (März 2008). 541 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 15565, Einantwortungsurkunde vom 26. Jänner 1949. 542 Krug, Wiener Apotheken. 543 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 15565, Betriebsprüfungsbericht von Dr. Otto Lippert vom

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vom Volksgericht Wien wegen Hochverrats und missbräuchlicher Bereicherung bei der ›Arisierung‹ der Apotheke »Zum Biber« zu 18 Monaten schweren, verschärften Kerkers, Ersatz der Verfahrenskosten sowie Verfall seines Vermögens zu Gunsten der Republik Österreich verurteilt.544 In Anrechnung einer achtmonatigen Untersuchungshaft vom Juni 1946 bis Februar 1947545 wurde er am 1. Juli 1948 vom Bundespräsidenten begnadigt und am 4. Juli 1948 bedingt aus der Haft entlassen.546 Dr. Philipp Sobel – er kehrte 1947 mit seiner Familie aus Chile nach Wien zurück547 – beantragte am 5. Mai 1948 bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Rückstellung seiner ihm und seinem Bruder 1938 entzogenen Apotheke.548 Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion vom 23. Oktober 1948 wurde ihm vorerst die ehemals ihm gehörende Hälfte der Apotheke zurückgestellt.549 Nach Abhandlung der Verlassenschaft nach Mag. Martin Sobel, der in seinem Testamant seinen Bruder Philipp als Universalerben eingesetzt hatte, wurde mit Bescheid der Finanzlandesdirektion vom 31. Jänner 1949 auch die zweite Hälfte der Apotheke »Zum Biber« an Dr. Philipp Sobel zurückgestellt.550 Um auch wieder in den Besitz der Konzession für die Apotheke zu gelangen, arbeitete Philipp Sobel vom 19. April 1948 bis zum 12. April 1949 als angestellter Pharmazeut in der Apotheke »Zum Biber«. Er erhielt die Konzession für seine Apotheke schließlich am 12. April 1949.551

Apotheke »Zum goldenen Elephanten«, Wien 9., Liechtensteinstraße 72552 Eigentümer der Real-Apotheke »Zum goldenen Elephanten« war seit Juni 1917 Mag. Eugen Hacker.553 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 60.200,– Reichsmark und war schuldenfrei.554 Die Apotheke wurde am 13. Juni 1938 mittels Kaufvertrag durch Mag. Otto Nikoladoni – Parteimitglied

544 545 546 547 548 549 550 551 552 553 554

16. September 1948; zu Mag. Otto Wieninger siehe auch Kapitel 4.1.13., Apotheke »Zum grünen Kreuz«. Ebd., Urteil des Volksgerichtes Wien vom 22. Jänner 1948. Ebd. Ebd., Betriebsprüfungsbericht von Dr. Otto Lippert vom 16. September 1948. Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 148. ÖStA, AdR E- uReang, FLD 15565, Dr. Philipp Sobel an die FLD vom 5. Mai 1948. Ebd., Bescheid der FLD vom 23. Oktober 1948. Ebd., Bescheid der FLD vom 31. Jänner 1949. WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. Heute: Wien 9., Liechtensteinstraße 93. Krug, Wiener Apotheken. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939.

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der NSDAP seit Februar 1933 – ›arisiert‹.555 Am 16. August 1938 wurde Otto Nikoladoni auch als verantwortlicher Leiter für die Apotheke »Zum goldenen Elephanten« eingesetzt.556 Der im Juni 1938 errichtete Kaufvertrag wurde am 24. November 1938 vom Besonderen Stadtamt III genehmigt, von der Vermögensverkehrsstelle wurde ein Übernahmepreis von 42.140,– Reichsmark bestimmt.557 Davon waren 25.284,– Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ abzuführen,558 die restlichen 16.856,– Reichsmark wurden von Mag. Otto Nikoladoni auf ein Sperrkonto bei der Pharmakred erlegt.559 Die neuen Eigentumsverhältnisse wurden schließlich im Jänner 1939 im Wiener Handelsregister protokolliert.560 Mag. Eugen Hacker wurde nach dem Zwangsverkauf seiner Real-Apotheke aufgefordert, Wien zu verlassen. Er begab sich nach Ungarn in seine Geburtsstadt Sopron, von wo er später nach Polen deportiert wurde.561 Sein weiteres Schicksal ist unbekannt, er hat die nationalsozialistische Verfolgung nicht überlebt und wurde 1947 für tot erklärt.562 Am 30. Oktober 1945 wurde die Apotheke »Zum goldenen Elephanten« unter öffentliche Verwaltung gestellt und in Folge von Mag. Thomas Mauracher geleitet.563 Am 28. Jänner 1947 beantragte Samuel Hacker, der Neffe und Erbe nach Mag. Eugen Hacker, die Rückstellung der seinem Onkel 1938 entzogenen Apotheke.564 Ein daraufhin geführtes Rückstellungsverfahren endete am 10. Oktober 1948 mit einem Vergleich, in dem Samuel Hacker die Apotheke »Zum goldenen Elephanten« samt Anrecht auf die Konzession zum Betrieb derselben zurückgestellt wurde.565 Am 8. Februar 1948 wurde der vormalige öffentliche Verwalter Mag. Thomas Mauracher als verantwortlicher Leiter für die Apotheke bestellt

555 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 9, 763, Anmeldung durch Mag. Otto Nicoladoni vom 8. November 1946. 556 Krug, Wiener Apotheken. 557 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 9, 452, Anmeldung durch Mag. Thomas Mauracher vom 14. November 1946; ÖStA, ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 558 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 559 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 14767, RA Dr. Friedrich Zabransky an den Oberfinanzpräsidenten Wien-Niederdonau vom 5. Februar 1943. 560 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 3 (1939), 44. 561 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 14767, RA Dr. Wilhelm Popper als Abwesenheitskurator an die FLD vom 16. Oktober 1947; vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 220. 562 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 14767, Einantwortungsurkunde vom 18. Mai 1948. 563 Krug, Wiener Apotheken. 564 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 9, 251, Samuel Hacker an das BMfVuW vom 28. Jänner 1947. 565 Ebd., Vergleich vom 12. November 1948.

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und am 3. März 1950 die Apotheke »Zum goldenen Elephanten« von Samuel Hacker an ihn verpachtet.566 Apotheke »Zur Universität«, Wien 9., Universitätsstraße 10 Eigentümerinnen der Apotheke »Zur Universität« waren seit dem Ableben des Vorbesitzers Mag. Cäsar Axelrad im Jahr 1930 dessen Witwe Luise Axelrad und ihre Tochter Hilde Axelrad. Die Apotheke wurde seit 1933 als Witwenfortbetrieb geführt, verantwortlicher Leiter war Mag. Julius Königsberg.567 Der Betrieb erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 108.703,54 Reichsmark und war mit 25.191,98 Reichsmark verschuldet.568 Am 6. April 1938 wurde der spätere ›Ariseur‹ Mag. Stephan Biegl als verantwortlicher Leiter eingesetzt569 und ›arisierte‹ die Apotheke »Zur Universität« mit 1. August 1938.570 Die Konzession für die Apotheke erhielt Stephan Biegl am 14. Oktober 1938.571 Der Verkauf wurde am 22. November 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt, als Kaufpreis setzte diese den Betrag von 76.092,40 Reichsmark fest und schrieb eine ›Arisierungsauflage‹ von 45.655,40 Reichsmark vor. Nach Abdeckung der Betriebsverbindlichkeiten bezahlte Mag. Biegl 300,– Reichsmark bar an Luise und Hilde Axelrad sowie 112,70 Reichsmark auf ein Konto der beiden. 4817,36 Reichsmark überwies er auf ein Sperrkonto der ehemaligen Eigentümerinnen bei der Pharmakred.572 Somit erhielten Luise und Hilde Axelrad aus dem Zwangsverkauf ihrer Apotheke nicht mehr als 412,70 Reichsmark, über die sie auch verfügen konnten. Luise Axelrad wurde am 6. Mai 1942 von Wien nach Maly Trostinec deportiert und dort am 11. Mai 1942 ermordet. Ihre Tochter Hilde Axelrad wurde am 24. September 1942 ebenfalls aus Wien deportiert und nach Terez†n gebracht. Sie fiel dort am 7. Dezember 1942 der nationalsozialistischen Verfolgung zum Opfer.573 Mag. Julius Königsberg konnte 1939 nach Frankreich fliehen, sein weiteres Schicksal ist unbekannt.574 566 Krug, Wiener Apotheken. 567 Ebd. 568 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 569 Krug, Wiener Apotheken. 570 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 9, 115, Anmeldung durch Mag. Stephan Biegl vom 9. November 1946. 571 Krug, Wiener Apotheken. 572 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 9, 115, Anmeldung durch Mag. Stephan Biegl vom 9. November 1946. 573 DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001. 574 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 221.

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Am 1. Juli 1946 wurde Mag.a Josefa Handl zur verantwortlichen Leiterin der Apotheke »Zur Universität« bestellt, sie leitete die Apotheke bis zum 10. Juni 1950.575 1948 beantragte Helene Kitay, die Erbin nach Luise und Hilde Axelrad die Rückstellung der 1938 entzogenen Apotheke. Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 16. März 1949 mit einem Teilerkenntnis, in dem Helene Kitay die Apotheke sowie das Anrecht auf die Konzession zugesprochen wurden. In einem Vergleich mit Mag. Stephan Biegl vom 2. Juni 1949 wurde Helene Kitay gegen die Zahlung von 10.000,– Schilling für getätigte Investitionen die Apotheke »Zur Universität« samt Konzession und Mietrechten zurückgestellt.576 Da Helene Kitay die Anforderungen zur Verleihung einer Konzession nicht erfüllen konnte, wurde diese am 10. Juni 1950 auf Mag.a Josefa Handl übertragen und das Unternehmen in Folge von einer Betreibergesellschaft, der Helene Kitay als Gesellschafterin angehörte, weitergeführt.577 Salvator-Apotheke, Wien 9., Zimmermannplatz 1 Eigentümer und Konzessionär der Salvator-Apotheke war seit 1925 Mag. Isidor Gross, sein Schwiegersohn Dr. Hanina (Hans) Lehr war seit November 1934 Ertragsteilhaber und Mitarbeiter der Apotheke.578 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 69.549,07 Reichsmark auf579 und hatte Betriebsschulden in der Höhe von 52.642,05 Reichsmark.580 Wie sich die ›Arisierung‹ der Apotheke zutrug, erläuterte Dr. Lehr in einer persönlichen Mitteilung an den Historiker Frank Leimkugel, der diese wie folgt wiedergibt: Der als kommissarischer Verwalter eingesetzte SA-Obersturmbannführer Renner betrat die Apotheke, um Magister Groß nach Übernahme des Schlüssels und der Kasse unverzüglich seines Geschäftes zu verweisen. Hans Lehr (geb. 1908 Zadagora), approbierter Angestellter seines Schwiegervaters, durfte zunächst unter dem von Renner eingesetzten Geschäftsführer in der Apotheke weiterarbeiten. Im September 1938 blieb er ohne Ankündigung der Arbeit fern, um sich unverzüglich in die Schweiz abzusetzen.581

575 576 577 578 579

WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/2, ausgeschiedene Apotheker. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 9, 115, Vergleich vom 2. Juni 1949. Krug, Wiener Apotheken. Ebd. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 580 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 9, 404, Anmeldung durch Franz Jiresch vom 15. November 1946. 581 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 73.

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Am 10. Juli 1938 wurde Mag. Isidor Gross genötigt, seine Apotheke mittels Kaufvertrag an Mag. Alois Barfuß – SA-Oberscharführer582 und ab Juni 1938 Standartenapotheker der SA-Standarte 24583 – zu übertragen.584 Von der Vermögensverkehrsstelle wurde dabei ein Kaufpreis von 48.684,35 Reichsmark festgesetzt und eine ›Arisierungsauflage‹ von 5.760,67 Reichsmark bestimmt.585 Isidor Gross erhielt nichts aus dem Zwangsverkauf seiner Apotheke, da nach Abzug der ›Arisierungsauflage‹ zu Gunsten der Vermögensverkehrsstelle der Rest des Kaufpreises zur Abdeckung der Betriebsverbindlichkeiten benützt wurde.586 Die Konzession zum Betrieb der Salvator-Apotheke erhielt Alois Barfuß am 14. Oktober 1938587 und noch im Dezember 1938 wurde der Eigentümerwechsel im Wiener Handelsregister protokolliert.588 Nach dem Zwangsverkauf seiner Apotheke flüchtete Mag. Isidor Gross noch 1938 nach Palästina und arbeitete als angestellter Apotheker in Tel Aviv. 1945 ging er in die USA, wo er sich in New York niederließ und eine Beschäftigung in einer dortigen Apotheke annahm.589 Mag. Hanina Lehr konnte sich im September 1938 in die Schweiz in Sicherheit bringen und emigrierte später in die USA, wo er bei Hoffmann-La Roche in New Jersey als Chemiker tätig wurde.590 Nach dem Krieg wurde die Salvator-Apotheke vorübergehend von der Roten Armee beschlagnahmt.591 Am 22. August 1945 wurde die Apotheke unter öffentliche Verwaltung gestellt und bis zur Rückstellung an Mag. Gross von Mag. Ernst Richter verwaltet.592 Isidor Gross kehrte am 1. September 1947 aus dem amerikanischen Exil nach Wien zurück593 und beantragte die Rückstellung der 1938 entzogenen Apotheke. Im daraufhin geführten Rückstellungsverfahren wurde ihm mit Erkenntnis vom 14. Oktober 1947 die Salvator-Apotheke zurückgestellt.594 Nach der Wiedererteilung der Konzession am 3. Juni 1948 führte 582 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 6 (1939), 86. 583 Pharmazeutische Presse, Nr. 26 (1938), 228. 584 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 9, 404, Anmeldung durch Franz Jiresch vom 15. November 1946. 585 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 586 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 9, 404, Anmeldung durch Franz Jiresch vom 15. November 1946. 587 Ebd. 588 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 52 (1938), 283. 589 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 149 u. 220. 590 Vgl. ebd., 73 u. 221. 591 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 9, 404, Anmeldung durch Franz Jiresch vom 15. November 1946. 592 Krug, Wiener Apotheken. 593 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/4, verstorbene Magister bis Geburtsjahr 1900. 594 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 9, 404, Erkenntnis vom 14. Oktober 1947.

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er die Apotheke noch bis 1. Juni 1953 und verkaufte sie dann.595 Mag. Gross emigrierte erneut in die USA, wo er 1966 verstarb.596 Vindobona-Apotheke, Wien 9., Bauernfeldplatz 4 Eigentümer und Konzessionär der Vindobona-Apotheke war seit April 1927 Dr. Norbert Silber.597 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 73.000,– Reichsmark auf und war schuldenfrei.598 Am 23. Juni 1938 wurde der spätere ›Ariseur‹ und ›illegales‹ Mitglied der NSDAP599 Mag. Maximillian Billeg als verantwortlicher Leiter für die Vindobona-Apotheke eingesetzt600 und im Juli 1938 Dr. Norbert Silber genötigt, seine Apotheke an ihn zu verkaufen.601 Von der Vermögensverkehrsstelle wurde daraufhin der Kaufpreis der Apotheke mit 52.000,– Reichsmark festgelegt,602 wovon eine ›Arisierungsauflage‹ von 30.600,– Reichsmark an die Vermögensverkehrsstelle abzuführen gewesen wäre. 20.400,– Reichsmark sollte Dr. Norbert Silber erhalten.603 Da aber der ›Ariseur‹ Maximillian Billeg in Summe nur 20.000,– Reichsmark bezahlte, erhielt Norbert Silber für seine Apotheke nur 5.000,– Reichsmark.604 Die Konzession zum Betrieb der Vindobona-Apotheke erhielt Mag. Billeg schließlich am 28. September 1938.605 Mag. Norbert Silber wurde mit seiner Frau Hilde Silber am 6. Mai 1942 von Wien nach Maly Trostinec deportiert, wo beide am 11. Mai 1942 ermordet wurden.606 Die Vindobona-Apotheke wurde am 16. August 1945 unter öffentliche Ver-

595 596 597 598 599 600 601 602 603 604 605 606

Krug, Wiener Apotheken. Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 149. Krug, Wiener Apotheken. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1945, Kt. 2, IV-160.868 – 15/45, Wiener Gebietskrankenkasse an das StAfsV vom 24. Juli 1945. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 9, 28, Anmeldung durch RA Dr. Julius Hahn vom 7. November 1946. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 9, 112, Anmeldung durch Mag. Ernst Kanicky vom 7. November 1946. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 9, 28, Anmeldung durch RA Dr. Julius Hahn vom 7. November 1946. Krug, Wiener Apotheken. DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001.

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waltung gestellt und von Mag. Ernst Kanicky geleitet.607 1949 beantragte Mag. Ernst Silber, der Sohn von Mag. Norbert Silber, von New York aus die Rückstellung der 1938 seinem Vater entzogenen Apotheke. Im daraufhin geführten Rückstellungsverfahren wurde ihm mit Teilerkenntnis vom 9. September 1950 – bestätigt mit Erkenntnis der Rückstellungsoberkommission vom 31. Juli 1951 – die Vindobona-Apotheke zurückgestellt.608 Gegenforderungen von Mag. Billeg in Höhe von 22.500,– Schilling wurden schließlich am 3. Juli 1952 in einer mündlichen Verhandlung vor der Rückstellungskommission Wien V verglichen.609

3.1.10. Wien, Favoriten Apotheke »Zum heiligen Johann«, Wien 10., Reumannplatz 16610 Eigentümer der Apotheke »Zum heiligen Johann« waren seit 1925 zu gleichen Teilen Mag. Paul Fischer und Mag. Jakob Kreider,611 letzterer war auch Inhaber der Konzession. Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 121.665,20 Reichsmark auf und war schuldenfrei.612 Noch vor der Installierung der Vermögensverkehrsstelle wurde zwischen den jüdischen Eigentümern und dem ›Ariseur‹ Dr. Richard Kaurek – SA-Oberscharführer613 und ab Juni 1938 Standartenapotheker der SA-Standarte 4614 – am 20. April 1938 ein Übergabevertrag errichtet,615 dessen Bestimmungen allerdings später von der Vermögensverkehrsstelle neu festgelegt wurden, wobei als Kaufpreis für die Apotheke »Zum heiligen Johann« nachträglich ein Betrag von 85.165,64 Reichsmark bestimmt wurde. Davon sollten die Vorbesitzer 34.066,26 Reichsmark auf ein Sperrkonto gutgeschrieben erhalten, 51.099,38 Reichsmark waren als ›Arisierungsauflage‹ an die Vermögensverkehrsstelle abzuführen.616 Wie andere ›Arisierungen‹ be-

607 Krug, Wiener Apotheken. 608 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 9, 28 u. 112, Teilerkenntnis vom 9. September 1950 und Erkenntnis vom 31. Juli 1951. 609 Ebd., Vergleich vom 3. Juli 1952. 610 Heute: Apotheke am Reumannplatz. 611 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, IV-875 – 15/46. 612 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 613 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 6 (1939), 86. 614 Pharmazeutische Presse, Nr. 26 (1938), 228. 615 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 10, 113, Anmeldung durch Anna Maria Fischer vom 2. Jänner 1947. 616 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem

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nützte der kommissarische Verwalter der jüdischen Apotheken in der Ostmark Mag. Edwin Renner auch diese ›Arisierung‹ dazu, sich an der Apotheke beteiligen zu lassen.617 Am 8. August 1938 wurde Dr. Kaurek zum verantwortlichen Leiter der Apotheke bestellt,618 die Konzession erhielt er im September 1938.619 Die geänderten Eigentumsverhältnisse wurden schließlich im Februar 1939 im Wiener Handelsregister protokolliert.620 Die Apotheke wurde während der NSZeit von Dr. Kaurek in »Ostmarkapotheke« umbenannt, ohne diese Namensänderung allerdings im Handelsregister protokollieren zulassen.621 Mag. Paul Fischer trat im April 1938 aus der Betriebsgesellschaft aus622 und verließ Wien im August 1938, um nach Jugoslawien zu flüchten.623 Er verstarb am 13. Februar 1943 in Zagreb.624 Auch Mag. Jakob Kreider konnte vor der nationalsozialistischen Verfolgung fliehen. Er emigrierte 1938 in die USA und lebte später in Chicago.625 Mitte April 1945 wurde die Apotheke »Zum heiligen Johann« durch Fliegerangriffe und Artilleriebeschuss vollständig zerstört. Dr. Kaurek floh vor der Roten Armee nach Landeck in Tirol, wo er 1946 im Landesgericht Innsbruck inhaftiert wurde.626 1949 brachten die ehemaligen Eigentümer Mag. Jakob Kreider und Mag. Paul Fischer – letzterer vertreten durch einen Abwesenheitskurator – einen Rückstellungsantrag ein. Das daraufhin geführte Verfahren endete am 10. März 1951 mit einem Vergleich, in dem die noch vorhandenen Aktiven der Apotheke »Zum heiligen Johann« – Firmen- und Mietrechte sowie das Anrecht auf die Konzession – den früheren Eigentümern zurückgestellt und ihnen die Kosten des Verfahrens ersetzt wurden.627 Sie verkauften daraufhin noch im selben Jahr die

617 618 619 620 621 622 623 624 625 626 627

Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, IV-875 – 15/46; siehe hierzu auch Kapitel 3.3.1. Edwin Renner, Mastermind der ›Arisierungen‹. Krug, Wiener Apotheken. Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 41 (1938), 128. Ebd., Nr. 7 (1939), 102. AdPhGK, Liste arisierter Apotheken, 4. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 10, 113, Walter Maux an die Devisenstelle Wien vom 20. November 1939. Ebd., Anmeldung durch Anna Maria Fischer vom 2. Jänner 1947. Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 221; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 10, 455 u. 113, Vergleich vom 10. Mai 1951. ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 4, IV-162.375 – 15/45; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 10, 455, Anmeldung durch Dr. Richard Kaurek vom 16. November 1946. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 10, 113 u. 455, Vergleich vom 10. März 1951.

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zurückgestellten Rechte an die am 31. Juli 1951 gegründete offene Handelsgesellschaft »Apotheke zum heiligen Johann, Dr. et Mag. pharm. Scholda & Co«.628 Apotheke »Zur Mutter Gottes«, Wien 10., Gudrunstraße 150 Eigentümer der Apotheke zur Mutter Gottes war seit Mai 1932 Dr. Rudolf Zifferer, die Konzession zum Betrieb der Apotheke erhielt er am 14. Februar 1936.629 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 145.168,34 Reichsmark und war schuldenfrei.630 Am 28. März 1938 wurde mit Mag. Eugen Traunsteiner ein nichtjüdischer Pharmazeut und Mitarbeiter der Apotheke zum verantwortlichen Leiter bestellt, was aber die drohende ›Arisierung‹ nicht verhindern konnte. Am 15. Juli 1938631 wurde Rudolf Zifferer genötigt, seine Apotheke an den SA-Obersturmbannführer, Reichsredner und Mitglied des Reichstages Mag. Walter Rentmeister632 zu verkaufen. Als Kaufpreis für die florierende Apotheke »Zur Mutter Gottes« wurde von der Vermögensverkehrsstelle ein Betrag von 101.617,84 Reichsmark festgelegt, wovon für Dr. Zifferer 40.647,14 Reichsmark633 auf ein Sperrkonto bei der Creditanstalt Wien hinterlegt wurden.634 60.969,– Reichsmark waren als ›Arisierungsauflage‹ an die Vermögensverkehrsstelle abzuführen.635 Am 14. Oktober 1938 erhielt Mag. Rentmeister auch die Konzession für die Apotheke »Zur Mutter Gottes« und benannte sie um in »Saarland-Apotheke«.636 Dr. Rudolf Zifferer konnte noch 1938 nach Kananda fliehen, wo er später in 628 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 14356; zu Dr. Norbert Scholda und Mag.a Maria Sickinger, eine weitere Gesellschafterin der »Apotheke zum heiligen Johann, Dr. et Mag. pharm. Scholda & Co«, OHG, siehe auch Kapitel 5.1.10., St. Antonius-Apotheke. 629 Krug, Wiener Apotheken. 630 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 631 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 10, 108, Anmeldung durch Mag.a Juliana Trauner, geb. Adelpoller, vom 10. November 1946. 632 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 42 (1938), 132; zu Mag. Walter Rentmeister siehe auch die Kapitel 3.2. Die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich 1938 sowie Anhang, Kurzbiografien. 633 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 634 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 10, 108, Anmeldung durch Mag.a Juliana Trauner, geb. Adelpoller, vom 10. November 1946. 635 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 636 Krug, Wiener Apotheken.

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Vancouver als Rudolf John Stanford637 einen pharmazeutischen Großhandelsbetrieb aufbaute.638 Obige Arisierung dürfte, wie ein am 19. September 1950 zwischen Dr. Rudolf John Stanford und Mag. Walter Rentmeister geschlossener Vergleich nahelegt, überwiegend mittels Krediten der Wiener Apothekerbank und der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich finanziert worden sein.639 In einem Schreiben der Wiener Gebietskrankenkasse an das Staatsamt für soziale Verwaltung vom 24. Juli 1945 wird auf den Schuldenstand der Saarland-Apotheke Bezug genommen und die Einsetzung einer öffentlichen Verwaltung gefordert: Gudrun (Saarland-) Apotheke in Wien 10., Gudrunstrasse 150. Eigentümer der Apotheke Mr. Walter Rentmeister ist geflüchtet. Der derzeitige verantwortliche Mr. Alfred Axmann ist Mitglied der NSDAP und zwar Illegaler. Hier sind die Mißstände besonders auffallend, da die Apotheke einen Schuldenstand von über RM 200.000,– aufweist. Als öffentlicher Verwalter wird vorgeschlagen: Mra. Juliane Adelpoller […].640

Am 16. August 1945 wurde Mag.a Juliane Adelpoller von Staatsamt für soziale Verwaltung dann auch als öffentliche Verwalterin der Saarland-Apotheke eingesetzt und am 21. Jänner 1947 in dieser Funktion von Mag. Friedrich Gruber abgelöst.641 Die Apotheke wurde schließlich am 11. Juli 1948 an Dr. Rudolf J. Stanford zurückgestellt, der den Firmenwortlaut wieder änderte in Apotheke »Zur Mutter Gottes« und am 1. Juli 1949 mit Mag. Erwin Stögermayer als Komplementär eine Kommanditgesellschaft zum Betrieb der Apotheke gründete.642 Apotheke »Zur Spinnerin am Kreuz«, Wien 10., Fliederhof 8643 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke »Zur Spinnerin am Kreuz« war seit der Eröffnung 1930 Mag. Max Markovits.644 Die Apotheke wies im Jahr 1937 einen Umsatz von 36.160,99 Reichsmark auf und war schuldenfrei.645 Am

637 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 10, 108, Anmeldung durch Mag.a Juliana Trauner, geb. Adelpoller, vom 10. November 1946; Krug, Wiener Apotheken. 638 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 225. 639 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 10, 108, Vergleich vom 19. September 1950. 640 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1945, Kt. 2, IV-160.868 – 15/45, Wiener Gebietskrankenkasse an das StAfsV vom 24. Juli 1945. 641 Krug, Wiener Apotheken; zu Mag. Friedrich Gruber und Mag.a Juliane Adelpoller siehe auch Kapitel 4.1.2., Erzherzog Karl-Apotheke. 642 Ebd.; zu Mag. Erwin Stögermayer siehe auch Kapitel 5.1.12., Apotheke »Zur Maria Lourdes« 643 Heute: Wien 10., Wienerbergstraße 6. 644 Krug, Wiener Apotheken. 645 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem

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26. August 1938 wurde der spätere ›Ariseur‹ Mag. Adolf Urmann als verantwortlicher Leiter der Apotheke eingesetzt,646 und in Folge der Erwerb der Apotheke durch ihn von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt. Der Kaufpreis wurde dabei mit 25.312,69 Reichsmark festgelegt, wovon 15.187,61 Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ an die Vermögensverkehrsstelle zu bezahlen waren. 10.125,08 Reichsmark wurden für Mag. Markovits auf ein Sperrkonto überwiesen.647 Die Konzession für die Apotheke erhielt Mag. Urmann am 29. September 1938.648 Da Adolf Urmann im Juni 1940 verstarb,649 wurde die Apotheke nach beendeter Verlassenschaftsabhandlung von Emilie Urmann als Witwenfortbetrieb weitergeführt. Am 7. April 1942 wurde die Apotheke »Zur Spinnerin am Kreuz« an Mag. Klemens Koziel verpachtet.650 Mag. Max Markovits verstarb am 8. Mai 1942 in einem Wiener Sammellager im Alter von 67 Jahren und wurde am 14. Mai 1942 am Wiener Zentralfriedhof beerdigt.651 Vom 1. April bis 1. August 1945 blieb die Apotheke infolge Bombenschäden und Plünderungen geschlossen. Bei ihrer Wiedereröffnung wurde Mag. Maryan Senzer als verantwortlicher Leiter bestellt und am 12. Dezember 1945 als öffentlicher Verwalter eingesetzt.652 Gertrude Veith, die Tochter von Mag. Max Markovits, machte 1948 ihre Ansprüche auf Rückstellung der ihrem Vater entzogenen Apotheke geltend und strengte ein Rückstellungsverfahren an. Dieses endete am 25. November 1949 damit, dass Gertrude Veith gegen eine Zahlung von 50.000,– Schilling und die Erstattung ihrer Verfahrenskosten in Höhe von 10.000,– Schilling auf ihre Rückstellungsansprüche verzichtete.653 Löwen-Apotheke, Wien 10., Oberlaa, Hauptstraße 110654 Eigentümer und Konzessionär der Löwen-Apotheke war seit ihrer Eröffnung 1914 Mag. Leo Hellmann.655 Seit 1. August 1937 war die Apotheke – Leo Hellman

646 647 648 649 650 651 652 653 654

Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Krug, Wiener Apotheken. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 10, 16, Mag. Maryan Senzer an das Magistratische Bezirksamt für den 10. Bezirk vom 5. März 1947. Krug, Wiener Apotheken. IKG Wien, Friedhofsdatenbank, http://www.ikg-wien.at (Oktober 2007); Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 222. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 10, 16, Mag. Maryan Senzer an das Magistratische Bezirksamt für den 10. Bezirk vom 5. März 1947. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 10, 16, Vergleich vom 25. November 1949. Heute: Kur-Apotheke Oberlaa, Wien 10., Kurbadstraße 12.

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war zu diesem Zeitpunkt bereits 74 Jahre alt – an Mag. Friedrich Kirschbaum verpachtet.656 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 18.920,– Reichsmark und hatte Betriebsschulden in der Höhe von 7.424,45 Reichsmark.657 Die ›Arisierung‹ der Löwen-Apotheke im Herbst 1938 stellte der ›Ariseur‹ Mag. Josef Passl in einem Schreiben an den Provisorischen Ausschuss österreichischer Apotheker Ende Juni 1946 wie folgt dar : Von dem mir nicht näher bekannten Mr. Edwin Renner, der bekanntlich mit der Arisierung der in Wien gelegenen jüdischen Apotheken betraut war, wurde ich ab 7. Oktober 1938 mit der Leitung der dem Mr. Leo Hellmann gehörigen öffentlichen Apotheke in Oberlaa betraut und trat ich in der Folgezeit mit dem oben angeführten Besitzer der Apotheke wegen Ankaufs dieser Apotheke gegen Zahlung einer lebenslänglichen Leibrente in Unterhandlungen. Da Herr Mr. Leo Hellmann bereits das 70. Lebensjahr überschritten hatte, war Mr. Edwin Renner mit dem Ankauf obiger Apotheke gegen Zahlung einer lebenslänglichen Leibrente einverstanden, doch wurde sein diesbezüglicher Antrag seitens der Vermögensverkehrsstelle abgelehnt. Ich wurde sohin von Mr. Edwin Renner aufgefordert mich um den Ankauf dieser Apotheke gegen Barzahlung des Kaufschillings zu bewerben, da er mich, wiewohl ich kein Parteimitglied war, dafür entschädigen wollte, dass mein Dienstverhältnis in der öffentlichen Apotheke am Arthaberplatz nach 10 jähriger Dauer infolge Arisierung dieser Apotheke einverständlich zur Auflösung gebracht worden war. Ich habe mich nun um die Arisierung der Apotheke in Oberlaa, welche im Jahre 1937 einen Umsatz von 25.207 S 64 g erzielt hatte, beworben. Seitens der Vermögensverkehrsstelle wurde der Kaufschilling dieser Apotheke mit 70 % des obigen Umsatzes, demnach mit 13.234 RM festgesetzt. Den Teilbetrag von RM 9824,45 habe ich teilweise durch Übernahme der Schulden und teilweise durch Einzahlung auf das Sperrkonto sofort bezahlt, während mir zur Bezahlung des Restbetrages von RM 3409,55, seitens des Reichsfiskus die Bewilligung erteilt wurde, diesen Betrag in monatlichen Raten im Laufe von 10 Jahren zur Abstattung zu bringen.658

Da von dem durch die Vermögensverkehrsstelle festgesetzten Kaufpreis erst die Betriebsverbindlichkeiten und sodann die ›Arisierungsauflage‹ zu begleichen waren, erhielt Mag. Leo Hellman nichts aus dem Zwangsverkauf seiner Apotheke. Die Konzession für die Löwen-Apotheke wurde am 22. Februar 1939 auf Mag. Josef Passl übertragen.659 655 Krug, Wiener Apotheken. 656 AdPhGK, Betriebsakt 10146, Gedenkprotokoll vom 23. Juni 1937. 657 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939: Schuldenstand errechnet aus der Differenz zwischen dem von Mag. Renner angegebenen Kaufpreis und der ›Arisierungsauflage‹. 658 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-162.718 – 15/45, Mag. Josef Passl an den Provisorischen Ausschuss Österreichischer Apotheker, undatiert, wahrscheinlich Ende Juni 1946. 659 Krug, Wiener Apotheken.

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Welche Auswirkungen die entschädigungslose ›Arisierung‹ seiner Apotheke auf Leo Hellmann hatte, illustriert ein Schreiben, das er am 21. Oktober 1938 an die Pharmazeutische Gehaltskasse mit der Bitte um Unterstützung aus dem Notstandsfonds richtete: Im Jahre 1937 musste ich wegen meines hohen Alters und schmerzhaften Erkrankung die Apotheke verpachten. Ich habe für eine kranke Frau (Arierin) zu sorgen und war die Einnahme durch die Verpachtung meiner Apotheke die einzige Einnahmequelle. Ich besitze kein Vermögen oder irgendwelche andere Bezüge und bin seit der Arisierung der Apotheke vollständig subsistenzlos ohne welche Geldeinnahme um wenigstens den Lebensunterhalt für mich und meine kranke Frau zu beschaffen. Ich weiss praktisch nicht aus und ein und weiss nicht woher ich die Beträge für Miete und den Lebensunterhalt hernehmen soll. Schon durch 2 Monate habe ich fast nichts zu essen. In dieser meiner Not wende ich mich an den Notstandsfonds mit der höfl. Bitte mir doch als alter Pharmazeut der auch zu diesen Beträgen beigesteuert hat mir für meine alten Tage eine monatliche Unterstützung zu gewähren um wenigstens auf meinen alten Tagen vor der gröbsten Not geschützt zu sein.660

Die Antwort der Pharmazeutischen Gehaltskasse erfolgte umgehend und in bürokratischer Kürze. In Erledigung ihres Schreibens vom 21.ds.M. um eine Zuwendung einer monatlichen Unterstützung aus dem Notstandsfonds teilen wir mit, dass dem Ansuchen nicht entsprochen werden kann.661

Mag. Leo Hellmann verstarb nur sieben Monate später am 23. Juni 1939 in Wien und wurde zwei Tage danach am Wiener Zentralfriedhof beerdigt. Der ehemalige Pächter der Löwen-Apotheke Mag. Friedrich Kirschbaum verstarb im Alter von 49 Jahren am 18. September 1943 in Wien. Auch er wurde am Wiener Zentralfriedhof bestattet.662 Nach 1945 verblieb die Löwen-Apotheke im Eigentum von Mag. Josef Passl, der am 2. Oktober 1947 von der § 19-Kommission im Bundesministerium für soziale Verwaltung – sie entschied über Berufsverbote für PharmazeutInnen, die als NationalsozialistInnen registriert waren – wieder zur Berufsausübung zugelassen wurde.663 Zwar erscheint die Löwen-Apotheke in einer für Rückstellungsbegehren angelegten Liste der Sammelstellen auf, es wurde aber von diesen kein Rückstellungsantrag betreffend der Löwen-Apotheke gestellt.664 Ob zwischen den Sammelstellen und Mag. Josef Passl ein außergerichtlicher Vergleich 660 AdPhGK, Betriebsakt 10146, Mag. Leo Hellmann an die PhGK, undatiert, eingelangt am 22. Oktober 1938. 661 AdPhGK, Betriebsakt 10146, PhGK an Mag. Leo Hellman vom 26. Oktober 1938. 662 IKG Wien, Friedhofsdatenbank, http://www.ikg-wien.at (Oktober 2007). 663 AdPhGK, Betriebsakt 10146, Erkenntnis vom 2. Oktober 1947. 664 WStLA, LGZ Wien, B 13/1 – 3 Namensverzeichnisse der Rückstellungskommission 1955 – 1959 sowie B 14/1 Namensverzeichnisse der Rückstellungskommission 1960 – 1966.

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geschlossen wurde, konnte nicht festgestellt werden. Die Apotheke wurde jedenfalls nicht zurückgestellt. St. Antonius-Apotheke, Wien 10., Arthaberplatz 11665 Eigentümer und Konzessionär der St. Antonius-Apotheke war seit 1924 Mag. Isidor Rosenbaum.666 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 66.894,67 Reichsmark auf und war schuldenfrei.667 Mit Dekret vom 24. Mai 1938 des Staatskommissars in der Privatwirtschaft wurde SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner auch für diese Apotheke zum kommissarischen Verwalter bestellt.668 Da keine anderen InteressentInnen für die ›Arisierung‹ der St. AntoniusApotheke bei ihm vorstellig geworden waren und die NSDAP-Parteimitglieder innerhalb der angestellten Apothekerschaft schon befriedigt gewesen sein dürften, stimmte er unter der Auflage, dass zumindest einer der beiden KaufwerberInnen ein Ansuchen um Aufnahme in die NSDAP zu stellen habe, der ›Arisierung‹ der St. Antonius-Apotheke durch Mag.a Maria Sickinger und Dr. Norbert Scholda zu.669 Mit Kaufvertrag vom 18. Juli 1938 verkaufte Mag. Rosenbaum seine Apotheke an die beiden ›AriseurInnen‹ und verpflichtete sich, die Konzession zu Gunsten von Mag.a Maria Sickinger zurückzulegen.670 Diese wurde am 24. August 1938 zur verantwortlichen Leiterin der Apotheke bestellt.671 Nachdem Dr. Scholda im Sommer 1938 einen Antrag auf Aufnahme in die NSDAP gestellt hatte,672 wurde die ›Arisierung‹ der St. Antonius-Apotheke am 18. November 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt.673 Als Kaufpreis für die Apotheke wurde ein Betrag von 46.826,27 Reichsmark festgesetzt und davon eine ›Arisierungsauf-

665 Heute: Antonius-Apotheke. 666 Krug, Wiener Apotheken. 667 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 668 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 202/60, Sammelstelle A an die Rückstellungskommission Wien, 12. Juli 1960. 669 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-10409 – 18/46, Mag.a Maria Sickinger an das BMfsV vom 05. 02. 1946; zu Dr. Norbert Scholda und Mag.a Maria Sickinger siehe auch Kapitel 5.1.10., Apotheke »Zum heiligen Johann«. 670 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 202/60, Sammelstelle A an die Rückstellungskommission Wien, 12. Juli 1960. 671 Krug, Wiener Apotheken. 672 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-10409 – 18/46, Mag.a Maria Sickinger an das BMfsV vom 5. Februar 1946. 673 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 202/60, Sammelstelle A an die Rückstellungskommission Wien, 12. Juli 1960.

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lage‹ von 28.095,76 Reichsmark vorgeschrieben.674 Diese sollte binnen zehn Jahren in gleichen Monatsraten an die Pharmakred zu Gunsten der Vermögensverkehrsstelle überwiesen werden. 18.730,51 Reichsmark wurden für Isidor Rosenbaum auf ein Sperrkonto bei der Pharmakred eingezahlt.675 Die Konzession für die St. Antonius-Apotheke erhielt Mag.a Sickinger am 14. Oktober 1938.676 Am 27. Dezember 1938 wurde der Eigentumswechsel im Wiener Handelsregister protokolliert.677 Mag. Isidor Rosenbaum blieb in Wien und verstarb dort 1942.678 Im Frühjahr 1945 wurde die St. Antonius-Apotheke durch Kampfhandlungen beschädigt und das Warenlager geplündert.679 Da Mag.a Maria Sickinger mit Beginn der Kampfhandlungen zur Befreiung Wiens die Stadt verlassen hatte und bis August 1945 in der amerikanischen Besatzungszone blieb,680 wurde am 14. Juni 1945 Mag. Robert Klotz von der Wiener Magistratsabteilung II zum verantwortlichen Leiter der verwaisten Apotheke bestellt.681 Im September 1945 wurde Maria Sickinger vom Bundesministerium für soziale Verwaltung auf ihr Ansuchen hin gestattet, die verantwortliche Leitung der St. Antonius-Apotheke wieder zu übernehmen; von einer öffentlichen Verwaltung der Apotheke wurde Abstand genommen.682 Da Mag. Isidor Rosenbaum 1942 ohne Erben verstarb, wurde von der Sammelstelle A am 12. Juli 1960 ein Antrag auf Rückstellung der 1938 entzogenen Apotheke eingebracht.683 Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 25. Juli 1960 mit einem Vergleich, in dem die Sammelstelle A gegen die Zahlung von 1.450.000,– Schilling auf die Rückstellung der St. Antonius-Apotheke verzichtete.684 674 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 675 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 202/60, Sammelstelle A an die Rückstellungskommission Wien, 12. Juli 1960. 676 Krug, Wiener Apotheken. 677 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 202/60, Sammelstelle A an die Rückstellungskommission, 12. Juli 1960. 678 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 223. 679 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 10, 713, Anmeldung durch Mag.a Maria Sickinger, 12. November 1946. 680 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-191659 – 15/45, Mag.a Maria Sickinger an das StAfsV vom 29. August 1945. 681 Ebd., Wiener M.Abt. II an das StAfsV vom 14. 09. 1945; zu Mag. Robert Klotz siehe auch Kapitel 5.1.21., St. Georg-Apotheke. 682 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-191659 – 15/45, StAfsV an Mag.a Maria Sickinger, undatiert, wahrscheinlich Anfang September 1945. 683 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 202/60, Sammelstelle A an die Rückstellungskommission Wien, 12. Juli 1960. 684 Ebd., Vergleich vom 25. Juli 1960.

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3.1.11. Wien, Simmering Herder-Apotheke, Wien 11., Ehamgasse 4 Eigentümer und Konzessionär der Herder-Apotheke war seit ihrer Eröffnung im Jahr 1925 Mag. Josef Roth.685 Die Apotheke wies im Jahre 1937 einen Jahresumsatz von 54.534,– Reichsmark auf und war schuldenfrei.686 Die Herder-Apotheke wurde am 1. Juli 1938 von Mag. Wenzel Wenig ›arisiert‹, der dazu in seiner Anmeldung entzogenen Vermögens feststellt: Ich war vor dem Jahre 1938 auf Grund eines Vertrages durch 8 Jahre lang Angestellter Magister der »Herder-Apotheke« in Wien XI., Ehamgasse 4, deren Konzessionär und Inhaber Magister Josef Roth war. Schon vor dem Umbruch war zwischen mir und dem Magister Roth, der die kommenden Ereignisse vorausgesehen hatte und mit dem ich persönlich in bestem Einvernehmen stand, besprochen worden, dass ich die Apotheke im Falle einer nationalsozialistischen Machtübernahme übernehmen sollte.687

Nach dem ›Anschluss‹ wurde daher am 14. April 1938 zwischen Josef Roth und seinem angestellten Pharmazeuten Wenzel Wenig vereinbart, dass letzterer die Apotheke übernehmen sollte. Als Kaufpreis waren 68.334,– Reichsmark vorgesehen.688 Diese Vereinbarung sollte allerdings keinen Bestand haben, denn die von Mag. Edwin Renner zentral gelenkten ›Arisierungen‹ ließ Initiativen dieser Art nicht zu. Durch das Dazwischentreten des späterhin bestellten Arisierungskommissäres für sämtliche Wiener Apotheken, Magister Edwin Renner, nahm jedoch die Angelegenheit einen anderen Verlauf. Mr. Renner erklärte den zwischen Mr. Roth und mir abgeschlossenen Vertrag für null und nichtig und erklärte weiters, dass die Apotheke ein illegaler Parteimann bekommen werde. Gleichzeitig gab er mir jedoch zu verstehen, dass er die Apotheke eventuell auch mir geben würde, wenn ich mich entschliessen könnte, ihn an den Erträgnissen intern zu beteiligen. […] Die mir von Magister Renner aufgezwungene Beteiligung erstreckte sich auf 50 % der Einnahmen der Apotheke, ohne dass dieser irgend eine Einlage oder eine Mitarbeit geleistet hätte. Er sicherte sich also auf diese Weise ein vollkommen arbeitsloses Einkommen. Magister Renner ist auch noch in einer ganzen Reihe anderer Fälle in gleicher Weise vorgegangen.689

685 Krug, Wiener Apotheken. 686 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renners an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 687 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 11, 23, Anmeldung durch Mag. Wenzel Wenig vom 9. November 1946. 688 Ebd. 689 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 11, 23, Anmeldung durch Mag. Wenzel Wenig vom 9. November 1946.

