Architektenschmiede Paris: Die Karriere des Jakob Ignaz Hittorff 9783110733044, 9783110737950

This book looks at the nineteenth-century Paris Academy of Fine Arts to trace the formation of an architectural elite an

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Architektenschmiede Paris: Die Karriere des Jakob Ignaz Hittorff
 9783110733044, 9783110737950

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung. Paradigmen und Narrative
Karriere im Kopf
Die Architektenelite der Beaux-Arts-Schule
Bunte Antike. Streit als Wettstreit
Architekt des Juste Milieu
Warum man ein Chef-d’oeuvre braucht
Die Herausforderungen von Industrie und Technik
Haus und Familie oder Karriere mit Geländer
Epilog: Die Grande Nation und ihre Architektenschmiede
Zu diesem Buch
Literaturverzeichnis
Bildnachweis
Personenregister

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Salvatore Pisani Architektenschmiede Paris

Elitenwandel in der Moderne Elites and Modernity

 Herausgegeben von / Edited by Gabriele B. Clemens, Dietlind Hüchtker, Martin Kohlrausch, Stephan Malinowski und Malte Rolf

Band / Volume 23

Salvatore Pisani

Architektenschmiede Paris  Die Karriere des Jakob Ignaz Hittorff

Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf

ISBN 978-3-11-073795-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-073304-4 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-073305-1 ISSN 2192-2071 Library of Congress Control Number: 2021944873 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Abbildung auf dem Einband: Avenue de l’Impératrice (heute Avenue Foch) mit Ansicht des Arc de Triomphe. Ausschnitt. Aus: Adolphe Alphand: Les promenades de Paris. Paris 1867–1873 Satz: bsix information exchange GmbH, Braunschweig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

 „Der heilige Augustinus dankte Gott, nicht für seine Träume verantwortlich zu sein“. Paul Watzlawick: Sich selbst erfüllende Prophezeiungen. 1982

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis  IX Einleitung. Paradigmen und Narrative  1 Revision der Architektenmonographie  1 Architektur und Elite – Jenseits der großen Erzählung  7 Karriere im Kopf  23 Köln: Grundlegung einer Ambition  23 Paris: Kontakte, Baustellenluft und normative Ästhetik  28 Die Architektenelite der Beaux-Arts-Schule  43 Der Rompreis oder Wie man in den Kreis der Auserwählten aufgenommen wird  43 Der Architekt wird Archäologe. Italien als Ort der Inklusion und Exklusion  50 Weltbühne Rom  53 Abwehr von Konkurrenz. Die Begegnung mit Leo von Klenze in Selinunt  61 Selbsteinschätzung im Zeichen französischer Kulturhegemonie  78 Die Architecture antique de la Sicile und der Verleger Johann Friedrich Cotta  79 Charles Percier als normative Leitfigur  87 Der Sacre des Königs als Sacre des Beaux-Arts-Architekten  91 Bunte Antike. Streit als Wettstreit  105 Von der Entdeckung der Polychromie zur Kontroverse  111 Im Namen der Wissenschaft. Das Ringen um die Deutungshoheit  117 Hittorffs Rekonstruktion des Farbsystems antiker Architektur  117 Die Gegenthesen. Desiré Raoul-Rochettes De la peinture sur mur chez les anciens  124 Die Gegenfigur. Raoul-Rochettes Eloge auf den Architekten Serradifalco  127 Ad hominem. Die sachliche Ergebnislosigkeit des Schlagabtausches von 1837/38  132 Bild, Atlas und Aufmerksamkeitsökonomie  139 Architekt des Juste Milieu  149 Die „1830er Katastrophe“. Karriereknick und Neuanfang  149 Die zwei Gesichter der Julimonarchie  152 Die Anamnese von Paris  154 Place de la Concorde oder Die Neuordnung der gesellschaftlichen Mitte  157

VIII  Bildnachweis Wie man ein Architekt der Ville de Paris wird  169 Der Unternehmer seiner selbst  177 Die Monopolstellung im Champs-Élysées-Park  177 Die Gründung der Firma Hachette & C.ie  178 Die Rolle der Société libre des beaux-arts  183 Der von der Öffentlichkeit abhängige Börsenwert des Architekten  185 Hector Horeau zum Vergleich  190 Mühen des Alltags  192 Städtisches Amt und Leistungsethos  192 Die Verschärfung der Zeitdisziplin  195 Warum man ein Chef-d’œuvre braucht  201 Mitte als Höchstmaß  201 Saint-Vincent-de-Paul oder Die Rekatholisierung der klassischen Form  205 Die Suche nach der perfekten christlichen Basilika  205 „L’heureuse alliance des trois arts“. Ein Kunstideal in der Prosa des Baustellenalltags  217 Eine unrealisiert gebliebene zweite Sixtina  220 Die Herausforderungen von Industrie und Technik  229 Die Vergnügungsbauten des Champs-Élysées-Parks  232 Im Raum des Konsums  232 Architektur wird Kirmes  246 Der Architekt als Bauingenieur  250 Das Hängedachwerk der Panoramarotunde  254 Das Projekt eines Industriepalastes für die Weltausstellung 1855  259 Die Welt der neuen Artefakte  266 Technokratie und Stadtbaukunst – Das Bekehrungsregime des Präfekten Georges-Eugène Haussmann  271 Haus und Familie oder Karriere mit Geländer  291 Der Architekt in seinem ‚Gehäuse‘  292 Madame Hittorff – Topisches Rollenspiel und Apotheose  300 Epilog: Die Grande Nation und ihre Architektenschmiede  305 Zu diesem Buch  311 Literaturverzeichnis  313 Bildnachweis  349 Personenregister  351

Abkürzungsverzeichnis Berlin, GSt Berlin, AAK Köln, HAS Köln, UStB Köln, WRM Kopenhagen, TM Marbach, DLA Paris, AABA Paris, AN Paris, BHVP Paris, BIF Paris, BNF Paris, ENSBA Weimar, GSA Zürich, gta-Archiv

Berlin, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, Archiv der Akademie der Künste Köln, Historisches Archiv der Stadt Köln, Universitäts- und Stadtbibliothek Wallraf-Richartz-Museum Kopenhagen, Thorvaldsens Museum Marbach, Deutsches Literaturarchiv Paris, Archive de l’Académie des beaux-arts Paris, Archives nationales Paris, Bibliothèque historique de la ville de Paris Paris, Bibliothèque de l’Institut de France Paris, Bibliothèque nationale de France Paris, École nationale supérieure des beaux-arts Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv Zürich, Archiv des Departments für Geschichte und Theorie der Architektur der Eidgenössischen Technischen Hochschule

https://doi.org/10.1515/9783110733044-202

Einleitung. Paradigmen und Narrative Revision der Architektenmonographie Protagonist der folgenden Überlegungen ist der im Paris des 19. Jahrhunderts sehr erfolgreich tätige Kölner Architekt Jakob Ignaz Hittorff (1792–1867). Sein Metier erlernte er an der École des beaux-arts, jener staatlichen Kunstschule zu Paris, die in Frankreich das Monopol für die Architektenausbildung innehatte. Hittorff, der Leben und Karriere entlang der Koordinaten und Werte dieser Eliteschmiede ausrichtete, kam früh zu Ansehen und Wohlstand, was ihm ein etabliertes Dasein in den oberen Etagen der Pariser Gesellschaft zu führen bescherte. Die Krönung seines Lebens bildete die 1853 erfolgte Aufnahme in die Académie des beaux-arts.1 Kein Zweifel, Hittorffs Curriculum ließe sich als ‚Kaminkarriere‘ eines Beaux-Arts-Architekten nachzeichnen, also eines Mitglieds jener Elite, die im 19. Jahrhundert Frankreichs Staatsgefüge mitaufgebaut und mitgestaltet hat. Die vorliegende Arbeit widmet sich diesem Zusammenhang von Subjektgeschichte, akademischem Elitismus und sich neu konfigurierender Gesellschaftsarchitektur im postrevolutionären Frankreich. In Anbetracht seines planmäßig durchlaufenen Karrierewegs erscheint Hittorff zunächst als jene klassisch autonome Subjektfigur, die sich – um es in der Metaphorik des Architektenmetiers zu sagen – mit Zirkel und Lineal selbst entworfen hat. Dieser Vorstellung von Souveränität gaben die beiden Beaux-Arts-Institutionen, d. h. Kunstschule und Akademie, in Nachrufen und (gedruckten) Reden, aber auch moralischen Appellen und Biographien ihrer herausragenden Vertreter einen eigenen semantischen Raum.2 Dieses Souveränitätskonzept wurde im 20. Jahrhundert von der Subjektkritik als idealistisches Konstrukt entlarvt und aufgekündigt.3 Das Fragwürdige der Denkfigur scheint nachgerade für den Architekten zu gelten, ist er 1 Die Akademien, aufgeteilt in die drei Klassen „littérature et beaux-arts, sciences morales et politiques, sciences physiques et mathématiques“, bezogen ein gemeinsames Obdach im Institut de France mit Sitz seit 1805 im Collège des Quatre-Nations. Das elitäre Selbstverständnis fasst die Forschung wie folgt zusammen: „Comme corps, l’Institut représente les élites intellectuelles et artistiques de la Nation. … On y a compté ou on y compte encore des membres de l’aristocratie, des militaires de haut rang, des hommes d’Église, des médecins, des avocats, des artistes de courants divers, des universitaires et chercheurs de toutes spécialités“; Jean-Michel Leniaud: Les cinquante dates qui ont fait l’Institut. In: Le Palais de l’Institut. Du Collège des Quatre-Nations à l’Institut de France. Hrsg. von Jean-Pierre Babelon. Paris 2005. S. 154–181; Zitat: S. 170. 2 Studien hierzu bleiben ein Desiderat; vgl. aber die Textanthologie zu Hittorff bei Christiane Hoffrath u. Michael Kiene (Hrsg.): Hommage für Hittorff 1792–1867. Bilder, Bücher und Würdigungen. Köln 2020. S. 113–166. 3 Zum idealistischem Subjektentwurf vgl. Terry Pinkard: Das Paradox der Autonomie. Kants Problem und Hegels Lösung. In: Paradoxien der Autonomie. Freiheit und Gesetz I. Hrsg. von Thomas Khurana u. Christoph Menke. Berlin 2011. S. 25–60. Zu dessen Dekonstruktion und dem erklärten ‚Tod des Subjekts‘, wie er von Michel Foucault bis Judith Butler behauptet wird, vgl. Andreas Reckwitz: Subjekt. Bielefeld 2010. S. 11–22. https://doi.org/10.1515/9783110733044-001

2  Einleitung. Paradigmen und Narrative

doch in allzu viele institutionelle, politische, gesellschaftliche und materielle Bedingungskonstellationen verwoben, als dass er den Anspruch erheben kann, ein selbstbestimmtes Subjekt oder, um es mit einer bekannten Wendung Freuds zu sagen, noch Herr im eigenen Haus zu sein. Die Absage an diese Denkfigur des autonomen Subjekts betrifft den Selbstentwurf des Architekten, sie betrifft aber auch seine professionelle Tätigkeit insgesamt. Von einem in uneingeschränkter Freiheit entwerfenden Architekten zu sprechen, wie es die Architekturforschung auf weiten Strecken implizit tut, ist historisch betrachtet eine Illusion. Gleichwohl birgt die Kehrseite dieser Negation die erneute Gefahr von Einseitigkeit.4 Denn weder die Sonderstellung des Architekten einerseits noch seine völlige Entmachtung andererseits bilden eine schlüssige Antwort. Die vorgetragenen Überlegungen nehmen deshalb eine Position des Dazwischen ein, denn man kann den Souveränitätsanspruch des Architekten kritisieren, ohne seine intentionale und multioptionale Handlungsfähigkeit zu verwerfen, und man kann die Dominanz des anthropozentrischen Denkens, wie sie die Architekturforschung prägt, missbilligen, ohne zugleich der Idee einer vollständigen Subordination des Architekten unter Strukturgesetze zu verfallen. Nur die eine oder die andere Position zu vertreten, bildet eine kaum zu rechtfertigende Vereinfachung eines Sachverhalts, dessen Komplexität und opake Gemengelage dieses Buch zu beschreiben unternimmt. Die Einsicht, dass die Tätigkeit des Architekten nicht nur im Entwerfen von Bauten und im Abfassen von Traktaten besteht, setzt sich in der Architekturhistoriographie nur zögerlich durch. Das liegt auch daran, dass Architekten der gegenteiligen Vorstellung selbst Vorschub geleistet haben. Le Corbusier, Inbild der architektonischen Moderne, besaß in seiner Pariser Agence in der Rue de Sèvres Nr. 35 ein fensterloses, zellenartig kleines Arbeits- und Empfangsbüro, das sogenannte „petit atelier“, welches ein Architektenverständnis adressierte, das Rückzug und Selbsteinkehr als Paradigmen des autonomen Denkens und Entwerfens reklamierte.5 Indessen war und ist der Architektenberuf mehr und anderes als nur die einsame Tätigkeit des Einzelnen. Le Corbusier war wie viele andere Architekten in ein Geflecht, ja Gestrüpp von Strukturen und Institutionen eingebunden, gegen deren Setzungen und Anforderungen er sich stets zu behaupten hatte. Dieses ‚subalterne‘ Bedingungsgefüge bestimmt das Handeln und Denken des Architekten bis in seine innerste Struktur, ohne dass es sich offen zeigt, weshalb es zumeist unter dem Radar der analytischen Aufmerksamkeit bleibt. Der Architekt erweist sich – so die zu verfolgende These – als ein selbst- wie auch fremdbestimmtes Subjekt. Dieses scheinbare 4 Darauf verweisen im Kontext der Technikanthropologie Martina Heßler u. Kevin Liggieri: Einleitung. Technikanthropologie im digitalen Zeitalter. In: Technikanthropologie. Handbuch für Wissenschaft und Studium. Hrsg. von Dens. Baden-Baden 2020. S. 11–29; bes. S. 20–22. 5 Vgl. Thomas Kesseler: Das Petit Atelier im Büro Le Corbusiers, 35, rue de Sèvres, als Studiolo. In: Le Corbusier, Synthèse des Arts. Aspekte des Spätwerks 1945–1965. Hrsg. von Andreas Vowinckel u. Dems. Ausstellungskat. Karlsruhe. Berlin 1986. S. 53–74 und Karen Michels: Der Sinn der Unordnung. Arbeitsformen im Atelier Le Corbusier. Wiesbaden 1989. S. 29–36.

Revision der Architektenmonographie 

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Paradox gilt es im Folgenden nicht aufzulösen, sondern vielmehr als ein genuines Problem der Architektenprofession bewusst zu machen. Gleichzeitig lässt sich der Architekt als eine Figur beschreiben, in dem sich eine Vielzahl von Geschichten und kulturellen Codes kreuzen, die es kaum erlauben, seine Identität und Tätigkeit der Homogenität zu verdächtigen. Im Gegenteil, ist ihm eine Polyphonie eigen, die es erlaubt, sich in einem ausgedehnten Netzwerk zu bewegen und verschiedene, mitunter weit voneinander entlegene Komponenten und Referenzen miteinander zu verknüpfen. Man mag den Architekten einer Expertenkultur zuschlagen und doch besteht seine Expertise vor allem darin, Verknüpfungen, Kombinationen und Rekombinationen vorzunehmen.6 Er situiert sich in einem Dazwischen von konkreter Aufgabe, individueller Lösung und komplexer Organisation. Sein geistiger wie praktischer Ort ist die Baustelle, die als Knoten- und Kreuzungspunkt soziale, ökonomische, materielle und kulturelle Parameter verschaltet.7 Als eine zentrale Merkmalsbeschreibung des Architekten darf deshalb sein Sinn für Arrangements gelten, sei es formaler, sei es sozialer Art. Rückt man seine Tätigkeit in diese Blickperspektive, befreit man ihn aus eindeutigen Identitätsformeln, zu denen obenan das Autonomiekonzept gehört. In seinen Weltgeschichtlichen Betrachtungen beschäftigte Jacob Burckhardt eine auf den zweiten Blick verwandte Fragestellung. Ob man nämlich den Architekten den ‚großen Männern‘ zuschlagen könne. So definierte er „von unserem Knirpstum“ her: „Größe ist, was wir nicht sind“.8 Dieser Definition des Großen ex negativo ließ Burckhardt eingehende Ausführungen über Entdecker, Erfinder, Forscher, Künstler, 6 Die vorgenommene Merkmalsanalyse bedient sich des kulturwissenschaftlichen Beschreibungsvokabulariums des Hybriden; dazu Elisabeth Bronfen u. Benjamin Marius: Hybride Kulturen. Einleitung zur anglo-amerikanischen Multikulturalismusdebatte. In: Hybride Kulturen. Einleitung zur anglo-amerikanischen Multikulturalismusdebatte. Hrsg. von Dens. u. Therese Steffen. Tübingen 1997. S. 1–30 und Georg Kneer: Der Hybride. In: Diven, Hacker, Spekulanten. Sozialfiguren der Gegenwart. Hrsg. von Stephan Moebius u. Markus Schroer. Frankfurt/M. 2010. S. 219–234. 7 Unsere Beschreibung des Architekten als einer Relaisfigur, die verschiedene Felder operativ zu verknüpfen vermag, gilt es von der im französischen Architekturdiskurs geläufigen Metapher des „chef d’orchestre“, des Dirigenten, abzusetzen; vgl. Viviane Claude: Le chef d’orchestre. Un cliché de l’Entre-deux-guerres. Contours d’une rhétorique inquiète. In: Annales de la recherche urbaine 44/45 (1989). S. 69–80. Während wir die Multidimensionalität des Architekten und mithin seine komplexe Verwicklung in die Welt betonen, hebt die französische Begrifflichkeit auf eine delegierende Rolle und die Befehlsgewalt des Architekten innerhalb des Baugeschehens ab. – Zur ‚Baustelle‘ als Metapher eines pluralen (kulturwissenschaftlichen) Denkansatzes vgl. Hartmut Böhme: Baustellen. Phantasmen und Kultur der Baustelle. In: konstruktiv 278 (2010). S. 7–12. 8 Jacob Burckhardt: Weltgeschichtliche Betrachtungen. Hrsg. von Rudolf Max. Stuttgart 1978. S. 209. Zum Problemfeld des ‚großes Mannes‘ im Frankreich des 19. Jahrhunderts vgl. Michael Gamper: Ausstrahlung und Einbildung. Der „große Mann“ im 19. Jahrhundert. In: Das 19. Jahrhundert und seine Helden. Literarische Figurationen des (Post-)Heroischen. Hrsg. von Jesko Reiling u. Carsten Rohde. Bielefeld 2011. S. 173–198 und Ders.: Der große Mann. Geschichte eines politischen Phantasmas. Göttingen 2016. S. 175–216 sowie zum verwandten Denkmalkult der grands hommes Thomas W. Gaehtgens u. Gregor Wedekind (Hrsg.): Le culte des Grands Hommes, 1750–1850. Paris 2009.

4  Einleitung. Paradigmen und Narrative

Dichter, Philosophen, Staats- und Kirchenmänner folgen. Dem Architekten schienen ihm indes die Kategorien des Heroischen und auch nur bedingt jene der Größe zu entsprechen: „Von den Architekten hat vielleicht keiner eine so klar zugestandene Größe, wie einzelne Dichter, Maler etc. Sie müssen schon a priori die Anerkennung mit ihrem Bauherrn teilen“.9 Man kann Burckhardts Relativierung dahingehend auslegen, dass die Architektentätigkeit über ihre eigenen Grenzen hinweg stets in die Belange Dritter verwoben ist, er also seine Entscheidungen und Kompetenzen immer schon mit Anderen teilen und an externe Bedingungen anpassen muss. Burckhardts unschlüssige Überlegungen konvergierten in dem Fazit, „daß Größe in der Architektur überhaupt mehr ein Produkt der betreffenden Zeit und Nation, als dieses oder jenes großen Meisters“ ist.10 Wie dem auch sei, seit Burckhardts Jahrhundert haben die Architekten gleich den ‚Großen‘ ihren bevorzugten Darstellungsraum in der Monographie gefunden, d. h. in der publizistischen Schmiede, wenn nicht des großen, so doch des autonomen Subjekts. Die Monographie als klassische Darstellungsform der Kunst- und Architekturgeschichte präsentiert, um es mit dem Philologen Heinrich Kaulen zu sagen, „Leben und Werk einer Einzelperson als eine bruchlose Einheit“.11 Galt sie dem 19. Jahrhundert als „Krone“ der Geisteswissenschaften,12 besitzt sie noch heute ihren Platz in den höheren Wissenschaftsstockwerken, wie die auf dieses Format verpflichteten Dissertationen und Habilitationen belegen. Es ist deshalb mehr als eine Anekdote daran zu erinnern, dass sich Roland Barthes bei seiner Antrittsvorlesung am 7. Januar 1977 ironisch fragte, warum das Collège de France ihn aufgenommen habe, ihn, der „nur Essays hervorgebracht habe“.13 Obwohl oder gerade weil der Monographie die Begrenzung des Untersuchungsfeldes und das Ideal der Objektivität eigen sind, lässt sie sich kaum von dem Verdacht freisprechen, mehr oder weniger auch der Kanonisierung des und der Dargestellten vor- und zuzuarbeiten.14 Angesichts dessen ist es keineswegs abwegig zu 9 Burckhardt 1978, S. 224. – Indes zum überdeterminierten Selbstverständnis der Moderne-Architekten als „Menschheitsbeglücker“ vgl. die kritischen Einlassungen von Winfried Nerdinger: Studiere die Architekten, bevor du die Architektur studierst. In: Der Architekt. Geschichte und Gegenwart eines Berufsstandes. Hrsg. von Dems. Ausstellungskat. München 2012. Bd. 1. S. 9–13; bes. S. 11. 10 Burckhardt 1978, S. 224 f. 11 Heinrich Kaulen: Die literaturwissenschaftliche Monographie. Begriff, Entwicklung und Funktionswandel einer Darstellungsform. In: Geist, Geld und Wissenschaft. Hrsg. von Peter J. Brenner. Frankfurt/M. 1993. S. 141–174; Zitat: S. 143. 12 Kaulen 1993, S. 155. 13 Roland Barthes: Leçon/Lektion. Französisch und Deutsch. Antrittsvorlesung im Collège de France gehalten am 7. Januar 1977. Frankfurt/M. 1980. S. 9. 14 Ein Merkmalskatalog der Monographie als Darstellungsform der Geisteswissenschaften bei Willy Michel: Kategorientransfer und monographische Darstellung. Zur Rollenästhetik und Sozialpsychologie des Romans im 20. Jahrhundert. In: Germanistik – Forschungsstand und Perspektiven. Vorträge des Deutschen Germanistentages 1984. Hrsg. von Georg Stötzel. Berlin-New York 1985. Bd. 2. S. 609–617 und Peter Pütz: Probleme der Monographie. In: ebd. S. 559–570.

Revision der Architektenmonographie



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formulieren, dass bereits die Wahl der Monographie, die ihrem Format nach ein Medium der ‚Schwere‘ und ‚Größe‘ ist, dem Gegenstand Bedeutung verleiht.15 Wenn die Architekturgeschichte lange Zeit einer Heroengeschichte des Architekten glich und in erster Linie als Geschichte von Chefs-d’œuvre geschrieben wurde, dann auch weil sie die Monographie, inklusive der Variante des monographischen Ausstellungskatalogs, privilegierte und weiterhin privilegiert. Wenn es gilt, dass die monographische Darstellungsform ihren Protagonisten medial herausstellt und monolithisch zurichtet, dann stellt sie sich chronisch unter Vorbehalt. Wir bekommen es deshalb mit der Frage danach zu tun, ob die Monographie einen Architekten adäquat beschreiben kann, der wie Hittorff zugleich Bauarchäologe und Akademiker, Bauingenieur und Bauunternehmer war, gleichzeitig in politisch und gesellschaftlich führenden Kreisen und in den Niederungen des Baustellen- und Geschäftsalltags verkehrte, zugleich vor allem Deutscher und Franzose war, also eine mehrdimensionale Gestalt abgab, in der sich das Bestreben nach Selbstermächtigung unentwegt mit fremden Identitätsmustern vermengte und rekonfigurierte.16 Die Frage ist Anlass zu einem doppelten kritischen Manöver. So versteht sich die vorliegende Studie in dem Maße als eine Architektenmonographie, wie sie sich dieser verweigert. Einerseits werden zentrale Merkmale der Monographie bewahrt beziehungsweise deren Erwartungen erfüllt, andererseits wird ihre innerste Struktur entkernt und es werden neue Grenzöffnungen nach Außen geschlagen. Mit dem Vorgehen lassen sich die Paradigmen der Monographie markieren, um – wie es Umberto Eco angesichts des Wucherns der immer gleichen Diskurse in spätmodernen Zeiten nachdrücklich gefordert hat – der Lektüre ihre Unschuld zu

15 Die Formulierung rekurriert auf die medientheoretische Formel von Marshall McLuhan „The medium is the message“, wonach sich das Medium in die Botschaft einschreibt und diese entscheidend mitmodelliert; vgl. Ders.: Die magischen Kanäle. Frankfurt/M. 1970. S. 17–30. Während die Kunstgeschichte ihre Kritik gelegentlich an der Gattung der Biographie und ihren narrativen Mustern übt, etwa Karin Hellwig: Künstlerbiographie und Historiographie. In: Kunstchronik 56 (2003). S. 122–132, liegt unser Augenmerk, und das steht für unseren Ansatz insgesamt, in erster Linie auf dem medialen ‚Wie‘, d. h. den Darstellungsformen und -formaten. Damit sollen Denkweisen berücksichtigt werden, die neben Sprache und ihren Narrativen auch der Materialität, Medialität und Praxis die Möglichkeiten des Ausdrucks und der Erkenntnis zubilligen; hierzu grundlegend Hans Ulrich Gumbrecht u. K. Ludwig Pfeiffer (Hrsg.): Materialität der Kommunikation. Frankfurt/M. 1988. Vom ehedem aus den Geisteswissenschaften ‚ausgesperrten‘ Materialitätsbegriff zu seiner gegenwärtigen Konjunktur als Analyseparadigma vgl. Thomas Strässle: Einleitung. Pluralis materialitatis. In: Das Zusammenspiel der Materialien in den Künsten. Theorien – Praktiken – Perspektiven. Bielefeld 2013. S. 7–23. 16 Der Hybridcharakter des Architekten gehört dabei unter dem Druck der neuen technischen, industriellen und ökonomischen Anforderungen der Epoche betrachtet; zu deren Diversifikationsprozessen vgl. unter der Perspektive der historischen Stadtforschung Clemens Zimmermann: Stadtgeschichte und Urbanistik. In: Ders., Markgrafschaft – Metropolen – Medien. Krisen, Kommunikation und Politisierung europäischer Gesellschaften. Hrsg. von Gabriele B. Clemens et al. Trier 2016. S. 243–262.

6  Einleitung. Paradigmen und Narrative

nehmen.17 Die Eingriffe zielen darauf, der konventionellen Architektenmonographie jene Kritik und jene Verschiebungen einzutragen, welche sie an neuere Entwicklungen in der Wissenschaftslandschaft, besonders dem Pluralismus der Kulturwissenschaft, anzubinden erlauben. Wenn Architektur in unüberblickbar viele Bereiche der Gesellschaft hineinragt, also eine ebenso schillernde wie umfassend eingesetzte Kulturtechnik ist, dann ist eine Annäherung unter der Prämisse eines methodischen Pluralismus durchaus kein modischer Schnellschuss, sondern immanent begründet und ein Mittel der eingehenden Reflexion über das, was die Architektentätigkeit im weiteren und engeren Sinne ausmacht. Die Alternative wäre fachlicher Autismus.18 Es werden vorliegend – um in der Architekturmetaphorik zu bleiben – den großen diskursiven Symmetrien und Axialitäten der Monographie zahlreiche neue Zu-, Neben- und Verbindungsgänge eingewoben und eingebaut, die den geschlossenen Baukörper durchziehen und zugleich öffnen. Das Bauprinzip mag auf den ersten Blick der dekonstruktivistischen Entwurfsästhetik der spätmodernen Architektur folgen, wie sie Frank O. Gehry, Coop Himmelb(l)au oder Zaha Hadid vertreten.19 Wenn Assoziationen mit postmoderner Architektur angesagt sein sollten, dann mit der weniger expressiven Baukunst des Japaners Tadao Ando, dessen architekturale Gebilde eher offenen Baulandschaften ähneln, die in die Umgebung ausgreifen und mit dieser die Kommunikation suchen.20 In diesem Sinne betreiben wir mit der Entkernung und dem Umbau der Architektenmonographie die Öffnung zu ihrer geschichts- und kulturwissenschaftlichen Umgebung. Dass die übergreifenden Verflechtungen dabei nicht in irgendeine Beliebigkeit abgleiten, dem steuert wiederum das Ordnungskorsett der Monographie entgegen.

17 Vgl. Umberto Eco: Apokalyptiker und Integrierte. Zur kritischen Kritik der Massenkultur. Frankfurt/M. 1984. S. 76–79. 18 Zum neueren kulturwissenschaftlich erweiterten Fragespektrum der Architekturforschung vgl. Susanne Hauser, Christa Keimleithner u. Roland Meyer (Hrsg.): Architekturwissen. Grundlagentexte aus den Kulturwissenschaften. Bielefeld 2011–2013. Zur weitgehenden Unberührtheit der kunsthistorischen Architekturforschung gegenüber dem Wandel des Methodenspektrums in den letzten zwei bis drei Dekaden vgl. indes die kritischen Bemerkungen von Carsten Ruhl: Vom Nutzen und Vorteil der Architektur für die Kunstgeschichte. Bemerkungen zu einem vernachlässigten Forschungsgebiet. In: kunsttexte.de 1 (2014). www.kunsttexte.de (letzter Zugriff 10.9.2020). Indes mangelt es nicht an einzelnen Versuchen, historische Architektur und Architektenpersönlichkeiten plural neu zu durchdenken; z. B. Regine Heß: Vom Akteur im Singular zu Akteuren im Plural. Neue Forschungsansätze aus Museum, Akteur-Netz-Werk-Theorie und Architektursoziologie. In: Architektur und Akteure. Praxis und Öffentlichkeit in der Nachkriegsgesellschaft. Hrsg. von Ders. Bielefeld 2018. S. 231– 248. 19 Vgl. Heinrich Klotz: Kunst im 20. Jahrhundert. Moderne – Postmoderne – Zweite Moderne. München 1994. S. 165–171. 20 Vgl. Günter Figal: Ando. Raum, Architektur, Moderne. Freiburg im Br. 2017. S. 21–23.

Architektur und Elite – Jenseits der großen Erzählung 

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Architektur und Elite – Jenseits der großen Erzählung Die Architekten der Beaux-Arts haben nie Zweifel an dem Anspruch gelassen, eine Privilegiengesellschaft mit ausgeprägtem Führungsanspruch zu bilden. Louis Hautecœur, Autor der siebenbändigen Histoire de l’architecture classique en France, erschienen 1943 bis 1957, und Secrétaire perpétuel der Académie des beaux-arts, hat das elitäre Ethos seiner Institution wie folgt pointiert: „L’aristocratie [der Architektenschaft] est constituée par les Prix de Rome et par quelques anciens élèves de l’École des beaux-arts à qui étaient réservés les commandes et les grands postes de l’État et de la ville, les fauteuils de l’Institut, les profits, les décorations“.21 Im 19. Jahrhundert besetzten Beaux-Arts-Architekten in der Tat Schaltstellen der öffentlichen Bauadministration, womit sie ihr soziales Netzwerk und ihren ästhetischen Regelkodex auch außerhalb der Schulmauern geltend machten.22 Der Umstand ist keineswegs sekundär. Denn wem es gelingt, sein Regelwerk in die Strukturen der öffentlichen Hand zu implementieren, erhebt es zum gesellschaftlichen Gravitationspunkt und sich selbst zu einer Machtfigur. Machtpolitik war das eine, das andere das hohe Eliteethos, das sich in der doctrine classique sedimentierte, dem zumal leicht wiedererkennbaren Signet der französischen akademischen Kunst des 19. Jahrhunderts. Wie kein Zweiter hat der Maler Jean-Auguste-Dominique Ingres sie verfochten und auf ihrer Verbindlichkeit gepocht. Apodiktisch heißt es: „Il y a des doctrines et des théories immuables qui régissent l’art“.23 Das Ausrufezeichen in seinem Credo, dass allein die Beaux-Arts-Schule der „vrai temple d’Apollon, consacré aux arts seuls de la Gréce et de Rome!“ sei, ist keine Marginalie, sondern Ausdruck eines institutionell verbrieften Autoritarismus.24 Der Alleingeltungsanspruch des Klassischen provozierte bei der romantischen Gegenbewegung bekanntlich nicht wenig Ekel und Widerstand. Es sei hier nur der Maler Eugène Delacroix erinnert, der am 17. Juni 1855 nach dem Besuch der Pariser Weltausstellung in seinem Tagebuch angewidert jene Eindrücke festhielt, welche die Beaux-Arts-Kunst bei ihm hinterlassen hatte: „Partout la prétention au sérieux, au grand homme, à l’art sérieux“.25 Was 21 Louis Hautecœur: Histoire de l’architecture classique en France. Bd. 6: La Restauration et le Gouvernement de Juillet, 1815–1848. Paris 1955. S. 143. Zu Hautecœur vgl. Hilary Ballon: The History of Louis Hautecœur. Classical Architecture and Vichy Politics. In: The Education of the Architecte. Historiography, Urbanism, and the Growth of Architectural Knowledge. Hrsg. von Martha Pollak. Cambridge-London 1997. S. 216–237. 22 Vgl. David Van Zanten: Building Paris. Architectural Institutions and the Transformation of French Capital 1830–1870. Cambridge 1994. 23 Jean-Auguste-Dominique Ingres: Réponse au rapport sur l’École impériale des beaux-arts, adressé au Maréchal Vaillant, ministre de la maison de l’Empereur et des beaux-arts. Paris 1863. S. 9. 24 Zitat: Ingres 1863, S. 4 f. 25 Das vollständige Zitat lautet: „Ces Delaroche, ces Janmot, ces Flandrin, voilà pour le grand style! … Combien du Jules Romain dans celui-ci, combien du Pérugin ou d’Ingres son maître dans celui-là, et partout la prétention au sérieux, au grand homme, à l’art sérieux, come dit Delaroche!“; Eugène Delacroix: Journal 1822–1863. Paris 1982. S. 515. – Die Formulierung des ‚starken‘, auf Herrschaft

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gewöhnlich als Verachtung einer Stilposition gedeutet wird, ist nicht minder Verwerfung eines Elitismus und Verneinung eines Herrschaftsanspruchs, der aufs Ganze zielte. Die Machtposition der Beaux-Arts wuchs sich im Laufe der Zeit zu einer beträchtlichen Fallhöhe aus. Erst der legendäre Pariser Mai ’68 sollte die Architektenschaft dann von jenem Hochsitz respektive Richterstuhl herabholen, auf den sie sich über eineinhalb Jahrhunderte Lehr- und Akademiebetrieb selbst gehoben hatte, und zwang sie auf die Anklagebank. Die Studierenden bezichtigten die École des beauxarts ein Vasallensystem zu unterhalten, in dem Klientelismus, Obrigkeitsdenken und Aristokratismus gepflegt würden.26 Der Demystifikation folgte die Forderung nach der „déféodalisation de la profession d’architecte“.27 Es wurden Zweifel am Nutzen einer Elite angemeldet, die ihre Eigeninteressen größer schrieb als jene des Gemeinwesens. Das Misstrauen wurde zumal durch den Vorwurf geschürt, dass die engen Bande der Architektenschaft in die politischen und wirtschaftlichen Spitzen des Landes zur Bildung eines Elitenkartells geführt habe, in dem die Architekten die Rolle der „chiens de garde du système de production économique“ spielten – die Wachhund-Metapher rekurrierte dabei auf Paul Nizans linksrevolutionären Pamphlet Les chiens de garde von 1932, in dem der Intellektuellenelite vorgehalten wurde, ideologische Schützenhilfe zu leisten und im Selbstinteresse sich der Macht anzubiedern.28 Schwer wog jedenfalls das in der Summe manifeste Eliteversagen der Architekten. Vom Thron gestoßen werden sollte eine Funktionselite, deren Legitimation am gesellschaftlichen Nutzen gemessen wurde. Schließlich ließ sie sich selbst von dem Vorwurf des Desinteresses gegenüber den großen soziopolitischen Fragen der Nachkriegszeit, obenan dem Problemfeld des sozialen Wohnungsbaus, nicht freisprechen. Verurteilt wurden einmal mehr die institutionelle Sklerotisierung und

zielenden Denkens rekurriert folgend auf den entgegengesetzten „pensiero debole“ des Philosophen Gianni Vattimo, der unter dem Einfluss des französischen Poststrukturalismus wider Autoritarismus und Fundamentalismus ein plurales Denken postulierte; vgl. Gianni Vattimo (Hrsg.): Pensiero debole. Mailand 1983. 26 Vgl. Jean-Louis Violeau: L’expérience 68, peinture et architecture entre effacements et disparitions. In: Mai-Juin 68. Hrsg. von Dominiqe Damamme. Ivry-sur-Seine 2008. S. 222–233. Dagegen jüngst erneut das Selbstbild der Akademie als Stätte der Freiheit bei Henry-Claude Cousseau: Une Académie synonyme de liberté. In: L’École de la liberté. Être artiste à Paris 1648–1817. Hrsg. von Anne-Marie Garcia u. Emmanuel Schmitt. Ausstellungskat. Paris 2009. S. 11. 27 Zitat nach Jean-Louis Violeau: L’École des beaux-arts en 1968, disparition d’un système. Contestation et modernisation de l’État. In: Les Beaux-Arts, de l’Académie aux Quat’z’arts. Anthologie historique et littéraire. Hrsg. von Annie Jacques. Paris 2001. S. 531–556; hier: S. 533. 28 Zitat nach Pascale Le Thorel-Daviot: L’Atelier Populaire de l’École des beaux-arts, mai et juin 1968. In: Les Beaux-Arts, de l’Académie aux Quat’z’arts. Anthologie historique et littéraire. Hrsg. von Annie Jacques. Paris 2001. S. 526–530; hier: S. 526. Zur Metaphorik der chiens de garde vgl. Roland Jerzewski: Zwischen anarchistischer Fronde und revolutionärer Disziplin. Zum Engagement-Begriff bei Walter Benjamin und Paul Nizan. Stuttgart 1991. S. 127–139.

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das antiegalitäre Denken dieser Elite.29 Kurzum: In den Augen der Öffentlichkeit hatte sich die Pariser Architektenschmiede ihre Existenzberechtigung selbst entzogen. Wie ruinös der Mai ’68 für die Beaux-Arts-Architekten ausfiel, zeigt schließlich der Umstand, dass das Wort Architekt selbst zum Schimpfwort geronnen war.30 Die Deligitimation der Beaux-Arts-Architekten war indes nur Teil einer Systemkrise der französischen Gesellschaft insgesamt, in deren Panorama jene Macht- und Elitenkritik gehört, die Frankreichs Intellektuelle von Jean-Paul Sartre über Jean Baudrillard und Gilles Deleuze bis zu Michel Foucault und Jean-François Lyotard, teils das Megaphon in der Hand, in aller Schärfe öffentlich vortrugen.31 Wiewohl sie nicht unmittelbar für die institutionelle Reform der Architektenlehre stritten, so bildete die Absage an Autoritarismus und elitäres Denken doch einen gemeinsamen Impuls. Bezeichnend für den Neustart unter antiautoritären Vorzeichen war, dass nach der Schließung der Beaux-Arts-Schule als Ausbildungsstätte für Architekten landesweit 22 unabhängige Lehreinrichtungen gegründet wurden, die sogenannten Unités pédagogiques d’architecture (UPA), deren gleichsam anbefohlene subalterne Rolle künftig Zentralismus und Machtmissbrauch ausschließen sollte.32 An die Stelle eines Ausbildungsmonopols sollte eine Pluralität und Heterogenität der Lehre und Forschung treten, von der man sich nicht nur eine Beschränkung institutioneller Macht, sondern auch die Freisetzung neuer kreativer Potentiale erhoffte.33 Der Ruin des Beaux-Arts-Elitismus ordnet sich so in das Spektrum des Postmodernismus ein, dessen Bevorzugung von Fragmentarisierung und Gemengelagen auch eine Absage an das war, was Jean-François Lyotard die „großen Erzählungen“ genannt hat.34 Obgleich die vorliegenden Erörterungen der Verabschiedung der Einheitserzählung im Sinne Lyotards folgen, liegt ihnen eine ideologiekritische Aufarbeitung der historischen Verhältnisse fern. Im Mittelpunkt stehen vielmehr Geltungsfragen, die den Architekten und seine Rolle für Gesellschaft und Kultur adressieren. Architektur wird folgend als ein zentraler Parameter des menschlichen Daseins, als conditio humana begriffen und verhandelt. Bauen, das über das Handwerkliche hinausgeht, gehört nicht wie Rechnen, Schreiben, Lesen zu den kulturellen Grundfertigkeiten des Menschen, sondern ist vielmehr eine Kulturpraxis, die spezifische Fachkenntnisse 29 Vgl. Gérard Ringon: Histoire du métier d’architecte en France. Paris 1997. S. 101 f. 30 Ringon 1997. S. 102. 31 Zum politischen Engagement von Frankreichs Intellektuellen und Philosophen im Mai ’68 vgl. Günther Schiwy: Poststrukturalismus und „Neue Philosophen“. Reinbek bei Hamburg 1985. S. 16– 18; Joseph Jurt: Frankreichs engagierte Intellektuelle. Von Zola bis Bourdieu. Göttingen 2012. S. 216– 228 und Christian Faure: Mai 68. L’éruption postmoderne. Paris 2018. S. 57–74. 32 Vgl. Florent Champy: Les architectes et la commande publique. Paris 1998. S. 20 und Caroline Maniaque, Éléonore Marantz u. Jean-Louis Violeau: Mai 68. L’architecture aussi! Ausstellungskat. Paris 2018. S. 39–91. 33 Zur Architektenausbildung in Frankreich nach dem Mai ’68 vgl. Ringon 1997. S. 99–118 und Michel Denès: Le Fantôme des Beaux-Arts. L’enseignement de l’architecture depuis 1968. Paris 1999. 34 Jean-François Lyotard: In: Philosophien. Gespräche. Hrsg. von Peter Engelmann. Graz-Wien 1985. S. 115–128; hier S. 122.

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erfordert und in übergreifende Planungs- und Ausführungsprozesse eingebunden ist.35 So wie das Bauen am Beginn der Frühmoderne im Zuge des allgemeinen gesellschaftlichen Diversifikationsprozesses und immer neuer Technisierungsschübe vielgestaltiger und komplexer wurde, multiplizierten sich die Aufgaben und Rollen des Architekten innerhalb des Baubetriebs und der Gesellschaft. Seine Figur kann für die Moderne deshalb nur im Plural beschrieben werden. Methodisch nötigt der Befund zu einer Ausweitung des Interessens- und Analysespektrums. Wenn folgend eine vertikale mit einer horizontalen Betrachtungsachse kombiniert wird, geschieht dies im Näheren durch die Erörterung der Individualgeschichte eines deutschen Architekten vor dem gesamtgesellschaftlichen Wandel Frankreichs zwischen 1810 und 1870. Es wird dabei von der Annahme ausgegangen, dass Konzepte des Architektseins in dem Maße die Kulturentwicklung prägten, wie diese umgekehrt das Architektsein veränderten.36 Knapp ein Jahrhundert bevor die Architektursektion der Beaux-Arts-Schule geschlossen wurde, starb im Jahre 1867 einer ihrer erfolgreichsten und repräsentativsten Absolventen, der 1792 in Köln geborene Jakob Ignaz Hittorff. Während Delacroix 1855 den Prätentionen der Beaux-Arts-Elite zum Großen eine deutliche Absage erteilte, war sie für Hittorff Gütesiegel und Bestätigung seiner Zugehörigkeit.37 Dieser Zugehörigkeit widmete Hittorff einen Großteil seiner lebensgeschichtlichen Energien und Anstrengungen. Eine Prämisse hierfür war, dass Hittorff Paris zu seiner zweiten Heimat machte. Von Entfremdung oder Anpassungsdefiziten keine Spur. Im Gegenteil, Hittorff wurde ein besonderer Franzose. Denn zum Akademiemitglied ernannt, erhielt er die höchste gesellschaftliche Auszeichnung, die einem (Bau)Künstler in Frankreich zuteil werden konnte. Das damit verbundene hehre Selbstgefühl des Architekten lässt sich einer Porträtfotografie Hittorffs in Étienne Carjats populärem Panthéon Parisien. Album des Célébrités contemporaines entnehmen (Abb. 1).38 Während das Druckblatt Leben und Werk des Architekten in Worten preist, künden die strenge Pose und würdevoll distanzierte Mimik des Abgelichteten von dem in dieser 35 Hierzu bereits Vitruv in seiner De architectura, der die Architektenprofession nebst einem umfassenden Bildungswissen der ratiocinatio, d. h. dem Räsonieren und Konzipieren, unterstellte; vgl. Hanno-Walter Kruft: Geschichte der Architekturtheorie. Von der Antike bis zur Gegenwart. München 1985. S. 24. Zur Unterscheidung von Bauen als einem vor-architekturalen, materialorientierten Handwerk und der Baukunst als einer projektzentrierten Kulturtechnik vgl. Gottfried Semper: Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder Praktische Ästhetik. Ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde. Frankfurt/M. 1860. Bd. 1. S. 229. 36 Zu diesem Ansatz vgl. auch Martin Kohlrausch: Brockers of Modernity. East Central Europe and the Rise of Modernist Architects, 1910–1950. Leuven 2019. S. 57–96. 37 Die Beaux-Arts werden als ein die französische Öffentlichkeit normierendes und modellierendes (Elite)System bezeichnet und beschrieben von François Loyer u. Antoine Picon: L’architecte au XIXe siècle. In: Histoire de l’architecte. Hrsg. von Louis Callebat. Paris 1998. S. 152–171; bes. S. 166. 38 Zur Praxis der ‚Künstlerpantheonisierung‘ im französischen 19. Jahrhundert mittels des Porträtbildes vgl. Kerstin Thomas: Les panthéons d’artistes. Delaroche et Cornelius. In: Le culte des Grands Hommes, 1750–1850. Hrsg. von Thomas W. Gaehtgens u. Gregor Wedekind. Paris 2009. S. 371–408.

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Abb. 1: Albumblatt mit Porträtfotografie und Kurzvita Jakob Ignaz Hittorffs. Aus: Étienne Carjat: Panthéon Parisien. Album des Célébrités contemporaines. Paris 1861–1864

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Höhenluft angesagten Habitus. Dass Anerkennungen und Ehrungen spiegelbildlich auch das harte Pflaster des Architektenmetiers reflektieren, hat Hittorffs Freund und Schüler Karl Ludwig von Zanth einmal angemerkt. So gelte das öffentlich gespendete „Lobseifenbad“ der Rekompensation des Architekten für jene Wunden, die der Weg nach oben ihm geschlagen habe.39 Die hier angestellten Überlegungen suchen auf dieser Linie die Schauseiten von Größe und Pose eines Architekten mit den deutlich weniger manifesten Rückseiten seiner Lebenswelt zu kreuzen, wo sich gleichsam der Abrieb der durchlaufenen Aufstiegskanäle ansammelte. Ein erster Themenkomplex widmet sich den Stationen von Hittorffs früher Laufbahn zwischen Köln und Paris beziehungsweise der Rolle von Elternhaus und Schule sowie der Relevanz von Patronageverbindungen. Es werden dabei die persönlichen und strukturellen Bedingungen des Anfangs in Betracht genommen, die die Suchbewegungen des angehenden Architekten steuerten und die Türen ins Machtuniversum der Beaux-Arts öffneten. Soziologisch gesprochen wird sein Empowerment untersucht, also jener doppelte Vorgang von Eigeninitiative im Hinblick auf Selbstermächtigung und Selbstregierung einerseits und der Fremdsteuerung durch gesellschaftliche Institutionen andererseits, die wiederum unmittelbar auf das individuelle Engagement zurückwirkten.40 Anders gewendet: Hittorff war zwar Handelnder, mit ihm wurde aber auch gehandelt. Ein genauerer Blick fällt auf seine aktiven Bemühungen, sich ein eliteadäquates Kompetenzprofil zuzulegen, das den Selektions- und Rekrutierungsmustern der École und Académie des beaux-arts genügte. Beide Institutionen waren Instanzen der professionellen Qualifikation und der Festlegung von Karrierewegen. Den wichtigsten Vektor im Feld der Elitesoziologie hat bis heute Pierre Bourdieu mit seinen ideologie- und sozialkritischen Studien zu den Rekrutierungsmustern der Grandes Écoles gesetzt – womit zugleich die Gegenwart der akademischen Eliterekrutierung in Frankreich besser aufgearbeitet ist als ihre Anfänge.41 Diesem methodischen Pfad folgend wird die Architektenausbildung als eine Prozedur von Einschlüssen und Ausschlüssen, mithin als ein Mittel der Fremdbemächtigung beschrieben. Dabei werden Fragen nach den Mechanismen der Eliteauswahl gestellt, die die Architekturforschung bislang allenfalls sporadisch auf ihre Interessensagenda gesetzt hat. Im Zentrum der empirisch gestützten Betrach-

39 Der Begriff in einem Brief Zanths vom 12.3.1845 an Sulpiz Boisserée in Bonn; Köln, HAS, Nachlass Boisserée, 1018–A 387. Zanth hat den Gedanken in Bezug auf Schinkel ausformuliert: „In jedem Falle scheue ich nicht auszusprechen, daß in einer gall- und tadelsüchtigen, jedweder AutoritätsPietät hohnsprechenden Zeit wie die unsrige ist und zu seyn sich gefällt, die Anerkennung der Verdienste des Verstorbenen [Schinkel], die hier [in Berlin] noch stattfindet, mich wohlthätig berührt hat“; Brief Zanths aus Berlin vom 22.4.1847 an Sulpiz Boisserée in Bonn; ebd. 40 Vgl. Ulrich Bröckling: Empowerment. In: Glossar der Gegenwart. Hrsg. von Dems., Susanne Krasmann u. Thomas Lemke. Frankfurt/M. 2004. S. 55–62. 41 Vgl. Pierre Bourdieu: La noblesse d’état. Grandes Écoles et esprit de corps. Paris 1989 sowie Ders. u. Jean-Claude Passeron: Auswahl der Auserwählten. In: Die Erben. Studenten, Bildung und Kultur. Konstanz 2007. S. 9–41.

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tung wird der jährlich von der Académie des beaux-arts ausgeschriebene Rompreis stehen, der dem Gewinner ein großzügig dotiertes Stipendium an der Villa Medici in Rom, dem Außenposten der französischen Akademie, bescherte. Der Rompreis war das Nadelöhr für die französische Architektenelite. Die Betrachtung indes auf die bloße Erörterung von Produktions- und Selektionsformen der Architektenelite zu beschränken, würde unvermeidlich blinde Flecken erzeugen. Das Anspruchs- und Suprematiedenken der Akademie, die sich dem Vorrang von Frankreichs Wissenschaften und mithin der grandeur der Nation verschrieb, legt nahe, das Betrachtungsfeld weiträumiger abzustecken.42 Das akademische Eliteethos wird folgend, und dies gehorcht der anvisierten Verschiebung der vorliegenden Arbeit, nicht vom Höhenkamm der offiziellen Programmatik her untersucht, sondern von den nicht-diskursiven Substrukturen, hier besonders den Publikationsformen der Rompreisträger. Unser Ansatz setzt zwar durchaus auf empirische Kenntnisse, verfolgt darüber aber in erster Linie die Freilegung latenter Kräftemuster. Im Näheren gelten die Anstrengungen dem in der Architekturforschung wenig beachteten, kostspieligen Bildatlas in Folioformat, dem eine buchstäblich gewichtige Rolle im Ausfechten von wissenschaftlichen Positionen zukam. Paradigmatisch war sein Einsatz im sogenannten Polychromiestreit – einem zentralen ästhetikgeschichtlichen Debattenfeld des 19. Jahrhunderts, auf dem Hittorff als Wortführer auftrat. Den Sieg der Bauarchäologie über die Altphilologie, so unsere Behauptung, haben weniger die empirische Beobachtungskunst und der Deutungsdiskurs als die Folianten und die neu eingesetzte Farblithografie, also das Visualprimat, entschieden. Liegt der Fokus der Forschung einseitig auf ästhetischen Fragen und Theorieentwürfen, so wird der Polychromiestreit vorliegend als ein Ringen um Deutungshoheiten in dem sich neu konfigurierenden Feld der Altertumswissenschaften erörtert, wo Streitkultur und Darstellungsmedien zu zentralen Faktoren der Durchsetzung avancierten.43 Für Hittorff selbst hing von Sieg oder Niederlage im Polychromiestreit die Aufnahme in die Akademie ab. Auch deshalb blieb die Debatte nicht Debatte, sondern eskalierte zum Federkrieg. Ausschlaggebend für unsere Fragerichtung ist die Annahme, dass dem wissenschaftlichen Wahrheitsdiskurs wesentlich ein elitisti-

42 Zum Überlegenheitsmythos Frankreichs vgl. Klaus Schubert: Nation und Modernität als Mythen. Eine Studie zur politischen Identität der Franzosen. Wiesbaden 2004. S. 96–103. Damit verbunden ist eine Leistungs- und Erfolgserwartung, die sich im Falle der Beaux-Arts-Architektur nicht zuletzt in der internationalen Anerkennung und Vorbildfunktion seit Mitte des 19. Jahrhunderts ablesen lässt; vgl. Alice Thomine-Berrada: L’architecture française du XIXe siècle et les États-Unis. Filiation, exposition, collection. In: Un américain à Paris. Dessins d’architecture de la donation Neil Levine. Ausstellungskat. Paris 2016. S. 10–25 und David Van Zanten: What American Architects learned in Paris, 1845–1914. In: Nineteenth-Century Architecture. Hrsg. von Martin Bressani u. Christina Contandriopoulus. Chichester 2017. S. 513–533. 43 Die Problematik bleibt bis in die jüngste Forschung unreflektiert, etwa in dem Sammelband zur Polychromieentdeckung im 19. Jahrhundert von Uta Hassler (Hrsg.): Polychromie & Wissen. München 2019.

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scher Machtdiskurs zugrundelag. Unsere Anstrengungen gelten der Herausarbeitung dieser Differenz. Neben seiner erfolgreichen akademischen Laufbahn war Hittorff auch ein erfolgreich praktizierender Architekt. Im Alter von 26 Jahren erhielt er einen Posten als Hofarchitekten der aus dem Exil zurückgekehrten Bourbonen, was eine eigentümlich ambivalente Situation herbeiführte. Denn während die Eliteformation an der Kunstschule darauf setzte, Lebensläufe in ‚selbstbestimmte‘ Skripte zu übersetzen und dies ganz im Zeichen von offener Kompetition und Chancengleichheit, wurden am Hof die Habitus-Uhren der Architekten wieder auf Patronage und persönliche Privilegierung zurückgedreht. Der Hofanstellung verdankte er die frühe soziale und ökonomische Konsolidierung. Nach der Absetzung der Bourbonenmonarchie 1830 bedeutete sie allerdings auch den abrupten Karriereknick. Wie das Rad der Fortuna ihn emporgehoben hatte, ließ ihre Laune ihn plötzlich herunterstürzen. Der Befund gemahnt, das Betrachtungsfeld von Karriere und Kalkül nicht ohne Berücksichtigung des deutlich opakeren Erfahrungsfelds von Karriere und Kontingenz zu kartieren. Karriere erweist sich dann als Gemengelage von Selbst-, Risiko- und Zufallsmanagement. Ein zweiter Themenblock beschäftigt sich mit dem karrieregeschichtlichen Neubeginn in der Julimonarchie. Im Rahmen seiner Anstrengungen um die Bestallung zum Architekten der Stadt Paris machte Hittorff alte Verbindungen in die führenden politischen Kreise geltend. Klientelwirtschaft blieb in allen Karrierephasen eine Konstante. Noch der spätere Präfekt Baron Haussmann, der Hittorffs Erfolgskurve energisch abzuflachen unternahm, sollte sich zähneknirschend an ihn als einen Architekten erinnern, „dont la faveur en Cour était grande, au commencement du second Empire, comme sous la Restauration et sous le Gouvernement de Juillet“.44 Gleichzeitig fällt nach dem Karriereknick von 1830 Hittorffs forciertes Bemühen auf, sich ein weiteres Standbein als Entrepreneur aufzubauen, dessen Profil sich von dem eines Industriellen und Spekulanten allenfalls im Größenmaßstab unterschied.45 Hittorffs Wende zum ‚unternehmerischen Unternehmer‘ war nicht die offenkundigste, aber doch die gravierendste. Greifbar wird dabei ein Wandel zum projektförmigen Denken, das der Soziologe Ulrich Bröckling, „als eine spezifische Form, die Wirklichkeit zu organisieren“ beschreibt, „ein Rationalitätsschema, ein Bündel von Technologien, schließlich ein Modus des Verhältnisses zu sich selbst“.46 Hittorff spitzte 44 Georges-Eugène Haussmann: Mémoires. Hrsg. von Françoise Choay. Paris 2000. S. 1083. 45 Zur neuen Sozialfigur des Unternehmers im 19. Jahrhundert vgl. Youssif Cassis: Unternehmer und Manager. In: Der Mensch des 19. Jahrhunderts. Hrsg. von Ute Frevert u. Heinz-Gerhard Haupt. Frankfurt/M.-New York 1999. S. 40–66. 46 Ulrich Bröckling: Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform. Frankfurt/M. 2019. S. 251. Vilém Flusser brachte den tiefgreifenden subjektgeschichtlichen Binnenwandel modernekritisch auf die Formel „vom Subjekt zum Projekt“: „Als Objekt des Kalkulierens zerfließt der Mensch in sich einander überschneidende Netze von physiologischen, psychischen, sozialen und kulturellen Relationen; und der Mensch als Subjekt des Kalkulierens löst sich im Kalkulieren

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sein Leben und seine Karriere insofern projektförmig zu, als er ganz auf der Linie des Juste Milieu zusehends Politik, Industrie, Markt und Öffentlichkeit wechselseitig auf die eigenen Renditeinteressen verknüpfte. Seine Arbeit am unternehmerischen Selbst betrachten wir im Register dieser übergeordneten sozioökonomischen Wandlungsprozesse. Für dieses Kapitel haben sich die bislang kaum gewürdigten schöngeistigen Gesellschaften als besonders ergiebiger Betrachtungsgegenstand erwiesen, fungierten sie doch als Relais zwischen den unternehmerischen Interessen des Architekten und den suböffentlichen Kulturzirkeln von Paris. Im Näheren wird die Rolle der Societé libre des beaux-arts rekonstruiert, auf deren Plattform Hittorff die wissenschaftliche Propagierung seiner Polychromiethesen mit der Gründung der Firma Hachette & C.ie zusammenbrachte, welche das neuartige Industrieprodukt von farbig emaillierten Lavaplatten auf den Markt zu lancieren begann.47 Der technische und ökonomische Wandel in der Julimonarchie ist Anlass, Fragen zu jenem bis heute charakteristischen Konnex von kunstbasierter Industrie und industriebasierter Kunst zu diskutieren.48 Was sich als Etappe einer lebensgeschichtlichen Neuorientierung gibt, gehörte zur Employability eines Architekten in einem sich immer rascher diversifizierenden Jahrhundert, das sich ohne viele Bedenken dem Regime von Industrie, Technik und Ökonomie unterstellte. Dabei galt, je höher der Aktivitätspegel – bei Hittorff die Gleichzeitigkeit von planerischen, unternehmerischen und publizistischen Projekten –, umso günstiger die Wettbewerbsposition, aber umso höher auch die Anforderungen und Belastungen. Für einen Architekten der Frühmoderne war es die noch neuartige Erfahrung von Zeitverknappung und Beschleunigung. Hittorffs Alltagsgeschäfte rückten immer gedrängter unter die Gebote der Eile. Gleichwohl liegen für das Architektenmetier hierzu nicht nur keine Untersuchungen, sondern nicht einmal hinreichende Materialien vor. Folgend wurde eine erste Untersuchungsgrundlage zusammengestellt. In einem dritten Komplex wird das Niemandsland der Hybriden erkundet und kartiert, das sich weitgehend unbeachtet zwischen der Technikgeschichte einerseits und der Kunstwissenschaft andererseits aufspannt. Dabei vollzog sich die für das 19. Jahrhundert so symptomatische Kreuzung von Stein- und Eisenarchitektur, von high

selbst auf. Das ist der berüchtigte ‚Tod des Humanismus‘“; Vilém Flusser: Vom Subjekt zum Projekt. Menschwerdung. Bensheim-Düsseldorf 1994. S. 17. 47 Jüngere empirische Untersuchungen haben wichtiges Bild- und Dokumentationsmaterial bereitgestellt, ohne die Aspekte dieses historischen Feldes einer systematischen Fragestellung zu unterziehen; vgl. Michael Kiene u. David Van Zanten: Color into Life. Hittorff’s Laves Emaillées, 1834– 1841. Köln 2018. 48 Zu den Anfängen dieser Verbindung im 19. Jahrhundert vgl. Karlheinz Barck: Kunst und Industrie bei Léon de Laborde und Gottfried Semper. Differente Aspekte der Reflexion eines epochengeschichtlichen Funktionswandels in der Kunst. In: Art social und art industriel. Funktionen der Kunst im Zeitalter des Industrialismus. Hrsg. von Helmut Pfeiffer, Hans Robert Jauß u. Françoise Gaillard. München 1987. S. 241–268.

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und low art sowie von Klassik und Konsum, was eine folgenreiche Derangierung der geltenden kulturellen Hierarchien und Paradigmen nach sich zog. Das Problemfeld wird am Beispiel von Hittorffs Vergnügungsarchitektur des Champs-Élysées-Parks untersucht. Das dabei nachgezeichnete Bild einer in neuartigen Techniken und Materialien fundierten Architektur des Hybriden adressiert unter anderem die Verabschiedung eines älteren Forschungstopos, den Sigfried Giedion und Walter Benjamin in die Welt geschickt haben. Die Rede ist von der Frontstellung zwischen École polytechnique und École des beaux-arts, die Frankreichs Baustellen zu einem Kampfplatz zwischen „Konstrukteur und Dekorateur“ gemacht hätten.49 Giedion setzte hinzu, dass die „Drapierung[en]“ der Beaux-Arts den Fortschritt und mithin die Moderne gehemmt hätten.50 Das Gegenteil ist der Fall. Die hybride Verquickung von Technik mit der kanonischen Formensprache der Hochkunst veranlasst, Technikgeschichte allgemeiner als Kulturgeschichte zu verhandeln. Ein Paradebeispiel für die produktive Kreolisierung von Technik und Hochkunst stellt das frühe Stadtmobiliar dar, das sich von der Straßenlaterne über die Litfaßsäule bis zum Urinoir als ein Set technischer Artefakte in einem klassisch gewirkten Kleid präsentierte, womit deren Integration in den Kulturraum der Stadt gesucht wurde. Hittorff hatte grundlegende, in der Forschung bislang undiskutiert gebliebene Modelle und Konzepte erarbeitet, in denen Konstrukteur und Dekorateur eine ‚andere‘ Moderne als die funktionale des frühen 20. Jahrhunderts entwarfen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob man mit Ulrich Pfammatter behaupten kann, dass allein die École polytechnique und die École centrale des arts et manufactures den „modernen Architekten“ hervorgebracht hätten – denn es ist schlechterdings vereinfachend und unangemessen, die Geschichte des Architekten und der Architektur des 19. Jahrhunderts in der bloßen Dichotomie von modern/nicht-modern aufgehen zu lassen.51 Wenn wir das 49 Vgl. Walter Benjamin: Paris, die Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts. In: Ders.: Das PassagenWerk. Hrsg. von Rolf Tiedemann. Frankfurt/M. 1982. S. 45–59; Zitat: S. 46. Analog Sigfried Giedion: Raum, Zeit und Architektur. Die Entstehung einer neuen Tradition. Zürich-München 1976. S. 157. Ein ähnlich oppositionelles Bild hat die englische Forschung nach dem Zweiten Weltkrieg entworfen, wenn sie das crossover von Technik und Kunst in Großbritanien im 19. Jahrhundert vehement verwarf; vgl. Kate Nichols: Remaking Ancient Athens in 1850s London. Owen Johns, Gottfried Semper and the Crystal Palace at Sydenham. In: Architectural History and Globalised Knowledge. Gottfried Semper in London. Hrsg. von Michael Gnehm u. Sonja Hildebrand. Mendrisio-Zürich 2021. S. 137– 151; bes. S. 139 f. 50 Sigfried Giedion: Bauen in Frankreich, Bauen in Eisen, Bauen in Eisenbeton. Berlin-Leipzig 1928. S. 3. Zu einer Revision Giedions vgl. bereits Hélène Lipstadt u. Harvey Mendelsohn: Architecte et ingénieur dans la presse. Polémique, débat, conflit. Paris 1980. S. 1–6 sowie Sokratis Giorgiadis: Nachwort. In: Sigfried Giedion: Bauen in Frankreich, Bauen in Eisen, Bauen in Eisenbeton. Berlin 2000. S. 1–21. 51 Ulrich Pfammatter: Die Erfindung des modernen Architekten. Ursprung und Entwicklung seiner wissenschaftlich-industriellen Ausbildung. Basel-Boston-Berlin 1997. S. 8. Sein Statement gehört mittlerweile zum Handbuchwissen der Architektenschaft; vgl. Günther Fischer: Architekturtheorie für Architekten. Die theoretischen Grundlagen des Faches Architektur. Gütersloh 2014. S. 40 f. Die Dichotomisierung der französischen Kunst des 19. Jahrhunderts in konservative und progressive

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Verhältnis von Ingenieurbaukunst und Architektur im Register von Sozial- und Kulturgeschichte verhandeln, dann auch um der Falle des teleologischen Denkens zu entgehen. Denn historisch kann nur von einer sich stets wandelnden Relationalität (ohne Telos) ausgegangen werden. Ein vierter und abschließender Problemkreis widmet sich Haus und Familie des Architekten Hittorff. Zur Liste seiner Akkulturationsbemühungen gehört nicht zuletzt die Einbindung in gesellschaftliche Kerninstanzen seiner zweiten Heimat. 1824 heiratete Hittorff die Tochter eines französischen Architektenkollegen und gründete inmitten von Paris ein Foyer, in dem regelmäßig standesgemäße Soiréen mit französischen und internationalen Gästen stattfanden. Das nicht mehr erhaltene Wohnhaus in der Nähe der Kirche Notre-Dame-de-Lorette war einerseits privater Rückzugsort und familiärer Kokon des Architekten, andererseits Denkmal seiner Zugehörigkeit zur akademischen Werteelite Frankreichs. Von Letzterem legt besonders sein Arbeitskabinett Zeugnis ab, das er zu einer regelrechten Kultstätte der BeauxArts ausgestaltete. Hier trat seine Teilhabe an Frankreichs Elitensystem in den Augenschein – ein Befund, dem unsere Zusammenschau von Subjekt- und Strukturgeschichte gilt. Hittorffs Nachlass gelangte durch testamentarische Verfügung 1898 in den Besitz der Stadt Köln.52 Bis auf überschaubare Verluste hat sich der Bestand an Bauzeichnungen, Briefen, Büchern, Gemälden und archäologischen Fundstücken aufgeteilt zwischen Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, der Stadt- und Universitätsbibliothek, dem Stadtarchiv und dem Stadtmuseum sowie dem Archäologischen Institut der Universität zu Köln erhalten.53 Mit der Schenkung des Nachlasses erhielt Hittorffs Geburtsstadt eine gewisse Zentralität im Hinblick auf die Archivierung der schriftlichen und künstlerischen Dokumente sowie auf die nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende Erforschung. Den Anfang machte 1958 der Architekt Erich Schild, der mit seiner Dissertation den gewaltigen Nachlass von Hittorff systematisch gesichtet und kursorisch inventarisiert hat.54 Ihm folgte der Historiker Karl Hammer mit einer materialreichen Monographie, die 1968 in der Schriftenreihe des Deutschen Historischen Instituts zu Paris an einem publizistisch prominenten Ort

„Strömungen“ bestimmte bereits Arnold Hausers klassische Sozialgeschichte der Kunst und Literatur von 1951; hier nach der Ausgabe Arnold Hauser: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur. München 1972. S. 755. 52 Die Überführung erfolgte nach dem Tod von Hittorffs Sohn, des Architekten Charles-Joseph Hittorff (1825–1898). Hittorffs Testament teilabgedruckt in Hoffrath/Kiene 2020, S. 168 f. Zur Angelegenheit ferner: Karl Hammer: Jakob Ignaz Hittorff. Ein Pariser Baumeister 1792–1867. Stuttgart 1968. S. 225 und Gunter Quarg: Katalog der Bibliothek Jakob Ignaz Hittorff. Köln 1993. S. VIII. 53 Zur teilweisen Dispersion von Hittorffs Nachlass im Laufe des 20. Jahrhunderts vgl. Michael Kiene: Die Alben von Jakob Ignaz Hittorff. Das Album Sicile Moderne. Zeichnungen von einer Pilgerfahrt ins wahre Paradies der Künste. Köln 2013. S. 39. Die Schadensbilanz am Hittorff-Bestand nach dem Einsturz des Historischen Archivs in Köln am 3.3.2009 bleibt (so der Stand 2020) unklar. 54 Erich Schild: Der Nachlass des Architekten Hittorff. Aachen 1958.

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erschien.55 Es fällt nicht leicht, dieser Studie gerecht zu werden, weil sie einerseits das weit über Köln hinaus verstreute Quellenmaterial sondiert und gehoben hat, und deshalb für zukünftige Beschäftigungen mit Hittorff unverzichtbar bleibt, andererseits weil sie das Bild eines modellhaft verstandenen Erfolgsmenschen entwirft, also eine teleologische Geschichtsposition vertritt, die nicht selten wichtige Einsichten in spezifische Problemkonstellationen des 19. Jahrhunderts verstellt.56 Allem Positivismus zum Trotz ist Hammers Hittorff-Monographie einem Heroen-Begriff verpflichtet, dem es unmöglich ist, sich von der Bewunderung für seinen Protagonisten zu lösen. Die erste große öffentliche Präsentation des Kölner Nachlasses erfolgte 1986/87 im Rahmen einer Ausstellungskooperation zwischen dem Wallraf-Richartz Museum und dem Musée Carnavalet zuerst in Paris und anschließend in Köln. Die beiden Ausstellungskataloge in deutscher und französischer Sprache dürfen den Status einer ersten soliden historisch-kritischen Ausgabe von Hittorffs Gesamtwerk beanspruchen und bleiben bis heute ein wichtiger Referenzpunkt der Forschung.57 Wenn Hittorffs Leben und Werk so gut dokumentiert sind wie das kaum eines anderen deutschen Künstlers im Paris des 19. Jahrhunderts, dann verdankt sich das nicht zuletzt dieser Ausstellung. Zum gesicherten historischen Wissen trägt schließlich die seit 1996 von Michael Kiene unternommene Edition von Hittorffs Zeichenalben bei, welche die Stadt- und Universitätsbibliothek Köln aufbewahrt.58 Daneben steht Kienes 2011 in Paris veröffentlichte Monographie, deren nicht geringes Verdienst darin liegt, das auf den neuesten Stand gebrachte Grundlagenwissen zu Hittorff der französischen Forschung zugänglich gemacht zu haben. Da die Forschungsliteratur zu Hittorff hier nur kursorisch im Hinblick auf wichtige Schneisen behandelt werden kann, sei noch auf die thematisch weitverzweigte Aufsatzliteratur verwiesen, die weiteres Detailwissen bereitstellt und in der Summe eine durchaus beachtliche Kon-

55 Hammer 1968. 56 Für Hammers apologetischen Tenor ist bezeichnend, dass am Ende seiner Monographie nicht ein Fazit, sondern eine lokalpatriotische Hochschätzung des portraitierten Architekten steht: „Der Sohn und Nachkomme Kölner Handwerkerfamilien gereichte in der Fremde der Heimat zur Ehre“; Hammer 1968, S. 247. Zu Problematik und Grenzen der apologetischen Biographik in den Geschichtswissenschaften vgl. Hagen Schulze: Die Biographie in der „Krise der Geschichtswissenschaft“. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 29 (1978). S. 508–518 und Hellwig 2003, S. 127–130. 57 Anders verhält es sich mit den beiden in Bezug auf Methodik, Interpretation und Dokumentation mäßig reifen Doktorarbeiten von Donald David Schneider: The Works and Doctrine of Jacques Ignace Hittorff (1792–1867). Structural Innovation and Formal Expression in French Architecture, 1810–1867. New York-London 1977 und Susanne Klinkhamels: Die Italien-Studienreise (1822– 1824) des Architekten Jakob Ignaz Hittorff. Zeichnungen nachantiker Architektur. Köln 1995. 58 Michael Kiene: Die Alben von Jakob Ignaz Hittorff. Die Bauprojekte 1821–1858. Köln 1996; Ders.: Die Alben von Jakob Ignaz Hittorff. Die italienische Reise 1822–1824 (Paris-Rom). Köln 2012 und Ders.: 2013 sowie Ders., Lorenzo Lazzarini u. Clemente Marconi: Sicile Ancienne. Hittorff and the Architecture of Classical Sicily. Köln 2016.

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sistenz besitzt. Es sind vor allem fünf Studien hervorzuheben: So die unter der Leitung des Kölner Archäologen Henner von Hesberg exemplarisch katalogisierte archäologische Sammlung von Hittorff. Mario Kramp und Alison McQueen haben zwei wenig beachtete Nebenwerke des Architekten eingehend gewürdigt, nämlich die neogotische Grabkapelle Potocka auf dem Friedhof von Montmartre sowie das Armen- und Waisenhaus im Faubourg Saint-Antoine, das sogenannte Institut EugèneNapoléon. Jörg Ebeling hat die Tätigkeit und Entwürfe für die Preußische Vertretung und spätere Botschaft in Paris minutiös dargelegt, was nicht zuletzt Hittorffs enge Bande mit dem preußischen Königshaus erhellt. Aufschlussreich sind schließlich die von Thomas Ketelsen reflektierten Neuordnungsmaßnahmen auf der Place de la Concorde vor dem Hintergrund von Heinrich Heines Paris-Erfahrungen.59 Kennzeichnend für die monographische Hittorff-Forschung ist indes ihre internalistische Perspektive, die sich nicht weiter mit theoretisch-konzeptionellen Überlegungen aufhält oder übergreifende Fragen aufwirft. Sie geht in Bezug auf ihren Gegenstand ‚entdeckend‘, akkumulierend und sortierend vor und steht damit der klassischen Sozialgeschichte entgegen, die das Architektenmetier in Abhängigkeit von gesellschaftlichen Einflüssen und Entwicklungen, also externalistisch, untersucht. Der eine Forschungsstrang betreibt mithin Biographie- und Werkgeschichte, der andere sozialwissenschaftliche Strukturanalyse. Ernüchternd ist, dass sich beide Stränge einander nicht weiter wahr- und ernst nehmen. Anders gesagt: Die Erforschung des Architekten und seines Metiers im Frankreich des 19. Jahrhunderts erfolgt in zwei voneinander unabhängigen Paralleluniversen. So wie die Hittorff-Forschung von der in Frankreich lange schon etablierten Forschungstradition der Sozialgeschichte des Architekten unberührt geblieben ist, schlagen sich die Lebenslauf- und Werkanalysen zu einzelnen Architekten allenfalls marginal in soziologischen und sozialgeschichtlichen Studien nieder. Den Beginn der sozialwissenschaftlichen Architekturforschung in Frankreich markiert das 1921 von Géo Minvielle veröffentlichte Buch Histoire et condition juridique de la profession d’architecte, welches sich der Selbstorganisation und Institutionalisierung der Architektenschaft seit dem 19. Jahrhundert widmet. In der anschließ59 Henner von Hesberg, Klaus Berger, Daphni Doepner, Valentina Hinz u. Friederike NaumannSteckner: Die Antikensammlung des Architekten Jakob Ignaz Hittorff. In: Kölner Jahrbuch für Vor- und Frühgeschichte 25 (1992). S. 7–48; Mario Kramp: „… inspiriert von den prächtigen Figuren des Kölner Doms und der Sainte-Chapelle in Paris“. Entwürfe von Jakob Ignaz Hittorff (1792–1867) für eine neugotische Grabkapelle in Paris. In: Kölner Museums-Bulletin 2 (1996). S. 4–16; Alison McQueen: Women and Social Innovation during the Second Empire. Empress Eugénie’s Patronage of the Fondation Eugène Napoléon. In: Journal of the Society of Architectural Historians 66 (2007). S. 176–193; Jörg Ebeling: Die Preußische Legation und Botschaft. Hittorff und das Palais Beauharnais (1818–1867). In: Ein Meisterwerk des Empire. Das Palais Beauharnais. Residenz des deutschen Botschafters. Hrsg. von Dems. u. Ulrich Leben. Tübingen 2016. S. 102–117 u. 332 sowie Thomas Ketelsen: „Die Wunde unserer Zeit“. Hittorffs Verschönerung der Place de la Concorde im Spiegel von Heinrich Heines Paris-Erfahrungen. In: Paris erwacht! Hittorffs Erfindung der Place de la Concorde. Ausstellungskat. Köln 2017. S. 30–55.

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enden dichten Reihe von Sozialstudien zur Architektenprofession leisteten Pionierarbeit drei maßgebliche Veröffentlichungen: Die von Jean-Pierre Epron, Bertrand Lemoine und Jacques Rosen herausgegebene und kommentierte Anthologie Architecture, architectes. Enseignement, institutions, profession. 1790–1948 von 1981 sowie Annie Jacques’ Opusculum La carrière de l’architecte au XIXe siècle von 1986, das erstmals das Grundlagenwissen zur Beaux-Arts-Schule als Ausbildungsstätte für Architekten präsentierte, und die Arbeit des Soziologen Gérard Ringon Histoire du métier d’architecte en France, Paris 1997, die aus der Vogelflugperspektive auf die Institutionengeschichte des Architektenberufs seit dem französischen Mittelalter blickt.60 Noch die materialreiche Dissertation von Maxime Decommer Les architectes au travail. L’institutionnalisation d’une profession, 1795–1940, erschienen 2017, steht in dieser einschlägigen berufssoziologischen Forschungstradition. Einerseits kommt es diesem Forschungszweig darauf an, die Arbeits-, Organisations- und Repräsentationsformen des Architektenberufs quellennah und diskursiv zu erfassen und zu untersuchen, zum anderen missachtet oder gar leugnet er subjektgeschichtliche Komponenten und Faktoren, welche die Vergesellschaftung des Architekten gleichermaßen mitbedingen und mitmodellieren. Und nicht zuletzt ignoriert er, und das ist das Erstaunliche, die Elitethematik, inklusive der Prozeduren von Inklusion und Exklusion, welche die Tiefenstruktur von Gesellschaften wesentlich mitdeterminieren.61 Blickt man auf das Gros der monographischen wie sozialgeschichtlichen Ansätze, so lässt sich festhalten, dass sie sich in Bezug auf die Eliteformation des Architekten im Frankreich des 19. Jahrhunderts der herrschaftskritischen Reflexion weitgehend versagen.62 Wenn es einen Versuch gibt, gleichzeitig vertikale und horizontale Schnitte durch den politischen Körper der französischen Architektenschaft zu legen, dann ist es die empirische Studie von David Van Zanten Building Paris. Architectural Institutions and the Transformation of French Capital 1830–1870 von 1994. Aber auch an ihr fällt auf, dass sie dies unternimmt, ohne sich explizit auf eine Elitenperspektive und -begrifflichkeit einzulassen. Enorm bleibt gleichwohl die geleistete Grundlagenarbeit, von der auch das vorliegende Buch profitiert. Das Aufmerksamkeitsdefizit der Forschung gegenüber Frankreichs Architektenelite als einem Teil seines 60 Zu einer Differenzbestimmung von Architekt und Ingenieur vgl. indes die diskursanalytische Studie von Lipstadt/Mendelsohn 1980. 61 Im Feld der Berufssoziologie bildet Martinon eine Ausnahme, sofern er auf den Exzellenzstatus der Rompreisträger eingeht; Jean-Pierre Martinon: Traces d’architectes. Éducation et carrières d’architectes Grand-Prix de Rome aux XIXe et XXe siècles en France. Paris 2003. Kernprobleme des Elitehandelns und Eliteethos sowie des Elitenutzens in gesamtgesellschaftlicher Perspektive bleiben dennoch weitgehend unerörtert. 62 Ganz internalistisch geht noch die jüngste Synthese von Garric vor, welche die Beaux-Arts-Schule als staatliche Ausbildungsstätte für Architekten vorrangig unter der Begriffsarchitektur von „classical model“, „italophilia“ und „masterpieces“ abhandelt; Jean-Philippe Garric: The French BeauxArts. In: Nineteenth-Century Architecture. Hrsg. von Martin Bressani u. Christina Contandriopoulus. Chichester 2017. S. 45–59.

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Moderneprojekts scheint sich indes der Sache selbst zu schulden. Denn Funktionseliten verschwinden naturgemäß hinter den Kulissen der Institutionen, solange sie reibungslos laufen. Aber darin liegt auch schon ein Kern ihrer gesellschaftlichen Rolle und Verantwortung, dem sich die nachfolgenden Überlegungen widmen. Die Studie entschlägt sich der Versuchung eines Kompromisses von monographischem und sozialgeschichtlichem Ansatz und verschreibt sich stattdessen, wie angedeutet, einem Positionswechsel in Richtung Kulturwissenschaft, indem sie historische und systematische Fragestellungen kreuzt und damit bei aller Pluralisierung der Betrachtung eine integrale Perspektive anvisiert.63 Der Ehrgeiz der Untersuchung ist es, die vielschichtige Komplexität eines Architektendaseins mit einem über die Architekturforschung hinausgehenden Begriffsapparat und Problembewusstsein zu erfassen und dadurch den Reflexionsraum zu öffnen. Die Verschiebungen, die das Buch dabei vornimmt, ziehen nicht zuletzt die Auffächerung der Lebensgeschichte des „grand architecte“ Hittorff in viele kleine Erzählungen und Kontexte nach sich, die dem lebendigen Zickzackverlauf der Geschehnisse einen angemessenen Analyserahmen verleihen wollen – und was nicht zuletzt die Auswahl der Themen und Werke rechtfertigt, die sich grundsätzlich nicht an Glanzleistungen orientiert und keine empirische Vollständigkeit beansprucht. Wichtiger als das Bemühen, Hittorffs Werk zu ‚würdigen‘ und ihm auf dieser Basis eine kulturelle Priorität beizumessen, war es dieses Denkmuster zu überwinden und seine Tätigkeit als Architekt von der Verwobenheit und Interaktion mit kulturellen Konstanten und Dynamiken her zu verstehen.

63 Zu einer kulturalistisch ausgerichteten Architekturgeschichte, die ihre Genese in der angelsächsischen Forschung hat, vgl. Michael Parker Pearson u. Colin Richards: Ordering the World. Perceptions of Architecture, Space and Time. In: Architecture & Order. Approaches to Social Space. Hrsg. von Dens. London 1997. S. 1–37 sowie Hauser/Kamleithner/Meyer 2011–2013.

Karriere im Kopf Köln: Grundlegung einer Ambition „Sempre la virtù vince la fortuna“. Topos die Selbstermächtigung des Individuums betreffend aus Leon Battista Albertis Della Famiglia (1433) in den Worten von Eugenio Garin: L’umanesimo italiano. Filosofia e vita civile. Bari 1978. S. 74

Systematische Untersuchungen zu Berufsfindung und Berufswahl sowie allgemein zu schulischer Bildung und Erziehung von Architekten am Beginn der Moderne müssen sich mit der schmalen Materialbasis begnügen, der man hier allenthalben begegnet.1 Die Quellenlage zu Hittorff gestattet es immerhin eine Tour d’Horizon der Schul- und Jugendjahre vorzulegen.2 Sie vermitteln unter anderem ein Bild davon, dass es sich keineswegs um eine Lebensphase handelte, in der individuelle Entscheidungen möglich waren. Denn Bildungsweg und Berufswahl wurden von den Vorstellungen und Ambitionen des Elternhauses bestimmt. Im Näheren von jenen des Vaters Franz Alexander Hittorff (1767–1823), einem alteingesessenen Kölner Handwerker, genauer eines Blechschlägers, der die Schullaufbahn des Sohnes ganz ins Zeichen des sozialen Aufstiegs und damit eines familiären Kalküls stellte. Nicht zu übersehen ist, dass die Entscheidung des Vaters, seinem Sohn eine höhere Ausbildung angedeihen zu lassen, im Zusammenhang mit dem beachtlichen ökonomischen Aufwind stand, den Köln 1794 nach der Einnahme durch französische Revolutionstruppen und 1798 mit der Gründung des Département de la Roër erfuhr. Unter französischer Administration modernisierten sich das Rechts-, Verwaltungs- und Wirtschaftssystem der Stadt. Binnen kurzer Zeit lösten sich Handel und Gewerbe aus der Statik der ständischen Verhältnisse, gleichzeitig überwand das Handwerk die zünftischen Beschränkungen. Köln gedieh unter napoleonischer Herr1 Selbst in der sozialpsychologischen und soziologischen Lebenslaufforschung wird dem frühen Lebensabschnitt des Menschen auffällig wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht; vgl. Werner Fuchs-Heinritz: Biographische Studien zur Jugendphase. In: Lebensläufe und sozialer Wandel. Hrsg. von Karl Ulrich Mayer. Opladen 1990. S. 58–88 und Niklas Luhmann: Erziehung als Formung des Lebenslaufs. In: Bildung und Weiterbildung im Erziehungssystem. Lebenslauf und Humanontogenese als Medium und Form. Hrsg. von Dieter Lenzen u. Dems. Frankfurt/M. 1997. S. 11–29. Bezeichnend noch das Dunkel der Kindheitsjahre von Auguste Perret, einer Architektengröße Frankreichs des frühen 20. Jahrhunderts; vgl. Christian Freigang: Auguste Perret, die Architekturdebatte und die „Konservative Revolution“ in Frankreich 1900–1930. München-Berlin 2003. S. 10. Die Vitenliteratur der Renaissance füllte ihre Wissenslücken indes mit der anekdotischen Initiation des Künstlers aus; vgl. Ernst Kris u. Otto Kurz: Die Legende vom Künstler. Ein geschichtlicher Versuch. Frankfurt/M. 1995. S. 37–63. Für die Frühe Neuzeit nördlich der Alpen liegt jetzt vor die in Bezug auf soziale Herkunft und frühe Lehrzeit von Architekten materialreiche Studie von Anna-Victoria Bognár: Der Architekt in der Frühen Neuzeit. Ausbildung – Karrierewege – Berufsfelder. Heidelberg 2020. S. 59–96. 2 Die wesentlichen Quellen zusammengestellt bei Hammer 1968, S. 1–3. https://doi.org/10.1515/9783110733044-002

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schaft zur größten deutschen Gewerbestadt.3 Der gesellschaftspolitische Aufbruch weckte den Unternehmergeist von Franz Alexander Hittorff. Mit dem Erwerb von säkularisierten Kirchenimmobilien und deren gewinnbringende Verpachtung an die Stadt Köln sowie der Begründung eines Bestattungsmonopols legte der Vater das ökonomische Fundament für den sozialen Aufstieg der Familie.4 Die allgemeine Konjunktur erlaubte in die Laufbahn des einzigen Kindes zu investieren, d. h. in den milieuspezifischen „Aufstieg durch Bildung“.5 Wir erfahren aus einem Brief an Ferdinand Franz Wallraf (1748–1824), eine der Schlüsselfiguren des Kölner Bildungswesens, dass Franz Alexander Hittorff die Berufswahl seines Sohnes als die seinige reklamierte: „Weil ich ihn [Jakob Ignaz] zum Architekten bestimmt hatte“.6 Da die Wahl der Architektenlaufbahn durchaus in der Aufstiegsperspektive einer Handwerkerfamilie lag und sie auch – soweit wir rekonstruieren können – nicht gegen den Willen des jungen Hittorff erfolgte, erscheint sie weniger eingeimpft als akzeptiert worden zu sein.7 Was nichts daran ändert, dass der junge Schüler seine Berufswahl nicht aus freien Stücken traf. Die Sozialphilosophie kennt dafür den Begriff der Subjektivation. Er bezeichnet die Ambivalenz, dass ein Subjekt Autonomie erlangt, indem es sich sozialen Machtstrukturen unterwirft. Selbstbestimmung ist in dieser Beschreibungsweise paradoxerweise ein Phänomen der Fremdbestimmung, die den Einzelnen formt und bildet, ohne ihn zu unterdrücken.8 Und so mündete die Bevormundung des jungen Hittorff nicht in einen Kon-

3 Vgl. Peter Burg: Unter französischem Zepter. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Rheinland und Westfalen. In: Napoleon. Trikolore und Kaiseradler über Rhein und Weser. Köln-WeimarWien 2007. S. 167–184; hier: S. 174–177. 4 Vgl. Hammer 1968, S. 1 f. Zu den immensen Vermögensumschichtungen im Zuge der Nationalgüterveräußerungen in den rheinischen Departements vgl. die einschlägige Studie von Gabriele B. Clemens: Immobilienhändler und Spekulanten. Die sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung der Großkäufer bei den Nationalgüterversteigerungen in den rheinischen Departements (1803–1813). Boppard am Rhein 1995. 5 Sozialer Ort dieser Formel war im frühen 19. Jahrhundert die Mittelschicht; vgl. Peter J. Brenner: Bildungsgerechtigkeit. Stuttgart 2010. S, 57–62. 6 Brief von Franz Alexander Hittorff an Ferdinand Franz Wallraf, Köln, 21.9.1820; Köln, HAS, Nachlass Wallraf, 1105, Nr. 9, Blatt 10. Vgl. ferner Joachim Deeters: Der Nachlass Ferdinand Franz Wallrafs. Köln-Wien 1987. S. 90. 7 Zur älteren Tradition, dass Architekten Handwerkerberufen entstammen vgl. Bognár 2020. S. 59– 63. 8 „Subjektivation besteht eben in dieser grundlegenden Abhängigkeit von einem Diskurs, den wir uns nicht ausgesucht haben, der jedoch paradoxerweise erst unsere Handlungsfähigkeit ermöglicht. ‚Subjektivation‘ bezeichnet den Prozeß des Unterworfenwerdens durch Macht und zugleich den Prozeß der Subjektwerdung“; vgl. Judith Butler: Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung. Frankfurt/M. 2001. S. 8. Symptomatisch ist auch, dass Hittorffs frühe Biographen die Berufswahl als Einvernehmlichkeit zwischen Vater und Sohn darstellen: „Le père de M. Hittorff, passionné pour l’architecture, fit partager facilement ses sympathies à son fils qui … voulut être architecte“; so Guyot de Fère: Hittorff. In: Journal des arts, des sciences et des lettres et de l’Exposition universelle 2 (14. April 1855). S. 26–30; Zitat: S. 26.

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flikt mit dem Elternhaus, sondern war Konsens einer Familienpolitik zumal in Zeiten eines allgemeinen sozialen Aufwinds. Aus der deutschen Literaturgeschichte ist indes die (heroische) Figur des Bildungsverweigerers vertraut. Von Karl Philipp Moritz’ Anton Reiser (1786) bis zu Herrmann Hesses Unterm Rad (1906) geht der Weg der Selbstbestimmung junger Menschen gegen Elternhaus und Schule.9 Anders Hittorff und vermutlich die meisten nicht-literarischen Figuren seiner Zeit. Hittorff unterwirft sich der von wohlgemeinter Autorität geprägten familiären Lebenswelt und nutzt die Schule als potentiell offenen Raum und Sprungfeder des sozialen Aufstiegs. Wallraf beschrieb in einer 1820 im Beiblatt der Kölnischen Zeitung publizierten biographischen Notiz, also zu einem Zeitpunkt als Hittorff in Paris bereits ein arrivierter Architekt war, dass dessen Glück das Glück des Vaters war: „Sein [Jakob Ignaz Hittorff] unter uns noch weilender Vater hat durch klugen Plangeist, durch Fleiß und gelungene Unternehmungen sich empor gebracht, und genießt die höchsten Vaterfreuden an dem Glücke seines einzigen Sohnes“.10 Die Aussage spiegelt den Zeitgeist der Frühmoderne, sofern das erreichte „Glück“ als Komplement und Resultat eines unternehmerischen Risikos gewertet wird. Zugleich handelt sie davon, dass sich die Ambitionskultur durch eine projektorientierte Lebensgestaltung zu verwirklichen unternahm, welche die Familie als Ganze betraf. Sie macht schließlich insbesondere die Erfolgs- und Loyalitätserwartungen deutlich, die sich mit der gewährten höheren Ausbildung des Sohnes verbanden. Und Hittorff sollte niemanden enttäuschen. Indem die Eltern ihren Sohn auf eine feste und sichere Lebensbahn setzten, verpflichteten sie ihn ganz milieugerecht auf eine Strategie der Sicherheit. Sie traten als jene gesellschaftliche Instanz auf, welche die Mittel für den Bildungsgang bereitstellte und mehr noch die sich als enger und kooperativer Partner des Heranwachsenden erwies. Hittorff hob zu Ende seines Lebens rückblickend die entscheidende Rolle hervor, die sein Vater für seinen lebensgeschichtlichen Erfolg als Architekt besaß: „Sachant quelle heureuse influence a eu sur mon avenir le choix de livres d’architecture que mon père m’avait acheté de très bonne heure“.11 Durch umfassende Unterstützung und weitblickende Lebensplanung sollten aus dem Werdegang des Kindes, soweit es möglich war, Zufall und Hemmnisse verdrängt werden. Prägend waren Hittorffs Schul- und Jugendjahre auch insofern, als er lernte – und dies sollte sich ein Lebtag nicht mehr ändern –, seine Karriere nicht gegen, sondern im Ein-

9 Vgl. Brenner 2010. S. 60 f. 10 Wiederabgedruckt in Ferdinand Wallraf: Nachrichten über ehrenhafte Kölner unserer Zeit, welche durch ihre Ausübung und durch ihren aus der Fremde hierher schallenden Ruf in Kunst und genialer Wissenschaft sich besonders hervorthun. In: Ausgewählte Schriften. Hrsg. von Johann Heinrich Richartz. Köln 1861. S. 284–294; Zitat: S. 290. 11 So Hittorff in seinem Testament von 1861. Die Bücher sollen aus der aufgelösten Jesuitenbibliothek in Köln stammen und sollten nach seinem Tod zurück nach Köln gehen. Zitat nach Hoffrath/ Kiene 2020, S. 169.

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klang mit den Normen der Gesellschaft zu realisieren. Hittorffs Lebenslauf ist eine Mustergeschichte der Subjektivation. In Köln besuchte er die öffentliche Zentral-Schule.12 Befördert wurde die Aufnahme sehr wahrscheinlich durch die freundschaftliche Verbindung des Vaters mit Wallraf, dem Professor der Schönen Künste.13 Die Ausbildung an der angesehenen Zentral-Schule in Köln scheint gründlich, solide und umfassend gewesen zu sein. Neben dem intensiven Studium der deutschen und französischen Sprache empfing der Zögling, wie Wallraf überliefert, „gute Religionsgründe und sittliche Bildung“ – womit Wallraf freilich den Lehrauftrag der Zentral-Schule selbst beschrieb.14 Wenn sich Hittorff im späteren Leben der Schule erinnerte, dann nicht als einer Institution umfassender Bildung als vielmehr einer Qualifikationsetappe seiner Architektenlaufbahn. 1833 hielt er in einem offiziellen, an den Berliner Akademiedirektor Johann Gottfried Schadow adressierten Lebenslauf fest, dass im Zentrum seines schulischen Lehrplans Mathematik-Figuren und Architekturzeichnungen gestanden hätten.15 Zu vermuten ist, dass er damit den Unterricht bei dem Architekten Christian Löwenstein und dem Maler Caspar Arnold Grein meinte. Das schulische Kerncurriculum ergänzte Hittorff mit dem Besuch von Ateliers und Werkstätten der Architekten Michael Leidel, des späteren königlichen Regierungs- und Baurats Schaufs sowie des Steinhauermeisters Franz Leister.16 Hittorffs Schulausbildung würde man in den gegenwärtigen Bildungsdebatten durchaus als Modell begrüßen, war sie doch auf die kombinierte Förderung von kognitiven Fähigkeiten und den heute sogenannten skills for life angelegt. Schule war Ausbildung und damit bereits Teil des beruflichen Werdegangs. Und wenn man Wallraf Glauben schenken darf, war der Bildungserfolg der Zentral-Schule in Köln hoch. Hoch war auch die geweckte Ambition. Daran ermessbar, dass ein Schüler wie Hittorff bis in die Kapillaren hinein vom Ehrgeiz ergriffen war, so dass „fast alle Freistunden und Spiele … zu Vorübungen seines ihm bestimmten Faches benutzt“ wurden, wie Wallraf zu wissen vorgab.17

12 Zu Reform und Situation des Schul- und Bildungswesen im napoleonischen Rheinland und in Köln vgl. Michael Rowe: From Reich to State. The Rhineland in the Revolutionary Age, 1780–1830. Cambridge 2003. S. 132–138. 13 Zu Wallraf als Reformator des Kölner Bildungswesens Bianca Thierhoff: Ferdinand Franz Wallraf. Ein Sammler des „pädagogischen Zeitalters“. In: Lust und Verlust. Kölner Sammler zwischen Trikolore und Preußenadler. Hrsg. von Hiltrud Kier u. Frank Günther Zehnder. Ausstellungskat. Köln 1998. S. 389–405; Gudrun Gersmann: Paris 1812. Wallraf unterwegs. Ein Sammler, eine Reise und der Versuch, das kulturelle Erbe der Stadt Köln zu sichern. In: Wallrafs Erbe. Ein Bürger rettet Köln. Hrsg. von Thomas Ketelsen. Ausstellungskat. Köln 2018. S. 84–99 und Matthias Hamann: „Köln, das Athen am Rheine“. Wallrafs pädagogisches Konzept 1786. In: ebd. S. 48–57. 14 Wallraf 1861, S. 290. 15 Eigenhändig geschriebener Lebenslauf Hittorffs vom 2.12.1833. Berlin, AAK. Jetzt abgedruckt in Hoffrath/Kiene 2020. S. 74–76; hier: S. 74. 16 Vgl. Wallraf 1861, S. 290. 17 Wallraf 1861, S. 290.

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Ähnlich und doch anders zeigen sich die Verhältnisse bei dem drei Jahre älteren Franz Christian Gau, der 1810 ebenfalls von Köln nach Paris zum Architekturstudium übersiedelte. Gau stammte wie Hittorff aus einem bildungsfernen Milieu. Er war Sohn eines Metzgers, der aus dem wirtschaftlichen Aufschwung Kölns allerdings kein Kapital zu schlagen verstanden hatte.18 Die wirtschaftliche Lage des jungen Gau war im Vergleich zu jener Hittorffs ungünstiger. Gleichwohl konnte auch er eine höhere Schulbildung genießen und die Architektenlaufbahn einschlagen. Wallraf berichtete, dass sich Gau ganz aus eigenem Engagement und Interesse zum Studium entschlossen habe.19 Dennoch kann man aus einem späteren Brief an Sulpiz Boisserée ableiten, von dem Gau ein Exemplar des berühmten Bildtatlanten zum Kölner Dom erbat, dass sich seine Entscheidung zum Architektenberuf der Herkunft seiner Mutter verdankte und damit milieubedingt war. Denn Gau begründete die Bitte um ein Buchexemplar damit, dass er „Architekt und Nachkomme der Steinmetzen des [Kölner] Dom’s“ sei, denn „meine Familie stammt von Mütterlicher Seite, von einer Steinmetzer Familie aus Königswinter und wohnt noch am Drachenfels beim Steinbruch“.20 Trotz ähnlicher Startbedingungen sollten sich die Lebenswege von Gau und Hittorff in Paris unterschiedlich gestalten. Auf die Zusammenhänge wird zurückzukommen sein. In Hittorffs Schulzeit fällt auch sein Erstlingsbau. Im Alter von sechzehn Jahren entwarf er ein heute zerstörtes Bürgerhaus in der Schildergasse 84 zu Köln, was für sich von früh entwickelten Fertigkeiten und einer eminenten Zielstrebigkeit zeugt. Eine in Hittorffs Nachlass aufbewahrte Fotografie aus der Mitte des 19. Jahrhunderts trägt die Beschriftung „hotel construit d’après mes dessins en 1808“.21 Sie stand dem auf seine Kölner Anfänge zurückblickenden Architekten offensichtlich für die Einlösung einer Erwartung ein, die er zumal im Einklang mit Elternhaus und Schule in einen höheren Bildungsweg gesetzt hatte.

18 Vgl. Mario Kramp: Baumeister und Archäologe in Paris. Franz Christian Gau (1789–1853). In: Frankreichfreunde. Mittler des französisch-deutschen Kulturtransfers (1750–1850). Hrsg. von Michel Espagne u. Werner Greiling. Leipzig 1996. S. 289–346; hier: S. 293. 19 Wallraf 1861, S. 284. 20 Brief von Gau an S. Boisserée, Paris, 27.4.1824; Köln, HAS, Nachlass Boisserée, 1018–A 103. 21 Vgl. Hammer 1968, S. 263. Noch Charles-Ernest Beulé: [Nachruf auf Hittorff]. In: Journal des débats politiques et littéraires (15.12.1868). S. 2 erwähnt den Entwurf als Erstlingswerk: „L’on montre sur une place de Cologne la maison à laquelle Hittorff a mis la main à l’âge de dix-sept ans“. Die Straßenfront des Wohnhauses zu sieben Fensterachsen, zwei Geschossen und einem durchfensterten Mansarddach zeigt ein rustiziertes Erdgeschoss mit Rundbogenfenstern, eine ionische Kolossalordnung sowie ein Säulenportal vor risalitartig betonter Mittelachse, die ein Dreiecksgiebel bekrönt. Der Entwurf steht für Hittorffs schon frühe solide Kenntnisse in Sachen klassische Entwurfsprinzipien und Formensprache; vgl. Schneider 1977, Bd. 1, S. 25.

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Paris: Kontakte, Baustellenluft und normative Ästhetik Der Bau des Kölner Wohnhauses dürfte nicht zuletzt die Aspirationen des Vaters bestätigt und die Entscheidung befördert haben, dem Sohn, der französischer Rheinländer war, eine weiterführende Ausbildung in Paris zu finanzieren, das ganz anders als Köln nicht unter einem Defizit renommierter Architekturateliers litt.22 Im Gegenteil, die Übersiedlung des Siebzehnjährigen Anfang 1810 vom Département de la Roër in die Kapitale des napoleonischen Empire folgte einer vorgezeichneten Bahn, die Architekten und Bildende Künstler des um 1800 am Rande der europäischen Kunstentwicklung stehenden Deutschland längst gingen.23 Denn Paris, das Machtund Kunstzentrum in einem war, wie in den Jahrhunderten zuvor nur Rom, setzte kulturelle Wegmarken, nach denen sich die zeitgenössische Architektur, Bildhauerkunst und Malerei Europas bereits seit geraumer Zeit richteten.24 Die Verlagerung der kunstpolitischen Koordinaten von Rom nach Paris hatte unter Napoleon I. seine Klimax erreicht, was allein das Musée Napoléon zu belegen vermag, in dem die Leitbilder der Kunst Italiens – so die Belvedereantiken (Apoll, Torso und Laokoon) und 26 Werke Raffaels – zusammengetragen worden waren und das die Ströme der Künstler und Gebildeten vom Tiber an die Seine umleitete.25 Da war es zumal für Architekturstudenten aus den Rheinbundstaaten, dem Glacis des französischen Empire, nur konsequent den Weg nach Paris einzuschlagen. Über die Anfangsjahre der beiden Rheinländer Hittorff und Gau in Paris berichtete Wallraf 1820 in zwei Zeitungsartikeln unter dem hymnischen Titel Nachrichten über ehrenhafte Kölner unserer Zeit, welche durch ihre Ausbildung und durch ihren 22 Zum beträchtlichen Kulturgefälle zwischen Paris und Köln in napoleonischer Zeit als Movens der Künstlermigration gen Frankreich vgl. Kramp 1996 (a), S. 292–294. Zu Paris als bedeutendster europäischer Ausbildungsstätte für angehende Architekten: Hans-Georg Lippert: Zwischen Kunst und Wissenschaft. Architektenausbildung im 19. Jahrhundert. In: Gottfried Semper – Dresden und Europa. Die moderne Renaissance der Künste. Hrsg. von Henrik Karge. München-Berlin 2007. S. 175–186. 23 Zur Lehrzeit deutscher Maler in Paris liegt mittlerweile das zweibändige Lexikon vor von France Nerlich u. Bénédicte Savoy (Hrsg.): Pariser Lehrjahre. Ein Lexikon zur Ausbildung deutscher Maler in der französischen Hauptstadt. Berlin-Boston 2013–2015. 24 Zur sich öffnenden Schere zwischen Italien und Frankreich als den beiden konkurrierenden Kulturzentren in Europa um 1800 vgl. Michael Maurer: Frankreich oder Italien. Zur Idealkonkurrenz von Nationalcharakterstereotypen und Kulturmodellen um 1800. In: Frankreich oder Italien? Konkurrierende Paradigmen des Kulturaustauschs in Weimar und Jena um 1800. Hrsg. von Edoardo Costadura, Inka Daum u. Olaf Müller. Heidelberg 2008. S. 13–25; hier: S. 22: „Indem Frankreich … zum Synonym für Revolution und Moderne geworden war, konnte sich Italien zum Synonym für das Überzeitliche, Klassische, Christliche entwickeln“. 25 Zum Anspruch des napoleonischen Paris, die neue Kulturkapitale Europas zu sein, vgl. Johannes Willms: Paris. Hauptstadt Europas 1789–1914. München 1988. S. 166–174; zum Musée Napoléon vgl. Philippe Malgouyres: Le Musée Napoléon. Paris 1999 und zu den dort ausgestellten Werken Raffaels vgl. Jean-Pierre Cuzin: Raphaël et l’art français. Introduction au catalogue. In: Raphaël et l’art français. Ausstellungskat. Paris 1983/84. S. 47–65; bes. S. 56–58.

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aus der Fremde hierher schallenden Ruf in Kunst und genialer Wissenschaft sich besonders hervorthun.26 Die einem durchaus engen Lokalpatriotismus verpflichteten Artikel stellten zwei in Frankreichs Hauptstadt arrivierte Architekten vor, die – und darauf bezog sich das Hohelied – dem Nachwuchs der rheinischen ‚Normalbevölkerung‘ entsprungen waren. Wallraf lässt zwischen den Zeilen die Bedingungen des Erfolgs durchblicken: Zum einen die gute Schulausbildung in Köln, zum anderen ihre herausragenden Leistungen und schließlich ihr hohes Engagement und ihr gutes Benehmen. Bei Hittorff hob Wallraf „Treue, Fleiß und … Kenntnis“ als zentrale Persönlichkeitsmerkmale hervor.27 Indes ist auffällig, dass die Artikel nichts über Hittorffs und Gaus Vermittlung in den Pariser Kunstbetrieb hergeben. Der blinde Fleck dürfte sich nicht zuletzt einem Postskriptum von Franz Alexander Hittorff in einem Brief vom 21. September 1820 an Wallraf schulden, mit dem er die biographischen Angaben seines Sohnes weiterleitete und Wallraf dabei bat, jene „Gefälligkeiten“ in der Veröffentlichung nicht zu erwähnen, die seinem Sohn zuteil geworden waren, weil „so was immer beleidigt“.28 Die Briefstelle selbst belegt, dass es eine gelenkte Vermittlung gab, die Hittorffs Aufnahme in die Pariser Kreise begünstigen sollte.29 Obgleich oder gerade weil unausgesprochen blieb, um welche „Gefälligkeiten“ es sich genau handelte, liegt der besondere Wert der Aussage darin, dass im meritokratischen Denken des frühen 19. Jahrhunderts Protektion und Patronage, wie man sie unter vergangenen Herrschaftsverhältnissen praktiziert hatte, die individuellen Verdienste schmälern oder gar verschatten konnten. Mehr noch sollte die Illusion aufrecht erhalten werden, dass Jakob Ignaz Hittorff der alleinige, souveräne Akteur seines Karriereprojekts war. Noch Karl Hammer sollte die Bedenken von Hittorffs Vater teilen, wenn er Wallrafs Aussparungen mit einem idealistischen Bild füllte. So habe Hittorffs bevorzugte Aufmerksamkeit dem „täglichen Erlebnis von Kunstwerken der Alten“ gegolten;30 eine Aussage, die das spezifische Anliegen und Vorgehen von Hittorff in Paris weniger freilegen als verdunkeln. Denn die Seine-Metropole war für Hittorff wie für Gau mehr als nur ein Ort ergänzender Bildung und damit etwas anderes als für die Mehrzahl der deutschen Architekten, die hier von Leo von Klenze (1803) über Friedrich von Gärtner (1812–1814) bis zu Gottfried Semper (1826–1830) vor allem eine fachliche Grundlegung für ihre Karriere in der Heimat oder die Komplettierung ihrer Fachkenntnisse suchten.31 Hittorff und Gau waren, um es mit einer populär gewordenen 26 Wiederabgedruckt in Wallraf 1861. 27 Wallraf 1861, S. 292. 28 Köln, HAS, Nachlass Wallraf, 1105–A 8. 29 Über die Aufnahmemodi in Pariser Ateliers wissen wir nur so viel, dass es grundsätzlich einer Empfehlung bedurfte. Hittorff selbst sollte in späteren Jahren deutschen Malern seine Vermittlungsdienste anbieten; vgl. Nerlich/Savoy 2013–2015. Bd. 1. S. 210 u. 308. 30 Hammer 1968, S. 4. 31 Eine zusammenfassende Untersuchung der Pariser Lehrjahre deutscher Architekten des frühen 19. Jahrhunderts steht noch aus; eine erste Zusammenstellung bei Charles Saunier: L’attirance de

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Formel von Georg Simmel zu sagen, indes Fremde, die „heute kommen und morgen bleiben“.32 Die Fundamente des Architektendaseins in Paris fügten sich für Hittorff aus einem abgestimmten Ineinander von Fremd- und Selbstinitiative. Soziale Paten, die sogenannten „Gefälligkeiten“, sorgten für eine rasche Integration in das Architektenmilieu von Paris, was er durch individuelles Verhalten und Ambition in eine recht nahtlos nach oben zeigende Aufstiegslinie zu überführen verstand.33 Entscheidend für seine rasche Etablierung im Pariser Architektenmilieu war Hittorffs Einstellung im Baubüro von François-Joseph Bélanger (1745–1818). Wie er selbst angab, öffnete eine persönliche Empfehlung die Türen in dessen Atelier, das zu den ersten Adressen im napoleonischen Paris zählte. Als architecte du gouvernement zeichnete Bélanger für die Planung und Ausführung von zwei öffentlichen Großprojekten verantwortlich, einmal für das Schlachthaus in der Rue Rochechouart und zum andereren für die Kornhalle bei Saint-Eustache. Auf beiden Baustellen setzte er Hittorff ein, wie dieser 1833 in einem Curriculum vitae notierte: „Ein Empfehlungsschreiben, welches auf meinen späteren Wirkungskreis großen Einfluß übte,

l’art français au delà du Rhin de Napoléon I à Napoléon III. In: Revue des études napoléoniennes 12/ 2 (1917). S. 58–86. Semper sah in seinem Parisaufenthalt die Möglichkeit, „mit Vorteil neue Einrichtungen in seinem Vaterlande“ einzuführen; so in einem Brief an die Mutter, Paris, 25.8.1829, Zürich, gta-Archiv, 20–K–1829–08–25. Bei Klenze, Gärtner und Semper fällt auf, dass sie alle der geometrischen Entwurfsmethode von Jean-Nicolas-Louis Durand, dem Lehrer der École polytechnique, größtes Interesse entgegenbrachten, während diese für Hittorff, wie die Studienblätter zeigen, keine Rolle spielten. Zur Lehrzeit der genannten Architekten in Paris vgl. Werner Szambien: Die Ausbildung in Paris (1812–1814). In: Friedrich von Gärtner. Ein Architektenleben 1791–1847. Hrsg. von Winfried Nerdinger. München 1992. S. 41–49; bes. S. 44–48; Winfried Nerdinger: „Das Hellenische mit dem Neuen verknüpft“. Der Architekt Leo von Klenze als neuer Palladio. In: Leo von Klenze. Architekt zwischen Kunst und Hof 1784–1864. Hrsg. von Dems. Ausstellungskat. München 2000. S. 8–49; bes. S. 10–12 und Salvatore Pisani: „Allein vieles ist besser, leichter, zweckmäßiger, wohlfeiler als wir es kennen“. Sempers Lehrzeit in Paris und das akademische Ausbildungsprogramm. In: Gottfried Semper 1803–1879. Architektur und Wissenschaft. Hrsg. von Winfried Nerdinger u. Werner Oechslin. Ausstellungskat. München-Zürich 2003. S. 101–104 und Ders.: Studium – Individuation – Karriere. Gottfried Semper als Schüler von Franz Christian Gau. In: Sprachen der Kunst. Festschrift für Klaus Güthlein zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Lorenz Dittmann, Christoph Wagner u. Dethard von Winterfeld. Worms 2007. S. 215–226. 32 Georg Simmel: Exkurs über den Fremden. In: Ders.: Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. Berlin 1908. S. 509–512; Zitat: S. 509. – Neben Hittorff und Gau spielte der nicht näher bekannte Kölner Architekturstudent Meyer eine Rolle, der in den Listen der École des beaux-arts regelmäßig unter den Wettbewerbsteilnehmern erscheint; Paris, AN, AJ 52–97. In Edmond-Augustin Delaire: Les architectes élèves de l’École des beaux-arts. 2. Aufl. Paris 1907 nicht aufgeführt. 33 Da im Folgenden die Laufbahn nur für Hittorff rekonstruiert wird, sei für Gau verwiesen auf Kramp 1996 (a) und Ders.: Zwischen Paris und Köln. Franz Christian Gau. In: Gothic Revival. Religion, Architecture and Style in Western Europe 1815–1914. Hrsg. von Jan De Maeyer u. Luc Verpoest. Leuven 2000. S. 193–202. – Für die Anfangszeit von deutschen Malern haben Nerlich/Savoy 2013– 2015. Bd. 1. S. IX–XI ein Bild der konkurrentiellen und ruppigen Situation innerhalb der Ateliers und École des beaux-arts skizziert.

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führte mich zu dem Architekten Bélanger, welcher mich bald wie einen Sohn pflegte und unter dessen Leitung ich in den folgenden Jahren die Konzepte der damals entstandenen großen Schlachthäuser in der Straße Rochechouart und der eisernen Kuppel der berühmten Kornhalle ausarbeitete“.34 Bei Bélanger stand Hittorff zunächst in keinem Sold, schon bald aber in gehobener Position. Bélanger übertrug ihm die Leitung der seit 1807 im Bau befindlichen Kuppel der Kornhalle bei Saint-Eustache.35 Obenan waren hier Probleme der Organisation, Rationalisierung und Wirtschaftlichkeit des Baubetriebes zu meistern. Das waren elementare Aufgaben des Architektenalltags, die es in den Niederungen des Baustellenbetriebs zu erlernen galt.36 In der Zugluft des Bauplatzes eignete sich Hittorff also Architektur als Handwerk an. Der Stellenwert praktisch-administrativer Erfahrungen für den ‚Marktwert‘ eines Architekten ist Bélangers Empfehlungsschreiben für seinen Schüler Jean-François-Joseph Lecointe (1783–1858) im Jahre 1816 an den Prinzen von Condé zu entnehmen, den er als „artiste instruit“ und zugleich „administrateur économe“ qualifizierte.37 Die Relevanz bauwirtschaftlicher Kenntnisse für einen jungen Architekten hob auch Wallraf hervor, als er 1820 schrieb, dass Hittorffs Lehrzeit bei Bélanger nicht zuletzt der Begründung einer „reellen und ökonomischen Bauwissenschaft“ gedient habe.38 Zur Konkretisierung von Hittorffs frühen Baustellenerfahrungen sei kursorisch auf die Baugeschichte der Kornhalle eingegangen. Sie wurde zwischen 1763 und 1767 von Le Camus de Mézières als freistehende, ringförmige Anlage mit offenem Arkadenhof errichtet. 1782 erhielt sie nach Plänen von Jacques-Guillaume Legrand und Jacques Molinos eine Holzkuppel.39 Am 16. Oktober 1802 fiel die 40 m überspannende Holzkuppel einer Feuersbrunst zum Opfer. In der Folge zog der für den Wiederaufbau zuständige Innenminister Jean-Antoine Chaptal mehrere Architekten zu 34 Berlin, AAK, Lebenslauf Hittorff, 2.12.1833; jetzt (mit leichten Abweichungen meines Transskripts) wiedergegeben in Hoffrath/Kiene 2020, S. 74. 35 Zur Kornhalle, der Halle de blé, vgl. Mark K. Deming: La Halle au blé de Paris 1762–1813. „Cheval de Troie“ de l’abondance dans la capitale des Lumières. Brüssel 1984. 36 Zur Rolle der rein pragmatischen Bauökonomie für das Architektenmetier vgl. allgemein Christof Thoenes: „L’incarico imposto dall’economia“. Appunti su committenza ed economia dai trattati d’architettura. In: Arte, committenza ed economia a Roma e nelle corti del Rinascimento 1420– 1530. Hrsg. von Arnold Esch u. Christoph Luitpold Frommel. Turin 1995. S. 51–66 und speziell zu Frankreich Wolfgang Schöller: „Economie sage – économie mal entendue“. Über den Aspekt der Sparsamkeit in der französischen Architekturtheorie des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. In: „Bedeutung in den Bildern“. Festschrift für Jörg Träger zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Karl Möseneder u Gosbert Schüssler. Regensburg 2002. S. 293–308. 37 Das Empfehlungsschreiben Bélangers vom 31.1.1816 abgedruckt bei Jean Stern: L’ombre de Sophie Arnould. François-Joseph Bélanger, architecte des Menus Plaisirs, premier architecte du comte d’Artois. Paris 1930. Bd. 2. S. 277 f. 38 Zitiert nach Wallraf 1861, S. 292. 39 Zur Entwurfs- und Baugeschichte der Kornhalle im 18. und 19. Jahrhundert vgl. Dora Wiebenson: The Two Domes of the Halle au Blé in Paris. In: The Art Bulletin 55 (1973). S. 269–279 und Deming 1984.

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Rate. Darunter war Jean-Baptiste Rondelet (1743–1829), Lehrer für Stereotomie an der École des beaux-arts, der Entwürfe für die Errichtung einer Steinkuppel ausarbeitete, die jedoch wegen statischer Bedenken nicht zur Ausführung gelangten.40 Bélanger nutzte die Gelegenheit zwei Alternativprojekte einzureichen, die wegen des vorgesehenen Baumaterials – einmal Guss- und das andere Mal Schmiedeeisen – eine Sonderstellung einnahmen. In der Tat sollte sich am damals noch ungebräuchlichen Baustoff Eisen die Auftragsvergabe entscheiden.41 Bélanger vermochte in einer Kostenkalkulation zu plausibilisieren, dass die Ausführung in Eisen durch die zügige Montage und einen günstigen Unterhalt die Ausgaben einer Holzkuppel nicht überstiegen. Der auf innovativer Bautechnik und kluger Bauökonomie basierende Entwurf hatte Bélanger über die Konkurrenz siegen lassen. Die zwischen 1807 und 1813 errichtete Kuppel gilt in Frankreich als Pionierbau des Gusseisens, das hier seine außerordentlichen konstruktiven Möglichkeiten unter Beweis stellte.42 Eisen war bis dato als sichtbares Baumaterial in größerem Umfang im Brückenbau verwendet worden, so beim Ponts des Arts 1801 und dem Ponts d’Austerlitz 1806 in Paris.43 Anzumerken ist, dass Bélangers eiserne Kuppelkonstruktion bis in die späten dreißiger Jahre des Jahrhunderts eine seltene Ausnahme blieb. Erst Hittorff sollte mit dem eisernen Hängedachwerk der Panoramarotunde von 1839 an der Avenue des ChampsÉlysées einen vergleichsweise innovativen Konstruktionsentwurf vorlegen. Wenn sich Hittorff später den neuen bautechnischen Möglichkeiten des Eisens verschrieb, geht dies auf seine Erfahrungen im Atelier Bélangers zurück. Zeichnungen halten die neuartigen Arbeitsabläufe fest, welche die Montage der großen gusseisernen Bogenbinder erforderten (Abb. 2). Zu Hittorffs Aufgabenbereich gehörte die Koordinierung dieser Vorgänge. Die einzelnen Bogenstücke – angefertigt in der Gießerei Creusoz nach Detailplänen von Bélanger – wurden am Bau selbst zusammengefügt, wofür eine eigene Gerüstkonstruktion wie eigene technische Hilfsmittel (Winden und Hebelkräne) erdacht werden mussten. Dass die Baustelle keine alltägliche war, davon zeugt die Existenz der Zeichnungen selbst, welche die neuartigen Arbeitsschritte dokumentieren. Von der präzisen Anbringung der Arbeitsplattformen über die Abstimmung der Handgriffe und Arbeitsbewegungen (synchrones Schrauben wie gleichzeitiges Stemmen und Sichern der schweren Bogenteile) bis zu 40 Vgl. Robin Middleton u. Marie-Noëlle Baudouin-Matuszek: Jean Rondelet. The Architect as Technician. New Haven-London 2007. S. 77 f. u. 219 f. 41 Vgl. Wiebenson 1973, S. 273 f. und 278 f. 42 Vgl. André Guillerme: Bâtir la ville. Révolutions industrielles dans les matériaux de construction. France-Grande-Bretagne (1760–1840). Champ Vallon 1995. S. 234. Zur Vorbildhaftigkeit von Bélangers gusseiserner Kuppelkonstruktion entlang des gesamten 19. Jahrhunderts vgl. Wiebenson 1973, S. 279. 43 Zur Entwicklung der Bogenbinder der Halle au blé aus den eisernen Spannwerken von Brückenbauten (so beim Ponts des Arts) vgl. Bertrand Lemoine: L’architecture du fer. France, XIXe siècle. Seyssel 1986. S. 155 und Christian Schädlich: Der Baustoff Eisen als Grundlage für die Herausbildung qualitativ neuer Baukonstruktionen im 19. Jahrhundert. In: Zur Geschichte des Konstruierens. Hrsg. von Rainer Graefe. Stuttgart 1989. S. 138–151; bes. S. 138–141.

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Abb. 2: François-Joseph Bélanger: Kornhalle zu Paris. Darstellung von Arbeitsbühnen und -stationen am Baugerüst des eisernen Kuppelspannwerks, um 1810. Zeichnung, Ausschnitt. Köln, WallrafRichartz-Museum & Fondation Corboud, H. B. 32

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generellen Dispositionen wie Transport von Bauteilen und Platzierung von Arbeitsstationen innerhalb des Gerüstaufbaus. Hittorff betreute und beaufsichtigte diese Arbeitsvorgänge, nicht ohne auch eigene Ideen einzubringen, wie die Kupferdeckung der eisernen Unterkonstruktion, die er ohne die Verwendung von Nägeln und ohne Verlötung vornehmen ließ.44 Hittorff absolvierte seine praktische Lehrzeit aber nicht allein auf der technisch avanciertesten Baustelle der Epoche, sondern auch unter einem Baumeister, der durch Erfindergeist, Tatkraft und unternehmerisches Gespür vorlebte, aus welchem Holz ein erfolgreicher Architekt geschnitzt sein musste. Dass auch privatpolitische Klugkeit und Flexibilität zum Architektenberuf gehörten, lernte Hittorff im Frühjahr 1814 kennen, als nach dem Sturz Napoleons I. die Bourbonen aus dem Exil zurückkehrten, und Bélanger zunächst seine Stellung als Regierungsarchitekt verlor, aber nur um bereits wenige Wochen später in den Dienst des zurückkehrten Königshauses zu treten. Welchen taktischen Schachzug er auch immer geführt oder welche ‚Klinken‘ er auch immer geputzt haben mochte, er erhielt den angesehenen Posten des Architekten der Menus Plaisirs du Roi zurück, den er im Ancien Régime bereits bekleidet hatte.45 Der Wende vom höfischen Festdekorateur zum Bauingenieur und wieder zurück ist zugleich eine politische Volte eingeschrieben, die für einen Sympathisanten der Revolution von 1789 zumindest auffällig ist.46 Weit davon entfernt, die Geltung ethischer Maßstäbe in Abrede zu stellen, hat Bélanger mit der Entkoppelung von politischer Überzeugung und opportunistischem Handeln den Karriereknick abgewendet. Was Bélanger als unmoralischen Chamäleon erscheinen lässt, hatte insofern eine soziale Kehrseite, als der Fortbestand des Ateliers obenan seine Mitarbeiter einschloss.47 Für den Regierungs- und Hofarchitekten Bélanger war politischer Klientelismus und mithin die Zurückstellung der eigenen politischen Ethik 44 Die Vorgänge hatte er an der Dachdeckung des Schlosses von Porentruy studiert. Zu allen technischen Details vgl. Schild 1958, S. 11. 45 Bélangers erste Ernennung zum Inspecteur des Menus Plaisirs war 1775 erfolgt; Stern 1930, Bd. 1, S. 50. 46 Für einen Überblick über Bélangers beruflichen Werdegang vgl. die Synopsen von Alain Gruber: François-Joseph Bélanger. In: Saur. Allgemeines Künstlerlexikon. München-Leipzig 1994. Bd. 8. S. 364–366 und Susan B. Taylor: François-Joseph Bélanger. In: The Dictionary of Art. Hrsg. von Jane Turner. London 1996. Bd. 3. S. 523 f. – Das lebensgeschichtliche Auf und Ab zwischen Arrest, Flucht und Rückkehr während der Revolutionsereignisse spiegeln wesentlich drastischer die Biographien von Jacques-Louis David und Quatremère de Quincy; vgl. Middleton/Baudoin-Matuszek 2007, S. 246. Zu der Problematik, die hier nicht näher verhandelt werden kann, im Überblick Gerrit Walczak: Bürgerkünstler. Künstler, Staat und Öffentlichkeit im Paris der Aufklärung und Revolution. Berlin-München 2015. 47 Es gilt in Rechnung zu stellen, dass politische Wechsel besonders für jene Baubüros eine Überlebensgefahr bedeuteten, die in den Diensten und in der Abhängigkeit der Mächtigen standen. Das Verhältnis von Obrigkeit und Architekten in Frankreich analysiert Dietrich Erben: Architektur als öffentliche Angelegenheit – Ein berufssoziologisches Porträt des Architekten im Barock. In: Der Architekt. Geschichte und Gegenwart eines Berufsstandes. Hrsg. von Winfried Nerdinger. Ausstellungskat. München 2012. Bd. 1. S. 105–119; bes. S. 114–118.

