Archigrafie: Schrift am Bau 9783035605594

Combining Typography and Architecture Lettering on buildings and in the public realm affects our environment. The core

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Archigrafie: Schrift am Bau
 9783035605594

Table of contents :
VORWORT
INHALT
Teil 1. EINFÜHRUNG
LEARNING FROM HISTORY – EINE KURZE GESCHICHTE DER ARCHIGRAFIE
EIGEN- UND FREMDWERBUNG – PLÄDOYER FÜR EINE DIFFERENZIERTE BETRACHTUNG
ORIENTIERUNG DURCH DESIGN – SIGNALETIK
SEHEN ODER LESEN? – DIE REZEPTION VON ARCHITEKTUR UND SCHRIFT
Teil 2. 28 CASE STUDIE
Projekt 1 NEUBAU KUNSTMUSEUM BASEL BASEL CH /2016
Projekt 2 EINKAUFSZENTRUM STÜCKI BASEL CH /2009
Projekt 3 NEW YORK TIMES BUILDING NEW YORK USA /2007
Projekt 4 PARKING GARAGE SANTA MONICA PLACE SANTA MONICA USA / 1980
Projekt 5 NEUBAU WALLRAFRICHARTZ- MUSEUM & FONDATION CORBOUD KÖLN DE /2015
Projekt 6 E,D,E,N PAVILLON HOTEL EDEN RHEINFELDEN CH / 1987
Projekt 7 RAIFFEISENBANK NÄFELS CH /2012
Projekt 8 HOTEL LOUIS MÜNCHEN DE /2009
Projekt 9 MUNICIPAL POOLS POVOAÇÃO PT /2008
Projekt 10 MASJID AL-IRSYAD KOTA BARU PARAHYANGAN PADALARANG ID /2010
Projekt 11 THE LYON HOUSEMUSEUM MELBOURNE AU /2009
Projekt 12 HOTEL CITY GARDEN ZUG CH /2009
Projekt 13 TONI-AREAL ZÜRICH CH /2014
Projekt 14 HALLE FÜR STRASSENVERKEHR VERKEHRSHAUS LUZERN CH /2009
Projekt 15 GAS RECEIVING STATION DINTELOORD NL /2013
Projekt 16 CORPORATE DESIGN FÜR KLEINBAUTEN ZÜRICH CH /2004
Projekt 17 RAKETE BASEL CH /2012
Projekt 18 SCHULHAUS BUCHWIESEN ZÜRICH CH /2004
Projekt 19 BEZIRKSGEBÄUDE DIETIKON CH /2010
Projekt 20 GEMEINDEBIBLIOTHEK DIETLIKON CH /2013
Projekt 21 RBC DESIGN CENTER MONTPELLIER FR / 2012
Projekt 22 GALERIES LAFAYETTE BERLIN DE /1996
Projekt 23 HACKNEY EMPIRE THEATRE LONDON GB /2004
Projekt 24 WERKHEIM USTER USTER CH /2009
Projekt 25 BIBLIOTHEK COTTBUS COTTBUS DE /2004
Projekt 26 BEST ANTI-SIGN BUILDING RICHMOND USA /1978
Projekt 27 THE NEW SCHOOL NEW YORK USA /2014
Projekt 28 ALTERSZENTRUM DORFLINDE ZÜRICH CH /2011
Teil 3. ANHANG
VON DER INSCHRIFT ZUM INTERFACE – DER WANDEL DER BESCHRIFTUNGSTECHNIKEN
ANATOMIE DER BUCHSTABEN
GEBÄUDEBESCHRIFTUNGSTECHNIKEN – RÄUMLICHE GRAFIK – GRAFIK IM RAUM
PROZESSE – PROJEKTBETEILIGTE UND PLANUNGSPHASEN
LITERATUR
BILDNACHWEIS

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ARCHIGRAFIE

ARCHIGRAFIE SCHRIFT AM BAU

Agnès Laube Michael Widrig Birkhäuser

VORWORT

Bei der Beschriftung von Gebäuden treffen mit Architektur und Gra­ fik zwei Gestaltungdisziplinen aufeinander. Der Begriff Archigrafie bringt deren Verhältnis auf den Punkt. Die Grafik als eine sekundäre Zeichenschicht soll ihren Träger – die Architektur – immer miteinbe­ ziehen. Archigrafien gelingen dann, wenn sie die Aussage von Ge­ bäuden unterstützen, ihre Identität stärken, oder sie bewusst und aus guten Gründen kontrastieren. Zu einem Bau passende Beschriftungen zu entwerfen ist eine durchaus komplexe Aufgabe. Während die meisten Menschen den Schriftcode verstehen, fehlt ihnen der Schlüssel zum Verständnis von Architektur. Wie können Grafikdesigner lernen, Architektur zu «lesen», zu verstehen und zu interpretieren? Und auf sie mit ihren Entwürfen zu reagieren? Grafikdesigner, die im Alltag meist im zweidimensionalen Bereich und in kleinen Maßstäben agieren, sind sich der Bedeutung von Raum oft nicht bewusst. Wie groß soll eine Schrift sein? Wie sind die Sichtbezüge außerhalb und innerhalb von Gebäuden? Wie wer­ den Schriftzüge materialisiert, konstruiert und montiert? Architekten hingegen werden üblicherweise weder in Schriftgeschichte noch in der typografischen Anwendung von Schrift ausgebildet. Unsere methodische Grundidee ist es, die Hauptbeschriftungen aus der Architektur zu entwickeln und bei Bedarf auch die Weglei­ tungselemente daraus abzuleiten. Wir möchten zu einer neuen Be­ schriftungskultur anregen und diese explizit fördern. Dies basierend auf aktuellen Entwürfen aber auch durch einen Blick in die Geschich­ te. Im Kapitel «Learning from History» wird die Geschichte der Ar­ chigrafie von 1900 bis in die jüngste Zeit ausgebreitet und mit vielen Beispielen illustriert. Zeitgenössische Architektur soll – wo immer es möglich ist – mit ebenso zeitgenössischen Mitteln beschriftet wer­ den. Dieser Prämisse folgten schon die Gestalter der Moderne zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Architekten und Typografen des Neuen Bauens begründeten die neuzeitliche Disziplin Archigrafie. Manche ihrer Entwürfe sind in ihrer (spielerischen) Radikalität bis heute wegweisend. Im Kern dieser Publikation werden Projekte der letzten Jahre be­ sprochen, die genau das auf spannende Weise leisten. Jedes Projekt zeigt eine Strategie, wie Gestalter aus Architekturentwürfen integrale Beschriftungen ableiten können. Wir möchten «integral» dabei in sei­ ner umfassenden Bedeutung verstanden wissen, nämlich nicht nur die konstruktive Einbindung der Beschriftung in einen Bau, sondern auch deren Bezug auf ein bestimmtes Detail, Material oder den Grund­ riss. Zudem sollten die Beschriftung im Kontext zu der Nutzung, der Geschichte des Gebäudes, des Areals oder Quartiers stehen. Gera­ de bei der Auseinandersetzung mit einer schwierigen Ausgangslage sollte integral gedacht werden. Oft gelingt es genau in diesen Fällen, mit einer unorthodoxen Idee nicht nur ein Beschriftungsproblem zu lösen, sondern zu einem neuen gestalterischen Ausdruck zu finden. Die aufgezeigten Strategien sollen daher inspirieren, weitere zu er­ finden, da dieses Feld noch längst nicht ausgelotet ist. 4

Das Kapitel «Beschriftungstechniken» bietet einen Überblick über die gängigsten Beschriftungsverfahren. Historische Techniken können zeitgenössisch interpretiert und weiterentwickelt werden. Den Ideen sind grundsätzlich nur wenige Grenzen gesetzt und digitale Techni­ ken eröffnen neue, weite Experimentierräume. Schließlich geht es auch darum, wie die an Beschriftungen be­ teiligten Protagonisten auf deren Qualität einwirken können: die Kommunen, die Bauherren, die Hersteller, Grafikdesigner, Architek­ ten und Bauleiter. Hier geht es nicht nur um die konkrete Gestaltung und Organisation von Projekten, um adäquate Budgets für diese fachplanerische Aufgabe, sondern auch darum, mit welchem Be­ wusstsein die Akteure an Beschriftungsaufgaben herangehen, an wen sie Aufträge vergeben und wie sie Wettbewerbe organisieren. Konkrete Angaben zu den basalen Planungsprozessen bei Gebäude­ beschriftungen runden die Publikation ab und machen sie für den Arbeitsalltag nutzbar. Lange war die Beschriftungsthematik durch einen Machtdiskurs zwischen Architekten und Grafikdesignern geprägt; darüber, was die Architektur «an sich» zu kommunizieren vermag und was die Be­ schriftungen zu ihrer Interpretation beitragen können. Dieser Kampf ist heute überholt. Nur wenn Architekten und Grafikdesigner in einen ergebnisoffenen Dialog treten, können sich die Disziplinen gegen­ seitig bereichern. Überzeugende, vielschichte Lösungen entstehen insbesondere dann, wenn die Beschriftungsthematik früh in die Pla­ nungsprozesse eingebunden werden.