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Am 1. Juli 1938 wurde ein neuer Kaufvertrag errichtet, der am 18. Oktober 1938 mit einem Kaufpreis von mittlerweile nur mehr 38.173,80 Reichsmark von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt wurde.690 Nach Abzug der ›Arisierungsauflage‹ von 22.904,30 Reichsmark verblieben Mag. Roth noch 15.269,50 Reichsmark aus dem Verkauf seiner Apotheke.691 Die Konzession für die HerderApotheke wurde am 29. September 1938 auf Wenzel Wenig übertragen.692 Aus der oben von Mag. Wenig beschriebenen Beteiligung an der Herder-Apotheke erhielt Mag. Renner im Laufe der folgenden Jahre in Summe 62.709,08 Reichsmark.693 Am 11. Oktober 1944 wurde die Herder-Apotheke durch einen Luftangriff vollständig zerstört und von Mag. Wenig eine Notapotheke im gegenüberliegenden Haus, Ehamgasse 3, eingerichtet.694 Nach Kriegsende übernahm Mag. Josef Roth am 25. Mai 1945 wieder die Leitung der Herder-Apotheke an ihrem neuen Standort.695 Da er aber am 5. Oktober 1945 verstarb, wurden seine Rückstellungsansprüche von seiner Witwe und Erbin, Agnes Roth, wahrgenommen. Mit Teilerkenntnissen vom 20. September 1947 und 15. April 1949 wurden ihr sowohl die Apotheke als auch die zugehörige Konzession zurückgestellt.696 Agnes Roth verkaufte daraufhin die Apotheke an Mag.a Theodora Doblhammer,697 die am 15. Juli 1950 auch die Konzession für diese Apotheke erhielt.698

3.1.12. Wien, Meidling Apotheke »Am Fuchsenfeld«, Wien 12., Längenfeldgasse 31699 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke »Am Fuchsenfeld« war seit ihrer Gründung 1933 Mag. Isidor Senz.700 Der Betrieb erwirtschaftete 1937 einen 690 Ebd. 691 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 692 Krug, Wiener Apotheken; Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 41 (1938), 128. 693 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 11, 23, Enderkenntnis vom 29. September 1953. 694 Ebd., Anmeldung durch Mag. Wenzel Wenig vom 9. November 1946. 695 Krug, Wiener Apotheken. 696 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 11, 23, Teilerkenntnisse vom 20. September 1947 und 15. April 1949. 697 Ebd., Enderkenntniss vom 29. 09. 1953; zu Mag.a Theodora Doblhammer siehe auch Kapitel 5.1.6., Apotheke am Naschmarkt. 698 Krug, Wiener Apotheken. 699 Heute: Wien 12., Längenfeldgasse 33. 700 Krug, Wiener Apotheken.

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Jahresumsatz von 37.712,60 Reichsmark und war mit Betriebsschulden von ungefähr 11.200,– Reichsmark belastet.701 Am 1. Juli 1938 wurde Mag. Ferdinand Thomann – Mitglied der NSDAP seit Februar 1931702 – als verantwortlicher Leiter der Apotheke bestellt,703 die er später mit Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle ›arisierte‹. Die Vermögensverkehrsstelle setzte dabei einen Kaufpreis von 26.399,– Reichsmark fest und verfügte, dass davon eine ›Arisierungsauflage‹ von 15.227,31 Reichsmark zu ihren Gunsten abzuführen sei. Der Rest des Kaufpreises wurde zur Abdeckung der Betriebsschulden verwendet. Isidor Senz erhielt nichts aus dem Zwangsverkauf seiner Apotheke.704 Die Konzession für die Apotheke »Am Fuchsenfeld« erhielt Ferdinand Thomann am 8. November 1938.705 Mag. Isidor Senz wurde mit seiner Frau Maria Felicia Senz am 20. Mai 1942 von Wien nach Maly Trostinec deportiert, wo beide am 26. Mai 1942 ermordet wurden.706 Ihr gemeinsamer Sohn Wilhelm Senz konnte sich 1939 nach Großbritannien in Sicherheit bringen, wo er als Apotheker tätig wurde.707 Im Februar 1945 wurde die Apotheke »Am Fuchsenfeld« bei einem Bombenagriff beschädigt und anschließend geplündert, sodass der Betrieb eingestellt werden musste.708 Im April 1945 flüchtete Mag. Ferdinand Thomann mit seiner Familie nach Tirol,709 wo er ab 1. September 1945 in der Stadtapotheke in Rattenbach angestellt war.710 Die somit verwaiste Apotheke »Am Fuchsenfeld« wurde über Auftrag des Wiener Apotheker-Hauptgremiums ab September 1945 von Mag. Franz Thomann, dem Bruder von Ferdinand Thomann, geleitet.711 Ferdinand Thomann wurde am 28. Juni 1946 in Rattenbach verhaftet712 und wegen missbräuchlicher Bereicherung im Zuge der Arisierung der Apotheke 701 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renners an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Schuldenstand errechnet aus der Differenz zwischen dem Kaufpreis und der ›Arisierungsauflage‹. 702 AdPhGK, Betriebsakt 12106, Erkenntnis der § 19-Kommission vom 17. Oktober 1947. 703 Ebd., Anmeldung bei der Pharmazeutischen Gehaltskasse vom 1. Juli 1938. 704 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 705 Krug, Wiener Apotheken. 706 DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001. 707 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 224. 708 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 12, 49, Anmeldung durch Mag. Franz Thomann vom 5. November 1946. 709 AdPhGK, Betriebsakt 12106, BMfsV an die Staatspolizei vom 6. August 1946. 710 AdPhGK, Betriebsakt 12106, Aktenvermerk des Stellenlosenfonds vom 22. Oktober 1946. 711 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 12, 49, Anmeldung durch Mag. Franz Thomann vom 5. November 1946. 712 AdPhGK, Betriebsakt 12106, BMfsV an die Sicherheitsdirektion für das Land Tirol vom 9. Jänner 1947.

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»Am Fuchsenfeld« ein Volksgerichtsverfahren gegen ihn eingeleitet, weiters am 17. Oktober 1947 ein Berufsverbot über ihn verhängt.713 Für die Apotheke »Am Fuchsenfeld« wurde daher am 24. März 1948 Mag.a Emma Litawsky als Leiterin von Amts wegen bestellt.714 Das Volksgerichtsverfahren gegen Ferdinand Thomann endete am 23. Juli 1948 mit einem Freispruch,715 das gegen ihn verhängte Berufsverbot war schon vorher durch die Amnestie für Minderbelastete vom 5. Juni 1948716 gegenstandslos geworden. Die Gesundheitsbehörden sahen somit keinen weiteren Grund für die Aufrechterhaltung der Apothekenleitung durch Mag.a Litawsky, sie wurde daher am 13. Oktober 1948 als Leiterin abberufen und die Apotheke »Am Fuchsenfeld« mit 1. November 1948 wieder an Mag. Ferdinand Thomann übergeben.717 1951 beantragte Wilhelm Senz, der Sohn von Mag. Isidor Senz, die Rückstellung der seinem Vater 1938 entzogenen Apotheke. Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 11. Jänner 1952 mit einem Vergleich, in dem Wilhelm Senz gegen die Erstattung seiner Verfahrenskosten in der Höhe von 2.000,– Schilling auf die Rückstellung der Apotheke verzichtete.718 Warum Wilhelm Senz diesen für ihn ungünstigen Vergleich schloss, konnte an Hand der konsultierten Quellen nicht ermittelt werden. Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass die Apotheke durch Kriegsereignisse zerstört wurde und der ›Ariseur‹ im Rückstellungsverfahren erfolgreich Wiederaufbaukosten geltend gemacht haben könnte.

Apotheke »Zum heiligen Josef«, Wien 12., Schönbrunnerstraße 182719 Eigentümer der Apotheke »Zum heiligen Josef« war seit 1927 Dr. Hans Löwy, der 1929 auch die Konzession für die Apotheke von seinem Vater Mag. Leopold Löwy übernommen hatte.720 Der Jahresumsatz der Apotheke »Zum heiligen Josef« belief sich 1937 auf 68.124,99 Reichsmark, der Betrieb war schuldenfrei.721 Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde Hans Löwy, um gegen die 713 Ebd., Erkenntnis der § 19-Kommission vom 17. Oktober 1947. 714 Ebd., Bescheid der M.Abt. 15 vom 24. März 1948. 715 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-119.863 – 18/46, Urteil vom 23. Juli 1948. 716 BGBl. Nr. 99/1948. 717 AdPhGK, Betriebsakt 12106, Bescheid der M.Abt. 15 vom 13. 10. 1948 sowie Anmeldung bei der PhGK vom 1. Oktober 1948. 718 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 12, 49, Vergleich vom 11. Jänner 1952. 719 Heute: Wien 12., Schönbrunnerstraße 195. 720 Krug, Wiener Apotheken. 721 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939.

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geplante ›Arisierung‹ seiner Apotheke keinen Widerstand leisten zu können, verhaftet und im Konzentrationslager Dachau interniert.722 Der von Mag. Edwin Renner für die ›Arisierung‹ der Apotheke »Zum heiligen Josef« vorgesehene SAAngehörige Dr. Friedrich Schiller723 wurde am 16. August 1938 als verantwortlicher Leiter für die Apotheke eingesetzt,724 und diese mittels der Vermögensverkehrsstelle an ihn übertragen. Der Übernahmepreis für die Apotheke wurde dabei von der Vermögensverkehrsstelle mit 47.700,89 Reichsmark festgesetzt, als ›Arisierungsauflage‹ wurden 28.620,05 Reichsmark vorgeschrieben und Dr. Hans Löwy wurden 19.080,04 Reichsmark aus dem Zwangsverkauf seiner Apotheke zugesprochen.725 Die Konzession zum Betrieb der Apotheke »Zum heiligen Josef« erhielt Dr. Friedrich Schiller am 28. September 1938.726 Dr. Hans Löwy wurde nach der ›Arisierung‹ seiner Apotheke wieder aus der KZ-Haft entlassen und konnte 1939 vor den NationalsozialistInnen flüchten. Er emigrierte in die USA, wo er sich in New York niederließ.727 Am 24. November 1945 wurde die Apotheke »Zum heiligen Josef« unter öffentliche Verwaltung gestellt und in Folge von Mag. Isidor Gingold – auch er ein von der nationalsozialistischen Verfolgung betroffener jüdischer Pharmazeut – geleitet.728 Isidor Gingold war seit Dezember 1925 in der NeulerchenfelderApotheke als angestellter Apotheker tätig gewesen. Nach der ›Arisierung‹ dieser Apotheke verlor er seine Anstellung mit Jahresende 1938.729 Im Oktober 1939 wurde er nach Polen deportiert und im März 1944 nach Auschwitz gebracht. Er überlebte dieses Vernichtungslager und kehrte nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee am 4. Oktober 1945 nach Wien zurück.730 1947 beantragte Dr. Hans Löwy von New York aus die Rückstellung seiner Apotheke. Das daraufhin eingeleitete Rückstellungsverfahren endete am 21. April 1950 mit einem Vergleich, in dem ihm gegen die Zahlung von 12.500,– Schilling die Apotheke »Zum heiligen Josef« samt Konzession zurückgestellt

722 723 724 725 726 727 728 729 730

Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 222. Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 6 (1939), 86. Krug, Wiener Apotheken. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Krug, Wiener Apotheken. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 222. Krug, Wiener Apotheken; zu Mag. Isidor Gingold siehe auch Kapitel 4.1.2., Apotheke »Zur Hoffnung«. WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/4, verstorbene Magister bis Geburtsjahr 1900. ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, 162.194/45, Mag. Isidor Gingold an das StAfsV vom 12. Oktober 1945.

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wurde.731 Dr. Löwy verkaufte daraufhin seine Apotheke an Mag. Hans Fontana732 und kehrte nach Wien zurück, wo er 1973 verstarb.733 Apotheke »Zum Schutzengel«, Wien 12., Meidlinger Hauptstraße 45 Alleininhaber und Konzessionär der Apotheke »Zum Schutzengel« war seit Anfang 1924 Mag. Marco Birnholz.734 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 78.734,– Reichsmark und war schuldenfrei.735 Am 9. Juli wurde Mag. Edwin Renner von der Vermögensverkehrsstelle als kommissarischer Verwalter eingesetzt und Marco Birnholz genötigt, seine Apotheke zu verkaufen. Am Tag darauf, am 10. Juli 1938, wurde mittels mündlicher Vereinbarung die Apotheke »Zum Schutzengel« von Mag. Rudolf Huber ›arisiert‹. Diese ›Arisierung‹ wurde per Bescheid vom 10. Oktober 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt, die einen Kaufpreis von 55.114,– Reichsmark für die Apotheke festsetzte.736 Davon waren 33.068,– Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ an die Vermögensverkehrsstelle abzuführen, 22.046,– Reichsmark sollte Mag. Marco Birnholz erhalten.737 Die Konzession für die Apotheke »Zum Schutzengel« erhielt Mag. Rudolf Huber am 29. September 1938.738 Die Eigentumsübertragung wurde schließlich im Jänner 1939 im Wiener Handelsregister protokolliert.739 Mag. Marco Birnholz konnte 1939 vor der nationalsozialistischen Verfolgung flüchten und emigrierte in die USA, wo er später in New York als Krankenhausapotheker tätig wurde.740 Die Apotheke »Zum Schutzengel« wurde am 20. Februar 1945 durch einen Bombenangriff – das Materiallager wurde dabei völlig zerstört – schwer beschädigt.741 Am 7. Juli 1945 wurde Mag. Ernest Geiger zum öffentlichen Ver731 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 12, 7, Vergleich vom 21. April 1950. 732 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 5911. 733 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 222. 734 Krug, Wiener Apotheken. 735 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 736 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 12, 9, Enderkenntnis vom 29. Oktober 1949. 737 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 738 Krug, Wiener Apotheken. 739 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 5 (1939), 71. 740 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 218. 741 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 12, 9, Anmeldung durch Mag. Ernest Geiger vom 14. Oktober 1946.

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walter bestellt,742 und ging an den Wiederaufbau der Apotheke, sodass Ende 1945 der Betrieb wieder aufgenommen werden konnte.743 1947 beantragte Mag. Marco Birnholz die Rückstellung seiner Apotheke. Mit Enderkenntnis der Rückstellungskommission Wien I vom 29. Oktober 1949 wurde ihm die Apotheke »Zum Schutzengel« samt Konzession zurückgestellt.744

Apotheke »Zur Maria Heil der Kranken«, Wien 12., Albrechtsbergergasse 25745 Seit dem Tod von Mag. David Citron am 27. Juni 1921 war seine Witwe Anna Citron Eigentümerin und Konzessionärin der Apotheke »Zur Maria Heil der Kranken«.746 Mag.a Margarethe Citron, ihre Tochter, war seit 1936 als Aspirantin in der mütterlichen Apotheke tätig.747 Der Witwenfortbetrieb wies im Jahre 1937 einen Jahresumsatz von ungefähr 80.000,– Reichsmark auf und war mit 21.707,52 Reichsmark verschuldet.748 Am 31. Mai 1938 wurde von Mag. Edwin Renner der seit 1922 in der Apotheke angestellte ›illegale‹ Nationalsozialist749 und SA-Rottenführer750 Mag. Franz Berzl zum verantwortlichen Leiter der Apotheke ernannt.751 Am 6. Juli 1938 wurde ein Kaufvertrag in Form eines Gedächtnisprotokolls errichtet752 und mit Bescheid der Vermögensverkehrsstelle vom 18. Oktober 1938 die ›Arisierung‹ der Apotheke »Zur Maria Heil der Kranken« durch Franz Berzl genehmigt. Die Vermögensverkehrsstelle wies ihm dabei mit SA-Oberscharführer Mag. August Moll einen Gesellschafter zu,753 mit dem er am 1. November 1938 die offene Handelsgesellschaft »Apotheke Berzl & Moll« zum Betrieb der ›arisierten‹ Apotheke gründete.754 Als Kaufpreis für die Apotheke setzte die Vermögensverkehrsstelle den Betrag von 52.196,67 Reichsmark fest und schrieb eine ›Arisierungsauflage‹ von 31.318,– Reichsmark vor. Der Anteil für Anna Citron wurde im Bescheid der Vermögensverkehrsstelle mit 742 Krug, Wiener Apotheken. 743 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 12, 9, Anmeldung durch Mag. Ernest Geiger vom 14. Oktober 1946. 744 Ebd., Enderkenntnis vom 29. Oktober 1949. 745 Heute: Apotheke Meidling, Wien 12., Albrechtsberggasse 13. 746 Krug, Wiener Apotheken. 747 Vgl. Fritsch, Pharmazie, 68 748 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 15850, Betriebsprüfungsbericht von Dr. Josef Bauer vom 30. März 1949. 749 Ebd., Urteil des Wiener Volksgerichtes vom 30. Oktober 1946. 750 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 6 (1939), 86. 751 Krug, Wiener Apotheken. 752 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 15850, Bescheid der FLD vom 26. September 1949. 753 Ebd., Mag. Josef Böhm an die FLD vom 18. Jänner 1949. 754 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 4746.

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20.878,67 Reichsmark festgelegt.755 Da von diesem Anteil, der der ehemaligen Eigentümerin zukommen sollte, noch die Betriebsverbindlichkeiten abzudecken waren, erhielt Anna Citron nichts aus dem Zwangsverkauf ihrer Apotheke.756 Die Konzession für die Apotheke »Zur Maria Heil der Kranken« erhielt Mag. Franz Berzl am 8. November 1938.757 Schon im September 1938 suchte Franz Berzl um die Genehmigung einer Standortverlegung der Apotheke in die Albrechtsberggasse 13 an,758 da der alte Standort sich als sehr ungünstig erwiesen hatte und den Anforderungen an einen zeitgemäßen Apothekenbetrieb nicht entsprach.759 Die Verlegung der Apotheke wurde am 17. Jänner 1939 von der Wiener Magistratsabteilung 8 genehmigt.760 Anna Citron konnte sich mit ihren Kindern Karl und Margarethe vor der nationalsozialistischen Verfolgung in Sicherheit bringen und emigrierte nach New York.761 Im April 1945 floh Mag. Franz Berzl vor der Roten Armee aus Wien und übergab die Leitung der Apotheke an seinen Kompagnon Mag. August Moll.762 Die Apotheke »Zur Maria Heil der Kranken« wurde am 25. Jänner 1946 unter öffentliche Verwaltung gestellt und in Folge von Mag. Josef Böhm geleitet.763 Franz Berzl wurde am 29. Juni 1946 verhaftet und am 30. Oktober 1946 vom Wiener Volksgericht wegen Hochverrats und missbräuchlicher Bereicherung bei der ›Arisierung‹ der Apotheke »Zur Maria Heil der Kranken« zu 18 Monaten schweren, verschärften Kerkers, Ersatz der Verfahrenskosten sowie Verfall seines Vermögens zu Gunsten der Republik Österreich verurteilt.764 Die ehemals dem Franz Berzl gehörige Hälfte der Apotheke ging somit in das Eigentum der Republik über, womit nach § 2 Abs. 1 des Zweiten Rückstellungsgesetzes die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland für die Rückstellung zuständig wurde. Bei dieser beantragte Anna Citron am 21. Juni 1947 die Rückstellung der einen Hälfte ihrer 1938 entzogenen Apotheke765 und initiierte 1948 ein Rückstellungsverfahren gegen Mag. August Moll wegen 755 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 756 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 15850, Bescheid der FLD vom 26. September 1949. 757 Krug, Wiener Apotheken. 758 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 39 (1939), 103. 759 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 15850, Betriebsprüfungsbericht von Dr. Josef Bauer vom 30. März 1949. 760 Krug, Wiener Apotheken. 761 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 12, 81, Vergleich vom 17. März 1950. 762 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, M.Abt. 2/2 an das BMfsV vom 12. Februar 1946. 763 Krug, Wiener Apotheken. 764 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 15850, Urteil des Wiener Volksgerichtes vom 30. Oktober 1946. 765 Ebd., Aktenvermerk vom 25. Juli 1947.

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Rückstellung der zweiten Apothekenhälfte. Das gegen Mag. Moll geführte Verfahren endete am 23. November 1948 mit einem Vergleich, in dem einerseits Anna Citron die Hälfte der Apotheke »Zur Maria Heil der Kranken« zurückgestellt wurde, andererseits der redliche Erwerb der Apothekenhälfte durch August Moll anerkannt wurde und Anna Citron auf die Verrechnung und Herausgabe der Erträgnisse dieser Apothekenhälfte seit der Entziehung verzichtete.766 Am 26. September 1949 wurde Anna Citron schließlich mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland auch die zweite Hälfte ihrer Apotheke sowie ein Betrag von 24.302,59 Schilling für entgangene Erträgnisse zurückgestellt.767 Da Anna Citron nicht über die für die Leitung einer öffentlichen Apotheke nötige Qualifikation verfügte, wurde am 28. Oktober 1949 Mag.a Else Kronstein von Amts wegen als Leiterin der Apotheke eingesetzt.768 1950 verkaufte Anna Citron die Apotheke an die offene Handelsgesellschaft »Zur Maria Heil der Kranken, Lorenzoni & Co«,769 die Konzession für die Apotheke erhielt Mag. Wolfgang Lorenzoni am 28. Juli 1950.770 Apotheke »Zur Maria Lourdes«, Wien 12., Tivoligasse 34771 Eigentümerin und Konzessionärin der Apotheke »Zur Maria Lourdes« war seit 1933 Mag.a Malvine Kirschen.772 Sie kaufte die Apotheke in diesem Jahr von Mag. Ignaz Bauer, der seinerseits im selben Jahr die Schwedenapotheke erwarb.773 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 38.600,– Reichsmark auf774 und war mit 31.465,26 Reichsmark verschuldet.775 Darüber hinaus war die Konzession für die Apotheke mit dem Rest des Kaufpreises in der Höhe von 125.000,– Schilling aus dem Erwerb der Apotheke im Jahre 1933 belastet.776 Am 6. Juli 1938 wurde Malvine Kirschen von Mag. Edwin Renner unter Androhung der Verschickung in ein Konzentrationslager gezwungen, ihre Apotheke an die ›illegale‹ Natio766 767 768 769 770 771 772 773 774 775 776

Ebd., Vergleich vom 23. November 1948. ÖStA, AdR E- uReang, FLD 15850, Bescheid der FLD vom 26. September 1949. Krug, Wiener Apotheken. Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 4746. Krug, Wiener Apotheken. Heute: Maria-Lourdes-Apotheke, Wien 12., Tivoligasse 50. Krug, Wiener Apotheken. Vgl. Kapitel 5.1.2., Schwedenapotheke. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, IV-162.905 – 15/45, Mag.a Malvine Kirschen an das BMfsV vom 28. November 1945. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 12, C 49, Erkenntnis vom 17. Oktober 1952.

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nalsozialistin Mag.a Ilse Taschler zu übergeben.777 Diese wurde am 22. Juli 1938 zur verantwortlichen Leiterin der Apotheke bestellt.778 Um die Apotheke »Zur Maria Lourdes« möglichst lastenfrei übergeben zu können, wurde von Mag. Renner eine Sitzung einberufen, an der Renner selbst, Mag. Bauer, Mag.a Kirschen und Mag.a Taschler teilnahmen. Renner verlangte bei dieser Zusammenkunft von Ignaz Bauer, auf seine Forderung gegen Malvine Kirschen zu verzichten, damit die Apotheke von Ilse Taschler ohne die Schulden, die auf der Konzession pfandrechtlich sichergestellt waren, übernommen werden könne. Ignaz Bauer kam dieser Forderung nach und ermöglichte somit Malvine Kirschen die spätere Ausreise aus Österreich.779 Im Herbst 1938 wurde der Verkauf der Apotheke von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt und ein Kaufpreis von 27.000,– Reichsmark bestimmt. Dieser Betrag wurde vollständig zur Abdeckung der Betriebsverbindlichkeiten verwendet, Mag.a Malvine Kirschen erhielt nichts aus dem Zwangsverkauf ihrer Apotheke.780 Die Konzession für die Apotheke »Zur Maria Lourdes« erhielt Mag.a Ilse Taschler am 31. Dezember 1938.781 Im April 1940782 flüchtete Mag.a Malvine Kirschen nach Ungarn, wo sie sich unter falschem Namen in verschiedenen Orten versteckt hielt und so die nationalsozialistische Verfolgung überlebte. Sie kehrte am 20. November 1945 nach Wien zurück.783 Da Ilse Taschler zu Beginn der Kampfhandlungen zur Befreiung Wiens aus der Stadt flüchtete, übernahm Mitte April 1945 Mag. Richard Stwrtecka die Leitung der verwaisten Apotheke »Zur Maria Lourdes«784 und wurde am 27. August 1945 zu deren öffentlichem Verwalter ernannt.785 Ihm folgte als öffentlicher Verwalter mit 1. November 1945 das ehemalige NSDAP-Mitglied Mag. Erwin Stögermayer.786 Nach ihrer Rückkehr aus Ungarn stellte Malvine Kirschen beim Staatsamt für 777 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, IV-162.905 – 15/45, Mag.a Malvine Kirschen an das BMfsV vom 28. November 1945. 778 Krug, Wiener Apotheken. 779 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 12, C 49, Erkenntnis vom 17. Oktober 1952. 780 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 781 Krug, Wiener Apotheken. 782 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/4, verstorbene Magister bis Geburtsjahr 1900. 783 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, IV-162.905 – 15/45, Mag.a Malvine Kirschen an das BMfsV vom 28. November 1945. 784 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, IV-161.144 – 15/45, Mag. Richard Stwrtecka an das StAfsV vom 16. August 1945. 785 Krug, Wiener Apotheken. 786 Krug, Wiener Apotheken; WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z; zu Mag. Erwin Stögermayer siehe auch Kapitel 5.1.10., Apotheke »Zur Mutter Gottes«.

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soziale Verwaltung am 29. November 1945 den Antrag, sie bis zur Klärung der Eigentumsverhältnisse zur öffentlichen Verwalterin ihrer Apotheke zu bestellen.787 Mit Hinweis auf den Umstand, dass für die Apotheke »Zur Maria Lourdes« schon ein öffentlicher Verwalter bestellt sei und sie auch die für die selbstständige Leitung einer öffentlichen Apotheke geforderten Vorraussetzungen – gemeint war das einjährige Praktikum in einer österreichischen Apotheke zur Wiedererlangung der Leitungsbefugnis – nicht erfüllte, wurde ihr Ansuchen abgelehnt.788 Weitere Interventionen in dieser Angelegenheit von Seiten ihres Anwalts Dr. Weller und des Provisorischen Ausschusses Österreichischer Apotheker beim Staatsamt für soziale Verwaltung blieben erfolglos.789 Am 31. Jänner 1946 wurde der öffentliche Verwalter der Apotheke »Zur Maria Lourdes«, Mag. Erwin Stögermayer, von der Staatspolizei verhaftet – er wurde der ›illegalen‹ Mitgliedschaft in der NSDAP, des Registrierungsbetrugs und der Verschiebung von Medikamenten verdächtigt.790 Daraufhin wurde Mag.a Maria Kless mit 1. Februar 1946 zur provisorischen Leiterin der Apotheke ernannt,791 und am selben Tag Mag.a Malvine Kirschen in ihrer Apotheke als Pharmazeutin angestellt.792 Die Zusammenarbeit der beiden Apothekerinnen erwies sich allerdings als sehr konfliktreich,793 und am 22. Februar 1946 wurde Malvine Kirschen auf Weisung des Staatsamtes für soziale Verwaltung wieder aus ihrer Anstellung entlassen.794 Da es Mag.a Kirschen in Folge nicht möglich war, in einer anderen Wiener Apotheke eine Anstellung zu finden und sie so die Berechtigung zur Leitung ihrer Apotheke nie erwerben hätte können, wurde ihr Anfang April von Bundesminister Maisel gestattet, in ihrer Apotheke als Angestellte weiter zu arbeiten.795 Um möglichst rasch wieder die Leitung ihrer Apotheke übernehmen zu können, wandte sie sich zusammen mit anderen ApothekerInnen, die mit 787 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, IV-162.905 – 15/45, Mag.a Malvine Kirschen an das BMfsV vom 28. November 1945. 788 Ebd., Kt. 28, IV-162.905 – 15/45 u. IV-2578 – 15/46, StAfsV an Mag.a Malvine Kirschen vom Jänner und Februar 1946. 789 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, IV-2578 – 15/46, Aktenvermerk vom Jänner 1946 und Provisorischer Ausschuss Österreichischer Apotheker an das BMfsV vom 18. Jänner 1946. 790 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, V-7473 – 18/46, Polizeidirektion Wien an das BMfsV vom 5. März 1946 791 Ebd., Kt. 28, V-4135 – 18/46, Wiener Apotheker Haupt-Gremium an das BMfsV vom 1. Februar 1946; zu Mag.a Maria Kless siehe auch Kapitel 5.1.3., Erdberg-Apotheke. 792 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. 793 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, V-7038 – 18/46, Aktenvermerk vom Februar 1946. 794 Ebd., Mag.a Maria Kless an das BMfsV vom 23. Februar 1946. 795 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 7, V-11.480 – 18/46, BMfsV an Mag.a Malvine Kirschen vom 10. April 1946.

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ähnlichen Problemen konfrontiert waren, im Sommer 1946 mit der Bitte um Intervention an die britische Militärregierung.796 Diese Vorgangsweise hatte Erfolg und Malvine Kirschen wurde am 17. August 1946 von der Britischen property control zur öffentlichen Verwalterin ihrer Apotheke bestellt.797 1947 brachte Mag.a Malvine Kirschen einen Antrag auf Rückstellung ihrer 1938 entzogenen Apotheke ein. Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 30. Juli 1947 mit einem Vergleich, in dem ihr die Apotheke »Zur Maria Lourdes« zurückgestellt wurde.798 Die Konzession für die Apotheke erhielt Mag.a Kirschen am 23. Dezember 1947.799

Schubert-Apotheke, Wien 12., Gierstergasse 5800 EigentümerInnen der Schubert-Apotheke waren seit Mai 1930 Mag. Max Philipp und seine Frau Stephanie Philipp. Die Konzession für die Apotheke erhielt Max Philipp am 5. August 1930.801 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 20.502,– Reichsmark auf802 und war mit 16.751,08 Reichsmark verschuldet.803 Am 29. November 1938 wurde Mag. Philipp von Edwin Renner genötigt, seine Apotheke an Mag. Felix Porsche zu übertragen.804 Als Kaufpreis wurden am 1. Dezember 1938 von der Vermögensverkehrsstelle 14.373,– Reichsmark festgesetzt. Da die Betriebsschulden diesen Kaufpreis überschritten, wurde seitens der Vermögensverkehrsstelle auf die Vorschreibung einer ›Arisierungsauflage‹ verzichtet und der Kaufpreis zur Abdeckung der Verbindlichkeiten verwendet. Max und Stephanie Philipp erhielten nichts aus dem Zwangsverkauf ihrer Apotheke.805 Die Konzession zum Betrieb der Schubert-Apotheke erhielt Mag. Felix Porsche am 17. Jänner 1939.806 796 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, V-52.136 – 18/46, BMfsV an BMfVuW vom 8. August 1946. 797 Ebd., Bescheid der britischen Militärregierung vom 17. August 1946. 798 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, V-52.136 – 18/46, Bescheid des BMfVuW vom 16. Dezember 1946 799 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/4, verstorbene Magister bis Geburtsjahr 1900. 800 Heute: Wien 12., Arndtstraße 88. 801 Krug, Wiener Apotheken. 802 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 803 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, V-7473 – 18/46, MA 2/2 an BMfsV vom 12. Februar 1946. 804 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 12, 8, Anmeldung durch Dr. Emil Reem vom 24. Oktober 1946. 805 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, V-7473 – 18/46, MA 2/2 an BMfsV vom 12. Februar 1946. 806 Krug, Wiener Apotheken.

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Mag. Max Philipp und Stephanie Philipp konnten 1939 vor den NationalsozialistInnen fliehen und emigrierten in die USA.807 Am 19. Juni 1946 wurde Mag. Felix Porsche verhaftet und Mag. Richard Harwald zum verantwortlichen Leiter der Schubert-Apotheke bestellt. Felix Porsche wurde im Sommer 1946 zu zwei Jahren verschärften, schweren Kerkers verurteilt, was in der Folge die Aberkennung des akademischen Grades, den Verlust der Konzession und ein Berufsverbot bis 1948 nach sich zog.808 1947 beantragte Mag. Max Philipp von New York aus die Rückstellung der 1938 entzogenen Apotheke,809 die 1948 auch zurückgestellt wurde.810 Die von Mag. Porsche 1938 mit der ›Arisierung‹ der Apotheke übernommenen Betriebsschulden erhielt dieser mit Vergleich vom 13. Dezember 1949 von Max Philipp rückerstattet.811

3.1.13. Wien, Penzing Apotheke »Zum grünen Kreuz«, Wien 14., Linzerstraße 42 Alleininhaber und Konzessionär der Apotheke »Zum grünen Kreuz« war seit 1924 Mag. Heinrich Nass.812 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 51.457,59 Reichsmark auf und war mit 38.755,46 Reichsmark verschuldet.813 Am 10. Juni 1938 wurde der spätere ›Ariseur‹ Mag. Martin Aufschnaiter zum verantwortlichen Leiter bestellt814 und im Juli 1938 Heinrich Nass genötigt, diesem seine Apotheke zu verkaufen.815 Als Kaufpreis setzte die Vermögensverkehrsstelle einen Betrag von 36.020,30 Reichsmark fest. Da die Betriebsverbindlichkeiten diesen Kaufpreis überstiegen, sah die Vermögensverkehrsstelle auf Antrag von Mag. Edwin Renner davon ab, eine ›Arisierungsauflage‹ vorzuschreiben, sondern verfügte, dass der Kaufpreis zur Abdeckung der Betriebsschulden zu verwenden wäre. Mag. Heinrich Nass erhielt nichts aus dem Zwangsverkauf seiner 807 808 809 810 811 812 813 814 815

Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 222. WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 12, 8 u. 26, Vergleich vom 13. Dezember 1949. WStLA, NSDAP Wien (1932 – 1955), Kartei des Gauamts für Volksgesundheit, Index: allgemein A–Z. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 12, 8 u. 26, Vergleich vom 13. Dezember 1949. Krug, Wiener Apotheken. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 14, 17, Anmeldung durch Maria Aufschnaiter vom 23. Oktober 1946.

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Apotheke.816 Die Konzession für die Apotheke »Zum grünen Kreuz« erhielt Mag. Martin Aufschnaiter am 8. November 1938,817 protokolliert im Wiener Handelsregister wurde der Eigentumswechsel der Apotheke schließlich im Februar 1939.818 Mag. Heinrich Nass meldete sich noch 1938 mit unbekanntem Ziel aus Wien ab.819 Sein weiteres Schicksal ist unbekannt. Mag. Martin Aufschnaiter verstarb am 25. November 1941820 und die Apotheke »Zum grünen Kreuz« ging im Erbwege an seine Frau Maria Aufschnaiter.821 Diese verpachtete den Betrieb mit 1. Februar 1942 an Mag. Viktor Pollner.822 Da Viktor Pollner am 10. Jänner 1945 verstarb, übernahm seine Frau Mag.a Karoline Pollner den Pachtvertrag.823 Am 30. April 1947 trat Karoline Pollner von diesem Pachtvertrag zurück und die Apotheke wurde bis zur Zurücklegung der Konzession durch Maria Aufschnaiter am 18. September 1951 von wechselnden verantwortlichen Leitern geführt.824 1949 beantragte Emanuel Nass, Dentist in Kattowice und Erbe nach Mag. Heinrich Nass, die Rückstellung der Apotheke »Zum grünen Kreuz«. In einem am 30. Juni 1951 vor der Rückstellungskommission Wien V geschlossenen Vergleich wurde zwischen Emanuel Nass und Maria Aufschnaiter vereinbart, dass Emanuel Nass im Falle eines Verkaufs der Apotheke 600.000,– Schilling vom Verkaufserlös als Entschädigung für den 1938 erfolgten Vermögensentzug bekommen sollte.825 Die Apotheke »Zum grünen Kreuz« wurde daher noch im selben Jahr an die am 1. Juli 1951 gegründete offene Handelsgesellschaft »Apotheke zum grünen Kreuz, Mag. Wieninger & Dr. Zipperer« verkauft.826 Die Konzession für die Apotheke erhielt Mag. Otto Wieninger am 18. September 1951.827 816 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 817 Krug, Wiener Apotheken. 818 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 7 (1939), 102. 819 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 222. 820 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. 821 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-34.288 – 18/46, Wiener Apotheker-Hauptgremium an BMfsV vom 6. Juli 1946. 822 Krug, Wiener Apotheken. 823 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-34.288 – 18/46, Wiener Apotheker-Hauptgremium an BMfsV vom 6. Juli 1946. 824 Krug, Wiener Apotheken. 825 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 14, 17, Vergleich vom 30. Juni 1951. 826 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 7081. 827 Krug, Wiener Apotheken; zu Mag. Otto Wieninger siehe auch Kapitel 5.1.9., Apotheke »Zum Biber«.

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Apotheke »Zur göttlichen Vorsehung«, Wien 14., Linzerstraße 373828 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke »Zur göttlichen Vorsehung« war seit 1921 Mag. Heinrich Semis.829 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Umsatz von 30.148,– Reichsmark und war schuldenfrei.830 Nach dem ›Anschluss‹ wurde Heinrich Semis verhaftet und im Konzentrationslager Dachau interniert. Von dort stellte er im Juli 1938 mittels eines Abwesenheitskurators an die Vermögensverkehrsstelle einen Antrag um Genehmigung zur Veräußerung seiner Apotheke. Eine erste Vereinbarung vom 9. August 1938 sah als Käufer für die Apotheke Mag. Friedrich Doskar vor. Da Friedrich Doskar kein Parteigenosse war, wurde von der Vermögensverkehrsstelle mit Unterstützung der NSDAPKreisleitung Wien VII der ›illegale‹ Parteigenosse Mag. Hermann Reibmayr als Käufer vorgeschlagen und am 27. November 1938 der Verkauf der Apotheke an diesen genehmigt. Als Kaufpreis wurden von der Vermögensverkehrsstelle 21.103,60 Reichsmark bestimmt, die Hermann Reibmayr in zehn Jahresraten abzahlen sollte. Mag. Heinrich Semis sollte 9.441,44 Reichsmark erhalten. Am 25. November 1938 wurde zwischen Mag. Reibmayr und Mag. Heinrich Semis – letzterer war mittlerweile Häftling des Konzentrationslagers Buchenwald – in diesem Sinne ein Kaufvertrag zur Übertragung der Apotheke errichtet, der von der Vermögensverkehrsstelle unter Vorschreibung einer ›Arisierungsauflage‹ von 12.662,16 Reichsmark am 14. Jänner 1939 genehmigt wurde.831 Die Konzession für die Apotheke wurde Mag. Reibmayr am 24. März 1939 erteilt.832 Am 10. Juni 1941 wurde das Unternehmen in eine offene Handelsgesellschaft umgewandelt, der Gisela Reibmayr als Gesellschafterin beitrat.833 Mag. Heinrich Semis war zumindest bis 1940 im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Er wurde später nach Polen deportiert, wo sich seine Spuren verlieren. Er hat die Verfolgung durch den Nationalsozialismus nicht überlebt.834 Mit Bescheid der Wiener Magistratsabteilung 15 vom 19. Juni 1946 wurde Mag.a Edith Hufeisen zur verantwortlichen Leiterin der Apotheke »Zur göttlichen Vorsehung« bestellt. Sie führte die Apotheke bis zur Übergabe der Geschäftsleitung an Mag. Hermann Reibmayr am 12. November 1948.835 Da Wil828 Heute: Belladonna-Apotheke, Wien 14., Linzerstraße 383. 829 Krug, Wiener Apotheken. 830 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 831 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 11/60, Antrag vom 22. Februar 1960. 832 Krug, Wiener Apotheken. 833 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 11/60, Antrag vom 22. Februar 1960. 834 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 224. 835 Krug, Wiener Apotheken.

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helm Semis, der Erbe nach Mag. Hermann Semis, in der vom Dritten Rückstellungsgesetz dafür vorgesehenen Frist keinen Antrag auf Rückstellung der Apotheke stellte,836 wurde am 22. Februar 1960 von der Sammelstelle B ein entsprechender Antrag bei der Rückstellungskommission Wien V eingebracht. Das Rückstellungsverfahren endete am 3. Juni 1960 mit einem Vergleich, in dem die Sammelstelle B gegen die Zahlung von 1,100.000,– Schilling auf die Rückstellung der Apotheke »Zur göttlichen Vorsehung« verzichtete.837

St. Lukas-Apotheke, Wien 14., Penzingerstraße 99 Eigentümer und Konzessionär der St. Lukas-Apotheke war seit 1934 Dr. Albert Wolkenberg.838 Das Unternehmen erzielte 1937 einen Jahresumsatz von 40.519,– Reichsmark839 und war mit Außenständen in der Höhe von ungefähr 48.600,– Reichsmark belastet.840 Am 29. September 1938 wurde der spätere ›Ariseur‹ der Apotheke, Mag. Bruno Gräser, ›illegales‹ Mitglied der NSDAP,841 zum verantwortlichen Leiter bestellt.842 In Folge wurde ihm von der Vermögensverkehrsstelle der Erwerb der Apotheke unter Übernahme der Außenstände und Bezahlung des festgesetzten Kaufpreises von 28.350,– Reichsmark genehmigt. Dr. Albert Wolkenberg erhielt nichts aus dem Verkauf seiner Apotheke.843 Die Konzession für die Apotheke wurde am 6. Juni 1939 an Mag. Bruno Gräser erteilt.844 Dr. Albert Wolkenberg konnte sich vor der nationalsozialistischen Verfolgung in Sicherheit bringen und emigrierte nach London.845 Am 15. April 1946 wurde Mag.a Walfriede Korber zur verantwortlichen Leiterin für die Apotheke bestellt, da Mag. Bruno Gräser mit Berufsverbot belegt war.846 1947 machte Dr. Albert Wolkenberg von London aus seine Rückstel836 837 838 839 840 841 842 843 844 845 846

WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 11/60, Gegenäußerung vom 21. März 1960. Ebd., Vergleich vom 3. Juni 1960. Krug, Wiener Apotheken. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 14, 329, Anmeldung durch Mag. Bruno Gräser vom 16. November 1946. ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 7, V-31.599 – 18/46, Wiener Apotheker-Hauptgremium an das BMfsV vom 25. April 1946. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 14, 329, Anmeldung durch Mag. Bruno Gräser, 16. November 1946. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 14, 283, Anmeldung durch Mag.a Walfriede Korber, 14. November 1946. Krug, Wiener Apotheken.

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lungsansprüche geltend und 1948 wurde ihm seine Apotheke zurückgestellt.847 Zur Bereinigung sämtlicher Gegenansprüche seitens Bruno Gräser wurde am 12. April 1950 vor der Rückstellungskommission Wien I ein Vergleich geschlossen, durch den mit Zahlung von 10.000,– Schilling an Mag. Gräser sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus der Entziehung der Apotheke ausgeglichen wurden.848 Dr. Albert Wolkenberg verkaufte daraufhin seine Apotheke an Mag. Maximilian Winternitz, der am 25. April 1950 auch die Konzession für die St. Lukas-Apotheke erhielt.849

3.1.14. Wien, Rudolfsheim-Fünfhaus Adler-Apotheke, Wien 15., Märzstraße 49 Eigentümerin der Adler-Apotheke war Anfang 1938 eine offene Handelsgesellschaft, deren Gesellschafter zu gleichen Teilen Dr. Maximilian Barber und Mag. Alfred Müller waren.850 Konzessionär der Apotheke war seit April 1919 Mag. Alfred Müller.851 Laut einem Bericht des kommissarischen Verwalters aller jüdischen Apotheken in der Ostmark, SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner an den Gauleiter Josef Bürckel war der Betrieb mit 102,903,70 Reichsmark verschuldet, zum Umsatz des Jahres 1937 finden sich keine Angaben in diesem Bericht.852 Am 7. Mai 1938 wurde der langjährige Mitarbeiter Mag. Josef Cassel – er war seit Jänner 1920 in der Adler-Apotheke angestellt853 – zum verantwortlichen Leiter ernannt.854 Mit Hilfe der Vermögensverkehrsstelle ›arisierte‹ er am 1. August 1938 die Adler-Apotheke, wobei die Übernahme der Betriebsverbindlichkeiten – zu diesem Zeitpunkt 98.958,60 Schilling855 – den Kaufpreis

847 WStLA, NSDAP Wien (1932 – 1955), Kartei des Gauamts für Volksgesundheit, Index: allgemein A–Z. 848 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 14, 283 u. 329, Vergleich vom 12. April 1950. 849 Krug, Wiener Apotheken; zu Mag. Maximilian Winternitz siehe auch Kapitel 5.1.1., Apotheke »Zum römischen Kaiser«. 850 Krug, Wiener Apotheken; ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 851 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. 852 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939 853 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. 854 Krug, Wiener Apotheken. 855 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 15, 128, Anmeldung durch Mag.a Margarete Kaunitz vom 10. November 1946.