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deshalb stets eine Frage der Kontingenz- und Risikobewältigung. Die Rolle, die Paternalismus und Solidarität in Architekturbüros spielten, entzieht sich bisher weitgehend der analytischen Aufmerksamkeit, obgleich deren Bedeutung, wie der Fall Hittorff zeigt, für Karrieren kaum hoch genug einzuschätzen ist.48 Denn allererst die durch Bélangers Atelier ermöglichte Integration in ein festes soziales Gehege sowie die dort gewährte Sekurität erlaubten es Hittorff, ein auf Kontinuität perspektiviertes Pariser Lebensskript zu entwickeln. Hittorff erhielt 1814 im Rahmen seiner Tätigkeiten für die Menus Plaisirs die Aufgabe, die Arbeiten an dem im Revolutionsjahr zerstörten Reiterstandbild Heinrichs IV. auf dem Pont Neuf zu überwachen.49 Im Jahr darauf, am 21. Januar 1815, war Hittorff an Dekorationsarbeiten anlässlich der Umbettung der sterblichen Überreste Ludwigs XVI. und Marie-Antoinettes vom Friedhof der Madeleine-Kirche nach SaintDenis beteiligt. Die gleiche Rolle hatte er bei den Hochzeitsfeierlichkeiten des Herzogs Karl Ferdinand von Berry und der Prinzessin Caroline von Neapel am 17. Juni 1816 in Notre-Dame zu Paris inne. 1817, ein Jahr vor seinem Tod, erwirkte Bélanger Hittorffs Ernennung zum Inspekteur der Menus Plaisirs, was ein festes Jahresgehalt von 1.800 Franken bedeutete.50 Dem nicht genug sorgte Bélanger dafür, dass Lecointe und Hittorff ab Sommer 1818 seine Nachfolge antraten. Im Sinne einer Gegengabe übernahmen die beiden die Fürsorge für den Siebzigjährigen während seiner letzten Lebensmonate und kümmerten sich um seine Beerdigung und sein Andenken.51 Lecointe und Hittorff entwarfen die Stele für Bélangers Grab auf dem Friedhof PèreLachaise. Hittorff hielt die Grabrede.52 Fügt man die Einzelbeobachtungen zusammen, entsteht von Bélangers Atelier das Bild einer ausgesprochenen Solidargemeinschaft. Die quasi-familiale Integration von Hittorff in die Lebenswelt seines Atelierchefs gehörte in gewisser Weise zum Ausbildungsgang dazu. Wenn Hittorff in Paris rasch Fuß fasste, lag dies nicht zuletzt an dem stimmigen und konfliktfreien Arbeitsumfeld, das gleichzeitig zu seiner sozialen Nahwelt gedieh. Auch das Verhältnis der Lehrlinge und Mitarbeiter Bélangers untereinander scheint der sozialen Inklusion förderlich gewesen zu sein. Hittorffs und Lecointes Arbeitsbeziehung muss, soweit feststellbar, ohne Konkurrenz und ohne Missgunst um Erfolg, Status und Ansehen ausgekommen sein. Alle Indizien sprechen von einer tiefen persönlichen Bindung, die Arbeit als einen Bestandteil von Freundschaft und umgekehrt erscheinen lässt. Sulpiz Boisserée befand nach einem Besuch bei Hittorff im Herbst 1820, dass beide, Hittorff und Lecointe, „innigst

48 Vgl. aber die verstreuten Beobachtungen bei Maxime Decommer: Les architectes au travail. Institutionnalisation d’une profession, 1795–1940. Rennes 2017. 49 Zu Bélangers und Hittorffs Arbeiten unter den Menus Plaisirs eingehend Françoise Waquet: Les fêtes royales sous la restauration ou l’Ancien Régime retrouvé. Paris 1981. 50 Hammer 1968, S. 13. 51 Hierzu ausführlich Stern 1930, Bd. 2, S. 350–352. 52 Hammer 1968, S. 22.

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verbunden“ waren.53 Beide Architekten lebten zusammen in einer Wohngemeinschaft am Boulevard Poissonnière. Und beide gaben, wie Michael Kiene dargelegt hat, ihren fast gleichaltrigen Söhnen denselben Namen Charles-Joseph, der eine Zusammensetzung aus ihren eigenen Vornamen war.54 Die soziale Integration im Atelier Bélangers verschuf Hittorff eine solide Position im Feld der französischen Architektur, die durch eine zweite Koordinate noch gestärkt wurde. Sie betrifft Hittorffs Eintritt in die ‚akademischen‘ Kreise Frankreichs. Als Jurymitglied des von der École des beaux-arts ausgeschriebenen Prix d’émulation hatte Bélanger das Recht, Schüler für den Unterricht und die verschiedenen Wettbewerbe der Schule vorzuschlagen. Am 2. April 1811 empfahl er die Aufnahme seines Lehrlings und Mitarbeiters Hittorff in die Beaux-Arts-Schule zu Paris.55 In seinem erwähnten Berliner Curriculum vitae von 1833 bezeichnete Hittorff Bélanger als seinen ersten Lehrer, dem mit Charles Percier, dem Architekten Napoleons, während der Studienzeit an der École des beaux-arts ein zweiter, noch prominenterer Lehrer an die Seite trat: „Zur nämlichen Zeit besuchte ich die Pariser Kunstakademie unter der Leitung des Architekten Percier, welcher beim Anblick meiner akademischen Mappen unentgeltlich Unterricht anbot, mein zweiter Lehrer [nach Bélanger] wurde und mich stets mit seiner Freundschaft beehrte“.56 Die hervorgehobene Nennung von Bélanger und Percier macht die beiden gleichsam zu CoAutoren von Hittorffs frühem Lebensskript. Bei Ersterem hatte Hittorff die Baustellenluft kennengelernt beziehungsweise den Architektenberuf als einer Erwerbsbiographie, bei Letzterem erhielt er die Weihen der höheren Baukunst. Es gilt zu wissen, dass die École des beaux-arts im frühen 19. Jahrhundert keine Ausbildungsstätte für Architekten im eigentlichen Sinne war. Hier wurde Architektur nicht als Praxis, sondern nach den Gesetzen der klassischen Ästhetik gelehrt. 53 Tagebucheintrag vom 9.10.1820; Sulpiz Boisserée: Tagebücher. Bd. 1: 1808–1823. Darmstadt 1978. S. 677. 54 Hittorff hieß ursprünglich Karl Ignaz bzw. Charles Jacques; vgl. Michael Kiene: Die Alben von Jean-François-Joseph Lecointe (1783–1858). Architekturen, Skizzen und Visionen. Livre Muse und Manuscrits divers. Köln 2005. S. 10 f. Zur Wohnsituation von Hittorff und Lecointe: Hammer 1968, S. 23. 55 Hittorffs Immatrikulationsbescheinigung lautet wie folgt: „Admission. M. Charles Jacques [sic] Hittorff né le 20 aout 1792 à Cologne département de la Roer [sic] demeurant Notre Dame des Victoires N° 20. Élève de, ou présenté par M. Bélanger est et sera admis aux leçons et concours de l’École spéciale d’architecture de Paris jusqu’à l’âge de trente ans; il est porté sur le registre de l’École sous le N° 179 à la date de ce jour. A Paris, ce deux avril 1811. Signature du présentateur: Bélanger, l’un des architectes du gouvernement. Le secrétaire-archiviste de l’École spéciale d’architecture: Vaudoyer“; Köln, WRM, Do. 227. Die Juryliste mit Bélangers Namen in: Paris, AN, AJ 52–97, S. 1. 56 Berlin, AAK, Hittorffs Lebenslauf, geschrieben am 2.12.1833. Bei Hammer 1968, S. 6, heißt es, dass Percier „den Grundstein seiner [von Hittorffs] Pariser Laufbahn [gelegt habe], indem er ihn an Bélanger empfahl“. Die Aussage schon bei Schild 1958, S. 10; korrigiert von Schneider 1977, I, S. 28– 31. Zu Perciers Zeichenschule Jean-Philippe Garric: Percier et Fontaine. Les architectes de Napoléon. Clamecy 2012. S. 162 f.

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Auch vergab die École des beaux-arts bis 1867 kein eigenes Zerfitikat oder Diplom für den Schulbesuch.57 Das Erlernen des Bauhandwerks von den sachlichen Notwendigkeiten, der Materialität und der Ökononomie her blieb im frühen 19. Jahrhundert Sache der Baubüros. Bezeichnet ist damit die duale Struktur der französischen Architektenausbildung. Staatliche École einerseits, private Baubüros andererseits. Die Beaux-Arts, die Architektur im Register der Ästhetik, eben als Bau-Kunst, lehrte, entschlug sich der Baupraxis. Gleichwohl waren Bau-Kunst und Bau-Praxis weniger Gegensätze als Komplemente.58 École und Baubüros bildeten jene strukturelle Klammer, innerhalb derer sich in Frankreich die Laufbahnen von Architekten abspielten. Während im nächsten Kapitel die Auslesemechanismen der Beaux-Arts-Schule behandelt werden, wird zunächst die Normativität der Beaux-Arts-Schulung anhand ausgewählter Studien- und Wettbewerbsentwürfe dargelegt.59 Wie oft Hittorff in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts an den monatlich ausgeschriebenen Prix d’émulation teilnahm, lässt sich nicht mit letzter Bestimmtheit feststellen. Dem im Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud zu Köln aufbewahrten Zeichnungscorpus nach zu urteilen, waren es zwei Dutzend Male.60 Mit Sicherheit nahm er an den folgenden Emulationswettbewerben mit unterschiedlichen Themenstellungen teil: 1812 Januar: Belvédère dans un parc Mai: Amphithéâtre d’histoire naturelle 1813 Juni: Salle de bain September: Brasserie November: Salle de concert 1814 Juli: Chapelle des baptêmes August: Boudoir pour grand Seigneur Oktober: Presbytère de village November: Baptistère 1816 Juli: Église paroissale pour une ville 1817 Mai: Poste aux chevaux

57 Annie Jacques: La carrière de l’architecte au XIXe siècle. Paris 1986. S. 37. 58 Zur persönlichen Lehre als Ausbildungsform von Architekten (am Beispiel Italiens) vgl. Elisabeth Kieven: Von Bernini bis Piranesi. Römische Architekturzeichnungen des Barock. Ausstellungskat. Stuttgart 1993. S. 26–31; zum französischen Ausbildungssystem siehe Jacques 1986, die ausschließlich die akademische Lehre in Rechnung stellt. 59 Eine Auflistung der Blätter des Wallraf-Richartz-Museums bei Schild 1958, S. 60–62. In Abgleichung mit den in den Archives nationales zu Paris erhaltenen Wettbewerbsprotokollen lassen sich die Blätter als Beiträge zu den Preisausschreiben der École des beaux-arts der Jahre zwischen 1812 und 1820 identifizieren. 60 Die Programmthemen des interessierenden Zeitraumes 1812–1820 aufgelistet in: Paris, AN, AJ 52–141, S. 230–232.

38  Karriere im Kopf 1818 Januar: Un hôtel pour les gardes de corps März: Monument sépulcral pour l’Institut 1819 Dezember: Tribunal de paix61

Das Wettbewerbsblatt Hittorffs für ein Krankenhospiz verdeutlicht beispielhaft die eingeübten Entwurfs- und Kompositionsnormen (Abb. 3).62 Das im Längsschnitt gezeigte mehrflügelige Gebäude besteht aus einem weiträumigen, zweigeschossigen Arkadenhof mit einem im Grunde des Gevierts (zur rechten Hand) liegenden dreischiffigen, tonnengewölbten Kirchenraum. Charakteristisch für diese Wettbewerbsarchitektur sind der weite Platzraum, die großzügigen Portiken, über welche die Bauflügel miteinander kommunizieren, und die auf wenige Bautypen und Architekturmotive reduzierte Formensprache. Die einheitliche Dachhöhe und die gleichförmigen Arkaden verleihen dem baulichen Ensemble eine rigide Kompaktheit. Das Beharren auf Konventionalität wird nicht zuletzt am Kirchengebäude, einem SäulenArchitrav-Bau, deutlich, dessen große Säulenstellung und fensterlose, kassettierte Chorapsis unverkennbar Jean-François Chalgrins Saint-Philippe-du-Roule (1767– 1784) nachgebildet ist (Abb. 29).63 Chalgrins klassizistischer Sakralbau war Kanon. Und Normativität hatten die Wettbewerbsblätter einzuüben. Die Einübung der Norm adressierte neben Bautypologie und Formenapparat auch die Darstellungsweise selbst. Zur Verdeutlichung sei ein Entwurf von PierreAnne Dedreux (1788–1849) für eine École polytechnique herangezogen, mit dem er 1815 den Rompreis gewann (Abb. 4). Dedreux zeigt das Schulgebäude einmal in Vorderansicht (oben) und das andere Mal, wie bei Hittorff, im Längsschnitt kombiniert mit Aufrissansichten. Die Analogien zwischen Dedreux’ und Hittorffs Bauentwürfen (der weite Arkadenhof, die einheitliche Firsthöhe und der Säulen-Architrav-Bau) sind auffällig und doch muss man keine zwangsweise Abhängigkeit zwischen den Blättern postulieren. Denn beide Entwürfe folgen ein und demselben Denken in Modellen und Normen, was schon die Aufgabentexte der Wettbewerbe selbst kennzeichnete, die grosso modo gleich lauteten. Hittorffs Entwurfsblatt für ein

61 Den Preisausschreiben zwischen 1815 und 1820 nicht zuweisbar sind die folgenden Blätter Hittorffs in Köln: Gerichtshof, Hotel, Krankenhaus, Haus eines Künstlers, öffentliche Markthalle, Gefängnis, Museum, Hospiz für Handwerksburschen; siehe Schild 1958, S. 60–62. Bei den zahlreichen Preisteilnahmen wurde Hittorff am 10.9.1814 eine Medaille für den zweiten Platz für den Entwurf eines Boudoirs zuerkannt; vgl. Paris, AN, AJ 52–97, S. 103 u. 164. Erwähnt wird die Medaille auch in einem Brief Hittorffs vom 29.4.1815; abgedruckt in: Agnès Goudail u. Catherine Giraudon (Hrsg.): Procès-Verbaux de l’Académie des beaux-arts. Bd. 1: 1811–1815. Paris 2001. S. 353. Anm. 2. 62 Genau genommen handelt es sich bei dem Blatt nicht um die sogenannte esquisse, die der Preisjury zur Beurteilung vorgelegt wurde, sondern um den rendu, d. h. um die im Anschluss der Wettbewerbsteilnahme angefertigte Reinzeichnung. 63 Vgl. Sabine Drilhon-Codet: Saint-Philippe-du-Roule. In: Rue du Faubourg-Saint-Honoré. Hrsg. von Béatrice de Andia u. Dominique Fernandès. Paris 1994. S. 327–332.

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Abb. 3: Jakob Ignaz Hittorff: Entwurf für ein Krankenhospiz im Stil der akademischen Preisausschreiben, 1815–1820. Längsschnitt. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, St. 40

Abb. 4: Pierre-Anne Dedreux: Entwurf für eine École polytechnique. Grand Prix von 1815. Ansicht und Längsschnitt. Paris, École nationale supérieure des beaux-arts, PRA 157–3

Krankenhospiz könnte ohne weiteres dem Ausschreibungstext für den Prix de Rome von 1815 entsprechen, den Hittorff kannte, weil er daran teilgenommen hatte: L’établissement sera disposé pour recevoir 320 élèves repartis en deux divisions et l’édifice renfermera, savoir: 1° un bâtiment principal et plusieurs autres subsidiaires, 2° une grande cour, accompagnée de plusieurs autres cours de services, 3° des galeries pour communiquer à couvert aux differens étages dans toutes les parties de l’établissement … [sowie eine] chapelle de grandeur convenable.64

Dem großen, jährlich im Mai ausgeschriebenen Rompreis ging der Concours d’essai, ein Auswahlwettbewerb, voraus, für den dreißig Teilnehmer zugelassen waren. Hittorff hat nachweislich an vier sukzessiven Concours d’essai zu folgenden Themen teilgenommen: 13. Mai 1815: Pavillon de bain 10. Mai 1816: Petite chapelle à la Vierge à la rencontre de deux chemins 09. Mai 1817: Chapelle pour un hospice d’orphelin 08. Mai 1818: Portail d’église paroissale de 40 mètres dédié à Saint-Louis.65

64 Programm vom 21.5.1815; Paris, AN, AJ 52–97, S. 140 f. 65 Paris, AN, AJ 52–97, S. 132 f., 178 f., 218 f. u. 273 f.

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Aus den Teilnehmern des Concours d’essai wurden acht Finalisten für den am Folgetag stattfindenden Grand Prix de Rome ausgewählt. Hittorff kam 1815 auf Platz vier und 1817 auf Platz acht. Damit nahm er, um in der Terminologie der Schule zu bleiben, zweimal als logiste am Rompreis teil. Da Hittorff 1814 nach der Abdankung Napoleons und der damit verbundenen Auflösung des Département de la Roër seine französische Staatsbürgerschaft verloren hatte, beantragte er am 29. April 1815 zunächst bei der Académie des beaux-arts und dann beim Innenminister Le Breton, dennoch am Rompreis teilnehmen zu können. Dem Gesuch wurde vom Innenministerium wie folgt stattgegeben: „10 ans de séjour en France donnent le droit de citoyen, d’après la constitution de l’an VIII“.66 Für die Ausarbeitung der unmittelbar nach ihrer Auswahl verkündeten Preisaufgabe hatten die Finalisten mehrere Monate Zeit. Einzureichen waren im Präsentationsformat auf je einem eigenen Blatt Grundriss, Aufriss und Längsschnitt. 1815 hatte sich Hittorff der Aufgabe zu stellen, ein Gebäude für eine Polytechnische Schule zu entwerfen, 1817 für ein Musikkonservatorium.67 Beide Male ging er leer aus. Wir ziehen aus dem Gesagten Folgerungen. Grundsätzlich ist die Einsicht nicht neu, dass professioneller Erfolg oder Misserfolg im Architektenmetier nicht vom künstlerischen ‚Talent‘ allein, sondern genauso von der Beherrschung relevanter Habitustechniken, dem Durchsetzungsgeschick gegen Konkurrenten, kluger Geschäftspraktiken, aber genauso von externen, kaum beeinflussbaren Faktoren abhängig ist. Bei Bélanger hatte Hittorff gelernt, wie man sich in sozialen Arenen erfolgreich bewegt und wie man sich speziell im politischen Feld Netzwerke aufbaut und pflegt, um im Spiel um Posten und Pfründe gewinnbringend ‚mitzumischen‘. Neben den privatpolitischen Machtlogiken, die den Alltag eines Architekten bestimmten, hatte Hittorff bei Bélanger auch die Organisationsprozesse und Ökonomien einer Baustelle erlernt. Als Regierungsarchitekt Napoleons praktizierte Bélanger sein Metier als Unternehmer-Architekt – vorrangig darum bemüht, wie im Falle der Kuppelkonstruktion der Kornhalle rentable und zeitökonomische Lösungen zu erarbeiten. Wer sein Leben zu einer durchhaltbaren Erzählung formen will, muss zu Flexibilität und Lossagung von einmal errungenen Positionen bereit sein. Bélangers karrieregeschichtliche Kontinutität verdankte sich paradoxerweise einer Diskontinuität, nämlich der wechselnden Anstellungen unter opponierenden politischen Regimen. Mit der Ernennung zum Hofarchitekten der Bourbonen erfolgte Bélangers Volte ins andere Extrem der Anforderungen. Denn als Architekt der Menus Plaisirs du Roi hatte er den höfischen Geboten von Prachtentfaltung und Verschwendung, Magnifizenz und Splendor gerecht zu werden – unwirtschaftliches Wirtschaften, das lässt sich bereits in Aristoteles’ viertem Buch der Nikomachischen Ethik nachlesen, ist ein herrschaftliches Mittel des Prestigegewinns. Dass Bélanger im Preissystem 66 Zitiert nach Goudail/Giraudon 2001, S. 354. 67 Die Grand Prix-Themen des 19. Jahrhunderts aufgelistet bei Delaire 1907, S. 137. Zu Hittorffs Wettbewerbsblättern vgl. Schild 1958, S. 60.

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der École des beaux-arts Juror war, rundet das Bild von ihm als eines in den entscheidenden Pariser Zirkeln etablierten Architekten ab. Hittorff hatte um 1820 selbst Status und Ansehen Bélangers erreicht und unternahm es nun, seine Position auszubauen. Den Ehrgeiz und Habitus, den er dabei an den Tag legte, illustriert ein Brief von Sulpiz Boisserée an den Bruder Melchior vom 24. Oktober 1820. Boisserée entwarf von Hittorff das Bild eines arrivierten Hofarchitekten, zu dessen Ambiente längst die tonangebenden Kreise von Paris gehörten: Hittorf [sic] ist – (alle vermuthen durch Weiber Protection) – ein glücklicher Architect des menus plaisirs du Roi! beträgt sich sehr ordentlich und verständig und hat genug gelernt, um sich mit Gescheidtigkeit in seiner Position zu erhalten; er kömmt zu Gerard, Langlés [d. h. deren Salons], usw. [Alexander von] Humboldt sagt, es sey die completeste Fortune, die ein junger Mann, der nur eine Art Dandy, wie die Engländer sagen, ist, irgend machen könne.68

Die Briefpassage macht das soziale Portfolio transparent, dessen es bedurfte, um auf dem Parkett der Standeselite zu bestehen. Hier waren ausschlaggebend Patronage („Weiber Protection“), klug gewählte Verhaltens- und Auftrittstechniken („Gescheidtigkeit“, „Dandy“-Attitüde); aber auch das Glück („Fortune“) leistete seinen Tribut.69 Ein Seitenblick auf die im Verhältnis ungünstigere professionelle Position von Gau in den frühen 1820er Jahren unterstreicht das von Hittorff Erreichte und die dazu notwendigen Strategeme von einer anderen Warte aus. Gau wurde nach dem Tode des Architekten Friedrich Weinbrenner von Freunden und Vermittlern gedrängt, sich auf dessen Direktorenposten der Polytechnischen Schule in Karlsruhe zu bewerben. Er bat Sulpiz Boisserée am 21. März 1826 um Rat und skizzierte dabei seine zwischen Aufbruch und Bleiben insgesamt wankende Pariser Lebenssituation nebst der fehlenden diplomatischen Ader für einen Leitungsposten: Sie wissen, wie sehr ich immer gewünscht nach Deutschland, (Preußen ausgenommen) zurückzukehren, wie sehr ich mich bemüth im Vaterlande irgend eine Wirksamkeit zu finden und wie ungern ich mich entschlossen in Paris zu bleiben. Eine solche Gelegenheit, wie die die sich darbiethet, wenn auch nur halb so günstig, wäre mir vor einiger Zeit außerordentlich willkommen gewesen. In diesem Augenblick zeigen sich hier die besten Aussichten und ich habe erst jetzt mich entschließen können, ein Gesuch deshalb an die badische Regierung zu senden. H. v. Humboldt, der dasselbe unterstützt und Sie besonders grüßen lässt, glaubt dennoch, dass 68 Brief abgedruckt in Pierre Moisy: Les séjours en France de Sulpice Boisserée 1820–1825. Contribution à l’étude des relations intellectuelles franco-allemandes. Lyon-Paris 1956. S. 212–215; Zitat: S. 215. 69 Den vom Adel frequentierten und unterhaltenen Pariser Salon der Restaurationszeit hat Philarète Chasles in seinen Memoiren als „Nadelöhr“ in die gehobene Gesellschaft beschrieben: „Einige Damen [gewährten] Zutritt zu ihren Salons, welches der erste Schritt und die unvermeidliche Einführung für jeden Mann ist, der in Frankreich erfolgreich sein will“; das deutsche Zitat nach Willms 1988, S. 243. Zur Pariser Salonkultur allgemein Stéphane Guégan: Le salon à l’époque romantique. In: Paris romantique. 1815–1848. Hrsg. von Jean-Marie Bruson. Ausstellungskat. Paris 2019. S. 138– 155.

42  Karriere im Kopf

jene Stelle mehr ein Finanz-Geschäft als ein eigentliches Kunsttreiben sei und dass mein träger (oder besser zu sagen mein unbehülflicher) Charakter vielleicht zu solchen Hof- und Welt-Geschäften nicht passen würden.70

Wenn Boisserée und Humboldt indes den jungen Hittorff bespöttelten, dann auch weil sie alte, vorrevolutionäre Verhältnisse aufs Korn nahmen – denen Gau kategorisch den Rücken zukehrte. Der zitierten Briefpassage von Boisserée wohnt das Verdikt eines überkommenen Gesellschaftskonzepts inne.71 Denn während die Standesgesellschaft Hedonismus und Klientelismus pflegte, forderte die nachrevolutionäre Meritokratie Askese und Leistung. Das bisher Ausgeführte macht deutlich, dass Hittorff beide Klaviaturen spielte – während sich Gau in selbstkritische Zermürbung zurückzog. Da letztlich nicht der Pariser Salon oder die Hofgesellschaft die Definitionsmacht über das Architektenmetier besaß, hatte sich Hittorff in dieser Hinsicht an die Beaux-Arts-Schule und die Akademie zu halten. Der karrieregeschichtliche Upgrade hieß für einen Architekten Rompreis.

70 Brief von Gau an S. Boisserée, Paris, 21.3.1826; Köln, HAS, Nachlass Boisserée, 1018–A 103. 71 Im Versuch, dem Bild von Hittorffs Pariser Existenz jede Trübung zu nehmen, unterstellt Hammer 1968, S. 37, Humboldt in Bezug auf den Dandy-Vorwurf „Boshaftigkeit“ und verkennt dabei, dass Hittorff seine Rolle dem jeweiligen Soziotop anpasste. – Zu dem sich in der Restaurationszeit mit den aus dem englischen Exil zurückgekehrten Höflingen in Frankreich rasch verbreitenden Dandytum John C. Prevost: Le dandysme en France. Genf 1957. S. 43–53. Zu Charakteristiken und ‚Lebensphilosophie‘ dieses Sozialtypus des 19. Jahrhunderts ferner Peter V. Zima: Vom Dandy zum Künstler – oder Narcissus bifrons. In: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte 7 (1983). S. 406–434 und Günther Erbe: Dandys – Virtuosen der Lebenskunst. Eine Geschichte des mondänen Lebens. Weimar-Wien 2002. S. 107–190.

Die Architektenelite der Beaux-Arts-Schule Der Rompreis oder Wie man in den Kreis der Auserwählten aufgenommen wird Die am 4. August 1819 durch Erlass Ludwigs XVIII. offiziell gegründete École des beaux-arts, die ihre Arbeit aber bereits 1797 aufgenommen hatte, bestand aus zwei Abteilungen.1 Die eine widmete sich den Bildenden Künsten, d. h. der Malerei und Skulptur, die andere der Architektur. Die zweifache Ausrichtung der neuen staatlichen Kunstschule verweist auf ihre Herkunft aus den im Zuge der französischen Revolution aufgelösten königlichen Kunstakademien, der Académie royale de peinture et de sculpture (gegründet 1648) einerseits und der Académie royale d’architecture (1671) andererseits.2 Wie schon im Ancien Régime fand der Zeichen- und Entwurfsunterricht in eigenen Ateliers außerhalb der Schulmauern statt und blieb in beiden Abteilungen unverändert um einen einzigen Fixpunkt organisiert, dem von der Akademie jährlich ausgelobten Prix de Rome.3 Mit einem Gewinner pro Jahr war der Rompreis hochselektiv.4 Er bestand in einem Fünfjahresstipendium, das an die Entsendung an die Académie de France in Rom gebunden war, die seit 1802 ihren Sitz

1 Zur Neugründung der École des beaux-arts Annie Jacques: Historique. In: Les Beaux-Arts, de l’Académie aux Quat’z’arts. Anthologie historique et littéraire. Hrsg. von Ders. Paris 2001. S. 7–26. 2 Vgl. Wolfgang Schöller: Die Académie royale d’architecture 1671–1793. Anatomie einer Institution. Köln-Weimar-Wien 1993 und Dietrich Erben: Paris und Rom. Die staatlich gelenkten Kunstbeziehungen unter Ludwig XIV. Berlin 2004. S. 137–217. Zur Geschichte der Akademiegeschichte vgl. Markus A. Castor: Kunstpolitik und akademische Freiheit. Eine Bestandsaufnahme ausgehend von der Académie royale de peinture et de sculpture. In: Regards croisés 4 (2015). S. 12–21 (letzter Zugriff 10.9.2020). 3 Zum dualen Lehrsystem von Preisausschreiben und „ateliers privés“, wie es schon die Académie royale d’architecture praktiziert hatte, vgl. Charles Isnard 1848 in L’Artiste: „Il existe à Paris plusieurs ateliers d’élèves, dirigés pour la plupart par des membres de l’Académie, professeurs à l’École des beaux-arts. Ces ateliers ont généralement pour but direct de préparer les jeunes gens au grand concours, de fabriquer des Prix de Rome“; zitiert nach Alain Bonnet: L’enseignement des arts au XIXe siècle. La réforme de l’École des beaux-arts de 1863 et la fin du modèle académique. Rennes 2006. S. 131. Ferner Isabelle Conte: La fantaisie de la vieille maison. L’apprentissage dans les ateliers de l’École des beaux-arts. In: L’architecte. Portraits et clichés. Hrsg. von Emmanuel Bréon. Ausstellungskat. Paris 2017. S. 155–163. Zur akademischen Lehrpraxis im Ancien Régime ferner Jean-Marie Pérouse de Montclos: Les Prix de Rome. Concours de l’Académie Royale d’Architecture au XVIIIe siècle. Paris 1984. 4 Der hohe Symbolgehalt des Rompreises für die Beaux-Arts erweist sich nicht zuletzt an den Ereignissen im Mai ’68, als dessen Abschaffung einem Denkmalsturz gleichkam; vgl. Jacques 2001 (a), S. 7. Zum Rompreis als Exzellenzzeichen der französischen Akademie und seiner Kontinuität über die Brüche der Französischen Revolution hinweg vgl. Annie Verger: Rome vaut bien un prix. Une élite artistique au service de l’État. Les pensionnaires de l’Académie de France à Rome de 1666 à 1968. In: Artl@sBulletin 8–2 (2019). S. 82–98. https://doi.org/10.1515/9783110733044-003

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in der altehrwürdigen Villa Medici auf dem Pincio besaß.5 Wer Pensionär der Villa Medici wurde, gehörte zu den Erwählten, den „élus“.6 Der Begriff des „élu“ markiert dabei das in der Französischen Revolution geprägte semantische Feld von élite und electi, das entgegen der Standeszugehörigkeit durch Geburt eine auf Egalität und Meritokratie begründete Sozial- und Werteordnung adressiert.7 Die École des beauxarts mochte zwar das Eliteethos der königlichen Kunstakademien fortführen, doch war sie zweifellos eine Elite neuen Typs, die ihre Legitimation auf eine geläuterte Basis stellte. Getragen wurde der Wandel von einem egalitären Bewusstsein, das die Sozialisation des Menschen neu kalibrieren sollte. Dazu gehörte, dass der Eintritt in die neu gegründeten Elitebildungseinrichtungen, den Écoles spéciales, später Grandes Écoles, durch verschärfte Qualifikations- und Leistungsprüfungen geregelt wurde.8 Der Weg zum Rompreis war steinig. 1821 ersetzte man das bisherige Vorschlagsrecht der Akademiker und Atelierleiter die Zulassung an der École des beaux-arts betreffend durch eine Aufnahmeprüfung.9 Das Bestehen erlaubte den Besuch der Grundklasse, die sich in erster Linie dem Studium kompositorischer, stilgeschichtlicher und konstruktiver Fragen anhand kleinerer Entwurfsaufgaben widmete. Der Wechsel in die erste Klasse war einer Auswahl von 50 Studenten vorbehalten, welche die Atelierleiter selektierten. Die première classe erlaubte die Anmeldung zu den verschiedenen Preisausschreiben, zunächst zum Emulationspreis (Prix d’émulation), an dem die Studenten einmal jährlich teilzunehmen verpflichtet waren. Schließlich war es einer Auswahl von 30 Studenten vergönnt am Vorentscheidungswettbewerb, dem sogenannten Concours d’essai, teilzunehmen, aus dem die acht Finalisten für 5 Vgl. François Fossier: Le séjour des grands prix de Rome à la villa Medicis. Une récompense douce-amère. Paris 2018. Zur analogen akademischen Karrierebahn der Bildenden Künstler, auf die nicht näher eingegangen werden kann, vgl. die Kurzformel von Jagot, dass der Prix de Rome „officialise l’entrée du lauréat dans la carrière d’artiste, carrière qui se développera sur les cimaises du Salon officiel et les murs des édifices publics“; Hélène Jagot: La malédiction du Prix de Rome. Les lauréats face aux critiques et à l’Académie des beaux-arts. In: Devenir peintre au XIXe siècle. Baudry, Bouguereau, Lenepveu. Hrsg. von Alain Bonnet et al. Lyon 2007. S. 75–103. 6 Der „élu“-Begriff verwendet von Beulé in seinem Éloge de Hittorff 1868; abgedruckt in Hoffrath/ Kiene 2020, S. 116; vgl. auch Bourdieu 1989, S. 143. 7 Herfried Münkler, Matthias Bohlender u. Grit Straßenberger: Einleitung. In: Deutschlands Eliten im Wandel. Hrsg. von Dens. Frankfurt/M. 2006. S. 11–21; hier: S. 12. 8 Zu dem grundlegenden Wertewandel seit 1789, dem sich der Charakter der Elitebildungseinrichtungen Frankreichs schuldete vgl. Thomas Jäger: Frankreich – eine Privilegiengesellschaft. Wiesbaden 2003. S. 104–117. Zu Geschichte, Administration und elitärem Selbstverständis der Architektursektion der École des beaux-arts vgl. Jean-Pierre Epron, Bertrand Lemoine u. Jacques Rosen (Hrsg.): Architecture, architectes. Enseignement, institutions, profession. Anthologie 1790–1948. Paris 1981; Loyer/Picon 1998; Monique Segré: L’École des beaux-arts XIXe–XXe siècles. Paris 1998; Martinon 2003 und Jörn Garleff: Die École des beaux-arts in Paris. Ein gebautes Architekturtraktat des 19. Jahrhunderts. Tübingen-Berlin 2003. S. 87–97. 9 Zu den folgenden Angaben: Jacques 1986, S. 24 und Dies. 2001, S. 11–14 (a) sowie Garleff 2003, S. 89 f.

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den Prix de Rome d’Architecture ausgesiebt wurden. Letzterer stand unter der Aufsicht der Akademie, die für die Bestimmung des Gewinners eine Jury stellte. Die ‚Verlierer‘ wurden durch Ranglistenplätze kompensiert, was wiederum keine geringe Rolle im Hinblick auf die Selbsteinschätzung und das Zugehörigkeitsgefühl der Studenten spielte. Kurzum: Das Unterrichtsdesign der Beaux-Arts-Schule zeigte sich weniger einer elaborierten Architekturlehre als einem prononcierten Ausleseprinzip verpflichtet.10 Das Filtersystem erwirkte die Einschärfung der ästhetischen Normen bei gleichzeitiger Steigerung des Konkurrenzdenkens. Die Architekturstudenten auf Orthodoxien einzuschießen, sollte vor Laxheiten schützen, kam aber letztlich einer Probe auf Ergebenheit gleich. Über Lehrsystem und Lerninhalte sollten die Studenten in gleichsam diskreter Weise vereinnahmt werden.11 Wenn es richtig ist, dass das Anspruchs- und Leistungsniveau recht hoch war, und davon zeugen die Übungs- und Entwurfsblätter der Zöglinge, so trifft genauso zu, dass die an der Erfüllung von Normativität ausgerichteten Preisaufgaben weniger eine spezifische Begabung, als vielmehr eine strenge Lerndisziplin einforderten.12 Die strukturelle Gewalt- und Machtförmigkeit des Beaux-Arts-Systems offenbart sich zuletzt an einem ausgeprägten Reduktionismus, auf den die Selektionsmechanismen genauso wie die akademische Architektur selbst zurückgestutzt wurden. Den Übungsblättern war eigen, dass sie – zumal an einer praxisfernen und damit abstrakten Bauaufgabe – Komplexität auf überschaubare Ordnungskategorien komprimierte. Dazu folgende Skizze: Die Juroren des Rompreises legten ihr Augenmerk vorderhand auf die „bonne disposition“ der Entwürfe und bewerteten sie nach den ausgewählten Kriterien von „sage, simple et commode“, wie es in einem Juryurteil von 1823 hieß.13 Prämiert wurden also jene Studenten, deren Leistungen einem auf wenige Urteilskriterien zurückgeschnittenen Katalog entsprachen, der Objektivität und also Chancengleichheit suggerierte.14 10 An der Schule selbst wurde die Ausbildung mit nur vereinzelten Seminaren zur Architekturgeschichte und -theorie sowie zur Baukonstruktion ergänzt; vgl. Jacques 2001, S. 12 (a). 11 Zur ‚strukturellen Gewalt‘ als einem Machtinstrument, das hier zum Einsatz kam, vgl. grundlegend Johan Galtung: Strukturelle Gewalt. Beiträge zur Friedens- und Konfliktforschung. Reinbek bei Hamburg 1975. 12 Vgl. Richard Chafee: The Teaching of Architecture at the École des beaux-arts. In: The Architecture of the École des beaux-arts. Hrsg. von Arthur Drexler. London 1977. 13 So die Jury von 1823, die Félix Duban den Rompreis für den Entwurf eines Zollhauses zuerkannte; vgl. Annie Jacques: La formation de Félix Duban à l’École des beaux-arts (1814–1823). In: Félix Duban 1798–1870. Les couleurs de l’architecte. Hrsg. von Sylvain Bellenger u. Françoise Hamon. Paris-Mailand 1996. S. 28–30; Zitat: S. 30. Die gleichen Beurteilungskriterien auch im Rahmen des Rompreises von 1817, an dem Hittorff teilgenommen hatte: „Un plan simple, commode, facile pour l’exécution, … une élévation sage, … une bonne disposition“; zitiert nach Cathèrine Giraudon: Procès-Verbaux de l’Académie des Beaux-Arts. Bd. 2: 1816–1820. Paris 2002. S. 232 f. 14 In seiner Antrittsvorlesung an der Wiener Akademie, die im Jahre 1895 nach französischem Vorbild den Rompreis einführte, bewertete Otto Wagner die Rolle des Preisausschreibens indes ganz

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Dem Anspruch nach Chancengleichheit standen indes erhebliche faktische Einschränkungen entgegen. Denn auffällig ist, dass vorrangig jene Zöglinge erfolgreich die Selektionsfilter passierten, deren Väter selbst Architekten waren oder aus der gehobenen Bildungs- und Beamtenschicht stammten. Wie sich die Chancen verteilten, zeigt ein Blick auf den Rompreis der Jahre zwischen 1810 und 1840. Auf zehn Gewinner, die aus Architektenfamilien stammten, kamen vier aus dem niederen Handwerkermilieu.15 Die hohe Erfolgsquote der Architektensöhne jedenfalls bezeugt, dass die Architektenelite der Beaux-Arts-Schule auf weiten Strecken Selbstreproduktion betrieb. Eine gewisse Auffälligkeit besitzt zumal der Umstand, dass François-Alexandre Villain, der den Rompreis 1820 erhielt, ein Neffe von Charles Percier war. Der Schriftsteller und Kunstkritiker Edmond About befand 1864 nicht ohne Verbitterung, dass die Beaux-Arts eine „aristocratie élective qui se recrute elle-même“ sei – und also Günstlingspolitik betreibe.16 Die Relativität des eingelösten Anspruchs auf Chancengleichheit erweist sich nicht zuletzt an dem Umstand, dass Frauen erst 1897 an der École des beaux-arts zugelassen wurden und keine von ihnen je einen Prix de Rome d’Architecture erlangte.17 Ein Blick in die Forschungsliteratur, die insgesamt eher deskriptiven als analytischen Charakters ist, offenbart, dass die Rekrutierungsmechanismen und Aufstiegskanäle zum Unterschlagenen der französischen Architekturgeschichte des 19. Jahraus der Lehrerperspektive als kreative Stimulation: „Die Lösung einer Aufgabe, welche im Leben wohl nie an Sie herantreten wird, deren Durchbildung aber dazu beitragen wird, den göttlichen Funken der Phantasie, der in Ihnen glimmen soll, zur leuchtenden Flamme anzufachen. In Paris an der École des Beaux Arts werden alljährlich solche exotischen Aufgaben versucht“; zitiert nach Eduard F. Sekler: Josef Hoffmann. Das architektonische Werk. Monographie und Werkverzeichnis. Salzburg-Wien 1982. S. 13. Der Hinweis verdankt sich Lil Helle Thomas. 15 Architektensöhne waren die Preisgewinner Achille Leclère, 1808; Augustin-Nicolas Caristie, 1813; Félix-Emmanuel Callet, 1819; Émile-Narcisse-Jacques Gilbert, 1822; Léon Vaudoyer, 1826; Marie-Antoine-Henri Delannoy, 1828; Pierre-Joseph Garrez, 1830; Charles-Victor Famin, 1835; HectorMartin Lefuel, 1839. Victor Baltards (1833) Vater war Architekt und Maler. Dem Malermilieu entstammten oder gehörten an Charles-Henri Landon (1814), Pierre-Anne Dedreux (1815) und Jean-Baptiste-Cicéron Lesueur (1819). Die Brüder Henri Labrouste (1824) und Théodore Labrouste (1827) gehörten wie Paul-Eugène Lequeux (1834) und Louis-François-Florimond Boulanger (1836) dem Milieu der Funktionärselite an. Jacques-Jean Clerget (1836) war Leutnantsohn. Die Väter von Antoine-Martin Garnaud (1817) und Jean-Arnould Léveil waren Schlosser, jene von Prosper Morey (1831) und Toussaint-François-Joseph Uchard (1838) Gipser respektive Schmied. Das Gros der Rompreisgewinner kam zudem aus Paris. Die Angaben entstammen dem Dictionnaire biographique des pensionnaires de l’Académie de France à Rome; URL: https://acad-artlas.huma-num.fr (zuletzt abgerufen am 8.2.2021). 16 Zitiert in Bonnet 2006, S. 133. Eine spätere Kritik stammt aus der Feder von Viollet-le-Duc: „Le public ne sait rien de cette organisation de l’École des beaux-arts, de cet état de patronage sous lequel vivent les étudiants, patronage bien autrement étouffant que ne l’avait été jadis le patronage des corporations. Que le public jette un instant les yeux sur cette institution anormale au milieu de notre siècle, et l’obstacle sera rompu“. Eugène Viollet-le-Duc: L’enseignement des arts. Il y a quelche chose à faire. In: Gazette des Beaux-Arts 13 (1862), S. 249–255; Zitat: S. 255. 17 Vgl. Jacques 2001 (a), S. 18–20 und Verger 2019, S. 97.

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hunderts gehören.18 Dies fällt umso mehr ins Gewicht, als sich die Befunde en gros mit dem Bild decken, das die Elitesoziologie der letzten Jahrzehnte für die Grandes Écoles in Frankreich (besonders die École nationale d’administration, die École normale supérieure und die École polytechnique) längst detailliert nachgezeichnet und analysiert hat.19 Ihr ernüchterndes Fazit lautet, dass Frankreichs Bildungssystem bis heute der unabweisbare Zusammenhang zwischen Berufserfolg und sozialer Herkunft eigen ist.20 Die Tatsache straft den geltenden Anspruch Frankreichs Lügen, dass die Bildungschancen für alle gleich und vom Herkunftsmilieu unabhängig seien. Die Einsicht geht auf die bis heute nachhaltigen Studien Pierre Bourdieus zurück, welche die Chancengleichheit in Frankreichs Bildungswesen schlechterdings als Mythos gebrandmarkt haben.21 Laut Bourdieu würden die etablierten Eliten in der Regel die unteren sozialen Schichten im Aufstiegskampf dadurch benachteiligen, dass sie sich auf weiten Strecken selbst rekrutierten. Der Selbstrekrutierungseffekt erzeuge ein Regime der ‚feinen Unterschiede‘, d. h. von ungeschriebenen Regeln und stillschweigenden Übereinkünften, die diskret über Inklusion und Exklusion entscheiden und dabei die gegebenen Machtverhältnisse stabilisieren.22 Mit Bourdieu ließe sich sagen, dass sich die Architektensöhne auf dem Weg zum Rompreis ihren Vorsprung durch „kulturelle Privilegien“ sicherten, sei es durch Fachkenntnisse, klassenspezifischen Habitus (Sprache und Umgangsformen) oder allgemein durch Vertrautheit mit dem Milieu.23 Die konkreten Bedingungen und Prozesse des 19. Jahrhunderts lassen sich allerdings kaum mehr vor die Kulissen der Geschichte holen. Was sich an sortierender, moderierender und die Entscheidungen letztlich 18 Das Manko wiegt besonders schwer für die Referenzwerke von Epron/Lemoine/Rosen 1981, Jacques 1986, Ringon 1997, Decommer 2017 und für die Geschichte der Beaux-Arts-Schule allgemein, so bei Bonnet 2006. Eine Ausnahme stellt die wenig elaborierte Studie von Martinon 2003 dar. Für das 18. Jahrhundert vgl. indes die fundierte Untersuchung von Basile Baudez: Architecture & tradition académique au temps des Lumières. Rennes 2012. 19 Jenseits der klassischen Studien von Bourdieu 1989 ferner Hans-Manfred Bock: Republikanischer Elitismus und technokratische Herrschaft. Zu einigen Merkmalen der politischen Elite im gegenwärtigen Frankreich. In: Länderbericht Frankreich. Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Hrsg. von Marieluise Christalder u. Henrik Uterwedde. Opladen 1999. S. 383–403; bes. S. 391–397; Michael Hartmann: Elitesoziologie. Eine Einführung. Frankfurt/M.-New York 2004. S. 109–117 und Peter J. Brenner: Schule und Elite. Konzepte der Elite-Bildung in Frankreich. In: Talente finden, Begabungen fördern, Eliten bilden. Hrsg. von Paula Bodensteiner u. Josef Kraus. München 2014. S. 45–64. Für den Rompreis hat nun Verger 2019 eine soziometrische Studie ganz auf der Linie Bourdieus vorgelegt. 20 Hartmann 2004, S. 84–98. 21 Bourdieu 1989. 22 Brenner 2014, S. 54. 23 Pierre Bourdieu: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Soziale Ungleichheiten. Hrsg. von Reinhard Kreckel. Göttingen 1983. S. 183–198. Umgekehrt gilt, dass die ‚Aufstiegsmortalität‘ für Vertreter der unteren Gesellschaftsschichten nicht nur an ökonomischen, sondern gleichermaßen an kulturellen Barrieren festzumachen ist; vgl. Bourdieu/Passeron 2007, S. 19– 30.

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definierender Dramaturgie in den Jurysitzungen abspielte, hat Alain Bonnet als „mécanismes complexes“ bezeichnet, „qu’il est malaisé de décrire“.24 Gerade die offiziellen Wettbewerbsprotokolle, welche die Entwürfe, wie angedeutet, nach vorgeprägten Urteilsschablonen bewerteten, geben wenig über das komplexe Gefüge ausschließender wie begünstigender Entscheidungsstrategien zu erkennen.25 Nur die formalen Zugangsschleusen der Beaux-Arts-Schule zu beschreiben, würde jene affektive Seite außen vorlassen, die Eliten zusammenbindet, verklebt und zu einem Gemeinschaftskörper synthetisiert. Bourdieu hat die Elitenauslese des französischen Bildungssystems nicht umsonst im Register des Sakralen beschrieben. Elitenbildung sei Konsekration: „Die Auswahl, die die Schule trifft, ist immer auch ein Auserwählen, und die magischen Operationen der Segregation (von der Welt) und der Aggregation (der Auserwählten), die sie durchführt, schaffen eine geweihte Elite“.26 Der Weiheakt an der École des beaux-arts bezog sich zumal auf eine einzige symbolische und magische Mitte: Den klassischen Kanon. Als Objekt der Devotion generierte er jene integrative Kraft, welche alle Beteiligten, die Studenten wie die Atelierleiter, Juroren wie Akademiker, machtvoll erfasste und zu einer (Glaubens)Gemeinschaft zusammenschmolz.27 Die Beaux-Arts-Architekten ließen ihre kollektive und elitäre Identität in einen ausgeprägten Korpsgeist aufgehen.28 Eingeübt wurde er nicht zuletzt im Rahmen der Preisausschreiben selbst.29 Hier unterwarfen sich die Studenten gemeinschaftlich dem Kanon des Klassischen, hier wurde, mit Bourdieu gesprochen, das Ausleseprinzip zum kultischen Akt erhoben. In Rom hatten sich die Gewinner des Grand Prix zu Bauforschern und Archäologen weiterzubilden beziehungsweise zu konvertieren.30 In Italien (und seit 1832 um 24 Bonnet 2006, S. 132. 25 Leniaud ist es am Beispiel von Jean-Auguste-Dominique Ingres gleichwohl gelungen, punktuell die Seilschaften zwischen École und Académie des beaux-arts die Vergabe von Ranglistenplätzen und Preisen betreffend nachzuzeichnen; Jean-Michel Leniaud: Ingres et l’Académie des Beaux-Arts d’après les procès-verbaux de l’Académie. In: Ingres, un homme à part? Entre carrière et mythe, la fabrique du personnage. Hrsg. von Claire Barbillon, Philippe Durey u. Uwe Fleckner. Paris 2009. S. 127–140; bes. S. 130–132 26 Pierre Bourdieu: Das Feld der Macht und die technokratische Herrschaft. Loïc J. D. Wacquant im Gespräch mit Pierre Bourdieu anläßlich des Erscheinens von Noblesse d’État. In: Ders., Die Intellektuellen und die Macht. Hrsg. von Irene Dölling. Hamburg 1991. S. 67–100; Zitat: S. 80 (Hervorhebung im Original). 27 Zu den hier skizzierten Praktiken von ‚magischen Milieus‘ vgl. Hartmut Böhme: Fetischismus und Kultur. Eine andere Theorie der Moderne. Reinbek bei Hamburg 2006. S. 254–282. 28 Hierzu schon Albert Louvet: L’art d’architecture et la profession d’architecte. Bd. 1: La formation de l’architecte. Paris 1910. S. 18 hinsichtlich der Bestimmung dessen, was Beaux-Arts-Architekten ideell auszeichne: „Je suis persuadé que … l’esprit de corps est une belle et utile qualité“. 29 Vgl. Neil Levine: The Competition for the Grand Prix in 1824. A Case Study in Architectural Education at the École des Beaux-Arts. In: The Beaux-Arts and Nineteenth-Century French Architecture. Hrsg. von Robin Middleton. London 1984. S. 67–123. 30 Vgl. Pierre Pinon: I pensionnaires e l’archeologia. In: Roma antiqua. Envois degli architetti francesi (1786–1901). Grandi edifici pubblici. Ausstellungskat. Rom 1992. S. XV–XXVI und Ders.: Les

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Griechenland ergänzt) unternahmen die jungen Pensionäre der Villa Medici Grabungen und Vermessungen an antiken Bauruinen. Die innerhalb der fünf Jahre zusammengetragenen Funde und Ergebnisse wurden in aufwendigen Präsentationszeichnungen, den sogenannten Envois de Rome, zunächst in der Académie de Rome ausgestellt, bevor sie nach Paris an die Académie des beaux-arts versandt wurden – eine Praxis, der die Entwurfsblätter ihren Namen verdankten. D. h. die Kommunikations- und Öffentlichkeitsstrategien waren so ostentativ wie das Anspruchsdenken der Akademie selbst. Die in der Regel gemäldeartigen Präsentationsformate der Envois rekonstituierten die verloren gegangene Monumentalität der antiken Bauruinen und betrieben bei aller archäologisch beanspruchten Objektivität doch auch deren Reauratisierung.31 Anschließend publizierten die Pensionäre auf eigene Kosten ihre in Italien gesammelten Kollektaneen in Gestalt prachtvoller Bildatlanten, die in den sogenannten Recueils d’Italie aufgingen.32 Die Durchschlagskraft des Beaux-ArtsSystems lag eben in einem Doppelmanöver begründet: Zum einen in der Stilisierung der Elitenauslese qua Weiheakt und zum anderen der (medialen) Auratisierung des künstlerischen Kanons. Die Bindekräfte generierten sich durch Wechselseitigkeit: Die Architektenelite entwarf ihren Kanon, der Kanon entwarf aber auch seine Architektenelite. Hittorff nahm zweimal am Rompreis teil, einmal 1815 und ein anderes Mal 1817. Beide Male gehörte er nicht zu den Ausgewählten und Erwählten, den „élus“, die sich mit einem Stipendium in Italien für fünf Jahre Jahre dem Antikenstudium frei widmen durften. Aber Hittorff wäre nicht Hittorff gewesen, wenn er sich einer ‚Niederlage‘ gefügt hätte. Sein großer Ehrgeiz, zumal ökonomisch getragen von seinem Posten als Hofarchitekt, ließ ihn ungeachtet der Inklusions- und Exklusions-Mechanismen der Beaux-Arts sich selbst eine Eintrittskarte in die Architektenelite ausstellen. Dies vollzog er im Zeichen der Mimikry, nämlich durch die Imitation des Kerncurriculums der Rompensionäre. Aus eigenen Mitteln unternahm er vom September 1822 bis Mai 1824 eine 18-monatige Italienstudienreise. Ein erstes Ziel war Rom, wo er sich in die Kreise der Villa Medici-Pensionäre integrierte, um anschließend die prestigevollen archäologischen Grabungslandschaften Siziliens aufzusuchen. Die dort durchgeführten bauarchäologischen Forschungen wurden auf der Rückfahrt in

architectes pensionnaires de l’Académie de France à Rome dans le premier tiers du XIXe siècle. Des carrières contrastées. In: L’Académie de France à Rome aux XIXe et XXe siècles. Entre traditions, modernité et création. Hrsg. von Anne-Lise Desmas. Rom 2002. S. 54–62. 31 Besonders ausgeprägt und augenfällig ist dies bei den Envois de Rome der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, deren Formate sich bis zu barocker Tapisseriegröße steigerten und zu kolossalen Antiken-Phantasmen ausweiteten; vgl. Jean-Pierre Adam: Les Envois de Rome. Modèles académiques, documents archéologiques ou oeuvres d’art. In: Italia Antiqua. Envois de Rome des architectes français en Italie et dans le monde méditerranéen aux XIXe et XXe siècles. Ausstellungskat. ParisRom 2002. S. XVII–XXIV. 32 Vgl. Jean-Philippe Garric: Recueils d’Italie. Les modèles italiens dans les livres d’architecture français. Sprimont 2004.

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Rom gezeichnet und parallel zur Ausstellung der Envois de Rome öffentlich präsentiert. Kaum wieder in Paris, hielt er an der Akademie, organisiert von Charles Percier, einen Vortrag über seine Sizilienkollektaneen.

Der Architekt wird Archäologe. Italien als Ort der Inklusion und Exklusion „Zwischen Hesiod und Platon hat sich eine Teilung durchgesetzt, welche den wahren Diskurs und den falschen Diskurs trennte“. Michel Foucault: Die Ordnung des Diskurses. München 197433

Am 20. August 1822 stellte Hittorff an den Ministre secrétaire der Maison du Roi, Marquis de Lauriston, den Antrag auf Freistellung von seinen Dienstverpflichtungen bei Fortzahlung des Solds, um eine Italienreise anzutreten, die – wie er offiziell erklärte – für seine künstlerische Fortbildung unabdingbar war.34 Die achtzehnmonatige Beurlaubung wurde am 25. September 1822 bewilligt.35 Die Gehaltfortzahlung stellte die Reise unter singuläre äußere Bedingungen. Sie gestattete zum einen die Mitnahme eines assistierenden Mitarbeiters, des Schülers Karl Wilhelm Ludwig Zanth (1796–1857),36 sowie die Anwerbung einer weiteren Hilfskraft in Rom, des deutschen

33 Hier zitiert nach Michel Foucault, Botschaften der Macht. Der Foucault-Reader. Diskurs und Medien. Hrsg. von Jan Engelmann. Stuttgart 1999. S. 57. 34 „Si nécessaire au développement des connaissances et du talent des artistes en général et surtout des architectes“; Schreiben von Hittorff an den Marquis de Lauriston, Paris, 20.8.1822; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 1r. 35 Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 2r. 36 Nach eigenen Angaben hatte der geborene Berliner Zanth bereits 1812/13 in Paris eine „Bildungsanstalt“ besucht, bevor er 1814/15 in seiner „Vaterstadt“ Breslau die königliche Bauschule besuchte. Durch Verbindungen des Vaters gelangte er nach Stuttgart, wo er sich „unter die besonnene Leitung des damaligen Hofbaumeisters Fischer“ begab, „der nach mehrjährigen Studien in Frankreich unter Durand und Percier und langem Aufenthalt in Italien diese Stelle bekleidete und ganz dazu geeignet war, mich zu dem Besuche beider Länder vorzubereiten“. Friedrich Weinbrenner schließlich, „mein verehrter Lehrer und Freund“, der ihn „für reif erklärte mit Nutzen fremde Länder zu besuchen“, gab den Anstoß, erneut nach Paris zu gehen: „Um meinen Studien daselbst eine geregelte Richtung zu geben, schien der Besuch eines Ateliers zweckmäßig, ich trat in dasjenige des J. I. Hittorff und Lecointe, Architekten des Königs“. In diesem Atelier genoß er „Privatstudien“ und es war ihm gestattet, an den „Lehrcursen“ und „Concursen“ der Akademie teilzunehmen. „Außerdem ward ich bei den praktischen Baugeschäften der beiden genannten Künstler, die mir Vertrauen und Freundschaft in hohem Grade zuwendeten, unablässig beschäftigt. Das innige Verhältnis, das sich auf diese Weise zwischen ihnen und mir gestaltete, war die Veranlassung, daß ich meine Abreise nach Italien bis zu dem Zeitpunkte verschob, wo amtliche Verhältnisse Herrn Hittorff gestatteten, dieses Land zu besuchen“. Die Angaben und Zitate stammen aus Zanths Curriculum vitae, eingereicht mit seiner Bewerbung um Aufnahme an der Preußischen Akademie der Künste im April 1845. Berlin, AAK, PrAdK, Pers. BK 576. Zu Zanth Michael Wenger: Karl Ludwig

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Architekten Wilhelm Stier (1799–1856),37 der für die umfangreichen Bauvermessungen und -aufnahmen auf Sizilien benötigt wurde, und zum anderen erlaubte sie die Durchführung von kostspieligen archäologischen Nachgrabungen. Ursprünglich hatte Hittorff noch die Mitnahme des befreundeten Kunstkritikers und Journalisten Edme Miel erwogen, der durch laufende Berichte aus Italien der archäologischen Unternehmung publizistische Schützenhilfe gewähren sollte, aber dann durch anderweitige Verpflichtungen verhindert wurde.38 Diese Umstände sind Indikatoren dafür, dass die Italienreise weniger der selbstbestimmten Fortbildung im Zeichen künstlerischer Vervollkommnung diente, wie es in der Antragstellung auf Dienstbefreiung hieß, als vielmehr der Produktion von aufsehenerregenden Forschungsergebnissen durch den Vorstoß in archäologisches Neuland. Der immense Aufwand zielte also auf die Erzeugung jenes Leistungsüberschusses, der Hittorffs Aufnahme in den Elitenzirkel der Beaux-Arts-Architekten bahnen und sichern sollte.39 Hittorffs Studienreise galt der Vermessung und zeichnerischen Aufnahme der wichtigsten Bauwerke Siziliens von der Antike bis in die eigene Gegenwart. Gleichwohl wurden von den achtzehn Monaten nur sechs der Inselerkundung selbst gewidmet. Tatsächlich verbrachte Hittorff mehr Zeit in Rom, die er für Vor- und Nachbereitungen seiner Sizilienexpedition verwendete. Rom war nach wie vor ein zentraler Dreh- und Angelpunkt der europäischen Künstler- und Gelehrtenwelt, wo sich jener Nimbus einer Forscherpersönlichkeit aufbauen ließ, die zu werden, das eigentliche Reiseziel galt.40 Die in der Forschungsliteratur zu Recht hervorgehobene Höchstleistung an Organisation und Exaktheit, die Hittorffs bauarchäologische Feldstudien auf Sizilien kennzeichneten, besaß ein gern übersehenes Komplement in Rom: Die beflissene und souverän praktizierte Aufmerksamkeitserzeugung, die zur

Zanth unterwegs. Paris – Italien – England. In: Karl Ludwig von Zanth. Der Erbauer der Wilhelma in seiner Zeit. Hrsg. von Annemarie Röder. Stuttgart 2012. S. 41–64. 37 Stier, Student der Berliner Bauakademie in den Jahren 1815–1817, hielt sich in Rom zwischen 1822 und 1827 auf, bevor er als Lehrer an die Bauakademie nach Berlin berufen wurde; vgl. Eva Börsch-Supan: Wilhelm Stier. In: The Dictionary of Art. Hrsg. von Jane Turner. London 1996. Bd. 29. S. 658 f. Hittorff sah für Stier eine Entlohnung von 3.000 Francs vor; vgl. seinen Brief an Lecointe, Rom, 28.2.1824: Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 86v. 38 Die Hoffnungen auf ein Nachkommen Miels nach Italien zerschlugen sich im Frühjahr 1823. Hittorff machte Lecointe hierüber Mitteilung: „Si vous voyez le cher M. Miel dites-lui combien je suis peiné que les circonstances politiques l’empêchent d’accomplir nos beaux projets“; Rom, 23.4.1823; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 30r. 39 Der angestrebten Wirkung entspricht es, dass die letztlich private Studienreise nach Gepräge und Aufwand ganz einer Forschungsexpedition glich. Zum Charakter von Forschungsreisen im 19. Jahrhundert vgl. Stefan Fisch: Forschungsreisen im 19. Jahrhundert. In: Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur. Hrsg. von Peter J. Brenner. Frankfurt/M. 1989. S. 383–405. 40 Zu Roms Status als antiquarische und künstlerische Hauptstadt Europas im 19. Jahrhundert vgl. den reichhaltigen Ausstellungskatalog: Maestà di Roma. Da Napoleone all’Unità d’Italia. Da Ingres a Degas. Artisti francesi a Roma. Ausstellungskat. Rom 2003.

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Steigerung des eigenen Börsenwerts auf dem akademischen Markt diente. Dringt man ein Stück tiefer in die Prinzipien des wissenschaftlichen Ordnungsdiskurses ein, erweist sich rasch, dass nicht nur wesentlich ist, was kommuniziert wurde, sondern mindestens ebenso, wie es kommuniziert wurde. Die Prozeduren und Regularien des französischen Wissenschaftssystems lassen sich an Hittorff deshalb so klar herauskristallisieren, weil er nach Rom nicht als Preisträger und Pensionär der Akademie kam und mithin um besonders pedantische Mimikry der Etappen, Verhaltensweisen und Normmuster der französischen Architektenelite bemüht war. Die zahlreichen, bisherigen Arbeiten zu Hittorffs Italienstudienreise haben sich neben der Rekonstruktion des Reiseverlaufs und der Dokumentation der gezeichneten Kollektaneen vornehmlich auf die Darlegung seiner archäologischen Entdeckungen oder die Identifizierung des Vorbildhaften für sein späteres Schaffen konzentriert, während die zentralen karrieregeschichtlichen Implikationen der Reise unberücksichtigt geblieben sind, obgleich sie ihren Verlauf und Charakter grundlegend vektorisiert und modelliert haben.41 Der vorliegenden Untersuchung geht es deshalb nicht vorrangig um die Bestimmung des Gesehenen, Gezeichneten oder Beschriebenen, sondern um die Darlegung und Analyse der Ausschlussmechanismen in den Foren der Wissenschaftswelt des 19. Jahrhunderts. Einlässlich beschreibbar sind die Mechanismen an Hittorffs Umgang mit seinem unliebsamsten Konkurrenten, dem bayerischen Hofarchitekten Leo von Klenze. Dessen Exklusion diente der eigenen Inklusion. Die eigene Sortierungsarbeit besitzt bis heute Gültigkeit: Klenze gilt der Forschung als Dandy-Archäologe, Hittorff indes als seriöser Bauforscher. Im Frühjahr 1824 trafen beide auf Sizilien zufällig aufeinander. Die Kollision des ‚richtigen‘ mit dem ‚falschen‘ Archäologen verschiebt die Betrachtung nolens volens ins Register des Ordnungsdiskurses und nötigt, andere Betonungen zu setzen, die die Quellen neu, nämlich auf strukturale Geschichte hin sichten. Im Zentrum werden deshalb die Praxis- und Diskursformen stehen, die Handeln und Denken der beiden Akteure organisierten.42 Zunächst aber zu Hittorffs Aufenthalt in Rom.

41 In kunst- und archäologiehistorischer Perspektive wurde Hittorffs Italienreise untersucht von Schneider 1977, Bd. 2, S. 117–134, Uwe Westfehling: „Land der Wunder“. Italienische Reiseskizzen, Architekturstudien und Veduten des 19. Jahrhunderts aus dem Nachlaß J. I. Hittorff. Ausstellungskat. Köln 1985; Hans Georg Niemeyer: Der Bauforscher und Archäologe Hittorff. In: Jakob Ignaz Hittorff. Ein Architekt aus Köln im Paris des 19. Jahrhunderts, Ausstellungskat. Köln 1987. S. 49– 57; Michele Cometa: Jakob Ignaz Hittorff. Viaggio in Sicilia. Messina 1993 und Kiene 2012 und 2016. 42 Vgl. Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Frankfurt/M. 1971.

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Weltbühne Rom Hittorff und Zanth folgten den seit Ende des 18. Jahrhunderts vorgezeichneten Italienrouten französischer Reisender.43 So wurden Turin und Mailand besichtigt, von Genua aus schiffte man sich nach Pisa ein, um nach einem Zwischenstop in Florenz, Mitte Januar 1823, also drei Monate nach Abfahrt von Paris, in Rom einzutreffen. Freilich wurde auf der Route jeder interessante Kirchenbau, jeder bemerkenswerte Stadtpalast und jedes berühmte Kunstwerk besichtigt, gezeichnet und nach Möglichkeit dem Freund Lecointe in Paris brieflich mitgeteilt. Besonders den Anblick von Rom hat Hittorff wie keinen zweiten empfunden: „Je sentais battre mon coeur, ma respiration devint lente, malgré moi je soupirais, malgré moi je versais des larmes“.44 Mögen Hittorffs Briefe durchaus eine Fundgrube für die Rührseligkeitsmanier der Zeit sein, so ist die Vehemenz des vorgeführten Affektes doch auch Ausdruck der besonderen Hoffnungen und Ambitionen, die sich für ihn im Bild der Ewigen Stadt verdichteten. Hittorff traf in Rom nicht als Unbekannter und nicht überraschend ein. Kaum angekommen, wurde er in ein ihm wichtiges und vertrautes Ambiente einbezogen, die Abendgesellschaften des französischen Botschafters und jene des Direktors der Académie de France, Baron Pierre Guérin: „Que j’ai été reçu à merveille“, schrieb Hittorff an Lecointe, „par notre Ambassadeur où j’ai diné aujourd’hui avec notre Directeur, le président de l’Académie de St. Luques et tout ce qui compose l’ambassade“.45 Selbst die Unterbringung unterstand dem Kerngeschäft, sich in die relevanten Zirkel der Stadt zu integrieren. Hittorff und Zanth bezogen eine Wohnung in der Casa Buti (Via Sistina 48–51), der seinerzeit vielfrequentierten Künstlerpension Roms, in der kein geringerer als Bertel Thorvaldsen (1770–1844) wohnte und ein Atelier besaß.46 Eine zentrale Prämisse für die rasche und wie selbstverständliche gesellschaftliche Einbindung Hittorffs in Rom bildete sein Status als Hofarchitekt der Bourbonen und sein Ansehen in der Pariser Salonwelt. D. h. bereits akquiriertes soziales Kapital generierte weiteres soziales Kapital beziehungsweise jene Optionen, derer es für die öffentliche Wahrnehmung und die Durchsetzung seiner Ambitionen bedurfte. Aufschlussreich für diesen Zusammenhang ist ein Vergleich mit einem anderen deutschen Reisenden, der nur wenige Jahre später, 1830, ebenfalls von Paris nach

43 Hierzu allgemein Garric 2004 und am Beispiel der Architekten Debret und Lebas Annie Jacques: I viaggi in Italia di Debret e Lebas (1804–1811). In: Grand Tour. Viaggi narrati e dipinti. Hrsg. von Cesare de Seta. Neapel 2001. S. 60–73. 44 Brief von Hittorff an Lecointe, Rom, 31.1.1823; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 21r. 45 Brief von Hittorff an Lecointe, Rom, 31.1.1823; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 21v. 46 Zur Casa Buti, in der Thorvaldsen seit 1804 wohnte, vgl. Bjarne Jørnæs: Von Trinità dei Monti zur Piazza Barberini. In: Künstlerleben in Rom. Bertel Thorvaldsen (1770–1844). Der dänische Bildhauer und seine deutschen Freunde. Ausstellungskat. Nürnberg 1991. S. 85–93 u. 435–437.

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Italien aufbrach: Gottfried Semper (1803–1879).47 Der junge Gau-Schüler, der professionell ungefestigt auf Kosten der Eltern und deshalb meist zu Fuß reiste, oft schlecht logiert war und seine Reisepartner genauso sprunghaft wie die Reiseroute wechselte – das betraf besonders seinen spontanen Entschluss, nach halber Sizilienerkundung nach Griechenland überzusetzen –, achtete in Rom nicht minder von Erfolgs- und Karrierezwängen konditioniert gleichfalls auf das Knüpfen nützlicher Kontakte und Seilschaften. Auch hier spiegelt die Wohnadresse das inhärente Kalkül. Am 3. Dezember 1830 teilte er sie der Schwester mit: „Ich wohne in der Gregoriana no. 17 nahe bei Thorvaldsen und der französischen Akademie. Ich werde mich mehr zu den Franzosen halten als zu den Deutschen“.48 In der Tat lernte er den Akademiezögling Jules Goury kennen, der zu seinem Reisegefährten gen Sizilien und Griechenland wurde. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass die anvisierte Kontaktaufnahme mit der französichen Akademie in der Gestalt Gourys lediglich subaltern ausfiel. Gerade in Rom sollte Semper erfahren, wie sehr der Mangel an Status sich hemmend auf die unternommenen Versuche auswirkte, Zutritt in förderliche Kreise zu erhalten. So gab sich Semper nach seiner Rückkehr aus Griechenland der Hoffnung hin, von dem gerade in der Ewigen Stadt weilenden bayerischen Prinzen Otto, dem designierten König von Griechenland, in Dienst genommen und nach Griechenland mitgeführt zu werden, nur: Er wurde nicht einmal zur Audienz vorgelassen. Während sich also das kleine Welttheater Rom für Semper als Chimäre erwies, gehörte es für Hittorff zu den Selbstverständlichkeiten, überall Einlass zu erhalten. So verschaffte ihm die Duchesse d’Aumont mit einer Empfehlung Zugang beim neapolitanischen Premierminister de’ Medici, der die nötigen Genehmigungen zu erteilen hatte, damit ihm auf Sizilien Tür und Tor zu den streng gehüteten Grabungsbezirken geöffnet wurden – die er selbstredend erhielt.49 Hittorffs Handlungsbühne in Italien zielte ganz auf Resonanz in Paris. Davon zeugen seine auffallend langen, sich zu regelrechten Abhandlungen auswachsenden Briefe, die er auf der Fahrt an François Gérard, Charles Percier, Madame Valentin und Baron de la Ferté adressierte – Schlüsselfiguren sie alle der Pariser Gelehrten- und Salonwelt. Wie sehr Hittorff die Anteilnahme seiner Korrespondenten an seiner Italientour durch briefliche Selbstdarstellung lenkte und kontrollierte, soll folgende Skizze illustrieren. In einem Brief an Madame Valentin beschrieb Hittorff am 24. April 1823 sein Dasein in der Casa Buti als Ineins disziplinierten Arbeitens und tieferen Lebensgenusses: „Le matin, au plutard à 6 ½, je suis déjà debout et à 47 Die folgenden Angaben referieren die Italienkorrespondenz von Semper, die im gta-Archiv der ETH Zürich aufbewahrt wird. Einen Überblick über die wichtigsten Stationen von Sempers Italienaufenthalt bietet Sonja Hildebrand: Gottfried Semper. Architekt und Revolutionär. Darmstadt 2020. S. 28–36. 48 Brief von Gottfried Semper an seine Schwester, Rom, 3.12.1830; Zürich, gta-Archiv, 20–K–1830– 12–03. 49 Zu der Angelegenheit vgl. den Brief von Hittorff an Madame Valentin, Rom, 24.4.1823; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 33v.

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mon table de travail, je salue avant tout, le soleil que se lève resplendissant derrière le palais Barberini“.50 Gegen acht Uhr erhalte er dann eine Tasse Kaffee, die es erlaube den Zeichenstift für einen Augenblick beiseite zu legen, um bis 14 Uhr durchzuarbeiten. An der Mittagstafel treffe man sich mit Thorvaldsen, Karl Begas und anderen deutschen Künstlern, um bei frugalem Mahl sich im freundschaftlichen Austausch für die Vollbringung des Großenartigen zu inspirieren.51 Mit solchen Darstellungen ließ Hittorff seinen Aufenthalt in der Casa Buti bewusst in einem gängigen Rom-Topos aufgehen: Rom als Künstlerrepublik, in der Gleichheit und Gedankenfreiheit herrschten.52 Indes verlieren sich hinter diesen verklärenden Schilderungen die tatsächlichen Interessen seines römischen Studienalltags. Denn was Hittorff an seinen enthusiastisch erlebten Arbeitstagen am Schreibtisch von Sonnenaufgang bis in den späten Mittag hinein wirklich betrieb, verschwieg er seiner Korrespondentin, und dies deshalb, weil seine Studien mit der angestimmten Apotheose von Künstlerfreundschaft und höherer Inspiration nur rudimentär etwas zu tun hatten. So lässt sich für jenen Zeitraum, in dem Hittorff den Brief an Madame Valentin abfasste, nachweisen, dass er sich in durchaus mechanischer Weise damit beschäftigte, Vorlagenblätter nach Bauten und Wandgemälden Pompejis zu kopieren, um sich auf den dortigen Studienaufenhalt vorzubereiten. Diese Kopiertätigkeit bezeugt, dass der Rom-Aufenthalt – sicherlich nicht nur, aber doch auch – Hittorff dazu diente, sich enthoben von den Pariser Arbeitsbelastungen Grundwissen anzueigenen, und zwar vermittels eines uninspirierten Nachbuchstabierens von Vorlagenblättern nach dem getreuen Muster, das er aus der Pariser Atelierpraxis kannte.53 Die Sichtung seiner in Rom angefertigten Zeichnungen eröffnet nicht nur Einblicke in Hittorffs Studienalltag, sondern auch in seine Verbindungen zu den Pensionären der Villa Medici. Es sei dieser Zusammenhang an den in der Bibliothèque de l’Institut de France zu Paris aufbewahrten Pompeji-Zeichnungen erörtert, die von Hittorff signiert sind und zwischen dem 21. April und dem 11. Mai datieren, also in Rom entstanden sind.54 Es handelt sich um insgesamt einundzwanzig Nachzeichnungen und Pausen von Theater- und Tempelanlagen sowie von Wohnhäusern und Wandmalereien der verschütteten Römerstadt am Vesuv. Die Zeichnungsvorlagen und ihre Autoren lassen sich im Bestand der École des beaux-arts identifizieren. Bei einem Teil von Hit-

50 Brief von Hittorff an Madame Valentin, Rom, 24.4.1823; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, 33v. 51 „Des conversations interessantes sur l’art font du frugal repas un festin des Dieux; elles animent l’esprit et le poussent au noble désir, aux belles résolutions de créer des œuvres grandes et dignes“; Brief von Hittorff an Madame Valentin, Rom, 24.4.1823; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 34r. 52 Zu Geschichte und Topik des römischen Künstlerstaats vgl. Ursula Peters: Das Ideal der Gemeinschaft. In: Künstlerleben in Rom. Bertel Thorvaldsen (1770–1844). Der dänische Bildhauer und seine deutschen Freunde. Ausstellungskat. Nürnberg 1991. S. 157–187. 53 Zu Hittorffs analoger Beschäftigung während seines Romaufenthalts mit der Anfertigung von Reinzeichnungen seiner Reiseskizzen aus Oberitalien vgl. Kiene 2012, S. 21. 54 Paris, BIF, Ms. 4643, Mappe Pompéi [Blätter nicht nummeriert].

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torffs Pompeji-Blättern handelt es sich um Kopien nach Reinzeichnungen der RomPensionäre Jean-Baptiste-Cicéron Lesueur (1794–1883) und Félix-Emmanuel Callet (1791–1854), die im Sommer 1822 gemeinsam in Pompeji waren und 1823 zur gleichen Zeit mit Hittorff in Rom weilten.55 Folgend nur eine signifikante Stichprobe: Hittorff hat die Ansicht einer öffentlichen Brunnentränke (Abb. 5) – wie die gewählte Perspektive und die Wiedergabe verschiedener Details erkennen lassen – nach einer Vorlage von Callet (Abb. 6) kopiert.56 Hittorffs Pompeji-Blätter stehen in ihrer Art nicht alleine da, sondern sind Zeugnisse einer Gepflogenheit französischer Architekten.57 So haben Rom-Pensionäre ihre Reisezeichnungen Kollegen durchaus freizügig zur Verfügung gestellt. Das bestätigen auch die erhaltenen Zeichnungsbestände von Félix Duban (1798–1870), ebenfalls Rom-Stipendiat, der 1825, zwei Jahre nach Hittorff, in Pompeji war. Der Bestand Dubans in der École des beaux-arts zu Paris enthält Kopien, die mit Blättern des Hittorff-Bestandes der Bibliothèque de l’Institut de France übereinstimmen. So etwa die Wiedergabe einer Wanddekoration im vierten pompejanischen Stil58 oder die eines Grundrisses der „Bains Publics“, der im übrigen genauso im Pompeji-Material von Lesueur präsent ist.59 Analoge Beobachtungen lassen sich für die Zeichnungsbestände machen, die neapolitanische Palast- und Sakralarchitektur festhalten. Das Gros der Bauaufnahmen von Gebäuden in Neapel und Umgebung, die im Nachlass Hittorffs in der Kölner Stadt- und Universitätsbibliothek aufbewahrt werden, wurden nach Vorlagen

55 Einen Überblick über die Tätigkeiten des Freundespaares Callet-Lesueur während ihres Pensionats in Rom gibt Leïla El-Wakil: Genève. Sur les traces de deux Prix de Rome d’architecture: F.-E. Callet (1791–1854) et J.-B.-C. Lesueur (1794–1883). In: Bulletin de la société de l’histoire de l’art français (1986). S. 101–115; bes. S. 101 f. In einem Brief an Lecointe bestätigt sich Hittorffs persönlicher Kontakt zu Lesueur. Er schrieb aus Rom, dass er mit Lesueur archäologische Spaziergänge auf dem Forum Romanum betrieb und dessen Rekonstruktion der Basilica Ulpia positiv beurteilte. Brief von Hittorff an Lecointe, Rom, 7.5.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 97r. Lesueur hat seine restitution über 50 Jahre später, 1877, in einer kleinen Monographie mit dem Titel Basilique Ulpienne publiziert. 56 Auch die Grundrisswiedergabe einer „Maison près du Pantheon découverte en 1820“ zeugt von derselben Kopierpraxis, nur jetzt nach einer Bauaufnahme von Lesueur. Paris, ENSBA, Jean-Baptiste Cicéron Lesueur, 15469–4, Blatt 1. Dort der Eintrag „Maison découverte en 1820“. 57 Zum ausgeprägten Pompeji-Interessen der französischen Pensionäre vgl. Laura Mascoli: Architetti, antiquari e viaggiatori francesi a Pompei dalla metà del Settecento alla fine dell’Ottocento. In: Pompei e gli architetti francesi dell’Ottocento. Ausstellungskat. Paris-Neapel-Pompeji 1981. S. 3–53. 58 Für Duban: Pompei e gli architetti francesi dell’Ottocento. Ausstellungskat. Neapel-Pompeji 1981. Kat.-Nr. 107. Für Hittorff: Paris, BIF, Ms. 4643 [ohne Paginierung]. Ein Grundriss des sogenannten Succorpo im Dom von Neapel findet sich mit den identischen Maßangaben sowohl bei Lecointe 1827 (Köln, UStB, K13/154–1, f. 174) als auch bei Duban 1825 (Paris, ENSBA, 40425–3, Blatt 129). 59 Vermutlich hat die Zeichnung Lesueurs sowohl Hittorff als Duban vorgelegen. Die LesueurZeichnung in: Paris, ENSBA, 15469–4, Blatt 49.

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Abb. 5: Jakob Ignaz Hittorff: Ansicht einer Brunnentränke in Pompeji. Kopie nach einer Zeichnung von F. E. Callet, April/Mai 1823. Paris, Bibliothèque de l’Institut de France, Ms. 4643 Abb. 6: Félix-Emmanuel Callet: Brunnentränke in Pompeji, 1822. Zeichnung. Paris, École nationale supérieure des beaux-arts, EBA 3275–166

von Callet und Lesueur angefertigt.60 Allerdings gilt es zu beachten – aber dies folgt selbst wieder nur dem hier beschriebenen Verfahren –, dass in Hittorffs Klebebänden nur Kopien Lecointes vorliegen, der 1827 selbst eine Italienfahrt unternommen hatte.61 Es gilt für Hittorffs Zeichnungen, was Pierre Pinon für Prosper Moreys Italien- und Griechenlandblätter herausgearbeitet hat, dass nämlich die Reiseskizzen der französischen Architekten nicht immer der eigenen Wahrnehmung entstammen müssen.62 60 Paris, ENSBA, 15469–2. 61 Vgl. das erhaltene Reisejournal von Lecointe in: Paris, BNF, Département des manuscrits, Nouvelles acquisitions, Manuscrits français, 10889. Zu Lecointes Italienreise und seinen Zeichnungskopien nach Vorlagen der neapolitanischen Architekten Stefano und Luigi Gasse vgl. Salvatore Pisani: Stefano e Luigi Gasse tra Parigi, Roma, Pompei e Napoli. In: Les Cahiers d’histoire de l’art 4 (2006). S. 81–93; bes. S. 85–87. 62 Vgl. Pierre Pinon: Le portefeuille des voyages de Prosper Morey. In: Voyages en Italie et en Grèce de Prosper Morey (1805–1886), architecte lorrain. Ausstellungskat. Nancy 1990. S. 71–130; hier: S. 40: „Ces dessins permettent-il de restituer les déplacements de Morey en Italie et en Orient? Sur ce point il faut être prudent. Si la moitié environ des dessins sont datés (le plus souvent du mois et de l’année, quelquefois de l’année seulement, très rarement du jour, du mois et de l’année), rien ne prouve absolument que la date indique le moment où le monument dessiné est visité. Il est possibile que certaines dates indiquent en fait le moment où le dessin est mis en net, moment qui peut être très éloigné de celui où le monument a été visité. … Un plan de l’église de Monreale en Sicile daté de „Rome 1832“. Or Morey est allé pour la première fois en Sicile en janvier 1834 au plus

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Abb. 7: Jean-Baptiste Lesueur: Auf- und Grundrisse der Treppenanlage des Palazzo Via Foria Nr. 234 in Neapel, 1822. Zeichnung. Paris, École nationale supérieure des beaux-arts, PC 15469–2

Ferner spiegeln die Kopien nach Zeichnungen von Callet und Lesueur die unmittelbare Einflussnahme der beiden Romstipendiaten auf Hittorffs Italieninteressen und verweisen auf eine weitere Funktion des Romaufenthalts. So traten durch Callet und Lesueur in Hittorffs Gesichtskreis die barocken Treppenanlagen Neapels, die im 19. Jahrhundert nicht zum Kanon gehörten und deren Studium keine Selbstverständlichkeit darstellte. Die zahlreichen Bauaufnahmen Neapler Treppenstiegen im Zeichnungsbestand von Callet und Lesueur und in der Nachfolge bei Hittorff, Lecointe und Duban stehen für das zumindest zeitweilige hohe Interesse an dieser typologisch kapriziösen Architektur (Abb. 7).63 Das erweiterte Interessenspektrum offenbart seine Besonderheit, wenn man es vor den nahezu ausschließlich klassischen Horizont der französischen Italienwahrnehmung stellt. Es ist bekannt, dass für die Wahrnehmung der nachantiken Baukunst Italiens Perciers und Fontaines 1798 veröffentlichter Tafelband Palais, maisons, et autres édifices modernes, dessinés à Rome prominent einstand, der den Antikekanon um die Renaissance-Baukunst erweiterte. Vom Leitbildcharakter dieses Tafelwerkes zeugen zahlreiche Architekturpublikatiotôt, et plus probablement en 1836. Il s’agit donc d’une copie exécutée à la Villa Medicis d’après un relevé effectué par un autre ‚pensionnaire‘, S.-Cl. Constant-Dufeux ou M.-A. Delannoy logiquement“. Pinons Problemskizze wird von Jacques bestätigt und dürfte mutatis mutandis generalisierbar sein; Annie Jacques: Duban et l’Italie. Ausstellungkat. Paris 2004. S. 14 u. 18. 63 Den barocken Treppenhäusern Neapels wurde erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder intensive Beachtung geschenkt; vgl. die erste systematische Studie von Michele Capobianco: Scale settecentesche a Napoli. In: L’Architettura. Cronache e storia 8 (1962). Nr. 84. S. 400–417. Nr. 86. S. 548–561 u. 9 (1963). Nr. 88. S. 694–705.

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nen der unmittelbaren Folgezeit.64 So sehr die Italienwahrnehmung durch Percier und Fontaine vorgezeichnet war und römische Antike und Renaissance gleichermaßen die ranghöchsten Modelle stellten, so weckten die Feldstudien der Pensionäre in Rom auch eine Aufgeschlossenheit gegenüber sonst ausgeblendeten Bauten. Allerdings zeigen alle genannten Architekten auch die Grenzen der Öffnung. Die spätbarocken Treppenhäuser Neapels haben weder im gebauten Œuvre noch in Publikationen tiefere Spuren hinterlassen. Die Wirkmacht des Kanons blockierte zwar nicht das Interesse, aber doch die Rezeption des als eigenwillig geltenden Barock.65 Rom war sowohl der Ort der Vor- als auch der Nachbereitung von Hittorffs Süditalienreise. Hier verweilte er erneut nach der Rückkehr aus Sizilien zwischen dem 21. Januar und dem 8. Mai 1824. Wer ein großes Wissensgebiet neu zu erschließen unternimmt und daran seine Imagebildung knüpft – Hittorff annoncierte die geplante Publikation seiner Sizilienergebnisse als „classique“ –, der brauchte einen Schauplatz, auf dem sich um Anerkennung und Applaus ringen ließ. Es spielte deshalb das römische Kunst- und Gelehrtenleben mit seinen institutionellen Querverbindungen und mit seinem hochkarätigen internationalen Gepräge eine kaum zu überschätzende Rolle. Den Höhepunkt von Hittorffs Italienstudienreise stellt deshalb die Ausstellung seiner (und von Zanths und Stiers) Rekonstruktionszeichnungen der Tempelbauten Siziliens zwischen Ende April und Anfang Mai 1824 in den Räumen der Casa Buti dar. Hier präsentierte er vierzehn großformatige Blätter (Abb. 8), ähnlich wie es die Pensionäre im vierten Jahr ihres Romaufenthaltes in den Räumen der Villa Medici mit ihren Rekonstruktionsentwürfen antiker Bauruinen, den sogenannten Envois de Rome, taten.66 Am 1. April 1824 schrieb Hittorff an Lecointe, diesen um die Verzögerung seiner Rückkehr um Verständnis bittend, die sich aus dem Ausstellungsprojekt ergeben hatte: „Je vois de plus en plus combien il était nécessaire de faire ce travail avant mon arrivée à Paris, s’il n’a pu être aussi complet que je l’aurai desirée, du moins suffira-t-il pour donner une idée de l’importance de mes recher64 So Augustin-Henry-Victor Grandjean de Montignys Recueil des plus beaux tombeaux exécutés en Italie dans les XVe et XVIe siècles von 1813, Tilleman-François Suys’ u. Louis-Pierre Haudebourts Palais Massimi à Rome von 1818 und besonders Martin-Pierre Gauthiers Plus beaux édifices de la ville de Gênes et de ses environs, erschienen in zwei Bänden 1818 und 1832; vgl. Garric 2004, S. 127– 155. 65 Bezeichnend hierfür ist Hittorffs Vorgehen in seiner Architecture moderne de la Sicile von 1835, wo er die Baudenkmäler der „école borrominienne … qui surpassent souvent l’extravagance de leurs modèles“ ausspart, ungeachtet dessen, dass er sich zuvor mit den Treppenbauten Neapels intensiv beschäftigt hatte; Jakob Ignaz Hittorff u. Ludwig von Zanth: Architecture moderne de la Sicile ou recueil des plus beaux monumens religieux, et des édifices publics et particuliers les plus remarquables de la Sicile. Paris 1835. S. 20. 66 Zum Curriculum der Pensionäre an der Villa Medici, zu dem die Envois de Rome gehörten, vgl. Pierre Pinon u. François Xavier Amprimoz: Les Envois de Rome. Architecture et archéologie. Rom 1988 und Pierre Pinon: Gli architetti all’Accademia di Francia a Roma (1803–1870). In: Maestà di Roma. Da Napoleone all’Unità d’Italia. Da Ingres a Degas. Artisti francesi a Roma. Ausstellungskat. Rom 2003. S. 60–67; bes. S. 63–65.

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Abb. 8: Jakob Ignaz Hittorff: Rekonstruktionszeichnung des Olympieion (Zeustempel), des Concordia- und des Juno-Lacinia-Tempels in Agrigent, ausgestellt April/Mai 1824 in der Casa Buti zu Rom. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, K15, M2, Sic. 349

ches“.67 Wie sehr es Hittorff um die Setzung einer Aufmerksamkeitsmarke ging, zeigt der Umstand, dass er die Ausstellung seiner Rekonstruktionszeichnungen gleichzeitig zu jener der Pensionäre der Villa Medici legte;68 eine zeitliche Parallele, die einmal mehr die herrschenden Kommunikationsformen und Diskursordnungen offenbart. Davon unbenommen war die Ausstellung seiner Sizilienentdeckungen vom Motiv der Fundsicherung grundiert. Denn auf Sizilien war es zur Begegnung mit einem Rivalen von Rang gekommen, nämlich mit dem in bayerischen Diensten stehenden Hofarchitekten Leo von Klenze.

67 Brief von Hittorff an Lecointe, Rom, 1.4.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 91r. 68 Hittorff beschrieb sie als vollen Erfolg: „Les artisans de tous les genres, les amateurs, grands & petits, affluent encore journellement et il paraît que personne ne s’attendrait à une récolte aussi abondante“. Brief an Lecointe, Rom, 24.4.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 94r.

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Abwehr von Konkurrenz. Die Begegnung mit Leo von Klenze in Selinunt Die Reise durch Sizilien, die in Palermo ihren Ausgang nahm, wo Hittorff, Zanth und Stier am 5. September 1823 mit dem Schiff aus Neapel ankamen, führte zunächst nach Cefalù und Messina, wo die Normannendome und zentralen RenaissanceDenkmäler aufgenommen wurden. Es folgte ein Halt in Catania, um die kapitalen Stücke der Barockarchitektur zu studieren, bevor sich die Aufmerksamkeit auf die antiken Stätten an der Südost- und Südwestküste richtete.69 Den Ertrag der bauarchäologischen Studienreise haben Hittorff und Zanth in zwei separaten Foliobänden niedergelegt, der Architecture antique de la Sicile und der Architecture moderne de la Sicile, deren Tafeln ab 1827 bei Paul Renouard in Paris in Lieferungen erschienen. Die Prinzipien der Sizilienerkundung hat Hittorff im Prospectus der Architecture antique wie folgt umrissen: Le principal but de mon voyage en Sicile ayant été de me livrer à une étude rigoureuse et à des recherches approfondies sur l’architecture antique de cette île célébre. … Il nous fut facile de nous convaincre, pendant toute la durée de nos travaux, combien les ouvrages publiés sur la Sicile ancienne étaient incomplets, incorrects, et surtout peu propres à donner une juste idée de ses monumens.70

Hittorff und Zanth nahmen in der Tat in einem vorher nicht gekannten Ausmaß und in einer bis dato nicht praktizierten Exaktheit bauarchäologische Vermessungen vor allem von antiker Architektur vor.71 Dass sich die Forschung des frühen 19. Jahrhunderts nicht mehr mit dem Erscheinungsbild der Bauruinen selbst zufrieden gab, zei69 Vgl. zu Hittorffs Sizilienerkundung Michele Cometa: Jakob Ignaz Hittorff. Viaggio in Sicilia. Messina 1993. S. 105–149; Klinkhamels 1995. S. 34–38; Niemeyer 1987 sowie Kiene 2013 und Kiene/Lazzarini/Marconi 2016 (mit der Katalogierung von Hittorffs Reisezeichnungen). 70 Jakob Ignaz Hittorff u. Ludwig von Zanth: Architecture antique de la Sicile, ou Recueil des plus intéressans monumens d’architecture des villes et des lieux les plus remarquables de la Sicile ancienne. Paris 1827. Abgeschlossen wurde nur das Opus zur nachantiken Architektur Siziliens (1835). Dieser enthält einen Abriss mit umfassenden Daten und Beobachtungen zur sizilianischen Architekturgeschichte von den frühen Kirchenbauten im 6. Jahrhundert n. Chr. über die mittelalterlichen Normannendome und die Renaissancepaläste bis zur Baukunst der eigenen Zeit sowie eine kurze Charakterisierung der mittelalterlichen Mosaikkunst als fester Ausstattungsschmuck der insularen Sakralarchitektur. Die Architecture antique hingegen wurde 1829 nach acht Lieferungen eingestellt; vgl. hier das übernächste Kapitel. 71 Vgl. Dieter Mertens: Der Tempel von Segesta und die dorische Tempelbaukunst des griechischen Westens in klassischer Zeit. Mainz 1984. S. 2–8 (zur Rekonstruktion der Cella des Tempels von Segesta). Freilich halten die Bauaufnahmen von Hittorff und Zanth heutigen Dokumentationsansprüchen und -methoden nicht mehr stand, doch entspricht ihr wissenschaftliches Ethos ganz dem der historischen Bauforschung; zu deren Methoden und Geschichte vgl. Gottfried Gruben: Klassische Bauforschung. In: Klassische Archäologie. Eine Einführung. Hrsg. von Adolf H. Borbein, Tonio Hölscher u. Paul Zanker. Berlin 2000. S. 251–279 und Manolis Korres: Bauforschung in Athen 1831–41. In: Das neue Hellas. Griechen und Bayern zur Zeit Ludwigs I. Ausstellungskat. München 1999/2000. S. 171–186.

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gen die punktuellen Grabungen, die Hittorff etwa am Jupiter-Tempel in Agrigent durchführte. Autopsie und Empirie waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts keine prinzipiell neuen Wissenschaftsgebote mehr, doch zeigte Hittorffs bauarchäologische Sizilienerkundung eine Verfeinerung und Schärfung der Wahrnehmung, insbesondere im Hinblick auf die materielle und technische Beschaffenheit der historischen Architektur, die älteren archäologischen Studienreisen wie jene des Abbé de Saint-Non oder Jean Hoüel in dieser Art fremd geblieben waren.72 Das neue Ideal des Tatsachenblicks bestimmte mithin Hittorffs archäologische Sammlung, die sich in Köln weitgehend erhalten hat.73 Das Sammelinteresse richtete sich nicht auf ästhetisch hochwertige Stücke oder Kuriosa, sondern auf antike Material- und Formproben. Hittorff trug zahllose Fundstücke von Dachziegeln, Terrakottafiguren, buntem Marmor, koloriertem Stuck und Wandputz sowie Metallklammern, Vergussreste und Dübel zusammen. Der Sammler war hier nicht Ästhet, sondern Bauforscher, dessen Methodenideal der Exaktheit dann im Winter 1823/24 auf eine eigentümliche Probe gestellt wurde. Am zweiten Weihnachtstag des Jahres 1823 kam es in Selinunt zur zufälligen Begegnung zwischen Hittorff und dem bayerischen Hofarchitekten Leo von Klenze. Beim Anblick Klenzes verwandelte sich das Grabungsfeld für Hittorff in einen, wie er es nannte, „Kampfplatze“,74 weil es nun einen ernsten Konkurrenten abzuwehren galt, der die eigenen Funde streitig zu machen drohte. Hittorff äußerte sich über Klenze in einer Weise grob, wie man es von ihm nur selten vernehmen kann, worin sich nur besonders offen die von dem Konkurrenten ausgehende Bedrohung ausdrückte. Hittorff zeigte sich bereits von der Art und Weise irritiert, mit der Klenze das Grabungsgelände durchschritt. Er sah ihn „mit einem Spazierstöckchen vermessen“ und hörte ihn über die Befunde „mit lächerlichem Pathos“ Urteile und Bemerkungen abgeben.75 Hittorffs Verstimmung galt einer angemaßten Autorität, deren Habitus selbst bereits verräterisch war und dem eigenen, auf Akribie begründeten Expertenideal diametral entgegenstand. Die folgende Darstellung von Hittorffs Abwehr des Konkurrenten Klenze nimmt die Gegenstandsfindung und die Gegenstandssicherung als zentrale Prämissen von Forschungs- und Karriereplanungen in den Blick. Von einiger Bedeutung für die Dramaturgie des Konfliktes ist die Konstellation, dass Hittorff gerade erst in Agrigent Funde am Olympieion getätigt hatte, die wichtige Ergänzungen und Korrekturen der bisherigen Erkenntnisse darstellten, und Klenze, der die umgekehrte Route von Palermo über Segesta genommen hatte, als nächste Station die agrigentinischen Tempel im Visier hatte und allererst das Olym-

72 Zu den archäologischen Sizilienerkundungen des 18. Jahrhunderts, die der Kategorie des Pittoresken unterstanden, vgl. Cometa 1999, S. 59–101. 73 Vgl. Hesberg/Berger/Doepner/Hinz/Naumann-Steckner 1992. 74 So Hittorff in einem Brief an Ludwig von Schorn, Selinunt, 30.12.1823; Köln, 1053–1, f. 78r. 75 Brief von Hittorff an Schorn, Selinut, 30.12.1823; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 78r.

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pieion, über das er wenige Jahre zuvor eine monographische Abhandlung publiziert hatte.76 Hittorff reagierte auf die Begegnung deshalb alarmiert, weil er befürchten musste, dass seine jüngsten Neuentdeckungen, die er in Agrigent dem Antikenaufseher Raffaello Politi mitgeteilt und in Form von Durchzeichnungen zurückgelassen hatte, von Klenze nun verwertet werden könnten. Hittorffs Erregtheit über die unerwartete Präsenz Klenzes in Selinunt fand Ausdruck in zwei mit polemischen Ausfällen gegen den bayerischen Hofarchitekten gespickten Briefen an Politi und an den Freund Ludwig von Schorn in Stuttgart, den Redakteur des Kunstblatts.77 So sehr der verbale Furor durch die spannungsvolle Konstellation provoziert war, so überlegt und absichtsvoll setzte ihn Hittorff im Hinblick auf Sicherung und Vermittlung seiner Ansprüche ein. Doch bevor hierauf näher eingegangen wird, bedarf es eines Blicks auf den Gegenstand der Auseinandersetzung und seiner Problematik, nämlich des Jupiter-Tempels (auch Olympieion) zu Agrigent. Der am 9. November 1401 bei einem Erdbeben in sich zusammengestürzte Tempelbau, der von Diodor als einer der größten Griechenlands beschrieben wurde, stand zwar von Anbeginn der archäologischen Studien- und Forschungsreisen nach Sizilien, also seit Mitte des 18. Jahrhunderts, im Zentrum des Gelehrteninteresses, doch vermittelte der Erhaltungszustand kein klares Bild mehr weder von seinem Aussehen noch von seinen Ausmaßen. Goethe hat den Eindruck in seiner Italienischen Reise unter dem 25. April 1787 wie folgt festgehalten: „Dieser [der Jupiter-Tempel] liegt weit gestreckt, wie die Knochenmasse eines Riesengerippes, inner- und unterhalb mehrerer kleiner Besitzungen, von Zäunen durchschnitten, von höhern und niedern Pflanzen durchwachsen. Alles Gebildete ist aus diesen Schutthaufen verschwunden, außer einem ungeheueren Triglyph und einem Stück einer demselben proportionierten Halbsäule“; entsprechend resignierend war Goethes Fazit: „Wir schieden mit dem unangenehmen Gefühle, daß hier für den Zeichner gar nichts zu tun sei“.78 Ratlosigkeit kennzeichnete die frühe Auseinandersetzung mit den Resten des Tempelgebäudes. Grabungen erfolgten zunächst sporadisch, seit dem frühen 19. Jahrhundert zunehmend systematischer.79 Der französische Architekt Léon Dufourny stellte 1788 durch die Auffindung der äußeren Säulen der Tempelfront die Breite 76 Leo von Klenze: Der Tempel des olympischen Jupiter zu Agrigent. Stuttgart 1821. 77 Briefe von Hittorff an Schorn vom 30.12.1823 und an Politi vom 1.1.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 74v–79r. 78 Johann Wolfgang Goethe: Italienische Reise. Hrsg. von Andreas Beyer u. Norbert Miller. München 1992, S. 340 u. 343. In den Jahren zuvor und danach wurden die Trümmer des Jupiter-Tempels von zahllosen Reisenden in den Kategorien des Erhabenen wahrgenommen, beschrieben und bildlich festgehalten. Wie sehr die gesamte Generation der Sizilienreisenden bis 1800, so Johann Hermann von Riedesel, der Abbé de Saint-Non, Vivant Denon und auch Goethe, den Jupiter-Tempel in Agrigent durch die Brille Winckelmanns sah, vgl. Cometa 1999, S. 158–169. 79 Grundlegend zur Rekonstruktion der Entdeckungsgeschichte des Jupiter-Tempels in Selinunt Hansgeorg Bankel: Leo von Klenze ein Bauforscher? Aphoristische Bemerkungen über Klenzes Forschungen zur Tempelkunst Siziliens. In: Leo von Klenze. Architekt zwischen Kunst und Hof 1784– 1864. Hrsg. von Winfried Nerdinger. Ausstellungskat. München-Berlin 2000. S. 85–103.

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des Baues fest.80 Für die Rekonstruktion des Grundrisses war die Freilegung des Tempelareals eine wesentliche Voraussetzung, die erst zwischen 1801 und 1804 auf Anordnung der bourbonischen Regierung vorgenommen wurde. Die Ergebnisse dieser ersten umfassenden Grabungskampagne wurden 1814 von Johann Joachim Haus in Palermo unter dem Titel Saggio sul tempio e la statua di Giove in Olimpia e sul tempio dello stesso Dio olimpio recentemente dissotterrato in Agrigento publiziert, einem wenige Seiten umfassenden Opusculum in Quart-Format, dessen Anhang eine Tafel enthält, die das Gemessene erstmals in die Welt der Anschauung hob. Charles Robert Cockerell (1788–1863) leitete 1812 bei einem sechswöchigen Aufenthalt in Agrigent eine neue, entscheidende Etappe der Entdeckungsgeschichte ein, als es ihm nämlich gelang, die in den Grabungen von 1801 bis 1804 zum Vorschein gekommenen riesenhaften Skulpturenblöcke zeichnerisch zu einer Atlantenfigur zusammenzusetzen.81 Ein Blatt mit seiner Rekonstruktion hinterließ er dem lokalen Antikenaufseher Raffaello Politi der zwischen 1817 und 1824 eine der achtzehnteiligen Atlantenfiguren in der Cella des Jupiter-Tempel auslegte.82 Die unklare Anzahl der Atlanten (zunächst ging man von drei aus) provozierte in der Folgezeit eine Reihe von kontroversen Rekonstruktionsversuchen der Tempelarchitektur. Diese Versuche wurden von der ungelösten Frage begleitet, wo sich der ursprüngliche Eingang des pseudoperipteralen Tempels befand. Cockerell hatte zwei kleinere Türen in den Eckinterkolumnien der Ostfront vorgesehen und die Atlanten, deren Zahl er auf 24 schätzte, als Stützfigurenreihe zuoberst der inneren Cellawände vorgestellt, welche die Dachkonstruktion tragen sollten. Politi, der sich eigene Gedanken um die Tempelrekonstruktion machte, nahm hingegen zum einen eine große Mitteltür an und ging zum anderen von insgesamt drei Atlanten aus, die er um einen Pfeiler gruppierte. Die Einfügung dieses Atlantenpfeilers in die Mitte der Westfront empfanden die meisten Beurteiler der Rekonstruktion – und Politi später in seiner Revision selbst83 – als durchaus gewaltsam. Klenze folgte 1821 im Hinblick auf die Platzierung der Atlanten der Lösung Cockerells, schlug aber wie Politi einen großen Mitteleingang vor. Vor dem Hintergrund dieser kontroversen Rekonstruktionsversuche hatte Hittorffs Auffindung eines Antenkapitells sowie von Fragmenten vermeintlich weib80 Cometa 1999, S. 173. 81 Der englische Architekt Cockerell hatte zwischen 1810 und 1817 eine Studienreise durch Kleinasien, Griechenland und Italien unternommen. In der Archäologiegeschichte des 19. Jahrhunderts verbindet sich sein Name mit der Entdeckung des Apollon-Tempels von Bassae (zusammen mit Haller von Hallerstein) und des bildlichen Giebelschmucks des Aphaia-Tempels auf Aigina, der sogenannten Aigeniten (heute München Glyptothek); vgl. zusammenfassend Roland u. Françoise Étienne: La Grèce antique. Archéologie d’une découverte. o. O. 2003. S. 75–79. 82 Bei Bankel 2000, S. 87 die Angabe zwölfteilig, bei Raffaello Politi: Sul ristabilimento del gran tempio di Giove Olimpico in Agrigento e sua cella iptera distrutto e ridotto a cortile nella dissertazione apologetica comparsa in Girgenti nel 1827. Venedig 1828. S. 35 dagegen achtzehnteilig, so wie es auch die meisten Zeichnungen vermitteln. 83 Raffaello Politi: Il viaggiatore in Girgenti e il Cicerone di Piazza ovvero guida agli avanzi d’Agrigento. Agrigent 1826. S. 37.

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licher Stützfiguren – tatsächlich Jünglinge – im Winter 1823 eine weitreichende Bedeutung. Sie stellte die Rekonstruktion des Tempels auf ein neues Fundament. Als Cockerell seine Tempelrekonstruktion 18 Jahre später in der Reihe der Antiquities of Athens publizierte, war sie nicht nur längst überholt, sondern von einer Schar anderer Archäologen bereits benutzt und publiziert worden. So hatte sich nach Politi der Schweizer Verleger Jean-Frédéric d’Ostervald für sein Voyage pittoresque en Sicile, erschienen Paris 1822–1826 in zwei Bänden, aus Cockerells Portfolio bedient.84 Auch Klenzes Abhandlung von 1821 bezog ihre Kenntnisse in nicht unerheblichem Maße aus den Funden von Cockerell.85 Cockerells Fall war ein warnendes Beispiel dafür, wie man mit seinen Kollektaneen besser nicht umging. Er zeigt aber vor allem wissenschaftsgeschichtlich, dass die Archäologie des 19. Jahrhunderts nicht allein die Geschichte ihrer Entdeckungen, sondern ebenso die ihrer Wettläufe und Prioritätssicherungen war. Der englische Archäologe ist von dem Vorwurf kaum freizusprechen, dass er die Ausschlachtung seiner Ergebnisse selbst befördert hat, weil sein Verlangen nach raschem Ruhm sie ihm aus den Händen hatte gleiten lassen.86 Die Etappen im Einzelnen. Zunächst wollte ein Landsmann namens Cussins die ‚Entdeckung‘ des Atlanten erwerben, worauf Cockerell aber nicht einging, da er meinte, dass Cussins in Palermo damit nur Aufmerksamkeit auf sich ziehen wolle: „He wanted the sketch to flourish at Palermo“.87 Dafür liess er sich auf ein anderes, für ihn publizitätsträchtiges Angebot ein, das ihm der palermitanische Geistliche Ciantro Panitteri unterbreitete. Panitteri bot an, die entdeckten Einzelblöcke der monumentalen Atlantenfigur zusammenfügen und aufrichten zu lassen, wenn er ihm nur die Rekonstruktionszeichnung überlasse und die Skulpturenfragmente im Gelände markiere.88 In seinem Reisetagebuch hielt Cockerell fest, dass die Aussicht mit der Aufrichtung der Atlantenfigur „immediate notoriety“ zu erlangen, ihn verführt habe, in den für die Rekonstruktionsgeschichte des Jupiter-Tempels folgenreichen Vorschlag einzuwilligen. So kennzeichnete er zusammen mit Politi die entsprechenden Reste und überliess Panitteri eine Kopie seiner Rekonstruktionszeichnung „with my name appended as the author“.89 Cockerell befielen aber alsbald Zweifel, ob er 84 Raffaello Politi: Cenni sui Giganti scolpiti in pietra nel gran tempio di Giove Olimpico in Agrigento. Palermo 1825 [Separatdruck aus Giornale di Scienze, Lettere ed Arti per la Sicilia, Nr. 29]. Tafel 1. Zu Ostervalds Sizilienwerk, das eine Kompilation aus Vorlagen von L. F. Cassas, Comte de Forbin, Huber, C. R. Cockerell u. a. ist, vgl. Salvo di Matteo: Introduzione. In: Viaggio pittorico in Sicilia di J. F. d’Ostervald. Hrsg. von Dems. Palermo 1987. S. 7–15; hier: S. 11–14 und Cometa 1999, S. 74–80. 85 Bankel 2000, S. 91. 86 Zu den folgenden Ausführungen vgl. Bankel 2000, S. 87 f. 87 Samuel Pepys Cockerell (Hrsg.): Travels in Southern Europe and the Levant, 1810–1817. The Journal of C. R. Cockerell. London-New York-Bombay 1903. S. 208. 88 Vgl. Cockerell 1903, S. 208 mit der unkorrekten Namenswiedergabe als „Candion Panettieri“; hierzu richtig Raffaello Politi: Antichi monumenti per servire all’opera intitolata Il viaggiatore in Girgenti. o. O. 1826. S. 1. 89 Cockerell 1903, S. 208.

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damit den Fund als seinen eigenen tatsächlich genügend gesichert hatte. So schrieb er am 10. September 1816 aus Florenz voller Sorge an seinen Vater: I will add only that I hear from Rome of the return of some travellers arch.ts from Sicily & I have much suspicion & from the time & occupations they have had, having made this journey almost expressly for the Te. of Jupr. Olymps. at Agrigentum that they may publish in which case I may lose the Glory of mine unless I publish it immediately which I have been long ago advised to do.90

Ganz im Zeichen der Sicherung seines Atlantenfundes stand ein Besuch Cockerells bei Hittorff am 19. Oktober 1824 in Paris: „Hittorf rec[eive]d me politely, told him it was a great object with me to secure the little merit I had in the discovery of the arch[itectur]e of [the temple of] Jup[iter] Olym[pus] at Girgenti. He assured me that he had attributed the discovery of it to me in his work, that he agreed in my view of it; &c. &c. satisfied me fully“.91 Hittorff und Klenze verfassten unmittelbar nach ihrer Begegnung in Selinunt je einen Bericht für das Kunstblatt. Hittorff hatte seinen neun Seiten umfassenden Reisebericht am 30. Dezember – also fünf Tage nach der Begegnung – fertig und schickte ihn an den Redakteur Ludwig von Schorn nach Stuttgart. Der Bericht erschien mit wenigen Kürzungen vier Monate später am 5. April 1824. Es entsprach durchaus publizistischer Praxis, die wichtigsten Erträge einer Studienreise einer Zeitschrift zum Abdruck anzubieten, doch war Hittorff gegenüber Schorn eine Erklärung schuldig, warum er dies schon vor Ende der Reise tat und sprach das Motiv der Fundsicherung offen aus: Da ich nun von vielen Seiten den H. Politi in Girgenti Kopien ließ, auch diesen sonst braven und von mir aufrichtig geschätzten Mann vieles von meinen Entdeckungen und Ideen über die Restauration dieses Tempels mittheilte und ich vielleicht zu befürchten hätte H. Klenze könne über vieles Nachricht ziehen und vieles erfahren, wovon er überhoben wäre zu sagen, woher er es habe, so gerieth ich mit dem Gedanken dich eher als ich es sonst gethan haben würde von den glücklichen Erfolgen unserer Reise bis auf den heutigen Tag zu unterrichten.92

Hittorff ging es also um die Reklamation der Agrigentiner Neufunde als sein geistiges Eigentum. Im Artikel heißt es deshalb: „Was den Giganten [id est die Atlantenfigur des Olympieions] betrifft, welchen wir in seinen verschiedenen Ansichten mit 90 Der Brief abgedruckt in David Watkin: The Life and Work of C. R. Cockerell. London 1974. S. 29. Cockerell wiederholt seine Sorge gegenüber dem Vater in einem Schreiben vom 5.10.1816 aus Venedig: „I foresee what must also be an occupation for me this winter unless I consent to loose one of the most ingenious of my works, that is the T. of Jup: Olymps: at Agrigentum of which I wrote you some time ago; some German architects who have passed the summer on Sicily mean to publish. They will probably have paid much attention to this subject & I may be preceded in an idea which I am sure cannot but do me credit & which they may have robbed me of a I was unwise enough to have several notices in Girgenti.“; ebd., S. 33. 91 Zitiert nach Watkin 1974, S. 88. 92 Brief von Hittorff an Schorn, Selinunt, 30.12.1824. Weimar, GSA, 85/14,7.

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Abb. 9: Jakob Ignaz Hittorff: Rekonstruktion einer Atlantenfigur des Olympieion in Agrigent. Links nach C. R. Cockerell und rechts nach R. Politi. Aus: Hittorffs Reise durch Sicilien. In: Kunst-Blatt 28 (5. April 1824). Insert zwischen den S. 112 u. 113

der pünktlichen Genauigkeit in den Massen und Proportionen und besonders in der Wiedergebung seines Charakters verzeichneten, bin ich der erste, welcher dessen richtige Zeichnung besitzt“.93 Es ist schließlich für den Charakter der Publikation symptomatisch, dass Hittorff die erwähnte „richtige“ Rekonstruktionszeichnung nicht einschickte – im übrigen auch nie publizierte –, sondern ein Blatt, welches die älteren Rekonstruktionen von Cockerell und Politi zeigt (Abb. 9). Denn die Vorabpublikation der Grabungsergebnisse im Schornschen Kunstblatt war in Wahrheit nur die Vorankündigung der eigentlichen Publikation. Hier kam also ein Verfahren der Antizipation von Forschungsergebnissen zur Anwendung, das allein dem Zwecke der Terrainmarkierung diente, um eine Neuauflage von Cockerells Missgeschick zu vermeiden. Hittorffs Erörterungen im Kunstblatt sind denn auch recht summarisch gehalten, galt es doch, nicht zuviel und vor allem nicht die genaue Rekonstruktion des Jupiter-Tempels vorwegzunehmen. So charakterisiert Hittorffs Bericht eine auffällige Tendenz des Andeutens und Ankündigens: Unterstützt durch den Fleiß und das Talent meiner Begleiter sammelte ich alle nur mögliche Überbleibsel, und beglückt durch den Zufall, welcher der hiesigen Regierung eingab, einen der Giganten zusammentragen zu lassen und durch mehrere der interessantesten Entdeckungen, welche ich bey meinen großen Nachgrabungen täglich machte, brachte ich nach einer 30tägi-

93 So Hittorff im Kunstblatt vom 5.4.1824; [Jakob Ignaz Hittorff:] Hittorffs Reise durch Sicilien (aus einem Brief an den Herausgeber). In: Kunst-Blatt 28 (5.4.1824). S. 109–112; Zitat: S. 111.

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gen unaufhörlichen und mühseligen Arbeit es endlich so weit, mich im Besitze aller Zeichnungen und Vermessungen zu wissen, welche mir die Zuverlässigkeit geben, dieses große Werk des Alterthums auf die sichersten Muthmaßungen gestützt, wieder zur Anschauung bringen zu können. So entdeckte ich mit der größten Gewißheit die Stelle des inneren Anten-Kapitells und dessen wahre Form, innere Gesimsstücke und ein mit Eiern verziertes Architrav, welches wohl über den Giganten gelegen haben mag, mehrere Frontonstücke und die Deckglieder des Karnieses der Haupt- und Seitenfassade.94

Hittorff sparte die Begegnung mit Klenze in Selinunt im Bericht an Schorn keineswegs aus. Im Gegenteil, er ließ wissen, dass sich Klenze, kaum dass er ihm von seinen Funden in Agrigent erzählt hatte, „noch mehr beeilte, dahin weiter zu gehen, um ebenfalls jenes Monument zu studiren“.95 Wie sollte die Fachwelt diesen Satz verstehen? Wohl kaum anders als: Falls Klenze die „richtige Zeichnung“ publizieren sollte, dann war sie letztlich Hittorffs geistiges Eigentum. Dies war freilich auf Verdacht geschrieben und macht die Doppelbödigkeit von Hittorffs Vorgehen deutlich, das Klenze unausgesprochen unterstellt, des geistigen Diebstahls fähig zu sein. So implizierte die primäre Absicht der Gegenstandssicherung qua Vorabpublikation den gezielten Angriff auf die moralische Integrität eines Konkurrenten. Dabei nimmt sich die Druckfassung im Kunstblatt im Vergleich zu dem an Schorn gesandten Manuskript zurückhaltend aus. Denn Schorn hat genau jene Sätze getilgt, in denen Hittorff seinem Unbehagen an dem Konkurrenten in persönlichen Angriffen Luft machte. Die zwei aus dem gedruckten Text gestrichenen Passagen seien hier vollständig wiedergegeben: Ohne zu sagen, wo er [Klenze] seine Materialien her hat, und dass sein Werkchen [über den Jupiter-Tempel von Agrigent] und überhaupt sein, in demselben ausgespochener Ideengang über diesen Tempel nichts anderes sein konnte als eine Herleitung aus den Zeichnungen von Cockerell, dem Werke Politis oder vielleicht noch anderer Reisenden, welche dessen Ruinen wenigstens von Angesicht zu Angesicht kannten, ist das Büchlein des H. Klentzen anders nichts als eine Production, wodurch er auf anderer Künstler Rechnung sich einen Ruhm erwerben wollte, wozu ihn nichts berechtigt. Ein sich anmaßendes Gelehrtentum, welches dem Haufen imponiert und welches ich in diesem Falle strafbar finde. Es sey nichtsdestoweniger wie ihm wolle, alles was unser Schriftsteller Klentze als von sich aus ausspricht ist auf nichts als auf lockerem Grund gebaut, welcher als ganzes Gebäude bald selbst untergraben wird. … Kaum hatten wir uns auf diesem neuen Kampfplatze [dem Grabungsbezirk in Selinunt] umgesehen und eben waren wir am letzten Donnerstage im Begriffe den kleinsten der besterhaltenen Tempel zu vermessen als wir auf einer letiga [i. e. Sänfte] einen Granden vor uns vorbeitragen sahen und bald nachher in eben diesem Granden den Herrn Klentze erkennen mussten, welcher mich aufsuchte. War ich schon durch die gelesenen Schriften dieses Mannes als Künstler gegen selben verstimmt, so wurde ich es noch mehr als ich ihn auf die oberflächlichste Weise die Räume Selinunts durchlaufen, mit einem Spazierstöckchen vermessen sah und darauf seine Urteile und Bemerkungen darüber machen hörte, welche des lächerlichen Pathos wegen, mit welchem er sie vortrug jeden andern als bloß geniert haben würde. Schon wendete

94 Hittorff 1824, S. 111. 95 Hittorff 1824, S. 112.

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er jedoch die Rede auf den Jupiter Tempel zu Agrigent und als ich ihn über unsere Arbeiten und meine Entdeckungen so viel wörtlich mitgetheilt hatte, als ich es für gut und schicklich hielte, fasste er sogleich den Entschluß nach Agrigent weiter zu gehen, um von seinem achtzehn tägigen Urlaub wenigstens den Nutzen ziehen zu können dieses Monument durchzustudieren.96

Schorns Tilgung der beiden Passagen folgte einem klaren Prinzip. Der Redakteur des Kunstblattes unterschied zwischen persönlichen Verunglimpfungen, die er aus dem Text kürzte, und der Kritik an der Sache, die er rundum gelten liess: So wenn Hittorff Klenzes Agrigent-Abhandlung von 1821 abwertend als „Werkchen“ bezeichnete oder wenn es über Klenzes kleine Publikation zu den archaischen Metopen im Museum von Palermo97 schneidend knapp hieß, sie bedürften „noch einiger Berichtigung“.98 Die scharfe Trennung von argumentum ad hominem und argumentum ad rem gehorchte der seit der Spätaufklärung zusehends verpönten Polemik.99 Schorn trat hier also als regulierende Instanz zünftischer Verkehrsformen auf und verhinderte die Eskalation, deren persönliche Komponente allzu offensichtlich gewesen wäre. Hittorff war sich Schorns Rolle bewusst, wie man seinem zweitem Schreiben vom 6. April 1824 aus Rom entnehmen kann, wo er ihm zugestand: „Mache davon Gebrauch, wie du willst, aber nur auszugsweise. Was ich über Klenze sage, rücke ein“.100 Wenn Hittorff jedoch wusste, dass Schorn die polemischen Ausfälle gegen den Münchener Kontrahenten kürzen würde, dann war deren Adressat nicht die breite Leserschaft, sondern Schorn selbst, und dies hat gute Gründe. Denn Schorn war als Redakteur des in Stuttgart herausgegebenen Kunstblattes, das 1820 aus der Taufe gehoben worden war und unter den verlegerisch mächtigen Fittichen von Johann Friedrich Cotta stand, eine Schlüsselfigur der jungen publizistischen wie wissen-

96 Hier zitiert nach dem Originalschreiben, das heute im Schorn-Nachlass des Goethe-Schiller-Archivs in Weimar (85/14,7) liegt. Die beiden von Schorn für die Publikation getilgten Passagen dort durchgestrichen. Das Schreiben im Kopienbuch Hittorffs im Historischen Archiv der Stadt Köln (1053–1, f. 74v–78v; dort die beiden Zitate: f. 77r und 78rf.) weicht in wenigen, unwesentlichen Partien von dem in Weimar ab. 97 Leo von Klenze: Tempel-Sculpturen von Selinunt. In: Kunst-Blatt 8 (26.1.1824). S. 29–32. 98 [Jakob Ignaz Hittorff:] Hittorffs Reise durch Sicilien (aus einem Brief an den Herausgeber). In: Kunst-Blatt 29 (13.5.1824). S. 153 f.; hier: S. 154. 99 Hierzu Günther Oesterle: Das „Unmanierliche“ der Streitschrift. Zum Verhältnis von Polemik und Kritik in Aufklärung und Romantik. In: Formen und Formgeschichte des Streitens. Der Literaturstreit. Hrsg. von Franz Josef Worstbrock u. Helmut Koopmann. Tübingen 1986. S. 107–120; bes. S. 111. 100 Brief von Hittorff an Schorn, Rom, 6.4.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 90v.