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Teil 1

EINFÜHRUNG S. 8 Teil 2

28 CASE STUDIES S. 42 Teil 3

ANHANG S. 138

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Teil 1

EINFÜHRUNG

LEARNING FROM HISTORY – EINE KURZE GESCHICHTE DER ARCHIGRAFIE S. 10 EIGEN- UND FREMDWERBUNG – PLÄDOYER FÜR EINE DIFFERENZIERTE BETRACHTUNG S. 30 ORIENTIERUNG DURCH DESIGN – SIGNALETIK S. 36 SEHEN ODER LESEN? – DIE REZEPTION VON ARCHITEKTUR UND SCHRIFT S. 40

LEARNING FROM HISTORY EINE KURZE GESCHICHTE DER ARCHIGRAFIE

Learning from History

Die Geschichte bildet den Humus, aus dem Gestalterinnen und Gestalter schöpfen und ihre Disziplinen entwickeln. Designhistorisch betrachtet, sind nur die wenigsten Ent­ würfe – sei es in der Architektur oder der Grafik – gänzlich neue Erfindungen. Digitale Entwurfs­ und Herstellungs­ techniken unterstützen das permanente Variieren und Neuinterpretieren heute zusätzlich. Die Aktualität des Themas rechtfertigt einen Blick zu­ rück in die Entwicklungsgeschichte: Aus welchen Diskursen und Gestaltungspraktiken sind die heutigen Gebäudebe­ schriftungen entstanden, welche Grundmotive und Strate­ gien prägen sie? Bauplastik, Ornament, Schrift Der österreichische Architekt Adolf Loos diffamierte in seiner Schrift Ornament und Verbrechen 19081 die Bau­ ornamentik als überflüssiges Element in der modernen Architektur. Die Suche galt fortan der «reinen» Form; die Fassadengliederung mittels dekorativer Elemente verlor an Legitimation. Beschriftungen sind durch ihre informierende und orientierende Funktion an sich keine Ornamente, kön­ nen aber durch Reihung, Wiederholung und Überlagerung zu solchen werden. Schriften zeugen von einer gewissen Ökonomie: Sie konnten von einer lesekundigen Bevölke­ rung schneller und eindeutiger entschlüsselt werden als ältere Symbole und Zeichen. Der Schweizer Kunsthisto­ riker Christoph Bignens brachte 19952 das Verhältnis von Bauplastik zu ­beschriftung auf den Punkt: «Die Bauplastik kann den Zweck eines Gebäudes bestenfalls konnotieren, die Baubeschriftung denotiert ihn.»3 Schrift blieb als funk­ tionales Decorum von der Purifizierung verschont, wie sie Loos und die Vertreter des Neuen Bauens postulierten und praktizierten. Architekten des Neuen Bauens leiteten die Gestalt aus ihrer Zweckdienlichkeit ab; die Beschriftung hatte demzu­ folge ebenso sachlich und modern, d. h. einfach, konstruk­ tiv und frei von Dekor zu sein. In den 1910er­ bis 1930er­Jah­ ren entstanden am Bauhaus und in dessen Umfeld jedoch nicht nur schlichte, formal reduzierte Beschriftungen wie diejenige von Herbert Bayer am Bauhausgebäude in Des­ sau selbst, sondern auch viele experimentelle Beschriftun­ gen und Reklamebauten wie etwa multimediale Kioske, die bis heute zu überraschen und begeistern vermögen. Am Bauhaus wurden unter anderem die Gestaltungside­ en des russischen Konstruktivismus aufgenommen. Auch die Vertreter der niederländischen De­Stijl­Bewegung und 11

des italienischen Futurismus entwarfen spielerisch­utopi­ sche Beschriftungen bis hin zur typografisch­tektonischen, begehbaren Kleinarchitektur. Lange vor Las Vegas ent­ standen Zeichnungen von Gebäuden als Kommunikations­ medium – vollflächig mit Bildern, Texten und Filmen be­ spielte Fassaden. Die Russen El Lissitzky und Gustav Klucis etwa entwarfen experimentelle Rednertribünen. Die meis­ ten dieser Entwürfe wurden nicht realisiert oder wurden zwischenzeitlich abgebrochen. Sie tragen aber bis heute zur Debatte über die Beschriftung und die Mediatisierung von Architektur bei. Vom Handwerk zum Design: neue Typografie, neues Bauen Während bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Handwer­ ker, Künstler, Schriftenmaler und Schilderhersteller sowie Architekten Beschriftungen entworfen und ausgeführt ha­ ben, kam es in der Grafik nach der Jahrhundertwende zu einem Professionalisierungsschub. Im westeuropäischen Raum entstanden ab den 1910er­Jahren erste Grafikklas­ sen an den Kunstgewerbeschulen, in denen visuelle Ge­ staltung und Typografie systematisch und nach modernen Gesichtspunkten unterrichtet wurde (Linksbündigkeit, Ver­ wendung von wenigen Schrifttypen, vermehrte Verwendung von serifenlosen, d. h. Groteskschriften etc.). Sowohl für die Grafik als auch für die Architektur war die Ausbildung am 1919 gegründeten Staatlichen Bauhaus in Weimar, das 1925 nach Dessau umsiedelte, bis weit in die Nachkriegszeit wegweisend. Am deutschen Bauhaus, aber auch in der 1920 ent­ standenen, weniger bekannten Moskauer «Wchutemas» (Höhere Künstlerisch­Technische Werkstätten), fanden Versuche statt, Handwerk und Kunst zusammenzuführen. In der Wchutemas unterrichtete unter anderem Wassily Kandinsky, der 1921 Moskau verließ und später am Bau­ haus unterrichtete. Neu war bei beiden Institutionen der explizit interdisziplinäre Ansatz: dass Architekten und Grafiker bzw. Typografen unter einem Dach vereint waren, beeinflusste die Entstehung und Entwicklung der neuzeit­ lichen Disziplin Archigrafie zentral. Die Gestalter suchten auch im Bereich der Gebäudebeschriftungen, die zu dieser Zeit noch stark durch klassisch­römische Inschriften oder verschnörkelte, schlecht lesbare Schriften geprägt waren, nach zeitgemäßen Konzepten.

1 1911–1914 bauten Walter Gropius und Adolf Meyer die Fagus­Werke in Alfeld an der Leine. Die beiden sorgfältig im Dachfries platzier­ ten Schriftzüge wurden 1919 angebracht. 2 + 3 Bei der 1909 fertiggestellten AEG­Turbinen­ halle in Berlin war Peter Behrens nicht nur für den Bau zuständig, sondern modernisierte auch das Logo.

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4 Das Bauhausgebäude in Dessau, 1928 von Walter Gropius erbaut und von Herbert Bayer beschriftet. Die Anordnung des Schriftzuges auf der Fläche wurde neu zur kompositorischen Aufgabe. 5 Das Kaufhaus Jelmoli (1898) in Zürich von Stadler und Usteri weist die typischen gold­ schwarz hintermalten Glasbänder (Fascias) der Zeit auf.

Learning from History

Integration und Komposition Bautechnische Erfindungen an der Wende zum 20. Jahr­ hundert wie die Stahlskelettbauweise eröffneten den Ar­ chitekten neue Möglichkeiten. Vorhangfassaden (curtain walls) und größere, geschlossene Wandteile verlangten neue gestalterische und technische Strategien für die Beschriftungen. Ihre Platzierung an der Fassade, die Aus­ richtung am Gebäude und die Schriftwahl –  sofern sie nicht durch die Marke oder den Firmenschriftzug (spä­ ter: Corporate Design) bestimmt wurden – wurde zur frei­ kompositorischen Aufgabe. Die Industrialisierung schuf neue Gebäudetypen wie Fabriken, Tankstellen, Messehallen, Kinos und Hotels so­ wie Motels in den USA. Die Gestalterinnen und Gestalter der Avantgarde nahmen sich deren Beschriftung an. Ar­ chitekten entwarfen Schriften speziell für ein Gebäude. Erich Mendelssohn entwickelte für Kaufhäuser passgenaue Leuchtschriften und ganze Lichtarchitekturen. Die Fabrik­ gebäude mit sorgfältig integrierter Beschriftung von Peter Behrens und Walter Gropius wurden zu Ikonen der Archi­ tekturgeschichte. Die Brüder Hans und Wassili Luckhardt steigerten die Gebäudebeschriftung zu einer neuen, re­ klameorientierten Ausprägung der Fassaden städtischer Geschäftshäuser. Ihre Entwürfe – etwa für das Geschäfts­ haus an der Tauentzienstraße in Berlin, dessen Front sie zu einer regelrechten Werbefassade umbauten – trugen ihnen Lob der Werbefachleute ein, aber auch die Kritik der Kollegen, sie biederten sich bei der Werbewirtschaft an. Bei Entwürfen für das Berlin­Haus am Potsdamer Platz be­ mühten sie sich wieder um eine angemessene Integration der Beschriftungen. Internationaler Austausch in der Zwischenkriegszeit Das Bauhaus bündelte als gestalterisches Zentrum in der Zwischenkriegszeit verschiedene Strömungen und seine Methoden und formalen Konzepte waren in der Folge inter­ national einflussreich. Neben den Einflüssen aus der jungen Sowjetunion gehörten dazu auch viele Ideen aus Amerika – Fords Rationalisierungsprinzipien, mit dem Jazz verbunde­ ne Lebensstile, Stahlskelettbauten, die Architektur Frank Lloyd Wrights –, die schon in den 1920er­Jahren unter dem Stichwort «Amerikanismus» am Bauhaus diskutiert wurden. Durch die (erzwungene) Emigration seiner Protago­ nisten in den 1930er­Jahren verbreitete sich die Gestal­ tungskultur des Bauhauses weltweit. Viele «Bauhäusler» 13