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darstellte.856 Weder wurde bei dieser ›Arisierung‹ eine ›Arisierungsauflage‹ vorgeschrieben, noch erhielten die Vorbesitzer auf offiziellem Weg irgendeine Gegenleistung.857 Inoffiziell erhielten Dr. Barber 5.000,– Reichsmark und Mag. Müller 7.000,– Reichsmark vom ›Ariseur‹ Mag. Josef Cassel ausbezahlt.858 Die Konzession für die Adler-Apotheke erhielt Mag. Cassel am 21. Dezember 1939.859 Mag. Alfred Müller konnte am 14. September 1939 Österreich verlassen und emigrierte in die USA,860 wo er später in Los Angeles die amerikanische Staatsbürgerschaft erwarb und als Krankenhausapotheker tätig wurde.861 Auch Dr. Maximilian Barber konnte sich 1939 vor den NationalsozialistInnen in Sicherheit bringen und flüchtete nach Belgien,862 wo er in Brüssel die NS-Herrschaft überlebte.863 Am 28. Februar 1947 wurde die Apotheke unter öffentliche Verwaltung gestellt und in Folge von Mag.a Margarete Kautz geleitet.864 Noch im selben Jahr beantragten Dr. Barber und Mag. Müller aus dem Exil die Rückstellung ihrer 1938 entzogenen Apotheke. In einem daraufhin geführten Rückstellungsverfahren wurde ihnen mit Teilerkenntnis der Rückstellungskommission Wien V vom 30. April 1948 die Adler-Apotheke samt dem Anrecht auf die Wiedererlangen der Konzession zurückgestellt.865 Alfred Müller und Maximilian Barber setzten 1948 ihre durch die nationalsozialistischen Zwangsmaßnahmen aufgelöste Sozietät fort und kehrten nach Wien zurück.866 Um die für die Wiedererlangung der Konzession nötige Praxis in einer österreichischen Apotheke nachweisen zu können, arbeitete Mag. Müller ab 1. November 1948 als Angestellter in seiner eigenen Apotheke und erhielt schließlich die Konzession für die Adler-Apotheke am 3. Oktober 1949.867

856 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-34.288 – 18/46, Wiener Apotheker-Hauptgremium an BMfsV vom 6. Juli 1946. 857 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 858 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 15, 128, Anmeldung durch Mag.a Margarete Kaunitz, 10. November 1946. 859 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. 860 Ebd. 861 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 148. 862 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 218. 863 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 15, 198, Anmeldung durch Dr. Maximilian Barber vom 9. Juni 1947. 864 Krug, Wiener Apotheken. 865 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 15, 128 u. 198, Teilerkenntnis vom 30. April 1948. 866 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 148. 867 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z.

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Apotheke »Zur heiligen Corona«, Wien 15., Sechshauserstraße 104 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke »Zur heiligen Corona« war seit 1914 Mag. Leopold Goranin.868 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 34.308,08 Reichsmark und war mit 16.862,12 Reichsmark – zum Großteil Warenschulden bei der Herba – verschuldet. Mag. Goranin versuchte der ab März 1938 drohenden ›Arisierung‹ seiner Apotheke zuvorzukommen und verpachtete sie am 24. April 1938 an Mag. August Hambek. Dieses Arrangement wurde allerdings – wie in anderen Fällen auch – vom kommissarischen Verwalter aller jüdischen Apotheken in der Ostmark, SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner, nicht akzeptiert, und Leopold Goranin wurde am 8. Juli 1938 genötigt, seine Apotheke an August Hambek zu veräußern.869 Letzterer wurde am 22. Juli 1938 zum verantwortlichen Leiter der Apotheke »Zur heiligen Corona« bestellt und erhielt die Konzession für die Apotheke am 14. Oktober 1938.870 Die ›Arisierung‹ der Apotheke wurde am 11. November 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt und ein Kaufpreis von 24.015,66 Reichsmark festgesetzt. Nach Abzug der Betriebsverbindlichkeiten wurden 7.153,24 Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ zu Gunsten der Vermögensverkehrsstelle vorgeschrieben. Mag. Leopold Goranin erhielt nichts aus dem Zwangsverkauf seiner Apotheke.871 Im Jänner 1939 wurde dieser Eigentümerwechsel schließlich im Wiener Handelsregister protokolliert.872 Mag. Leopold Goranin konnte 1939 vor den NationalsozialistInnen fliehen und emigrierte über Großbritannien in die USA.873 Am 20. Oktober 1945 wurde die Apotheke »Zur Corona« unter öffentliche Verwaltung gestellt und ab 6. November 1945 von Mag. Walter Santi geleitet.874 1947 beantragte Leopold Goranin von Chicago aus die Rückstellung seiner Apotheke. Im daraufhin geführten Rückstellungsverfahren wurde ihm mit Teilerkenntnis vom 6. November 1947 die Apotheke »Zur heiligen Corona« samt Mietrechten und dem Anrecht auf die Wiedererlangung der Konzession zum Betrieb derselben zurückgestellt.875 Mag. Goranin kehrte 1948 nach Wien zurück, konnte allerdings die Leitung seiner Apotheke nicht sofort übernehmen, 868 Krug, Wiener Apotheken. 869 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 15, 140, Anmeldung durch Mag. August Hambeck, 8. November 1946. 870 Krug, Wiener Apotheken. 871 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 15, 140, Anmeldung durch Mag. August Hambeck, 8. November 1946. 872 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 3 (1939), 44. 873 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 220. 874 Krug, Wiener Apotheken; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 15, 140, Vergleich vom 19. Oktober 1948. 875 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 15, 140, Teilerkenntnis vom 6. November 1947.

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da ihm die nach dem Apothekengesetz nötige Praxis in einer österreichischen Apotheke fehlte. Erst nach Absolvierung eines sechsmonatigen Praktikums in einer fremden Apotheke sollte er am 1. Juli 1949 wieder die Leitung seiner Apotheke übernehmen können. Tragischerweise verstarb Mag. Leopold Goranin zwei Tage vor der geplanten Übernahme seiner Apotheke am 29. Juni 1949.876

Apotheke »Zur heiligen Maria vom Siege«, Wien 15., Mariahilferstraße 154877 Konzessionär und Inhaber der Apotheke »Zur heiligen Maria vom Siege« war seit 1926 Mag. Otto Luka.878 Der Apothekenbetrieb erwirtschaftete im Jahre 1937 einen Umsatz von 46.700,– Reichsmark und war schuldenfrei.879 Am 15. Juli 1938 wurde die Apotheke von Mag. Franz Lemmerhofer und Mag. Rudolf Zaininger – ersterer seit Mai 1938 NSDAP-Mitglied,880 zweiterer seit Juni 1938 SA-Scharführer in einer Apotheker-Reiterstandarte881 – ›arisiert‹.882 Der von der Vermögensverkehrsstelle festgesetzte Kaufpreis sollte 32.960,– Reichsmark betragen,883 es wurden allerdings von Mag. Lemmerhofer und Mag. Zaininger nur 13.076,– Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ und weitere 5.671,12 Reichsmark als restlicher Kaufpreis an die Vermögensverkehrsstelle überwiesen, Mag. Otto Luka hat für seine Apotheke nichts erhalten.884 Die Konzession für die Apotheke wurde am 29. September 1938 an Mag. Franz Lemmerhofer übertragen. Mit 1. Oktober 1938 wurde von den ›Ariseuren‹ eine offene Handelsgesellschaft als Betriebsgesellschaft gegründet und die Apotheke umbenannt in »Sieg-Apotheke«.885 1940 wurde der Standort der Apotheke in die Mariahilferstraße 151 verlegt.886 Mag. Otto Luka konnte noch 1938 aus Österreich flüchten,887 wurde aber 876 877 878 879 880 881 882 883 884 885 886 887

Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 148. Heute: Apotheke »Maria vom Siege«. Krug, Wiener Apotheken. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. Pharmazeutische Presse, Nr. 26 (1938), 228 und WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z; zu Mag. Rudolf Zaininger siehe auch Kapitel 5.1.3., CarolusApotheke. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 15, 380, Anmeldung durch Mag.a Hedwig Deml vom 15. November 1946. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 97/59, Rückstellungsantrag vom 6. November 1959. Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 49 (1938), 237. Krug, Wiener Apotheken. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 222.

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später in Italien gefasst und von dort – Ort und Zeit seiner Deportation sind nicht bekannt – in ein Lager gebracht und ermordet.888 Die Apotheke »Zur heiligen Maria vom Siege« wurde vom 16. August 1945 bis zum 20. Juli 1946 von Mag.a Edith Feigl als öffentliche Verwalterin und danach bis zum 22. Dezember 1948 – Mag. Lemmerhofer war auf Grund seiner NSDAPMitgliedschaft mit Berufsverbot belegt – von Mag.a Hedwig Deml als verantwortliche Leiterin geführt. Am 25. Jänner 1949 übernahm wieder Mag. Franz Lemmerhofer die Leitung und Geschäftsführung der Apotheke.889 Da Mag. Otto Luka keine RechtsnachfolgerInnen hinterließ, brachte die Sammelstelle A am 6. November 1959 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien V einen Rückstellungsantrag gegen Mag. Franz Lemmerhofer und Mag. Rudolf Zaininger ein. Das Verfahren endete am 18. November 1959 mit einem Vergleich, in dem die Sammelstelle A gegen eine Zahlung von 1.000.000,– Schilling auf die Rückstellung der Apotheke verzichtete.890

3.1.15. Wien, Ottakring Adler-Apotheke, Wien 16., Kirchstetterngasse 36 Konzessionär und Inhaber der Adler-Apotheke in Ottakring war Anfang 1938 Dr. Karl Blaskopf. Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Umsatz von 74.466,30 Reichsmark und war lastenfrei.891 Die Apotheke wurde vor August 1938 – ein Datum der Eigentumsübertragung und Details dazu sind nicht bekannt, der ›Ariseur‹ verfasste allerdings eine Eröffnungsbilanz datiert vom 1. August 1938 – von Mag. Josef Stumm ›arisiert‹.892 Als Kaufpreis wurde von der Vermögensverkehrsstelle ein Betrag von 52.126,41 Reichsmark festgesetzt, wovon 31.275,85 Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ an die Vermögensverkehrsstelle zu überweisen waren, 20.850,56 Reichsmark erhielt Dr. Karl Blaskopf auf ein Sperrkonto gutgeschrieben.893 Die Übertragung der Konzession an Mag. Josef Stumm erfolgte im September 1938.894 DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 97/59, Vergleich vom 18. November 1959. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 892 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 16, 263, Anmeldung durch Mag.a Hermine Paukert, 14. November 1946. 893 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 894 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 41 (1939), 128.

888 889 890 891

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Dr. Karl Blaskopf wurde am 28. Oktober 1941 von Wien nach Łûdz´ deportiert, wo er am 7. April 1942 ermordet wurde.895 Als sich die Rote Armee im April 1945 Wien näherte, flüchtete Mag. Josef Stumm aus Wien.896 Die Leitung der verwaisten Apotheke übernahm am 8. Juni 1945 Mag.a Hermine Paukert.897 Am 16. August 1945 wurde sie zur öffentlichen Verwalterin der Adler-Apotheke bestellt und führte die Apotheke bis zur Aufhebung der öffentlichen Verwaltung am 11. November 1950.898 1948 stellten die ErbInnen nach Dr. Karl Blaskopf, Mag.a Marianne und Mag. Hans Blaskopf, einen Antrag auf Rückstellung der 1938 entzogenen Apotheke und deren Betriebsrechten. Am 7. Februar 1950 wurde die Apotheke samt Konzession und Großdrogenkonzession an Mag. Hans Blaskopf und Mag.a Marianne Blaskopf zurückgestellt.899 Apotheke Dr. E. Kolda, Wien 16., Nepomuk Berger-Platz 2900 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke war seit 1922 Mag. Ephraim David Beres.901 Der Jahresumsatz des Betriebes betrug 1937 77.762,34 Reichsmark, die Passiven beliefen sich auf 69.730,20 Reichsmark.902 Unter Regie der Vermögensverkehrsstelle wurde David Beres am 11. Juli 1938 genötigt, seine Apotheke an Mag. Oskar Bittner zu verkaufen,903 der am 22. Juli 1938 als verantwortlicher Leiter der Apotheke eingesetzt wurde.904 Als Kaufpreis für die Apotheke wurde bei dieser Transaktion von der Vermögensverkehrsstelle der Betrag von 54.433,60 Reichsmark festgesetzt. Da die Betriebsverbindlichkeiten diesen Kaufpreis überstiegen, sah die Vermögensverkehrsstelle auf Ansuchen Mag. Edwin Renners davon ab, eine ›Arisierungsauflage‹ vorzuschreiben, sondern übergab die Apotheke mit der Auflage, die Schulden zu begleichen, an Oskar Bittner.905 895 DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001. 896 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1945, Kt. 2, IV-160.868 – 15/45, Wiener Gebietskrankenkasse an das StAfsV vom 24. Juli 1945. 897 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1945, Kt.3, IV-161.524 – 15/45, Wiener M.Abt. II an das StAfsV vom 14. September 1945. 898 Krug, Wiener Apotheken. 899 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 16, 263, Vergleich vom 7. Februar 1950. 900 Früher : Apotheke »Zur Mariahilf«, heute: Neulerchenfelder-Apotheke. Obiger Name nach Wiener Adressbuch. Lehmanns Wohnungsanzeiger, Bd. 1, Teil III , Jg. 79 (1938), 9. 901 Krug, Wiener Apotheken. 902 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 903 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 16, 82, Anmeldung durch Mag. Franz Höss vom 11. November 1946. 904 Krug, Wiener Apotheken. 905 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem

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Mag. David Beres erhielt offiziell nichts aus dem Zwangsverkauf seiner Apotheke, nach Angabe des späteren öffentlichen Verwalters Mag. Franz Höss bezahlte jedoch Oskar Bittner 10.000,– Reichsmark in bar an David Beres.906 Die Konzession für die Apotheke erhielt Mag. Oskar Bittner am 11. November 1938 und änderte ihren Namen in »Neulerchenfelder-Apotheke«.907 Mag. Ephraim David Beres verstarb am 15. Oktober 1939 in Wien und wurde drei Tage später am Wiener Zentralfriedhof beerdigt.908 Seine Frau Helene Beres und sein Sohn Kurt wurden am 12. Mai 1942 von Wien nach Izbica deportiert und dort ermordet.909 Die beiden Töchter, Gerda und Luise, konnten sich nach Großbritannien und Belgien in Sicherheit bringen und überlebten die nationalsozialistische Verfolgung.910 Die Neulerchenfelder-Apotheke wurde am 10. August 1945 unter öffentliche Verwaltung gestellt und in der Folge von Mag. Josef Holzinger und Mag. Franz Höss geleitet.911 1948 beantragten die Töchter und Erbinnen von Mag. Ephraim David Beres, Gerda Gichner und Luise Mammes, die Rückstellung der ihrem Vater 1938 entzogenen Apotheke. Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 16. Mai 1950 mit einem Vergleich vor der Rückstellungskommission Wien I. Gegen eine Ausgleichszahlung von 75.000,– Schilling an Mag. Oskar Bittner und seine Frau Ottilie Bittner erhielten die Antragstellerinnen die Neulerchenfelder-Apotheke samt Mietrechten und Konzession zurückgestellt.912 Herbst-Apotheke, Wien 16., Herbststraße 99 Eigentümer und Konzessionär der Herbst-Apotheke war Anfang 1938 Mag. Simon Keitsch.913 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 34.991,13 Reichsmark auf und war mit etwa 11.000,– Reichsmark verschuldet.914 Dass die

906 907 908 909 910 911 912 913 914

Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 16, 82, Anmeldung durch Mag. Franz Höss vom 11. November 1946. Krug, Wiener Apotheken. IKG Wien, Friedhofsdatenbank, http://www.ikg-wien.at (März 2008). Yad Vashem, http://www.yadvashem.org (März 2008). Krug, Wiener Apotheken; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 16, 82, Vergleich vom 16. Mai 1950. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 16, 82, Vergleich vom 16. Mai 1950. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 16, 20, Notar Dr. Josef. Mitter an das Magistratische Bezirksamt für den 16. Bezirk vom 24. Mai 1949 und Krug, Wiener Apotheken. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. In diesem Bericht fehlen allerdings die exakten Zahlen zum oben angeführten Schuldenstand der Herbst-Apotheke. Da diese auch anderweitig nicht eruiert werden

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

nationalsozialistischen ›Ariseure‹ alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzten, um die jüdischen EigentümerInnen österreichischer Apotheken zum Verkauf derselben zu nötigen, zeigt die folgende Stellungnahme von Mag. Keitsch zur ›Arisierung‹ seiner Herbst-Apotheke: Ich wurde im Jahre 1938 in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Dort wurde ich eines Tages gezwungen, 2 Urkunden zu unterfertigen, in denen ich einerseits auf die Konzession, andererseits auf die Apotheke samt Einrichtung und Warenlager verzichtete. Ich erhielt für den Verzicht keinerlei Gegenleistung. Zum Beweis dafür beziehe ich mich auf ein in meiner Hand befindliches Schreiben des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten, Volksgesundheitsamt vom 10. Oktober 1938, an die Reichsfluchtsteuerstelle in Wien, worin mitgeteilt wird, dass meine Apotheke arisiert wurde und ich aus der Apotheke nichts bekommen habe, sodass ersucht wird, mir ein Unbedenklichkeitszeugnis auszustellen.915

Am 9. Juli 1938 wurde der spätere ›Ariseur‹ Mag. Josef Kohberger als verantwortlicher Leiter für die Herbst-Apotheke bestellt916 und erhielt die Apotheke am 1. Oktober 1938 von der Vermögensverkehrsstelle übertragen.917 Diese setzte einen Kaufpreis von 24.493,79 Reichsmark fest, wovon 13.546,73 Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ an die Vermögensverkehrsstelle abzuführen waren, der Rest des Kaufpreises sollte zur Abdeckung der Betriebsverbindlichkeiten verwendet werden. Mag. Simon Keitsch erhielt nichts aus dem Zwangsverkauf seiner Apotheke.918 Die Konzession für die Herbst-Apotheke erhielt Mag. Josef Kohberger mit Bescheid der Magistratsabteilung 8 in Wien vom 29. November 1938.919 Am 27. Dezember 1938 wurde Mag. Simon Keitsch aus dem Konzentrationslager entlassen und konnte sich am 28. Jänner 1939 nach Shanghai in Sicherheit bringen, wo er das Ende der NS-Herrschaft überlebte.920 Am 10. April 1945 schied Mag. Josef Kohberger durch Selbstmord aus dem Leben921 und die Herbst-Apotheke wurde am 19. Juni 1945 unter öffentliche

915 916 917 918 919 920 921

konnten, wurden sie aus dem festgesetzten Kaufpreis abzüglich der ›Arisierungsauflage‹ errechnet. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 16, 119, RA Dr. Viktor Lefford für Mag. Simon Keitsch an das Magis-tratische Bezirksamt für den 16. Bezirk vom 15. November 1946. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 16, 20, Anmeldung durch Mag. Otto Pfanzagl vom 2. November 1946. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 50 (1938), 257. WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/4, verstorbene Magister bis Geburtsjahr 1900. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 16, 20, Anmeldung durch Mag. Otto Pfanzagl vom 2. November 1946.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Wien

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Verwaltung gestellt.922 Bis zur Rückstellung an Mag. Keitsch und Übernahme der Leitung durch ihn wurde die Apotheke von Mag. Otto Pfanzagl geleitet.923 1947 beantragte Mag. Keitsch – er war inzwischen nach Melbourne in Australien emigriert – die Rückstellung der Herbst-Apotheke. Mit einem Vergleich, geschlossen vor der Rückstellungskommission Wien I am 6. Mai 1949, wurde ihm die Apotheke samt allen Aktiva und dem Anrecht auf die Konzession zurückgestellt.924 Mag. Simon Keitsch kehrte daraufhin am 30. Oktober 1949 nach Wien zurück und unterzog sich einem halbjährigen Praktikum in seiner Apotheke, um am 4. Mai 1950 auch wieder die Konzession für die Herbst-Apotheke zu erlangen.925 Am 1. März 1951 gab er die Konzession für die Apotheke weiter926 und kehrte nach Australien zurück.927

3.1.16. Wien, Hernals Apotheke Mr. Ph. Franz Wessely, Wien 17., Parhamerplatz 6928 Alleininhaber und Konzessionär der Apotheke am Parhamerplatz in WienHernals war 1938 Mag. Ignaz Großberg.929 Der Umsatz der Apotheke betrug im Jahr 1937 43.540,– Reichsmark. Der Betrieb war mit Außenständen – im Wesentlichen ein Darlehen des Vorbesitzers Mag. Franz Wessely930 – in der Höhe von 49.000,– Reichsmark belastet.931 Im Juli 1938 wurde Mag. Ernst Clemens von Edwin Renner zum verantwortlichen Leiter der Apotheke bestellt932 und unter Ausschluss von Ignaz Großberg am 27. Juli 1938 in der Vermögensverkehrsstelle ein Kaufvertrag errichtet,933 der die Apotheke gegen die Übernahme der Au922 923 924 925 926 927 928 929 930 931 932 933

Krug, Wiener Apotheken. Ebd. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 16, 20 u. 119, Vergleich vom 6. Mai 1949. WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/4, verstorbene Magister bis Geburtsjahr 1900. Ebd. Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 149. Heute: Apotheke Mag. pharm. Roland Clemens Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 40 (1938), 117; Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 5 (1939), 17. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 17, 224, Anmeldung durch Mag. Ernst Clemens vom 25. Oktober 1946. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 33 (1938), 24. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 17, 224, Anmeldung durch Mag. Ernst Clemens vom 25. Oktober 1946; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 17, 110, Anmeldung durch Mag. Ignaz Großberg vom 21. Jänner 1947.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

ßenstände an Ernst Clemens übertrug.934 Mit Bescheid des Wiener Magistrats vom 26. September 1938 erhielt Mag. Clemens auch die Konzession für die Apotheke und wurde im Jänner 1939 als neuer Inhaber in das Handelsregister eingetragen.935 Mag. Ignaz Großberg wartete die weitere Entwicklung nicht ab und flüchtete noch 1938 nach Palästina, wo er in Tel Aviv wieder eine Apotheke betrieb.936 Nach 1945 wurde Mag. Franz Pfefferkorn mit Bescheid des Wiener Magistrats vom 15. April 1946 zum verantwortlichen Leiter der Apotheke bestellt, da Ernst Clemens durch seine Mitgliedschaft in der NSDAP mit Berufsverbot belegt war. Am 12. Februar 1948 wurde Mag. Clemens wieder zur Berufsausübung zugelassen und ihm mit Aufhebung der Leiterbestellung am 10. Juli 1948 auch die Übernahme der Geschäfte ermöglicht. Am 21. Jänner 1947 meldete Mag. Ignaz Großberg seinen Anspruch auf die ihm 1938 entzogene Apotheke an937 und schloss am 5. Jänner 1950 vor der Rückstellungskommission Wien I mit Mag. Ernst Clemens einen Vergleich, in dem Ignaz Großberg gegen die Zahlung von 60.000,– Schilling auf die Rückstellung der Apotheke am Parhamerplatz verzichtete.938

Apotheke »Zum heiligen Bartholomäus«, Wien 17., Hernalser Hauptstraße 56939 Alleininhaberin und Konzessionseignerin der Apotheke »Zum heiligen Bartholomäus« war 1938 Olga Zavaros. Sie betrieb – mit Mag. Karl Tautermann als verantwortlichem Leiter – die Apotheke seit 12. Dezember 1923 als Witwenfortbetrieb.940 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Umsatz von 64.232,25 Reichsmark,941 die Außenstände beliefen sich auf 4.791,– Reichsmark.942 Am 2. Dezember 1937 wurde zwischen Olga Zavaros und ihrem Angestellten Mag. 934 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 935 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 40 (1938), 117; Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 5 (1939), 17. 936 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 220; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 17, 110, Anmeldung durch Mag. Ignaz Großberg vom 21. Jänner 1947. 937 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 17, 110, Anmeldung durch Mag. Ignaz Großberg vom 21. Jänner 1947. 938 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 17, 224 u. 225, Vergleich vom 5. Jänner 1950. 939 Heute: Bartholomäus-Apotheke, Wien 17., Elterleinplatz 12. 940 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 17, 110, Veräußerungsvertrag vom 2. Dezember 1937. 941 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 942 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 17, 110, Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle vom 21. November 1937.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Wien

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Robert Mühlbacher ein Leibrentenvertrag abgeschlossen, der die Hälfte der Apotheke für 37.500,– Schilling an Robert Mühlbacher übertrug.943 Weiters wurde am selben Tag ein Schenkungsvertrag errichtet, in dem festgelegt wurde, dass bei Ableben von Olga Zavaros die zweite Hälfte der Apotheke in das Eigentum von Mag. Mühlbacher übergehen sollte.944 Letzterer führt in einem Beiblatt zur Anmeldung entzogenen Vermögens dazu aus: In der zweiten Hälfte des Jahres 1937 bot sich für meine Schwiegereltern die Gelegenheit, ihren Kaffeehausbetrieb gegen eine Teilhaberschaft an einer Apotheke zu vertauschen, wobei ich als Apotheken-Mitteilhaber in Betracht gekommen wäre. Wir erzählten hievon auch Frau Zavaros, die mir spontan sofort den Antrag stellte, ich solle ihre Apotheke übernehmen. Aus den darauf gepflogenen Verhandlungen entstanden die […] angeschlossenen Verträge, nach welchen Frau Olga Zavaros unter Vorbehalt ihres lebenslänglichen Fruchtgenussrechtes mir eine Hälfte des Apothekenunternehmens gegen dem, dass ich die Apotheke bis zum Lebensende der Frau Olga Zavaros leite und führe, entgeltlich übertrug, während sie mir die andere Hälfte auf ihren Todesfall schenkte.945

Am 19. Jänner 1938 wurde Mag. Robert Mühlbacher zum verantwortlichen Leiter der Apotheke »Zum heiligen Bartholomäus« bestellt.946 Mit dem ›Anschluss‹ im März 1938 und der bald darauf initiierten ›Arisierungswelle‹ innerhalb der österreichischen Apothekerschaft wurden die zwischen Olga Zavaros und Mag. Robert Mühlbacher getroffenen Vereinbarungen von der Vermögensverkehrsstelle in Frage gestellt. Nach dem Umbruch im Jahre 1938 gab mir Frau Zavaros bekannt, dass sie Jüdin sei. Es musste deshalb bei der amtlichen Erhebung über die Eigentumsverhältnisse an Apotheken angegeben werden, dass diese Apotheke zur Hälfte in arischen und zur anderen Hälfte in jüdischem Eigentum stehe. Damit wurde diese Apotheke der »Arisierung« unterzogen. Man wollte mit der Erklärung, dass Verträge mit Juden ungültig geworden seien, mir die ganze Apotheke entziehen! Mein Rechtsanwalt setzte dann durch, dass wenigstens die mit Veräusserungsvertrag von mir erworbene Hälfte mir verbleiben solle. Da aber der Umsatz der Apotheke für zwei Unternehmer keine Existenzmöglichkeit bietet, wäre mir durch eine solche Lösung ebenfalls die Existenz entzogen worden. Ich musste schliesslich, um nicht meine eigene Apotheke zu verlieren, zustimmen, dass ich die ganze Apotheke im Wege der Arisierung erwerbe.947

943 Ebd., Veräußerungsvertrag vom 2. Dezember 1937. 944 Ebd., Schenkungsvertrag vom 2. Dezember 1937. 945 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 17, 110, Beiblatt zur Erklärung über entzogenes Vermögen vom 13. November 1946. 946 Krug, Wiener Apotheken. 947 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 17, 110, Beiblatt zur Erklärung über entzogenes Vermögen vom 13. November 1946.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

Am 29. September 1938 legte Olga Zavaros bei gleichzeitiger Erteilung an Mag. Mühlbacher ihre Konzession für die Apotheke »Zum heiligen Bartholomäus« zurück.948 Die Übertragung der Olga Zavaros gehörenden Hälfte der Apotheke an Robert Mühlbacher wurde schließlich am 21. November 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt. Als Übernahmewert wurde dabei ein Betrag von 44.962,58 Reichsmark festgelegt. Davon wurden Olga Zavaros 17.985,03 Reichsmark, nach Aufrechnung der Aktiva und Passiva der Apotheke weitere 10.977,55 Reichsmark zuerkannt, sodass ihr aus dem Zwangsverkauf ihrer Apothekenhälfte 28.962,58 Reichsmark zukamen. Dieser Betrag musste von Mag. Mühlbacher auf ein Sperrkonto bei der Pharmakred erlegt werden.949 Olga Zavaros bekam von der Vermögenverkehrsstelle daraus eine monatliche Rente von 400,– Reichsmark zugesprochen.950 Weiters wurde eine ›Arisierungsauflage‹ von 60 Prozent des Übernahmewertes, somit 26.977,55 Reichsmark, bestimmt, die ebenfalls von Robert Mühlbacher an die Pharmakred zu Gunsten der Vermögensverkehrsstelle zu überweisen war.951 Im Dezember 1938 wurde Olga Zavaros aus dem Handelsregister gelöscht und Mag. Robert Mühlbacher als Inhaber der Apotheke »Zum heiligen Bartholomäus« eingetragen.952 Olga Zavaros wurde am 29. Dezember 1941 in eine Sammelwohnung in der Weihburggasse 22 zwangsübersiedelt. Am 17. Juli 1942 wurde sie von Wien nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.953 Am 1. März 1945 wurde Mag. Karl Tautermann von der Abteilung II des Wiener Magistrats als verantwortlicher Leiter für die Apotheke »Zum heiligen Bartholomäus« eingesetzt.954 Ein 1946 gegen Mag. Robert Mühlbacher eröffnetes Volksgerichtsverfahren wegen missbräuchlicher Bereicherung und Hochverrats wurde im Februar 1947 wieder eingestellt955 und die öffentliche Verwaltung der Apotheke 1948 aufgehoben.956 Ein von Frances Wiedmann, der Nichte von Olga Zavaros, angestrengtes Rückstellungsverfahren endete am 21. Juli 1951 mit einem Vergleich, in dem Frances Wiedmann gegen die Zahlung von 5.000,– 948 Krug, Wiener Apotheken. 949 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 17, 110, Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle vom 21. November 1937. 950 Ebd., Beiblatt zur Erklärung über entzogene Vermögenschaften vom 13. November 1946. 951 Ebd., Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle vom 21. November 1937. 952 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 52 (1938), 283. 953 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 17, 110, Beiblatt zur Erklärung über entzogenes Vermögen vom 13. November 1946; DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001. 954 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1945, Kt.3, IV-161.524 – 15/45, Wiener M.Abt. II an das StAfsV vom 14. September 1945. 955 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1947, Kt. 28, V-27112 – 18/47, Staatsanwaltschaft Wien an das BMfsV vom 6. März 1947. 956 WStLA, NSDAP Wien (1932 – 1955), Kartei des Gauamts für Volksgesundheit, Index: allgemein A–Z.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Wien

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Schilling sowie die Übernahme der Verfahrenskosten in Höhe von 10.000,– Schilling durch Mag. Robert Mühlbacher auf die Rückstellung der Apotheke »Zum heiligen Bartholomäus« verzichtete.957

3.1.17. Wien, Währing Adler-Apotheke, Wien 18., Währingerstraße 149 Eigentümer und Konzessionär der Adler-Apotheke war seit 1919 Mag. Eugen Schwarz.958 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 99.893,34 Reichsmark auf959 und war mit 40.892,95 Reichsmark bei den Lieferanten Herba AG Wien und Chemosan-Union AG Wien verschuldet.960 Am 15. Juni 1938 wurde die Apotheke von Dr. Karl Englisch ›arisiert‹.961 Dieser wurde am 23. Juli 1938 zum verantwortlichen Leiter bestellt.962 Die Konzession für die Adler-Apotheke erhielt Dr. Englisch am 17. Oktober 1938.963 Mit Bescheid der Vermögensverkehrsstelle vom 18. November 1938 wurde diese ›Arisierung‹ genehmigt964 und ein Kaufpreis von 69.925,31 Reichsmark für die Apotheke festgesetzt.965 Von diesem Kaufpreis wurden zuerst die Betriebsverbindlichkeiten abgedeckt, der Rest von 29.032,36 Reichsmark wurde als ›Arisierungsauflage‹ zu Gunsten der Vermögensverkehrsstelle abgeführt. Mag. Eugen Schwarz erhielt nichts aus dem Zwangsverkauf seiner Apotheke.966 Mag. Eugen Schwarz konnte 1939 mit seiner Familie vor den NationalsozialistInnen nach Jugoslawien fliehen.967 Er war dort in verschiedenen Apotheken als Leiter oder Pächter bis August 1943 tätig,968 bevor er sich mit seinem Sohn

957 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 17, 110, Vergleich vom 12. Juli 1951. 958 Krug, Wiener Apotheken. 959 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 960 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 18, 29 u. 604, Bescheid der FLD vom 15. Jänner 1949. 961 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 18, o.Z., Anmeldung durch Mag. Eugen Schwarz vom 1. Februar 1947. 962 Krug, Wiener Apotheken. 963 Ebd.. 964 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 18, 29 u. 604, Bescheid der FLD vom 15. Jänner 1949. 965 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 966 Ebd. 967 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 223. 968 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

Kurt Schwarz den Partisanen anschloss.969 Mag. Eugen Schwarz kehrte im August 1945 mit seiner Familie nach Wien zurück.970 Auf Antrag von Kurt Schwarz wurde am 30. Juli 1945 Mag. Wilhelm Löw vom Staatsamt für soziale Verwaltung als öffentlicher Verwalter der Adler-Apotheke eingesetzt.971 Die Bemühungen von Mag. Eugen Schwarz, seine ihm 1938 entzogene Apotheke zurückzuerhalten, scheiterten im August 1945 vorerst an den Bestimmungen des Apothekengesetzes sowie an der zu dieser Zeit noch nicht vorhandenen Rückstellungsgesetzgebung. In einem Brief des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 10. April 1946 an Mag. Schwarz liest sich die Argumentation des Ministeriums wie folgt: Über ihr an den Herrn Bundeskanzler gerichtetes, von ihm mir zur Prüfung übersandtes Gesuch, muss ich ihnen leider mitteilen, dass ich Ihnen zur Zeit nur die Mitarbeit in der Ihnen seinerzeit entzogenen Apotheke bewilligen kann. Eine Übertragung der Leitung der Apotheke kann zur Zeit im Hinblick auf die zwingende Bestimmung des § 3, letzter Absatz, des geltenden österreichischen Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5 ex 1907, zu meinem Bedauern nicht erfolgen; durch Ihre Tätigkeit in der Apotheke als Mitarbeiter wird Ihnen aber Gelegenheit geboten diesen Mangel zu beheben. Bezüglich Rückgabe der Ihnen seinerzeit entzogenen Apotheke wird die gesetzliche Regelung der gesamten Wiedergutmachungsfrage abgewartet werden müssen.972

Mag. Eugen Schwarz arbeitete daher, um die zur Leitung einer Apotheke nötige Praxis zu erwerben, von September 1945 bis zum 22. Juli 1946 in seiner Apotheke als Angestellter unter der Leitung von Mag. Wilhelm Löw und wurde am 23. Juli 1946 zum öffentlichen Verwalter der Adler-Apotheke ernannt.973 Die endgültige Rückstellung der Adler-Apotheke an Mag. Schwarz erfolgte am 12. Jänner 1948, und am 24. April desselben Jahres wurde ihm auch die Konzession zum Betrieb der Apotheke erteilt. Mag. Eugen Schwarz verstarb am 14. Dezember 1949 im Alter von 62 Jahren in Wien.974

969 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 7, V-11.480 – 18/46, Mag. Bronislav Herz u. a. an Bundeskanzler Leopold Figl vom 8. März 1946. 970 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. 971 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 7, V-11.480 – 18/46, Aktennotiz vom 10. April 1946; Krug, Wiener Apotheken. 972 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 7, V-11.480 – 18/46, BM Karl Maisel an Mag. Eugen Schwarz vom 10. April 1946. 973 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. 974 Krug, Wiener Apotheken.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Wien

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Apotheke »Zum heiligen Leopold«, Wien 18., Gersthoferstraße 61975 Die Apotheke »Zum heiligen Leopold« gehörte 1938 Dr. Arthur Freudenfeld, er war auch der Inhaber der zugehörigen Konzession.976 Der Jahresumsatz dieser Apotheke belief sich im Jahre 1937 auf 93.384,86 Reichsmark, der Betrieb war schuldenfrei.977 Im Juni 1938 wurde die Apotheke von SA-Obertruppführer Mag. Franz Dittrich, Präsident des Pharmazeutischen Reichsverbandes und Obmann der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich› ›arisiert‹.978 In seiner Anmeldung entzogenen Vermögens vom 12. November 1946 gibt er dazu an: Die Apotheke wurde mir im Mai 1938 von dem mir befreundeten Apotheker Dr. Arthur Freudenfeld zum Kauf angeboten und der Kaufpreis von ihm mit dem einfachen Umsatz 1937, rund M 92.000 festgesetzt. Der Kauf wurde durch Vertrag bei seinem Rechtsanwalt Dr. Manfred Hummer, Wien I./1, Schotteng. 7 vollzogen. Durch die Errichtung der Vermögensverkehrsstelle musste der Vertrag nachträglich zur Genehmigung vorgelegt werden und wurde von ihr der Verkaufpreis auf RM 65.369 herabgesetzt. Auch hier wurde am 22.VI.1938 ein Kaufvertrag in der Kanzlei des von Dr. Freudenfeld vorgeschlagenen Dr. Robert Hentschel, Wien VII./62, Karl Schweighoferg. 7 abgeschlossen. Die Genehmigung dieses Kaufvertrages wurde durch die Vermögensverkehrsstelle im Oktober 1938 erteilt. Dr. Freudenfeld erhielt von mir die Differenz beider Kaufsummen von rund RM 28.000 gegen die damaligen gesetzlichen Bestimmungen ausgezahlt.979

Ganz anders dazu die Darstellung von Dr. Arthur Freudenfeld aus dem USamerikanischen Exil: Die Apotheke mußte ich im Juni 1938 an Herrn Franz Dittrich übergeben. Für die Apotheke habe ich keinen Gegenwert erhalten, und wurde die Apothekenconcession auf Herrn Franz Dittrich umgeschrieben.980

Sozusagen »im Paket« wechselte 1938 nicht nur die Apotheke »Zum heiligen Leopold« den Eigentümer, sondern auch das Haus Gersthoferstraße 61, in dem die Apotheke untergebracht war. Mag. Franz Dittrich dazu: Erst im September 1938 bot mir Dr. Freudenfeld (Field) auch das Haus zum Kauf an und wurde der Kaufvertrag nach Schätzung des durch Dr. Freudenfeld (Field) beigestellten Schätzmeisters Ing. Stadtbaumeister Arch. Alfred M. Roth, Wien XVIII., 975 Heute: Gersthofer-Apotheke. 976 Vgl. Wiener Apotheker-Hauptgremium, Apothekerwesen in Wien, 246; Krug, Wiener Apotheken. 977 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 978 Zu Mag. Franz Dittrich siehe auch Kapitel 3. 979 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 18, 276, Anmeldung durch Mag. Franz Dittrich vom 12. November 1946. 980 Ebd., 175, Anmeldung durch Dr. Arthur Frank Field-Freudenfeld vom 5. Mai 1947.

200

›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

Schulg. 14 in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. Friedrich Barth, derzeit Wien IX., Wasag. 2 am 8. 9. 1938 vollzogen. Der Verkauf erfolgte ohne Zwang über Vorschlag Dr. Field (Freudenfeld) und ohne Vermögensverkehrsstelle.981

Auch diese zweite Transaktion wird von Dr. Freudenfeld wesentlich anders dargestellt. Das Haus mußte ich im Juni 1938 an Herrn Franz Dittrich laut beiliegendem Kaufvertrag für 19.000 Mark verkaufen. Den Kaufvertrag mußte ich während meiner Haft im Polizeigefängnis Wien IX unterschreiben. Ich habe von Herrn Dittrich ca 30.000 Mark erhalten, doch weiß ich im Augenblick nicht die genaue Summe, da mir damals der Verkaufpreis, den ich sowieso nicht zu bestimmen hatte, ziemlich egal war. Dittrich zahlte für eine Hypothek ca. 10.000 Mark, ferner weitere 10.000 Mark für eine Steuervorschreibung und 5000 Mark für die Reichsfluchtsteuer. Endlich gab er mir ca 10. [bis] 12.000 M zur Begleichung der Geschäftsschulden, die sich während der Verwaltung des eingesetzten Kommissars Rosenkrantz ergeben hatten.982

Der Grund für die sehr unterschiedliche Darstellung dieser ›Arisierung‹ liegt zum einem darin, dass die Ereignisse des Jahres 1938 durch Franz Dittrich geschönt wiedergegeben wurden, zum anderen waren neben dem ›Ariseur‹ Mag. Franz Dittrich die Vermögensverkehrsstelle und in Folge der NS-Staat die Hauptnutznießerinnen des Apothekenverkaufs. Aus den Unterlagen der Vermögensverkehrsstelle geht hervor, dass von dem vorgeschriebenen und von Mag. Dittrich bezahlten Kaufpreis für die Apotheke – der ungefähr ein Viertel der Summe betrug, die noch Ende 1937 zu bezahlen gewesen wäre – als ›Arisierungsauflage‹ 36.182,03 Reichsmark von der Vermögensverkehrsstelle einbehalten wurden.983 Die übrigen 26.147,60 Reichsmark wurden, wie es bei den ›Arisierungen‹ üblich war, auf ein Sperrkonto verbucht, von dem in Folge die ›Judenvermögensabgabe‹ und die Reichsfluchtsteuer für Dr. Freudenfeld beglichen wurden. Dr. Arthur Freudenfeld konnte sich in die USA in Sicherheit bringen und kehrte Ende 1947/Anfang 1948 nach Wien zurück. Ein vor der Rückstellungskommission Wien I geführtes Verfahren endete am 19. Juni 1948 mit einem Vergleich, in dem Dr. Freudenfeld die Hälfte des Hauses in der Gersthoferstraße 61 und das Wohnrecht sowie eine 50-prozentige Beteiligung an der Apotheke zurückgestellt erhielt.984 981 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 18, 276, Anmeldung durch Mag. Franz Dittrich vom 12. November 1946. 982 Ebd., 175, Anmeldung durch Dr. Arthur Frank Field-Freudenfeld vom 5. Mai 1947. 983 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 984 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 18, 276 u. 175, Vergleich vom 19. Juni 1948.

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Apotheke »Zum Schutzengel«, Wien 18., Gentzgasse 26 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke »Zum Schutzengel« war seit Juni 1931 Dr. Lazar Wittner.985 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 75.577,56 Reichsmark und war schuldenfrei.986 Am 6. Mai 1938 wurde – möglicherweise um der drohenden ›Arisierung‹ der Apotheke zu begegnen – der langjährige Angestellte der Apotheke, Mag. Günther Haala,987 zum verantwortlichen Leiter bestellt.988 Am 29. Juni 1938 wurde er aber von dem Nationalsozialisten989 und späteren ›Ariseur‹ der Apotheke, Mag. Eduard Bibl, in dieser Funktion ersetzt.990 Mit Hilfe der Vermögensverkehrsstelle wurde diesem am 15. Juli 1938 die Apotheke übertragen.991 Der dabei von der Vermögensverkehrsstelle festgesetzte Kaufpreis betrug 52.904,25 Reichsmark. Davon waren 31.742,55 Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ zu Gunsten der Vermögensverkehrsstelle abzuführen, 21.161,70 Reichsmark sollte Dr. Wittner erhalten.992 Laut Angabe der späteren öffentlichen Verwalterin der Apotheke »Zum Schutzengel«, Mag.a Helene Bäuml, erhielt Dr. Wittner 7334,– Reichsmark bar ausbezahlt, 13.827,71 Reichsmark wurden auf ein Sperrkonto beim Bankinstitut Krentschker & Co deponiert.993 Die Konzession für die Apotheke »Zum Schutzengel« erhielt Mag. Eduard Bibl mit Bescheid des Wiener Magistrats vom 26. September 1938.994 Dr. Lazar Wittner konnte sich und seine Familie noch 1938 vor den NationalsozialistInnen in Sicherheit bringen und emigrierte nach Argentinien, wo er später als Produktionsleiter bei der argentinischen Niederlassung der Budapester Arzneimittelfirma Gideon Richter tätig wurde.995 Am 16. Juni 1947 wurde die Apotheke »Zum Schutzengel« unter öffentliche Verwaltung gestellt und von Mag.a Helene Bäuml – sie war schon seit 15. April

985 Krug, Wiener Apotheken. 986 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 987 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/4, verstorbene Magister bis Geburtsjahr 1900. 988 Krug, Wiener Apotheken. 989 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. 990 Krug, Wiener Apotheken. 991 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 18, 194, Anmeldung durch Mag.a Helene Bäuml vom 2. November 1946. 992 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 993 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 18, 194, Anmeldung durch Mag.a Helene Bäuml vom 2. November 1946. 994 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 40 (1938), 117. 995 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 111 u. 225.