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schaftlichen Infrastruktur Deutschlands.101 Hittorff hatte Schorn wenige Jahre zuvor während seines Aufenthaltes in Stuttgart 1821 im Kreise der Brüder Boisserée und J. F. Cotta persönlich kennengelernt, woraus das vertrauliche Du der Briefe resultiert.102 Es ist anzunehmen, dass Hittorffs Bloßstellungen von Klenze („ein anmaßendes Gelehrtentum, welches dem Haufen imponiert“) darauf zielten, in Schorn einen Anhänger zu gewinnen und zugleich eine Publikation Klenzes im Kunstblatt als bedenklich erscheinen zu lassen und womöglich zu blockieren. Schorn hat sich aber nicht in Hittorffs Mobilisierung gegen Klenze einbeziehen lassen. Wie einem Brief Klenzes an Schorn indirekt zu entnehmen ist, hat der Redakteur des Kunstblattes umgekehrt dem Münchener Hofarchitekten den Sizilienbericht Hittorffs noch vor Abdruck zur Lektüre vorgelegt. Was angesichts der Offensive Hittorffs gegen Klenze dabei kaum glaublich scheint, ist, dass Klenze angab, er habe dem Briefbericht Hittorffs nichts hinzuzufügen.103 Klenze wie auch Schorn war offensichtlich an einer öffentlichen Kontroverse nichts gelegen. Im Gegenteil, machen die Kürzungen Schorns in Hittorffs Artikel sowie Klenzes verhaltene Reaktion deutlich, dass es beiden angelegen war, das Fahrwasser ruhig zu halten – was sich im übrigen durch Schorns Berufung auf den Lehrstuhl für Ästhetik und Kunstwissenschaft an die Münchener Universität 1826 und der in den folgenden Jahren engen Zusammenarbeit mit Klenze im Rahmen der Errichtung und Ausstattung der Glyptothek als kluge Privatpolitik herausstellen sollte.104 Klenze blieb freilich nicht tatenlos und verfasste einen Bericht über seinen dreiwöchigen Studienaufenthalt in Agrigent.105 Er wartete die Publikation von Hittorffs 101 Ein instruktives Profil des Kunstblattes und seines Herausgebers Schorn zeichnet Henrik Karge: Das Kunstblatt Ludwig Schorns als Forum der frühen deutschen Kunstgeschichtsschreibung. In: 200 Jahre Kunstgeschichte in München. Positionen, Perspektiven, Polemik 1780–1980. Hrsg. von Christian Drude u. Hubertus Kohle. München-Berlin 2003. S. 44–56. 102 So belegt durch Hittorffs Eintragungen in seinem Reisejournal von Paris nach Berlin im Jahre 1821; Köln, UStB, 5 P 181, S. 24. Schorn war zwar 1823/24 in Paris, Hittorff aber währenddessen in Italien; Sulpiz Boisserée: Briefwechsel/Tagebücher. Stuttgart 1862. Bd. 1. S. 418 [4.8.1823] u. S. 435 [31.3.1824]. 103 „Ich habe nach der Durchlesung von Hittorffs Brief nichts daran [dem eigenen Beitrag] zu ändern gefunden, obwohl ich mit den gegebenen Umrissen [gemeint ist die Abb. 9] nicht zufrieden gewesen bin, und den Charakter viel zu eckig und scharf finde, welches übrigens auch des Kupferstechers Fehler sein könnte“. Brief von Klenze an Schorn, München, 16.4.1824; Weimar, GSA 85/ 16,6. 104 Vgl. Karge 2003. 105 Die Umstände von Klenzes Aufenthalt in Sizilien waren andere als bei Hittorff: Klenze begleitete den bayerischen Kronprinzen Ludwig, dessen Italienreise der Rekonvaleszenz diente. So Klenze in einem Brief an Schorn vom 20.12.1823 aus Palermo: „Sie werden vielleicht schon wißen, daß wir hierhergereist sind, besonders um die Gesundheit S. K. Hoheit, welche im vergangenen Sommer durch wiederholte Unpässlichkeit gelitten hatte wiederherzustellen, und dieser Hauptreisezweck ist so vollkommen erreicht, daß der Kronprinz nie gesünder und stärker war als jetzt“. Die königliche Reisegesellschaft erreichte Palermo am 10.12.1823, wo sie gemäß dem Wunsch des Kronprinzen die ganze Zeit verblieb; vgl. Bankel 2000, S. 99. Dass Klenze seinen Aufenthalt zu archäologischen

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Artikel ab, um – wie er in einem Brief vom 30. März 1824 Schorn wissen ließ – „nicht unnützerweise dasselbe zu sagen“.106 Am 16. April 1824, elf Tage nach Erscheinen von Hittorffs Artikel im Kunstblatt, reichte er sein Manuskript bei Schorn mit der Aufforderung ein: „Euer Wohlgeboren überschicke ich hiermit den Brief, welchen ich in Agrigent an Sie schrieb, aber zurückhielt und welcher, wenn Sie ihm, wie ich wünsche, im Kunstblatt einen Platz geben wollen, baldmöglichst abgedruckt werden müßte“.107 Klenzes Beitrag erschien am 3. Mai des Jahres, also vier Wochen nach jenem von Hittorff. Während sich Klenze gegenüber Schorn in Bezug auf Hittorffs Ausführungen in diplomatische Gleichgültigkeit hüllte, münzte er in seinem eigenen Artikel Sachverhalte so um, dass sowohl Hittorffs Leistungen als auch dessen Vorwürfe gegen ihn erheblich relativiert wurden. Nach Klenzes Ausweis war nicht Hittorff derjenige, der das Antenkapitell für die Lösung der strittigen PronaosFrage gefunden hatte, sondern Politi, was ihm Hittorff selbst erzählt habe. Erst diese Mitteilung habe ihn eilig nach Agrigent weiterreisen lassen: „Nun hatte Hr. Politi auch mehrere Stücke der Architektur dieses Tempels gefunden, welche früher unbekannt geblieben waren, z. B. die Antencapitelle, mehrere Stücke des Giebels und seiner Sculpturen u. s. w. Da mir nun auch Hr. Hittorff, welcher später nach Agrigent kam, diese Nachrichten bestätigte, so war ich um so begieriger Agrigent zu erreichen“.108 Diesen Worten Klenzes ist der Versuch eingezeichnet, Hittorffs Leistungen in ein einfaches Bestätigen von Funden, die Dritte getätigt haben, zu verdrehen und damit die Präsenz Hittorffs auf Sizilien unter die Schwelle der Aufmerksamkeit zu spielen. Hittorff, ein kundiger Sizilienreisender, gewiss, aber kein Archäologe, dem weiteres Interesse zu schenken sich lohnen würde! Souverän lenkte Klenze in den folgenden Zeilen die Aufmerksamkeit des Lesers auf William Wilkins Magna Graecia von 1807 um, an dem er kein gutes Haar ließ. Wilkins habe die griechischen Baudenkmäler Unteritaliens „so unverzeihlich mißhandelt, daß nicht die entfernteste

Unternehmungen überraschend nutzen konnte, verdankte sich der Laune des Prinzen. Denn „schon wenige Tage nach unserer Ankunft lies mir der Kronprinz durch den B[ar]on Gumpenberg sagen, daß er dieses mal Palermo nicht verlaßen werde, mir jedoch, wenn ich es wünschte, gestattete, auf meine Kosten eine Rundreise durch die Insel zu machen“. Leo von Klenze, Memorabilien (Klenzeana), I/1, f. 170r. Zitiert nach der Begleit-CD des Ausstellungskatalogs: Leo von Klenze. Architekt zwischen Kunst und Hof 1784–1864. Hrsg. von Winfried Nerdinger. München-Berlin 2000. Klenzes Interesse an den sizilianischen Altertümern war durch seine Abhandlung über den JupiterTempel in Agrigent von 1821 generell vorgezeichnet. Dementsprechend war das Hauptziel seiner Reiseroute Agrigent. Zu Verlauf und Stationen von Klenzes Sizilienreise vgl. Friedrich Wilhelm Hamdorf: Klenzes archäologische Studien und Reisen, seine Mission in Griechenland. In: Ein griechischer Traum. Leo von Klenze. Der Archäologe. Ausstellungskat. München 1986. S. 117–212; hier: S. 128–131. 106 Brief von Klenze an Schorn, München, 30.3.1824; Weimar, GSA, 85/16,6. 107 Brief von Klenze an Schorn, München, 16.4.1824; Weimar, GSA, 85/16,6. 108 [Leo von Klenze:] Klenze’s Reise durch Sicilien. In: Kunst-Blatt 36 (3.5.1824). S. 141–144; hier: S. 141 f.

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Aehnlichkeit mit der Wirklichkeit statt findet“.109 Betrachtet man Wilkins Rekonstruktion des Jupiter-Tempels in Agrigent, die sich auf nur wenige sichere Befunde stützte, und vor allem nicht auf Cockerells erst später aufgefundenen Atlanten, so ist Klenze sicherlich zuzustimmen. Und anderes hatte Klenze gewiss auch nicht im Sinn. Während er Wilkins demonstrativ abfertigte und Hittorff kontrolliert ausgrenzte, bescheinigte sich der bayerische Hofarchitekt selbst: „was ich hierüber [über den Jupiter-Tempel in Agrigent] früher gesagt und geschrieben, fand ich völlig bestätiget“.110 Im Gegensatz zu Klenze gestaltete Hittorff seine Mobilisierung gegen den Konkurrenten offensiv und kaum verhohlen. Unmittelbar nach der Begegnung mit Klenze auf dem Grabungsfeld in Selinunt schrieb Hittorff einen Brief an Politi, in dem er ihm, in höchstem Maße alarmiert, von Klenzes Ankunft in Agrigent unterrichtet: „Demain où après cet artiste, … ne manquera pas je pense de vous faire une visite; je m’empresse bien … de vous prier de ne pas lui faire voir le fruit de nos travaux que je me fis un plaisir de vous communiquer“.111 Mit eindeutigen Bemerkungen erscheint in dieser Mitteilung Klenze als zweifelhafter Wissenschaftler: „Cet artiste, célèbre par plusieurs écrits sur l’architecture toscane et le temple de Jupiter Olympien à Girgenti, doit encore aller visiter ce dernier monument“.112 Die Desavouierung von Klenze ist deutlich: Wer als Archäologe Bücher schreibt, ohne die Denkmäler selbst aufgesucht zu haben, verstößt gegen die Autopsie als primäres Wissenschaftsgebot. Woher eigentlich bezog Klenze, so sollte sich wohl Politi fragen, seine wissenschaftliche Kompetenz? Hittorffs Brief versucht, Politi in die Ausgrenzung Klenzes einzubeziehen und ihn als wichtigen Bündnispartner auf dem „Kampfplatze“ zu werben. Politi war auch sonst für Hittorff wichtig. So kümmerte sich der Agrigentiner Antikenaufseher nach der Abreise Hittorffs um die Anfertigung von Teilabgüssen der Atlantenfiguren und einiger Löwenköpfe. Er war auch derjenige, der ihren Transport nach Palermo und ihre Verschiffung nach Marseille organisierte.113 Wenn Hittorff Politi einige seiner Erträge bei der Abfahrt aus Agrigent überlassen hatte, dann um das Verhältnis auf eine Vertrauensbasis zu stellen. Man kann sich leicht ausrechnen, warum Hittorff wie zuvor auch Cockerell den einheimischen Antikenaufseher Politi nicht als Konkurrenten ansahen und fürchteten. Politi hat über die Grenzen Siziliens hinaus die intellektuelle wie publizistische Bühne nie betreten. Es lassen sich weder ausgedehnte Reisen in die europäischen Gelehrtenmetropolen noch ausgreifende Lektüren nachweisen, die ihm das nötige internationale Profil gegeben hätten, dessen man als ernstzunehmender Forscher 109 110 111 112 113 82v.

Klenze 1824 (b), S. 143. Klenze 1824 (b), S. 143. Brief von Hittorff an Politi, Selinunt, 1.1.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 79r. Brief von Hittorff an Politi, Selinunt, 1.1.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 79r. Vgl. den Brief von Hittorff an Politi, Palermo, 29.1.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f.

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bedurfte. Zudem sind seine antiquarischen Abhandlungen allesamt als anspruchslose Opuskeln in Duodez- oder Oktav-Format in Palermo, Syrakus und Agrigent erschienen, seinerzeit die dunkelsten publizistischen Provinzen Europas.114 Gleichwohl hat sich die internationale Forschung gegenüber seinen zahlreichen schmalen und dürr illustrierten Beiträgen recht aufgeschlossen gezeigt, weil Politi den einen oder anderen Fund englischer oder französischer Archäologen hier hatte einfließen lassen. So hat jüngst Hansgeorg Bankel aufgezeigt, dass sich Klenze der graphischen Reproduktionen Politis bedient hatte, die selbst wiederum auf Cockerell zurückgingen.115 Der Ausgrenzung von Gegnern ist die Vorsprungssuche komplementär. Als Hittorff mit unverhohlener Genugtuung erfahren hatte, dass Klenze die archaischen Reliefs des Tempel C aus Selinunt im Museum von Palermo zwar untersuchen, aber nicht hatte zeichnen dürfen,116 liess er selbst nichts unversucht, die Zeichenerlaubnis für die von Samuell Angels und William Harris wenige Monate zuvor in Selinunt gefundenen monumentalen archaischen Metopenreliefs zu bekommen. Noch vor seiner Rückkehr nach Palermo sandte er von Selinunt aus ein Bittschreiben an den Minister de’ Medici nach Neapel, der ihm bereits für die Sizilienreise alle nötigen Empfehlungsschreiben ausgestellt hatte, um eine Sondergenehmigung zu erhalten.117 Aber auch ein zweiter Versuch blieb erfolglos. Die offizielle Begründung lautete, das Abzeichnen sei nicht gestattet, weil die Universität in Palermo den Entdeckern der Metopen versichert habe, die zeichnerische Aufnahme nicht vor Ablauf eines Jahres zu gestatten.118 Hittorff äußerte gegenüber verschiedenen Korrespondenten jedoch den Verdacht, dass es sich um eine vorgeschobene Begründung handele. Denn er wollte wissen, dass man dem Antiquar Pietro Pisani gestattet hatte, einen Zeichner für die

114 Die einzige überregionale Publikation ist Politis Sul ristabilimento del gran tempio di Giove Olimpico in Agrigento e sua cella iptera distrutto e ridotto a cortile nella dissertazione apologetica comparsa in Girgenti nel 1827, erschienen Venedig 1828. Vgl. sonst Politi 1820, 1825 und 1826. Ferner die bibliographischen Angaben bei Cometa 1999, S. 307 ff. 115 Bankel 2000, S. 91. Es wäre ein lohnender Untersuchungsgegenstand über die Publikationsund Korrespondenzaktivitäten die Zuarbeit von lokalen Amateurforschern für den internationalen Forschungsbetrieb näher zu bestimmen, die – wie das Beispiel von Politi zeigt – so marginal nicht gewesen sein dürfte. 116 Brief von Hittorff an den Premierminister de’ Medici, Selinunt, 25.1.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 81r. 117 Brief vom 25.1.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 81r. 118 Brief von Hittorff an Politi, Palermo, 29.1.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 82v: „Quant aux Basreliefs qui se trouvent au Musée de Palerme et qui furent découverts par Angel et Harris, on n’a pas voulu me permettre de les dessiner attendu, disait-on, qu’il existe un pacte entre Mr. Angel et l’université par lequel on avait promis à ce dernier de ne permettre à qui que ce soit d’en faire des copies avant l’espace d’une année. On m’a permis néanmoins de les mesurer et d’en prendre des notes en présence de cinq ou six personnes“.

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Abb. 10: Archaische Metope des Tempel C in Selinunt mit der Darstellung von Herakles und den Kerkopen. Aus: Pietro Pisani: Memoria sulle opere di scultura in Selinunte ultimamente scoperte. Palermo 1823. Tafel VIII

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Aufnahme der Reliefs zu schicken.119 Und tatsächlich war es Pisani, der die Neufunde als Erster in einer 46 Seiten umfassenden Abhandlung mit fünf, allerdings leidlichen Umrissstichen von G. Scaglione publizierte (Abb. 10).120 Während Hittorff in einem Brief an Politi bedauerte, dass er sich mit schriftlichen Aufzeichnungen begnügen müsse, schrieb er dagegen an seinen Lehrer Percier, dass er heimlich doch Skizzen habe anfertigen können, über deren Besitz er sich gegenüber sizilianischen Kollegen noch Schweigen auferlegt hatte, um in Rom seine „petite vengeance“ umso triumphaler inszenieren zu können.121 In demselben Brief an Percier monierte Hittorff die von der palermitanischen Universität praktizierte Ausgrenzung von Wissenschaftlern zum Zwecke der Sicherung von Wissensvorsprung, was er als „egoïsme britanique et sicilien“ geißelte.122 Damit aber desavouierte Hittorff auch das, was er selbst betrieb: Sizilien nicht nur eine Landschaft wiederzuentdeckenden Griechentums, sondern auch ein Kampfplatz der Wissenschaft und der Nationen. Kehren wir zu dem konkurentiellen Verhältnis zwischen Hittorff und Klenze zurück. Es fällt bei Hittorffs brieflicher Selbstdarstellung und derjenigen seines Konkurrenten ein Kontrast auf. Hittorff zeichnete von Klenze das Bild eines „courtisan“,123 der sich als Grande auf einer Sänfte über das Grabungsfeld tragen ließ und stets auf das Dekorum ständischer Relationen achtete. Er selbst indes hob an sich unablässig eine aufopfernde Hingabe an die Sache und seinen an den Tag gelegten Arbeitsrigorismus hervor. Ein Beispiel für viele ist die Beschreibung seiner Rückreise von Selinunt über Mazara, Marsala und Trapani (wo es für ihn nichts Interessantes zu sehen gab) nach Palermo in einem Brief an Lecointe vom 28. Januar 1824: „Nous ne trouvâmes rien qui put nous dédommager de la fatigue la plus rude qu’il y a eut à surmonter pour traverser au milieu du tems le plus affreux, des chemins plus affreux encore“.124 Unermüdlichkeit kennzeichnete selbst seine Tätigkeit als Briefeschreiber. Lecointe lässt er wissen, dass die Aufrechterhaltung der Kommunikation um den Preis des Schlafentzugs erfolgte.125 Niemand wird an Hittorffs Aussagen zweifeln, doch legt die insistente Thematisierung nahe, dass es auch um die Auskonturierung einer Gelehrtenidentität ging, die sich deutlich von jenen abgrenzte, die in Urlaubs119 Brief von Hittorff an Politi, Palermo, 29.1.1824, Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 82v: „Il est vrai cependant que Mr le Baron Pisani s’occupe aussi à les illustrer et qu’un artiste palermitain viens de les dessiner“. 120 Pietro Pisani: Memoria sulle opere di scultura in Selinunte ultimamente scoperte. Palermo 1823. 121 Brief von Hittorff an Percier; Neapel, 17.2.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 85v. 122 Brief von Hittorff an Percier; Neapel, 17.2.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 85v. 123 So in einem Brief Hittorffs an Politi, Palermo, 29.1.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 83r. 124 Brief von Hittorff an Lecointe, Palermo, 28.1.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 81v. 125 „Soyez bien persuadé qu’il ne m’en a jamais couté d’acheter au prix de mon sommeil et d’un repos souvant désiré, le plaisir de m’entretenir avec vous et de vous tenir au courant de mes travaux“; Brief von Hittorff an Lecointe, Palermo, 28.1.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 82r.

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attitüde und mit Spazierstöckchen die Tempelruinen vermaßen.126 Den einen charakterisierte Askese, den anderen Hedonismus. Mit anderen Worten: Klenze war ein durch und durch windiger Kollege. Da war der Vorwurf der Scharlatanerie nur noch ein folgerichtiger Schritt, in dem Hittorffs Abwehr des Konkurrenten seinen Höhepunkt fand. An Schorn schrieb Hittorff am 6. April 1824 aus Rom: „Der Mensch [Klenze] ist ein ganz fataler Hoff-Windbeutel, ja so ein Windbeutel, daß ich zweifeln muß, es stecke in ihm ein wahrer Künstler; meine ich doch angeborene Windbeutelei sei so ganz heterogen mit ächtem Kunstsinn“.127 Diese nun in der Tat viszerale Reaktion auf Klenze hatte ihr ganz konkretes Vorspiel in Palermo, wo es (nach Klenzes dreiwöchigem Aufenthalt in Agrigent) zu einer nochmaligen Begegnung zwischen beiden Architekten gekommen war. Hittorff hatte über Dritte erfahren, dass Klenze in den Besitz seiner Neufunde gelangt war, der aber auf Nachfragen hin von nichts anderem als dem schönem Wetter zu reden wusste, das er in Agrigent während seiner Untersuchungen am Olympieion genossen hatte.128 Tatsächlich lässt sich Klenze von dem Vorwurf der Unredlichkeit kaum frei sprechen. Dies hat schon sein Münchener Kollege Friedrich von Gärtner gesehen, der Klenzes Abhandlung über den Jupiter-Tempel zu Agrigent von 1821 in einem Brief an Martin von Wagner am 14. September desselben Jahres deswegen scharf geißelte. Die Erkenntnisse über Agrigent seien „mühsam von Cockerell erworben, von Ringeis von Politi in Agrigent erschnappt und von Klenze jetzt herausgegeben!!! So muß mans machen“.129 Die jüngere Forschung neigt dazu, sich mit Gärtners Kritik zu identifizieren. Hansgeorg Bankel hat im Katalog der Münchener und Berliner Klenze-Ausstellung 2000/2001 das einschlägige Material zu Klenzes Sizilienforschungen zusammengestellt und Klenze ganz auf der Linie Gärtners verurteilt: „Dem ist aus heutiger Sicht nicht viel hinzuzufügen: Es war keine große Leistung, das Plagiat eines Dilettanten [Politi] zu korrigieren. Das damalige Wissen über das Olimpieion hat 126 Transparent auf den topischen Charakter der Aussagen ist, dass Klenze sich im gleichen Sinne äußerte, so in seinem vielzitierten Brief vom 6.1.1824 aus Villa di San Nicola bei Agrigent an seine Frau, in dem es heißt: „Ich bin jetzt 10 Tage hier, arbeite wie ein Neger“; [Leo von Klenze:] Briefe aus Italien von Leo v. Klenze an seine Frau, aus dem Französischen übersetzt von Everilda v. Pütz geb. v. Klenze und Eckhart v. Pütz. In: Haus und Welt. Illustrierte Zeitschrift für die deutschen Frauen 1 (1900). S. 558. Dieser Satz ist deshalb nicht ohne Pikanterie, weil sich Klenze hier mit einer Draperie versah, die in vehementem Gegensatz zu seinem sonst exzessiv gepflegten Image als Hofmann steht. Zu Klenzes ausgeprägtem Selbstverständnis als Hofmann vgl. Thomas Weidner: Zur Restauration des Hofkünstlers im Königreich Bayern. Klenze als Fürstendiener und Diplomat. In: Leo von Klenze. Architekt zwischen Kunst und Hof 1784–1864. Hrsg. von Winfried Nerdinger. Ausstellungskat. München-Berlin 2000. S. 50–71. 127 Brief von Hittorff an Schorn, Rom, 6.4.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 90v. 128 „Ce dernier [Klenze] n’a cessé de me parler du beau temps qu’il avait eu et du travail considérable qu’il avait fait sur le temple de Jupiter“; Brief von Hittorff an Politi, Palermo, 29.1.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 83r. 129 Zitiert in Bankel 2000, S. 94.

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Klenze zwar verbreitet, aber nicht vermehrt, seine Herkunft bewußt vernebelt“.130 Klenze habe zumal Hittorffs richtige Zeichnung des Atlanten in Agrigent in sein Reiseskizzenbuch kopiert und „schamlos signiert“ und den beiden Engländern Harris und Angell ihren Fund mit der Abfassung seines Berichtes über die archaischen Metopen von Selinunt „skrupellos wegpubliziert“.131 Da dies, wie gesehen, vor Klenze bereits Pietro Pisani auf seinem Negativkonto zu verbuchen hatte und Hittorff nicht weniger hinter den Funden her war, handelt es sich ersichtlich um eine zeitgenössische Praxis und entzieht sich schon deshalb eines moralischen Urteils. Schließlich kann Bankel der Versuchung nicht widerstehen, Hittorff gegen Klenze auszuspielen. Hittorff sei ein Archäologe gewesen, „der sich von der Herausforderung angezogen fühlte, in Ruinenfeldern durch die Vermessung von Bauteilen wirklich neue Rekonstruktionen zu erarbeiten“, während dagegen Klenze „mäßige, sporadisch vermaßte Grundrißskizzen“ erstellte und sich nicht scheute, „in Schorns Kunstblatt mit maßlosen Worten“ Wilkins Werk durch die lückenlose Registratur aller Unzulänglichkeiten zu desavouieren.132 Damit wird der ‚wirkliche‘ gegen den ‚falschen‘ Archäologen gestellt.133 Bankels Resümee zielt offen auf Verwerfung: „Vor Klenzes baugeschichtlichen Arbeiten muß man nach dem Debakel von Agrigent warnen, man sollte aufhören, ihn weiterhin einen Bauforscher zu nennen und seine Leistungen auf diesem Gebiet zu würdigen“.134 Bankels Fazit untersteht dabei selbst dem Gebot von Wissenschaftskontrolle und -steuerung, ohne sich um die epistemologischen Muster und formativen Strukturen zu kümmern, die die Archäologie im 19. Jahrhundert regierten. Denn was Archäologie als Wissenschaft ist, erweist sich weniger an den akkumulierten Fakten und freigelegten Wahrheiten als an ihren Systemregeln, die das Denken und Handeln (vor)strukturieren und (mit)modellieren – weshalb Klenzes geistiger Diebstahl und Hittorffs Ausgrenzung von Konkurrenz als die zwei Seiten derselben Medaille zu lesen sind. Es geht jeweils um Priorität, Herrschaft und subtile Gewalt als formative Kräfte und Bedingungen von Wissenschaft.135

130 Bankel 2000, S. 94. 131 Bankel 2000, S. 97 f. 132 Bankel 2000, S. 99 f. 133 Man kann sich bei dieser Kontrastierung und der dabei vorgenommenen Geringschätzung Klenzes des Eindrucks nicht erwehren, dass sie in enger Konformität mit einer langen Tradition der negativen Klenze-Rezeption erfolgt. Vgl. hierzu Winfried Nerdinger: Klenze und Schinkel – Hoflieferant versus Baugenie? Wege und Irrwege der Rezeption. In: Jahrbuch der Berliner Museen 44 (2002). S. 63–75, der die Klenze-Rezeption an der Kontrastierung mit dem „Baugenie“ Schinkel nachgezeichnet hat. 134 Bankel 2000, S. 103. 135 Foucault 1999, S. 54–73.

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Selbsteinschätzung im Zeichen französischer Kulturhegemonie Am 7. Mai 1824 gab Hittorff in einem Brief an Lecointe ein positives Resümee seiner in Rom ausgestellten sizilianischen Kollektaneen.136 Wie beiläufig kam er auf Schinkel und Klenze zu sprechen, über die er beide ungünstige Urteile fällte. So sei Schinkel zwar ein guter Maler und Dekorateur, aber es fehle ihm zum guten Architekten „l’essentiel“, ohne zu erläutern, worin das essentielle Manko bestehe.137 Wenig verwunderlich ist nach dem bereits Gesagten Hittorffs anschließende künstlerische wie charakterliche Geringschätzung von Klenze. Seine Kunst taxierte er als „au dessous du médiocre“ und als Person sei er „peu recommandable“.138 Mit dieser vermeintlich sachlichen, insgesamt aber kruden Einschätzung der beiden namhaftesten deutschen Architekten der Zeit maß Hittorff offensichtlich eine Rangordnung aus, auf der Schinkel und Klenze deutlich unter ihm standen. Dass diese Urteile eine vor allem kontextbezogene Geltung haben, bezeugt Hittorffs über 30 Jahre später gefälltes Urteil über Schinkel in einem vor der Académie des beaux-arts gehaltenen Vortrag, wo er den preußischen Architekten mit Michelangelo gleichsetzte.139 1824 adressierte die Verwerfung von Klenze und Schinkel indes die Vorstellung, dass nämlich der ‚beste‘ deutsche Architekt eben nicht in Deutschland, sondern in Paris lebe – er selbst. Diesem rhetorischen Manöver ist jenseits aller platten Übertrumpfungsgestik eine durchaus interkulturelle Problematik eigen. Hittorff depravierte in dieser Situation sein erstes Vaterland um seine rückhaltslose Integration ins zweite Vaterland Frankreich zu bekräftigen. Mit Blick auf seine Aufnahme in die Architektenelite Frankreichs, und dieser diente die Italienstudienreise prospektiv ja, musste seine nationale Parteiung zur Gretchenfrage werden. In einem Brief an Lecointe vom 28. Januar 1824 aus Palermo gab Hittorff seinen archäologischen Erkundungen einen dezidiert nationalpatriotischen Anstrich. So feierte er seinen Nachweis der wissenschaftlichen Unzulänglichkeiten von Wilkins Werk als „véritable triomphe“ über die „nation Britanique“. Die Herabsetzung war gnadenlos: „Cet ouvrage Britanique, gravé avec un grand luxe, n’est que la production d’un imposteur, d’un homme qui ne peut avoir aucun talent et qui doit avoir un front d’airain, pour avoir osé mettre à la lumière et coter les dessins de son livre“.140 Mit anderen Worten: Der wissenschaftliche Mangel von Wilkins Werk bezeichne zu-

136 „Depuis aujourd’hui mon exposition est terminée, aussi j’ai lieu d’être flatté du concours des curieux qui n’ont cessé de m’assaillir“; Brief Hittorffs an Lecointe, Rom, 7.5.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 97r. 137 Brief Hittorffs an Lecointe, Rom, 7.5.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 96v. 138 Brief Hittorffs an Lecointe, Rom, 7.5.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 96v. 139 Jakob Ignaz Hittorff: Notice historique de Charles-Frédéric Schinkel, lu à la séance publique annuelle des cinqs Académies, le 17 août 1857. Paris 1857. S. 17. Indes die verallgemeinernde Auslegung der Briefstelle bei Pierre Saddy: Schinkel et la France. In: Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 35 (1981). S. 121–125; hier: S. 125. 140 Brief von Hittorff an Lecointe, Palermo, 28.1.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 82r.

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gleich ein ethisches Defizit, das sich mit dem britischen Nationalcharakter insgesamt verband. In seinem Urteil über das Werk eines Konkurrenten setzten sich also französische Generalurteile gegen die englische Nation – „notre énemies [sic]“, wie es in demselben Brief heißt – durch und flossen in archäologische Bewertungen ein.141 Das heißt der Abwertung des französischen Erzfeindes auf wissenschaftlichem Terrain ist das flammende Bekenntnis Hittorffs zum neuen Vaterland eingeschrieben. Und dieses Vaterland war im Grundcharakter heroisch – ein nationaler Topos, der sich seit dem revolutionären Freiheits- und Fortschrittsimpetus und schließlich mit Napoleons Heroenkult etablierte.142 In dem Maße, wie Hittorff sich zum kulturellen Standartenträger der Franzosen machte, war er bereit, ihre Gegner zu peinigen: „J’éspère que nos artistes et nos savants se rejouiront avec moi quand je leur montrerai à quel point celui-ci mérite ma punition“.143 Wissenschaft war Medium der Abstrafung eines nationalen Gegners. Diese Attitüde gehört deshalb zur Negativbilanz einer Kulturbegegnung, weil Hittorff seine Integration in die Wahlheimat um den Preis kultureller Dissoziation betrieb. Dass wir es hier mit einer Strategie beziehungsweise einer strukturell bedingten Notwendigkeit zu tun haben, zeigt der Umstand, dass er nach der Rückkehr aus Italien und der Heirat von Elisabeth Lepère ein Foyer in Paris gründete, das zu einem zentralen Ort des deutsch-französischen Austauschs in Paris gedieh und nicht zuletzt eine wichtige Rolle im Rahmen der beabsichtigten deutsch-französischen Publikation seiner Sizilienentdeckungen spielen sollte.

Die Architecture antique de la Sicile und der Verleger Johann Friedrich Cotta Noch auf der Rückreise von Sizilien nach Rom schickte Hittorff am 17. Februar 1824 dem verehrten Lehrer und Mitglied des Institut de France, Charles Percier, einen detaillierten Bericht über seine wichtigsten sizilianischen Funde, inklusive der Bitte, 141 Der Passus lautet vollständig: „Mais c’est une bien plus grande jouissance d’être à même de battre si complètement un de ces arrogans et fiers insulaires qui sont toujours nos énemies“. Vgl. zum allgemeinverbreiteten Denken in Nationalcharakterklischees um 1800, das nicht zuletzt auf Reisen durchschlug: Maurer 2008. 142 Frankreichs Überlegenheitsmythos sedimentierte sich im Begriff der Grande Nation, der einstand für die „nation par excellence, qui peut et doit servir de modèle aux autres sociétés. C’est finalement un mythe à l’abri duquel la puissance française reprend la tentative hégémonique de Louis XIV“; so Pierre Fougeyrollas: La nation. Essor et déclin des sociétés modernes. Paris 1987. S. 73 f. Die Vorstellung von Frankreich als dem Zentrum der Zivilisation legte 1828 auch François Guizot in seiner Histoire générale de la civilisation en Europe dar; vgl. Hans Fenske: Politisches Denken von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart. In: Geschichte der politischen Ideen von der Antike bis zur Gegenwart. Hrsg. von Dems., Dieter Mertens, Wolfgang Reinhard u. Klaus Rosen. Frankfurt/M. 2003. S. 379–586; hier: S. 475. 143 Brief von Hittorff an Lecointe, Palermo, 28.1.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 82r.

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diesen sogleich der Akademie zu übermitteln.144 Hittorff trug unmittelbar nach seiner Ankunft am 24. Juli 1824 vor der Académie des beaux-arts die Forschungsergebnisse vor. Das Protokoll der Académie-Sitzung hielt Hittorffs Absichtserklärung fest, die Ergebnisse alsbald in einem Tafelwerk zu veröffentlichen: „M. Hittorff se propose de faire graver le résultat de ses recherches dans un ouvrage qui doit devenir classique pour les antiquités de la Sicile“.145 Den Anspruch, mit den Sizilien-Trouvaillen ein klassisches Werk der Bauarchäologie vorzulegen, untermauerte Hittorff schließlich mit dem hochfliegenden verlegerischen Vorhaben, die Architecture antique de la Sicile sowohl in Paris bei Paul Renouard als auch auf Deutsch in Stuttgart bei Johann Friedrich Cotta zu publizieren. Die Parallelpublikation scheiterte zwar, hat aber eine mit dem Stuttgarter Verleger Cotta geführte Korrespondenz erzeugt, die in mindestens drei Richtungen aufschlussreich ist: Erstens im Hinblick auf die zentrale Rolle des Bildatlanten für die Darlegung und Affirmation von bauarchäologischem Wissen, zweitens hinsichtlich der Relation von Buchformat und Prestigebildung und schließlich in Bezug auf die Bedeutung des deutsch-französischen Buchmarktes, auf dem vor Hittorff bereits Franz Christian Gau mit seinem Nubien-Werk (1822) und Sulpiz Boisserée mit seinem Werk zum Kölner Dom (1823–1832) ihre ehrgeizigen Pläne erfolgreich realisiert hatten.146 Die Dynamik der Verhandlungen zwischen Hittorff und Cotta ist selbstsprechend auf den Charakter der Beziehung: Dem Elan des ambitionierten Architekten antwortete der routinierte Verleger mit abgeklärter, geschäftlicher Nüchternheit. Cotta gab mehrfach zu verstehen, dass eine zusätzliche deutsche Publikation auf eine ungünstige Marktsituation treffe, während Hittorff mit einer hohen finanziellen Eigenbeteiligung drohende Einbußen für den Verleger auszugleichen in Aussicht stellte.147 Für die deutsche Ausgabe der Architecture antique de la Sicile wollte Hittorff 48.000 Francs der veranschlagten 107.000 Francs Gesamtkosten übernehmen.

144 Brief von Hittorff an Charles Percier, Neapel, 17.2.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 86r. – Ich wiederhole folgend mit einigen Ergänzungen, was ich bereits dargelegt habe in: Salvatore Pisani: Der Bildatlas. Jakob Ignaz Hittorff und Ludwig Zanth Architecture antique de la Sicile, ou Recueil des plus intéressans monumens d’architecture des villes et des lieux les plus rémarquables de la Sicile ancienne, 1827. In: Das Buch als Entwurf. Textgattungen in der Geschichte der Architekturtheorie. Ein Handbuch. Hrsg. von Dietrich Erben. Paderborn 2019. S. 284–309. 145 Eine Kopie des Vortragstextes hat sich in der Bibliothèque de l’Institut de France in Paris erhalten, Ms. 4641; abgedruckt in: Hittorff (1792–1867), un architecte du XIXe siècle. Ausstellungskat. Paris 1986/87. S. 336–340. Das Zitat nach Béatrice Bouvier u. François Fossier: Procès-Verbaux de l’Académie des Beaux-Arts. Bd. 3: 1821–1825. Paris 2003. S. 245. 146 Zu Cotta als Verleger vgl. Dorothea Kuhn: Johann Friedrich Cotta (1764–1832). In: GoetheHandbuch. Bd. 4.1: Personen, Sachen, Begriffe. Hrsg. von Hans-Dietrich Dahnke u. Regine Otto. Stuttgart-Weimar 1998. S. 175–177. 147 Gegenüber Cotta unterstrich Hittorff, dass ihm an der Publikation kein pekuniärer Gewinn lag: „Daß aufrichtig gestanden, der erste Zweck bei der Publikation meines Werkes, die Publikation selbst ist, und der Geldgewinn nicht als Hauptsache von mir angesehen wird“; Brief von Hittorff an Johann Friedrich Cotta, Paris, 17.6.1825; Marbach, DLA, Nachlass Cotta.

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Und dennoch blieb Cotta gegenüber einer deutsch-französischen Parallelpublikation skeptisch, da ihm die Absatzschwierigkeiten an den zugleich bei ihm und bei Didot in Paris erscheinenden Lieferungen des Kölner Dom-Werks von Sulpiz Boisserée vor Augen standen.148 Dass die Publikation von Bildatlanten die Autoren nicht selten an ihre finanziellen Grenzen brachten, macht Boisserées Klage gegenüber seinem Bruder Melchior deutlich, da er jene „finanzielle Gefahr“ nicht mehr verschweigen konnte, „die mir die prächtige Ausführung des Dom-Werks zugezogen hat“.149 Auch Hittorff machte der Preispoker mit Cotta und die Kostenexplosion der Foliopublikation zu schaffen.150 Die Risiken waren indes für beide Seiten hoch, so dass Cotta regelrecht überredet werden musste, damit er sich der Angelegenheit annahm. Mit dem Dom-Werk von Boisserée, aber auch mit dem Nubien-Buch von Franz Christian Gau, die beide ihre Foliopublikationen parallel in der Didotschen Offizin in Paris und im Klassiker-Verlag Cotta in Stuttgart erscheinen ließen und mit denen sie europaweiten Ruhm erlangten,151 wollte Hittorff in Maßstab und Anspruch nicht nachstehen. An Gaus Werk hatte Hittorff in statu nascendi beigewohnt. Er selbst hatte Cotta in Stuttgart 1821 die erste Lieferung der französischen Ausgabe des NubienWerks übermittelt, was er als Gelegenheit nutzte, sich dem Verleger vorzustellen.152 Und doch sann Hittorff auf mehr als nur Maßstabsanpassung. Denn die französische Edition der Architecture antique de la Sicile sollte nicht nur auf Deutsch erscheinen, 148 Vgl. Bernhard Fischer: Der Verleger Johann Friedrich Cotta. Chronologische Verlagsbibliographie 1787–1832. Aus den Quellen bearbeitet. Bd. 2: 1815–1832. Marbach am Neckar-München 2003. S. 348: „1830 sah sich Boisserée wegen des schlechten Absatzes des ‚Dom-Werks‘ und der für Cotta daraus entstandenen Verluste gezwungen, die Publikation sowie die projektierten ‚Denkmale der Baukunst am Niederrhein‘ Cotta unentgeltlich zu überlassen“. Es ist ein gemeinsamer Besuch durch Boisserée und Cotta bei dem Verleger Renouard bezeugt. Unmittelbar nach der Abreise von Cotta aus Paris äußerte Boisserée gegenüber dem Bruder Melchior: „Mit Hittorf wird er ins Reine kommen“; vgl. Boisserée, 1862, Bd. 1, S. 461. Zur Entstehungs- und Editionsgeschichte von Boisserées Tafelwerk zum Kölner Dom und dem damit verbundenen Aufenthalt in Paris vgl. Moisy 1956. 149 Brief von Sulpiz Boisserée an Melchior Boisserée, Paris, 25.9.1823; abgedruckt in Boisserée 1862, Bd. 1, S. 420. 150 „Leider kostet mich dieses Gelingen schrecklich Geld“, wie er Sulpiz Boisserée am 28. Mai 1827 wissen ließ, als die ersten Platten für die Architecture antique de la Sicile gestochen wurden. Unmittelbarer Anlass der Aussage war, dass zwei Kupferstichplatten missglückt waren; Brief von Hittorff an Boisserée, Paris, 24.1.1827; Köln, HAS, Nachlass Boisserée, 1018–A 143. 151 Franz Christian Gau: Antiquités de la Nubie, ou monumens inédits des bords du Nil, situés entre la première et la seconde cataracte, dessinés et mésurés en 1819. Stuttgart-Paris 1822. Zu Gaus deutsch-französischer Parallelpublikation siehe B. Fischer 2003, Bd. 2, S. 240–244, 293–296, 356–358, 406 u. 574 f. sowie Kramp 1996 (a), S. 301–303 und Ders.: Köln – Nil. Die abenteuerliche Orient-Expedition des Kölners Franz Christian Gau 1818–1920. Ausstellungskat. Köln 2013. S. 85–87. 152 Vgl. Hittorffs Reisejournal in: Köln, UStB, 5 P 181, S. 18–25. Bei der Gelegenheit lernte Hittorff im Hause der Brüder Boisserée Schorn kennen. – Die Subskriptionsliste für das Nubien-Werk lag in Hittorffs Atelierwohnung in der Rue du Faubourg-Poissonnière Nr. 11 aus; vgl. Edme-François-Antoine-Marie Miel: Antiquités de la Nubie, ou Monuments inédits des bords du Nil, entre la première et la seconde cataractes, mésurés et déssinés en 1819, par M. Gau de Cologne, architecte. In: Le Miroir des spéctacles, des lettres, des mœurs et des arts (3.7.1821). S. 4 f.; hier: S. 5.

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sondern sie sollte zudem um eine deutsch-französische Edition der nachantiken Architektur Siziliens, der Architecture moderne de la Sicile, erweitert werden.153 In der doppelten Symmetrie von deutsch-französischer Parallelpublikation manifestierte sich eine publizistische Offensive, die Hittorffs Paradeschritt in die Öffentlichkeit performieren und zugleich Boisserée und Gau hinter sich lassen sollte. Wieviel Hittorff an der Publikation lag, lässt sich an der bereits in Italien formulierten Eile ablesen: „Pour le moment, la publicité est la première chose à laquelle nous avons à penser“.154 Zwar erschien am Ende nur die französische Ausgabe der Architecture moderne de la Sicile (1835), die Architecture antique de la Sicile (1827) blieb Torso. Aber allein das ist beachtlich genug. In zeitlicher Koinzidenz mit diesem großen Publikationsprojekt steht Hittorffs Eheschließung mit der Tochter des Architekten Jean-Baptiste Lepère, Elisabeth Lepère, am 2. Dezember 1824.155 Das gemeinsame Foyer in der Rue Coquenard Nr. 40 in Paris entwickelte sich zu einem deutsch-französischen Freundes- und Gelehrtenkreis von beachtlicher Prominenz. Dafür sorgten Hittorffs Gäste: Jean-Auguste-Dominique Ingres, Charles Percier, François Gérard, Luigi Cherubini, Alexander von Humboldt, Sulpiz Boisserée und Johann Friedrich Cotta. Hittorffs Haus wurde für viele deutsche Künstler und Gelehrte zu einer zentralen Anlaufstelle und gedieh zu einem organisierenden Zentrum seines französischen Netzwerkes. Es rekrutierten sich hier nicht von ungefähr die dramatis personae seiner deutsch-französischen Publikationskampagne. Am 24. Januar 1827 ging er, nachdem sich Cotta mehr und mehr von dem Publikationsunternehmen distanzierte, den Freund Sulpiz Boisserée um Intervention bei dem Stuttgarter Verleger an. Und tatsächlich sollte Cotta daraufhin die Verhandlungsgespräche wieder aufnehmen, wofür sich Hittorff am folgenden 28. Mai bei Boisserée bedankte.156 Die Bildung gesellschaftlicher Netzwerke stellt ein mühevolles Metier dar und ist nicht ohne hohe persönliche und finanzielle Investitionen zu haben. Man muss diesen Gemeinplatz deshalb betonen, weil sich daraus Hittorffs unduldsame Reaktionen erklären, besonders in jenen Momenten, in denen das klienteläre Geflecht nicht die gewünschten Resultate zeitigte. Folgend nur ein Beispiel von vielen: Hit153 Die Architecture moderne de la Sicile ist ein Recueil, der die Architektur Siziliens von den frühen Kirchenbauten im 6. Jahrhundert über die Normannendome und die Renaissancepaläste bis zur Baukunst der eigenen Gegenwart erfasst nebst einem Exkurs zur mittelalterlichen Mosaikkunst; vgl. Kiene 2013. 154 Brief von Hittorff an Lecointe, Neapel, 17.2.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 86v. 155 Hierzu Hammer 1968, S. 76 f. 156 Vgl. die beiden Briefe von Hittorff an Boisserée; Paris, 24.1. und 28.5.1827; Köln, HAS, Nachlass Boisserée, 1018–A 143. Boisserée nahm bekanntlich auch zwischen Goethe und seinem Stuttgarter Verleger eine zentrale Vermittler- und Schlichterrolle ein; vgl. den Brief Melchior Boisserées an Sulpiz Boisserée, Stuttgart 12.8.1825; abgedruckt in Boisserée 1862, Bd. 1, S. 463. Vgl. darüber hinaus Ernst Osterkamp: Goethe – Cotta – Boisserée. Klassisch-romantische Phantasmagorie. In: Johann Friedrich Cotta. Verleger, Unternehmer, Technikpionier. Hrsg. von Helmuth Mojem u. Barbara Potthast. Heidelberg 2017. S. 81–104.

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torff verschaffte Boisserée 1829 über Edme Miel die Möglichkeit, im Universel einen Beitrag zu seinem Domwerk zu lancieren. Mit solchen Diensten brachte sich Hittorff bei den ‚Freunden‘ in Kredit.157 Gleichzeitig zögerte Hittorff nicht, entsprechende Gegenleistungen einzufordern. So ließ er Boisserée unverhohlen wissen, dass er es gern sähe, wenn seine publizistischen Unternehmungen zur Architektur Siziliens eine ähnliche Aufmerksamkeit in Deutschland erführen, weshalb er in der zwar freundlichen, aber doch deutlichen Form der Verwunderung nachfragte, „warum der Freund Schorn auch nicht ein Wörthchen im Kunstblatt über das Fortschreiten meiner Werke und deren Inhalt seinem Lesepublikum mitgetheilt hat, es würde dies doch gerecht sein“.158 Hittorffs Verstimmung ist ein Gradmesser für die gewichtige Rolle, welche die Aufmerksamkeitsökonomie im Ranking der Gelehrtenwelt spielte. Ansehen und Rang stiegen und fielen mit ihrem Börsenkurs.159 Hittorffs Euphorie über ein Medienecho war indes besonders groß, wenn das Zutun gering war. So findet sich unter den frühesten Besprechungen der Architecture antique de la Sicile eine, deren Verfasser kaum prominenter hätte sein können und die schon deshalb ein Gewinn war, von Goethe. Die Rezension erschien 1828 in der von Goethe herausgegebenen Zeitschrift Über Kunst und Alterthum und sie war voller Beifall. Insbesondere hob Goethe die Chromolithografie mit der Gebälk-Rekonstruktion des Empedokles-Tempels rühmend hervor, denn sie würde „uns zu ganz eigenen neuen Begriffen über alte Baukunst“ erheben.160 Zur Rezension motiviert wurde Goethe durch die Darreichung der ersten beiden Lieferungen der Architecture antique de la Sicile in Weimar durch Hittorffs Schüler und Mitarbeiter Zanth. Im Gegenzug veran157 Umgekehrt stand Hittorff den Genannten in Paris zu Diensten. Für Boisserée überwachte und organisierte er die druckgraphischen Arbeiten für das Domwerk, das 1832 bei Cotta erschien; vgl. hierzu die Korrespondenz von Hittorff im Boisserée-Nachlass in Köln, HAS, Nachlass Boisserée, 1018–A 143. Eine nicht immer zureichende Synthese der Briefe bei Moisy 1956, S. 87–91 u. 104. Für Humboldt hat Hittorff immer wieder Besorgungen erledigt und Kontakte geknüpft. Schinkel führte er bei wichtigen Pariser Architekten ein, so etwa bei Jean-Nicolas Huyot (1780–1840); vgl. hierzu Schinkels Tagebucheintrag vom 6.5.1826; Reinhard Wegner: Die Reise nach Frankreich und England im Jahre 1826. München-Berlin 1990. S. 98. 158 Brief von Hittorff an Boisserée, Paris, 12.8.1829; Köln, HAS, Nachlass Boisserée, 1018–A 143. Später wird Hittorff Boisserée im Rahmen seiner Bewerbung um Aufnahme in die Königlich Bayerische Akademie der Künste erneut um Schorns Einflussnahme angehen. Am 12.5.1833 heißt es hierzu in einem Brief an Boisserée: „So überlasse ich es Dir ihm meine Angelegenheit neuerdings ans Herz zu legen. Ich denke, daß auch ohne seine Gegenwart in München seine freundschaftliche Unterstützung guten Einfluß haben muß und rechne auf sein Mitwirken“; ebd. 159 Für Buchbesprechungen als Aufmerksamkeitsgaranten liefert auch Boisserées Domwerk einige Beispiele. In Paris wurden ihm von verschiedenen Seiten Flankenstellungen angeboten, so im Sommer 1827 von Thierry zur Lancierung eines Artikels im Constitutionnel oder 1823 von Desiré RaoulRochette, der „sich mir angetragen hat für Artikel in alle Journale, parceque tous sont à sa disposition“; hierzu Boisserée 1862, Bd. 1, S. 416 u. 418. 160 Johann Wolfgang von Goethe: Rez. zu Hittorffs und Zanths Architecture moderne de la Sicile und Architecture antique de la Sicile. In: Über Kunst und Alterthum 6 (1828). S. 404–407; Zitat: S. 407.

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lasste Goethe, dass Hittorff ein von ihm signiertes Belegexemplar durch den Weimarer Gesandten Friedrich Carl Weyland im Sommer 1828 nach Paris übermittelt bekam. Wie bedeutsam Hittorff diese Anerkennung durch den deutschen Dichterfürsten war, fand seinen Ausdruck darin, dass er die Heftnummer in vergoldetes Leder mit Innenkantenvergoldung und Goldschnitt hatte binden lassen, was der Gabe Goethes im Wortsinne Aura verlieh.161 Weil nun Cotta trotz der mühevoll geknüpften Bande, für die zentral der Name Boisserée einstand, und trotz des Goetheschen Ritterschlags, der ein hoffnungsvolles Präludium für jene größere Aufmerksamkeit war, die eine deutsche Edition des Parallelwerks versprach, letzten Endes sein Mitwirken versagen wollte, sind Hittorffs Briefe an den Verleger von Aufregung und Unverständnis geprägt. Die Verhandlungen, die am 8. August 1824 begonnen hatten, endeten im Sommer 1827 damit, dass bei dem Verleger Renouard in Paris Text und Druckplatten der deutschen Version zur Versendung nach Deutschland bereit lagen. Gegen Cottas von Anbeginn deutliches Zögern, eine deutsche Edition der Sizilien-Bücher herauszugeben, bot Hittorff immer neue Argumente und Angebote auf. Sie verlangten ihm in Anbetracht der anvisierten Bedeutung der Werke und der mehrmals überarbeiteten Kostenmodelle einen enormen Aufwand an Rhetorik und kaufmännischer Kalkulation ab. Und dennoch war vor allem eines unumstösslich: Hittorffs Dilemma, die Rechnung nicht ohne den ‚Wirt‘ machen zu können. Während in der Regel Fragen zu Format, Auflagenhöhe und Buchausstattung eine Verhandlungssache zwischen Verleger und Autor sind, versuchte Hittorff das Publikationsformat vorderhand über die Maßgabe seiner Ansprüche zu bestimmen: Die Architecture antique de la Sicile solle in „3 Theilen“ erscheinen „in dem Format und der Behandlung ähnlich der französischen Edition des Stuarts von Landon“.162 Sein eigener Band sollte jedoch im Unterschied „eine größere Anzahl Kupfer enthalten …, so daß es in seiner Vollständigkeit weder zu der Klasse der Prachtwerke noch zu jener der gewöhnlichen gerechnet werden könne“.163 Ferner ließ er Cotta wissen: Was meine Sammlung über die neuere Architectur Siziliens betrifft, selbe würde ein eigenes Werk bilden, welches Format und Behandlung und Anzahl der Blätter dem der Palais et maisons de Rome von Percier ähnlich sein würde, mannigfaltiger durch die verschiedenartigen Monumente und die verschiedenen Charaktere der Architektur deren Epochen sich vom 10ten bis zum 19ten Jahrhundert erstrecken, durch den Stich in bloßen Conturen zu wenig Kosten

161 Zur Rekonstruktion der hier skizzierten Zusammenhänge: Gunter Quarg: Eine Widmung Goethes für Jakob Ignaz Hittorff. In: Goethe-Jahrbuch 110 (1993). S. 345–347 und Martin Dönike: Altertumskundliches Wissen in Weimar. Berlin-Boston 2013. S. 128–134. Eine Abbildung des GoetheBändchen bei Michael Kiene: Jacques Ignace Hittorff. Précurseur du Paris d’Haussmann. Paris 2011. S. 16. 162 Gemeint ist Charles-Paul Landon (Hrsg.): Les Antiquités d’Athènes, mesurées et dessinées par J. Stuart et N. Revett, peintres et architectes. Ouvrage traduit de l’Anglais, par L. F. F. [LaurentFrançois Feuillet]. Paris 1808–1822. 163 Brief Hittorffs an Cotta, Paris, 8.8.1824; Marbach, DLA, Nachlass Cotta.

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nöthigen und daher wohlfeil zu geben ist, dessen häufige Absetzung sowohl hier als in Deutschland mit der größten Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, auch würde ich dieses Werk schon auf meine eigenen Kosten herauszugeben angefangen haben, wenn ich es nicht als rechtlich ansehen müßte, Ihnen mit dem großen Werke auch dieses anzubieten.164

Gegen das Zögern von Cotta, der, wie aus einem Antwortschreiben Hittorffs klar hervorgeht, Sorgen hatte, seine hohen Auslagen nicht gedeckt zu sehen, versicherte Hittorff, dass sowohl Alexander von Humboldt als auch Karl Friedrich Schinkel bei der Durchsicht der zeichnerischen Vorlagen in Paris versprochen hätten, die deutsche Ausgabe ideell wie praktisch zu unterstützen.165 Das sind Namen von einflussreichen Persönlichkeiten, von denen Hittorff annahm, dass sie bei Cotta den nötigen Eindruck machen würden. Und dennoch stellt sich die Frage, ob eine verlegerische Großmacht wie Cotta, beim dem Schiller, Goethe und Boisserée publizierten, von suggestiven Namensnennungen soweit zu beeindrucken war, dass er seine finanziellen Bedenken fahren ließ.166 Damit ist dann auch die Grenze der klientelären Bande, aber auch des Anspruchdenkens eines jeden Autors benannt: Der Markt. Im Sommer 1825 war es zum Abbruch der Verhandlungsgespräche von Seiten Cottas gekommen, an die Hittorff am 4. April 1826 mit einem ausführlichen Schreiben wieder anzuknüpfen versuchte. Er schlug vor, die beiden Bücher in Heftlieferungen herauszugeben, damit die Unkosten durch die eingehenden Geldbeträge gering gehalten werden könnten. Obendrein machte er auf die Möglichkeit einer Subskriptionsliste aufmerksam, die weitere Vorauseinnahmen versprach. Aber auch mit diesem Angebot stieß Hittorff in Stuttgart auf taube Ohren. Ungeachtet der deutlichen Rückzugszeichen Cottas lässt Hittorff bei Erscheinen der ersten Heftlieferungen der französischen Ausgabe der Architecture moderne de la Sicile am 26. Oktober 1826 ein Exemplar nach Stuttgart senden.167 Zwei Monate später, am 18. Dezember 1826, unterbreitete er Cotta ein vollkommen überarbeitetes Angebot. Hittorff schlug vor, dass er bis zu 500 Kupferstiche ohne französische Titel liefere und zwar zu einem Preis von drei Francs pro Heft zu vier Blatt Umfang. Cotta müsse lediglich 250 Exemplare bei Empfang bar begleichen. Im Gegenzug wollte sich Hittorff um die Übersetzung

164 Brief Hittorffs an Cotta, Paris, 8.8.1824; Marbach, DLA, Nachlass Cotta. 165 Hierzu auch der Tagebucheintrag Schinkels vom 5.5.1826: „Besuch bei Hittorff Sicilianischer Tempel farbig“; Zitat nach Wegner 1990, S. 98. Ein zweiter Besuch ist für den 11.5.1826 dokumentiert, wo die Vorlagen für die Architecture moderne in Anwesenheit von Percier, Alexander von Humboldt, Ingres und Jean-Baptiste Lepère besehen wurden; Ders., S. 105. 166 Zitat: Brief von Hittorff an Cotta, 18.12.1826; Marbach, DLA, Nachlass Cotta. 167 Brief von Hittorff an Cotta, 26.10.1826; Marbach, DLA, Nachlass Cotta. Überbracht wurde die Lieferung durch den in Weimarer Diensten stehenden Architekten Clemens Wenzelslaus Coudray, dessen Botengang in Stuttgart auch Sulpiz Boisserée galt, wie Hittorff am 26.10.1826 wissen ließ: „Ich benutze die mir von Herrn Coudray gütigst angebotene Gelegenheit, um Dir durch diesen Künstler das erste Heft meines Werkes über die moderne Architektur von Sicilien zukommen zu lassen. Ich hoffe, Du wirst dieses kleine Anerbieten gütigst aufnehmen u mir über dieses u die folgenden Hefte gelegentlich Deine Meinung mittheilen“; Köln, Nachlass Boisserée, 1018–A 143.

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von Text und Tafelbeschriftungen kümmern, die Cotta in Stuttgart drucken würde, der dann als Herausgeber der deutschen Edition erscheinen könne. Bei aller vorgeführten Geschäftsrationalität ließ sich Hittorff auch in diesem Brief nicht nehmen, Hinweise auf die herausragende Bedeutung seines Werkes einzustreuen, vor allem mit jenem Hinweis, dass er gedenke, die deutsche Ausgabe dem bayerischen König Ludwig I. zu dedizieren. Formelhaft lässt Hittorff einfließen, dass die ersten drei Lieferungen der Architecture moderne de la Sicile in Paris „vielen Beifall“ erhalten hätten, so dass sich die Subskribenten des Werkes stetig vermehrten, deren Zahl knapp einhundert Personen betrage.168 Unmittelbar vor Ende Mai 1827 erhielt Hittorff über Sulpiz Boisserée Bescheid, dass sich Cotta dank Boisserées Intervention doch noch entschlossen habe, die deutsche Fassung herauszugeben. Hittorffs Schreiben an Cotta vom 27. Mai 1827 enthält dabei einige interessante Details hinsichtlich des Zusammenhangs von Papierqualität und Distributionspraxis. Denn Cotta weigerte sich, die vereinbarten 25 Exemplare auf Velin-Papier zu beziehen, die doppelt so teuer waren wie jene auf ‚ordinärem‘ Papier. Die Entgegnung Hittorffs lautete: Da mir unser Freund Boisserée als die Ursache dessen angiebt, daß die Velien-Exemplare nur bey den größeren Sammlungen und öffentlichen Bibliotheken in Deutschland anzubringen sind und diese schon direct aus Paris damit versehen seyn könnten, so kann ich Ihnen aufrichtig dagegen sagen, daß bey meinem großen Absatze vom gewöhnlichen Papier Exemplaren, wovon die meisten in Paris abgeliefert werden, M. Baucé nicht ein einziges Velinpapier bezogen hat und M. Renouard davon nur zwey nimmt, wovon eines in Paris bleibt und das andere nach Neapel gekommen ist. Selbst habe ich davon zwar mehr als 30 an den Hofe abgesetzt, dies aber nur an reiche pecunäre Leute und an die hiesigen Ministerien. Ich dürfte wohl bei diesen Facten wohl glauben, daß Ihnen die 25 Exemplare auf Velin nicht unnütz sein können und daß Sie selbe wohl mit 100 ordinären Exemplaren beziehen werden.169

Schließlich schlug Hittorff für die deutsche Edition der Architecture moderne de la Sicile die Erhöhung auf sechs statt vier Blatt pro Heft vor. Zum einen rechnete er Cotta vor, dadurch im Ganzen ein Drittel weniger Umschläge drucken lassen zu müssen, was die Ausgaben senken würde, aber ihm vor allem erlaube, die fortgeschrittene französische Ausgabe einzuholen. Cotta würde in den Stand versetzt werden, sich „geschwinder mit der Publication meiner hiesigen Edition anpari zu setzen“, damit Käufer in Deutschland nicht die französische Edition bezögen. Hittorffs Vorstellungen fanden bei Cotta wiederum nur kalte Aufnahme, und er fror die Verhandlungen daraufhin erneut ein. Auch als es Ende 1827 zum endgülti-

168 Im Sommer 1827 sollten es schon 150 sein; vgl. Brief Hittorffs an Cotta, 24.6.1827; Marbach, DLA, Nachlass Cotta. 169 Brief von Hittorff an Cotta, 27.5.1827; Marbach, DLA, Nachlass Cotta. – In Analogie zu dem hier Gesagten steht, dass man auch im Falle von Boisserées Domwerk auf den Adel als Hauptabnehmer spekulierte; siehe den Brief von Joseph Görres an Sulpiz Boisserée, Straßburg, 4.1.1824; Boisserée 1862, Bd. 1, S. 428.

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gen Bruch kam, als Cotta, ohne Hittorff selbst zu unterrichten, den Pariser Verleger Renouard davon in Kenntnis setzte, auf das Geschäft einer deutschen Edition des Parallelwerkes zu verzichten, griff Hittorff dessen ungeachtet zur Feder, um ein erneutes Angebot zu machen. Dabei war er noch kurz zuvor in zäher Verhandlung mit Cotta darüber übereingekommen, eine reduzierte deutsche Ausgabe der Architecture antique und der Architecture moderne de la Sicile zu je 100 Exemplaren zu erstellen. Renouard hatte bereits die Tafelblätter mit den deutschen Beschriftungen drucken lassen. Ebenfalls fertig war die deutsche Übersetzung der Einleitung, des sogenannten Prospectus. All dies war Makulatur. Der Bildatlas stellt die kostspieligste Publikationsform des 19. Jahrhunderts dar, was nicht zuletzt mit den hohen Ansprüchen und Normen der Beaux-Arts korrelierte.170 Man muss sehen, dass der Bildatlas, um es mit einem Wort von Adorno zu sagen, zum „Kanon des Richtigen“ gehörte, einer anbefohlenen Norm, deren Befolgung für Hittorff Karriererelevanz besaß.171 Mit dem Monumentalformat des Atlanten ging zumal das Agonale, wie es Hittorff in der Korrespondenz mit Cotta durch die Nennung der Vergleichspublikationen andeutete, sowie das Desiderat nach dem Affirmativen einher, in dem sich nebst Wissen und Diskursen nicht zuletzt der Autor in der Wissenschaftsöffentlichkeit auf Dauer stellte. Im Rahmen von Hittorffs Selbstkonstituierung als Mitglied der Beaux-Arts-Elite waren ‚schwere‘ Leitmedien nur das eine, starke Leitfiguren haben sie ergänzt.

Charles Percier als normative Leitfigur Von der Beaux-Arts-Größe Charles Percier (1764–1838) haben Kollegen und Schüler mit uneingeschränkter Bewunderung gesprochen. Hochachtung hatten sie vor allem gegenüber Perciers Konzentration auf die eigene Arbeit und die Normativität seiner Ästhetik. Es ist nur ein Zeugnis der Verehrung von vielen, wenn Augustin-Nicolas Caristie in einem Brief vom 12. März 1840, zwei Jahre nach dem Tod des Lehrers, an den englischen Architekten Thomas Leverton Donaldson schrieb: „Les hommes de ce mérite ne paraissent qu’à des très longs intervalles et, pour moi, M. Percier est le Raphaël de l’architecture“.172 Der Name Raffaels markierte jenen Superlativ, mit dem die Schar der Percier-Eleven den Meister verehrte. Percier entfaltete über seine eigene Zeit hinaus eine Wirkung, wie sie kein zweiter Architekt seiner Generation erreicht hat.173 170 Unbenommen bleibt der Bildatlas dabei ein publizistisches Dispositiv, in dem die empirische Befunddarlegung in Wort und vor allem im großformatigen Bild maßgeblich ist. D. h. maßgeblich ist das visuelle Primat, worauf im Rahmen des Polychromiestreits zurückzukommen ist. 171 Vgl. Theodor W. Adorno: Ohne Leitbild. Parva Aesthetica. Frankfurt/M. 1967. S. 7–19; Zitat: S. 8. 172 Zitiert nach Hautecœur 1955, S. 169. 173 Der Ruhm von Jean-Nicolas-Louis Durand (1760–1834), des über Frankreich hinaus bekannten Architekturlehrers der École polytechnique, versiegte nach dem Tode dagegen verhältnismäßig ab-

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Hippolyte Lebas’ Grabrede auf Percier von 1838, die er im Namen des Institut de France hielt, verdichtete dessen Leben und Wirken zu einer einzigen exemplarischen Biographie, bestehend aus wenigen, markanten Linien. Zuerst habe ein gründliches Italienstudium, das zugleich Italienliebe war, die Grundlage seines Schaffens, ja seiner Vita gebildet („Cette terre classique des beaux-arts devint pour lui une idole, au culte de laquelle il a consacré sa vie entière“).174 Dann brachten seine Jahre im Dienst Napoleons I. zwischen 1801 und 1804 (der Entwurf des Arc de Triomphe du Caroussel und die Umbauten und Neudekorationen der Schlösser von Compiègne, Malmaison, der Tuilerien und anderes mehr) sowie die Publikationen seiner Italienstudien (zusammen mit Fontaine die Palais et maisons et autres édifices modernes dessinés à Rome, 1798, und den Choix des plus célèbres maisons de plaisance, 1809) Anerkennung und Prestige, die aus seinem Architekturatelier ein Zentrum der Anziehung und Ausstrahlung von höchstem Rang machten. Schließlich bestätigten und rundeten dieses Bild seine öffentlichen Auszeichnungen ab, obenan die Aufnahme in die Akademie im Jahre 1811.175 Indem der Grabredner befand, „son éloge, c’est sa vie tout entière“, transzendierte er die Realität von Perciers Leben und Werk hin auf Idealität.176 Die folgenden Überlegungen wollen der von Lebas abgebildeten Modellbiographie Perciers nachgehen und sowohl ihre Bedeutung für die Beaux-Arts-Schule im Allgemeinen als auch für Hittorff im Besonderen erörtern.177 Das Phänomen der Gruppenbildung, um das es dabei geht, verschwindet in der Forschung oft hinter eng gefassten biographischen Ausführungen.178 Percier, der seit 1798 in seinem Atelier Studenten auf die Wettbewerbe der École des beaux-arts (Prix d’émulation) und der Académie (Prix de Rome) vorbereitete, zählte Augustin-Nicolas Caristie (Rompreis 1813), François Debret, Auguste-Pierre Famin (Rompreis 1801), Martin-Pierre Gauthier (Rompreis 1810), Jean-Jacques Marie Huvé, Louis-Hippolyte Lebas, Achille

rupt; vgl. Werner Szambien: Jean-Nicolas-Louis-Durand 1760–1834. De l’imitation à la norme. Paris 1984. S. 114–118. 174 [Lebas, Hippolyte:] Discours de M. Lebas, prononcé aux funérailles de M. Percier, le vendredi, 7 septembre 1838. In: Institut Royal de France. Académie Royale des beaux-arts. Séance publique annuelle 9 (1838). S. 1–6; Zitat: S. 3. 175 Ältere Arbeiten zu Percier stammen von Maurice Fouché: Percier et Fontaine. Paris 1904 und Jeanne Duportal: Charles Percier (1764–1838). Biographie. In: Charles Percier. Reproductions des dessins conservés à la Bibliothèque de l’Institut. Paris 1931. S. 9–103. Neuere Studien von Garric 2012 und Sabine Frommel, Jean-Philippe Garric u. Elisabeth Kieven (Hrsg.): Charles Percier e Pierre Fontaine. Dal soggiorno romano alla trasformazione di Parigi. Mailand 2014. 176 Lebas 1838, S. 2. 177 Die Prägekraft und langfristige Bedeutung von herausragenden Lehrergestalten für die Gruppenbildung analysiert Nerdinger 2002, bes. S. 66 f., exemplarisch an Schinkel. 178 Bezeichnend für das Forschungsdefizit ist Garric 2012, S. 161–169, dessen Ausführungen über die ‚École de Percier‘ neben der oberflächlichen Lektüre der Quellen besonders die weitgehende Vernachlässigung des elitären Beaux-Arts-Kontextes kennzeichnet, das Ansehen und Verkultung der Person Perciers wesentlich mitkonfigurierte.

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Leclère (Rompreis 1808), Louis-Tullius Visconti und andere mehr zu seinen Schülern, für die der Beaux-Arts-Lehrer jeweils eine entscheidende Karriereinstanz bildete.179 Es lässt sich nicht zuletzt angesichts der 18 Rompreisgewinner, die Perciers Schule durchlaufen hatten, formulieren, dass sein Atelier selbst eine Kaderschmiede bildete, die ihre Identität aus dem spezifischen Berufsethos des großen Lehrers bezog, das Selbstdisziplin und Hingabe an die Sache gebot.180 Percier hatte es vorgelebt und in seinem architektonischen und publizistischen Werk Gestalt werden lassen. Deshalb stand im Fokus der Verehrung – wie es die Beschreibungen der Schüler zu erkennen geben – nicht der Architekt Napoleons, sondern der Lehrer der Beaux-Arts-Schule, in dem Ethik und Ästhetik zu einem disziplinären Imperativ zusammentraten. Victor Baltard hat die Geltung der Percierschen Autorität noch 1873 in einer programmatischen Rede vor Absolventen der École des beaux-arts eindringlich beschworen. Baltard behauptete, dass Perciers Glaube „dans la nécessité d’un retour rigoureux aux formes de l’architecture antique“ total („entier“) gewesen sei. Dieses Credo hätte sich im Glauben der Schüler verkörpert: „La foi de ses élèves en lui était pas moins absolue“.181 Hier wird 35 Jahre nach dem Tod Perciers – in einer Zeit des drohenden Normenverlustes angesichts der 1863 anstehenden Schulreform182 – erneut eine Schülergeneration auf Leben und Werk des wegweisenden Lehrers aus der Gründerzeit der École des beaux-arts verpflichtet.183 Das Bildungsprogramm Perciers, ganz auf die Schulung am Bewährten und Exemplarischen ausgerichtet, sollte, so Baltard weiter, unverändert Geltung behalten.184 Für Baltard war Percier der Anwalt der reinen Kunst, der, erhaben über alle praktischen Erwägungen des Alltags,

179 Eine ausführliche Zusammenstellung der Schüler von Percier bei Hautecœur 1955, S. 165–189 und Garric 2012, S. 163–171. 180 Vgl. hierzu Desiré Raoul-Rochette: Percier, sa vie et ses ouvrages. In: Revues des Deux Mondes 24 (1840). S. 246–268. 181 Victor Baltard: L’École de Percier. In: Institut de France. Académie des beaux-arts. Séance publique annuelle du samedi 43 (15.11.1873). S. 41–58; hier: S. 47. Zu Baltard vgl. Pierre Pinon: Louis-Pierre et Victor Baltard. Paris 2005; bes. S. 206. 182 Vgl. Bonnet 2006. Ferner Albert Boime: The Teaching Reforms of 1863 and the Origins of Modernism in France. In: The Art Quarterly 1 (1977). S. 1–39. 183 „On regardait Percier comme le descendant direct et le continuateur d’Ictinus et d’Apollodore, de Bramante et de Palladio“; Baltard 1873, S. 45. 184 „En excellent maître, il comprenait que sa mission était de leur montrer [seinen Schülern] comment il faut apprendre, de les nourrir des meilleurs principes, de ne mettre sous leurs yeux que des exemples irréprochables“; Baltard 1873, S. 50. Baltard zog zudem eine für das akademische Credo höchst aufschlußreiche Verbindung zwischen dem Studium der Exempla und dem Arbeitsethos des Architekten. Über den Percier-Schüler Caristie sagte er: Dieser „représenta … les côtés les plus sérieux de l’école d’où il était sorti, l’amour du travail, l’extrême conscience dans les recherches, la sûreté du raisonnement, la fermeté des convictions, toutes qualités qu’il appliqua à ses savantes études“; ebd., S. 53.

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für die Wahrung von Architektur als eines höheren geistigen Wertes einstand.185 Baltards weihevoll zugeschnittene Rede schrieb also jene zentralen Glaubensmerkmale fest, die Percier zum Idol der französischen Architektenschaft erhoben hatten. In Lebas’ und Baltards Percier-Bild finden sich Lineaturen, die Hittorffs Karrieremuster entscheidend mitmodelliert haben: Italienstudium, Klassik-Kanon, Arbeitsdisziplin, Hingabe. Hittorff hat diese Lineaturen an und z. T. sogar unmittelbar mit dem Beistand von Percier entwickelt und Realität werden lassen. Seine Italienstudienreise stand ganz im Zeichen Perciers, denn sie sollte ihn in die Lage versetzen, sich sein Schüler nennen zu dürfen. In einem detaillierten Bericht, den Hittorff auf der Rückreise von Sizilien nach Rom am 17. Februar 1824 an Percier sandte, teilte er diesem seine archäologischen Entdeckungen mit, indem er gleich eingangs vermerkte, dass er dies alles getan habe, „pour se rendre digne du titre d’artiste et d’élève de votre École“.186 Dieses Bekenntnis war ihm so wichtig, dass er es ein weiteres Mal öffentlich wiederholte, und zwar 1832 in der Widmung zu seiner bearbeiteten Ausgabe von James Stuarts und Nicolas Revetts fünftem Band der Antiquities of Athens.187 Schließlich stellte Hittorff in seinem Wohnatelier in der Rue Coquenard im Zeichen der Verehrung eine lorbeerbekränzte Büste Perciers auf, die sich mit der Pendantbüste Ingres’ und einer Kopie von Raffaels Madonna del Diadema zu einem regelrechten Beaux-Arts-Fetisch vereinte (Abb. 66).188

185 Diese Auffassung wird die Berufsethik der französischen Architekten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein prägen. Sie wurde im sogenannten Code Guadet verbrieft. Der knapp vier Seiten lange Text erstmals in Julien Guadet: Les devoirs professionnels de l’architecte. In: L’Architecture. Journal hebdomadaire de la Société Centrale des architectes français 8 (7.8.1895–33). S. 288–289 erschienen, dann wiederabgedruckt in Ders.: Éléments et théorie de l’architecture. Cours professé à l’École nationale et spéciale des beaux-arts. Paris 1901–1910. Bd. 4. S. 504–507, bevor er 1941 als moralischer Regelkodex in die Statuten des französischen Architektenverbandes einging. Zum historischen und diskursiven Kontext vgl. Freigang 2003, S. 148–152. 186 Brief von Hittorff an Percier, Neapel, 17.2.1824; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–1, f. 83r. 187 „Mon cher Maître, en vous offrant ce travail comme un hommage de ma vénération, je vous prie aussi de le recevoir comme un tribut de ma reconnaissance, pour le noble désintéressement avec lequel vous m’avez guidé dans la carrière de mes études, et auquel je dois le bonheur d’être votre disciple ainsi que l’honneur de votre amitié“; Jakob Ignaz Hittorff (Hrsg.): Les Antiquités inédites de l’Attique, contenant les restes d’architecture d’Éleusis, de Rhamnus, de Sunium et de Thoricus, par la Société des Dilettanti. Ouvrage traduit de l’anglais, augmenté de notes et de plusieurs dessins. Paris 1832. [Bd. 5 der von Landon hrsg. Les Antiquités d’Athènes. Paris 1808–1822]. S. V. 188 Hierzu ein weiteres Lippenbekenntnis von Hittorff 1857, S. 1 seine Verehrung für Percier bezeugend: „M. Percier, notre maître, pendant un demi-siècle chef d’une école célèbre dans l’Europe entière“.

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Der Sacre des Königs als Sacre des Beaux-Arts-Architekten Wie andere Beaux-Arts-Eleven auch hat Hittorff in Percier nicht den Demiurgen Napoleons I. gesehen und verehrt, sondern den Bauforscher und Künstler, dessen Person und Architektur rein nach ethischen und ästhetischen, nicht nach politischen Kriterien beurteilt wurde. Gleichwohl lag ein wesentlicher Grund dafür, dass sich Hittorff als ein Nachfolger Perciers wähnen konnte, in der scheinbaren Analogie der historischen und politischen Situation. Denn so wie Percier den Sacre Napoleons 1804 in Notre-Dame zu Paris zusammen mit seinem Partner Fontaine gestaltet hatte, entwarf Hittorff unter den Bourbonen mit seinem Kollegen Lecointe den Festapparat für die Krönungsfeier Karls X. 1825 in der Kathedrale zu Reims, dessen ephemere Thronarchitektur zumal eine unmittelbare Paraphrase von Perciers und Fontaines ephemerem Thronbau in Notre-Dame darstellte (Abb. 11 und 12). Letzteres stand indes im eklatanten Widerspruch zu Hittorffs Erklärung vom 14. Januar 1826 gegenüber dem Direktor der Maison du Roi, Vicomte Papillon de la Ferté, wo er gemäß der ideologischen Linie des Königshauses nachgerade festhielt, dass es in Reims seinerzeit der Ehrgeiz gewesen war, den Sacre Napoleons vergessen zu machen: „Plus remarquable qu’aucun des Sacres de nos Rois, celui de S. M. Charles X, en consacrant solennellement les hautes et nouvelles destinées de la France, devait offrir le spectacle imposant du triomphe de la Légitimité et de la Religion, et effacer pour jamais le vain et passager éclat du dernier couronnement fait à Paris“.189 Einerseits sollte die Königskrönung von 1825 also ein spezifisches historisches Ereignis negieren, andererseits unterstand ihre Gestaltung der Normativität einer Architektur und eines Architekten, die sich nicht zuletzt dem Ereignis selbst verdankte, das vergessen werden sollte. Heikel war die Konstellation allemal, als Hittorff durch das Entwurfszitat den Architekten desjenigen Kaisers ehrte, dessen Gegner nun auf dem Thron saßen und denen er selbst zu Diensten stand. Von der bewussten Auslöschung des Gedächtnisses ausgespart blieb demnach die Kunst, verstanden gleichsam als Vorhof des Politischen. Auf diese eigentümliche Differenz von Form und Botschaft, von Kunst und Macht hoben ähnlich die Worte des späteren Akademie-Direktors RaoulRochette ab, der Percier als Person charakterisierte, die zwar Politik qua Architektur betrieben habe, der aber zugleich politisches Desengagement eigen gewesen sei: „Il n’eùt [sic] tenu qu’à lui de faire de la politique en faisant de l’architecture. Mais, sous tous ces régimes [Ancien Régime, Konsulat, Kaiserreich], M. Percier ne fut et ne voulut être qu’un artiste“.190 Es kreuzten sich folglich eine Politik, die in der Kunst ihre Erscheinung fand, und eine Kunst, die im Dienst der Politik wiederum ihre Weihe und Würde erhielt. Will heißen: Vorderhand stellte die Krönung in Reims die re-

189 Paris, AN, Maison du Roi, O/3 808 (Dossiertitel: Travaux à la Cathédrale et à l’Eglise de St. Remy; Insert: Rapport sur les travaux executée dans l’Eglise Cathédrale de Reims pour le Sacre de S. M. Charles), nicht paginiert, aber f. 1v. 190 Raoul-Rochette 1840 (b), S. 267.

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Abb. 11: Innenansicht von Notre-Dame zu Paris mit der Festdekoration für die Krönung von Napoleon I. Aus: Charles Percier u. Pierre-François-Léonard Fontaine: Description des cérémonies et des fêtes qui ont eu lieu pour le couronnement de leurs Majestés Napoléon, Empereur des français et Roi d’Italie, et Josephine, son auguste épouse. Paris 1807. Tafel VIII

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Abb. 12: Jakob Ignaz Hittorff u. Jean-François-Joseph Lecointe: Innenansicht der Kathedrale zu Reims mit der Festdekoration für die Krönung Karls X., 1825. Die Figurenstaffagen von V. Adam und L. Lafitte. Entwurfsblatt für das unvollendet gebliebene Album du Sacre de Charles X. Paris, Bibliothèque nationale de France, Pd 58

stauratio der Monarchie dar, zum anderen war sie Sacre einer normativen Architektur. Die folgenden kursorischen Überlegungen adressieren die Komplexität der restaurativen Gedächtniskultur der Bourbonen, in der in vielgestaltiger Weise politische Memoria hervorgehoben, selektiert, abgespalten und negiert wurde. Diesen Prozess hat Hittorff mit seinen ephemeren Festapparaten entscheidend mitgestaltet. Sulpiz Boisserée notierte am 8. Oktober 1820 nach einem Spaziergang durch den Tuilerien-Garten in sein Tagebuch: „Paris durchaus bürgerlicher geworden, bequemer, weniger elegant auch weniger gespannt und scharf die Physiognomie des Ganzen als vor 16 Jahren. Spuren der Revolution ganz verwischt“.191 Gleichzeitig kennzeichnete die Denkmälerpolitik der Bourbonen eine auffällige Verhaltenheit. Nach dem ikonoklastischen Tsunami der Jahre zwischen 1789 und 1793 setzte die restaurierte Monarchie nur mit großer Vorsicht auf bleibende und schon gar nicht auf Monumente mit adhortativem Charakter.192 Es entstand lediglich eine kleine Zahl von Sühnemonumenten, in denen die Verurteilten der Revolution als Opfer erschienen 191 Sulpiz Boisserée: Tagebücher. Bd. 1: 1808–1823. Darmstadt 1978. S. 676. 192 Zu Ausmaß und Charakter der revolutionären „fièvre iconoclaste“ vgl. André Chastel: L’art français. Bd. 4: Le temps de l’éloquence 1775–1825. Paris 2000. S. 126–130.

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und zu Märtyrern des Glaubens stilisiert wurden, folglich die Geschichtsereignisse im Zeichen der Versöhnung mit der ‚schuldigen‘ nation qua Sühne umgedeutet wurden.193 Bei aller durchaus prononcierten Stellung in Bezug auf die Geschehnisse der Revolutionszeit verzichtete die restaurierte Monarchie auf ein auftrumpfendes Pathos und bevorzugte ephemere Erinnerungs- und Repräsentationsformen. Die Umsetzung dieser Aufgabe fiel Hittorff und Lecointe zu, den Architekten der Menus Plaisirs du Roi. Die Intendanz der Menus Plaisirs du Roi (gegründet 1627) lag Anfang des 19. Jahrhunderts in den Händen des Vicomte Papillon de la Ferté, der das Amt bereits unter Ludwig XVI. bekleidet hatte.194 Die architectes des fêtes et cérémonies royales waren, wie bereits ausgeführt, seit dem 15. Dezember 1819 die in der Nachfolge Bélangers berufenen Hittorff und Lecointe. In den Jahren bis zum Juli 1830 wurden von ihnen zahlreiche Prozessionen, Theateraufführungen, Konzerte, Bälle, Bankette, Spiele und Feste gestaltet und dekoriert. Für die Bourbonen formten diese ständigen Feierlichkeiten und Feste in ihrer Summe gleichsam eine Bühne permanenter Prachtentfaltung, die ein Bild ubiquitärer monarchischer Präsenz im Leben und Gefüge der Stadt bot.195 Es lässt sich festhalten, dass im Paris der restaurierten Monarchie nicht politische Denkmäler, sondern ephemere Schaustellungen den Primat der politischen Repräsentation übernahmen. Zu den großen Staatsfeierlichkeiten, die ganz im Zeichen der erinnernden Vergegenwärtigung und der dynastischen Glorifizierung standen, zählten die nachstehenden Beispiele: 3. Mai: Alljährlicher Jahrestag der Entrée Ludwigs XVIII. (unter Karl X. auf den 12. April verschoben) 15. August: Alljährliche Prozessionsfeier zum Voeu von Ludwig XIII. 21. Januar 1815: Feierliche Überführung der sterblichen Überreste von Ludwig XVI. und MarieAntoinette nach Saint-Denis Juni 1816: Festveranstaltungen zur Hochzeit des Herzogs von Berry mit Marie-Caroline, Prinzessin des Königreichs Beider Sizilien 14. März 1820: Exequien für den Herzog von Berry in Saint-Denis 25. Oktober 1824: Exequien für Ludwig XVIII. in Saint-Denis Mai 1825: Festveranstaltungen zur Königskrönung von Karl X. in Reims.196

193 Vgl. Michael Hesse: Revolutionsopfer als Glaubensmärtyrer. Die Chapelle expiatoire und die Sühnemonumente der Restauration in Paris. In: Frankreich 1815–1830. Hrsg. von Gudrun Gersmann u. Hubertus Kohle. Stuttgart 1993. S. 197–216; Natalie Scholz: Die imaginierte Restauration. Repräsentation der Monarchie im Frankreich Ludwigs XVIII. Darmstadt 2006 und Anja Butenschön: Topographie der Erinnerung. Die Sühnemonumente der französischen Restauration 1814–1830. Berlin 2009. 194 Zu Bedeutung und Funktion der Menus Plaisirs du Roi unter der restaurierten Monarchie vgl. die materialreiche Studie von Waquet 1981, bes. S. 5–16. 195 Vgl. Hammer 1968, S. 26–33 und Kiene 2011, S. 55–59. 196 Zu einer vollständigen Chronologie vgl. Waquet 1981, S. 165–178. Ergänzend Hammer 1968, S. 13–26 u. 81–89.

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Wie die Auflistung der von Hittorff und Lecointe gestalteten Feierlichkeiten deutlich macht, bildeten einerseits Gedenkfeste, die vor allem Gründungsereignisse zu kommemorieren suchten, andererseits die für das bourbonische Königshaus altehrwürdigen Kirchenbauten von Saint-Denis (Königsgrablege) und Notre-Dame zu Reims (Krönungsort) zentrale Knotenpunkte einer weitverzweigten politischen Mnemo-Topographie, um deren Reaktivierung sich sämtliche Bemühungen drehten. Dennoch oder gerade deshalb wurden besonders die Königskrönungen als zentrales restauratives Staatszeremoniell zu einem Politikum mit Hemmnissen. Der Sacre Ludwigs XVIII. gelangte über das Planungsstadium nicht hinaus. Den wiederholten Ankündigungen – so am 10. Dezember 1818: „La solennité nationale où la religion consacre l’union intime du peuple avec son Roi“ – folgten in mehreren Ansätzen Projekte und Entwürfe, aber letzten Endes keine Umsetzung.197 Dafür hat die Forschung ein ganzes Bündel von Faktoren zusammengetragen. Zunächst wurde der Sacre durch die kurzzeitige Rückkehr Napoleons am 20. März 1815, während der sogenannten Hundert Tage, und dann durch die Ermordung von Ludwigs Sohn, des Herzogs von Berry, am 14. Februar 1820 aufgeschoben. Zwar sind auch die schwierige politische und ökonomische Lage sowie die Gesundheit des Königs als hinderliche Faktoren angeführt worden, doch fehlte letztlich der politische Wille, um auf alle Widerstände und Widrigkeiten mit der nötigen Durchsetzungskraft zu reagieren. Ständiger Begleiter aller Planungen war die dornige Diskussion um den Schauplatz der Krönung. Es wurden die Kathedralen von Reims, Saint-Denis, Notre-Dame zu Paris und die Pariser Kirche Sainte-Geneviève als Orte der Feierlichkeiten erwogen.198 Nichts zeigt den symbolischen Problemgehalt des Zeremoniells deutlicher, als die kategorische Verwerfung von Notre-Dame als Krönungsort, weil dort der Sacre Napoleons am 2. Dezember 1804 stattgefunden hatte, den Hittorff und Lecointe, den restaurativen Tonfall übernehmend, wie zitiert, als einen „vain et passager éclat“ verurteilten.199 Im Gegensatz zu Ludwig XVIII. ließ sein Bruder Karl X. kurz nach seinem Herrschaftsantritt der Entschlossenheit, sich in Reims krönen zu lassen, unverzüglich Taten folgen. Am 22. Dezember 1824 gab er die Ordonnanz aus: „Je veux que la cérémonie de mon sacre termine la première session de mon règne. … Là, prosterné au pied du même autel où Clovis reçut l’onction sainte“.200 Pierre-François-Léonard Fontaine, der zusammen mit Percier die Dekorationen für Napoleons Sacre in NotreDame entworfen hatte,201 notierte 1825 in sein Arbeitsjournal, dass die Krönungsfeier 197 Zitiert in Waquet 1981, S. 102. 198 Die verstrickte Planungsgeschichte des Sacre Ludwig XVIII. resümiert Waquet 1981, S. 103–105. 199 Brief von Hittorff und Lecointe an den Vicomte de la Ferté; Paris, 14.1.1826; Paris, AN, Maison du Roi, O/3 808 (Dossiertitel: Travaux à la Cathédrale et à l’Église de St. Remy; Insert: Rapport sur les travaux exécutés dans l’Église Cathédrale de Reims pour le Sacre de S. M. Charles), nicht paginiert, aber f. 1v. 200 Zitiert nach Waquet 1981, S. 109. 201 Vgl. Beschreibung und Illustration des Sacre Napoleons in Charles Percier u. Pierre-FrançoisLéonard Fontaine: Description des cérémonies et des fêtes qui ont eu lieu pour le couronnement de

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Karls X. mit besonderem Blick auf den Sacre Napoleons alles vergessen machen sollte, was die Krönungen bis dato an Magnifizenz aufgeboten hätten. Den Organisatoren und Architekten war angeordnet worden: „De faire plus et mieux que ce qui a été fait jusqu’ici“.202 Das bewilligte Budget von rund zweieinhalb Millionen Francs rief offenen Unmut hervor, so dass ein Kürzung unumgänglich wurde.203 In Reims wurde der Thronbau, anders als bei Napoleons Sacre, nicht im Langchor, sondern im Mittelschiff in Höhe des dritten Joches unmittelbar hinter dem Eingangsportal der Kathedrale errichtet (Abb. 12). Somit wurde ihm eine doppelte Funktion zugewiesen: Er war einerseits feierlich-triumphales Portal für den Introitus des Königs in den Kirchenraum und zugleich würdevoller Rahmen für den Hauptakt der Zeremonie, die Investitur des Königs mit Krone und Szepter. Die geladenen Gäste wurden auf zwei Ränge unterhalb der Seitenschiffe und auf Bankreihen längs des Mittelschiffes verteilt. In dem Maße, wie die zeremonielle Ordnung auf den Thronaufbau ausgerichtet war, wurde der Kirchenraum als ein hochsymbolisches Gegenüber von Thron und Altar gestaltet. Die Thronarchitektur zeigte in Höhe der Plattform auf den Rück- und Schmalseiten einen gemalten Reliefschmuck, der zum einen den thronenden Karl X. wiedergab, der die Personifikationen der Künste, der Agricultura und des Kommerzes empfing und sie seiner Protektion versicherte, und zum anderen seine Besuche im HôtelDieu und im Veteranenhospiz der Invaliden festhielt.204 Das Bildprogramm, das den König im Zentrum des Geschehens wusste und auf glückliche Herrschaftsausübung und fürsorgliche Volksverbundenheit setzte, reflektierte ganz topisch das Ordnungsgefüge und Herrschaftsverständnis der Monarchie. Schließlich wurde Karl X. von den Personifikationen der Religion und der France, die den Thronbau abschlossen, in wiedergewonnener Eintracht bekrönt. Die Beschwörung der monarchischen Staatsideologie als einer unverbrüchlichen Ordo bestimmte auch die Ikonographie der Mittelschiffswände. In drei Reihen übereinander waren Sukzessionsbilder der französischen Regenten vom ersten christlichen Frankenkönig Chlodwig bis zum Bourbonenkönig Ludwig XVIII. angebracht, begleitet von Bilderreihen der französischen Bischöfe und Erzbischöfe sowie von Personifikationen der Bonnes villes du Royaume. Hier wurden also die genealogisch-legitimistischen Bezüge sowie die Ver-

leurs Majestés Napoléon, Empereur des français et Roi d’Italie, et Josephine, son auguste épouse. Recueil de décorations exécutées dans l’église de Notre-Dame de Paris et au Champs-de-Mars. Paris 1807. Aus der reichen, nicht selten das Ereignis verklärenden Sekundärliteratur seien hier allein genannt Thierry Lentz (Hrsg.): Le 2 décembre 1804. Le sacre de Napoléon. Ligugé 2003 und Philippe de Carbonnières: Le sacre, 1804. In: Napoléon et Paris. Rêves d’une capitale. Hrsg. von Thierry Sarmant et al. Ausstellungskat. Paris 2015. S. 36–43. 202 Pierre-François-Léonard Fontaine: Journal 1799–1853. Paris 1987. S. 681. 203 Vgl. Waquet 1981, S. 109, Anm. 260. 204 Bildliche Wiedergaben haben sich nicht erhalten. Die vorliegende Darlegung folgt der Festbeschreibung von Edme-François-Antoine-Marie Miel: Histoire du Sacre de Charles X, dans ses rapports avec les beaux-arts et les libertés publiques de la France. Paris 1825. S. 252.

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bundenheit der Kirche und die Treue der Nation als zentrale Parameter der restaurierten Monarchie zur Anschauung gebracht. Der Journal des débats politiques et littéraire ließ das stimmige Ganze obendrein in ein Lob der Architekten Hittorff und Lecointe münden: „Religion, légitimité, union intime de la nation avec son chef, tel est le dogme politique que les architectes ont tâché de rendre sensible“.205 Die aufgebotene Fülle von Bildern, Insignien und leuchtenden Materialien gaben ein buntes Panegyrikum auf die Ancienne France und ihre Monarchie ab. Das Affirmative der Darstellung ist transparent auf das Affirmative der monarchischen Restaurationspolitik, die sich gegen Konstitutionalismus und Parlamentarismus zu behaupten hatte.206 An Hittorffs und Lecointes Entwurf fällt eine innere Dissonanz ins Gewicht. Während die gotisierende Festdekoration der Mittelschiffswände einprägsam die Idee von Fortdauer und Gegenwart der Ancienne France vergegenwärtigte, der semantische Einsatz des (unkanonischen) gotischen Stilkleids also auf der ideologischen Linie lag, brach indes die klassizistische Formensprache der Thronarchitektur ganz aus diesem Rahmen.207 Das Stildilemma hat niemand deutlicher auf den Punkt gebracht als Victor Hugo, der die Thronarchitektur kurz und bündig als „chose absurde“ denunzierte.208 Hugo besuchte die Reimser Kathedrale wenige Tage nach den Feierlichkeiten in seiner Eigenschaft als offizieller Odenschreiber und hielt in einem Brief an seine Frau Adèle in wenigen Zeilen den gewonnenen Eindruck fest: „On n’a point commis la faute faite à Saint-Denis, les ornements sont gothiques comme la cathédrale, et tout, excepté le trône qui est d’ordre corinthien (chose absurde), est d’assez bon goût. … Il y a six mois, on eût fait un temple grec de la vieille église des francs“.209 Das ‚Griechische‘ des Thronbaus war Hugo also ein Dorn im Auge, weil es nicht mit der französischen Kirchenbautradition vereinbar war. Hugo hätte darüberhinaus noch bemerken und monieren können, dass Hittorffs und Lecointes triumphbogenförmige Thronarchitektur in Reims nicht nur nicht der Stilkohärenz zwischen Bau und Ausstattung wiedersprach, sondern sich vor allem Perciers und Fontaines Modell für den Sacre Napoleons 1804 in Notre-Dame zu Paris verpflichtet zeigte. 205 Der anonym erschienene Artikel in der Samstagsausgabe des Journal des débats politiques et littéraires vom 5.11.1825, S. 4. 206 Vgl. David E. Barclay: Politik als Gesamtkunstwerk. Das Monarchische Projekt. In: Friedrich Wilhelm IV. Künstler und König. Ausstellungskat. Potsdam. Frankfurt/M. 1995. S. 22–27. 207 Die Vorgaben des Zeremonienmeisters ließen diesen gestalterischen Aspekt durchaus offen: „La composition des décors de l’église doit joindre toute la magnificence d’une pompe royale à la solennité d’une cérémonie religieuse: on s’attachera particulièrement à conserver à la cathédrale son caractère auguste“; zitiert nach Waquet 1981, S. 113. Dagegen hatten Hittorff und Lecointe die stilistische Kohärenz von gotischem Bau und Festapparat 1820 im Rahmen der Dekorationsentwürfe für die Taufe des Herzogs von Bordeaux in Notre-Dame zu Paris beachtet; vgl. Kiene 2011, S. 58. 208 Zitat nach Waquet 1981, S. 116. 209 Zitiert nach Waquet 1981, S. 116. – Der offizielle Historiograph des Sacre Karls X. war Charles Nodier, vgl. Anne Martin: Charles Nodier. Historiographe du Sacre de Charles X? In: Gazette des Beaux-Arts 72 (1968). S. 265–270.

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Abb. 13: Aufriss der Hochschiffswand der Kathedrale zu Reims mit der Festdekoration für den Sacre Ludwigs XVI. 1775 (links) und den Sacre Karls X. 1825 (rechts). Aus: Edme Miel: Histoire du Sacre de Charles X, dans ses rapports avec les beaux-arts et les libertés publiques de la France. Paris 1825

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Abb. 14: Entwurfsvergleich der Thronbauten für den Sacre Ludwigs XVI. 1775 (links) und Karls X. 1825 (rechts) jeweils Reims. Aus: Edme Miel: Histoire du Sacre de Charles X, dans ses rapports avec les beaux-arts et les libertés publiques de la France. Paris 1825

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Und das war für die Feierlichkeiten von 1825 ein politisch höchst unangemessener Bezugspunkt. Aus dem umfangreichen zeitgenössischen Schrifttum zum Sacre Karls X. ist besonders der Festbeschreibung von Edme Miel die Problematik von gleichzeitiger Verwerfung und Rezeption der Thronarchitektur von 1804 inhärent.210 Das kam nicht von ungefähr, denn der Musik- und Kunstkritiker Miel gehörte zu den engsten Freunden Hittorffs und übernahm im Rahmen des Sacre Karls X. gleichsam die Funktion des Herolds.211 Die intime Kenntnis von Programm und Entwurfsgestaltung sowie die in Lecointes Carnets in der École des beaux-arts zu Paris enthaltenen Entwurfsvorlagen für Miels Buchillustrationen (Abb. 13 und 14),212 deuten auf die unmittelbare Herkunft seines Wissens aus dem Planungsbüro der Menus Plaisirs du Roi und damit unumwunden auf Hittorff, der mit der Hilfe von Miel, wie so oft, sehr bedacht seine öffentliche Wahrnehmung zu lenken beabsichtigte. Um jedoch genau diesen Verdacht zu zerstreuen, erfolgten in Miels Bericht Nennungen von Hittorff und Lecointe auffallend selten. Auf die Entwurfsgestaltung selbst ließ Miel indes nicht gerade wenig Licht fallen, wenn er schrieb: Les architectes y ont déployé toutes les ressources modernes; tout y est finement profilé, heureusement proportionné, cadencé avec harmonie; on peut y prendre une idée de la perfection où les arts sont parvenus de nos jours: et ce n’était pas sans doute une médiocre difficulté de faire que ce monument du XIXe siècle, tout en montrant le style le plus pur dans les lignes architecturales, dans les ornemens, dans les sculptures, se mît en harmonie avec la vieille basilique de Clovis.213

Miel bemühte sich, wie das Zitat verdeutlicht, die klassische Formensprache („toutes les ressources modernes“) als dem Festakt vollkommen konform zu beschreiben. Von der typologischen und formalen Nähe des Thronaufbaus zu jenem von Percier und Fontaine ist indes nicht die Rede. Es fällt auf, dass Miel das Problem insofern verlagerte, als er den Thronaufbau für den Sacre Ludwigs XVI. vom 11. Juni 1775 in Reims ins Spiel brachte und rügte. Weil dieser höchstens der „entrée d’une maison bourgeoise“ und keinesfalls dem ehrwürdigen Einzug eines Monarchen entsprochen hätte, schmähte er ihn als „trivial“ und führte gegenbildlich aus, dass für die Veranschaulichung des „triomphe de la Legitimité“ Karls X. allein das durch Hittorff und Lecointe gewählte Triumphbogenmotiv des Thronaufbaus angemessen („appro-

210 Miel 1825. 211 Wie Hittorff in einer Gedenkrede bekannte, war Miel ein „ami éprouvé par trente années de liaison la plus intime“; Jakob Ignaz Hittorff: Discours prononcé au nom de la Societé libre des beaux-arts aux funérailles de M. Miel. In: Annales de la Societé libre des beaux-arts 15 (1845). S. 5–7; Zitat: S. 5. 212 Die beiden Vorlagenblätter für Miels Illustrationen finden sich in Paris, ENSBA, PC 43232 f. 10 u. 14. Im Index des Zeichnungsalbums ist zu f. 10 vermerkt: „Projet de trône pour l’ouvrage de Miel“ und zu f. 14: „Decor des tribunes pour l’ouvrage de Miel“. 213 Miel 1825, S. 256.

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prié“) gewesen sei.214 Den Ausführungen wurden Abbildungen beigegeben, die Hittorffs Thronaufbau mit jenem für den Sacre Ludwig XVI., jedenfalls nicht mit jenem Napoleons, in Verbindung brachten. Und doch wusste Miel die typologischen und stilistischen Bezüge zu Percier und Fontaine unter der Hand hervorzuheben. Denn Hittorffs und Lecointes Adaption des Renaissancestils lobend heißt es: „Le style de cette époque des arts [die Renaissance] est presque toujours préférable; moins sévère que l’antique, il n’en exclut pas la pureté; il permet plus d’élégance, plus de richesse; il se prête aux ornemens emblématiques, et, à cause de tout cela, il convient plus spécialement à la décoration monumentale. Les fûts des colonnes ainsi que les pilastres sont couverts d’ingénieux arabesques“.215 Miels Worte umschreiben (und loben) nichts anderes als den an der Renaissance gewonnenen Klassizismus der beiden Architekten Napoleons. Von Percier hieß es im 19. Jahrhundert, dass ihn das Italienstudium zu der Einsicht gebracht hätte, dass die antiken Baudenkmäler für moderne Bauaufgaben nicht geeignet seien, und er es deshalb unternahm, „[de] les [die antiken Bauten] allier à l’architecture des 15e et 16e siècles, afin de les rendre plus applicables“.216 Hittorffs Thronbau ist tout court Hommage an Percier. Er hätte ihr keinen prominenteren und zugleich unangemesseneren Ort geben können. Im Sacre des Königs kam die Kunst jenes Architekten zur Geltung, der sich nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs im Alter von 51 Jahren aus dem aktiven Geschäft in die Lehre zurückzog und damit dem heimgekehrten Herrscherhaus der Bourbonen den Rücken zukehrte.217 Perciers Desengagement, das seine Verehrer und Eleven zum Mythos eines exemplarischen Künstlerdaseins erhoben, ist selbst in einem eminenten Sinn politisch. Hiervon ist noch die innere stilistische Dissonanz von Hittorffs und Lecointes Sacre-Entwurf von 1825 geprägt, wo exemplarische Kunst und exemplarische Politik in der Botschaft einander opponierten und doch die gleiche Geltung beanspruchten. Percier war Leitfigur eines sich elitär verstehenden Berufsstands, der sich, wie es schon Raoul-Rochette suggeriert hatte, einerseits der Politik als machtvolles Medium bediente, um andererseits zu behaupten, über allen politischen Parteiungen zu stehen. Welche Hypothek indes das Amt des Regierungsarchitekten bedeutete, zeigt eine Nebenbegebenheit aus Perciers und Fontaines publizistischen Aktivitäten. So versuchten die ehemaligen Architekten Napoleons 1825 anlässlich des Sacre Karls X.

214 Miel 1825, S. 249. – Zur Festdekoration des Sacre Ludwigs XVI. in der Kathedrale von Reims vgl. Alain-Charles Gruber: Les grandes fêtes et leurs décors à l’époque de Louis XVI. Genf 1972. S. 89– 102. 215 Miel 1825, S. 252 f. 216 So s. v. Charles Percier. In: Biographie universelle (Michaud) ancienne et moderne. Paris 1854. Bd. 36. Für die Adaption antiker Architektur in der Brechung durch die italienische Renaissance steht paradigmatisch Perciers und Fontaines Entwurf für den Arc de Triomphe du Carrousel (1806–1808); vgl. Uwe Westfehling: Triumphbogen im 19. und 20. Jahrhundert. München 1977. S. 22–26. 217 Vgl. Garric 2012, S. 161.

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einige Restexemplare ihrer Tafelbände zu veräußern, die sie 1807 und 1810 anlässlich der Krönungs- und Hochzeitsfeierlichkeiten Napoleons herausgegeben hatten.218 Fontaines Tagebucheintragungen halten fest, dass die beiden Architekten mit ihrem Œuvre durchaus von den damit implizierten politischen Ereignissen zu abstrahieren beabsichtigten: „J’avais pensé que le sacre du roi Charles X pouvait donner motif à remettre en vente les ouvrages que nous avons depuis 1814 tenus à l’écart, tant sur le sacre de l’Empereur Napoléon que sur son mariage. Il me semblait que sans vouloir élever aucune comparaison entre les particularités de ces grands événements, la curiosité et le désir de trouver des renseignements historiques nous feraient débiter quelques exemplaires“.219 Gleichwohl war jede Parallelisierung und jeder nur geringste Bezug zu Napoleons Regierung unter den Bourbonen politisch so inopportun, dass die beiden Architekten die Verkaufsgenehmigung nicht erhielten.220 Perciers und Fontaines Vorgehen als Naivität zu verbuchen,221 würde den Chiasmus verkennen, indem sich hier Politik und ästhetische Normen eigentümlich kreuzten – eine Duplizität, die kein klares Entweder-oder kannte. *** Halten wir einige Ergebnisse fest. Bei aller epistemischen Spurenlese und historischen Detailanalyse zielten die Ausführungen darauf, die regierenden Kräftemuster des Beaux-Arts-Systems freizulegen und zu dechiffrieren. Den Zöglingen wurden besonders zwei Handlungsweisen und -formationen abverlangt: So die Signalisierung von Leistungsbereitschaft sowie die Einhaltung des Normenkatalogs und dies sowohl in Bezug auf den ästhetischen Kanon der Schule als auch den ethischen Kodex des Berufsstands. Die Normen wurden über ein mehrstufiges Ausleseverfahren in Gestalt eines Wettbewerbs- und Preissystems eingübt wie zugleich abgeprüft. Die zentrale Einlasspforte ins Reich der Elite stellte der Rompreis dar, der mit einem Fünfjahresstipendium an der Villa Medici in Rom dotiert war und dem Studium und der Erforschung der Altertümer galt. Das Ausleseverfahren mit der spezifischen Ausrichtung auf den Rompreis erhob die Archäologie zu einer elitären Praxisform und zu einem zunehmend exklusiven Wissensraum der Architekten – die ungebrochen in der Antike ihren Kanon verorteten. Deshalb bestand die Tätigkeit der Pensionäre der Villa Medici im Graben, Vermessen und Rekonstruieren antiker Baudenkmäler, 218 Die genauen Titel lauten: Description des cérémonies et des fêtes qui ont eu lieu pour le couronnement de leurs Majestés Napoléon, Empereur des français et Roi d’Italie, et Josephine, son auguste épouse. Recueil de décorations exécutées dans l’église de Notre-Dame de Paris et au Champs-de-Mars. Paris 1807 und Description des cérémonies et fêtes qui ont eu lieu pour le mariage de S. M. l’Empereur Napoléon avec S. A. I. Madame l’Archiduchesse Marie-Louise d’Autriche. Paris 1810. – Zu der Angelegenheit vgl. die Angaben in Fontaines Arbeitsjournal; Fontaine 1987, S. 681. 219 Fontaine 1987, S. 681. 220 Fontaine 1987, S. 681. 221 Fontaines privatpolitische Klugheit in der professionell schwierigen Situation unter der restaurierten Bourbonenmonarchie hebt heraus: Jean-Michel Leniaud: Les bâtisseurs d’avenir. Portraits d’architectes XIXe–XXe siècle. Fontaine, Viollet-le-Duc, Hankar, Horta, Guimard, Tony Garnier, Le Corbusier. o. O. 1998. S. 39–46.

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was Kunst und Wissenschaft zu einer höheren Einheit verband. Angesichts der elitären Rahmenbedingungen ist die französische Archäologie des 19. Jahrhunderts kaum zu reduzieren auf ihre Funde und Ergebnisse. Da ihr die Prozeduren von Inklusion und Exklusion unterstanden, war sie eine zentrale Instanz des Wertekonsenses, was sich nicht zuletzt in ihren exklusiven Wissens- und Repräsentionsformen widerspiegelte. Zu ihnen zählten die Envois de Rome, jene großformatigen Rekonstruktionszeichnungen, die in Rom und Paris in eigenen Ausstellungen präsentiert wurden, sowie der Bildatlas, dessen kostspieliges Großformat die Affirmation des Klassischen und Elitären vollzog. Die Praktiken von Auslese und Medialisierung der Beaux-Arts-Institutionen erweisen sich als ein Ausschlussverfahren analog des katholischen Dogmas Extra ecclesiam nulla salus. Ausgeschlossen wurden jene, die nicht den strengen Standards und Ansprüchen der Beaux-Arts genügten. Nicht zuletzt traf es aber auch die ‚falsche‘ Wissenschaft. All das Gesagte entspricht dem Selbstverständnis von Eliten, dass sie die besseren Teile der Gesellschaft darstellen. Gefestigt haben das Regelsystem der Beaux-Arts schließlich Leitfiguren, die mit ihrer Lebenshaltung und ihrem Werk für die Untrüglichkeit des Systems einstanden. Percier wurde hierbei jener Kultstatus zugestanden, aus welchem die Beaux-Arts-Architekten ihren quasi-religiösen Korpsgeist bezogen. An Hittorff lassen sich sämtliche systemimmanente Regeln des Beaux-Arts-Elitismus deshalb so klar herauskristallisieren, weil er kein Rompreisträger war und das Manko ihn nötigte, sich umso deutlicher dem Raster der Norm zu unterwerfen. Es drängte ihn bis hin zu einer Hommage für Percier an politisch höchst unangemessem Ort, den Sacre Karls X.

Bunte Antike. Streit als Wettstreit Der zwischen circa 1830 und 1855 geführte Disput um die Polychromie antiker Architektur war durch mehrere heterogene Szenarien geprägt, die von unterschiedlichen Akteuren aus verschiedenen Ländern und unter verschiedenen Voraussetzungen bestimmt wurden. Auch spielten bei der Entstehung des Streits mehrere Ursachen zusammen, von denen keine als die eigentliche und entscheidende herausgestellt werden kann. Der Polychromiestreit präsentiert sich vielmehr als Abfolge und Überlagerung einzelner unterschiedlicher Federkriege und Auseinandersetzungen, die sich derart ineinander verwoben und verkettet haben, dass man von einer einzigen öffentlichen Kontroverse zu sprechen sich angewöhnt hat. Symptomatisch für die quasi Unabgegrenztheit des Disputs ist bereits die Dislozierung der Protagonisten im Raum: Hittorff und Desiré Raoul-Rochette in Paris, Franz Theodor Kugler in Berlin, Leo von Klenze in München, Duca di Serradifalco in Palermo, Thomas Leverton Donaldson in London, Gottfried Semper zunächst in Dresden und London und schließlich in Zürich.1 In der Hauptsache stritten die Kontrahenten um Farbrekonstruktionen und damit um die Rekonfiguration des aufgelösten Normgebäudes der weißen Antike. Bereits zu Beginn des Disputs gab es nur noch Wenige, die an der Faktizität der antiken Vielfarbigkeit zweifelten. Zahlreiche Funde und Beobachtungen in Griechenland und Sizilien hatten die bunte Antike seit 1800 längst zur Gewissheit gemacht. Wenn Hittorff in den Annali dell’Instituto di corrispondenza archeologica 1830 einen Artikel zur Vielfarbigkeit der griechischen Architektur publizierte, dann war 1 Eine frühe materialreiche, aber fehlerbehaftete Studie zur Geschichte des Polychromiestreits hat vorgelegt David Van Zanten: The Architectural Polychromy of the 1830’s. New York-London 1977. Das Thema ist seither von einer anhaltenden Konjunktur, vgl. Marie-Françoise Billot: Recherches aux XVIIIe et XIXe siècles sur la polychromie de l’architecture grecque. In: Paris-Rome-Athènes. Le voyage en Grèce des Architectes français aux XIXe et XXe siècles. Ausstellungskat. Paris-AthenHouston 1982/83. S. 61–125; Robin Middleton: Farbe und Bekleidung im neunzehnten Jahrhundert. In: Daidalos 51 (1994). S. 78–89; Vinzenz Brinkmann: Policromia. In: Enciclopedia dell’Arte Antica classica e orientale. Rom 1996 [2. Supplementband]. Bd. 4. S. 400–402; Klaus Jan Philipp: Farbe, Raum, Fläche. Farbkonzepte in der Architektur. In: Die Farbe Weiss. Farbenrausch und Farbverzicht in der Architektur. Ausstellungskat. Ulm. Berlin 2003. S. 18–47; Andreas Prater: Streit um Farbe. Die Wiederentdeckung der Polychromie in der griechischen Architektur und Plastik im 18. und 19. Jahrhundert. In: Bunte Götter. Die Farbigkeit antiker Skulptur. Ausstellungskat. München-Rom 2004. S. 256–267; Uta Hassler: Von der Polychromiedebatte zur Farbenharmonie. In: Maltechnik & Farbmittel der Semperzeit. Hrsg. von Ders. München 2014. S. III–XV; María Ocón Fernández: Colored Antiquities. Das Neue in Transformationen des Antike-Bildes durch Farbe. In: Imagination, Transformation und die Entstehung des Neuen. Hrsg. von Philipp Brüllmann, Ursula Brombach u. Cornelia Wilde. Berlin-Boston 2014. S. 347–367 und Henrik Karge: Jenseits des Polychromiestreits. Gottfried Sempers Wahrnehmungstheorie der Farben. In: Gesprächsstoff Farbe. Beiträge aus Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft. Hrsg. von Konrad Scheurmann u. André Karliczek. Köln 2017. S. 266–283. Für die vorliegende Betrachtungsperspektive wichtig die auf die französische Debatte fokussierte Darstellung von Maria Cecilia Parra: Letture del colore antico tra i Savans del primo Ottocento. In: Ricerche di Storia dell’Arte 38 (1989). S. 5–21. https://doi.org/10.1515/9783110733044-004

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dieser mit seiner Thematik einerseits nicht aus grünem Holze, andererseits war er der starting point einer zwei Jahrzehnte andauernden Kontroverse, die 1851 mit Hittorffs Publikation der Restitution du Temple d’Empedocle à Sélinonte, ou l’architecture polychrôme chez les Grecs in Frankreich ihren Höhepunkt fand. Neben den Inhalten des Polychromiestreits werden folgend besonders der disziplinäre Standort und die Lebenssituation der einzelnen Kontrahenten in Rechnung gestellt. Wie sehr die Form der Intervention von der jeweiligen Position des Streitenden innerhalb des Kräftefeldes abhing, soll vorab am Beispiel des Architekten und Architekturtheoretikers Gottfried Semper illustriert werden, der sich 1834 als noch junger Student mit Aplomp in die laufende Polychromiedebatte einschaltete. Nach seinen Polychromieerkundungen in Griechenland befand sich Semper 1833 in völlig ungesicherter beruflicher Situation.2 Für die Herausgabe seiner wissenschaftlichen Kollektaneen wandte er sich hilfesuchend an seinen Lehrer und Mentor in Paris, den Architekten Franz Christian Gau, der ihn am 15. November 1833 in einem Brief nach Rom anmahnte: „Machen Sie Ihre Arbeiten [zur Polychromie griechischer Tempel] so viel als möglich durch öffentliche Blätter bekannt. Suchen Sie einen Verleger aufzutreiben und kommen Sie dann hierher [nach Paris] zur Herausgabe, denn hier ist doch immer noch das Zentrum, wenn nicht der Bildung doch der Bewegung“.3 Gau riet Semper also, sich zunächst durch die Publikation seiner Griechenlandfunde in Zeitschriften jenes Renommee in Fachkreisen aufzubauen, das die Türen zu einem Verleger in Paris öffnen würde. Und in der Tat verhinderten neben dem fehlenden Renommee besonders die fehlenden Mitteln, dass der geplante Folioband, der durchgehend ganzfarbig illustriert sein sollte, nicht nur nicht in Paris erschien, sondern 1834 in Altona und als zwar ‚vorläufiges‘ Pamphlet in Kleinformat und ohne Illustrationen.4 Sempers publizistisches Debüt, die Vorläufigen Bemerkungen über bemalte Architectur und Plastik bei den Alten, erlangte dann weniger durch das Pu-

2 Vgl. Salvatore Pisani: „Die Monumente sind durch Barbarei monochrom geworden“. Zu den theoretischen Leitmaximen in Sempers Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architektur und Plastik bei den Alten. In: Gottfried Semper 1803–1879. Architektur und Wissenschaft. Hrsg. von Winfried Nerdinger u. Werner Oechslin. Ausstellungskat. München-Zürich 2003. S. 109–115.; dagegen Werner Oechslin: Gottfried Semper und die Archäologie in ihren neuerlichen Anfängen um 1830. In: Gottfried Semper 1803–1879 (wie eben). S. 92–100; bes. S. 92 f., der Sempers Eintritt in die Farbdiskussion vorderhand an den geltenden Wissenschaftsparametern der Zeit festmacht. 3 Brief von Gau an Semper, Paris, 15.11.1833; Zürich, gta-Archiv, 20–K–1833–11–15. Zum SchülerLehrer-Verhältnis der beiden Architekten Mario Kramp: Von Paris nach Dresden. Ein europäischer Horizont. Gottfried Semper als Schüler des rheinischen Architekten Franz Christina Gau. In: Gottfried Semper – Dresden und Europa. Die moderne Renaissance der Künste. Hrsg. von Henrik Karge. München-Berlin 2007. S. 101–120 und Salvatore Pisani: Studium – Individuation – Karriere. Gottfried Semper als Schüler von Franz Christian Gau. In: Sprachen der Kunst. Festschrift für Klaus Güthlein zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Lorenz Dittmann, Christoph Wagner u. Dethard von Winterfeld. Worms 2007. S. 215–226. 4 Zu den karrieregeschichtlichen Implikationen von Sempers Vorläufigen Bemerkungen vgl. Pisani 2003 (b).

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blikationsformat, den geplanten Bildatlas, die gewünschte Resonanz als durch den gezielten Einsatz polemischer Wendungen und treffsicherer Verunglimpfungen gestandener Autoritäten.5 Sempers bekannteste Insultation richtete sich gegen den Direktor der École polytechnique, Jean-Nicolas-Louis Durand, den er als „Schachbrettkanzler“ schmähte.6 Die Verunglimpfung wird bis in jüngste Publikationen hinein gern als gewitzte Charakterisierung jenes Hauptvertreters des formalisierten französischen Normdenkens kolportiert.7 Für Semper war sie mehr noch eine effektsichere Technik der offensiven Raumeinnahme innerhalb eines Feldes, das er als Neuling betrat. Seine Grobianismen, Beschimpfungen und abkanzelnden Zwischenbemerkungen stellte Semper in den Dienst der Aufmerksamkeitsökonomie. Der scharfe kritische Tenor sollte dem Neuling und Stellensucher, der Semper 1834 war, das gewünschte Aufsehen verschaffen. Polemik ist also nicht allein Ausdruck einer cholerischen Grunddisposition, sondern mindestens ebenso sehr ein Strategem der Durchsetzung. Sempers aggressive Energien sind nicht nur, aber auch Zeichen für die geringeren Karrierechancen eines Architekten, der sich außerhalb der Elitezirkel bewegte. Hatte Semper zwar durch die weniger wirkungsvolle Publikationsform des Traktats ein Wahrnehmungsdefizit einzugehen, so glich er es mit dem Einsatz polemischer Virtuosität aus. Seine Streitbarkeit und polemische Schärfe mag eine vielzitierte Passage aus den Vorläufigen Bemerkungen verdeutlichen, mit welcher der junge Hamburger Student die ästhetischen Normen seiner Zeit zum historischen Auslaufmodell erklärte: „Wir haben das übrig gebliebene entseelte Knochengebäude alter Kunst für etwas Ganzes und Lebendes angesehen und es so, wie wir es fanden, nachzuahmen für gut befunden. … Das Magere, Trockene, Scharfe, Charakterlose der neueren Erzeugnisse der Architektur lässt sich ganz einfach aus dieser unverständigen Nachäfferei antiker Bruchstücke erklären“.8 Zugegeben: Der publizistische Auftakt Sempers entbehrt nicht der Verve.9 5 Zur Polemik als Strategem der Aufmerksamkeitserzeugung in der Wissenschaftskultur vgl. Wilfried Barner: Autorität und Anmaßung. Über Lessings polemische Strategien, vornehmlich im antiquarischen Streit. In: Streitkultur. Strategien des Überzeugens im Werk Lessings. Hrsg. von Wolfram Mauser u. Günther Saße. Tübingen 1993. S. 15–37. 6 Die Diskreditierung, die Gottfried Semper gleich im Vorwort seiner Vorläufigen Bemerkungen gegen Durand und seine gesamte Schülerschaft vorbrachte, lautet vollständig: „Die erste Sorte sind die Durandschen Assignaten, die dieser Schachbrettkanzler für mangelnde Ideen in Cours setzt“; Ders.: Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architectur und Plastik bei den Alten. Altona 1834. S. VIII. Zu Sempers spätere Wirkung auf Frankreichs Ideengeschichte Michael Gnehm: Gottfried Semper et la France. Théories et pratiques architecturales. In: Gottfried Semper. Écrits sur l’architecture. Hrsg. von Anne-Marie Châtelet. Gollion 2020. S. 347–376. 7 Etwa G. Fischer 2014. S. 40. 8 Semper 1834, S. 11. 9 Dass pointiert bezogene Standpunkte und ‚innovative‘ Theorieentwürfe einen kaum zu unterschätzenden Einfluss bei der Akquirierung von Posten im Wissenschaftsbetrieb hatten, dafür lassen sich ebenfalls die Vorläufigen Bemerkungen anführen, von denen Semper ein gerade erschienenes

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Während Semper Paradigmen und Paradigmenverwalter gezielt in die Schusslinie rückte, um sich eben mittels seiner an ihnen zum Besten gegeben polemischen Fertigkeiten einen fulminanten Auftritt zu verschaffen, blieb Hittorff in seiner Polychromieschrift von 1830, die der Rekonstruktion des Tempel B in Selinunt, des von ihm so benannten Empedokles-Tempels, gewidmet ist, im Darstellungsstil sachlich und moderat und legte es zumindest auf den ersten Blick nicht auf Bruch mit dem bestehenden Theoriegebäude an. Im Unterschied zu Semper schrieb er als jemand, der seinen Platz innerhalb des Metiers längst gefunden hatte und ausfüllte, also von gesicherter Position. Trotz des nüchternen Auftritts wohnte Hittorffs Farbthese gleichwohl ein Angriff auf geltende Vorstellungen inne. Hittorff wie Semper imaginierten die bisher weiß geglaubte antike Bau- und Bildhauerkunst – ein Grundparameter des ästhetischen Kanons des europäischen Klassizismus – in bunter Vielfarbigkeit.10 Weil Hittorffs Publikation nicht in der lauten Art Sempers um Aufmerksamkeit warb und kein offener verbaler Angriff auf herrschende Autoritäten geführt wurde, meldete sich die Gegenstimme des Altphilologen und späteren Secrétaire perpétuel der Académie des beaux-arts, Desiré Raoul-Rochette, zunächst nur zögerlich.11 Keineswegs sekundär für den Verlauf des Polychromiestreits in Frankreich ist der Befund, dass sich die Kontroverse an den Grenzlinien der Fachdisziplinen vollzog, also der Bauforschung auf der einen Seite und der Altphilologie auf der ande-

Exemplar seiner Bewerbung auf den Lehrstuhl für Architektur an der Akademie der bildenden Künste zu Dresden, auf den er folgend berufen wurde, beifügte. Manfred Kobuch, der die genauen Umstände der Berufung aus den Akten der sächsischen Behörden rekonstruiert hat, befand: „Nach dem Ergebnis zu urteilen, verfehlte die noch rechtzeitig eingetroffene Schrift ihre positive Wirkung auf die am 17. Mai gefällte Entscheidung zugunsten Sempers nicht“. Ders.: Gottfried Sempers Berufung nach Dresden. In: Gottfried Semper 1803–1879. Sein Wirken als Architekt, Theoretiker und revolutionärer Demokrat und die schöpferische Aneignung seines progressiven Erbes. Dresden 1979. S. 97–115; Zitat: S. 102. Freilich ist darüber nicht zu vergessen, dass ein ganzes Bündel von weiteren Gründen für Sempers Ernennung eine Rolle spielten: Neben seiner Frühschrift entscheidend auch seine Studienreisen durch Italien und Griechenland sowie seine Lehrzeit bei Franz Christian Gau als „einem der gerühmtesten Architecten der neuern Zeit“, wie es in demselben Aktenverkehr heißt; Zitat: ebd. S. 101. 10 Zur Ablösung von der klassizistischen Chromophobie ab 1800 vgl. Sabine Schneider: Reiz, Schminke, Leben. Farbdebatten im Weimarer Klassizismus. In: Die Farben der Klassik. Wissenschaft – Ästhetik – Literatur. Hrsg. von Martin Dönike, Jutta Müller-Tamm u. Friedrich Steinle. Göttingen 2016. S. 43–71. 11 In ihren wichtigsten Stationen ist die Konfrontation zwischen beiden Kontrahenten bereits nachgezeichnet worden von Hammer 1968, S. 101–115. Zu Leben und Person von Raoul-Rochette vgl. Paulin Paris: Désiré-Raoul Rochette. In: Biographie universelle (Michaud) ancienne et moderne, ou histoire, par ordre alphabétique, de la vie publique et privée de tous les hommes qui se sont fait remarquer par leurs écrits, leur actions, leurs talents, leurs vertus ou leurs crimes. Paris-Leipzig o. D. [ca. 1861]. Bd. 36. S. 246–258. Ferner Adeline Grand-Clément: Raoul-Rochette, Hittorff et Ingres. À chacun sa peinture grecque? In: Inventer la peinture grecque antique. Hrsg. von Sandrine Alexandre, Nora Philippe u. Charlotte Ribeyrol. Lyon 2011. S. 149–162.