wanderten nach der Schließung des Berliner Bauhauses 1933 in die USA aus. Sie bauten Nachfolgeinstitutionen auf und unterrichteten an renommierten Kunsthochschulen. 1933 wurde das Black Mountain College in der Nähe von Ashville/Nordkarolina gegründet; hier lehrte neben ande­ ren Persönlichkeiten des Bauhauses auch Walter Gropius. 1937 kam es zur Gründung des New Bauhaus in Chicago durch László Moholy­Nagy. Diese Schulen bildeten viele später bekannte US­amerikanische Architekten und Gra­ fiker aus. Andere – wie etwa den Grafiker Paul Rand – be­ einflusste die Moderne indirekt. 1932 hatte die Ausstellung «Modern Architecture: Inter­ national Exhibition» des Museum of Modern Art in New York sowie das Buch dazu, «The International Style», die moderne Architektur und ihre führenden Persönlichkeiten wie Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe in den USA weithin bekannt gemacht und ein allgemeines Interesse geweckt. Die wechselseitigen Beziehungen und Austauschpro­ zesse in der Zeit zwischen den Weltkriegen hatten eine trans­ atlantische Homogenisierung der modernen Gestaltung in Architektur und Typografie bewirkt, auch wenn der folgen­ de Krieg einige dieser Verbindungen wieder zerbrechen und der Stalinismus in der Sowjetunion sowie der National­ sozialismus in Deutschland die einst fruchtbaren Experi­ mente der Avantgarde (vorläufig) beenden sollte. Europa: Spezialfall England Während die Ideen der russischen Konstruktivisten und des Bauhauses in vielen europäischen Staaten (Belgien, Tschechoslowakei, Niederlande und anderen) auf reges Interesse stießen und auch in der Schweiz prominente, modernistische Gebäudebeschriftungen entstanden, re­ agierten die Briten zurückhaltender und orientierten sich sowohl in der Architektur als auch der Typografie weiterhin an eher klassischen Traditionen, wie – unter anderem – die Arts­and­Crafts­Bewegung belegt. Die Briten pflegten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein eine besondere architektonische Beschriftungstradition: Die Buchstaben wurden direkt in die Fassaden gemei­ ßelt und es wurden meist klassische Schriften verwendet. Dazu haben zwei Typografen, die das englische Schrift­ schaffen zu Beginn des 20. Jahrhunderts und dann über Jahrzehnte hinweg prägten, maßgeblich beigetragen: Edward Johnston und Eric Gill (der auch Bildhauer war). Ihren Prämissen folgten viele Gestalter, etwa der Typograf und Schriftschneider Michael Harvey. Johnston machte

6 J. J. P. Oud baute 1925 das Café de Unie in Rotterdam. Schriftzug und Lichtreklame sind in die farblich und kompositorisch von De Stijl und Konstruktivismus beeinflusste Fassade integriert. 7 + 8 Herbert Bayers leider nie rea­ lisierte Kioskskizzen von 1924 wiesen früh multimediale Elemente auf: Sie sollten rauchen, tönen und Filme ab­ spielen.

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9 Die 12 m hohe, diagonal auszieh­ bare Rednertribüne von El Lissitzky von 1924 sollte durch eine Leinwand zusätzlich überhöht werden. Sie war für Tagesparolen und nächtliche Filmprojektionen gedacht. 10 Die Tribüne von Gustav Klucis (1922) war Teil eines transportablen Propagandakioskes mit Leinwand, Bücherstand u. a.

11 Den Slogan «Käufer, komm / zum Mosselprom!» von Wladimir Majakoski malte Alexander Rodschenko 1925 auf die Fassade des Moskauer Lebens­ mitteltrusts. 12 Maison de la Publicité, Oscar Nitzchke, Paris, 1936. Die «Medien­ maschine» sollte die im Innern produzierten Infos auf die Champs­ Élysées ausstrahlen.

13 René Herbst installierte seine «luminographie» 1937 am Pavillon de la Publicité. Sie war eine der Hauptattraktionen der Internationa­ len Expo von 1937 in Paris. 14 Der Futurist Fortunato Depero vor seinem Pavillon für den Verlag Treves Tumminelli. Die spektakuläre Schriftskulptur stand 1927 auf dem Gelände der Biennale in Monza.

15 + 16 Geschäftshaus Tauentzien­ straße, Stadtküche Kraft, Berlin, 1925. Hans und Wassili Luckhardt verwandelten Altbauten in «mo­ derne» Reklamefassaden, was ihnen teils Kritik eintrug. 17 Erich Mendelssohn entwarf die Beschriftungen integral: Beim Kauf­ haus Schocken in Stuttgart von 1928 zum Beispiel als Bestandteil der Lichtarchitektur.

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18 Einer von mehreren Beschrif­ tungsentwürfen für das Haus am Potsdamerplatz in Berlin, 1930. Die Luckhardts bemühten sich explizit um eine bessere Integration von Be­ schriftung und Werbung. 19 Kino Apollo, Zürich, 1928.

20 De Volharding, Den Haag, 1928. Jan Buijs musste eine Fassade für möglichst viele Werbe­ schriften entwerfen. Die Glasfassade wird von opaken, rückseitig beschriftbaren Bändern un­ terbrochen. Nachts ist das Gebäude eine rie­ sige Leuchtskulptur. 21 Kaufhaus Ober, Zürich, 1934. Die Leucht­ schrift von Ernst Keller ist denkmalgeschützt.

Learning from History

1906 deutlich,4 dass die römische Schrift Capitalis und ihre Variationen am besten für Inschriften geeignet sei­ en, da sie gleichzeitig gut lesbar und dekorativ seien. Er trug viel dazu bei, dass Schriften an Fassaden sorgfältig angeordnet wurden. 1916 entwarf er die humanistisch geprägte Grotesk­ schrift5 Johnston Sans für die Beschriftungen der Londoner Transportunternehmen, die sich in der Folge in der briti­ schen Grafik enorm verbreitete, ebenso wie die Schrift Gill von Eric Gill. Der am häufigsten verwendete Schrifttyp für Archigrafien wurde jedoch die als English Vernacular bezeichnete serifenbetonte und daher plakativere Egypti­ enne, die Anfang des 19. Jahrhunderts für die damals auf­ kommenden Werbeformen –  Typo­Plakate, Inserate und Flyer etc. – entworfen worden war. Wie keine andere Nation haben die Briten die Tradition von integralen, jedoch grafisch vorwiegend an klassizisti­ sche Vorbilder angelehnten Beschriftungsformen nicht nur in der Praxis gepflegt, sondern auch ausgiebig dazu pub­ liziert: Sowohl Nicolete Gray6 als auch Jock Kinneir7, Allan Bartram8, Phil Baines und Catherine Dixon9 zeigen in den entsprechenden Büchern eine inspirierende Vielfalt von Gebäudebeschriftungen. Nicolete Gray hat das Central Lettering Record (CLR) am St. Martins College in London gegründet und die Datenbank mit Tausenden von Bildern bestückt. Heute wird die Sammlung von Catherine Dixon und Phil Baines betreut.10 Die Beschriftungsexperimente der Avantgarde wurden von den meisten britischen Autoren – wenn überhaupt – nur am Rande erwähnt. Während Gray am Schluss ihres Buches einige moderne Beispiele etwa aus den Niederlan­ den aufnimmt, beschränkt sich Alan Bartram gänzlich auf aus seiner Sicht «einzig relevante» englische und italie­ nische Beschriftungen. Auch Jock Kinneir überspringt die europäische Moderne und schreibt 1980 (!), dass die Wel­ len, die auf die Art nouveau gefolgt seien, nie eine breite Akzeptanz gefunden hätten. De Stjil sei formalistisch und intellektuell gewesen und Art déco unbedeutend. Akzep­ tanz fanden in seinen Augen jedoch einige schweizerische und deutsche Beispiele der Nachkriegszeit, die sich zwar stark an der reduzierten Typografie der Moderne orien­ tierten, jedoch neu entwickelte Schriften verwendeten (Helvetica, Univers etc.). In England kommen die divergierenden Haltungen der großen kulturhistorischen Bewegungen exemplarisch zum Ausdruck: Auf humanistisch geprägte Gestaltungshaltun­ gen folgten jeweils technisch­rational geprägte, und umge­ kehrt. Keine Richtung konnte die andere je vollständig ver­ 16

drängen, beide Haltungen koexistierten in der Architektur und Gestaltung unabhängig von der gerade in der öffent­ lichen Rezeption dominanten Richtung. Der englische Gestalter und Publizist Jock Kinneir be­ schreibt die Situation in Großbritannien in einem Aufsatz von 200711 retrospektiv folgendermaßen: «Britain was late to modernism in the twentieth cen­ tury. (…) In the architecture and design of 1945 and after, the British way was various and tempered.» Mit «modernism» spricht Kinneir die Nachkriegszeit an, in der die avantgardistischen Konzepte der Zwischenkriegs­ zeit sowohl in der Architektur als auch in der Grafik – aus­ differenziert und vor allem kondensiert – ihren Höhepunkt erreicht hatten. Einer der wenigen Engländer, die sich für die euro­ päische Avantgarde interessierten, war der junge Grafik­ designer und Publizist Herbert Spencer, der in den 1930er­ und 1940er­Jahren Europa bereist, Piet Zwart und Max Bill getroffen und deren Gestaltungsprinzipien kennengelernt hatte. Er verbreitete die typografischen Innovationen im Journal Typografica, das er von 1949 bis 1967 herausgab, und beeinflusste damit einige jüngere englische Gestalter und Typografen, die diese auch auf Gebäudebeschriftun­ gen übertrugen. Edward Wrights mehrsprachige und bun­ te Beschriftung des Pavillons für den 6th Union of Architects Congress (IUA), der 1961 in London stattfand, steht dafür als seltenes, aber gelungenes Beispiel. Der «Swiss Style» und die Beschriftungsthematik Theo Ballmer, Max Bill und Xanti Schawinky, die nach ih­ rer Ausbildung am Bauhaus in der Schweiz zu arbeiten begannen, begründeten zusammen mit weiteren Gestal­ tern den «Swiss Style»12. Sie wollten die Schweizer Grafik auf ein hohes gestalterisches und vor allem auf ein in­ ternationales Niveau heben, was ihnen durch eine rege Publikationstätigkeit – erwähnt seien hier etwa die Zeit­ schriften Graphis, Spirale, Neue Grafik und die Typogra­ fischen Monatsblätter –, durch Ausstellungen und Vorträge auch gelang. Vertreter der Zürcher Schule, insbesonde­ re Josef Müller­Brockmann, und der Basler Schule, etwa Armin Hofmann, wurden in die USA und später nach Japan und in weitere Länder eingeladen. Die an der konstruktiven Gestaltung interessierten Ty­ pografen und Grafiker der Deutschschweiz hatten vor allem