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1946 verantwortliche Leiterin – geführt.996 Ebenfalls 1947 beantragte Dr. Lazar Wittner aus dem Exil die Rückstellung der Apotheke. Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren wurde von der Rückstellungskommission Wien I mit Teilerkenntnis vom 21. November 1947 entschieden und die Apotheke »Zum Schutzengel« an Dr. Lazar Wittner zurückgestellt.997 Dr. Wittner verkaufte die Apotheke an die am 20. Februar 1950 gegründete offene Handelsgesellschaft »Apotheke zum Schutzengel Dr. Budischowsky & Co«.998 Die Konzession für die Apotheke erhielt Dr. Hans Budischowsky am 20. März 1950.999

Marien-Apotheke, Wien 18., Martinstraße 93 Eigentümer und Konzessionär der Marien-Apotheke war seit 1919 Mag. Bronislav Herz.1000 Mag. Herz war vor dem ›Anschluss‹ auch in der Standesvertretung aktiv. Er war stellvertretender Obmann des Bundes Österreichischer Apotheker und bis 1936 für die DienstgeberInnen im Vorstand der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich tätig.1001 Die Marien-Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 101.600,– Reichsmark auf und war schuldenfrei.1002 Am 3. Mai 1938 übernahm die seit 1925 in der Marien-Apotheke angestellte Mag.a Elfriede Kienast – sie hatte noch kurz zuvor am 1. Mai 1938 einen Antrag auf Aufnahme in die NSDAP gestellt – die Leitung der Apotheke, wurde allerdings am 28. Juni 1938 durch Mag. Otto Türk in dieser Funktion ersetzt.1003 Doch auch Mag. Otto Türk kam bei der ›Arisierung‹ der Marien-Apotheke nicht zum Zuge, sondern musste sich im Herbst 1938 mit der ›Arisierung‹ der wesentlich umsatzschwächeren St. Markus-Apotheke in Wien-Erdberg begnügen.1004 Zum ›Ariseur‹ der Marien-Apotheke wurde letztlich von Edwin Renner am 15. Juli 1938 der ›illegale‹ Nationalsozialist Mag. Ernst Reich bestimmt,1005 der am 16. September 996 Krug, Wiener Apotheken. 997 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 18, 154 u. 194, Vergleich vom 4. Februar 1950 sowie RA Dr. Ernst Jahoda an das Magistratische Bezirksamt für den 18. Bezirk vom 21. Februar 1950. 998 Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften, HRA 14042. 999 Krug, Wiener Apotheken. 1000 Ebd. 1001 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 148; AdPhGK, Protokolle der Vorstandssitzungen der PhGK 1935 – 1938. 1002 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1003 Krug, Wiener Apotheken. 1004 Siehe Kapitel 5.1.3., St. Markus-Apotheke. 1005 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 18, 23, Anmeldung durch Mag. Bronislav Herz vom 5. November 1946.

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1938 auch die Leitung der Apotheke übernahm.1006 Die ›Arisierung‹ der Apotheke wurde im Herbst 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt, als Kaufpreis für die Marien-Apotheke bestimmte sie den Betrag von 71.120,– Reichsmark. Davon sollten 42.670,– Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ an die Vermögensverkehrsstelle abgeführt werden, der Rest von 28.450,– Reichsmark sollte auf ein Sperrkonto zu Gunsten von Bronislav Herz eingezahlt werden.1007 Da Ernst Reich diesen Verpflichtungen aber nur sehr zögerlich nachkam, haftete nach Kriegsende noch ein beträchtlicher Teil des Kaufpreises aus. Die Wiener Gebietskrankenkasse stellte dazu in einem Schreiben an das Staatsamt für soziale Verwaltung vom 24. Juli 1945 fest: Auf die Arisierungsschuld von RM 28.000,– wurden innerhalb von 7 Jahren lediglich RM 2.000,– bezahlt, sodass noch ein Schuldbetrag von RM 26.000,– besteht. Wegen Steuerrückständen im Betrage von rund RM 30.000,– hat das Finanzamt Währing das Privateigentum Reichs sowie die Apothekeneinrichtung samt Warenlager gepfändet. Diese Schulden verhinderten Mr. Reich nicht, Privatguthaben bei verschiedenen Kreditinstituten von, wie bis jetzt festgestellt werden konnte, rund RM 26.000,– einzulegen.1008

Die Konzession für die Marien-Apotheke hatte Mag. Ernst Reich mit Bescheid der Wiener Magistratsabteilung 8 vom 29. November 1938 erhalten.1009 Mag. Bronislav Herz konnte noch im August 1938 mit seiner Familie nach Agram in Jugoslawien fliehen. Von 1939 bis zum Ende des Krieges war er in Bosnien als Apotheker tätig und kehrte am 26. Februar 1946 nach Wien zurück.1010 Nach seiner Rückkehr sah sich Mag. Herz mit der Tatsache konfrontiert, dass der sofortigen Rückgabe seiner Apotheke an ihn diverse Hindernisse entgegenstanden. Da zu Beginn des Jahres 1946 noch keine Rückstellungsgesetzgebung verabschiedet worden war und das Bundesministerium für soziale Verwaltung die Meinung vertrat, dass diese gesetzliche Regelung abgewartet werden müsste, war die Rückstellung seines 1938 entzogenen Unternehmens vorerst nicht möglich. Auch die Ernennung zum öffentlichen Verwalter oder Leiter für seine Apotheke wurde vom Bundesministerium mit dem Argument, dass seine Dienstzeit in einer bosnischen Apotheke einer Praxis in einer österreichischen

1006 Krug, Wiener Apotheken. 1007 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1008 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1945, Kt. 2, IV-160.868 – 15/45, Wiener Gebietskrankenkasse an das StAfsV vom 24. Juli 1945 1009 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 52 (1938), 257. 1010 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z.

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Apotheke nicht entspreche, abgelehnt.1011 Erst eine Intervention bei Bundeskanzler Figl im März 1946 ermöglichte es Bronislav Herz, als Angestellter in seiner Apotheke zu arbeiten, um die für eine Leitungsposition geforderte Praxis zu erwerben.1012 Am 9. April 1947 wurde Mag. Bronislav Herz schließlich zum öffentlichen Verwalter seiner Apotheke bestellt.1013 Ein von ihm 1947 initiiertes Rückstellungsverfahren endete am 29. Dezember 1947 mit einem Vergleich, in dem ihm die Marien-Apotheke zurückgestellt wurde.1014 Die Konzession für die Apotheke erhielt Mag. Herz am 2. März 1948. Mag. Bronislav Herz verstarb am 1. Oktober 1948 im Alter von 72 Jahren in Wien.1015

3.1.18. Wien, Döbling Beethoven-Apotheke, Wien 19., Heiligenstädterstraße 82 EigentümerInnen der Beethoven-Apotheke waren seit 1934 zu gleichen Teilen Dr. Franz Riesenfeld und Dr. Charlotte Riesenfeld, letztere besaß die Konzession zum Betrieb der Apotheke ebenfalls seit 1934.1016 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 40.930,– Reichsmark und hatte keine Betriebsschulden.1017 Die Konzession der Apotheke war allerdings seit 1935 zur Deckung einer Forderung von 175.000,– Schilling verpfändet.1018 Aus gesundheitlichen Gründen1019 verpachtete Dr. Charlotte Riesenfeld die Apotheke am 22. Februar 1938 an Mag. Julian Alesky.1020 Am 5. August 1938 wurde mittels eines Kaufvertrages in Form eines Gedächtnisprotokolls die Beethoven-Apotheke von der Vermögensverkehrsstelle an Mag. Hans Pribitzer übertragen.1021 Hans Pribitzer wurde sodann am 20. August 1938 als verantwortlicher Leiter für die Apotheke eingesetzt1022 und der Kaufvertrag von der Vermögensverkehrsstelle am 24. Au1011 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, IV-8202 – 18/46, Aktennotiz vom April 1946. 1012 Ebd., Kt. 7, V-11.480 – 18/46, BMfsV an Mag. Bronislav Herz vom 10. April 1946. 1013 Krug, Wiener Apotheken. 1014 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 18, 526, Vergleich vom 24. November 1949. 1015 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. 1016 Krug, Wiener Apotheken; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 19, 455, Teilerkenntis vom 9. Dezember 1949. 1017 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1018 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 19, 455, Dr. Franz Riesenfeld an das Bundeministerium für Vermögens-sicherung und Wirtschaftsplanung vom 12. April 1947. 1019 Vgl. Fritsch, Pharmazie,106. 1020 Krug, Wiener Apotheken. 1021 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 19, 455, Teilerkenntnis vom 9. Dezember 1949. 1022 Krug, Wiener Apotheken.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Wien

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gust 1938 offiziell genehmigt.1023 Als Kaufpreis für die Beethoven-Apotheke setzte die Vermögensverkehrsstelle einen Betrag von 28.651,– Reichsmark fest und schrieb davon eine ›Arisierungsauflage‹ von 17.190,60 Reichsmark vor.1024 Dr. Charlotte Riesenfeld und Dr. Franz Riesenfeld erhielten 11.460,40 Reichsmark aus dem Zwangsverkauf ihrer Apotheke.1025 Die Konzession für die Beethoven-Apotheke erhielt Mag. Pribitzer am 24. März 1938.1026 Dr. Charlotte und Dr. Franz Riesenfeld konnten noch im Jahr 1938 Österreich verlassen und flüchteten nach Großbritannien. Dort konnte Franz Riesenfeld später als Produktionsleiter in der chemischen Industrie Beschäftigung finden, Charlotte Riesenfeld wurde als Spitalsapothekerin tätig. Nach Kriegsende emigrierten beide nach Australien.1027 Der ehemalige Pächter der Apotheke, Mag. Julian Alesky, konnte der nationalsozialistischen Verfolgung hingegen nicht entkommen und wurde am 25. Dezember 1943 in Auschwitz ermordet.1028 Da Mag. Hans Pribitzer am 24. März 1940 verstarb,1029 wurde Mag. Heinz Metko am 1. Juni 1940 als verantwortlicher Leiter eingesetzt. Er pachtete die Apotheke am 1. Juli 1941 von Hildegard Pribitzer, der Witwe nach Mag. Hans Pribitzer.1030 1947 beantragten Dr. Charlotte Riesenfeld und Dr. Franz Riesenfeld die Rückstellung ihrer Apotheke.1031 Im daraufhin 1948 eröffneten Rückstellungsverfahren wurde ihnen mit Teilerkenntnis der Rückstellungskommission Wien I vom 9. Dezember 1949 die Beethoven-Apotheke samt dem Anrecht auf die Konzession zurückgestellt.1032

Apotheke »Zum Erzengel Michael«, Wien 19., Heiligenstädterstraße 1381033 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke »Zum Erzengel Michael« war seit 1900 Mag. Saul Hermann Selzer.1034 1935 wurde zum Betrieb der Apotheke eine 1023 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 19, 455, Teilerkenntnis vom 9. Dezember 1949. 1024 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1025 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 19, 455, Anmeldung durch Hilde Eckhardt vom 12. November 1946. 1026 Krug, Wiener Apotheken. 1027 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 223. 1028 Yad Vashem, http://www.yadvashem.org (März 2008), dort allerdings unter Aleksy Joel verzeichnet. 1029 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. 1030 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/4, verstorbene Magister bis Geburtsjahr 1900. 1031 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 19, 455, Dr. Franz Riesenfeld an das Bundeministerium für Eigentumskontrolle und Wirtschaftsplanung vom 12. April 1947. 1032 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 19, 455, Teilerkenntis vom 9. Dezember 1949. 1033 Heute: Apotheke Hackenberg, Wien 19., Heiligenstädter Straße 140 1034 Vgl. Wiener Apotheker-Hauptgremium, Apothekerwesen in Wien, 253

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

offene Handelsgesellschaft »Apotheke zum Erzengel Michael, Hermann Selzer & Co« gegründet, der als Gesellschafter zu gleichen Teilen Mag. Hermann Selzer und sein Sohn Mag. Hans Selzer angehörten.1035 Letzterer führte die Apotheke als verantwortlicher Leiter seit 14. Juni 1937.1036 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 37.545,– Reichsmark auf und war mit etwa 12.000,– Reichsmark verschuldet.1037 Im Juli 1938 wurde, wahrscheinlich um die Gesellschafter unter Druck zu setzen, Mag. Hans Selzer verhaftet und im Konzentrationslager Dachau interniert.1038 Am 24. August 1938 wurde sodann Mag. Karl Hiess – er war schon vor 1938 Mitglied der NSDAP und somit ein so genannter ›Illegaler‹1039 – als verantwortlicher Leiter für die Apotheke »Zum Erzengel Michael« eingesetzt1040 und ›arisierte‹ diese mit Hilfe der Vermögensverkehrsstelle am 18. September 1938.1041 Die Vermögensverkehrsstelle setzte dabei einen Kaufpreis von 26.281,50 Reichsmark sowie in Anbetracht der Betriebsverbindlichkeiten eine ›Arisierungsauflage‹ von 10.626,36 Reichsmark fest.1042 Hermann und Hans Selzer erhielten zusammen RM 5.000,– Reichsmark aus dem Zwangsverkauf ihrer Apotheke.1043 Die Konzession für die Apotheke »Zum Erzengel Michael« erhielt Karl Hiess am 10. August 1939.1044 Mag. Hans Selzer wurde nach der ›Arisierung‹ seiner Apotheke wieder aus der KZ-Haft entlassen und konnte sich 1939 in Sicherheit bringen.1045 Er emigrierte in die USA, wo er sich in New York niederließ.1046 Sein Vater, Mag. Hermann Selzer, blieb in Wien und wurde Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. Er wurde am 21. Juni 1942 von Wien nach Terez†n deportiert, von dort am

1035 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 19, 191, RA Dr. Kurt Schreiber an das Magistratische Bezirksamt für den 19. Bezirk vom 9. März 1950; Krug, Wiener Apotheken. 1036 Krug, Wiener Apotheken. 1037 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 19, 191, Anmeldung durch Mag.a Stefanie Hackenberg vom 8. November 1946. 1038 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 223. 1039 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 7, V-31.599 – 18/46, Wiener Apotheker-Hauptgremium an das BMfsV vom 25. April 1946. 1040 Krug, Wiener Apotheken. 1041 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 19, 191, Anmeldung durch Mag.a Stefanie Hackenberg vom 8. November 1946. 1042 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1043 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 19, 191, Anmeldung durch Mag.a Stefanie Hackenberg vom 8. November 1946. 1044 Krug, Wiener Apotheken. 1045 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 223. 1046 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 19, 191, Vergleich vom 24. Februar 1950.

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19. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka gebracht und ermordet.1047 Am 16. April 1946 wurde die Apotheke »Zum Erzengel Michael« unter öffentliche Verwaltung gestellt und in Folge von Mag.a Stefanie Hackenberg geleitet.1048 1948 beantragte Mag. Hans Selzer von New York aus die Rückstellung seiner ihm 1938 entzogenen Apotheke. Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 24. Februar 1950 mit einem Vergleich, in dem Mag. Selzer gegen eine Ausgleichszahlung von 35.000,– Schilling an den ›Ariseur‹ Mag. Karl Hiess die Apotheke samt Mietrechten und Konzession zurückgestellt wurde.1049

3.1.19. Wien, Brigittenau Herminen-Apotheke, Wien 20., Webergasse 1 Mag. Hermann Kahane und seine Frau Cippe Kahane kauften am 11. März 1937 die Herminen-Apotheke samt Mietrecht, Kundenkreis, Einrichtung und Warenlager von Mag. Franz Pelian um 100.000,– Schilling. Von dem Kaufpreis wurden 60.000,– Schilling sofort bezahlt, die restlichen 40.000,– Schilling wurden in Form eines Darlehens für die Dauer von fünf Jahren gestundet.1050 Die Konzession zum Betrieb der Apotheke erhielt Mag. Kahane am 21. Juli 1937.1051 Am 13. August 1938 ließ sich der Vorbesitzer Mag. Franz Pelian von Edwin Renner zum verantwortlichen Leiter der Herminen-Apotheke einsetzen. Kurz darauf, am 17. August 1938, kaufte Franz Pelian, gegen Übernahme der Passiven (im Wesentlichen der Kaufpreisrest aus 1937 in der Höhe von 40.000,– Schilling) die Apotheke zurück. Die von Mag. Hermann Kahane und Cippe Kahane 1937 bezahlten 60.000,– Schilling wurden dabei nicht refundiert. Der Erwerb der Herminen-Apotheke durch Mag. Pelian wurde am 18. November 1938 von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt und eine ›Arisierungsauflage‹ von 8.862,56 Reichsmark vorgeschrieben.1052 Am 24. März 1939 wurde die Konzession für die Apotheke auf Mag. Franz Pelian übertragen.1053 Mag. Hermann Kahane und seine Frau Cippe Kahane wurden am 19. Februar 1941 von Wien über den Aspangbahnhof nach Kielce deportiert. Sie haben die Verfolgung durch die NationalsozialistInnen nicht überlebt.1054 1047 1048 1049 1050 1051 1052 1053 1054

Yad Vashem, http://www.yadvashem.org (März 2008). Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 19, 191, Vergleich vom 24. Februar 1950. WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 241/61, Sammelstelle A vs. Mag.a Hermine Maculan. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 241/61, Rückstellungsantrag vom 17. April 1961. Krug, Wiener Apotheken. DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

Die Apotheke wurde von Mag. Franz Pelian am 26. August 1942 an Mag. Ferdinand Wilhelm verpachtet1055 und am 14. Juni 1946 unter öffentliche Verwaltung gestellt.1056 Franz Pelian verstarb am 19. Juni 1949, die Apotheke wurde zunächst als Verlassenschaftsfortbetrieb weitergeführt und ging schließlich auf dem Erbwege an Mag.a Hermine Maculan, die Tochter von Mag. Franz Pelian, über. Diese erhielt die Konzession für die Herminen-Apotheke am 15. November 1950.1057 Da Hermann und Cippe Kahane keine ErbInnen hinterließen, die ihre Rückstellungsansprüche wahrnehmen hätten können, wurde am 17. April 1961 von der Sammelstelle A ein Rückstellungsantrag gegen Mag.a Hermine Maculan eingebracht. Das Rückstellungsverfahren endete mit einem Vergleich, in dem die Sammelstelle A gegen Zahlung von 700.000,– Schilling auf die Rückstellung der Apotheke verzichtete.1058

3.1.20. Wien, Floridsdorf Apotheke Adelstein, Wien 21., Floridsdorfer Hauptstraße 201059 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke war seit ihrer Gründung 1936 Mag. Richard Adelstein.1060 Die Apotheke Adelstein erwirtschaftete 1937 einen Umsatz von 15.000,– Reichsmark und war mit 40.000,– Reichsmark verschuldet.1061 Am 26. September 1938 wurde Mag.a Martha Bauer als verantwortliche Leiterin der Apotheke eingesetzt,1062 ›arisierte‹ die Apotheke mit Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle vom 1. Dezember 19381063 und änderte den Namen in Apotheke »Zur blauen Donau«. Auf Grund des Umsatzes der Apotheke im Jahr 1937 setzte die Vermögensverkehrsstelle in ihrer Genehmigung den Kaufpreis mit 10.500,– Reichsmark fest, verzichtete aber in Anbetracht der Betriebsschulden auf die Vorschreibung einer ›Arisierungsauflage‹ und übertrug die Apotheke gegen Übernahme der aushaftenden Verbindlichkeiten an Martha Bauer. Der ehemalige Eigentümer Mag. Richard Adelstein erhielt nichts aus dem 1055 Krug, Wiener Apotheken. 1056 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 20, 479, Anmeldung durch Mag. Franz Pelian vom 14. November 1946. 1057 Krug, Wiener Apotheken. 1058 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 241/61, Vergleich vom 25. April 1961. 1059 Heute: Apotheke »Zur blauen Donau«. 1060 Krug, Wiener Apotheken. 1061 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1062 AdPhGK, Betriebsakt 21016, Anmeldung bei der PhGK vom 10. Oktober 1938. 1063 Ebd., Mag.a Martha Bauer an Mag. Franz Dittrich vom 8. Jänner 1938.

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Zwangsverkauf seiner Apotheke. Die Konzession für die Apotheke »Zur blauen Donau« erhielt Mag.a Bauer am 16. Oktober 1939. Mag. Richard Adelstein konnte 1939 vor den NationalsozialistInnen fliehen und emigrierte nach Shanghai.1064 Er überlebte im Exil und kehrte nach dem Krieg nach Wien zurück.1065 Nach 1945 blieb die Apotheke »Zur blauen Donau« im Besitz von Mag.a Martha Bauer, Mag. Richard Adelstein stellte auch keinen Antrag auf Rückstellung der Apotheke. Der Grund dafür dürfte der Umstand sein, dass durch die Übernahme der hohen Betriebsschulden durch Mag.a Bauer 1938 der Verkauf der Apotheke im Zuge der NS-Machtübernahme nicht als unredlicher Erwerb betrachtet wurde. In einer Liste des Wiener Apotheker-Hauptgremiums vom Juli 1946 findet sich zu dieser Apotheke der Vermerk, dass die Apotheke »Zur blauen Donau« durch die Übernahme der Schulden zum vollen Verkehrswert bezahlt worden und somit weiters nichts zu veranlassen wäre.1066 Danubia-Apotheke, Wien 21., Rußbergstraße 64 Eigentümerin und Konzessionärin der Danubia-Apotheke war seit Juli 1937 Mag.a Helene Friedmann.1067 Die Apotheke wies 1937 einen Umsatz von etwa 14.000,– Reichsmark auf und war mit Schulden in der Höhe von 17.858,28 Reichsmark – vor allem Lieferverbindlichkeiten gegenüber der Herba – belastet.1068 Die Apotheke wurde 1938 von Dr.a Cornelia Majneri ›arisiert‹, die in einem Schreiben an das Wiener Apotheker-Hauptgremium vom Juni 1946 die Ereignisse rund um die ›Arisierung‹ der Danubia-Apotheke wie folgt darstellte: Im April 1938 hatte nun Frau Mra. Helene Friedmann in den Mitteilungen der Pharmazeutischen Gehaltskasse die Danubia Apotheke zum Verkauf ausgeboten und den Interessenten einen Verkaufspreis von 22.000,– Schillingen genannt. Auf dieser Grundlage habe ich mit Frau Mra. Friedmann den Kaufpreis vereinbart. Dieser Verkauf musste jedoch der damals neu errichteten Vermögensverkehrsstelle zur Genehmigung vorgelegt werden. Bei der Überprüfung ergab sich nun, dass der Schuldenstand der Apotheke den geforderten Kaufpreis überstieg, und wurde der Übernahmepreis daher mit dem Betrag der vorhandenen Schulden festgestellt.1069

1064 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 218. 1065 DÖW, Shanghai Liste. 1066 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, Apotheken, V34.288 – 18/46, Wiener Apotheker-Hauptgremium an das BMfsV vom 6. Juli 1946. 1067 AdPhGK, Betriebsakt 21083, Aktenvermerk vom 10. Juli 1937. 1068 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-162.718 – 15/45, Mag.a Majneri an das Apotheker Hauptgremium, undatiert, wahrscheinlich Ende Juni 1946. 1069 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-162.718 – 15/45,

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

Die Apotheke wurde somit um die Übernahme der Betriebsverbindlichkeiten an Cornelia Majneri verkauft, Helene Friedmann erhielt nichts aus dem Zwangsverkauf ihrer Apotheke. Am 22. August 1938 übernahm Dr.a Majneri die Leitung der Danubia-Apotheke.1070 und erhielt die Konzession für die Apotheke am 26. September 1938.1071 Mag.a Helene Friedmann meldete sich 1939 mit unbekanntem Ziel aus Wien ab,1072 ihr weiteres Schicksal ist unbekannt. Die Danubia-Apotheke blieb nach 1945 im Besitz von Dr.a Cornelia Majneri, weder von Mag.a Helene Friedmann oder von nach ihr Anspruchsberechtigten noch von den Sammelstellen wurde ein Rückstellungsantrag gestellt.1073 Grund dafür könnte sein, dass der 1938 von Dr.a Majneri entrichtete Kaufpreis – er bestand in diesem Fall in der Übernahme der Betriebsschulden – in etwa dem entsprach, wie er vor 1938 bei Übernahme der Apotheke angemessen gewesen wäre. Ob eventuell einer der Rückstellungsberechtigten mit Dr.a Majneri einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen hatte, konnte nicht festgestellt werden, die Apotheke wurde jedenfalls nicht zurückgestellt.

Rosen-Apotheke, Wien 21., Brünnerstraße 37 EigentümerInnen der Rosen-Apotheke waren Anfang 1938 Mag. Philipp Rosen und seine Tochter Mag.a Wanda Rosen.1074 Letztere besaß die Konzession zum Betrieb der Apotheke seit November 1933.1075 Die Apotheke erzielte 1937 einen Umsatz von 60.000,– Reichsmark und war schuldenfrei.1076 Am 5. Juli 1938 wurde Mag. Anton Gruber als verantwortlicher Leiter eingesetzt, der daraufhin mit Hilfe der Vermögensverkehrsstelle die Rosen-Apotheke ›arisierte‹.1077 Als Kaufpreis für die Apotheke wurden von der Vermögensverkehrsstelle 42.000,– Reichsmark bestimmt und davon eine ›Arisierungsauflage‹ von 25.200,– Reichsmark festgesetzt. 16.800,– Reichsmark sollten Philipp und Wanda Rosen

1070 1071 1072 1073 1074 1075 1076 1077

Mag.a Majneri an das Apotheker Hauptgremium, undatiert, wahrscheinlich Ende Juni 1946. AdPhGK, Betriebsakt 21083, Anmeldung bei der PhGK vom 24. August 1938. Krug, Wiener Apotheken. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 219. WStLA, LGZ Wien, B 13/1 – 3, Namensverzeichnisse der Rückstellungskommission 1955 – 1959 sowie B 14/1 Namensverzeichnisse der Rückstellungskommission 1960 – 1966. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Krug, Wiener Apotheken. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Krug, Wiener Apotheken.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Wien

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erhalten.1078 Ob den ehemaligen EigentümerInnen von diesem Geld etwas zu Gute kam, konnte nicht eruiert werden. Sehr wahrscheinlich wurde der ihnen zugesprochene Anteil am Kaufpreis, wie in anderen Fällen auch, auf einem Sperrkonto deponiert. Die Konzession für die Rosen-Apotheke erhielt Mag. Anton Gruber am 12. Oktober 1938.1079 Mag. Philipp Rosen verstarb am 16. August 1938 in Wien.1080 Seine Tochter Mag.a Wanda Rosen wurde am 14. September 1942 von Wien nach Maly Trostinec deportiert und dort am 18. September 1942 ermordet.1081 Am 23. August 1945 wurde die Rosen-Apotheke unter öffentliche Verwaltung gestellt und von wechselnden Pharmazeuten bis zur Rückstellung der Apotheke geleitet.1082 1948 beantragte Dr.a Cyprienne Rosen, die Erbin nach Philipp und Wanda Rosen, die Rückstellung der 1938 entzogenen Apotheke. In einem daraufhin geführten Rückstellungsverfahren wurde ihr mit Vergleich vom 30. Dezember 1952 gegen eine Zahlung von 27.000,– Schilling an den ›Ariseur‹ Mag. Anton Gruber die Rosen-Apotheke samt Anrecht auf die Konzession zum Betrieb derselben zurückgestellt.1083 St. Anna-Apotheke, Wien 21., Leopoldauerplatz 791084 EigentümerInnen der St. Anna-Apotheke waren Anfang 1938 zu gleichen Teilen Mag. Martin Spörr und seine Frau Cornelia Spörr,1085 Konzessionär der Apotheke war seit 1921 Mag. Martin Spörr.1086 Der Betrieb erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 24.310,23 Reichsmark und war schuldenfrei. Am 14. Juli 1938 wurde der spätere ›Ariseur‹ Mag. Friedrich Seeger zum verantwortlichen Leiter der Apotheke bestellt.1087 Er ›arisierte‹ die St. Anna-Apotheke im Laufe des Sommers 1938. Als Kaufpreis für die Apotheke wurde von der Vermögensverkehrsstelle der Betrag von 17.017,16 Reichsmark bestimmt und davon eine ›Arisierungsauflage‹ von 10.210,30 Reichsmark vorgeschrieben. Martin und Cornelia Spörr erhielten 6.806,86 Reichsmark aus dem Zwangsverkauf ihrer 1078 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1079 Krug, Wiener Apotheken. 1080 Ebd. 1081 DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001. 1082 Krug, Wiener Apotheken. 1083 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 21, 234, Vergleich vom 30. Dezember 1952. 1084 Heute: St. Anna Apotheke, Wien 21., Großfeldzentrum, Kürschnergasse. 1085 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1086 AdPhGK, Betriebsakt 21113, Bescheid der M.Abt. 8 vom 11. November 1938. 1087 Ebd., Meldung bei der PhGK vom 20. Juli 1938.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

Apotheke auf ein Sperrkonto gutgeschrieben.1088 Die Konzession für die St. Anna-Apotheke erhielt Mag. Friedrich Seeger am 11. November 1938.1089 Mag. Martin Spörr und seine Frau Cornelia Spörr flüchteten 1939 und emigrierten nach Australien. Sie kehrten 1949 nach Wien zurück.1090 Am 20. Oktober 1945 wurde die St. Anna-Apotheke unter öffentliche Verwaltung gestellt und bis zur Rückstellung von Mag. Dioniz Kuzmowitsch geleitet.1091 1948 beantragte Mag. Martin Spörr die Rückstellung der ihm 1938 entzogenen Apotheke.1092 Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 15. Oktober 1949 mit einem Erkenntnis der Rückstellungskommission Wien V, in dem Martin Spörr gegen die Zahlung von 6.800,– Schilling an den ›Ariseur‹ Friedrich Seeger die St. Anna-Apotheke samt Konzession zurückgestellt wurde.1093 Da Mag. Martin Spörr noch vor Verleihung der Konzessionsurkunde verstarb,1094 gründeten seine ErbInnen – Cornelia Spörr, Walter F. Spörr und Thomas Martin Richards – am 20. September 1950 mit Mag. Helmut Binder die offene Handelsgesellschaft »St. Anna Apotheke, Mr. Helmut Binder & Co.« zum Betrieb der Apotheke.1095 Die Konzession für die St. Anna-Apotheke erhielt Mag. Helmut Binder am 24. November 1950.1096

3.1.21. Wien, Donaustadt St. Georg-Apotheke, Wien 22., Wagramerstraße 135 Eigentümer und Konzessionär der St. Georg-Apotheke war seit 1912 Mag. Josef Kelhoffer. Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Umsatz von 46.757,60 Reichsmark und war schuldenfrei.1097 Am 30. Juli 1938 musste Mag. Josef Kelhoffer die Apotheke an seinen Pächter Mag. Friedrich Rabik – ab Juni 1938 1088 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1089 AdPhGK, Betriebsakt 21113, Bescheid der M.Abt. 8 vom 11. November 1938. 1090 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 224. 1091 AdPhGK, Betriebsakt 21113, Bescheid des StAfsV vom 20. Oktober 1945 sowie Bescheid des BmfVuW vom 3. Jänner 1950. 1092 Ebd., Bescheid des BmfVuW vom 3. Jänner 1950. 1093 AdPhGK, Betriebsakt 21113, Bescheid des BmfVuW vom 3. Jänner 1950. 1094 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 224. 1095 AdPhGK, Betriebsakt 21113, Übereinkommen vom 20. September 1950. 1096 Krug, Wiener Apotheken. 1097 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Wien

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SA-Standartenapotheker der SA-Standarte 911098 – verkaufen; inklusive aller Warenbestände, der gesamten Einrichtung und des Inventars, der Apothekenkonzession und der Großhandelskonzession. Der Kaufpreis wurde von der Vermögensverkehrsstelle mit 32.730,32 Reichsmark festgelegt. Davon waren 19.738,19 Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ an die Vermögensverkehrsstelle abzuführen, Mag. Kelhoffer erhielt vom Kaufpreis den Rest von 12.992,13 Reichsmark.1099 Die Konzession für die Apotheke erhielt Mag. Friedrich Rabik am 17. Jänner 1939.1100 Mag. Josef Kelhoffer wurde am 24. Juni 1941 aus seinem Haus in Wien 19., Pfarrwiesengasse 19, in eine Sammelwohnung in Wien 2., Franz HochedlingerGasse 23/1/6, zwangsübersiedelt und von dort am 6. Mai 1942 nach Maly Trostinec deportiert,1101 wo er am 11. Mai 1942 von der SS ermordet wurde.1102 Im April 1945 floh Mag. Friedrich Rabik vor der auf Wien vorrückenden Roten Armee nach Pettenbach in Oberösterreich, wo er später von den amerikanischen Besatzungsbehörden festgenommen und im Lager Glasenbach inhaftiert wurde.1103 Da die 1938 ›arisierte‹ Apotheke somit ohne Leitung war, wurde vom Staatsamt für soziale Verwaltung am 19. September 1945 Mag. Robert Klotz als öffentlicher Verwalter eingesetzt. Mag. Klotz leitete die Apotheke in dieser Funktion, bis die öffentliche Verwaltung am 16. April 1949 aufgehoben und die Apotheke wieder an Friedrich Rabik übergeben wurde.1104 Im Oktober 1960 wurde von der Sammelstelle B – Mag. Josef Kelhoffer hinterließ keine ErbInnen, die seine Rückstellungsansprüche wahrnehmen hätten können – ein Rückstellungsantrag gegen Mag. Friedrich Rabik eingebracht. Das Rückstellungsverfahren endete mit einem Vergleich, in dem die Sammelstelle gegen Zahlung von 935.000,– Schilling auf die Rückstellung der Apotheke verzichtete.1105 St. Hubertus-Apotheke, Wien 22., Schüttaustraße 54 Eigentümer der St. Hubertus-Apotheke war seit 1. August 1918 Mag. Max Danzer,1106 die Konzession für die Apotheke erhielt er am 8. Juli 1920.1107 Die 1098 1099 1100 1101 1102 1103

Pharmazeutische Presse, Nr. 26 (1938), 228. WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 202/60, Rückstellungsantrag vom 31. Oktober 1960. Krug, Wiener Apotheken. ÖStA, AdR E- uReang, FLD 23806, Auskunft des Zentralmeldungsamtes vom 15. Juli 1947. Vgl. Freund u. Safrian, Vertreibung und Ermordung, 27 ff. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 22, 39, Anmeldung durch Mag. Robert Klotz vom 8. November 1946. 1104 Krug, Wiener Apotheken; zu Mag. Robert Klotz siehe auch Kapitel 5.1.10., St. AntoniusApotheke. 1105 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 202/60, Vergleich vom 13. Dezember 1960. 1106 Vgl. Wiener Apotheker-Hauptgremium, Apothekerwesen in Wien, 82.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 47.851,– Reichsmark und war schuldenfrei.1108 Nach dem ›Anschluss‹ im März 1938 deutete Mag. Danzer die Zeichen der Zeit richtig und unternahm erste Schritte, um mit seiner Familie zu emigrieren. Dazu sollte die St. Hubertus-Apotheke an Mag. Werner Kutschera verpachtet werden, was am 13. April 1938 durch die Errichtung eines Pachtvertrages auch geschah.1109 Dieses Übereinkommen wurde allerdings von der Vermögensverkehrsstelle nicht akzeptiert und beide Vertragspartner wurden genötigt, anstelle des Pachtvertrages einen Kaufvertrag zu errichten. Im Frühsommer 1945 stellte Mag. Werner Kutschera die Ereignisse des Jahres 1938 in einem Schreiben an das Staatsamt für soziale Verwaltung wie folgt dar : Nach dem Umsturz im Jahre 1938 wurde ich von der Herba-A.G. auf Herrn Mr. Max Danzer aufmerksam gemacht, mit dem ich mich in Verbindung setzte und der mir erklärte, dass er beabsichtige, die ihm gehörige St. Hubertus-Apotheke in Wien XXI. Kaisermühlen, zu verpachten, da er mit seiner Familie nach Palästina auswandern wolle. Der hierauf bezügliche Pachtvertrag kam in der Kanzlei des Dr. Fränkel in Wien I. am 13. April 1938 zustande und hat mich Herr Mr. Danzer gleichzeitig als Leiter der Apotheke bei den Behörden angemeldet. Ich wurde auch als solcher bestätigt, konnte jedoch die Leitung nicht sofort übernehmen, da ich meine damalige Dienststelle erst verlassen konnte, bis ein Ersatz gefunden war. Während dieser Zeit trat ich der NSDAP bei, um die Mitgliedschaft nachweisen zu können, was als unerlässlich für die Genehmigung des Vertrages verlangt wurde, und wurde mir nahegelegt, einen gewissen Betrag nachzuzahlen, um die Rückdatierung meines Beitrittes zu ermöglichen. Ich habe diesem Wunsche entsprochen. Inzwischen traf eine Weisung ein, welche die Genehmigung von Pachtverträgen bezüglich zu arisierender Apotheken untersagte, worauf am 21. Juli 1938 ein Kaufvertrag errichtet wurde, laut welchem ich die Apotheke des Herrn Danzer käuflich als mein Eigentum erwarb.1110

Besagter Kaufvertrag sah 33.496,– Reichsmark als Kaufpreis und davon eine ›Arisierungsauflage‹ von 20.098,– Reichsmark vor. Für den ehemaligen Eigentümer Mag. Max Danzer wurden 13.398,– Reichsmark auf ein Sperrkonto überwiesen.1111 Die Konzession für die St. Hubertus-Apotheke erhielt Mag. Werner Kutschera schließlich am 27. September 1938.1112 1107 Krug, Wiener Apotheken. 1108 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1109 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 22, 51, Anmeldung durch Mag. Werner Kutschera, 4. November 1946. 1110 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-34.288 – 18/46, Mag. Werner Kutschera an das StAfsV, undatiert, wahrscheinlich Juni 1945. 1111 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 22, 51, Anmeldung durch Mag. Werner Kutschera vom 4. November 1946; ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939.

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Mag. Max Danzer konnte noch im Sommer 1938 nach Palästina emigrieren und führte später mit einem Teilhaber die Alijah-Pharmacy in Tel Aviv.1113 Die Schwierigkeiten eines Neubeginns in der Emigration beschrieb er in einem Brief an Mag. Kutschera vom 3. August 1938 aus Haifa wie folgt: Ich war bis jetzt mit verschiedenen Besorgungen und Wegen sehr beschäftigt. Die Verhältnisse hier sind natürlich infolge der ständigen Unruhen sehr schlecht, so dass ich mir noch kein richtiges Urteil bilden kann und abwarten muss, bis wieder normale Verhältnisse kommen.1114

1947 beantragte Mag. Max Danzer die Rückstellung der St. Hubertus-Apotheke. Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 12. September 1947 mit einem Vergleich, in dem zum einen Max Danzer die Apotheke zurückgestellt, zum anderen ein neuer Pachtvertrag mit Mag. Werner Kutschera errichtet wurde.1115 Mag. Max Danzer verstarb 1956 in Tel Aviv.1116

3.1.22. Wien, Liesing Apotheke »Zum guten Hirten«, Wien 23., Siebenhirten, Hauptstraße 71117 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke »Zum guten Hirten« war seit 1919 Mag. Leiser Steiner.1118 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 30.467,12 Reichsmark und war schuldenfrei.1119 Am 1. August 1938 wurde Mag.a Gabriele Pribil – schon vor 1938 Mitglied der NSDAP und somit ›Illegale‹1120 – als verantwortliche Leiterin eingesetzt und die Apotheke in Folge von ihr ›arisiert‹.1121 Der von der Vermögensverkehrsstelle dabei vorgeschriebene Kaufpreis betrug 21.327,– Reichsmark, wovon eine ›Arisierungsauflage‹ von 12.797,– Reichsmark abzuführen war. Mag. Leiser Steiner wurden 8.530,– Reichsmark aus dem Zwangsverkauf seiner Apotheke zuerkannt.1122 Die Kon1112 Krug, Wiener Apotheken. 1113 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 219. 1114 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-34.288 – 18/46, Mag. Max Danzer an Mag. Werner Kutschera vom 3. August 1938, Abschrift. 1115 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 22, 51, Vergleich vom 12. September 1947. 1116 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 219. 1117 Heute: Wien 23., Ketzergasse 41. 1118 Krug, Wiener Apotheken. 1119 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1120 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 7, V-31.599 – 18/46, Wiener Apotheker-Hauptgremium an das BMfsV vom 25. April 1946. 1121 Krug, Wiener Apotheken. 1122 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem

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zession für die Apotheke »Zum guten Hirten« erhielt Mag.a Gabriele Pribil am 17. Jänner 1939.1123 Mag. Leiser Steiner und seine Frau Rosa Rachel Steiner flüchteten 1939 nach Belgien.1124 Sie wurden allerdings später von den NationalsozialistInnen gefasst und im Herbst 1942 vom französischen Lager Drancy nach Auschwitz deportiert. Sie haben die nationalsozialistische Verfolgung nicht überlebt.1125 Am 25. Juni 1945 wurde Mag.a Anna Kampitsch von der Abteilung II des Wiener Magistrats zur verantwortlichen Leiterin der Apotheke »Zum guten Hirten« ernannt1126 und am 23. August 1938 mit der öffentlichen Verwaltung der Apotheke betraut.1127 1948 beantragten die Erben nach Mag. Steiner, Julius und Jakob Steiner, die Rückstellung der 1938 entzogenen Apotheke. Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 12. Mai 1951 mit einem Vergleich, in dem ihnen gegen die Zahlung von 10.000,– Schilling die Apotheke samt Konzession zurückgestellt wurde.1128

Apotheke »Zur Mariahilf«, Wien 23., Perchtoldsdorferstraße 5 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke »Zur Mariahilf« war seit 1930 Mag. Walter Czuczka.1129 Der Jahresumsatz dieser Apotheke belief sich im Jahre 1937 auf 46.700,– Reichsmark, der Betrieb war mit 33.042,66 Reichsmark belastet.1130 Mit Kaufvertrag vom 5. Mai 1938 und dessen Genehmigung durch die Vermögensverkehrsstelle vom 8. November 1938 wurde die Apotheke von Mag. Friedrich Grötschel ›arisiert‹. Der im Mai 1938 vereinbarte Kaufpreis von 46.700,– Reichsmark wurde von der Vermögensverkehrsstelle bestätigt. Des Weiteren wurde dem ›Ariseur‹ aufgetragen, die aushaftenden Außenstände zu begleichen und die Differenz zum Kaufpreis von 13.657,34 Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ an die Vermögensverkehrsstelle zu überweisen. Mag. Walter

1123 1124 1125 1126 1127 1128 1129 1130

Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Krug, Wiener Apotheken. Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 224; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 25, 129, Anmeldung durch Emil Bauer vom 15. November 1946. DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001; Yad Vashem, http://www.yadvashem.org (März 2008). ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1945, Kt.3, IV-161.524 – 15/45, Wiener M.Abt. II an das StAfsV vom 14. September 1945. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 25, 129, Vergleich vom 12. Mai 1951. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 25, 59, Anmeldung durch Mag. Alfred Rether vom 28. Oktober 1946.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Wien

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Czuczka erhielt aus dem Zwangsverkauf seiner Apotheke nichts.1131 Am 12. November 1938 erhielt Friedrich Götschel auch die Konzession für die Apotheke »Zur Mariahilf«.1132 Eineinhalb Jahre später, am 27. April 1940, verkaufte Mag. Grötschel für 40.000,– Reichsmark die Hälfte der Apotheke an Mag. Alfred Rether,1133 der am 26. Juni 1940 die Konzession für die Apotheke erhielt,1134 1942 in die NSDAP aufgenommen wurde und bis zum 15. Oktober 1947 als verantwortlicher Leiter der Apotheke fungierte.1135 Mag. Walter Czuczka emigrierte im August 1938 nach Australien,1136 von wo er im November 1946 seine Rückstellungsansprüche anmeldete.1137 Am 2. Dezember 1948 wurde schließlich vor der Rückstellungskommission Wien V ein Vergleich geschlossen, in dem Mag. Czuczka gegen Zahlung von 33.042,66 Schilling an die ›Ariseure‹ – tituliert als »Rückzahlung des Kaufpreises« – seine Apotheke zurückgestellt wurde.1138 Er kehrte im September 1949 nach Wien zurück und übernahm am 4. April 1950 die Leitung seiner Apotheke. Die zugehörige Konzession wurde ihm am 5. Mai 1950 verliehen. Mag Walter Czuczka verstarb am 28. Juli 1975 in Wien.1139

Paracelsus-Apotheke, Wien 23., Mauer, Hauptplatz 11140 Eigentümer und Konzessionär der Paracelsus-Apotheke war seit 1918 Mag. Chaim Wilhelm König.1141 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 42.825,19 Reichsmark auf und war schuldenfrei.1142 Schon am 2. April 19381143 wurde zwischen Mag. König und dem ›Ariseur‹ Mag. August Dorn ein Kaufvertrag in Form eines Gedächtnisprotokolls errichtet, der die Übergabe der Paracelsus-Apotheke an August Dorn um den Preis von 96.000,– Schilling vor1131 1132 1133 1134 1135 1136 1137 1138 1139 1140 1141 1142 1143

Ebd., Bescheid der Vermögensverkehrsstelle vom 8. November 1938. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 25, 59, Kaufvertrag vom 27. April 1940. Krug, Wiener Apotheken. WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/4, verstorbene Magister bis Geburtsjahr 1900. WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 25, 40, Anmeldung durch Hilde Drabek für Walter Czuczka vom 28. November 1946 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 25, 59, Vergleich vom 2. Dezember 1948. WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. Seit 1961: Wien 23., Speisinger Straße 260. Krug, Wiener Apotheken. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 25, 227, Anmeldung durch Mag. August Dorn vom 12. November 1946.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

sah.1144 Wie aus dem Bericht des kommissarischen Verwalters der jüdischen Apotheken in der Ostmark, SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner, an den Gauleiter Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939 hervorgeht, dürfte dieser Kaufvertrag später von der Vermögensverkehrsstelle revidiert worden sein. Laut diesem Bericht setzte die Vermögensverkehrsstelle einen weit geringeren Kaufpreis von 29.977,63 Reichsmark fest, wovon zu ihren Gunsten eine ›Arisierungsauflage‹ von 17.986,58 Reichsmark zu bezahlen war. Weniger als ein Fünftel des ursprünglichen vereinbarten Kaufpreises, nämlich 11.991,05 Reichsmark, sollte Mag. Chaim Wilhelm König aus dem Zwangsverkauf seiner Apotheke erhalten.1145 Die Konzession für die Paracelsus-Apotheke erhielt Mag. August Dorn am 6. Oktober 1938.1146 Mag. Chaim Wilhelm König konnte sich am 6. Mai 1940 nach Shanghai in Sicherheit bringen. Am 26. Dezember 1946 emigrierte er von dort nach Australien und blieb bis Dezember 1949 in Sydney.1147 1948 beantragte Mag. König die Rückstellung seiner Apotheke. Im daraufhin geführten Rückstellungsverfahren wurde ihm am 4. November 1948 mit einem Teilvergleich die Paracelsus-Apotheke samt Mietrechten und dem Anrecht auf die Konzession zurückgestellt.1148 Mag. Chaim Wilhelm König kehrte am 28. Dezember 1949 nach Wien zurück und stellte ein Ansuchen auf Herabsetzung der erforderlichen Praxis, die für die Berechtigung zum selbständigen Betrieb einer öffentlichen Apotheke vorgeschrieben war. Das nächste halbe Jahr war er als Angestellter in seiner eigenen Apotheke tätig und übernahm am 27. Juli 1950 deren Leitung. Die Konzession für die Paracelsus-Apotheke erhielt er am 31. August 1950. Mag. Chaim Wilhelm König verstarb am 19. November 1955 in Wien.1149