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ren. Während die Bauforschung auf die Autopsie der erhaltenen Ruinen setzte, suchte die Philologie die verlorene Antike aus den Texten zu rekonstruieren. Der jeweilige methodische Effizienznachweis bestimmte alsbald den Charakter des Ringens um die disziplinäre Vorherrschaft auf dem Feld des klassischen Altertums. Hittorff befand gegen Ende des Polychromiestreits mit abwertendem Gestus, dass „les connaissances philologiques … ne suffisent pas pour lever le voile que les siècles ont étendu sur l’antiquité“.12 Und dennoch macht eine Detailanalyse des Streits zwischen Hittorff und Raoul-Rochette deutlich, dass sich die disziplinären Gegensätze auch immer wieder aufhoben und das Bild eines bloßen Antagonismus der Fächer für die Kennzeichnung des Streits unzureichend ist. Die Austragung des Konflikts prägte vielmehr eine eigentümliche Resymmetrisierung. Nach einer ersten Konfrontation zwischen Raoul-Rochette und Hittorff zog der Altphilologe einen Bauarchäologen, den Sizilianer Duca di Serradifalco, auf den Kampfplatz, damit er für seine Sache Partei ergreife. Hittorff tat ein Gleiches, als er sich des Flankenschutzes eines Altphilologen, des befreundeten Antoine-Jean Letronne, versicherte, der in zwei ausführlichen Abhandlungen 1835 und 1837 für Hittorff und gegen Raoul-Rochette Stellung bezog.13 Letronne selbst hatte wiederum zwei deutsche Altertumskundler, den Gothaer Bibliothekar Friedrich Jakobs und den Berliner Philologen August Boeckh, in die Diskussion eingeschaltet.14 Spätestens zu diesem Zeitpunkt erhielt die Ausweitung des Federkrieges eine eigene europäische Dynamik und Verstrickung. Hittorff wird Raoul-Rochette vorwerfen, seine höchst angesehene institutionelle Position als Secrétaire perpétuel der Académie des beaux-arts und seine publizistische Machtstellung zu seinem Vorteil ausgenutzt und mehr noch seine wissenschaftliche Autorität auf Äußerlichkeiten, sprich Prestige, gegründet zu haben – was letztlich der Unterstellung einer Autoritätsanmaßung gleichkam. Hittorffs Behauptung, die Zerschlagung von Raoul-Rochettes Prestige gleichsam aus unterlegener Position betrieben zu haben, ist angesichts seiner eigenen Reputation und der eigenen publizistischen Möglichkeiten euphemistisch („Il y a, dis-je, dans tout cela quelque chose qui donne à ses écrits [jene Raoul-Rochettes] et à ses paroles tant d’apparente valeur, que ceux qui n’ont pas les mêmes avantages sont bien forcés de détruire ce prestige“).15 In Wahrheit lag in der Konfliktaustragung zwischen Hittorff und Raoul-Rochette eine nach Ressourcen und Mitteln weitgehend symmetrische Konstellation vor.

12 Jakob Ignaz Hittorff: Restitution du Temple d’Empédocle à Sélinonte, ou l’architecture polychrôme chez les Grecs. Paris 1851. S. XII. 13 Antoine-Jean Letronne: Lettres d’un antiquaire a un artiste sur l’emploi de la peinture historique murale dans la décoration des temples et des autres édifices publics ou particuliers chez les Grecs et les Romains. Paris 1835 und Ders.: Appendice aux Lettres d’un antiquaire a un artiste. Paris 1837. Als Gegengabe widmete Hittorff Letronne seine Restitution du Temple d’Empédocle von 1851. 14 Zu diesen Zusammenhängen vgl. Hammer 1968, S. 121. 15 Hittorff 1851, S. XI.

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Der Polychromiestreit zeigt sich analog zu anderen Wissenschaftskontroversen als eine undurchdringliche Gemengelage aus ideologischen Überzeugungen, disziplinären Gegensätzen, persönlichem Autoritätsstreben und nicht zuletzt Gelehrteneitelkeit.16 Es lässt sich als ein zentrales Phänomen beobachten, dass im Verlauf des Polychromiestreits die Klärung der inhaltlichen Fragen, um deretwillen der Disput begonnen wurde, zunehmend marginalen Charakter annahm. Stattdessen gewann die Durchsetzung der eigenen Position die Oberhand. Nicht umsonst hat Charles Beulé in der Grabrede auf Hittorff dessen Ruhm zentral dem Sieg im Polychromiestreit zugeschrieben. Hittorffs 1851 erschienene Restitution du Temple d’Empédocle à Sélinonte, ou l’architecture polychrôme chez les grecs, welche die Thesen von 1830 noch einmal auf 800 Seiten insistent verteidigte, sei „le trophée élevé sur le champ de bataille“ gewesen.17 Die Aussage vergegenwärtigt, wieviel in dieser Auseinandersetzung von Sieg oder Niederlage abhing. Ein Jahr nach Erscheinen von Hittorffs Monumentalwerk legte in der öffentlichen Sitzung der Académie des beaux-arts am 12. Juni 1852 unter dem Vorsitz von Raoul-Rochette die Architektursektion einen Bericht über die in der Restitution du Temple d’Empédocle vorgenommene Rekonstruktion des antiken Farbsystems vor. Abgesehen von einigen Details stieß Hittorffs Polychromiethese auf die volle Zustimmung der Gutachterkommission.18 Zwei Jahre später erfolgte Hittorffs Kooptation in die Akademie und mithin in die Spitze von Frankreichs Gelehrtenelite. Hittorffs Sieg vor der Akademie war zugleich Raoul-Rochettes dunkelste Stunde. Der erlittene Gesichtsverlust spiegelt sich in Raoul-Rochettes testamentarischer Verfügung, dass ihm am Grabe keine Trauerrede gehalten werde, um die schmähliche Niederlage nicht wieder in Erinnerung zu rufen.19 Die negativen emotionalen Energien, welche die Kontroverse aufmischten, deuten an, dass es den Akteuren um lebensgeschichtlich Entscheidendes ging. Das bestätigen nicht zuletzt Alexander von Humboldts Worte über Franz Theodor Kugler, der gegen Hittorffs Thesen in der Polychromiefrage vehemente Einwände formuliert hatte: „[Er] plagt mich ununterbro-

16 Vgl. nur den Lamprecht-Streit, als der zentralen Historikerkontroverse um 1900; Lutz Raphael: Historikerkontroversen im Spannungsfeld zwischen Berufshabitus, Fächerkonkurrenz und sozialen Deutungsmustern. Lamprecht-Streit und französischer Methodenstreit der Jahrhundertwende in vergleichender Perspektive. In: Historische Zeitschrift 251 (1990). S. 325–363. 17 Beulé 1868; zitiert nach Hoffrath/Kiene 2020, S. 118. 18 Als Autoren haben folgende Akademiearchitekten gezeichnet: Pierre-François-Léonard Fontaine, Hippolyte Le Bas, Achille-François Leclère, Jean-Jacques-Marie Huvé, Augustin-Nicolas Caristie, Jean-Baptiste-Cicéron Lesueur, Pierre-Martin Gauthier und Abel Blouet; der Bericht findet sich in: Paris, AABA, Procès-Verbaux, 1.1.1851–31.12.1855, S. 125–131; publiziert jetzt in Isabelle Chave: Procès-Verbaux de l’Académie des Beaux-Arts. Bd. 9: 1850–1854. Paris 2015. S. 272–276. 19 „J’ordonne expressément qu’il ne soit prononcé aucun discours à mes funérailles. … Je ne veux sur ma tombe que les prières de l’Église et les regrets de l’amitié“; zitiert nach: Catalogue des livres composant la bibliothèque artistique, archéologique, historique et littéraire de feu M. Raoul Rochette. Paris 1855. S. VII.

Von der Entdeckung der Polychromie zur Kontroverse



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chen mit seinem Haß gegen Hittorff“.20 Auch Hittorff selbst verschweigt die bitteren Seiten der langen Kontroverse nicht. So will er an der Rekonstruktion des Farbsystems antiker Architektur „avec charme, mais souvent avec amertume“ gearbeitet haben.21 Der Polychromiestreit lässt sich wie die meisten öffentlich geführten Wissenschaftskontroversen, trotz oder gerade wegen aller Bekenntnisse der Beteiligten im „intérêt de la vérité“ aufzutreten,22 weniger als Wettstreit um Wahrheit als vielmehr um deren Anspruch beschreiben.23 Jedenfalls lassen sich Hittorffs und Raoul-Rochettes Publikationen heute kaum noch als Grundlagenstudien oder verlässliche Materialsammlungen bezeichnen. Allenfalls sind sie noch von wissenschafts- und ästhetikgeschichtlichem Interesse.24 Bevor der Disput zwischen Hittorff und Raoul-Rochette auf seine Paradigmen hin betrachtet wird, gilt es seine Vorgeschichte nachzuzeichnen, d. h. das Ende des ästhetischen Dogmas der ‚weißen Antike‘ durch die neue archäologische Faktenlage.

Von der Entdeckung der Polychromie zur Kontroverse Es waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zuerst englische Reisende und Architekten, die sich über Farbspuren an griechischen Tempelruinen wunderten. Verwundert zeigten sie sich deshalb, weil der empirische Befund nicht mit dem normativen Hellasbild übereinging. Dass der Griechenkult eine gesamteuropäische Bewegung war, die etwas ebenso allgemein Verbindendes und für eine ganze Epo20 Brief von A. von Humboldt an Ignaz von Olfters aus dem Jahre 1857, zitiert nach Hammer 1968, S. 125, Anm. 83. 21 Hittorff 1851, S. XX. 22 Hittorff 1851, S. XI. 23 Bezüglich des vorgeblichen Kampfes um ‚Wahrheit‘ in den Diskursarenen der Wissenschaft vgl. Thomas Steinfeld: Der grobe Ton. Kleine Logik des gelehrten Anstands. Frankfurt/M. 1991. S. 19–25. 24 Zum Quellenwert des publizierten ‚Dokumentationsmaterials‘ aus dem 19. Jahrhundert für die Archäologieforschung vgl. Herbert Koch: Studien zum Theseustempel in Athen. Berlin 1955. S. 82 ff. (zum Theseus-Tempel in Athen) und Hansgeorg Bankel: Farbmodelle des spätarchaischen AphaiaTempels in Ägina. In: Bunte Götter. Die Farbigkeit antiker Skulptur. Ausstellungskat. München-Rom 2004. S. 70–83 (zum Aphaia-Tempel in Aigina). Ferner die insgesamt negative Beurteilung von Robert Koldewey u. Otto Puchstein: Die griechischen Tempel in Unteritalien und Sicilien. Berlin 1899. S. 77: „Im Winter 1824/25 hatte dann Hittorff … die Ruinen aufgenommen und studiert, aber doch die Tempel in manchen wichtigen Einzelheiten nicht so dargestellt, wie sie sind, sondern wie sie nach seiner Auffassung hätten sein sollen“. Eine Relativierung dieser Konstatation nimmt vor Clemente Marconi: Sicile ancienne. An Appraisal. In: Sicile Ancienne. Hittorff and the Architecture of Classical Sicily. Hrsg. von Michael Kiene, Lorenzo Lazzarini u. Dems. Köln 2016. S. 16–18, der zwischen Hittorffs gezeichneten Bauaufnahmen vor Ort und den für die Veröffentlichung bestimmten Rekonstruktionen, also zwischen archäologischer Faktualität und publizistischer Fiktionalität, unterscheidet.

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che Verbindliches war, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass sich in der Folge der Polychromieentdeckung neben englischen auch französische, deutsche und spanische Architekten, Gelehrte, Antiquare und Philologen hinsichtlich der Konsequenzen für das griechische Antikebild ausgiebig Gedanken machten.25 Die archäologische Erforschung Griechenlands und der Magna Graecia leitete letztlich die Infragestellung und Auflösung des ästhetischen Griechenideals der WinckelmannGeneration ein. Wo das bisherige Griechenbild unter dem Druck der neuen Erfahrungen zerbrach, galt es, das Wissen in ein neu geordnetes Ganzes zu integrieren, was in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts allerdings nicht mehr gelingen sollte. Die Geschichte der frühen Polychromieforschung ist mithin eine Geschichte der Irritation.26 Im Vergleich zur lebhaft geführten Debatte seit 1830 vollzog sich die Entdeckung der Polychromie an antiker Architektur knapp 70 Jahre zuvor ganz geräuschlos.27 Sie blieb paradoxerweise deshalb zunächst unberücksichtigt, weil sie an einem prominenten Ort publiziert wurde, nämlich in James Stuarts und Nicholas Revetts ersten Band des epochemachenden Werks The Antiquities of Athens, erschienen London 1762.28 Die beiden Architekten hatten in der Vorhalle des ionischen Tempels am Ilissos, des Demeter- und Kore-Tempels nahe Athen, an der obersten Faszie des Architravs ein gemaltes Lotus-Palmetten-Band entdeckt und sie in Tafel VIII unter den zahlreichen Architekturdetails der Vorhalle wiedergegeben. Allein diese untergeordnete Reproduktion des Ornaments innerhalb der Kupfertafel verrät das nur flüchtige Interesse an dem durchaus ungewöhnlichen Befund. Auch im Textteil wird der Entdeckung keine sonderliche Bedeutung beigemessen. Lapidar wird vermerkt: „The Form of the ancient Ornament which is painted on the upper Fascia of the Architrave

25 Zu dem für die europäische Geistesgeschichte zwischen 1750 und 1850 determinierenden Griechenideal vgl. Suzanne L. Marchand: Archeology and Philhellenism in Germany, 1750–1970. New Jersey 1996. S. 3–35 und Salvatore Settis: Futuro del ‚classico‘. Turin 2004. S. 45–50 u. 121 f. (mit jeweils weiterführender Bibliographie). Zum vernachlässigten Polychromiediskurs der spanischen Gelehrtenwelt: Marina Del Castillo Herrera u. María Ocón Fernández: No podría parecer maravilla el que los arquitectos eruditos volviesen la vista a la arquitectura policrómata. El debate europeo sobre el color en el siglo XIX y la intervención del arquitecto. In: Intercambios culturales entre España y Alemania en el siglo XIX. Arquitectura, Filología, Estética, Ciudad. Hrsg. von Ángel Isac u. Dies. Granada 2009. S. 91–113. 26 Vgl. Robin Middleton: Hittorff’s Polychrome Campaign. In: The Beaux-Arts and the NineteenthCentury French Architecture. Hrsg. von Dems. London 1984. S. 175–195; bes. S. 175–188. 27 Zu der sich in der deutschsprachigen Forschung hartnäckig haltenden Datierung der Entdeckung der Polychromie antiker Architektur in die 1820er Jahre, mit Hittorff und Semper als Protagonisten, vgl. noch jüngst Hassler 2014, S. III. Indes die Datierung ins 18. Jahrhundert schon bei Billot 1982/83. 28 Zu dieser Publikation vgl. Daniela Mondini: Die Antikenpublikation. James Stuart und Nicholas Revett The Antiquities of Athens, 1762–1816. In: Das Buch als Entwurf. Textgattungen in der Geschichte der Architekturtheorie. Ein Handbuch. Hrsg. von Dietrich Erben. Paderborn 2019. S. 210– 235.

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of the Pronaos“.29 Es ist für das späte 18. Jahrhundert durchaus bezeichnend, dass der Befund zwar registriert wurde, aber dessen Tragweite unerkannt blieb. Kein Wort verwendeten Stuart und Revett in dieser einen Zeile auf die vorgefundenen Farben. Noch 32 Jahre später, im dritten Band der Antiquities of Athens war das Interesse an Farbfunden kaum größer. So nahmen die gemalten Dekorationsreste, die man am Theseus-Tempel (heute als Hephaisteion identifiziert) in Athen fand, ebenfalls nur den Status einer Randnotiz ein. Wenn die beiden gemalten Ornamentbänder erwähnt werden, dann vor allem, weil man sich für ihre Form interessierte. Die geringe Beachtung ihrer Farbigkeit mag auch deshalb erstaunen, weil das Theseion in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für die Erforschung der Polychromie eine zentrale Rolle spielen sollte – nicht zuletzt für Semper.30 Am Theseion hatten sich die Farben aufgrund der Umwidmung in eine christliche Kirche während des 5. bis 6. Jahrhunderts gut erhalten.31 Die Funde sind bei Stuart und Revett in einer Tafel wiedergegeben, welche Detailaufnahmen des Gebälks der Westhalle und der Lacunardecke der Peristasis zeigt und die beiden gemalten Ornamentbänder oberhalb des ionischen Frieses festhält.32 Das marginale Interesse, das die beiden Engländer der Polychromie entgegenbrachten, geht aus einer einfachen Tatsache hervor: Wer bei seinen Erkundungen derart gezielt die bisher unbekannte Architektur Griechenlands im Auge hatte, der konnte einem Befund, der ohnehin ein erwartungswidriger war, seine Aufmerksamkeit insofern getrost versagen, als er ihn problemlos unter die Bauzier subsummieren konnte. So lässt sich zugespitzt formulieren: Stuart und Revett haben die Entdeckung der Polychromie um der Entdeckung der griechischen Architektur willen unterschlagen.33 Nach den beiläufigen Beobachtungen von Stuart und Revett ruhte die Frage der Vielfarbigkeit bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als vornehmlich englische Reisende und Architekten auf ihren Erkundungen in Griechenland beständig neue Farbspuren beobachteten und notierten. Sie sammelten hier ein Erfahrungswissen, das 29 James Stuart u. Nicholas Revett: The Antiquities of Athens. London 1762. Bd. 1. S. 10. 30 Vgl. Koch 1955, S. 89–93. 31 Vgl. Koch, 1955, S. 37 f. 32 In der Beschreibung der Tafel VIII wird bezeichnenderweise wieder kein Wort über den Farbbefund verloren; nur auf Tafel IX, die weitere Details der Lacunardecke zeigt, steht zu lesen: „The ornaments painted in the soffit of the lacunaria“; Stuart/Revett 1794, Bd. 3, S. 7. Ganz in dieser Perspektive stehen auch die Ergänzungen, die 1830 William Jenkins zu den Ausführungen von Stuart und Revett bezüglich des Theseus-Tempels macht, der zur farbig gefassten Lacunardecke schrieb: „The lacunaria of the Temple of Theseus are of the same marble as the rest of the temple; the beams are laid on a level with the corona of the cornice, and ornaments are painted upon“; William Jenkins: Further Elucidations of Stuart and Revett’s Antiquities of Athens; im Supplementband der Antiquities of Athens von Stuart und Revett. 1830. S. 3. 33 Anders Middleton 1994, S. 78, welcher der ‚Entdeckung‘ der beiden Engländer eine Initialrolle für den Wandel des Antikenbildes beimisst, wenn er über den Sachverhalt verkürzend schreibt: „Die ersten Untersuchungen der griechischen Tempel erbrachten freilich auch die ersten Hinweise, daß man sich ein ganz anderes Bild zu machen hatte“.

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in Abhandlungen zunehmend Raum beanspruchte und dies umso mehr, je deutlicher sich der Universalitätsanspruch der neuen Entdeckung bezeugte und die bisherige Vorstellung von weißen griechischen Tempeln und Skulpturen in Frage stellte. Die zahlreichen Einzelbeobachtungen verdichteten sich nach und nach zu der Gewissheit, dass sämtliche Bau- und Kunstdenkmäler der Griechen vielfarbig gefasst gewesen waren. Aufschlussreich hinsichtlich der hierbei erfahrenen Irritation ist eine Äußerung von Edward Dodwell, der die archäologischen Landschaften Griechenlands zwischen 1801 und 1806 mehrmals bereist hatte und seine Beobachtungen und Ergebnisse in einem lesenswerten zweibändigen Kompendium 1819 in London publizierte: „It is difficult to reconcile to our minds the idea of polychrome temples and statues; but it is certain that the practice was familiar to the Greeks in the earliest times, and even in the age of Pericles. No doubt all the Grecian temples were ornamented in the same manner, and the painting was certainly coeval with the buildings themselves, as it is always executed with the highest finish and the greatest elegance, corresponding with the sculptured parts“.34 Denselben erstaunlichen, nun nicht mehr abzustreitenden Tatbestand äußerte im gleichen Jahr in London Charles Robert Cockerell, der von den entdeckten Farbresten an den Giebelfiguren des Aphaiatempels von Aigina (die nach Ergänzungen durch Berthel Thorvaldsen 1818 in die Glyptothek nach München gelangt waren) sagte: „A custom which appears so extraordinary to us“.35 So sehr die Berichte der Griechenlandreisenden den Zeitgenossen als unmittelbar aus der Anschauung gewonnene und damit authentische Erfahrungen galten, so wenig erlaubten die insgesamt vereinzelten und summarischen Bemerkungen über die Verwendung von Farben an griechischer Architektur und Skulptur, ein neues geschlossenes Bild zu liefern. Denn die ersten Augenzeugen räumten gegenüber den späteren Forschern noch offen ein, dass die Befundlage insgesamt doch recht dürftig war. Man vergegenwärtige sich den Umstand, dass Dodwell beim Anblick des Parthenon notierte, die Farben seien so weit „vanished away“, dass letztlich kein sicherer Befund gegeben sei.36 In Dodwells wenigen Worten konzentriert sich die wesentliche Problematik der Polychromieforschung jener Jahre: „The colours are so much faded, that they cannot be distinguished without near inspection“.37 Ohne eine ge-

34 Edward Dodwell: A Classical and Topographical Tour through Greece, during the Years 1801, 1805, and 1806. London 1819. Bd. 1. S. 342 f. 35 Charles Robert Cockerell: On the Aegina Marbles. In: The Journal of Science and the Arts 6 (1819). S. 327–341; Zitat: S. 341. Die Entdeckungsgeschichte der Polychromie in Deutschland, die hier nicht ausführlich darzulegen ist, hängt eng mit den in der Münchener Glyptothek im frühen 19. Jahrhundert aufgestellten Aigeniten zusammen; vgl. hierzu Bankel 2004 und Vinzenz Brinkmann: Der Prinz und die Göttin. Die wiederentdeckte Farbigkeit der Giebelskulpturen des Aphaia-Tempels. In: Bunte Götter. Die Farbigkeit antiker Skulptur. Ausstellungskat. München-Rom 2004. S. 85–107. 36 Dodwell 1819, Bd. 1, S. 332. 37 Dodwell 1819, Bd. 1, S. 321.

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naue Autopsie seien die Farben nicht zu erkennen. Vor allem bedurfte es kostspieliger Baugerüste, waren die Farbreste doch zumeist „not … visible from below“.38 In diesen durchaus nur beiläufig formulierten Sätzen spitzt sich das Verhältnis der Forschungspraxis zum Ideal der Empirie als Problem zu. Es bestand trotz der vielen Beobachtungen wenig Gewissheit hinsichtlich der Faktenlage.39 Es wurde in neuerer Zeit von Marie-Françoise Billot aufgezeigt, dass nicht alle Angaben Dodwells hinsichtlich von Farbspuren an griechischen Tempelruinen tatsächlich das Resultat eigener Autopsie waren.40 Vielmehr ist nachweisbar, dass er Kenntnisse und Überlegungen dem in Athen residierenden französischen Konsul und dilettierenden Archäologen Louis-François-Sebastien Fauvel (1753–1838) verdankte, ohne dies allerdings ausdrücklich zu vermerken.41 Sich ohne Verweis des Gedankenguts Dritter zu bedienen, entsprach dem Usus der Zeit, zumal wenn es sich wie bei Fauvel um einen randständigen Autor handelte, der die Erkenntnisse seines mehrere Jahrzehnte währenden Griechenlandaufenthaltes bis auf wenige Briefberichte im Magasin enciclopédique einer Veröffentlichung ohnehin nicht für wert befand.42 Das Trügerische an dem Bild eines durch vorgebliche Autopsie gewonnenen Sachverhaltes offenbart sich dann vollends, wenn deutlich wird, dass Autoren wie Zeichner in ihren Darlegungen zwischen Autopsie und Rekonstruktion keineswegs scharfe Trennlinien zogen. Ein instruktives Beispiel geben die frühen Untersuchungen und Rekonstruktionen der Vielfarbigkeit am Theseus-Tempel auf der Agora in Athen, einem Peripteros, begonnen 450 v. Chr., der heute als der „besterhaltene Tempel Griechenlands“ gilt.43 Dodwell notierte, dass er am Skulpturenfries der Westhalle Reste von Goldund Bronzefarbe gesehen habe, die die Rüstungen und Waffen der Figuren überzogen. Die Beobachtung hatte schon Fauvel gemacht, der am Theseus-Tempel ein Arbeitsgerüst hatte aufstellen lassen, um von dem Skulpturenfries des Pronaos Gips-

38 Dodwell 1819, Bd.1, S. 321 u. 332. 39 Symptomatisch ist, dass etwa am Aphaia-Tempel von Aigina nach den voneinander abweichenden Rekonstruktionsversuchen von Klenze (1828), Abel Blouet (1838), Charles Robert Cockerell (ca. 1830/1860) und Charles Garnier (1853/1884) erst mit den Funden und Analysen von Ernst Fiechter 1906 eine heute noch in ihren Grundzügen akzeptierte Rekonstruktion vorgelegt wurde; vgl. Bankel 2004. 40 Billot 1982/83, S. 68 f. 41 Fauvel war in Athen um 1800 gleichsam das organisierende Zentrum aller archäologischen Unternehmungen der Franzosen auf griechischem Boden; vgl. zu Fauvel zusammenfassend Ève GranAymerich: Dictionnaire biographique d’archéologie, 1798–1945. Paris 2001. S. 257 f. 42 Zum erhaltenen Zeichenmaterial Fauvels vgl. Luciano Beschi: Nuovi disegni di L. S. Fauvel nella collezione di Thomas Hope. In: Geografia storica della Grecia antica. Hrsg. von Francesco Prontera. Rom-Bari 1991. S. 24–45. 43 Gottfried Gruben: Die Tempel der Griechen. Darmstadt 1986. S. 206.

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formen abzunehmen.44 Fauvel notierte diese Beobachtungen 1802. Sie wurden 1892 durch seinen Biographen Legrand veröffentlicht: J’ai remarqué des vêtements pourpres, des pileus ou chapeaux peints en vert; le fond de ces bas-reliefs était azur, ce qui ne paraîtrait pas croyable si l’on n’en avait des exemples plus anciens par les bas-reliefs qui ornent les tombeaux égyptiens et même leurs figures de ronde bosse. Les hommes et les cheveaux de ceux d’Athènes avaient des ornements de rapport que je crois avoir été de bronze; sur toutes les moulures des deux temples dont je parle, les feuilles d’eau, oves, méandres, tout était peint. 45

In diesen Aufzeichnungen dokumentiert sich ein Irrtum, den Dodwell übernimmt und damit seine Kenntnis von Fauvels Recherchen offenbart. So bezog Fauvel eine Pausanias-Stelle, die auf den Gemäldezyklus des Mikon von Athen im Cellainneren des Theseion rekurrierte, ‚fälschlich‘ auf die Skulpturenfriese: Aussi ne suis-je plus surpris que Pausanias décrive comme tableau ce qui était bas-relief; par exemple, sa description du combat de Thésée avec les Centaures, où ce héros, dit-il, tue de sa main un Centaure, tandis que les autres paraissent combattre à forces égales, convient absolument au bas-relief qui existe encore et dont on peut voir une partie par les plâtres que j’ai moulés et qui sont à la Salle des antiques.46

44 Der schwedische Orientalist und Diplomat Johan David Åkerblad berichtete 1821 in einem Beitrag im Mitteilungsorgan der Accademia d’archeologia zu Rom davon und nahm bei dieser Gelegenheit wahr, dass der Relieffries ursprünglich farbig gefaßt gewesen sei. Bei Åkerblads Beitrag von 1821, der den Fund von beschrifteten Bronzeplaketten in der Nähe Athens zum Gegenstand hatte, handelte es sich um einen Vortrag, den der Schwede am 18. Juni 1811 vor den Accademici romani auf dem Kapitol gehalten hatte. Eine abweichende Fassung hatte Åkerblad bereits 1813 als selbständige Schrift in Rom in den Druck gegeben. Dort steht von dieser Entdeckung allerdings noch nichts zu lesen, weil er seine Beobachtungen erst auf seiner zweiten Griechenlandreise gemacht hatte. Dies ist für die Geschichte der Polychromieforschung deshalb von Interesse, weil die Beobachtungen zur Farbigkeit des Relieffrieses am Theseion mit seinem Thema, den beschrifteten Bronzeplaketten, der deshalb ein epigraphischer Beitrag war, im Grunde wenig zu tun hatte. Wenn diese Beobachtungen Åkerblad zu einer Digression in seinem Text einluden, dann zeigt dies an, welchen Stellenwert den Polychromiefunden mittlerweile eingeräumt wurde. 45 Philippe-Ernest Legrand: Biographie de Louis-François-Sébastien Fauvel, antiquaire et consul (1753–1838). In: Revue archéologique 30 (1897). S. 41–66, 185–201, 385–404; 31 (1897) [sic]. S. 94–103 u. 183–223; Zitat: S. 401. 46 Legrand 1897, S. 401. – William Leake publizierte 1821 in seiner Topography of Athens, die acht Jahre später in Halle auf deutsch erschien, Beobachtungen zu Farbspuren am Theseion, die sich wie eine Kontamination aus Stuart, Fauvel und Dodwell lesen: „Vestiges of bronze and golden-coloured arms, of a blue sky, and of a blue, green and red drapery, are still very apparent. A painted foliage and maeander is seen on the interior cornice of the peristyle, and a painted star in the lacunaria“; William Leake: The Topography of Athens with some Remarks on its Antiquities. London 1821. S. 399. Die deutsche Fassung von 1829 ist im übrigen ein schönes Beispiel dafür, wie fehlerhafte Übersetzungen einen Text völlig entstellen können; so für „maeander“ = sich schlängelnder Bach, „star“ = Treppe, „drapery“ = Gewänder.

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Dass die Kontamination älterer Beobachtungen, antiker Textstellen und eigener Konjekturen in der Archäologie zum Usus gehörte, offenbart die circa zehn Jahre später von Gottfried Semper versuchte Farbrekonstruktion des Theseion in Athen.47 Sempers Rekonstruktionsversuch war dem Opisthodom, der Rückhalle des Tempels gewidmet, die hier im Westen an der von der Agora abgewandten Seite liegt. Semper gab eine blaue Rückwand mit einer grau abschließenden Frieszone wieder, die aufgemalte Bronzeschilder mit überkreuzten Speeren und Draperien zeigt. Dieser Befund ist weder von irgendeinem Reisenden notiert noch in literarischen Quellen zu finden.48 Er muss als Erfindung Sempers angesehen werden. Dagegen entspricht der Skulpturenfries des Opisthodoms, der eine Kentaurenschlacht zeigt und von Ante zu Ante reicht, der archäologischen Faktenlage, anders wiederum als die Götterreliefs, die die Ostvorhalle in Frieshöhe an drei Seiten umziehen, die als Sockelzone des Gitterwerks erscheinen. Offensichtlich hat Semper die von Dodwell überlieferten Löcher in den Säulenschäften als Anbringung einer Gitterverankerung interpretiert. Vor den Horizont der Zeit gestellt, entspricht Sempers Rekonstruktionsverfahren der französischen akademischen Praxis, die unter den Begriff der restauration fällt. Semper hatte sie während seiner Ausbildung bei Franz Christian Gau in Paris kennengelernt.49

Im Namen der Wissenschaft. Das Ringen um die Deutungshoheit Hittorffs Rekonstruktion des Farbsystems antiker Architektur Während der Herausgabe seiner Architecture moderne und Architecture antique de la Sicile brachte Hittorff Ende 1829 ein drittes Buchprojekt auf den Weg, das sich der Rekonstruktion des Empedokles-Tempels (Tempel B) in Selinunt widmen sollte. Das Projekt war als eine Auskoppelung der laufenden Publikation der Architecture antique gedacht, um der Polychromie antiker Architektur eine gesonderte Aufmerksamkeit zu verleihen. Von dem Vorhaben berichtete Hittorff dem Freund und Herausgeber des Kunstblattes, Ludwig von Schorn in Stuttgart: 47 Zu der nach wenigen Probedrucken eingestellten Publikation Sempers, für die das hier besprochene kolorierte Blatt verwendet werden sollte, vgl. Hans Semper: Gottfried Semper. Ein Bild seines Lebens und Wirkens mit Benutzung der Familienpapiere. Berlin 1880. S. 9 und Harry Francis Mallgrave: Gottfried Semper. Ein Architekt des 19. Jahrhunderts. Zürich 2001. S. 59–64. Zu Architektur und Figurenschmuck des Theseion ausführlich Koch 1955. 48 Eine Abbildung der Farbtafel in Pisani 2003 (b), S. 110. 49 Nicht unwesentlich für die Beurteilung von Sempers Blatt ist, dass sie für seine ursprünglich geplante Tafelpublikation in Frankreich bestimmt war. Zu Sempers ursprünglicher Absicht, das Werk über die Polychromie in einer Reihe der von Abel Blouet herausgegebenen Expédition scientifique de Morée, die in drei Bänden zwischen 1831 und 1838 erschien, unterzubringen, vgl. Mallgrave 2001, S. 60 und insbesondere den Brief Gaus an Semper, Paris, 18.2.1833; Zürich, gta-Archiv, 20–K–1833–02–18.

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Zwischen diesen Beschäftigungen habe ich auch noch ein drittes Opus in den Gang gebracht, welches ich nächstens herauszugeben gedenke. Der Titel davon ist „De l’architecture polychrome chez les Grecs, ou restitution complète d’un temple de la Sicile, reproduite avec l’application des couleurs sur tout l’édifice, et accompagnée de considérations sur la coïncidence de ce système de décoration avec la peinture historique et la sculpture coloriés, employée simultanément aux plus complèts monuments et architectures de la Grèce et des ses colonies“. Die Zeichnungen zu diesem Werke welche aus sieben Blätter groß folio bestehen, enthalten auf fünf derselben den Plan, die Aufrisse der Haupt u Seitenfassade u die Durchschnitte nach der Länge u der Breite des dorisch ionischen Tempels zu Selinunt in der Form eines vier säuligen Prostylos (siehe Platte 16 u 17 der Architecture antique de la Sicile) alle in einem großen Maßstabe mit sämtlichen Verzierungen u Farben ausgemalt u mit den bildlichen Darstellungen, den kolorierten Statuen der Gottheit u den Weihgeschenken verziert u bereichert, dann auf zwei Blättern die hundert zusammengestellten Fragmente aus Sizilien Groß Griechenland u Griechenland, welche als faktische Beweise der Wiederherstellung u Belege der aufgestellten Ansichten beigefügt sind.50

Dieser Plan ging dann in seiner 1851 herausgegebenen Restitution du Temple d’Empédocles in Monumenalformat auf, d. h. mit einem 800-seitigen Textband und dazugehörigem Bildatlas mit durchgehend farbigen Lithographien. Zunächst erschien, wie bereits erwähnt, 1830 eine Vorabpublikation ohne Illustrationen in den Annali dell’Instituto di corrispondenza archeologica.51 Begleitet wurde die publizistische ‚Vorab‘-Offensive von einer ebenso schillernden Vortrags- und Ausstellungsaktivität. Im April 1830 stellte Hittorff seine Polychromie-Studien den Mitgliedern der Académie des inscriptions et belles-lettres sowie jener der beaux-arts in Form eines mit Schaubildern illustrierten Vortrages vor. Die Schaublätter wiederum wurden ein Jahr später im Pariser Salon gezeigt, wo sie mit einer Medaille ausgezeichnet wurden.52 In dem Maße, wie die Präsentation der Ergebnisse auf die Sichtbarmachung von Forschung und Forscher zielte, erhielten die Resultate komplementär ein auffallend neues und anspruchsvolles Forschungsdesign. Zunächst ist der mediale Wechsel von der Visualität zur Diskursivität auffallend. Ist die Bildlichkeit genuin ein Medium der Affirmation, untersteht Textualität den Strukturen der diskursiven Logik.53 Die graphischen Rekonstruktionen des Tempel B teilen im Hinblick auf Induktion und Kausalität wenig und in Bezug auf die theoretischen Grundannahmen, die angesetzt werden, gar nichts mit (Abb. 15). Hittorffs Ausgangsthese erschließt sich nur aus der Lektüre seines 1830 publizierten Zeitschriftenartikels: So gehorche die Kunst 50 Brief von Hittorff an Schorn, 31.1.1830; Weimar, GSA, 85/14,7. Das Schreiben erwähnt bei Hammer 1968, S. 108, ohne Angabe des publizistischen Kontextes. 51 Jakob Ignaz Hittorff: De l’architecture polychrôme chez les Grecs, ou restitution complète du temple d’Empédocles, dans l’acropolis de Sélinunte. In: Annali dell’Instituto di corrispondenza archeologica 2 (1830). S. 263–284. 52 Pierre Sanchez u. Xavier Seydoux: Les catalogues des Salons. Paris 1999–2000. Bd. 2. S. 265, Nr. 2539. 53 Vgl. Dieter Mersch: Visuelle Argumente. Zur Rolle der Bilder in den Naturwissenschaften. In: Bilder als Diskurse – Bilddiskurse. Hrsg. von Sabine Maasen, Torsten Mayerhauser u. Cornelia Renggli. Weilerswist 2006. S. 95–116.

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Abb. 15: Schaftrest, ionisches Kapitel und farbige Rekonstruktion des dorischen Gebälks des sogenannten Empedokles-Tempels in Selinunt. Aus: Jakob Ignaz Hittorff u. Karl Ludwig von Zanth: Architecture antique de la Sicile. Paris 1827. Tafel XVII

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der Griechen einer universell gültigen Grammatik, die es erlaube, die Vielfarbigkeit der Architektur aus letztlich jedem beliebig erhaltenen Zeugnis der Antike zu rekonstruieren. Weil alle Denkmäler nach ein und demselben Regelwerk entworfen seien, spiegele sich noch im Kleinen das Große und in den Fragmenten noch so unterschiedlicher Kunstgattungen und Epochen das antike Farbsystem. Die Einsicht habe er bei der Rekonstruktion des Tempel B in Selinunt gewonnen.54 Ein Augenmerk lag auf den verschütteten Römerstädten am Vesuv, wo Hittorff in den erhaltenen antiken Wandmalereien und gemalten Dekorationssystemen wichtige Anhaltspunkte für die farbige Rekonstruktion seines Tempelinneren sah. ‚Erstaunlich‘ ist Hittorffs Versuch insofern, als er den Leser von der Richtigkeit seines Verfahrens dadurch zu überzeugen sich anschickte – obgleich er Ursache und Wirkung verdrehte, da die Rekonstruktion des Empedokles-Tempels von den Bauruinen am Fuße des Vesuvs hergeleitet wird –, dass er sich nämlich über die Ähnlichkeit seiner Tempelädikula in Selinunt (Abb. 16) mit den aus Pompeji und Herkulaneum bekannten Beispielen erstaunt zeigte: On est surtout frappé de l’air de famille qu’il [der Empedokles-Tempel in Selinunt] présente avec les édifices de Pompeïa et d’Herculanum. Les couleurs appliquées sur toutes les parties de l’architecture, la richesse de la décoration, le goût des ornements, caractères dominants de ces édifices, rappellent le type primitif de l’architecture des Grecs. … Il suffit d’avoir vu les ruines de Pompeïa et d’Herculanum, ou de les avoir étudiées dans les ouvrages, pour trouver à chaque page sur les édifices de ces deux villes une preuve à l’appui de la permanence des formes et du système d’architecture en usage dans les monuments les plus anciens, et pour admettre comme conséquence que ce même principe de similitude à l’extérieur devait exister aussi pour la décoration intérieure.55

Auf derselben Linie von Induktion und Systemdenken liegt, dass Hittorff die Geschichte der Architektur nicht als eine der Brüche und Neuerungen, sondern der Kontinuitäten begriff. Deshalb wird er hier wie bei anderen Gelegenheiten Rudimente des griechischen Architektursystems weit über die Römerzeit hinaus noch in mittelalterlicher und neuzeitlicher Baukunst wiedererkennen, nicht zuletzt auf Sizilien, wo die Dauerpräsenz der Antike eine Tradierung des Farbsystems besonders gefördert haben soll.56 Kernstück der Auseinandersetzung mit Raoul-Rochette wurde Hittorffs These von der in Griechenland allgemeinen Verbreitung der Historienmalerei in der Gattung der Wandmalerei.57 Den Ausgangspunkt der Annahme hätten die jüngsten Ent-

54 „Le but principal de mon travail de la restitution du temple d’Empédocles a été d’établir par la réunion de nombreux faits et de preuves à l’appui, que le système de l’architecture polychrôme a été permanent chez les Grecs“; Hittorff 1830, S. 263. 55 Hittorff 1830, S. 273. 56 Hittorff 1830, S. 275. 57 „L’usage de cette peinture [d’histoire] sur les murs des édifices publics était général dans la Grèce“; Hittorff 1830, S. 278.

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Abb. 16: Rekonstruktion von Architektur, farbiger Fassung und Ausstattung des Tempel B in Selinunt, sog. Empedokles-Tempel. Frontseite. Im Cellainneren die Kultstatue des Empedokles. Aus: Jakob Ignaz Hittorff: Restitution du Temple d’Empédocle à Sélinonte, ou l’architecture polychrôme chez les Grecs. Paris 1851. Tafel II

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deckungen von etruskischer Wandmalerei in Corneto (heute Tarquinia) geboten.58 Hittorff diente die Tomba delle Bighe in Tarquinia als Vorbild für seine Cella-Rekonstruktion des Tempel B in Selinunt. Ablesbar ist dies an der Übernahme des dreiteiligen Dekorationssystems von schmaler Sockelzone, figurenverziertem Hauptregister und abschließender Frieszone (Abb. 17). Die Sujets der Wandbilder seien indes nicht vom Farb- und Dekorationssystem, sondern von der Bestimmung der Bauten abhängig. Beim Tempel B mutmaßte Hittorff angesichts der geringen Dimensionen des Baus, dass hier „quelque mortel divinité“ verehrt worden sei.59 Ohne konsistente Indizien zu haben, vermutete er ein Heroon für den bekanntesten Selinuntiner, den Philosophen Empedokles. Die Identifizierung war für Hittorff schließlich auch insofern unproblematisch, als sie nicht falsifizierbar war („S’il n’y a pas de preuve précisément incontestable pour l’adoption absolue de notre hypothèse, il n’y a rien non plus qui s’oppose“).60 Den Zeitpunkt der Vergöttlichung des Empedokles nach der 83. Olympiade setzte Hittorff als Datum post quem für die Errichtung des Tempel B an. Die Wandmalereien des Tempelchens datierte Hittorff unmittelbar vor die Zeit der beiden berühmten Maler Polygnot von Thasos und Mikon von Athen (tätig im späten 5. Jahrhundert v. Chr.).61 Für die Rekonstruktion der figürlichen Malerei im Tempel B habe er sich deshalb der Vasenmalerei jener Epoche bedient. Konjektural sind auch die rekonstruierten Sujets, die er wie folgt beschreibt: Quant au sujet, j’ai représenté sur une des faces les habitants de Sélinunte figurés par deux femmes et un vieillard sollicitant les secours du philosophe. Sur la face opposée on aurait représenté l’Hypsas et le Sélinus sacrifiant sur l’autel d’Esculape; et en avant de cet autel, Empédocles arrêtant le char du dieu du soleil, dont l’influence malfaisante cessa après la réunion de ces deux fleuves. Sur les parois du mur, à côté de la porte du temple, on voit Esculape et sa fille Hygie. Ainsi seraient exprimés emblématiquement les faits présumés avoir donné lieu à l’érection de l’édifice.62

58 „Où la peinture historique locale est appliquée de la manière la plus monumentale et la plus significative, paraît devoir fixer les idées sur le système général des anciens dans l’emploi de ce genre d’embellissement. En nous rattachant à ce système, et en consultant le peu d’indices que nous avons pu recueillir dans Pausanias, … nous nous sommes cru suffissament autorisé à ne pas étendre nos tableaux jusqu’au couronnement du mur“; Hittorff 1830, S. 279. Zur Entdeckungsgeschichte der etruskischen Wandmalereien in Tarquinia zu Ende der 1820er Jahre vgl. Cornelia Weber-Lehmann: Dokumentation und Dekoration. Die Überlieferung der etruskischen Grabmalerei in Zeichnungen und Kopien. In: Die Etrusker und Europa. Ausstellungskat. Paris-Berlin 1992/1993. Mailand 1993. S. 414–431. 59 Hittorff 1830, S. 281. 60 Hittorff 1830, S. 281. 61 Zu Polygnot und Mikon vgl. Ingeborg Scheibler: Griechische Malerei der Antike. München 1994. S. 58–60 u. ad indicem. 62 Hittorff 1830, S. 282.

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Abb. 17: Rekonstruktion der Wandmalereien des Empedokles-Tempels in Selinunt. Langseite des Cellainneren mit der Darstellung zweier Frauen und einem Alten, den Personifikationen der Einwohnerschaft Selinunts, die sich fürbittend an den vergöttlichten Empedokles wenden. Aus: Jakob Ignaz Hittorff: Restitution du Temple d’Empédocle à Sélinonte, ou l’architecture polychrôme chez les Grecs. Paris 1851. Tafel IV

Komplettiert wurde die Ausstattung des Tempels mit einer lebensgroßen Kultstatue des Empedokles, die als chryselefantines Bildwerk imaginiert wurde und folglich auf den Übervater von Hittorffs Rekonstruktionsverfahren verwies, Quatremère de Quincy, auf den gleich noch zurückzukommen ist.63 Aus heutiger Sicht darf Hittorffs Rekonstruktion des Tempel B in Selinunt als eines der prominentesten Antiken-Phantasmen des 19. Jahrhunderts gelten. Hittorff selbst sah sie indes als faktisch unzweifelhaft an: Denn er habe für die Rekonstruk-

63 In diesem Sinne wird Quatremère de Quincy von Hittorff 1851, S. 5 erwähnt: „Dans les auteurs modernes je ne rencontrai, sur cet important et puissant auxiliaire de la décoration des monuments antiques, que ce qu’ont [sic] écrit M. Quatremère de Quincy dans son ouvrage ‚Le Jupiter Olympien‘.“

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tion des Farbsystems jenen Tempel ausgewählt, „qui offrait le plus de certitude“.64 Hier seien Fakten („des faits“) gegebenen, „qui changent les idées sur cet art chez les Grecs“.65 Wissenschaftshistorisch bemerkenswert ist, dass Hittorff aus den unzusammenhängenden, rudimentären Befunden des Empedokles-Tempels in Selinunt ein gewaltiges Theoriegebäude der Polychromie antiker Architektur errichtete. Was die Farbrekonstituierung zu unternehmen erlaubte, war indes ein Faktenmangel, jene quasi carte blanche, auf der die Farben der Antike wieder oder vielmehr neu in den Augenschein gehoben werden konnten. In diesem Sinne erzählt die Vielfarbigkeit antiker Architektur weniger von einer großen Entdeckungsgeschichte der Archäologie als von deren epistemischen Rekonstruktionsverfahren.

Die Gegenthesen. Desiré Raoul-Rochettes De la peinture sur mur chez les anciens Raoul-Rochettes Abhandlung De la peinture sur mur chez les anciens erschien in drei Teilen 1833 im Journal des Savants und ist ein Grundtext des Polychromiestreites.66 Der zweite und dritte Teil wenden sich offen gegen die von Hittorff bezogenen Positionen und Thesen. Der lange Essay bildete die Grundlage für Raoul-Rochettes drei Jahre später, 1836, mit fast 500 Seiten Umfang erschienene Monographie Peintures antiques inédites précédées de recherche sur l’emploi de la peinture dans la décoration des édifices sacrés et publics chez les Grecs et chez les Romains. Die Ergebnisse erschienen 1840 nochmals unter dem Titel Lettres archéologiques sur la peinture des Grecs. Raoul-Rochette ging nicht anders als Hittorff vor, wenn er seine Forschungsergebnisse vorab in Fachzeitschriften publizierte, um sie anschließend in erweiterter und illustrierter Form als eigenständige Monographie herauszugeben.67 Charakteristisch für diese Publikationspraxis war, dass die Hauptthesen und Einsichten wenig oder gar unverändert in die eigentlich ‚große‘ Publikation eingingen.68 64 Hittorff 1830, S. 284. 65 Hittorff 1830, S. 284. 66 Vgl. Désiré Raoul-Rochette: De la peinture sur mur chez les anciens. In: Journal des Savants (1833). S. 361–371, 429–440 u. 486–491. 67 In dem 1830 in den Annali dell’Instituto di corrispondenza archeologica veröffentlichten Artikel wies Hittorff gleich in der ersten Fußnote darauf hin, dass eine ‚große‘ Publikation zum Thema noch folgen werde: „Ce Mémoire n’étant lui-même qu’un extrait du texte qui formera, avec la reproduction fidèle des dessins coloriés de la Restauration du temple d’Empédocles, un ouvrage dont la publication aura lieu vers la fin de cette année, M. Hittorff n’a pu qu’indiquer ici ce qu’il développera dans l’ensemble de son travail, de même qu’il n’a pu que suppléer très imparfaitement aux dessins dont il s’agit, en renvoyant le lecteur à quelques unes des planches de son ouvrage, de l’architecture antique, et de celui de l’architecture moderne en Sicile“, Hittorff 1830, S. 263. 68 Zur Publikationspraxis gehörten ferner Übersetzungen. So beispielsweise die über zwei Jahrzehnte nach den Erstveröffentlichungen ins Englische übertragenen Beiträge von Hittorff und Semper die frühen Polychromiethesen betreffend; Jakob Ignaz Hittorff: On the Polychromy of Greek Architecture. In: The Museum of Classical Antiquities. Hrsg. von Edward Falkener 1 (1855). S. 20–

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Raoul-Rochettes Polychromie-Studien galten dem Versuch, die Geschichte der Historienmalerei der Griechen und Römer mit Hilfe der Auswertung sämtlicher antiker Autoren nachzuzeichnen. Ausgangspunkt war die Grundthese, die zugleich eine Antithese zu Hittorffs Rekonstruktion des Tempel B in Selinunt war, dass die Griechen keine Wandmalerei kannten, sondern nur „tabulae pictae“, die sie an die Wand befestigten. Als Gewährsmann für diese Behauptung führte Raoul-Rochette Plinius an, aus dessen Werk er zwei Textpassagen zur Historienmalerei referierte und kommentierte. Dabei handelte es sich um Korrekturen der bisherigen Lesarten. So sei hier nicht Wandmalerei gemeint, sondern eben Tafelbilder. An die ausführliche Kommentierung der beiden Passagen schließt sich unmittelbar die Auseinandersetzung mit Hittorffs Rekonstruktion des Tempel B an. Zunächst räumte Raoul-Rochette durchaus ein, dass die bauarchäologische restauration ein „veritable service rendu à la science de l’antiquité“ sei.69 Auch akzeptierte er widerspruchslos die Vielfarbigkeit der Architektur, die in Übereinstimmung mit den bisherigen Beobachtungen an den Tempelresten Siziliens, Großgriechenlands und Griechenlands stehen würde. Dieser Würdigung des Fachkönnens auf dem Gebiet der Bauarchäologie folgte dann die Verwerfung der für das Tempelinnere rekonstruierten Wanddekoration. Sie stünde gänzlich im Widerspruch mit den Zeugnissen der schriftlichen Überlieferung. Raoul-Rochettes gleichzeitige Würdigung und Herabsetzung des Gegners bediente sich der Spielregeln der Verriss-Dialektik.70 Diese kontrastive Dramaturgie diente einerseits dazu, der Auseinandersetzung mehr Bedeutung zu verleihen, und rechtfertigte es andererseits, die Irrtümer des Gegners umso unnachsichtiger abzuurteilen. Zunächst erfolgte die Auseinandersetzung ganz auf dem Terrain der Altphilologie. So machte sich Raoul-Rochette an die Widerlegung von Hittorffs Auslegungen von Plinius. Das von Hittorff angeführte Beispiel der Stoa von Athen besäße, so Raoul-Rochette, Malereien nicht „sur mur“. Hittorff dehne von dieser falschen Interpretation seine Aussage auf alle Baugruppen, so Theater, Propyläen, Paläste, Grabbauten und auch Tempel aus, wo – und hier zitierte er Hittorff – „tout nous fait voir la peinture d’histoire appliquée à la décoration des édifices“.71 Der anschließende böse Nadelstich, wo denn Hittorff all dieses in Griechenland gesehen haben wolle, wenn sich keine Zeugnisse erhalten hätten, sollte die Ausführungen des Architekten

34 und Gottfried Semper: On the Study of Polychromy, and its Revival. In: (wie eben). S. 228–246. Zum Aufleben des Polychromie-Diskurses im London der 1850er Jahre vgl. zusammenfassend Murray Fraser: Gottfried Semper and the Globalizing of London Building World in the 1850s. In: Architectural History and Globalised Knowledge. Gottfried Semper in London. Hrsg. von Michael Gnehm u. Sonja Hildebrand. Mendrisio-Zürich 2021. S. 27–49; bes. S. 41–44. 69 Raoul-Rochette 1833, S. 437. 70 Siehe hierzu Dieter Lamping: Zur Rhetorik des Verrisses. In: Formen und Formgeschichte des Streitens. Der Literaturstreit. Hrsg. von Franz Josef Worstbrock u. Helmut Koopmann. Tübingen 1986. S. 34–40; bes. S. 36. 71 Raoul-Rochette 1833, S. 439.

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der Lächerlichkeit preisgeben. Die rhetorischen Kniffe, die Raoul-Rochettes Text von der ersten bis zur letzten Zeile durchziehen, sprechen von der profunden Determiniertheit, Hittorff nicht zu schonen. Raoul-Rochette führte die Auseinandersetzung gegen Hittorff mit den Waffen des Philologen. Seine schwersten Schläge erfolgten entsprechend auf dem Gebiet der Textkritik. Er führte in Bezug auf eine zentrale Pausanias-Stelle, wo von den Gerichtsgebäuden Athens die Rede ist, und zwar von einem grünen und einem roten Gebäude, zahlreiche berechtigte Schwierigkeiten hinsichtlich der Auslegung an, um sich am Ende einer eigenen Interpretation zu enthalten. Dies allerdings, um die methodische Leichtfertigkeit Hittorffs vorzuführen, der aus der Angabe Pausanias’ gleich allgemeine Schlussfolgerungen hinsichtlich der Vielfarbigkeit der Architektur zog und behauptete, Rot und Grün seien die dominanten Farben der Architektur der Griechen gewesen. Hierauf suchte Raoul-Rochette rhetorisch geschickt das Einverständnis des Lesers zu gewinnen, dass man aus Einzelfällen keine weiterreichenden Schlüsse ziehen dürfe.72 Die kritische Einlassung zielte auf die Demontage von Hittorffs induktiver Methode. Raoul-Rochette begann den dritten und letzten Teil seines Essays mit einem harschen Urteil über Hittorffs vorgetragene Überlegungen. Diese hätten bis auf Belanglosigkeiten nicht nur nichts substantiell Neues zur Vielfarbigkeit der griechischen Architektur beigetragen, sondern sie enthielten Behauptungen, die ohne jedes Fundament seien. Wer haltlose Thesen verbreitet, so suggerierte Raoul-Rochette, mache sich der Scharlatanerie verdächtig. Und dies sei um so misslicher, als man schon geglaubt habe, dass nach den Arbeiten von Carl August Böttiger, Autor der Ideen zur Archäologie der Malerei, solche Irrmeinungen, wie Hittorff sie verbreite, längst ins Land der Chimären verabschiedet worden seien.73 Und um schließlich der Irrmeinung („qui se renouvelle sans cesse, toujours avec des arguments depuis longtemps produits, et depuis longtemps ruinés“)74 keinen Raum zu lassen, schob Raoul-Rochette nochmals Seiten hinterher, in denen er seinem Unmut freien Lauf ließ.

72 „On conviendra sans doute avec nous qu’il est impossible de tirer d’un plus petit fait une conséquence plus grave, ni de généraliser d’une manière plus étendue une notion plus restreinte“; Raoul-Rochette 1833, S. 439. 73 Carl August Böttiger: Ideen zur Archäologie der Malerei. Erster Theil nach Maasgabe der Wintervorlesung im Jahre 1811. Dresden 1811. Zum engen Austausch zwischen den beiden Gelehrten vgl. René Sternke u. Klaus Gerlach (Hrsg.): Karl August Böttiger. Briefwechsel mit Désiré Raoul-Rochette. Berlin-Boston 2018. 74 Raoul-Rochette 1833, S. 487.

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Die Gegenfigur. Raoul-Rochettes Eloge auf den Architekten Serradifalco Im Jahre 1835 rezensierte Raoul-Rochette in der Januarausgabe des Journal des Savants den zweiten Band der ein Jahr zuvor in Palermo erschienenen Antichità della Sicilia esposte ed illustrate. Als Verfasser dieses mit einem üppigen Abbildungsteil und umfänglichen Textapparat ausgestatteten Foliowerks, das den Altertümern von Selinunt gewidmet war, zeichnete der Architekt und Archäologe Domenico Lo Faso Pietrasanta, Duca di Serradifalco (1783–1863), verantwortlich.75 Wenn Serradifalcos antiquarische und publizistische Tätigkeit in der jüngeren Forschung nur marginale Aufmerksamkeit erfährt, dann reflektiert dies durchaus den niedrigen Status, den die lokale sizilianische Archäologieforschung im europäischen Kontext besaß.76 Denn während die Altertümer Siziliens selbst bereits seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ins Zentrum der europäischen gelehrten Aufmerksamkeit rückten und seit 1800 einen breiten Strom von Publikationen hervorbrachten, wurde das Feld von einheimischen Gelehrten und Archäologen publizistisch erst seit den 1820er Jahren bestellt. Erinnert sei an Pietro Pisani mit seinem Büchlein über die Skulpturenfunde in Selinunt 1823 oder an Raffaello Politi mit seinen zwei Detailstudien zu den Gigantenfiguren des Jupiter-Tempels in Agrigent 1825 und 1828.77 Erst Serradifalcos Publikationsprojekt, das 1842 mit dem Erscheinen des fünften Bandes seinen Abschluss fand, zeigte Ambitionen, das bisherige Defizit der sizilianischen Forschung zu beheben. Serradifalco selbst signalisierte seinen Anspruch dadurch, dass er seinem Werk einen Titel gab, der an einen Agon mit dem seinerzeit berühmten Kompendium der Antichità di Ercolano esposte (erschienen Neapel 1757–1792 in acht Großfolio-Bänden) denken ließ.78 Schließlich sollten sämtliche Theater- und Tempelruinen in Segesta, Selinunt, Agrigent, Syrakus und Catania respektive die dort gemachten Skulp75 Bd. 1 über die Altertümer von Segesta erschien 1834 wie Bd. 2 (zu Selinunt), aber erst nach diesem. Bd. 3 (1836) behandelt Agrigent, Bd. 4 (1840) Syrakus, Bd. 5 (1842) Catania, Taormina und Tindari. Vgl. Duca di Serradifalco: Le antichità della Sicilia esposte ed illustrate. Palermo 1834–1842. 76 Vgl. Cometa 1999, ad indicem sowie Agostino Gallo: Biografia di Domenico Lo Faso Pietrasanta, duca di Serradifalco, celebre archeologo e architetto. Palermo 1863; Ettore Sessa: Lo Faso Pietrasanta Domenico. In: Dizionario degli artisti siciliani. Hrsg. von Luigi Sarullo. Bd. 1: Architettura. Palermo 1993. S. 262–264 und Alberico Lo Faso di Serradifalco: Domenico Antonio Lo Faso Petrasanta V duca di Serradifalco. Patriota – archeologo – architetto. Viagrande 2017. 77 Vgl. die geringe Zahl von Publikationen sizilianischer Antiquare und Archäologen im Verhältnis zu der in Frankreich, England und Deutschland erschienen Literatur über die Altertümer der Insel im Bibliothekskatalog des Instituto di Corrispondenza Archeologica zu Rom; abgedruckt im gleichnamigen Bullettino von 1832, S. X–XXII und die (fehlerbehaftete) Bibliographie bei Cometa 1999, S. 318–325. 78 Zu den von der königlichen Accademia Ercolanese di Archeologia herausgegebenen Antichità di Ercolano esposte, die den Grabungsfunden (Wandmalerei, Bronzeplastik, Instrumentum Domesticum) gewidmet waren, vgl. Valentin Kockel: Herculaneum. In: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte. Stuttgart-Weimar 2000. Bd. 14. Sp. 355–361; bes. S. 357.

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turenfunde in Bild und Text dokumentiert und kommentiert werden. Nun mag zwischen der Absicht, ein publizistisches Werk zu schaffen, das wie die Antichità d’Ercolano esposte eine europaweite Wirkung entfaltete, und seiner Verwirklichung am Ende eine nicht unmerkliche Differenz klaffen. Aber nicht dies ist hier wesentlich. Wesentlich sind die angemeldeten Ansprüche, weil Raoul-Rochette hieraus seine Gewissheit bezog, in Serradifalco jene neue Archäologenfigur gefunden zu haben, mit der er den Gegner Hittorff ausspielen konnte. Bezeichnend für Raoul-Rochettes parteiische Haltung ist gleich die einleitende Zeile seiner Besprechung. So sei das Selinunt-Buch Teil einer Publikationsserie, „qui formera l’ensemble le plus magnifique, le plus véritablement digne et de l’importance des monuments originaux et de l’état actuel de la science, qui ait encore été entrepris“.79 Dem mehrfachen enkomiastischen Superlativ der Eingangssequenz wohnte zugleich eine entschieden polemische Komponente inne, die derjenige, dem sie galt – Hittorff –, genau gespürt haben dürfte. Denn wenn behauptet wird, dass Serradifalcos Foliopublikation für die Erforschung der sizilianischen Altertümer eine nur den Werken von Biscari und Torremuzza vergleichbare Zäsur setzte,80 so musste Hittorffs Architecture antique de la Sicile auf weiten Strecken gegenstandslos werden. Dass die Eloge auf Serradifalco der Destruktion eines Gegners diente, zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass Raoul-Rochette während seiner ganzen Rezensententätigkeit kein zweites Mal über einen Kollegen mit derart uneingeschränkter Bewunderung geschrieben hat. Raoul-Rochettes hochentwickelter Sinn für das Zerstörungspotential strategisch eingesetzter Rhetorik offenbart sich auch darin, dass er Serradifalco, dessen Publikation er über den Wert schätzte, und Hittorff, den er bedenkenlos herabsetzte, so gegeneinander polarisierte, dass sich jedes Lob auf Serradifalco als Angriff auf Hittorff lesen ließ, ohne dass von Letzterem überhaupt die Rede sein musste. Raoul-Rochettes Strategie, im Lob Serradifalcos Hittorff zu degradieren, trat schließlich bei der Besprechung von Serradifalcos restauration des Tempel B in Selinunt unverhohlen zutage. Bevor wir darauf eingehen, vorab einige Worte zum Aufbau von Serradifalcos Bildatlas. Das Herzstück der monumentalen Publikation bilden die fünf Metopenreliefs des heute als Heraion identifizierten Tempel E außerhalb der Akropolis von Selinunt. Sie stellten seinerzeit einen Sensationsfund dar, der Serradifalco veranlasste,

79 Desiré Raoul-Rochette: Rez. zu Duca di Serradifalco Antichità della Sicilia esposte ed illustrate, Bd. 2, Palermo 1834. In: Journal des Savants (1835). S. 12–27; Zitat: S. 12 f. 80 Die Aussage von Rochette ist deutlich: „M. de Serradifalco pourra se flatter avec justice d’avoir élevé seul, et de ses propres mains, en l’honneur de son pays, un monument jusqu’ici encore sans égal, et d’avoir ainsi ajouté aux noms illustres de Biscari et de Torremuzza un autre nom, non moins digne d’être consacré dans les fastes de la science et dans la reconnaissance de la Sicile“; RaoulRochette 1835, S. 14. Gemeint sind die Archäologen und Antiquare Ignazio Paternò, Principe di Biscari, der 1781 (2. Auflage 1817) ein wichtiges Reisewerk zu den Altertümern Siziliens verfasst hatte, und Gabriele Lancillotto Castello, der 1762 ein Werk zu den antiken Inschriften Palermos publiziert hatte.

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seinen Band 2 über die Altertümer von Selinunt vor Band 1, der die Altertümer von Segesta behandelt, zu publizieren. Grund für die Inversion war die publizistische Eile, die sich zumal in der Vorabpublikation der im Frühjahr 1831 gemachten Funde in der Novemberausgabe des Bullettino dell’Instituto di Corrispondenza Archeologica ausdrückte.81 Schon hier machte Serradifalco über alles Wesentliche – Fundgeschichte, ikonographische Deutung und Datierung – Mitteilung. Serradifalco ließ den Leser wissen, dass Samuel Angell ihm nach den Entdeckungen der fünf archaischen Reliefs der Tempel C und F im Jahre 1823 auf zwei weitere Metopen hingewiesen hatte, die unter den Trümmern verschüttet lagen.82 Daraufhin unternahm Serradifalco im November 1830 gemeinsam mit dem Architekten Francesco Saverio Cavallari und dem Bildhauer Valerio Villareale eine Inspektionsreise nach Selinunt. Im Mai 1831 kehrte Villareale mit einer Genehmigung der Regierung nach Selinunt zurück, um die entsprechenden Grabungen vorzunehmen.83 Dabei fanden sich zwei weitere Metopenreliefs und eine große Zahl von Relieffragmenten, die nach Palermo ins Museum verbracht wurden. Bemerkenswert schienen Serradifalco u. a., die „fondi colorati di azzurro“ an den Reliefs, die er als deutlichen Hinweis auf die farbig gefasste Skulptur der Griechen deutete, „della quale non può ormai dubitarsi usassero gli antichi“.84 Nun gibt allein der Illustrationsaufwand mit ganzseitigen Lithografien, deren Ausführung der renommiertesten Offizin der Zeit, der Druckerei von Domenico Cuciniello und Lorenzo Bianchi in Neapel, anvertraut worden war,85 die zentrale Rolle der unpublizierten Funde innerhalb des SelinuntBuches zu erkennen.86 Serradifalco dürfte bei der Lektüre von Raoul-Rochettes Rezension deshalb durchaus darüber irritiert gewesen sein, dass nicht seine MetopenFunde, sondern jener Nebenbau, der Tempel B der Selinunter Akropolis, den er mit zwei Tafeln nur am Rande abhandelte, in der Beprechung des Philologen derart breiten Raum einnahm.

81 Duca di Serradifalco: Metope di Selinunte. Lettera di S. E. il duca di Serra di Falco al prof. Gerhard. In: Bullettino dell’Instituto di Corrispondenza Archeologica (1831). S. 177–181. 82 Die Grabungs- und Bergungsgeschichte ist gut dokumentiert; vgl. Pietro Pisani: Memoria sulle opere di scultura in Selinunte ultimamente scoperte. Palermo 1823; Samuel Angell u. Thomas Evans: Sculptured Metopes discovered amongst the Ruins of the Temples of the Ancient City of Selinus in Sicily by William Harris and Samuel Angell in the year 1823. London 1826 sowie Luca Giuliani: Die archaischen Metopen von Selinunt. Mainz 1978. S. 11–36 und Eleonora Bonincontro: La „corda civile“ e l’archeologia. In: Pietro Pisani Memoria sulle opere di scultura in Selinunte ultimamente scoperte. Catania 1998. S. 7–27; bes. S. 20–22. 83 Zur Grabungsgeschichte mit einschlägigen Schrift- und Bildquellen: Clemente Marconi: Selinunte. Le metope dell’Heraion. Modena 1994. S. 23–39 u. 117. 84 Serradifalco 1831, S. 180. 85 Zum Verlagshaus Cuciniello-Bianchi vgl. Maria Gabriella Mansi: I primi tempi dell’Impresa Cuciniello e Bianchi. In: Vedute, ritratti, scene popolari. Gli esordi della litografia a Napoli. Ausstellungskat. Neapel 1999. S. 61–64. 86 Serradifalco 1834, Tafel XXX–XXXIV.

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Abb. 18: Rekonstruktion des Empedokles-Tempels in Selinunt als dorischen Antentempel. Auf- und Grundriss. Aus: Duca di Serradifalco: Le antichità della Sicilia esposte ed illustrate. Palermo 1834. Bd. 2. Tafel VI

Auf Tafel VI sind nebeneinander Auf- und Grundriss des Tempels reproduziert (Abb. 18). Den erhaltenen Baubestand von Cella und Stylobat markierte Serradifalco durch eine graue und schwarze Signatur. Wonach sich die Tiefe des rekonstruierten Baus berechnete, bleibt auch in der knappen, erläuternden Beschreibung ungeklärt.87 Tatsächlich resultierte sie nicht aus Befunden, sondern war reine Annahme.88 Wie Serradifalco ausführte, beruhte die Rekonstruktion des Gebäudes als Antentempel wiederum auf den Fragmentfunden eines Antenkapitells, d. h. eines dorischen Kapitells nebst dazugehörigem Gebälk, sowie einer Giebelspitze und zweier kannelierter Säulentrommeln. Besonders hätten Pilasterreste auf der Rückseite der Cella auf Anten an der Vorderseite schließen lassen. Die Höhe der dorischen Säulen berechnete er mit ⅕ des Trommeldurchmessers und gab an, hierfür einem Usus im Tempelbau Siziliens gefolgt zu sein. Auffallend ist nun vor allem, dass sich Serradifalcos Rekonstruktion als ein mustergültiger dorischer Antentempel mit Stufenpo87 Serradifalco 1834, S. 14. 88 Nur die lichte Länge und Breite des Baus sind angegeben, weitere nicht hilfreiche Daten verschwinden in einer Fußnote; Serradifalco 1834, S. 78, Anm. 4.

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dest zeigt, was die Frage nach dem Verhältnis von Befund und Rekonstruktion aufwirft. Denn tatsächlich ist es so, dass der Rekonstruktion ein Bautypus zugrundegelegt wurde, in den die Befunde wie Puzzlestücke eingepasst wurden. Serradifalcos Rekonstruktion ist also nicht das Ergebnis von akribischer Feldrecherche im Zeichen gewissenhafter Probiererei und Korrigiererei. Vielmehr unterstand sie der Kompatibilität mit dem Regelkodex der klassischen Baukunst und mithin dem Antikebild der Zeit. Dies kam Raoul-Rochette durchaus gelegen. Die Klassizität von Serradifalcos Rekonstruktionsversuch, in dem der Ordnung und Harmonie der Griechen Rechnung getragen wurde, münzte der Altphilologe um zum Beleg für die ästhetischen Verfehlungen Hittorffs, dessen Tempel B nichts anderes als eine „assemblage arbitraire“ darstelle. Im Gegenzug erhielt die Restitution eines dorischen Antentempels, der den Klassizitätsforderungen von innerer Stimmigkeit und Regelhaftigkeit entsprach, die uneingeschränkte Zustimmung RaoulRochettes. Mit einem scharfen Hieb auf Hittorffs und Zanths Tempelrekonstruktion mit Mischordnung, die nur eine kunstwidrige Illusion darstellen könne, baute der Altphilologe die Gegenfigur Serradifalco auf und schied mithin ‚echte‘ von ‚falschen‘ Archäologen.89 Wer Raoul-Rochettes vorausgegangene Stellungnahmen zu Hittorffs und Zanths Tempel B kannte, in denen er die rekonstruierte Mischordnung widerspruchslos akzeptiert hatte, musste nun doch erstaunt lesen, dass er schon stets mehr als einen Zweifel an der Richtigkeit der Mischordnung und ihrer farbigen Fassung gehabt habe.90 Hittorffs und Zanths Tempelbau müsse gegenüber Serradifalcos Publikation, aller tragfähigen Argumente entledigt, wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen.91 Schließlich sei auch die – zuvor noch von ihm anerkannte – farbige Fassung der Gebälkteile des Tempels irrig. Und dies, weil sie nicht nur nicht den Normen Vitruvs gehorche, sondern auch nicht der Fundlage entspreche.92 Diese Aussage unterstellte, dass Hittorff bei der Rekonstruktion des Tempel B gepfuscht habe, mehr noch: Es musste sich die Falschheit des Anspruchs erweisen, dass er als Architekt Küster einer im Zeichen der Antike stehenden neuen Baukunst sein könne. Und so konnte Raoul-Rochette im Triumphgestus befinden, dass Serradifalcos Rekonstruktion dazu diene, die Frage nach der Farbfassung antiker Architektur endgültig in ihre ange-

89 „Or, toutes ces méprises, ou du moins toutes ces illusions viennent de se dissiper à l’apparition du travail exact et sévère de M. de Serradifalco“; Raoul-Rochette 1835, S. 16. 90 Der Tempel, „conçue dans le système de l’architecture coloriée, nous avait paru, dans son ensemble et dans ses détails, sujette à plus d’un doute légitime et à d’assez graves difficultés“; RaoulRochette 1835, S. 15. 91 „La supposition d’un édifice ionique avec entablement dorique tombe d’elle-même, et avec elle disparaît une grave contradiction dans les doctrines de l’art antique“; Raoul-Rochette 1835, S. 16. 92 „Et l’on verra que, non-seulement cette distribution arbitraire des couleurs est contraire aux témoignages classiques, mais encore qu’elle se trouve démentie sur tous les points par les fragments réels qui subsistent de l’édifice antique“; Raoul-Rochette 1835, S. 17.

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stammten Grenzen zu verweisen.93 Hier formulierte der intransigente Klassizist Raoul-Rochette sein ‚konservatives‘ Anliegen, nämlich die Rettung der „doctrines des arts“; id est die Übereinstimmung von klassischem Regelkanon und archäologischem Befund. Vor diesem Hintergrund aus erfolgten massive Angriffe auf Hittorff. Insbesondere der Willkürvorwurf geriet zur zentralen Waffe. Denn wessen Werk ein pastoses Gemenge von „imagination“ und „fantaisie“ ist und nicht auf den zentralen Pfeilern der Ratio, d. h. der „critique“ und „verité“, basiert, dem lässt sich die Wissenschaftsfähigkeit absprechen.94 Dagegen habe Serradifalco seine Ergebnisse „positivement acquis à la science“.95 Raoul-Rochettes Polarisierung zielte offen auf die Ausgrenzung Hittorffs aus der Wissenschaftsgemeinschaft; ein schiedsrichterliches Vorgehen, das wiederum die Sicherung der eigenen Position inkludierte. Verlauf und Charakter des Disputs deuten an, dass die Geschichte des Polychromiestreits nicht zu reduzieren ist auf die Entdeckung kühner Wahrheiten und die Rekonstruktion neuer ästhetischer Theorieentwürfe. Vielmehr geht es genauso um die (vorgängigen) Mechanismen von Geltung und Aussonderung, die die Archäologie als Wissenschaft regierten. Für die Kombattanten des Federkriegs gilt, was Foucault in der Ordnung des Diskurses wie folgt pointiert hat: Der Diskurs „ist die Macht, deren man sich zu bemächtigen sucht“. 96

Ad hominem. Die sachliche Ergebnislosigkeit des Schlagabtausches von 1837/38 Auf die Serradifalco-Eloge folgte rasch eine Erwiderung von Hittorff, durchsetzt mit scharfen Attacken gegen Raoul-Rochette und Serradifalco, die beide wiederum mit vehementen Entgegnungen reagierten.97 In diesem Schlagabtausch verschärfte sich der Tonfall der Kontrahenten in einem Maße, dass den Lesern das Spektakel eines bunten Federkrieges geboten wurde. Da das Gefecht selbst zusehends ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte, ging es nun vor allem um die Frage: Wer wird sich in dieser Arena behaupten? Weil Raoul-Rochettes Verklärung von Serradifalcos Selinunt-Buch letzlich ein Verriss von Hittorffs Polychromie-Thesen war, kam die Reaktion des Angegriffenen prompt und deutlich. Hittorff antwortete 1835 noch im Mai-Heft des Journal des Sa93 „Cette question d’architecture coloriée, qui, aujourd’hui plus que jamais, a besoin d’être renfermée dans ses justes limites“; Raoul-Rochette 1835, S. 16. 94 Raoul-Rochette 1835, S. 18. 95 Raoul-Rochette 1835, S. 17. 96 Foucault 1999, S. 55. 97 Zur Wahrnehmung und Einschätzung der Frontstellung im Polychromiestreit vgl. bereits Théodore Panofka: Cenni sulla diversità delle sentenze del duca di Serra di Falco da quelle de’ sigg. Hittorff e Zanth intorno la restituzione dei tempj di Selinunte. In: Bullettino dell’Instituto di Corrispondenza Archeologica (1835). S. 12 f.

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vants mit einem offenen Brief an die Herausgeber, womit er sich zugleich auf das publizistische Terrain des Gegners begab. Hittorff insistierte gleich eingangs auf der Richtigkeit seiner Tempelrekonstruktion, denn er habe „dessiné, mesuré, coté tout ce qui en subsistait encore“ und zwar „avec … soin et … scrupule“.98 Noch vor Ort habe er alle Fundstücke ins Reine gezeichnet, wie sich das für einen Vertreter der exakten Wissenschaft gehöre. Als Bauforscher durfte er – dies der springende Punkt seiner Ausführungen – eine Kompetenz beanspruchen, über die der Altphilologe nicht verfüge. Dem Einklagen seiner fachlichen Autorität folgte die Widerlegung, ja Zergliederung der gegnerischen Behauptungen. Den schwersten Schlag führte Hittorff gegen Serradifalco, den er des Plagiats bezichtigte. So seien die Tafeln des Selinunt-Buches nichts anderes als ungeschickte Reduktionen seiner in der Architecture antique de la Sicile publizierten Rekonstruktionen. Und schon deshalb könne „nul architecte, nul homme … soucrire [sic] au panégyrique qu’on vient de faire de cette publication“.99 Hittorff führte einen Doppelschlag: Freilich konnte und sollte Serradifalcos Entlarvung als Plagiator dessen Laudator nicht unbeschadet lassen. Hittorff zerpflückte Serradifalcos Rekonstruktionsvorschlag in seine einzelnen Bestandteile. So unterstellte er der Aufriss- und Gebälkrekonstruktion kapitale Fehler. Serradifalcos Tempelaufriss zeige gravierende Proportionsfehler, weil die verwendeten Fundstücke nicht zusammengehörten.100 Hittorff nutzte die Gelegenheit, dem Leser vorzuführen, mit welchem archäologischen Sachverstand er sich selbst gewöhnlich ins noch so geringste Detail vertiefte. Denn wenn er die Triglyphen des dorischen Gebälks am Tempel B in der Rekonstruktion gelb (und damit steinsichtig) angab (Abb. 15), dann weil er auf den Resten keinerlei Farbspuren mehr gefunden habe. Bei der Rekonstruktion des Tempel R habe er Blau verwendet, weil eben ein solcher Befund vorlag. Serradifalco sei bei seiner Rekonstruktion des Tempel B hingegen in Analogie und im Sinne der Doktrin Vitruvs vorgegangen, der Blau als Farbe der Triglyphen überliefert. Hittorffs ganzes Bestreben zielte darauf, den Leser von Serradifalcos bauarchäologischer Inkompetenz zu überzeugen. So rekonstituiere Serradifalco nach eigenen Angaben einen Tempel in antis mit der Begründung, dass auf der Rückseite des Tempels Kantenpilaster vorhanden seien, die im Sinne einer kompositionellen Symmetrie einen Antentempel nach sich ziehen würden. Hittorff stellte die Argumentation durch Gegenbeispiele als eine unzulässige Verallgemeinerung bloß. So führte er das sogenannte Oratorium von Phalaris in Agrigent an, wo an der Rückwand ebenfalls Kantenpilaster zu finden seien, aber die Front eindeutig einen tetrastylen Prostylos zeige. Gerade

98 Hittorff 1835, S. 296. 99 Hittorff 1835, S. 297. 100 „Si j’examine à présent les deux planches de l’ouvrage de M. le duc qui ont rapport à ce même temple, en comparant entre eux les objets qu’elles représentent, j’y trouve des inexactitudes, des négligences, des fautes de dessinateur et des inadvertances palpables“; Hittorff 1835, S. 299.

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dieses Gegenbeispiel sollte verdeutlichen, dass Serradifalco der Kenner der Inselaltertümer nicht sein konnte, zu dem ihn Raoul-Rochette stilisiert hatte. Schließlich erfolgten Angriffe direkt gegen Raoul-Rochette. Zum einen gegen sein Fachwissen, zum anderen gegen seine Moral. Sachlich unrichtig sei die Feststellung, dass es eine Mischordnung weder „en Sicile ni ailleurs“ gegeben habe.101 Diese Behauptung widerlegte Hittorff mit der Auflistung von sechs weiteren gesicherten Beispielen in der Magna Graecia und in Griechenland selbst. Und nicht nur dies: Die Funde in Selinunt seien nicht zu verleugnen und sie zeigten nur ein weiteres Mal, dass die Mischordnung bei den Griechen üblich gewesen sei („admise“).102 Die nachfolgende Klarstellung war ihm besonders wichtig: Es gehöre zu seinem Grundaxiom, Funde durchaus in Übereinstimmung zu bringen mit den „doctrines de l’antiquité“ und zwar „le mieux qu’il a pu“.103 Hittorff hatte, wie er betonte, Raoul-Rochette 1826 für dessen Sizilienerkundung seine gesammelten Informationen und Pläne zur Verfügung gestellt, so dass sich der Philologe über die exakte Arbeitsweise Hittorffs und seiner Mitarbeiter ein Bild habe machen können,104 aber genau dieses diskreditiere der Kollege nun in unfairer Weise öffentlich. Schließlich monierte Hittorff, dass Raoul-Rochette ihn und Serradifalco in seinem Urteil ungleich behandle. Während er attackiert werde, übersehe RaoulRochette selbst manifeste Fehler des Sizilianers. Wo Hittorff dem Philologen vorwarf, mit zweierlei Maß zu messen, griff er dessen wissenschaftliche Integrität an. Raoul-Rochettes Antwort wurde direkt im Anschluss an Hittorffs Lettre publiziert. Einleitend bemühte sich Raoul-Rochette als unbefangener Rezensent aufzutreten, indem er zum Ausdruck brachte, dass es ihm in der Kontroverse keinesfalls um die Verteidigung irgendwelcher „intérêt d’amour-propre“ gehe, sondern um eine wissenschaftliche Klärung der zur Diskussion stehenden Fragen. Deshalb wolle er sich in der Antwort auf wesentliche Streitpunkte in Hittorffs Stellungnahmen konzentrieren und keinerlei Verurteilungen der Person vornehmen. Dies suggerierte einerseits, dass er sich in seiner Aufrichtigkeit vom Gegner unterscheide, und andererseits – und dies markiert die Gewitztheit des Altphilologen –, dass der anschließend versetzte Nadelstich gegen die Person Hittorffs im Grunde gar keiner (und deshalb doch ein doppelter) war. Im Kern gebe es zwar im Augenblick einen Dissens zwischen beiden, doch vergesse Hittorff alle öffentlichen Würdigungen, die er RaoulRochette im Journal des Savants verdanke. Hittorffs Reaktion sei letztlich die Reaktion einer überempfindlichen Künstlernatur („une susceptibilité d’artiste“), dem Kri-

101 Hittorff 1835, S. 302. 102 Hittorff 1835, S. 302. 103 Hittorff 1835, S. 304. 104 Hittorff hatte 1826 ausführlich notiert, welche Unterlagen er Rochette ausgehändigt hatte; das entsprechende 23 Seiten umfassende Dossier befindet sich heute in Paris, BIF, Ms. 4641, Insert 2 und ist betitelt: Notes sur les antiquités de la Sicile données à M. Raoul-Rochette. La 1ère partie le 27 septembre 1826, époque de son départ. La 2e partie lui fut envoyée à Rome le 8 octobre 1826.

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tik als Erkenntnismittel der Wissenschaftskultur fremd sei.105 Unwissenschaftlich sei zudem Hittorffs Vorgehen, mehrere Beobachtungen in einen einzigen Satz zusammenzudrängen, die Raoul-Rochette in verschiedenen Kontexten zu verschiedenen Gegenständen geäußert habe. Hittorffs verbale Kontamination sei eine „figure de rhétorique“, also Blendwerk, und dies entspreche ganz dem „procédé d’architecte, habitué à rassembler de toute part, à combiner de toute façon les éléments épars de ce qu’on est convenu d’appeler une restauration“.106 Hittorffs Rekonstruktionen seien deshalb Konjekturen, weil sie sich einem Verfahren der willkürlichen Kombination disjunkter Fundstücke schuldeten. Und folglich sei „rien de bien sérieux dans tout cet échafaudage élevé de la main de M. Hittorff“.107 Indem Raoul-Rochette Hittorff bezichtigte, ein Produkt aus zusammengetragenen Elementen erzeugt, also Collage betrieben zu haben, sprach er eine zentrale Methodenproblematik der Zeit an. Dieses letztlich eklektische Prinzip habe der als Archäologe tätige Baukünstler in die Wissenschaft übertragen. Der zentrale Vorwurf lautete, dass dieser Wissenschaftskünstler seine gestalterischen Kräfte und Fähigkeiten im Bereich der Wissenschaft nicht ausblende, sondern benutze. Raoul-Rochette wertete dies als „rien de bien sérieux“. Denn ein Künstler als Wissenschaftler sei nicht anderes als ein Träumer und Phantast.108 Auch hier wird die inhärente Methodenproblematik nicht vertieft, sondern allein um der Depravierung des Gegners willen thematisiert. Was wiederum Spiegel des insgesamt niedrigen Reflexionsniveaus des Disputs ist. Gegen Ende der Rezension unternimmt es Raoul-Rochette schiedsrichterlich zu entscheiden, wer von beiden Kontrahenten, Hittorff oder Serradifalco, die richtige Rekonstruktion des Tempel B vorgelegt habe. So sei die Zuverlässigkeit von Serradifalcos Angaben gegenüber jenen von Hittorff dadurch gewährleistet, dass er „venant après l’autre, et travaillant sur les lieux, a pu joindre aux éléments précédemment acquis, d’autres faits qui résultaient de fouilles nouvelles et d’observations plus attentives“ und eine restauration anbiete, die einem „type sévère plutôt qu’une exception licencieuse“ folge.109 Hier wird der Norm gegenüber der Differenz der Vorrang eingeräumt, worin sich erneut Raoul-Rochettes Rolle als Paradigmenverteidiger manifestierte. Schließlich sorgte Raoul-Rochette dafür, dass Serradifalcos Widerrede gegen Hittorffs Lettre in das Septemberheft des Journal des Savants von 1836 aufge-

105 „C’est à la même disposition d’esprit, je veux dire à une susceptibilité d’artiste peu accoutumé à la critique, que j’attribue tout ce qui, dans la réclamation de M. Hittorff, me paraît sortir un peu des bornes de la modération“; Raoul-Rochette 1835, S. 307. 106 Raoul-Rochette 1835, S. 307. 107 Raoul-Rochette 1835, S. 307. 108 Hier werden Argumente aufgeboten, die der Kunst die Erkenntnisfähigkeit absprechen. Sie werden aktuell aus der Gegenperspektive der Künstlerschaft im Register der sogenannten künstlerischen Forschung (artistic research) neu diskutiert; für einen Überblick vgl. das Kompendium von Jens Badura (Hrsg.): Künstlerische Forschung. Ein Handbuch. Zürich 2015. 109 Raoul-Rochette 1835, S. 311.

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nommen wurde. Hittorffs Thesen wurden damit einer weiteren Demontage ausgesetzt. Auch Serradifalco eröffnete seine Stellungnahme mit einem rhetorischen Bekenntnis zu Sachlichkeit und gegen Polemik („Je me garderai bien toutefois d’imiter le langage dans le quel, par une excessive susceptibilité, s’est laissé entraîner l’auteur de la lettre [Hittorff]“).110 Dies hinderte Serradifalco freilich nicht – analog zu Hittorff und Raoul-Rochette – dann von dieser eigenen Setzung weitgehend abzusehen. Serradifalco antwortete zunächst auf Hittorffs Vorwurf, dass der Grundriss des Tempel B fast doppelt so lang sei, wie der von ihm publizierte, indem er auf neue, Hittorff nicht bekannte Grabungsergebnisse verwies.111 Allerdings legte er die Neufunde nicht näher dar. Im folgenden nahm Serradifalco zu Hittorffs Vorwurf Stellung, dass er die Säulenhöhe qua Analogie rekonstruiert habe. Er habe so verfahren müssen, da die gefundenen Trommelreste der Säulen zu klein seien, als dass der Säulendurchmesser zu berechnen gewesen wäre. Dies gab Serradifalco Anlass zu einer süffisanten Attacke auf die gleichsam ‚übernatürlichen‘ Kompetenzen Hittorffs: „Je m’aurais pu en donner la hauteur, à moins d’être doué de ce talent surnaturel avec lequel l’auteur des récriminations, bien que manquant du diamètre inférieur et supérieur, a su, au moyen de la seule inclinaison gratuitement affirmée, en reconnaître exactement la hauteur“.112 Schließlich kam Serradifalco auf das Problem der Tempelfront in antis zu sprechen. Er räumte ein, dass die Existenz rückwärtiger Kantenpilaster kein tragendes Argument dafür sei, einen Antentempel zu rekonstruieren. Doch sei auch Hittorffs Rekonstruktion mit tetrastyler Front unter Bezugnahme auf das Oratorium des Phalaris in Agrigent nicht zwingend. Und zwar, weil nicht gesichert sei, dass der Vergleichsbau tatsächlich tetrastyl war, und vor allem weil der Bau aus römischer Zeit stamme, so dass er sich für die Rekonstruktion eines griechischen Baus von selbst verbiete. Serradifalco meinte, dass sich die Frage des Aufrisses von Tempel B aufgrund der lückenhaften Befundlage nicht eindeutig entscheiden lasse. Hinsichtlich des Problems der Mischordnung am Tempel B argumentierte Serradifalco im Schulterschluss mit Raoul-Rochette, dass es keine Beispiele in Sizilien 110 Duca di Serradifalco: Lettre adressée à Messieurs les rédacteurs du Journal des Savants. In: Journal des Savants (1836). S. 1–16. [Annex der Septemberausgabe]; hier: S. 1. Immer wieder wird Serradifalco im Laufe des Artikels versuchen, Hittorffs Vorwürfe gegen ihn aus einer charakterlichemotionalen Beengtheit zu erklären: „Mais pour malheur il s’est montré extrêmement susceptible sur la rivalité d’artiste, et les éloges dont M. Raoul Rochette, MM. Welcker, Creuzer, Panofka, Gerhard, Gironi, et tant d’autres savants, ont bien voulu honorer mon travail, ont tellement irrité son esprit, qu’oubliant toute forme de procédés, les faits eux-mêmes et la vérité, il s’est livré à des récriminations d’autant plus injustes, qu’il en est venu jusqu’à m’accuser de plagiat, contredisant plusieurs fois ses propres paroles et ses propres restaurations“; S. 12. 111 „Je réponds facilement à cette objection en priant le critique de le remesurer depuis les fouilles exécutées en 1832, dans lesquelles on découvrit cette partie du plan qui lui est restée inconnue“; Serradifalco 1836, S. 3. 112 Serradifalco 1836, S. 4.

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und Griechenland gebe, die eine solche Rekonstruktion durch Analogie erlauben würden. Das Beispiel des sogenannten Grabes des Theron in Agrigent stamme aus der römischen ‚Verfallszeit‘ und sei deshalb ungeeignet. Auch das von Hittorff angeführte Beispiel des – allerdings nicht näher identifizierbaren – Temple de la Paix in Paestum tauge nicht, weil hier die Säulenordnung nicht ionisch, sondern korinthisch sei. Auch Serradifalco nahm die Verwerfung einer Mischordnung in der griechischen Architektur, die nur auf die Verirrungen des Autors zurückzuführen sei, zum Anlass gegen Hittorff ausfällig zu werden: „Ce qui prouve combien la théorie de la confusion des ordres prévaut dans l’esprit de l’auteur de la lettre, c’est qu’il va jusqu’à confondre un chapiteau corinthien avec un chapiteau ionique“.113 Nach dieser Ridikülisierung Hittorffs erfolgte eine argumentative Widerlegung der Rekonstruktion der Mischordnung. Die Säulen- und Gebälkreste, die Hittorff gesehen haben will, seien nicht auffindbar außer „dans son assertion“.114 Das ionische Kapitell, das in Palermo im Museum aufbewahrt werde, weiche in der Wiedergabe Hittorffs auf Tafel XVII (Abb. 15) vollständig vom Original ab. Hier fügte Serradifalco seinem Text eine Wiedergabe bei, welche die Abweichungen zu Hittorffs Reproduktion zeigt (Abb. 19). Schließlich sei das von ihm zur Rekonstruktion des Gebälks von Tempel B angeführte ionische Kapitell laut Museumsinventar von Angell und Harris an einem Ort namens „i Pilieri“ mehr als eine Meile von der Akropolis von Selinunt aufgefunden worden. Folglich könne man es nicht demselben Tempel zuordnen.115 Nicht anders als Raoul-Rochette versuchte Serradifalco also dem Leser zu suggerieren, dass Hittorff wie ein Pfuscher und Phantast vorgegangen sei, dem die Kernkompetenzen des Archäologen, Autopsie und räsonnierendes Beobachten, abgingen.116 Schließlich sei es im Hinblick auf die klassische Normästhetik inakzeptabel, dass eine Rekonstruktion den „règles que les Grecs suivirent constamment à la belle èpoque de l’art“ entgegenstehe.117 Wie bei Raoul-Rochette berief sich Serradifalco dort auf die Norm, wo der Befund fehlte. Auf derselben Linie liegt Serradifalcos Kritik an Hittorffs Farbrekonstruktion. So seien die in Tafel XVII bei Hittorff wiedergegebenen Farben das Produkt der Phantasie („imaginaires“), jene in seiner eigenen Publikation indes die richtigen. Schließlich sei empirisch nachweisbar, dass Metopen ohne Reliefschmuck anders als solche mit Skulpturenschmuck koloriert gewesen seien. Reliefierte Metopen hätten einen blauen Hintergrund, wie der Parthenon und der Tempel E in Selinunt zeigen würden, wobei der Tempel C in Selinunt rot und der Tempel B gelb gefasst gewesen seien. Abschließend folgte ein Vorwurf, von dem sich die Archäologie der ersten Hälfte 113 Serradifalco 1836, S. 7. 114 Serradifalco 1836, S. 8. 115 Serradifalco 1836, S. 8. 116 „Ne trouvant parmi les ruines du petit temple aucun reste de chapiteau, [il] s’est servi de celuilà pour donner la restauration d’un monument qu’à tort ou à raison il voulait présenter achevé“; Serradifalco 1836, S. 8. 117 Serradifalco 1836, S. 9.

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Abb. 19: Grundriss und Fragmente des Tempel B in Selinunt. Aus: Duca di Serradifalco: Lettre adressée à Messieurs les rédacteurs du Journal des Savants. In: Journal des Savants (1836). Insert

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des 19. Jahrhunderts allgemein nicht freisprechen lässt, dass nämlich die Fundlage insgesamt zu dürr sei, um generalisierbare Aussagen oder gar eine „théorie générale“ zu formulieren. Da vorliegend nicht die Befunde und Argumente selbst, sondern die zugrundeliegenden Strukturen und Strategien interessieren, die den Diskurs modellierten und begleiteten, geht es nicht primär um ihre Fundiert- und Stichhaltigkeit. Hittorff nahm den Einwand Serradifalcos nicht ernst, dass die ionischen Kapitelle nicht zum Tempel B gehörten, und beharrte auf der Mischordnung. Heute wird der Tempel B jedenfalls mit tetrastylem Pronaos und dorischer Ordnung rekonstruiert.118 Damit erweisen sich die Rekonstruktionsvorschläge des 19. Jahrhunderts als ‚falsch‘. Auch daran interessiert weniger die faktische Erkenntnis als das Indiz, dass im Ranking der Kontrahenten, entgegen einem fundamentalen Wissenschaftsprinzip, die (selbst)kritische Lernbereitschaft nicht notwendig zunahm.

Bild, Atlas und Aufmerksamkeitsökonomie Am 12. Juni 1852 legte die Architektursektion der Académie des beaux-arts zu Paris ein Gutachten über die Rekonstruktion des antiken Farbsystems vor, das Hittorff ein Jahr zuvor in seinem monumentalen Bild- und Textband Restitution du Temple d’Empédocle à Sélinonte, ou l’architecture polychrôme chez les grecs publiziert hatte.119 Die Zustimmung der Kommission bedeutete die offizielle Anerkennung der farbigen Restitution des Empedokles-Tempels in Selinunt. Zwei Jahre später, am 22. Januar 1853, erfolgte Hittorffs Kooptation in die Akademie.120 Für den als jungen Studenten im Jahre 1810 nach Paris übergesiedelten Kölner war es die Krönung seiner Architektenkarriere. Bemerkenswert an der Erfolgsgeschichte von Hittorffs Polychromiethesen ist, dass sie sich zugleich als Geschichte eines gewaltigen Irrtums darstellen. Denn Hittorffs farbige Rekonstruktionen des Empedokles-Tempels basieren, wie dargelegt, auf falschen Befunden und freien Konjekturen. Das hatten bereits Hittorffs Gegner gesehen und kritisiert und sein Antiken-Phantasma doch nicht verhindern können. Gerade der Umstand, dass diese Irrtumsgeschichte gleichsam unvermeidbar war, macht sie aufschlussreich für die Bedingungen und Mechanismen des sich im frühen 19. Jahrhundert neu kalibrierenden Feldes der Altertumswissenschaften, auf

118 Dinu Theodorescu: Chapiteaux ioniques de la Sicile méridionale. Neapel 1974. S. 13–16. So nun auch Kiene/Lazzarini/Marconi 2016, S. 87. 119 Die Publikation hatte Hittorff Anfang November 1851, also wenige Monate nach dem Erscheinen im Sommer desselben Jahres, der Akademie als Hommage vorgelegt; vgl. Chave 2015, S. 222. – Eine ausführlichere Version des vorliegenden Kapitels in: Pisani 2019. 120 Hittorff nahm den Platz des Architekten Jean-Jacques-Marie Huvé ein; das entsprechende Sitzungsprotokoll vom 22.1.1853 abgedruckt in Chave 2015, S. 352.

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dem die Architekten zunehmend Geltung beanspruchten.121 Und dies nicht zuletzt mit Hilfe eines publizistischen Instrumentariums, nämlich des Bildatlanten. Die hier zu verfolgende These lautet, dass die Polychromiedebatte sich letztlich weniger an den ins Spiel gebrachten Fakten, Argumenten und Selbstbehauptungen innerhalb des Polychromiestreits entschied als am Einsatz der bildgebenden Medien. Kurz: Der Polychromiestreit des 19. Jahrhunderts ist durchaus Ideen-, er ist aber mehr noch Mediengeschichte.122 Der Atlas und seine Bildtafeln sind eine bildzentrierte Reflexions- und Darstellungsform, in der Sachbilder von einem separat gedruckten, kommentierenden Text begleitet werden. Davon unterscheidet sich die Buchillustration, die umgekehrt einen Text ins Anschauliche übersetzt.123 Der Atlas pocht also auf ein Visualprimat, das Großformat setzt auf Evidenz. Dies ist im doppelten Sinne zu verstehen: Tatsachen werden hier qua Bild sichtbar gemacht und gleichzeitig erzeugen sie Aufmerksamkeit. Dies wird in der Polychromiedebatte nicht zuletzt im Hinblick auf die im frühen 19. Jahrhundert entwickelte Chromolithografie deutlich, die in Hittorffs Antikenpublikationen eine erste Anwendung fand und welche die verlorene Vielfarbigkeit des Altertums einprägsam in die Welt des Augenscheins zurückholte. Der Farbdruck war eine Wissensvisualisierung, die in einer bis dato weitgehend farblosen Architekturpublizistik zugleich zum neuen Aufmerksamkeitsgaranten wurde. Wissensvisualisierung ist beim Atlas eine Frage des Großformats. Zum einen bietet die Foliogröße eine adäquate Maßstäblichkeit (Rückenhöhe circa 40–50 cm) für die Darstellung von Architektur als Monumentalkunst, zum anderen verleiht sie dem Dargestellten Verbindlichkeit. Der hohe Arbeits- und Kostenaufwand bei der Herstellung von Bildatlanten, dem in der Bauarchäologie des 19. Jahrhunderts langwierige Studienreisen und Materialauswertungen vorausgingen, zielt für sich auf eine longue durée der präsentierten Ergebnisse. Anders als periodisch erscheinende Zeitschriften, die auf rasche Wissensvermittlung (des Neuen) zielen, leistet der Atlas seinen Dienst am Festschreiben von Kenntnissen und Thesen. Im Vergleich zum illustrierten Traktat, wo Holzschnitt und Drucksatz gemischt sind, setzt der Bildatlas drucktechnisch auf die Separierung von Bildtafeln (in Kupfer) und Text (im Bleisatz). Damit räumt der Atlas dem gestochenen Bild einen eigenen Platz, d. h. eine eigene Buchseite ein – ein Umstand, der das Augenprimat dieser 121 Den Anspruch formulierte Hittorff selbst im Vorwort seiner Restitution du Temple d’Empédocle: „Les hommes les plus éminents ont cessé d’ailleurs de regarder la science de l’archéologie comme accessible aux seuls érudits“; Hittorff 1851, S. XII. 122 Die folgend entwickelte Perspektive der Medienabhängigkeit von Äußerungsformen folgt Marshall McLuhan 1970 und Gumbrecht/Pfeiffer 1988; erweitert ist sie um neuere bildwissenschaftliche und mediensoziologische Ansätze; vgl. Stephan Günzel u. Dieter Mersch (Hrsg.): Bild. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart 2014 sowie Georg Franck: Mentaler Kapitalismus. Eine politische Ökonomie des Geistes. München 2017. 123 Vgl. Henning Wendland: Die Buchillustration von den Frühdrucken bis zur Gegenwart. Stuttgart 1987. S. 5 f.

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Buchgattung begründet.124 Als erster Atlas, der Text und Bild drucktechnisch vollständig trennte, gilt Sebastiano Serlios Libro extraordinario, erschienen Lyon 1551; ein Korpuswerk, das Portalentwürfe vereint.125 Der Kupferstich und seit dem frühen 19. Jahrhundert die Lithografie boten (anders als der Holzschnitt) die nötige technische Präzision für die mediale Übersetzung gezeichneter Vorlagen. Das gedruckte Bild wird bis auf die Legenden von Text freigehalten. Für den Bildatlas gilt, dass er das Primat von Auge und Augenschein drucktechnisch, also materiell, generiert. Der Text tritt demgegenüber als Kommentar in die zweite Reihe zurück. Die besonders aufwendige Editionsform, bei der Bild- und Textteil in separierten Bänden erscheinen, charakterisiert den Atlas besonders im 19. Jahrhundert. Dabei wurden Bild und Text in dem je adäquaten Medium veröffentlicht: Der Tafelband im anschaulichen Großformat (Folio), der Textband im kleinen Handbuch-Format (Quart). Dies ist auch bei Hittorffs Restitution du Temple d’Empédocle à Sélinonte von 1851 der Fall. In dieser Gestalt ist der als Bildatlas im engeren Sinne verselbständigte Bildband eine Teilpublikation. Das ist die eine kostspielige, verstärkt auf Bildevidenz setzende Publikationsform. Die andere bringt hingegen Tafeln und Text zwischen zwei gemeinsame Buchdeckel. Dies geschah vorzugsweise im mittleren Folioformat, das einen Kompromiss zwischen den Darstellungsbedürfnissen von Bild und Text bedeutete.126 Hittorffs Studien zum Empedokles-Tempel in Selinunt, die in seinem Opus magnum von 1851 ihren Abschluss fanden, haben eine längere Vorgeschichte. Sie datieren in die Studienjahre zurück, als Hittorff 1823, wie geschildert, gemeinsam mit seinem Schüler Karl Ludwig von Zanth seine Sizilienforschungen betrieb, deren Kollektaneen vier Jahre später, 1827, in die bei Paul Renouard in Paris erschiene Architecture antique de la Sicile eingingen. Der Band zeigt sich in seiner Anlage den älteren Recueils d’Italie verpflichtet, welche die Bauten einer Region Italiens in Ansicht, Grundriss, Schnitt und Detailwiedergaben geordnet präsentierten.127 Gleichzeitig hatten Hittorff und Zanth ihre Italienreise dem neuen dezidierten Tatsachen-

124 Hinweise zum Verhältnis von Bilddruck und Visualprimat im Architekturtraktat bei Christof Thoenes: Einführung. In: Architektur-Theorie von der Renaissance bis zur Gegenwart. Köln 2003. S. 8–19 und speziell zum Bildatlas bei Daniela Mondini: Mittelalter im Bild. Séroux D’Agencourt und die Kunsthistoriographie um 1800. Zürich 2005. S. 233–249. 125 Hélène Lipstadt: Architectural Publications, Competitions, and Exhibitions. In: Architecture and its Image. Four Centuries of Architectural Representation. Works from the Collection of the Canadian Centre for Architecture. Hrsg. von Eve Blau u. Edward Kaufman. Montreal 1989. S. 109–137; hier: S. 115. 126 Im Deutschen ist vorzugsweise die Rede von Tafelwerk, im Englischen von „album“, im Französischen indes von „recueil“, aber auch von „atlas“. Zum Bildatlas allgemein Georges Didi-Huberman: Album vs. Atlas (Malraux vs. Warburg). In: Album. Organisationsform narrativer Kohärenz. Hrsg. von Anke Kramer u. Annegret Pelz. Göttingen 2013. S. 59–73. 127 Vgl. Garric 2004.

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und Realieninteresse unterstellt.128 Vor Ort trugen sie mit Hilfe des Architekten Wilhelm Stier zahllose Material- und Formproben zusammen, die in Kisten verpackt nach Paris gelangten. Das veränderte Forschungsparadigma spiegelt sich sehr anschaulich in Hittorffs ‚Antiken‘-Sammlung selbst. Diese konstituierte sich nicht (mehr) aus ästhetischen Stücken, sondern aus Dachziegeln, Terrakottafiguren, Metallklammern, Vergussresten, Dübeln sowie zahlreichen Proben von Marmor, kolorierten Stuck- und Wandputzresten. Sie beinhaltete also Funde, die über Bautechnik, Oberflächenbehandlung, Farbigkeit der verschwundenen Gebäude Auskunft gaben.129 Vor diesem Hintergrund erscheinen die genau vermaßten und kotierten Tafeln des Sizilienwerks als Präzisionsbilder, deren Hervorbringung Verfahren voraussetzte, die im Atlas selbst unsichtbar bleiben. Die akribische Autopsie und präzise Auswertung der archäologischen Funde haben Hittorff und Zanth jene Farbreste entdecken lassen, die den reisenden Antiquaren zuvor noch entgangen waren. Das machte ihre Studienreise zu einer gewissen Sensation, der Hittorff durch drei farbige Detailrekonstruktionen (Tafel XVII, XL und XLVII) im noch jungen Farbdruckverfahren der Chromolithografie Ausdruck verlieh. Eine der Farbrekonstruktionen ist dem Gebälk des Tempel B in Selinunt gewidmet (Abb. 15). Gleichwohl konzentrierte sich das Interesse an diesem nur rudimentär erhaltenen Tempel auf die architektonische Rekonstruktion der Fassade, während die Gebälkansicht trotz ihrer farbigen Aureole ein zweitrangiges Element blieb. Die Publikation der Sizilienfunde brach nach acht Heftlieferungen und 49 Tafeln jäh ab. Sie umfasst die Altertümer von Segesta und Selinunt, blieb aber ohne den Textteil und die Tafeln zu Agrigent. Als Grund führte Hittorff die Juli-Revolution von 1830 an, die ihm den ökonomischen Rückhalt entzog und eine berufliche Neuorientierung aufnötigte.130 Hittorff löste aus dem Sizilienwerk die Farbrekonstruktionen des Empedokles-Tempels Preziosen gleich heraus und machte sie zur Grundlage seiner späteren Restitution du Temple d’Empédocle à Sélinonte. Dabei erfuhren die früheren Ergebnisse in dem 1851 separat gedruckten ganzfarbigen Bildatlas (in Folio) und dem voluminösen Textband von rund 800 Seiten Umfang (in Quart) eine immense mediale Aufrüstung. Hittorff widmete sich 20 Jahre lang der Ausarbeitung von Argumenten und der Ergänzung von Detailrekonstruktionen, die der Entde-

128 Hierzu Hittorffs Exaktheitsanspruch: „Le principal but de mon voyage en Sicile ayant été de me livrer à une étude rigoureuse et à des recherches approfondies sur l’architecture antique de cette île célèbre. … Il nous fut facile de nous convaincre, pendant toute la durée de nos travaux, combien les ouvrages publiés sur la Sicile ancienne étaient incomplets, incorrects, et surtout peu propres à donner une juste idée de ses monumens“. Hittorff/Zanth 1827 Prospectus [unpaginiert]. 129 Vgl. Hesberg/Berger/Doepner/Hinz/Naumann-Steckner 1992. – Zu Hittorffs ganz analogen, empirischen Verfahren im Rahmen einer geplanten Pompeji-Publikation Michael Kiene: Hittorffs Farbproben aus Pompeji und sein Projekt einer französisch-deutschen Pompeji-Edition. In: Polychromie & Wissen. Hrsg. von Uta Hassler. München 2019. S. 60–75. 130 Vgl. Jakob Ignaz Hittorff u. Ludwig von Zanth: Recueil des monuments de Ségeste et de Sélinonte. Hrsg. von Charles-Joseph Hittorff. Paris 1870. S. IXf.

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ckung von Farbresten am Empedokles-Tempel eine visuelle und publizistische Vergrößerung verliehen – und zwar ohne dass dieser gewaltige Blow up andere Einsichten als bereits die Veröffentlichungen von 1827 und 1830 befördert hätte. Soziologisch gesprochen stellt sich der Bildatlas von 1851 als Differenzerzeuger dar, nicht zuletzt gegenüber der Philologie. Hittorffs Hauptgegner im Polychromiestreit, der Altphilologe Desiré Raoul-Rochette, veröffentlichte seine Zeitschriftenartikel und Monographien (im Quart-Format) weitgehend ohne Illustrationen, womit Thesen und Argumente schlechterdings ‚unsichtbar‘ blieben.131 Auch deshalb nimmt die Architekturforschung noch heute von Raoul-Rochette kaum Notiz: Er ist so unscheinbar geblieben wie seine Thesen. Dabei trennen Hittorffs und Raoul-Rochettes Positionen nur Quisquilien. Vielmehr ging es um die Besetzung jener Leerstelle im Wissenschaftsfeld, welche die Verabschiedung Winckelmanns hinterlassen hatte.132 Im Wettstreit um wissenschaftliche Geltungsansprüche und Deutungshoheiten drängten Sichtbarkeit und Auffälligkeit als Distinktionswerte verstärkt an die Stelle der Stichhaltigkeit von Befunden und der Plausibilität von Argumenten. Dass Hittorffs Publikation von 1851 Evidenzqualitäten besaß, macht die bereits referierte Aussage des Secretaire perpétuel der Académie des beaux-arts, Charles-Ernest Beulé, am Grabe von Hittorff deutlich, der die Restitution du Temple d’Empédocle zum Siegesmonument auf dem Schlachtfeld des Polychromiestreits erhob.133 Beulé erklärte Hittorff kurzerhand zum Entdecker der Polychromie selbst: „Hittorff, le premier, l’avait [die Polychromie] proclamée; il a attaché son nom à sa découverte“.134 Beulés Aussage trennt nicht mehr scharf zwischen dem Akt der Entdeckung der Polychromie und dem Erfolg ihrer medialen ‚Proklamation‘. Unter diesen Umständen lässt sich das neue Verhältnis von Bauarchäologie und Architektur im 19. Jahrhundert auch so deuten, dass sich die bildmächtigere Wissenschaft als herrschende Lehre durchsetzte. Macht der Bildatlas aus der Bauarchäologie eine sichtbare Wissenschaft, bezeugt er zugleich seine Nähe zu den Naturwissenschaften. Besonders frappant ist die Nähe zur Anatomie. Denn gleich dem Anatom, der den menschlichen Körper zergliedert, also seine Ganzheit in Einzelteile und Einzelbeobachtungen auflöst, um sie anschließend auf dem Papier bildlich zu einem Ganzen zu reorganisieren,135 verfährt

131 Vgl. Raoul-Rochette 1833 und Ders.: Peintures antiques inédites précédées de recherches sur l’emploi de la peinture dans la décoration des édifices sacrés et publics chez les Grecs et chez les Romains, faisant suite aux Monument inédits. Paris 1836. 132 Symptomatisch ist das Resümee von Philipp 2003, S. 32, dass sich Gottfried Semper und Franz Theodor Kugler im Rahmen der Polychromiedebatte „bis über die fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus einen erbitterten Kampf lieferten“, der „angesichts der von beiden in Frage gestellten und in ihren Grundfesten widerlegten Doktrin unverständlich“ anmutet. 133 Beulé 1868; wiedergegeben in: Hoffrath/Kiene 2020, S. 118. 134 Hoffrath/Kiene 2020, S. 118. 135 Zum komplementären Verfahren von Analyse und Synthese in der Anatomie vgl. Martin Clayton u. Ron Philo: Leonardo da Vinci Anatomist. Ausstellungskat. London 2012. S. 7–29.

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der Bauarchäologe, der Fundstücke, die ihre Einordung ins Ganze verloren haben, über die zeichnerische Rekonstruktion erneut in einem Architekturbild aufgehen lässt und dabei das zuvor unsichtbare Faktum (er)schafft. Für die archäologische Faktenerzeugung spielt eine gewichtige Rolle, dass fehlende Befunde und Wissenslücken aus der inneren Logik des Gebäudes und der Baukunst abgeleitet und hinzugefügt werden müssen.136 Wo die bruchstückhafte Überlieferung und die materiale Leer- und Fehlstelle Kontingenz erzeugten, sollten Systematik und Logik diese wiederum minimieren. Das bildgebende Rekonstruktionsverfahren stand dabei vor einer doppelten Herausforderung. Es sollte auf der einen Seite das Unsichtbare (die verlorene Antike) visualisieren und versinnlichen und auf der anderen Seite suggerieren, dies so kontrolliert zu tun, dass dabei zwar von der Einbildungskraft Gebrauch gemacht wurde, ohne aber deren Fiktionskraft zum Opfer zu fallen.137 Das bildtheoretische Problem kann hier auf jene Überlegungen beschränkt werden, die sich in der Bauarchäologie um 1800 diskursiv entfalteten, namentlich in Antoine-Chrysostome Quatremère de Quincys methodischer Grundlegung des Restitutionsverfahrens. Die Wiederherstellung („restitution“) sollte erlauben, archäologische Befunde und schriftliche Überlieferungen durch Analogie und Vergleich in ein mediologisch geregeltes Rekonstruktionsverfahren zu überführen. Mustergültig und folgenreich hat dies der Archäologe in seinem monumentalen Bild- und Textband Le Jupiter Olympien, ou l’art de la sculpture antique considéré sous un nouveau point de vue, erschienen Paris 1814, vorgeführt. Quatremère de Quincys Versuch galt der Rekonstituierung eines Hauptwerkes der griechischen Kunst, der verlorenen chryselefantinen Monumentalstatue des thronenden Zeus aus dem Zeus-Tempel in Olympia, einem Werk des Phidias.138 Mit Hilfe der schriftlichen Überlieferung (vor allem Pausanias) und der Rezeption des Werks in der Kunst der Römer sollte die verlorene Zeus-Statue in die Welt der Anschaulichkeit zurückgeholt werden. Wo die Überliefe-

136 Einen instruktiven Einblick in Hittorffs Faktenfabrik gibt auch folgender Brief vom 18.7.1827 an den Gräzisten Karl Benedikt Hase in Paris: „Erlauben Sie mir werthester Herr Professor, Ihre Güte in Anspruch zu nehmen, um mir einen Dienst zu leisten, welchen Sie allein meinem Zwecke genügend mir leisten könnten. Ich habe einen kleinen von mir entdeckten Tempel, welcher wohl ein Heroon gewesen seyn mag, in meiner Herausgabe der Sizilianischen Alterthümer ergänzt u selben mit der Statue des Empedokles ausgeziert, welcher von den Einwohnern dieser Stadt vergöttert worden sein soll. Vor dieser Statue nun stelle ich einen Altar auf u auf diesem wünschte ich in dorischem Styl u in griechischen Worten ohngefähr folgende Dedication ausgedrückt zu sehen: ‚dem vergötterten Empedokles die Einwohner von Selinunt‘. Wollten Sie nun die Güte haben, mir diese Inschrift zu geben, würden Sie mich sehr verbinden. Auf Ihre Freundschaft rechnend warte ich auf ein Wörtchen Antwort u bin u verbleibe der Eure Diener und Freund Hittorff, Rue Coquenard No 32“; Weimar, GSA, 108/1175. 137 Zur Problematik der Einbildungskraft in der Geschichte der Naturwissenschaften vgl. Lorraine Daston: Wunder, Beweise und Tatsachen. Zur Geschichte der Rationalität. Frankfurt/M. 2001. S. 99– 125. 138 Vgl. Tom Flynn: Amending the Myth of Phidias. Quatremère de Quincy and the NineteenthCentury Revival of Chryselephantine Sculpture. In: Apollo 145 (1997). S. 6–10.

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rung die Anschauung nicht mehr zu leisten vermochte, ließ sich, so Quatremère de Quincy, die „imagination“, die Einbildungskraft, zu Hilfe nehmen. Kontrollierbar sei die „imagination“ durch ein streng systematisches Vergleichs- und Analogieverfahren, das die glaubwürdige Wiederherstellung griechischer Kunstwerke garantiere.139 Alle Elemente der Überlieferung „donnèrent encore à mon imagination de nouveaux points d’analogie aves ses statues originales dont j’essayais de retrouver l’idée. Je repeuplais ainsi les places, les stades, les gymnases, les temples et les sanctuaires de la Grèce, à Athènes, à Corinthe, à Olympie, à Delphes“.140 Seine Aussage schließt mit einem für den ästhetischen Klassizismus charakteristischen Bild: „J’employais Rome à rétablir la Grèce“,141 – die Kunst der Römer also als Evidenz-Rest eines untergegangenen Hellas. Mit der Restitution des Empedokles-Tempels folgte Hittorff Quatremère de Quincys Beispiel. Das lag auch deshalb nahe, weil Quatremère de Quincys Le Jupiter Olympien die Polychromieforschung eröffnet hatte, die Hittorff nun abzuschließen sich anschickte. Schließlich stellt der Tempel B in Selinunt, an dem er exemplarisch das Farbsystem der griechischen Architektur wiederherzustellen unternahm, für das Rekonstruktionsprinzip von Analogieschluss und Einbildungskraft einen höchst geeigneten Gegenstand dar, weil sich außer den Fundamentresten nur wenige, und wie sich herausstellen sollte, irrig zugewiesene Bauglieder – vor allem die ionischen Kapitelle – erhalten hatten.142 Ausgangspunkt war die Annahme, dass sich in jedem überlieferten Zeugnis ein Detail des Ganzen finden lässt und aus Häufigkeiten die Vorlieben, Verteilungen und letztlich die Gesetzmäßigkeiten des ‚Systems der polychromen Architektur‘ erschließen lassen. Entsprechend habe er sich erlaubt, Analogien aus Indizien und Fragmenten noch so unterschiedlicher Kunstgattungen und auch des Kunsthandwerks für die Rekonstruktion nicht mehr erhaltener Werke der Monumentalarchitektur zu gewinnen. Hittorffs Ansatz lässt sich als Versuch beschreiben, die Vielfalt der Funde unter einen einzigen schlüssigen Sinn zu zwingen und ihren verborgenen Plan, ihre Grammatik, zu entziffern – womit er freilich der Kontigenz der Geschichte eine Logik der Tatsachen unterschob. Im folgenden Absatz fasst Hittorff seine Verfahrensweise zusammen: Conduit dans mes investigations à chercher dans tous les genres de productions antiques, de quoi augmenter les matériaux propres à complèter le système général de l’architecture monumentale des Grecs, j’ai pu me convaincre que les nombreux débris en terre cuite, les peintures 139 Zu einem verwandten Rekonstruktionsverfahren von polychromer, antiker Architektur bei Gottfried Semper vgl. Michael Gnehm: Gottfried Semper et le „sens divinatoire de l’artiste“. In: Revue germanique internationale 26 (2017). S. 143–157, der eine Herleitung von Friedrich Schleiermachers Hermeneutik vornimmt. 140 Antoine-Chrysostôme Quatremère de Quincy: Le Jupiter Olympien, ou l’art de la sculpture antique considéré sous un nuoveau point de vue. Paris 1814. S. VII. 141 Quatremère de Quincy 1814, S. VII. 142 Vgl. Theodorescu 1974, S. 13–16.

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des vases de toutes les époques, les moindres fragments en pierre ou en marbre d’un autel, d’une stèle, ou d’un tombeau, offraient dans leur ensemble, ou leurs détails, les traces irréfragables d’une imitation pour ainsi dire minutieuse des parties essentielles de l’architecture monumentale. Toutes ces productions nous montrent en effet le génie des Grecs, continuellement occupé à orner les objets d’un usage souvent profane ou vulgaire, en y adaptant ce qu’ils pouvaient y transmettre de leurs édifices ou publics ou sacrés; c’est ainsi qu’ils imprimèrent sur le vase en argile la reproduction du couronnement de leurs temples, et que le modeste ouvrage du potier s’embellissait par un reflet des chefs-d’œuvre de l’architecte.143

Die assoziative Logik des Rekonstruktionsverfahrens hat im Bildatlas ein mediales Korrelat (Abb. 15). Hier lassen sich Befundfragmente und Tafeln so arrangieren, dass sie für eine logisch fassbare Zusammenschau taugen. Die archäologischen Fragmente, die auf dem Blatt symmetrisch disponiert sind, erhalten gleichsam die Rolle von Sinninseln, zwischen die der Betrachter (imaginäre) Brücken einziehen kann und die ihm die Fassadenrekonstruktion des Tempels mit seiner auffälligen Mischordnung, die sich auf der Tafelseite davor befindet, plausibel machen können. Die Befundorganisation, die sich als Faktenkette gibt, suggeriert eine logische Herleitung, die keine ist. Es liegt deshalb nicht Objektivität vor, sondern Inszenierung von Objektivität. Diesen Unterschied ums Ganze drängen wiederum die Suggestivität und das Affirmative des Bildes in den Hintergrund. Dass Faktenfabrikation eine mediale Abhängigkeit hat, macht insbesondere die Koinzidenz der Entdeckung der Vielfarbigkeit antiker Architektur und der Entwicklung des (maschinellen) Farbdrucks, der Chromolithografie, deutlich. Die neue leistungsfähige Drucktechnik, die im frühen 19. Jahrhundert Godefroy Engelmann entwickelt hatte und welche die kostspielige Handkolorierung von Druckgraphik ersetzte, bezeichnete Hittorff als eine Erfindung, die ‚wie gerufen‘ kam: „Cet art [die Farblithografie] semble avoir été inventé tout exprès pour permettre la reproduction complète du nouvel élément de la polychrômie“.144 Keine Farbarchäologie ohne Farbdruck also, da die Farbtafeln die Vielfarbigkeit antiker Architektur nicht nur vor Augen führten, sondern mehr noch hervorbrachten. Der Farbdruck beförderte zumal die Entliterarisierung der Altertumswissenschaften, da der Neuanstrich der Antike sich unmittelbar mit dem neuen Medium der Chromolithografie und ihrer (technisch limitierten) Farbpalette (von rund 20 Farben) verband. Der Farbatlas, hier die Restitution du Temple d’Empédocle, gedieh zu jenem Medium, das wissenschaftliche Erkenntnisse in Ästhetik überführte. Was die Monumentalität der Bildatlanten angeht, kommt hinzu, dass sie der Beaux-Arts als Medium der Fixierung ihrer doctrine classique gereichte. Erstaunlich ist nämlich das Paradox, dass die französische Bauarchäologie im 19. Jahrhundert trotz extensiver Forschung und immenser Faktenakkumulation durch einen eigentümli143 Hittorff 1830, S. 269 f. 144 Hittorff 1851, S. XVII. Zu Engelmann, der an Hittorffs Polychromie-Publikationen mitwirkte; vgl. Michael Twyman: A History of Chromolithography. Printed Colour for All. London 2013. S. 97–124 u. 134.