22 Skizzen von Arne Jacobsen für eine prominente Beschriftung des Stelling Hus in Kopenhagen. 23 Max Bill entwarf eine riesige, in die Fensteröffnungen des Corso­ Hauses integrierte Schrift. 24 Bei der ausgeführten Variante tanzen die Leuchtbuchstaben in hohem Bogen über dem Varieté­ Theater, Zürich, 1934.

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25 Das 1935 ausgeführte Stelling Hus mit kleinem Schriftzug über dem Eingang. 26 Entwurf für ein umlaufendes Schriftfries von Ernst Gabarel für einen Geschäftssitz in Davos um 1930. Auch bei vielen anderen Pro­ jekten räumte Gabarel der Be­ schriftung einen wichtigen Platz ein.

27 Monumentale Fassadenmalerei von Ernst Keller für eine Papierhandlung in Zürich um 1930. 28 Moderne Schriftkomposition von Max Bill am Zett­Haus in Zürich, 1932.

29 Scheinfassade mit Leuchtschrift am Kino Urban in Zürich, 1934. 30 Tagsüber wird das problematische Verhält­ nis zwischen dem riesigen Traggerüst und dem kleinen, zweigeschossigen Bau augenfällig.

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31 Die 8 m hohen roten Neonbuch­ staben P, S, F, S (Philadelphia Savings Bank) leuchten 32 Kilometer weit. George Howe und William Lescase bauten das Hochhaus 1932. 32 Jan Duiker platzierte 1934 eine riesige Schrift auf dem Dach des Kino Cinéac in Amsterdam und eine zweite entlang der Fassade.

33 + 34 Jelmoli­Erweiterungsbau von Otto Pfleghard, Zürich, 1938. Im sechsten Geschoss befand sich eine «Reklamenische». 2,60 m große Buchstaben wurden auf vier horizontale Stäbe montiert und nachts hinterleuchtet. 35 1930 wurde der Persil­Schriftzug 750 × 400 Meter groß an die Wolkendecke projiziert.

Learning from History

von Anton Stankowski, Jan Tschichold, Paul Schuitema und Piet Zwart entscheidende Impulse erhalten. Die «Schwei­ zer Typografie» wurde in den 1950er­Jahren als «rational typographic style» bekannt. Viele in der Schweiz ausgebil­ dete und tätige Gestalter arbeiteten später in Frankreich, Italien, den USA und weiteren Ländern und trugen so die Schweizer Grafik und Typografie in die Welt. Klare Typografie für zielführende Wegleitung Insbesondere im Orientierungsdesign – heute Signaletik genannt [ Signaletik S. 36 ff ] – der 1960er­ bis 1980er­Jahre fanden die auf gute Lesbarkeit ausgerichteten Schriftent­ würfe der Schweizer Adrian Frutiger und Max Miedinger Verwendung. Adrian Frutiger wanderte Anfang der 1950er­Jahre nach Paris aus, um dort als Schriftdesigner zu arbeiten. 1957 veröffentlichte er die Schrift Univers; Max Miedinger brachte zeitgleich die Helvetica auf den Markt, die bis heute weltweit meistgenutzte Schrift für Beschilde­ rungen. Diese sachlichen, neutralen und modernen Gro­ teskschriften erwiesen sich auch als besonders passend für die Architektur der Nachkriegsmoderne. Der Schweizer Gestalter und Lehrer Josef Müller­Brock­ mann und andere Protagonisten entwickelten neue Gestal­ tungsparameter für die Anwendung von Schrift im Layout. Die rasterartige Anordnung von Texten und Zeichen im Satzspiegel von Büchern wurde auf die Signaletik übertra­ gen und erlaubte die Strukturierung auch mehrsprachiger Informationen in Beschilderungssystemen auf verschiede­ nen Maßstabsebenen und in verschiedenen Formaten. Strenge Signaletiksysteme stehen mit ihrem universel­ len Anspruch in einem Widerspruch zu kontextspezifischen Fassadenbeschriftungen im Sinne von Archigrafien. Des­ halb sind während der Blütezeit der klassischen Signaletik nur wenige Beispiele integraler Gebäudebeschriftungen entstanden. Der italienische Architekt und Designer Carlo Scarpa entwarf in den 1950er­ und 1960er­Jahren schö­ ne, architekturspezifische Beschriftungen, und einige fast schon poppige Gebäudebeschriftungen aus den späten 1960er­Jahren verweisen mit ihren spielerischen und ex­ pressiven Ausdrucksformen auf die kommende Epoche. Das Ende des Internationalen Stils Gegen Ende der 1960er­Jahre wuchs die Kritik an den er­ starrten Formalismen der sachlichen Gebrauchsarchitektur. 19

Die große Zeit des funktionalistischen «International Style» ging zu Ende13 und es kam auch im Grafikdesign zu einem tief greifenden Wandel. In der Nachkriegsmoderne hatte die Beschriftungs­ kultur an Bedeutung verloren. In immer gleicher Weise ausgeführte Marken­ und Corporate­Design­Elemente lösten individuelle, maßgeschneiderte Beschriftungen ab. Bürohäuser mit Rasterfassaden oder großen Fens­ tern boten kaum Platz für Beschriftungen. Es entstanden Bürovorstädte mit standardisierten Mietflächen, die einen schnellen Nutzungswechsel ermöglichen sollten, indem sie eine ausgeprägte Identität vermieden. Die von der klassi­ schen Moderne postulierte Einheit der inneren Struktur mit der äußeren Form löste sich auf und wich einer abstrakten Fassadenarchitektur, auf der beliebige Logos appliziert und bei Bedarf schnell ausgewechselt werden konnten. Let’s play Eine wichtige ideelle und formale Wurzel für die folgen­ den Veränderungen in Architektur und Grafikdesign war die Mitte der 1950er­Jahre in den USA und England unab­ hängig voneinander entstandene Kunstrichtung der «Pop­ Art». Ihre Protagonisten wandten sich dem Trivialen und Alltäglichen zu (etwa Claes Oldenburg mit seinen Skulp­ turen von ins Absurde vergrößerten Alltagsgegenständen), adelten Markenzeichen (Andy Warhol mit seinen legen­ dären Siebdrucken) und überspitzten Elemente der Popu­ lärkultur (die Comic­Bilder von Roy Lichtenstein) und des überbordenden Massenkonsums. Die schrille und plakative Darstellung des Gewöhnli­ chen beeinflusste die Experimente der frühen postmoder­ nen Architekten und Gestalter in Kalifornien unmittelbar. Die US­amerikanische Landschaftsarchitektin und Gra­ fikerin Barbara Stauffacher Solomon gestaltete 1965 mit farbig­expressiven Entwürfen die Innenräume des kalifor­ nischen Ressorts Sea Ranch des Architekten Charles Moore und wurde somit zu einer der wichtigsten Vertreterinnen der Supergraphics­Bewegung. Für den Schöpfer des Be­ griffs, den Architekturkritiker C. Ray Smith, waren Super­ graphics «kein dekoratives Hilfsmittel, sondern ein räum­ liches Experimentieren»14. Die nordamerikanischen big signs der 1960er­ und 1970er­Jahre überformten mit abs­ trakten Zeichen ganze Gebäude und schufen einen neu­ en Typ von Beschriftungen. Auch die Gestalterin Deborah Sussman begann mit postmodernen Architekten wie Frank Gehry zusammenzuarbeiten und entwickelte 1984

36 Das 1968 auf der Union­Brauerei montierte vergoldete «U» ist das Wahrzeichen der Stadt Dortmund. 2010 wurde das oberste Geschoss des Gebäudes, das heute ein Kulturzentrum ist, mit einem LED­Fries ausgestattet. 37 Expressive «Schriftkugeln» von Gérard Miedinger am Bally­Hauptsitz von Häfeli Moser Steiger in Zürich, 1968.

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38 Die illustrative Wandgestaltung für Bally am Bleicherweg in Zürich stammt von Josef Müller­ Brockmann (1955). 39 Die freie Schriftkomposition von Max Bill am Pestalozzi­Gebäude in Zürich von 1943 belegt sein Interesse an Schrift am Bau und die Vielfalt seines Schaffens auf diesem Gestaltungsgebiet. 40 Das Kino Studio 4 in Zürich hat Roman Clemens 1948/49 umgebaut, eingerichtet und stilvoll beschriftet.