1144 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 25, 152, Anmeldung durch Mag.a Elfriede Graf vom 16. November 1946. 1145 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1146 Krug, Wiener Apotheken. 1147 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z; WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 25, 152 u. 227, Teilvergleich vom 4. November 1948. 1148 WStLA, M.Abt. 119, VEAV Bez. 25, 152 u. 227, Teilvergleich vom 4. November 1948. 1149 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Niederösterreich

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3.2. ›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Niederösterreich Landschaftsapotheke, Baden bei Wien, Hauptplatz 13 Eigentümer dieser Realapotheke waren Anfang 1938 Kurt und Heinz Haberfeld, verantwortlicher Leiter der Apotheke war Mag. Adolf Ehler.1150 Der Betrieb erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 100.758,34 Reichsmark und war schuldenfrei.1151 Am 17. Juli wurde von Mag. Edwin Renner der spätere ›Ariseur‹ Mag. Alois Brinke – ehemaliger Pächter der Linden-Apotheke in Seitenstetten1152 – zum verantwortlichen Leiter der Landschaftsapotheke bestellt. Mit Dr.a Rita Lanzdorf gründete Alois Brinke eine offene Handelsgesellschaft, die in Folge die Apotheke mit Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle ›arisierte‹.1153 Als Kaufpreis für die Landschaftsapotheke setzte die Vermögensverkehrsstelle den Betrag von 70.530,84 Reichsmark fest und schrieb eine ›Arisierungsauflage‹ von 42.318,50 Reichsmark vor. 40 Prozent des Kaufpreises und somit 28.212,34 Reichsmark sollten den Brüdern Haberfeld auf Sperrkonten gutgeschrieben werden.1154 Die Konzession für die Landschaftsapotheke erhielt Mag. Alois Brinke mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden bei Wien vom 9. November 1938.1155 Kurt und Heinz Haberfeld flüchteten noch 1938 vor der nationalsozialistischen Verfolgung und emigrierten nach Buenos Aires. Heinz Haberfeld kehrte 1961 aus dem Exil zurück nach Österreich, Kurt Haberfeld verstarb 1966 in Buenos Aires.1156 Am 10. April 1940 wurde Mag. Alois Brinke vom Landrat des Kreises Baden die Leitungsbefugnis für die Landschaftsapotheke entzogen und auf Dr.a Rita Lanzdorf übertragen. Mag. Brinke trat daraufhin im Juli 1940 aus der Betreibergesellschaft aus. Im November 1940 trat Dkfm. Adolf Lanzdorf als neuer Gesellschafter in die offene Handelgesellschaft ein und der Firmenname wurde geändert in »Landschafts-Apotheke Dr. et Mag. Rita Lanzdorf u. Comp.«1157 1150 Kurt Ryslavy, Materialien zur Geschichte der Apotheken und Apotheker Niederösterreichs, Wien 1991, 36. 1151 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1152 Ryslavy, Niederösterreich, 435. 1153 Ebd., 37 f. 1154 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1155 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 50 (1938), 257. 1156 Ryslavy, Niederösterreich, 36. 1157 Ryslavy, Niederösterreich, 38.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

Am 7. Juli 1948 wurde die Landschaftsapotheke an Kurt und Heinz Haberfeld zurückgestellt, sie verpachteten die Apotheke mit 1. Jänner 1949 an Mag. Adolf Ehler.1158

Engel-Apotheke, Deutsch-Wagram, Gänserndorferstraße 21159 Eigentümer und Konzessionär der Engel-Apotheke war seit 1923 Mag. Salomon Bartel.1160 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 23.333,– Reichsmark und war schuldenfrei.1161 Am 29. Oktober 1937 schloss Mag. Bartel mit Mag.a Luise Vieböck einen Pachtvertrag für die Apotheke und einen Mietvertrag für das Wohnhaus, in dem sich die Apotheke befand; das Pacht- und Mietverhältnis sollte am 1. April 1938 beginnen.1162 Mag.a Luise Vieböck übernahm daher vereinbarungsgemäß an diesem Tag als Pächterin die Leitung der Engel-Apotheke.1163 Später ›arisierte‹ sie mit Bescheid der Vermögensverkehrsstelle vom 24. November 1938 die Apotheke,1164 das Wohnhaus blieb im Eigentum von Mag. Salomon Bartel.1165 Als Kaufpreis für die Apotheke wurde von der Vermögensverkehrsstelle der Betrag von 17.733,– Reichsmark festgesetzt und davon eine ›Arisierungsauflage‹ von 10.640,– Reichsmark zu Gunsten der Vermögensverkehrsstelle verfügt. 7.093,– Reichsmark erhielt Mag. Salomon Bartel auf ein Sperrkonto gutgeschrieben.1166 Die Konzession für die Engel-Apotheke erhielt Mag.a Luise Vieböck im April 1939.1167 Mag. Salomon Bartel verstarb am 18. Juli 1940 im Alter von 65 Jahren in Wien und wurde am Wiener Zentralfriedhof beerdigt.1168 Seine Frau Stefanie Bartel wurde am 15. Oktober 1941 von Wien nach Łûdz´ deportiert und verstarb im Getto Łûdz´ am 28. April 1942.1169 1158 Ebd. 1159 Heute: Engel-Apotheke, Deutsch-Wagram, Hauptstraße 21. 1160 AdPhGK, Betriebsakt 30120, Konzessionsurkunde für Mag. Salomon Bartel vom 1. März 1923. 1161 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1162 AdPhGK, Betriebsakt 30120, Gedenkprotokoll vom 29. Oktober 1937. 1163 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 13718, Mag.a Luise Vieböck an den Oberfinanzpräsidenten Wien – Niederdonau vom 27. Februar 1943. 1164 Ebd., Mag.a Luise Vieböck an das FA Gänserndorf vom 30. Oktober 1943. 1165 Ebd., Ex offo-Grundbuchsauszug des Bezirksgerichts Wolkersdorf vom 13. Juni 1949. 1166 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1167 Ryslavy, Niederösterreich, 58. 1168 IKG Wien, Friedhofsdatenbank, http://www.ikg-wien.at (Mai 2008). 1169 DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Niederösterreich

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Da das Vermögen Stefanie Bartels – im Wesentlichen das Haus in DeutschWagram, das sie nach dem Tod ihres Mannes erbte und in dem sich die EngelApotheke befand – am 25. Juli 1942 von der Geheimen Staatspolizei zu Gunsten des Deutschen Reiches beschlagnahmt wurde,1170 befand es sich nach dem Krieg in der Verwaltung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Bei dieser beantragten die Erbinnen nach Stefanie Bartel, ihre Nichten Anna Munk und Katuse Muzak, am 10. Dezember 1948 die Rückstellung der Liegenschaft.1171 Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion vom 1. Oktober 1949 wurde ihnen das Haus in Deutsch-Wagram sowie 3.890,26 Schilling an Erträgnissen zurückgestellt.1172 Für die Apotheke selbst wurde – auch von den Sammelstellen – kein Rückstellungsantrag eingebracht,1173 Mag.a Luise Vieböck behielt die Konzession für die Engel-Apotheke bis 10. April 1971.1174

St. Anna-Apotheke, Ebreichsdorf, Hauptplatz 20 Eigentümer und Konzessionär der St. Anna-Apotheke war seit 1911 Mag. Ludwig Roniger.1175 Nach dem ›Anschluss‹ im März 1938 übertrug Mag. Roniger, um einer drohenden ›Arisierung‹ seiner Apotheke zuvorzukommen, am 4. April 1938 die Apotheke an seinen Sohn, Mag. Ludwig Roniger jun., der nach nationalsozialistischer Diktion ›Mischling 1. Grades‹ war. Der Betrieb sollte somit nicht mehr als jüdisches Unternehmen gelten. Die bürokratische Abwicklung dieser Eigentumsübertragung verzögerte sich allerdings bis nach dem 27. April 1938, als per Gesetz1176 die Übertragung von jüdischen Gewerbebetrieben genehmigungspflichtig wurde. Der kommissarische Verwalter der jüdischen Apotheken in der Ostmark, SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner, aber auch die Deutsche Apothekerschaft und die Vermögensverkehrsstelle drängten nun darauf, die Apotheke einem ›Arisierungsverfahren‹ zu unterziehen. Die Familie Roniger wurde noch 1938 vom Ortsgruppenleiter der NSDAP aus Ebreichsdorf vertrieben, durch Beschwerde beim Reichswirtschaftsministerium konnte aber die ›Arisierung‹ ihrer Apotheke 1170 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 13718, Oberfinanzpräsident Wien-Niederdonau an das FA Gänserndorf vom 27. April 1943. 1171 Ebd., RA Dr. Stefan Schmid an die FLD vom 10. Dezember 1948. 1172 Ebd., Rückstellungsbescheid vom 1. Oktober 1949. 1173 WStLA, LGZ Wien, B 13/1 – 3 Namensverzeichnisse der Rückstellungskommission 1955 – 1959 sowie B 14/1 Namensverzeichnisse der Rückstellungskommission 1960 – 1966. 1174 Ryslavy, Niederösterreich, 58. 1175 Ebd., 63. 1176 GBlÖ 103/1938, Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Anordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan auf Grund der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. April 1938 bekannt gemacht wird.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

vorerst gestoppt werden.1177 Am 21. Februar 1940 entschied schließlich der Reichsminister des Inneren, dass gegen die Übernahme der Apotheke durch Mag. Ludwig Roniger jun. nichts einzuwenden wäre, und ihm die Apotheke und die Konzession aus der bestehenden Treuhandverwaltung zu übergeben wären.1178 Da aber die Familie Roniger nun schon seit fast zwei Jahren nicht mehr in Ebreichsdorf wohnte, entschied sie sich, die Apotheke an Mag. Richard Zitka zu verkaufen. Dieser erhielt die Konzession für die Apotheke im November 1941.1179 Mag. Ludwig Roniger sen. überlebte die nationalsozialistische Verfolgung und verstarb 1952 in Ebreichsdorf.1180 Mag. Ludwig Roniger jun. arbeitete bis August 1949 als angestellter Apotheker – ab Juni 1945 hatte er auch die Leitung inne – in der Apotheke »Zum heiligen Georg« in Wien-Margareten.1181 Die St. Anna-Apotheke in Ebreichsdorf wurde 1949 zurückgestellt, die Konzession für die Apotheke erhielt Mag. Ludwig Roniger jun. im Juli 1949.1182 Apotheke »Zur heiligen Gertrud«, Gars am Kamp, Hauptplatz 5 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke »Zur heiligen Gertrud« war seit 1935 Dr. Hans Niedermayer.1183 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 33.916,– Reichsmark auf und war mit 43.798,73 Reichsmark verschuldet.1184 Am 20. Juni 1938 wurde von Edwin Renner der spätere ›Ariseur‹ der Apotheke, Mag. Paul Stopfkuchen, zum verantwortlichen Leiter der Apotheke bestellt.1185 Paul Stopfkuchen ›arisierte‹ die Apotheke »Zur heiligen Gertrud« mit Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle, die einen Kaufpreis von 23.741,20 Reichsmark für die Apotheke festsetzte. In Anbetracht der Betriebsverbindlichkeiten verzichtete die Vermögensverkehrsstelle auf die Vorschreibung einer ›Arisierungsauflage‹ und übertrug die Apotheke gegen Übernahme der aushaftenden Schulden an Mag. Stopfkuchen. Der ehemalige Eigentümer Dr. Hans 1177 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Walter Raffelsberger an Josef Bürckel vom 1. März 1939. 1178 Ebd., Reichsminister des Inneren an den Landeshauptmann von Niederdonau vom 21. Februar 1940. 1179 Ryslavy, Niederösterreich, 63. 1180 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 223. 1181 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z; vgl. Kapitel 5.1.5., Apotheke »Zum heiligen Georg«. 1182 Ryslavy, Niederösterreich, 63. 1183 AdPhGK, Betriebsakt 30228, Konzessionsurkunde vom 22. Februar 1935. 1184 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1185 AdPhGK, Betriebsakt 30228, Anmeldung bei der PhGK vom 21. 06. 1938.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Niederösterreich

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Niedermayer erhielt nichts aus dem Verkauf seiner Apotheke.1186 Die Konzession für die Apotheke »Zur heiligen Gertrud« erhielt Mag. Paul Stopfkuchen am 31. März 1939.1187 Dr. Hans Niedermayer übersiedelte nach der ›Arisierung‹ seiner Apotheke nach Wien, wo er 1939 im Alter von 62 Jahren verstarb.1188 Die Apotheke »Zur heiligen Gertrud« blieb nach 1945 im Eigentum von Mag. Paul Stopfkuchen, weder von den Sammelstellen noch von etwaigen ErbInnen nach Dr. Hans Niedermayer wurde ein Rückstellungsantrag gestellt.1189 Grund dafür könnte sein, dass der 1938 von Mag. Paul Stopfkuchen entrichtete Kaufpreis – er bestand in diesem Fall in der Übernahme relativ hoher Betriebsschulden – in etwa dem entsprach, was vor 1938 bei Übernahme der Apotheke angemessen gewesen wäre, und der Verkauf im Zuge der NS-Machtübernahme somit nicht als unredlicher Erwerb betrachtet wurde. Die Apotheke »Zur heiligen Gertrud« wurde jedenfalls nicht zurückgestellt, Mag. Paul Stopfkuchen blieb bis zu seinem Ableben am 7. März 1961 Konzessionär der Apotheke.1190 Apotheke »Zur Mariahilf«, Vorderbruck bei Gutenstein1191 Eigentümerin und Konzessionärin der Apotheke »Zur Mariahilf« war nach dem Ableben des Vorbesitzers Mag. Franz Holub 1936 seine Witwe Mag.a Paula Holub.1192 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 19.988,70 Reichsmark auf und war mit 15.542,66 Reichsmark verschuldet.1193 Die Verbindlichkeiten stammten aus einem von der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich dem Betrieb 1937 gewährten Sanierungsdarlehen in Höhe von 22.000,– Schilling sowie Warenschulden bei der Herba.1194 Auch für diese Apotheke wurde im Mai 1938 der SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner als kommissarischer Verwalter eingesetzt. Dieser bestellte aber mangels BewerberInnen keinen verantwortlichen Leiter und keine verantwortliche Leiterin für die zu ›arisierende‹ 1186 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1187 AdPhGK, Betriebsakt 30228, Konzessionsurkunde vom 31. März 1939. 1188 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 222. 1189 WStLA, LGZ Wien, B 13/1 – 3 Namensverzeichnisse der Rückstellungskommission 1955 – 1959 sowie B 14/1 Namensverzeichnisse der Rückstellungskommission 1960 – 1966. 1190 Ryslavy, Niederösterreich, 93; AdPhGK, Betriebsakt 30228, Pate vom 7. März 1961. 1191 Heute: Raimund-Apotheke, Pernitz, Hauptstraße 87. Die Apotheke wurde von Mag.a Irmgard Held 1939 an ihren heutigen Standort verlegt und der Name geändert. 1192 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 74/60, Rückstellungsantrag vom 20. Juni 1960. 1193 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1194 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 74/60, Beschwerde vom 19. Oktober 1960.

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Apotheke.1195 Erst am 1. November 1938 bewarb sich Mag.a Irmgard SchallerHeld um die ›Arisierung‹ der Apotheke »Zur Mariahilf«1196 und erwarb noch am selben Tag die Apotheke mittels mündlich abgeschlossenen Kaufvertrages, über den später ein Gedächtnisprotokoll verfertigt wurde.1197 Am 15. Dezember 1938 wurde die ›Arisierung‹ der Apotheke »Zur Mariahilf« von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt, und ein Kaufpreis von 13.992,09 Reichsmark festgesetzt.1198 Da die Verbindlichkeiten des Betriebs den von der Vermögensverkehrsstelle bestimmten Kaufpreis überstiegen, wurde von der Vorschreibung einer ›Arisierungsauflage‹ abgesehen und die Apotheke mit der Verpflichtung zur Übernahme der Betriebsschulden an Mag.a Irmgard Schaller-Held übertragen. Mag.a Paula Holub erhielt nichts aus dem Zwangsverkauf ihrer Apotheke.1199 Die Konzession für die Apotheke »Zur Mariahilf« erhielt Irmgard Schaller-Held am 4. April 1939.1200 Am 6. März 1939 suchte Mag.a Schaller-Held um die Genehmigung an, die Apotheke von Vorderbruck bei Gutenstein nach Pernitz verlegen zu dürfen.1201 Dem Ansuchen wurde stattgegeben und die Apotheke nach Pernitz verlegt. Im Zuge der Standortverlegung wurde auch der Name auf »Raimund-Apotheke« geändert.1202 Mag.a Paula Holub übersiedelte nach der ›Arisierung‹ ihrer Apotheke nach Wien 1, Gölsdorfgasse 4/2, von wo sie am 14. Juni 1942 nach Sobibûr deportiert wurde. Mag.a Paula Holub hat die Verfolgung durch den Nationalsozialismus nicht überlebt.1203 Im April 1945 wurde die Raimund-Apotheke während Kampfhandlungen geplündert1204 und Mag.a Irmgard Schaller-Held flüchtete aus Pernitz.1205 Bis zu ihrer Rückkehr im November 1945 wurde die Apotheke von Mag. Friedrich Herschel geleitet, 1949 wurde Mag. Paul Viktor als verantwortlicher Leiter bestellt. Im Mai 1955 wurde die Raimund-Apotheke von Mag.a Schaller-Held an ihn verpachtet.1206 Da Mag.a Paula Holub keine ErbInnen hinterließ, die Rückstellungsansprüche stellen hätten können, wurde am 20. Juni 1960 von der Sammelstelle A die 1195 1196 1197 1198 1199 1200 1201 1202 1203 1204 1205 1206

WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 74/60, Gegenäußerung vom 27. Juli 1960. Ebd. Ebd., Beschluss der Rückstellungsoberkommission vom 29. November 1960. Ebd. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Ryslavy, Niederösterreich, 368. WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 74/60, Teilerkenntnis vom 5. Oktober 1960 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 74/60, Beschwerde vom 19. Oktober 1960. DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001. Ebd. Ryslavy, Niederösterreich, 368. Ryslavy, Niederösterreich, 368.

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Rückstellung der 1938 entzogenen Apotheke beantragt.1207 Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren wurde mit Teilerkenntnis der Rückstellungskommission Wien Vam 5. Oktober 1960 vorerst dahingehend entschieden, dass der Sammelstelle A gegen die Zahlung von 14.492,– Schilling die RaimundApotheke samt Mietrechten und Konzession zurückgestellt wurde.1208 Eine von Mag.a Irmgard Schaller-Held am 19. Oktober desselben Jahres bei der Rückstellungsoberkommission eingebrachte Beschwerde gegen das ergangene Teilerkenntnis wurde von der Rückstellungsoberkommission am 29. November 1960 abgewiesen und die Rückstellungsverpflichtung bestätigt.1209 Die Sammelstelle A verkaufte daraufhin die Raimund-Apotheke an den bisherigen Pächter Mag. Paul Viktor, der im September 1961 auch die Konzession für die Apotheke erhielt.1210 Apotheke »Zum heiligen Georg«, Himberg, Hauptplatz 91211 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke »Zum heiligen Georg« war seit 1911 Mag. Ludwig Dub.1212 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 28.319,78 Reichsmark auf und war schuldenfrei.1213 Am 8. Juni 1938 wurde Mag. Karl Meixner – ›illegales‹ Mitglied der NSDAP seit 1932 und nach dem ›Anschluss‹ Ortsgruppenpropagandaleiter von Donnerskirchen1214 – von Edwin Renner zum verantwortlichen Leiter der Apotheke bestellt. Die ›Arisierung‹ der Apotheke »Zum heiligen Georg« durch Mag. Karl Meixner erfolgte sodann am 15. Juli 1938 mit vorläufiger Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle. Die endgültige Genehmigung für die ›Arisierung‹ erhielt Karl Meixner am 11. November 1938, der Kaufpreis für die Apotheke wurde mit 19.823,85 Reichsmark festgesetzt und eine ›Arisierungsauflage‹ von 11.894,31 Reichsmark bestimmt.1215 7.929,54 Reichsmark sollten nach Abzug eventueller Verbindlichkeiten auf ein Sperrkonto zu Gunsten von Mag. Ludwig Dub erlegt werden.1216 Welcher Methoden sich die WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 74/60, Rückstellungsantrag vom 20. Juni 1960. Ebd., Teilerkenntnis vom 05. 10. 1960 Ebd., Beschluss der Rückstellungsoberkommission vom 29. November 1960. Ryslavy, Niederösterreich, 368. Heute: St. Georgs-Apotheke. WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 245/60, Rückstellungsantrag vom 18. November 1960. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1214 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 245/60, Sammelstelle A an die Rückstellungskommission Wien V vom 10. März 1961. 1215 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 245/60, Rückstellungsantrag vom 18. November 1960. 1216 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939.

1207 1208 1209 1210 1211 1212 1213

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

›Ariseure‹ bedienten, um ihre jüdischen Opfer einzuschüchtern, illustriert eine Begebenheit, wie sie sich bei der ›Arisierung‹ des Hauses von Ludwig Dub, in dem die Apotheke »Zum heiligen Georg« untergebracht war, zugetragen haben soll: Herr Meixner hat von Herrn Dub nicht nur die Apotheke sondern auch das Haus »Langhof« erworben. Dieses Haus wollte Herr Dub ursprünglich nach dem 13. 3. 1938 um S. 85.000,– verkaufen. Er reduzierte dann den Kaufpreis auf S. 65.000,– unter der Bedingung, dass ein Teil des Kaufpreises bar bezahlt würde. Einer der Interessenten war Herr Jakob Kögel. Als er Herrn Dub besuchte, um wegen des Verkaufs zu verhandeln, kam er gerade dazu, als 2 SA-Männer Herrn Dub ohrfeigten, während Herr Meixner und die erste Gattin des Antragsgegners höhnisch lachend dabeistanden. Später erklärte Herr Dub, er habe den »Langhof« um S. 45.000,– an Herrn Meixner verkaufen müssen, da er mit Schlägen dazu gezwungen wurde.1217

Nach erfolgter ›Arisierung‹ von Wohnaus und Apotheke erhielt Mag. Karl Meixner die Konzession für die Apotheke »Zum heiligen Georg« am 29. November 1938 und im Juni 1940 wurde der neue Eigentümer im Wiener Handelsregister protokolliert.1218 Mag. Ludwig Dub und seine Frau Irma Dub übersiedelten nach dem Zwangsverkauf der Apotheke und ihres Hauses in Himberg nach Wien 9., Liechtensteinstraße 72. Von dort wurden beide am 11. Jänner 1942 in das Getto Riga deportiert. Sie haben die nationalsozialistische Verfolgung nicht überlebt.1219 Die Apotheke »Zum heiligen Georg« wurde im November 1944 bei einem Bombenangriff vollständig zerstört und der Apothekenbetrieb daher in das Nachbarhaus, Hauptplatz 8, verlegt.1220 Da Mag. Karl Meixner zu Kriegsende aus Himberg geflüchtet war, wurde am 26. Juni 1945 Mag. Franz Czurda als Leiter für die verwaiste Apotheke – sie kam später unter öffentliche Verwaltung – bestellt. Am 5. Oktober 1948 wurde die öffentliche Verwaltung der Apotheke »Zum heiligen Georg« aufgehoben und am 4. November 1948 die Geschäfte wieder an Mag. Karl Meixner übergeben.1221 Karl Meixner verstarb am 26. Februar 1953 und die Apotheke wurde in Folge von seinen ErbInnen – Theresia Meixner, Liselotte und Ernst Meixner – als Witwen- beziehungsweise Deszendentenfortbetrieb weitergeführt. Da Mag. Ludwig Dub und Irma Dub ohne ErbInnen verstorben waren, wurde am 18. November 1960 von der Sammelstelle A die 1217 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 245/60, Sammelstelle A an die Rückstellungskommission Wien V vom 10. März 1961. 1218 Ebd., Rückstellungsantrag vom 18. November 1960. 1219 DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001. 1220 WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 245/60, Rückstellungsantrag vom 18. November 1960. 1221 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Niederösterreich

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Rückstellung der 1938 entzogenen Apotheke beantragt.1222 Das daraufhin geführte Rückstellungsverfahren endete am 11. März 1963 mit einem Vergleich, in dem die Sammelstelle A gegen die Zahlung von 600.000,– Schilling und den Ersatz der Prozesskosten in Höhe von 2.800,– Schilling auf die Rückstellung der Apotheke »Zum heiligen Georg« verzichtete.1223

Apotheke »Zum heiligen Leopold«, Klosterneuburg, Stadtplatz 8 EigentümerInnen der Apotheke waren seit 1909 Mag. Nathan Zallik und seine Frau Auguste Zallik.1224 Auguste Zallik verstarb am 23. April 1922,1225 womit Mag. Nathan Zallik Anfang 1938 Alleininhaber und Konzessionär der Apotheke »Zum heiligen Leopold« war. Die Apotheke war schuldenfrei und erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 59.896,53 Reichsmark. Sie wurde 1938 von Mag. Willibald Biemann – ehemaliger Pächter der Apotheke »Zum Erzengel Michael« in Marchegg1226 – ›arisiert‹. Als Übernahmepreis setzte die Vermögensverkehrsstelle den Betrag von 41.927,50 Reichsmark fest und schrieb eine ›Arisierungsauflage‹ von 25.156,50 Reichsmark vor. Der Anteil für Mag. Nathan Zallik wurde von der Vermögensverkehrsstelle mit 16.771,– Reichsmark bestimmt.1227 Mag. Nathan Zallik flüchtete am 25. September 1941 aus Klosterneuburg und emigrierte nach Kuba.1228 Sein weiteres Schicksal ist unbekannt, sehr wahrscheinlich verstarb Nathan Zallik im Exil. Die Apotheke »Zum heiligen Leopold« wurde 1948 an die Erben nach Mag. Nathan Zallik, Willibald und Karl Zallik, zurückgestellt.1229 Da sich beide in den USA aufhielten – sie waren noch 1938 vor den NationalsozialistInnen geflüchtet und über Paris in die USA emigriert1230 – wurde die Apotheke »Zum heiligen Leopold« nach erfolgter Rückstellung an Mag. Julian Kostiuk verpachtet und später an ihn verkauft.1231 Die Konzession für die Apotheke erhielt Mag. Kostiuk 1965.1232 1222 1223 1224 1225 1226 1227 1228 1229 1230 1231 1232

WStLA, LGZ Wien, A 29, Rk 245/60, Rückstellungsantrag vom 18. 11. 1960. Ebd., Vergleich vom 11. März 1963. Ryslavy, Niederösterreich, 228. IKG Wien, Friedhofsdatenbank, http://www.ikg-wien.at (Mai 2008). Ryslavy, Niederösterreich, 324. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renners an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. ÖStA, AdR E- uReang, FLD 12987, FLD an das BMfF vom 19. August 1960. WStLA, M.Abt. 13, Kartei K 1/3, Apotheken; AdPhGK, Liste arisierter Apotheken, undatiert wahrscheinlich Ende 1948. Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 225. Ryslavy, Niederösterreich, 228. Ebd.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

3.3. ›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Oberösterreich Apotheke »Zum Schutzengel«, Ebensee, Kirchengasse 1 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke »Zum Schutzengel« war seit 1920 Dr. Sigmund Berger.1233 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 65.284,66 Reichsmark auf und war schuldenfrei.1234 Schon kurz nach dem ›Anschluss‹ wurde Apotheker Dr. Berger Opfer eines brutalen Angriffs der NationalsozialistInnen: In der Nacht vom 16. auf den 17. März 1938 wurde mein Mann während der Ausübung seines Berufes in der Apotheke von zwei uniformierten Männern überfallen, eine Stunde lang auf das Schwerste misshandelt, mit Füssen getreten, mit Sesseln und Briefbeschwerern so traktiert, dass ihm drei Zähne eingeschlagen wurden. Außerdem wurde von ihm die Bezahlung eines Betrages von S 2.000,– gefordert. Ebenso wurden Waren ohne Bezahlung mitgenommen. Erst nach dem Erscheinen des im Hause wohnenden Parteigenossen Miro Dufek entfernten sich die Täter. […] Am nächsten Morgen musste mein Mann über Aufforderung des Bürgermeisters von Ebensee zu Gunsten der Ortsarmen eine Spende von S 2.000,– erlegen. […] Die Ereignisse dieser Nacht übten auf den Gemütszustand meines Mannes einen solchen Eindruck, dass er in den Vormittagsstunden einen Selbstmordversuch unternahm und in schwer bewusstlosem Zustande in das Spital in Bad Ischl eingeliefert wurde, wo er nur durch besondere Aufopferung der Ärzte wieder zum Leben erweckt wurde.1235

Auf Intervention des Gauleiters für Oberdonau, August Eigruber, beim Ministerium für Innere und Kulturelle Angelegenheiten im August 1938 wurde die Apotheke »Zum Schutzengel« von der Vermögensverkehrsstelle dem ›illegalen‹ Nationalsozialisten und SS-Untersturmführer1236 Mag. Josef Degenberger zur ›Arisierung‹ zugewiesen.1237 Die Vermögensverkehrsstelle setzte für die Apotheke einen Kaufpreis von 45.699,26 Reichsmark fest und verfügte davon eine ›Arisierungsauflage‹ von 30.419,56 Reichsmark. Dr. Sigmund Berger erhielt 18.279,70 Reichsmark aus dem Zwangsverkauf seiner Apotheke auf ein Sperr1233 Kurt Ryslavy, Geschichte der Apotheken Oberösterreichs, Wien 1990, 78. 1234 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1235 LAOÖ, Arisierungen, 2/12 Berger Sigmund, Rosa Berger an Josef Bürckel vom 27. Juli 1938, zit. nach: Daniela Ellmauer u. Regina Thumser (Historikerkommission, Hg.), »Arisierungen«, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Oberösterreich, Wien 2002, 109 f. 1236 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-162.557 – 15/45, StAfsV an die Alliierte Kommission für Österreich vom Dezember 1945. 1237 Vgl. Ellmauer u. Thumser, Oberösterreich, 50.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in Oberösterreich

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konto gutgeschrieben.1238 Die Konzession für die Apotheke »Zum Schutzengel« erhielt Mag. Josef Degenberger noch im Dezember 1938.1239 Dr. Sigmund Berger konnte sich 1939 nach Großbritannien in Sicherheit bringen und emigrierte 1940 nach Australien.1240 Zu seinem weiteren Schicksal hat Frank Leimkugel folgendes recherchiert: Eine frühzeitige Rückkehr aus Australien nach Europa wurde Sigmund Berger (geb. 1885 Wien), Besitzer der »Schutzengel-Apotheke« in Ebensee zum Verhängnis. Berger hatte sich vor seiner Auswanderung über England in den fünften Kontinent formal von seiner »arischen« Ehefrau scheiden lassen, um ihr und seinen Kindern Sicherheit zu verschaffen. 1943 bemühte sich Berger erfolgreich um eine Rückkehr nach England zu einer seiner Töchter. Nach einem Torpedotreffer während der Seereise nach Europa wurde er Opfer einer Schiffskatastrophe.1241

Am 1. August 1945 wurde von der amerikanischen Militärregierung Dr. Fritz Strauch zum kommissarischen Leiter der Apotheke bestellt.1242 Da das Gesetz über öffentliche Verwalter vom 10. Mai 1945 in Oberösterreich von der dortigen Zweigstelle der amerikanischen Militärregierung nur auf Weisung des erst im Juli 1945 errichteten Hauptquartiers in Wien umgesetzt wurde, bedurfte es längerer Verhandlungen zwischen dem Staatsamt für soziale Verwaltung und der amerikanischen Militärregierung bis 1946 Mag.a Eleonore Wieser, die Tochter von Dr. Sigmund Berger, als Leiterin der Apotheke »Zum Schutzengel« eingesetzt wurde.1243 Die Apotheke wurde 1947 an die Erbinnen nach Dr. Sigmund Berger zurückgestellt. Die Konzession für die Apotheke erhielt Mag.a Eleonore Sedlacek, geb. Berger, am 1. September 1947.1244 Alte Stadt-Apotheke, Steyr, Stadtplatz 7 EigentümerInnen dieser Real-Apotheke waren Anfang 1938 Dr. Ernst Bernhauer zu 50 Prozent sowie Mag. Adolf Landesberg und seine Frau Margarethe zu je 25 Prozent. Die Apotheke wurde von Dr. Bernhauer und Mag. Landesberg gemeinsam betrieben, sie wies 1937 einen Jahresumsatz von ungefähr 68.000,– Reichsmark auf und war schuldenfrei.1245 Im August 1938 ›arisierte‹ Dr. Bern1238 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1239 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 51 (1938), 267. 1240 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 218. 1241 Vgl. ebd., 149. 1242 ÖStA, AdR SAGuSp, BMfsV, Sektion V (Volksgesundheit) 1946, Kt. 6, V-162.557 – 15/45, StAfsV an die Allierte Kommission für Österreich vom Dezember 1945. 1243 Ebd. sowie V-36.363 – 18/46, Aktennotiz vom Juli 1946. 1244 Ryslavy, Oberösterreich, 78. 1245 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

hauer die Geschäftsanteile seiner jüdischen MitbesitzerInnen1246 um den von der Vermögensverkehrsstelle festgesetzten Kaufpreis von 23.844,80 Reichsmark.1247 Von diesem Kaufpreis wurden 14.306,88 Reichsmark als ›Arisierungsauflage‹ von der Vermögensverkehrsstelle einbehalten, 9.537,92 Reichsmark bekamen Mag. Adolf Landesberg und Margarethe Landesberg auf ein Sperrkonto gutgeschrieben.1248 Die Familie Landesberg konnte 1938 fliehen und emigrierte nach Australien.1249 Nach 1945 bekamen Mag. Adolf Landesberg und seine Frau Margarethe die 1938 entzogene Häfte der Apotheke und der Liegenschaft sowie einen Anteil an den Erträgnissen zurückgestellt und im Jänner 1949 verpachteten sie die Hälfte ihrer Apotheke an Dr. Bernhauer und erteilten ihm das Vorkaufsrecht an ihrer Hälfte der Liegenschaft.1250

3.4. ›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken im Burgenland Apotheke »Zur Mariahilf«, Bruckneudorf1251 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke in Bruckneudorf war Anfang 1938 Mag. Leonhard Hildebrand, seit 21. November 1937 wurde die Apotheke auf Rechnung des Eigentümers von Dr. Rosa Fink geleitet.1252 Der Betrieb wies 1937 einen Jahresumsatz von 18.000,– Reichsmark auf und war schuldenfrei.1253 Am 21. Juni 1938 wurde vom kommissarischen Verwalter der jüdischen Apotheken in der Ostmark, SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner, der spätere ›Ariseur‹ Mag. Oskar von Pürkher – er war bis zu diesem Zeitpunkt verantwortlicher Leiter der Dreifaltigkeits-Apotheke in Neulengbach, Niederösterreich1254 – als verantwortlicher Leiter der Apotheke eingesetzt.1255 Er ›arisierte‹ die Apotheke

1246 1247 1248 1249 1250 1251 1252 1253 1254 1255

Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Vgl. Ellmauer u. Thumser, Oberösterreich, 303. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Ebd. Vgl. Ellmauer u. Thumser, Oberösterreich, 303. Vgl. ebd., 303 f. Heute: Bahnhof-Apotheke, Bahnhofplatz 5. AdPhGK, Betriebsakt 00027, Anmeldung bei der PhGK vom 28. März 1938. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. Ryslavy, Niederösterreich, 353. AdPhGK, Betriebsakt 00027, Anmeldung bei der PhGK vom 21. Juni 1938.

›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken im Burgenland

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mit Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle, die einen Kaufpreis von 12.600,– Reichsmark bestimmte und eine ›Arisierungsauflage‹ von 7.560,– Reichsmark vorschrieb. 5.040,– Reichsmark sollten Mag. Hildebrand aus dem Zwangsverkauf seiner Apotheke auf ein Sperrkonto gutgeschrieben werden.1256 Mag. Oskar von Pürkher änderte den Namen der Apotheke in »Kyffhäuser-Apotheke«1257 und erhielt die Konzession für die Apotheke in Bruckneudorf am 10. September 1939.1258 Mag. Leonhard Hildebrand konnte noch 1938 aus Österreich fliehen und emigrierte in die USA. Später betrieb er in New York einen Großhandel mit Pharmazeutika.1259 1948 beantragte Mag. Hildebrand von New York aus die Rückstellung seiner ihm 1938 entzogenen Apotheke und am 21. Juli 1950 wurde Mag.a Martha Rapp mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See von Amts wegen als Leiterin der Apotheke eingesetzt.1260 Das 1948 initiierte Rückstellungsverfahren endete im September 1953 damit, dass Mag. Hildebrand die Apotheke in Bruckneudorf samt Konzession zurückgestellt wurde. Nach erfolgter Rückstellung verkaufte er seine Apotheke an Mag. Aladar Kaiser, der am 23. Februar 1954 auch die Konzession für die Apotheke in Bruckneudorf erhielt.1261 Salvator-Apotheke, Frauenkirchen, Hauptstraße 17 Eigentümer und Konzessionär der Salvator-Apotheke war seit 1920 Mag. Julius Sugar.1262 Die Apotheke wies 1937 einen Jahresumsatz von 15.744,13 Reichsmark auf und hatte bei der Herba Warenschulden in der Höhe 518,– Reichsmark.1263 Mittels Kaufvertrag vom 22. Juli 1938 wurde die Salvator-Apotheke von Mag. Peter Götzendorfer ›arisiert‹.1264 Mag. Götzendorfer war seit 1930 Mitglied der NSDAP und trat 1931 der SA bei. Nach dem Verbot der NSDAP 1933 hatte er im September desselben Jahres Österreich verlassen und war trat der Österreichischen Legion in Bayern beigetreten, wo er in Folge als Legions-Apotheker be1256 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1257 AdPhGK, Betriebsakt 00027, Mag. Oskar von Pürkher an die PhGKvom 2. Dezember 1941. 1258 Kurt Ryslavy, Materialien zu Geschichte der Apotheken und Apotheker im Burgenland, Eisenstadt 1979, 48. 1259 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 221. 1260 AdPhGK, Betriebsakt 00027, Bescheid der BH Neusiedl am See vom 21. Juli 1950. 1261 AdPhGK, Betriebsakt 00027, Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 23. Februar 1954. 1262 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 10369, Mag. Zoltan Schuhmacher an das BMfF vom 30. November 1951. 1263 Ebd., Betriebsprüfungsbericht von Carlo Wirsam vom 28. September 1938. 1264 Ebd., Mag. Zoltan Schuhmacher an das BMfF vom 30. November 1951.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

schäftigt war. Nach seiner Rückkehr nach Österreich im März 1938 bewarb er sich mehrmals vergeblich um die ›Arisierung‹ einer jüdischen Apotheke. Schließlich wurde ihm die Salvator-Apotheke in Frauenkirchen – Mag. Götzendorfer verfügte über keine finanziellen Mittel und im Unterschied zu anderen jüdischen Apotheken gab es für die Salvator-Apotheke keine anderen BewerberInnen – zur ›Arisierung‹ zugewiesen.1265 Am 17. November 1938 wurde diese ›Arisierung‹ von der Vermögensverkehrsstelle genehmigt und ein Kaufpreis von 10.000,– Reichsmark sowie eine ›Arisierungsauflage‹ von 6.000,– Reichsmark festgesetzt. 4.000,– Reichsmark zahlte Peter Götzendorfer am 19. Dezember 1938 auf ein Sperrkonto zu Gunsten Julius Sugars bei der Pharmakred ein.1266 Die Konzession für die Salvator-Apotheke erhielt Mag. Peter Götzendorfer mit Bescheid der Reichsstatthalterei Niederdonau vom 15. November 1940.1267 Mag. Julius Sugar und seine Frau Margarete verließen noch 1938 Österreich und flüchteten nach Ungarn, wo Julius Sugar in Györ wieder als Apotheker tätig wurde.1268 Am 14. Juni 1944 wurden beide von Györ nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.1269 Am 29. März 1945 flüchtete Mag. Peter Götzendorfer vor der Roten Armee aus Frauenkirchen nach Westösterreich.1270 Um die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten zumindest rudimentär sicherzustellen, übernahm der Gemeindearzt von Frauenkirchen, Dr. Kroiss, am 16. April 1945 die Apotheke und ihre verbliebenen Warenbestände.1271 Wie die Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln in den ersten Nachkriegswochen aussah, beschrieb Dr. Kroiss 1951 wie folgt: Vor meiner Übernahme wurde die Apotheke zweimal geplündert u.zw. in der Weise, dass sämtliche Spezialitäten d. h. fertig gepackte Medikamente abhanden kamen, nur die Urstoffe waren vorhanden und aus diesen wurden Medikamente nach Bedarf hergestellt (so z. B. Salben wurden in der Form hergestellt, dass der Kranke für 100 g Salbe 100 g Schweinefett brachte und das entsprechende Medikament dazugegeben wurde).1272

Nach telefonischer Weisung durch die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha übernahm am 15. Juli 1945 wieder ein Pharmazeut, Mag. Zoltan Schuh1265 1266 1267 1268 1269 1270 1271 1272

Ebd., Urteil des Volksgerichtes Wien vom 20. Juni 1947. Ebd., Bescheid der FLD vom 28. Mai 1951. Ebd., Mag. Zoltan Schuhmacher an das BMfF vom 30. November 1951. ÖStA, AdR E- uReang, FLD 10369, Mag. Peter Götzendorfer an RA Dr. Fritz Piesslinger, 30. Juni 1939. DÖW, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001. ÖStA, AdR E- uReang, FLD 10369, Betriebsprüfungsbericht von Dr. Josef Bauer vom 23. Mai 1951. Ebd., Niederschrift der Aussage von Dr. Kroiss am 11. Mai 1951. Ebd.

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macher, die Apotheke,1273 und am 26. Dezember 1945 wurde er als öffentlicher Verwalter für die Salvator-Apotheke eingesetzt.1274 Mag. Peter Götzendorfer wurde am 26. Juni 1946 in Altenhofen, Oberösterreich, verhaftet und am 20. Juni 1947 vom Volksgericht Wien wegen Hochverrats und missbräuchlicher Bereicherung im Zuge der ›Arisierung‹ der SalvatorApotheke zu 18 Monaten schweren, verschärften Kerkers, Ersatz der Verfahrenskosten und Verfall seines Vermögens zu Gunsten der Republik Österreich verurteilt.1275 Die Salvator-Apotheke ging somit in das Eigentum der Republik über, womit nach § 2 Abs. 1 des Zweiten Rückstellungsgesetzes die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland für die Rückstellung zuständig wurde. Bei dieser beantragte Stefan Sugar, der Sohn von Mag. Julius Sugar, durch den Rechtsanwalt Dr. Oskar Stöger am 11. Mai 1949 die Rückstellung der seinem Vater 1938 entzogenen Apotheke.1276 Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion vom 28. Mai 1951 wurde ihm gegen die Zahlung von 4.000,– Schilling für den 1938 an seinen Vater bezahlten Anteil des Kaufpreises die Salvator-Apotheke zurückgestellt.1277 Stefan Sugar verkaufte daraufhin die Apotheke an Mag. Zoltan Schuhmacher, der am 10. Oktober 1951 auch die Konzession für die Salvator-Apotheke erhielt.1278

3.5. ›Arisierung‹ und Rückstellung von Apotheken in der Steiermark Apotheke Roda, Bad Gleichenberg Nr. 41279 Eigentümer und Konzessionär der Apotheke war seit 1919 Mag. Julius Roda.1280 Die Apotheke erwirtschaftete 1937 einen Jahresumsatz von 62.051,08 Reichsmark und war schuldenfrei. Die Apotheke Roda wurde 1938 vom ›illegalen‹ Nationalsozialisten Mag. Friedrich Prosser1281 ›arisiert‹, wobei von der Vermögensverkehrsstelle ein Kaufpreis von 43.435,76 Reichsmark festgelegt und eine ›Arisierungsauflage‹ von 26.061,46 Reichsmark bestimmt wurde. 17.374,30 1273 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 10369, Mag. Zoltan Schuhmacher an das BMfF vom 30. November 1951 1274 Ebd., Betriebsprüfungsbericht von Dr. Josef Bauer vom 23. Mai 1951. 1275 Ebd., Urteil des Volksgerichtes Wien vom 20. Juni 1947. 1276 ÖStA, AdR E- uReang, FLD 10369, RA Dr. Oskar Stöger an die FLD vom 11. Mai 1949. 1277 Ebd., Bescheid der FLD vom 28. Mai 1951. 1278 Ebd., Mag. Zoltan Schuhmacher an das BMfF vom 30. November 1951 1279 Heute: Johannes-Apotheke. 1280 Kurt Ryslavy, Geschichte der Apotheken der Steiermark und der Untersteiermark bis nach dem Ersten Weltkrieg, Wien 1992, 16. 1281 AdPhGK, Betriebsakt 50040, BMfsV an die PhGK vom 2. Juni 1947.