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chen Entwicklungsstillstand gekennzeichnet war. Symptomatisch war dabei folgende Parallelbewegung: Je mehr der hohe Arbeits- und Zeitaufwand, den das Exaktheitsgebot bei der Befundaufnahme und die aufwendige Herstellung des Bildatlanten einforderte, das Publikationstempo verlangsamte, umso mehr wuchsen Geltung und Ansehen der Beaux-Arts und ihrer Absolventen.145 Hittorffs Foliopublikationen lassen sich nicht ohne diesen ‚bichromen‘ Gattungs- und Exzellenzkontext wissenschaftshistorisch verorten. Ziehen wir einige Folgerungen: Der Bildatlas zeigt gleichsam in extremis, welche zentrale Rolle und Tragweite Bildlichkeit in einer bauwissenschaftlichen Abhandlung einnahm. Sein Großformat gestattete zumal die bestmögliche ‚Lesbarkeit‘ von Ansichten, Grund- und Aufrissen sowie Baudetails. Deren Anordnung wiederum eröffnet dem Auge Funktionskontexte und räumliche Ordnungen, die sich der unmittelbaren Anschauung auf weiten Strecken entziehen. Der Atlas ist also Wissensspeicherung und -erzeugung in Einem und dies im Medium des Visuellen. Nun galt besonders für die Antikenrekonstruktion, dass erst Bilder das Verlorene wieder sichtbar machten. Bilder stellen hier ein epistemisches Erkenntnismittel ersten Ranges dar. So sehr sie auch, wie im Falle des von Hittorff rekonstruierten EmpedoklesTempels in Selinunt, letztlich ein Antiken-Phantasma produzierten, suggerierten sie deshalb Faktizität, weil eben Bildlichkeit statt diskursiver Logik zu gehorchen, Evidenz erzeugt, die nicht mehr allererst nach Rechtfertigung und Richtigkeit fragen lässt. Sie ist Setzung, die ihre Vorbedingungen außen vor lässt.146 Für unseren Kontext ist von besonderem Interesse, dass die erhöhte Sichtbarkeit der wissenschaftlichen Ergebnisse nicht zuletzt der Sichtbarkeit des Architekten zugute kam. Der Bildatlas wird zum Aufmerksamkeitsgaranten seines Autors. Nicht umsonst sollte Hittorff ein Leben lang unermüdlich und unter hohem Einsatz von Zeit und Geld in die Erarbeitung und Publikation seiner Atlanten investieren. Schließlich ist der großformatige Bildatlas ein Medium der ‚Schwere‘, in dem sich Reflexion, Kommunikation und Speicherung zwar vollziehen, sich aber mehr noch auf Dauer und damit still stellen. Seine Monumentalität macht ihn zum Medium des Affirmativen. Mit Marshall McLuhan gilt es für ausgemacht, dass Ideen mit der materiellen Beschaffenheit ihrer Medien korellieren.147 Trifft dies zu, dann dürfte der im 19. Jahrhundert zunehmend gewichtigere Atlas für die Bauarchäologie auch kein Faktor der diskursiven Dynamisierung und Mobilisierung (mehr) gewesen sein. Vielmehr haben die École und die Académie des beaux-arts mit seiner Hilfe ihren Kanon, ihre Ansprüche und ihren Elitismus festzementiert. 145 Der Bildatlas ist dabei nur ein bezeichnendes Element einer bis weit in das 20. Jahrhundert hinein nachweisbaren Verweigerung der École des beaux-arts, sich an das Tempo einer (beschleunigten) Moderne anzupassen; vgl. Salvatore Pisani: „Nos architectes“. Die Architektenprofession im Frankreich des 19. und 20. Jahrhunderts. In: Der Architekt – Geschichte und Gegenwart eines Berufsstandes. Hrsg. von Winfried Nerdinger. Ausstellungskat. München 2012. Bd. 1. S. 168–179. 146 Vgl. Mersch 2006. 147 McLuhan 1970, S. 18–30.

Architekt des Juste Milieu Die „1830er Katastrophe“. Karriereknick und Neuanfang „Das Julikönigtum ist, mit einem Wort, eine Periode des Eklektizismus, der Kompromisse, der Mitte – wenn auch nicht gerade der ‚richtigen‘, wie Louis-Philippe sie bezeichnet und wie sie nun bald zustimmend, bald ironisch von aller Welt genannt wird“. Arnold Hauser: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur. München 1953.1

Die Julirevolution von 1830 war für Hittorff in vielerlei Hinsicht ein einschneidendes Ereignis. So verlor er mit dem Ende der Bourbonendynastie und der Auflösung der Menus Plaisirs du Roi seine angesehene Anstellung als Architekt des Königshauses. Dem abrupten Karriereknick folgte zwei Jahre später, 1832, jedoch bereits seine Bestallung als architecte de la ville de Paris, was sich dem Innenminister Adolphe Thiers verdankte.2 Thiers vertraute Hittorff die anspruchsvolle Aufgabe der Neugestaltung der Place de la Concorde und der Champs-Élysées-Promenade an. Der kommunale Posten mochte aus Hittorffs Sicht zunächst als Statusverlust erscheinen, doch bescherte er ihm eine beachtliche Zahl von anspruchsvollen Großaufträgen (grandes commandes). So wurde die Ville de Paris bis weit ins Zweite Kaiserreich hinein Hittorffs wichtigster Arbeitgeber. In ihrem Dienst übernahm er die Planung, Bauleitung und Ausstattung der Kirche Saint-Vincent-de-Paul (ab 1831), die Randbebauung der Place de l’Étoile (1853) und die Errichtung der beiden Mairie-Gebäude des IV. (1857–1860) und des XII. (1844–1850) Arrondissements (heute I. und V. ). Die Projekte zogen eine nicht unbeachtliche Anzahl von privaten Anschlussaufträgen nach sich. Hierzu gehörten die Planung und Ausführung von Freizeit- und Restaurantbauten auf den Champs-Élysées, ein Winterzirkus auf dem Boulevard des Filles du Calvaire, die Errichtung der Erziehungsanstalt Eugène Napoléon (1853–1857), der Entwurf eines Ausstellungsgebäudes für die Weltausstellung von 1855 und der Bau der Gare du Nord (ab 1860). Die Aufträge umfassten also zentrale Großstadtthemen der Zeit: Platz- und Parkgestaltung, Rathäuser, Vergnügungsarchitektur, Bahnhofsund Hallenbau. Eng damit verbunden war die Auseinandersetzung mit den neuen Baustoffen Glas und Eisen, die vor allem die Architekten der Beaux-Arts-Schule vor bislang nicht gekannte technische Probleme stellten, umgekehrt aber auch neue Möglichkeitsräume eröffneten. Der neue Aufgabenbereich und die neuen Herausforderungen bedeuteten einen markanten Sprung gleichsam mitten in die Welt von Industrie und Technik. Mit der Bühnenerweiterung hatte Hittorff neue Kompetenzen zu entwickeln, obenan kreative Flexibilität und soziale Ubiquität, wie es die neuen Marktgesetze einforderten.

1 Hier nach Arnold Hauser: Sozialgeschichte der Kunst und Literatur. München 1972. S. 718. 2 Vgl. Jean-Marie Bruson: La place de la Concorde. In: Hittorff (1792–1867) un architecte du XIXème. Ausstellungskat. Paris 1986/87. S. 75–109; hier: S. 79. https://doi.org/10.1515/9783110733044-005

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Hittorff hat die Julirevolution trotz des glanzvollen Neustarts als Architekt der Ville de Paris noch lange als tiefe lebensgeschichtliche Zäsur beschrieben. Für den Karriereknick von 1830 fand er fünf Jahre später in einem Brief an den Freund Sulpiz Boisserée nur ein einziges Wort: „Katastrophe“.3 Hittorffs Schreiben lässt auch durchblicken, worin die radikale Wende bestanden hatte. Auffälligerweise nicht im Verlust der ökonomischen Basis.4 Denn der Hofposten hatte es ihm erlaubt, sich ein beachtliches wirtschaftliches Fundament zu legen, auch bestanden einzelne lukrative Arbeitsverhältnisse weiter oder fanden einen schnellen Anschluss.5 In Hittorffs brieflichen Äußerungen scheinen indes vor allem die Einbußen von Privilegien schmerzlich auf, die das Hofamt gewährt hatte. So hatte die Hofanstellung ausgedehnte Studienreisen, die Frequentation gehobener gesellschaftlicher Kreise und nicht zuletzt die Veröffentlichung publikumswirksamer Tafelbände erlaubt; Privilegien, die nicht zuletzt zentrale Statusfragen berührten. Symptomatisch ist auch eine Äußerung am 15. September 1831 gegenüber dem dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen, dass er es nämlich bedauere, im Jahr zuvor nicht nach Rom und Sizilien gereist zu sein und dass die „unerwarteten Weltbegebenheiten … diese schönen Hoffnungen zu nichte gemacht“ hatten.6 Zwei Jahre später konnte er in seinem an der Akademie in Berlin eingereichten Curriculum vitae nicht umhin, das „beinahe fertig[e]“ Tafelwerk für die Königsfeierlichkeiten Karls X. zu erwähnen, welches „durch die Ereignisse des Jahres 1830 unterbrochen wurde“.7 Diese Details mögen angesichts dessen, dass die neuen Verhältnisse Hittorffs Karriere nachhaltig befördeten, marginal anmuten. Hittorffs Klagelied stand indes ganz im Einklang mit jenem der breiten Mehrheit der Künstler und Literaten, die wie er noch lange der verlorenen mäzenatischen Nähe des Königshauses nachtrauerten. Zeitspezifisch ist die Aussage des Kunstkritikers Auguste Jal: „La restauration fut

3 So Hittorff in einem Brief vom 26.2.1835 an Sulpiz Boisserée in München; Köln, HAS, Nachlass Boisserée, 1018–A 143, Hittorff Nr. 14. Hierzu im Folgenden ausführlicher. 4 Es finden sich in Hittorffs schriftlichen Zeugnissen Erklärungen, dass die finanzielle Lage nach 1830 seine kostspieligen Publikationsvorhaben beeinträchtigte. Im Vorwort der Restitution (1851, S. VIII) begründete er die Nichtvollendung der Architecture antique de la Sicile mit seiner Finanzlage ab 1830. Andererseits vollendete er 1835 die Architecture moderne de la Sicile, die er, wie ausgeführt, parallel zu publizieren begann – was eher auf einen Planwechsel innerhalb seiner antiquarischen Publikationsoffensive hindeutet. 5 In seinem für die Aufnahme an der Königlichen Akademie der Schönen Künste zu Berlin am 2. Dezember 1833 eingereichten Lebenslauf heißt es dazu: „Nach der letzten Revolution verlor ich meine Stelle als Architekt des Königs, doch behielt ich meinen Anteil als Mitarbeiter meines Schwiegervaters Lepère bei der Erbauung einer der größten modernen Kirchen, Saint-Vincent-de-Paul, zu Paris“. Berlin, AAK; abgedruckt in Hoffrath/Kiene 2020, S 76. 6 Brief vom 15.9.1831 von Hittorff an Thorwaldsen in Rom; Kopenhagen, TM [ohne Bestandssignatur]. 7 Lebenslauf Hittorffs vom 2.12.1833 an die Königliche Akademie der schönen Künste zu Berlin; Berlin, AAK [ohne Bestandssignatur].

Die „1830er Katastrophe“. Karriereknick und Neuanfang

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pour les artistes et les gens de lettres une époque de bonheur“.8 Denn die neue Situation unter der mäzenatisch weniger engagierten Julimonarchie nötigte der Künstlerund Architektenschaft einen Emanzipationsprozess auf, der zunächst Ohnmacht bedeutete, besonders gegenüber den neuen, schwer abwägbaren liberalen Marktrealitäten und unvertrauten Produktions- und Rezeptionsbedingungen einer sich rasch diversifizierenden Gesellschaft.9 Auch wenn sich Hittorffs private Aussagen in das allgemeine Klima depressiver Diagnostik gut einfügen, dürfte Hittorff die „Katastrophe“ von 1830 allenfalls in der Frühphase der Julimonarchie als professionelle und private Krise erfahren haben. Denn mit der Ernennung 1832 zum architecte-en-chef der Place de la Concorde und der Champs-Élysées, mit der er nicht zuletzt in die Kaste der französischen Funktionselite aufstieg, fasste er im Gegensatz zu vielen anderen bald wieder Fuß in mehr als nur ansehnlichen Verhältnissen. Denn so bitter ihn die Degradierung vom Hof- zum Munizipalarchitekten auch traf, so rasch blickte er doch wieder auf eine stattliche Serie beruflicher Erfolge, die er dem Freund Sulpiz Boisserée in München am 26. Februar 1835 ausführlichst darzulegen nicht versäumte. Die gehobene städtische Anstellung, mit der die Planung und Leitung der Arbeiten im gerade neu entstehenden Westen von Paris sowie der Kirche Saint-Vincentde-Paul verbunden waren, seine neu gegründete Firma für den Vertrieb von emaillierten Lavaprodukten sowie die zentrale Rolle in der öffentlichen Kontroverse um die Frage der Vielfarbigkeit antiker Architektur – davon handelte der lange Brief – standen im Jahre 1835 für eine zu diesem Zeitpunkt schwerlich zu unterschätzende Position eines Architekten, dessen politisch bedingter Karriereknick nur kurze Zeit zurücklag. In dem betreffenden Brief an Boisserée schloss Hittorff mit der Evozierung seines sich neu eingestellten häuslichen Glücks: „Meine beiden Kinder sind wohl, mein Knabe [Charles-Joseph Hittorff] ist ein Junge von 9 Jahren, welcher seit 1832 unter einem deutschen Instruktoren, den ich aus Stuttgart kommen ließ, arbeitet und ziemliche Fortschritte macht. Meine Tochter [Elisabeth Hittorff] ist ein gesundes frisches Mädchen von noch nicht 3 Jahren. Du siehst, wenn auch die 1830er Katastrophe mich heimsuchte, so genieße ich doch bis jetzt ein häusliches Glück, 8 August Jal: Souvenirs d’un homme des lettres (1795–1873). Paris 1877. S. 522 f.; zitiert nach MarieClaude Chaudonneret: L’état et les artistes. De la Restauration à la monarchie de Juillet (1815–1833). Paris 1999. S. 217. Den Verlust des mäzenatischen Schutzes beklagt 1834 mit deutlichen Worten auch Honoré Balzac: „Nos livres ne se vendent pas aussi cher que se vendaient les livres avant la Révolution; et, avant la Révolution, sur douze écrivains, sept recevaient des pensions considérables payées ou par des souverains étrangers, ou par la Cour, ou par le gouvernement“; zitiert in John Lough: Writer and Public in France from the Middle Ages to the Present Day. Oxford 1978. S. 302. Den künstlerischen Rangverlust im frühen 19. Jahrhundert reflektiert zumal die Troubadour-Malerei, die sich einem nostalgisch rückwärtsgewandten Künstlerkult hingab; vgl. François Pupil: Le Style Trobadour. Nancy 1985. S. 364–377 u. 423–426, Janet Cox-Rearick: Imagining the Renaissance. The Nineteenth-Century Cult of François I as Patron of Art. In: Renaissance Quaterly 50 (1997). S. 207–250 sowie Oskar Bätschmann: Ausstellungskünstler. Kult und Karriere im modernen Kunstsystem. Köln 1997. S. 78–81. 9 Vgl. Robert Hervé (Hrsg.): Le mécénat du Duc d’Orléans, 1830–1842. Paris 1993.

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welches nicht größer sein kann und wofür ich dem Allmächtigen danken muß“.10 Wer sein Familienglück so betont, hatte das Leben längst wieder mit einem sicheren Geländer eingehegt, was den Verlust von höfischen Privilegien und Schmeicheleien gut aufwog. Hittorffs Schreiben ist freilich Zeile für Zeile Selbstdarstellung. Denn wenn er sein Leben in der Kapitale Frankreichs, die ihre eigenen Strategien des Erfolgs und der Konfliktlösungen forderte, als insgesamt geglückte Krisenbewältigung erscheinen ließ, dann zeichnete er den Karriereverlauf seit den Tagen der Julirevolution als einen Aufstieg vom Dunkel zum Licht nach. Mit dieser Darstellungsweise, die dem Briefempfänger die Differenz zwischen schicksalhaft erlittenem Tiefpunkt und neu erarbeiteter Lebenshöhe in ihrer ganzen Spannweite messbar vor Augen führen musste, rückten trotz aller Danksagung an den „Allmächtigen“ auch die zugrundeliegenden Voraussetzungen für die erneute rasche Konsolidierung seiner Karriere in den Vordergrund, nämlich Arbeit und Fleiß. Ein gesichertes Familiendasein bedeutete um 1835, d. h. nach den Turbulenzen und Erschütterungen der Julirevolution, zunächst die Festlegung auf eine Position der kalmierten Mitte, was nicht von ungefähr mit der Programmatik der Bürgermonarchie korrelierte, für deren soziopolitische Architektur Hittorff ‚große‘ Entwürfe erarbeitete.

Die zwei Gesichter der Julimonarchie Mit der Ernennung von Claude-Philibert Barthelot Comte de Rambuteau am 21. Juni 1833 zum Präfekten des Seine-Départments begann für die Kapitale Frankreichs eine Phase umfassender urbanistischer Veränderungen.11 Die Sanierungsarbeiten – und das ist für ihre Beurteilung entscheidend – vollzogen sich vor dem Hintergrund der schweren politischen und sozialen Unruhen der ersten Regierungsjahre. Rambuteau hat in der Rückschau die von ihm initiierte Sanierungs- und Verschönerungskampagne ins Zeichen von Beruhigung und Ablenkung gestellt. In seinen Memoiren heißt es dazu: Les Parisiens sont comme les enfants; il faut sans cesse leur occuper l’esprit, et, si l’on ne veut pas leur donner tous les mois un bulletin de bataille ou une constitution tous les ans, il est bon de leur offrir tous les jours quelques travaux à visiter, quelques projets d’embellissement: c’est une soupape à leur besoin de nouveauté, à leur tempérament frondeur, à leurs discussions. … Je cherchai donc à la fois le bien et la distraction de Paris, dans la réfection des monuments, le

10 Brief vom 26.2.1835 von Hittorff an Sulpiz Boisserée in München; Köln, HAS, Nachlass Boisserée, 1018–A 143. 11 Zur Stadtentwicklung von Paris unter Rambuteau vgl. Jean-Marc Leri: Les travaux parisiens sous le préfet Rambuteau. In: Cahiers du centre de recherches et d’étude sur Paris et l’Ile-de-France 18 (1987). S. 203–213; Bernard Rouleau: Paris. Histoire d’un espace. Tours 1997. S. 321–329 und Pierre Pinon: Paris, biographie d’une capitale. Paris 1999. S. 177–180.

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percement des rues, les plantations, jardins, bals, fêtes, créations de toutes sortes, tant d’utilité publique que d’agrément.12

Wenn Rambuteau die unmittelbaren politischen Auslöser des Maßnahmenkatalogs zu nennen unterließ, heißt dies keineswegs, dass seine Aussagen an den Realitäten vorbeigingen. Denn tatsächlich setzte die Stadt Paris nicht auf eine politisch imprägnierte Denkmäler- und Baupolitik, sondern auf eine tiefergehende Stadtmelioration. Hierzu gehörten die Neugestaltung der Place de la Concorde als Ort des Flanierens und die Umgestaltung des Champs-Élysées-Parks zum neuen Vergnügungszentrum von Paris. Bezeichnend für die Julimonarchie ist also, dass sie mit einem prononciert unpolitischen Bauprogramm in den politischen Raum ausgriff. Schlagwortartig formuliert lautete das Konzept: Diskrete Ordnungs- statt demonstrative Bild- und Denkmälerpolitik. Eine solche unpolitische Politik zielte, gemäß den Worten Rambuteaus, auf Abfederung der politischen Krise und der sozialen und urbanistischen Missstände, die im ersten Jahrfünft der Bürgermonarchie die Stadthäupter und die Regierung in Atem hielten. In der Julimonarchie standen Licht und Schatten dicht nebeneinander. Auf der einen Seite die Ausgestaltung der Place de la Concorde und der Champs-Élysées zu prachtvollen Orten gesellschaftlicher Begegnung und Freizeit. Hier traf sich das Pariser Highlife, hier entstand das Prosperitätssymbol der ersten Jahrhunderhälfte. Auf der anderen Seite ließ die Vernachlässigung des plebejischen und allerärmsten Paris weite Zonen des städtischen Zentrums zu Elendsquartieren herabsinken. Die Eindrücke, die Paris unter Louis-Philippe vermittelte, waren je nach sozialer Zugehörigkeit sehr verschieden. Hier die Prekarität breiter Bevölkerungsteile, dort die Prachtentfaltung des Juste Milieu.13 Die neue soziale Mitte Frankreichs hatte dann der Munizipalarchitekt Félix Pigeory vor Augen, der zu Ende der Julimonarchie nicht ohne Emphase befand: „Une ère nuovelle vient de s’ouvrir pour l’architecture, et lui rend la place qu’elle avait perdue“.14 Dies war aber nur die eine Seite der Medaille, eben jene der Architekten. Auf der anderen Seite standen Politik und Medizin. Es gilt vor ihrer Kontrastfolie die Stadtverschönerungen Rambuteaus zu betrachten. 12 [Claude-Philibert Barthelot de Rambuteau:] Mémoires du comte de Rambuteau publiés par son petit-fils. Paris 1905. S. 269 f. 13 Der Ausdruck „Juste Milieu“ steht als Quellenbegriff in Bezug zu Politik, Gesellschaft und Ästhetik. In dieser Breite verwendet von Heinrich Heine in seinen Beschreibungen der Französischen Zustände; vgl. Ders.: Historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke. Hrsg. von Manfred Windfuhr. Bd. 12/1: Französische Maler. Französische Zustände. Über die französische Bühne. Hamburg 1980. S. 54, 59, 112, 121. Auf dieser Linie auch Hauser 1972, S. 758 f. Eine Studie, die ästhetische und soziopolitische Parameter des Juste Milieu am Beispiel des Malers Paul Delaroche verknüpft, liefert Olivier Deshayes: Paul Delaroche peintre du Juste Milieu? (1797–1856). Paris 2016. Zur Anatomie von Frankreichs Notablenschicht nach den soziopolitischen Neujustierungen von 1830 vgl. Heinz-Gerhard Haupt: Sozialgeschichte Frankreichs seit 1789. Frankfurt/M. 1989. S. 128–147. 14 Félix Pigeory: Les monuments de Paris. Histoire de l’architecture civile, politique et religieuse sous le règne du roi Louis-Philippe. Paris 1847. S. 14.

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Die Anamnese von Paris Den Revolutionstagen vom 27. bis 29. Juli 1830, den sogenannten Trois Glorieuses, folgte eine politische Phase der Gewalt und Zerrissenheit, welche die Anfangsjahre der Julimonarchie schwer überschattete. Aufstände und Plünderungen, provoziert durch die republikanische Opposition auf der einen Seite, ihre Repression und Verfolgung durch die neuen Machthaber auf der anderen, riefen Erinnerungen an die „Terreur“ von 1793/94 wach. Der Abdankung Karls X. am 2. August 1830 und der Proklamation Louis-Philippe d’Orléans am darauffolgenden 9. August zum neuen König der Franzosen, folgten schwere Tumulte und Verwüstungen.15 Zunächst setzten sich die Unruhen in einer Welle von Ressentiments gegen den Klerus fort. Am 14. Februar 1831 demolierte nach einem feierlichen Gottesdienst zum elften Jahrestag der Ermordung des Herzogs von Berry (durch Antiroyalisten) die Pariser Plebs Einrichtung und Sakristei der Kirche Saint-Germain-l’Auxerrois. Da die Autoritäten nicht eingriffen, kam es am folgenden Tag auch zur Plünderung des Erzbischöflichen Palais neben Notre-Dame. Wie verunsichert und zaudernd Louis-Philippe dem Aufstandsfuror begegnete, zeigt seine Symbolpolitik, so wenn er die bourbonischen Lilien aus dem königlichen Wappen und dem Staatssiegel entfernen ließ; ein solidarisierender Akt gewiss, aber mehr noch Ausdruck von Verlegenheit und Handlungsschwäche. Eine Radikalisierung des politischen Geschehens brachte am 13. März 1831 der Regierungsantritt von Casimir Périer (reg. 13.3.1831–Mai 1832), der eine Politik der Repression gegen die republikanisch-demokratische Opposition und den Kampf gegen kritische Teile der Presse aufnahm. Die Verschärfung der politischen Linie führte zur Spaltung von Land und öffentlicher Meinung. In den folgenden zwei Jahren verstärkten die Republikaner die landesweite Aktivierung der Arbeiterklassen, was die Regierung wiederum mit repressiven Gesetzen gegen Vereins- und Pressefreiheit beantwortete. Hierauf kam es am 13. und 14. April 1834 in Paris abermals zum Ausbruch von Unruhen, die mit einem schockierenden Ereignis endeten. Nach der Niederschlagung des Aufruhrs stürmte eine sich zurückziehende Einheit der Nationalgarde ein Haus in der Rue Transnonain in der Annahme, es sei von hier aus geschossen worden. Was folgte, war weniger ein Kampf gegen Rebellen als ein Racheakt an den classes laborieuses. Die vierzehn Bewohner des Hauses wurden wehrlos ermordet. Das Vorgehen der Nationalgarde rief in breiten Bevölkerungskreisen tiefe Empörung hervor und festigte für lange Zeit das Misstrauen gegenüber dem 15 Die folgende ereignisgeschichtliche Skizze beruht auf den Arbeiten von Gilbert Ziebura: Frankreich von der Großen Revolution bis zum Sturz Napoleons III. 1789–1870. In: Handbuch der europäischen Geschichte. Hrsg. von Theodor Schieder. Stuttgart 1981. Bd. 5. S. 187–318; hier: S. 270–284; Willms 1988, S. 261–307 und Philippe Vigier: Paris pendant la Monarchie de Juillet (1830–1848). Paris 1991. S. 13–123 sowie der Synopse von Heinz-Gerhard Haupt: Von der Französischen Revolution bis zum Ende der Julimonarchie (1789–1848). In: Kleine Geschichte Frankreichs. Hrsg. von Ernst Hinrichs. Stuttgart 1997. S. 255–310; hier: S. 296–307.

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Abb. 20: Honoré Daumier: Rue Transnonain, le 15 Avril 1834. Lithografie

neuen Regime. Honoré Daumiers berühmt gewordene Lithographie, die das Gemetzel in der Rue Transnonain als Akt offener Gewalt festhält, wurde zur Ikone in der Anklage gegen die Julimonarchie, die der Despotie näher zu stehen schien als der proklamierten Eintracht (Abb. 20).16 In den folgenden Jahren wurde die republikanische Opposition verfolgt und schikaniert, die politische Landschaft von weiteren Repressionen und einer breiten Verhaftungswelle geprägt. Mit einem politischen Schauprozess im Mai 1835 wurde versucht, die republikanische Bewegung endgültig zu diskreditieren, was die innenpolitischen Spannungen keineswegs beruhigte. Im Gegenteil, mündeten sie in einen Attentatsversuch gegen Louis-Philippe am 28. Juli desselben Jahres. Mit den repressiven Septembergesetzen von 1835 endete die republikanische Bewegung als aktive, auch wenn deren gesellschaftliche Wirkungen sich fortsetzten. Das erste Jahrfünft der Julimonarchie hatte also schwere soziale Agitationen ebenso gekannt wie öffentliche Schauprozesse, Kabinettskrisen und offene Gewaltherrschaft. Die politische Krise der Anfangsjahre wurde 1832 von einer wochenlang grassierenden Choleraepidemie zusätzlich verschärft. Ihr fielen in Paris 18.000 Menschen zum Opfer. Die städtischen Behörden gaben ein Gutachten in Auftrag, das über Verlauf und Auswirkung der Seuche aufklären sollte. Der 1834 publizierte Rapport sur 16 Vgl. hierzu Wolfgang Balzer: Der junge Daumier und seine Kampfgefährten. Politische Karikatur in Frankreich 1830 bis 1835. Dresden 1965 und Rolf Zbinden u. Juerg Albrecht: Honoré Daumier. Rue Transnonain, le 15 avril 1834. Ereignis-Zeugnis-Exempel. Frankfurt/M. 1989.

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la marche et les effets du choléra-morbus dans Paris et les communes rurales du département de la Seine war die alarmierende Diagnose einer Paris malade. Wohndichte und Elend als die Hauptübel wurden in den alten Wohnquartieren lokalisiert, wo die Unterschichten zuhause waren.17 Als virulenteste Probleme legte man neben den sozialen die infrastrukturellen Missstände bloß, denen die Bevölkerung im vieux Paris ausgesetzt war.18 Eine besonders dramatische Situation erkannte man zumal in der Bevölkerungsschicht der Nichtseßhaften, die sich aus der anhaltenden Landflucht beständig nährte und von der der Bericht ein unverhohlenes Bild der Misere zeichnete. Offen wurde das Schicksal dieser sich selbst überlassenen Menschen, der „population nomade“, angeprangert.19 Das Fazit der Untersuchungskommission lautete, dass bestimmte vernachlässigte Bevölkerungsgruppen und Örtlichkeiten im Zentrum von Paris die Ausbreitung der Cholera begünstigt hätten. Ausgehend vom Rapport wurden eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, die zusammengenommen ein eigenes städtisches Sanierungsprogramm ergaben. Im Mittelpunkt des Maßnahmenkatalogs standen die Verbesserung der Wohnverhältnisse der Unterschichten, die Sanierung der Ableitung der Haushaltsabwässer und der Ausbau der Kanalisation. Bezeichnend für den Ernst der Lage war, dass die Amelioration der Lebensverhältnisse mit Blick auf die Stadt als ganze eingefordert wurde. Es wurden dringend die Öffnung von neuen Straßenachsen und die Anlage geräumiger Plätze und Promenaden anempfohlen, um Licht und Luft in die Stadt zu bringen.20

17 Vgl. Willms 1988, S. 284–286. 18 1839 nannte der Conseil générale de la ville de Paris als Ursache für die Abwanderung von Handwerk und großen Bevölkerungsteilen in die Randgebiete von Paris die chaotische Verkehrssituation und die „rues infectes“ im Zentrum der Stadt; vgl. Ernest de Chabrol-Chaméane: Mémoire sur le déplacement de la population dans Paris et sur les moyens d’y remédier. Paris 1840. S. I–III. 19 Zu den Lebensverhältnissen im populären Paris vgl. den materialreichen Ausstellungskatalog Le peuple de Paris aux XIXe siècle, erschienen 2011. Zur zeitgenössischen Bezeichnung der obdachlosen Pariser Bevölkerung als „population nomade“, „flottante“ oder „mobile“ vgl. Georges-Eugène Haussmann: Mémoires. Hrsg. von Françoise Choay. Paris 2000. S. 542, 594 u. 1030. 20 Für die Pariser Stadtbaugeschichte des frühen 19. Jahrhunderts ist symptomatisch, dass das Zentrum der Stadt durch Verelendung zur gesellschaftlichen Randzone geronnen war, sich also die raumsoziologischen Ordnungskoordinaten von Zentrum und Peripherie verwirrt hatten. Indem man unter der Julimonarchie das Zentrum von Paris baulich wieder für die gesellschaftliche Mitte zu öffnen unternahm, versuchte man gesellschaftliche und räumliche Ordnung wieder in Einklang zu bringen. Das sollte gleichwohl erst der Haussmannisierung von Paris umfassend gelingen; vgl. Pierre Pinon: Atlas du Paris haussmannien. La ville en héritage du Second Empire à nos jours. Paris 2016. S. 92–94. – Wenn die Banlieues französischer Städte heute soziale Brennpunkte bilden, dann folgt dies, in gleichsam zynischer Weise, einem konzentrisch gedachten Ordnungsmodell von Stadt und Gemeinschaft, wie es eben dem Juste Milieu (als der gesellschaftlichen Mitte) vorschwebte.

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Place de la Concorde oder Die Neuordnung der gesellschaftlichen Mitte Abgerückt vom städtebaulichen Filz des vieux Paris entstand an der westlichen Peripherie des Stadtgebietes im unmittelbaren Anschluss an die ersten Krisenjahre der Julimonarchie ein Ort neuer kollektiver Identität. Was unter den gegebenen Bedingungen am Stadtkörper selbst nicht realisierbar war, wurde hier gleichsam sektoral und modellhaft umgesetzt. Aber das war nur das eine. Die Neuordnungsmaßnahmen hatten insofern eine epochale Perspektive, als der Place de la Concorde, die 1763 mit der Aufstellung eines Reiterstandbildes für Ludwig XV. als Place royale inauguriert wurde und die sich 1793 im Angesicht einer thronenden Statue der Liberté zum Ort der Guillotine verkehrte, eine Memoria eingetragen war, die man gerade nicht erinnern, sondern demarkieren und endgültig vergessen wollte. Das historische Trauma fand zunächst seinen gleichwohl sprechenden Ausdruck in einem verwahrlosten Bild der Platzanlage. Chateaubriand erlebte sie 1805 in diesem Sinne als „mélancolique et abandonné“.21 Und noch 1835 hatte sich daran nichts geändert, wenn es hieß: „La Place Louis XV dans son état actuel, n’est en effet qu’une plage déserte, sans abri contre le soleil brûlant de l’été, sans refuge quand l’orage gronde et que des torrens de pluie se précipitent sur la terre“.22 Seit napoleonischer Zeit wurden zahlreiche Neugestaltungprojekte erdacht, aber erst Hittorffs Entwurf von 1835 kam zur Ausführung. Die verzweigte und komplexe Planungsgeschichte der Place de la Concorde konzentriert sich folgend in erster Linie auf die Rekonstruktion und Erörterung ihrer politischen Semantik, wie sie in der Julimonarchie materielle Gestalt annahm und bis heute weitgehend unverändert besteht.23 Nach der Machtübernahme Napoleons wurde die Freiheitsstatue entfernt und Pläne für ein Nationaldenkmal erarbeitet, die aber rasch wieder in den Schubläden verschwanden. Faktisch kennzeichnete die Platzanlage während der Kaiserzeit eine bewusste Nicht-Gestaltung, über die die Geschichte des Platzes als revolutionäre

21 Zitiert nach Solange Granet: La place de la Concorde. Paris 1963. S. 89. 22 Picolet: Place Louis XV. Concours, programmes, projets. In: Journal du génie civil, des sciences et des arts 4 (1829). S. 548–564; Zitat: S. 548. Ein ähnliches Unbehagen wird 1834 in L’Artiste geäußert: „La place publique la plus déserte et la plus désagréable à l’œil par son étendue …, poudreuse en été ou défoncé et impraticable en hiver“; zitiert nach Bruson 1986/87 (c), S. 75. 23 Studien zur Planungs- und Deutungsgeschichte der Place de la Concorde haben vorgelegt Granet 1963; Wolfgang Kemp: Der Obelisk auf der Place de la Concorde. In: Kritische Berichte 7 (1979). S. 19–29; Bruson 1986/87 (c); Jean Ducros: La place de la Concorde à Paris ou la curieuse histoire d’une place maritime. In: L’Art et la mer 35–38 (1986). S. 5–40; Pierre Pinon: La Place de la Concorde sous la Restauration. Réaménagements et projets à l’origine de l’intervention de J. I. Hittorff. In: Architectures urbaines et architectures du mouvement 1800–1950. Hrsg. von Michèle Lambert Bresson u. Annie Térade. Paris 2011. S. 29–46; Salvatore Pisani: Monument wird Mobiliar. Zur Transformationsgeschichte der Place de la Concorde in der Julimonarchie. In: Skulptur und Platz: Raumbesetzung, Raumüberwindung, Interaktion. Hrsg. von Alessandro Nova u. Stephanie Hanke. BerlinMünchen 2014. S. 315–332 und Ketelsen 2017 (mit jeweils weiterführender Literatur).

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Hinrichtungsbühne in Vergessenheit geraten sollte. So hält es zumindest der Architekt Léon Vaudoyer 1838 in einem Rückblick fest: Pendant la durée de l’empire, aucun nouveau monument ne fut projeté pour décorer la place Louis XV. Napoléon, qui fixa son attention sur tous les embellissiments de la capitale, et qui prenait à tâche de terminer ce qui avait été laissé inachevé avant lui, sembla vouloir laisser dans l’oubli tout ce qui pouvait ramener l’attention sur la place Louis XV, et éveiller le souvenir des événements dont elle avait été temoin. Cette place n’eut donc aucune part dans les nombreux et immenses travaux qui furent exécutés pendant son règne.24

Man kann auf der Linie von Vaudoyer weitergehend formulieren, dass die monumentale Leere des Platzes seit napoleonischer Zeit trotz oder gerade wegen der Bemühungen um ein Vergessen eine szenische und politische Dimension von eigener Qualität erhielt. Denn Sprachlosigkeit war eine durchaus sprechende Reaktion auf die Schrecken der revolutionären Wirren. Das war nicht wenig, und einer politischen Führung doch nicht genug, deren Erfolg und Bestand von öffentlichkeitswirksamen Bildern und Ereignissen abhing.25 Die Einsicht, dass Manifestationen politischen Willens in Gestalt öffentlicher Monumente nicht zuletzt Angriffsflächen bedeuten und erzeugen, blieb auch den nachfolgenden Regimen nicht fremd, führte aber als Herausforderung begriffen zu eigenen Problemlösungen. Unter der restaurierten Monarchie (ab 1814) brachte man den Plan auf den Weg, die Mitte der Place de la Concorde mit einem Sühnemonument in Gestalt eines Standbildes Ludwigs XVI. zu besetzen.26 Für den ausgeschriebenen Wettbewerb lieferte Hittorff Pläne zur Gestaltung der Anlage als bourbonisches Denkmalforum (Abb. 21). Unter der Julimonarchie (ab 1830) rückte man hingegen einen Obelisken an die Stelle des Sühnedenkmals, der als Geschenk des ägyptischen Vizekönigs Mehmet Ali aus Luxor per Schiff hierher überführt und versetzt werden sollte (Abb. 22). Auf der Ebene der Gedächtnissetzung wird dabei ein entscheidender politischer Wandel greifbar. Während das Sühnedenkmal der Bourbonen ein Ereignis (den Königsmord) kommemorierte – wenngleich im Zeichen der

24 [Léon Vaudoyer:] Les monuments de la place Louis XV. In: Le Magasin pittoresque 6 (1838). S. 140–144; Zitat: S. 142. Der Verfasser des anonym erschienen Artikels wird in einem Brief von Hittorff am 2.6.1838 genannt; vgl. Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–10, f. 25r. 25 Dazu in problemgeschichtlicher Perspektive Wilhelm Hofmann (Hrsg.): Die Sichtbarkeit der Macht. Theoretische und empirische Untersuchungen zur visuellen Politik. Baden-Baden 1999. 26 Die Platzprogrammatik der Restaurationszeit wich auffällig von der in der Charte Constitutionelle festgelegten Formel von „Union et Oubli“ ab, welche dann in der Julimonarchie ins Werk gesetzt werden sollte. Vgl. Gudrun Gersmann: Saint-Denis und der Totenkult der Restauration. Von der Rückeroberung eines königlichen Erinnerungsortes. In: Kulturelles Gedächtnis und interkulturelle Rezeption im europäischen Kontext. Hrsg. von Eva Dewes u. Sandra Duhem. Berlin 2008. S. 139– 158; bes. S. 140 f.

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Abb. 21: Jakob Ignaz Hittorff: Wettbewerbsentwurf für das Bourbonenforum auf der Place Louis XVI (spätere Place de la Concorde) in Paris, 1829. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Z 2404

Abb. 22: François Dubois: Aufrichtung des Obelisken von Luxor auf der Place de la Concorde am 25. Oktober 1836. Paris, Musée Carnavalet

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Versöhnung mit der nation –,27 erinnerte die Felsennadel allein an ihre aufsehenerregende, viele Kräfte bindende Versetzung, womit sie zugleich eine politische Idee ‚umsetzte‘, die der Platz in seinem zuerst zwischen 1795 und 1815, dann ab 1830 endgültig geführten Namen trägt: Concordia. Denn Überführung und Aufstellung des antiken Monuments figurierten ein Handlungsmuster, das die Place de la Concorde zu einem Eintracht stiftenden Erfahrungsraum machte. Dem Ereignis der feierlichen Aufrichtung entsprach eine markante semantische Umkodierung des Denkmals. Der Obelisk wendet sich nicht nur vom autoritären und herrschaftlichen Figurenschema ab, er klammerte auch bewusst die aktuelle Vorgeschichte der Platzanlage aus, der sich die Bourbonen noch konfrontativ zu stellen versuchten. Die Julimonarchie indes suchte den Rückbezug implizit, nicht mehr explizit. Nicht der revolutionären Ereignisse wurde gedacht, sondern eines ihrer zentralen Ergebnisse, der Geburt der nation. Nicht der Weg also, sondern das revolutionäre Ziel schien hier auf. Kurz: Die Concorde war Frankreichs Läuterungsbad. Auf der Place de la Concorde haben der Obelisk und die gleichzeitig entstandenen zwei gusseisernen Schalenbrunnen, die Sitzstatuen der Bonnes Villes de France auf den Dächern der Wachthäuschen sowie die ebenfalls gusseisernen Rostralsäulen und Gaslaternen allen politischen Aufständen und Umbrüchen zum Trotz, die die Geschichte Frankreichs im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts kennzeichnete, bis heute überdauert (Abb. 23–26). Der Platz fand mit der Julimonarchie gewissermaßen zu Mitte und Maß. Von keinem politischen Ordnungskampf beziehungsweise Denkmalsturz mehr beunruhigt, trat er ins Zeichen der Normalität. Wenn der Wind der Geschichte hier nicht mehr anzusetzen vermochte (im Gegensatz etwa zur VendômeSäule Napoleons, welche dem Sturm des Kommuneaufstands 1871 nicht standhielt),28 dann liegt das auch am Monument selbst, das mit der Dispens unmittelbarer Erinnerung seine Angriffsfläche erheblich verringerte. Wo man Vergessen nicht dekretieren kann (man soll nicht an A denken, bewirkt nur verstärktes Ge-Denken an A), lässt man die Erinnerung sich verlieren. Bei der Concorde vollzieht sich dies im Rahmen zweier konkurrierender Konzepte. Der Platz erhielt mit dem Obelisken ein Monument von traditionell repräsentativem Zuschnitt zum einen, zum anderen mit den gasbetriebenen Beleuchtungskörpern ein höchst innovatives Stadtmobiliar, das den Sicherheits- und Bequemlichkeitsgeboten der

27 Vorliegend wird auf eine Darstellung der Sühne- und Denkmalpolitik unter der restaurierten Monarchie verzichtet, mit der sich bereits zahlreiche Arbeiten beschäftigt haben. Es sei auf die wichtigen Studien verwiesen von Solange Granet: Le monument à Louis XV de la Place de la Concorde. In: La Revue des Arts 6 (1956). S. 238–240; Jean-Marie Darnis: Les monuments expiatoires du supplice de Louis XVI et de Marie-Antoinette sous l’Empire et la Restauration 1812–1830. Paris 1981. S. 77–95 u. 155–167; Bruson 1986/87 (c); Hesse 1993; Scholz 2006, S. 58–72; Butenschön 2009 und Pinon 2011. 28 Zum revolutionären Vandalismus der Kommunarden vgl. Xavier Dectot: La colonne Vendôme. In: Art ou politique? Arcs, statues et colonnes de Paris. Hrsg. von Béatrice de Andia. Paris 1999. S. 156–158.

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Abb. 23: Ansicht der Place de la Concorde und des Vergnügungsparks der Champs-Élysées. Aus: Adolphe Alphand: Les promenades de Paris. Paris 1867–1873

Abb. 24: Projektentwurf für die Place de la Concorde. Darunter zwei Graphiken, die den Blick auf der Querachse mit und ohne Brunnenarchitektur im Vergleich mit dem Petersplatz zu Rom zeigen. Aus: Conseil municipal de Paris. Embellissements de la Place de la Concorde et des Champs-Élysées, Oktober 1834. Paris, Bibliothèque historique de la Ville de Paris

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Zeit nachkam. Wir haben es also mit einer modernespezifischen Transformationsgeschichte von noch vormoderner Denkmaltypologie und schon manifester Rationalität zu tun – im Zuge derer sich die Erinnerung ‚aussetzte‘ beziehungsweise diskret vernichtet wurde. Rambuteau referiert eine Aussage des Bürgerkönigs Louis-Philippe, nach welcher dem Obelisken auf der Place de la Concorde eine Komponente des Unverdächtigen eigen sein sollte, weil er bar des Gedächtnisses an die jüngere Vergangenheit, ja bar der politischen Konnotationen überhaupt sei: „C’est qu’il [der Obelisk] ne rappelle aucun événement politique et qu’il est sûr d’y rester“.29 Dem Obelisken mit seiner politischen Unverbindlichkeit war zugedacht, Ausgleich, Stabilität und Beruhigung, mithin eine Neujustierung der gesellschaftspolitischen Verhältnisse zu erzeugen und zu veranschaulichen. Die Versetzung des Obelisken vom Eingangsbereich des Tempelpalastes von Luxor auf die Place de la Concorde in Paris zwischen 1832 und 1836 stieß auf ein außerordentlich großes öffentliches Interesse und dies im Zeichen der Ausblendung der Vorgeschichte, nämlich (ahistorisch) als superlativische technische Leistung.30 Die Überführung, für die eine Expertenkommission unter Leitung des Marineingenieurs Apollinaire Lebas bestellt und eigens ein Schiff konstruiert wurde, das sowohl Meere als auch Flüsse befahren konnte, wurde in Beschreibungen und Illustrationen sowie in einem großen öffentlichen Festakt weitläufig gefeiert.31 Die Aufrichtung des Obelisken erfolgte am 25. Oktober 1836 im Beisein des Königs Louis-Philippe und unter dem Beifall eines „peuple immense“, wie es die Sockelinschrift überliefert. Zahlreiche Bilddokumente haben den Akt als eindrucksvolle Demonstration einer gemeinschaftlichen, aktiven Öffentlichkeit und im übertragenen Sinne einer Vergesellschaftung jenseits der Gewalt festgehalten und verbreitet. Die triadische Großtat von Niederlegung, Überführung und Aufstellung wird in den vergoldeten Sockelreliefs und -inschriften am Obelisken vergegenwärtigt, die letztlich dessen antiquarische Dimension überschreiben.32 Von heraldischen Zei29 Rambuteau 1905, S. 388. 30 In seinen wichtigsten Stationen beschrieben bei Todd Porterfield: The Obelisk on the Place de la Concorde. Post-Revolutionary Politics and Egyptian Culture. In: Ägyptomanie. Europäische Ägyptenimagination von der Antike bis heute. Hrsg. von Wilfried Seipel. Wien-Mailand 2000. S. 63–81. 31 Zur Verbringung des Obelisken nach Paris und seiner Aufrichtung auf der Place de la Concorde: Jean-Marcel Humbert: L’Egypte à Paris. Paris 1998. S. 77–84 und Robert Solé: Le grand voyage de l’obelisque. Paris 2004. Publizistisch wurde die Überführungsaktion von zahlreichen Autoren begleitet, so obenan von dem für Abtransport, Verschiffung und Aufrichtung verantwortlichen Marineingenieur Apollinaire Lebas (1839) sowie ferner von Champollion-Figeac (1833) und Edme Miel (1835); vgl. Porterfield 2000. Das Unternehmen hatte freilich auch kritische Wegbegleiter vor allem im Hinblick auf die Standortfrage (alternativ Louvre-Innenhof): Anonym: Le Louvre. L’obélisque de Luxor. In: L’Artiste 10 (1835). S. 189–191. 32 Ferner gab es Baumodelle im Louvre und im Conservatoire des Arts et Métiers, die die Aufrichtung bildlich festhielten und einem breiteren Publikum vermittelten; vgl. Christian Hutzelmann: Der Konkordienplatz zu Paris und seine Geschichte. Fürth 1889. S. 8.

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Abb. 25: Jakob Ignaz Hittorff: Ansicht eines Monumentalbrunnens auf der Place de la Concorde. Aus: Charles-Louis-Gustave-Eck: Traité de construction en poteries et fer. Paris 1841. Tafel XV (Ausschnitt)

Abb. 26: Paris: Place de la Concorde mit Wachthäuschen und Sitzfigur der Bonne Ville de Strasbourg. Links davon eine Laterne in Form einer Rostralsäule. Zustand 2007

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chen des Königshauses frei geblieben, zeigt sich der Obelisk als das, was er war, ein diplomatisches Geschenk an Frankreich und nicht an das Staatsoberhaupt.33 Dass mit der Translationierung des Obelisken nach Paris soziale Bindekräfte beschworen wurden, verdeutlicht auch die prominent zur Champs-Élysées ausgerichtete ‚Bauherrninschrift‘, die obenan zwar topisch Louis-Philippe aufführt, aber neu den peuple und namentlich den Ingenieur Lebas festhält und zelebriert.34 Die Beziehungen von oben und unten wurden damit ins Regime einer gegenseitigen Achtung genommen.35 Der Wandel der revolutionären Belagerungsmentalität des peuple zu kollektiver Eintracht ist dabei zwar Subtext, aber nicht marginal. Bezeichnend für die Transformationsgeschichte ist ferner, dass die Aufstellung des Obelisken auf der Place de la Concorde ihre Berechtigung zwar aus dem Umstand bezieht, ein altehrwürdiges Hoheitszeichen zu sein, das im Rom der Antike und der Renaissance seine typologische Weihe erhielt, doch verlagert sich der Akzent ins betont Technisch-Rationale. Lebas selbst hat in einer aufwendigen Publikation die Aufrichtung des Obelisken von Luxor in Paris mit jener vor Sankt Peter in Rom im Jahre 1586 durch Domenico Fontana parallelisiert, in der eine Verschiebung von der Repräsentations- auf eine technische Ebene bereits angelegt ist.36 Die Parallelisierung scheint auch durch den Umstand vorgezeichnet, dass der Architekt respektive Bauingenieur der Spätrenaissance seine Tätigkeit nicht mehr so sehr in den Dienst der Herrschaftsrepräsentation als der Organisation des sich modernisieren-

33 Hierzu die lateinische Sockelinschrift auf der Tuilerienseite: „Louis Philippe I, König der Franzosen, um der Nachwelt ein uraltes Werk der ägyptischen Kunst und gleichzeitig ein Andenken an die ruhmreichen Taten der französischen Armee an den Ufern des Nils zu überliefern, hat beschlossen, dass der Obelisk, das Geschenk Ägyptens an Frankreich, im hunderttorigen Theben am 25. August 1834 gehoben, in dreizehnmonatiger Arbeit auf einem eigens dafür konstruierten Schiff nach Frankreich gebracht, auf diesem Platz aufgerichtet werde, am 25. Oktober 1836, dem siebten Jahr seiner Regierung“; hier nach der Übersetzung von Kemp 1979, S. 24. Ergänzend: Porterfield 2000, S. 80, Anm. 11. 34 Die Sockelinschrift (zur Seite der Champs-Élysées) lautet vollständig: En présence du Roi LouisPhilippe Ier cet obélisque transporté de Louqsor en France a été dressé sur ce piédestal par M. Lebas, Ingenieur, aux applaudissements d’un peuple immense, Le XXV octobre MD.CCC.XXXVI. 35 Zur visuellen Einebnung der Klassenunterschiede im Sinne einer „égalité visible“ im Frankreich seit der Julimonarchie vgl. Françoise Mélonio: Naissance et affirmation d’une culture nationale. La France de 1815 à 1880. Saint-Amand-Montrond 2001. S. 210–220. 36 Apollinaire Lebas: L’Obelisque de Luxor. Histoire de sa translation à Paris, description des travaux auxquels il a donné lieu, avec un appendice sur les calculs des appareils d’abattage, d’embarquement, de halage et d’érection; détails pris sur les lieux, et relatifs au sol, aux sciences, aux mœurs et aux usages de l’Égypte ancienne et moderne, suivi d’un extrait de l’ouvrage de Fontana, sur la translation de l’Obelisque du Vatican. Paris 1839. S. 169–178. Vgl. hierzu Costanza Caraffa: Domenico Fontana e gli obelischi. Fortuna critica del „Cavaliere della Guglia“. In: Studi su Domenico Fontana 1543–1607. Hrsg. von Giovanna Curcio, Nicola Navone u. Sergio Villari. Mendrisio 2011. S. 21–47.

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den Staats- und Institutionengefüges stellte.37 Im Frankreich des 19. Jahrhunderts waren es besonders die polytechnischen Schulen und deren Abgänger, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, die gesellschaftliche Reorganisation Frankreichs nach aufklärerischen und republikanischen Prinzipien zu realisieren.38 Da in der Sockelinschrift Lebas’ Name überzufällig die Mitte einnimmt, erscheint jenes Moderneverständnis, das Technik und Rationalität, aber auch Tüchtigkeit als zentrale Antriebskräfte eines neuen gesellschaftlichen Regel- und Räderwerks begreift, als zentrale Leitkategorie. Die Concordia der nation wird dann zu Voraussetzung und schlechterdings tragender Staatstugend, die einer starken Gesellschaftsmitte Ausdruck und Präsenz verleiht. Intrikat an der Sache ist, dass moderne Technik und Kollektivgefühl an einem antiken Hoheitszeichen beschworen werden. In diese doppelte Matrix des Obelisken fügt sich, dass der Conseil municipal, in dessen Verantwortlichkeit die Umsetzung der Platzgestaltung lag, die Aufstellung des Obelisken um zwei gusseiserne Brunnenanlagen erweiterte und in ein kunsthistorisch prominentes Italien-Bild überführte. Im Sitzungsprotokoll vom 31. Oktober 1834 heißt es hierzu: „L’ensemble des deux fontaines avec l’obélisque au milieu, offrira absolument la même disposition que celle de la place St Pierre de Rome, dont l’effet a toujours été un sujet d’admiration“.39 Die Parallele wurde in einer graphischen Gegenüberstellung der Pariser Platzanlage mit dem Petersplatz zu Rom vor Augen geführt (Abb. 24). Die Argumentation selbst macht deutlich, dass das Vorbild Rom aus rein ästhetischen Gesichtspunkten erwogen wurde („un sujet d’admiration“). Der Rom-Bezug entsprang dem Desiderat nach einer Platzgestaltung, die sich repräsentativ und weltläufig zugleich gab und die Paris in den Horizont einer Prestige-Konkurrenz der europäischen Kapitalen untereinander rückte (wie das dann 1855 mit der ersten Pariser Weltausstellung unmittelbarer und auf einer größeren Skala zum Ausdruck kommen sollte). Die zeitgenössischen Urteile spiegeln diesen Vergleichshorizont deutlich wider. So endet Léon Vaudoyers Besprechung von Hittorffs Platzgestaltung 1838 in einer bezeichnenden Paris-Apologie: „On ne peut en douter, un effet d’ensemble [des Platzmobiliars] qu’on chercherait vainement dans aucune autre capitale de l’Europe“.40 37 Fontana sei ein „architetto che cerca, con successo, d’inserirsi nel processo socio-economico del tempo, riorganizzando il proprio lavoro e sacrificando la qualità dell’opera singola, come valore assoluto, alla quantità e alla celerità della produzione“; so Christof Thoenes: Perché studiare Domenico Fontana? In: Studi su Domenico Fontana 1543–1607. Hrsg. von Giovanna Curcio, Nicola Navone u. Sergio Villari. Mendrisio 2011 S. 9–19; Zitat: S. 11. 38 Vgl. André Grelon: Von den Ingenieuren des Königs zu den Technologen des 21. Jahrhunderts. Die Ausbildung der Ingenieure in Frankreich. In: Ingenieure in Frankreich 1747–1990. Hrsg. von Dems. u. Heiner Stück. Frankfurt/M. 1994. S. 15–57. 39 Das Dossier trägt den Titel: Conseil municipal de Paris. Embellissements de la Place de la Concorde et des Champs-Elysées. Rapport de la commission composée de MM. Lebeau, de ChâteauGiron, Bourgeois, Périer et Lahure, octobre 1834. S. 9. Hier zitiert nach dem Exemplar in Paris, BHVP, folio 92092. 40 Vaudoyer 1838, S. 144.

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Was diese Programmatik eröffnete, verortet sich im Rahmen des gesuchten „oubli“. Denn das zitierte Rom-Bild verlagert die (kognitive) Wahrnehmung der Place de la Concorde auf eine gewissermaßen geschichtsvergessene (sinnliche) Ebene des kanonisch Schönen. Der Erfolg dieser ‚Bildprogrammatik‘ lässt sich den zur ConcordeNeugestaltung zahlreich erschienen Guiden entnehmen, in denen die Erinnerung an die revolutionären Ereignisse zugunsten künstlerisch-ästhetischer Erörterungen auffällig ausgesetzt wurde. So hieß es 1838: „Cette vaste place, si long-temps nue et aride, est maintenant décorée. … La place offre un coup d’œil enchanteur, et devient une des plus belles qui existent en Europe“.41 In diesem Fahrwasser stehen auch die Brunnen, Sitzfiguren und Rostralsäulen, für deren Entwürfe und Arrangements der von Rambuteau berufene Hittorff verantwortlich zeichnete. Die beiden Monumentalbrunnen (Abb. 25), die jeweils aus einem kreisrunden, steinverkleideten Sockelbassin und einem in der Mitte sich erhebenden zweiteiligen, gusseisernen Schalenaufbau mit reichem Figurenschmuck besteht, zeigen sich einem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Frankreich beliebten Typus italienischer Renaissancefontänen verpflichtet.42 Bekanntlich spielen hier die von Hittorff (gemeinsam mit Karl Ludwig von Zanth) 1835 in der Architecture moderne de la Sicile publizierten Brunnenanlagen von Giovanni Angelo Montorsoli in Messina hinein.43 Gleichwohl ist dieser Brunnentypus Mitte der 1830er Jahre als bereits standardisiertes Stadtmobiliar zu werten.44 Seine Verwendung auf der Place de la Concorde entsprach gängiger Konvention. Neben der approbierten Typologie und dem klassischen Stilkleid reflektiert das Figurenprogramm das Leistungsethos der eigenen Gegenwart. Im unteren Register sind um den Brunnenstock sechs Sitzstatuen zu einer dicht gefügten Galerie angeordnet. Seineseitig finden sich die Personifikationen von Mittelmeer und Ozean sowie der Perlen-, Korallen-, Muschel- und Meeresfischzucht, beim Gegenstück zur Madeleine-Kirche hin die Personifikationen von Rhein und Rhone sowie der Getreide-, Wein-, Frucht- und Blumenernte. Die Figurengruppen des oberen Registers zeigen zum einen die Genien der Meeresschifffahrt, der Astronomie und des Handels und zum anderen der Flussschifffahrt, der Agrikul-

41 Embellissemens de la Place de la Concorde. Explication des statues qui la décorent suivis d’une description sur l’intérieur et l’extérieur de l’église de la Madeleine. Paris 1838. S. 3 f. 42 Die bekanntesten Beispiele (allerdings ohne Figurenschmuck) stellen die auf dem Petersplatz in Rom errichteten Brunnenanlagen dar, die im Zuge der Neugestaltung der Platzanlage Mitte des 17. Jahrhunderts durch Bernini symmetrisch um den Obelisken aufgebaut wurden. Ein älteres Beispiel für diesen architektonischen Typus markiert der vor dem Pantheon in Rom 1575 von Leonardo Sormani errichtete Brunnen; vgl. Christof Thoenes: Studien zur Geschichte des Petersplatzes. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 26 (1963). S. 97–145; hier: S. 113. 43 Vgl. Hammer 1968, S. 145 f. 44 Schon Lusson hatte den Brunnentypus in seinem für den Wettbewerb für die Neugestaltung der Place de la Concorde von 1829 eingereichten Projektentwurf verwendet; vgl. Adrien-Louis Lusson: Projets de trente fontaines pour l’embellissement de la Ville de Paris. Paris 1835. S. 35–37 u. Taf. XII.

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tur und der Industrie.45 Hier werden also die Ressourcen und Produktivkräfte Frankreichs beschworen. In den Blick gerät das Gemeinwohl, das seine Stärke aus Handel und Gewerbe schöpft. Es ist gar keine Frage, dass die hier angeschlagene Leistungsthematik in Übereinstimmung mit dem Selbstverständnis der neuen gesellschaftlichen Mitte der Julimonarchie formuliert wurde. Wie Hittorff am 11. März 1837, noch während der Entwurfsarbeit an den Brunnenanlagen, an Rambuteau schrieb, zielte er auf eine Ikonographie, die dem „caractère plus spécialement significatif pour notre époque“ entspreche.46 Das Epochenspezifische lässt sich ebenso am Gebrauch des neuen, industriellen Baustoffs ablesen: Gusseisen. Hittorff machte gegenüber seinem Bauherrn auf den ökonomischen Vorzug des neuen Materials aufmerksam; so seien gusseiserne Laternen um ein Siebenfaches günstiger als solche aus Bronze.47 Die auf Chef-d’œuvre geeichte Kunstgeschichte hat sich jenseits des ikonographischen Programms nicht länger mit den Brunnenanlagen aufgehalten, deren Figuren sich offen als Resultate eines allzu blassen akademischen Schönheitskanons präsentieren.48 Nicht anders verhält es sich mit den Sitzstatuen der Bonnes Villes de France auf den von Ange-Jacques Gabriel entworfenen Wachthäuschen (Abb. 26). Es handelt sich bei allen acht Figuren um zweitverwendete Modelle.49 Die Bildhauer waren James Pradier, Louis-Messidor Petitot, Louis-Denis Caillouette und JeanPierre Cortot.50 Für ihre neue Bestimmung wurden die Sitzstatuen geringfügig umgearbeitet und mit neuen Attributen versehen. Allen acht Monumentalskulpturen sind die Rigidität der Sitzpose und Drapierung sowie die mimische Ausdrucksreduziertheit gemeinsam, die bereits den Zeitgenossen nicht entgangen waren. So Gérard de Nerval, der abschätzig befand: „C’est toujours le même chic de pose et de draperies, la même tête d’étude, une main qui tient quelque chose, corne, glaive, palme ou caducée“.51 Der Mangel an Wirkkraft, so Nerval, mache die Statuen charakter- und

45 Vgl. zur Meeresmetaphorik von Paris, wie sie nicht zuletzt das Stadtwappen und das Motto „Fluctuat nec mergitur“ imprägniert hat, die Ausführungen bei Gregor Wedekind: Meryons „Stryge“ als Emblem der Stadt Paris. In: Die Stadt und ihre Bildmedien. Das Paris des 19. Jahrhunderts. Hrsg. von Steffen Haug u. Dems. Paderborn 2018. S. 15–51. 46 Der Brief zitiert in Bruson 1986/87 (c), S. 104. 47 So Hittorff in einem Brief vom 26.11.1836 an der Directeur des Bâtiments civils; wiedergegeben in Bruson 1986/87, S. 103. 48 Vgl. Hammer 1968, S.145–147 und Schneider, 1977, Bd. 1, S. 399–402. 49 Vier Statuen waren ursprünglich für die Balustrade des Börsenplatzes bestimmt und vier weitere sollten Cortots Standbild Ludwig XVI. von 1824 flankieren. Hittorff selbst überliefert dies in einem Brief vom 23.10.1835 an Rambuteau; vgl. Bruson 1986/87, S. 102. 50 Zu Pradiers Arbeiten auf der Place de la Concorde vgl. Claude Lapaire: James Pradier (1790– 1852) et la sculpture française de la génération romantique. Catalogue raisonnée. Zürich-Lausanne 2010. S. 58 f. u. Kat.-Nr. 103 f. 51 Der 1838 im Messager veröffentlichte Artikel Embellissements de Paris. La Concorde wiederabgedruckt in Gérard de Nerval: Paris et alentours. Hrsg. von Michel Laporte. Paris 1984. S. 33–40; Zitat: S. 38.

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letztlich aussagelos. Zu einem analogen Urteil kam Nerval im Rahmen der von Hittorff 1835 entworfenen monumentalen (9,60 m Höhe) gusseisernen korinthischen Rostralsäulen (heute 18, ursprünglich 20), die als Markierung des Platzkonturs und als Beleuchtungskörper dienen. Nerval erschienen die Rostralsäulen als „hochets de chocolat doré“ (Spielzeug aus vergoldeter Schokolade), die Kinder und Militärs entzückten.52 Das antike Würdezeichen also als vager Gegenstand der unbedarften Unterhaltung. Das markiert einen Unterschied ums Ganze. Denn die Reduktion der Rostralsäule vom Siegesmonument zum städtischen Dekor, zum Stadtmobiliar, trägt ihrerseits zum Verlust des Monument-Charakters der Concorde bei. Während etwa in Bordeaux noch 1828 das Motiv der Rostralsäule für die Errichtung zweier Leuchttürme auf der Place des Quinconces eine architektonisch monumentale Ausprägung erfuhr,53 zeigen Hittorffs schiffsbugbestückte Leuchter eine auffällige Nähe zu den im Empire beliebten Tisch- und Kaminaufsätzen.54 So wie die Rostralsäule um 1800 zunächst ins Interieur wanderte, fand sie in Form der Straßenlaterne ihren Weg wieder in den öffentlichen Raum. Diesen Weg ging sie nicht alleine, sondern gemeinsam mit dem „candélabre“, der im Französischen nicht von ungefähr sowohl den antik-bronzenen Lampenträger (Kandelaber) als auch die Straßenlaterne bezeichnet. Als Luxusmöbel fanden um 1800 (original römisch-antike) Kandelaber Eingang ins französische Interieur, so etwa in Napoleons und Joséphines Domizil in Malmaison bei Paris.55 Im Straßenraum erhielt er kolumnisiert eine neue Rollenidentität als gusseiserne Stablaterne. Als Charles Eck 1841 die Möblierung der Place de la Concorde zu beschreiben unternahm, dann bezeichnenderweise als dingliches Ensemble, in dem Laternen wie Obelisk funktional nicht mehr unterschieden wurden: Der Platz wäre „un vaste désert … sans l’obélisque de Louqsor, qui en est le centre, sans ces nombreux candélabres et les colonnes rostrales qui la meublent“.56 Mochte sich die Symbolik eines altehrwürdigen Zeichens (wie die Rostralsäule) auch ins Dekorative verflüchtigen, Monument also Mobiliar werden, so verlor sich 52 Nerval 1984, S. 36. 53 Zur Motivgeschichte vgl. René Gachet (Hrsg.): Paris Place de la Concorde. Restauration des colonnes rostrales. Paris 1995. 54 Vgl. die bei Alvar González-Palacios: Ancora una colonna rostrata. In: Arte illustrata 5 (1972). S. 359–361 illustrierten Beispiele. 55 Vgl. Salvatore Pisani: ‚Luxusmarke‘ Pompeji. In: Der Blick auf die antike Kunst von der Renaissance bis heute. Festschrift für Max Kunze. Hrsg. von Stephanie-Gerrit Bruer u. Detlef Rößler. Ruhpolding-Mainz 2011. S. 129–139; hier: S. 135 f. Ein illustres Beispiel stellt der antikisierende Kandelaber in Jacques Louis Davids Porträt der liegenden Juliette Récamier (1800, Louvre) dar; vgl. Salima Hellal: In: Juliette Récamier. Muse et mécène. Ausstellungskat. Musée des Beaux-Arts de Lyon. Paris 2009. S. 72 f. 56 Charles-Louis-Gustave Eck: Traité de l’application du fer, de la fonte et de la tôle dans les constructions civiles, industrielles et militaires; dans celles des ponts fixes ou suspendus, des chemins de fer, des églises et des digues à la mer, etc. etc., suivi d’un aperçu sur l’art d’ériger les tuyaux de cheminées en briques d’après le noveau système. Paris 1841. S. 26.

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ihre Wirkung durchaus nicht. Im Gegenteil, den zeichenreduzierten Raum-Accessoirs war eine bemerkenswerte Nonchalance eigen. Und das war unpolitische Politik, in der die ‚objektive‘ Markierung der städtischen Mitte eine Demarkierung der Erinnerung bewirken sollte.

Wie man ein Architekt der Ville de Paris wird Es sticht zunächst eine für die Zeit nach 1830 erstaunliche Kontinuität ins Auge. Hittorffs Berufung auf den Posten des Architeken der Place de la Concorde und der Champs-Élysées am 10. August 1832 verdankte sich Adolphe Thiers,57 der aus der Opposition heraus den Umsturz des Bourbonenregimes mitbetrieben hatte und zusammen mit dem Financier Jacques Laffitte einer der politischen Architekten des Nachfolgeregimes wurde. Als Innenminister, der durch einen Verfassungsumbau in der Frühzeit der Julimonarchie zur inneren Konsolidierung des Regimes beigetragen hatte und seit 1832 eine gewichtige Rolle in der Behörde der Travaux publics spielte, war Thiers eine entscheidende Figur in der Machtzentrale des Juliregimes.58 Seine Bestallung Hittorffs als Architekt der Ville de Paris entsprach einem ganz regulären Verfahren. Kurz davor war am 22. Juli 1832 per Dekret festgelegt worden, dass nur der Innenminister die architectes-en-chefs der öffentlichen Großbaustellen in Paris ernennen durfte, von denen man 1844 in der Bauadministration 38 zählte.59 Die grandes commandes waren also jene Schnittstelle, an denen sich Politik- und Architektenelite durchdrangen und dabei ihre Handlungsbühnen abstimmten. Was sich für Hittorff als krisenfestes Kapital erwies – seine Verbindungen in die politische Führungsschicht –, sollte unter der Julimonarchie jedoch mit der liberalen Auffassung von der Vergabe öffentlicher Ämter kollidieren und deshalb in die Kritik geraten.60 In zwei anonymen Artikeln, die 1835 in der Zeitschrift L’Artiste erschienen, wurde diese Vergabepraxis nicht nur offen angeprangert, sondern auch als wunder Punkt von „notre malheureux système d’architecture publique“ indiziert.61 57 Vgl. Bruson 1986/87 (c), S. 79. 58 Vgl. Eugène Asse: Louis-Adolphe Thiers. In: Nouvelle Biographie Générale depuis les temps les plus reculés jusqu’à nos jours, avec les renseignements bibliographiques et l’indication des sources à consulter. Paris 1866. Bd. 45. Sp. 176–197; hier: Sp. 181 f. Die genaueren Umstände der Bekanntschaft von Hittorff mit Thiers sind nicht bekannt. 59 Ihre Besoldung erfolgte auf Honorarbasis; es blieb ihnen freigestellt, Privataufträge zu übernehmen. Zu allen Aspekten der Architektenbestallung durch die öffentliche Hand vgl. Van Zanten 1994, S. 50. 60 Zu den Präliminarien dieser Diskussion unter der Restauration vgl. Chaudonneret 1999, S. 150 f. 61 Anonym: Le Louvre. L’Obélisque de Luxor. In: L’Artiste 10 (1835). S. 189–191 und Embellissemens de la place de la Concorde et de la place de l’ancien Opéra. In: L’Artiste 10 (1835). S. 281–283; Zitat S. 281. Die Zeitschrift L’Artiste war das Kampforgan, „la revue de combat“, der „jeunes romantiques“. In den 1840er Jahren war sie Hittorff auffällig wohlgesonnen; vgl. Adrien Goetz: La place de l’architecture dans la revue L’Artiste à l’époque romantique (1831–1848). In: Les périodiques d’ar-

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Es wird in beiden Artikeln moniert, dass die Kriterien, nach denen die Stadt Paris und das neue Königshaus ihre Anwärter für wichtige Ämter aussuchten, nicht transparent seien, um dann die Forderung nach öffentlichen Wettbewerben zu formulieren, deren Praxis gesetzlich zu verankern sei. Im Visier der Kritik stand nicht allein die Vergabepraxis der öffentlichen Hand, sondern auch die Architektenschaft selbst, die ohne Rücksicht auf Moral und Anstand sich zu verdingen bereit zeige. So befand der anonyme Kritiker: „Il ne serait guère moins ridicule à un architecte de fonder son droit à être chargé d’un travail public, sur la faveur qui lui a été faite d’être compté parmi les serviteurs du roi“.62 Der Kritiker spöttelte ferner, dass ein Pferdejockey des Duc d’Orléans auf dem Hippodrom der Champs-Élysées den Siegespreis auch nicht deshalb für sich beanspruchen könne, nur weil das Pferd aus dem Stall des Königs komme. Die Kritik richtete ihre Pfeile insbesondere gegen den Architekten des Palais Royal, Pierre-François-Léonard Fontaine.63 Im Hinblick auf die geplante Tuilerien-Louvre-Verbindung, die Fontaine schon unter Napoleon beschäftigt hatte,64 wurde die Frage aufgeworfen, inwiefern nicht selbst gestandene Persönlichkeiten wie Fontaine in die Pflicht genommen werden müssten, ihre Entwürfe einer Begutachtung unterziehen zu lassen. Wenn in demselben Atemzug die Forderung nach einem öffentlichen Wettbewerbssystem wiederholt wurde, dann weil der Schreiber prinzipiell auf eine Republik gleichgestellter Konkurrenten sann, in der Kriterien wie Amt, Privilegien und Patronage unzulässig seien. Es kam deshalb der öffentlichen Diskreditierung Fontaines gleich, wenn es mit kritischer Schärfe hieß, dass „l’honneur d’appartenir à la maison royale“ keineswegs „un titre de capacité“ sei.65 Obgleich marginaler, sah sich auch Hittorff diesen Anwürfen ausgesetzt. Denn gegen den Architekten der Place de la Concorde brachte der Kritiker vor, dass auch chitecture XVIIIe–XXe siècle. Recherche d’une méthode critique d’analyse. Hrsg. von Jean-Michel Leniaud u. Béatrice Bouvier. Paris 2001. S. 115–133; bes. S. 115 u. 130 f. 62 Anonym: Le Louvre. L’Obélisque de Luxor, in: L’Artiste 10 (1835). S. 190. 63 Zu Fontaine als Zielscheibe polemischer Attacken durch die Zeitschrift L’Artiste vgl. Goetz 2001, S. 126 f. 64 Michel Carmona: Le Louvre et les Tuileries. Huit siècles d’histoire. Turin 2004. S. 258–262. 65 Anonym: Le Louvre. L’Obélisque de Luxor. In: L’Artiste 10 (1835). S. 190. Es sei hier erwähnt, dass dieser öffentlichen Desavouierung bereits andere vorausgegangen waren, so durch eine Karikatur von Turpin de Crissé, die Louis-Philippe und Fontaine vor dem Pavillon de Flore zeigen, während Arbeiter mit der Pike die Ummauerung des Tuileriengartens niederlegen; deren Beschriftung lautet: „Le Louis XIV de 1830 et son Lenôtre, dirigeant les embellissements des Tuileries“. Der Journal des artistes et des amateurs meldete 1832 (Bd. 6), S. 63, dass man ein Spottgedicht auf Fontaine als Architekten des Tuilerien-Gartens verfasst hatte: „Ce n’est pas le nôtre“. Die Zeitschrift referierte weiter, dass dieses Epigramm von der Art sei, „qui sont capables de tuer un homme“. Fontaines Reputation sei der Kritik allerdings gewachsen: „Nous voulons dire par là que son ancienne réputation justement acquise, résistera à ce désolant bon mot“. Das preußische Königshaus ließ im übrigen über Alexander von Humboldt bei Hittorff im Februar 1832 nach einer Kopie der Lithographie fragen; vgl. die Briefe A. von Humboldts an Hittorff vom 10.2. u. 14.2.1832; [Alexander von Humboldt:] Correspondance inédite scientifique et littèraire. Hrsg. von Jean-Baptiste-Marie-Alexandre Dezos de la Roquette. Paris 1869. S. 89 f. u. 435 f.

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er „sans autre examen“ berufen worden sei, was dem Vorwurf des Protektionismus gleichkam, wie er gegen Fontaine erhoben wurde.66 Der öffentliche Disput barg nicht allein harsche Vorwürfe gegen prominente Vertreter der Beaux-Arts-Elite, sondern auch eine fundamentale Systemkritik. Der bestehende Elitekonsens wurde schlechterdings verdächtigt, durch personelle Avancements und institutionelle Arrangements gegen republikanische Ideen von Wettbewerbs- und Chancengleichheit zu verstoßen.67 In Anklängen wurde hier ein Elitenmisstrauen an den Tag gelegt, das im Pariser Mai ’68, wie beschrieben, eine radikalisierte Wiederauflage erfahren sollte. Nicht allen Künstlern und Architekten war die Verabschiedung der höfisch-aristokratischen Kunstpatronage schwer gefallen. Es handelte sich vor allem um eine Gruppe von überwiegend jüngeren Architekten, die sich von einem neuen politischen Staatsgebilde auch eine Reform des Bauwesens erhofften. Zu ihr gehörten die Beaux-Arts-Schüler Abel Blouet, Émile-Jacques Gilbert, Louis Duc, Félix Duban, Henri Labrouste und Léon Vaudoyer.68 Unter ihnen wurde vor allem Labrouste gleichsam als Rebellenkünstler und Erneuerer der Architektur, je nach Gesinnung, entweder gefeiert oder geächtet. Zwei Aussagen mögen dies exemplarisch belegen. Die eine stammt aus der Feder des Republikaners Gottfried Semper, der, nachdem er 1849/50 die neuesten Bauten und Baustellen von Paris besichtigt hatte, auf das Zweite Kaiserreich allein deshalb kein gutes Licht fallen ließ, weil die Regierung die Architekten der Labrouste-Generation an den Rand der Bedeutungslosigkeit gedrängt habe. In für Semper charakteristisch unverhohlenen Worten heißt es: „Diese hastig begonnenen Werke [in Paris] sind den sogenannten Machern aus der alten Schule [der École des beaux-arts] übergeben worden mit Uebergehung der jüngeren Schule, die dem jetzigen Gouvernement nicht zusagt. Diese jüngere Architekten-Generation ist größtenteils aus der Schule des Henri Labrouste hervorgegangen, der in der Bibliothek Ste.-Geneviève den Typus der neuen Bauweise [id est der Eisenarchitektur] hinstellte, die während der Republik ihren kurzen Sommer durchlebte“.69 Henri Delaborde, Secrétaire perpétuel der Académie des beaux-arts, hingegen be66 Vgl. Anonym: Embellissemens de la place de la Concorde et de la place de l’ancien Opéra. In: L’Artiste 10 (1835). S. 282. 67 Zur gesetzlich festgeschrieben Rechts- und Chancengleichheit insbesondere in Bezug auf die Zugänglichkeit des service puplic vgl. Stéphane Caporal: L’affirmation du principe d’égalité dans le droit public de la Révolution française (1789–1799). Paris 1995. S. 70–105. 68 Siehe Barry Bergdoll: Léon Vaudoyer. Historicism in the Age of Industry. Cambridge-London 1994. S. 107–111 u. Ders.: European Architecture 1750–1890. Oxford 2000. S. 176. Bei den drei letztgenannten wird immer wieder auf ihre Nähe zu den Ideen des Sozialisten Henri de Saint-Simon (1760–1825) und seiner Schüler hingewiesen. Zu Saint-Simon und seiner Wirkungsgeschichte vgl. Fenske 2003. S. 427–430. 69 Gottfried Semper: Die neuesten Pariser Bauten. In: Unterhaltungen am häuslichen Herd. Hrsg. von Karl Gutzkow 1 (1853). S. 296–298; Zitat: S. 296. Dass Semper sein Urteil über das Verhältnis von Zweitem Kaiserreich und Eisenarchitektur etwas voreilig fällte, vgl. hier das Kapitel Technokratie und Stadtbaukunst – Das Bekehrungsregime des Präfekten Georges-Eugène Haussmann.

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fand drei Jahre nach Labroustes Tod 1878, dass dessen Name in bestimmten Kreisen für einen überdehnten Autonomie- und Freiheitsanspruch gestanden habe („auprès d’une partie du public, a paru personnifier l’esprit d’indépendance outrée“).70 50 Jahre später erschienen dem Apologeten der Moderne, Sigfried Giedion, diese Worte aus dem Munde eines Akademikers als blanker Zynismus. Denn die Akademie billige sich damit zu, – und damit folgte er Sempers Urteil – „die jungen Kräfte zu sabotieren und niederzuhalten, ihnen nach Möglichkeit jede Verwirklichung zu unterbinden, … [um sie] im Greisenalter zu assimilieren“.71 In dem Maße, wie Giedion die Akademie als autoritäres System der Verhinderung herabwürdigte, stilisierte er Labrouste zum Künstlerrebellen, dem die Moderne längst ununterdrückbar eingeschrieben war: „Labrouste entwirft keine romantisch-klassizistischen Königsschlösser“, sondern in Eisen „die Bibliothek Ste. Geneviève!“.72 Die neuere Forschung hat Giedions Labrouste-Bild einer gründlichen Revision unterzogen.73 Barry Bergdoll hat die trügerische Vorstellung beseitigt, die Labroustes Karriere seit 1830 in eine neue, ganz vom engagierten esprit nouveau getragenen Cliquen- und Gruppenbildung ansiedelte, und stattdessen seine Zugehörigkeit zu ‚konservativen‘ Zirkeln aufgezeigt.74 Daran ändert nichts, dass Labrouste unmittelbar vor der Julirevolution öffentlich Kritik an der Unterrichtspraxis der École des beaux-arts geübt hatte. Ähnliche aufbegehrende Worte sind von Léon Vaudoyer überliefert, der am 22. März 1830 während seiner Pensionärszeit an der Villa Medici in Rom an seinen Vater schrieb: „Ainsi cette guerre en architecture n’est autre chose que celle qui existe en littérature entre les Victor Hugo et les classiques et de même en peinture. Pourquoi l’architecture ne ferait-elle pas aussi sa petite révolution? … L’architecture de 1830 ne peut-être celle de 1680 ou on bâtissait Versailles en faisant mourir le peuple de faim et de misère“.75 Und doch ist Vaudoyers republikanische Haltung, der kurz zuvor die zentrale Schleuse ins Eliteuniversum der Beaux-Arts erfolgreich passiert hatte, kaum als Beitrag zu einem Diskurs zu nehmen, der der eigenen Eliteformation die Sinnfrage stellte. In seinen Worten dringen vielmehr Tendenzen der Romantiker durch, die 1830 die Wende vom Ästhetizismus zum Sozialismus vollzogen.76 Und eine eigene Sprache spricht eben der Umstand, dass die Sympathien der Beaux-Arts-Zöglinge für ein bestimmtes Gedankengut nicht in politischen Ak70 Henri Delaborde: La vie et les ouvrages de Henri Labrouste. Notice lue à l’Académie des beauxarts, dans la séance publique annuelle du 19 octobre 1878. In: Encyclopédie d’Architecture. Revue mensuelle des travaux publics et particulières 7 (1878). S. 82–88; Zitat: S. 82. 71 Giedion 1928, S. 20. 72 Giedion 1928, S. 14. 73 Hierzu der von Dubbini 2002 herausgegebene Sammelband mit Beiträgen von Barry Bergdoll, Pierre Pinon, Robin Middleton und Stanislaus von Moos; Renzo Dubbini (Hrsg.): Henri Labrouste 1801–1875. Mailand 2002. 74 Barry Bergdoll: La formazione presso l’atelier di Vaudoyer e Lebas. In: Henri Labrouste 1801– 1875. Hrsg. von Renzo Dubbini. Mailand 2002. S. 26–49. 75 Zitiert in: Bergdoll 1994, S. 107. 76 Vgl. Hauser 1972, S. 768 f.

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tionismus mündeten. Denn es waren nicht die Architekten der Beaux-Arts, die im Juli 1830 auf die Barrikaden stiegen, sondern die Ingenieure der École polytechnique.77 Die Aufstandsbeteiligung der Polytechniciens hatte eine ganz eigene Motivation. Hierzu gilt es an die revolutionären Ursprünge dieser École zu erinnern, die unmittelbar nach 1789 gegründet wurde.78 Es war das Anliegen führender naturwissenschaftlicher Kreise, eine Kaderschmiede für Ingenieure und Techniker zu bilden, die die Reorganisation des Landes nach aufklärerischen und republikanischen Prinzipien leisten sollten. Insofern widersprach die Restauration von 1815 dem Gründungsethos der École polytechnique grundlegend. Unter den Bourbonen partizipierten die Ingenieure – anders als Bildende Künstler und Architekten – nicht am Privilegiensystem des Hofes, der ohnehin auf Repräsentations-, nicht auf Fortschrittskultur setzte. Damit stand das republikanische Ideal der Polytechniciens gegen das elitistische, an höfischer Patronage orientierte Ideal der Architektenschaft. Eine politische Polarisierung bestand auch innerhalb der Architektenschaft selbst. So nicht zuletzt zwischen Hittorff und seinem Landsmann Franz Christian Gau. Gau gehörte jenen Architekten an, die sich zu einer republikanisch-freiheitlichen Weltanschauung bekannten.79 Gaus gegen Hittorff gerichtete Urteile sind aufschlussreich für das sich unmittelbar nach 1830 unter einem Teil der Architektenschaft ausbreitende resignative Klima. Wenn Gau am 23. Dezember 1834 seinem Schüler Gottfried Semper nach Dresden schrieb, Hittorff habe ihm seine bisherige Position in der Pariser Stadtverwaltung streitig gemacht und dies aufgrund seiner Stellung und seiner Ehren unter den Bourbonen, dann entsprach dies dem Tenor und den Argumenten der in L’Artiste öffentlich vorgebrachten Kritik, mit dem allerdings feinen Unterschied, dass Gaus persönliche Erbitterung den Angriffen auf die

77 Pfammatter 1997, S. 37–39. 78 Zu Gründungsgeschichte und -ethos der École polytechnique vgl. Pfammatter 1997, S. 17–23. Zu den Polytechniciens als „héros du Juillet“ siehe die Ausführungen von Bruno Belhoste: Les polytechniciens et le peuple de Paris 1814, 1830, 1848. In: Le Paris des polytechniciens. Des ingénieurs dans la ville 1794–1994. Hrsg. von Dems., Francine Masson u. Antoine Picon. Paris 1994. S. 79–95; bes. S. 80–82, der den Stilisierungsgraden der älteren Darstellungen Rechnung trägt. Ferner Gérard Bodé: Les associations polytechnique et philotechnique entre 1830 et 1869. In: ebd. S. 63–67. 79 Eine Studie zum spannungsvollen Verhältnis der in der Forschungsliteratur oft als Freundespaar stilisierten Kölner Architekten Hittorff und Gau liegt nicht vor. Zur Biographie Gaus vgl. Kramp 1996 (a) und zu seinem dezidierten Republikanismus Pisani 2007. Ein charakterologischer Vergleich zwischen beiden wurde in einem zeitgenössischen Nachruf vorgenommen. Gau eigensinnig und geradeheraus, Hittorff der wendige Höfling, dem allein der Nutzen zum Verhaltensregulativ gereichte: „M. Gau était franc et rond, d’un caractère décidé, ne changeant jamais une opinion une fois prise. M. Hittorff était homme de cour, doué de toutes les qualités et de tous les talents qui font réussir dans la societé et surtout dans celle de Paris. Voilà qui a rendu la carrière des deux compatriotes si différente“; Anonym: Hittorff et Gau. In: Journal des beaux-arts et de la littérature 9 (1867, Nr. 8), S. 62.

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Malaise der Verhältnisse eine eigene Würze verlieh. Auf die mit der Julirevolution verknüpften Veränderungen reagierte Gau resigniert: Über hiesiges Treiben [in Paris] kann ich nichts Gutes melden. Wir sind schon 100 Jahre von den Juli Tagen entfernt. Es ist ein wahrer Verrath und nur der darf auf etwas Anspruch machen der Titel aus der vorigen Regierung aufzuweisen hat. Wundern Sie sich daher nicht, wenn ich Ihnen melde, daß mein Regiment schon aufgehört und ich an der Stadt, wo ich so hoch stand, von Hittorf [sic] ersetzt bin. Das verhindert mich nicht, meine Meinung frei zu sagen und als Electeur frei zu handeln.80

Gaus Furor hatte ein öffentliches Vorspiel, das charakteristisch ist für die in der Kritik mitschwingende Verletztheit des Architekten. Gau spielte offen auf die Niederlage in der Frage um die Aufstellung des Obelisken von Luxor an, die 1833/34 während der Überführung der Felsennadel von Ägypten in die französische Kapitale eine öffentliche, weite Kreise ziehende Kontroverse ausgelöst hatte. Gau sah sich als Verfasser des epochemachenden Nubien-Werks von 1822 und als einschlägiger Ägyptenkenner zur Intervention in der Angelegenheit herausgefordert.81 Die zwei Anschreiben an den in dieser Frage zuständigen Innenminister Adolphe Thiers, in denen Gau als Aufstellungsorte zunächst den Vorplatz der Louvre-Ostfassade, dann den Innenhof des Louvre vorschlug, stellten gleichsam Gegenprojekte zu der geplanten Obelisken-Platzierung auf der Place de la Concorde dar und dies mit der zentralen Begründung, dass die Felsennadel in der Weite des Platzraumes zwischen Tuilerien und Champs-Élysées ihre Wirkung nicht entfalten könne.82 Gaus Intervention

80 Franz Christian Gau in Paris an Gottfried Semper in Dresden, 23.12.1834; Zürich, gta-Archiv, 20– K–1834–12–23. Gaus Republikanismus wirkte ansteckend auf Gottfried Semper, der 1830 die Julirevolution in Paris mit Begeisterung erlebte; vgl. Mallgrave 2001, S. 37. Sempers politische Haltung entsprach ganz jener Gaus, wenn er vermerkte: „Der [italienische] Adel will aufgesucht sein und wenn ich etwas suche, so ist es nicht Adel“. Brief an den Bruder Wilhelm, Castellammare di Stabia, 24.9.1832; Zürich, gta-Archiv, 20–K–1832–09–24. 81 Vgl. die Begründung Gaus in seinem Anschreiben an den Minister Adolphe Thiers, Paris, 21.10.1833: „Comme voyageur qui ai vu et étudié sur les lieux les monuments de l’Egypte, j’ai cru pouvoir, dans le temps émettre, à M. le Ministre des travaux publics, mon opinion“; Paris, AN, F13/ 1230, f. 6r. 82 In dem eben zitierten Anschreiben an Thiers heißt es, dass die „forme grille [des Obelisken] ne permettait pas de le placer isolement et sur un grand espace“. Gau beschreibt sein Projekt gegenüber Semper wie folgt: „Über die wirklich meisterhafte Aufrichtung des Obelisken hoffe ich Ihnen etwas zuzuschicken. Die Herausgabe ist versprochen. Die Wahl des Platzes, gegen die ich auf alle mögliche Weise gestritten, ist die aller ungünstigste. Ich hatte den schönen Hof des Louvre dazu vorgeschlagen, weil ein so grelles, mageres Monument auf einem großen freien Raum nur verlieren, in einem eingeschlossenen nur gewinnen kann. Als Beispiel zeigte ich auf die schöne Säule der Place Vendôme, die in den Champs de Mars aufgestellt, alle Wirkung verlieren würde. Ich bemerkte ferner, daß der Obelisk nur ein antikes Bruchstück sei, welches der im Louvre befindlichen Sammlung beigestellt werden müßte“; Brief vom 10.9.1837, Zürich, gta-Archiv, 20–K–1837–09–10. Zu Gaus Intervention in der Kontroverse um den Obelisken von Luxor vgl. ferner Kramp 1996 (a), S. 309–312.

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erklärt sich nicht allein aus ästhetischen Gründen, denn Gau trat mit seinen Erwägungen in eine offene Rivalität zu Hittorff, der den Obelisken von Anbeginn der Planungen für die Place de la Concorde vorgesehen hatte. Es galt für ihn vielmehr eine Domäne zu verteidigen, „in der ich so hoch stand, von Hittorf ersetzt bin“.83 Wenn Hittorff am Ende gegen sämtliche Konkurrenten den Zuschlag für den Obelisken erhielt, dann privilegierten der Innenminister Thiers und der Präfekt Rambuteau zugleich jenen Architekten, den sie 1832 mit dem wichtigen Posten des Architekten der Place de la Concorde und der Champs-Élysées versehen hatten.84 Zwei Monate vor Gaus Schreiben an Semper hatte sich Thiers gegenüber Rambuteau der Richtigkeit ihrer gemeinsamen Befürwortung von Hittorffs Entwürfen für die Place de la Concorde versichert: „Nous avons fait un choix excellent en adoptant M. Hittorff“.85 Wenn Gau in seinem Schreiben an Semper – mit der auffälligen Hervorhebung – von „Verrath“ an den Idealen der Julimonarchie sprach, dann stand diese Kritik in einem eminent persönlichen Zusammenhang, was freilich wenig daran ändert, dass dieses Verhaltensmuster von Künstlern ohnehin in der Schusslinie Gaus lag. Und es war ja auch so: Hittorff war ein zentrales Beispiel für diejenigen Architekten, die ihre ausgedehnten Kontakte in politische und administrative Führungskreise nutzten, um die eigene Position abzusichern und Konkurrenten um Machteinfluss und Ressourcen auszuhebeln. Es lässt sich dies für Hittorff oft genug nachweisen. Es sei hier nur ein weiteres, besonders prägnantes Beispiel angeführt. Mehrfach ging Hittorff Alexander von Humboldt darum an, ihm eine Audienz bei Louis-Philippe zu verschaffen. Nachdem Humboldt dies mit der Übermittlung einer Publikation Hittorffs in die Wege geleitet hatte, antwortete er Hittorff in einer Weise, die Gaus Zorn gegen diejenigen hervorgerufen hätte, die auf „etwas Anspruch“ machen können, weil ihre „Titel aus der vorigen Regierung“ stammen: „Comment aurai-je pu douter un instant, Monsieur, du plaisir que le roi aurait de recevoir un ouvrage de vous? Il suffisait de vous nommer“.86 Bei Gau indes zieht sich das Thema der Verteidigung und Wahrung der persönlichen Freiheit wie ein Leitmotiv durch seine Selbstzeugnisse. Als er 1818 in Alexandrien mit seinem adeligen Reisebegleiter und Gönner von Sack mit Eklat brach und seine Reise alleine fortsetzte, schrieb er an seinen früheren Kölner Mentor, Ferdi-

83 Brief von Gau an Semper, Paris, 23.12.1834; Zürich, gta-Archiv, 20–K–1834–12–23. 84 Hierzu auch eindeutig Thiers abschlägige Antwort auf Gaus zweite Intervention vom 11.10.1834: „Ainsi que je viens d’avoir l’honneur de vous en informer, rien n’a été changé à la 1er détermination de l’Administration, et jusqu’ici du moins, elle n’a pas cessé de considérer cette question comme décidée“; Thiers an Gau, Paris 22.10.1834; Paris, AN, F13/1230, f. 8v. Es bleibt zu vermuten, dass Thiers die zahlreichen eingegangenen Alternativprojekte zur Aufstellung des Obelisken von Luxor in den Bauausschüssen selbst nie zur Diskussion gestellt hat, sondern nach meist knapper, abschlägiger Antwort gleich archivieren ließ. 85 Brief von Thiers an Rambuteau, 25.10.1834; Paris, Archives départementales de la Seine, 3 AZ 315–1; in: Bruson 1986/87 (c), S. 96. 86 Alexander von Humboldt an Hittorff, Paris, 18.3.1832; abgedruckt in Humboldt 1869, S. 91.

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nand Franz Wallraf: „Gleich bei meiner Ankunft in Alexandrien im Monat April 1818 trennte ich mich von dem Manne, den ich begleiten sollte, weil ich frey gebohren, mich nie jemandem unterworfen habe, und mich in meinem Leben Niemandem unterwerfen werde“.87 Ebenso war es eine provokante und gewagte Grundsatzerklärung, sich „so viel als möglich niemandem mehr verbindlich zu machen, am wenigsten der Regierung, weil ich frey bleiben will und unabhängig“,88 sofern trotz aller gesellschaftlichen Umschichtungen im postrevolutionären Europa der Hof- und Staatsdienst weiterhin charakteristische und erstrebenswerte Stationen einer Architektenlaufbahn darstellten. Man muss hier den Kontrast zu Hittorff festhalten, dem ein solcher Konflikt zwischen Selbst- und Lebensentwurf zeitlebens fremd blieb. Während der auf republikanische Ideale bedachte Gau sich über seine kritische Distanz zur Macht definierte, kennzeichnete den auf lebensgeschichtlichen Erfolg zielenden Hittorff nachgerade eine besondere Nähe zu ihr. Gau verwarf Umgangsstil, Klientelismus und Protektionismus als konstitutive Komponenten einer Architektenkarriere umso schärfer, als sich 1830 die Aussicht auftat, dass sich (endlich) republikanische Verhältnisse einstellten. Bezeichnend ist deshalb die Vehemenz der Attacken gegen Hittorff, dessen Verhaltensregulativ sich nachgerade nach Erfolgschancen richtete, stets bemüht mit den Mächtigen auf gutem Fuß zu stehen. Gaus Zorn ist, so sehr er persönlich grundiert war, psychopolitischer Zeitspiegel.89 Denn er bezichtigte mit seinen Angriffen implizit den französischen Elitismus der Falschheit, in dem Meriten und Chancengleichheit in Wahrheit einem korrupten Machtspiel geopfert würden. In Gau traten ganz zeitspezifisch Gerechtigkeitsverlangen und Zorn zusammen. Seine Rage über Hittorff als einem Hauptvertreter der französischen Architektenelite machte sich in einem Brief an Semper Luft, in dem er über Hittorffs Aufnahme an der Münchener Akademie dank der dortigen Verbindungen berichtete; Gau bezeichnete Hittorff darin so, wie er ihn in der eigentümlichen Überlagerung von unmittelbarer Rivalität und weltanschaulichem Dissens eben sah: „Solcher verfluchte Windbeutel!“.90

87 Gau an Wallraf, Alexandrien, 28.10.1819; Köln HAS, Nachlass Wallraf, 1105, Nr. 7, Blatt 20; zitiert nach Kramp 1996 (a), S. 321. 88 Mitteilung Gaus aus Rom an seinen Mentor Wallraf in Köln, dass er sich nicht auf eine Stelle in preußischen Diensten bewerben werde, die ihm der Gesandte aus Berlin in der Tiber-Stadt Barthold Georg Niebuhr vermitteln wollte; Rom, 10.5.1820; Köln, HAS, Nachlass Wallraf, 1105, Nr. 7, Blatt 23r; zitiert nach Kramp 1996 (a), S. 322. 89 Dass Gau ein äußerst aufmerksamer Zeitdiagnostiker war, davon zeugt seine mit Kritik dicht bespickte Korrespondenz; vgl. Pisani 2007. 90 Gau an Semper, Paris, 22.2.1835; Zürich, gta-Archiv, 20–K–1835–02–22.

Der Unternehmer seiner selbst



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Der Unternehmer seiner selbst Die Monopolstellung im Champs-Élysées-Park Hittorffs Stellung als Architekt der Place de la Concorde und der Champs-Élysées ist nicht nur deshalb einmal näher zu beleuchten, weil sie öffentliche Kritik provoziert hatte. Hittorff war neben der Neuordnung des Stadtraumes auch für die Entwürfe von zahlreichen Vergnügungsetablissements verantwortlich, die im Auftrag privater Bauherrn ausgeführt wurden. Im Laufe der Jahre erhielt Hittorff eine erstaunliche Reihe einträglicher Bauaufträge (Sommerzirkus, Georama, Panorama, Restaurantbauten u. a. m.), die letztlich seine rasche professionelle Konsolidierung nach dem Karriereknick von 1830 bewirkten. Der Auflagentext der Seine-Präfektur die Bebauung und Bewirtschaftung der Champs-Élysées betreffend legte Hittorffs Aufgabenbereich fest: Le concessionnaire exécutera à ses frais, risques et périls toutes les constructions indiquées à l’article 1er et sur les emplacemens qui y sont désignées. Il pourra employer le mode de construction et faire le choix des matériaux qui lui conviendront. Il sera libre aussi de modifier les plans annéxés, en ce qui regarde la distribution et la décoration des intérieurs; mais pour les élévations extérieures qui doivent particulièrement concourir à l’embellisement des Champs Élysées, elles devront être exécutées sous la direction de M. Hittorff, architecte de la Ville, conformément aux plans ci-annéxés et aux détails qui seront donnée par le même architecte.91

Wiewohl nur die Gebäudeaufrisse in Hittorffs Ressort fielen, verstand der Chefarchitekt des Champs-Élysées-Parks, der die Baugrundstücke und Konzessionen vergab, meist noch die Detailplanung an sich zu ziehen. Hittorffs Auftragsakquisen überschritten keineswegs seine Befugnisse, sondern waren das Ergebnis eines konsequent ausgenutzten Vorteils. Wie prekär die Stellung zwischen städtischem Amt und freiberuflichem Engagement war, erwies sich in Konfliktsituationen, wie die Auseinandersetzung mit dem Bauherrn der Panoramarotunde (erbaut 1838/39, zerstört 1857) Jean-Charles Langlois zeigt. Nachdem Langlois sich wegen Statik- und Kostenproblemen an den Präfekten Rambuteau mit dem Vorwurf gewandt hatte, dass ihm der Architekt Hittorff von der Stadt aufgezwungen worden sei, adressierte dieser alarmiert an Langlois sogleich eine dezidierte Klarstellung. So habe sich Langlois frei für ihn als Architekten entschieden, weshalb die Querele eine Angelegenheit zwischen ihnen beiden sei, nicht zwischen Langlois und der Stadt Paris. Wie wichtig Hittorff diese Klarstellung war, ist an seinem erregten Tonfall gegenüber Langlois ablesbar: „Je m’élève fortement contre l’énoncé dans votre lettre à M. le Préfet, que la ville de Paris vous a im91 Vgl. Préfecture du Département de la Seine. Cahier des charges, clauses et conditions de la cession pendant Vingtsept années, d’emplacements dans les Champs-Élysées, pour la création et l’exploitation d’établissements destinés à l’embellissement de cette promenade, o. J. [aber 1838]; Zitat: Artikel 4, S. 5. Ein Manuskript-Exemplar aufbewahrt in Paris, BHVP, fol. 92 222.

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posé un architecte et un projet. … Quelle qu’elle soit du reste, M., personne ne me fera faire une chose contre ma conviction. Et comme je ne vous ai pas été imposé, moi et mes plans, ni ne me faire imposé, ne m’impose à ses veux [sic], pas plus à vous qu’à toute autre personne“.92 Der fast hysterische Impetus der Sätze legt es nahe, sie gegen den Strich zu lesen. Denn offensichtlich galt, dass, je offener die zugrundeliegenden Verhältnisse zum Vorschein zu kommen drohten, sie um so heftiger überspielt werden mussten. In solchen Konfliktmomenten trat Hittorffs auch rechtlich unklare Stellung zwischen Amtsträger und freiberuflichem Architekten offen zu tage. Sein Auftragsmonopol im Parkareal der Champs-Élysées war eben kein gegebenes, sondern ein behauptetes. Behauptet hat es Hittorff in einem ständigen Ringen um Auftragsakquise, Einfluss und Macht innerhalb wie außerhalb der Administration. Hittorffs überlauter, scharfer Tonfall gegen Langlois war deshalb nicht ausschließlich vom Sachbezug her diktiert, sondern Teil des Durchsetzungskampfes eines in eigener Sache handelnden Architekten, der Konflikte nicht (mehr) unter der Protektion eines Fürsten durchzustehen hatte, sondern allein vermittels eines selbst erarbeiteten Standings. Langlois’ Vorwurf, dass sich Hittorff aufgedrängt („imposé“) habe, war letztlich so unbegründet nicht. Hittorffs Brüskiertheit über die Vorhaltung ist vielmehr als statussichernde Sozialkompetenz einzuschätzen, die als Selbstbehauptungsmittel eine zusehends entscheidendere Rolle im Alltagsgeschäft des Architekten spielte – der sich nun anschickte, im Einklang mit dem ökonomistischen Denken des Juste Milieu zum Unternehmerarchitekten zu mutieren. Statt auf Kanon und Prinzipien sah sich der Architekt verstärkt auf Tagesfragen zurückgeworfen, die ein durchsetzungsstarkes Handeln und Denken einforderten. Mit dem aggressiven Behauptungs- und Durchsetzungsmuster geriet gleichzeitig die utilitaristische Anwendung der Kunst auf die Agenda des Architekten.

Die Gründung der Firma Hachette & C.ie Hittorffs wichtigste strategische Einsicht nach 1830 bestand darin, sich neben dem städtischen Amt als architecte-en-chef ein zweites Standbein als freier Unternehmer aufzubauen. Sicherlich hatte Hittorff auch als Hofarchitekt zahlreiche Privataufträge abgewickelt, die ein lukratives Zubrot bedeuteten, doch hatte seine professionelle Expansion in der sozioökonomisch anders aufgestellten Julimonarchie eine neue Qualität und ein neues Ausmaß zu verzeichnen. Hittorffs unternehmerische Aktivitäten nahmen im Oktober 1832 mit der Gründung einer Firma zur Herstellung von farbig emaillierten Gebrauchs- und Dekorationsgegenständen aus Lavastein konkrete Formen an. Zwar sollte auch Hittorff über den Verlust der königlichen Patronage nach 1830 gleich den Bildenden Künstlern und Literaten immer wieder in einen lar-

92 Brief vom 12.11.1838 von Hittorff an Langlois; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–10, f. 53.

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moyanten Ton verfallen.93 Doch Hittorffs ‚Depression‘ war das eine, das andere war sein sich davon absetzender Unternehmergeist. Hittorff entwickelte einen ökonomischen Aktionismus, der neuartige Handlungsräume eröffnete. Er war ihm freilich möglich, weil er über erhebliche Kapitalressourcen verfügte, die Eigeninitiativen erlaubten. Emaillierte Lavaplatten, die sich figürlich oder ornamental schmücken ließen und, anders als die bisher als Träger benutzte Keramik, große Bildflächen zu gestalten erlaubten, besaßen zwei Vorzüge.94 Zum einen waren sie überaus alterungsbeständig und witterungsfest, so dass eine breite Anwendung in der Gebrauchskunst möglich war, und zum anderen ließ sich ihre Herstellung in industrielle Produktion überführen, die eine erhebliche Reduzierung der Herstellungskosten in Aussicht stellte und damit ein lukratives Marktprodukt zu werden versprach. Die Entdeckungsgeschichte dieser neuen Kunsttechnik hat Hittorff selbst in einem am 1. Dezember 1833 datierten Memorandum festgehalten.95 Demnach hatten an Idee und Durchführung in einem zeittypischen Zusammenspiel von Politik und Technikwissenschaft zwei Männer maßgeblichen Anteil: Der Präfekt der Restaurationszeit 93 Zu Geltungsverlust und Larmoyanz bei Malern und Schriftstellern nach 1830 vgl. Bätschmann 1997, S. 78–81 und Lough 1978, S. 300–312. 94 In einem offiziellen Gutachten der Industrieausstellung von 1834 werden die Vorzüge der Emailmalerei auf Lavaplatten gegenüber der Verwendung in der Keramik wie folgt beschrieben: „Antérieurement, la peinture en couleurs vitrifiables, qui réunit si bien l’éclat à la solidité, ne pouvait s’exécuter que sur des plaques en porcelaine à petites dimensions, et, malgré leur petitesse, difficiles à produire planes et droites. Mais les plaques de porcelaine en biscuit peuvent être beaucoup plus grandes et très-régulières. Les plaques de lave s’obtiennent grandes et planes avec encore plus de facilité; elles peuvent s’ajuster l’une contre l’autre avec une extrême précision, de manière à présenter d’immenses surfaces parfaitement droites et continues dans tous les sens. On pourrait donc couvrir les parois intérieures et extérieures d’un édifice avec des peintures vitrifiées, brillantes, inaltérables par le soleil et l’humidité“; vgl. Rapport du jury central sur les produits de l’industrie française exposés en 1834. Bd. 3. S. 400, hier zitiert nach Louis-Étienne Dussieux: Recherches sur l’histoire de la peinture sur émail dans les temps anciens et modernes et spécialement en France. Paris 1841. S. 147 f. Ferner zur Emailmalerei Augustin Jal: Beaux Arts – Peinture sur lave de Volvic. In: Journal du génie civil, des sciences et des arts 1 (1828). S. 527–533; Louis-Étienne Dussieux: Histoire de la peinture sur émail. In: Le magasin pittoresque (1841). S. 37–40 und Ders.: De l’application des émaux à la décoration des monuments. In: Le magasin pittoresque (1841). S. 316–318 sowie Achille Dévéria: De la peinture sur lave émaillée. In: L’Illustration 1(1843). S. 402 f. Mittlerweile wurde zum Thema eine materialreiche Studie vorgelegt von Kiene/Van Zanten 2018. 95 Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–2, f. 1r–2v. Hittorff hatte das Memorandum als Informationsgrundlage für einen Vortrag abgefasst, den der Schriftsteller Mirault 1833 vor der Société libre des beaux-arts hielt. Der Vortrag enthält gegenüber dem Memorandum einige Ergänzungen, vgl. Mirault: Sur la peinture sur pierre de Volvic. In: Annales de la Société libre des beaux-arts 3 (1833) [erschienen 1845]. S. 35–47. Dass Claudine de Vaulchier: Hittorff et les Laves émaillées 1832–1838. In: Hittorff (1792–1867) un architecte du XIXème. Ausstellungskat. Paris 1986/87. S. 297–305 ihre Darstellung der Geschichte der Lavamalerei aus diesen beiden Quellen erarbeitet hat, wird aus ihren Verweisen nicht recht ersichtlich. Dies ist insofern misslich, als damit unterschlagen wird, dass die Dokumente selbst Stationen eines von Hittorff gelenkten Marketings waren.

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Chabrol de Volvic und der Chemiker Ferdinand Mortelèque. Die Entdeckung des feuerresistenten Lavasteins aus der Auvergne und insbesondere der Gegend von Volvic für die Nutzanwendung mit Blick auf die Lavamalerei vollzog sich über einen Umweg. Chabrol lancierte eine städtebauliche Kampagne, um die Straßen von Paris mit Bürgersteigen zu versehen, wofür der Präfekt 1826 ein Budget von 10.000 Francs aus der Stadtkasse erwirkt hatte.96 Hinter den Bemühungen um den großflächigen Abbau des Rohmaterials aus der Herkunftsgegend von Chabrol standen finanzielle Eigeninteressen des Präfekten. Nachdem Chabrol zunächst das Material bei der Straßenpflasterung in der französischen Kapitale nur mäßig erfolgreich hatte einsetzen können, forderte er eine Reihe von Fachleuten auf, Vorschläge zur Entwicklung eines technischen Verfahrens vorzulegen, wie man Email auf Lavagestein applizieren könne. Es war dann das Verdienst Mortelèques, der einschlägige Erfahrungen auf dem Gebiet der Herstellung von Emailfarben im Rahmen der Porzellandekoration besaß, eine Technik zur farbigen Glasierung von Lavastein zu entdecken. Bereits 1827 wartete er auf der Industrieausstellung in Paris mit einem vielversprechenden Ergebnis in Form einer Plakette auf, die das Bildnis eines alten Mannes wiedergab. Drei Jahre später beauftragte Chabrol in seiner Funktion als Präfekt des Seine-Départments den Maler Abel de Pujol mit der Anfertigung von drei Rundmedaillons mit Darstellungen der Kardinaltugenden Liebe, Glaube und Hoffnung für das Antependium eines Seitenaltares in der Pfarrkirche Sainte-Élisabeth, die sich noch in situ befinden. Bei aller Bescheidenheit der frühen Resultate und Versuche beschlossen der Schwiegersohn von Mortelèque, Hachette, und der Steinbruchbesitzer Brosson aus Volvic, 1831 eine Firma zur Herstellung von künstlerisch gestalteten Lavaemails zu gründen. Nach Ausweis von Hittorff blieben die qualitativen Ergebnisse hinter dem bereits erreichten Entwicklungsstand zurück, so dass der kühne Unternehmergeist ein rasches Ende fand: „Cet établissement ne put marcher et l’association fut dissoute au commencement de cette année“. Das war 1833.97 Angesichts der sich abzeichnenden Firmenauflösung ergriff der mit der Julirevolution aus dem Amt enthobene Chabrol erneut die Initiative und bewog Hittorff zu Neugründung des Unternehmens und Reorganisation der Produktion. Hittorff gewann Pierre Hachette, welcher der Idee der Lavamalerei treu blieb, als Associé und Namensgeber für die neue Firma Hachette & C.ie. Die Firma hatte ihren Sitz in der Rue Coquenard Nr. 40 im Wohnhaus Hittorffs. Das bedeutete zugleich, dass Hittorff die Fäden zentral bei sich zusammenlaufen ließ, ohne mit seinem Namen in Erscheinung zu treten. Ausschlaggebend für Hittorffs Entschluss, ins Lavageschäft einzusteigen, war sicherlich die Überlegung, dass das Unternehmen keine Konkurrenz kannte und des-

96 Zu dieser Angelegenheit vgl Françoise Choay u. Vincent Sainte Marie Gauthier: I marciapiedi di Parigi. Genesi di una scala di prossimità nel XIX secolo. In: Le architetture dello spazio pubblico. Forme del passato, forme del presente. Hrsg. von Paolo Caputo. Ausstellungskat. Mailand 1997. S. 216–221; bes. S. 216. 97 Hittorffs Memorandum, 1.12.1833; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–2, S. 1.

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halb beste Aussichten hatte, den Markt zu erobern. Unverzüglich arbeitete Hittorff einen Plan aus, wie er dem neuartigen Produkt zum Durchbruch verhelfen konnte. Hittorffs Firmenkorrespondenz erlaubt es, sowohl die Firmengeschichte als auch sein strategisches Kalkül bei der Durchsetzung des Produkts auf dem Markt in allen wesentlichen Schritten nachzuzeichnen. Erste große Resonanz fand das Produkt auf der nationalen Industrieschau von 1834, auf der die Firma mit mehreren von Mortelèque gefertigten Ausstellungsgegenständen vertreten war. In der Folge hat Hittorff die öffentliche Aufmerksamkeit gezielt und umfassend gelenkt. Dazu gehörte auch ein Gesuch von 1834 an den Handelsminister, in dem er um die Aufnahme Mortelèques in die Ehrenlegion bat.98 Den nötigen Flankenschutz für diesen Antrag suchte Hittorff bei dem Vorsitzenden der Preisjury der Industrieausstellung zu erwirken. Diesen ersuchte er, Mortelèque mit einer Goldmedaille zu bedenken. Es kennzeichnet Hittorffs Strategie, dass er seine Karten durchaus offen ausspielte. So verschwieg er der Preisjury keineswegs, dass die Goldmedaille Mortelèques Aufnahme in die Ehrenlegion begünstigen sollte. Hittorff vermittelte den Adressaten immer wieder den Eindruck, sie als strategische Partner einer uneigennützigen Beförderungspolitik zu gewinnen, deren Ziel ein höheres, nämlich das nationale Gemeininteresse war. Tatsächlich hatte die Medaille, mit der Mortelèque ausgezeichnet wurde, auch ihre Kehrseite. Hittorffs Einsatz für Mortelèque war nämlich weniger ein eindrucksvolles Zeugnis praktischer Kunstund Wissenschaftsförderung als ein Dokument dafür, wie sich Gemeinwohlsemantik zur Mobilisierung von Parteigängern und damit zur Durchsetzung von Eigeninteressen instrumentalisieren ließ. Denn das Engagement für Mortelèque sollte einen Markt vorstrukturieren, dem die Erfindung der Lavamalerei noch weitgehend fremd war. Kurz: Der monetären Ökonomie hatte die Aufmerksamkeitsökonomie vorauszugehen. Hittorff wäre freilich nicht Hittorff gewesen, wenn er nicht auch seine deutschen Verbindungen für die Propagierung seines Produkts genutzt hätte. Spiegel seines diesbezüglichen Aktionismus ist ein Schreiben an Sulpiz Boisserée nach München am 12. Mai 1834, also noch während der Präsentation der Lavaprodukte auf der Pariser Industrieschau, in dem er unter anderem einen für den preußischen Hof gefertigten Tisch in Email erwähnte: Auch habe ich vieles zu thun gehabt, um einige große Produkte der Lavasteinmalerei zu verfertigen, welche in der jetzigen Ausstellung der Industrie Produkte großes Aufsehen erregen. Beiliegend übersende ich Dir die erste öffentliche Anzeige eines Kunst u. Industrie Tableaux nebst dem Auszug eines rapports, welcher von einigen meiner früher ausgeführten Arbeiten handelt. In Berlin hat ein für den König dafür versendeter Tisch großes Aufsehen erregt, so dass S. M. nun durch den H. v. Humboldt einen zweiten bestellte, auf welchem ich alle Monumente, welche dieser Monarch in seiner Hauptstadt ausführen ließ, zusammenstellen soll. Ich bedaure sehr, nichts Kleines als etwaiges Probestück Dir senden zu können; bei der ersten Gelegenheit

98 Brief Hittorffs vom 20.6.1834; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–2, S. 5.

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aber werde ich es nicht versäumen, Dir etwas dieser Art zukommen zu lassen. Anbei findest Du auch die nach Deinen mir gütigst angemerkten Abänderungen aufs neue abgeschriebenen Briefe an S. M. u. den H. Director der Akademie. Ich hoffe daß jetzt nichts mehr hindern wird diese meine Angelegenheit zu betreiben und ich bitte Dich freundschaftlich, Dir die Sache angelegen sein zu lassen; es liegt mir viel an dem Gelingen.99

Um der Firma zu Ansehen und Namen zu verhelfen, bedurfte es eines Auftrages in Paris, der einen hohen Reklameeffekt nach sich zog. Hittorff bewegte Rambuteau dazu, in Notre-Dame de Lorette, dem seinerzeit prominentesten Kirchenneubau in Paris, die Altarausstattung mit emaillierten Lavapanneaus ausführen zu lassen. Auch hier legte Hittorff seine Absicht gegenüber dem Präfekten offen dar: „Notre ambition étant surtout que cette intéressante et belle invention de notre époque puisse trouver une première application monumentale“.100 Die Maßnahme bewertete Hittorff am 26. Februar 1835 gegenüber Boisserée als Erfolg: „Hier fängt selbe [die Lavamalerei] auch an in Schwung zu kommen, ich habe von der Stadt und dem Gouvernement einige schöne Bestellungen bekommen. … Unsere ausgezeichneten Maler fangen an sich mit diesem Malen zu befassen“.101 Wer sich wie Hittorff daranmachte, Politik, Industrie, Gelehrtenkreise und Eigeninteresse produktiv auf die richtige Mitte (das Juste Milieu) hin konvergieren zu lassen, vollzog nachgerade die pragmatistische Wende des Jahrhunderts nach – die im Denken zumal Flexibilität statt Kanon, offene Handlungsräume statt geschlossene Theoriegebäude einforderte. Hittorffs geerdetes Unternehmertum erscheint als die Gegenwelt zu seinem elitären Dasein als Beaux-Arts- beziehungsweise Schreibtisch-Architekten. Und doch gehen Händlerund Gelehrtengeist hier insofern Hand in Hand, als für den Architekten Erkenntnis und Theorie metierbedingt ihr Maß stets an der Praxis nahmen. Zu den größten Produktionsschwierigkeiten gehörte die Senkung der Kosten. Um die Emailprodukte auf Lava zu verbilligen, bedurfte es der Massenherstellung. Dies erklärt Hittorffs ungestümes Einwirken auf Rambuteau, der für die Stadt Paris einen Großauftrag zur Fertigung aller Straßenschilder der Kapitale ausschrieb: À peine formé au moyen de grands sacrifices et dans le seul but de doter notre pays d’une nouvelle et belle industrie artificielle, il a été apprécié par vous même, vous avez vu de vos propres yeux … combien nos produits s’étaient améliorés en peu de tems; combien ils pouvaient devenir utiles et vous avez jugé que nos efforts, à la naissance d’un semblable établissement, méritaient les encouragements de votre administration éclairée et paternelle. … Si le goût du public pour nos objets d’art et de luxe peut quelque jours en favoriser assez le débit pour subvenir aux frais de leur fabrication, il n’en est pas moins certain que nous ne trouverons que les objets purement d’utilité publique et susceptibles d’une application presque générale, les moyens de 99 Köln, HAS, Nachlass Boisserée, 1018–A 143. 100 Hittorff an den Präfekten Rambuteau, 22.9.1834; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–2, S. 9. 101 Hittorff an Sulpiz Boisserée in München, 26.2.1835; Köln, HAS, Nachlass Boisserée, 1018–A 143. Bei den erwähnten Bestellungen geht es um „die Ausfertigung in Lavastein Malerei von allen Altären der neuen Kirche Notre Dame de Lorette und von dem Ministerium 4 Medaillons 3 fuß im Durchmesser für den neuen Palast der schönen Künste“; ebd.

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soutenir notre établissement et d’en faire tourner les produits à l’avantage du pays. Sous ce rapport les inscriptions des Rues sont pour nous un objet de la plus haute importance.102

Trotz aller Überredungs- und Überzeugungsarbeit vonseiten Hittorffs für eine Anfertigung der Straßenschilder in Lavaemail erteilte Rambuteau dem günstigeren Konkurrenzangebot in Zink den Zuschlag. Für unseren Rahmen soll es genügen, die entscheidende Anfangsphase der Firmengeschichte zu beleuchten. Das Fundament für die Firma legte Hittorff, wie gesehen, durch die Verbindung von Politik, Industrie, Technik und Kunst, zumal in einer Phase allgemeiner beschleunigter ökonomischer Entwicklungen. Vordergründig mögen die eigenen Renditeinteressen Hittorffs auffallen, doch gilt es im Rahmen des Aufbruchsimpetus der 1830er Jahre vor allem zu beobachten, dass er sich mit unterschiedlichen sozialen, ökonomischen und disziplinären Kontexten vertraut machte, er sich also durch Optionsmaximierung zu einer mehrdimensionalen Figur entwickelte, die sich neue Räume der Aktivität schuf. Indem der Architekt handelnd und verhandelnd die Welt des Unternehmertums betrat, vollzog er das, was sich der akademischen Architektur versagen sollte: Ein pragmatisches Reagieren auf die Chancen der Epoche. Damit wird unterhalb der hohen ethischen Narrative der akademischen Architektur des 19. Jahrhunderts, die die Forschung bevorzugt wahrnimmt und denen sich ihre verengte Perspektive schuldet, eine andere Geschichte der französischen Architektur und Architekten erzählbar.103 Wenn wir folgend den Blick breiter auf die Kommunikations- und Selbstorganisationsformen Hittorffs streuen, dann um den Subtext seiner unternehmerischen Aktivitäten im besonderen Verhältnis mit seinem Hauptgeschäft als Beaux-Arts-Architekt für Reflexionen zugänglich zu machen.

Die Rolle der Société libre des beaux-arts Eine nicht unbedeutende Rolle für die Firmengeschichte spielte Hittorffs Engagement im Rahmen der Société libre des beaux-arts, der er zeitweise vorstand. Offenbar war er auch an der Gründung der Vereinigung am 18. Oktober 1830 maßgeblich beteiligt, die sich in den Redaktionsräumen des Journal des artistes et amateurs vollzog. Die Société libre wies ein beachtliches Mitgliederprofil aus Malern, Bildhauern, Architekten, Gelehrten, Journalisten und Musikern auf. Dass sie zu einem zentralen 102 Brief Hittorffs an den Präfekten Rambuteau, Paris, 21.7.1835; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–2, S 14. 103 Zur Immunisierung gegen den sich breit machenden Unternehmergeist in den Kreisen der Architekten rief Julien Guadet, Professor für Architekturtheorie an der École des beaux-arts, zur Wahrung der moralischen Integrität auf: „Cette profession [jene des Architekten] est incompatible avec celle d’entrepreneur, industriel, ou fournisseur de matières ou objets employés dans la construction“; Guadet 1895, S. 288.

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Aktionsraum für Hittorff in den ersten Jahren nach 1830 gedieh, lag daran, dass sich hier eine interpersonelle und publizistische Infrastruktur von beträchtlicher Wirkung formierte. Die 1831 ausgearbeitete Satzung erklärte die Sozietät von äußeren Einflüssen unabhängig und den Zugang für uneingeschränkt.104 Hittorff selbst umriss die Aufgabe der Gesellschaft, der er 1832 und 1842/43 als Präsident vorstand, als Kommunikationsplattform: „Entretenir entre eux [les membres] les relations personnelles qui devaient rapprocher les artistes de tous genres, dont l’association se compose“.105 Die Kommunikationsstruktur der in den Anfangsjahren rund 200 Mitglieder zählenden Societé libre bestand aus öffentlichen Sitzungen, Werkausstellungen von Mitgliedern und der Herausgabe eines eigenen Publikationsorgans, den 1836 erstmals erschienen Annales de la Société libre des beaux-arts. Bis zum ersten Heft der Annales übernahm das Journal des artistes et amateurs ou revue pittoresque et musicale die Außendarstellung. Dort erschienen nicht nur ausführliche Berichte über die öffentlichen Sitzungen, sondern auch Vorträge von Sozietätsmitgliedern. Das Periodikum stellte die Aktivitäten des Kreises kompakt und übersichtlich zusammen, ohne Redundanzen zu scheuen, und demonstrierte Kompetenz und Mitsprache auf vielfältigen Gebieten der Kunst- und Kulturlandschaft. Hittorffs bestimmender Einfluss auf das Leben der Vereinigung lässt sich anhand der entsprechenden Jahrgänge des Journal des artistes et amateurs wie dann auch der Annales nachzeichnen. Es sei exemplarisch der Vortrag von Hittorffs Freund Edme Miel über L’architecture polychrôme chez les Grecs erwähnt, der nicht viel anderes als eine paraphrasierendes Hymne auf Hittorffs Polychromiethesen von 1831 darstellte.106 Die Société libre entwickelte sich rasch zu einer Künstler- und Gelehrtengruppierung, die mit Zeitschriften und Ausstellungen eine einflussreiche Suböffentlichkeit ausbildete, in der nicht zuletzt Privatinteressen ein breites Aktionsforum erhielten. Denn Hittorff hielt im Rahmen der Société libre des beaux-arts an seiner bewährten Politik fest, sich vor den Kulissen Reserviertheit aufzuerlegen, um im Hintergrund in Gesprächen und Verhandlungen umso offener zu agieren. Dieses Verfahren 104 Die Gründungsidee war, dem Austausch zwischen den Künsten und den verschiedenen Wissenschaftszweigen eine freie Plattform zu geben. Die Satzung der Société libre des beaux-arts abgedruckt in: Annales de la Société libre des beaux-arts. 1830/31 [erschienen 1836]. Bd. 1. S. XI–XVI. 105 So in der Eröffnungsrede zur Jahressitzung 1832; Jakob Ignaz Hittorff: Séance publique de la Société libre des beaux-arts, tenue à l’Hôtel-de-Ville, dans la salle Saint-Jean, le 30 décembre 1832. Discours. In: Annales de la Socièté libre des beaux-arts 2 (1832) [erschienen 1845]. S. 1 f.; Zitat: S. 1. Vgl. ferner P.-B. Fournier: M. Hittorff, ancien président, décédé membre honoraire de la Societé en mars 1867. In: Revue artistique et littéraire 12 (1867). S. 302–308; bes. S. 302. 106 Edme-François-Antoine-Marie Miel: De l’architecture polychrôme chez les Grecs ou notice sur les nouvelles découvertes relatives à l’usage qu’avaient les Grecs de colorier extérieurement leur architecture. In: Journal des artistes et des amateurs ou revue pittoresque et musicale 6 (1832) [1. Teilband]. S. 50–55 und Jakob Ignaz Hittorff: De l’architecture polychrome chez les Grecs, et Restitution complète du temple d’Empédocle dans l’arcropole de Sélinunte. In: Annales de la Socièté libre des beaux-arts 1 (1830/31) [erschienen 1836]. S. 118–182.