41 Schöne, integrierte Reliefschrift von Carlo Scarpa beim Olivetti­Laden in Venedig von 1957.

42 + 43 Der ultimative «dekorierte Schuppen»: Das gesichtslose Versand­ haus in der Agglo von Philadelphia wird erst durch den 10 m hohen, knall­ roten Schriftzug BASCO identifiziert. Venturi, Scott Brown Ass. (VSBA), 1976. 44 Diese Geflügelbraterei in Flan­ ders/NY wurde zur Ikone einer Debatte. Robert Venturi und Denise Scott Brown sprachen von «Ente» in Bezug auf  Gebäude, die an sich Zeichen sind.

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45 Sorgfältig integrierter Schrift­ zug beim Guild­House von VSBA, Philadelphia, 1964.

46 The «Indeterminate Facade» von SITE­Archi­ tects für die Warenhauskette BEST in Houston, 1974. 47 The «Peeling Facade» von SITE in Richmond von 1974: Humorvolle Corporate Architecture «avant la lettre» für das Warenhaus BEST. 48 Das Lieb­Haus von VSBA, New Jersey, 1969. 49 Las­Vegas­Welcome­Sign im «Googie­Stil», Las Vegas, 1959.

Learning from History

ein bunt­fröhliches Erscheinungsbild für die Olympischen Spiele in Los Angeles. Bei der parallelen Theoriebildung des Begriffs «Postmoderne» durch den US­amerikanischen Ar­ chitekturkritiker Charles Jencks und die Architekten Denise Scott Brown, Robert Venturi und Steven Izenour spielten Zei­ chensysteme und deren expressive und großmaßstäbliche Anwendung an Gebäuden eine entscheidende Rolle. Learning from Las Vegas Die beiden Bücher Complexity and Contradiction in Archi­ tecture (1966)15 und Learning from Las Vegas (1972)16 lösten eine wichtige und überfällige architekturtheoretische De­ batte aus. In deren Zentrum stand die Frage nach dem in der Nachkriegszeit zunehmenden Verlust des symbolischen Gehalts der Architektur und nach dem Wert von grafischen Symbolen. Die Moderne sei mit ihrem Versuch, Entwurfs­ grundlagen zu rationalisieren, gescheitert. Denn: Auch die Architekten der Moderne hätten sich auf historische Vorbil­ der bezogen und diese – beispielsweise in der Industrieäs­ thetik – zeitspezifisch zum Ausdruck gebracht. Der Versuch, Architektur rein räumlich­funktional zu begründen, sei fehl­ geschlagen und habe nie der gebauten Realität ihrer wich­ tigsten Vertreter – genannt seien hier Le Corbusier, Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe – entsprochen. Denise Scott Brown, Robert Venturi und Steven Izenour reizten mit ihrer Forderung, Ornamente, Schriften und Wer­ bezeichen aktiv und spielerisch in Architekturentwürfe zu (re)integrieren, die späten Anhänger des Neuen Bauens und griffen die Prinzipien der funktionalistischen Moderne frontal an. Ihre Ideen lösten zum Teil massiven Widerstand von Architekturkollegen, Lehrinstitutionen, Kulturhistorikern und Publizisten aus. Die Verfeinerung des Gewöhnlichen Die Projekte des Büros Venturi, Scott Brown and Associates (VSBA) ab 1963 waren für die Zeitgenossen eine Provokation (so wie Wolfang Weingarts Grafikdesign etwas später für die Schweizer Designcommunity). Zwar ist der «dekorier­ te Schuppen» (decorated shed), bei dem eine ausdrucks­ lose architektonische «Kiste» wie etwa ein Verteilzentrum aus Wellblech in der Agglomeration mit einer großmaß­ stäblichen Schrift identifiziert wird, ein Topos in ihrem Werk, doch andere Projekte zeigen einen differenzierteren Umgang mit Grafik und Architektur. Beim Guild­House in 22

Philadelphia von 1963 ist die sorgfältig platzierte Beschrif­ tung Teil eines komplexen symbolischen Systems, das iro­ nisch, aber durchaus liebevoll den Bewohnern des Alters­ heims Identität stiften sollte. Ebenso verschmilzt bei der Fire Station No. 4 in Columbus, Indiana (1966) eine große Schrift mit architektonischen Elementen, um auf die Bedeutung des Gebäudes als Teil der öffentlichen Infrastruktur hinzu­ weisen. Plakativität, Ironie und Irritation sind also durchaus Strategien im Werk von VSBA, wurden aber dennoch zu zentralen Ausgangspunkten für neue architektonische und grafische Kompositionen. Auch das New Yorker Architekturbüro SITE machte in dieser Zeit mit ironischen Anwendungen von Schrift am Bau auf sich aufmerksam. Seine Entwürfe für die Waren­ hauskette BEST setzten in den 1970er­ und 1980er­Jahren Maßstäbe in einem Bereich, der heute als «Corporate Ar­ chitecture» bezeichnet wird, und die Architekten experi­ mentierten zudem mit großmaßstäblichen, ornamental angewendeten Schriften [ BEST-Anti-Sign Building, S. 128 ]. Rezeption und ästhetische Verfeinerung Die Theorien von VSBA wurden weltweit rezipiert und es folgten Ausstellungen in den USA, in Asien und in Europa. Der Schweizer Kunsthistoriker Stanislaus von Moos rich­ tete beispielsweise 1979 eine Ausstellung im Museum für Gestaltung in Zürich ein. Sowohl die dazugehörige Publi­ kation als auch die Ausstellung selbst haben die damalige und die nachfolgende Schweizer Architektengeneration beeinflusst. Sowohl Mike Guyer von Gigon/Guyer als auch Daniel Niggli von EM2N bestätigten dies in Interviews mit den Autoren. Gigon/Guyer nahmen bei ihren Davoser Pro­ jekten zudem Bezug auf die historischen, von der Moder­ ne geprägten Gebäudebeschriftungen des Architekten Rudolf Gaberel. Nur wenige europäische Architekten nahmen in den 1980er­Jahren den Steilpass aus den USA allerdings so be­ reitwillig und direkt auf wie der Franzose Jean Nouvel. Er entwarf früh erste Medienfassaden und Beschriftungssys­ teme und äußerte sich auch schriftlich zu dieser Thematik. Er meinte, man müsse die Schriften und neuen Medien in­ tegrieren, sie ästhetisch jedoch in gewisser Weise bändigen und transzendieren.17 Zeitgleich begannen die Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron damit, Schriften in ihre Ent­ würfe zu integrieren, gingen dabei jedoch zurückhaltender vor als Nouvel. Sie agierten vorwiegend im physisch­mate­

50 Supergrafik von Jean­Philippe Lenclos, Ecole Les Maradas, Cergy Pontoise, 1972. 51 BEST Anti­Sign Building, SITE Architects, Richmond, 1978. 52 Wandgestaltung von Edward Wright, 6. Inter­ nationaler Architekturkongress, London, 1961. 53 Deborah Sussmann: bunte Beschriftung eines Joseph Magnin Store von Frank Gehry, 1969.

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54 Leuchtturmprojekt der Postmoderne: das Niban­Kan­Gebäude in Tokyo von Minoru Takeyama, 1977. «All­over»­Fassadengestal­ tung von Jean­Philippe Lenclos. 55 + 58 Ausschnitt aus der monumentalen Fassadengrafik von Jean­Philippe Lenclos. Gandolys­Werft, Port Barcarès, 1969.

56 Einfarbig­zurückhaltende Außenbeschrif­ tung von Barbara Stauffacher­Solomon auf der Holzfassade des Sea­Ranch­Ladens und Re­ staurants von Charles Moore, Sonoma/CA, 1976. 57 Bunte Grafik im Innern: Stauffacher­Solomons kongeniale grafische Statements im Innern des Gebäudes.

59 Aldo Rossi, Centro Torri, Einkaufszentrum in Parma, 1988. Die Türme, das Mauerwerk und die Beschriftung aus Keramik beziehen sich auf die lokale Baukultur. 60 Entwurf für ein Theater in Blois, Herzog & de Meuron, 1991. Fassade mit LED-Laufbändern (nicht ausgeführt).

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61 Jean Nouvel und Gilbert Lézénès: fröhliches «Billboard» beim Kulturzentrum La Coupole in Combs la Ville, 1987.

62 Jean Nouvel und Emmanuel Cattani, Cartier, Villars sur-Glâne, 1992. Das Logo als Ornament, hier groß in die verspiegelte Fassade integriert. Je nach Lichteinfall wirkt das raffiniert. 63 Zeichenschleier: Tausende Logos wurden mit Siebdruck auf die Glasfassade gedruckt. SUVA-Haus, Herzog & de Meuron, Basel, 1993. 64 Die Schrift verschiebt den Maßstab des Gebäudes: Coop-Zentralverwaltung, Zürich, 1999. 65 E, D, E, N, Pavillon von Herzog & de Meuron, Rheinfelden, 1987 [ S. 62 ].