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›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen

Reichsmark sollte Mag. Julius Roda aus dem Zwangsverkauf seiner Apotheke erhalten.1282 Die Konzession für die Apotheke erhielt Mag. Friedrich Prosser mit Bescheid der Landeshauptmannschaft Steiermark vom 28. September 1939.1283 Die Eigentumsübertragung wurde schließlich am 10. Dezember 1940 beim Handelsgericht Graz protokolliert und die Apotheke in »Kur-Apotheke« umbenannt.1284 Mag. Julius Roda wurde mit seiner Tochter Mag.a Olga Roda im Zuge des Novemberpogroms am 10. November 1938 von den NS-Behörden nach Ungarn abgeschoben,1285 wo er noch vor Kriegsende verstarb.1286 Am 21. Mai 1946 wurde von der Landeshauptmannschaft für Steiermark Mag. Adelrich Eberlin zum verantwortlichen Leiter der Kur-Apotheke bestellt1287 und am 16. September 1946 von Mag. Hubert Satz in dieser Funktion abgelöst.1288 Mag. Friedrich Prosser wurde am 18. Juni 1946 verhaftet1289 und am 22. Jänner 1947 vom Volksgericht Graz wegen Hochverrats und missbräuchlicher Bereicherung zu zwei Jahren Haft verurteilt.1290 Mag.a Olga Roda kehrte 1946 nach Bad Gleichenberg zurück1291 und beantragte die Rückstellung der ihrem Vater 1938 entzogenen Apotheke. Im November 1946 übernahm sie die Leitung der väterlichen Apotheke1292 und erhielt diese samt Anrecht auf die Konzession mit Teilerkenntnis der Rückstellungskommission Graz vom 11. Jänner 1949 zurückgestellt.1293 Die Konzession für die Kur-Apotheke erhielt Mag.a Olga Roda am 26. April 1949.1294

1282 ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Kt. 91, 2160/14/1, Edwin Renner an Josef Bürckel vom 31. Jänner 1939. 1283 AdPhGK, Betriebsakt 50040, LH Steiermark an die PhGK vom 24. Oktober 1939. 1284 Ebd., Handelsregisterauszug vom 10. Dezember 1940. 1285 Ebd., Mag. A. Jungschaffer an die PhGK vom 11. November 1938. 1286 Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 223. 1287 AdPhGK, Betriebsakt 50040, Bescheid der Landeshauptmannschaft für Steiermark vom 21. Mai 1946 1288 Ebd., Mag. Helmut Satz an die PhGK vom 16. September 1946. 1289 Ebd., Mag.a Olga Roda an die PhGK vom 4. Februar 1947. 1290 AdPhGK, Betriebsakt 50040, BMfsV an die PhGK vom 2. Juni 1947. 1291 Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 223. 1292 Ryslavy, Steiermark, 17. 1293 AdPhGK, Betriebsakt 50040, Mag.a Olga Roda an die PhGK vom 19. Jänner 1949. 1294 Ebd., Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. April 1949.

4.

Nach der Enteignung

Die Angaben zu den persönlichen Schicksalen österreichischer jüdischer PharmazeutInnen und EigentümerInnen von Apotheken finden sich auch in den jeweiligen Beschreibungen der einzelnen Apotheken, siehe hierzu Kapitel 4. ›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken, Fallbeschreibungen. Dort sind auch die jeweiligen Anmerkungen zu finden und werden hier nicht noch einmal angeführt.

4.1. Emigration und Exil Eine der Hauptschwierigkeiten jüdischer ÖsterreicherInnen, die nach dem ›Anschluss‹ vor dem NS-Regime fliehen mussten, bestand darin, ihr nach der ›Arisierung‹ ihrer Betriebe noch vorhandenes Restvermögen an den zukünftigen Aufenthaltsort zu transferieren. Diese Schwierigkeiten bei einem Kapitaltransfer ins Ausland hatten ursprünglich nichts mit der Judenverfolgungspolitik der Nazis zu tun. Schon 1931 wurde in der Weimarer Republik die Ausfuhr von Devisen beschränkt, um Kapitalflucht zu verhindern. Die damals eingeführte Reichsfluchtsteuer wurde nach der Machtübergabe an die NationalsozialistInnen zur Ausplünderung der zur Auswanderung getriebenen Juden und Jüdinnen verwendet.1 1933 wurde dann der Kapitaltransfer ins Ausland fast völlig unterbunden. Für die Ausfuhr jüdischer Vermögen erließen die neuen Machthaber Ausnahmeregelungen, um die jüdische Auswanderung zu beschleunigen. In den ersten zwei, drei Jahren der NS-Herrschaft war es trotz der angespannten Devisenlage noch relativ einfach, Geld ins Ausland zu überführen, so daß in dieser Zeit im Gegensatz zu späteren Jahren noch manches jüdische Vermögen gerettet werden konnte.2

1 Vgl. Barkai, Boykott, 60. 2 Barkai, Boykott, 60.

236

Nach der Enteignung

Neben den bürokratischen Schikanen der NS-Verwaltung und den oft unbezahlbaren Steuerforderungen des Regimes waren die zur Emigration gezwungenen österreichischen Juden und Jüdinnen mit einer weiteren Schwierigkeit konfrontiert: einem generellen Mangel an Auswanderungsmöglichkeiten.3 So erschwerten wegen der noch nicht überwundenen Weltwirtschaftskrise die klassischen Einwanderungsländer Kanada und Australien, aber auch die südamerikanischen Länder, die Immigration. Einwanderungsgenehmigungen erteilten diese Staaten nur bei Bezahlung eines Landungsgeldes oder für landwirtschaftliche AnsiedlerInnen. Auch Einreisen in die USA waren schwierig, da sie von einer Unterhaltsgarantieerklärung eines US-Bürgers oder einer USBürgerin und der Einwanderungsquote abhängig waren.4 Einwandern konnte nun nur noch eine bestimmte Quote der jeweiligen in den USA ansässigen Nationalität, wobei die Juden keiner eigenen, sondern der Nation ihres Herkunftslandes zugerechnet wurden. Vor allem während der Nazi-Zeit verhinderten diese Bestimmungen die Rettung zahlreicher Juden vor der Ermordung.5

Selbst Palästina ließ ab 1937 jährlich nur mehr eine bestimmte Anzahl von Juden und Jüdinnen einwandern. So erfolgte die Flucht nach Palästina zumeist in Form illegaler Transporte.6 Eine der wenigen verbliebenen Möglichkeiten, der Verfolgung in Österreich zu entgehen, war daher die Auswanderung nach Shanghai, das damals den Status einer international verwalteten Stadt hatte und eine Immigration ohne besondere Beschränkungen ermöglichte.7 Eine weitere, sozusagen berufsbedingte Schwierigkeit der zur Emigration genötigten jüdischen PharmazeutInnen bestand darin, dass ihre in Österreich erworbenen Approbationen in ihrer neuen Heimat nicht anerkannt wurden und sie daher ihren erlernten Beruf nicht ausüben konnten. So verlangten, um als Apotheker oder Apothekerin arbeiten zu können, Großbritannien und die USA ein erneutes Pharmaziestudium. Palästina akzeptierte eine vorhandene Approbation nur, wenn im Studium an einer österreichischen oder reichsdeutschen Hochschule sechs Semester absolviert worden waren. Mit genügend Kapital konnte aber von immigrierten PharmazeutInnen zumindest in Palästina eine Apotheke eröffnet werden. Da den emigrierten ApothekerInnen aber oft die finanziellen Mittel sowohl für ein Studium als auch den Kauf einer Apotheke fehlten, nahmen viele EmigrantInnen eine Arbeit in der pharmazeutischen Industrie oder in einem völlig fremden Bereich auf.8 3 4 5 6 7 8

Vgl. Hans Safrian, Eichmann und seine Gehilfen, Frankfurt/Main 1995, 44 f. Vgl. Jonny Moser, Die Judenverfolgung in Österreich 1938 – 1945, Wien 1966, 336. Haumann, Ostjuden, 164. Vgl. Moser, Judenverfolgung, 336. Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 223. Zu den Bedingungen, mit denen sich emigrierte jüdische PharmazeutInnen aus dem Deut-

237

Emigration und Exil

Nach dem Novemberpogrom von 1938 und dem zu Beginn des Jahres 1939 für jüdische PharmazeutInnen verfügten Berufsverbot – die Achte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 17. Jänner 1939 erklärte alle an Juden oder Jüdinnen verliehenen Approbationen und Diplome und somit auch Konzessionen und die Berufserlaubnis aller jüdischen PharmazeutInnen für erloschen9 – nahm der Auswanderungsdruck auf jüdische PharmazeutInnen weiter zu.10 Nachdem die Reichsregierung zu Beginn des Jahres 1939 die Auswanderung von Juden forciert hatte – die seit der Pogromnacht Inhaftierten entließ man mit der Auflage, binnen kurzer Zeit das Land zu verlassen –, waren nach Ausbruch des Krieges fast alle Fluchtwege versperrt, da die Reichsregierung die Grenzen geschlossen hatte.11

Rückblickend betrachtet war die Möglichkeit, das Deutsche Reich sicher verlassen zu können, somit zeitlich stark beschränkt. Schon im September 1939, mit dem Überfall des deutschen Reichs auf Polen und dem Beginn des Zweiten Weltkrieges, verstärkte sich die nationalsozialistische Repression gegen die jüdischen MitbürgerInnen weiter, andererseits gingen legale Emigrationsmöglichkeiten verloren, da viele potentielle Einwanderungstaaten nun Staatsangehörige von ›Feindstaaten‹ nicht mehr einreisen lassen wollten. Auch viele österreichische PharmazeutInnen konnten diese kurze Zeitspanne von Dezember 1938 bis September 1939 nicht rechtzeitig nützen, für sie gab es kaum mehr einen Weg, der Ermordung zu entgehen. Rund zwei Drittel aller jüdischen ApothekerInnen in Österreich konnte sich vor der nationalsozialistischen Verfolgung durch Emigration in Sicherheit bringen.12 Bevorzugtes Zielland der österreichischen PharmazeutInnen waren trotz oben beschriebener Schwierigkeiten die USA und hier vor allem die Metropole New York. Weitere US-amerikanische Destinationen österreichischer EmigrantInnen und ihrer Familienangehörigen waren Chicago und Los Angeles. Name Erna Ahl Helene Ahl Mag. Marco Birnholz Anna Citron Karl Citron Margarethe Citron

9 10 11 12

Emigrationsort USA USA USA/New York USA/New York USA/New York USA/New York

Jahr der Emigration 1938/39 1938/39 1939 unbekannt unbekannt unbekannt

schen Reich und Österreich in ihren Aufnahmeländern konfrontiert sahen siehe insbesondere Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 97 – 119. DRGBl. I 1939, 47 bzw. GBlÖ 106/1939, Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Achte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 17. Jänner 1939 bekanntgemacht wird, § 1. Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 81. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 80. Vgl. Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker, 197.

238

Nach der Enteignung

Fortsetzung Name Dr. Arthur Freudenfeld13 Mag. Leonhard Hildebrand Dr. Franz Klein Dr. Richard Kolm Mag. Jakob Kreider Mag. Arthur Löw Dr. Hans Löwy Dr. Otto Lustig Dr. Hilde Lustig Berthold Mayer Mag. Alfred Müller Mag. Max Philipp Stephanie Philipp Mag. Karl Rosner Mag.a Gertrude Saphir14 Mag. Hans Selzer Mag. Hugo Thorsch

Emigrationsort USA USA USA USA USA/Chicago USA USA/New York USA USA USA/Kalifornien USA/Los Angeles USA USA USA/New York USA/Chicago USA/New York USA

Jahr der Emigration unbekannt 1938 unbekannt 1939 1938 1939 1939 1939 1939 unbekannt 1939 1939 1939 1938 1938 1939 1938

Als einziger der österreichischen PharmazeutInnen und ehemaliger ApothekenbesitzerInnen emigrierte Dr. Rudolf Zifferer 1938 nach Kanada. Zuflucht fanden jüdische PharmazeutInnen aus Österreich mit ihren Familien auch in Großbritannien, insbesondere im Großraum London. Gerda Beres Dr. Sigmund Berger Dr. Georg Burger Camilla Eisler15 Mag. Leopold Goranin Mag.a Vilma Lichtenstern Adele Metall Dr. Charlotte Riesenfeld Dr. Franz Riesenfeld Wilhelm Senz Dr. Albert Wolkenberg Mag. Ignaz Zilz

Großbritannien Großbritannien Großbritannien London Großbritannien Großbritannien

unbekannt 1939 1939 unbekannt 1939 1938

Großbritannien Großbritannien Großbritannien Großbritannien London Großbritannien

1938 1938 1938 1939 unbekannt 1939

Ungefähr ein Fünftel der EmigrantInnen wanderte in südamerikanische Staaten aus. Die meisten von ihnen gingen nach Argentinien und Brasilien Mag. Ignaz Bauer

Argentinien/Buenos Aires

13 Dr. Arthur Freudenfeld kehrte Ende 1947/Anfang 1948 nach Wien zurück. 14 Mag.a Gertrude Saphir kehrte 1949 nach Wien zurück. 15 Camilla Eisler kehrte 1950 nach Wien zurück.

1939

239

Emigration und Exil

Marie Bressler Mag. Stefan Bressler Mag.a Bronislawa Friedmann Fritz Grünberg Heinz Haberfeld Kurt Haberfeld Mag. August Silberstein Clothilde Silberstein Dr. Lazar Wittner Mag. Nathan Zallik

Brasilien/Rio de Janeiro Brasilien/Rio de Janeiro Venezuela Bolivien Argentinen/Buenos Aires Argentinen/Buenos Aires Brasilien/S¼o Paulo Brasilien/S¼o Paulo Argentinien Kuba

1939 1939 1939 1939 1938 1938 1938 1938 1938 1941

Ungefähr zehn Prozent der zur Emigration aus Österreich genötigten jüdischen PharmazeutInnen gingen nach Palästina, vor allem nach Tel Aviv. Eva Becker Gabriele Becker Mag. Max Danzer Mag. Isidor Gross Mag. Ignaz Großberg Betty Püringer Mag. Wilhelm Szapu16 Gisela Weiss

Palästina Palästina Palästina/ Tel Aviv Palästina/ Tel Aviv Palästina/ Tel Aviv Palästina/ Tel Aviv Palästina Palästina/ Tel Aviv

unbekannt unbekannt 1938 1938 1938 unbekannt 1939 unbekannt

Auch die Möglichkeit nach Shanghai zu emigrieren, wurde von österreichischen jüdischen PharmazeutInnen genutzt, um der Verfolgung in Österreich zu entgehen. Mag. Richard Adelstein17 Dr. Minna Huppert Mag. Simon Keitsch Mag. Chaim Wilhelm König Georg Kris Helene Kris Stefan Kris Mag. Elias Rosenberg

Shanghai Shanghai Shanghai Shanghai

1939 1939 1939 1940

Shanghai Shanghai Shanghai Shanghai

1938 1938 1938 1939

Eine weitere Destination für österreichische EmigrantInnen aus der jüdischen Apothekerschaft stellte Australien dar. Mag. Walter Czuczka Dr. Paul Hirsch

Australien Australien

16 Mag. Wilhelm Szapu kehrte 1948 nach Wien zurück. 17 Mag. Richard Adelstein kehrte nach dem Krieg nach Wien zurück.

1938 unbekannt

240 Adolf Landesberg Margarethe Landesberg Dr. Hans Spitzer Cornelia Spörr18 Mag. Martin Spörr

Nach der Enteignung

Australien Australien

1938 1938

Australien Australien Australien

1938 1939 1939

Der Rest der jüdischen EmigrantInnen aus der österreichischen Apothekerschaft verteilte sich auf europäische Länder, die meisten von ihnen flohen vor der NS-Herrschaft nach Italien und Jugoslawien. Dr. Maximilian Barber Anna Becker Fritz Becker Luise Beres Mag. Paul Fischer Dr. Georg Friedjung Hans Friedjung Heinrich Ferdinand Fuchs Karoline Fuchs Mag. Bronislav Herz Mag.a Malvine Kirschen19 Mag. Robert Kronstein Mag. Hanina Lehr Mag. Erich Peiser Sophie Pserhofer Mag. Eugen Schwarz Mag. Fritz Schwarz Kurt Schwarz Dr. Philipp Sobel

Belgien/Brüssel Italien/Rom Italien/Rom Belgien/Brüssel Jugoslawien/Zagreb Schweiz Italien/Rom Italien Italien Jugoslawien /Bosnien Ungarn Liechtenstein/Vaduz Schweiz Schweiz/Basel Jugoslawien/Opatija Jugoslawien Jugoslawien/Orohovice Jugoslawien Italien

1939 unbekannt unbekannt unbekannt 1938 1939 unbekannt 1939 unbekannt 1938 1940 1939 1938 unbekannt 1938 1939 1939 1939 1938

Mag. Julius Königsberg floh 1939 nach Frankreich, sein weiteres Schicksal ist unbekannt.

4.2. Deportation und Shoa Anfang des Jahres 1941 – noch vor dem Beginn eines allgemeinen, das gesamte ›Großdeutsche Reich‹ umfassenden Deportationsprogramms – wurden erste Deportationen österreichischer Juden und Jüdinnen von Wien aus in das ›Generalgouvernement‹ Polen durchgeführt. Die Initiative für diese Deportationen ging vom neuen Reichsstatthalter in der Ostmark, Baldur von Schirach, aus.20 Ungefähr 16 Prozent der jüdischen ApothekerInnen Österreichs wurden im Lauf 18 Mag. Martin Spörr und Cornelia Spörr kehrten 1949 nach Wien zurück. 19 Mag.a Malvine Kirschen kehrte nach 1945 nach Wien zurück. 20 Vgl. Freund u. Safrian, Vertreibung und Ermordung, 17.

Deportation und Shoa

241

der nächsten Jahre von den NationalsozialistInnen in diverse Lager verschleppt, die meisten der Deportierten überlebten die Shoa nicht.21

4.2.1. Lublin Zielorte der Deportationen in das ›Generalgouvernement‹ waren kleine Städte im Distrikt Lublin, in denen die ÖsterreicherInnen ›angesiedelt‹ werden sollten. Vom Sammellager Castellezgasse 35 in Wien-Leopoldstadt, wurden in fünf Transporten zwischen dem 15. Februar 1941 bis zum Abbruch der Aktion am 11. März 1941 über den Aspangbahnhof etwa 5.000 Juden und Jüdinnen nach Opole, Kielce, Modliborzyce, Łagûw und Opatûw verschickt.22 Wie bei ähnlichen vorangegangenen Aktionen waren keinerlei Vorbereitungen für die Aufnahme und Versorgung der im Winter Deportierten getroffen worden.23 Nicht winterfeste Unterkünfte und eine unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln führten zu einer hohen Sterblichkeitsrate unter den Verschleppten.24 Im zweiten Transport dieser Deportationswelle, der von Wien am 19. Februar 1941 Richtung Kielce abging, befanden sich Mag. Hermann Kahane und seine Frau Cippe Kahane. Im vierten Transport, der am 5. März 1941 Wien mit dem Zielort Modliborzyce verließ, befand sich Mag. Josef Rieber. Auf Grund von Transportproblemen, wahrscheinlich in Zusammenhang mit der Invasion Griechenlands und dem Angriff auf Jugoslawien,25 wurden diese Transporte im März 1941 wieder abgebrochen. Einigen wenigen der Deportierten gelang später die illegale Rückkehr nach Wien, der Großteil der Verschleppten wurde im Frühjahr und Sommer 1942 in Bełz˙ec, Sobibûr und Treblinka ermordet.26

4.2.2. Łódz´ (Litzmannstadt) Im Oktober 1941 ordnete das Reichssicherheitshauptamt die Deportation von 20.000 Juden und Jüdinnen aus dem ›Altreich‹, aus Österreich, aus dem ›Protektorat Böhmen und Mähren‹ und aus Luxemburg sowie von 5.000 Roma und 21 Zu den Schicksalen der von der nationalsozialistischer Verfolgung betroffenen PharmazeutInnen siehe auch Kapitel 5. ›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Fallbeschreibungen. Dort finden sich auch die hier weggelassenen Anmerkungen. 22 Vgl. Moser, Die Judenverfolgung, 287. 23 Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 287. 24 Vgl. Freund u. Safrian, Vertreibung und Ermordung, 21. 25 Vgl. Moser, Die Judenverfolgung, 24. 26 Vgl. Freund u. Safrian, Vertreibung und Ermordung, 19 ff.

242

Nach der Enteignung

Sinti aus dem Burgenland in das Getto Łûdz´ an.27 Der Israelitischen Kultusgemeinde Wien wurde daher am 30. September 1941 mitgeteilt, dass zwischen dem 15. Oktober 1941 und dem 3. November 1941 fünf Transporte mit je etwa 1.000 Personen von Wien abgehen sollten.28 In den Monaten vor den Oktober-Deportationen war die Konzentration der Juden innerhalb der Stadt forciert worden, bis annähernd 90 Prozent der jüdischen Bevölkerung in drei »jüdischen Wohnbezirken« zusammengefaßt waren, den Bezirken II, IX und XX. Mit der Einführung der Sternverordnung verschärfte sich ihre exponierte und ungeschützte Lage weiter. […] Die Wiener Kultusgemeinde unterhielt eine Kartei ihrer Mitglieder, doch die Deportationslisten wurden von der Gestapo aufgestellt. Die Kultusgemeinde konnte in begründeten Fällen die eine oder andere Einzelperson »reklamieren«, mußte aber für Ersatz sorgen, damit das erforderliche Kontingent von jeweils 1000 Personen erfüllt wurde. […] Die Häuser, die als Sammelstelle dienten, waren relativ klein und, um den vorhandenen Raum optimal zu nutzen, unmöbliert. Das Warten in einem solchen Haus konnte Wochen dauern, bevor die Insassen – bei Tage, in offenen Lastwagen stehend, oftmals unter dem Gespött der Straße – zum nächstgelegenen Bahnhof gebracht wurden.29

Auch in diesen Transporten befanden sich österreichische PharmazeutInnen. Im ersten Zug dieser Deportationswelle befanden sich Mag. Josef Epstein, der am 10. Mai 1942 im Getto Łûdz´ ermordet wurde, und Stefanie Bartel, die Frau des ehemaligen Apothekers Salomon Bartel aus Deutsch-Wagram. Stefanie Bartel wurde am 28. April 1942 ebenfalls im Getto Łûdz´ ermordet. Mag. Heinrich Grünberg und seine Frau Paula Grünberg sowie Mag. Josef Kramer befanden sich im zweiten Zug, der Wien am 19. Oktober 1941 in Richtung Łûdz´ verließ. Sie haben die Shoa nicht überlebt, ihr Todesort ist unbekannt. Am 28. Oktober 1941 verließ der vierte Zug dieser Deportationswelle Wien Richtung Łûdz´. In diesem befanden sich Hedwig Friedjung, die später an einem unbekannten Ort ermordet wurde, und Dr. Karl Blaskopf. Er wurde am 7. April 1942 im Getto Łûdz´ ermordet. Viele der mit diesen Transporten Verschleppten galten auf Grund der furchtbaren Lebensbedingungen im Getto bald als arbeitsunfähig und wurden ab Jänner 1942 nach Chełmno (Kulmhof) weitertransportiert,30 wo sie zwischen dem 4. und dem 15. Mai 1942 in Gaswägen ermordet wurden.31

27 28 29 30 31

Vgl. ebd., 21; Longerich, Politik der Vernichtung, 448 f. Vgl. Moser, Die Judenverfolgung , 28. Raul Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden, Bd 2., Frankfurt/Main 1999, 479 f. Vgl. Freund u. Safrian, Vertreibung und Ermordung, 22. Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 488.

Deportation und Shoa

243

4.2.3. Riga Nachdem Anfang Dezember 1941 die SS in Riga über 20.000 lettische Juden und Jüdinnen ermordet hatte, wurden die ab diesem Zeitpunkt aus dem ›Großdeutschen Reich‹ in das Baltikum deportierten Menschen in das leer gemordete Getto Riga sowie in umliegende Lager eingewiesen. Auch in diesem Getto war die Sterblichkeit unter den dorthin Verschleppten besonders infolge des harten Winters sehr hoch. Anfang Februar 1942 wurden im Getto ›Selektionen‹ durchgeführt und neben anderen Opfern ungefähr 400 vorwiegend ältere Personen aus Wien im Rumbula-Wald erschossen. Nach weiteren ›Selektionen‹ im März 1942, bei denen die SS ungefähr 4.000 Menschen ermordete, befanden sich ab dem Frühjahr 1942 ungefähr 10.000 Menschen im Getto Riga und in den umliegenden Lagern. Das Getto Riga wurde im Herbst 1943 aufgelöst, die arbeitsfähigen Gefangenen in das Konzentrationslager Kaiserwald überstellt. Die als nicht arbeitsfähig eingestuften BewohnerInnen des Gettos wurden ermordet.32 Im zweiten der Deportationszüge in das Baltikum, der am 11. Jänner 1941 von Wien abging, befanden sich Mag. Ludwig Dub und seine Frau Irma Dub. Sie wurden in das Getto Riga deportiert und dort ermordet. Der Zeitpunkt ihres Todes ist nicht bekannt, wahrscheinlich wurden sie im Februar 1942 ermordet.

4.2.4. Izbica und Sobibór Zwischen Mitte März und Mitte Juni 1942 fand eine weitere Welle an Deportationen aus dem ›Altreich‹, aus Wien sowie aus dem Lager Terez†n (Theresienstadt), das auch als Sammellager fungierte, statt. Ziele dieser Transporte waren, wie schon im Februar und März 1941, Gettos im Distrikt Lublin, wie zum Beispiel das Getto in Izbica, deren ursprüngliche BewohnerInnen kurz vor der Ankunft der verschleppten Juden und Jüdinnen in das Vernichtungslager Bełz˙ec gebracht worden waren. Diese Deportationszüge hielten meist in Lublin, wo die arbeitsfähigen Männer aus den Waggons geholt und in das Lager Majdanek gebracht wurden.33 Aus Wien gingen im Zuge dieser Deportationen vom 9. April 1942 bis zum 14. Juni 1942 insgesamt sechs Transporte mit je etwa 1.000 Personen ab, die meisten nach Izbica.34 Die Menschen dieser Transporte wurden im Sommer und Herbst 1942 in Bełz˙ec und Sobibûr vergast oder im Konzentrati-

32 Vgl. Freund u. Safrian, Vertreibung und Ermordung, 24 f. 33 Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 484. 34 Vgl. ebd., 486.

244

Nach der Enteignung

onslager Majdanek durch Sklavenarbeit, Misshandlungen oder Unterernährung zu Tode gebracht.35 Helene Beres, die Witwe des 1939 verstorbenen Apothekers Mag. Ephraim David Beres aus Wien-Ottakring, und ihr Sohn Kurt Beres wurden am 12. Mai 1942 mit dem dritten Zug, der aus Wien abging, nach Izbica deportiert und an einem unbekannten Ort ermordet. Auch der sechste Zug, der am 14. Juni 1942 Wien verließ und in dem sich Mag.a Paula Holub befand, hatte die Destination Izbica. Dieser Zug wurde allerdings direkt in das Vernichtungslager Sobibûr umgeleitet,36 wo Mag.a Paula Holub in den Gaskammern ermordet wurde. Der Tag ihres Todes ist unbekannt. Das Muster dieser Deportationen entsprach mit der Ausnahme des Zuges vom 14. Juni 1942 dem früherer Transporte. Die Lebensbedingungen in den Gettos führten zum elenden Tod der meisten Deportierten innerhalb weniger Monate. Wer nicht in den Gettos starb oder in Arbeitslagern zu Tode gebracht wurde, wurde in der Regel später in die Vernichtungslager deportiert und dort ermordet.

4.2.5. Minsk, Maly Trostinec Eine weitere Deportationswelle aus dem Reichsgebiet setzte im Mai 1942 ein. Die Destinationen der Transporte waren Minsk und das SS-Landgut Maly Trostinec. Minsk war schon im Herbst 1941 Ziel von Deportationen aus dem Reichsgebiet gewesen, die Transporte wurden allerdings am 30. November 1941 von Reichsführer SS und Reichsinnenminister Heinrich Himmler gestoppt.37 Mit der Wiederaufnahme der Transporte nach Minsk, die bis Oktober 1942 liefen,38 änderte sich der modus operandi der Vernichtung: Die Deportierten wurden nun nicht mehr in Gettos gesperrt, von wo sie später – falls sie die mörderischen Bedingungen überlebten – in Vernichtungslager verbracht wurden, sondern die Züge wurden in die Nähe des SS-Gutes Maly Trostinec weitergeleitet. Dort wurden die Verschleppten – bis auf einige wenige zur Zwangsarbeit auf dem Gut ausgewählte Personen – auf der Stelle erschossen beziehungsweise in Gaswägen ermordet.39 Im ersten dieser Züge, die von Wien nach Maly Trostinec abgingen, befanden sich Dr. Norbert Silber und seine Frau Hilde Silber, Mag. Josef Kelhoffer und Luise Axelrad. Sie wurden alle bei ihrer Ankunft in Maly Trostinec am 11. Mai 35 36 37 38 39

Vgl. Florian u. Safrian, Vertreibung und Ermordung, 33. Vgl. Safrian, Eichmann,179. Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 464. Vgl. Freund u. Safrian, Vertreibung und Ermordung, 24. Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 487 f.; Freund u. Safrian, Vertreibung und Ermordung, 26.

Deportation und Shoa

245

1942 von der SS ermordet. Im zweiten Zug, der Wien am 20. Mai 1942 in Richtung Minsk verließ, befanden sich Mag. Isidor Senz und seine Frau Maria Felicia Senz. Auch sie wurden nach ihrer Ankunft am 26. Mai 1942 in Maly Trostinec sofort ermordet. Im vorletzten Zug dieser Deportationswelle am 14. September 1942 von Wien nach Minsk befanden sich Mag. Wanda Rosen und ihre Schwester Erika Rosen sowie Max Eisner und seine Frau Irma Eisner. Sie alle wurden nach ihrer Ankunft in Maly Trostinec am 18. September 1942 von der SS ermordet.

4.2.6. Terezín (Theresienstadt) Im Juni 1942 begannen die Deportationen der Personen, die von den ›Osttransporten‹ aus verschiedenen Gründen ausgenommen gewesen waren. Sie führten in das so genannte ›Altersgetto‹ Terez†n, das von der SS als eine Art Vorzeigelager eingerichtet worden war, um menschliches Vorgehen der SS gegenüber Juden und Jüdinnen zu simulieren. Neben seiner Funktion als ›Altersgetto‹ diente Terez†n bereits seit November 1941 vor allem als Durchgangslager für die aus dem ›Protektorat Böhmen und Mähren‹ deportierten etwa 74.000 Juden und Jüdinnen.40 Auch für viele der ÖsterreicherInnen, die in insgesamt dreizehn Großtransporten im Sommer und Herbst 1942 von Wien nach Terez†n deportiert wurden, war das Lager nur eine Zwischenstation zu den Vernichtungslagern im Osten.41 Mag. Hermann Selzer wurde am 21. Juni 1942 nach Terez†n deportiert. Er wurde am 19. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka gebracht und dort ermordet. Mag. Martin Sobel wurde am 29. Juni 1942 nach Terez†n deportiert. Ort und Zeitpunkt seines Todes sind unbekannt, er wurde 1945 für tot erklärt. Am 15. Juli 1942 wurde Mag. Isaak Schatz von Wien nach Terez†n und am 21. September 1942 von dort weiter nach Treblinka verbracht und ermordet. Mag. Adalbert Glaser wurde am 29. Juli nach Terez†n deportiert, wo er am 27. September 1942 an den Folgen der Lebensumstände im Getto verstarb. Am 24. September 1942 wurde Hilde Axelrad von Wien nach Terez†n verschleppt. Auch sie überlebte nicht und verstarb am 7. Dezember 1942 im Getto Terez†n.

40 Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 488. 41 Vgl. Freund u. Safrian, Vertreibung und Ermordung, 36.

246

Nach der Enteignung

4.2.7. Auschwitz-Birkenau Nur ein Transport aus Wien mit 1.000 Opfern wurde im Juli 1942 direkt in das 1941 gebaute Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gelenkt. Dieser Transport, der Wien am 17. Juli 1942 verließ, hatte als ursprüngliche Destination Terez†n (Theresienstadt), wurde aber umgeleitet.42 Mit diesem Transport wurde Olga Zavaros aus Wien deportiert und bei ihrer Ankunft in Auschwitz-Birkenau am 19. Juli 1942 ermordet. Zwischen März 1943 und Oktober 1944 wurden von der Geheimen Staatspolizei in mehreren Kleintransporten ungefähr 350 ÖsterreicherInnen von Wien nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Einer von ihnen war Mag. Julian Alesky. Er wurde am 25. Dezember 1943 in Auschwitz ermordet.

4.2.8. Andere Deportationen Viele der österreichischen Juden und Jüdinnen, die schon früher in die Fänge von Gestapo und NSDAP geraten und in eines der Konzentrationslager eingewiesen worden waren, wurden später ebenfalls in die Vernichtungslager im Osten deportiert und dort ermordet. So wurde Mag. Heinrich Semis schon im Sommer 1938 von den NationalsozialistInnen verhaftet und im Konzentrationslager Dachau interniert. Im Herbst 1938 wurde er in das Konzentrationslager Buchenwald überstellt und später in ein Lager in Polen deportiert. Er hat die Shoa nicht überlebt. Viele österreichische Juden und Jüdinnen wurden nach ihrer geglückten Flucht aus Österreich in anderen europäischen Ländern festgenommen und anschließend in die nationalsozialistischen Vernichtungslager deportiert. So konnten sich Mag. Eugen Löwy sowie Mag. Leiser Steiner und seine Frau Rosa Steiner nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Österreich vorerst nach Frankreich in Sicherheit bringen. Sie alle wurden später in Frankreich festgenommen. Mag. Eugen Löwy wurde im Lager Pithiviers inhaftiert. Von dort wurde er am 17. Juli 1942 nach Auschwitz deportiert. Der Tag seines Todes ist unbekannt, er wurde 1945 für tot erklärt. Mag. Leiser Steiner und seine Frau Rosa Steiner wurden in das Lager Drancy gebracht. Mag. Leiser Steiner wurde von dort am 9. September 1942 und seine Frau Rosa Steiner am 6. November 1942 nach Auschwitz deportiert. Beide haben die Shoa nicht überlebt. Nach Italien konnte sich 1938 Mag. Otto Luka in Sicherheit bringen. Von dort wurde er aber später – Ort und Zeit seiner Deportation sind nicht bekannt – in ein Lager gebracht und ermordet. Ungarn als Destination ihrer Flucht wählten 1938 Mag. Julius Sugar und seine Frau Margarete Sugar. Beide wurden am 16. Juni 1944 von 42 Vgl. ebd., 35 f.

Deportation und Shoa

247

Györ nach Auschwitz deportiert und ermordet. Auch Mag. Eugen Hacker floh 1938 aus Österreich nach Ungarn. Er wurde später – Ort und Zeit seiner Deportation sind nicht bekannt – in ein Lager in Polen deportiert. Er hat die Shoa nicht überlebt. Jugoslawien als Fluchtziel wählte Mag. Siegmund Becker, er flüchtete nach dem ›Anschluss‹ mit seiner Familie aus Österreich nach Belgrad. Er wurde allerdings später in das von der kroatischen Ustascha geführte Konzentrationslager Jasenovac deportiert und dort im Frühjahr 1942 ermordet.

5.

Zusammenfassung und Interpretation

Die vorliegende Forschungsarbeit beschäftigt sich mit einem bis dato wenig beachteten Kapitel der österreichischen Zeitgeschichte, der ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken im Jahr 1938 und deren Rückstellung nach dem Ende des NS-Regimes. An Hand der Beschreibung der Vorgeschichte, der 1938 handelnden Personen und Institutionen sowie von Fallstudien zu den einzelnen Apothekenbetrieben wurde der Vorgang der nationalsozialistischen Enteignungsmaßnahmen im österreichischen Apothekenwesen beschrieben und seine innere Dynamik sichtbar gemacht. Wie in der Vorgeschichte zu den ›Arisierungen‹ im österreichischen Apothekenwesen dargestellt, folgte es eigenen Regeln, die es von anderen Branchen erheblich unterschied. So war das österreichische Apothekenwesen als integraler Bestandteil des Gesundheitswesens staatlicherseits stark reglementiert und überwacht. Für die Führung einer öffentlichen Apotheke war eine besondere behördliche Genehmigung, eine Konzession nötig, die hohe fachliche Kompetenz und langjährige Berufserfahrung erforderte. Bestehende Apotheken erfreuten sich eines Gebietsschutzes, das heißt, die Neugründung einer Apotheke war nur nach einer umfassenden Bedarfsprüfung möglich. Benachbarte schon bestehende Apotheken hatten umfangreiche Einspruchsrechte. Um EigentümerIn einer öffentlichen Apotheke zu werden, war vor 1938 ein hoher Kapitaleinsatz nötig, galt es doch Warenlager, Kundenstock und indirekt auch den erwähnten Gebietsschutz abzulösen. Die Vererbbarkeit von Realapotheken – sie konnten auf Rechnung der Witwe und der DeszendentInnen weitergeführt werden – und der so genannte »Flaschenhals der Konzessionsvergabe« – er bezeichnet das Phänomen, dass es vielen qualifizierten PharmazeutInnen zeitlebens nicht möglich war, sich selbstständig zu machen, da ihnen die dafür nötigen Mittel fehlten – waren systemimmanente Probleme der angestellten PharmazeutInnen, die sie jahrzehntelang vergeblich zu beheben versuchten. Aus dem Gegensatz von UnternehmerInnen und Angestellten resultierten Verteilungskonflikte, die 1938 auch über die ›Arisierungen‹ ausgetragen wurden.

250

Zusammenfassung und Interpretation

Die soziale Gruppe der österreichischen jüdischen ApothekerInnen war durchaus heterogen, die Größe ihrer Betriebe reichte von kleinen Landapotheken, die kaum genug Ertrag abwarfen, um davon leben zu können, bis zu innerstädtischen Apotheken mit angeschlossenem pharmazeutischem Großhandel und/oder semiindustrieller Arzneimittelproduktion. Bei gleicher akademischer Ausbildung befanden sie sich daher in sehr unterschiedlichen ökonomischen Situationen. Die Zahl der jüdischen PharmazeutInnen in Österreich wuchs im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhundert kontinuierlich und jüdische PharmazeutInnen hatten regen Anteil an der wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Entwicklung ihres Berufsstandes. Sie waren, kurz gesagt, aus dieser ›Berufsgemeinschaft‹ bis zum 12. März 1938 nicht wegzudenken. Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde allerdings eine absurde und rassistische Ideologie, deren oberstes Ziel die Vernichtung jüdischer Menschen darstellte, zum neuen Paradigma dieser ›Berufsgemeinschaft‹ und zur neuen Richtschnur politischen und täglichen Handelns. Die Umsetzung dieser Ideologie in konkrete politische Aktionen war nicht immer und nicht überall die gleiche. In der österreichischen Apothekerschaft wurde sie vor allem durch eine Vielzahl ›illegaler‹ NationalsozialistInnen begünstigt. Handlungsspielräume für EntscheidungsträgerInnen waren vom neuen Regime durchaus eingeplant und wurden unterschiedlich genützt. Im Falle der jüdischen PharmazeutInnen kam es denkbar schlecht. Als neue Machthaber etablierten sich antisemitische Bürokraten, deren oberstes Ziel die Schaffung eines ›judenreinen‹ Berufsstandes war. Sie entwickelten dafür schon vor dem ›Anschluss‹ ein ›Arisierungsmodell‹, das es ihnen ermöglichte, innerhalb nur eines halben Jahres ihre jüdischen BerufskollegInnen zu enteignen, sie zu BittstellerInnen vor einer schikanösen und unerbittlichen Bürokratie zu erniedrigen und sie letztlich aus dem Land zu vertreiben oder zu ermorden. Mit Rückendeckung durch übergeordnete Verwaltungsinstanzen und einer bürokratischen Maschine, in deren Handhabung sie ihren jüdischen Opfern durch beste Kontakte stets überlegen waren, brachten sie es zu Wege, innerhalb kürzester Zeit 90 österreichische Apotheken zu ›arisieren‹. Sie stießen dabei auf keine nennenswerte Gegenwehr, was den Schluss nahelegt, dass sie jedenfalls nicht gegen die Interessen der Mehrheit der ›arischen‹ österreichischen PharmazeutInnen gehandelt haben. Um eventuellen Widerstand im Keim zu ersticken und wahrscheinlich auch um Exempel zu statuieren, wurden einige der jüdischen Apotheker in das Konzentrationslager Dachau verschleppt und dort gezwungen, ihre Apothekenbetriebe zu veräußern. Dokumentiert ist diese Einschüchterungstaktik zum Beispiel für Mag. Simon

Zusammenfassung und Interpretation

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Keitsch, Eigentümer der Herbst-Apotheke in Wien-Ottakring und Mag. Hans Selzer, Eigentümer der Apotheke »Zum Erzengel Michael« in Wien-Döbling.1 Mit dem ›Anschluss‹ und mit dem Novemberpogrom 1938 mussten jüdische PharmazeutInnen Ausschreitungen über sich ergehen lassen, denen sie meist schutzlos ausgeliefert waren. Diese Erfahrungen brachten für viele jüdische PharmazeutInnen die Erkenntnis, das Land verlassen zu müssen, um wenigstens das Leben zu retten. Einfach umzusetzen war der Wunsch zu emigrieren allerdings nicht, die administrative Abwicklung der Emigration wurde durch bürokratische Schikanen der für die Auswanderungswilligen zuständigen NS-Behörden verzögert. Für viele der Enteigneten war es mit Beginn des Zweiten Weltkrieges im September 1939 zu spät, das Land zu verlassen. Sie fielen den 1941 beginnenden Deportationen zum Opfer. Wie schon festgestellt, waren die österreichischen Apotheken in den 1930er Jahren Betriebe mit sehr unterschiedlicher wirtschaftlicher Potenz. Ähnlich wie heute erwirtschafteten sie auch schon damals einen Gutteil ihres Umsatzes aus gewerblichen Artikeln und pharmazeutischen Nebenprodukten. Dazu kam, dass damals viele verschiedene Krankenkassen mit sehr differenten Kostenersätzen und auch PrivatpatientInnen ohne Krankenversicherung KundInnen der Apotheken waren. Viele der von den ÄrztInnen verschriebenen Rezepte wurden noch magistraliter, das heißt direkt in der Apotheke, hergestellt. Die Ertragslage einer Apotheke war daher auch stark abhängig von der Kaufkraft der Bevölkerung, an die sie lieferte. Generell kann gesagt werden: je urbaner und bürgerlicher die Umgebung in der sich die Apotheke befand, desto umsatzstärker der Betrieb. Aber auch Apotheken in dicht bevölkerten Wiener Arbeiterbezirken konnten beachtliche Umsätze erzielen. Apothekenbetriebe in den damals dünn besiedelten Wiener Umlandbezirken wiesen generell niedrigere Umsatzzahlen auf; am umsatzschwächsten waren Apotheken in strukturschwachen ländlichen Gebieten. Die zu ›arisierenden‹ Betriebe waren daher für die späteren ›AriseurInnen‹ unterschiedlich attraktiv. So bewegten sich die von Wiener Apotheken dokumentierten Umsätze des Jahres 1937 im Bereich von 18.920,– bis 290.334,– Reichsmark. Die Mehrheit der Wiener Apotheken wies in diesem Jahr einen Umsatz zwischen 50.000,– und 90.000,– Reichsmark auf. Anders als in anderen Branchen gab es bei den jüdischen Apothekenbetrieben nach dem ›Anschluss‹ keine ›wilden Arisierungen‹. Zwar sind einige Versuche diesbezüglich dokumentiert, die Akteure mussten sich aber schließlich den Anordnungen des kommissarischen Verwalters aller jüdischen Apotheken in der Ostmark, SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner fügen. Auch die in manchen Branchen durch die umfangreiche Liquidierung von Betrieben er1 Siehe hierzu Kapitel 4.1.15., Apotheke »Zum Erzengel Michael« sowie Kapitel 4.1.18., HerbstApotheke.