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wird fassbar, als in der Société libre eine vermeintlich unabhängige Kommission gebildet wurde, welche die Erfindung der Lavamalerei auf Vorzüge und Nachteile gegenüber der Ölmalerei hin prüfen sollte. Die Ergebnisse wurden in einem Vortrag zusammengefasst, den der Kunstschriftsteller Mirault vor der Société libre des beauxarts hielt. Ein Vergleich von Miraults in den Annales der Société publizierten Vortrag mit dem vier Seiten umfassenden Memorandum Hittorffs vom 1. Dezember 1833 zeigt, dass die Kommission nicht unabhängig an die Öffentlichkeit trat, sondern vorab Übereinkünfte mit Hittorff getroffen hatte. Denn Miraults Text entspricht auf weiten Strecken jenem von Hittorff.107 Schließlich gereichten Miraults Worte überdeutlich zu Hittorffs Vorteil. Die Entdeckung der Lavamalerei sei eine einzigartige „conquête“ der Zeit, ihre Vorzüge, „beauté, éclat, transparence, fraîcheur et vivacité inaltérable“, habe man in keiner Maltechnik je so gesehen. Schließlich prognostizierte Mirault eine regelrechte Medienrevolution: So sei etwa einem Confrère, dem Maler Abel de Pujol, das Malen in Email nahezu schon so geläufig wie mit Ölfarbe und bald schon werde man „aucune différence entre ces deux manières de peindre“ ausmachen können.108 Die neue Lavamalerei war also der jahrhundertealten Wandund Ölmalerei ebenbürtig. Dass Mirault dann eine „ère tout-à-fait nouvelle“ für die Malerei voraussah, war nur noch die rhetorische Klimax eines organisierten Werbefeldzugs für die von Hittorff geleitete Firma Hachette & C.ie. Der von der Öffentlichkeit abhängige Börsenwert des Architekten Wie erörtert hatten Hittorffs bauarchäologische Studien in den 1820er Jahren eine wichtige Rolle für den frühen Reputationserwerb gespielt. Nach dem Karriereknick von 1830 blieben besonders die Sizilienfunde und -forschungen eine weiterhin wichtige Prestige-Ressource. Allein eine Marginalie vermag dies zu illustrieren. Als der Kunstschriftsteller Jean-Pierre Brès in einem Vortrag vor der Société libre des beauxarts am 3. April 1832 über den Gebrauch der Farbe Rot in den verschiedenen Kunstgattungen auf die Vielfarbigkeit von antiker Architektur zu sprechen kam, überließ er ausdrücklich dem anwesenden Hittorff als zentraler Instanz in Fragen der Architekturpolychromie das Urteil, der sich, wie es hieß, durch eine „savante étude“ zum Thema ausgezeichnet habe.109 Zur Einschätzung dieses anbiedernden Zuspruchs gilt es zu wissen, dass Hittorff den Redner eingeladen hatte, um genau zu einem Thema zu sprechen, der einen zentralen Gegenstand seiner eigenen Studien berührte, weshalb der Gast gar nicht umhin konnte, den Gastgeber in seine Rede einzuflechten. Die Akklamation Hittorffs, so selbstverständlich sie sich ausnehmen mochte, erfolgte also keineswegs spontan. Hittorff beließ es nicht bei solchen kleinen Arrange107 Zum einen Mirault 1833, zum anderen Hittorffs Memorandum in: Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–2, S. 1–3. 108 Mirault 1833, S. 45 f. 109 Teile der Rede in: Journal des artistes et amateurs ou revue pittoresque et musicale 6 (1832). S. 270–274; bes. S. 272.

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ments. Er erkannte vielmehr im Rahmen seiner Aktivitäten für die Société libre, dass sich eine neue debattierende Öffentlichkeit entwickelte, in der es sich Gehör zu verschaffen galt. Denn Prestige-Ressourcen mochten wichtig sein, wichtiger noch, gar unerlässlich wurden die konstante Medienpräsenz und das unausgesetzte Medienecho.110 Die Medialisierung seiner selbst war also kein betriebliches Epiphänomen, sondern ein Hauptgeschäft, von dem der öffentliche Kredit abhing.111 Hittorff setzte nach 1830 neben kleineren Publikationen vor allem auf das unmittelbarere Medium des Vortrags sowie der Entwurfsausstellung. Vorträge hielt er vor allem in der Société libre des beaux-arts – so am 3.1.1832 über den neuen Fund von farbigen Metopen in Selinunt – und reichte für Ausstellungen Schaumaterial ein – etwa im Frühjahr 1832 aus seinem Parallelwerk zur Architektur Siziliens.112 Hittorff beließ es nicht dabei, sondern war im Salon von 1831 mit einem aquarellierten Blatt präsent, das den rekonstruierten Innenraum einer römischen Basilika zeigte.113 Das Blatt gehörte zur Gattung der Projektgemälde, wie sie 1759 erstmals in den Salon aufgenommen und dort seit 1793 in einer eigenen Architekturabteilung gezeigt wurden.114 Der leicht lesbare Prospektcharakter und die belebende Ausschmückung mit Staffagefiguren machten diese Blätter suggestiv und eingängig. Typologisch auffällig ist die Gattungsperforation. Wie Georg Germann herausgearbeitet hat, vermengen sich hier die Darstellungsmodi von Szenograph, Architekturmaler, Architekt und Archäologe.115 Diese Architekturbilder waren Aushängeschilder ihrer jeweiligen Architektenateliers. Festzuhalten ist also, dass Hittorff die sich wechselseitig steigernde Trias von Publizistik, öffentlichem Vortrag und Ausstellung in Bezug auf Resonanz- und Aufmerksamkeitserzeugung und damit unternehmerisch in Bezug auf seine Arbeit und seine eigene Person einsetzte. Es hat etwas durchaus Ernüchterndes, Hittorffs federführende Position im öffentlichen Diskurs immer wieder als Ergebnis einer gelenkten Interessens- und Gruppenbildung zu sehen. Für den skeptischen Beobachter Franz Christian Gau stellte sich Hittorffs wissenschaftliche und professionelle Betriebsamkeit ohnehin 110 Vgl. hierzu Middleton 1984, der zurecht von einem Feldzug, nämlich von Hittorffs „Polychrome Campaign“, spricht. 111 Hierzu das Bild des Architekten als „broker“ besonders in Bezug auf seine Medialisierung bei Kohlrausch 2019, S. 141–155. 112 Vgl. den Bericht im Journal des artistes et amateurs ou revue pittoresque et musicale 6 (1832). S. 25 f. u. 71 f. 113 Das 1831 datierte Aquarellbild heute im Musée d’Orsay aufbewahrt; vgl. Isabelle Morin Loutrel: Beaux dessins von Jacques-Ignace Hittorff im Musée d’Orsay. In: Hommage für Hittorff 1792–1867. Bilder, Bücher und Würdigungen. Hrsg. von Christiane Hoffrath u. Michael Kiene. Köln 2020. S. 25– 33; bes. S. 31 f. 114 Vgl. Bätschmann 1997, S. 15. 115 Georg Germann: Der farbige Architektur-Entwurf. In: Von Farbe und Farben. Albert Knoepfli zum 70. Geburtstag. Zürich 1980. S. 187–191; bes. S. 188. Zu dieser Zeichnungsgattung ferner Winfried Nerdinger u. Florian Zimmermann: Die Architekturzeichnung. Vom barocken Idealplan zur Axonometrie. München 1987. S. 70 f.

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nur als Usurpation dar. Hittorff besorgte 1832 die französische Ausgabe von James Stuarts Les Antiquités inédites de l’Attique,116 die er ausführlich kommentierte und ergänzte. Genau dies trug ihm vonseiten Gaus eine rabiate Abkanzelung ein. So stellte Gau in einem Brief an Gottfried Semper Hittorffs Buch als das Werk eines Scharlatans hin, weil dieser kein Latein und Griechisch beherrsche und die Denkmäler selbst nicht aus eigener Anschauung kannte, der gestellten Aufgabe also gar nicht hatte gerecht werden können: „Neulich hat Hittorff eine Übersetzung des 5ten Bandes von Stuart mit Anmerkungen herausgegeben, ohne griechisch und Latein zu verstehen und ohne Griechenland besucht zu haben! Aber der Scharlatanismus ersetzt dieses alles“.117 Dass der wütende Anwurf keineswegs dem Neid desjenigen entsprang, der selbst den Anschluss verpasst hatte, sondern vielmehr für die Empörung über einen Kollegen stand, der die Wissenschaft mehr und mehr als Mittel für seine mediale Selbstdarstellung benutzte, lässt sich an dem zentralen Stichwort jeder Gelehrtenkritik ermessen: „Scharlatanismus“.118 In den Augen Gaus maßte sich Hittorff Autorität über ein Gebiet an, auf dem er offensichtlich nicht die rechte Kompetenz besaß. Gau wird sich seine Meinung wohl nicht durch die kritische Überprüfung von Hittorffs Edition gebildet haben. Zum einen lag die antik-griechische Architektur jenseits (auch) seines Kompetenzbereiches. Zum anderen – dies legt die Art und Weise seiner Formulierung wie die notorische Verwerfung Hittorffs nahe – stand das Urteil ohnehin schon fest. Für Gau war Hittorff, dem Opportunismus und Allianzbildungen probate Karrieretechniken waren, eine ethisch fragwürdige Person, weshalb aus seiner Sicht folgende Gleichung aufging: Wer wie Hittorff republikanische Prinzipien verrät, der korrumpiert auch Wissenschaftsideale rückhaltslos. In Gaus heftigen Ausfällen gegen Hittorff bricht immer wieder die seinen lebensgeschichtlichen Selbstkonflikt prägende Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit auf. Da stehen die Redlichkeit der Wissenschaft gegen das Erfolgsstreben und Profilierungsbedürfnis, die für die Durchsetzung innerhalb eines Konkurrenzsystems entscheidender waren als ideelle Wahrheitswerte. Hittorff hat es Gau denn auch vorgeführt. Erfolg orientiert sich nicht am Besitz von Wahrheit, sondern am Besitz der Mittel, mit denen sich etwa das publizistische Feld erobern lässt. Offensives, unternehmerisches Handeln wurde zu einer wesentlichen Existenzweise Hittorffs, die ihn in Einklang mit dem Jahrhundert der Industrie und des Kapitals brachte.

116 Hittorff 1832 (e). Dass das Werk als Bd. 5 in der von Landon seit 1808 herausgegebenen Reihe Les Antiquités d’Athènes erschien, entspricht im übrigen Hittorffs Neigung, sich innerhalb langfristig gefestigter wissenschaftlicher Netzwerke zu bewegen. 117 Brief von Franz Christian Gau an Gottfried Semper, Paris, 18.2.1833; Zürich, gta-Archiv, K– 1833–02–18. Gau selbst war seit Ende der zwanziger Jahre mit der Herausgabe der Bände III (1829) und IV (1838) von François Mazois’ († 1826) Les ruines de Pompéi betraut worden; vgl. Jocelyn Bouquillard: La résurrection de Pompéi. Dessins d’archéologues des XVIIIe et XIXe siècles. Arcueil 2000. S. 30. 118 Zur Abgrenzung des wahren Gelehrten von gelehrter Scharlatanerie vgl. die frühaufklärerische Schrift von Johann Burkhard Mencke: Orationes duae de charlataneria eruditorum. Leipzig 1715.

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Die Veröffentlichungsmöglichkeiten für Architekten waren nach 1830 so gut wie nie zuvor. Unter der Julimonarchie kam es zur Gründung zahlreicher neuer Fachzeitschriften und Illustrierten.119 Die beherrschenden Architekturzeitschriften waren die Revue générale de l’architecture et des travaux publics (seit 1840), Annales archéologiques (seit 1844) und der Moniteur des architectes (seit 1847). Daneben gab es eine Fülle von Periodika, deren wesentliches Charakteristikum die Kurzlebigkeit war, unter ihnen die Zeitschrift L’Architecte mit dem Untertitel Notions sur l’art de bâtir et de décorer les édifices, zu deren Redaktionsstab Hittorff gehörte.120 Ihre kurzfristige Existenz ist gleichsam Spiegel der hektischen publizistischen Betriebsamkeit jener Jahre. Nach den zwei Jahrgängen von 1832 und 1833 ging das Blatt in La Propriété. Journal d’architecture civile et rurale, de beaux-arts et d’économie sociale auf, das wiederum nach acht Monaten von der nur zwei Jahrgänge zählenden Zeitschrift Le Journal des travaux publics, des beaux-arts, du commerce et de la propriété übernommen wurde.121 Wie die Titel der einzelnen Zeitschriften deutlich erkennen lassen, zielten sie auf eine immer breitere Leserschaft. Symptomatisch auch für Hittorffs zunehmend breitere Publikumsorientierung war die ausgewählte Vielzahl von Publikationstypen, nämlich von der Rezension über die Abhandlung in Fachzeitschriften, Wochenmagazinen und Illustrierten bis hin zum Separatdruck und schließlich der Monographie. Die gesuchte Streuung ist besonders bei der Platzierung seiner Zeitschriftenartikel evident. Hittorff lancierte zunächst im ersten Jahrgang von L’Architecte zwei nur wenige Seiten umfassende Artikel zu Fragen antiker und moderner Polychromie.122 In der Folge finden sich – und dies ist nur eine Auswahl – 1834 ein Artikel zur Madeleinekirche im Journal des artistes et amateurs ou revue pittoresque et musicale, 1841 ein Bericht über sein Panoramagebäude in der Revue générale de l’architecture et des travaux publics, 1842 ein Memorandum (zusammen mit Lepère) zum Neubau von Saint-Vincent-de-Paul in L’Artiste und 1848 eine detaillierte Beschreibung der Kirche und ihrer Ausstattung im Wochenmagazin L’Illustration.123

119 Grundlegend zur französischen Architekturpublizistik des 19. Jahrhunderts Marc Saboya: Presse et architecture au XIXe siècle. César Daly et la Revue Générale de l’Architecture et des Travaux Publics. Paris 1991. 120 Saboya 1991, S. 66. 121 Vgl. zu den Angaben Béatrice Bouvier: Répertoire des périodiques d’architecture en langue française publiés entre 1800 et 1970 en France et dans ses anciennes colonies, en Suisse et en Belgique. In: Les périodiques d’architecture XVIIIe–XXe siècle. Recherche d’une méthode critique d’analyse. Hrsg. von Jean-Michel Leniaud u. Ders. Paris 2001. S. 215–324; bes. S. 227, 273 u. 285. 122 Jakob Ignaz Hittorff: Description du procédé employé à Milan pour l’exécution des stucs lustrés en couleurs et ornés de peinture. In: L’Architecte 3 (1832). S. 135–139 und Ders.: Exposé sur la découverte de cinq métopes sculptées, trouvées parmi les ruines de Sélinonte. In: L’Architecte 4 (1832). S. 193. 123 In einem Brief an den Herausgeber von L’Artiste, A. H. Delaunay, unterstrich Hittorff unverhohlen, dass es ihm um „publicité“ in eigener Sache ging. Der Brief vom 6.12.1841 abgedruckt in Saunier 1917, S. 66.

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Zur Logik des Kultur- und Marktbetriebes gehört, dass, wer hier präsent sein will, im Strom der unablässig neuen professionellen, gesellschaftlichen und eben auch publizistischen Herausforderungen obenauf schwimmen muss. Wenn Hittorff außer in Architekturzeitschriften auch in auflagenstarken Illustrierten publizierte, dann weniger, um neuere Forschungserkenntnisse als um das eigene Œuvre zu verbreiten. Deshalb ist folgender Befund gar nicht weiter erstaunlich: Wollte man versuchen, aus dem umfangreichen Material der in den Illustrierten veröffentlichten Architekturbeiträge eine Vorstellung etwa über Schönheitskonzepte und Geschichtsverständnis der Architekten im 19. Jahrhundert zu gewinnen, so würde man sehr rasch angesichts der eigentümlichen Unergiebigkeit der Texte resignieren.124 Hittorff war vielmehr bemüht, mit seinen Schriften den Wettbewerbs- und Profilierungsbedürfnissen gerecht zu werden, die den Marktbetrieb bestimmten, wofür publizistischer Überschuss und inhaltliche Redundanz untrügliche Kennzeichen sind. Traditionell wertet die Kunstgeschichte architekturtheoretisches Schriftum nach der Maßgabe, inwieweit es die Kunstpraxis des Architekten begleitet, kommentiert und befruchtet hat.125 Dass Architekten insbesondere des 19. Jahrhunderts mit ihren Veröffentlichungen verstärkt Politik in eigener Sache betrieben, die der Festigung des eigenen Status dienten, entzieht sich indes bisher weitgehend der analytischen Aufmerksamkeit – nicht zuletzt schuldet sich das Manko dem Umstand, dass der Blick dabei unweigerlich unter den Höhenkamm der „großen Erzählungen“ rutscht. Bezeichnenderweise ist die Stoffwahl von Hittorffs Architekturpublikationen auf weiten Strecken dem Tagesgeschäft geschuldet. Zahlreiche seiner kleineren Abhandlungen – ob in Zeitschriften oder als selbständige Schriften – sind unmittelbar laufenden Bauprojekten gewidmet, so sein Pamphlet bezüglich der Restaurierung des Pyramidion des Obelisken von Luxor, so die Abhandlung über sein ‚hängendes Dachwerk‘ für das Panoramagebäude der Champs-Élysées und so auch seine Beschreibung der Maison Eugène Napoléon.126 Die an Tagesfragen orientierte Auseinandersetzung gab dabei dem Zeitschriftenartikel gegenüber der Buchpublikation 124 Hierzu Leniauds provokatives Statement bezüglich einer Heuristik der Zeitschriftenbeiträge von Architekten: „Que leur lecture est inutile, que ces revues se répètent“; Jean-Michel Leniaud: Introduction. In: Les périodiques d’architecture, XVIIIe–XXe siècle. Recherche d’une méthode critique d’analyse. Hrsg. von Dems. u. Béatrice Bouvier. Paris 2001. S. 5–18; Zitat: S. 7. 125 Zum Verhältnis von Schriftum und Baupraxis vgl. Christof Thoenes: Einführung. In: Architektur-Theorie von der Renaissance bis zur Gegenwart. Köln 2003. S. 8–19. 126 Jakob Ignaz Hittorff: Précis sur les pyramidions en bronze doré employés par les anciens égyptiens comme couronnement de quelques-uns de leurs obélisques, à l’appui de la proposition de restituer de la même manière le pyramidion de l’obelisque de Louqsor. Paris 1836; Ders.: Description de la Rotonde des Panoramas élevée dans les Champs-Élysées précédée d’un aperçu historique sur l’origine des Panoramas et sur les principales constructions auxquelles ils ont donnée lieu. In: Revue générale de l’architecture et des travaux publics 2 (1841). Sp. 500–505 u. 551–563 und Ders.: Maison Eugène-Napoléon, établissement crée à Paris par l’éducation gratuite de trois cents jeunes filles orphelines ou de parents pauvres. In: Revue générale de l’architecture et des travaux publics 19 (1861). Sp. 66–70 u. 147–154.

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den Vorzug, da Zeitschriften als das schnellere Medium eine unmittelbarere Reaktion auf die Marktdynamik ermöglichten, jene „actualité en mouvement“ (Marc Saboya), die das Bauwesen seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts immer stärker beherrschte. 127 Da die Architekturforschung bislang wenig Ambitionen gezeigt hat, solche Fragestellungen stärker ins Bewusstsein zu heben, lässt sich die Gesamtsituation nur schwer beurteilen. Aber es kann davon ausgegangen werden, dass die erhöhte Medienpräsenz der Architekten im 19. Jahrhundert jenseits des behaupteten gesellschaftlichen Nutzens mindestens ebenso im Dienst des unternehmerischen Selbst stand.

Hector Horeau zum Vergleich Dass Unternehmungen in eigener Sache sowie die Auftragsakquisen ab einer bestimmten gesellschaftlichen Relevanz nicht ohne die Öffentlichkeit auskamen, dafür stellt der Architekt Hector Horeau (1801–1872) ein instruktives Vergleichsbeispiel dar. An Horeau ist die Eigentümlichkeit auffällig, dass der Vehemenz des hartnäckigen persönlichen und publizistischen Auftritts ein manifestes Erfolgsdefizit entsprach. Horeau bekleidete anders als Hittorff, Victor Baltard oder Félix Duban nie eine Stelle in der Bauverwaltung von Königshaus, Staat, Kommune oder Departement. Sein schmales gebautes Œuvre umfasst ausschließlich Werke subalternen Ranges. Dennoch galt und gilt er in der Architekturgeschichte Frankreichs keineswegs als Randfigur. Dem Kunsthistoriker begegnet Horeau bei jedem öffentlichen Großprojekt im Paris der Jahre zwischen 1830 und 1860. Er veröffentlichte 1836 Ideen für die Neugestaltung von Place de la Concorde und Champs-Élysées, 1844 reichte er Beiträge für den Opernwettbewerb und 1845 für die Neugestaltung der Halles centrales ein.128 Es sind schließlich Planungen, die unter den zahllosen gleichzeitigen Entwürfen deshalb auffallen, weil Horeau die Reklamewirkung des Außergewöhnlichen entdeckte. Zu seinen bekanntesten Entwurfsblättern zählen der Überdachungsentwurf für die Avenue de l’Opèra 1862 in Gestalt einer festlich arrangierten Eisen-Glas-Architektur sowie die mehrarmige Passerelle über die Boulevards de Strasbourg und Saint-Denis (Abb. 27).129 A. Magnes apostrophierte Horeau in seinem

127 Vgl. Saboya 1991, S. 75. 128 Vgl. Françoise Boudon u. François Loyer: Catalogue des dessins et des œuvres figurées d’Hector Horeau. In: Hector Horeau 1801–1872. Ausstellungskat. Paris 1980. S. 23–137; hier: S. 27, 34–37 und Pinon 2005, S. 171–177. Zu seinen wichtigsten Publikationen gehören Hector Horeau: Mémoire sur l’embellissement des Champs-Élysées et les avantages que le gouvernement et la population parisienne doivent en retirer. Paris 1836; Ders.: Projet d’Opéra par la ville de Paris. Paris 1844; Ders.: Examen critique du projet d’agrandissement et de construction des Halles centrales d’approvisionnement pour la ville de Paris. Paris 1845 und Ders.: Description et avantages d’un nouveau projet de Halles centrales. Paris 1845. 129 Vgl. Boudon/Loyer 1980, S. 92–95 und Bergdoll 2000, S. 210 f.

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Abb. 27: Hector Horeau: Entwurfsprojekt für eine Passerelle, welche die Boulevards de Strasbourg und de Saint-Denis überbrückt, 1866. Paris, Musée Carnavalet

Nachruf 1874 nicht zufällig als „architecte-poëte“,130 während Sigfried Giedion an Horeaus Projekten den visionären Charakter emphatisch hervorhob: „Man spürt bei solchen Projekten [hier zu Horeaus Entwürfen für die Halles centrales 1849], was es heißt, Entwicklung vorausahnen“.131 Nicht minder bemerkenswert waren aber Horeaus Bewerbungsmethoden. Horeau erarbeitete Entwürfe erst, nachdem die Aufträge längst vergeben waren. Er reichte sie als Alternativvorschläge nach, die Kritik an den längst bewilligten Entwürfen enthielten und die Bauträger einluden, die Sache nochmals zu überdenken. Er konnte dabei darauf spekulieren, dass es bei den meisten Großprojekten der öffentlichen Hand zu internen Differenzen kam, die dann die Chance eröffneten, sich mit eigenen Ideen zu empfehlen und sich gegebenenfalls in einem günstigen Moment einen bereits berufenen Kollegen zu verdrängen und den Auftrag selbst zu übernehmen. Das war zwar nicht unbedingt zeitgenössische Praxis, doch hingen Horeaus Durchsetzungschancen anders als bei Hittorff, Baltard oder Duban, die zur angestammten Funktionselite des Landes gehörten, entscheidend vom unkonventionellen und gewitzten Auftreten ab.132 130 Zitiert in Pinon 2005, S. 185. 131 Giedion 1928, S. 29. 132 Horeaus Vorgehen steht gleichwohl nicht singulär da. So ist bekannt, dass sich Louis-Pierre Baltard, der Vater von Victor Baltard, zwischen 1798 und 1818, vor seiner ersten Einstellung bei der Stadt Paris einer Horeau analog aggressiven Akquisemethode bediente; vgl. hierzu die Aussage von

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Wie sehr Horeau gleichwohl um Fairplay bemüht war, zeigt der Fall, dass er bei seinen für die Halles centrales nachgereichten Alternativvorschlägen den beauftragten Architekten Victor Baltard über seinen Schritt persönlich unterrichtete. Dieser gab davon wieder einem Bekannten Bescheid, und zwar ohne einen Hauch von Ranküne: „Il [Horeau] se fit un devoir de m’informer lui-même“.133 Ob Baltard, als Horeau zeitweise zum verantwortlichen Architekten der Halles centrales ernannt wurde, die Sache ebenso gelassen beurteilte, ist nicht bekannt. Hier gilt es freilich anzumerken, dass auch Horeau sich nicht allein auf seine eingereichten Entwürfe verließ, sondern sich sehr gezielt Flankenschutz zu organisieren wusste. So versicherte er sich der Befürwortung seiner Pläne sowohl durch den Innenminister als auch des einflussreichen Publizisten Louis Lazare, des Chefredakteurs der Revue municipal, der am 1. November 1849 einen Artikel in seiner Zeitschrift zugunsten Horeaus lancierte.134 Die Nähe zur Macht und den Medien erscheint wie bei Hittorff eine unabdingbare Voraussetzung für die Akquise bedeutender Bauprojekte gewesen zu sein. Im Falle der Halles centrales war es letzten Endes Baltard, der am längeren Hebel saß und von Haussmann wieder in seine Position als Architekt der Markthallen von Paris eingesetzt wurde und Horeau seinerseits verdrängte.

Mühen des Alltags Städtisches Amt und Leistungsethos „Allein es knappt!!!“ Karl Ludwig von Zanth am 25.2.1844 über die Säumigkeit des württembergischen Hofarchitekten Johann Michael Knapp Köln, HAS, Nachlass Sulpiz Boisserée, 1018–A 387

Hittorff war jemand, der zugleich Architekt und Bauforscher, Bauingenieur und Geschäftsmann, Stadtplaner und Manager war. Diese Facette spricht von einem sich im Wandel begriffenen Arbeitsalltag des Architekten. Und tatsächlich drehen sich Hittorffs Baubücher, die einen rund drei Jahrzehnte umspannenden dienstlichen Briefwechsel festhalten und von der schier grenzenlosen Bandbreite seines Tätigkeitsfeldes ein buntes Panorama zu entwerfen erlauben, nur um ein einziges Thema: Arbeit. Nicht ohne Staunen nimmt der Leser der Korrespondenz jene Energie wahr, mit welcher Hittorff Arbeit in ihren verschiedensten Aspekten delegierte, organisierte und kontrollierte. Wer die gleichzeitige Planung und Bauleitung von Großbaustel-

Pinon 2005, S. 30: „On reconnaît certes dans ce discours les habitudes fâcheuses de Baltard qui s’imagine toujours être chargé de projets confiés à d’autres“. 133 Zitiert in Pinon 2005, S. 188, Anm. 855. 134 Vgl. die Ausführungen bei Pinon 2005, S. 171 f. u. 177. Ferner Françoise Boudon: Horeau et les Halles centrales. In: Hector Horeau 1801–1872. Ausstellungskat. Paris 1980. S. 152–159.

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len innehatte, wie die der Place de la Concorde (1834–1838), des Vergnügungsparks auf den Champs-Élysées (1836–1853) oder die von Saint-Vincent-de-Paul (1833– 1859), hatte parallel das reibungslose Zusammenspiel der an der Ausführung der Projekte beteiligten Künstler, Handwerker, Zulieferer, Behörden und Kommissionen zu koordinieren. Die Aufgabe war für Hittorff nicht eigentlich neu, auch als Hofarchitekt der Bourbonen gehörten hohe Koordinations- und Kommunikationsanforderungen zum Alltag, doch kam es nun im Vergleich zu einer quantitativen Aufgabenverdichtung, die Arbeitspensum und -komplexität neu dimensionierten. Ferner war Hittorff genötigt, sich sukzessive neue Bauaufgaben zu erschließen, die nicht im Lehr- und Ausbildungsplan eines Beaux-Arts-Architekten standen. Er eignete sich weitläufig und systematisch die Konstruktionstechniken des Eisenbaus an und informierte sich über die vielfältigen neuen Handwerks- und Ausstattungstechniken (Gusseisenlegierungen, Bitumen, Enkaustik, Lavamalerei), stimmte seine Entwürfe daraufhin ab und dehnte selbst seine Publikationen auf die neuen Beschäftigungfelder aus. Die zunehmende technische Spezialisierung führte zu einer erheblichen Vermehrung hinzugezogener Experten und damit des Informations- und Koordinationsaufwands, die dem Architekten ein neues Höchstmaß an Methode und Rationalität abverlangten. Keinesfalls entlastend dürfte zudem der hohe Grad von Reglementierung und Verwaltung gewesen sein, durch den sich Frankreich im 19. Jahrhundert auch im Bereich der Kunst und Architektur auszeichnete. Man denke nur an Violletle-Ducs süffisante Bemerkung aus dem Jahre 1864: „Nous avons un peu en France la manie de réglementer“. Weiter heißt es: „Que l’État réglemente les grands services publics, c’est admirable, mais il faut laisser de la marge aux travaux intellectuels“.135 In der Tat wurde Hittorffs Alltag in erster Linie nicht von schöpferischer und wissenschaftlicher Tätigkeit, sondern von zahllosen subsidiären Handlungen und Vorgängen in Anspruch genommen wurde: Von der Suche nach geeigneten Bauplätzen, der Erstellung von Gutachten sowie Prüfung und Bewilligung von Anträgen und der Erledigung der dienstlichen Korrespondenz über die Abfassung von Pressemitteilungen und projektbezogenen Zeitschriftenartikeln bis hin zur Inspektion von Baustellen und dem Besuch von Künstler- und Handwerkerateliers, nicht zu reden von Sitzungen und Besprechungen im Conseil des Bâtiments civils, der Präfektur und dem Innenministerium.136 Es liegt auf der Hand, dass vom ‚kreativen Einfall‘ bis zur Umsetzung ins Werk ein nicht zuletzt bürokratisch verlängerter und nicht selten 135 Zitiert nach Epron/Lemoine/Rosen 1981, S. 227. Analog Hittorffs Aussage gegenüber dem preußischen Gesandten im Rahmen der Umbaumaßnahmen 1842 in der Botschaft in Paris: „Plusieurs employées sont occupés avec moi à en régler les comptes et j’espère que d’ici à un mois, terme le plus rapproché, attendre qu’il y a 15 mémoires, dont plusieurs composés de plus de 300 pages d’écriture, je pourrai être en état de soumettre à V. E. le résultat de la vérification et du réglement“. Brief Hittorffs an Baron von Arnim, Paris, 19.3.1842; Berlin, GSt, III. HA, Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, I, Nr. 4838, f. 29r. 136 Vgl. Hittorffs Baubücher in Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053.

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vom zermürbenden Kampf mit Bauträgern, Behörden und Handwerkern gezeichneter Weg führte. Dieser Prozess transformierte den Baukünstler zwangsläufig zum Baumanager, der umlagert von Verwaltungsvorgaben und -strukturen sich genötigt sah, die ‚kreative‘ Tätigkeit auf Nebenstunden zu verschieben.137 Spätestens hier zeigt Hittorffs Leistungsethos seine modernespezifische Doppeltheit. Einerseits war Arbeit Medium der Emanzipation, die eine selbständig entworfene, auf biographischen Erfolg zielende Karriere ermöglichte, andererseits ging mit der Zunahme subalterner Tätigkeiten umgekehrt einher, dass Arbeit, Organisation und Planung zugleich in neue Abhängigkeiten und dem eigenen Selbstverständnis entgegenstehende Niederungen führte. Bezeichnend für das Gesagte ist eine Mitteilung Hittorffs vom 12. Mai 1834 an Sulpiz Boisserée: Dein schönes Werk [die Publikation zum Kölner Dom], von welchem mir Herr Zach die letzten Hefte überbrachte, habe ich gleich nach Empfange derselben dem Buchbinder übergeben, ohne mich mit dem Texte umständlich in Bekanntschaft gesetzt zu haben, nächstens schreibe ich Dir einige Zeilen darüber, indem es mir bis jetzt unmöglich war, mich mit etwas anderem zu beschäftigen als mit den Preparativen zur adjudication des Untersatzes für den Obelisken [der Place de la Concorde], welcher leider nicht so großartig ausgeführt werden wird, als ich es vorgeschlagen hatte und welcher nächsten Donnerstag dem Geringstbietenden zur Ausführung zugeschlagen werden soll.138

Obgleich Hittorffs aktivistischer Arbeitselan offene Klagen über Zeitmangel und Arbeitsdruck nicht kannte, handelt die zitierte Briefstelle von nichts anderem. Die Zeilen sind durchsichtig auf die inneren Spannungen, denen sich Hittorff in der städtischen Anstellung ständig ausgesetzt sah. Es fehlte ihm an Muße, sich dem berühmten Dom-Werk des Freundes zu widmen (für dessen Tafeln Hittorff seinerzeit eifrige Hilfsdienste geleistet hatte, weshalb ihm Boisserée ein ehrenvolles Lob in der Vorrede ausstellte),139 weil er sich mit zahllosen Kleinigkeiten herumzuschlagen hatte, welche die Modifizierung des Postamententwurfs – also eines Detailproblems – 137 Zu dieser allgemein seit 1830 für Staats-, Kommunal- und Departmementarchitekten konstatierbaren Situation vgl. Van Zanten 1994, S. 52 f. Ins Extrem geriet diese professionelle Entwicklung beim Berufsstand der Ingenieure, die an der École polytechnique als Wissenschaftler und Projektemacher, Architekten und Techniker ausgebildet wurden und mit fortschreitender Industrialisierung ihre Tätigkeit als Manager etwa von großen Elektrizitäts- oder Erdölgesellschaften auszuüben hatten; vgl. Pfammatter 1997, S. 90. 138 Brief vom 12.5.1834 von Hittorff an Sulpiz Boisserée in München; Köln, HAS, Nachlass Boisserée, 1018–A 143. 139 Die Dankesworte Boisserées in der Ausgabe seines Dom-Werks von 1843, S. VIII lauten: „Ne trouvant pas en Allemagne assez de graveurs bien exercés dans le genre de l’architecture, j’ai eu recours à l’assistance des meilleurs artistes de Paris; et un de mes compatriotes, Mr. Hittorff de Cologne, architecte très renommé, habitant la capitale de la France, m’a secondé avec le zèle le plus actif et le plus amical dans la surveillance de ces gravures“. Das in Köln, HAS, aufbewahrte Exemplar (El 14f) von Boisserées Dom-Werk (1843) ist mit der Widmung „Meinem Freund Hittorff“ versehen; vgl. Sulpiz Boisserée: Histoire et description de la Cathédrale de Cologne. München-London 1843.

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für den Obelisken der Place de la Concorde betrafen, der ohnehin nur die Reduzierung eines „großartigen“ Entwurfs darstellte, welcher im Rahmen der kommunalen Auslobung – und diese band dem Architekten die Hände in Bezug auf seine Mitsprache – zu guter Letzt dem günstigsten Angebot zugeschlagen werden sollte.140 Hittorffs Zeilen sind deutlich im Hinblick auf die Einschätzung seiner gewandelten Arbeitssituation seit 1830: Dass seine Privatinteressen in den Mühlen der städtischen Administration zerrieben und seine Entwürfe unter Missachtung ihres künstlerischen Wertes herabgesetzt zu werden drohten.141 Sicherlich hatte Hittorff auch unter der Hofverwaltung nicht ganz frei über seine Planungen bestimmen können und sicherlich war er dort genauso in übergreifende Prozesse eingespannt gewesen, doch erfuhr er die Zunahme von Organisations-, Kommunikations- und Arbeitsabläufen bei gleichzeitig reduzierter Entscheidungskompetenz innerhalb des hierarchisch strukturierten Behördenapparates als Verlust. Hittorffs Tätigkeit war im Vergleich zu seiner Hofanstellung in übergreifende administrative und organisatorische Zusammenhänge gerückt, die den individuellen Handlungsspielraum mehr und mehr einengten und die zusehends Verpflichtungen nach sich zogen, welche die Agenda des Architekten bis an die Grenzen füllten.

Die Verschärfung der Zeitdisziplin In dem Maße, wie der hohe Kommunikationsaufwand seit jeher den spezifischen Arbeitsalltag des Architekten bestimmte, erforderte die Organisation aller einen Bau bestimmenden Planungs- und Arbeitsabläufe ein straffes Zeitregime. Effektives Kommunikations- und Zeitmanagement sind einem Baubüro freilich nur möglich, wenn der leitende Architekt selbst ein Muster von Organisiertheit darstellt. Zeitdisziplin hat zu seinen wichtigsten Tugenden zu zählen. Dies galt umso mehr im Zeitalter der allgemeinen Akzeleration. Die fortschreitende Technisierung und Industrialisierung des Bauwesens nebst der Zunahme von Verwaltungsaufwand intensivierte die Entwurfs-, Organisations- und Kommunikationsarbeit des Architekten um ein Vielfaches. Die Aneignung von neuen Bautechniken und die Einsatzmöglichkeit von neuen industriellen Bau- und Ausstattungsmaterialien sowie die damit verbundene Spezialisierung des Bauhandwerks verlangten den Architekten zusehends Zeitinvestitionen ab, allein um sich über Entwicklungen und Neuerungen auf dem Laufenden 140 Vgl. zu der Angelegenheit des Obelisken-Piedestals auch den betreffenden umfänglichen Aktenverkehr in: Paris, AN, F13/1230, f. 370 ff. 141 Zur Illustration der zeitweise am Rande einer Krise stehenden Planungsgeschichte des Obeliskenpostaments vgl. den Rapport des Conseil des Bâtiments civils vom 7.11.1833, in dem die Direktion den Innenminister Thiers davon in Kenntnis setzte, dass selbst die zehnte von Hittorff eingereichte Entwurfsvariante „n’est pas composé d’une manière satisfaisante“, und wegen des anstehenden Eintreffens des Obelisken in Paris auf das Einlenken des Ministers drängte, um den „interminables discussions“ ein rasches und definitives Ende zu setzen; Paris, AN, F13/1230, f. 557r.

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zu halten. Kurzum: Die Tätigkeit des Architekten geriet unter die Imperative der Beschleunigung und Rastlosigkeit. Da es sich um eine bislang noch nicht zusammenhängend thematisierte Problematik des Architektenberufs im 19. Jahrhundert handelt, werden im Folgenden allenfalls einige wenige Grundlinien skizziert werden können.142 Eine Durchsicht der in Köln und Paris aufbewahrten Bau- und Korrespondenzbücher der Jahre zwischen 1833 und 1856 ergibt, dass Hittorff täglich circa ein bis zwei Stunden, meist vormittags, bisweilen auch über Mittag, zu Inspektionen, Arbeitsbesprechungen und Bauabnahmen auf unterschiedlichen Baustellen unterwegs war.143 Jeden zweiten bis dritten Nachmittag widmete er sich der Erledigung des Aktenverkehrs. Über den Zeitpunkt zahlreicher weiterer Besprechungen mit Künstlern und Handwerkern in und außerhalb seines Arbeitskabinetts sind wir ebenso informiert wie über seine Agenda in Sachen Materialbegutachtungen in Steinbrüchen außerhalb von Paris, die Führung prominenter oder befreundeter Gäste auf den eigenen Baustellen144 oder etwa Audienzen beim Erzbischof von Paris, die je nach Bedarf stattfanden und auf den besonderen Charakter der zwischen Ordnung und Flexibilität oszillierenden Arbeits- und Zeitorganisation hindeuten. Selbst wenn Arbeitsabläufe eine Vielzahl von Terminvereinbarungen notwendig machten und Terminnot und Arbeitsverzögerungen konstitutive Begleitfaktoren waren, stellten Zeitknappheit und Zeitverdichtung nicht ausschließlich Phänomene des Architektenmetiers dar, sondern gehörten sui generis zum Jahrhundert der Beschleunigung und Unruhe. Symptomatisch für die allgemein herrschende Zeitnot sind etwa Hittorffs Verabredungen mit dem vielgefragten Alexander von Humboldt, dessen gesellschaftliche Verpflichtungen einen Grad von Zeitmangel mit sich brachten, der ihm einmal nur ein „affreux rendez-vous à sept heures du matin“ bei Hittorff erlaubte.145 Dass Hittorff auch sonst kein Langschläfer war, machen Termine für Besprechungen in seinem Arbeitskabinett in der Rue Coquenard Nr. 40 deutlich, wohin er 142 Die Erforschung der Zeitökonomie und ihrer gesellschaftlichen Auswirkungen in der Moderne ist eine Domäne der Sozialwissenschaften; vgl. Barbara Adam: Das Diktat der Uhr. Zeitformen, Zeitkonflikte, Zeitperspektiven. Frankfurt/M. 2005; bes. S. 141–149. 143 Dem Gerüstbauer Monsieur Battu ließ Hittorff wissen, dass er „tous les jours à ces heures [de 8 à 9 heures]“ auf der Baustelle des Winterzirkus anzutreffen sei, was er mit dem Zusatz versah „et souvent avant“; Brief vom 29.9.1852; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–17, f. 8 f. – Von Henri Labrouste wissen wir, dass er im Jahre 1858 circa vier Nachmittage in der Woche mit Sitzungen in Aufsichtsgremien zubrachte; Van Zanten 1994, S. 48. 144 Es sei Hittorffs Führung des Kunsthistorikers Franz Kugler durch die Kirche Saint-Vincent-dePaul im Sommer 1845 erwähnt, die ganz den Charakter einer Instruktionsvisite besaß; Hittorff machte am 9.6.1845 folgenden Eintrag in sein Korrespondenzbuch: „M. Kugler de Berlin. En souvenir de la visite faite avec lui à l’église, envoyé la brochure extraite du Journal de l’artiste [vgl. Hittorff 1844] et promis de lui montrer le lendemain des échantillons de peinture sur lave émaillée“; Paris, BHVP, C. P. 3636, f. 102r. 145 Brief von Alexander von Humboldt an Hittorff, Paris, 22.3.1832; abgedruckt in Humboldt 1869, S. 92. Zu Humboldts notorischem Zeitmangel noch 12 Jahre später in einem Brief an Hittorff vom

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ab 8 Uhr früh einlud.146 Den hohen Stellenwert von Zeit für das Arbeitsleben zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass selbst Erkrankungen, so die ‚Unpässlichkeit‘ Hittorffs im Sommer 1839, die ihn für zwei Wochen ans Bett band, anstehende Entscheidungen nicht aufzuschieben erlaubte, und ihn doch an den Schreibtisch nötigten.147 Den Architektenberuf kennzeichnet seit jeher aber auch die Notwendigkeit, Zeit zu gewinnen. Dies ließ sich – wie Hittorffs rigorose Vertragsverhandlungen lehren – bei der Auswahl der Handwerker erreichen. Nicht selten gab Hittorff jenen den Zuschlag, deren Werkstatt näher an der Baustelle lag („à cause de la proximité de votre atelier“); ein Umstand, der aufgrund der kürzeren Verkehrs- und Arbeitswege eine Unmittelbarkeit versprach, „avec laquelle ce travail doit être conduit“.148 Die Akzeleration des Bautempos gehörte zu den permanenten Herausforderungen und Sorgen Hittorffs. Auch wenn die Ergebnisse insgesamt, gemessen an den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts (Taylorismus), nicht so sehr ins Gewicht zu fallen scheinen, so stellte für Hittorff die permanente Bemühung um Zeitersparnis durch Optimierung von Arbeitsabläufen und -techniken eine zentrale Aufgabe der Büroorganisation dar. Es lässt sich deshalb beobachten: Wo immer man sich im Baubetrieb für die Anwendung neuer künstlerischer Techniken entschied, so stets im Zeichen der Zeitersparnis. So plädierte Hittorff im Rahmen der Ausstattungskampagne in der Kirche Saint-Vincent-de-Paul deshalb für die Technik der Enkaustik, weil sie die Anfertigung der Wandbilder im Atelier der einzelnen Maler gestattete, die so von dem zeitraubenden Umstand entbunden wurden, täglich auf das Gerüst zu steigen.149 Analog argumentierte Hittorff in Bezug auf die Emailmalerei auf Lava. Die Maler könnten so weniger Zeit auf die technischen und mehr auf die kreativen Belange ihrer Arbeit verwenden, denn die Fertigung läge ganz in der Hand von Technikern.150 Zeitökonomisierung auf der Baustelle zielte grundsätzlich auf die Reduzierung von Baukosten, eine der primären Verantwortlichkeiten, die dem leitenden Architekten oblag. Zeit wurde im Jahrhundert des Kapitalismus auch auf Baustellen zuse-

17.5.1845: „Je ne puis vous offrir cependant que les seules heures de 9 à 11 heures du soir aprèsdemain mardi“; ebd., S. 303. 146 Hier als Beispiel die am 30.3.1855 verschickte Einladung zu einer Arbeitsbesprechung in Hittorffs Büro im Rahmen der Ausführung des Musen-Tempels für den Prinzen Jérôme Bonaparte: „M. Hittorff à l’honneur de saluer M. Isidore Bouyer et C.ie et le prie de passer à son cabinet jeudi prochain entre 8 et 9 heures du matin“; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–18, f. 1v. 147 Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–10, f. 140 ff. 148 Hier betreffend den Eisengießer Roussel und die Herstellung der eisernen Tragekabel für das hängende Dach des Panoramagebäudes; Köln; HAS, Nachlass Hittorff, 1053–10, f. 44r. Umgekehrt lässt sich das Phänomen beobachten, dass Künstler und Handwerker in jene Gegenden zogen, wo Bauvorhaben die Auftragslage potentiell günstig machten; so seit Anfang des 19. Jahrhunderts in dem neu entstehenden Viertel der Nouvelles Athènes. 149 Vgl. Hittorffs Brief an Hussenot vom April 1843; Paris, BHVP, C. P. 3636, f. 41v. 150 Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–2, f. 2v.

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hends zu einer eigenen Valuta.151 Deshalb war Schnelligkeit der Bauausführung ein oberstes Anliegen, das Arbeiten ohne Zeitverzug ein höchster Imperativ. Neben der Kontrolle der Arbeitsabläufe und der Verfeinerung der Arbeitstechniken behalf sich Hittorff auch einer bis heute nicht aus der Mode kommenden Sozialtechnik: Des harschen Tonfalls gegenüber Künstlern, Materiallieferanten, Ausführenden und Untergebenen. Hittorffs Baubücher lassen es als Gewissheit erscheinen, dass es zu der Eigentümlichkeit des Architektenberufs gehört, die Umgebung ständig unter (Zeit)Druck zu setzen. Hittorffs Worte an die Adresse des Unternehmers Jolly, der zwischen 1838 und 1839 die Errichtung des Panoramagebäudes im Park der Champs-Élysées leitete, stellen nur ein Beispiel von vielen dar: „Je vous ai écrit plusieurs fois pour me plaindre de la lenteur avec laquelle sont conduits les travaux du Panorama cependant le temps avance et rien n’a été fait par vous pour accélerer la pose des pierres de la corniche et des trois contreforts laissés en arrières depuis longtemps“.152 Der Tonfall selbst ist hier die Botschaft.153 Hittorffs Vorwürfe mögen angesichts der Tatsache verwundern, dass das technisch höchst innovativ entworfene Panoramagebäude in einer Rekordzeit von acht Monaten errichtet wurde, worüber sich Hittorff in einem kurz nach Abschluss der Arbeiten publizierten Artikel selbst ein Lob ausstellte: Obligé d’entrer souvent en discussion, et la plupart du temps sans succès, pour obtenir l’emploi de matériaux convenables: harcelé continuellement pour faire marcher les travaux avec la plus grande rapidité au milieu de la saison la plus défavorable, je ne comprends pas encore comment, à travers toutes ces entraves, j’ai pu mener à fin cet important travail en huit mois de temps.154

Zeitknappheit nötigt zur Setzung von Prioritäten. So lassen sich im privaten Hôtelbau, der im Œuvre Hittorffs nur eine Nebenrolle spielte, Nachlässigkeiten in der

151 „Time is now currency: it is not passed but spent“; so Edward P. Thompson: Time, Work-Discipline, and Industrial Capitalism. In: Past and Present 38 (1967). S. 56–97; Zitat: S. 61. 152 Brief von Hittorff an den Unternehmer Jolly vom 23.10.1838 und 7.12.1838; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–10, f. 51r und 60v. 153 Hier noch zwei weitere Beispiele die Arbeiten am Winterzirkus betreffend. Einmal an die Adresse des Malers Barrias, der mit der Ausführung eines Bilderzyklus beauftragt war: „Veuillez donc ne pas perdre une minute pour commencer ce travail avec toute l’activité possible“, und zum anderen an jene des Stuckateurs Monsieur Bex: „Il faut absolument que ce travail soit achevé en 30 jours du temps. … Et n’oubliez pas que vite et bien doit être votre devise. … Vous m’avez toujours exprimé le plus vif desir de faire quelque chose sous ma direction voici une belle occasion dont j’ai profité en votre faveur, c’est à vous en montrer digne et a me donner pour l’avenir une plus grande envie encore d’employer votre talent“; Briefe vom 17.7. u. 19.9.1852; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053– 17, f. 6v u. 8r. 154 Jakob Ignaz Hittorff: Description de la Rotonde des Panoramas élevée dans les Champs-Élysées précédée d’un aperçu historique sur l’origine des Panoramas et sur les principales constructions auxquelles ils ont donnée lieu. In: Revue générale de l’architecture et des travaux publics 2 (1841). Sp. 500–505 u. 551–563; Zitat: Sp. 559.

Mühen des Alltags



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Bauleitung konstatieren, die von seinen Großbaustellen her unbekannt sind. Die folgende Aussage Hittorffs gegenüber dem Bauherrn Baron Georges Piscatory de Vaufreland, für den er 1840 und 1849 Entwürfe für zwei Immeubles d’habitation in der Avenue Gabriel lieferte, ist deshalb kostbar, weil sie den raren Fall von einem Versäumnis Hittorffs dokumentiert: „Ayant été depuis plusieurs années … tourmenté par les entrepreneurs des travaux de votre hôtel … pour réviser plusieures réclamations que ces messieurs m’avaient remises et dont je ne m’étais pas occupé“.155 Inwieweit die verschärfte Zeitplanung und -disziplin, die Hittorffs Arbeitsdasein unter der Julimonarchie neu bestimmte, auch sein Privatleben beherrschte, kann nur spekulativ beantwortet werden, da hierüber kaum Dokumente und Aussagen vorliegen. Es sei als mögliche Perspektive nur ein Schlaglicht auf den Schriftsteller Alexandre Dumas (fils) fallen gelassen, dessen von Hast und Kalkül bestimmten Lebenshabitus die Frères Edmond und Jules Goncourt in ihren Tagebüchern aus dem Blickwinkel der Bohème mit kräftiger Häme überschütteten: Dumas ist der vorsichtigste von der ganzen Welt, keinerlei Leidenschaft, vögelt nur ganz regelmäßig, liebt nicht, weil es das Blut in Wallung und die Zeit durcheinander bringt, will nicht heiraten, weil es zeitraubend ist, sein Gefühlsleben ist so geregelt wie ein Uhrwerk, sein Leben wie ein Notenblatt. Im höchsten Maß egoistisch und auf das allerbürgerlichste Glück eingestellt, das weder Erregung noch Hingerissenheit kennt, tut alles nur mit diesem Ziel vor Augen.156

155 Brief von Hittorff an den Baron de Vaufreland, Paris, 30.10.1846; zitiert nach Françoise Boudon: Architecture privée. Maisons et immeubles. In: Hittorff (1792–1867) un architecte du XIXème. Ausstellungskat. Paris 1986/87. S. 279–295; hier: S. 290, Anm. 11. 156 Tagebucheintrag vom 31.1.1858; Edmond und Jules de Goncourt: Tagebücher. Aufzeichnungen aus den Jahren 1851–1870. Hrsg. von Justus Franz Wittkop. Frankfurt/M. 1983. S. 83.

Warum man ein Chef-d’œuvre braucht Mitte als Höchstmaß Chefs-d’œuvre sind im allgemeinen Verständnis Werke des Herausragenden und Außergewöhnlichen, die sich der Wiederholbarkeit entziehen und denen folglich Singularität eignet. Walter Cahn hat diesen Umstand in seiner Ideengeschichte des Meisterwerks wie folgt pointiert: „When a work of art impresses us as the highest embodiment of skill, profundity, or expressive power, we call it a masterpiece“.1 Anders gewendet: Es wird jenen Werken der Kunst Beifall und Bewunderung gezollt, die den Ordnungsraum der Mitte quittieren und einen ex-zentrischen Platz beziehen, wo ihnen die Aufmerksamkeit des Publikums und der Kunstkritik sicher ist.2 Denn ihre Originalität, die das Neue als Neues auszeichnet, gibt Rätsel in Bezug auf Ursprung und Interpretation und mystifiziert mithin das Unfassliche, das Meisterwerken und ihren Produzenten eignet.3 Durchsticht man diese konventionellen Vorstellungen, kommt zum Vorschein, dass die Meisterwerk-Idee noch mindestens eine weitere Dimension besitzt, welche die Betrachtung um einiges verkompliziert. Denn auch die akademische Kunst produzierte Chefs-d’œuvre, aber eben nicht auf dem Humus der Exzentrik, sondern auf dem Boden der Norm. Wie ist das zu verstehen? Normativer Kunst scheint als allgemeines Defizit eigen zu sein, dass sie wenig spektakulär und kaum besonderer Erregung und Beachtung verdächtig ist. Mit einem Diktum Hegels gesagt bleiben dann die Blätter der Geschichtsschreibung eher leer.4 Der Umstand, dass Meisterwerke des 19. Jahrhunderts in der (Kunst-)Geschichte einmal volle und einmal leere Seiten erzeugen, nötigt eine typologische Unterscheidung auf: Auf der einen Seite in Meisterwerke, die in den Peripherien der Kunst angesiedelt waren und an denen die Kunstgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 1 Walter Cahn: Masterpieces. Chapters on the History of an Idea. Princeton-New Jersey 1979. S. XV. 2 Dieses Verständnis liegt auch Heines (1980, S. 53) Salonkritik von 1831 zugrunde, wenn er schreibt: „Wohl gegen viertehalb tausend Gemälde waren ausgestellt, und es befand sich darunter fast kein einziges Meisterstück. War das die Folge einer allzu großen Ermüdung nach einer allzu großen Aufregung? … War die diesjährige Ausstellung nur ein buntes Gähnen?“. Zu einem noch in der Spätmoderne analogen Meisterwerk-Begriff vgl. Alexandra Enzensberger: Das inszenierte Meisterwerk. Berlin 2019. S. 13–20. 3 Zum „Rätsel des Künstlers“ und seiner Kunst vgl. Ernst Kris u. Otto Kurz: Die Legende vom Künstler. Ein geschichtlicher Versuch. Frankfurt/M. 1995. S. 21–24. Zu einer soziologischen Charakterisierung der klassisch romantischen Künstlerfigur und ihrer Werkästhetik vgl. Andreas Reckwitz: Vom Künstlermythos zur Normalisierung kreativer Prozesse. Der Beitrag des Kunstfeldes zur Genese des Kreativsubjekts. In: Kreation und Depression. Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus. Hrsg. von Christoph Menke u. Juliane Rebentisch. Berlin 2012. S. 98–117. 4 Hegel befand in den Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, dass die „Perioden des Glücks … leere Blätter für die Geschichte“ seien. Der Ausnahmezustand des Meisterwerks scheint im Umkehrschluss gleich Zeiten des Unheils geschichtswürdig zu sein. Das Zitat nach Walter Jaeschke: Hegel-Handbuch. Leben – Werk – Schule. Stuttgart 2016. S. 379. https://doi.org/10.1515/9783110733044-006

202  Warum man ein Chef-d’œuvre braucht

ihren Kanon entwickelt hat, und auf der anderen Seite in jene, die gleichsam die Mitte bezogen und gegen deren übersteigerte Normansprüche sich die Kunstwissenschaft bis heute vorzugsweise abschottet. Während in der Kunstgeschichte das Meisterwerk also eine Sollbruchstelle markiert, welche die Ausgrenzung des vermeintlichen Mittelmaßes betreibt, verstanden sich die Chefs-d’œuvre der Beaux-ArtsArchitektur im 19. Jahrhundert umgekehrt als Manifestationen ewiger, unverrückbarer Werte und folglich einer Mittezentrierung. Die Apotheose der Mitte besitzt in der Bogenschützen-Metaphorik des Aristoteles bekanntlich ihr Emblem. In der Nikomachischen Ethik stellte Aristoteles die Mitte als eine Idee des Höchsten und Besten vor.5 Von den Bogenschützen würden diejenigen als die ‚Vortrefflichsten‘ gelten, welche die Mitte und nicht die Ränder der Zielscheibe treffen: „Überall ist es mühsam, die Mitte zu treffen. So trifft auch nicht jeder Beliebige, sondern nur der Kundige die Mitte des Kreises. … Darum ist das Richtige selten, lobenswert und schön“.6 Die Mitte trifft nur, wer die Bedingungen von Schwerkraft, Flugbahn, Windverhältnissen usw. in seinen Schuss miteinberechnet. Was dem Bogenschützen gelingt, gelingt ihm deshalb optimal, weil nicht das Glück oder ein Geniestreich, sondern Wissen, Erfahrung und Können ausschlaggebend sind. Für den Autor der Nikomachischen Ethik ist die Herrschaft der „Mittleren“ deshalb gleichbedeutend mit der Herrschaft der Besten. Ihnen im Besonderen eignet Exzellenz. Im Sinne des aristotelischen Mesotes-Ideals stehen Beaux-Arts-Werke nicht an den Peripherien, sondern im Zentrum der Kunst. Nicht Kühnheit zeichnet sie aus, sondern Wissen, Methode und Können, das durch die Autorität der Alten sanktioniert ist. Während der Peripherie notorische Unruhe und Erregung eigen ist, ist die Mitte der Ort der geregelten Verhältnisse und der Vernunft.7 Mitte-Diskurse sind deshalb stets Ordnungs-Diskurse. Wie oben bereits in unterschiedlichen Kontexten thematisiert, traten die École und die Académie des beaux-arts im Frankreich des 19. Jahrhunderts als Regelgeber und -hüter der Kunst auf. Wer künstlerische Ideale und Praktiken hegt und pflegt, denkt kulturkonservativ und erteilt der Einführung von Neuerungen prinzipiell eine Absage. Ingres, der Chefideologe der Beaux-Arts, ließ keine Gelegenheit aus, dies anzumahnen: „Je suis … un conservateur des bonnes doctrines, et non un novateur“.8 Die Meisterwerke der Beaux-Arts-Architektur lassen

5 Zur dieser Metapher, die den politisch-gesellschaftlichen Mitte-Diskurs von der Antike bis in die Gegenwart prägt, vgl. Herfried Münkler: Mitte und Maß. Der Kampf um die richtige Ordnung. Berlin 2010. S. 82–88. 6 Aristoteles, Nikomachische Ethik, II 1109 a 24–27. Zur Deutung der Textstelle Herfried Münkler: Die Mitte im Widerstreit. Konzentrische, exzentrische, zyklische und dialektische Modelle für die Sicherung der Mitte in der Geschichte des politischen Denkens. In: Ordnung und Wandel als Herausforderungen für Staat und Gesellschaft. Festschrift für Gert-Joachim Glaeßner. Hrsg. von Astrid Lorenz u. Werner Reutter. Opladen-Farmington Hills 2009. S. 49–83; bes. S. 60–63, Zitat: S. 62. 7 Vgl. Münkler 2010, S. 10. 8 Zitiert nach Henri Delaborde (Hrsg.): Ingres, sa vie, ses travaux, sa doctrine d’après les notes manuscrites et les lettres du maître. Paris 1870. S. 95.

Mitte als Höchstmaß 

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sich in diesem Sinne als Ausdruck einer unkorrumpierbaren Mitte-Position lesen. Sie sind Bollwerke des Kanonischen, die alle anderen Positionen, so von den Romantikern bis zu den Impressionisten, von den Bauingenieuren bis zu den ModerneArchitekten, a priori auf ein Außen verweisen, von dem aus man sich an der ‚Zentralgewalt‘ namens Beaux-Arts abzuarbeiten hatte.9 Für Ingres waren die Meisterwerke der Beaux-Arts-Schule „immortel[s]“, „éternelle[s]“ und „incontestable[s]“.10 Sein Reden über klassische Kunst unterstand dem Maßstab des Absoluten: „Mes adorations sont toujours Raphaël, son siècle, les anciens, et, avant tout, les Grecs divins“.11 Kunst war für Ingres wie für viele seiner Zeitgenossen dem Status nach Religion: „N’étudiez le beau qu’à genoux. … Ayez la religion pour votre art“.12 Und was sakralen Status beansprucht, kann folglich nicht mit Mediokrität verwechselt werden. Von diesem Verdacht haben sich Mitte-Diskurse stets zu entlasten.13 Schließlich nährte das akademische Nachahmungspostulat nachgerade den Vorbehalt, dass Beaux-Arts-Kunst Epigonen-Kunst sei, was Ingres mit dem Paradox Winckelmannscher Herkunft abwehrte: „Je pense que je saurai être original en imitant“.14 Die rhetorische Strategie, um der Verwechslung von Mitte mit Mittelmaß zu entkommen, hieß also Inszenierung von Höchstmaß. Und doch blieb Überkanonisierung des Klassischen nur das eine, das andere war ihre beharrliche diskursive Wiederholung. Der Diskurs hämmerte ein. Mitte wurde zur Exzellenz festgenagelt.15 9 Vgl. noch die vor Studenten gehaltene Rede Le Corbusiers von 1942, die sich vehement gegen den französischen „Akademismus“ richtete; Le Corbusier: An die Studenten. In: Ders.: An die Studenten. Die ‚Charte d’Athènes‘. Mit einem Vorwort von Jean Giradoux. Reinbek bei Hamburg 1962. S. 7– 52. 10 So Ingres; zitiert nach Delaborde 1870, S. 94 f. 11 Und an anderer Stelle: „Les Grecs ont tellement excellé en sculpture, en architecture, en poésie, en tout ce qu’ils ont touché, que le mot grec est devenu le synonym du mot beau“; zitiert nach Delaborde 1870, S. 94 u. 140. 12 Zitat nach Delaborde 1870, S. 114. Die sakrale Metaphorik Ingres’ bestimmt noch die Beschreibungsmuster der Forschung, so von Schwartz, der Ingres’ Atelier in der Nähe der Beaux-Arts-Schule zum „sanctuaire parisen de l’art antique“ erhebt; Emmanuel Schwartz: Ingres, l’éleve et le maître. Le modèle antique dans l’École des beaux-arts de Paris au XIXe siècle. In: Illusion grecque. Ingres & l’antique. Hrsg. von Pascale Picard-Cajan. Ausstellungskat. Montauban-Arles 2006/2007. S. 138– 147; Zitat: S. 143. Zur Kunstreligion im französischen 19. Jahrhundert vgl. Heidrun Schnitzler: Bilderkult. Kunstanbetung und Katholizismus in der Literatur des französischen Fin de Siècle. Huysmans, Zola, Rodenbach. Würzburg 2014. 13 Zum Verdikt der Mitte als vermeintliches Mittelmaß vgl. Münkler 2009, S. 56–60. 14 Zitat nach Delaborde 1870, S. 96. Die zugrundeliegende Winkelmannsche Maxime lautet: „Der einzige Weg für uns groß, ja, wenn es möglich ist, unnachahmlich zu werden, ist die Nachahmung der Alten“; Johann Joachim Winckelmann: Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst. Stuttgart 1991. S. 3. 15 Für den Beaux-Arts-Diskurs gilt, was Barthes, für den Diskurs und seinen Zwang zur Stereotypie festgehalten hat: „Ich begnüge mich nicht damit, zu wiederholen, was gesagt worden ist, mich bequem in der Knechtschaft der Zeichen einzurichten: ich sage, ich behaupte, ich hämmere ein, was ich wiederhole“; Barthes 1980. S. 21.

204  Warum man ein Chef-d’œuvre braucht

Es entspricht der Erwartung, dass Ingres Hittorffs Meisterwerk, den Kirchenbau von Saint-Vincent-de-Paul, seine uneingeschränkte Bewunderung entgegenbrachte. Er galt ihm als „le plus beau des monuments modernes de Paris“.16 Am 23. November 1844 schrieb er dies an den Freund Jean-François Gilibert und fügte hinzu, dass Hittorffs Kirche, „d’un goût“ sei, „qui rappelle toute ce que les plus belles basiliques de Sicile et de Rome nous montrent. C’est [Hittorff] décidément un grand architecte“.17 In Ingres’ Emphase reflektiert sich zumal die Beaux-Arts-Maxime, dass allein Vorbilder von Rang Werke von Rang erzeugen könnten: „Ce n’est donc qu’en observant, en étudiant incessamment les chefs-d’œuvre, que nous pouvons vivifier nos propres moyens et leur donner du développement“.18 In der Tat stellte sich Saint-Vincent-de-Paul als Summe sanktionierter Meisterleistungen der Vergangenheit und als Kulminationspunkt des Kanonischen vor.19 Hier wurden nämlich die Antike, das frühe Christentum, die Monumentalmalerei der Nachantike sowie die Glasmalerei des französischen Mittelalters zu einer höheren konzeptuellen Synthese vereint. Mehr noch aber stand das Bauprojekt im programmatischen Dienst der Rechristianisierung Frankreichs, die unter den zurückgekehrten Bourbonen seit 1820 auf den Weg gebracht wurde. D. h. die akademische Architektur unternahm nichts Geringeres als den in der Französischen Revolution zerrissenen Binnenraum der gesellschaftlichen Mitte zu restaurieren. Wer sein Meisterwerk in den Dienst der Re-Zentrierung von verlorener Ordnung und Identität der

16 Zitiert nach: Ingres d’après une Correspondance inédite. Hrsg. von Boyer D’Agen. Paris 1909. S. 377. – Hittorff selbst erachtete Saint-Vincent-de-Paul als sein Hauptwerk, was auch der Umstand belegt, dass er die Entwürfe im Oktober 1850 in Berlin Friedrich Wilhelm IV. während eines offiziellen Banketts vorstellte; vgl. Rolf Thomas Senn: In Arkadien. Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Eine biographische Landvermessung. Berlin 2013. S. 382. Zu den in der Kunstbibliothek Berlin aufbewahrten Präsentationszeichnungen vgl. Ekhardt Berckenhagen: Die französischen Zeichnungen der Kunstbibliothek Berlin. Berlin 1970. S. 439 f. Dass die Chefs-d’œuvre ihren Status Zuschreibungen verdanken, zeigt sich nicht zuletzt in der Aussage des Präfekten Haussmann, für den Hittorffs Meisterwerk ein städtebauliches war, nämlich die Place de la Concorde; Haussmann 2000, S. 1079. Welche Rolle Zuschreibungen, Diskurse, Anekdoten und Narrative für den Meisterwerk-Status allgemein einnehmen, muss der Begrenztheit unseres spezifischen Fragerahmens geopfert werden; vgl. aber Hans Belting: Das unsichtbare Meisterwerk. Die modernen Mythen der Kunst. München 1998. 17 Zitiert nach: Ingres d’après une Correspondance inédite 1909, S. 377. – Ingres’ Begriff des „grand architecte“ steht in der seit der Antike traditierten Topik des großen Künstlers, dessen Außerordentlichkeit sich in seinem meisterhaften Werk spiegelt; vgl. Thomas 2009, S. 384. 18 Zitiert nach Delaborde 1870, S. 140. Die Maxime findet sich analog bei Hittorff: „Un des objets les plus importants de l’archéologie doit être de découvrir et de faire connaître les sources où les anciens puisèrent leurs chefs-d’œuvre, à fin de pouvoir aider à en créer de nouveaux“; Hittorff 1851, S. XIV. 19 Zur Baugeschichte von Saint-Vincent-de-Paul vgl. G. Borstell u. Fr. Koch: Die Kirche St. Vincent de Paul zu Paris. In: Zeitschrift für Bauwesen 5 (1855). Sp. 277–282 und Claudine de Vaulchier: L’église de Saint-Vincent-de-Paul. In: Hittorff (1792–1867) un architecte du XIXème. Ausstellungskat. Paris 1986/87. S. 111–151.

Saint-Vincent-de-Paul oder Die Rekatholisierung der klassischen Form

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nation stellt, verweist in übertragenem wie eigentlichem Sinne auf Mitte als tragender Machtfigur. Die folgenden Überlegungen zur architektonischen Chef-d’œuvreIdee der Beaux-Arts werden sich in diesem spezifischen Rahmen bewegen. Aus architekturhistorischer Warte gilt es zu ergänzen, dass sich die enge Verquickung von Chef-d’œuvre-Idee und Sakralbau der Gattungshierarchie schuldete. Einen schönen Beleg liefert Franz Christian Gau, dem Architekten der 1839 errichteten neugotischen Kirche Sainte-Chlotilde in Paris. Er bat Sulpiz Boisserée am 27. April 1827 in einem Schreiben um ein Exemplar des Kölner Dom-Werks, mit der Begründung, dass er einerseits „als Landsmann, als Architekt und Nachkomme der Steinmetzen des Doms [zu Köln] … es doch billigerweise auch besitzen“ wolle, und er andererseits „nie die Hoffnung aufgebe, doch einstens eine Kirche zu bauen, so will ich doch allen möglichen Fleiß darauf wenden, etwa, womöglich Vollkommenes, zu machen, was gewiß nicht Molkereien und Weinbrennereien gleichen soll“.20 Im Unterschied zu Gau verstand sich der gebürtige Rheinländer Hittorff jedoch nicht als „Nachkomme der Steinmetzen des [Kölner] Doms“, sondern, um einen Ausdruck von Ingres zu benutzen, als „enfant d’Homère“.21

Saint-Vincent-de-Paul oder Die Rekatholisierung der klassischen Form Die Suche nach der perfekten christlichen Basilika Der Passionsgeschichte der Sakralarchitektur während der Französischen Revolution, es sei dabei an die Säkularisierung und Profanierung des Kirchenguts sowie die Bau- und Ausstattungszerstörungen erinnert, folgte mit der Rückkehr der Bourbonen aus dem Exil im Jahre 1815 ihre Resurrektionsgeschichte.22 Zu ihren Etappen zählte die Unterzeichnung des Konkordats zwischen Frankreich und dem Heiligen Stuhl vom 17. Juni 1817, das die Wiederherstellung des Bundes von Thron und Altar besiegelte.23 1821 erließ Ludwig XVIII. im Zeichen dieser Bündniserneuerung die Or20 Brief von Gau an S. Boisserée, Paris, 27.4.1824; Köln, HAS, Nachlass Boisserée, 1018–A 103. Zur Idee des ‚Vollkommenen‘ in der Kunsttheorie des 19. Jahrhunderts vgl. Belting 1998, S. 56–59, 63–82 u. 126–157. 21 Hierzu Ingres’ Aussage von 1821: „Les hommes qui cultivent les lettres et les arts sont tous enfants d’Homère“; zitiert nach Delaborde 1870, S. 96. 22 Zum Tsnunami der Verwüstungen und Profanierungen des Kirchenbesitzes in den Jahren 1789 bis 1795 vgl. Gabriele Sprigath: Sur le vandalisme revolutionnaire (1792–1794). In: Annales historiques de la Révolution française 52 (1980). S. 510–535; Alexander Demandt: Vandalismus. Gewalt gegen Kultur. Berlin 1997. S. 154–159; Christine Tauber: Bilderstürme der Französischen Revolution. Die Vandalismus-Berichte des Abbé Grégoire. Freiburg i. Br. 2009 und Richard Clay: Iconoclasm in Revolutionary Paris. The Transformation of Signs. Oxford 2012. 23 Zur Kirchengeschichte Frankreichs im Restaurationszeitalter vgl. Jean Leflon: Histoire de l’église depuis les origines jusqu’à nos jours. La crise rèvolutionnaire 1789–1846. o. O. 1949. S. 331–336 und

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donnanz zur Etablierung von dreißig Bistümern auf französischem Territorium. Schließlich sollten Ikonoklasmus und Brandschatzungen der Revolution durch ein umfassendes Neubauprogramm von Pfarrkirchen vergessen gemacht werden, das im Zuge der vor allem im Norden von Paris entstehenden neuen Stadtquartiere Poissonnière und Nouvelle Athènes realisiert werden sollte. Gleichwohl blieb der Bedeutungsverlust der Kirche groß und ihre Rechtsposition schwach. Denn mit der Säkularisation ihrer Besitztümer war die Kirche baupolitisch in die Abhängigkeit der öffentlichen Hand geraten.24 Die restaurative Kirchenpolitik des Landes bedeutete deshalb noch lange kein Zurückdrehen der Uhren vor 1789. So wie alle öffentlichen Bauangelegenheiten in Frankreich wurde auch das Kultusbauwesen innerhalb der zentralistisch organisierten Baubehörde – mit der wichtigen Instanz des Conseil des Bâtiments civils – abgewickelt.25 Anfang der 1820er Jahre entschied die Baubehörde, den Neubau von Notre-Dame-de-Lorette im IX. Arrondissement zum Modell des Rekatholisierungsprogramms zu erheben (Abb. 28).26 Die Auslobung des Wettbewerbs lag 1823 in den Händen einer Kommission, die sich aus den Beaux-Arts-Architekten und Akademiemitgliedern Charles Percier, Pierre-François-Léonard Fontaine, Maximilien-Joseph Hurtault, Jean-Thomas Thibaut und Jean-Nicolas Huyot sowie QuatreGérard Cholvy u. Yves-Marie Hilaire: Histoire religieuse de la France contemporaine 1800–1880. Toulouse 1985. S. 31–98. 24 Vgl. Françoise Boudon: Les églises paroissiales et le Conseil des bâtiments civils, 1802–1840. In: L’architecture religieuse au XIXe siècle. Entre éclectisme et rationalisme. Hrsg. von Bruno Foucart u. Françoise Hamon. Paris 2006. S. 195–210. 25 Zu diesen Zusammenhängen vgl. Pierre Pinon: Le Conseil des Bâtiments civils a-t-il eu une politique urbaine? Le contrôle des opérations d’urbanisme sous la Restauration et la monarchie de Juillet. In: Villes françaises au XIXe siècle. Aménagement, extension et embellissement. Hrsg. von Michèle Lambert-Bresson u. Annie Térade. Paris 2002. S. 29–45 und Boudon 2006. 26 Vgl. Werner Szambien: L’architecture de Notre-Dame de Lorette. In: La Nouvelle Athènes. Haut lieu du Romantisme. Hrsg. von Bruno Centorame. Paris 2001. S. 92–95. Es sei erwähnt, dass sich die normative Wirkungsabsicht von Notre-Dame-de-Lorette in einer breiten Nachfolge bezeugt hat: So in Hippolyte Goddes Saint-Denis du Saint-Sacrement (1826) und Auguste Molinos’ Sainte-Marie des Batignolles (1826), beide in Paris, sowie Vincent Barrals und Pascal-Xavier Costes Saint-Lazare (1835) in Marseille. Weitere Beispiele bei Pierre Pinon: La pianta basilicale nell’architettura religiosa francese. Dalla basilica civile alla basilica paleocristiana. In: Ricerche di Storia dell’Arte 56 (1995). S. 7–17; bes. S. 11. – Es kann hier lediglich auf die gleichzeitigen Vorgänge in Bayern unter Ludwig I. und die im Rahmen der restaurativen Kirchenpolitik von Leo von Klenze publizierten Anweisungen zur Architectur des christlichen Cultus hingewiesen werden, erschienen zuerst 1822 und nochmals 1834; vgl. Gabriele Schickel: Typisierung von Stilwahl im Sakralbau. In: Romantik und Restauration. Architektur in Bayern zur Zeit Ludwig I. 1825–1848. Hrsg. von Winfried Nerdinger. Ausstellungskat. München 1987. S. 54–67 und Sonja Hildebrand: Werkverzeichnis. In: Leo von Klenze. Architekt zwischen Kunst und Hof 1784–1864. Hrsg. von Winfried Nerdinger. Ausstellungskat. München-Berlin 2000. S. 195–499; bes. S. 321–324. Zu den parallelen Vorgängen in Berlin und Preußen unter unmittelbarer Federführung Friedrich Wilhelms IV. vgl. Karl-Heinz Klingenburg: Der König als Architekt. In: Friedrich Wilhelm IV. Künstler und König. Ausstellungskat. Potsdam. Frankfurt/M. 1995. S. 37– 42 und Jürgen Krüger: Rom und Jerusalem. Kirchenbauvorstellungen der Hohenzollern im 19. Jahrhundert. Berlin 1995.

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Abb. 28: Hippolyte Lebas: Notre-Dame-de-Lorette. Längsschnitt mit Ansicht der geplanten Ausstattung, um 1830. Paris, École nationale supérieure des beaux-arts, 4086

Abb. 29: Jean-François-Thérèse Chalgrin: Saint-Philippe-du-Roule in Paris, errichtet 1767–1784. Längsschnitt. Paris, École nationale supérieure des beaux-arts, PC 46

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mère de Quincy zusammensetzte. Der Bischof von Paris hatte lediglich beratende Funktion. Die Forschung hat immer schon gesehen, dass der Wettbewerb von 1823 unter dem maßgeblichen Einfluss des Secrétaire perpétuel der Akademie, Quatremère de Quincy, und seiner Vorstellungen von der frühchristlichen Basilika als einem Inbild des Kirchenbaus stand.27 Als absolutes Muster galt dem Akademiedirektor die Kirche von Santa Maria Maggiore in Rom, die „le modèle le plus parfait d’une église chrétienne et la copie la plus juste d’une ancienne basilique“ sei.28 Quatremère ging von zwei Annahmen aus. Erstens, worauf die Textstelle rekurriert, die christliche Basilika sei eine Filiation der römischen Säulenbasilika, und zweitens, wie er an anderer Stelle erläuterte, habe sich ihre Form in der Renaissance mit Bramantes Sankt Peter-Entwurf verloren. Erklärtes Programm sei folglich, an die abgerissene Genealogie wieder anzuschließen. Hippolyte Lebas’ Wettbewerbsentwurf schien diesen Ansprüchen und Anforderungen am meisten zu entsprechen.29 So befand auch der Bauinspekteur Félix Pigeory, dass Lebas beim Entwurf wohl „la gracieuse image de Sainte-Marie-Majeure“ vor Augen gestanden habe.30 Und in der Tat lassen sich die Kolonnade, die Kassettendecke, der Triumphbogen sowie das ausgesparte Transept als gemeinsame Elemente beider Kirchengebäude nennen. Eine Eigentümlichkeit bezeichnet gleichwohl die Kolonnade, die in Roms frühchristlichen Kirchenbauten eher eine Ausnahme blieb und an deren Stelle, so in San Paolo fuori le mura und Santa Sabina, die Rundbogenarkatur steht.31 An der Entscheidung zugunsten der Kolonnade wird in Notre-Dame-de-Lorette eine für das frühe 19. Jahrhundert bezeichnende Wende transparent. Denn die Kolonnade, im Säulen-Architrav-Bau der klassizistischen Kirchenarchitektur Frankreichs noch dem antiken Peripteraltempel verpflichtet, wofür Chalgrins Saint-Philippe-du-Roule mustergültig stand (Abb. 29), konnte nun durch den Bezug zu Santa Maria Maggiore in Rom gleichsam geläutert werden. Mit anderen Worten: Im Referenzwechsel vom heidnischen Tempelbau zur altchristlichen Basilika hatte sich die Kolonnade rekatholisiert. Semiologisch gewendet heißt dies: Der Signifikant blieb, das Signifikat wechselte. Ohne also die Syntax beziehungsweise den klassischen Kanon anzutasten, sprach die Sakralarchitektur wieder ihre Muttersprache, nämlich ‚katholisch‘. Der

27 Hierzu Bergdoll 1994, S. 57. Zu Quatremère als einer übermächtigen Beaux-Arts-Figur vgl. Jacques 2001, S. 13 (a). 28 So unter dem Stichwort „Église“ in Quatremères Dictionnaire d’histoire d’architecture von 1832; Zitat nach Bergdoll 1994, S. 57. 29 Zum historischen und theoretischen Profil Lebas als Architekt vgl. Françoise Largier: Louis Hippolyte Lebas (1782–1867) et l’histoire de l’art. In: Livraison d’histoire de l’architecture 9 (2005). S. 113–126. 30 F. Pigeory: Les monuments de Paris 1847. S. 147; zitiert nach Pinon 1995, S. 11. 31 Vgl. Richard Krautheimer: Rom. Schicksal einer Stadt 312–1308. Darmstadt 1996. S. 55–59.

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Tempel („temple“) des Klassizismus konvertierte in der Restaurationszeit, wie das politisch gewünscht war, gleichsam ganz diskret zurück zur Kirche („église“).32 Der Entwurf von Saint-Vincent-de-Paul entspringt nicht der alleinigen Autorschaft Hittorffs. Die anfänglichen Planungsarbeiten von 1824 lagen in der Verantwortlichkeit von Jean-Baptiste Lepère (1761–1844), dem Schwiegervater Hittorffs seit Ende desselben Jahres. Auf ihn ging die typologische Wahl der altchristlichen Basilika zurück (Abb. 30). 1831 übernahm Hittorff die Bauleitung von dem sich aus dem Berufsleben zurückziehenden Schwiegervater. Hittorffs Eingriffe betrafen den ‚altchristlichen‘ Charakter des Kirchenbaus. Aus einer knappen, gegen 1838 datierbaren Beschreibung des Bau- und Ausstattungsprogrammes von Saint-Vincent-de-Paul erfahren wir, dass der 1826 begonnene Bau im Jahre 1831 nicht über die Grundmauern gediehen war und deshalb weitreichende Modifikationen am Aufriss unproblematisch waren.33 Vor dem Hintergrund von Lepères Plansätzen lassen sich die zwischen 1831 und 1833 durchgeführten Eingriffe Hittorffs präzise bestimmen. Ausdrücklich sei gesagt, dass die folgende Bauanalyse nicht erschöpfend ist und es nur darum gehen kann, zentrale Aspekte des idealtypisch gedachten Kirchengebäudes im Zeitalter der christlichen Renovatio zu erörtern. Die Betrachtung setzt mit dem ausgeführten Bau ein.34 Bei Saint-Vincent-de-Paul, einem der wichtigsten Kirchengroßprojekte des frühen 19. Jahrhunderts in Frankreich, handelt es sich um eine fünfschiffige, querschiffslose Emporenbasilika mit einem halbkreisförmigen Umgangschor und einer im Chorscheitel sitzenden Marienkapelle (Abb. 31 und 32). Den Raumeindruck bestimmt das lange und hohe Mittelschiff mit seiner dreiteiligen Wandstruktur, bestehend aus offenen Emporen, Frieszone und Kolonnade, die aus einer dichten Reihe glatter ionischer Säulen besteht. Während das Mittelschiff von einem offenen Dachstuhl abgeschlossen wird, sind die inneren Seitenschiffe flachgedeckt und die äußeren mit quer gestellten Satteldächern versehen (Abb. 33). Bei der Bildung der doppelten Seitenschiffe ist alles darauf angelegt, den Eindruck lufthaltiger Weite hervorzurufen. So gleitet der Blick vom Mittelschiff frei zwischen den Säulen hindurch bis in die Tiefe der im Halbdunkel liegenden äußeren Seitenschiffe, die genau 32 Zum Verhältnis der Begriffe „temple“ und „église“ im Ancien Régime vgl. Armin Krauß: Tempel und Kirche. Zur Ausbildung von Fassade und „portail“ in der französischen Sakralarchitektur des 17. und 18. Jahrhunderts. Weimar 2003. S. 11–18. Zur demonstrativen Verhaltenheit bei der Wiederanknüpfung an zerrissene Traditionslinien seit der Restaurationszeit vgl. die weiter oben behandelten Beispiele des Sacre Karls X. und der Neugestaltung der Place de la Concorde. 33 Das Dossier befindet sich in Köln, WRM, Do. 29. Es beginnt wie folgt: „L’Eglise de Saint-Vincentde-Paul fut commencée en Mai 1826. Les travaux interrompus pendant plusieurs années, reprirent avec une nouvelle et grande activité, à partir de 1831. A cette époque, les constructions étaient à peine arrivées au niveau du sol de la Nef“ [f. 1r]. 34 Zur schon mehrfach in der Fachliteratur referierten Baugeschichte von Saint-Vincent-de-Paul, die hier nur in ihren zentralen Stationen und Problemen betrachtet werden kann, vgl. bes. Schneider 1977, Bd. 1, S. 296–312 und Vaulchier 1986/87 (a) (hier S. 117 das Datum der Planeingaben Hittorffs an den Conseil des Bâtiments Oktober 1833).

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Abb. 30: Jean-Baptiste Lepère: Entwurf für Saint-Vincent-de-Paul, 1824. Querschnitt durch das Langhaus mit Ansicht der geplanten Wandmalereien und des Chorturms. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, St. V. 3

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Abb. 31: Jakob Ignaz Hittorff: Saint-Vincent-de-Paul, 1845. Grundriss. Berlin, Kunstbibliothek, Hdz 6627, Pl I

Abb. 32: Jakob Ignaz Hittorff: Saint-Vincent-de-Paul, 1845. Längsschnitt. Berlin, Kunstbibliothek, Hdz 6627, Pl IV

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Abb. 33: Paris: Saint-Vincent-de-Paul. Blick ins innere Seitenschiff

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Abb. 34: Paris: Saint-Vincent-de-Paul. Blick vom Mittelschiff auf den Hauptaltar mit der Kreuzigungsgruppe von François Rude (1844) und in die Chorapsis mit den Malereien von François Picot, 1848

genommen keine sind, da sie je vier Kapellen aufnehmen, die durch niedrige gusseiserne Gitter von einander geschieden sind. Durch die Offenheit der Raumstruktur behalten diese Raumkompartimente zwar den Charakter von Seitenschiffen bei, dienen aber nicht wie die inneren schmaleren Schiffe der Raumerschließung. Die unterschiedlichen Funktionen der Raumgefüge werden sowohl durch die gusseisernen Zierschranken als auch durch das um zwei Stufen höhere Bodenniveau der Kapellen anschaulich gemacht. Während die äußeren Kapellenreihen an den Stirnseiten der seitlich liegenden Sakristeien enden, setzen sich die inneren Seitenschiffe als Chorumgang fort. Die räumliche Verschaltung wird im Aufriss durch die ionische Säulenstellung bewirkt, die vom Seitenschiff in die Chorrundung übergeht, mit der allerdings markanten Kennzeichnung der Gelenkstelle durch kräftige Pfeiler- und Pilasterstellungen. Lenkt man seinen Blick indes auf die figurengeschmückte Frieszone, die über die einspringenden Wandpfeiler des Triumphbogens zwischen Chor und Mittelschiff geführt wird, zeigt sich die säulenbekränzte Chorrundung zugleich als Weiterführung der Peristasis des Mittelschiffes (Abb. 34). In dieser mehrschichtigen Verklammerung von Langhaus und Chor sind Syntheseprinzipien am Werk, die das Entwurfskonzept insgesamt auszeichnen. Während in der frühchristlichen Flachdeckenbasilika, auf die offen rekurriert wird, Mittelschiff und anschließende Apsis gleich breit sind, wurde Letztere in

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Saint-Vincent-de-Paul über das Mittelschiff hinaus auf die Dimension des inneren Seitenschiffs vergrößert. Hittorffs Apsis zeigt sich damit – zumindest funktional – genauso der französischen Tradition des Chorumganges mit Scheitelkapelle verpflichtet. Der durch eine Kalotte gewölbte Chorraum ist also das Resultat von zwei miteinander kombinierten Raumtypen: Die Halbrundapsis der altchristlichen Basilika geht mit dem Umgangschor der französischen Kathedralgotik eine Synthese ein. Saint-Vincent-de-Paul ist damit ein Verschnitt hochrangiger Raumtypen, vom frühen Christentum über das französische Mittelalter bis zum Säulen-Architrav-Bau des Klassizismus. Hittorffs Suche nach der perfekten christlichen Basilika lässt sich auch als Korrektur und Verbesserung von Lepères Bauentwurf lesen. Besaß Letzterer eine korinthische Ordnung, konvertierte sie Hittorff in eine für frühchristliche Basiliken übliche Ionica. Im Verständnis des archäologischen Klassizismus war die ionische Ordnung jene Griechenlands, die korinthische jene Roms. Hittorff selbst warf den Zunftgenossen vor, hier nicht orthodox genug vorzugehen, wenn sie „presque partout les colonnes corinthiennes“ verwendeten, „en copiant les architectes romains“.35 Hittorff wählte wie für die große Kolonnade im Inneren auch für den Portikus der Fassade die Ionica, die er mit einem Halsband versah, das mit Traubenranken und Ähren geschmückt frühchristliche Symbolik zitiert. Im Portikusmotiv sah Hittorff die „conquête de l’art moderne sur l’art des Hellènes, et de la religion chrètienne sur le paganisme“ verwirklicht.36 Hittorff verbürgte dieses Verständnis mit der Korrektur von Lepères Portikusentwurf, der zehn Säulen zeigte und den er auf die symbolische (Apostel)Zahl von zwölf erhöhte (Abb. 35).37 Während die antike Sakralkunst hier in der christlichen aufging, erhielt umgekehrt die christliche Kunst einen archäologischen Schliff und mithin ihre Perfektion. Wenn Lebas und Lepère ihren basilikalen Entwürfen eine Flachdecke einfügten, wie man sie seit dem Mittelalter und der Renaissance häufig in frühchristlichen Bauten nachträglich eingezogen hatte und die das Bild dieser Bautengruppe in der Folge bestimmte, dann war dies archäologisch nicht ‚korrekt‘.38 Historisch ‚richtig‘ war für Hittorff nur der offene Dachstuhl, den er in den ursprünglichen Entwurf von Lepère einfügte. Dass in dieser Korrektur wieder das Griechenideal durchschlug, macht Hittorffs Rekonstruktion des Tempel T in Selinunt deutlich, den er als hohen, von einem offenen Dachstuhl abgeschlossenen Emporenraum rekonstruierte (Abb. 36). Schließlich bildete die römische Basilika mit offenem Dachstuhl das Zwischenglied zwischen griechischem Tempel und altchristlicher Basilika. Es lässt sich bis in De35 Dies befand Hittorff 1834 im Rahmen seiner Abhandlung über die Madeleine-Kirche, die eine korinthische Säulenordnung zeigt; vgl. Vaulchier 1986/87 (a), S. 117 f. 36 Hittorff 1851, S. 820. 37 „Elles [die Säulen der Vorhalle] sont la représentation symbolique des douze apôtres“; Hittorff 1851, S. 820. 38 So das Beispiel von Santa Maria Maggiore in Rom; vgl. Roberto Luciani (Hrsg.): Santa Maria Maggiore e Roma. Rom 1996.

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Abb. 35: Edouard-Denis Baldus: Fotografische Ansicht von Saint-Vincent-de-Paul vor der Umgestaltung der Rampenauffahrt zu einer Grünanlage, um 1870. Paris, Musée Carnavalet

tails hinein immer wieder nachzeichnen, wie orthodox Hittorff das restaurative Programm der religiösen Erneuerung mit dem Kanon der Beaux-Arts abglich.39

39 Hittorffs Projekt einer perfekten christlichen Basilika scheint einen Vergleich mit Viollet-le-Ducs wenige Jahrzehnte später im zweiten Band des Dictionnaire de l’architecture publizierten Entwurfs einer siebentürmigen, gotischen Idealkathedrale, die ein von der Geschichte bereinigtes Reims wiedergibt, herauszufordern. Das historische Verfahren des Restaurators mittelalterlicher Sakralarchitektur ist insofern ein anderes, als die reale Kathedrale hin auf einen vermeintlichen Originalzustand entrestauriert wird. Das Vorgehen soll die Gestaltungprinzipien gotischer Sakralarchitektur freilegen, nämlich ihre aus dem Kreuzrippengewölbe herleitbare Skelettbauweise. Von den historischen Kontingenzen befreit, eröffnet sich dabei gleichsam die analytische Theoretisierung der Kathedralgotik. Während also Viollet-le-Ducs Papierarchitektur ein epistemisches Objekt ist, steht Hittorffs Saint-Vincent-de-Paul in einer konkreten sozialen Lebenswelt, deren Paradigmen und Herausforderungen sie zu entsprechen hatte. Aus einer Negativität erwachsen, nämlich jener Lücke, welche die Französische Revolution geschlagen hatte, galt sein Bau der Renovatio eines verlorenen sozialen und religiösen Sinns. Zu Viollet-le-Ducs idealer Kathedrale vgl. Klaus Niehr: Die perfekte Kathedrale. Imaginationen des monumentalen Mittelalters im französischen 19. Jahrhundert. In: Bilder gedeuteter Geschichte. Das Mittelalter in der Kunst und Architektur der Moderne. Hrsg. von Otto Gerhard Oexle, Áron Petneki u. Leszek Zygner. Göttingen 2004. S. 165–221 und Peter Kur-

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Abb. 36: Rekonstruktion der Cella des Tempel T in Selinunt. Aus: Jakob Ignaz Hittorff u. Karl Ludwig von Zanth: Recueil des monuments de Ségeste et de Sélinonte. Hrsg. von Charles-Joseph Hittorff. Paris 1870. Tafel LXXIV

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„L’heureuse alliance des trois arts“. Ein Kunstideal in der Prosa des Baustellenalltags Im Jahre 1842 legten Hittorff und Lepère in der Zeitschrift L’Artiste ihren Programmentwurf für die Ausstattung von Saint-Vincent-de-Paul dar. Ihr Credo lautete, dass nur eine konzeptionelle Einheit von Architektur, Malerei und Skulptur („l’heureuse alliance des trois arts“) vollendete Kunstwerke („des ouvrages accomplis“) schaffen könne.40 Als Kronzeugen für die Gültigkeit ihrer Behauptung riefen sie die „immortels ouvrages“ der Griechen sowie die „chefs-d’œuvre“ neuerer Zeiten auf.41 Die Vereinigung der Künste erzeuge Meisterwerke, als deren Eigenschaften das Außerordentliche und die überzeitliche Geltung zu nennen seien.42 Vom Höhenkamm der Meisterwerk-Erzählung wechselten die beiden Verfasser jedoch rasch in die Niederungen der Verwaltungsprosa. Denn die aktenmäßige Handhabung der Angelegenheit, so die beiden Architekten, gebe Anlass zu der Befürchtung, dass man die hehren Ziele alsbald in den Schornstein schreiben könne. Der Artikel, der unmittelbar vor der Auftragsvergabe der Ausstattungsarbeiten erschien, indizierte die Bauverwaltung als jene Instanz, die auf dem Entscheidungsmonopol in Sachen Künstlerberufung beharrte.43 Hittorff und Lepère erklärten der Leserschaft, dass das Chefd’œuvre das Licht der Welt nur erblicken werde, wenn der Ausstattungsentwurf von Saint-Vincent-de-Paul einer „seule pensée directrice“, d. h. ihnen allein, unterstellt werde.44 Der Artikel von 1842 beruhte auf einem Memorandum, das bereits im Januar 1838 von Hittorff und Lepère an den Präfekten Rambuteau übermittelt worden war. Mit der Publikation sollte nun der Druck auf die Pariser Administration erhöht werden. Im Visier ihrer Kritik stand die Abwicklung von größeren Ausstattungskampagnen, welche die Bauverwaltung vorzugsweise auf eine Vielzahl von Künstlern aufteilte. Das Paradebeispiel lieferte die malerische Ausstattung von Notre-Dame-deLorette in Paris, die in den 1830er Jahren von nicht weniger als 26 eigenverantwortmann: Viollet-le-Duc und die Vorstellung einer idealen Kathedrale. In: Eugène Emmanuel Viollet-leDuc. Hrsg. von Stiftung Bibliothek Werner Oechslin Einsiedeln. Zürich-Berlin 2010. S. 32–50. 40 [Jakob Ignaz Hittorff u. Jean-Baptiste Lepère:] Mémoire présenté par MM. Lepère et Hittorff, architectes, à M. le Préfet de la Seine. In: L’Artiste 1 (1842). S. 3–5 u. 19–22; hier: S. 3. Der Text findet sich bis auf die einleitenden Passagen an den Herausgeber der Zeitschrift L’Artiste wiederabgedruckt unter dem allerdings veränderten Titel Le programme décoratif de Saint-Vincent-de-Paul und unter Auslassung des Namens von Lepère im Ausstellungskatalog Hittorff (1792–1867). Un architecte du XIXème. Paris 1986/87. S. 341–346. Vgl. ferner Vaulchier 1986/87 (a), S. 122 f. 41 Hittorff/Lepère 1842, S. 4. 42 Zu den ästhetikgeschichtlichen Implikationen und Wurzeln des hier aufgerufenen Chef-d’œuvre-Begriffs, insbesondere in Bezug auf die Zeitdimension des „immortel“ vgl. Jean Galard: Une question capitale pour l’esthétique. In: Qu’est-ce qu’un chef-d’œuvre? Hrsg. von Dems. u. Matthias Waschek. Paris 2000. S. 5–23. 43 Hittorff/Lepère 1842, S. 3. 44 Hittorff/Lepère 1842, S. 3.

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lich entwerfenden Künstlern ausgeführt wurde (Abb. 28).45 Das daraus resultierende Manko einer konzeptionellen Einheitsklammer ist in der Tat nicht zu übersehen.46 Hittorff war neben dem Architekten des Kirchengebäudes, Hippolyte Lebas, selbst Mitglied der Gutachterkommision und ins Geschehen unmittelbar involviert. Bruno Foucart hat das bunte Ausstattungsensemble in drei Stilgruppen unterschieden: „La nef des néo-classiques, les bas-côtés romantiques, le chœur néo-byzantin“.47 Das stilistische Mixtum zog öffentliche Kritik von höchst autoritärer Seite nach sich. Théophile Gautier monierte den Harmoniemangel des Gesamteindrucks.48 Als Ursache nannte er die Fragmentierung der Ausstattungskampagne in zahlreiche Einzelaufträge: „C’est un défaut qu’on a d’éparpiller la besogne entre beaucoup d’artiste“. Hittorffs und Lepères öffentlicher Appell in L’Artiste lässt sich als eine unmittelbare Reaktion auf das Ausstattungsdilemma in Notre-Dame-de-Lorette lesen. Auch das Editorial des L’Artiste monierte 1842 den Umstand, dass die Oberleitung der Ausstattungsarbeiten in Saint-Vincent-de-Paul der Präfektur obliege, was als „un des plus graves problèmes de l’art contemporain“ indiziert wurde.49 Auf Hittorffs Forderung nach Reduzierung der Ausstattungskünstler sowie deren Unterstellung unter seine Ägide ging die Bauverwaltung in der Folge ein. Mag es im frühen 19. Jahrhundert auch längst nicht mehr unüblich gewesen sein, das Publikum als Richter anzurufen,50 war doch der Ort, an dem der aufmüpfige Artikel erschien, für die beiden Beaux-Arts-Architekten ungewöhnlich, nämlich

45 Vgl. Bruno Foucart: Le décor peint de Notre-Dame de Lorette. In: La Nouvelle Athènes. Haut lieu du Romantisme. Hrsg. von Bruno Centorame. Paris 2001. S. 96–101 und den zeitgenössischen, anonym erschienen Bericht: L’église de Notre-Dame-de-Lorette. Ses peintures. In: L’Artiste. 10 (1835). S. 222–224 sowie Augustin Jal: Chapelle de l’Eucharistie, peinte par M. A. Perin, dans l’église de Notre-Dame-de-Lorette. [Sonderdruck aus L’Athenaeum français, 16. Oktober 1852]. – Zur Objektausstattung der Kirche vgl. Joseph-Amable Grégoire: Notice explicative des objets d’arts qui décorent la nouvelle église Notre-Dame-de-Lorette à Paris. Paris 1837. 46 Vgl. Daniel Ternois: Une lettre inédite d’Ingres aux peintres de Notre-Dame-de-Lorette. In: Revue de l’Art 80 (1988). S. 88–91; hier: S. 88. 47 Foucart 2001, S. 96. 48 „L’unité en souffre, et les travaux manquent nécessairement d’harmonie“; zitiert nach Foucart 2001, S. 96, der als Quelle La Presse (ohne Jahr) angibt. Hieraus auch das folgende Zitat. 49 Hittorff/Lepère 1842, S. 3. 50 Ein frühes prominentes Beispiel dafür, dass Architekten die öffentliche Meinung anriefen, wenn sie sich ihrer Haut zu erwehren hatten, stellt Pierre-François-Léonard Fontaine dar, der den Zwist mit Napoleon I. um die Louvreerweiterungen im Jahre 1808 im Moniteur auszutragen unternahm. Ernüchternd hielt er jedoch in seinem Journal die ausbleibenden Reaktionen fest: „Jamais sujet donné à la curiosité, à la censure, à l’avidité publique, n’aura produit aussi peu d’effet“; Zitat nach Sabine Frommel: „Un architecte plus actif … que tous les architectes du monde“. Napoleon I. als Bauherr. In: Capriccio und Architektur. Das Spiel mit der Baukunst. Festschrift für Bruno Klein. Hrsg. von Stefan Bürger u. Ludwig Kallweit. Berlin-München 2017. S. 127–138; hier: S. 133. Die Sache selbst belegt den seit der Aufklärung vollzogenen Strukturwandel der Öffentlichkeit; vgl. Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Frankfurt/M. 1990.

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in L’Artiste, dem ‚Kampforgan‘ der Romantiker.51 Bereits die Namen derjenigen, die in demselben Jahrgang der Zeitschrift publizierten, machen den für Hittorff und Lepère ungewöhnlichen Ausflug deutlich. In der Ausgabe von 1842 erschienen unter anderem Beiträge von Gérard de Nerval, George Sand, Henry Murger, Alphonse de Lamartine und nicht zuletzt von Heinrich Heine. Zur Kennzeichnung der ungewöhnlichen publizistischen Situierung sei Nerval herausgegriffen, der in seiner bekannten Umdichtung der Gründungslegende des Freimauererordens von 1851 den Baumeister des Tempels von Jerusalem, Adoniram, als ein rebellisches, für alle Künste begnadetes Originalgenie imaginierte. In Adoniram wird der Wille des heroischen Einzelnen gepriesen, der Großes, gleichsam Ewiges aus dem Geist des Transgressiven zu entwerfen imstande ist: Gebt mir hunderttausend Handwerker, gerüstet mit Meißel und Hammer, und ich werde in den gewaltigen Block das schreckenerregende Haupt einer Sphinx schneiden, die lächelt und einen unversöhnlichen Blick nach dem Himmel richtet. Blickte dann aus Wolkenhöhen Jehova auf sie herab, er müßte erbleichen vor Entsetzen. Siehe, das nenne ich ein Denkmal! Hundertmal tausend Jahre könnten vergehen, die Kinder der Menschen aber würden noch immer sagen: Ein großes Volk hat hier seiner Wanderung ein Zeichen gesetzt!52

Man muss sich Hittorffs Ausflug auf das Feld der Romantiker schon auf der Zunge zergehen lassen. Denn der dort kultivierte Mythos von Genie und Rebellentum ist kaum verdächtig, der Beaux-Arts-Kunst nahezustehen. Fundierte die eine Kunstauffassung im Prinzip der Entgrenzung und schöpfte ihre Kraft aus dem Rausch, schuf die andere Konventionen und achtete peinlich genau auf deren Einhaltung. Nahm die eine ihren Ausgang vom ‚genialen Einfall‘ und ‚schöpferischen Wahnsinn‘, setzte die andere auf Arbeit und Disziplin. Wer nur Grundpositionen in den Blick nimmt, wird freilich in Bezug auf die ästhetische Praxis nur die halbe Wahrheit erfassen. So eignete sich Hittorff die romantische Maxime der „alliance des trois arts“ mit einer zweifachen Konsequenz an.53 Erstens diente sie ihm ganz profan als Strategem dazu, die Gesamtregie über die Arbeiten in Saint-Vincent-de-Paul zu beanspruchen.54 Zweitens perforierte er das klassizistische Credo der rigorosen Wahrung der Gattungsgrenzen, wofür Jean-François-Thérèse Chalgrins 1784 fertiggestellte Pfarrkirche Saint-Philippe-du-Roule in Paris paradigmatisch einstand (Abb. 29). Letzteres 51 Vgl. Goetz 2001, bes. S. 115; konzise Skizzierungen des Zeitschriftenprofils auch bei Peter J. Edwards: La revue L’Artiste (1831–1904). Notice bibliographique. In: Romantisme. Revue du Dix-Neuvième siècle 67 (1990). S. 111–118 und Anne Martin-Fugier: Les Romantiques 1820–1848. SaintAmand-Montrond 1998. S. 192–196. 52 Zu Nerval als Epigone Piranesis vgl. Norbert Miller: Archäologie des Traums. Versuch über Giovanni Battista Piranesi. München-Wien 1978. Zitat: S. 7 f. 53 Zur Einheitsidee der Romantik vgl. Karl Konrad Pohlheim: Zur romantischen Einheit der Künste. In: Bildende Kunst und Literatur. Beiträge zum Problem ihrer Wechselbeziehungen im neunzehnten Jahrhundert. Hrsg. von Wolfdietrich Rasch. Frankfurt/M. 1970. S. 157–178. 54 Hittorffs Bemühungen um Alleinregie analog im Rahmen des Ausstattungskonflikts das Institut Eugène-Napoléon (1855) betreffend; vgl. McQueen 2007, S. 184.

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führte trotz ‚romantischer‘ Grenzerweiterung weniger zu einer Auflösung von Ordnung als zu einer Synthese, also einer erneuten Formgebung, in der die drei Kunstgattungen Architektur, Malerei und Skulptur, wie postuliert, eine glückliche („heureuse“) Neuverknüpfung eingingen. Wenn es also zu einer Auflösung kam, dann von stilistischen Inkohärenzen.

Eine unrealisiert gebliebene zweite Sixtina Die Ausstattungskampagne von Saint-Vincent-de-Paul, mit der unmittelbar vor der Kirchweihe 1844 begonnen wurde, und die sich bis Ende der fünfziger Jahre hinzog, umfasste von der Pavimentgestaltung aus unterschiedlichen Stein- und Holzsorten über den Entwurf des Kirchenmobiliars (Weihwasser- und Taufbecken aus Gusseisen, Osterleuchter, Kanzel, Chorgestühl u. a. m.) bis hin zum bildhauerischen und malerischen Schmuck, so an Portikusgiebel wie Mittelschiffs- und Apsiswänden, die gesamte Breite der Gestaltungsfragen.55 Hittorff gelang es, sich als zentrale Instanz beratend, kontrollierend und anweisend zwischen Präfekten, Administration, Bistum und ausführende Künstler zu positionieren, so dass das vielgestaltige Dekorationsprogramm weitgehend seiner Zuständigkeit unterstand. Hittorff wählte die entwerfenden Künstler und ausführenden Kunsthandwerker aus und schlug sie im Rahmen eines persönlichen Gesprächs dem Präfekten Rambuteau vor, der, soweit bekannt ist, keinen der Kandidaten ausgeschlagen hat. Damit leitete Hittorff die Ernennung der Künstler an dem sonst dafür verantwortlichen Kunstausschuss der Stadt vorbei, mit dem es prompt zu Reibereien kam. Der Bauinspektor Bachelot machte gegenüber dem Präfekten Bedenken geltend, dass Hittorff landsmannschaftliche und andere ihm genehme Gefolgsleute auf der Baustelle begünstige.56 Der Vorwurf wurde aber auch deshalb erhoben, weil Hittorffs Handhabe der Baustelle die Rolle der Kontrollausschüsse in Entscheidungsfragen an den Rand gedrängt hatte. Und so sollte es bis zum Ende der Ausstattungsarbeiten im Jahre 1858 auch bleiben. Die von Hittorff ausgewählten Künstler hatten vor Vertragsunterzeichnung ausgearbeitete Entwürfe vorzulegen, erstens zu deren Begutachtung, zweitens zur Honorarfestlegung; eine Aufgabe, die Hittorffs Position wohlgemerkt nicht vorsah, sondern einem eigenen Gremium der Administration unterstand. Hittorff besaß also keine Handlungsvollmacht, hatte aber, modern gesprochen, eine Richtlinienkompetenz für sich erwirkt. Sämtliche in der Dienstkorrespondenz enthaltenen Mahnungen an die Künstler, ihre Einzelwerke dem „style de l’Église“ anzupassen, sprechen die autoritäre Sprache des sich als Dirigenten des Künstlerorchesters verstehenden Ar-

55 Vgl. Hittorff 1844. 56 Zur Abwehr der Vorwürfe vgl. den Brief Hittorffs an den Präfekten Rambuteau vom 20.7.1841; Paris, BHVP, C. P. 3636, f. 3r–4r. Die gleichen Vorhaltungen wurden Hittorff während der Arbeiten auf der Place de la Concorde und den Champs-Elysées gemacht; vgl. Hammer 1968, S. 220.

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chitekten.57 Dass hier ein Opus magnum entstehen sollte, hat Hittorff allen Beteiligten ohne Unterlass eingebläut, obenan seinen Ausstattungskünstlern, die doch die einmalige Chance erkennen sollten, in Saint-Vincent-de-Paul ihren Namen „glorieusement … à la postérité“ überantworten zu können.58 Engagiert wurden vorderhand solche Künstler, die bereits Klang und Namen hatten: François Rude, dessen Renommee sich mit dem monumentalen Pfeilerrelief der Marseillaise am Triumphbogen der Place de l’Étoile 1833 begründet hatte, zeichnete für die Kreuzigungsgruppe (1844) des Hochaltares verantwortlich; Charles-Laurent Maréchal, der sich mit seinen Arbeiten für die Metzer Kathedrale und für die Sakristei von Notre-Dame zu Paris empfohlen hatte, hat die figürlichen Glasfenster (1843/44) der Seitenkapellen entworfen; Charles-Gabriel Gleyre, der Maler der späteren Illusions perdus, führte die figürlichen und dekorativen Malereien in Wachs in der Frieszone zuoberst des Mittelschiffes (1843) aus und Aristide Cavaillé-Coll, der renommierteste Orgelbauer seiner Zeit, die Orgelanlage (1855) oberhalb des Einganges.59 Zentrale Aufmerksamkeit kam dem Bildschmuck zu, der die Apsiskalotte und die entlang der Chorrundung und des Mittelschiffes umlaufende hohe Frieszone zieren sollte (Abb. 34 und 37).60 Allein das vom Conseil municipal im Sommer 1845 bewilligte außerordentliche Budget von 250.000 Francs, von dem auch die Kunstkritik berichtete, signalisierte den Anspruch, den die Stadt Paris mit dem Bau verband.61 Von der Summe waren 50.000 Francs für die Errichtung der Arbeitsgerüste und 200.000 Francs für die Ausführung der Ausmalung in Wachstechnik vorgesehen. Im Rahmen dieser Kostenfixierung wurden vier Malernamen genannt, die für die Realisierung in Betracht genommen wurden und prominenter nicht hätten sein können: Jean-Auguste-Dominique Ingres, Paul Delaroche, Ary Scheffer und Horace Vernet. Vergeben wurde der Auftrag an Hittorffs Favoriten, den Freund Ingres, den „Raffael“ des 19. Jahrhunderts, der als „auteur de l’Apothéose d’Homer et du Vœu de Louis

57 So Hittorff an die Adresse des Glasmalers Charles-Laurent Maréchal in einem Brief vom 7.12.1842; Paris, BHVP, C. P. 3636, f. 26v. – Zum Verständnis des Architekten als ‚Orchesterdirigenten‘ vgl. Claude 1989. 58 Das Zitat aus einem Brief an den Maler François Picot, Brief Hittorffs vom 3.7.1848; Paris, BHVP, C. P. 3636, f. 117v. 59 Einen Überblick über die einzelnen Ausstattungsarbeiten gibt Vaulchier 1986/87 (a), S. 133–148. Zu Cavaillé-Coll in Saint-Vincent-de-Paul vgl. Budde 1994. 60 Zum Revival der religiösen Malerei im französischen 19. Jahrhundert grundlegend Foucart 1987. 61 Vgl. den Brief Hittorffs an den Redakteur der Revue générale de l’architecture et des travaux publique, César Daly, vom 1.8.1845; Paris, BHVP, C. P. 3636, f. 102vf. Einen instruktiven Überblick über die malerische Innenausstattung von Saint-Vincent-de-Paul gibt Léo Ewals: Les peintures murales de l’église de Saint-Vincent-de-Paul. L’histoire d’une commande. In: Bulletin du Musée Ingres 45 (1980). S. 35–43; auf S. 37–40 die Presseberichte. Einen Kostenvergleich gibt die malerische Ausstattung von Saint-Augustin 1867, für die 92.000 Francs veranschlagt wurden; vgl. Pinon 2005, S. 198.

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Abb. 37: Paris: Saint-Vincent-de-Paul. Aufriss des Mittelschiffs mit der Heiligenprozession von Hippolyte Flandrin, 1848

XIII.“ die „belle tâche que ce travail lui impose“ annahm – auch wenn aus der Verwirklichung dann nichts wurde.62 Besonders Ingres’ aufgespreiztes Selbstbewusstsein erwiesen sich für das städtische Projekt als Hindernis, wie aus einem Brief an den Präfekten Rambuteau vom 10. Mai 1847 hervorgeht.63 Ingres verweigerte der Administration die Eingabe seines Programmentwurfs für die Ausmalung von Langhaus und Apsis. Der Maler begründete dies einerseits künstlerisch, indem er sein „œuvre d’invention“ als in sich auskomponiert und vollendet ansah, an dem sich nichts ändern ließe „sans détruire le tout“.64 Andererseits verlange sein Ruhm „le soin de sa propre gloire“; mit anderen Worten: Eine besondere Behandlung, nämlich den Dispens von der „loi commune“, 62 Brief Hittorffs an César Daly, 1.8.1845; Paris, BHVP, C. P. 3636, f. 103r. – „M. Ingres veut bien être Raphaël“, heißt es nicht ohne Spitze in einem Artikel in L’Artiste 1845 auf die Meldung hin, dass er die Malereien in Saint-Vincent-de-Paul nicht mehr auszuführen bereit war; Zitat in: Ewals 1980, S. 39. Zu Ingres als neuer Raffael vgl. die in Le Charivari am 27.5.1842 erschienene Karikatur Ingres’ als „Raphaël II“; Cuzin 1983/84, S. 57. Zur Beauftragung von Ingres ferner Daniel Ternois: Lettres d’Ingres à Marcotte d’Argenteuil. Dictionnaire. Nogent-le-Roi 2001. S. 204. 63 Abgedruckt bei Bruno Horaist: Une lettre d’Ingres à propos de la décoration de l’église SaintVincent-de-Paul à Paris. In: Bulletin du Musée Ingres 45 (1980). S. 31–34; hier: S. 32 f. Hieraus auch die folgenden Zitate. 64 Entwurfszeichnungen hat Ingres aber offenbar nie angefertigt; vgl. Ternois 2001, S. 204 f.

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also von Vorschriften und Bürokratie, wie sie Projekte der öffentlichen Hand vorsahen. Das Beharren auf bürokratischer Handhabe der Angelegenheit seitens der Stadt Paris verhinderte also, dass Ingres seine ‚Sixtinische Kapelle‘ realisierte.65 Nachdem Ary Scheffer, der als zweiter Favorit für den Auftrag umworben wurde, am 15. Mai 1847 wegen anderweitiger Verpflichtungen in einem Brief an Rambuteau seine Disponibilität zurückzog, wurden die Namen von Hippolyte Flandrin, dem wichtigsten Ingres-Schüler, und von François Picot, Mitglied der Akademie, ins Spiel gebracht, die ab 1848 mit der Ausführung der Malereien im Mittelschiff (Flandrin) und in der Apsis (Picot) begannen.66 Hittorff forderte Picot im Sommer 1848 auf, sich hinsichtlich des Programms sowohl mit ihm als auch mit Flandrin zu beraten, damit die konzeptionelle Kohärenz von Architektur und Ausstattung nicht aus dem Blick gerate.67 Wie dringend Hittorff dieses Anliegen war, zeigt ein Schreiben an Varcollier, den Direktor der Division des beaux-arts der Stadt Paris, dem er nicht nur seine Befürchtungen mitteilte, dass beide Maler ein „certain manque de liaison et d’unité“ bezüglich des Programmentwurfs und der Darstellungsweise kennzeichne, sondern Varcollier auch nahelegte, er möge in die Gutachterkommission für das Dekorationsprogramm von Saint-Vincent-de-Paul nicht nur Maler, sondern ebenso viele Architekten berufen, die auf die gewährleistete Symbiose von Bau und malerischer Ausstattung Acht geben sollten.68 „La chose est très sérieuse“, befand Hittorff, „j’aime encore mieux pas de peinture du tout que d’en avoir qui au lieu d’ajouter une perfection à mon église en ferait davantage sortir les défauts“.69 Wenig später übersandte Hittorff Picot ein Exemplar seiner Architecture moderne de la Sicile mit dem Hinweis, sich eingehender dem Studium des Mosaikschmucks der Cappella palatina des Normannenpalastes in Palermo und jenes im Dom von Monreale zu widmen (Abb. 38).70 Hittorff hatte bereits 1842 in seiner Programmschrift für L’Artiste in kaum überbietbaren Worten „le grandiose de leur ensemble“ gepriesen und die beiden Kirchenbauten in ihrer Einheit von Bau und Bildschmuck 65 So der gezogene Vergleichshorizont in einer zeitgenössischen Kritik in L’Artiste, 1845; vgl. Ewals 1980, S. 40. 66 Zu Ary Scheffers Verhandlungen und Entwürfen für den Bilderschmuck in Saint-Vincent-dePaul vgl. Ewals 1980 und die bislang unberücksichtigt gebliebenen Quellen in Paris, BHVP, C. P. 3636, f. 75r–76r. – Zu Flandrin und Picot vgl. Henry Jouin: Hippolyte Flandrin. Les frises de SaintVincent-de-Paul. Conférences populaires faites à la salle du progrès à Paris les 12 et 19 janvier 1873. Paris 1873; Daniel Imbert: Les peintures murales de l’église Saint-Vincent-de-Paul à Paris (1848– 1853). In: Hippolyte, Auguste et Paul Flandrin. Une fraternité picturale au XIXe siècle. Ausstellungskat. Paris-Lyon 1984/85. S. 107–119 und Sylvain Bellenger: Hittorff et les peintres à l’eglise SaintVincent-de-Paul. In: Hittorff (1792–1867) un architecte du XIXème. Ausstellungskat. Paris 1986/87. S. 309–317. 67 Brief Hittorffs an Picot, 3.7.1848; Paris, BHVP, C. P. 3636, f. 117vf. 68 Zitate nach Bellenger 1986/87, S. 309. 69 Bellenger 1986/87, S. 309. 70 Brief Hittorffs an Picot, 14.8.1848; Paris, BHVP, C. P. 3636, f. 118v.

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Abb. 38: Monreale: Dom. Schnitt durch das Querhaus mit Ansicht der Mosaikdekoration der Ostanlage. Aus: Jakob Ignaz Hittorff u. Karl Ludwig von Zanth: Architecture moderne de la Sicile. Paris 1835. Tafel LXVIII

als maßgeblich für Saint-Vincent-de-Paul erklärt.71 Hittorff darf innerhalb der Architektenschaft als der wichtigste Wortführer im Prozess der Erneuerung der sakralen Monumentalmalerei der Epoche gelten.72 Diese Befürwortung war vor allem im Ein71 Hittorff/Lepère 1842 (b), S. 4. 72 Hittorff lag hier ganz auf der Linie von Ingres, dem ein Revival der italienischen Monumentalmalerei der Renaissance vor Augen stand, selbst aber mehrere Möglichkeiten zu einer Realisierung ausließ; neben Saint-Vincent-de-Paul schlug er Aufforderungen zur Ausmalung der Chorapsis von Notre-Dame-de-Lorette und der Madeleine-Kirche aus, vgl. Ternois 2001, S. 177 f. Zum wichtigsten Repräsentaten der monumentalen Wandmalerei wird sein Schüler Hippolyte Flandrin; zu dessen Arbeiten in Saint-Germain-des-Prés (1842–1848): Horaist/Hardouin-Fugier/Grafe 1984/85. Zentrale Beispiele der erneuerten Monumentalmalerei markieren ferner Delacroix’ Fresken im Salon du Roi und der Bibliothek des Palais Bourbon (1836–1847) sowie in der Bibliothek des Palais du Luxembourg (1847). Zu diesem Revival allgemein vgl. Léon Rosenthal: Du Romantisme au Réalisme. Essai

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klang mit der von ihm angestrebten Allianz der Künste formuliert worden. Ihr war ein deutlicher Überbietungsgestus eingezeichnet: Saint-Vincent-de-Paul sollte anders als „[les] autres temples modernes de Paris“ – und hier meinte Hittorff obenan Notre-Dame-de-Lorette – keine „variété discordante“ und kein „amalgame indigeste“ werden, sondern konzeptionelle Kohärenz vor Augen führen.73 Tatsächlich ist Picots Pantokrator- und Sakramentsdarstellungen sowie Flandrins vielfiguriger Heiligenprozession – allesamt vor Goldhintergrund gestellt – ein Faktor gemeinsam, der Kohärenz auch mit der Architektur schuf: Der Verzicht auf Illusionseffekte (Abb. 34). Hittorff bezeichnete die „recherches d’illusions“ als „tout à fait déraisonnables dans la peinture historique murale“, weil sie „des vides“ zeige, „où il doit y avoir des pleines“.74 Hittorffs Ermahnung an Picot, sich die sizilianische Mosaikkunst des 11. und 12. Jahrhunderts und ihre Flächenwirkung vor der Einführung der Perspektivkunst vor Augen zu führen, gehorchte dem Anliegen um Wahrung des Monumentalcharakters seiner Architektur. Hittorff setzte in Saint-Vincent-de-Paul das um, was ihn in Palermo und Monreale seinerzeit beeindruckt hatte, den „effet grandiose“. Diese Emphase gegenüber der Mosaikkunst des normannischen Sizilien, die nie zuvor und auch danach nicht mehr von einem französischen Architekten in dieser Ausführlichkeit in Betracht genommen wurde, deckte sich mit seiner Befürwortung einer in Saint-Vincent-de-Paul geplanten Monumentalmalerei, wie sie dann von Flandrin und Picot tatsächlich realisiert wurde.75 An keiner anderen Stelle in Hittorffs Werk ist der zirkelhafte Entstehungsprozess von historischem Interesse, Theoriebildung und künstlerischer Umsetzungspraxis so konzise greifbar wie in Saint-Vincent-dePaul. Der mittelalterlichen Mosaikkunst schenkte Hittorff Aufmerksamkeit, weil sie einem programmatischen Anliegen diente. Nicht von ungefähr liest sich die Würdisur l’évolution de la peinture en France de 1830 à 1848. Paris 1914. S. 298–344 und Andrew C. Shelton: „Les marchands sont plus que jamais dans le temple“. The Revival of Monumental Decorative Painting in France during the July Monarchy (1830–1848). In: Art in Bourgeois Society, 1790–1850. Hrsg. von Andrew Hemingway u. William Vaughan. Cambridge 1998. S. 178–201. 73 Hittorff 1844, S. 594. 74 Hittorff/Lepère 1842, S. 4. 75 Hittorff kündigte Sulpiz Boisserée in Bonn am 12.6.1853 die Fertigstellung der Ausstattung und die Inauguration des Baus in Anwesenheit von Napoleon III. an: „Was mich natürlich zuerst bei Deiner Reise [nach Paris] interessieren würde, wäre besonders der Eindruck des Innern meiner Kirche auf Dein religiöses Kunstgefühl, da eben die Hauptausstattung derselben zu Ende geht. Nehmlich die Wandmalereien, bestehend in einem um das ganze Mittelschiff und die Abside herumlaufenden Fries von drei Meter Höhe, und die Bemalung des halbrunden Gewölbes dieser Abside von beinahe 22 Meter Durchmesser. Die Ausführung des Mittelschiffes ist von H. Flandrin den ausgezeichnetsten Schüler von Ingres, und der Abside von Picot. Nicht nur allein nach Aussage von den hiesigen Künstlern und Kennern, sondern nach dem allgemeinen Eindrucke, welchen viele große Werke auf alle Deutschen und Englischen Künstler machten sind Selbe in höchstem Grade erhaben, religiös und originel. In vierzehn Tagen sollen die Gerüste weggenommen werden, und nach dem Besuche des Kaisers, welcher mir diese Ehre zusagte, die Bilder dem Urtheile des Publikums überliefert werden“; Köln, HAS, Nachlass Boisserée, 1018–A 143.