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riellen Bereich, entwarfen aber auch Medienfassaden oder mit LED­Bändern versehene Gebäude, die allerdings nicht realisiert wurden. Als eines der ersten Schriftprojekte entwarfen sie einen Gartenpavillon in Form einer poetischen Schriftskulptur [ E,D,E,N, 1987, S. 62 ]. Während Nouvel den Siebdruck auf Glas großformatig und trotz Transparenz eher plakativ wirkend einsetzte, wendeten Herzog & de Meuron ihn in Form eines kleinmaßstäblichen Schriftornaments an, das semitrans­ parent ist und damit den Blick auf die historische Fassa­ de gleichzeitig verhüllt und sichtbar lässt. Die Gebäude­ beschriftung taucht als Eigenbenennung im SUVA­Haus tausendfach als wenige Zentimeter hohe Siebdruckschrift auf; großmaßstäbliche Beschriftungen haben Herzog &  de Meuron aber immer vermieden. Die Basler Architekten entwickelten auch verschiedene neuartige Verfahren, mit denen Bilder und Ornamente in Fassaden integriert werden können. Für poetische und teils provokative (Leucht­)Schriften an ihren Bauten arbeiteten sie jahrzehntelang eng mit dem Schweizer Künstler Rémy Zaugg zusammen. Das Schweizer Architekturbüro Gigon/Guyer fiel zu Be­ ginn der 1990er­Jahre mit einigen Entwürfen auf, für deren typografische Ausformulierung sie den Gestalter Lars Müller und die Grafikerin Trix Wetter beizogen.18 Ab 1996 setzten die Münchner Architekten Hild und K sowohl in der Schrift­ als auch in der neu aufflammenden Ornamentikdebatte eigensinnige Akzente [ Sammeln, S. 25; Hotel Louis, S. 68 ]. Signaletik kombiniert mit visueller Narration Der französisch­schweizerische Grafiker Ruedi Baur stellte ab Mitte der 1990er­Jahre die funktionalen Prämissen der Signaletiker der ersten Generation in Frage. Die Impulse der Pop­Art und der Postmoderne beeinflussten auch ihn; vor allem ging es ihm jedoch um die soziopolitischen Aspekte von Kommunikation im öffentlichen Raum. Baur hatte sein Handwerk Anfang der 1980er­Jahre beim Schweizer Signaletiker Theo Ballmer gelernt. Nach dieser Erfahrung schätzte er Signaletik im herkömmlichen Sinn als dermaßen unkreativ und streng ein,19 dass er seine Tätigkeit als Signaletiker erst viele Jahre später aufnahm. Mit der großflächigen Fassadenbespielung der Ecole d’ingénieurs spécialisée en systèmes automatiques et ro­ botiques (ESISAR) in Valence (1998) und Folgeprojekten gab er der Signaletikbranche neue Impulse. Seine verspiel­ ten Entwürfe sieht er heute als dezidierte Gegenbewegung 25

zum rationalen und vermeintlich objektiven Schweizer Funk­ tionalismus, wie er bis weit in die 1980er­Jahre an Kunst­ hochschulen gelehrt und weithin praktiziert wurde. Jedes Gebäude erfordert nach Baur eine kontextspe­ zifische, individuelle Lösung. Er gründete internationale Netzwerke, arbeitete intensiv mit Architekten, Produkt­ und Fontdesignern zusammen. Seine Entwürfe gingen weit über den eigentlichen Informationszweck hinaus, waren narrativer als klassische Signaletiksysteme. Oft bezog er die Geschichte des Gebäudes oder des Quartiers in seine Projekte mit ein und arbeitete wieder direkt auf und mit den Fassaden. Auch wenn bei einigen von Baurs Projek­ ten die Zeichenschicht geradezu überschäumt, hat er in­ ternational Maßstäbe gesetzt und das Feld für die dritte, heute wirkende Generation von Gebäudebeschriftern und Signaletikern geöffnet. Beschriftungskultur im 21. Jahrhundert Seit Ende der 1990er­Jahre kommt es international im­ mer häufiger zu Synthesen zwischen architektonischen Gebäudebeschriftungen und Signaletikelementen. Eini­ ge Gebäudebeschrifter und Signaletikerinnen verfolgen heute wieder verstärkt Hands­on­Strategien. Sie entwer­ fen integrale Gebäudebeschriftungen, die sie aus den Ei­ genschaften der Architektur, aus ihrem Kontext oder ihrer Geschichte ableiten. Neu dabei ist, dass auch Signaleti­ ker vermehrt versuchen, die Wegleitungselemente und Be­ schriftungen für das Gebäudeinnere aus der Außenkenn­ zeichnung abzuleiten oder zumindest materiell­farblich auf die Architektur abzustimmen. Seit der Jahrtausendwende setzte eine deutlich wahr­ nehmbare internationale Dynamik im Beschriftungssektor ein. Schweizerische Gestaltungsbüros wie Bringolf Irion Vögeli GmbH (Zürich) und Hi  –  Visuelle Kommunikation (Luzern), deutsche Designagenturen wie L2M3 (Stuttgart) oder büro uebele (Stuttgart) und der Wiener Erwin K. Bauer haben neue Impulse gesetzt. In den Beneluxstaaten, den osteuropäischen Ländern, in Skandinavien, in den USA (Designagentur Pentagram) und in Australien sind interes­ sante Projekte entstanden. Jüngere Architekturbüros wie Christ &  Gantenbein (Basel) oder EM2N (Zürich) binden Grafikdesigner oder Signaletikerinnen zunehmend in frühen Projektphasen ein oder lassen sich von Typografen beraten. Zudem wächst die Zahl der Grafikerinnen und Grafiker, die sich mit räum­ lichen Konzepten bestens auskennen und fähig sind,

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Architekturen zu analysieren und zu interpretieren. Berüh­ rungsängste zwischen den beiden Disziplinen lösen sich – so ist zu hoffen – in Zukunft immer mehr auf.

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Loos, Adolf 1908: «Ornament und Verbrechen». In: Adolf Loos. Sämtliche Schriften. Wien: Herold Archithese 1995: Schrift am Bau – Calligrafie et façade. Zürich: Niggli. 1/1995 Ebd. Johnston, Edward 1906: Writing – Illuminating – Lettering. London: John Hog Groteskschriften sind serifenlos. Gray, Nicolete 1960: Lettering on buildings. London: Archi­ tectural Press Kinneir, Jock 1980: Words and Buildings: the art and practice of public lettering. London: Architectural Press Bartram, Alan 1975: Lettering in architecture. London: Lund Humphries Baines, Phil / Dixon, Catherine 2003: Signs. Lettering the environment. London: Laurence King Publishing Ltd. http://www.publiclettering.org.uk/ Kinneir, Jock 2007: Signs at the Royal Festival Hall. London: Hyphen Press Wie der Begriff «Swiss Style» entstanden ist und sich inter­ national verbreitet hat, schildert Christoph Bignens in seiner Publikation «Swiss Style». Die grosse Zeit der Schweizer Ge­ brauchsgrafik 1914–1964 ausführlich. 2000. Zürich: Chronos Bignens konstatiert: «Allgemein war in den 1960er Jahren der Glaube an eine normative Ästhetik, die auf hohem Niveau sowohl die freien als auch die angewandten Künste ein für alle Mal fixieren sollte, verschwunden.» In: Bignens, Christoph 2000: «Swiss Style». Die grosse Zeit der Schweizer Gebrauchsgra­ fik 1914–1964. Zürich: Chronos Brook, Tony / Shaughnessy, Adrian 2010: Supergraphics. Transforming Space: Graphic Design for Walls, Buildings &  Spaces. London: Unit Editions. S. 258 Venturi, Robert (Hg. Konrad Klotz) 1978 (deutsche Ausgabe): Komplexität und Widerspruch in der Architektur. Basel: Birkhäuser Venturi/Scott Brown/Izenour 1979 (deutsche Ausgabe): Lernen von Las Vegas. Zur Ikonographie und Architektursymbolik der Geschäftsstadt. Basel: Birkhäuser Boissière, Olivier 1992: Jean Nouvel, Emmanuel Cattani und Partner. Zürich: Artemis Verlag Interview der Autoren mit Mike Guyer vom 4. Mai 2015 Interview der Autoren mit Ruedi Baur vom 31. März 2015

66 Restaurant Vinikus, Davos. Perfekt in das Gebäude von Gigon/Guyer integrierte Beschriftung von Lars Müller. Dezente Farbvariante von 1992. 67 HinderSchlatterFeuz gestalteten die Schrift am Geschäftshaus NŒRD aus Standard­Leucht­ röhren, Zürich, 2009. 68 Stephan Rutz’ Schriftzug aus Leuchtstoffröhren an der Kunst­ und Gestaltungsschule F+F in Zürich von 2004.

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69 Seit 1994 war die Fassade des Vinikus­Laden­Restaurants mit leuchtend roter Farbe bemalt.

70 Christoph T. Hunzikers Kunst­und­Bau­ Schrift am Feuerwehrgebäude in Winterthur leuchtet nach, 1999. 71 Äußerst reduzierte Schrift von Mayo Bucher beim Einkaufszentrum Emme, Emmen­ brücke, 2000. 72 Zwischen Lesbarkeit und Abstraktion: Fahrzeugunterstand des Tiefbauamtes TAZ, Laube, Kaufmann, Widrig, Zürich, 2004.

73 Große Empfangsgeste: das Lehigh Valley Hospital von VSBA, Muhlenberg/USA, 2005. 74 Die Universität Minnaert von Neutelings Riedjik Architecten steht auf einem Schriftsockel, Utrecht, 1997. 75 Schrift aus Betonfertigelementen gefügt und vergoldet: die Wertstoffsammelstelle von Hild und K in Landshut, 1996.