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Zusammenfassung und Interpretation

folgte »Flurbereinigung« in der Privatwirtschaft und somit auch Modernisierung blieb bei den österreichischen Apotheken aus. Da die österreichische Apothekerschaft schon vor dem ›Anschluss‹ staatlicherseits stark reglementiert war und mit ihrem gesetzlich verankerten Gebietsschutz keine »Wildwüchse« und zerstörerische Konkurrenzkämpfe vorhanden waren, wurde im Zuge der ›Arisierungen‹ keine Apotheke liquidiert. Die zentral gelenkte ›Arisierung‹ lässt auch darauf schließen, dass den neuen Machthabern an einem funktionierenden Gesundheitswesen – in diesem Fall einer reibungslosen Arzneimittelversorgung – viel gelegen war. Eine geregelte Entfernung jüdischer UnternehmerInnen und ArbeitnehmerInnen ohne gravierende Beeinträchtigung des normalen Geschäftsgangs dürfte gerade hier auch von propagandistischer Bedeutung gewesen sein. Neben der Tatsache, dass die NationalsozialistInnen in der österreichischen Pharmazeutenschaft schon vor dem Anschluss über detaillierte Pläne für die späteren ›Arisierungen‹ verfügten, ist die Geschwindigkeit der ›Arisierungen‹ im österreichischen Apothekenwesen auch aus der Entwicklung, die das Apothekenwesen im Deutschen Reich von 1933 bis 1938 nahm, erklärbar. Dort war Ende 1937 die vollständige Verdrängung von Juden und Jüdinnen aus der Pharmazie abgeschlossen. Ihnen war eine Beschäftigung als ApothekerIn generell verwehrt, sie wurden zu keinen pharmazeutischen Prüfungen mehr zugelassen, konnten keine Konzession für eine öffentliche Apotheke mehr erhalten und mussten, soweit sie EigentümerIn einer öffentlichen Apotheke waren, diese verpachten. Da davon ausgegangen werden kann, dass die österreichischen jüdischen PharmazeutInnen die politische und vor allem die facheinschlägige Entwicklung im Deutschen Reich mitverfolgten, war ihnen auch bewusst, was der ›Anschluss‹ Österreichs an das Deutsche Reich für sie persönlich bedeutete. Die Bereitschaft, nach dem 13. März 1938 die eigene Apotheke in Österreich zu veräußern, um das Land verlassen zu können, dürfte daher sehr ausgeprägt gewesen sein. Die Annahme, dass die österreichischen PharmazeutInnen über die antijüdischen Maßnahmen im Deutschen Reich informiert waren, erklärt auch das Selbstverständnis und die ungehemmte Vorgangsweise der ›AriseurInnen‹. War ihnen doch ebenfalls klar, dass die im Deutschen Reich geltenden Vorschriften in absehbarer Zeit auch in Österreich Geltung erlangen würden. Die rasche ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken nach dem ›Anschluss‹ – die meisten Eigentumsübertragungen erfolgten noch im Sommer 1938 – sowie der Umstand, dass kaum Anstrengungen unternommen wurden, sich der ›Arisierung‹ zu widersetzen, erscheinen in diesem Zusammenhang nachvollziehbar. Viele der jüdischen EigentümerInnen von Apotheken deuteten die Zeichen der Zeit richtig und versuchten nach dem ›Anschluss‹ – manche auch schon kurz zuvor – ihr Eigentum rasch zu verkaufen, um einer drohenden ›Arisierung‹ zuvorzukommen. Doch diese Art von Eigeninitiative wurde von den Architekten

Zusammenfassung und Interpretation

253

der zentralen ›Arisierung‹ nicht geduldet. Selbst in Fällen, wo die Verkaufsverhandlungen schon sehr früh einen Abschluss fanden – als Beispiel sei hier die Belvedere-Apotheke in Wien-Wieden genannt – wurden die getroffenen Vereinbarungen nach Intervention von Mag. Edwin Renner durch die Vermögensverkehrsstelle für die Verkäufer verschlechtert und mit dem System der Sperrkonten für die Verkäufer die freie Verfügbarkeit über den Kaufpreis aufgehoben. Die ›AriseurInnen‹ hingegen profitierten in den meisten Fällen von der Neuregelung der getroffenen Vereinbarungen durch die Vermögensverkehrsstelle. Für sie verminderte sich das aufzubringende Kapital, beziehungsweise wurde es ihnen durch Ratenzahlung ermöglicht, die ihnen vorgeschriebene ›Arisierungsauflage‹ aus den laufenden Erträgnissen des ›arisierten‹ Betriebes abzubezahlen. Als Geld- und Kreditinstitut fungierte bei den ›Arisierungen‹ im österreichischen Apothekenwesen die Pharmakred, das Geldinstitut des Pharmazeutischen Reichsverbandes, unter ihrem früheren Obmann und nunmehrigen kommissarischen Verwalter Mag. Franz Dittrich. Sie führte sowohl die Sperrkonten der zur Veräußerung ihrer Betriebe genötigten jüdischen EigentümerInnen, versorgte aber auch die ›AriseurInnen‹ mit dem für die Übernahme der Apotheken sowie für die Begleichung der ›Arisierungsauflage‹ nötigem Kapital. Die ›AriseurInnen‹ der österreichischen Apotheken wurden vom kommissarischen Verwalter aller jüdischen Apotheken in der Ostmark, SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner persönlich ausgewählt. Nachdem die illegalen Parteigenossen, SA-Kameraden und ›Alten Kämpfer der Partei‹ mit profitablen Wiener Apotheken versorgt waren, kamen auch weniger prominente ParteigenossInnen und MitläuferInnen zum Zug. Um bei den ›Arisierungen‹ berücksichtigt zu werden, war – abgesehen von den strammen Nationalsozialisten der ersten Reihe – der Nachweis der »politischen Unbedenklichkeit« beziehungsweise eine zur Schau gestellte Sympathie für den Nationalsozialismus nötig. Darüber hinaus mussten die ›ArisierungswerberInnen‹ auch über die nötige Kompetenz, das heißt, eine mehrjährige Berufserfahrung in leitender Position verfügen, um nach der ›Arisierung‹ auch die Konzession für die ›arisierte‹ Apotheke erhalten zu können. Anders als in anderen Branchen begünstigte dieses Kompetenzerfordernis die zentral gesteuerte ›Arisierung‹, da der Kreis der als ›ArisierungswerberInnen‹ in Betracht Kommenden doch recht überschaubar blieb. Konkurrenzsituationen unter den ›ArisierungswerberInnen‹ entstanden daher allenfalls in Bezug auf das zu ›arisierende‹ Objekt, das heißt, die mehr oder weniger hohe wirtschaftliche Attraktivität eines Apothekenbetriebes. Mit der umfassenden ›Arisierung‹ jüdischer Apotheken war erstmals seit Jahrzehnten auch der »Flaschenhals der Konzessionsvergabe« und somit die Möglichkeit, sich selbstständig zu machen – vor 1938 bedurfte es dafür sowohl

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Zusammenfassung und Interpretation

einer sich nicht oft bietenden günstigen Gelegenheit wie auch beträchtlicher finanzieller Mittel –, für viele angestellte PharmazeutInnen entschärft. Mit der ab März 1938 beginnenden Entlassungswelle, von der in Folge mehr als 200 angestellte jüdische PharmazeutInnen betroffen waren, entspannte sich ein bis dahin sehr angespannter Arbeitsmarkt und ließ den Obmann der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich Mag. Franz Dittrich in seinem Jahresbericht für 1938 und 1939 optimistisch in die Zukunft blicken. Dass unter diesen Verhältnissen aus den Reihen der ›arischen‹ österreichischen PharmazeutInnen keine Kritik an der ›Arisierungsaktion‹ formuliert wurde, geschweige denn Widerstand erwuchs, ist somit erklärbar. Hauptnutznießer der zentralisierten ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken war noch mehr als in anderen Branchen die Vermögensverkehrsstelle beziehungsweise das Deutsche Reich. Im Jänner 1939 bezifferte SA-Sturmbannführer Mag. Edwin Renner in einem Bericht an den Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich und Gauleiter von Wien Josef Bürckel das finanzielle Gesamtmaß der ›Arisierungsaktion‹ mit 3,876.820,– Reichsmark, wobei über die ›Arisierungsauflagen‹ dem Deutschen Reich rund 1,783.828,– Reichsmark zuflossen. Von den geflüchteten jüdischen PharmazeutInnen kam nach Ende der NSHerrschaft ungefähr ein Drittel wieder zurück nach Österreich, die meisten von ihnen zwischen 1947 und 1949. Ab 1947 erfolgte entweder eine Rückstellung der 1938 ›arisierten‹ Apotheken oder der entzogenen Gesellschaftsanteile an die ehemaligen EigentümerInnen beziehungsweise deren ErbInnen oder es wurden Vergleiche mit den ›AriseurInnen‹ geschlossen, in denen die RückstellungswerberInnen gegen eine Ausgleichszahlung auf ihre Rechte verzichteten. Die meisten dieser Rückstellungsverfahren wurden bald nach In-Krafttreten des Dritten Rückstellungsgesetzes vom 6. Februar 1947 geführt, da selbst bei bombenbeschädigten oder auch völlig zerstörten Betrieben die Konzession zur Führung einer Apotheke einen Wert darstellte. In Bezug auf die nach 1945 geführten Rückstellungsverfahren im österreichischen Apothekenwesen muss daher prinzipiell von der Rückstellung der Apotheke als wirtschaftlicher Unternehmung und der Wiedererlangung der Konzession – so bedurfte und bedarf auch heute noch der Betrieb einer öffentlichen Apotheke einer besonderen behördlichen Bewilligung, der Konzession – zum Betrieb desselben unterschieden werden. Für die Rückstellung des Betriebes war von den ehemaligen EigentümerInnen oder ihren RechtsnachfolgerInnen ein Verfahren nach dem Dritten Rückstellungsgesetz zu führen. Dieses regelte Rückstellungsansprüche in einem Zivilrechtsverfahren, es sah keine staatliche Einflussnahme auf die Verfahren vor. Für letzteres fanden sich auch keine Hinweise in den hier untersuchten Rückstellungsfällen. Es bedeutete aber auch, dass die RückstellungswerberInnen in

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diesem Verfahren auf sich gestellt waren, Unterstützung seitens staatlicher Behörden war nicht vorgesehen. Wurde das Unternehmen in diesem Verfahren nicht ohnehin rückgestellt, konnten Rückstellungsvergleiche sehr unterschiedlich ausfallen. Sie variierten je nach der juristischen und finanziellen Potenz der KontrahentInnen, nach veränderten Marktgegebenheiten – wurde der Betrieb durch Kriegseinwirkung beschädigt oder zerstört, wurde er geplündert – sowie nach der Interessenslage der RückstellungswerberInnen. Für die RückstellungswerberInnen stellte sich zuerst die Frage, ob sie über die Qualifikation verfügten wieder eine Konzession für den Betrieb zu erwirken oder zumindest entsprechende Kontakte in der Branche unterhielten, um mittels eines konzessionsberechtigten Pharmazeuten oder einer Pharmazeutin den Betrieb in Form einer Gesellschaft weiterzuführen oder ob sie diese Möglichkeiten nicht hatten. Weiter war der Inhalt eines Vergleichs auch davon abhängig, ob die ehemaligen EigentümerInnen selbst oder ihre ErbInnen die Rückstellung begehrten, ob sie sich vor Ort befanden oder im Exil, womit Länge und Dauer der Postwege sowie Einfluss auf und Kontrolle der eigenen Rechtsvertretung den Vergleich beeinflussen konnten. Weitere Probleme, mit denen sich RückstellungswerberInnen, die ihre Ansprüche aus dem Ausland geltend machen wollten, konfrontiert sahen, bestanden in eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten: Telefon- und Telegrafennetz funktionierten noch länger nicht störungsfrei, der Postverkehr war langwierig und eingeschränkt, die Einreise nach Österreich auf Grund der Besatzungssituation mit bürokratischen Hürden versehen und die Reise- und Aufenthaltskosten oft unerschwinglich. Es verwundert daher nicht, dass sich in den zu den Rückstellungsverfahren erhaltenen Dokumenten sehr oft Anträge auf Fristerstreckung zur Beibringung von Dokumenten wie zum Beispiel Vollmachten und Beglaubigungen finden. Viele Dokumente waren meist durch Flucht oder Deportation verlorengegangen, und die Beschaffung von Ersatz durch Botschaften und Konsulate war kostspielig und zeitaufwendig. Von diesen Schwierigkeiten abgesehen, konnte in Bezug auf die Dauer der Rückstellungsverfahren festgestellt werden, dass die meisten Verfahren schon bald nach In-Krafttreten des Dritten Rückstellungsgesetzes vom Februar 19472 initiiert und auch rasch entschieden wurden. Oft wurde später von RückstellungswerberInnen – und wird auch heute noch von deren RechtsnachfolgerInnen behauptet –, die damaligen Rückstellungsverfahren wären von den zuständigen Behörden verzögert worden. Es wird hier auf das allseits bekannte Diktum des damaligen Innenministers Oskar Helmer, er »wäre dafür, dass man

2 BGBl. 54/1947, Bundesgesetz vom 6. Februar 1947 über die Nichtigkeit von Vermögensentziehungen (Drittes Rückstellungsgesetz).

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Zusammenfassung und Interpretation

die Sache in die Länge zieht«,3 Bezug genommen. In den hier untersuchten 85 Rückstellungsverfahren konnte für diese Behauptung kein Beleg gefunden werden. Wohl gibt es einen Fall, die »Apotheke zum Schwan«, Wien-Innere Stadt, der eine ungewöhnlich lange Verfahrensdauer aufweist. Dies geschah aber nicht auf Grund einer Verzögerung durch eine Behörde oder die Rückstellungskommission, sondern auf Grund von Versäumnissen der Rechtsvertreter, sowohl jener der RückstellungswerberInnen als auch jener ihrer KontrahentInnen. Die RückstellungswerberInnen waren, obwohl ihnen das Dritte Rückstellungsgesetz gegenüber den ›AriseurInnen‹ doch eine günstige Position einräumte – so lag etwa die Beweislast bei den RückstellungsgegnerInnen –, letzteren gegenüber in mancher Hinsicht benachteiligt. Sie waren oft mit beträchtlichen Gegenforderungen der ›AriseurInnen‹ konfrontiert, die ihre materiellen Möglichkeiten überschritten. Auch kannten die ›AriseurInnen‹ die Gegebenheiten vor Ort, konnten ihre Verbindungen nutzen und waren somit de facto oft in der komfortableren Position. In Summe wurden in Österreich 64 der 90 ›arisierten‹ Apotheken oder ›arisierter‹ Anteilsrechte an ihre ehemaligen EigentümerInnen oder deren RechtsnachfolgerInnen zurückgestellt. In einem Fall wurde nach 1945 kein Rückstellungsbegehren eingebracht, da die Apotheke und die zugehörige Konzession im November 1938 an den ›arischen‹ Adoptivsohn übertragen worden waren.4 Ein Rückstellungsbegehren wurde von der Rückstellungskommission mit der Begründung abgewiesen, dass zwischen der vollständigen Zerstörung der Apotheke 1945 und ihrer Wiedereröffnung Ende 1952 fast acht Jahre vergangen wären und somit kein Zusammenhang zwischen dem ›arisierten‹ Unternehmen und der neu errichteten Apotheke bestehe.5 In elf Rückstellungsverfahren betreffend österreichische Apotheken wurden vor den Rückstellungskommissionen Vergleiche geschlossen, in denen die ehemaligen EigentümerInnen oder deren ErbInnen anstelle der Rückstellung des Betriebes eine Ausgleichszahlung der ›AriseurInnen‹ akzeptierten. Die Höhe der verhandelten Vergleichszahlungen war sehr unterschiedlich und reichte von 2.000,– Schilling im Jänner 1952 – was in etwa dem Anteil des Rückstellungswerbers an den Verfahrenskosten entsprach – bis zu 455.000,– Schilling in einem Verfahren, das im Dezember 1953 beendet wurde. Die Diskrepanz ist meines Erachtens dadurch zu erklären, dass die Apotheke im ersten Fall durch 3 Oskar Helmer in der Ministeratssitzung vom 9. November 1948. Zitiert nach: Robert Knight (Hg.), »Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen«. Wortprotokolle der österreichischen Bundesregierung von 1945 – 1952 über die Entschädigung der Juden, Frankfurt/Main 1988, 197. 4 Vgl. Kapitel 4.1.1. Wien, Innere Stadt, Apotheke »Zum heiligen Leopold« 5 Vgl. Kapitel 4.1.1. Wien, Innere Stadt, Schwedenapotheke.

Zusammenfassung und Interpretation

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Kriegseinwirkungen zerstört und geplündert war, sodass 1945 der Betrieb eingestellt werden musste. Weiter, dass das Rückstellungsverfahren durch den im Ausland befindlichen Erben des ehemaligen Eigentümers geführt wurde, der kein Interesse an einer Übernahme der Apotheke hatte. Im zweiten Fall überstand die Apotheke die Kriegsereignisse unbeschadet und auch das Rückstellungsverfahren wurde von einem ehemaligen Miteigentümer geführt, der über den potentiellen Wert des Betriebes gut informiert war. In acht Fällen wurden Anfang der 1960er-Jahre von den Sammelstellen Rückstellungsanträge wider die ›AriseurInnen‹ eingebracht. Die von den Sammelstellen initiierten Rückstellungsverfahren endeten – mit einer Ausnahme, in der die Apotheke direkt an die Sammelstelle A zurückgestellt und von dieser später verkauft wurde – in der Regel mit Ausgleichszahlungen der ›AriseurInnen‹ an die Sammelstellen. Auffallend sind in diesem Zusammenhang die hohen Vergleichzahlungen – sie reichen von 600.000,– Schilling im März 1963 bis 1,450.000,– Schilling im Juli 1960 –, die die Sammelstellen in den durch sie geführten Rückstellungsverfahren verhandelten. Eine Ursache dafür dürfte darin zu sehen sein, dass die Verfahren der Sammelstellen 15 Jahre nach Kriegsende geführt wurden, zu einer Zeit also, als die Kriegsdevastierungen beseitigt waren und normale wirtschaftliche Verhältnisse herrschten. Weiters stand mit den Sammelstellen den ›AriseurInnen‹ ein Gegner gegenüber, der dieselben, wenn nicht bessere Möglichkeiten hatte, seine Ansprüche in einem Rückstellungsverfahren durchzusetzen und ein langes, unter Umständen durch alle Instanzen geführtes Verfahren nicht scheute. So beschäftigten die Sammelstellen auf Rückstellungsfragen spezialisierte Juristen, unterhielten eine eigene Erhebungsabteilung und waren zu jeder Art von Akteneinsicht ermächtigt.6 Mitte der 1960er-Jahre war die Rückstellung der ›arisierten‹ Apotheken in Österreich im Wesentlichen abgeschlossen. Fünf Apotheken, drei davon in Wien und zwei in Niederösterreich, wurden nicht rückgestellt oder mit Anspruchsberechtigten verglichen.7 Der Grund für die nicht erfolgte Restitution dieser Apotheken lag zum einen darin, dass niemand einen Rückstellungsantrag diese Apotheken betreffend stellte. Zum anderen waren diese Betriebe zum Zeitpunkt ihrer ›Arisierung‹ relativ hoch verschuldet, so dass nach 1945 von Seiten des Bundesministeriums für soziale Verwaltung als Aufsichtsbehörde die Übernahme der Betriebsverbindlichkeiten durch die ›AriseurInnen‹ als ein angemessener Kaufpreis erachtet wurde. Auch die Sammelstellen stellten in diesen Fällen keine Rückstellungsansprüche. Ihnen erschien offensichtlich die Aussicht 6 Zu den Sammelstellen, ihrer Organisation und Vorgangsweise siehe insbesondere Margot Werner u. Michael Wladika, Die Tätigkeit der Sammelstellen, Wien 2004. 7 Vgl. hierzu die Kapitel 4.1.10 Wien-Favoriten, Löwen-Apotheke; 4.1.20 Wien-Floridsdorf, Apotheke Adelstein und Danubia-Apotheke; 4.2. Engel-Apotheke, Deutsch-Wagram und Apotheke »Zur heiligen Gertrud«, Gars am Kamp.

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Zusammenfassung und Interpretation

auf einen Prozesserfolg zu gering, stand doch zu befürchten, dass auch die Rückstellungskommission dem Argument der Überschuldung folgen könnte. Da somit für das Bundesministerium kein Vermögensentzug und somit keine missbräuchliche Bereicherung im Sinne des § 6 Kriegsverbrechergesetz vorlag, wurden seitens des Ministeriums auch keine weiteren Schritte gegen die ›AriseurInnen‹ unternommen. Erwähnenswert erscheint auch das Faktum, dass das Dritte Rückstellungsgesetz erst Anfang 1947 in Kraft trat und für frühe HeimkehrerInnen bedeutete, dass sie mehr als ein Jahr auf eine Möglichkeit, wieder zu ihrem Recht zu gelangen, warten mussten. Ein weiteres Problem für die Zurückgekehrten bestand darin, für die 1938 entzogene Apotheke einen öffentlichen Verwalter oder Verwalterin eigenen Vertrauens zu finden, da er oder sie anders als zum Beispiel in einem sonstigen Gewerbebetrieb über weit reichende Kompetenzen – im Besonderen über eine langjährige Praxis – verfügen musste, um eine Apotheke leiten zu können. Die Personaldecke dürfte hier in der unmittelbaren Nachkriegszeit, auch weil viele NS-Apotheker mit Berufsverbot belegt waren oder durch ein Volksgerichtsurteil ihres akademischen Titels und damit der Berechtigung zur Leitung einer Apotheke verlustig gegangen waren, sehr dünn gewesen sein. Einige der als öffentlicher Verwalter oder Verwalterin eingesetzten PharmazeutInnen wurden in kurzer Folge an mehreren Wirkungsstätten aktiv. Nach erfolgter Rückstellung ihrer Betriebe sahen sich die zurückgekehrten jüdischen ApothekerInnen mit einem weiteren Problem konfrontiert: Es war ihnen in der Mehrzahl während ihres Exils nicht möglich gewesen, ihren Beruf auszuüben, beziehungsweise wurde eine allfällige Berufspraxis in einer ausländischen Apotheke in Österreich nicht anerkannt. Dies hatte zur Folge, dass sie mangels inländischer Berufspraxis – das Apothekengesetz von 1907 schrieb für die Wiedererlangung der Berechtigung zum selbständigen Betrieb einer Apotheke eine fachliche Tätigkeit von einem Jahr vor – nun nicht mehr berechtigt waren, ihre Apotheken auch zu leiten, beziehungsweise die Konzession für den Betrieb wieder zu erlangen. Ein am 12. Dezember 1946 beschlossenes und bis Ende 1949 befristetes Gesetz sollte diesen Problemen Rechnung tragen. Es verkürzte die notwendige nachzuweisende Berufspraxis für remigrierte ApothekerInnen in Österreich auf ein halbes Jahr, die sie in der eigenen oder einer fremden Apotheke als angestellte PharmazeutInnen zu absolvieren hatten. Nicht bearbeitet wurde in meiner Forschung die Geschichte der, wenn auch nur in ersten Ansätzen, so doch schon vorhandenen, pharmazeutischen Industrie außerhalb der Apotheken und des Arzneimittelgroßhandels. Meine Forschung endet mit der Rückstellung der Apotheken der jüdischen PharmazeutInnen. Auf die Motive und Erfahrungen der RückkehrerInnen konnte nur in Ansätzen eingegangen werden, eine weitere Auseinandersetzung damit wäre lohnenswert. Auch auf das Schicksal der angestellten jüdischen Pharmazeu-

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tinnen nach dem März 1938 konnte hier nicht näher eingegangen werden, eine Lücke, die es ebenfalls noch zu füllen gilt. Dies trifft auch auf die Frage nach dem Verhältnis der jüdischen PharmazeutInnen zu ihren nichtjüdischen KollegInnen zu. Auch die Geschichte der österreichischen Pharmazie nach 1945 – die Aufarbeitung der NS-Zeit in der unmittelbaren Nachkriegszeit mittels einiger weniger Volksgerichtsprozesse, die prekäre Medikamentenversorgung, die Rolle der öffentlichen VerwalterInnen sowie der Komplex der Entnazifizierung im österreichischen Apothekenwesen – wäre eine Untersuchung wert. Ungeachtet dieser Forschungslücken, kann vorliegende Arbeit für sich in Anspruch nehmen die Frage nach Folgen und Konsequenzen von ›Arisierungen‹ und Rückstellungen für ein Segment der österreichischen Wirtschaft beantwortet zu haben.

6.

Anhang

Kurzbiografien von NS-Funktionären Soweit nicht anders vermerkt, entstammen die Angaben zu den persönlichen Daten der folgenden Kurzbiografien einem Artikel der Wiener Pharmazeutischen Wochenschrift vom 15. Oktober 1938, in dem die damaligen Funktionsträger unter dem Titel: »Die deutsche Apothekerschaft im Lande Österreich« vorgestellt wurden.1 Die Biografien der hier vorgestellten NS-Entscheidungsträger in der österreichischen Apothekerschaft erheben keinen Anspruch auf eine ausführliche Auseinandersetzung mit den genannten Personen. Sie sind im Sinne eines Einblicks in das soziale Netzwerk der damals handelnden Standesvertreter und als Ergänzung zur Geschichte der ›Arisierung‹ österreichischer Apotheken zu verstehen. Mag. Robert Bichler, SA-Obertruppführer, wurde am 4. August 1895 in Innsbruck geboren. Er absolvierte das Gymnasium in Feldkirch und studierte an der Universität Innsbruck Pharmazie. Ab 1915 nahm er am Ersten Weltkrieg teil. Er geriet in italienische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1919 entlassen wurde. Nach dem Krieg schloss er am 20. März 1920 sein Pharmaziestudium an der Universität Innsbruck ab und übernahm 1926 die väterliche Apotheke »Zur Triumphpforte« in Innsbruck.2 1938 war er Vertreter der Tiroler Apotheker im Österreichischen Apotheker-Verein und dort Mitglied des Präsidialrates sowie Delegierter des Gremialtages. Er war Ortsgruppenleiter der NSDAP und Führer der Tiroler NS-Apothekerschaft. Im Juni 1938 wurde Robert Bichler zum SAObertruppführer befördert und am 8. August 1938 zum Bezirksapothekerführer

1 Redaktion der Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Die deutsche Apothekerschaft im Lande Österreich, in: Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 42 (1938), 131 – 140. 2 Heute: Apotheke »Zur Triumphpforte«, Innsbruck, Leopoldstraße 12 – 14.

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Anhang

für den Bezirk Alpenland der Deutschen Apothekerschaft bestellt. Mag. Robert Bichler verstarb im Juli 1968 in Innsbruck.3 Mag. Franz Dittrich, SA-Obertruppführer, wurde am 12. Jänner 1889 in Batzdorf, Ostböhmen, geboren.4 Er absolvierte in Landskron5 das Gymnasium und schloss am 12. Juli 1912 das Pharmaziestudium an der deutschen Universität in Prag ab. Am Ersten Weltkrieg nahm er von 1914 bis 1918 in einem Infanterieregiment teil und wurde nach einer Verwundung bis Kriegsende in einem Lazarett als Apotheker eingesetzt. Dort arbeitete er mit dem späteren Reichstagsabgeordneten Mag. Walter Rentmeister zusammen. Mit Kriegsende und der Gründung der Tschechoslowakei ging Franz Dittrich nach Amstetten, wo er in der Apotheke »Zum guten Hirten«6 der Familie Mitterndorfer konditionierte. 1919 übersiedelte Franz Dittrich nach Wien und trat in die Apotheke des Wiener Allgemeinen Krankenhauses als angestellter Apotheker ein. 1920 wurde er Präsident des Pharmazeutischen Reichsverbandes und blieb in dieser Funktion bis zur Auflösung des Reichsverbands im August 1938. 1924 wurde er auch Präsident der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich, gründete im selben Jahr die Pharmakred, deren Obmann er bis zur Fusion der Pharmakred mit der Apotheker-Zentralkasse im April 1944 blieb. Von 1928 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges leitete er als Obmann die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich. Der NSDAP trat Franz Dittrich im April 1932 bei und wurde nach dem Anschluss zum SA-Obertruppführer befördert. Während des Verbots der NSDAP in Österreich war er Mitglied der illegalen NSDAP-Landesleitung von Wien. Zu seinen Aufgaben gehörte die ›berufsständische Durchsetzung‹ der österreichischen Apothekerschaft mit Nationalsozialisten. Auf Grund seiner erfolgreichen illegalen Betätigung für die NSDAP wurde er nach dem ›Anschluss‹ am 28. März 1938 vom Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände zum kommissarischen Leiter aller österreichischen pharmazeutischen Standesorganisationen ernannt. Diese wurden am 8. August 1938 aufgelöst beziehungsweise der Deutschen Apothekerschaft eingegliedert. Im Juni 1938 ›arisierte‹ Franz Dittrich die Apotheke »Zum heiligen Leopold« in Wien-Währing und mit Etablierung der Deutschen Apothekerschaft in Österreich wurde Franz Dittrich am 8. August 1938 zum stellvertretenden Leiter 3 Pharmazeutische Presse, Nr. 26 (1938), 228; Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 34 (1938), 28; Kurt Ryslavy, Geschichte der Apotheken Nord-, Süd- und Osttirols, Wien 1991, 25 f. 4 Heute: Bartosˇovice v Orlicky´ch hor‚ch, Gemeinde im Bezirk Rychnov nad Kneˇzˇnou (Reichenau an der Knieschna), Ostböhmen, Tschechische Republik. 5 Heute: Lansˇkroun, Stadt im Bezirk ¢st† nad Orlic† (Wildenschwert), Ostböhmen, Tschechische Republik. 6 Heute: Stadt-Apotheke »Zum guten Hirten«, Hauptplatz 17 – 19, Amstetten.

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der Deutschen Apothekerschaft für den Bezirk Donauland ernannt. Im Jänner 1939 wurde er zum Obmann des Aufsichtsrats der Herba, Handelsaktiengesellschaft österreichischer Apotheker gewählt. Weiters war er von 1940 bis 1945 Mitglied im Beirat der Reichsapothekerkammer. Am 27. April 1946 wurde Mag. Franz Dittrich festgenommen und in das Landesgericht für Strafsachen Wien eingeliefert. Ihm wurden Delikte nach dem Verbots- und nach dem Kriegsverbrechergesetz vorgeworfen. Einem Ansuchen auf Haftentlassung wurde allerdings am 29. August 1946 stattgegeben und das Verfahren gegen ihn ohne Erhebung einer Anklage eingestellt. 1952 wurde Franz Dittrich wieder zum Obmann der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich – er blieb in dieser Funktion bis 1967 – und zum Präsidenten der im August 1947 gegründeten Österreichischen Apothekerkammer gewählt; diese Funktion übte er bis 1964 aus. Mag. Franz Dittrich verstarb 1977.7 Mag. Walter Geyer, wurde am 28. Oktober 1892 in Pula geboren. Er studierte Pharmazie an der Universität Graz und schloss sein Studium am 29. April 1919 ab. Ab 1927 war er für die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich tätig und von 1. August 1935 bis 1940 deren Generalsekretär. Mag. Walter Geyer verstarb am 8. März 1949.8 Mag. Julius Hartman, wurde am 7. November 1892 in Trautenau9 geboren und besuchte das Gymnasium in Troppau, Schlesien.10 Am Ersten Weltkrieg nahm er von Jänner 1915 bis Kriegsende teil. Am 1. September 1919 absolvierte er die pharmazeutische Vorprüfung in Troppau. Das darauf folgende Pharmaziestudium an der Universität Wien schloss Julius Hartmann am 28. Mai 1921 ab. Vom Februar 1932 bis zum 30. April 1954 arbeitete er als angestellter Apotheker in der Tiger-Apotheke, Wien-Alsergrund. Unterbrochen wurde seine Tätigkeit in der Tiger-Apotheke nur durch seinen Wehrdienst als Stabsapotheker in der Wehrmacht von 1939 bis 1944. Nach dem ›Anschluss‹ trat Julius Hartmann am 1. Mai 1938 der NSDAP bei. Von 1940 bis 1945 war Julius Hartman zusammen mit Mag. 7 Vgl. Kurtics, Franz Dittrich, 19; vgl. Otto Nowotny, Ein Jahrhundert österreichische Pharmazie I. Ereignisse & Systemfragen, in: ÖAZ 53 (1999), 840 – 843, 843; vgl. Kurt Ganzinger, »Austria docet«. Über einige Beiträge Österreichs zur Entwicklung der Pharmazie und des Apothekenwesens, in: Geschichte der Pharmazie, 43. Jg. (1991), Nr. 4, 49 – 54, 49; Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich (Hg.), 100 Jahre Gehaltskasse – 100 Jahre Zukunft. Festschrift, 179 u. 187; Pharmazeutische Presse, Nr. 26 (1938), 228; Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 34 (1938), 28; WStLA, Volksgericht Wien 1945 – 1966, Vg 11 Vr 2046/46, Franz Dittrich. 8 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z; Pharmazeutische Gehaltskasse, 100 Jahre, 184. 9 Heute: Trutnov, Bezirksstadt in Nordostböhmen, Tschechische Republik. 10 Heute: Opava, Bezirksstadt in Nordmähren, Tschechische Republik.

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Franz Dittrich für die Bezirksapothekerkammer Donauland Mitglied im Beirat der Reichsapothekerkammer. Vom 16. Oktober 1954 bis zu seinem Ableben am 8. Jänner 1956 in Wien war Julius Hartmann bei der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich beschäftigt.11 Mag. August Jungschaffer, wurde am 28. August 1883 in Hirschbergen,12 Bezirk Krummau,13 Böhmen geboren. Nach der pharmazeutischen Vorprüfung in Troppau studierte er Pharmazie an der Universität Wien und schloss sein Studium 1910 ab. Bis 1919 war er Obmann der Landesgruppe Schlesien im Pharmazeutischen Reichsverband. Ab 1920 war er Mitglied im ersten Zentralausschuss der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich und im Ausschuss konditionierender Pharmazeuten in Wien sowie 2. Präsident des Pharmazeutischen Reichsverbands für Österreich. 1930 trat er der NSDAP in der Ortsgruppe Wien-Währing bei und war Mitglied im Sudetendeutschen Heimatbund und verschiedener anderer deutschnationaler Vereine. Wegen seiner Aktivitäten im Sinne der NSDAP – so war er als politischer Agitator in Wien und Kärnten und unter anderem 1932 als Organisationsleiter der Klagenfurter NSDAP tätig – wurde er 1934 für zwei Monate in Wöllersdorf interniert. Am 8. August 1938 wurde August Jungschaffer zum stellvertretenden Leiter der Deutschen Apothekerschaft für den Bezirk Alpenland ernannt.14 Dr. Hugo Jury, SS-Sturmbannführer und Gauleiter von Niederdonau, wurde am 13. Juli 1887 in Mährisch Rothmühl geboren.15 Hugo Jury studierte Medizin an der deutschen Universität in Prag, war dort Mitglied einer Burschenschaft und promovierte 1911 zum Doktor der Medizin. Während des Ersten Weltkrieges fungierte er als Leiter von Kriegsgefangenenlagern und war ab 1919 als Lungenfacharzt in St. Pölten, Niederösterreich, tätig. Der NSDAP trat er 1931 bei und war ab 1932 Fraktionsführer der Partei im St. Pöltener Gemeinderat. 1934 bis 1936 war er wegen seiner Parteizugehörigkeit im Anhaltelager Wöllersdorf interniert. Von 1936 bis 1938 war er stellvertretender Landesleiter der NSDAP in Österreich. Mit dem ›Anschluss‹ wurde er am 13. März 1938 zum Minister für soziale Verwaltung und im Mai 1938 zum Gauleiter und Landeshauptmann von Niederdonau ernannt. Vom 15. März 1940 bis Kriegsende war er Reichsstatt-

11 WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z; Krug, Wiener Apotheken; vgl. Schlick, Apotheken, 68 f; http://www.friedhoefewien.at (Okt. 2011). ˇ esky´ Krumlov, Südböhmen, Tschechische Republik. 12 Heute: Jelen† Vrchy, Ort im Bezirk C ˇ esky´ Krumlov, Bezirksstadt in Südböhmen, Tschechische Republik. 13 Heute: C 14 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 34 (1938), 28. 15 Heute: Moravsk‚ Radimeˇrˇ, Marktgemeinde im Bezirk Svitavy (Zwittau) in Ostböhmen, Tschechische Republik.

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halter von Niederdonau. Im Mai 1945 flüchtete Hugo Jury vor der Roten Armee nach Zwettl, Niederösterreich, wo er am 24. Mai 1945 Selbstmord verübte.16 Mag. Dr. Ludwig Kofler, wurde am 30. November 1891 in Dornbirn als Sohn des dortigen Apothekers Karl Kofler geboren. Er studierte Philosophie und Pharmazie an der Universität Wien, nahm am Ersten Weltkrieg teil und promovierte nach dem Krieg auch im Fach Medizin. Als 1925 an der Universität Innsbruck durch die Trennung der beiden Fächer Pharmakologie und Pharmakognosie das pharmakognostische Institut gegründet wurde, übernahm Ludwig Kofler 1926 die Leitung dieses Instituts sowie den neugeschaffenen Lehrstuhl für Pharmakognosie. Nach dem ›Anschluss‹ wurde er am 17. März 1938 anlässlich der Visite des Reichsapothekerführers Albert Schmierer in Österreich zum Obmann der neuinstallierten Akademie für pharmazeutische Fortbildung in Österreich ernannt. Von 1940 bis 1945 war Ludwig Kofler Mitglied des Beirats der Reichsapothekerkammer. Als Professor widmete sich Ludwig Kofler vorwiegend der mikroskopisch-mikrochemischen Untersuchung von natürlichen und synthetischen Arzneistoffen. Zu seinen Erfindungen zählen die bis heute in der Thermoanalyse verwendete Koflersche Heizbank und das Koflersche Thermomikroskop. Während seiner Zeit als Vorstand des Instituts für Pharmakognosie an der Universität Innsbruck veröffentlichte er zahlreiche Publikationen zur Untersuchung von Arzneistoffen mittels Thermomikromethoden. Nach dem 2. Weltkrieg musste Ludwig Kofler 1945 seine Lehrtätigkeit beenden. Mag. Dr. Ludwig Kofler verstarb am 23. August 1951 in Innsbruck.17 Mag. Richard Kurtics wurde am 10. September 1885 in Steinberg geboren. Er trat 1919 dem Pharmazeutischen Reichsverband für Österreich bei und wurde 1921 zu dessen Direktor bestellt. Er blieb in dieser Funktion bis zur Auflösung des Reichsverbandes durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände am 8. August 1938. In der Zwischenkriegszeit war er auch Hauptschriftleiter der Pharmazeutischen Presse und übernahm nach deren Einstellung im August 1938 auch im Nachfolgeorgan Wiener Pharmazeutische Wochenschrift die Schriftleitung. Nach der Wiedererrichtung des Pharmazeutischen Reichsverbandes für Österreich wurde er 1947 wieder zu dessen Direktor bestellt und blieb in dieser Funktion bis 1952. Ebenfalls 1947 übernahm Richard Kurtics die Schriftleitung der neu gegründeten Österreichischen ApothekerZeitung, offizielles Mitteilungsblatt der österreichischen Pharmazie. 1952 wurde 16 Alle Angaben nach Hermann Weiß (Hg.), Personenlexikon 1933 – 1945, Wien 2003. 17 Vgl. Universität Innsbruck, Entwicklung der Pharmakognosie an der Leopold-FranzensUniversität in Innsbruck, http://www.uibk.ac.at/pharmazie/pharmakognosie/geschichte_dittrichiana.html (Okt. 2011); vgl. Schlick, Apotheken, 68 f.; Pharmazeutische Presse, Nr. 13 (1938), 111 u. 117.

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Richard Kurtics in den Vorstand der Österreichischen Apothekerkammer und zum Obmann der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich gewählt. Mag. Richard Kurtics verstarb am 31. März 1962 in Baden bei Wien.18 Mag. August Lang, NSDAP-Mitglied, wurde am 27. Juni 1884 in Schäßburg,19 im transleithanischen Siebenbürgen, geboren. Er studierte Pharmazie an der Universität Graz und schloss sein Studium am 20. Juli 1906 ab. Von Februar 1913 bis Oktober 1922 leitete er als Pächter die Stadt-Apotheke in Friesach, Kärnten. Im Oktober 1923 beteiligte er sich an der Hirschen-Apotheke in Graz, die er im August 1929 ganz übernahm.20 Am 8. August 1938 wurde August Lang zum stellvertretenden Leiter der Apothekerkammer Alpenland ernannt. Im Oktober 1949 übergab er die Leitung der Hirschen-Apotheke an seinen Sohn Manfred Lang. Mag. August Lang verstarb am 27. September 1954.21 Mag. Wolfgang Mitterdorfer, SA-Oberführer, Kreisleiter und Bürgermeister von Amstetten, wurde am 1. August 1897 als Sohn des Apothekers Wilhelm Mitterdorfer in Neulengbach bei Wien geboren. Er absolvierte das Gymnasium in Wels und nahm von 1915 bis 1918 als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teil. Nach Absolvierung seines Pharmaziestudiums an der Universität Wien übernahm er die väterliche Apotheke »Zum guten Hirten« in Amstetten.22 Von 1920 bis 1929 war er Leiter der antisemitischen Bewegung im Bezirk Amstetten und in diversen deutschnationalen Vereinen aktiv. 1929 wurde Wolfgang Mitterdorfer in den Gemeinderat der Stadt Amstetten gewählt und trat 1931 der NSDAP bei. Von 1932 bis zum ›Anschluss‹ fungierte er im Rang eines SA-Standartenführers als Kreisleiter der NSDAP im Bezirk Amstetten. Mit dem Verbot der NSDAP in Österreich im Juni 1933 wurde Wolfgang Mitterdorfer im Anhaltelager KaiserSteinbruch arretiert, wo er mit Dr. Ernst Kaltenbrunner und Ing. Anton Reinthaler einen Hungerstreik der dort inhaftierten Nationalsozialisten organisierte. Mit dem ›Anschluss‹ wurde er zum SA-Oberführer befördert und im Mai 1938 zum Bürgermeister von Amstetten ernannt. Wolfgang Mitterdorfer verstarb am 12. Mai 1945 in Gmunden, Oberösterreich.23

18 Vgl. Albert Ullmer, »Herr Direktor«. Die Direktoren des Pharmazeutischen Reichsverbandes für Österreich, in: ÖAZ Jubiläumsausgabe 1996, 39 – 43. 19 Heute: Sighis¸oara, Stadt im Kreis Mures¸ in Siebenbürgen, Rumänien. 20 Heute: Apotheke »Zum goldenen Hirschen«, Sporgasse 10, Graz. 21 Kurt Ryslavy, Geschichte der Apotheken Kärntens, Wien 1991, 17; Ryslavy, Steiermark, 92. 22 Heute: Stadt-Apotheke »Zum guten Hirten«, Hauptplatz 17 – 19, Amstetten. 23 Ryslavy, Niederösterreich, 12.

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Mag. Dr. Robert Paul wurde am 16. April 1873 in Janovicka, Böhmen, geboren.24 Schule und Lehrjahre als Apotheker absolvierte er in Leitomischl,25 das Studium der Pharmazie schloss er am 25. Juli 1893 an der Universität Wien ab. 1916 erwarb Robert Paul die 1908 begründete Urania-Apotheke in Wien.26 Von 1929 bis 1941 war er neben Mag. Franz Dittrich Obmann der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich. Mag. Dr. Robert Paul verstarb am 4. Dezember 1949 in Wien.27 Mag. Dr. Hans Portisch, SA-Truppführer, wurde am 19. November 1893 in Triebendorf, Nordmähren, geboren.28 Er absolvierte das Gymnasium in Olmütz29 und begann 1912 das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Am Ersten Weltkrieg nahm er von 1914 bis 1918 teil, wurde mehrfach ausgezeichnet und beendete nach dem Krieg sein Studium der Rechtswissenschaften. Ein 1919 aufgenommenes Studium der Pharmazie an der Universität Wien absolvierte er am 16. Juli 1920 und mit 1. April 1928 übernahm er von seinem Schwiegervater die Elisabeth-Apotheke in Wien-Simmering. In der Folge wurde Hans Portisch zum Vizepräsident des Österreichischen Apotheker-Vereins gewählt und zum Obmann der Versicherungsanstalt für Pharmazeuten bestellt. In letzterer Funktion verblieb er bis zur Auflösung der Versicherungsanstalt für Pharmazeuten im Dezember 1938. Nach dem ›Anschluss‹ wurde er zum SA-Obertruppführer befördert und zum geschäftsführenden Verwaltungsrat der Herba ernannt. Mag. Dr. Hans Portisch verstarb am 13. Oktober 1950 als Generaldirektor der Herba.30 Mag. Walter Rentmeister, SA-Obersturmbannführer und Mitglied des Reichstages, wurde am 3. Dezember 1894 in Feldbach, Steiermark, geboren. Die Mittelschule besuchte er in Klagenfurt und nahm ab 1914 als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teil. Gegen Kriegsende diente er als pharmazeutischer Assistent zusammen mit Mag. Franz Dittrich in einem Lazarett. Nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik absolvierte er am 28. April 1919 sein Pharmaziestudium an der deutschen Universität in Prag, ging dann als deutschnationaler Aktivist nach Klagenfurt und trat im Sommer des Jahres 1919 der NSDAP 24 Heute: Janovick‚ Lhota, Ort im Bezirk Kutn‚ Hora (Kuttenberg) in Mittelböhmen, Tschechische Republik. 25 Heute: Litomysˇl, Stadt im Bezirk Svitavy (Zwittau) in Ostböhmen, Tschechische Republik. 26 Heute: Urania-Apotheke, Subenring 2, Wien Innere Stadt. 27 Krug, Wiener Apotheken; WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. 28 Heute: Trˇebarˇov, Ort im Bezirk Svitavy (Zwittau) in Ostböhmen, Tschechische Republik. 29 Heute: Olomouc, Bezirksstadt in Nordmähren, Tschechische Republik. Damals neben Brünn (Brno) die zweite Hauptstadt Mährens. 30 Krug, Wiener Apotheken; WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z.