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gung der sizilianischen Wandmosaiken in der Architecture moderne de la Sicile wie eine Beschreibung des Bilderschmuckes in Saint-Vincent-de-Paul: L’effet grandiose dont il s’agit n’est pas seulement le résultat de la reproduction d’un même style et d’un même caractère qu’offrent toutes les peintures entre elles; il dérive encore des fonds d’une même couleur, sur lesquels toutes les compositions se détachent. L’emploi de l’or pour ces fonds fait voir en outre que l’intention des artistes n’était pas de cacher les murs, mais qu’ils voulurent transformer, pour l’œil et pour la pensée, les murs bâtis de pierres en murs faits de matières précieuses. Toujours simples dans leurs poses, toujours graves dans leurs expressions, les figures n’effaçaient point l’idée de la présence de ce mur d’or. Dès-lors l’esprit n’était jamais choqué par le contresens de fonds de toute nature, de corps saillans et rentrans, d’illusions de perspective et de clair-obscur, dénaturant plus ou moins les formes architecturales, formes que la peinture doit, en pareil cas, orner et faire ressortir, mais non pas mutiler et faire disparaître.76

Anders das Konzept in Notre-Dame-de-Lorette. Obgleich sich in den Haupträumen die Einzelbilder zu thematischen Zyklen zusammenschließen, werden sie doch primär als autonome Gemälde wahrgenommen. Der Bilderschmuck in Saint-Vincentde-Paul ist dagegen nicht mehr in separate Kompartimente aufgeteilt, sondern eng in den architektonischen Rahmen integriert, er erhält – wie eben in den Normannenkirchen Siziliens – eine durch den Zusammenschluss der Flächen kompakte Monumentalität. Schließlich ist der malerischen Ausstattung von Saint-Vincent-de-Paul eine zu Notre-Dame-de-Lorette konträre Ausdrucksästhetik eigen. Während die Bilderwelt in Lebas’ Bau den Betrachter durch Verklärung, Entrückung und fromme Ausdrucksästhetik anzusprechen sucht, was sich der italienischen Renaissancemalerei verpflichtet zeigt, setzt die Affektwelt in den Wandbildern Flandrins und Picots auf eine ausgesprochen sakrale Feierlichkeit, wie sie die musive Bildwelt der Normannenkirchen prägt. Die Pole, die die malerische Ausstattung von Notre-Dame-deLorette und Saint-Vincent-de-Paul bezeichnen, sind signifikant für die jeweils unterschiedlichen programmatischen Zielsetzungen. Die liebliche, das Alltagsleben transzendierende Wirkabsicht in Lebas’ Kirchenraum hat dem von kirchlicher und staatlicher Seite gewünschten Frömmigkeitsideal eher entsprochen als die bei Hittorff auf Beeindruckung angelegte hypertrophe Sakralität. Diese dürfte dem gesuchten Chef-d’œuvre näher als den Erwartungen der gläubigen Kirchengänger gestanden haben. Und tatsächlich sollten dann die Gemeindemitglieder dem Meisterwerk den letzten Schliff verweigern. Das, was laut Hittorff der Höhepunkt der Monumentalausstattung werden sollte, die Dekoration der Rückwand der Portikusfassade mit emaillierten Lavaplatten, wurde ein kolossaler Fehlschlag (Abb. 39). Hier war zunächst, wie er es im Rahmen seiner Polychromiepublikation von 1851 vorgestellt hatte, ein dreizehnteiliger Zyklus mit Themen und Motiven aus dem Alten und Neuen Testament vorgesehen gewesen. Als entwerfender und ausführender Künstler war Jules 76 Hittorff/Zanth 1835, S. 22 f.

Saint-Vincent-de-Paul oder Die Rekatholisierung der klassischen Form

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Abb. 39: Jules Jollivet: Neutestamentlicher Zyklus auf emaillierten Lavaplatten der Portikusrückwand von Saint-Vincent-de-Paul, 1859. 1860 abgenommen, 2010 erneut angebracht

Jollivet (1803–1871) beauftragt worden, der sich auf die neue Technik der Lavamalerei spezialisiert hatte.77 Ein Jahr nachdem Jollivet 1853 eine Probeplatte an der Fassade angebracht hatte, entschieden sich Präfekt und Administration aus Kostengründen für die Ausführung eines auf sieben Bildfelder reduzierten Zyklus. Nach langen Verzögerungen, die sich technischer Schwierigkeiten, aber auch Nachlässigkeiten Jollivets schuldeten, wurden die Platten im Februar 1860 endlich montiert.78 Doch erregten die indezente Nacktheit der Adam- und Evaszenen sowie die intensive Farbigkeit der Panneaus (der „coloris extraordinaire“) bei zahlreichen Gemeindemitgliedern heftigen Unmut, der dem Präfekten Haussmann mitgeteilt wurde und von diesem im März 1861 mit der Ordonnanz quittiert wurde, dass die Platten zu entfernen und zu magazinieren seien.79 Hittorff, der diese Nachricht mit größter Verbitterung entgegennahm, schloss den Schriftverkehr mit der Administration mit den Worten: „Il ne me reste qu’à me soumettre!“, was er bis dahin immer zu umgehen sich bemüht hatte.80

77 Vgl. Vaulchier 1986/87 (c), S. 298 f. 78 Hierzu Vaulchier 1986/87 (c), S. 299 und Georges Brunel: Laves émaillées. Un décor oublié du XIXe siècle. Ausstellungskat. Paris 1998. S. 14–21. 79 Die sieben emaillierten Platten wurden erstmals 1998 in einer kleinen Sonderausstellung des Musée de la Vie romantique in Paris gezeigt; vgl. Brunel 1998. Im Spätsommer 2004 und 2005 wurden die Tableaus mit der Darstellung der Taufe Christi und der Anbetung der Hirten in den Seitenschiffen von Saint-Vincent-de-Paul aufgehängt, bevor sie an die Portikusfassade wanderten. 80 Paris, BHVP, C. P. 3636, f. 16r.

Die Herausforderungen von Industrie und Technik Die weitläufige Ökonomisierung und Technisierung der Lebensverhältnisse im 19. Jahrhundert verlangten der Architektenschaft veränderte Denk- und Arbeitsweisen ab.1 Die synthetischen Materialien Eisen und Glas sowie die sich daraus entwickelnden neuartigen Konstruktionstechniken, obenan des Montage- und Tragwerkbaus, beschleunigten einerseits die Arbeitsprozesse und senkten die Baukosten, übten aber andererseits auf die Architekten einen erheblichen Innovationsdruck aus, der insbesondere zwei Ebenen betraf. Erstens hatten sich die Architekten den neuen (Bau)Aufgaben der aufkommenden Industrie- und Massengesellschaft zu stellen, zu denen etwa Ausstellungshallen, Bahnhofsbauten und Vergnügungsarchitektur gehörten. Gleichzeitig nötigten die neuen qualitativen und quantitativen Herausforderungen der Industrialisierung der Innenseite der Architektur, d. h. den traditionellen Gattungshierarchien und der akademischen Architektursemantik, erhebliche Verschiebungen, Brüche und Transformationen auf. Obwohl oder gerade weil die neuartigen Zweckbauten durchaus mit einem Stilkleid und einer Architektursprache klassischer Prägung in Erscheinung traten, kam es in der Baupraxis zur semantischen Um- und Abrüstung des hohen, ‚geweihten‘ Status der akademischen Architektur. Während dieses Problemfeld in der Forschung bislang primär ästhetikgeschichtlich erörtert wurde, wird folgend anhand der Vergnügungsarchitektur der Champs-Élysées-Promenade besonders der Werbecharakter und die verkürzte Halbwertzeit der Bauten in den Fokus gerückt. Seit den 1830er Jahren wurde ein neuer Typus von Architektur aus der Taufe gehoben, den die Vermischung von high und low culture beziehungsweise die Einebnung des Unterschieds von Kunst, Unterhaltung und Reklame kennzeichnete.2 Die Bauten selbst wurden integrierter Bestandteil des Werbe- und Vergnügungsprogramms, zu dessen Kennung die unaufhörliche Herstellung von Interessantheit gehörte und welches das Klassische mitunter auf 1 Ökonomie und Technik als zentrale Problemfelder des 19. Jahrhunderts sind von den verschiedenen Fachdisziplinen bereits genauer vermessen worden. Es sei auf die beiden Referenzwerke von Georg Maag: Kunst und Industrie im Zeitalter der ersten Weltaustellungen. Synchronische Analyse einer Epochenschwelle. München 1986 und Helmut Pfeiffer, Hans Robert Jauß u. Françoise Gaillard (Hrsg.): Art social und art industriel. Funktionen der Kunst im Zeitalter des Industrialismus. München 1987 verwiesen. Für die Architekturgeschichte relevant die Studien von Paul Chemetov u. Bernard Marrey: Architectures. Paris 1848–1914. Paris 1980; Georg Kohlmaier u. Barna von Sartory: Das Glashaus. Ein Bautypus des 19. Jahrhunderts. München 1981; Karen Bowie: Les polytechniciens et l’architecture métallique. In: Le Paris des polytechniciens. Des ingénieurs dans la ville 1794–1994. Hrsg. von Bruno Belhoste, Francine Masson u. Antoine Picon. Paris 1994. S. 203–211; André Guillerme: Bâtir la ville. Révolutions industrielles dans les matériaux de construction. France-GrandeBretagne (1760–1840). Champ Vallon 1995 und Bergdoll 2000, S. 207–238. Während diese Studien vornehmlich die Zeit nach 1850 in den Blick nehmen, setzt der Betrachtungszeittraum hier mit 1830 an. 2 Zu diesem crossover von Hoher und Gebrauchskunst im 19. Jahrhundert vgl. Kate Nichols: Greece and Rome at the Crystal Palace. Classical Sculpture and Modern Britain, 1814–1936. Oxford 2015. https://doi.org/10.1515/9783110733044-007

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die Ebene der Banalität herunterschraubte. Der Vielfalt und dem permanenten Wechsel der Vergnügungen hatten die Bauten selbst zu entsprechen. Waren die Schauattraktionen von ephemerem Charakter, galt gleiches für die Gebäude, deren Status bei aller klassischen Attitüde in jenen der Gebrauchs- und Verbrauchsarchitektur wechselte. In dem Maße, wie die ökonomischen Verwertungsimperative ins Spiel traten, war Architektur nicht mehr von Konsumption zu trennen. Sobald ein Vergnügungsetablissement, sei es ein Zirkus oder ein Panorama, keinen Profit mehr abwarf, wurde es eingestellt und der Bau niedergelegt. Dem ökonomischen Rentabilitätsdenken entsprang die Schnellbauweise aus Holz oder aus vorfabrizierten gusseisernen Montageelementen sowie die Praxis, die Wirtschaftlichkeit eines Etablissements mit einem Gebäudeprovisorium zu testen. Im Falle von Hittorffs Georama kam man darüber nicht hinaus; beim Pferdezirkus folgte ein Monumentalbau aus Holz, der in Bezug auf die Gesamtzahl der Besucher und hinsichtlich ihrer sozialen Streuung einen frühen Publikumserfolg darstellte. An der Architektur des ChampsElysées-Parks wird evident, was für das Paris der ersten Jahrhunderthälfte insgesamt galt: Times are changing und mit ihnen der Status der Architektur. Unter diesem Blickwinkel werden die Bauten der Champs-Élysées weniger nach den Kriterien von Bautypologie, Stil und Entwurfsgenese untersucht als vielmehr in Bezug auf die Transformation des Klassischen im Dienste von Attraktion und Werbung. Der andere, zweite Problemkreis, dem sich das Kapitel widmet, betrifft den industriellen Baustoff Eisen und seine umwälzenden Neuerungen im Bereich der Tragwerkkonstruktion, wo Hittorff mit bemerkenswert innovativen Entwürfen aufwartete.3 Mit Hittorffs Tätigkeit in den vierziger Jahren bewegen wir uns in einem Zeitraum, als das neue Baumaterial Eisen erstmals in der Architektur umfassend zur Anwendung kam – und vor allem nicht Ingenieure, sondern akademische Architekten damit experimentierten.4 Wiewohl die neuen Montage- und Konstruktionstechniken in Hittorffs Entwürfen einen festen Platz einnahmen, blieb die klassisch akademische Tradition ein unangefochtener Bezugspunkt. Anders gesagt: Hittorffs entwerferische Inklusion von Technik schloss die Ingenieure aus den klassischen Aufgabenfeldern der Architekten aus – ein Schachzug ganz im Sinne der Gebietssicherung. Die Öffnung gegenüber dem Eisen lässt sich insofern als eine Strategie entziffern, als Hittorff das industrielle Material durch seine Kreuzung mit dem akademischen Kanon auf das Feld der Architektur zurechtbog, ohne dabei eine Polarität zwischen dem einen und dem anderen aufbrechen zu lassen. Ein einprägsames Beispiel stellt Hittorffs korinthischer Kapitellentwurf für die gusseisernen, kolumnisier-

3 Vgl. zur Geschichte des Eisens als Baustoff im Frankreich des 19. Jahrhunderts Bertrand Lemoine: L’architecture du fer. France, XIXe siècle. Seyssel 1986; bes. S. 12–42. Zu Technik und Industrie des Eisengusses vgl. Jean-Claude Renard: L’âge de la fonte. Un art, une industrie. 1800–1914. Paris 1985. 4 Vgl. Georgiadis 2000, S. 4.

Die Herausforderungen von Industrie und Technik

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Abb. 40: Jakob Ignaz Hittorff: Einfahrtshalle der Gare du Nord. Gusseiserne korinthische Kapitelle und Polonceau-Binder, 1862

ten Stützen der Einfahrtshalle der Gare du Nord dar (Abb. 40).5 Sie tragen statt eines Gebälks einen hohen Gitterbinder, der zwischen den horizontalen und vertikalen Trageelementen vermittelt. An diesem Baudetail wird anschaulich, was die Architektur des 19. Jahrhunderts insgesamt kennzeichnet: Sie konnte das Neue bejahen, ohne das Alte zu verwerfen. Mehr noch sprengten Kreuzungen und Kreolisierungen von Klassik und Technik jene Grenzen, an denen sonst neue Formen und neue kulturelle Semantiken scheiterten. Bei aller Fixierung auf die klassische Kunstdoktrin eignete der Beaux-Arts-Architektur im Zeitalter von Technik- und Industrie ein symptomatischer Hybridcharakter, der den Regelkodex beibehielt und doch zugleich produktiv unterwanderte. Anders als in der postmodernen Architektur ging es nicht um Spiel und Ironie, d. h. die Aufkündigung autoritativer Denksysteme und Entwurfstraditionen, sondern um die Hybriden als eine ernst zu nehmende Alternative zu reiner Stein- oder Eisenarchitektur.6 Es entstand ein neuer Typus von Bauten, der 5 Zu dem Bau eingehender Thomas von Joest: Hittorff und der neue Nordbahnhof Gare du Nord. In: Jakob Ignaz Hittorff. Ein Architekt aus Köln im Paris des 19. Jahrhunderts. Ausstellungskat. Köln 1987. S. 283–294. 6 Einen wesentlichen Unterschied markiert, dass sich künstlerische Verfahren der Postmoderne primär auf semiotischer Ebene vollziehen und mit Um- und Neukodierungen von Zeichenelementen arbeiten, während die Hybriden aus Stein- und Eisenarchitektur dinghafte Mischwesen sind, die

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keinen Namen hat. Geboren nicht aus dem Kanon, dem Diskurs oder der Theorie, sondern aus der Praxis, stellt er seine Genese, d. h. seine Problemlösung, mit aus. Darin tritt ein Pragmatismus der Epoche ans Licht, dessen Herausforderungen sich die Beaux-Arts-Architekten äußerst erfolgreich stellten.7 Während sich die Schnittstelle von Klassik und Technik im 19. Jahrhundert in Frankreich zu einer regelrechten Schmiede der Hybriden entwickelte, betrachtet die Forschung die Architektur und Ingenieurbaukunst des 19. Jahrhunderts als zwei Paralleluniversen – und jedes Universum aus der Perspektive der jeweiligen Disziplin.8 Im Sinne der kulturalistischen Wende wird folgend der Blick unter den Höhenkamm des Ideellen beziehungsweise des Disziplinären gelenkt.

Die Vergnügungsbauten des Champs-Élysées-Parks Im Raum des Konsums Bekanntlich ist das rapide Wachstum der Freizeitindustrie im Laufe des 19. Jahrhunderts auf die Unterhaltungsbedürfnisse eines immer diffuseren und sozial zunehmend entgrenzten Publikums zurückzuführen.9 Die frühe Entwicklung der Freizeitund Vergnügungskultur lässt sich an den vielen seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts um- und neugestalteten lieux publics der französischen Kapitale verfolgen. Denn mit dem gesellschaftspolitischen Wandel nach 1789 traten Vergnügen, Zerstreuung und Muße immer stärker aus dem geschlossenen Rahmen von Salon und divergierende Sinn- und Strukturelemente zu einer neuen, mehrschichtigen Form verfugten. Zu Ironie und Semiose in der Postmoderne vgl. Umberto Eco: Postmodernismus, Ironie und Vergnügen. In: Wege aus der Moderne. Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion. Hrsg. von Wolfgang Welsch. Weinheim 1988. S. 75–78 und Charles Jencks: Die Sprache der postmodernen Architektur. In: ebd. S. 85–94. Zum Hybridkonzept Bruno Latour: Wir sind nie modern gewesen. Frankfurt/M. 2008. S. 7–9 u. 148–151. 7 Dass wir es hier zumal mit einem ausgesprochenen Großstadtphänomen zu tun haben, vermag eine Aussage von Hittorffs ehemaligen Schüler Ludwig von Zanth vergegenwärtigen, der als württembergischer Hofarchitekt in Stuttgart sich dem ‚Innovationsdruck‘ der Zeit durchaus entziehen konnte: „Die in Ihrem Briefe erwähnte Schrift Gutensohn’s über Eisenbahnen ist mir nicht zu Gesicht gekommen, wie ich überhaupt dieser Literatur als einer mir fremden keine Zeit widmen kann; da meine Richtung alle meine Zeit u. Kraft absorbirt; allerdings paßt eine solche Einseitigkeit nicht zum Geiste der Zeit, der überall fast ins Universelle zerfließt, und dem Universalen nur da widerstrebt, wo es heilbringend ist“; Brief Zanths an Sulpiz Boisserée am 12.3.1845; Köln, HAS, Nachlass Boisserée, 1018–A 387. 8 Zur Geschichte der Bauingenieurskunst vgl. die Grundlagenwerke von Hans Straub: Die Geschichte der Bauingenieurskunst. Ein Überblick von der Antike bis in die Neuzeit. Basel 1949; Schild 1967 und Paulgerd Jesberg: Die Geschichte der Ingenieursbaukunst aus dem Geist des Humanismus. Stuttgart 1996. 9 Zum Strukturwandel der Öffentlichkeit vom Elitepublikum des Ancien Régime zum sozial diversifizierten Publikum des 19. Jahrhunderts vgl. Habermas 1990.

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Theater in den öffentlichen Raum.10 Wenn Paris im Laufe des 19. Jahrhunderts zur Kapitale der Flanerie und des Amüsements aufstieg,11 dann hatte dies die Geburt eines neuen öffentlichen Raums zur Voraussetzung, welcher der verfassungsmäßig garantierten égalité eine öffentliche Bühne bot.12 Der Champs-Élysées-Park ist ein frühes Kapitel dieser Geschichte. 1835 begann man mit der Verwandlung der Champs-Élysées-Promenade zum Vergnügungspark (Abb. 41). Die amtliche Bekanntmachung des Vorhabens von 1836 („de créer en faveur de la population un vaste lieu de repos et d’amusement“)13 nimmt sich angesichts jenes reichen Planmaterials bescheiden aus, das sich in Hittorffs Nachlass erhalten hat und seine schier uferlose Entwurfsarbeit für die im weiten Parkareal geplanten Bauten, so Cafés, Restaurants, Lesekabinette, Tanz- und Konzerthäuser, Pferdezirkus, Theater, Ballspielhalle (Jeu de paume), Hippodrom und anderes mehr, dokumentiert. Die Einzelbauten ergaben im Ensemble eine Angebotsfülle, die auf die Unterhaltungsbedürfnisse und Schaulust der Vielen setzte (Abb. 42). Eine eigene Attraktion bildeten die neuartigen Medienformen von Panorama, Georama und Neorama, die zuvor längs der Grands Boulevards in einem mehr oder weniger losen Zusammenhang errichtet worden waren und nun im Park der Champs-Élysées eine eigene Standortkonzentration erhielten.14 10 Zum Wandel von Paris in einen neuartigen Freizeit- und Mußeraum vgl. Gilles-Antoine Langlois: Folies, tivolis et attractions. Les premiers parcs de loisirs parisiens. Paris 1991; Marco Torres: Luoghi magnetici. Spazi pubblici nella città moderna e contemporanea. Mailand 2000. S. 58–80 und Salvatore Pisani: Urbane Muße und Mobilier urbain im Paris des 19. Jahrhunderts. Eine objektorientierte Betrachtung. In: Urbane Muße. Materialitäten, Praktiken, Repräsentationen. Hrsg. von Peter Philipp Riedl, Tim Freytag u. Hans W. Hubert. Tübingen 2021. S. 127–143. Zum Thema grundlegend auch Walter Benjamin: Charles Baudelaire. Ein Lyriker im Zeitalter des Hochkapitalismus. Hrsg. von Rolf Tiedemann. Frankfurt/M. 1992, auf den die folgenden Ausführungen immer wieder rekurrieren. 11 Die Pariser Boulevardwelt ist nicht zuletzt zentraler Gegenstand der Belletristik und der Reiseberichte bis weit in das 20. Jahrhundert hinein, vgl. Karlheinz Stierle: Der Mythos von Paris. Zeichen und Bewußtstein der Stadt. München 1998. S. 137–519. Die hohe Anziehungskraft des öffentlichen Freizeitraumes spiegelt sich auch in der Vehemenz, mit der einzelne, wie etwa Clemens Brentano, sich von dem neuen „babylonischen Triumph“ der Pariser Straßen angewidert abwandten; vgl. Wulf Wülfing: Reiseberichte im Vormärz. Die Paradigmen Heinrich Heine und Ida Hahn-Hahn. In: Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur. Hrsg. von Peter J. Brenner. Frankfurt/M. 1989. S. 333–362; Zitat: S. 345. 12 Zum ‚Grundrecht‘ auf öffentlichen Raum in modernen Gesellschaften vgl. Angelika Siehr: Das Recht am öffentlichen Raum. Theorie des öffentlichen Raums und die räumliche Dimension von Freiheit. Tübingen 2016. 13 Zitiert nach Hammer 1968, S. 174. 14 Die Geschichte des Vergnügungsparks der Champs-Élysées ist bisher nicht im Detail dargestellt worden. Im Folgenden werden unter Verwendung von Hittorffs Baubüchern in seinem Kölner Nachlass einige Aspekte der Genese und ausgewählte historische Problemfelder in Betracht genommen. Neben der großen Fülle von Populärliteratur liegen einzelne Kompilationen vor, so von Dominique Jarrassé: Le jardin des Champs-Elysées, champêtre et mondain. In: Monuments historiques 172 (1991). S. 69–73; spezifisch zu Hittorffs Eingriffen nach wie vor instruktiv Thomas von Joest: Hittorffs Gestaltung der Champs-Élysées. In: Jakob Ignaz Hittorff. Ein Architekt aus Köln im Paris des 19.

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Abb. 41: Jakob Ignaz Hittorff: Bebauungsplan für die Champs-Élysées-Promenade, April 1835. Geplante Bauten: 3 Kaffeehäuser, ein Estaminet, eine Konditorei, ein Milchausschank, drei Restaurants, ein Ballsaal mit Café, ein Lesekabinett, eine öffentliche Toilette, ein Konzertpavillon, ein Ausstellungs- oder Theatersaal und ein Zirkus. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Ch. 502 B

Das von der gleichnamigen Avenue zweigeteilte Parkareal der Champs-Élysées erstreckt sich noch heute von der Place de la Concorde bis zur Höhe des Rond-Point. Vor den einschneidenden Eingriffen ab 1853 durch Adolphe Alphand, der rechten Hand des Präfekten Haussmann, war das Areal ein Baumpark mit parallel gepflanzten Lindenreihen und mit unterschiedlich großen, geometrisch abgesteckten Freiräumen. Auf der Seine-Seite befanden sich das kleinere Carré Ledoyen und das monumentale Carré des Fêtes (auch Grand Carré), gegenüber liegend jene der Ambassadeurs, de l’Élysées und Marigny. Sie waren über die breite Verkehrsstrasse der Champs-Élysées hinweg durch ein Netz von Achsen miteinander verbunden, das bereits im frühen 18. Jahrhundert bestand und dann Ende des Jahrhunderts unter dem Surintendanten Ludwigs XVI., Marquis de Marigny, erneuert wurde.15 Aus der bis dato gärtnerisch und baulich vernachlässigten Promenade wurde in wenigen Jahren ein durchpulster urbaner Organismus mit platzartigen Ausgrenzungen, den Carrés, die auf je unterschiedliche Weise gestaltet und bewirtschaftet Jahrhunderts. Ausstellungskat. Köln 1987. S. 175–185 und Ders.: Restaurants, Cafés, ein einstmals berühmtes Theater und einige großartige Projekte. In: ebd. S. 209–225. 15 Ein Überblick über die Entwicklung der Champs-Élysées zu Ende des 18. Jahrhunderts bei Michel Gallet: Paris Domestic Architecture of the 18th Century. London 1972. S. 6–8.

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Abb. 42: Paris: Sommerzirkus und Restaurant Guillemin-Laurent (rechts) im Carré Marigny auf der Champs-Élysées-Promenade bei Nacht. Lithographie von Philippe Benoist, um 1851. Paris, Musée Carnavalet

wurden und bald Vergnügen und Kommerz üppig florieren ließen. Der rapide Aufschwung des Champs-Élysées-Parks im 19. Jahrhundert zur ersten Vergnügungsadresse von Paris lässt sich anhand einer kleinen Statistik illustrieren: Während man 1838 auf der Avenue 400 Kaleschen und Kutschen gezählt hatte, waren es 1842 bereits 4.000.16 Den Wandel des Baumparks von der sinistren und anrüchigen Örtlichkeit unter der Restauration zum fashionablen Vergnügungszentrum der Stadt registrierte nicht zuletzt die Boulevardpresse. So berichtete die auflagenstarke Wochenzeitschrift L’Illustration am 15. April 1843 nicht ohne Süffisanz, dass dort, wo zuvor „quelques voitures avaient osé s’aventurer“ und ihnen allenfalls „les charrettes chargées de victimes“ begegnet wären, nun das Defilée von „sportsmen, en habit fumée de Londres“ und in Gesellschaft vornehmer Damen großes Aufsehen und noch größeres Verkehrsaufkommen verursachen würde.17 In amüsanter Überzeichnung präsentiert eine beigegebene Illustration die Avenue als neuen gediegenen Korso, der im Obelisken von Luxor seine Wendemarke besaß (Abb. 43). Nicht von ungefähr ersetzte er den ehemals für den Adel reservierten Korso der Cours-La-Rei-

16 Die Zahlenangaben bei Anne Martin-Fugier: La vie élégante ou la formation du Tout-Paris 1815– 1848. Saint-Amand-Montrond 1990. S. 331. 17 F. G.: Longchamp. In: L’Illustration. 1 (1843). S. 103–107; Zitat S. 104.

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Abb. 43: Ein Defilee von Karossen und Reitern zwischen Place de la Concorde und Arc de Triomphe. Aus: L’Illustration (1843). S. 104

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Abb. 44: Paris: Georama der Champs-Élysées-Promenade, 1845. Ansicht der Eingangsseite und Schnitt durch Bau und Globus. Aus: L’Illustration (1846). S. 153

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ne, der sich im Champs-Élysées-Parks entlang der Seine erstreckte.18 Die Avenue der Champs-Élysées stand damit für jenen Strukturwandel im postrevolutionären Frankreich ein, der die Entwicklung vom exklusiven zum kommunitären Raum vollzog. Gleichzeitig war auf den Champs-Élysées ein Eldorado der Flanerie entstanden und die Klimax modernen Großstadtvergnügens erreicht, was Paris im frühen 19. Jahrhundert ein neues Gesicht verlieh.19 Es war nicht zuletzt der Publikumserfolg der Champs-Élysées, der in jenen Jahren das Selbstverständnis von Paris als einer Modellstadt prägte, „n’ayant plus rien à envier à aucune ville du monde“.20 Die Transformation der Champs-Élysées in einen Vergnügungspark machte der Präfekt Claude-Philibert Barthelot Rambuteau zu einer Angelegenheit der Stadtverwaltung.21 Nachdem Hittorff zum Architekten der Place de la Concorde und der Champs-Élysées bestallt worden war, legte er 1835 einen Bebauungsplan vor (Abb. 41), der in den folgenden beiden Jahrzehnten zahlreiche Aktualisierungen erfuhr. Für die Konzessionsvergabe hatten die Investoren und Betreiber mit Hittorff zu verhandeln. Ihm oblag die Zuweisung der Standorte, in seiner Verantwortung lag die Raumgestaltung des Parks wie aller Gebäudeentwürfe. Die Gestaltung der Bauten hatte laut Auflage der Kommune repräsentativ zu sein. So wurde in den Richtlinien von 1838 festgehalten, dass die Aufrisse der Bauten sich in ein ansprechendes Gesamtbild der Champs-Élysées einzufügen hätten.22 Gleichwohl unterschlagen die Bauakten keineswegs die hier vorherrschenden ökonomischen Aspekte und Ansprüche. Wie bei den Passagen der Restaurationszeit waren die Parkbauten Spekulationsobjekte privaten Investitionskapitals.23 Nicht von ungefähr liest man in den Bauakten von den drängenden Wünschen der Investoren nach Erhöhung der Gewinnspanne sowie der Verkürzung von Bauzeiten und der Senkung von Kosten. Die sorgfältig ausgearbeiteten Repräsentationsblätter Hittorffs verraten nicht, dass viele großdimensionierte Gebäude – so der Sommerzirkus und das Georama (Abb. 44) –, letztlich kostengünstig in Holz errichtete Bauten waren. Dass auf der

18 Vgl. François Fossier: Les dessins du fonds Robert de Cotte de la Bibliothèque nationale de France. Architecture et décor. Paris-Rom 1997. S. 159–162. 19 Die Forschung indes neigt vereinzelt dazu, die Boulevards als neue Orte des Pariser Highlife im beginnenden 19. Jahrhundert hervorzuheben: „Der Boulevard … die Quintessenz hauptstädtischen Lebens und Vergnügens“; so Willms 1988, S. 30. 20 Vgl. Anonym: Revue critique des Travaux exécutés dans Paris. Champs-Élysées, Place de la Concorde etc. etc. In: L’Illustration 4 (1844). S. 498. 21 Hierzu die 1838 erlassene Bebauungsverordnung für die Champs-Élysées: Préfecture du Département de la Seine. Cahier des charges, clauses et conditions de la concession pendant Vingtsept annés, d’emplacements dans les Champs-Élysées, pour la création et l’exploitation d’établissements destinés à l’embellissement de cette promenade. Ein Exemplar in: Paris, BHVP, fol. 92222. 22 Préfecture du Département de la Seine. Cahier des charges, zitiert nach Hammer 1968, S. 5. 23 Zu den Pariser Passagen als Spekulationsobjekte vgl. Willms 1988, S. 224 f.

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Abb. 45: Jakob Ignaz Hittorff: Repräsentativer Schauplan für die Bebauung des Carré Marigny im Champs-Élysées-Park mit einem Theatersaal und zwei Wachthäuschen, 1834. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Ch. 38

Champs-Élysées-Promenade die Spekulation regierte, reflektiert nichts deutlicher als der Bebauungsplan selbst, der permanent wechselnde Redaktionen kannte.24 Hittorffs ansprechend gestaltete Schaubilder waren zugleich Werbeprospekte für Investoren (Abb. 45). Und wenn er etwa dem Bauherrn der Bouffes parisiennes – dem später umbenannten Théâtre des Folies Marigny – vorrechnete, dass sich Bauund Unterhaltskosten bei 200 ausverkauften Veranstaltungen amortisieren würden, dann sprach er die Sprache des Unternehmensberaters.25 Hittorff gab vor, einem Etablissement in doppelter Weise zum Profit zu verhelfen: Erstens vermittels der baulichen Disposition im Parkareal und zweitens durch den Werbecharakter der Architektur selbst. Als Hittorff 1835 in den Champs-Élysées die Bauaufsicht übernahm, blickte die öffentliche Vergnügungsindustrie von Paris auf eine bereits rund fünfzigjährige Geschichte zurück.26 Sein Vergnügungspark knüpfte dabei an die Muße- und Flanierareale des letzten Drittels des 18. Jahrhunderts an. Seit der Neubepflanzung auf Veranlassung des Marquis de Marigny gehörte die Champs-Élysées seit 1770 zu jenen 24 Es ist deshalb nicht unproblematisch, für die Gestaltung des Champs-Élysées-Raumes zum Vergnügungspark von Plan- und Bauphasen auszugehen, wie Joest 1986/87 (a), bes. S. 178, es tut. Zur Verflechtung von Politik und Profitinteressen nach 1830 vgl. allgemein Ziebura 1981, S. 270–279. 25 Vgl. Joest 1986/87 (c), S. 220, Anm. 10. 26 Die komplexe Genese der französischen Vergnügungsindustrie seit Ende des 18. Jahrhunderts ist nur in Ansätzen erforscht, wie vor allem die Rolle, welche die Architektur hierbei spielte, vgl. aber Wolfgang Cilleßen: Exotismus und Kommerz. Bäder- und Vergnügungswesen im Paris des späten 18. Jahrhunderts. Frankfurt/M. 2000, während etwa Langlois 1991 mit seiner Arbeit über die Folies und Tivoligärten von Paris eine in erster Linie gartenhistorische Studie vorgelegt hat.

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beliebten alleenbestandenen Promenaden, von denen es am Ende des Ancien Régime eine Reihe prominenter Beispiele gab.27 Der Jardin des Plantes und der Tuileriengarten, vor allem aber der Palais Royal erfreuten sich besonderer Beliebtheit.28 Den Clou des Palais Royal bildete das Mit- und Ineinander von Promenier- und Restaurationsmöglichkeiten. 1781 bis 1784 hatte Victor Louis im Auftrag des Duc de Chartres die berühmte Vierflügelanlage in der Nähe des Louvre errichtet. Die weitläufigen inneren Arkadengänge dienten während der rauhen Jahreszeit als gedeckte Promenade, die mit Verkaufsflächen für Quincaillerien, Luxusartikel und Delikatessen sowie einer Reihe von Cafés, Restaurants und Lesekabinetten allerhand Unterhaltung und Zerstreuung bot. Für Abwechslung und mußevolles Verweilen sorgte der weite mit Baumreihen, Rasenparterre und Springbrunnen gestaltete Innenhof, wo in zwei Pavillons Musikwaren, Bücher und Blumen feilgeboten wurden.29 Integrierende Bestandteile der Anlage waren die in der Nachbarschaft gelegenen Opernund Theaterhäuser, deren Publikum sich nach Vorstellungsende auf der Promenade erging. Zum Kennzeichen des Palais Royal als haut-lieu der Pariser Gesellschaft gehörten besonders die beiden namhaften Cafés de Foy und de la Rotonde, wo sich eine sozial abgeschlossene, elitäre Welt, die „Société dite du Palais-Royal“, traf.30 Was beim Palais Royal seit dem Ende des 18. Jahrhunderts im scharf abgezirkelten sozialen und architektonischen Rahmen stattfand, entwickelte sich seit der Jahrhundertwende mit einer immer weitläufigeren und zugleich dichteren Verflechtung auf den Grands Boulevards, jenem sich gerade definierenden Großstadtraum von Paris.31 Im Paris der Julimonarchie bildete die Boulevard-Triade Montparnasse, des Capucines und des Italiens, die als eine Folge unmittelbar ineinander übergehender Stadträume eine engmaschige Textur von Unterhaltungsmöglichkeiten anbot, das bevorzugte Terrain des schaulustigen und mußeaffinen Flanierpublikums. Ausschlaggebend für den Erfolg war auch hier die Vernetzung von primären Anziehungspunkten (den Theatern, Panoramen wie auch Neo- und Georamen sowie Tivoligärten) mit sekundären Restaurations- und Vergnügungsstätten (den ungezählten 27 Zur frühen Geschichte der Champs-Élysées-Promenade immer noch grundlegend Paul d’Ariste u. Maurice Arrivetz: Les Champs-Élysées. Étude topographique, historique et anecdotique jusqu’à nos jours. Paris 1913. S. 38–43. 28 Zur Promenade als elitärer Ort der Geselligkeit im 18. Jahrhundert vgl. Iris Lauterbach: Récréation et spectacle. Les usages des jardins à Paris au XVIIIe siècle. In: L’art et les normes sociales au XVIIIe siècle. Hrsg. von Thomas W. Gaehtgens, Christian Michel, Daniel Rabreau u. Martin Schieder. Paris 2001. S. 125–143 und Laurent Turcot: Le promeneur à Paris au XVIIIe siècle. Paris 2007. 29 Hierzu Iris Lauterbach: Der französische Garten am Ende des Ancien Régime. „Schöne Ordnung“ und „geschmackvolles Ebenmaß“. Worms 1987. S. 163–169. 30 Vgl. die Angaben in: L’Illustration 6 (1846). S. 359–362; Zitat S. 359. Zu den Kaffeehäusern speziell: Jacqueline Munck: Au Palais-Royal. In: Paris et ses cafés. Hrsg. von Delphine Christophe u. Georgina Letourmy. Paris 2004. S. 41–43. 31 Vgl. Anne-Marie Châtelet: Formation et transformation des Grands Boulevards. In: La modernité avant Haussmann. Formes de l’espace urbain à Paris 1801–1853. Hrsg. von Karen Bowie. Paris 2001. S. 245–250.

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Kaffee- und Konzerthäusern, Spielklubs, Limonadiers und Lustgärten). Publikumsmagneten der Grands Boulevards waren das Théâtre des Italiens (1799) auf dem gleichnamigen Boulevard, die Oper in der Rue Peletier sowie die beiden Panoramen (1807) auf dem Boulevard des Capucines und das von Louis-Jacques-Mandé Daguerre auf der Rue Sanson hinter dem Château-d’Eau errichtete Diorama (1822),32 außerdem ein von Delanglard auf dem Boulevard des Capucines in Auftrag gegebenes Georama (1825) und das Neorama auf der Rue Saint-Fiacre (1827). Dem In- und Durcheinander der Schaubelustigungen entsprach die Promiskuität der Menschenmengen. Dieses neue rauschhafte Gefühl, das im öffentlichen Raum gesucht und besichtigt wurde, hat die Boulevardpresse immer wieder lebhaft beschworen und medial multipliziert. Über das Treiben in der Grande Chaumière, einem kleinen Tivoligarten am Boulevard Montparnasse, heißt es, sie sei: à la fois bal, concert, estaminet, café, restaurant, promenade; on y fume, on y danse, on y boit, on y mange, on y jase, on y rit, on y chante surtout. … Autour de la balustrade … circulent gravement, la pipe ou le deux tiers havane à la bouche, deux ou trois cents jeunes Abeilards avec bon nombre d’Héloïses qu’ils promènent triomphalement. Les costumes les plus excentriques, les cravates les plus hasardées, les gilets les plus impossibles brillent dans cette façon de rout qui serait à la fois allemand et britannique, s’il n’était avant tout français. Toutes les variétés de casquettes et d’accents sont représentées dans ce tourbillons, dans cette mêlée confuse de créatures et de voix humaines.33

Diese halb geplante, halb spontan gewachsene Vergnügungswelt der Boulevards hatte noch vor der durchgreifenden Haussmannschen Umgestaltung des Stadtkörpers das Selbstgefühl von Paris nachhaltig bestimmt.34 Die Kultur des Amüsements und der Freizeit, zu verstehen als Kollektivierung und Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes, war zur maßgebenden des durchschnittlichen wie gehobenen

32 Bei Dioramen handelte es sich um abgedunkelte Schaubühnen, bestehend aus einer transparenten, zweiseitig bemalten Leinwand, die durchleuchtet wurde und verschiedene Tages- und Jahreszeiten simulieren sollte. 1845 wurde im betreffenden Diorama eine Leinwand mit einer Innenansicht von San Marco in Venedig gezeigt, von der es heißt: „Le tableau nouvellement exposé au Diorama offre l’église dans deux aspects differents. Le premier est un effet de jour, qui, au bout de quelque temps, s’obscurcit peu à peu jusqu’à la nuit complète“; vgl. Anonym: Diorama. Intérieur de l’église de Saint-Marc à Venise. In: L’Illustration 5 (1845). S. 520. Daguerre, der 1837 das nach ihm benannte fotografische Verfahren, die Daguerreotypie, entwickelte, hat seine beiden Erfindungen in einem kleinen Band beschrieben: Historique et description des procédés du Daguerréotype et du Diorama. Paris 1839. Vgl. zum Diorama auch Bernard Comment: Le XIXe siècle des panoramas. Paris 1993. S. 30–34. Ferner: Germain Bapst: Essai sur l’histoire des Panoramas et des Dioramas. Paris 1891. 33 Anonym: La Grande Chaumière. In: L’Illustration 3 (1844). S. 291 f. 34 Vgl. Martin-Fugier 1990, S. 329 f.

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Parisers geworden.35 Die égalité verwirklichte sich, zumindest teils, im öffentlichen Raum von Freizeit und Muße. Die Parisiens und Parisiennes verbrachten ihre müßigen Stunden vor allem an der Peripherie von Paris und hier immer mehr auch in den neu entstehenden Tivoligärten. Einer der meistfrequentierten war der 1771 errichtete Grand Tivoli am Südwesthang des Montmartre. Um dem erwarteten Besucherandrang Herr zu werden, war der zentrale Teil der Anlage geometrisch gefasst, der Abwechslung wegen schloss sich ein Bereich nach englischem Vorbild an. Zu den Menagerien und Volieren kamen im Laufe der Jahre Vergnügungen und Attraktionen hinzu, die immer stärker den Charakter dieser Freizeiträume bestimmten: Große Rutschen (sogenannte „montagnes“), zahlreiche Spielstätten und die neue Sensation des Ballonsteigens. Das Konzept dieser Attraktionsparks – der Ahnen der späteren Lunaparks und Disneylands – verlangte ständige Umgestaltungen und Abwechslungen, die für immer neuen, geschickt variierten Glanz und damit unablässige Anziehung sorgten. Da der Reiz von Sensationen und Attraktionen naturgemäß der schnellen Abnutzung unterliegt, deren ausbleibende Regenerierung das unmittelbare wirtschaftliche Aus eines Vergnügungsparks zur Folge hat, gehörte neben der Erneuerung des Unterhaltungsangebots auch die fortlaufende Umgestaltung der Parklandschaft zu seiner ureigensten Signatur. Permanenter Attraktionswechsel hielt das Schwungrad der Rentabilität in Gang.36 Der Vergnügungspark der Champs-Élysées wies zahlreiche Merkmale auf, die sowohl die Boulevardwelt als auch die Tivoligärten auszeichneten. Dennoch würde von einer simplen Synthese zu sprechen, die besonderen städtebaulichen Bedingungen und die Eigenheiten der Champs-Élysées verkennen. Hittorffs planerische Eingriffe konzentrierten sich im Wesentlichen auf die Parkinnenräume, die Carrés. Diese Publikumsräume waren in offener Bauweise gestaltet. Hittorff verzichtete auf eine Randbebauung zugunsten der architektonischen Artikulation durch Solitärbauten. Für das Carré Marigny schlug er zunächst einen im Zen35 Dass der aristokratische Muße- und Freizeitraum davon als eigenes Paralleluniversum unberührt blieb, vgl. Martin Kohlrausch, Peter Heyrman u. Jan de Maeyer (Hrsg.): Leisure and Elite Formation. Arenas of Encounter in Continental Europe, 1815–1914. Berlin-Boston 2020; bes. S. 2–11. 36 Zu den Tivoligärten grundlegend Langlois 1991, S. 85–121, mit der Dokumentation der zahllosen Umgestaltungen des Grand Tivoli. Das feinere Publikum enthielt sich solcher Vergnügungen keineswegs, bevorzugte aber die abgeschlossenere Welt der „jardins-spectacles“, die ihre Blütezeit unmittelbar nach 1789 hatten, als man ehemalige Adelspalais dazu umfunktionierte. Das Palais de l’Élysée ist ein prominentes Beispiel. Die nach der Revolution mittellos gewordene Familie der BourbonCondé verpachtete ihr Palais am Faubourg Saint-Honoré dem geschäftstüchtigen Unternehmer Augustin-Benoit Howyn, der in den Jahren zwischen 1797 und 1805 analog zu den Tivoligärten mit einem Vielerlei aus Gartenfesten, Feuerwerken, Ballonsteigen und Geselligkeitsspielen für kurzweiliges Divertissement sorgte, während ein einschlägig renommiertes Café sowie ein Ballsaal und ein Lesekabinett glanzvolle Treffpunkte der Pariser Lebewelt wurden. Zum Élysée-Palast während der betreffenden Periode siehe Langlois 1991, S. 148–153; zu Geschichte und Typus des „jardin-spectacle“: Lauterbach 1987, S. 172–174.

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trum gelegenen Theatersaal mit 4.000 Sitzplätzen vor.37 Wie zentral der Gedanke der hierarchischen Gruppierung war, lässt sich seinem Schaubild für die Carré-Bebauung ablesen (Abb. 45). So sollte das Theater als Signalbau jene Aufmerksamkeit erzeugen, die dem Fließverkehr der Avenue des Champs-Élysées einen wirksamen architekturalen Magneten entgegenzustellen vermochte. Hittorff bemühte sich um eine szenographische Disposition, die dem Carré mit dem Hauptbau und den axialsymmetrisch verteilten Nebenbauten die Qualität eines Bildraumes verleihen sollte. Was Hittorffs Schaubilder ausblenden, ist das subalterne System von Eis-, Getränkeständen, Lesekabinetten und Schaubuden, das den Park abwechslungsreich und flexibel durchdringen und vitalisieren sollte.38 Von den im Wallraf-Richartz-Museum konservierten Schaubildern, welche die frühen Planungen dokumentieren, wurde kaum eines getreu ins Werk gesetzt. Sie verdeutlichen in jedem Falle die Rolle des Architekten als Spiritus rector der Gesamtanlage und der Einzelbauten. Hittorff hat seine Vorstellungen bezüglich der Konzeption der Parkpromenade und ihrer Attraktionsmechanismen am 4. Februar 1839 in einem Memorandum festgehalten.39 In dem für den Präfekten Rambuteau bestimmten Schriftstück wurden zwei Aufgaben hervorgehoben: Zum einen sollte es darum gehen, den sechs Carrés eine funktionsgerechte wie ansprechende Erscheinung zu verleihen, die der Promenade als Ganze eine angemessene Wirkung sicherte, und zum anderen sollten die Bauten so gestaltet werden, dass eine größtmögliche Frequentation gewährleistet wurde. Die Organisation der jeweiligen Carrés sollte soziale Gesichtspunkte berücksichtigen. Für das flächengrößte Geviert, das zur Seine gelegene oblonge Carré des Fêtes, sah Hittorff 1839 vor, es durch ein Theater und ein Panorama sowie einen Kranz von Cafés nebst Puppentheater, Traiteur und Weinausschank zu einem Anlaufpunkt der „classe moyenne“ zu machen.40 Bei den beiden Carrés de l’Ambassadeur und de l’Élysée-Bourbon, die durch ihre Lage im nordöstlichen Teil des Parks zwischen Place de la Concorde und Faubourg Saint-Honoré bevorzugte Standorte besaßen, stellte sich Hittorff dagegen vor, dass durch die Errichtung von Restaurants und die Hinzufügung eines Konzertpavillons und eines Blumenbasars sowie durch den Verkauf von Limonaden, Eis und Milchgetränken ein neuer eleganter Treffpunkt der Habitués des Boulevard des Italiens entstehen würde.41 Beim Carré Doyen wiederum

37 Vgl. Joest 1986/87 (a), S. 184 38 Eine ähnliche Attraktionstruktur wiesen die Passagen des frühen 19. Jahrhunderts in Paris auf, deren Ladenräume von der Koexistenz der Cafés, Restaurants, Clubs, Spiel- und Lesekabinette ‚profitierten‘; vgl. Johann Friedrich Geist: Passagen. Ein Bautyp des 19. Jahrhunderts. München 1969. S. 29 f. 39 Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–10, f. 72v–80v. 40 Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–10, f. 77rf. 41 Noch 1863 wird in A. Joannes Le guide parisien der Boulevard des Italiens als „rendez-vous principal de la fashion parisienne“ apostrophiert. Der Boulevard, der seinen Namen dem 1783 dort eröffneten Théâtre des Italiens verdankt, zeichnete sich wie der Boulevard Montmartre und

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erwog der Architekt die Vermischung der Stände, wobei er dem beliebten gleichnamigen Restaurant hierfür die Rolle eines Mittlers zuwies. Die Erwägungen sind freilich vor den Hintergrund der noch kaum vergessenen politischen Unruhen des ersten Regierungsjahrfünfts der Julimonarchie zu lesen, der sogenannten „epoque des émeutes“ (Victor Hugo). Raumplanung war hier gleichsam Sozialpolitik, wie sie ganz auf der Linie Rambuteaus lag, der die städtischen Verschönerungsmaßnahmen in den Dienst politischer Kalmierung gestellt sehen wollte.42 Und doch dürften bei allen sozialpolitischen Spekulationen vor allem logistische Überlegungen entscheidend für die Gestaltung des Parkareals gewesen sein. Schließlich hing das Überleben der Etablissements von deren ökonomischem Erfolg ab. Nur wo Menschen zirkulieren und Attraktionen ihr Interesse ansprechen, klingelt das Geld. Spätmodern gesprochen haben wir es mit einem space of flows und seiner dynamischen Eigenlogik zu tun. Bezeichnend ist auch die Planung eines Ballsaals im Carré Marigny.43 Hittorff erwog die Anfügung eines populären Estaminet („café-estaminet“), um den Besucherstrom des betreffenden Parkareals auch dann zu gewährleisten, wenn der Ballsaal nicht genutzt wurde, der selbst wieder von der Anziehungskraft der subalternen Konsumstruktur abhing. Als Hittorff 1839 sein Memorandum abfasste, war die Neugestaltung des Champs-Élysées-Parks in vollem Gange. Das Dossier kennzeichnet eine auffällig holzschnittartige Topik. Hittorff erklärte etwa, dass er die unterschiedlichen Gebäude entsprechend ihrer „convenance“ gestalten wolle, also in einer je nach Bauaufgabe und Anspruch angemessenen Architekturtypologie und -semantik. In der Architekturtheorie des ausgehenden 18. Jahrhunderts stand der „convenance“-Begriff, wie es Werner Szambien ausgedrückt hat, für den „accord entre programme, forme et situation“.44 In diesem Sinne benutzte ihn Hittorff in seiner Projektpräsentation: Dans l’examen particulier des projets, on verra aussi que tout en ayant cherché à donner aux façades le plus d’agrément et de varieté possible, j’ai cherché avec non moins de soin à satisfaire aux convenances de chaque établissement. Pour atteindre ce but, qui doit être l’objet principal de l’Architecte, puisque la convenance peut seule produire l’utile, et que sans l’utile, il ne peut y avoir de véritable beauté en architecture, j’ai particulièrement étudié les anciennes die Rue Richelieu durch mondäne italienische Cafés aus, von denen das bekannteste das 1798 gegründete Café Tortoni war; vgl. Michel Dreyfus: Les Italiens du Boulevard. In: Les Grands Boulevards. Un parcours d’innovation et de modernité. Hrsg. von Bernard Landau, Claire Monod u. Evelyne Lohr. Paris 2000. S. 157–161; bes. S. 157 f. (hier das Zitat); zum Café Tortoni: Benoît Noël: Tortoni, temple de l’absinthe. In: Paris et ses cafés. Hrsg. von Delphine Christophe u. Georgina Letourmy. Paris 2004. S. 60–62. Eine Farblithografie aus der Zeit des Zweiten Kaiserreichs, die den Müßiggang der modebewussten Habitués in den Champs-Élysées zeigt, bei Isabelle Rouge-Ducos: Sur les Champs-Élysées. In: ebd. S. 98–101; bes. S. 99. 42 Vgl. hier das Kapitel Place de la Concorde oder Die Neuordnung der gesellschaftlichen Mitte. 43 Die Beschreibung ist Teil des erwähnten Memorandum: Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–10, f. 79v. 44 Vgl. Werner Szambien: Symétrie, goût, caractère. Théorie et terminologie de l’architecture à l’âge classique, 1550–1800. Paris 1986. S. 167

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constructions dans leur analogie avec les nouvelles, et j’ai taché de les reproduire, autant que possible, dans ce qu’elles avaient d’essentiellement commode, par rapport à leur destination.45

Statt der konkreten Erläuterung von Bauaufgaben und den sich dabei stellenden Problemen für die Parkgestaltung verfiel Hittorff auf die Zitation der architekturtheoretischen Topoi von „convenance“, „utilité“ und „commodité“, die so in jedem anderen architektonischen Zusammenhang hätten formuliert werden können. Hittorffs Memorandum ist eben ein Gebrauchstext, dem jener Pragmatismus eignet, der sich amtlichen Berichten wie gleichermaßen dem Geschäft der Unterhaltungsindustrie schuldet. Kurz: Hier hatte der akademische Architekt seine Kunst zu Markte zu tragen. An anderer Stelle sprach Hittorff über die Disposition der einzelnen Baukörper innerhalb der Carrés. Vom Baumgrün freigestellt sollten die Gebäude als Points de vue von Fluchten und Achsen dienen, um mit einem Blick erfasst werden zu können: „En ayant cherché à donner aux façades … une grande régularité, de diriger, autant que possible, leurs principaux axes sur ceux des plantations et de faire en sorte que les grosses constructions fussent partout assez éloignées des arbres“.46 Erneut werden hier Kriterien bemüht, die kaum über das Grundwissen eines jeden praktizierenden Architekten hinausgehen: Symmetrische Disposition der Bauten und ihr ausreichender Abstand zum Baumbestand. Die Funktion des Memorandums, seinen Adressaten von der erfolgversprechenden Ausführbarkeit des Projektes zu überzeugen, schmälert seinen Informationsgehalt und prägt das Stereotype der Argumente.47 Die spezifische Problemwelt der Vergnügungsarchitektur, die den Erläuterungsbericht von Hittorff allenfalls am Rande streift, betrifft indes das Feld der Kundenwerbung. So steht die Rentabilität eines Etablissements in unmittelbarer Abhängigkeit von der leichten Lesbarkeit und hohen Schaulust der beherbergenden Architektur. Hittorffs Aufgabe bestand darin, Spekulationsinteressen mit Strategien der Konsumenten- und Werbepsychologie zu kombinieren. In spätmodernen Zeiten hat sich aus diesem Interaktionsfeld eine eigene Wissenschaft entwickelt, die Umwelt- und Architekturpsychologie, die etwa durch Wegeführung und Farbgestaltung das Konsumverhalten zu steuern und zu manipulieren sucht.48 Obgleich das Rekla45 Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–10, f. 77v. 46 Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–10, f. 78r. 47 Die Topoi sind in Hittorffs Memorandum zahlreich. Hier nur ein weiteres Beispiel: Wenn Hittorff von der Absicht spricht, Raumbilder zu entwerfen, die „pittoresque et caractéristique“ seien, ruft er das Ideal des Pittoresken auf, dem die Gartenkunst der Epoche unterstand. Zum Begriff des Pittoresken in der Gartenkunst vgl. John Dixon Hunt: The Picturesque Garden in Europe. London 2004 und zu dem des Charakters Ulrich Schütte: „Als wenn eine ganze Ordnung da stünde …“. Anmerkungen zum System der Säulenordnungen und seiner Auflösung im späten 18. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 44 (1981). S. 15–37; bes. S. 30 f. 48 Zur Umwelt- und Architekturpsychologie als neuerer angewandter Wissenschaft vgl. Peter G. Richter (Hrsg.): Architekturpsychologie. Eine Einführung. Lengerich 2016.

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mekonzept der Vergnügungsarchitektur von der räumlichen Disposition bis zur Fassadengestaltung allzu ersichtlich ist, sind architekturpsychologische Fragen in die historische Forschung bisher allenfalls am Rande eingedrungen.49 So wie das Zusammenwirken und die Mannigfaltigkeit der Schau- und Konsumptionsangebote das Publikum in die Grünanlage der Champs-Élysées lockten, so waren Architektur und Bildschmuck ebendort wiederum Mittel, mit denen die Vergnügungsetablissements miteinander um die Gunst des Publikums konkurrierten. Das blieb für die klassische Architekturästhetik, der die Bauten entsprangen, nicht ohne Folgen.

Architektur wird Kirmes Ein Besucher der Champs-Élysées-Promenade konnte im Jahre 1844 zwischen verschiedenen Schauattraktionen wählen, so dem Georama, wo sich ein Modell des Erdinneren besichtigen ließ, der Panoramarotunde, das in einem 360° Grad umlaufenden Monumentalgemälde von Jean-Charles Langlois den Brand Moskaus vor Augen stellte,50 oder dem Pferdezirkus, wo man sich von der Akrobatik der Trapezspringer, Seiltänzer und Voltigereiter in Bann schlagen lassen konnte. Der Wintergarten mit seiner in den Norden verpflanzten Tropenlandschaft barg ferner „ein Café, eine Bäckerei, Billardsäle und Leseräume, zudem Räume für Musiker, nebenbei noch Verkaufsstände für Blumen, Vogelkäfige mit Zier- und Singvögel und eine für den Verkauf bestimmte Bildergalerie“.51 Um die zentralen Vergnügungsetablissements gruppierten sich zudem Fontänen und eine Vielzahl von Getränke- und Erfrischungskiosken, später auch kleine Drehkarusselle, Stegreifbühnen, Kuriositätenund Schaubuden sowie nicht gerechnet die zahlreichen ambulanten Schau- und Gauklerpräsentationen, die sich im Laufe der Zeit einen festen Stand erarbeiteten.52 In diesem bunten Panorama von Schaulustbarkeiten gehörte es zu den Aufgaben des Architekten, zumindest baulich, jenes Übel fernzuhalten, das die Unterhaltungsindustrie am meisten fürchtet, die Langeweile.53 Eine Lösung hat Hittorff im Rahmen seines Fassadenentwurfs für den Sommerzirkus beschrieben. So sollte die Vielfarbigkeit der Architektur Entspannung („délassement“) und Heiterkeit („gaité“)

49 Symptomatisch für die Forschungssituation ist die Arbeit von Cilleßen 2000, der die Pariser Vergnügungsarchitektur vor 1800 vom historischen und diskursiven Umfeld her beschreibt und untersucht, sie aber keiner eigenen Werkanalyse unterzieht. Indes Willms 1988, S. 221–229, der in einer eingängigen deskriptiven Weise die Anfänge des Reklamewesens zwischen entfesselter Warenwelt und glitzender Passagenarchitektur im Paris der 1820er Jahre sondiert. 50 Vgl. den Ausstellungskatalog Langlois 2005, S. 95–105. 51 So Kohlmaier/Sartory 1981, S. 466. 52 Vgl. Anonym: Les plaisirs des Champs-Élysées. In: L’Illustration 1 (1843). S. 231–234. 53 Zu Klimbim und Rausch als Leitkategorien von Vergnügungsparks vgl. Sacha-Roger Szabo: Rausch und Rummel. Attraktionen auf Jahrmärkten und in Vergnügungsparks. Eine soziologische Kulturgeschichte. Bielefeld 2006.

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bewirken: „De faire valoir, par l’or, l’azur, le rouge, le jaune et le vert, tous les détails, et d’imprimer à l’édifice un aspect de fraicheur, de gaieté et de richesse qui devait aider à caractériser davantage sa destination; destination qui est d’inviter le public à venir goûter le plaisir des yeux et un agréable délassement, en assistant au spectacle des exercices équestres, pour lequel le Cirque a été élevé“.54 Die Buntheit diene der Zerstreuung und Einstimmung auf die equestrischen Dressurdarbietungen des Sommerzirkus. Sie wird also selbst zum Reklameeffekt.55 Zentral ist, dass Hittorff diesen Konnex im Zusammenhang mit seiner Polychromie-These formulierte. Die Passage findet sich in seiner bauarchäologischen Abhandlung der Réstitution du Temple d’Émpedocle von 1851 – man würde zunächst meinen in einem denkbar fernen Diskurskontext. Aber gerade die Verknüpfung divergierender Bedeutungs- und Wertebenen zu neuen erweiterten Gebrauchskontexten war der Zeit nicht fremd. Denn die Kombination von Klassik und Konsum gehört zu jenen Hybriden des 19. Jahrhunderts, in denen sich high und low art zu einer neuen heterogenen Entität verfugten. Die Zirkusattraktionen selbst sind ein charakteristisches Beispiel für diesen Synkretismus. Im Sommerzirkus der Champs-Élysées (1848) sowie dem Winterzirkus (1853) auf dem Boulevard der Filles du Calvaire am Nordrand des Marais wurden Akrobatiknummern dargeboten, bei denen Reiterinnen als Amazonen verkleidet auf dem galoppierenden Pferd Kunststücke vorführten. Diese „filles de l’air“, wie man sie auf Plakaten beworben hat, sorgten mit ihren Drehsprüngen (Voltigen), Darbietungen der Handbalance, des Flickflacks und des Salto vorwärts sowie von Sprüngen über Hindernisse und durch Reifen für Unterhaltung und Sensation.56 Die Wirkkraft dieser Zirkusdarbietungen hat Thomas Mann als „Angriff auf die Sinne, die Nerven, die Wollust“ umschrieben.57 Wenn auch der Skulpturenschmuck des Winterzirkus nicht ganz so emphatisch gewirkt haben dürfte, stand seine Kreuzung und Mischung von Klassik und Konsum gleichwohl im Dienst von Anreiz und Reklame. So werben an der Frontseite Zirkusakrobaten und Kunstreiterinnen in antiker 54 Hittorff 1851, S. 816. 55 Indes zu Reklame als appliziertem Zeichen und ihrer raumorganisierenden Wirkung vgl. die Hinweise bei Geist 1969, S. 19. Ferner Anne-Sophie Aguilar u. Éléonore Challine (Hrsg.): L’enseigne. Une histoire visuelle et matérielle (XIXe–XXe siècles). Paris 2020. 56 Zum Metier der Reiter und Voltigeakrobaten vgl. Ernst J. Kiphard: Die Artisten. Ihre Arbeit und ihre Kunst. Berlin 1965. Im Zeichen des Synkretismus stand nicht zuletzt das malerische Ausstattungsprogramm des Winterzirkus selbst, das Hittorff den Malern Nicolas-Louis Gosse und Félix-Joseph Barrias anvertraute und die Geschichte der akrobatischen Reitkünste von der Antike bis in die Gegenwart thematisieren sollte: „Les sujets seraient l’histoire des exercices équestres, tours de force, d’agilité depuis l’antiquité à nos jours“; Brief Hittorffs an Gosse, 1.7.1852. Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–17, f. 5v. Ferner Mark K. Deming: Le Cirque d’hiver ou Cirque Napoléon. In: Hittorff (1792–1867) un architecte du XIXème. Ausstellungskat. Paris 1986/87. S. 217–227; bes. S. 221–224. 57 Das Zitat aus Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Der Memoiren erster Teil. Frankfurt/M. 1985. S. 203 u. 206. Mit „Tochter der Lüfte“ bezeichnete Mann die Hochtrapezkünstlerin Andromachae während einer Darbietung im „Cirkus Stoudebecker“ nahe des Théâtre Sarah Bernhard in Paris.

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Formensprache um Aufmerksamkeit und Publikum. Ein Reliefbild zeigt eine am galoppierenden Pferd ausgeführte Voltigenummer am Reifen, während am rechten Bildrand ein Ballequilibrist und ein Bodenakrobat erscheinen (Abb. 46). Die mittlere Pferdegruppe zitiert (spiegelverkehrt) eine Platte des Westfrieses des Parthenon.58 Bezeichnend ist die Beschwörung der Idealform bei gleichzeitiger Trivialisierung mit den Mitteln der Collage – deren ‚Bodenlosigkeit‘ selbst einem zirkushaften Hochseilakt gleicht.59 Ähnliche Beobachtungen lassen sich an den Figuren der reitenden Amazone und des reitenden Kriegers von James Pradier anstellen, die den Zirkuseingang flankieren (Abb. 47).60 Sujet und Akrobatenpose verweisen auf die in der Manege gezeigten Darbietungen, während die Aufstellung zuseiten des Eingangsportals eine im 16. Jahrhundert begründete Hochheitsform der Monumentalplastik zitiert.61 Das Statuenpaar des Herkules Farnese und des sogenannten Lateinischen Herkules im Cortile des Palazzo Farnese zu Rom, die den Arkadenzugang zum Palastgarten auszeichneten, gaben das klassische Modell hierfür ab. Im Agon mit dem ranghohen Beispiel standen dann die Monumentalfiguren vor dem Hauptportal des Palazzo Vecchio in Florenz, also Michelangelos David (1504) und Baccio Bandinellis Herkules und Cacus-Gruppe (1534).62 Im Vergleich mit diesen Modellen der Hochkunst, wo Botschaft und Form eine gleichsam monolithische Einheit bilden, erweist sich die Inkohärenz von Konsumkunst. Denn Pradiers Statuen projizieren ihren Sinn nicht mehr auf die Komplexität der Geschichte zurück, sondern dekontextuieren ihn und setzen ihn für die Gegenwart frei. Der Vorgang entleert die Formschablonen ihrer Semantik, um sie neu und beliebig mit Bedeutungen aufzuladen. Man kann sagen: In dem Maße, wie kanonische Kunst und ihre Inhalte (Semantik) aus ihrer Verankerung gelöst werden, gelangen ihre Würdeformeln (Zeichen) auf eine unkontrollierte Spielwiese. Dieser Auflösung der Verbindlichkeiten gilt gewöhnlich die Geringschätzung und Aburteilung von Konsumkunst. Halten wir fest. Hittorffs Vergnügungsarchitektur ist, obwohl oder gerade weil dem klassischen Formenkanon verpflichtet, Klischee, Kitsch und Kirmes. Mit anderen Worten: Architektur entfaltet einen Kunstraum des Konsums, des fulminanten Klimbims, bestehend aus Anleihen, Versatzstücken und Paraphrasen der Hochkul58 John Boardman: Griechische Plastik. Die klassische Zeit. Mainz 1987. Abb. 96.9. 59 Zur Trivialitätsproblematik der Kunstindustrie im 19. Jahrhundert vgl. Hellmut Pfeiffer: Kunst und Industrielle Revolution oder die Vertracktheit des Trivialen. In: Art social und art industriel. Funktionen der Kunst im Zeitalter des Industrialismus. Hrsg. von Dems., Hans Robert Jauß u. Françoise Gaillard. München 1987. S. 273–280. 60 Lapaire 2010, Kat.-Nr. 153. 61 Zur Bau- und Ausstattungsgeschichte des Cirque d’hiver vgl. Victor Reytier: Cirque-Napoléon, élevé, à Paris, sur le Boulevard des Filles-Du-Calvaire par M. J.-I. Hittorff. In: Revue générale de l’architecture et des travaux publics 12 (1854). Sp. 362–369; G. Borstell u. Fr. Koch: Circus Napoléon auf dem Boulevard des filles du Calvaire zu Paris. In: Zeitschrift für Bauwesen 4 (1854). Sp. 4 f. und Christian Dupavillon: Architectures du Cirque des origines à nos jours. Paris 1982, S. 72–79 und Deming 1986/87 (a). 62 Zum repräsentativen Anspruch dieser Aufstellungspraxis vgl. Erben 2004, S. 83 f.

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Abb. 46: Francisque Duret u. Astyanax-Scévola Bosio: Stuckfries mit antikisierender Akrobatendarstellung am Winterzirkus zu Paris, 1852/53

Abb. 47: Jakob Ignaz Hittorff: Winterzirkus auf dem Boulevard des Filles du Calvaire im III. Arrondissement. Fotografie von Albert Brichaut, letztes Viertel des 19. Jahrhunderts. Paris, Musée Carnavalet

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tur, ein buntes Mixtum des Heterogenen. Die Kreuzung von Klassik und Kitsch erscheint dabei als Protoversion der späteren Massenkultur, die Umberto Eco in Apokalyptiker und Integrierte einer scharfsinnigen Geltungsanalyse unterzogen hat.63 Laut Eco kennzeichnet die Transformation von Hoch- in Konsumkunst die Vereinfachung und Nivellierung der Bildsprache und Botschaften. Ihre ‚leichte‘ Lektüre selbst ist bereits Teil der Zerstreuung. Darin allein die Auswüchse einer Freizeitindustrie zu sehen, die keine Tragik und Tiefe mehr kennt, würde nur die Topik der mediokren Unterhaltungskultur bestätigen. Eco verweist indes darauf, dass sich ebenso eine Anpassung des Elitären an das Durchschnittliche vollzog. Der Gedanke ist besonders für das mittlere 19. Jahrhundert von einiger Relevanz. Denn im Jahrhundert der postrevolutionären Öffentlichkeit war Partizipativität über alle sozialen Grenzen hinweg politisches Programm der gesellschaftlichen Erneuerung. Ein Modellweg für ihre Durchsetzung war die Öffnung von Kultur für alle und ohne Unterschied – so eben wenn sich das Klassische aus dem Sperrbezirk des Akademischen ins Ludische, aber auch in die Welt der Verwertungsinteressen der Industrie ‚befreite‘.

Der Architekt als Bauingenieur Mitte des 19. Jahrhunderts vermerkte der Architekt Achille Hermant in einer Kritik zu Henri Labroustes Bibliothèque Sainte-Geneviève, dass eine Grenzverschiebung in der Architektur zu beobachten sei, die eine Aufkündigung ihres Ganzheitsmodells zur Folge habe: „L’art de bâtir est donc aujourd’hui dans une époque de transition. Les vieux préjugés subsistent encore chez les uns; de nouveaux principes conduisent les autres; des opinions intermédiaires rapprochent les deux parties. En faut-il davantage pour expliquer le manque d’unité qui frappe tout le monde?“.64 Hermants Worte heben auf jenen Diversifikationsprozess ab, der seit den 1830er Jahren die Architektur erfasst hatte.65 Als sich nämlich durch eine Vielzahl von Verknüpfungen, Überlagerungen und Vermischungen das oppositionelle Verhältnis von Architektur und Eisenbau aufzulösen und neu zu definieren begann. Labroustes Bibliotheksbau

63 Vgl. Eco 1984, bes. S. 42–48. 64 Achille Hermant: La Bibliothèque Sainte-Geneviève. In: L’Artiste 7 (1851/52). S. 129–131; Zitat: S. 129. 65 In ähnlicher Weise wie Hermant indizierte François-Léonce Reynaud, Lehrer an der École polytechnique, 1836 den Vorgang, wenn er zwei Typen von Architekten unterschied: Solche, die unbeugsam dem Antike-Kanon gehorchten, sowie jene, die sich mit den technischen Wissenschaften und neuen Produktionsprozessen anfreundeten. Für Letztere war er voll des Lobes, weil sie versuchten, „d’appliquer artistement à nos constructions les nouveaux matériaux que les progrès de cette industrie mettent à leur disposition, et déjà quelques heureux résultats sont venus légitimer leurs tentatives“. Reynaud in seinem Artikel Architecture in der Encyclopédie Nouvelle von 1836 (S. 777); hier zitiert nach Garleff 2003, S. 65.

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stellt dabei ein besonders prominentes Beispiel für das Ineinander von Stein- und Eisenarchitektur dar. Der Architekturgeschichte gilt er als erster repräsentativer Monumentalbau mit der sichtbaren Verwendung eines Eisenskeletts im Inneren (Abb. 48).66 Bei aller ‚Modernität‘ ist keineswegs irrelevant, dass sich das Erscheinungsbild des imposanten, zweischiffigen Lesesaals, der die gesamte Länge des Obergeschosses durchzieht, typologisch mittelalterlichen Refektorien schuldet. Als unmittelbares Vorbild wird der hochgotische Refektoriumsbau von Saint-Martin-des-Champs (1235) in Paris genannt – der wenige Jahre nach Labroustes Gebäude selbst die Umnutzung als Bibliothek der École des arts et métiers erfuhr.67 Ausschlaggebend für das Verständnis von Labroustes Entwurfskonzept ist der Befund, dass das Eisenskelett dem Balken- und Bogenprinzip der Steinarchitektur verpflichtet blieb, der Architekt also Stein- in Eisenarchitektur übersetzte und dabei die konstruktiven Möglichkeiten des Baustoffs Eisen auf jene der Steinbaukunst zurückschnitt. Denn technisch gesehen wäre ein Raumabschluss etwa mit gusseisernen Polonceau-Bindern durchaus möglich gewesen, die seit 1840 bei der Raumdeckung von Bahnhofshallen eingesetzt wurden (Abb. 49). Gegenüber dem Holz- und Steinbau erlaubten sie zumal die Realisierung großer Spannweiten ganz ohne Zwischenstützen.68 Stattdessen trimmte Labrouste das Eisenskelett durch die Verwendung von Säulenordnung und klassischer Bauzier auf Beaux-Arts-Norm, was dem repräsentativen Anspruch des Gebäudes genügen sollte. Lange Zeit hat die Architekturgeschichtsschreibung, und das gilt besonders mit Blick auf das französische 19. Jahrhundert, das Hybride zugunsten einer Betrachtung unterschlagen, die einseitig die Elemente des ‚Fortschritts‘ herausdestillierte. Besonders wirkmächtig war ein Technikklassiker, Giedions 1928 veröffentlichtes Bauen in Frankreich, in dem er die „akademischen Überkrustungen“ verwarf, welche die „konstruktive Seele der französischen Architektur … zu ersticken“ drohten.69 Eine sich ganz im Fahrwasser von Giedion bewegende Geschichte der Eisenarchitektur hat 1967 Erich Schild vorgelegt, wo es zu Labroustes Bibliothèque Sainte-Geneviève heißt: „Das Bemühen, die Konstruktionselemente sichtbar zu zeigen, war auch für Labrouste nur dadurch erträglich, daß er die Details im Stil seiner Zeit formte. Aus unserer Sicht liegt die Bedeutung dieses Raumes jedoch in dem neuen Konstruktionsprinzip und nicht in den Einzelformen,

66 Giedion 1928, S. 23. 67 Zur genealogischen Abhängigkeit von Labroustes Bibliothek von dem mittelalterlichen Refektorium vgl. Dieter Kimpel: Paris. Führer durch die Stadtbaugeschichte. München 1982. S. 326 und Bergdoll 2000, S. 181. Zur Umfunktionierung des Refektoriums unter Léon Vaudoyer ab 1850 zu einem Lesesaal siehe Ders. 1994, S. 174 f. 68 Vgl. Camille Polonceau: Notice sur un noveau système de charpente en bois et en fer. In: Revue générale de l’architecture et des travaux publique 1 (1840). Sp. 27–32. Zu den neuen konstruktiven Möglichkeiten und dem damit einhergehenden neuen konstruktiven Denken seit 1840 vgl. Schädlich 1989. 69 Giedion 1928, S. 16.

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Abb. 48: Henri Labrouste: Innenansicht des großen Lesesaals der Bibliothèque Sainte-Geneviève in Paris, 1843–1851

die für den Gesamteindruck nicht entscheidend sind“.70 Indem Schild Dekor und Konstruktion ‚entmischte‘, brachte er ein modernespezifisches Unterscheidungsnarrativ in Anschlag. Pointiert gewendet: Es gibt eine Wissenschaft, die sich seriös wähnt, weil sie die Betrachtung (obszöner) Hybride in (saubere) Oppositionsbegriffe und Dichotomien aufspaltet – und dabei nachgerade am Eigentlichen vorbeigeht.71 Auf dieser Linie operiert Giedions historiographisches Verfahren, das er als „Herausschälen“ jener Elemente bezeichnete, „die zum Ausgangspunkt der Zukunft werden“.72 Von dieser teleologischen Warte her erscheinen die Mischbauten des 19. Jahrhunderts allenfalls als Vorstufe jener klassischen Moderne, die funktionale und ästhetische Eindeutigkeit privilegierte. Im weiteren Fortgang gilt unser Interesse indes dem crossover von Struktur, Materialität und Form, ohne jeweils Technik- oder Stilgeschichte zu privilegieren. 70 Schild 1967, S. 62. Zur späteren Architekturgeschichte, die dann Labroustes ‚Bauzier‘ in Rechnung gestellt hat, vgl. Roberto Gargiani: Ornamento e costruzione in Sainte-Geneviève. In: Henri Labrouste 1801–1875. Hrsg. von Renzo Dubbini. Mailand 2002. S. 143–165; Robin Middleton, La struttura in ferro della Bibliothèque Sainte-Geneviève come base di un decoro civico. In: ebd. S. 121–142 und Martin Bressani u. Marc Grignon: Henri Labrouste and the Lure of the Real. Romanticism, Rationalism and the Bibliothèque Sainte-Geneviève. In: Art History 28 (2005). S. 712–751. 71 Rationalitätskritik an moderner Wissenschaft übt die Hybrid-Forschung; vgl. Bruno Latour: Der Berliner Schlüssel. Erkundungen eines Liebhabers der Wissenschaften. Berlin 1996 und Ders. 2008. 72 Giedion 1928, S. 1.

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Abb. 49: Dachbinder nach Camille Polonceau. Der Binder erzeugt mit Hilfe eines unterspannten Balkens und verbindenden Zugbandes einen in sich stabilen Träger. Als Stütz- und Gelenkelemente dienen kannelierte Pendelstützen. Aus: Revue générale de l’architecture et des travaux publics (1840). Tafel II

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Das Hängedachwerk der Panoramarotunde Für Hittorff war die bautechnisch eminent voraussetzungsreiche Dachkonstruktion der Panoramarotunde im Champs-Élysées-Park durchaus kein Nebenwerk.73 Das macht allein der publizierte Kommentar zu seinen Planungen deutlich.74 Ein erster Entwurf, der ein auf zwölf eisernen Tragkabeln ruhendes Hängewerk als Raumabschluss vorsah, wurde vom Conseil des Bâtiments civils aus statischen Gründen abgelehnt (Abb. 50). Ein überarbeiteter zweiter Entwurf kam Anfang 1839 zur Ausführung. Von der Baugeschichte und den technischen Besonderheiten berichtete Hittorff 1841 in der Revue générale d’architecture, wo er die Realisierbarkeit seines ursprünglichen Entwurfs verteidigte und sich über die herrschende Innovationsaversion der Baubehörde Luft verschaffte: Que si, à la lecture de cette description, quelques-uns de nos jeunes architectes, remplis de talent et de modestie, pouvaient, à leur entrée dans la carrière trouver dans mes paroles quelques motifs de découragement, qu’ils n’oublient pas que l’opposition contre tout ce qui est nouveau n’est pas seulement de notre époque, mais de toutes les époques, et qu’ils se pénètrent bien d’une vérité: c’est que ceux qui veulent se vouer à la pratique de notre art doivent s’attendre à des difficultés sans nombre, et s’armer d’une grande persévérance pour parvenir à réaliser les idées même les plus vraies, les plus utiles et souvent les plus simples, lorsqu’elles sont nouvelles.75

Der Erörterung des Panoramagebäudes stellte Hittorff eine eingehende bautypologische Abhandlung voran, die im ersten Teil die Geschichte des jungen Bautypus nachzeichnete (die er mit Robert Brakers Bau von 1793 in Edinburgh beginnen ließ) und Arbeiten seiner Vorgänger in Paris und London beschrieb. So die beiden von James Thayer (1802) auf dem Boulevard Montmartre errichteten Rundbauten, ferner die Panoramen von Pierre Prevost (1808) auf der Rue Neuve Saint Augustin und von Jean-Charles Langlois (1831) auf der Rue des Marais du Temple sowie den in den Jahren 1824 bis 1829 nach Plänen von Decimus Burton errichteten, exzeptionelle 38 m Durchmesser zählenden Rundbau, dem Colosseum, am Regent’s Park in London.76

73 Bauhistorische Analysen zu Hittorffs Panorama bei Silvia Bordini: Jakob Ignaz Hittorff e l’architettura dei Panorami. In: Ricerche di Storia dell’arte 3 (1976). S. 137–158; Uwe Westfehling: Hittorffs Panorama-Gebäude für die Champs-Élysées. In: Jakob Ignaz Hittorff. Ein Architekt aus Köln im Paris des 19. Jahrhunderts. Ausstellungskat. Köln 1987. S. 186–193 und Schneider 1977, Bd. 1, S. 432–456. 74 Hittorff 1841. 75 Hittorff 1841, Sp. 561. Hinsichtlich der Ablehnung seines Ursprungsprojekts mutmaßte Hittorff eine verschwörerische Konstellation zwischen Baubehörde, Langlois und einen hinzugezogenen Bauingenieur: „L’insistance du propriétaire, soutenu par un ingénieur distingué, à déclarer mon système inexécutable, dut naturellement avoir quelque influence sur le Conseil des Bâtiments“; ebd., Sp. 558. 76 Hittorff 1841, Sp. 500–505. Aus der umfangreichen Literatur zur Geschichte des Panoramas in Großbritannien und Frankreich vgl. Scott Wilcox: Erfindung und Entwicklung des Panoramas in Großbritanien. In: Sehsucht. Das Panorama als Massenunterhaltung des 19. Jahrhunderts. Ausstel-

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Abb. 50: Jakob Ignaz Hittorff: Ansicht der Panoramarotunde des Champs-Élysées-Parks. Erster Entwurf, 1839. Aus: Revue générale de l’architecture et des travaux publics (1841). Tafel XXVII

Im zweiten Teil des Artikels hob Hittorff die Vorzüge des eigenen Entwurfs hervor. Wie bei Langlois’ Panoramarotunde in der Rue des Marais du Temple wählte er für seinen 39 m Durchmesser großen Bau im Élysées-Park einen kegelförmigen Raumabschluss (Abb. 51). Er verzichtete jedoch auf den bisher notwendigen zentralen Stützpfeiler, indem er ein gusseisernes, „hängendes Dach“ („comble suspendu“) einzog. Die Vorteile dieses Dachtragwerks gegenüber hölzernen Dachstühlen waren sowohl konstruktiver als auch wirtschaftlicher Art. So reduzierte das geringere Auflagegewicht die Masse der Umfassungs- und Stützmauern und damit die Baukosten. Hittorff hatte in seinem abgelehnten Entwurf das Zeltdach auf zwölf Drahtseile gelegt, die direkt in die am Außenbau deutlich hervortretenden strebepfeilerförmigen Ankerkonstruktionen liefen (Abb. 50). In der Überarbeitung wurden die Tragkabel nun statisch solider über gusseiserne Pendelstützen in die Außenpfeiler geführt und dort verankert (Abb. 52). Hittorff monierte jedoch die Auflage, dass im überarbeiteten Entwurf ein zweites Geschoss einzufügen war, das die Wohnung des Bauherrn Langlois und Verwaltungsräume aufnehmen sollte. Der Eingriff würde das Besondere der Dachkonstruktion verunklären, weil die zur Hängesystematik gehörenden Strebepfeiler weitgehend im Aufriss verschwänden. Dagegen hat Christian Schädlich mit einigem Recht behauptet, dass die technisch aufwendigere Entwurfslösung mit Pendelstützen einen mindestens genauso lungskat. Bonn 1993. S. 28–35 und François Robichon: Die Illusion eines Jahrhunderts. Panoramen in Frankreich. In: ebd. S. 52–63.

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Abb. 51: Jakob Ignaz Hittorff: Panoramarotunde des Champs-Élysées-Parks. Zweiter Entwurf, 1839. Schnittansicht mit Zuschauerplattform und Blick auf das Panoramagemälde Brand von Moskau. Aus: Revue générale de l’architecture et des travaux publics (1841). Tafel XXVIII

Abb. 52: Jakob Ignaz Hittorff: Ansicht der Panoramarotunde des Champs-Élysées-Parks. Ausführungsentwurf, 1839. Aus: Revue générale de l’architecture et des travaux publics (1841). Tafel XXIX

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Abb. 53: Jakob Ignaz Hittorff: Konstruktionsteile des Hängedachwerks der Panoramarotunde. Aus: Revue générale de l’architecture et des travaux publics (1841). Tafel XXX

hohen Anschauungsgrad besitzt: „Mit der punktförmig gelagerten Stütze [dem Pendel] will er [Hittorff] das Aufgehängtsein des Daches nach außen hin besonders deutlich machen“.77 Hittorff veranschaulichte mit der am Außenbau punktförmig befestigten Konstruktion, dass – und dies war die Pointe – nicht mehr wie in der Steinarchitektur üblich Druck-, sondern Zugkräfte herrschten. Das an frei schwebenden eisernen Tragseilen aufgehängte Dach ermöglichte die Konstruktion eines stützenfreien Innenraums, der einen ungestörten Panoramablick zuließ. Technisch stellt das Hängedach eine vom Baukörper abgetrennte Konstruktion dar, was die Tragkabel am Außenbau zu erkennen geben, die durch die Dachhaut geführt und in den als Widerlager fungierenden Strebepfeilern befestigt wurden. Die außergewöhnliche Hängekonstruktion war zumal eine eigene, erklärende Tafel wert (Abb. 53). Da das Dachtragwerk tektonisch eine markante Wende bedeutete, nämlich die Aufkündigung des Prinzips von Lasten und Tragen, für das idealiter der griechische Tempel einstand, stellt sich die Frage: Wie kommt ein Beaux-Arts-Architekt auf das gusseiserne Hängewerk? Hittorff lässt wissen, dass ihm die Idee des „hängenden Daches“ durch das neuartige Konstruktionssystem von Hängebrücken mit eisernen Tragkabeln vermittelt wurde.78 Während Hittorff seine konkreten Vorbilder verschwieg, haben Christian Schädlich und Miron Mislin sie benannt und dabei Hittorffs Rolle für die frühe Ent77 Christian Schädlich: Eiserne Hängedächer im 19. Jahrhundert. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar 12 (1965). S. 185–190; Zitat: S. 186. 78 Hittorff 1841, Sp. 552.

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wicklung des Hängedachs herausgearbeitet.79 Das Konstruktionssystem des Hängewerks wurde am Brückenbau entwickelt, wo große stützenfreie Spannweiten gefragt waren.80 Technische Voraussetzung war der breite Einsatz von Eisen in Form von zugresistenten Eisendrähten, die seit 1816 eingesetzt wurden. So führte die 1832 bis 1834 errichtete Brücke von Chaley in Freiburg (Schweiz) mit einer lichten Spannweite von 273 m die baulichen Möglichkeiten des neuen Hängewerks vor Augen. Die Geschichte des Hängewerks steht für den Technisierungs- und Verwissenschaftlichungsschub, der den Bausektor in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts ergriff. Das wachsende Interesse an der Hängekonstruktion lässt sich einer Reihe von Studien ablesen, die in Deutschland, Frankreich und England erschienen.81 An der École polytechnique in Paris waren die Konstruktionstechniken von Hängebrücken fester Bestandteil der Vorlesungen von Nicolas-Louis Durand.82 Ein maßgeblicher Akteur in Sachen Hängewerkkonstruktion war der Brückenbauingenieur Marc Seguin. Miron Mislin hat die Rolle der Pariser Brücken Louis-Philippe (1833–1834) und Constantine (1836–1838) sowie jene bei Cubzac (Département der Gironde) und bei Bry-sur-Marne (beide 1832) für Hittorffs Panoramarotunde herausgehoben.83 Die Form der Pendelstützen selbst, kreuzförmig und kanneliert, zeigt sich indes abhängig von jenen, die in Polonceau-Bindern als Gelenk- und Stützpunkte der eisernen Zugbänder fungierten (Abb. 49).84 79 Schädlich 1965 und Miron Mislin: Zur Konstruktionsgeschichte der ersten Hängedächer im 19. Jahrhundert. In: Technikgeschichte 52 (1985). S. 25–48. 80 Einen synthetischen Überblick zur Geschichte der Kabelbrücke im 19. Jahrhundert bei Sylvie Deswarte u. Bertrand Lemoine: L’architecture et les ingénieurs. Deux siècles de construction. Paris 1980. S. 116–121; zur zeitgenössischen Beschäftigung mit dem Thema vgl. A.-A. Boudsot: Théorie des ponts suspendus. In: Revue générale de l’architecture et des travaux publique 1 (1840). Sp. 20–27 u. 76–91. 81 Vgl. Mislin 1985, S. 47. 82 Vgl. die Vorlesungsmitschrift von A. Fransoz aus dem Jahre 1823; Pfammatter 1997, S. 56. 83 Mislin 1985, S. 32–35. Zwischen 1823 und 1850 sind in Frankreich knapp 400 Kabelbrücken errichtet worden, davon ein Großteil nach Plänen von Seguin. Die Verkehrsbrücke Louis-Philippe und die Passarelle Constantine in Paris wurden während des Zweiten Kaiserreichs durch Steinbrücken ersetzt; heute Pont Sully und Pont Saint-Louis; vgl. Bertrand Lemoine: Les ponts de Paris. In: Le Paris des Polytechniciens. Des ingénieurs dans la ville 1794–1994. Hrsg. von Bruno Belhoste, Francine Masson u. Antoine Picon. Paris 1994. S. 193–201; bes. S. 193 f. Hängebrücken wurden als technische Wunder gefeiert, wie zahlreiche Berichte in illustrierten Boulevardmagazinen zeigen; vgl. etwa zu den Brücken von Cubzac und von Roche-Bernard in: Magasin pittoresque 9 (1841). S. 406–408 u. 10 (1842). S. 305 f. 84 Die Pendelstütze war eine Erfindung, die von Seguin bei der Kabelbrücke bei Bry-sur-Marne eingeführt worden war; Mislin 1985, S. 28. Zur Erfolgsgeschichte des Polonceau-Binders vgl. Schädlich 1989, S. 145. Das Hängewerk wurde im Hochbau bereits 1836/37 in der Fertigungshalle für Schiffsmasten im Seehafen von Lorient angewandt. Es wies die beachtliche Spannweite von 44 m auf und wurde nach dem Entwurf des Bauingenieurs Reibell zwischen zwei bestehende Lagerhallen gespannt. Die Dachkonstruktion bestand aus 37 satteldachförmigen Bohlenbindern, die stützenfrei an zwei Hängeseilen befestigt waren, welche über Pendelwalzen geführt in den angrenzenden Lagerhallen verankert waren; vgl. Mislin 1985, S. 31 f.

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Es sind nicht zuletzt diese Präliminarien die Hittorffs Entwurf einen innovativen Status bescheinigen, spiegeln sie doch die konzeptionell originelle Transposition einer Ingenieurstechnik in die Steinarchitektur, ohne diese selbst zu verabschieden. Hittorff umschrieb das Ergebnis wie folgt: „Ces raisons étaient, en effet, d’appliquer mon système de suspension avec simplicité et économie, et de faire concourir l’art aux détails comme à l’ensemble des contre-forts, de manière à imprimer à l’édifice un caractère neuf et architecturale“.85 An Eisen interessierte, wie Hittorff andeutete, seine Strukturalität und Wirtschaftlichkeit; beides Kategorien, die nicht in der Anschauung, sondern in der Tiefe des Materials verankert sind, was nicht zuletzt seine detaillierten baustatischen Berechnungen deutlich machten.86 Dass er sie den Lesern seines Artikels keineswegs vorenthielt, war für einen Architekten kaum selbstverständlich.87 Dabei hatte César Daly dies noch ein Jahr zuvor öffentlich moniert: „Les sciences mathématiques ne sont pas encore arrivés à ce point de perfection qu’elles puissent nous donner à coup sûr les instructions que demande la pratique“.88

Das Projekt eines Industriepalastes für die Weltausstellung 1855 Für Napoleon III. war die Ausrichtung der Weltausstellung im Jahre 1855 ein ehrgeiziges Unterfangen, das sich an der Great Exhibition of Works of Industry of all Nations von 1851 in London zu messen hatte. Der Ausstellungspalast sollte im Park der Champs-Élysées errichtet werden, zumal der Standort sich bereits für die nationalen Industriemessen seit 1839 mehrfach bewährt hatte.89 Wie man dem Dekret des Kaisers vom 30. März 1852 entnehmen kann, war der Anspruch hoch: „Considérant qu’il

85 Hittorff 1841, Sp. 558. 86 Die Bedeutung von Hittorffs Entwurf verdeutlicht, dass die Möglichkeiten des Hängedachwerks, große Spannweiten mit einfachen Mitteln zu überbrücken, der Architektur ganz neue Horizonte eröffnet haben, aber nicht im 19., sondern erst zu Beginn des 20 Jahrhunderts. Wichtige Marksteine für die im 20. Jahrhundert einsetzende Anwendung des eisernen Hängewerks sind der LokomotivAusstellungspavillon auf der Chicagoer Weltausstellung von 1933 und die nach Plänen von Matthew Nowicki 1950 errichtete Raleigh-Arena; vgl. Mislin 1985, S. 26. In der Tat waren es die Ängste gegenüber der Tragfähigkeit, welche eine zögernde Anwendung von eisernen Spannwerken nach sich zog. Bezeichnend etwa die „peur du risque“, die durch die eingestürzten Hängebrücken von Yarmouth 1845, Angers 1851 und Mährisch-Ostrau 1886 durchaus gerechtfertigt war; vgl. Schädlich 1965, S. 185. Ein bebilderter Bericht über den Einsturz der Eisenbahnbrücke bei Yarmouth am 2.5.1845, bei dem 150 Menschen ums Leben kamen, in: L’Illustration 5 (1845). S. 192. 87 Die baustatischen Kalkulationen bei Hittorff 1841, Sp. 554–556. 88 César Daly: Introduction. In: Revue générale de l’architecture et des travaux publique 1 (1840). Sp. 1–7; Zitat: Sp. 2. 89 Zur Geschichte der ersten Industriepaläste und ihres wechselnden Standortes innerhalb von Paris vgl. Françoise Hamon: Topographie parisienne des Expositions. In: Les Expositions universelles à Paris de 1855 à 1937. Hrsg. von Béatrice de Andia. Ausstellungskat. Paris 2005. S. 60–63.

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n’existe à Paris aucun édifice propre aux expositions publiques qui puisse répondre à ce qu’exigeraient le sentiment national, les magnificences de l’art et les développements de l’industrie; considérant que le caractère temporaire des constructions qui jusqu’à présent ont affectées aux expositions est peu digne de la grandeur de la France“.90 Anders als bei Joseph Paxtons Londoner Kristallpalast hatte man jedoch die Errichtung eines permanenten Ausstellungsgebäudes im Auge, das in der Folge den Grand Carré des Fêtes der Champs-Élysées bis 1896 besetzen sollte.91 Zur Ausführung kamen die Pläne von Alexis Barrault und Jean-Marie-Victor Viel, den Architekten der Aktiengesellschaft, welche die Ausstellung finanzierte.92 Prinz Jerôme Napoléon, der den Vorsitz des kaiserlichen Organisationskomitees der Weltausstellung führte, ließ indessen von Hector Horeau, Tony Desjardins und Hittorff alternative Entwürfe erarbeiten.93 Der Prinz befürwortete die Pläne der letzten beiden und leitete sie an den Minister Achille Fould weiter. Der offensiven persönlichen Einmischung des Prinzen Jerôme verdankte sich ein zweiter Plansatz Hittorffs aus dem Jahre 1854. Indem er dem Organisationskomitee und Fould vorrechnete, dass der im Bau befindliche Industriepalast von Viel und Barrault nicht genügend Ausstellungsfläche bieten würde, unterbreitete er Pläne für eine mehrflügelige Anlage aus Eisen und Glas, die auf den Champs-de-Mars auszuführen sei. Am Ende war es Napoleon III. selbst, der den forschen Neffen und seine Pläne für abkömmlich erklärte und von der Ausstellungsorganisation entband.94 Mit der Verwerfung des Marsfeldes als Standort kam Hittorffs zweiter Plansatz für eine Ausführung nicht mehr in Betracht. Da es um grundsätzliche Fragen zu Hittorffs Technikverhältnis geht, konzentrieren sich die folgenden Überlegungen auf sein erstes, besser dokumentiertes Projekt von 1852.95 Das Glashaus zeigt sich als in die Breite gedehnter mehrschiffiger Kreuzbau mit kurzen Querarmen und überkuppelter Vierung (Abb. 54). Eine gleichmäßige Abfolge von Bogenbindern gliedert das Mittelschiff, das von einer weiten Kuppelvierung und dem kurzen Transept wirkungsvoll unterbrochen wird (Abb. 55). Das Längsschiff sollte von zwei doppelgeschossigen Seitenschiffen begleitet werden, deren äußere Schiffe über die Querarme hinweg führen, um eine durchgehende Kom90 Abgedruckt in: Palais pour les expositions publiques. In: Revue générale d’architecture et des travaux publics 10 (1852), Sp. 160; vgl. ferner Joest 1986/87 (c), S. 215 f. 91 Zur Geschichte und zu den kunstpolitischen Aspekten der Pariser Weltausstellung von 1855 vgl. Patricia Mainardi: Art and Politics of the Second Empire. The Universal Expositions of 1855 and 1867. New Haven-London 1987. S. 39–47 und Winfried Kretschmer: Geschichte der Weltausstellungen. Frankfurt/M.-New York 1999. S. 62–68. 92 Vgl. Caroline Mathieu: Le Palais de l’Industrie de l’Exposition universelle de 1855. À propos de deux dessins de Max Berthelin. In: La Revue du Louvre et des musées de France (1982). S. 373–380. 93 Zu den folgenden Ausführungen Joest 1986/87 (c), S. 215–220. 94 Hierzu Jerôme Napoléon selbst: „En mon absence, le projet de transférer l’Exposition universelle dans un autre local que le Palais de l’Industrie fut abandonné“; [Jerôme Napoleon:] Rapport sur l’exposition universelle de 1855 présenté à l’Empereur par S. A. I. le prince Napoléon, président de la commission. Paris 1857. S. 45. 95 Joest 1986/87 (c), S. 202–205.

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Abb. 54: Jakob Ignaz Hittorff: Erster Entwurf für den Industriepalast der Weltausstellung von 1855 in Paris. Perspektivische Außenansicht. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Ch. 461a

munikation der Galeriebereiche zu gewährleisten (Abb. 56). Die Tragkonstruktion sollte vollständig in Eisen ausgeführt, alle Außenwände und Dachflächen mit Glastafeln geschlossen werden. Der weite Innenraum, die seitlichen Erschließungsmöglichkeiten und die Helligkeit entsprachen den Anforderungen einer Ausstellungshalle als Schauraum oder in einer Wendung von Wolfgang Schivelbusch gesagt: „Eisen und Glas … vervielfachen die Kapazität überdachter Räume“.96 Was die Steinarchitektur so nicht kennt, ist die unmittelbare Zusammenziehung von Tragwerk und Raumhülle, von Skelett und Dachkonstruktion, was einen Dachstuhl überflüssig macht.97 Hittorffs Ausstellungshalle reduziert sich folglich auf drei Grundelemente: Stützengerüst, Dachtragwerk und gläserne Dachhaut, was heißt, dass technisches Entwerfen reduktiv ist auf die Ökonomie der Mittel.98 Indes zeigt sich der fünfschiffige Grundriss mit Lang- und Querhaus nebst Kuppel typologisch der Steinarchitektur verpflichtet, was dem Eisenskelett wiederum einen genuin fremden semantischen Überschuss einträgt. Die Zweiteilung der Mittelschiffswände 96 Wolfgang Schivelbusch: Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert. München 1977. S. 45. 97 Laut Schädlich 1989, S. 138 hat als Prototyp für die Kombination von Bogenbindern und geradem Dachabschluss das von Karl Etzel zwischen 1841 und 1843 errichtete Dianabad in Wien zu gelten. 98 Worauf hier nicht einzugehen ist: Dass dieser Typus der Eisen-Glas-Architektur seine Prämissen im englischen Gewächshausbau des frühen 19. Jahrhunderts besitzt; dazu Kohlmaier/Sartori 1981, S. 107–110.

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in Arkaden- und Obergadenzone rekurriert trotz abweichender Details auf die französische Kathedralarchitektur, die Vierungskuppel über Pendentifs und niedrigem Tambour auf neuzeitliche sakrale Monumentalarchitektur. Dass der Betrachter auf konstruktiver Ebene in einem anderen Bausystem als der Steinarchitektur unterwegs ist, zeigt nicht zuletzt das Glasgewölbe an, das nach dem in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts aufkommenden Ridge-and-furrow-System gestaltet werden sollte. Die First-Kehle-Konstruktion hatte seit Joseph Paxtons Kristallpalast im Gewächshaus- und Hallenbau eine breite Rezeption erfahren. Konstruktives Grundelement ist ein gusseiserner Rinnbalken, der die Glassheds trägt und zugleich in seiner Auskehlung Regenwasser sammelt und ableitet.99 Kurzum: Dem Index des Klassischen wurde die Rationalität der Glas-Eisen-Architektur eingesät und umgekehrt. Hittorffs ‚technischer‘ Bau kombiniert Elemente und Strukturen, die ungeachtet ihrer Verknüpfung ihre jeweilige Eigenlogik bewahren. So lässt sich das in Ober- und Untergurt unterschiedene Spannwerk zum einen dem Register des Technischen zuordnen, zum anderen gehören die Bogenform des Binders und sein ornamentaler Dekor genauso dem Register der Stilarchitektur an. Die Vermengung der beiden Ordnungssysteme setzt hier Regeln und Muster, wie bei Hybridbildungen durchaus lizensiert, keineswegs außer Kraft. Zum Londoner Kristallpalast besteht der Unterschied darin, dass Paxton Technik als eine ahistorische Kategorie behandelte. Der Blick auf die Tragwerkkonstruktion verrät eine konsequente Rationalisierung aller Grundelemente zum Zwecke der seriellen Fertigung. Während die Bauteile in London auf ein Minimum von Varianten reduziert wurden, „um dadurch eine große Serie in der Herstellung, Vereinfachung in der Montage und eine Wiederverwendung zu ermöglichen“,100 bleibt die Idee größtmöglicher Produktionsrationalität bei Hittorff relativ. Das Erscheinungsbild von Paxtons Kristallpalast wurde indes durch die maximale Typisierung der Einzelelemente bestimmt. Deshalb lässt sich Paxtons Entwurf auch durch das charakterisieren, was ihm fehlt: Es gibt keine Ornamente, keine Bögen, keine Kuppel; der Bau hatte nicht einmal eine Hauptansichtsseite, denn er überwindet das, was die Moderne-Architektur des 20. Jahrhunderts kennzeichnen sollte, das Konzept der Fassade. Paxtons Crystal Palace hatte erst auf Anraten beziehungsweise Drängen von Kollegen ein Querhaus mit Tonnenwölbung erhalten – neben seinen monumentalen Ausmaßen das einzige Element, das dem Anspruch nach repräsentativer Wirkung gehorchte.101 Damit ist das Weltausstellungsgebäude von 1851 nahezu ausschließlich durch Merkmale ausgezeichnet, die den Bau als Vorwegnahme dessen erscheinen lassen, was sich die Moderne des 20. Jahrhunderts auf die Fahne schrei-

99 Zu Geschichte und technischen Details dieses eisernen Balkenwerks vgl. Kohlmaier/Sartory 1981, S. 142. 100 Kohlmaier/Sartory 1981, S. 418. 101 Zu Baugeschichte und Konstruktion von Paxtons Kristallpalast siehe Giovanni Brino: Crystal Palace. Cronaca di un’avventura progettuale. Genua 1995 und Nichols 2015.

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Abb. 55: Jakob Ignaz Hittorff: Erster Entwurf für den Industriepalast der Weltausstellung von 1855 in Paris. Perspektivische Innenansicht. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Ch. 461b

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Abb. 56: Jakob Ignaz Hittorff: Erster Entwurf für den Industriepalast der Weltausstellung von 1855 in Paris. Schnittansicht durch Vierung und Querhaus. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Ch. 460

ben sollte: Maximale Rationalisierung respektive Mathematisierung des gebauten Environments. Entwerfen wurde dem Regime des Rechnens überantwortet.102 Dem Hybridcharakter seines Industriepalastes hat Hittorff eine parallèle gewidmet (Abb. 57); eine Darstellungsform, die seit Mitte des 18. Jahrhunderts in Frankreich gebräuchlich war und die Genese und Filiation von kanonischen Bauten in eine ideale Abfolge zusammenrückte. Ein Ahne dieses historiographischen Anschauungsmodells stammt von Julien-David Leroy aus dem Jahre 1764. Das Blatt vergegenwärtigt Musterbauten der Sakralarchitektur vom frühen Christentum über die

102 Einen guten Vergleichs- wie letztlich Höhepunkt der bei Paxton angelegten Mathematik des Bauens bezeichnet die Expo’ 67 in Montreal, wo die (kybernetische) Funktionslogik gar in eine Kontrollparanoia mündete; vgl. Cornelius Borck: Der Transhumanismus der Kontrollmaschine. Die Expo’ 67 als Vision einer kybernetischen Versöhnung von Mensch und Welt. In: Die Transformation des Humanen. Beiträge zur Kulturgeschichte der Kybernetik. Hrsg. von Michael Hagener u. Erich Hörl. Frankfurt/M. 2008. S. 125–162.

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Abb. 57: Jakob Ignaz Hittorff: Sogenannte Parallèle zum ersten Plansatz des Industriepalastes für die Weltausstellung von 1855 in Paris. Zuoberst Joseph Paxtons Crystal Palace von 1851 in London. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Ch. 461

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Renaissance bis in die eigene Gegenwart.103 Obgleich Hittorffs parallèle ganz diesem akademischen Darstellungsformat verpflichtet ist, reiht sie nicht Musterbeispiele einer Baugattung auf, sondern stellt Monumental- und Repräsentationsbauten zusammen. In der unteren Reihe werden das Kolosseum (in Ansicht), links und rechts davon das Pantheon und Sankt-Peter (im Schnitt) gezeigt. Im Register darüber sind Bauten der Nouvelle Rome zu sehen, nämlich Perraults Louvre-Ostfassade, links daneben Brogniarts Börse und gegenüber Huvés Madeleinekirche. Darüber erscheint Hittorffs Industriepalast von 1852, flankiert von der Vendôme-Säule und der Porte Saint-Martin auf der einen Seite und vom Obelisken von Luxor auf der Place de la Concorde und der Porte Saint-Denis auf der anderen Seite. Die Bauten gibt Hittorff maßstabsgerecht wieder, aber nicht strikt in chronologischer Reihung. Paxtons Crystal Palace von 1851, zuoberst in Seiten- und Frontalansicht zu sehen, steht gleichsam außerhalb der Zeitrelation. Er wird mit seinen Kernmerkmalen der industriellen Serialität und Additionalität und folglich als Produkt einer rationalistischen und ahistorischen Entwurfsmethode vorgestellt, deren Eigenheit das geschichtlich Inkommensurable ist. Sein eigener Entwurf steht indes in einer Reihe mit antiken und neuzeitlichen Repräsentations- und Monumentalbauten, die damit zu historischen Prämissen erklärt werden. Hittorffs Blatt nach dem hergebrachten Deutungsmodell der Architekturgeschichte als ein Beispiel zu bezeichnen, das zwischen Tradition und Innovation vermittelt, würde die Überdeterminiertheit des Gedankenbaus unterschlagen, die dem Hybriden stets eignet.104 Die Vermessenheit des Hybriden besteht nämlich darin, dass das ‚Andere‘, hier die Ingenieursbaukunst, zwar anerkannt, aber zugleich vereinnahmt und kolonialisiert wird. Hittorffs parallèle-Blatt ist ganz in Analogie zu seinem Chef-d’œuvre-Konzept zu lesen: Mitte ist Höchstmaß.

Die Welt der neuen Artefakte Dass die Industrielle Revolution auch eine Artefakt-Revolution war, belegt nicht zuletzt der Umstand, dass eine bis dahin unbekannte Masse technischer Objekte den Stadtraum vereinnahmte und dinglich verdichtete. Zählte man in Paris im Jahre 1841 690 Straßenlaternen, davon 182 auf den Champs-Élysées, waren es 1859 bereits 23.325.105 Zu Ende des Jahrhunderts waren sie Legion und bevölkerten und beleuchteten selbst weniger distinkte Stadtviertel. Paris wurde angesichts des mannigfaltigen Sets von Laternen, Kiosken, Litfaßsäulen, Urinoirs, Sitzbänken, Boden- und Zaungittern, Pollern und einigem anderen mehr zu einer regelrechten Wunderkam103 Zur Geschichte dieser Darstellungsform vgl. Christopher Drew Armstrong: Espaces et longue durée. Julien-David Leroy et l’histoire de l’architecture. In: Livraison d’histoire de l’architecture 9 (2005). S. 9–19. Zu Leroys Blatt Jean-Marie Pérouse de Montclos: Jacques-Germain Soufflot. Paris 2004. S. 45. 104 Vgl. Kneer 2010, S. 233. 105 Die Zahlen nach Eck 1841, S. 77–79 und Michel Carmona: Le mobilier urbain, Paris 1985. S. 13.

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mer der Eisengussproduktion.106 Die Stadt wurde technomorph, d. h. ihre Textur zunehmend technisch geprägt. Wie es kaum anders sein kann, findet sich ein diesbezügliches Aperçu bei dem Paris-Flaneur par excellence, Walter Benjamin, der die ‚Wohnlichkeit‘ der Pariser Straße mit der neuen Beleuchtungskultur in einen direkten Zusammenhang stellte: „Die Erscheinung der Straße als Interieur, in die die Phantasmagorie des Flaneurs sich zusammenfaßt, ist von der Gasbeleuchtung nur schwer zu trennen“.107 Benjamin deutet hier an, dass die Artefakte den öffentlichen Raum möblierten – deshalb ihre neuere Bezeichnung als Mobilier urbain.108 Ihre Ubiquität und Standardisierung verwandelten das Exterieur von Paris in einen Innenraum, machten es wohnlich.109 Dass diese moderne Urbanität immer auch technische Kultur ist, gehört indes zu den weitgehend unbefragten Kapiteln der Stadt(bau)geschichte des 19. Jahrhunderts.110 Hittorff kam den Anfängen dieser Entwicklung eine durchaus tragende Rolle zu. Man darf seinen Entwurf von 1829 für die Neugestaltung der Place de la Concorde als einen starting point der Technisierung des Pariser Stadtraums bezeichnen (Abb. 21).111 Das Novum dessen, was im Laufe des 19. Jahrhunderts zur Selbstverständlichkeit werden sollte, lässt sich einem Aufschrei eines Kritikers der Planentwürfe entnehmen: „Que de candélabres, grand Dieu!“.112 In der Tat sah Hittorffs Planung einen regelrechten Laternenwald (332 Kandelaber) vor, der das Sühnedenkmal Ludwigs XVI. in der Platzmitte und die Reiterdenkmäler der französischen Könige in 106 An der Universität Mainz wird aktuell unter der Leitung von Gregor Wedekind und Salvatore Pisani das DFG-Projekt „Mobilier urbain. Objektkultur und öffentlicher Raum im Paris des 19. Jahrhunderts“ durchgeführt, das sich den hier angesprochenen Zusammenhängen ausführlicher widmet. Zum Thema Salvatore Pisani: Paris, Stadt der (gusseisernen) Dinge. In: Die Stadt und ihre Bildmedien. Das Paris des 19. Jahrhunderts. Hrsg. von Steffen Haug u. Gregor Wedekind. Paderborn 2018. S. 133–150. 107 Benjamin 1992, S. 48 f. 108 Marie de Thézy: Marville. Paris 2015. S. 28 datiert das Aufkommen des Begriffs „Mobilier urbain“ in die 1960er Jahre. 109 Zur technischen Verfasstheit moderner Kulturen vgl. Hartmut Böhme: Kulturgeschichte der Technik. In: Orientierung Kulturwissenschaft. Hrsg. von Dems., Peter Matussek u. Lothar Müller. Hamburg 2000. S. 164–178 und Martina Heßler: Kulturgeschichte der Technik. Frankfurt/M. 2012. S. 9 f. (dort zum Begriff der „technischen Kultur“). Zu den technomorphen Prämissen, die aus dem Boulevard des 19. Jahrhunderts einen Aufenthaltsraum mit hohen urbanen Qualitäten gemacht haben, vgl. Pisani 2021. 110 Fragen zum Stadtraum konzentrieren sich von architekturhistorischer Seite her bevorzugt auf Aspekte von Gestaltung und Embellissement; so Vittorio Magnago Lampugnani, Harald R. Stühlinger u. Markus Tubbesing: Atlas zum Städtebau. Bd. 2: Straßen. München 2018 u. Vittorio Magnago Lampugnani: Bedeutsame Belanglosigkeiten. Kleine Dinge im Stadtraum. Berlin 2019. Indes neuerdings unter Einschluss von Fragen der Technikästhetik Dietrich Erben: Infrastruktur, Architektur und politische Kommunikation. Eine Skizze. In: Arch+. Zeitschrift für Architektur und Urbanismus 239 (2020), S. 70–79. 111 Zur verwickelten Planungsgeschichte der Place de la Concorde als Bourbonenforum vgl. den Überblick bei Butenschön 2009, S. 243–253. 112 Picolet 1829, S. 557.

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den Karrees einrahmen sollte. Der rhetorische Affekt des Kritikers war zeitspezifisch, insofern den Gaslaternen die notwendige Symbolhaftigkeit fehlte, welche die Bauaufgabe einforderte. Gleichwohl zeigt der Kontext der Aufstellung, ein Königsplatz, an, dass Gaslaternen und nächtliche Beleuchtung noch lange kein Alltagsphänomen waren.113 1829 hatte Paris erstmals festmontierte Gaslaternen erhalten, nämlich zehn in der Rue de la Paix und vier auf der Place Vendôme.114 Im 18. Jahrhundert wurde nachts bereits die für Hof und Adel reservierte Cours-La-Reine mit temporär aufgestellten Laternen beleuchtet.115 Genauso verhielt es sich bei der Brückenpromenade des Pont-Neuf mit dem Reiterdenkmal Heinrichs IV. und der sich gegenüber öffnenden Place Dauphine, zu deren exklusiver Raumsemantik die (temporäre) künstliche Beleuchtung gehörte.116 Die Laternen des geplanten Bourbonenforums kamen auch insofern auf einer älteren, hochrangigen Traditionslinie zum Stehen, als ihre Aufstellung an den Parterre- und Wegerändern jener von Buchs- und Formbäumchen entsprach, wie man sie aus der geometrischen Gartenkunst Frankreichs kannte. Der Artefakt-Park des Bourbonenforums von 1829 ging weitgehend in der erhabenen Raumgestaltung und ihrem klassischen Erscheinungsbild auf. Kurzum: Der ‚Vorstoß‘ der Technik im öffentlichen Raum wurde formalästhetisch auf verbürgte Muster der Repräsentationskultur zurückgeschraubt. Auch an der Form der Laternen selbst lässt sich die Möblierung des Stadtraums mit technischen Artefakten als ein Akkulturationsprozess ablesen. In einer Fotoaufnahme von Charles Marville, der seit der Mitte des Jahrhunderts im Auftrag der Haussmannschen Administration das Stadtmobiliar ablichtete und dokumentierte, ist eine nach späterem Entwurf Hittorffs ausgeführte Gaslaterne der Place de la Concorde festgehalten (Abb. 58).117 Die technische Seite der Stablaterne zieht sich zwar in die Latenz zurück, bleibt aber insgesamt erkennbar. Dem schmalen, hohen Fuß, der den Behälter mit dem komprimierten Gas aufnahm, sitzt eine hohle Stabröhre auf, durch die das Gas in die von einem Glasschirm geschützte und mit einem Reflektor ausgestattete Laterne strömte. Das Schlagende des Designs liegt darin, dass 113 Für die auszeichnende Qualität von Gaslicht charakteristisch seine frühe Verwendung seit circa 1810 in Örtlichkeiten des Pariser Highlife, so zunächst in den Passagen, dann in Oper, Theater und Varietes; vgl. E. D.: Histoire de l’éclairage de Paris. In: Le Gaz. Journal des Consommateurs 1 (10.2.1857). S. 2–5; hier S. 5. 114 Jean-Pierre Williot: Nouvelle ville, nouvelle vie. Croissance et rôle du réseau gazier parisien au XIXe siècle. In: Paris et ses réseaux. Naissance d’un mode de vie urbain XIXe–XXe siècle. Hrsg. von François Caron, Jean Dérens, Luc Passion u. Philippe Cebron de Lisle. Paris 1990. S. 213–232; bes. S. 215. 115 Zur Beleuchtung des Korso der Cours-La-Reine vgl. Fossier 1997, S. 159–162. 116 Vgl. Pont-Neuf 1578–1978. Ausstellungskat. Musée Carnavalet. Paris 1978; Jocelyne van Deputte: Ponts de Paris. Paris 1994. S. 114–137 und Pisani 2021. 117 Zu Marville als Fotograf der Ville de Paris unter enger Zusammenarbeit mit dem „père du mobilier urbain“, Gabriel Davioud, vgl. Thézy 2015, S. 23–33. Ein Abzug der hier reproduzierten Fotografie findet sich auch in Hittorffs Nachlass; vgl. Paris erwacht! Hittorffs Erfindung der Place de la Concorde. Ausstellungskat. Köln 2017. S. 90.

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Abb. 58: Charles Marville: Stablaterne auf der Place de la Concorde. Fotografie, kurz nach 1850. Paris, Musée Carnavalet

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das Technische nahtlos in der klassischen Ästhetik aufgeht. Die Stablaterne erscheint in der dreiteiligen Untergliederung von Basis, Schaft und Kopfstück der Säulenordnung angenähert. Der Durchmesser des schmalen Rundeisens indes, der sich dem industriellen Eisenguss schuldete, macht deutlich, dass die klassische Semantik hier fremd geht. Das gilt auch für ihre ästhetischen Adjektive wie Kanneluren, Rosetten, Schuppenmuster, Wulst-Kehle-Profil und anderes mehr. Das technische Artefakt wurde also mit dem Stilkleid der Hochkunst eingehüllt und im Zuge seiner Ästhetisierung umkodiert und aufgewertet. Auf der Linie Benjamins gesprochen wurde das Rundeisen, das Signifikat, mit der Beaux-Arts- beziehungsweise SalonÄsthetik überschrieben und damit semantisch jenem sozialen Milieu angepasst, das sein Adressat war, nämlich das Paris der Bourgeoisie. Für die Frühmoderne waren Gaslicht, Glas, Gusseisen sowie die technischen Artefakte im urbanen Raum noch gewöhnungsbedürftige Neuerungen beziehungsweise Fremdkörper. Am gusseisernen Straßenmobiliar manifestierte sich nur exemplarisch, was sich als die Aufgabe und Herausforderung des Industriellen Jahrhunderts insgesamt stellte, nämlich das Technische, das zusehends in die Lebenswelt vordrang, zu akkulturieren. Man kann in der seriellen Montage und dem seriellen Additionsbild, in das sich die Laternen bis heute im Stadtraum linear aufreihen, jene Rationalität und Ökonomie fassen, die der Welt der Produktionslogik entstammt.118 Und doch spiegelt Marvilles Fotografie vor allem jene Uneindeutigkeit, die für das 19. Jahrhundert chronisch war. Er fotografierte zwar ein Artefakt, aber eben nicht als ein technisches Produkt. Denn als Solitär abgelichtet negiert die Straßenlaterne ein den Artefakten inhärentes Grundmerkmal, nämlich das Serielle und Repetitive, das sich ihrer industriellen Fabrikation schuldet. Das Kameraobjektiv tauscht die technische Semantik indes mit jener höheren Werkästhetik ein, die Singularität adressiert.119 Marvilles Fotografie eignet das Paradox, dass sie dort das Nicht-Identische, das Einmalige, betont, wo das Identische, die Standardisierung, vorherrscht. Aus dem Technischen dekontextuiert rückt die Laterne in andere, kulturelle Kontexte, ohne dass die technische Seite gänzlich eskamotiert wird. Das 19. Jahrhundert modernisierte sich nachgerade (diskret) durch Unschärfen, Chiasmen und Widersprüche.

118 Zur Logik der Bandproduktion und der Standardisierung der Produktwelt, wie sie sich um 1800 in der Industrie zunehmend durchsetzte, vgl. Sigfried Giedion: Die Herrschaft der Mechanisierung. Ein Beitrag zur anonymen Geschichte. Hrsg. von Henning Ritter. Frankfurt/M. 1987. S. 72. 119 In diesen Kontext lässt sich die zeitgenössische Aussage verbuchen, derzufolge die Fotografie der Rückzugsort der gescheiterten Maler war. Bekannt ist Marvilles Bemühen um Aufnahme an der École des beaux-arts, die mißlang; vgl. Sarah Kennel: Charles Marville, Hidden in Plain Sight. In: Charles Marville. Photographer of Paris. Hrsg. von Ders. Ausstellungskat. Washington 2013. S. 2–41; hier: S. 15.

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Technokratie und Stadtbaukunst – Das Bekehrungsregime des Präfekten Georges-Eugène Haussmann „An der strategischen Absicht der Durchbrüche ist nicht zu zweifeln. … Wenn es sich nur um sie gehandelt hätte, ihr wäre noch besser durch baumlose, strenge Heerstraßen gedient gewesen als durch die freundlichen Boulevards, auf denen Promenaden und Kioske die Sicht hindern“. Fritz Stahl: Paris. Eine Stadt als Kunstwerk. Berlin 1929. S. 168

Ein zentrales Datum für die Pariser Stadtbaugeschichte ist der 24. Juni 1853, als Georges-Eugène Haussmann (1809–1891) von Kaiser Napoleon III., zum Präfekten des Seine-Départements berufen und mit der besonderen Aufgabe betraut wurde, die Um- und Neugestaltung des Pariser Stadtkörpers ins Werk zu setzen. Es handelte sich um jenes Bau- und Sanierungsunternehmen größten Ausmaßes, das Paris zwischen 1853 und 1914 nicht nur von Grund auf neu gestalten, sondern mehr noch zum Modell einer modernen Großstadt erheben sollte. In den Worten Hittorffs, die er im Jahr von Haussmanns Berufung an Sulpiz Boisserée in Bonn adressierte, liest sich dies wie folgt: „Die neuen Straßen, besonders die Fortsetzung der Rue de Rivoli … sind etwas erstaunungsvolles, selbst für die Pariser. Die Arbeiten für die Verbindung des Louvre mit dem Tuilerien Palaste gränzen ans unglaubliche; überhaupt ist der Impuls, das Wollen des Kaisers [Napoleon III.], gleich einem magischen Stabe, welcher in einem Nu neue hervorruft“.120 Was sich im Paris des Zweiten Kaiserreichs urbanistisch vollzog, scheint der Schumpeterschen Formel der „schöpferischen Zerstörung“ zu gehorchen; jener Aporie, ohne die es die „Hauptstadt des 19. Jahrhunderts“ nicht geben würde. Denn die Boulevards, Flaniermeilen, Markthallen, Bahnhöfe, Grands Hôtels, Warenhäuser der neuen Metropole stehen auf den Trümmern des vieux Paris.121 Man schlug durch die dicht bevölkerten und verwinkelten Elendsviertel schnurgerade, breite Verkehrsschneisen (percements) und durchäderte den Untergrund von Paris weitläufig mit einem leistungsfähigen Abwasser- und Versorgungssystem. Den Filz des mittelalterlichen Stadtkerns überzog man mit einem großdimensionierten Raum- und Achsensystem, das die isolierten Arrondissements öffnete und untereinander verschaltete. Wenn Menschen, Fuhrwerke, Waren und das Kapital zu zirkulieren begannen, dann auch weil der ehemals fraktale Stadtraum in einen logistischen Gesamtorganismus überging, dem zumal durch neuartige öffentliche Raum- und Konsumbühnen sowie neu angelegte Parks und Squares ein urbaner Mehrwert zuwuchs. Das sind nur wenige Stichworte einer weitläufigen Ent120 Brief Hittorffs vom 12.6.1853 an Sulpiz Boisserée; Köln, HAS, Nachlass Sulpiz Boisserée, 1018–A 143. 121 Das Paradox hat der Ökonom Joseph A. Schumpeter 1942 als ein Strukturelement des Kapitalismus beschrieben, das die Vernichtung von Kapital und Ressourcen als Voraussetzung und Motor zur Schaffung von Mehrwert bezeichnet. Eine Anwendung der Formel auf (Stadt)Architektur ist insofern gerechtfertigt, als diese stets einen schweren und zugleich nachhaltigen Eingriff in die (Um)Welt darstellt; vgl. Pisani 2018, S. 141 f.