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76 Schriftskulptur mit 80er Jahre-Flair bei der ehemaligen Fiat-Fabrik in Turin (Lingotto), 1988. 77 Gigantismus im neuen Jahrtausend. Die Schrift am Bosch-Parkhaus bei Stuttgart ist 8 m hoch und von innen begehbar. 78 Die Buchstaben, von der Firma Westiform hergestellt, sind mit Spanntuch bezogen.

79 Realities:united etwickelten diese Medien­ fassade 2009 gemeinsam mit WOHA, Singapur. Ein hochauflösender LED­Screen inmitten von 500 Farb­LED­Elementen, die seine Wirkung erweitern. 80 Eine Pixelmatrix aus 1 800 Leuchtelementen. Kunst als Teil einer Werbeaktion für leer stehende Büroflächen, Potsdamer Platz Berlin, 2005 (rea­ lities:united).

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81 Das alte, 1969–72 von Werner Düttmann geplante «Ku’damm­Eck» in Berlin mit einer 300 m2 großen Lichtraster­Werbefläche, die far­ bige und bewegliche Bilder zeigen konnte. 82 Skizze von VSBA für einen gigantischen Screen mit 200 000 «elektronisch program­ mierten Lichtern», College Football Hall of Fame, New Jersey, 1967. 83 Nicht realisiertes, flaggenartiges «Electronic Billboard» beim Whitehall Ferry Terminal in New York, VSBA, 1995.

EIGEN- UND FREMDWERBUNG PLÄDOYER FÜR EINE DIFFERENZIERTE BETRACHTUNG

Eigen­ und Fremdwerbung

Informationen und Werbungen an Gebäuden sind kein isoliertes, ästhetisches oder ökonomisches Phänomen. Der Fokus dieser Publikation liegt zwar dort, wo Beschrif­ tungen, Werbungen und Wegleitungselemente konkret auf die Architektur treffen: an den Fassaden. Diese Zeichen­ schichten sind zugleich ein Teil eines komplexen kommu­ nikativen Systems im urbanen Raum. Sie vermittelten dem Betrachter unterschiedliche Inhalte und Werte.1 Was unter­ scheidet Gebäudebeschriftungen von (Außen­)Werbung? Was ist mit Fremd­ bzw. Eigenwerbung gemeint? Der Ver­ such einer Begriffsklärung und Neubewertung. Eigenwerbung, Fremdwerbung, Wegleitung Schriften, Zeichen und Bilder, die an Gebäuden ange­ bracht sind, informieren, werben und orientieren. Für diese drei Kategorien existieren – zumindest im deutsch­ sprachigen Raum – verschiedene Begriffe: Eigenwerbung, Fremdwerbung sowie Wegleitung bzw. Signaletik. Diese Begriffe benennen die Bedeutung der Zeichen in Bezug auf die Architektur: Stehen sie mit ihr in inhaltlichem Zu­ sammenhang, weisen sie von ihr weg, unterstützen sie ihre orientierende Funktion? Eigenwerbung: Was draufsteht, ist drin Architekturspezifische Gebäudebeschriftungen, für die hier der Begriff Archigrafie vorgeschlagen wird, beziehen sich explizit auf das Gebäude, an dem sie angebracht sind. Sie kommunizieren dessen Nutzung, Besitzer oder Funktion. Sie stehen mit dem Gebäude also in direktem inhaltlichen Zusammenhang, identifizieren es und hel­ fen sich im Stadtraum zurechtzufinden bzw. gesuchte Orte zu erkennen. Sie werden deshalb, wenn sie nicht zu dominant ausgeführt sind, weniger in Frage gestellt als kommerzielle Werbung. Und sie lassen sich auch besser in die Architektur integrieren, insbesondere wenn diese auf längere Dauer oder gleichbleibende Nutzung angelegt ist. Archigrafien stärken die Identität von Gebäuden und Orten und können so zur Relokalisierung von Städten bei­ tragen. Aus diesem Grund gehören sie integral zur terri­ torial verankerten Architektur und sollten diese in ihrem Ausdruck unterstützen.

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Konflikte zwischen Corporate Design und Architektur Erscheinungsbilder werden selten im Hinblick auf ihre räumliche Wirkung und Anwendung entwickelt. Branding­ konzepte sind heute crossmedial angelegt, müssen auf verschiedensten Plattformen funktionieren. Die Außen­ beschriftung ist zwar eine wichtige Visitenkarte für jedes Unternehmen, wird aber bei der Entwicklung von Corpo­ rate Designs meistens marginal behandelt. Deshalb las­ sen sich Firmenlogos – insbesondere wenn sie komplizierte Zeichen beinhalten  – konstruktiv meist schlecht an Fas­ saden integrieren. Wortmarken – speziell wenn sie in Ver­ salien gesetzt sind – eignen sich deutlich besser. Möglich ist zudem eine materielle und farbliche Vereinheitlichung unterschiedlicher Schriftzüge und Logos, beispielsweise in anspruchsvollen Einkaufspassagen. In der Galleria Mila­ no etwa sind alle Beschriftungen in Gold auf schwarzem Glas ausgeführt, im Rail­City im Zürcher Hauptbahnhof sind alle Schriftzüge schwarz auf weiße Bänder appliziert. Wirklich befriedigend ist das nicht, denn «Brands», die öf­ ter wechseln, stehen der territorial verankerten Architektur diametral entgegen. Firmen, die in sorgfältige Architektur als Ausdruck der Firmenkultur investieren (Corporate Architecture), realisie­ ren immer öfter, dass deren Beschriftung mit kurzlebigen Logos fehl am Platz ist, und sind offen für architekturspezi­ fische Beschriftungen [ Raiffeisen, S. 64 ]. Eine neuere Tendenz ist zudem, dass Grafikdesigner Schriften aus den Eigen­ schaften der Architektur ableiten und sowohl für deren Beschriftung als auch das Corporate Design verwenden. Aus Reklame wird (Fremd­)Werbung Nach 1930 wurde der Begriff Reklame2 im deutschspra­ chigen Raum zunehmend durch «Werbung» abgelöst.3 Mit Werbung wollen Unternehmen auf ihre Produkte, Marken und Dienstleistungen aufmerksam machen und zum Kauf anreizen. Trotzdem wird der veraltete Begriff «Reklame» heute immer noch für nicht kommerzielle Beschriftungen benutzt. Das ist irreführend. Architekturspezifische Gebäu­ debeschriftungen und Fremd­ bzw. Außenwerbung sollten dezidierter unterschieden werden und separate Rechts­ grundlagen, Bewilligungsverfahren und Leitbilder erhalten.

Eigen­ und Fremdwerbung

Wider die «Reklameflut» Markenzeichen, Werbeplakate und Firmenlogos an Fas­ saden polarisieren, seit es sie in größerem Umfang gibt. Allerdings handelt es sich vorwiegend um einen Diskurs, der unter Experten geführt wird, zwischen Städteplanern, Architekten, Heimatschutzverbänden, Denkmalpflegern und Werbetreibenden. Als Reaktion auf die früh einsetzende Werbekritik hatte der deutsche Druckereibesitzer und Verleger Ernst Litfaß die nach ihm benannten Litfaßsäulen entwickelt. Nach längeren Aushandlungsprozessen mit der Kommune Berlin wurde ihm im Jahr 1855 erlaubt, hundert dieser Werbe­ und Informationsträger im städtischen Raum aufzustellen. Dies war ein Versuch, zumindest die Plakatflut an den Fassaden, Brandmauern, Brüstungen und Geländern zu bändigen bzw. von diesen zu entfernen und auf einem Spezialmobi­ liar angemessen in das Stadtbild zu integrieren. Die meisten Kommunen verfügen heute über Plakatie­ rungsverträge mit der Werbeindustrie, in denen die städte­ bauliche Einordnung von Plakatträgern – ihre Dimension, Verteilung und Dichte – geregelt wird. Wie stark sich die grafische Qualität von Werbeplakaten in den letzten hun­ dert Jahren verändert hat, wird selten zum Thema. Im Zen­ trum steht die «adäquate» Einordnung von Werbeträgern im städtischen Raum, und das ist ein dehnbarer Begriff. Den allgemeinen Zustand der Außenwerbung um 1900 schilderte der österreichische Volkswirtschaftler und Sozialpolitiker Viktor Mataja am Beispiel der Stadt Wien anschaulich:4 «Der öffentliche Aufruf zu Zwecken der Bekanntma­ chung hat an Bedeutung wesentlich einbüßen müssen, der Straßenlärm von heutzutage erstickt ihn. Auch die Austeilung von in der Regel ärmlich ausgestatteten Ankündigungen (dodgers, hand bills) ist überholt. […] Außerordentlich verbreitet sind Mauer­ und Wand­ anzeigen aller Art an hierführ passenden oder unpas­ senden Orten. Sie verfolgen uns von der Gasse her in den Straßenbahnwagen, in den Bahnhof oder sonsti­ ge öffentliche Örtlichkeiten hinein. Wir entfliehen der durch Bild und Schrift zu uns sprechenden Reklame nicht, wenn wir die Stadt verlassen: Tafeln längs der Eisenbahngeleise5 – geben uns das Geleit, auf Felsen und Bauwerken in der Fremde lacht uns das wohlbe­ kannte sign entgegen.»