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bei. Im September 1919 gründete er eine Ortsgruppe der NSDAP in Klagenfurt, für die er 1922 in den Klagenfurter Gemeinderat gewählt wurde. Von 1923 bis 1925 war Walter Rentmeister Landesleiter der Kärntner NSDAP. 1926 übersiedelte er nach Wien, wo er bis Ende 1928 als erster Gauleiter der NSDAP für Wien tätig war. Von 1929 bis 1933 war er Kreisleiter für das Viertel unter dem Wiener Wald und das Nordburgenland, trat 1932 der SA bei und wurde am 21. Mai 1932 für die NSDAP in den niederösterreichischen Landtag gewählt. Er blieb Mandatar der NSDAP bis zum Verbot der Partei im Juni 1933. Mit Hilfe des Pharmazeutischen Reichsverbands für Österreich floh Walter Rentmeister nach dem Verbot der NSDAP in Österreich ins Deutsche Reich, wo er ab 1934 im Zentralbüro der Deutschen Arbeitsfront im Propagandaamt beschäftigt wurde. Mit dem ›Anschluss‹ kam Walter Rentmeister als SA-Obersturmbannführer nach Österreich zurück und wurde am 10. April 1938 als Vertreter Wiens zum Mitglied des deutschen Reichstages ernannt. Im Juli 1938 ›arisierte‹ Walter Rentmeister die Apotheke »Zur Mutter Gottes« in Wien-Favoriten, die er in Saarland-Apotheke umbenannte und deren Konzession er im Oktober 1938 erhielt.31 1941 meldete er sich freiwillig zur Deutschen Wehrmacht und wurde als Apotheker in einem Sanitätsdepot für das Afrikakorps der Wehrmacht in Neapel eingesetzt. Er kehrte 1943 nach Wien zurück und wurde Stadtrat. Auf Grund seiner 1934 erworbenen deutschen Staatsbürgerschaft wurde Walter Rentmeister 1945 nach Deutschland abgeschoben, kehrte aber 1947 wieder nach Wien zurück, wo er am 16. September 1948 vom Volksgericht Wien wegen Hochverrats, Quälerei und Misshandlung sowie Verletzung der Menschenwürde zu sechs Jahren schweren Kerkers verurteilt wurde. Einem Ansuchen um Haftentlassung vom 22. Dezember 1948 wurde stattgegeben und nachdem er noch mehrere Monate in sowjetischer Verwahrungshaft verbracht hatte, wurde Rentmeister am 15. Oktober 1949 aus der Haft entlassen. Nachdem er im Juli 1955 wieder eine Berufserlaubnis erhalten und 1957 die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hatte, eröffnete er im Jänner 1959 die Linden-Apotheke in Peggau, Steiermark. Walter Rentmeister verstarb am 3. Dezember 1964 in Peggau.32 Albert Schmierer, SA-Brigadeführer und Reichsapothekerführer, wurde am 28. November 1899 in Esslingen am Neckar geboren. 1917 absolvierte er das Gymnasium in Tübingen und nahm als Freiwilliger von Jänner bis Ende März 31 Heute: Apotheke »Zur Mutter Gottes«, Gudrunstraße 150, Wien-Favoriten. 32 Vgl. die Biografie von Walter Rentmeister auf den Seiten des Landtags von Niederösterreich, http://www.landtag-noe.at/service/politik/landtag/Abgeordnete/AbgR/Rentmeister.pdf (Okt 2011); Ryslavy, Steiermark, 191; WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/4, verstorbene Apotheker bis Geburtsjahr 1900; WStLA, Volksgericht Wien 1945 – 1966, Vg 12b Vr 3268/47, Walter Rentmeister.

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1918 am Ersten Weltkrieg teil. Am 1. Jänner 1919 begann er seine pharmazeutische Ausbildung und studierte von Herbst 1921 bis 1923 Pharmazie an der Universität Tübingen. Am 1. April 1926 übernahm er die Apotheke in Heldburg in Thüringen. Am 1. Juni 1930 trat Albert Schmierer der SA bei und erwarb im September 1930 die Löwen-Apotheke in Freudenstadt. Mit der nationalsozialistischen ›Gleichschaltung‹ des Apothekenwesens im Deutschen Reich wurde Albert Schmierer am 12. Oktober 1933 zum Leiter der Standesgemeinschaft Deutscher Apotheker und im Jänner 1935 zum Reichsapothekerführer ernannt. Mit der Gründung der Reichsapothekerkammer am 20. April 1937 wurde Albert Schmierer auch zu deren Leiter bestellt und im Jänner 1941 zum SA-Gruppenführer befördert. Im Jänner 1945 übernahm Albert Schmierer als Major die Führung eines Volkssturmbataillons und geriet am 6. Mai 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Er wurde später in ein britisches Gefangenenlager überstellt, wo er mit dem Aufbau einer Lagerapotheke betraut wurde. Albert Schmierer wurde, von der britischen Militärregierung als Minderbelasteter eingestuft, im Mai 1947 aus dem Internierungslager entlassen. Ab 1. Mai 1950 leitete er wieder die im Krieg zerstörte und zwischenzeitlich neu aufgebaute Löwen-Apotheke in Freudenstadt, die er 1960 an seine Söhne übergab. Albert Schmierer verstarb am 14. Juli 1974 in Freudenstadt.33 Mag. Franz Schweder, SA-Obertruppführer und Präsident des Österreichischen Apotheker-Vereins, wurde am 11. April 1890 in Wien geboren. Am 17. Juli 1913 schloss er sein Pharmaziestudium an der Universität Wien ab und diente im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 als Militärapotheker in einem Reservespital in Wien. Im Jänner 1921 übernahm er die väterliche Apotheke »Zur Mariahilf« in Wien-Simmering.34 Ab 1926 war Franz Schweder in der Leitung der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich sowie in der Versicherungsanstalt für Pharmazeuten tätig. In den folgenden Jahren wurde er auch zum Vorstandsmitglied und Aufsichtsrat der Apotheker-Zentralkasse und zum Verwaltungsrat der Herba bestellt. 1929 wurde Franz Schweder zum Präsidenten des Österreichischen Apotheker-Vereins gewählt, eine Funktion die er bis zur Auflösung des Apotheker-Vereins durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände am 8. August 1938 inne hatte. Mit der Auflösung der österreichischen pharmazeutischen Standesorganisationen im August 1938 wurde Mag. Franz Schweder zum Bezirksführer der Deutschen Apothekerschaft für den Bezirk Donauland sowie zum Leiter der Apothekerkammer Donauland ernannt. Da die Apotheke »Zur Mariahilf« 1945 beschädigt wurde, arbeitete er bis Ende 1949 als angestellter Apotheker in diversen Wiener Apotheken, bis er im April 1950 33 Alle Angaben nach Schlick, Apotheken, 419 – 441. 34 Heute: Apotheke »Zur Mariahilf«, Simmeringer Hauptstraße 76, Wien-Simmering.

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die wiedererrichtete Apotheke »Zur Mariahilf« übernehmen konnte. Mag. Franz Schweder verstarb am 1. Oktober 1965 in Wien.35

Quellenverzeichnis Gedruckte Quellen Bundesgesetzblatt 1945 – 2003 (http://www.ris.bka.gv.at/Bund/). Deutsches Reichsgesetzblatt, Teil 1 Inneres, 1922 – 1945 (http://alex.onb.ac.at/). Gesetzblatt für das Land Österreich 1938 – 1940 (http://alex.onb.ac.at/). Ministerial-Blatt des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Inneren, Berlin 1936 bis 1943. Mitteilungen des provisorischen Ausschusses der österreichischen Apotheker, 1946. Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich, Tätigkeits- und Rechenschaftsbericht des amtsführenden Obmannes der »Pharmazeutischen Gehaltskasse« Ph. Mr. Franz Dittrich über die Ausgestaltung und Gebarung der »Pharmazeutischen Gehaltskasse« im Jahre 1937, Wien 1938. Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich, Tätigkeits- und Rechenschaftsbericht des amtsführenden Obmannes der »Pharmazeutischen Gehaltskasse« Ph. Mr. Franz Dittrich über die Ausgestaltung und Gebarung der »Pharmazeutischen Gehaltskasse« in den Jahren 1938 und 1939, Wien 1940. Pharmazeutische Presse 1938. Politische Gesetze und Verordnungen 1792 – 1848 (http://alex.onb.ac.at/). Preußisches Ministerium des Inneren, Ministerialblatt für die Preußische Innere Verwaltung, Berlin 1933 bis 1935. Reichsgesetzblatt 1849 bis 1918 in deutscher Sprache (http://alex.onb.ac.at/). Reichsministerium des Inneren, Reichsministerialblatt. Zentralblatt für das Deutsche Reich, Berlin, 1933 bis 1945. Österreichische Apotheker Zeitung. Zeitschrift für die wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen der Pharmazie,1947 bis 1950. Österreichisches Staatsgesetzblatt 1945 (http://www.ris.bka.gv.at/Bund/). Theresianisches Gesetzbuch 1770 bis 1773 (http://alex.onb.ac.at/). Wiener Adreßbuch, Lehmanns Wohnungsanzeiger, Jg. 79 (1938), Bd. 1, Teil II, protokollierte Firmen und Bd. 1, Teil III, Branchenverzeichnis. Wiener Pharmazeutische Wochenschrift 1938 bis 1943. WStLA-Bibliothek, M 812/1, Das Handelsregister Wien zum Stichtag 28. Dezember 1949, Wien 1949.

35 Wiener Pharmazeutische Wochenschrift, Nr. 34 (1938), 28; WStLA, M.Abt. 212, Kartei K 2/3, verstorbene Apotheker A–Z.

Quellenverzeichnis

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Archivalien AdPhGK, Betriebsakten der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich. Handelsgericht Wien, protokollierte Firmen, Register HRA–Personengesellschaften. ÖStA, AdR E-uReang, Akten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (1940 – 1947). ÖStA, AdR E-uReang, Hilfsfonds (1955 – 1982), Rückstellungsakten der Sammelstellen A und B. ÖStA, AdR SAGuSp, Bundesministerium für soziale Verwaltung (1917 – 1940), 1938. ÖStA, AdR SAGuSp, Bundesministerium für soziale Verwaltung (1945 – 1996), Staatsamt für soziale Verwaltung 1945, Apothekerbelange. ÖStA, AdR SAGuSp, Bundesministerium für soziale Verwaltung (1945 – 1996), Sektion Volksgesundheit 1946 bis 1947, Apothekerbelange. ÖStA, AdR ZNsZ, Gaupersonalamt des Reichsgaues Wien (1938 – 1945), GA 5742, Mag. Edwin Renner. ÖStA, AdR ZNsZ, Ministerium für Innere und Kulturelle Angelegenheiten (1938 – 1940), 1938 und 1939. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (1938 – 1940), Arisierung von Apotheken in der Ostmark 1938 und 1939. ÖStA, AdR ZNsZ, Reichsstatthalter in Wien – staatliche Verwaltung des Reichsgaues Wien (1940 – 1945), Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich. WStLA, Bezirksgerichte (1850 – 20. Jh.), Verlassenschaftsabhandlungen aus den Jahren 1945 bis 1948. WStLA, Handelsgericht Wien (1863 – 20. Jh.), B 76, A–Register : offene Handelsgesellschaften 1906 – 1938. WStLA, Handelsgericht Wien (1863 – 20. Jh.), A47 HRA: Einzelkaufleute, OHG, KG, und juristische Personen (1939 – 1993), Registerakten der aufgelassenen Firmen. WStLA, LGZ Wien 1850 – 1978, A 29, Akten der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien. WStLA, LGZ Wien 1850 – 1978, B 13/1 – 3 Namensverzeichnisse der Rückstellungskommission 1955 – 1959 sowie B 14/1 Namensverzeichnisse der Rückstellungskommission 1960 – 1966. WStLA, M.Abt. 119 (1880 – 1965) A 41, Akten zur Vermögensentziehungs-Anmeldungsverordnung (VEAV). WStLA, M.Abt. 202, Personalakten 1973 – 1979, A 6/914, Edwin Renner. WStLA, M.Abt. 212 (1745 – 2004), Kartei K 2/2, ausgeschiedene Apotheker. WStLA, M.Abt. 212 (1745 – 2004), Kartei 2/3, verstorbene Apotheker A–Z. WStLA, M.Abt. 212 (1745 – 2004), Kartei K2/4, Apotheker, verstorbene Magister bis Geburtsjahr 1900. WStLA, NSDAP Wien (1932 – 1955), Gauamt für Volksgesundheit, Kartei des Gauamtes, Index: allgemein A–Z, 1942 bis 1950. WStLA, Volksgericht Wien 1946 – 1966, Verfahrensakten.

272

Anhang

Datenbanken und elektronische Informationsmittel Bundeskanzleramt, Rechtsinformationssystem RIS, http://www.ris.bka.gv.at. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Die österreichischen Opfer des Holocaust, CD-Rom Datenbank, Wien 2001. Israelitische Kultusgemeinde Wien, Friedhofsdatenbank, http://www.ikg-wien.at. Österreichische Nationalbibliothek, ALEX – Historische Rechts- und Gesetzestexte Online, http://alex.onb.ac.at. Stadt Wien, Friedhofsdatenbank, http://www.friedhoefewien.at. Wikipedia – Die freie Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org. Yad Vashem – The Holocaust Martyrs’ and Heroes’ Remembrance Authority, The Central Database of Shoah Victims’ Names, http://www.yadvashem.org.

Literatur Monografien und Sammelbände Uwe Dietrich Adam, Judenpolitik im Dritten Reich, Düsseldorf 1972. Avraham Barkai, Vom Boykott zur »Entjudung«. Der wirtschaftliche Existenzkampf der Juden im Dritten Reich 1933 – 1943, Frankfurt/Main 1988. Gabriele Beisswanger u. a., Frauen in der Pharmazie. Die Geschichte eines Frauenberufes, Stuttgart 2001. Gerhard Botz, Die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich. Planung und Verwirklichung des politisch-administrativen Anschlusses (1938 – 1940), Linz u. Wien 1972. Martin Broszat, Der Staat Hitlers, München 1969. John Bunzl, Der lange Arm der Erinnerung. Jüdisches Bewußtsein heute, Wien u. a. 1987. Felix Czeike, Geschichte der Wiener Apotheken. Stadtgeschichte im Spiegel eines Berufsstandes. Hg. von Helga Czeike u. a., Wien 2008. Angelika Shoshana Duizend Jensen, Jüdische Gemeinden, Vereine, Stiftungen und Fonds. »Arisierung« und Restitution, Wien 2004 (= Veröffentlichung der österreichischen Historikerkommission Nr. 21/2). Alfred Fehringer u. Leopold Kögler, Die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich und das österreichische Apothekenwesen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich (Hg.), 100 Jahre Gehaltskasse – 100 Jahre Zukunft. Festschrift, Bad Vöslau 2008, 111 – 144. Alfred Fehringer u. Leopold Kögler, Die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich von 1908 bis 1948 unter besonderer Berücksichtigung der ›Arisierung‹ und Rückstellung österreichischer Apotheken. Forschungsprojekt zum 100-jährigen Jubiläum der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich (http://www.gehaltskasse.at) Ulrike Felber, Peter Melichar, Markus Priller, Berthold Unfried und Fritz Weber, Ökonomie der Arisierung. Teil 1: Grundzüge, Akteure und Institutionen, Wien 2004 (= Veröffentlichung der österreichischen Historikerkommission Nr. 10/1). Florian Freund u. Hans Safrian, Vertreibung und Ermordung. Zum Schicksal der öster-

Literatur

273

reichischen Juden 1938 – 1945. Das Projekt »Namentliche Erfassung der österreichischen Holocaustopfer«, Wien 1993. Elisabeth Fritsch, Wie die Pharmazie ein Frauenberuf wurde. Materialien zu den in Wien ausgebildeten und berufstätigen Pharmazeutinnen mit Schwerpunkt 1905 bis 1945, Wien 2007. Gertraud Fuchs, Die Vermögensverkehrsstelle als Arisierungsbehörde jüdischer Betriebe, Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien, Wien 1989. Hugo Gold, Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden des Burgenlandes, Tel Aviv 1970. Heiko Haumann, Geschichte der Ostjuden, München 1998. Raul Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden, Frankfurt/Main 1999. (Original: The Destruction of the European Jews, Chicago 1961) Leopold Hochberger und Josef Noggler, Geschichte der Apotheken und des Apothekerwesens in Wien von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Band 2: Die Geschichte der Wiener Apotheken, Wien 1919. Leopold Hochberger, Geschichte der Apotheken und des Apothekenwesens in Wien. Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Band 3, Teil 2: Die Geschichte des Wiener Apotheker Hauptgremiums, Wien 1930. Michael John, Zur wirtschaftlichen Bedeutung des Judentums in Österreich 1848 – 1938, in: Liga der Freunde des Judentums (Hg.), Österreichisch-Jüdisches Geistes- und Kulturleben, Band 3, Wien 1990, 39 – 85. Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (Hg.), Pharma in Österreich. Probleme und Zielsetzungen einer modernen Heilmittelversorgung in Österreich, Wien 1979. Alois Kernbauer, Zwischen Zunft und Wissenschaft. Der österreichische Apotheker- und Pharmazeutenstand in der Krise. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1922, in: Walter Höflechner (Hg.), Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz, Band 14/ 2. Geschichte der pharmazeutischen Ausbildung in Österreich, Teil 2, Graz 1989. Robert Knight (Hg.), »Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen«. Wortprotokolle der österreichischen Bundesregierung von 1945 – 1952 über die Entschädigung der Juden, Frankfurt/Main 1988. Ernestine Krug, Die Wiener Apotheken im 20. Jahrhundert. Erarbeitet nach den Akten der Gehaltskasse der Österreichischen Apothekerkammer, Wien 1977. Dieter Kolonovits: Rechtsfragen der »Rückstellung« ausgewählter öffentlich-rechtlicher Ansprüche nach 1945. Rechtsfragen der »Rückstellung« von entzogenen Banken-, Apotheken- und Gewerbekonzessionen sowie der Reorganisation von Vereinen nach 1945, Wien 2004 (= Veröffentlichung der österreichischen Historikerkommission Nr. 32). Frank Leimkugel, Wege jüdischer Apotheker : Emanzipation, Emigration, Restitution; die Geschichte deutscher und österreichisch-ungarischer Pharmazeuten, Frankfurt/Main 1999. Albert Lichtblau, Integration, Vernichtungsversuch und Neubeginn. Österreichisch-jüdische Geschichte 1848 bis zur Gegenwart, in: Herwig Wolfram (Hg.), Österreichische Geschichte. Geschichte der Juden in Österreich, Wien 2006, 447 – 565. Christoph Lind, Juden in den habsburgischen Ländern 1670 – 1848, in: Herwig Wolfram (Hg.), Österreichische Geschichte. Geschichte der Juden in Österreich, Wien 2006, 339 – 446.

274

Anhang

Peter Longerich, Politik der Vernichtung. Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung, München u. Zürich 1998. Alexander Mejstrik, Therese Garstenauer, Peter Melichar, Alexander Prenninger, Christa Putz und Sigrid Wadauer, Berufsschädigungen in der nationalsozialistischen Neuordnung der Arbeit. Vom österreichischen Berufsleben 1934 zum völkischen Schaffen 1938 – 1940, Wien 2004 (= Veröffentlichung der österreichischen Historikerkommission Nr. 16). Jonny Moser, Die Judenverfolgung in Österreich 1938 – 1945, Wien 1966. Österreichische Historikerkommission, Schlussbericht der Historikerkommission der Republik Österreich, Wien u. München 2003. Verena Pawlowsky, Edith Leisch-Prost u. Christian Klösch, Vereine im Nationalsozialismus. Vermögensentzug durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände und Aspekte der Restitution in Österreich nach 1945, Wien 2004 (= Veröffentlichung der österreichischen Historikerkommission Nr. 21/1). Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich, Tätigkeits- und Rechenschaftsbericht des amtsführenden Obmannes der »Pharmazeutischen Gehaltskasse« Ph. Mr. Franz Dittrich über die Ausgestaltung und Gebarung der »Pharmazeutischen Gehaltskasse« im Jahre 1937, Wien 1938. Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich (Hg.), 100 Jahre Gehaltskasse – 100 Jahre Zukunft. Festschrift, Bad Vöslau 2008. Helfried Pfeifer (Hg.), Die Ostmark: Eingliederung und Neugestaltung; historisch-systematische Gesetzessammlung nach dem Stande vom 16. April 1941; mit Einführungen, Erläuterungen, Verweisungen und Schrifttumsangaben, Wien 1941. Kurt Ryslavy, Materialien zur Geschichte der Apotheken und Apotheker im Burgenland, Eisenstadt 1979. Kurt Ryslavy, Geschichte der Apotheken Oberösterreichs, Wien 1990. Kurt Ryslavy, Geschichte der Apotheken Kärntens, Wien 1991. Kurt Ryslavy, Materialien zur Geschichte der Apotheken und Apotheker Niederösterreichs, Wien 1991. Kurt Ryslavy, Geschichte der Apotheken Nord-, Süd- und Osttirols, Wien 1991 Kurt Ryslavy, Geschichte der Apotheken der Steiermark und der Untersteiermark bis nach dem Ersten Weltkrieg, Wien 1992. Hans Safrian, Eichmann und seine Gehilfen, Frankfurt/Main 1995. Caroline Schlick, Apotheken im totalitären Staat – Apothekenalltag in Deutschland von 1937 bis 1945, Stuttgart 2008 (= Fritz Kraft u. Christoph Friedrich (Hg.), Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie, Band 85). Gerald Schröder, NS-Pharmazie. Gleichschaltung des deutschen Apothekenwesens im Dritten Reich. Ursachen, Voraussetzungen, Theorien und Entwicklungen, Stuttgart 1988. Joseph Walk, Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat. Eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien – Inhalt und Bedeutung, Heidelberg u. Karlsruhe 1981. Tina Walzer u. Stephan Tempel, Unser Wien: »Arisierung« auf österreichisch, Berlin 2001. Margot Werner u. Michael Wladika, Die Tätigkeit der Sammelstellen, Wien 2004 (= Veröffentlichung der österreichischen Historikerkommission Nr. 28) Hermann Weiß (Hg.), Personenlexikon 1933 – 1945, Wien 2003. (Original: Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, Frankfurt/Main 1998)

Literatur

275

Otto Zekert, Apotheken-Gesetzeskunde, Wien 1948.

Zeitschriftenartikel Franz Dittrich, Rede in der 37. Delegiertenhauptversammlung des Pharmazeutischen Reichsverbandes für Österreich am 15. November 1947, in: ÖAZ Nr. 1 (1947), 186 – 188. Kurt Ganzinger, »Austria docet«. Über einige Beiträge Österreichs zur Entwicklung der Pharmazie und des Apothekenwesens, in: Geschichte der Pharmazie, 43. Jg. (1991), Nr. 4, 49 – 54. Richard Kurtics, Ph. Mr. Franz Dittrich. Zur Vollendung des 50. Lebensjahres, in: Wiener Pharmazeutische Wochenschrift Nr. 2 (1939), 18 – 19. Otto Nowotny, Von der Monarchie zur Republik, Teil 1, in: ÖAZ Nr. 49 (1995), 622 – 625. Otto Nowotny, Von der Monarchie zur Republik, Teil 2, in: ÖAZ Nr. 49 (1995), 708 – 714. Otto Nowotny, »Aus dem Dunkel«. Untergang und Wiedergeburt des Pharmazeutischen Reichsverbandes für Österreich 1938 und 1947, in: ÖAZ Jubiläumsausgabe 1996, 11 – 16. Otto Nowotny, 50 Jahre Österreichische Apothekerkammer, in: ÖAZ Nr. 51 (1997), 885 – 892. Otto Nowotny, Aufbruch in die Moderne. Das österreichische Apothekenwesen um 1900: Emanzipation, Druck und ein akademischer Beruf, in: ÖAZ Nr. 53 (1999), 606 – 611. Otto Nowotny, Von Materialisten und Grossisten. Die Anfänge des pharmazeutischen Großhandels in Österreich, in: ÖAZ Nr. 53 (1999), 792 – 798. Otto Nowotny, Ein Jahrhundert österreichische Pharmazie I. Ereignisse & Systemfragen, in: ÖAZ Nr. 53 (1999), 840 – 843. Otto Nowotny, Das pharmazeutische Vereinswesen Österreichs zwischen 1802 und 2000, Teil 1, in: ÖAZ Nr. 54 (2000), 410 – 415. Otto Nowotny, Zur Geschichte des pharmazeutischen Bankwesens in Österreich. Die Bankinstitute der Apotheker, in: ÖAZ Nr. 58 (2004), 1002 – 1003. Redaktion der Wiener Pharmazeutischen Wochenschrift, Die deutsche Apothekerschaft im Lande Österreich, in: Wiener Pharmazeutische Wochenschrift Nr. 42 (1938), 131 – 140. Redaktion der ÖAZ, Vierzig Jahre Apothekengesetz, in: ÖAZ Nr. 1 (1947), 34 – 35. Redaktion der ÖAZ, Bewertung der öffentlichen Apotheken im Jahre 1938, in: ÖAZ Nr. 1 (1947), 49 – 50. Redaktion der Pharmazeutischen Presse, Die Tagungen der Standesanstalten. 2. Vorstandssitzung der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich, in: Pharmazeutische Presse Nr. 26 (1938), 219 – 222, 219 f. Edwin Renner, Arisierung der Apotheken in der Ostmark, in: Pharmazeutische Wochenschrift Nr. 22 (1939), 326 – 328. Albert Ullmer, »Herr Direktor«. Die Direktoren des Pharmazeutischen Reichsverbandes für Österreich, in: ÖAZ Jubiläumsausgabe 1996, 39 – 43.

276

Anhang

Internetartikel Biografie von Henry Kolm, www.henrykolm.com (April 2008). Biografie von Walter Rentmeister auf den Seiten des Landtags von Niederösterreich, http://www.landtag-noe.at/service/politik/landtag/Abgeordnete/AbgR/Rentmeister.pdf. (Sept. 2011). Universität Innsbruck, Entwicklung der Pharmakognosie an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck, http://www.uibk.ac.at/pharmazie/pharmakognosie/geschichte_dittrichiana.html. (Sept. 2001).

Abkürzungen AdPhGK AdR Anm. BG BGBl. BM BMfF BMfI BMfsV BMfVuW DÖW DRGBl. I E- uReang FA FLD GBlÖ HJ LG LGZ M.Abt. Mr. ÖAZ ÖStA PhGk RA RGBl. SA SAGuSp SS StAfsV StGBl. VEAV

Archiv der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich Archiv der Republik Anmerkung Bezirksgericht Bundesgesetzblatt Bundesminister Bundesministerium für Finanzen Bundesministerium für Inneres Bundesministerium für soziale Verwaltung Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands Deutsches Reichsgesetzblatt, Teil 1 Inneres, 1922 – 1945 Entschädigungs- und Restitutionsangelegenheiten Finanzamt Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland Gesetzblatt für das Land Österreich 1938 – 1940 (Gesetz/Jahr) Hitlerjugend Landesgericht Landesgericht für Zivilrechtssachen Magistratsabteilung Magister Österreichische Apotheker Zeitung Österreichisches Staatsarchiv Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich Rechtsanwalt Reichsgesetzblatt 1849 – 1918 in deutscher Sprache Sturmabteilung Soziales, Arbeit, Gesundheit und Sport (1918 – 1996) Schutzstaffel Staatsamt für soziale Verwaltung Österreichisches Staatsgesetzblatt Vermögensentziehungs-Anmeldungsverordnung

Abkürzungen

WStLA ZNsZ

Wiener Stadt- und Landesarchiv Zivilakten der NS-Zeit (1938 – 1945)

277

Personenregister

Adelpoller, Juliane 163 Adelstein, Richard 208 f., 239 Ahl, Erna 106 – 108, 237 Ahl, Heinrich 105 f. Ahl, Helene 105 – 108, 237 Alesky, Julian 204 f., 246 Altschul, Friedrich 126 f. Asztalos (Hattwig-Asztalos), Gisela 109 f. Auerbach, Gertrud 131 Aufschnaiter, Maria 182 Aufschnaiter, Martin 181 f. Axelrad, Cäsar 156 Axelrad, Hilde 156 f., 245 Axelrad, Luise 156 f., 244 Axmann, Alfred 163 Barany, Frederik 110 f. Barber, Maximilian 185 f., 240 Barfuß, Alois 158 Bartel, Salomon 220, 242 Bartel, Stefanie 220 f., 242 Barth, Friedrich 200 Bartolschitz, Anton 129 Bauer, Ignaz 116 – 118, 177 f., 238 Bauer, Martha 208 f. Baumgarten, Cilli 127 Bäuml, Helene 201 Baur, Robert 109 Becker, Anna 146 f., 240 Becker, Eva 138, 239 Becker, Fritz 146 f., 240 Becker, Gabriele 136 – 138, 239 Becker, Julius 146

Becker, Siegmund 136 – 138, 247 Becker, Sigmund 146 Beischer, Hertha 153 Beres, Ephraim David 190 f., 244 Beres, Helene 191, 244 Beres, Kurt 191, 244 Beres (Gichner), Gerda 191, 238 Beres (Mammes), Luise 191, 240 Berger, Sigmund 228 f., 238 Bernhard, Wenzel 145 Bernhauer, Ernst 229 f. Berzl, Franz 175 f. Bibl, Eduard 201 Bichler, Robert 62, 137, 261 f. Biegl, Stephan 156 f. Biemann, Willibald 227 Binder, Helmut 212 Birnholz, Marco 174 f., 237 Bittner, Oskar 190 f. Bittner, Ottilie 191 Blabensteiner, Walter 135 Blaskopf, Hans 190 Blaskopf, Karl 189 f., 242 Blaskopf, Marianne 190 Bloch, Eduard 97 f. Böhm, Josef 176 Boltuch, Arthur 125 f. Boltuch, Hedwig 126 Brady, Hermann 111 Brady, Olga 111 f. Brauner, Hans 134 Bressler, Marie 151 f., 239 Bressler, Stefan 151 f., 239

280 Brinke, Adolf 219 Budischowsky, Hans 202 Bujas, Nikolaus 95 Bürckel, Josef 57 f., 65, 67 f., 75, 78 f., 185, 218, 254 Burger, Georg 114 f., 238 Burger, Hildegard 115 Cassel, Josef 185 f. Chmela, Karl 107 f. Citron, Anna 175 – 177, 237 Citron, David 175 Citron, Karl 237 Citron, Margarethe 175, 237 Clemens, Ernst 193 f. Czuczka, Walter 216 f., 239 Czurda, Franz 226 Danzer, Max 213 – 215, 239 Datz, Anton 113 f. Degenberger, Josef 228 f. Deml, Hedwig 188 f. Diehl, Erwin 108 – 111 Dittrich, Franz 27, 30, 57 – 59, 62 f., 66 f., 72, 79, 86, 199 f., 253 f., 262 – 264, 267 Doblhammer, Theodora 147, 170 Dorn, August 217 f. Doskar, Friedrich 183 Druschba, Friedrich 94 Dub, Irma 226, 243 Dub, Ludwig 225 f., 243 Dufek, Miro 228 Eberlin, Adelrich 234 Eder, Franz 144 Ehler, Adolf 219 f. Ehrlich, Josef 103 f. Ehrmann, Otto 146 f. Eibl, Klara 138 Eichinger, Karoline 95 Eigruber, August 66, 228 Eisler, Camilla 108 – 110, 238 Eisner, Irma 143, 245 Eisner, Max 142 – 144, 245 Englisch, Karl 197 Epstein, Camillo 131

Personenregister

Epstein, Josef

130 f., 242

Feigl, Edith 189 Figl, Leopold 119, 204 Fink, Rosa 230 Fischer, Paul 160 f., 240 Fischer, Senta 137 f. Fitz, Franz 134 Fizia, Max 68 Fleischmann, Egon 119 Foilt, Karl 126 Foldina, Franz 105 – 107, 114 Fontana, Hans 174 Franz I., Kaiser von Österreich 31 Franz Joseph I., Kaiser von Österreich 32 Freudenfeld, Arthur 199 f., 238 Friedjung, Georg 138 f., 240 Friedjung, Hans 138 – 140, 240 Friedjung, Hedwig 138 f., 242 Friedmann, Bronislawa 102 – 104, 239 Friedmann, Helene 209 f. Fuchs, Heinrich Ferdinand 144 f., 240 Fuchs, Karoline 144 f., 240 Fuchs, Siegmund Ferdinand 144 Geiger, Ernest 174 f. Gerhard, Eva 65 f., 145 Geyer, Walter 59, 263 Gingold, Isidor 120, 173 Girg, Alexander 141 Glaser, Adalbert 134 f., 245 Globocnik, Odilo 77 Goranin, Leopold 187 f., 238 Göring, Hermann 70 Götzendorfer, Peter 231 – 233 Gräser, Bruno 184 f. Greger, Anton 153 Grimus-Grimburg, Adolf 108 – 111 Großberg, Iganz 193 f., 239 Gross, Isidor 157 – 159, 239 Grötschel, Friedrich 216 f. Gruber, Anton 210 f. Gruber, Friedrich 123, 163 Grünberg, Alexander Thomas 141 Grünberg, Friederike 141 Grünberg, Fritz 140 f., 239

Personenregister

Grünberg, Heinrich 140 f., 242 Grünberg, Paula 141, 242 Gutwenger, Josef 78, 137 Haala, Günther 201 Haberfeld, Heinz 219 f., 239 Haberfeld, Kurt 219, 239 Hackenberg, Stefanie 205 – 207 Hacker, Eugen 154 f., 247 Hacker, Samuel 155 f. Hainisch, Marianne 15 Hambek, August 187 Handl, Josefa 157 Hannl, Josef 131 Hanusch, Ferdinand 28 Hartman, Julius 62, 263 f. Harwald, Richard 181 Heger, Franz 149 Helfrich, Josef 137 Hellmann, Leo 164 – 166 Helmer, Oskar 255 Hentschel, Robert 199 Herschel, Friedrich 75, 224 Hertzka, Pauline 144 Herz, Bronislaw 119, 202 – 204, 240 Hiess, Karl 206 f. Hildebrand, Leonhard 230 f., 238 Himmler, Heinrich 244 Hindenburg, Paul von 43 Hirsch, Paul 118 f., 239 Hitler, Adolf 48, 66, 94 Hlas, Gustav 114, 116 Hofer, Franz 66, 68 Hoffmann, Albert 57, 101, 103 Holub, Franz 223 Holub, Paula 223 f., 244 Holzinger, Josef 191 Hopfer, Angela 140 f. Höss, Franz 190 f. Huber, Rudolf 174 Hufeisen, Edith 183 Hugh-Bloch, Georg 98 Hummer, Manfred 199 Huppert, Minna 124, 239 Jäckl, Hugo

68

281 Jaksch, Otto 142 – 144 Joseph II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 31 Juffmann, Karl 122 f. Jungschaffer, August 62, 234, 264 Jury, Hugo 66, 71, 86, 264 f. Kahane, Cippe 207 f., 241 Kahane, Hermann 207 f., 241 Kahl (Datz), Frieda 113 Kainzmayer, Viktor 147 Kaiser, Aladar 231 Kaltenbrunner, Ernst 266 Kampitsch, Anna 216 Kanicky, Ernst 159 f. Kaurek, Richard 160 f. Kautz, Margarethe 186 Keitsch, Simon 191 – 193, 239, 251 Kelhoffer, Josef 212 f., 244 Khünl-Brady, Walter 111 f. Kienast, Elfriede 202 Kirschbaum, Friedrich 165 f. Kirschen, Malvine 116, 119, 177 – 180, 240 Kitay, Helene 157 Klein, Franz 127 f., 238 Kless, Maria 132, 179 Klotz, Robert 168, 213 Knotek, Robert 106 f. Koch, Wilhem 124 Kofler, Karl 265 Kofler, Ludwig 62, 265 Kögel, Jakob 226 Kohberger, Josef 192 Kolm, Richard 96 f., 238 Konetschny, Emma 144 König, Chaim Wilhelm 217 f., 239 Königsberg, Julius 156, 240 Korber, Walfriede 184 Kostiuk, Julian 227 Koziel, Klemens 164 Kramer, Grete 143 Kramer, Josef 142 – 144, 242 Kreider, Jakob 160 f., 238 Kretschmer, Rudolf 114 – 116 Kreuter, Raimund 74

282 Kris, Anna 94 – 96 Kris, Georg 93 – 95, 239 Kris, Gisela 95 f. Kris, Helene 93 – 95, 239 Kris, Moriz 93 f. Kris, Stefan 93 – 95, 239 Kronstein, Else 177 Kronstein, Robert 114 f., 240 Krug, Ernst 107, 135, 138 f. Kubicek, Maria 152 Kurtics, Richard 65, 100, 265 f. Kutschera, Werner 214 f. Kuzmowitsch, Dioniz 212 Landesberg, Adolf 229 f., 240 Landesberg, Margarethe 229 f., 240 Lang, August 62, 266 Lang, Manfred 266 Lanzdorf, Adolf 219 Lanzdorf, Rita 219 Ledwinka, Hans 126 Lehr, Hanina (Hans) 157 f., 240 Lehr, Johann 100 Lemmerhofer, Franz 188 f. Ley, Robert 63 Lichtenstein, Vilma 140 – 142, 238 Liebig, Hermann 127 Litawsky, Emma 172 Locker, Johanna 127 Loew, Anna 136 Loew, Peter C. 136 Lorenzoni, Wolfgang 177 Löschnigg, Karl 125 f. Löw, Arthur 135 f., 238 Löw, Wilhelm 198 Löwy, Eugen 108 – 110, 246 Löwy, Hans 172 – 174, 238 Löwy, Leopold 172 Luka, Otto 188 f., 246 Lustig, Hilde 96 f., 238 Lustig, Otto 96 f., 238 Maculan, Hermine 208 Maisel, Karl 179 Majneri, Cornelia 209 f. Manzoni, Milica 104

Personenregister

Markovits, Max 163 f. Mattausch, Ludwig 103 Mauracher, Thomas 155 Mayer, Berthold 142 – 144, 238 Mayer, Theodor Heinrich 131 Meixner, Ernst 226 Meixner, Karl 225 f. Meixner, Liselotte 226 Meixner, Theresia 226 Metall, Adele 140 f., 238 Metko, Heinz 205 Mitterdorfer, Wilhelm 266 Mitterdorfer, Wolfgang 62, 266 Mladenow, Johann 145 f. Moll, August 175 – 177 Moser, Egon 68 Mühlbacher, Robert 195 – 197 Müller, Alfred 185 f., 238 Munk, Anna 221 Muzak, Katuse 221 Nass, Emanuel 182 Nass, Heinrich 181 f. Neumann, Ferdinand 129 Neumann, Hedwig 129 Niedermayer, Hans 222 f. Nikoladoni, Otto 154 f. Nitsche, Melanie 132 Passl, Josef 165 f. Paukert, Hermine 189 f. Paul, Robert 59, 267 Pauls, Adalbert 90 Peiser, Erich 100 f., 240 Pelian, Franz 207 f. Pfanzagl, Otto 193 Pfefferkorn, Franz 194 Philipp, Max 180 f., 238 Philipp, Stephanie 180 f., 238 Pollner, Karoline 182 Pollner, Viktor 182 Pölzl, Friedrich 90 Porsche, Felix 180 f. Portisch, Hans 30, 59, 72, 267 Pribil, Gabriele 215 f. Pribitzer, Hans 204 f.

283

Personenregister

Pribitzer, Hildegard 205 Prihoda, Max 147 Prosser, Friedrich 233 f. Pserhofer, Richard 98 Pserhofer, Sophie 98 – 100, 240 Pucher, Karl 133 f. Püringer, Betty 129 f., 239 Pürkher, Oskar von 230 f. Pusch, Irene 115 Rabik, Friedrich 212 f. Raditz (Brüll, Reif), Elisabeth 120 f. Rafelsberger, Walter 72 f., 86 Rainer, Jaques 96 Rapp, Martha 231 Reibmayr, Hermann 183 Reich, Ernst 202 f. Reichel, Friederich 116 f. Reichel, Fritz Herbert 117 Reichel, Mathilde 117 Reinthaler, Anton 266 Renner, Edwin 30, 55, 71 – 74, 76 – 79, 82 – 91, 96, 98 f., 104, 106, 109, 112 f., 116, 120, 122, 127, 135, 137, 145, 149, 151, 157, 161, 165, 167, 169 f., 173 f., 175, 177 f., 180 f., 185, 187, 190, 193, 202, 207, 218 – 223, 225, 230, 251, 253 f. Renner, Franz 82 Renner, Heinrich 84 Renner (Wasylowicz), Helene 85, 88, 90 f. Renner, Maria 82 Rentmeister, Walter 59, 65, 68, 71 f., 85, 162 f., 262, 267 f. Rether, Alfred 216 f. Richards, Thomas Martin 212 Richter, Ernst 45, 158, 201 Rieber, Josef 148 – 150, 241 Riesenfeld, Charlotte 204 f., 238 Riesenfeld, Franz 204 f., 238 Roda, Julius 233 f. Roda, Olga 234 Roniger, Ludwig 139, 221 f. Rosen, Cyprienne 211 Rosen, Erika 245 Rosen, Philipp 210 f. Rosen, Wanda 210 f., 245

Rosenbaum, Isidor 167 f. Rosenberg, Dorit 136 Rosenberg, Elias 135 f., 239 Rosner, Karl 130 f., 238 Roth, Agnes 170 Roth, Alfred M. 199 Roth, Josef 87, 169 f. Rothziegel, Benno 102 Salomon, Josef 104 f. Santi, Walter 187 Saphir, Gertrude 113 f., 238 Satz, Hubert 234 Sauer, Arthur 140 f. Schäffer, Eduard 101 Schäffer, Louise 100 f. Schaller-Held, Irmgard 224 f. Schatz, Adam 132 f. Schatz, Isaak 132, 245 Schiller, Friedrich 173 Schirach, Baldur von 240 Schlichtinger, Anna 136 Schmid, Robert 152 Schmiedel, Karl 119 Schmierer, Albert 59, 61, 65, 265, 268 f. Scholda, Norbert 162, 167 Schönfeld, Klara 144 Schrutka, Werner 105 Schuh, Hans 129 f. Schuhmacher, Zoltan 231 – 233 Schüller, Gustav 133 f. Schwarz, Eugen 197 f., 240 Schwarz, Fritz 118 f., 240 Schwarz, Gabriele 119 f. Schwarz, Herbert 120 Schwarz, Kurt 198, 240 Schweder, Franz 59, 62, 72, 269 f. Seeger, Friedrich 211 f. Selzer, Hans 206 f., 238 Selzer, Saul Hermann 205 f., 245 Semis, Heinrich 183 f., 246 Semis, Wilhelm 183 f. Senz, Isidor 170 – 172, 245 Senz, Maria Felicia 171, 245 Senz, Wilhelm 171 f., 238 Senzer, Maryan 164

284 Sickinger, Maria 162, 167 f. Silber, Ernst 160 Silber, Hilde 159, 244 Silber, Norbert 159 f., 244 Silberstein, August 122 f., 239 Silberstein, Clothilde 122 f., 239 Silberstein, Emil 122 Skrein, Susanne 127 Sobel, Martin 152 – 154, 245 Sobel, Philipp 148 – 154, 240 Solka (Röder), Edith 113 f. Spitzer, Hans 127 f., 240 Spörr, Cornelia 211 f., 240 Spörr, Martin 211 f., 240 Spörr, Walter F. 212 Stanford, Rudolf John 163 Steiner, Jakob 216 Steiner, Julius 216 Steiner, Leiser 215 f., 246 Steiner, Rosa Rachel 216, 246 Steiner, Rudolf 132 Stöger, Oskar 233 Stögermayer, Erwin 163, 178 f. Stopfkuchen, Paul 222 f. Strauch, Fritz 229 Strohschneider, Wolf 62 Stuchlik, Johann 98 f. Stumm, Josef 189 f. Stumpf, Arnold 78, 109 Stwrtecka, Richard 178 Sugar, Julius 231 – 233, 246 Sugar, Margarete 246 Sugar, Stefan 233 Suranyi, Ibolya 134 Szapu, Wilhelm 102 – 104, 239 Tandler, Julius 28 Taschler, Ilse 178 Tautermann, Karl 194, 196 Teichner, Anna 116 f. Teichner, Emmerich Paul 117 Teufel, Harald 94 Teufel, Oskar 94 Thomann, Ferdinand 171 f. Thomann, Franz 171 Thorsch, Emma 110

Personenregister

Thorsch, Hugo 108 – 110, 238 Titz, Rudolf 146 Todres, Friederike 112 Todres, Max 111 f. Trauner, Julia 123, 162 f. Traunsteiner, Eugen 162 Tritt, Fanny 141 f. Trnkoczy, Rudolf 120 – 122 Türk, Otto 135 f., 202 Ubl, Stefan 142 Uhl, Ludwig 63 Urmann, Adolf 164 Urmann, Emilie 164 Urvary, Hermine 140 f. Veith, Gertrude 164 Vieböck, Luise 220 f. Viktor, Paul 192, 224 f. Vitez, Franz 151 f. Vogl, Christine 129 f. Wahl, Alois 127 f. Waldheim, Anton 108 Watzlawick, Theodor 148 – 151 Weber, Karl 72 Weingarten, Margarete 118 Weiss, Gisela 129 f., 239 Wenig, Wenzel 87, 169 f., 218 Werner, Margarete 135, 257 Wessely, Franz 193 White, Theodor C. 130 Wiedmann, Frances 196 Wieninger, Otto 153 f., 182 Wieser (Sedlacek), Eleonore 229 Wilhelm, Ferdinand 124, 155, 208 Winter, Kamillo 96 f., 241, 243 Winternitz, Maximilian 104 f., 185 Wittner, Lazar 201 f., 239 Wolkenberg, Albert 184 f., 238 Wollmann, Franz 123 Wratschko, Franz 98 f. Wurst, Hermine 148 – 150 Zaininger, Rudolf 131, 188 f. Zallik, Auguste 227

285

Personenregister

Zallik, Karl 227 Zallik, Nathan 227, 239 Zallik, Willibald 227 Zaluzansky, Hermine 148 – 150 Zavaros, Olga 194 – 196, 246

Zifferer, Rudolf 162, 238 Zilz, Ignaz 104 f., 238 Zilz, Margarethe 105 Zitka, Richard 222