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wicklung, die Paris in der zweiten Jahrhunderthälfte zu einem beispiellosen Konzentrat von Kapital, Konsum und Kultur machte.122 Das urbanistische Modernisierungsprojekt, das Geld- und Kapitalmarkt, Güterproduktion und Transportwesen inkludierte, ging auf die Initiative des 1848 zum Prinz-Präsidenten gewählten Louis-Napoleon, dem späteren Kaiser Napoleon III., zurück.123 Das nötige politische Gewicht verschaffte sich Louis-Napoleon mit dem blutigen Staatsstreich von 1851. Kurze Zeit später folgte dem politischen der städtebauliche Gewaltakt. In das alte Stadtgewebe wurde seit 1852 das monumentale, schließlich 80 Kilometer messende Achsensystem der architektural weitgehend uniformen Boulevards geschlagen. Zur Geschichte dieses kolossalen Um- und Neubaus von Paris gehörte die durchgreifende Reform der Bauverwaltung. Bei Amtsantritt stieß Haussmann nach eigenen Angaben im Service d’architecture de la Ville auf ein auffallend großes Missverhältnis zwischen Architekten und Ingenieuren.124 Das Heer von Architekten sollte zugunsten von Ingenieuren der École des ponts et chaussées (gegründet 1747) und der École polytechnique (1794) reduziert werden.125 Man muss wissen, dass die Gründungen dieser beiden Schulen, denen sich im Laufe des 19. Jahrhunderts weitere polytechnische Ausbildungseinrichtungen hinzugesellten, eine wichtige Prämisse für den Verwissenschaftlichungs- und Technisierungsschub des 19. Jahrhunderts bildeten.126 Wenn Ingenieure favorisiert wurden, dann auch, so Haussmann, weil diese höhere soziale Kompetenzen als Architekten besäßen. Denn die Ingenieure seien „des fonctionnaires appartenant à une hiérarchie fortement organisée, voués exclusivement au Service public“.127 Deren Hierarchieergebenheit befördere die Disziplin und den reibungslosen Ablauf behördlicher Vorgänge. Mit anderen Worten: Wer Baupläne wie Schaltpläne entwirft, also techno-logisch denkt, 122 Der kolossale Umbau der Stadt firmierte unter der lapidaren Klausel der „Grands Travaux de Paris“. So auch der Untertitel des dritten Bandes von Haussmanns Memoiren; vgl. Haussmann 2000, S. 785. Zu den einzelnen administrativen, politischen und architekturgeschichtlichen Aspekten der Haussmannschen Präfektur, die einen zentralen Forschungsgegenstand der Stadtbaugeschichte von Paris bilden, hier aber nicht in extenso verhandelt werden können, vgl. Pierre Lavedan: Histoire de l’urbanisme à Paris. Paris 1975. S. 413 ff.; Willms 1988, S. 349–376; Jean des Cars u. Pierre Pinon (Hrsg.): Paris-Haussmann. „Le Pari d’Haussmann“. Ausstellungskat. Paris 1991; Van Zanten 1994, S. 198–255; David Jordan: Die Neuerschaffung von Paris. Baron Haussmann und seine Stadt. Frankfurt/M. 1996. S. 177–230; André Morizet: Du vieux Paris au Paris moderne. Haussmann et ses prédécesseurs. Gollion 2014 und insbesondere Pinon 2016. 123 Johannes Willms: Napoleon III. Frankreichs letzter Kaiser. München 2008. S. 137–157. 124 „La Ville employait encore plus d’architectes que d’ingénieurs“; Haussmann 2000, S. 1069. 125 Haussmann behielt die einzelnen Bauabteilungen bei, wie sie sich unter der Julimonarchie konstituiert hatten (das waren die Bureaux des ponts et chaussées, des eaux et du pavé, des travaux de voirie, des alignements et des travaux d’architecture), ergänzte sie 1855 jedoch um das wichtige Bureau des promenades et plantations; vgl. Pinon 2016, S. 102–106 und Decommer 2017, S. 219–223. 126 Zu den frühen Polytechnicien als Repräsentanten einer (Proto)Technokratie vgl. Salvador Juan: Symboles, idéologies et conceptualisation de la technocratie naissante. In: La technocratie en France. Une nouvelle classe dirigeante? Lormont 2015. S. 17–38; bes. S. 18–32. 127 Hausmann 2000, S. 1069.

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der verhält sich selbst schon ‚systemisch‘ und ordnet sich den Imperativen der Struktur unter. Technokratie meint demnach die Errichtung syntaktischer Regime, in denen sich Verwalten und Verhalten und nicht zuletzt Gestalten den Kategorien der Rationalität unterstellen. Geboren wurde letztlich eine neue politische Machtsorte, deren Kernelement die Latenz ist.128 Architekten, so Haussmann, seien indes Individualisten, die sich vorzugsweise den Hierarchien der Verwaltung entzögen und die, weil sie jenseits ihres Amtes noch freiberuflich tätig seien, es am nötigen Gemeinsinn fehlen lassen würden („En résumé, l’Architecture était pour tous [die Architekten] une profession; pour beaucoup, sans doute, un art; mais pour aucun, ce n’était la fonction publique“).129 Haussmann ging es offensichtlich um einen Wechsel der Parameter, was nicht grundsätzlich einen Wechsel des Personals einschloss. Während er an die Spitze des Service des eaux und des neugegründeten Service des promenades et plantations die Ingenieure Eugène Belgrand und Adolphe Alphand setzte, behielt er im Service d’architecture die beiden angestammten Architekten Victor Baltard und Hittorff bei.130 Statt der Substitution erfolgte hier die Konversion, was dem latent forcierenden Prinzip des Technokratischen gehorchte. Haussmann wird in seinen Memoiren behaupten, den beiden gleichsam ‚Vernunft‘ eingebläut zu haben. Die folgenden Beobachtungen und Überlegungen führen entlang der Bruchlinien dieses gewaltförmigen Bekehrungsprozesses. Zunächst zu Baltard. Baltard war Leiter des Service d’architecture, zu dessen wichtigster Amtsaufgabe die seit 1842/43 in Planung befindlichen Markthallen, die Halles centrales, bei Sainte-Eustache gehörten – eine Aufgabe, die sich für ihn unter dem neuen Präfekten zu einem Trauma entwickeln sollte.131 Als Napoleon III. am 3. Juni 1853 die Baustelle besichtigte, wies er den Abriss der acht in Bau befindlichen Steinpavillons an. Stattdessen wurde der erhöhte Einsatz von Eisen nach dem Vorbild der Gare de l’Est von Alfred Armand angemahnt.132 Haussmann schildert den Materialwechsel von Stein zu Eisen als die Konversion des Beaux-Arts-Architekten 128 Vgl. Nora Mitrani: Die Zweideutigkeit der Technokratie. In: Texte zur Technokratiediskussion. Hrsg. von Claus Koch u. Dieter Senghaas. Frankfurt/M. 1971. S. 71–89. 129 Haussmann 2000, S. 1069. 130 Alphand wurden der Architekt Gabriel Davioud (Stadtmobiliar und -brunnen) und der Gartenarchitekt Jean-Étienne Barillet-Deschamps unterstellt. Haussmann betrieb insofern Ämterpatronage, als Alphand und Barillet-Deschamps bereits zu seiner Entourage seit der Präfektur in Bordeaux und Belgrand seit jener in Yvonne gehörten. Vgl. Lavedan 1975, S. 421. Zur Personalpolitik der Präfekten unter dem Zweiten Kaiserreich vgl. allgemein Bernard Le Clère u. Vincent Wright: Les préfets du Second Empire. Paris 1973. 131 Zur verwickelten Baugeschichte der Halles centrales siehe die Zusammenfassungen bei Bertrand Lemoine: Les Halles de Paris. L’histoire d’un lieu, les péripéties d’une reconstruction, la succession des projets, l’architecture d’un monument, l’enjeu d’une „cité“. Paris 1980. S. 108–117 und Pinon 2005, S. 169–185. Ferner Victor Baltard u. Félix-Emmanuel Callet: Monographie des Halles centrales de Paris, construites sous le règne de Napoléon III et sous l’administration de M. le Baron Haussmann. Paris 1863. 132 So der Wunsch des Kaisers überliefert von Haussmann 2000, S. 1072.

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zum Bauingenieur. Rhetorisch lässt er die Passage in seinen Memoiren zu einer gewaltigen Standpauke gerinnen, in die Haussmann das Hierarchiegefälle zwischen Präfekten und Architekten einschrieb. Der locus classicus der französischen Architekturgeschichte lautet: „C’était [Baltard] un esprit entier et un classique endurci. Le fer! c’était bon pour les ingénieurs; mais, qu’est-ce qu’un architecte, ‚un artiste‘, avait à faire de ce métal industriel? Comment! Lui, Baltard, un Grand-Prix de Rome. … Je fis appeler Baltard et je lui dis: ‚Il s’agit de prendre revanche. Faites-moi, au plus vite, un avant-projet suivant ces indications. Du fer, du fer, rien que du fer!‘“.133 Angedeutet ist mit der Anekdote zumal der Auftritt eines neuen, autoritären Funktionärstypus, der in Haussmann, so der französische Innenminister Victor Fialin Persigny, seine idealtypische Verkörperung gefunden hätte. Der Minister erinnerte sich an die Bestallung von Haussmann zum Präfekten von Paris wie folgt: J’avais devant moi un des types les plus extraordinaires de notre temps. Grand, fort, vigoureux, énergique en même temps que fin rusé, d’un esprit fertile en ressources, cet homme audacieux ne craignait pas de se montrer ouvertement ce qu’il était. Avec une complaisance visible pour sa personne, il m’exposait les hauts faits de sa carrière administrative, ne me faisant grâce de rien; il aurait parlé six heures sans s’arrêter, pourvu que ce fût de son sujet favori, de lui même. … Pour lutter, me disais-je, … contre des gens rusés, sceptiques, … peu scrupuleux, … voici l’homme tout trouvé.134

Der neue Präfekt, der sich an der Schnittstelle zwischen Politik und Verwaltung zu bewähren hatte, zeigte sich also höchst kommunikativ, selbstbewusst, willensstark, kultiviert und risikoaffin, kurzum: Als ein Tatmensch des 19. Jahrhunderts.135 An

133 Haussmann 2000, S. 1072. Bei Betrachtung des ausgeführten Gebäudes wird freilich die Halbherzigkeit der Konversion transparent. Siegfried Giedion monierte, dass die auf dem Bogen- und Balkensystem der Steinarchitektur beruhende Konstruktion der Halles centrales die besonderen statischen Eigenheiten des Eisens letztlich unausgeschöpft gelassen habe; Giedion 1928, S. 27–30. Anders gewendet: Baltard hat sich dem Materialdiktat zwar gebeugt, zugleich aber die Entwicklung eines materialgerechten Konstruktionssystems ausgebremst. Ein Vergleich mit dem Konkurrenzentwurf für die Hallen von Eugène Flachat, dem Entwerfer des 40 m messenden Eisenspannwerks der Gare Saint-Lazare (1851–1853), macht die versäumten Möglichkeiten deutlich. In den Worten von César Daly: Halles centrales de Paris. In: Revue générale de l’architecture et des travaux publique 12 (1854). Sp. 6–34; hier: Sp. 31 liest sich dies wie folgt: „Huit supports pour chacun des deux petits pavillons, seize pour le grand, tels sont les seuls points d’appui sur lesquels reposent ses vastes combles, dont les portées atteignent, dans le pavillon principal, jusqu’à 80 m de largeur. C’est sur des fermes en tôle, combinées suivant l’ingénieux système auquel M. Camille Polonceau a attaché son nom, que M. Flachat fait reposer de légères toitures, faiblement inclinées, et disposées en gradins, que séparent des claires-voies métalliques, par lesquelles pénètrent uniformément, sous le couvert, de larges cordons de lumière, qui assurent une ventilation énergique“. 134 M. H. De Laire (Hrsg.): Mémoires du Duc de Persigny publiés avec des documents inédits. Paris 1896. S. 253 f. 135 Eine instruktive Zusammenstellung zeitgenössischer Charakteristiken der Person Haussmanns bei Thierry Paquot: Le Baron Haussmann, le mal-aimé? In: Paris-Haussmann. „Le Pari d’Haussmann“. Hrsg. von Jean des Cars u. Pierre Pinon. Ausstellungskat. Paris 1991. S. 304–310. Zur durch-

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Persignys Darstellung fällt auf, dass sie Haussmanns Wahl zum Präfekten von Paris gleichsam strukturell begründete. Hier habe der Typ von Herausforderung den Typ von Akteur in Amt und Stellung gebracht. Dass die Rekrutierungsprinzipien den Imperativen der Struktur folgten, scheint auch Haussmanns kompetentester Sekundant, Alphand, zu belegen, den ein Zeitgenosse als „le type parfait de l’administrateur“ apostrophierte.136 Haussmann selbst strich das unpersönliche Profil von Alphand als das entscheidende Positivum seines Charakters hervor: M. Alphand avait cette vertu, bien rare chez les fonctionnaires, et, en général, chez tous les hommes hiérarchiquement subordonnés à d’autres, qu’ils les aient acceptés pour chefs, volontairement ou non, de savoir mettre de coté ses propres conceptions, complètement, loyalement, sans aucune réserve, lorsqu’elles ne cadraient pas avec les vues de l’Administration qu’il servait. Dans ce cas, il s’assimilait avec une facilité merveilleuse les idées qu’il devait adopter, si différentes qu’elles pussent être des siennes, pour s’en inspirer désormais, et, toujours, il en poursuivit l’application pratique avec une fidélité consciencieuse, avec un zèle absolument irréprochable.137

Die Zuspitzungen der Passage markieren jene rationalen Tugenden, die einen Funktionär als idealen Staatsdiener erscheinen ließen: Der Verzicht auf einen Eigenwillen und die Subordination unter höhere, vorgegebene Strukturen.138 Für unseren architekturhistorischen Zusammenhang ist relevant, dass die technokratisch geprägte Verwaltungselite ein neues Organisations- und Planungsregime an den Tag legte, dem eine ausgeprägt technische Ästhetik eigen war – womit Eigenschaften des ‚technischen‘ Personals sozusagen wieder in die Struktur zurückflossen.139 Zur Veranschaulichung ein Entwurf aus Alphands Planungsbüro. Das Blatt entstammt Alphands berühmtem Foliowerk Les promenades de Paris, erschienen zwischen 1867 und 1873, und zeigt die Möblierung eines Pariser Boulevards mit Stablaternen, Sitzbänken, getrimmten Laubbäumen nebst zugehörigen Bodenschutzgittern und Drainagesystem (Abb. 59). Im Ausschnitt oben links wird die Abstimmung der Boulevardmöblierung mit den Häuserfronten der Immeubles haussmanniens illustriert. Das Intervall der Bäume korrespondiert mit der Breite der

aus strapaziösen Position des Präfekten zwischen Politik und Administration vgl. Édouard Ebel: Les Préfets et le maintien de l’ordre public en France, au XIXe siècle. Paris 1999. S. 215–223. 136 Georges Lafenestre: Notice sur la vie et les œuvre de M. Alphand. Paris 1899. S. 5. 137 Haussmann 2000, S. 869. 138 Zur Person von Alphand vgl. Lutz Bimbot-Alfonso: L’ascension d’un ingénieur des ponts et chaussées de Bordeaux à Paris: Adolphe Alphand. In: Bulletin de la Société de l’Histoire de Paris et de L’Ile-de-France 131 (2004). S. 99–126. Alphands Service des promenades et plantations kennzeichnete entsprechend Gruppenarbeit. Auch wenn Alphand, wie Chiara Santini: Construire le paysage de Paris. Alphand et ses équipes (1855–1891). In: Le Grand Pari(s) d’Alphand. Création et transmission d’un paysage urbain. Hrsg. von Michel Audouy et al. Paris 2018. S. 33–49 u. 368–369; bes. S. 45 dargelegt hat, die Projekte seines Büros firmierte, waren sie gleichwohl das Ergebnis einer Kollektivautorschaft. 139 Einen genaueren Einblick hinter die Kulissen von Alphands Planungsbüro gibt Santini 2018.

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Einfahrt und die Aufastung der Bäume wiederum mit der Höhe des Tores und der Ladenzeile. Die Disposition ist samt und sonders pragmatisch. Im Sommer gewährt sie genügend Schatten und im Winter entsprechend ausreichend Licht. Das parallel zu den Hausfronten geführte Alignement aus Laternen, Bäumen und Sitzbänken bildet jenen schmalen Austrittsstreifen, der kurzfristige Aufenthalte am Rande der Lauffläche des Trottoirs ermöglichen sollte.140 Alphands Blatt führt die Boulevardgestaltung als eine Sache des Technischen und Administrativen vor Augen. Serialität und additive Reihung der Artefakte gehorchen einem administrativ-syntaktischen Denken, durch das sich einerseits die industrielle Produktionslogik, andererseits die verwaltungstechnischen Arbeitsschritte auf den Boulevard verlängerten und hier materialisierten. Der diagrammatische Charakter von Alphands Schaubild spiegelt mustergültig jene techno-logische Gouvernementalität des öffentlichen Raums, wie sie Haussmann vor Augen schwebte.141 In Alphands Schaubild geht es nicht um die Artefakte selbst, sondern um deren Anordnung im Ganzen des Stadtraums. Vorexerziert wird systemisches Denken.142 Zu dessen Eigenart gehört, und das ist letztlich die hier verfochtene These, der forcierende Charakter. Denn das Systemische erzwingt eine bestimmte Form zu gestalten, die ihrerseits wieder in dieses Denkmodell zurückwirkt. Aus diesem wechselseitigen Rekurs ergibt sich die grundsätzliche Einheit von technokratischer Verwaltung, technischem Gestalten (Design) und, wenn man Haussmann folgen will, von hierarchiekonformem Verhalten der ‚Funktionäre‘. Damit sind Planen und Verwalten reduktiv auf ein rechnendes Denken. Wenn Technokratie und Technologie im Sinne von Gouvernementalität opake Machtsorten sind, dann auch weil sie 140 Zu Geschichte, Ausstattung und Charakter des Boulevards als einer geschlossenen Raumeinheit vgl. Bernard Landau u. Vincent Sainte-Marie Gauthier: Les prémices d’un espace public. In: Les Grands Boulevards. Un parcours d’innovation et de modernité. Hrsg. von Bernard Landau, Claire Monod u. Evelyne Lohr. Paris 2000. S. 91–97 und Lampugnani/Stühlinger/Tubbesing 2018, S. 102– 113. 141 Das Musterhafte von Alphands Blatt machen umgekehrt zeitgenössische Klagen transparent, dass es auf den Boulevards faktisch an einer funktionalen Abstimmung von Straßenmobiliar und Architektur gemangelt habe. Die Pariser Presse monierte 1852, dass die Urinoirs die Auslagen der Boutiquen verstellten und allgemein „en désaccord avec les lanternes à gaz et les nouvelles fontaines“ stünden; hierzu Louis Lazare: Salubrité publique, assainissement des rues et boulevards de Paris. In: Revue municipale 5 (1.7.1852). S. 823–824; Zitat: S. 824. 142 Wer die Straßenmöblierung, obenan Gaslaternen und Urinoirs, funktional denkt, muss dies ferner im Verbund mit Kanalisation und unterirdischen Versorgungsleitungen tun. Dem entsprechen die Kernmetaphern des Technologischen im 19. Jahrhundert: Kanal und Netz. Die Stadt wird im 19. Jahrhundert als verschalteter Gesamtorganismus konzipiert. Was hier nicht näher dargestellt werden kann, der Boulevard als „rue-machine“ (vgl. Éric Alonzo: L’architecture de la voie. Histoire et théories. Marseille 2018. S. 242–252), und die modernespezifische Verschaltung einzelner heterogener Techniken zu einer kohärenten Technologie; vgl. Adrienne van den Bogaard u. Cornelis Disco: Die Stadt als Innovationsknotenpunkt. In: Technikgeschichte 68 (2001). S. 107–132. Ferner im Kontext der urbanen Stoffwechsellogik Dieter Schott: Europäische Urbanisierung (1000–2000). Eine umwelthistorische Einführung. Köln-Weimar-Wien 2014. S. 253–273 sowie Erben 2020.

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Abb. 59: Musterentwurf für die Möblierung eines Haussmannschen Boulevards. Diagrammatisch angelegtes Schaublatt. Aus: Adolphe Alphand: Les promenades de Paris. Paris 1867–1873

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sich mathematisch, will heißen abstrakt, begründen. Ihre Befehlsstrukturen liegen im Raum der Latenz. Ein Blick zurück auf Hittorffs Entwurf für die Place de la Concorde von 1829 vermag den eingetretenen Wandel zu illustrieren. In den Anfängen wurden die technischen Artefakte, d. h. die gusseisernen Gaslaternen, der Ästhetik und Semantik der repräsentativen Gartenkunst unterstellt (Abb. 21). Anders bei Alphand, wo die Artefakte in der ihnen eigenen technischen Syntax zur Aufstellung kamen. Man kann pointieren: Der eine entwarf Raumbilder, der andere Raumstrukturen. Machte sich der eine Gedanken um Ästhetik und Semantik seiner repräsentativen Prospektarchitekturen, organisierte der andere Räume der partizipativen Aktivität und Governance. Während die Bildhaftigkeit eines Stadtraums die Betrachtung adressiert, verweist die Strukturalität auf dessen Benutzung. In der Praxis dominieren gleichwohl Mischungen und Gemengelagen. So ist auch der Raumgestaltung Hittorffs keineswegs Funktionalität abzusprechen, umgekehrt zeigt die Boulevardgestaltung Alphands eine eigene Bildhaftigkeit. Und doch indizieren bereits die gewählten Darstellungsformen eine je eigene Akzentuierung. Hittorffs Entwurf ist eine aquarellierte Vedute, die als Vogelflugansicht dem Projekt die geforderte Großartigkeit verleiht, während Alphands Blatt ein diagrammatisches Entwurfsmodell ist, das der Sprache des Administrativ-Technischen gehorcht.143 Es gilt, dass wir es mit zwei unterschiedlichen Modi des Umgangs mit Technik zu tun haben, was deren oft unterschlagene Historizität indiziert.144 Amalgamierte Hittorff in den 1830er Jahren Technik noch mit beglaubigten ästhetischen Formen und repräsentativen Ansprüchen, um sie gleichsam in den bestehenden Kulturhaushalt zu integrieren, so ist bei Alphand das Technische und seine Eigenlogik selbst schon (technische) Kultur geworden. Kommen wir zu Hittorffs Divergenzen mit Haussmann, die der Historiker Karl Hammer zu einer Verschwörungsgeschichte ausgeschrieben hat, in der das Bild des Präfekten auf das Klischee eines zwielichtigen Technokraten reduziert wird: „Die letzten Lebensjahre Hittorffs vergällten diese von Haussmanns Seite geführten Intrigen. Obwohl der Präfekt von seiner Bedeutung als Architekt und Archäologe wußte und sie auch anerkannte, war er ohne Maß in der Verfolgung eines Mannes, der ihm gegenüber voller Selbstbewußtsein eine eigene Meinung vertrat“.145 Gleichzeitig räumte Hammer ein, dass „eine neue Gesellschaft mit anderen Sitten … sich breit“ machte, deren „fremde, rauhe Sprache“ Hittorff zum Opfer gefallen sei.146 Die Crux 143 Zur diagrammatischen Architekturdarstellung als einem Zwitter aus Statistik und Bild vgl. Sonja Hnilica: Diagramm. Architekturentwürfe schlingernd zwischen Kunst und Wissenschaft. In: Die Medien der Architektur. Hrsg. von Wolfgang Sonne. Berlin-München 2011. S. 169–194. 144 Auf eine eigene Betonung der kulturellen Wandlungsprozesse von Technik insistiert jüngst bes. die Historische Technikanthropologie; vgl. Heßler/Liggieri 2020, S. 19. 145 Hammer 1968, S. 200. Dieser von Hammer vorgegebenen Perspektive folgt Thomas von Joest: Die Entwürfe für den Bois de Boulogne. In: Jakob Ignaz Hittorff. Ein Architekt aus Köln im Paris des 19. Jahrhunderts. Ausstellungskat. Köln 1987. S. 233–235; bes. S. 233 f. 146 Hammer 1968, S. 192.

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von Hammers Sichtweise ist eine Zweifache: Erstens besitzt sie als kulturkonservatives Plädoyer, welches urteilt, statt zu analysieren, keinen hohen Erklärungswert; zweitens verkennt sie den Strukturwandel der Epoche. Das Bild, das die Hittorff-Forschung vom Präfekten Haussmann gezeichnet hat, bedarf einer grundsätzlichen Revision. Noch die jüngste Abkanzelung ist eher irreführend als erhellend: „Er [Haussmann] war ein autoritärer Bürokrat, aber künstlerischer Erfindungskraft konnte er sich nicht rühmen“.147 Haussmanns administratives Reformprogramm mag bei aller demonstrativen Rigorosität inkonsistent und unscharf gewesen sein, aber es lässt sich eins erkennen: Es ging um die Ablösung einer durch die Beaux-Arts-Elite dominierten städtischen Bauverwaltung. Denn die Modernisierung von Paris, wie sie Napoleon III. im Blick hatte, konnte sich nicht mehr im alleinigen Exerzitium von Beaux-Arts-Normen vollziehen. Während der Staatstheoretiker Thomas Hobbes 1651 noch der Überzeugung war, dass ein guter Staat nur mit Hilfe einer guten Architektur zu errichten sei, war diese Metapher 1853 längst ins Wanken geraten, sofern sich seit der Aufklärung die Arbeit am Sozialen zusehends technischer Rationalität überantwortet hatte.148 Eine architekturhistorische Rezeptionsgeschichte, die Haussmann, dessen prägende Rolle für das gebaute Paris kaum zu negieren ist, jenseits von Technik und Technokratie betrachtet, kann nur eine Geschichte der Verkürzungen sein. Unbenommen bleibt, dass sich die strukturellen Veränderungen seit der Jahrhundertmitte in einem aggressiven, ja diktatorischen Klima vollzogen. Paradigmatisch ist Haussmanns Tonfall gegenüber Hittorff, dem Änderungen an der Avenue de l’Impératrice (heute Avenue Foch) aufgetragen wurden, mit deren Gestaltung ihn Louis-Napoleon persönlich betraut hatte. In dem Maße, wie Haussmanns Standpauke den Architekten auch hier klein falten sollte, signalisierten die Forderungen, die Prachtavenue auf 120 Meter zu verbreitern, die neuen Maßstäbe im Denken von Stadt („Croyez-vous, Monsieur [Hittorff], que sa Majesté puisse se contenter de votre Boulevard de 40 mètres? Est-ce donc là ce prolongement du Bois vers Paris qu’Elle désire? 40 mètres! Mais, Monsieur, c’est le double, c’est le triple qu’il nous faut. Oui, je dis bien: le triple: 120 mètres!“).149 Man muss wissen, dass die Avenue de l’Impératrice zum Kern der von Louis-Napoleon erdachten urbanistischen Neudefinition des Pariser Westens gehörte. Bislang markierte der Triumphbogen Napoleons I. auf der Place de l’Étoile (heute Place Charles-de-Gaulle) den Hauptzugang von Westen in die Stadt. Insofern bedeutete die Trassierung der Avenue de l’Impératrice in Richtung Bois de Boulogne die Erweiterung des Stadtraums in die Peripherie und die 147 Hoffrath/Kiene 2020, S. 147. 148 „Denn werden die Menschen schließlich des regellosen gegenseitigen Hauens und Stechens müde und wünschen von ganzem Herzen, sich zu einem festen und dauernden Gebäude zusammenzufügen, so können sie ohne die Hilfe eines sehr tüchtigen Architekten nur zu einem baufälligen Gebäude zusammengefügt werden“; Thomas Hobbes: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines bürgerlichen und kirchlichen Staates. Hrsg. von Iring Fetscher. Neuwied-Berlin 1966. S. 245. 149 Haussmann 2000, S. 1082.

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Abb. 60: Avenue de l’Impératrice (heute Avenue Foch). Lageplan, Schnittansicht mit Arc de Triomphe und Laternenmöblierung. Aus: Adolphe Alphand: Les promenades de Paris. Paris 1867–1873

Schaffung neuer hierarchischer Raumverhältnisse. Man kann sagen: Das kolossale Bauen Napoleons I. beerbte der Neffe insofern, als er es in eine horizontale Großräumigkeit übersetzte (Abb. 60). Dem Blatt Alphands, das die Avenue de l’Impératrice in unmittelbare Sichtbeziehung mit dem Triumphbogen setzt, ist einerseits die Parallelisierung von Erstem und Zweitem Kaiserreich eingeschrieben, auf die noch zurückzukommen ist, andererseits der Umstand, dass Technokratie ersichtlich eine Planungsmentalität privilegierte, die auf strukturelle, weniger auf architekturale Größe setzte. Im Westen öffnete sich die Stadt also nach Draußen und gemeindete den vor den Stadtmauern gelegenen, ehemaligen Jagdforst des Bois de Boulogne ein, der zum großen Volkspark mit zwei neu angelegten Seen bestimmt wurde.150 Beginnend an der Mauerbresche des Bois de Boulogne erstreckt sich entlang der Avenue de l’Impératrice, die an der Place de l’Étoile auf die Champs-Élysées abknickt, bis zur Place de la Concorde über eine Länge von vier Kilometern eine der beeindruckendsten Raumachsen der Epoche, die sich zumal zu einem beliebten gesellschaftlichen Stelldichein entwickelte. Der Westen der Stadt war dabei nur ein fulminanter 150 Napoleon III. wies am 13. Juli 1852 die Übereignung des verwahrlosten königlichen Jagdforstes an die Stadt Paris mit der Auflage an, für dessen gärtnerische Neugestaltung und die Errichtung von Parkbauten zwei Millionen Francs aufzuwenden; vgl. Barras: Note sur le Bois de Boulogne. Paris 1900 und Jean-Michel Derex: Histoire du Bois de Boulogne. Le Bois du roi et la promenade mondaine de Paris. Paris-Montreal 1997. S 159–163. – Gottfried Semper erschien die Planung einen Vergleich mit London wert: „Aus dem Bois de Boulogne wird eiligst eine Art von Hyde-Park mit Serpentine-River und sonstigem Zubehör gemacht“; Semper 1853, S. 296.

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Anfang dessen, was folgte, nämlich die Flächensanierung von ganz Paris unter der Regie des neuen Präfekten. Designierter Architekt der Umgestaltung des Bois de Boulogne sowie der Trassierung der Avenue de l’Impératrice und der Neuordnung der Place de l’Étoile war Hittorff, den Haussmanns Vorgänger Jean-Jacques Berger (reg. 1848–1852) und der Prinz-Präsident selbst 1852 damit betraut hatten.151 Zwei Jahre später hatte Hittorff im Bois de Boulogne und auf der Avenue de l’Impératrice allerdings bereits Alphands Service des promenades et plantations zu weichen. Auf der Place de l’Étoile wurden seine Pläne zur Gestaltung eines napoleonischen Denkmalforums vom Präfekten abgelehnt und seine Zuständigkeiten auf die Platzrandbebauung zurückgeschnitten. Es konnte deshalb nicht ausbleiben, dass Präfekt und Architekt in Konflikt gerieten. Gegen die Verfügungen des Präfekten suchte Hittorff sich mit einer gerichtlichen Klage zu wehren, in der er die Anerkennung und Honorierung geleisteter Arbeiten vor der Übernahme der Projektleitungen durch die neue Verwaltung forderte. Das Urteil verpflichtete den Conseil Municipal am 9. März 1866 dazu, Hittorff 30.000 Francs Entschädigung („indemnité“) zu zahlen.152 Wenn man den Konflikt einmal nicht, wie es die Hittorff-Forschung tut, zu einer Frage nach der Co-Autorschaft des Architekten an den ausgeführten Arbeiten zurückstutzt, um eine ‚Ehrenrettung‘ oder gar um eine Priorität Hittorffs anzustrengen, dann lässt sich jene Sollbruchstelle bestimmen, an der Haussmann sein technokratisches Regime zu implantieren unternahm. Welche Kreise der Konflikt zog, verdeutlicht eine Begebenheit. Das zugunsten von Hittorff gefällte Gerichtsurteil bewegte offensichtlich den akademischen confrère Charles-Ernest Beulé dazu, in seiner Grabrede von 1868 die beiden strittigen Planungsprojekte von Bois de Boulogne und Avenue de l’Impératrice ohne viel Federlesens Hittorff zuzuweisen. Auf die Publikation der Rede adressierte am 7. Januar 1869 Haussmann an den Akademiedirektor prompt eine Klarstellung. Hittorff habe zwischen 1852 und 1854 Entwürfe für Wachthäuschen, Wegeschilder, Sitzbänke, Gatter und zwei Cafés-Restaurants erarbeitet, die allerdings nicht den Vorstellungen von Angemessenheit entsprochen hätten („Ces projets d’une architecture massive, n’étaient nullement en rapport avec le caractère de la nouvelle promenade“).153 Überhaupt habe „le peu d’harmonie des conceptions de M. Hittorff“ 1854 zur Entscheidung geführt, eine eigene Abteilung mit den Planungsarbeiten zu betrauen, nämlich den von Alphand geleiteten Service des promenades et plantations.154 Mit anderen

151 Vgl. Schild 1956, S. 26 f. und Hammer 1968, S. 186 f. 152 Vgl. das bei Hoffrath/Kiene 2020, S. 148 abgedruckte Dokument. In Auszügen bereits wiedergegeben bei Schild 1956, S. 30. 153 Der Brief zitiert nach Hoffrath/Kiene 2020, S. 155. 154 Zitat nach Hoffrath/Kiene 2020, S. 156.

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Worten: Dem Architekten alten Typs, wie ihn Hittorff verkörperte, wurde die Lösung übergreifender, systemischer Aufgaben nicht (mehr) zugetraut. In dem Maße, wie dies im Rahmen der Administration vorentschieden wurde, wurde der Architekt im Planungsgeschehen nachgestellt. Wie sich dies konkret verhielt, zeigt die Baugeschichte der Place de l’Étoile und die des Mairie-Gebäudes des IV. Arrondissements. Hittorffs erster Entwurf für die Place de l’Étoile setzte sich unmittelbar mit dem von Jean-François Chalgrin als Siegesdenkmal der Grande Armée entworfenen Arc de Triomphe für Napoleon I. (errichtet 1806–1832) auseinander.155 Vorgesehen war die Aufstellung von kolossalen Stand- und Reiterbildern, die rings um den Triumphbogen verdiente Generäle Napoleons feiern sollten (Abb. 61). Sie hätten gleichsam den Sockel für die auf dem Triumphbogen platzierte Quadriga mit der Figur Napoleons I. abgegeben. Geplant war also ein napoleonisches „Denkmalforum“ (Uwe Westfehling),156 das auf der ideologischen Linie von Napoleons Neffen lag, der seinen Staatsstreich am 2. Dezember 1851 auf den Jahrestag von Napoleons Kaiserkrönung und den Sieg von Austerlitz gelegt hatte.157 Die außerordentliche Bedeutung des Triumphbogens für den Napoleon-Kult lässt sich auch an der Häme von Victor Hugo ermessen, dass sich nämlich Louis-Napoleon anschicke, das neue Zentrum von Paris rund um das Militärdenkmal des Onkels zu errichten.158 Von dieser Idee ist Hittorffs erster Entwurf insofern berührt, als die Zentralität der Platzanlage durch einen nachgerade übersemantischen Aufwand ausbuchstabiert wurde. Der Entwurf sah vor, die seitlich einmündenden Alleen durch Triumphbögen zu überfangen, die als würdevolle Eingänge in das Platzrund sowie als Verbindungselemente zwischen den einzelnen Ringbauten gedacht waren.159 Für die architekturale Einfassung des weiten Platzrundes griff Hittorff auf ein Fassadenschema mit Portiken, zwei gleichwertigen Geschossetagen und abschließendem Mansarddach zurück, das offen Perciers und

155 Zu Baugeschichte und politischer Ikonographie des Arc de Triomphe vgl. Thomas W. Gaehtgens: Napoleons Arc de Triomphe. Göttingen 1974; Bruno Klein: Napoleons Triumphbogen in Paris und der Wandel der offiziellen Kunstanschauungen im Premier Empire. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 59 (1996). S. 244–269 und Marc Gaillard: L’Arc de Triomphe. Paris 1998. S. 23–46. 156 Zu den nicht realisierten frühen Planungen Hittorffs vgl. Uwe Westfehling: J. I. Hittorffs Pläne für ein Denkmalsforum in Paris. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 36 (1974). S. 273–294. 157 Zur Parallelisierung von Erstem und Zweitem Kaiserreich und dem dezidierten Napoleon-Kult Louis-Napoleons vgl. Matthew Truesdell: Spectacular Politics. Louis-Napoléon Bonaparte and the Fête impériale 1849–1870. New York-Oxford 1997. S. 74–78 und Willms 2008, S. 94 f. u. 97. 158 So Blanchard Jerrold, der Hugo einmal besuchte und festhielt: „But when he [Hugo] says Paris – Urbs, he forgets the Sovereign who made her what she is, and laid the foundations of that matchless city of the future, which, according to him, will have the Arc de Triomphe for its centre. He spurns the genius to whose glory the Arch was raised, and the nephew of the great Captain who drew an new city round about it“; zitiert nach Willms 2008, S. 289. 159 Der damit weitgehend in sich abgeschlossene Platz rückt typologisch in die unmittelbare Nachbarschaft der absolutistischen Place royale und hätte, einmal verwirklicht, Napoleon III. – wie es Pierre Lavedan formuliert – „une sorte de place des Vosges circulaire“ beschert; Lavedan 1975, S. 449.

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Abb. 61: Jakob Ignaz Hittorff: Entwurf für die Place de l’Étoile (heute Place Charles-de-Gaulle) als napoleonisches Denkmalforum, datiert 15.6.1853. Ausschnitt. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Pl. E 2

Fontaines Rue de Rivoli zitiert, also jenen ehrwürdigen Straßenzug, den Napoleon I. entlang der nördlichen Louvre- und Tuilerien-Flanke anlegen ließ.160 Die Neugestaltung der Place de l’Étoile ersann Hittorff tout court als Echoraum des napoleonischen Triumphdenkmals. Haussmanns Ablehnung des Projektentwurfs ist die Distanzierung von einer Form der Stadtbauarchitektur eingeschrieben, deren Kristallisationspunkte Ästhetik und Semantik hießen. Das Militärdenkmal Napoleons I. selbst stand für eine Position ein, die Stadtarchitektur primär als politische Form und Botschaft verstand. Demgegenüber setzte sich mit Haussmann eine Auffassung durch, Stadt nicht mehr allein als Summe von (repräsentativer) Architektur, sondern zusehends als (strukturierten) Raum zu verstehen. Stadtbilder für die Betrachtung sollten zusehends Räumen für die Benutzung weichen – eine städtebauliche Umakzentuierung, der sich die verwickelte Planungsgeschichte schulden sollte. Zu den ursprünglich vier auf die Place de l’Étoile einmündenden Alleen wurden acht weitere Zufahrtsstraßen trassiert, so dass ein zwölfteiliges Achsensystem und mithin ein immenser Verteiler-

160 Zu Geschichte und Gestalt der Rue de Rivoli vgl. Werner Szambien: De la Rue des Colonnes à la Rue de Rivoli. Paris 1992, S. 78 ff. und Sabine Frommel: Charles Percier et Pierre François Léonard Fontaine. Réalisations et projets pour le Paris de Napoléon. In: Charles Percier e Pierre Fontaine. Dal soggiorno romano alla trasformazione di Parigi. Hrsg. von Ders., Jean-Philippe Garric u. Elisabeth Kieven. Mailand 2014. S. 87–105; hier: S. 91–93. Unter baupolitischer Perspektive Dietrich Erben: Umsturz der Politik und Umbau der Stadt. Paris unter Napoleon I. In: Transition 9 (2002). S. 142– 149.

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und Zirkulationsraum entstand.161 Die Achsen setzten einerseits neue Visualen, andererseits gaben sie dem Verkehr eine eigene Priorität, vor allem aber nahmen sie dem Arc de Triomphe den Torcharakter, ohne dabei seine kolossale Gesamtwirkung zu konterkarieren. Haussmann erklärte die strukturelle Neuordnung der Place de l’Étoile zu einer Hauptleistung seiner Amtszeit, indem er nicht ohne Beiläufigkeit den Triumphbogen selbst zum bloßen Aussichtspunkt über den neuen Strukturkörper der Stadt degradierte: „Cette belle ordonnance, que je suis très fier d’avoir su trouver, et que je considère comme une des œuvres les mieux réussies de mon administration, apparaît dans son ensemble, comme sur un plan, du haut de l’Arc de Triomphe“.162 Für die Platzrandbebauung legte Hittorff neue Entwürfe vor, die gegen die Vorstellungen Haussmanns eine niedrige Ringarchitektur vorsahen, so dass die majestätische Wirkung des Triumphbogens nicht beschnitten wurde (Abb. 62). Am Ende kam auch Haussmann nicht umhin, sich Louis-Napoleons „culte presque superstitieux pour la mémoire de son oncle Napoléon 1er“ zu beugen, was den Zuschlag für Hittorffs Lösung begünstigt haben dürfte.163 Dabei werden die Grenzen von Haussmanns technokratischem Regime deutlich. Hittorff stand unter kaiserlicher Tutel, die ihm zwar keine allumfassende Immunität bescherte, aber doch Haussmanns eigenen Status als Zwischeninstanz markierte. An der Sache erweist sich zumal, dass der kategoriale Sprung der Technokratie aufs Ganze ausbleiben musste und der Einflussbereich Haussmanns, so weit er auch reichte, doch seine Grenzen hatte.164 Die Divergenzen zwischen Haussmann und Hittorff eskalierten im Rahmen des 1860 fertiggestellten Rathausgebäudes des IV. Arrondissements (heute I.) zum offenen Konflikt. 165 Als vonseiten der Stadtverwaltung harsche Kritik an der insgesamt 161 Zum Primat des Zirkulationsgedankens im Stadtbau des 19. Jahrhunderts vgl. Torres 2000, S. 66–69. 162 Haussmann 2000, S. 838. 163 Haussmann 2000, S. 1083. 164 Auch die Randbebauung der Place de l’Étoile zeichnet (produktive) Kompromisse aus, wenn die Pavillonbauten, die acht Solitäre und vier Doppelhäuser, die für Privatiers errichtet wurden, im Charakter auffällig zwischen öffentlich und privat oszilleren; vgl. Boudon 1986/87, S. 293–295 und Wolfgang Büchel: Sozialstruktur und formale Identität. In: Daidalos 34 (1989). S. 84–93; bes. S. 89– 92. Die auf die Rückseite verlegten Hauseingänge gehorchten wie die zum Platz hin vertieft liegenden, eingezäunten Vorgärten dem Bedürfnis nach Isolierung, während die Einheitlichkeit der Fronten, die per Dekret festgelegt war, und die korinthische Kolossalordnung den Privatbauten ihre visuelle Teilhabe am öffentlichen Gepräge und Getriebe der Stadt abverlangten. Michaël Darin weist darauf hin, dass die gekurvten Fassaden kaum mehr als ein Drittel der Platzeinfassung schließen, also Offenheit das hegemoniale Gestaltungselement dieses Platzraums ist; Ders.: Paris, la forme d’une ville. Précis d’anatomie urbaine du Moyen Âge à nos jours. Paris 2016. S. 65. 165 Die dornige Bau- und Entwurfsgeschichte ist maßgeblich erarbeitet worden von Mark K. Deming: La mairie du Ier arrondissements. In: Hittorff (1792–1867) un architecte du XIXème. Ausstellungskat. Paris 1986/87. S. 229–243; ergänzend Laurence Le Loup: Un aspect de l’architecture administrative au XIXe siècle. Les mairies d’arrondissement de Paris. In: Paris et Ile-de-France. Mémoires 34 (1983). S. 339–407; bes. S. 363–365.

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Abb. 62: Paris: Place de l’Étoile mit Arc de Triomphe, ringförmiger Platzrandbebauung und Blick auf die Avenue des Champs-Élysées. Radierung von Marie-Hilaire Guesnu, um 1870. Ausschnitt. Paris, Musée Carnavalet.

unglücklichen Raum- und Eingangsdisposition des Gebäudes geübt wurde, verwies der Präfekt auf den Architekten als Urheber und Verantwortlichen der Unzulänglichkeiten: „Il est déplorable de recevoir de pareilles plaintes au sujet d’un bâtiment neuf, dans lequel on a laissé l’architecte parfaitement libre ses distributions“.166 Dass Haussmann dem Architekten freie Hand gelassen habe, war freilich eine grobe Unwahrheit. Das zeigen die Bauakten. Hittorff reagierte am 26. September 1860 in einem Schreiben an Haussmann mit einem gewaltigen Aufgebot an Gegenargumenten und Richtigstellungen, in denen sich, wie für die Kontroverse insgesamt kennzeichnend, Sachliches und Persönliches vermischten. Zunächst äußerte er seinen ganzen Unmut gegenüber den ehrenrührigen Behauptungen: „S’il est une chose déplorable, M. le Préfet, c’est de se trouver exposé à mon âge et dans ma condition à des observations aussi inconvenantes dans la presse et aussi inconséquentes dans le fond“.167 Dem noch sachlichen Argument, dass die Sparpolitik der Präfektur es verhindert habe, dass etwas „plus grandiose dans ses dispositions architecturales“ hatte entstehen können, schloss Hittorff eine Generalabrechnung an, in der er Hauss166 Brief Hittorffs an Haussmann, Paris, 26.9.1860; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–15, f. 124r, in dem er den Präfekten zitiert. 167 Brief Hittorffs an Haussmann, Paris, 26.9.1860; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–15, f. 121r.

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mann vorhielt, anders als seine Vorgänger den Künstlern und Architekten keinen Rückhalt zu bieten und dies, weil er es schlechterdings an der Achtung verdienstvoller Männer und der Kunst insgesamt mangeln lasse: Il fut un temps où les chefs de l’administration de la Préfecture de la Seine auraient su apprécier de tels efforts et les reconnaître pour les témoignages de cette bienveillance toujours si douce pour les hommes déjà blanchis au service de l’administration et si encourageantes pour ceux qui y débutent. Vos prédécesseurs, Monsieur le Préfet, protégeaient les artistes; vous, vous paralysez leurs élans par votre froide et hautaine indifférence, et provoquez la décadence des arts par votre dédain et votre manque absolu de sympathie pour tout ce que les gens de goût et de mérite, de tous les temps, ont consacré par leurs suffrages.168

Nach Ausweis von Haussmann ging der Einfall, das neue Gebäude als Zwillingsbau der mittelalterlichen Kirche Saint-Germain-l’Auxerrois zu errichten, auf ihn selbst zurück (Abb. 63). Am 12. April 1855 erteilte er Hittorff den Auftrag. Die Aufgabe bestand darin, den Fassadenentwurf des neuen Mairie-Gebäudes in Silhouette und Höhe der Kirche Saint-Germain-l’Auxerrois anzugleichen, ohne jedoch eine Nachahmung der gotischen Formen zu suchen, die dem profanen Zweckbau nicht angemessen gewesen wären.169 Die vertrackte Aufgabe bestand also darin, das neue Gebäude einerseits dem mittelalterlichen Baudenkmal anzugleichen und es andererseits doch als eigene profane Bauaufgabe zur Geltung zu bringen. Im August 1855 erarbeitete Hittorff eine Planserie mit sieben Varianten, die er Haussmann am folgenden 1. September vorlegte. Die zahlreichen Entwurfsvarianten belegen, dass sich Hittorff der gestellten Aufgabe intensiv widmete und diese sehr ernst nahm. Sämtliche Blätter lassen den Versuch erkennen, die Typologie der gotischen Kirchenfassade von Saint-Germain-l’Auxerrois in eine klassische Formensprache zu übersetzen. Hittorff selbst bevorzugte die Variante sieben der Planserie (Abb. 64).170 Das Blatt zeigt in einer Gegenüberstellung eine Ansicht der Kirchenfront und des geplanten Rathausgebäudes. Ein gemeinsames Element bezeichnet der Eingangsportikus mit jeweils fünf Bogenstellungen. Dass Übersetzen auch Systematisieren einschloss, verdeutlicht die bei der Mairiefassade strengere Ausdifferenzierung des Portikus in ein Mittel- und Seitenmotiv. Im Aufriss entfernte sich Hittorff insofern vom Ausgangsmodell, als an die Stelle der breiten Rosette ein hohes Rundbogenfenster treten sollte, das sich stärker in die Gesamtgliederung und Stilistik des Baus integrierte. Die polygonalen Ecktürmchen von Saint-Germain-l’Auxerrois verwandelte Hittorff indes zu schmalen, risalitartig betonten Seitenachsen des erhöhten Mittelcorps. Soweit hatte Hittorff die Gesamtsilhouette und Achsengliederung einer mittelalterlichen Kirchenfront durchaus geschickt in den Aufriss eines Profanbaus überführt. Mark Deming hat in dem Entwurf zu Recht Anklänge an die französische Frührenaissancearchitek-

168 Brief Hittorffs an Haussmann, Paris, 26.9.1860; Köln, HAS, Nachlass Hittorff, 1053–15, f. 124r. 169 Vgl. Deming 1986/87 (b), S. 234. 170 Deming 1986/87 (b), S. 235.

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Abb. 63: Paris: Place du Louvre mit links der Mairie du IV. (heute Ier) Arrondissement nach Entwurf von Hittorff (1857–1860), in der Mitte dem Glockenturm von Théodore Ballu (1862) und rechts der Kirche Saint-Germain-l’Auxerrois (13.–15. Jahrhundert). Fotografie von Edouard Dontenville, um 1880. Paris, Musée Carnavalet

Abb. 64: Jakob Ignaz Hittorff: Entwurf für die Mairie du IV. (heute Ier) Arrondissement auf der Place du Louvre als Pendantbau der mittelalterlichen Kirche Saint-Germain-l’Auxerrois. Planvariante Nr. VII, August 1855. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, M 6

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tur erkannt, die zugleich gotische Proportionsverhältnisse berücksichtigt und mit einer Säulenordnung klassischer Observanz arbeitet.171 Obgleich der Entwurf seinen Auflagen entsprach, versagte ihm Haussmann das Placet. Angemahnt wurde eine stärkere Angleichung an die Fassade von Saint-Germain-l’Auxerrois. Formalästhetische Transformation sollte nun stilistischer Imitation weichen. Hittorff unterwarf sich der neuen Auflage in der Weise, dass er dem Mittelcorps eine gotisierende Rosette und einen steil proportionierten Giebel hinzufügte – die beide in der ausgeführten Fassade wie implantierte Fremdkörper wirken. In seinen Memoiren verwarf Haussmann dann das ausgeführte Rathausgebäude harsch als „un pastiche, en style moderne, du gothique bâtard de l’Église“.172 Da jedoch das Endergebnis den eigenen inkohärenten Anweisungen entsprungen war, stellt Haussmanns Aussage eine unbestreitbare Ungerechtigkeit dar. Sie gleichwohl ausschließlich als Vergeltungsdenken zu denunzieren, würde die tiefer liegende Konfliktlogik ignorieren, die in der „strukturellen Gewalt“ nicht zuletzt der Technokratie fundiert. Nach Johan Galtung fallen unter den Begriff institutionelle Praktiken und strukturelle Konstellationen, die einmal internalisiert, sich durch die involvierten Akteure reproduzieren und manifestieren.173 In diesem Denkansatz, welcher der Struktur den Status eines Apriori einräumt, entspringen dann Verhältnissetzungen, Konflikte und Gewalt nicht – wie in der Gewaltdefinition der Rechtssprechung – der Absicht einer Person. Diese Sichtweise zielt auf die Betrachtung von institutionell geregelten Interdependenzen, die in welchem Maße auch immer gewaltförmige Wirkungen entfachen und die über die bloße Unterscheidung von Täter und Opfer oder die Enthüllung von Unrecht hinausweisen. Eine Karikatur Haussmanns, die das Amt des Präfekten adressiert, legt einige Kernmerkmale einer solchen immanenten Gewaltförmigkeit frei (Abb. 65). In dem triptchonartig unterteilten Blatt des Architekten Gabriel Davioud thront der Präfekt übergroß unter einem hohen Baldachin. Zentralperspektive, Ehrentreppe und Serliana-Motiv tun ein Übriges, Haussmann als einen Vertreter der obersten behördlichen Gewalt herauszustellen. Mit Lupe und Zirkel ausgestattet ist er mit der peniblen Überprüfung der kotierten und reingezeichneten Planentwürfe beschäftigt. Das war die Aufgabe jenes Bau- und Vermessungsamts, das ihm unterstand und in dem Davioud 1853 den Amtsantritt des Präfekten miterlebt hatte.174 Von einem (himmlichen) Lichtbündel getroffen und von einer Aureole umstrahlt erscheint der Präfekt als eine Götzenfigur und seine Tätigkeit als ‚heiliges Geschehen‘. Verheiligt beziehungsweise verhöhnt werden die praktische und die instrumentelle Vernunft und dies in Gestalt 171 Deming 1986/87 (b), S. 235. Ferner Karen Bowie: Hittorff néo-classique? L’œuvre tardive de l’architecte et le débat stylistique. In: Cahiers du Centre de Recherches et d’Étude sur Paris et l’Ile-de-France 18 (1987). S. 243–256. 172 Haussmann 2000, S. 1084. 173 Vgl. Galtung 1975, bes. S. 11–17. 174 Zur Deutung des Blattes Dominique Jarrassé: A la barbe d’Haussmann. In: Revue de l’Art 84 (1989). S. 81–82.

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Abb. 65: Gabriel Davioud: Karikatur des Präfekten Haussmann als Leiter des Pariser Bau- und Vermessungsamts, 1853–1860. Zeichnung. Paris, Musée Carnavalet

der Akribie, die höchste Wissenschaft wird. Ist der Zweck der Akribie die Optimierung und ihr Mittel die Disziplinierung, dann steht sie für jene subtile Gewalt, der nicht zu entrinnen ist. Man kann angesichts des Lichts sagen, in das der Karikaturist die Akribie stellt, dass Gewaltförmigkeit ihr ständiger Schatten ist. Daviouds zynisch detektierender Blick weiß die gewaltförmigen Symptome der akribischen wie systemischen Vernunft zu lesen und zu indizieren. Akribie schließt aus, was nicht der Norm standhält. In den Flammen der zwei Kandelaber zu Füßen der Ehrentreppe werden die abgelehnten Planentwürfe („Plans refusés“) vernichtet. Nicht zuletzt ist damit die Struktur selbst monströser als das, was sie gebiert. Sie fordert Tribut und bedingungslose Unterwerfung – was vor und auf den Treppenstufen durch Gesten der Verbeugung und des Niederknieens mit flehend erhobenen Armen vorexerziert wird. Keinen Zweifel lässt Davioud daran, was die Herrschaftsmechanismen von Haussmanns Regime anbelangt. Dem System von Inklusion und Exklusion gehorcht die Stufenlogik der mit Wachen besetzten Treppe sowie das Schlangestehen der Stellenanwärter (Zeichner und Vermesser) vor den Türen, die von innen her mit aller Kraft blockiert werden. Davioud enthüllt die Crux der Technokratie, die ihr Maß überschreitet: Wie in den wimmelnden Triptychonbildern von Hieronymus Bosch kehren die Figuren im Vordergrund die hier von Amtswegen anbefohlene Ordnung und Vernunft in Unordnung und Unvernunft. Ordo ad chao. Ein Amtsträger sitzt rittlings auf einer Miniaturlokomotive, ein anderer auf einer Schildkröte und ein dritter hält einen Nager an der Leine. Dekonstruiert wird die Mystifikation der vernunftgesteuerten Expertokratie, die sich vor aller Augen in die Clownerie und

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den Klimbim, also ins Sinnwidrige invertiert. Statt einer höheren rationalen Ordnung stellt sich ihre Krise ein – von diesem Befund war die Planungsgeschichte von Hittorffs Mairiegebäude ja nicht ganz frei.

Haus und Familie oder Karriere mit Geländer „Il Gran Kan decifrava i segni, però il nesso tra questi e i luoghi visitati rimaneva incerto“. Italo Calvino: Le città invisibili. Mailand 1993. S. 22

Heim und Familie sind soziale Instanzen der Mitte. Sie verkörpern tragende gesellschaftliche Vereinbarungen und Werte, sie sind aber genauso Medien, welche das Subjekt organisieren, modellieren, einhegen und auch abbilden. Im Fokus der folgenden Seiten werden die häuslichen Lebensverhältnisse Hittorffs stehen, wie sie sich in Schrift- und Bilddokumenten sedimentiert haben. Die enkomiastischen Nachrufe auf den Architekten und die späten Porträtbilder, die ihn und die Familienmitglieder zeigen, zeichnen ein eindringliches und unverschattetes Bild von Zufriedenheit, Erfüllung und Wohlbehagen. Da sie im auffälligen Kontrast zu den beruflich krisenhaften letzten zwei Lebensjahrzehnten des Architekten stehen, entziehen sie sich einer Lektüre im Wortsinn. Liest man die Codes der heilen Welt indes gegen den Strich, geben sie sich als Palliative gegen jene Unvorhersehbarkeiten zu erkennen, ohne die ambitionierte Karrieren nicht zu haben sind. So gehört zur Eigenart von Ambitionskulturen: Werden bestimmte Niveaus von Risiko erreicht, steigen gleichermaßen die Sicherheitsbedürfnisse.1 Die herangezogenen Texte und Bilder reflektieren ein Sicherheitsdenken, das sich vorderhand in Gestalt von verbürgten Identitätsmustern präsentiert.2 Sie adressieren deshalb weniger eine (empirische) Realität als einen symbolischen Ordnungsraum, eingehegt vom Sicherheitsgeländer namens Heim und Familie.3 Dazu gehört, dass der Architekt und Akademiker den privatesten Rückzugsraum, sein Arbeitskabinett, als einen Ort der vita contemplativa inszenierte. Hier in der Selbsteinkehr, so der Kerngedanke, konnte er jene Selbstvergewisserung und Souveränität gewinnen, mit der er der vita activa draußen entgegenzutreten vermochte.4 Denn im öffentlichen Raum erwarteten den Architekten Händel und Herausforderungen, die einen starken (inneren) Gegenhalt benötigten.5 Sein karrie1 Vgl. Wolfgang Bonß: Vom Risiko. Unsicherheit und Ungewißheit in der Moderne. Hamburg 1995. S. 35–61. 2 Texte und Bilder werden folgend als semantisches Netz verstanden und ausgekundschaftet, in welchem sich die Bedeutungen wechselseitig aufeinander beziehen, durchkreuzen und zu einer Wirklichkeit eigenen Rechts verflechten. Der gewählte theoretische Eckstein unserer Darstellung bildet die Semiotik von Umberto Eco; vgl. Ders.: Zeichen. Einführung in einen Begriff und seine Geschichte. Frankfurt/M. 1977. S. 9–24. 3 Die Geländer-Metapher stammt in der Wendung eines Denkens ohne Sicherheitsnetz von Hannah Arendt: Denken ohne Geländer. Texte und Briefe. München-Zürich 2006. 4 Zu diesem alteuropäischen Topos, der häuslichen Schutzraum und Individuation zusammendenkt, vgl. Salvatore Pisani: Ich-Architektur. Das Haus als gelebte Vita und Alter Ego. In: Ein Haus wie Ich. Die gebaute Autobiographie in der Moderne. Hrsg. von Dems. u. Elisabeth Oy-Marra. Bielefeld 2014. S. 9–39, bes. S. 10. 5 Zu den sicherheitstheoretischen Implikationen des dichotomen Denkmodells von vita contemplativa und vita activa vgl. Herfried Münkler: Gewalthandeln, Rückzug ins Private oder Kalkülrationalität? Über den Umgang mit der Kontingenz im Denken der Frühen Neuzeit. In: Contingentia. Transhttps://doi.org/10.1515/9783110733044-008

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regeschichtliches Risikohandeln spiegelt sich deshalb besonders in jenen Emblemen des Erfolgs, die er in seinem Heim Schutz- und Hausgöttern gleich versammelte und ausstellte. Während die Kunst- und Architekturgeschichte die Frage nach dem Außerordentlichen ihrer Protagonisten zu einem zentralen Anliegen erhebt, ist sie im Falle von Hittorff vor allem erhellend, wenn man sie paradox beantwortet: Außerordentlich an dem Kölner Architekten war seine penibel vorgelebte Normativität. Sein Lebens- und Karriereskript hat Hittorff entlang einer kalkuliert ausbalancierten Pendelbewegung zwischen Wagnis und Absicherung entwickelt, was ihn als Architekt des rechten Maßes beziehungsweise der goldenen Mitte erscheinen lässt. Dabei ist daran zu erinnern, dass dem frühen 19. Jahrhundert die Mittefixierung durchaus der Größe verdächtig war. Auf der Linie von Aristoteles’ Mesotes-Ideal, nämlich der Mitte als dem Höchsten, hat der Statistiker und Astronom Adolphe Quetelet in seiner einflussreichen Schrift Sur l’homme von 1835 den „homme moyen“ nachgerade zum „grand homme“ erhoben. Prämisse sei, so Quetelet, dass sich in Ersterem alle Spezifika der Epoche vereinten: „Auf diese Weise wird er [der „homme moyen“] ein grosser Mann, ein grosser Dichter, ein grosser Künstler. Unter der Bedingung, dass er sein Zeitalter am besten repräsentiert, wird er als das grösste Genie desselben proklamiert“.6 Liest man in der Welt von Hittorffs privatpolitischen Zeichen, um die es folgend in erster Linie geht, wurden Elitismus und Mitte in diesem Sinne entdifferenziert.

Der Architekt in seinem ‚Gehäuse‘ Hittorff heiratete am 2. Dezember 1824 Elisabeth Lepère, womit er die Wohngemeinschaft mit seinem Architektenpartner Lecointe gegen die Heimstatt seines Schwiegervaters Jean-Baptiste Lepère in der Rue Coquenard Nr. 40 eintauschte.7 Karl Hammer hat mit Hilfe des zwischen 1827 und 1834 erschienen Atlas Vasserot und einem Grundstücksplan des Katasterarchivs Lage und Grunddisposition von Hittorffs Wohnhaus in der Nähe von Notre-Dame-de-Lorette rekonstruiert, das während der

formationen des Zufalls. Hrsg. von Hartmut Böhme, Werner Röcke u. Ulrike C. A. Stephan. BerlinBoston 2016. S. 305–325. 6 Zitiert nach Gamper 2016, S. 296; dort auf S. 293–297 mehr zu Quetelets Theorie. 7 Mit dem hier verwendeten Begriff des ‚Gehäuses‘ wird Anschluss an Karl Jaspers Subjekttypologie gesucht, die ganz einem Mitte-Denken entspringt. Das Gehäuse des Menschen hat der Heidelberger Psychoanalytiker als „ein Drang in uns zum Festen und zur Ruhe“ beschrieben. Ferner heißt es: „Der im Gehäuse existierende Mensch ist der Tendenz nach abgesperrt von den Grenzsituationen. Diese sind ihm durch das fixierte Bild der Welt und der Werte ersetzt. … Das Gemeinsame aller Gehäuse ist, daß dem Menschen in rationaler Form etwas Allgemeingültiges, etwas Notwendiges und Geordnetes, eine Regel, ein Gesetz als Pflicht, als Rezept, als das Gehörige gegenübersteht“; vgl. Karl Jaspers: Psychologie der Weltanschauungen. Berlin-Göttingen-Heidelberg 1954. S. 305 f.

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Haussmannisierung von Paris zerstört wurde.8 Das Baugrundstück lag innerhalb eines Baublocks und war über eine lange schmale Passage von der öffentlichen Straße her zugänglich. Die Gesamtsituation erinnert an das unweit gelegene, 1830 errichtete Atelierwohnhaus des Malers Ary Scheffer in der Rue Chaptal Nr. 30, das heute das Musée de la Vie Romantique beherbergt.9 In beiden Fällen empfing die Besucher am Ende der Passage ein kleiner Vorplatz. In der Rue Coquenard lag Hittorffs Wohnhaus gegenüber, während linker Hand ein langgestreckter Bautrakt stand, in dem die Zeichenbüros untergebracht waren; rechter Hand ging es zu den Stallgebäuden und Remisen. Charles-Ernest Beulé charakterisierte das Bau- und Gartenensemble als eine Enklave familiären und kontemplativen Friedens: „Hittorff occupait une demeure conforme au vœu de Socrate, petite, mais toujours remplie de vrais amis, au milieu d’un grand jardin où les oiseaux chantaient au printemps, où les rayons de l’été étaient arrêtés par d’épais ombrages et où les bruits de la rue n’avaient jamais pénétré“.10 Beulé unterschlug indes den eher prosaischen Umstand, dass Hittorff die übernommene und angeeignete Heimstatt des Schwiegervaters zum organisierenden Zentrum seines gesellschaftlichen Netzwerkes umnutzte und ausbaute. Es war bereits davon die Rede, dass Hittorffs flammendes Bekenntnis zum Vaterland Frankreich, das ihn nach mehreren Anläufen 1842 naturalisierte,11 keineswegs zur Folge hatte, dass das erste Vaterland Deutschland aufgegeben wurde.12 Im Gegenteil, gedieh das Haus in der Rue Coquenard zum Dreh- und Angelpunkt deutscher Architekten, Künstler, Wissenschaftler und Verleger.13 Im Sommer 1826 kam

8 Hammer 1987, S. 16. Die bei Hammer angegebene Kollokation der Katasterzeichnung von 1837 (Paris, A. N. F13/52) muss lauten: Paris, A. N., Cartes et plans, F31/52, Pièce 359. Zu Vasserots Plänen siehe Hélène Noizet: Les plans d’îlots Vasserot, support d’un système de l’information géographique historique de Paris. In: EAV. La revue de l’École nationale supérieure d’architecture de Versailles 14 (2008/2009). S. 86–95. 9 Vgl. Anne-Marie De Brem: L’atelier d’Ary Scheffer. Ausstellungskat. Paris 1991/92. S. 19–22. Zum ländlichen Vorstadtcharakter des Quartier Nouvelle Athènes im frühen 19. Jahrhundert siehe Bruno Centorame: Du néo-classicisme à l’éclectisme. In: La Nouvelle Athènes. Haut lieu du Romantisme. Hrsg. von Dems. Paris 2001. S. 60–77. Da sich die vorliegende Arbeit allgemein dem kunsthistorischen Verfahren der ‚Einordnung‘ entschlägt, wird im Folgenden nicht auf die Typologie von Pariser Künstlerhäusern und die Wohngeschichte von Architekten eingegangen; wichtige Bausteine zu diesem Kapitel der französischen Architekturgeschichte bei Gérard Ollivier: „Nos Architectes“. Contribution à une histoire de la photographie dans ses relations avec les Beaux-Arts. Paris 1986; Jörg Stabenow: Architekten wohnen. Ihre Domizile im 20. Jahrhundert. Berlin 2000; Jean-Claude Delorme u. Anne-Marie Dubois: Ateliers d’artistes à Paris. Paris 2002; Decommer 2017 und Guy Lambert: L’architecte à sa table de travail. Construction d’une identité professionelle idealisée. In: L’architecte. Portraits et clichés. Hrsg. von Emmanuel Bréon. Ausstellungskat. Paris 2017. S. 177–187. 10 Aus Beulés Nachruf auf Hittorff 1867; wiederabgedruckt bei Hoffrath/Kiene 2020, S. 120. 11 Vgl. Hammer 1968, S. 220 und Kiene 2011, S. 9. 12 Vgl. hier das Kapitel Selbsteinschätzung im Zeichen französischer Kulturhegemonie. 13 Ansätze zu einer Rekonstruktion von Hittorffs Rolle als eines Kulturvermittlers zwischen Deutschland und Frankreich bei Saunier 1917; Frantz Funck-Brentano: Les artistes rhénans en France. Hittorff. In: La Revue Rhénane/ Rheinische Blätter 4 (April 1924). S. 393–398 und Hammer 1968.

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Karl Friedrich Schinkel zu Besuch, der seine Frau Susanne am 17. Mai in einem Brief darüber wie folgt unterrichtete: „Hr. Hittorff ist höchst freundschaftlich; er hat in eine höchst liebenswürdige Familie hineingeheiratet, wo wir schon ein paarmal sehr angenehme Stunden verlebt haben“.14 Schinkel gehörte, wie ausgeführt, gemeinsam mit den Gästen Sulpiz Boisserée, Alexander von Humboldt und Johann Friedrich Cotta zu jenen Akteuren der von Hittorff lancierten deutschen Edition der Architecture antique de la Sicile.15 Die Einheirat in die „liebenswürdige Familie“ der Lepères gereichte ihrerseits der Eingemeindung in die Wahlheimat. Die Bedeutung von Haus und Familie als zentralen Garantien für die Inklusion in Frankreichs Mitte erweist sich nachgerade aus der Gegenperspektive. So indizierte Haussmann die deutsche Herkunft als das schwerwiegendste Handikap von Hittorffs französischer Karriere: Denn der Kölner habe in Paris deshalb so viele Feinde, weil es ihm nicht möglich sei, seinen „preußischen“ Habitus abzulegen.16 Die Fremde selbst markierte damit den Fremdenstatus als jenes Manko, dem der Kölner Architekt ein Leben lang durch forcierte Habitustransformationen und soziale Anpassungsleistungen entgegenzuwirken suchte. Inwieweit ihm das schließlich gelang, lässt sich mitunter den enkomiastischen Nachrufen und Memorialzeugnissen französischer Kollegen ablesen, die das deutsche Kapitel von Hittorffs Wohnhaus nicht von ungefähr weitgehend außen vorließen, um das Bild der gesellschaftlichen Drehscheibe zugunsten jenes der integrativen Mittefixierung auszubremsen. Dass Hittorff diese Perspektive selbst vorgezeichnet hatte, gibt der Blick ins Innere seines Wohnhauses zu erkennen. Eine fotografische Aufnahme, die unmittelbar nach Hittorffs Tod entstand, hält die Arbeitsräume im Wohnhaus der Rue Coquenard fest (Abb. 66). Im Vordergrund blickt man in sein Cabinet, das sich zu einem daneben liegenden Archiv- und Galerieraum öffnete. Im Cabinet selbst sieht man links vor dem Fenster einen Sekretär, der auf die hier ausgeübten Tätigkeiten des Architekten verweist, d. h. die Erledigung von Korrespondenz sowie die Lektüre und Abfassung von Texten. Der Sekretär ist Signet des Schreibtischarchitekten und -forschers Hittorff. Fehlende Exzerpte, Skripte, aufgeschlagene Bücher, herumliegende Stifte und nicht zuletzt eine Lampe, die von unmittelbarer Lektüre und Niederschrift zeugen würden, deuten jedoch darauf, dass das Cabinet im Moment der Aufnahme bereits Geschichte war. Kommemorative Zeichen unterstreichen diesen Eindruck, so die Büsten links und rechts des Durchganges, die den Hausherrn und seine Frau Elisabeth Lepère zeigen. Hittorff hatte die statuarische Selbstkommemoration bereits zu Lebzeiten bei den BeauxHittorff nahm in seinem Architekturbüro überdies deutsche Praktikanten auf. Ein später Fall stellt der Sohn Gottfried Sempers, Manfred, dar, der 1858 in Hittorffs Atelier wechselte; vgl. Hildebrand 2020, S. 157. 14 Der Brief abgedruckt bei Wegner 1990, S. 183. Vgl. auch Schinkels Eintragungen in seinem Pariser Tagebuch: Ebd. S. 105 u. 113. Zu einem Besuch des Berliner Bildhauers Christian Daniel Rauch vgl. Hammer 1968, S. 76. 15 Vgl. weiter oben das entsprechende Kapitel. 16 Haussmann 2000, S. 1078.

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Abb. 66: Arbeitskabinett von Jakob Ignaz Hittorff in der Rue Coquenard Nr. 40 in Paris. Im Vordergrund die Büsten von Hittorff und seiner Ehefrau Elisabeth Lepère, im Hintergrund von Charles Percier und Jean-Auguste-Dominique Ingres. Fotografie, kurz nach 1867. Aus: Revue des études napoléoniennes 12/2 (1917). S. 70

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Arts-Bildhauern Francisque Duret (Büste Elisabeth Lepères) und Eugène Guillaume (die eigene Büste) in Auftrag gegeben.17 Die Fotografie setzt also den von Hittorff selbst im Raum implementierten Memorialgedanken fort. Der Fotograf rückt prominent die Stirnwand des Nachbarzimmers in den Blick, wo im Zentrum eine Kopie von Raffaels Madonna del Diadema hängt, deren Original der Louvre konserviert.18 In der oberen Wandpartie erkennt man Graphiken aus Hittorffs publizistischem Opus magnum, der Restitution du Temple d’Empédocle. Unterhalb der Raffael-Kopie ist Ingres’ letzte Version der Apotheose Homers zu erkennen, an der Hittorff im Testament seinen künstlerischen Anteil reklamierte.19 Vor der altarartigen Schauwand stehen links und rechts die lorbeerbekrönten Porträtbüsten der Beaux-Arts-Größen Charles Percier und Jean-Auguste-Dominique Ingres.20 Mit der dichten sakralen Semantik wird auf Verkultung gezielt: Das Heilige ist Kunst und umgekehrt Kunst das Heilige. Raffaels Madonnen-Bild, das zumal die Institution der Familie sakralisiert, arretiert beide Kategorien im Unentscheidbaren. Die Schauwand bietet sich als Beaux-Arts-Sakrarium dar, zu dessen heiligem Bestand die Werke Hittorffs gehören. Charles Saunier, der die Fotografie im Kontext einer Kurzbiographie Hittorffs erstmals publizierte, bezeichnete diesen Raum unumwunden als Sanktuarium („santuario“).21 Ebenerdig sind zwischen zwei volutenförmig ausgebildeten Konsolen und einer verbindenden Ablage, was für sich auf eine Altarmensa rekurriert, circa 20 schlanke Folianten zu sehen. Wahrscheinlich handelt es sich um Hittorffs Zeichenalben, die heute in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln aufbewahrt werden. Auffällig bleibt die Engführung von Werkschau und sakraler Zeichensprache. Was der aufgezogene Vorhang des Durchgangs den Blicken eröffnet – und der Vorhang gehört in der christlichen Ikonographie zur Symbolwelt der Epiphanie –, ist die idolatrisch inszenierte Werkschau eines Architekten und Akademiemitglieds. Das Framing der Memorial-Fotografie zeigt und verstärkt dabei die beschriebenen Zusammenhänge. Würde man indes den Vorhang zuziehen, verwandelte sich das Cabinet in einen zellenartigen Raum des Rückzugs, der die Tradition des Studiolo, der humanistischen Gelehrtenstube, aufruft.22 Bücherregale und Bücherstapel verweisen zumal auf einsiedlerische Muße und kontemplative Einkehr – auf geistige Zustände und

17 Zu den testamentarischen Verfügungen von 1861 vgl. Hoffrath/Kiene 2020, S. 169. 18 Es ist müßig, hier auf den Raffael-Kult der Beaux-Arts-Schule einzugehen; vgl. nur Martin Rosenberg: Raphael and France. The Artist as Paradigm and Symbol. Pennsylvania 1995. Zur Beliebtheit der Madonna del Diadema in Ausstattungsensembles von Künstlerhäusern vgl. die Fotoreproduktion in Gustave Moreaus Esszimmer seines Pariser Domizils in der Rue de La Rochefoucauld 14 aus der Zeit um 1890. 19 Abgedruckt in Hoffrath/Kiene 2020, S. 169. 20 Zu ihrer Identifizierung schon Saunier 1917, S. 72. 21 Saunier 1917, S. 71 f. 22 Zu dieser langen bis Le Corbusier reichenden Tradition des Studiolo als ‚repräsentativer‘ Empfangs- und Arbeitsraum des Architekten vgl. Kesseler 1986.

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Akte also, die den religiösen Grundton der Räumlichkeiten markieren. Profane Tätigkeiten wie Planungsarbeit und Buchhaltung waren in den räumlich getrennten Ateliertrakt der Zeichner und der Bürogehilfen ausgelagert.23 Im Cabinet werden indes die Ergebnisse der geistig-kreativen Einkehr vor Augen gestellt. So erkennt man oberhalb des Türsturzes den Fassadenaufriss von Hittorffs Gare du Nord. Die zentrale Bedeutung, die das Cabinet für Hittorffs Selbstverständnis als Beaux-Arts-Architekt einnahm, reflektiert sich gleichermaßen in Félix-Joseph Barrias’ posthumem Hittorff-Bildnis (Abb. 67).24 Der Vergleich mit der Fotografie macht deutlich, dass die getrennten Raumeinheiten von Cabinet und Galerie hier zu einem einzigen Bildraum zusammengefasst wurden. In dem Dreiviertelporträt mit dem lorbeerbestickten Wams der Akademie nimmt Hittorff die Bildmitte ein, um den alle Ausstattungsobjekte des Raumes zu gravitieren scheinen. Seine Rechte ist demonstrativ auf den Schreibtisch gestützt, wo Zirkel, Dreieck, Bleistift, Feder und Tintenfass von der Tätigkeit des Dargestellten zeugen. Eine bronzene Statuette der Minerva, der Göttin der Kunst und Wissenschaft, überfängt die stillebenartig versammelten Utensilien mit ihrem ideellen Schutzschirm. Neben ihr links steht gut sichtbar Hittorffs im Quartformat publizierter Textband zur Polychromie des Empedokles-Tempels in Selinunt. Ähnlich wie in der Fotografie wird die Stirnwand mit dem Raffael-Gemälde zum Blickfang. Neben der Madonna del Diadema erscheint nun aber die 1833 datierte Innenansicht von Hittorffs architektonischem Chefd’œuvre, die Kirche Saint-Vincent-de-Paul.25 Die Ansicht des Kircheninterieurs ist so platziert, dass Hittorff als master mind seines eigenen künstlerischen Universums inszeniert wird. Die auffällige Häufung von Orden, die auf der Brust des Dargestellten prangen, bewirkt dessen gleichsam semantische Umrissvergrößerung. Die Abzeichen hatten illustre Fürstenhäuser und Akademien Europas verliehen.26 Ihre Dichte ist Ausdruck

23 Vgl. Hammer, 1987, S. 16. 24 Zur Rolle von Barrias als Dekorateur zahlreicher Hittorff-Bauten vgl. Margarida Güell Baró: À la découverte d’un peintre décorateur oublié. Première approche de la vie et de l’œuvre de Félix Joseph Barrias (1822–1907). In: Les Cahiers d’Histoire de l’Art 7 (2009). S. 99–113. 25 Das Aquarellblatt gehört zu den ‚Meisterzeichnungen‘ Hittorffs in den Kölner Sammlungen; vgl. Vaulchier 1986/87, S. 124 u. 140. 26 Es seien nur die wichtigsten Orden, Ernennungen und Mitgliedschaften Hittorffs aufgelistet: Das Ritterkreuz der Württembergischen Krone, das Commenthurkreuz des königlichen Verdienstordens des heiligen Michael, der Orden pour le Mérite in Kunst und Wissenschaft (1854), die Ernennung zum Offizier der Ehrenlegion und Kommandeur des Ordens des heiligen Georg des Großen, die Mitgliedschaften an der königlichen Akademie der bildenden Künste in Wien (1843), der königlich bayerischen Akademie der bildenden Künste in München (1834), der königlich preußischen Akademie der Künste (1833), die Ernennung zum korrespondierenden Mitglied des Instituts der britischen Architekten (1835), des Nationalinstituts zur Förderung der Wissenschaften zu Washington (1844) und der kaiserlichen Akademie der schönen Künste in Rio de Janeiro (1857); eine vollständige Wiedergabe der Orden und Auszeichnungen bei Schild 1958, S. 229–234; ergänzend Mario Kramp: Der einzige Kölner mit Pour le Mérite. Hittorffs preußischer Verdienstorden. In: Achtung Preußen! Bezie-

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Abb. 67: Félix-Joseph Barrias: Posthumes Porträt von Jakob Ignaz Hittorff in seinem Arbeitszimmer, Rue Coquenard Nr. 40 in Paris. Köln, Stadtmuseum

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des von Hittorff ein Leben lang offensiv betriebenen Prestigeerwerbs.27 Vorderhand zielen akademische Anerkennungen auf die Auszeichnung von Leistungen. Demgegenüber belegt ein Empfehlungsschreiben Alexander von Humboldts vom 4. Dezember 1853 ihre Rolle als Medien der Durchsetzung auf einem hart umkämpften Wissenschafts- und Aufmerksamkeitsmarkt. So setzte sich Humboldt für die Verleihung des Ordens Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste an Hittorff ein, der dem Landsmann die nötige Rückendeckung in der Polychromiedebatte in Frankreich verschaffen sollte. Mit Nachdruck schrieb er zu diesem Zwecke an das Berliner Akademiemitglied Ignaz von Olfers: Ich beschwöre Sie, verehrter Freund, die Sache nicht zu vernachlässigen. Die Nichtwahl würde Hittorffs glänzende Karriere als ausführender Architekt und archäologischer Schriftsteller gründlich abschneiden. Es könne ihm kein größeres Unglück begegnen. Die intimen Feinde deutscher Künstler, besonders Hittorffs Leibfloh Raoul-Rochette würden ausbreiten: On voit que ce n’est qu’un charlatan polychrome, dans sa patrie même on ne soucie guère de lui!28

Im Lichte von Humboldts Intervention besehen treten die Chromolithographie des Empedokles-Tempels an der Schauwand, die Polychromiepublikation auf dem Sekretär und der preußische Orden Pour le Mérite auf Hittorffs Brust zu einer bedeutungsvollen, triumphalen Chiffre zusammen. Während die Briefpassage von den hohen Energien und Investitionen in die unausgesetzte Aufrechterhaltung des Status quo, dem ‚Obenbleiben‘, Zeugnis ablegt, suggeriert Barrias’ Porträt dort Ruhe und Ausgeglichenheit, wo eine Architektenkarriere realiter nur um den Preis von Ungewissheit, Anspannung und Konflikten zu haben war. Statt hiervon zu erzählen, stellt Barrias den Architekten als eine Figur vor Augen, dessen Erfolg nicht zuletzt darin bestand, Risikohandeln in dauerhafte Ordnungen und Sicherheiten zu transformieren. Am Überschuss der Sekuritätszeichen (Beaux-Arts-Verkultung, verbürgte Bildungsembleme, hypertrophe Ordensdichte) lässt sich umgekehrt das Risikomaß der französischen Karriere eines gebürtigen Deutschen in Paris ablesen – und nicht umsonst erinnerte Humboldt in der zitierten Briefpassage an die „intimen Feinde deutscher Künstler“. Als Zeichen dafür, dass das Karrierekalkül aufgegangen war, stellte Hittorff in seinem ‚Gehäuse‘ persönlichen Frieden und öffentlichen Ruhm nicht alternativ, sondern komplementär.

hungsstatus: kompliziert. Köln 1815–2015. Hrsg. von Stefan Lewejohann u. Sascha Pries. Ausstellungskat. Köln. Mainz 2015. S. 73–77. 27 Zum Zusammenhang von Ordenskultur und Prestige vgl. Frédéric Caille: Une mémoire fragmentée. Gouvernement collectif et gouvernement de soi par les décorations (XIXe–XXe siècles). In: La fabrique de l’honneur. Les médailles et les décorations en France (XIXe–XXe siècles). Hrsg. von Bruno Dumons u. Gilles Pollet. Rennes 2009. S. 221–233. 28 Zitat nach Hammer 1968, S. 240, Anm. 100. Hittorff wurde in den Orden als Nachfolger des verstorbenen Pierre-François Fontaine aufgenommen; vgl. Senn 2013, S. 383.

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Madame Hittorff – Topisches Rollenspiel und Apotheose Hittorff heiratete 1824 ganz standesgemäß die Tochter seines älteren Partner-Kollegen Jean-Baptiste Lepère. In seiner Grabrede auf Hittorff wies der Akademie-Direktor Beulé Elisabeth Lepère (1804–1870) gleich die dreifache Rolle von „fille, femme et mère d’architectes“, nämlich von J.-B. Lepère, J. I. Hittorff und Charles-Joseph Hittorff, zu. Insbesondere habe ihre Rolle als Ehefrau darin bestanden, ganz in ihrem Mann aufzugehen („Madame Hittorff ne s’était pas seulement dévouée à son mari, elle s’était absorbée en lui“).29 Ihre Selbstverleugnung und Hingabe an den „chef de la maison“ seien absolut gewesen. Die Welt habe sie durch seine Augen gesehen; er, dessen Seele sie spiegele, sei Gegenstand ihrer ganzen Verehrung geworden („Elle n’avait d’autres gôuts que les siens, elle ne voyait que par ses yeux, elle soumettait tout à ses travaux ou à ses désirs, elle aimait sa gloire jusqu’à l’idolâtrie; elle n’était ni un frein ni un aiguillon, mais le miroir souriant où se reflétait l’âme de celui qui pouvait dire avec vérité qu’elle était la moitié de lui-même“).30 Beulés Ausführungen stellen eine unverhohlene Verklärung patriarchal dominierter Geschlechterverhältnisse dar.31 Die von ihm gezeichnete Rollenfigur von Elisabeth Lepère entspricht dabei der von der neueren Genderforschung geprägten Vokabel des „Frauenopfers“.32 Der Begriff umschreibt die ‚Opfergabe‘ der Frau an den Mann um den Preis ihrer vollzogenen Selbstaufgabe. Wenn Elisabeth Lepère in der Erzählung Beulés den Haushalt und die Kindererziehung übernahm und die musikalischen Abendgesellschaften in der Rue Coquenard organisierte, machte sie sich, um Beulés Angaben weiter in die gendertheoretischen Sprachformulare zu übersetzen, zur „Komplizin“ der geltenden Geschlechterordnung.33 Beulé selbst indes nahm eine althergebrachte Topik der europäischen Kulturgeschichte auf, nach der die Allianz von Mann und Frau in der Vereinbarung von Haus und Ehe besiegelt wurde. Das Narrativ von der

29 Zitate nach Hoffrath/Kiene 2020, S. 120. Zur hierarchisierten Geschlechternorm im 19. Jahrhundert vgl. Ute Frevert: Frauen-Geschichte zwischen bürgerlicher Verbesserung und neuer Weiblichkeit. Frankfurt/M. 1986. 30 Frevert 1986. 31 Vgl. Frevert 1986, S. 33–51. 32 Vgl. Elisabeth Bronfen: Nur über ihre Leiche. Tod, Weiblichkeit und Ästhetik. München 1994 und Nanette Rißler-Pipka: Das Frauenopfer in der Kunst und seine Dekonstruktion. Beispiele intermedialer Vernetzung von Literatur, Malerei und Film. München 2005. 33 Zur bereits im 19. Jahrhundert vorgebrachten Kritik an der bereitwilligen Unterwerfung der Frau unter das männliche Regime vgl. Christina Thürmer-Rohr: „…Opfer auf dem Altar der Männeranbetung“. In: Schrift der Flammen. Opfermythen und Weiblichkeitsentwürfe im 20. Jahrhundert. Hrsg. von Gudrun Kohn-Waechter. Berlin 1991. S. 23–37. Zum Topos der Frau als Mitakteurin in patriarchalen Verhältnissen vgl. Gudrun Kohn-Waechter: Einleitung. In: Schrift der Flammen. Opfermythen und Weiblichkeitsentwürfe im 20. Jahrhundert. Hrsg. von Ders. Berlin 1991. S. 9–19. Die Frauenrolle im ‚bürgerlichen‘ Haushalt erörtert in der erhellenden Studie von Barbara Duttenhöfer: Das Geschlecht der Öffentlichkeit. Deutsche und russische Frauenzeitschriften und ihr Publikum im frühen 20. Jahrhundert. Saarbrücken 2013. S. 223–230.

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Verkettung zwischen Haus und Familie kennt nicht nur keine Alternative, sie setzt auch jede Geschlechterkonfrontation aus, deren Energetik sich vielmehr in Kooperation übersetzt.34 Beulé benutzte das Narrativ als enkomiastisches Muster, in dem jedes Lob der Frau, der Familie, des Heims letztlich zum Lob des Beaux-Arts-Architekten gerann, in welchem die familiären Lebensverhältnisse und der professionelle Erfolg zu einer idealen Einheit zusammentraten. Ingres hat das (vermeintlich) Konsensuelle dieser Figuration in einen kleinformatigen Götterzyklus verlegt, der seit den frühen 1850er Jahren entstand und für Hittorffs Domizil in der Rue Coquenard bestimmt war.35 Die heute über verschiedene Sammlungen zerstreuten Kopfstücke des Zyklus zeigen Jupiter, Venus, Amor, Mars, Minerva und Juno.36 Die beiden letzteren, Minerva und Juno, versah der Maler mit den Gesichtszügen von Tochter und Ehefrau des Architekten (Abb. 68).37 Offenbar war dies nicht mit dem Empfänger der Bilder abgesprochen, der sich für den ‚glücklichen Einfall‘ bei Ingres in überschwänglicher Weise bedankte: Puis combien était grand, et le sera toujours, le bonheur que m’a fait éprouver votre délicate pensée de donner à l’image de la divine compagne du maître de l’Olympe le reflet des traits et de la douce expression de ma chère femme; c’était la même amicale inspiration qui vous avait fait puiser dans les formes plastiques du visage de ma bonne fille et l’empreinte qu’il porte de la pureté de son âme l’austère et pudiqe figure de la céleste vierge athénienne.38

Die Briefpassage reflektiert den Umstand, dass Hittorff, indem er in der gemalten Gattin und Tochter Jupiters die eigene Ehefrau und Tochter wiedererkannte, Ingres’ mythologische Transzendierung seiner eigenen Lebensverhältnisse an-erkannte. Eine verdeckte Pointe bezeichnet, dass die Hommage an die beiden Frauen auf ein Privileg des Hausherrn abhebt. Denn im Näheren thematisieren die ‚versteckten‘ Frauenporträts den (Künstler)Mythos von der frauenlosen Schöpfung durch den 34 Dass eine solch ideologisch geprägte Topik freilich nicht mit den historischen Realverhältnissen zu verwechseln ist, daran gemahnt Claudia Opitz: Neue Wege der Sozialgeschichte? Ein kritischer Blick auf Otto Brunners Konzept des ‚ganzen Hauses‘. In: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft 20 (1994). S. 88–98; bes. S. 91–94. 35 Zu dem bereits seit den 1820er Jahren bestehenden engen Freundschaftsverhältnis zwischen Ingres und Hittorff siehe Hans Naef: Ingres und die Familie Hittorff. In: Pantheon. Internationale Zeitschrift für Kunst 22 (1964). S. 249–263. 36 Zu den „Tondi Hittorff“ vgl. Karl Hammer: Ingres und Hittorff. In: Museen in Köln 3 (1964). S. 327–328; Sylvie Béguin: Le portrait de Madame Gaudry née Hittorff par Ingres. In: La Revue du Louvre et des Musées de France 17 (1967). S. 228–232 und Annalisa Zanni: Ingres. Catalogo completo dei dipinti. Florenz 1990. S. 146–148. – In zeitlicher Parallele, 1856, wird Barrias die Eheleute Hittorff als versteckte Porträts in seinem Monumentalgemälde der Chorapsis des Institut Eugène-Napoléon festhalten und verklären; vgl. McQueen 2007, S. 188. 37 Zu den beiden Porträts vgl. bes. Béguin 1967. Unklar ist, ob das heute im Art Museum Krannert (Illinois) konservierte Tondo der Madame Hittorff von Ingres’ identisch ist mit jenem aus der ehemaligen Sammlung Hittorff; reproduziert in Kiene/Lazzarini/Marconi 2016, S. 230. 38 Brief von Hittorff an Ingres, Paris, 4.9.1864; abgedruckt in Hans Naef: Die Bildniszeichnungen von J.-A. D. Ingres. Bern 1977–1980. Bd. 3. S. 80 f.

302  Haus und Familie oder Karriere mit Geländer

Abb. 68: Jean-Auguste-Dominique Ingres: Porträt von Madame Hittorff (geb. Élisabeth Lepère) als Juno, 1864. New York, Privatsammlung

Mann. Als Kopfgeburt des Göttervaters Jupiter war die Vernunftgöttin Minerva (im Porträt Hittorffs Tochter) nämlich ohne Mitwirken von Juno vollzogen worden, der Gattin Jupiters und Göttin der Geburt und Ehe (Hittorffs Frau). Entscheidend ist, dass hier die natürliche Generativität zu einem rein mentalen Akt des Mannes gerinnt. Die embryologische Phantasie hat Ingres gleichsam selbst realisiert, indem er Tochter und Gattin des Architekten als (weibliche) Kunstfiguren und folglich als (männliche) Kopfgeburten nach klassischen Regeln (neu)erschuf. Hittorff ließ sich auf das Gedankenspiel ein, wenn er das persönliche Verhältnis zu den beiden Frauen im Dankesbrief im Register des Ästhetischen bestimmte („douce expression de ma chère femme“, „formes plastiques du visage de ma bonne fille“, „l’austère et pudiqe figure de la céleste vierge athénienne“). Ingres’ Apotheose galt insgesamt weni-

Madame Hittorff – Topisches Rollenspiel und Apotheose 

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ger Hittorffs Gattin und Tochter als der mythologisch vertieften Sicherung der kreativen Vorherrschaft des Mannes. So wichtig dieser ideologische Kurzschluss mentalitätsgeschichtlich auch ist, nimmt er für unseren Zusammenhang nicht den ersten und vor allem keinen isolierten Rang ein. Ingres’ Porträts gehören vielmehr gleichrangig in die Reihe von Bildern, Ehrenstatuen, Emblemen, Orden etc., die sich in der Rue Coquenard zu einer Textur mit doppeltem Boden verwoben. So war das Netz von Zeichen zum einen Schutzschild gegen die Unbill des Unvorhersehbaren wie zum anderen Spiegelfläche eines Lebens im Zeichen von Konsens und Ambition.

Epilog: Die Grande Nation und ihre Architektenschmiede „Il y a un pacte vingt fois séculaire entre la Grandeur de la France et la liberté du monde“. Sockelinschrift am Denkmal für Charles De Gaulle auf der Avenue des Champs-Élysées, 2000

Auf der Weltausstellung von 1855 in Paris präsentierte die Académie des beaux-arts in einer eigenen Sektion die seit Jahrhundertbeginn von ihr vergebenen Rompreise der Architekturabteilung. Diese Preisentwürfe hatte der Regierungsarchitekt Adolphe-Étienne Lance vor Augen, als er es in einer Ausstellungsbesprechung unternahm, die französische gegen die britische Architektenschaft auszuspielen. Er befand, dass die insularen Baumeister deshalb gegen die einheimischen zurückstehen würden, weil sie weder durch Ämterpatronage noch durch öffentliche Eitelkeitsprämien gefördert würden und also keine Möglichkeit erhielten, einen vergleichbar hohen Status zu erringen.1 Frankreichs Architekten indes würden über die Landesgrenzen hinaus große Anerkennung und Achtung genießen („Ils [die Architekten] jouissent d’une grande considération dans le monde, ils font partie enfin de cette noblesse du talent que tous reconnaissent aujourd’hui et devant la quelle personne ne refuse de s’incliner“).2 Dass sich die Welt vor den Rompreisträgern verbeuge, so das Fazit, verleihe Frankreich den Siegel einer Vorrangstellung. Der hier von Lance in Anschlag gebrachte Suprematieanspruch, der auf Frankreichs im 19. Jahrhundert selbstverliehenen Titel der Grande Nation rekurrierte, inkludierte bei aller nationalen Selbstüberhöhung jenes sich universalistisch verstehende Moderneprojekt, das mit der Französischen Revolution ein von der raison bestimmtes, aufgeklärtes Menschen- und Gesellschaftsbild zentral stellte.3 Denn auf die Delegitimierung der Adelsherrschaft 1789 folgte die Bildung eines neuen Typs von Eliten, der sich unabhängig von Herkunft und Besitz durch Kompetition und Selektion der Tüchtigsten auszeichnen sollte.4 Die Elitenauswahl selbst oblag dem Staat, der, wie es die Erklä1 Das entscheidende Manko bestehe darin, dass die britischen Architekten „ni récompenses honorifiques, ni encouragements, ni distinctions sociales“ erhielten; so Adolphe-Étienne Lance: Exposition universelle des beaux-arts. Architecture, compte rendu. Paris 1855. S. 31. In England unterstand die Architektenausbildung im 19. Jahrhundert anders als in Frankreich nicht der staatlichen Obhut, sondern vollzog sich zwischen den Baubüros und dem exklusiven ‚Debattierclub‘ des Royal Institute of British Architects; vgl. Stefan Muthesius: „Profession or Art?“. Zur Entwicklung des Architektenberufs in Großbritanien. In: Der Architekt. Geschichte und Gegenwart eines Berufsstandes. Hrsg. von Winfried Nerdinger. Ausstellungskat. München 2012. Bd. 1. S. 181–193; bes. S. 183. 2 Lance 1855, S. 30 f. 3 Zu Frankreichs Überlegenheitsmythos im Zeichen von Modernität und Fortschritt vgl. Schubert 2004, S. 96–106. England begründete sein ‚modernes‘ Suprematiedenken indes auf seine wirkmächtige Frühindustrialisierung; vgl. Fraser 2021, S. 29–34. 4 Vgl. Guy Chaussinand-Nogaret: De l’aristocratie aux élites. In: Histoires des élites en France du XVIe au XXe siècle. L’honneur, le mérite, l’argent. Hrsg. von Dem. Paris 1991. S. 217–315; bes. S. 279– 287. https://doi.org/10.1515/9783110733044-009

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rung der Bürger- und Menschenrechte von 1789 vorsah, die Wahrung der Chancengleichheit zu gewährleisten hatte.5 Ein zentrales Mittel dieses Erneuerungsprojekts bildeten die neuen Elitenbildungseinrichtungen, die, um es im spätmodernen Unternehmerjargon zu sagen, die Humanressourcen und -kapazitäten zu poolen hatten.6 An den Grandes Écoles (anfangs Écoles spéciales genannt) wurden auf der Basis geprüfter Leistungen und Qualifikationen jene Spezialisten und Funktionseliten herangezogen, die Aufgaben und Obligationen für die sich neu konfigurierende Gesellschaft zu übernehmen und zu erfüllen hatten.7 Im Zuge der Institutionalisierung verschob sich das revolutionäre Vernunft- zum postrevolutionären Unternehmensprinzip. Der starting point von Frankreichs gigantischem Gesellschaftsprojekt hieß Elitenbildung. Lances Artikel resümierte von Seiten der Architekten her ein kapitales Ergebnis dieser kompetitiven, gouvernemental gelenkten Gesellschaftsformation, nicht ohne auch anzudeuten, dass die Arbeit am Sozialen trotz oder gerade wegen aller Chancengleichheit dem Einzelnen ein strenges Handlungs- und Selbstoptimierungsregime abverlangte. Kurz: Für das postrevolutionäre Frankreich galt, dass sich Architektenkarrieren in eine Spannungskurve einzuschreiben hatten, deren zentrales dramaturgisches Leitmotiv Elitismus hieß. Die 1817 ins Leben gerufene Bausektion der Pariser Kunstschule besaß bis zu den Studentenprotesten im Mai 1968 das Ausbildungsmonopol für Architekten.8 Sie bestimmte über eineinhalb Jahrhunderte die Selektionsparameter und wachte über die Zugangsschleusen zu Frankreichs Architektenelite. Ihr oblag die Definitionsmacht darüber, was ein Architekt war. Mit Blick auf das Ausbildungsprogramm mag man sich die Augen reiben, dass die Kunstschule keine systematische Architekturlehre kannte, die das Bauen als ein Handwerk von der Fundamentierung über den Mauerwerksbau bis zum Dachtragwerk vermittelte. Indessen drehte sich die Lehre selektiv um die klassische Entwurfsmethodik und die Regeln der klassischen Archi-

5 Vgl. den Paragraph V der Tables des droits de l’homme: „Tous les citoyens sont également admissibles aux emplois publics. Les peuples libres ne connoissent d’autres motifs de préférence dans leurs élections que les vertus et les talens“; Paris, Musée Carnavalet. Zum rechtlich garantierten Zugangsanspruch zu öffentlichen Ämtern unter den Bedingungen der Chancengleichheit seit den Revolutionstagen eingehend Caporal 1995, S. 88–102. 6 Vgl. Jäger 2003, S. 106–110, Bock 1999 und Münkler/Bohlender/Straßenberger 2006. 7 Die Relativität der Chancengleichheit erweist sich u. a. daran, dass Frauen erst 1897 an der École des beaux-arts zugelassen wurden; vgl. Jacques 2001, S. 18–20. – Neben der École des beaux-arts zählten und zählen zu den Grandes Écoles die École normale supèrieure, die École polytechnique, die École des mines, die École des sciences politiques und einige mehr; einen Überblick über Frankreichs Écoles-Landschaft bietet in geistesgeschichtlicher Perspektive Ernst Robert Curtius: Die französische Kultur. Eine Einführung. Bern 1975. S. 137–139 und in sozialwissenschaftlicher Hinsicht Bock 1999, bes. S. 391–397. 8 Die 1865, in der Folge von Viollet-le-Ducs gescheiterter Beaux-Arts-Schulreform privat gegründete École centrale d’architecture (heute École spéciale d’architecture) stellte nie ein ernsthaftes Gegengewicht zum Monopol der staatlichen Kunstschule dar; vgl. Frédéric Seitz: L’école spéciale d’architecture. Une entreprise d’idée, 1865–1930. Paris 1995.

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tektursemantik und war mithin Wertepädagogik.9 Auf diese Weise adressierte die Schule Architektur als Kunst und verpflichtete ihre Absolventen auf Kanon. Das Klassische meldete dabei jenen Absolutheitsanspruch an, aus dem sich die Aura der Elite selbst nährte. Mit der Einübung, ja Einschwörung auf den Kanon wurde den Absolventen eine Askesehaltung abverlangt, die Selbstdisziplin und Gemeinsinn zu den zentralen Kennungen des Eliteethos erhoben.10 Öffentliche Appelle beschworen diese Haltung periodisch.11 Das Bauhandwerk selbst musste, wie es Hittorffs früher Pariser Werdegang belegt, direkt in den Niederungen der Baustellen und Baubüros erlernt werden. Noch 1933 unterschied der Direktor der École des beaux-arts, Emmanuel Pontremoli, zwischen der Hand- und Kopfarbeit des Architekten, so dass sich die Ausbildung einerseits in den Erwerb von Erfahrung („la vieille méthode empirique“) und andererseits in den Erwerb von akademischen Titeln („titres“) aufteilte.12 Mit den Titeln waren die Erst- bis Drittplatzierungen im Rompreiswettbewerb gemeint, die den Zugang in die höhere Beamtenlaufbahn durch direkte Ernennung garantierten. Zunächst als Baustelleninspekteur und Bauleiter berufen, winkte als Krönung der Ämterlaufbahn die Übernahme eines öffentlichen Großprojekts, die sogenannte grande commande.13 In Ansehung dieses weitgehend monolithischen Curriculums erstaunt dann kaum, dass sich Frankreichs Architektenschaft in das Bild einer streng hierarchisierten Pyramide fügt. Darin nahmen die freiberuflichen Architekten die breite Basis ein (ohne oder mit Besuch der Kunstschule), dann folgten jene, die das Nadelöhr der akademischen Wettbewerbe mit Erfolg passiert hatten, um im Ämterapparat von Staat, Kommunen und Departements weiter die Stufenleiter zu erklimmen. Die Académie des beaux-arts als Spitze dieses Systems reservierte den tüchtigsten Architekten schließlich acht ihrer Fauteuils. Wie mehrfach erwähnt, durfte Hittorff 1853 einen von diesen für sich reklamieren.14 9 Unberührt von allen sozialen Reformen fand damit das künstlerische Ausbildungskonzept der 1793 aufgehobenen Académie royale d’architecture seine Fortsetzung; vgl. Erben 2012, S. 112–114. 10 Zu dieser noch gegenwärtig gültigen pädagogischen Ethik vgl. Muriel Darmon: Classes préparatoires. La fabrique d’une jeunesse dominante. Paris 2013. S. 193 u. 197. 11 Prominent Guadet 1895, der angesichts aufkommender ‚moralischer Erosion‘ die Architektenzunft auf ihr Berufsethos der Selbstlosigkeit und des Gemeinwohls einschwor. Zu diesem Ethos aufklärerischen Zuschnitts schon Étienne-Louis Boullée Ende des 18. Jahrhunderts: „Je me suis imposé la loi de travailler à mériter l’estime publique par des efforts utiles à la Societé“; Zitat entnommen dem Traktat Architecture: essai sur l’art, verfasst um 1790; Erstpublikation 1953. Hier nach der Edition von Jean-Marie Pérouse de Montclos (Hrsg.): Étienne-Louis Boullée. Architecture: essai sur l’art. Paris 1968. S. 47. Ferner Pisani 2012, S. 170 f. 12 Emmanuel Pontremoli: De la profession d’architecte et de l’enseignement de l’architecture. In: L’Architecture 46 (1933). S. 401–407; Zitat: S. 402. 13 Zu diesem standardisierten Beamtencurriculum der Beaux-Arts-Absolventen vgl. auch die Synthese bei Loyer/Picon 1998, S. 166 f. 14 Die acht Sitze wurden 1850 eingenommen von Pierre-François-Léonard Fontaine, François Debret, Louis-Hippolyte Lebas, Achille-René-François Leclère, Jean-Jacques-Marie Huvé, Auguste-Nicolas Caristie, Martin-Pierre Gauthier, Jean-Baptiste-Cicéron Le Sueur; vgl. Chave 2015, S. 7. Den Sessel von Huvé übernahm 1853 Hittorff; ebd. S. 350 u. 354.

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Daraus folgt auch, dass jeder einzelne Architekt gleich einem Baustein einen festen Platz im Gehäuse der Zunft bezog. Besonders die Architektenelite stellte Spezialisten im engeren Sinne: Abel Blouet entwarf Gefängnisbauten, Jean-Baptiste Lassus restaurierte mittelalterliche Kirchenbauten, Henri Labrouste entwarf Bibliotheksgebäude. Wie es François Loyer und Antoine Picon betont haben, verlieh Frankreichs Architektenelite mit ihren typisierten Modellentwürfen für Rathäuser, Schulen, Kirchen, Asyle und Hospitäler dem öffentlichen Raum von der Kapitale Paris bis in die entlegenste Provinz eine unitarische und politische Verfasstheit.15 Hier erwies sich die Realitätstauglichkeit einer Expertokratie, die Bauanleitungen für die noch junge Nation zu liefern sich imstande zeigte.16 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erwarb sich Frankreichs Architektenschaft damit ein beträchtliches gesellschaftliches Vertrauen, das sie fortan zu beglaubigen und zu verteidigen hatte. So unleugbar die Grandes Écoles, Kunstschule inklusive, Zurichtung betrieben, sind sie nicht mit Foucaults Asylen und Kliniken zu verwechseln – die soziale Andersheit indizierten und Ausgrenzung betrieben. Den Elitenbildungseinrichtungen ging es indes im Einklang mit den geltenden Werten um die Formung von leistungsfähigen Expertenkorps. Kompensatorisch zur abverlangten Subordination respektive der erfahrenen Disziplinierung unter dem Amboss der ‚Personalschmiede‘ wurde den Absolventen eine relativ krisenfeste Laufbahn in Aussicht gestellt. Denn öffentliche Wohlfahrt und Wohlfahrt der Eliten sollten sich wechselseitig bedingen und stärken. Elitenformation war in dem Maße gesellschaftliche Formation, als (offene) Karrieren in formbare Skripte überführbar gemacht wurden.17 Mit den Elitenbil15 Loyer/Picon 1998. Sprechend hierfür auch die Ausdifferenzierung der öffentlichen Baubehörden in zahlreiche Unterabteilungen; vgl. Van Zanten 1994, S. 46–73. 16 Vgl. Van Zanten 1994, S. 46. – Loyer und Picon behaupten indes nicht ganz glücklich, dass die Architekten im Frankreich des 19. Jahrhunderts zu sehr mit ihren eigenen institutionellen und professionellen Angelegenheiten beschäftigt waren, als dass sie sich politisch hätten engagieren können: „Trop occupés, sans doute, à consolider leur assise institutionnelle et professionnelle, les architectes ne comptent pas parmi les figures les plus engageés dans la vie politique française du siècle dernier“; Loyer/Picon 1998, S. 170. Anders hätte sich dies bei den Ingenieuren verhalten, die an den frühsozialistischen Utopien eines Charles Fourier und Henri de Saint-Simon aktiv teilgenommen hätten. Charakteristisch für diese Liaison war allerdings die Gemengelage von sozialem und technischem Utopismus, in dem Idealarchitektur und -gemeinschaften ganz romantizistisch als Instrumente der Befreiung und der egalitären Partizipation gedacht wurden. Das lag auf der Linie der Sozialphilosophie von Saint-Simon, dessen Credo lautete: „Die wissenschaftlichen Revolutionen begleiten die politischen Revolutionen“; vgl. Ignacio Sotelo u. Ralf Bambach: Utopie, Frühsozialismus und Sozialreform. In: Pipers Handbuch der politischen Ideen. Hrsg. von Iring Fetscher u. Herfried Münkler. Bd. 4: Neuzeit. Von der Französischen Revolution bis zum europäischen Nationalismus. München-Zürich 1986. S. 369–413; Zitat: S. 375. Ferner Massimo Di Forti: Fourier e l’architettura della felicità socializzata. Bari 1978. Aus dem Desengagement und Desinteresse an utopistischen Gesellschaftsentwürfen ist indes nicht zu folgern, dass Frankreichs Architektenelite nicht in die soziopolitischen Belange der Gegenwart involviert war. Das Gegenteil war der Fall. 17 In den Grandes Écoles ging es kaum um ein Leben gegen die Macht und Anonymität der Strukturen, im Gegenteil. Vgl. indes die Grundthese des späten Foucault, dass sich in der Nachantike die

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dungseinrichtungen stellte der Staat demnach Dispositive zur Verfügung, die steuerbare Karrieren ermöglichten, zumal solche, die den persönlichen Einsatz beziehungsweise die Anpassungsbereitschaft einforderten und damit suggerierten, dass nicht zuletzt das Architektsein trotz des manifesten gouvernementalen Regimes einem souverän handelnden Subjekt entsprang. Elitistische Gouvernancestrukturen bedeuteten für den Einzelnen die Einhegung der Kontingenz und zwar gleich einem von oben aufgespannten Schutzschirm. Wenn es stimmt, dass das Sicherheitssmanagment eine Kardinaltugend des 19. Jahrhunderts war, dann trifft genauso zu, dass die Risikofreude ihr Komplement darstellte. Wie der Fall Hittorff vor Augen führt, blieb der Architektenberuf ein Operationsfeld, das von Risikoabwägungen, Spekulation und Mut bestimmt wurde. Hittorff stellt insofern eine Musterkarriere des französischen 19. Jahrhunderts dar, als er nach dem rechten Maß zwischen Sicherheit und Kontingenz suchte, fundiert nicht in der Selbstbescheidung oder der Enthüllung einer verborgenen Lebenskunst, sondern in der Engführung von Leben und Kalkül. Karriere bezeichnet stets ein Metawissen, das sich gleich einem Ethos in eine Lebensform einbettet, die, so individuell sie auch ausfällt, sich als Kind ihrer Epoche ausweist. Daraus folgt, dass sich das Architektsein in dem Maße, wie die Architekten die kulturellen Koordinaten und Bedingungen prägten und weiterhin prägen, als selbst kulturell vermittelt erweist. Von dieser verwickelten Relationalität ist gleichermaßen die gebaute Architektur betroffen. Indem Bauwerke und Baukomplexe schwere, dauerhafte Eingriffe in unsere Environments vollziehen, verändern sie Menschenund Gesellschaftsbilder, auf denen die Architektur als Kulturtechnik selbst wiederum basiert. Oft bleiben diese Voraussetzungen, Wechselseitigkeiten und Dynamiken den Arbeits- und Denkprozessen der Forschung immanent. Will man diese Zusammenhänge herausarbeiten, um sie zu reflektieren, kann man die Betrachtungsfelder pluralisieren und den historischen Wandel thematisieren, unausweichlich bleibt die Arbeit am Konkreten. Sie lehrt immer wieder, nicht auf der einen Identität des Architekten zu insistieren, um sie ein für allemal festzulegen und zu definieren. So sind die Architekten des ästhetischen Historismus nachgerade als Funktionselite des Staates auch das, was man am wenigsten von ihnen zu glauben meint, nämlich Portalfiguren am Kristallpalast von Frankreichs Modernität. Sicherlich können individuelle Beispiele kein Gegenstand einer allgemeinen Theorie sein. Als isolierte Fälle sind sie wiederum mehr, als der monolitische Diskurs oder die abstrakte Reflexion ihnen abgewinnen können, auch weil sie das beinhalten, was sich dem begrifflichen Denken am meisten entzieht, das Unvorhersehbare der Geschichte.

Arbeit am unverwechselbaren Selbst stets jenseits von Gesetzen und Normen verortet: Von der Freundschaft als Lebensweise. Michel Foucault im Gespräch. Berlin o. J. S. 135–137.

Zu diesem Buch Die Forschungen für die vorliegende Arbeit wurden von der Gerda Henkel Stiftung großzügig mit einem Stipendium unterstützt. Ermöglicht wurde die Durchführung ausgedehnter Archivrecherchen in Paris, Zürich, Berlin, Marbach, Weimar und Köln. Die Nachlässe von Hittorff, Sulpiz Boisserée und Ferdinand Franz Wallraf im Historischen Archiv der Stadt Köln wurden noch vor dem Einsturz des Archivgebäudes in der Severinstraße im Jahre 2009 konsultiert. 2007 wurde die Arbeit als Habilitationsschrift im Fach Kunstgeschichte an der Universität des Saarlandes angenommen und zehn Jahre später erneut an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz für die Umhabilitation. Für die Aufnahme in die vorliegende elitenhistorische Buchreihe habe ich Martin Kohlrausch (Leuven) und insbesondere Gabriele Clemens (Saarbrücken) zu danken, die den entscheidenden Anstoß dazu gab, die Arbeit auf die Elitenthematik zu fokussieren. Für die vorliegende Publikation wurde das Skript entsprechend überarbeitet und aktualisiert. Ideellen und praktischen Beistand haben mir früh Dietrich Erben (München), Hannelore und Katharina Siebenmorgen (Potsdam) sowie Andreas Tönnesmann (Zürich) zukommen lassen, denen großer Dank gebührt.

https://doi.org/10.1515/9783110733044-010

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Bildnachweis Berlin, Kunstbibliothek 31, 32 Köln, Rheinisches Bildarchiv 2, 3, 8, 21, 30, 41, 45, 54–57, 61, 64, 68 Köln, Stadtmuseum 67 Marburg, Bildarchiv 33 Paris, BnF 1, 12 Paris, ENSBA 4, 6, 7, 28, 29, 49 Paris, BIF 5 Paris, Musée Carnavalet 22, 23, 27, 35, 42, 43, 44, 47, 50–53, 58, 62, 63, 65 Paris: BHVP 24 Archiv des Verfassers 9, 10, 11, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 25, 26, 34, 36, 37, 38, 39, 40, 43, 44, 46, 48, 59, 60, 66

https://doi.org/10.1515/9783110733044-012

Personenregister Abbé de Saint-Non 62 About, Edmond 46 Adorno, Theodor W. 87 Ali, Mehmet 158 Alphand, Adolphe 234, 273, 275 f., 278, 281 Ando, Tadao 6 Angell, Samuel 73, 77, 129, 137 Aristoteles 202, 292 Armand, Alfred 273 Bachelot 220 Baltard, Victor 89 f., 190–192, 273 f. Bandinelli, Baccio 248 Bankel, Hansgeorg 73, 76 f. Barrias, Félix-Joseph 297, 299 Barrault, Alexis 260 Barthes, Roland 4 Baucé 86 Baudrillard, Jean 9 Beauharnais, Joséphine de 168 Begas, Karl 55 Bélanger, François-Joseph 30–36, 40 f. Belgrand, Eugène 273 Benjamin, Walter 16, 267, 270 Bergdoll, Barry 172 Berger, Jean-Jacques 281 Berry, Karl Ferdinand von 35, 94 f., 154 Berry, Marie-Caroline 35, 94 Beulé, Charles-Ernest 110, 143, 281, 293, 300 f. Bianchi, Lorenzo 129 Billot, Marie-Françoise 115 Blouet, Abel 171, 308 Boeckh, August 109 Böttiger, Carl August 126 Boisserée, Melchior 41, 70, 81 Boisserée, Sulpiz 27, 35, 41 f., 70, 80–86, 93, 150 f., 181 f., 194, 205, 270, 294 Bonnet, Alain 48 Bosch, Hieronymus 289 Bourdieu, Pierre 12, 47 f. Braker, Robert 254 Brès, Jean-Pierre 185 Bröckling, Ulrich 14 Brongniard, Alexandre Théodore 266 Burckhardt, Jacob 3 f. Burton, Decimus 254

https://doi.org/10.1515/9783110733044-013

Cahn, Walter 201 Caillouette, Louis-Denis 167 Callet, Félix-Emmanuel 56–58 Calvino, Italo 291 Caristie, Augustin-Nicolas 87 f. Carjat, Étienne 10 Cavaillé-Coll, Aristide 221 Cavallari, Francesco Saverio 129 Chalgrin, Jean-François Thérèse 38, 208, 282 Chaptal, Jean-Antoine 31 Chateaubriand, François Réné de 157 Cherubini, Luigi 82 Cockerell, Charles Robert 64–67, 72 f., 76, 114 Coop Himmelb(l)au 6 Cortot, Jean-Pierre 167 Cotta, Johann Friedrich 69 f., 80, 82–87, 294 Cuciniello, Domenico 129 Daguerre, Louis-Jacques-Mandé 241 Daly, César 259 Daumier, Honoré 155 Davioud, Gabriel 288 f. Debret, François 88 Decommer, Maxime 20 Dedreux, Pierre-Anne 38 Delaborde, Henri 171 Delacroix, Eugène 7, 10 Delaroche, Paul 221 Deleuze, Gilles 9 Deming, Marc 286 Desjardins, Tony 260 Didot 81 Diodor 63 Dodwell, Edward 114–117 Donaldson, Thomas Leverton 87, 105 Duban, Félix 56, 58, 171, 190 f. Duc, Louis 171 Duc de Chartres 240 Dufourny, Léon 63 Dumas, Alexandre der Jüngere 199 Durand, Jean-Nicolas-Louis 107, 258 Duret, Francisque 296 Ebeling, Jörg 19 Eck, Charles 168 Eco, Umberto 5, 250

352  Personenregister

Empedokles 122 f. Engelmann, Godefroy 146 Epron, Jean-Pierre 20 Famin, Auguste-Pierre 88 Fauvel, Louis-François-Sebastien 115 f. Ferté, Papillon de la 91 Flandrin, Hippolyte 223, 225 Fontaine, Pierre-François-Léonard 58 f., 91, 95, 97, 101 f., 170, 206, 283 Fontana, Domenico 164 Foucart, Bruno 218 Foucault, Michel 9, 50, 132, 308 Fould, Achille 260 Gabriel, Ange-Jacques 167 Galtung, Johan 288 Gärtner, Friedrich von 29, 76 Gaspard de Chabrol de Volvic, Gilbert Joseph 180 Gau, Franz Christian 27–29, 41 f., 80–82, 106, 117, 173–176, 186 f., 205 Gaulle, Charles de 305 Gauthier, Martin-Pierre 88 Gauthier, Théophile 218 Gehry, Frank O. 6 Gérard, François 54, 82 Germann, Georg 186 Giedion, Sigfried 16, 172, 191, 251 f. Gilbert, Émile-Jacques 171 Gilibert, Jean-François 204 Gleyre, Charles-Gabriel 221 Goethe, Johann Wolfgang von 63, 83 f. Goury, Jules 54 Grein, Caspar Arnold 26 Guérin, Pierre 53 Guillaume, Eugène 296 Hachette, Pierre 180 Hadid, Zaha 6 Hammer, Karl 17 f., 29, 278 f., 292 Harris, William 73, 77, 137 Haus, Johann Joachim 64 Hauser, Arnold 149 Haussmann, Georges-Eugène 14, 227, 234, 241, 270, 273–276, 278 f., 288 Hautecœur, Louis 7 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 201 Heine, Heinrich 219

Heinrich IV. (Henry IV) 35, 268 Hermant, Achille 250 Hesberg, Henner von 19 Hesse, Herrmann 25 Hittorff, Charles-Josef 36, 151, 300 Hittorff, Elisabeth 151 Hittorff, Franz Alexander 23–26, 28 f. Hobbes, Thomas 279 Horeau, Hector 190–192, 260 Hoüel, Jean 62 Hugo, Victor 97, 172, 244, 282 Humboldt, Alexander von 41 f., 82, 85, 110, 175, 181, 196, 294, 299 Hurtault, Maximilien-Joseph 206 Huvé, Jean-Jacques Marie 88, 266 Huyot, Jean-Nicolas 206 Ingres, Jean-Auguste-Dominique 7, 82, 90, 202–204, 221–223, 296, 301–303 Jacques, Annie 20 Jakobs, Friedrich 109 Jal, Auguste 150 Jollivet, Jules 226 f. Jolly 198 Karl X. (Charles X) 91, 94–96, 100, 102 f., 150, 154 Kaulen, Heinrich 4 Ketelsen, Thomas 19 Kiene, Michael 18, 36 Klenze, Leo von 29, 52, 60, 62–78, 105 Knapp, Johann Michael 192 Kramp, Mario 19 Kugler, Franz Theodor 105, 110 Labrouste, Henri 171 f., 250 f., 308 Laffitte, Jacques 169 Lance, Adolphe-Étienne 305 f. Lancillotto Castello, Gabriele (Principe di Torremuzza) 128 Langlois, Jean-Charles 177 f., 246, 254 f. Lamartine, Alphonse de 219 Lassus, Jean-Baptiste 308 Lazare, Louis 192 Lebas, Apollinaire 162, 164 Lebas, Hippolyte 88, 90, 208, 214, 218, 226 Le Breton 40 Leclère, Achille 89

Personenregister 

Le Corbusier 2 Lecointe, Jean-François-Joseph 31, 35 f., 53, 57– 59, 75, 78, 91, 94 f., 97, 100 Legrand, Jacques-Guillaume 31 Legrand, Philippe-Ernest 116 Leidel, Michael 26 Leister, Franz 26 Lemoine, Bertrand 20 Lepère, Elisabeth 79, 82, 292, 296, 300–303 Lepère, Jean-Baptiste 82, 209, 214, 217–219, 292, 294, 300 Leroy, Julien-David 264 Lesueur, Jean-Baptiste-Cicéron 56–58 Letronne, Antoine-Jean 109 Louis-Philippe I. 149, 153–155, 162, 164, 170, 175 Louis, Victor 240 Löwenstein, Christian 26 Loyer, François 308 Ludwig I. von Bayern 86 Ludwig XV. 157 Ludwig XVI. 35, 94, 100 f., 158, 234, 267 Ludwig XVIII. 43, 94–96, 205 Lyotard, Jean-François 9 Magnes, A. 190 Mann, Thomas 247 Maréchal, Charles-Laurent 221 Marie-Antoinette 35, 94 Marquis de Marigny 234, 239 Marville, Charles 268, 270 McLuhan, Marshall 147 McQueen, Alison 19 Mézières, Le Camus de 31 Michelangelo 78, 248 Mikon der Ältere 116, 122 Miel, Edme 51, 83, 100 f., 184 Minvielle, Géo 19 Mirault 185 Mislin, Miro 257 f. Molinos, Jacques 31 Montorsoli, Giovanni Angelo 166 Morey, Prosper 57 Moritz, Karl Philipp 25 Mortelèque, Ferdinand 180 f. Murger, Henry 219 Napoleon I. 28, 34, 36, 40, 79, 88 f., 91, 95 f., 101 f., 158, 160, 168, 170, 279 f., 282–284

353

Napoleon III. 259 f., 270, 272 f., 279, 281, 284 Napoleon, Jerôme 260 Nerval, Gérard de 167 f., 219 Nizan, Paul 8 Olfers, Ignaz von 299 Ostervald, Jean-Frédéric d’ 65 Panitteri, Ciantro 65 Paternó, Ignazio (Principe di Biscari) 128 Pausanias 116, 126, 144 Paxton, Joseph 260, 262, 266 Percier, Charles 36, 46, 50, 54, 58 f., 75, 79, 82, 84, 87–91, 95, 97, 101, 103, 206, 282, 296 Périer, Casimir 154 Perrault, Claude 266 Persigny, Victor Fialin 274 f. Petitot, Louis-Messidor 167 Pfammatter, Ulrich 16 Phidias 144 Picon, Antoine 308 Picot, François 223, 225 Pigeory, Félix 153, 208 Pinon, Pierre 57 Pisani, Pietro 73, 75, 77, 127 Piscatory, Georges Baron de Vaufreland 199 Plinius der Ältere 125 Politi, Raffaello 63–65, 67, 71–73, 76, 127 Polygnot von Thasos 122 Pontremoli, Emmanuel 307 Pradier, James 167, 248 Prevost, Pierre 254 Pujol, Abel de 180, 185 Quatremère de Quincy, Antoine-Chrysostome 123, 144 f., 206, 208 Quetelet, Adolphe 292 Raffael 28, 87, 90, 203, 221, 296 f. Rambuteau, Claude-Philibert Barthelot de 152 f., 166 f., 175, 177, 182, 217, 220, 222 f., 238, 243 Raoul-Rochette, Desiré 91, 105, 108–111, 120, 124–137, 143, 299 Renouard, Paul 61, 80, 84, 86 f., 141 Revett, Nicolas 90, 112 f. Ringon, Gérard 20 Rondelet, Jean-Baptiste 32

354  Personenregister

Rosen, Jacques 20 Rude, François 221 Saboya, Marc 190 Sand, George 219 Sartre, Jean-Paul 9 Saunier, Charles 296 Schadow, Johann Gottfried 26 Schädlich, Christian 255, 257 Schauf 26 Scheffer, Ary 221, 223, 293 Schild, Erich 17, 251 Schiller, Friedrich 85 Schinkel, Karl Friedrich 78, 85, 294 Schivelbusch, Wolfgang 261 Schorn, Ludwig von 63, 66, 68–71, 76, 83, 117 Seguin, Marc 258 Semper, Gottfried 29, 54, 105–108, 113, 117, 171–173, 175 f., 187 Serlio, Sebastiano 141 Serradifalco, Domenico Lo Faso 105, 109, 127– 139 Simmel, Georg 30 Sokrates 293 Stahl, Fritz 270 Stier, Wilhelm 51, 59, 61, 142 Stuart, James 90, 112 f., 187 Szambien, Werner 244

Thayer, James 254 Thibaut, Jean-Thomas 206 Thiers, Adolphe 149, 169, 174 f. Thorvaldsen, Bertel 53–55, 114, 150 Valentin, Annette 54 f. Van Zanten, David 20 Varcollier 223 Vaudoyer, Léon 158, 165, 171 f. Vernet, Horace 221 Viel, Jean-Marie-Victor 260 Villain, François-Alexandre 46 Villareale, Valerio 129 Viollet-le-Duc, Eugène 193 Visconti, Louis-Tullius 89 Vitruv 131, 133 Wagner, Martin von 76 Wallraf, Ferdinand Franz 24–29, 31, 176 Weinbrenner, Friedrich 41 Westfehling, Uwe 282 Weyland, Friedrich Carl 84 Wilkins, William 71 f., 77 f. Winckelmann, Johann Joachim 112, 143, 203 Zanth, Karl Ludwig von 12, 50, 53, 59, 61, 83, 131, 141, 166, 192