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In vielen Ländern wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts Heimatschutzverbände gegründet, die sich über Jahrzehnte hinweg heftig gegen die «Verschandelung der Städte mit Reklame»6 zur Wehr setzten: «Die Heimatschutzbestrebungen richten sich von ih­ ren Anfängen an gegen jene Reklame, die sich über­ all da mit lärmender Prahlerei in den Vordergrund drängt, wo das Auge Ruhe und Erholung sucht. […] Heftet sie sich nicht unversehens an Fenster, Fassaden, Brandmauern und Balkone, klettert sie nicht, einem tollen Affen gleich, auf die Dachgesimse hinauf, ja auf die Firste?» Die Argumente der Werbegegner wechselten im Lauf der nachfolgenden Jahrzehnte: Ging es zu Beginn des 20. Jahr­ hunderts noch um den Schutz der «unversehrten heimat­ lichen Landschaft» bzw. der historischen Gebäude in den Altstädten, reklamierten Architekten des Neuen Bauens die Störung des modernen Stadtbildes. Mit der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung stand die Verkehrssicherheit im Zentrum: Verkehrsschilder sollten gut sichtbar sein. Nach dem Zweiten Weltkrieg hieß es, dass die «ungeordnete Masse von Werbezeichen» zum wirtschaftlichen Unsinn werde, da zu viele verschiedene Logos an Fassaden mit­ einander konkurrieren würden. In den USA wurde mit dem Highway Beautification Act ab 1965 versucht, die Außen­ werbung entlang der Ausfallachsen und Überlandstraßen einzudämmen. Die Werbegegner erreichten mit ihrem Wi­ derstand, dass für Außenwerbung vielerorts gesetzliche Grundlagen, kommunale Leitbilder und eine einheitliche Bewilligungspraxis eingeführt wurde. Fremdwerbung und Architektur Aus der Perspektive der Architektur ist kommerzielle Wer­ bung ein Fremdkörper, da sie zum Gebäude, an dem sie angebracht ist, keinen inhaltlichen Bezug aufnimmt und entsprechend weder integriert werden kann noch soll. Marken, Firmen und Dienstleistungen von überregiona­ len oder globalen Anbietern weisen von der Architektur weg. Werden sie dominant und legen sich großflächig über die Architektur, degradieren sie diese zu reinen Wer­ beträgern. Erscheinen zudem weltweit dieselben Logos, werden Stadtbilder austauschbar. Kommerzielle Werbung trägt so zur Schwächung von spezifischen, lokalen Stadt­ identitäten bei. Auch hier gilt es jedoch quartierspezifisch

84 Auf William Hogarths Bild von 1755 sind Pfähle und Beschriftungstafeln gut zu erkennen. 85 Reklame überall. Die Szene am Zürcher Bahnhof um 1910 ist exemplarisch für die Zeit. 86 In der Galleria in Mailand sind nach der Restaurierung 2014/15 wieder alle Logos golden auf schwarz. So wie beim ursprünglichen, 1867 eröffneten Bau. 87 Sind grafisch vereinheitlichte Logos nur als Kunst am Bau möglich? Mayo Bucher, Shoppi Tivoli, Spreitenbach, 2014.

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88 Die berühmte Plakatsäule von Ernst Litfaß brachte ab 1855 ein wenig Ordnung ins Stadtbild, zuerst in Berlin. 89 1932: Während der Lichtwoche in Zürich lotete man das neue Me­ dium aus.

90 Aus heutiger Perspektive faszinierend, viel­ fältig und bunt: Leuchtwerbungen am Europahaus in Berlin in den 1930er­Jahren. 91 An der Lichtwoche in Zürich von 1932 be­ teiligten sich namhafte Gestalter wie Max Bill und Hans Finsler.

Eigen­ und Fremdwerbung

zu differenzieren. Plätze in Vergnügungsvierteln punktu­ ell für großmaßstäbliche Werbung freizugeben – analog zum Times Square, dem Picadilly Circus, St. Pauli etc. –, ist dabei die stadtbildverträglichere Variante, als die Werbung in der Größe zu beschränken, aber im Gegenzug über weite Flächen zu verteilen.

flexible Nutzbarkeit die Architektur bestimmt und so eine ausgeprägte Identität verhindert. Je nach Bautyp können jedoch unterschiedliche, kontextspezifische Strategien an­ gewendet werden [ case studies ab S. 42 ]. Fremdwerbung im öffentlichen Raum

Außenwerbung ist für alle sichtbar Aus der Sicht der Werbeindustrie ist die Architektur – neben dem öffentlichen Raum – ein idealer Werbeträger. Hier sind ihre Botschaften für alle sichtbar. Außenwerbungen7 sind in einer Zeit, in der die Märkte stark fragmentiert und die Zielgruppen via TV und Internet, wo Werbung gezielt weg­ geschaltet oder blockiert werden kann, immer schlechter erreichbar sind, wieder ein wichtiges Medium. Dies vor al­ lem, weil sie mit der mobilen Kommunikation gekoppelt werden kann. Für die Architektur hat das Folgen, die durch die Einführung von neuen, digitalen Werbeformen – (inter­ aktive) Bildschirme mit Bewegtbildern – in Zukunft verstärkt wirksam werden. Gebäudebeschriftung und Architektur Die physische Erscheinung der Stadt wird primär durch Gebäudevolumen, Zwischenräume, Wegenetze und Plät­ ze geprägt. Seit der Industrialisierung haben sich aber die «sprechenden» Zeichenschichten, die sich über und zwischen die Architektur legen, vervielfacht und dadurch die Kommunikation in den städtischen Räumen grund­ legend verändert. Gebäudebeschriftungen prägen die optische Wirkung der Architektur; sie definieren Gebäude, stehen mit ihnen zum Teil in Konkurrenz und kommunizieren explizit. Sie sind untrennbar mit der Entwicklung der modernen Architektur und der Disziplin des Städtebaus verbunden. Die Architek­ ten klagten über den Verlust der alleinigen Zuständigkeit in Bezug auf den Ausdruck, die Deutung und Lesbarkeit ihrer Werke. Ihr Status als Universalisten änderte sich im 20. Jahrhundert, das von Technisierung, Rationalisierung und vor allem durch zunehmende Arbeitsteilung geprägt war, fundamental. Mittlerweile haben sie sich daran ge­ wöhnt, verschiedene Fachplaner – darunter auch Signale­ tiker, Typografinnen und Designer – in ihre Arbeitsprozesse einzubeziehen. Diese stehen oft vor dem Problem, die Ge­ bäude adäquat zu beschriften, je stärker eine möglichst 34

Auf der Fußgängerebene ist Werbung kein Problem, wird sie jedoch an den oberen Gebäudeteilen angebracht, wirkt sie auf das ganze Volumen. Hier entstehen wirkungsästhe­ tische Konflikte, die bis heute ungelöst sind. Insbesondere wenn verschiedene Logos an Fassaden aufeinandertreffen, entstehen Probleme, zumal sich diese gegenseitig kanni­ balisieren. Während von der einen Seite befürwortet wird, dass Werbung zu einem lebendigen, zeitgenössischen Stadtbild gehöre, wird andererseits deren Legitimation heute wieder vermehrt in Frage gestellt. In einigen Staaten und Städten (São Paolo8, Bergen, Grenoble und verschie­ denen US­Städten und ­Staaten) wurde Fremdwerbung so­ gar gänzlich verboten. Diese Debrandingstrategien stellen die Kommerzialisierung der Architektur (und der öffentli­ chen Räume) durch private Unternehmen grundsätzlich in Frage. Bei der Werbeindustrie stoßen solche Ideen natur­ gemäß auf Ablehnung, während sich die Stadtbevölkerung ambivalent verhält. In São Paolo steht sie gemäß Umfra­ gen dem Abbau von Werbeanlagen positiv gegenüber. Die Stadtbewohner wollen aber gleichzeitig über neuste Pro­ dukte, Marken und Dienstleistungen informiert werden. Sie werden als Konsumenten angesprochen und sind als sol­ che Teil von Marketingstrategien. Es scheint jedoch so, dass sie sich an neue Werbeformen jeweils gewöhnen und diese ein Stück weit auszublenden lernen. Mehr noch haben sich Werbetypen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts störten – wie Email­Werbeschilder und Sachplakate –, heute zu begehrten Sammlerobjekten entwickelt. Frühe kommer­ zielle Wandmalereien und historische Leuchtschriften werden unter Denkmalschutz gestellt und Museen legen entsprechende Sammlungen an. Regulierung Die Aufgabe der städtischen Behörden ist es, regulierend zu wirken, gegenüber den unterschiedlichen Akteuren und ihren Ansprüchen zu vermitteln. Die meisten Kommunen verhalten sich jedoch ambivalent. Einerseits erlassen sie Gesetze und erarbeiten differenzierte Konzepte, die zur

Eigen- und Fremdwerbung

Qualitätssicherung, d. h. zur adäquaten Einordnung von Werbung in die Architektur und den städtischen Raum, dienen. Und die – wenn dezidiert zwischen Gebäudebeschriftungen und Außenwerbung unterschieden wird – zu einer guten Beschriftungskultur beitragen. Andererseits beteiligten sie sich seit über hundert Jahren an der zunehmenden Ökonomisierung der Städte, indem sie den öffentlichen Raum an private Firmen vermieteten. Dieser lässt sich nicht vermehren und ist ein wichtiges Gut. Wenn er zu kommerziellen Zwecken an Private vermietet wird, stellt sich die Frage, ob die Kommunen – und damit die Bevölkerung – davon adäquat profitieren. Über gestalterische Empfehlungen hinaus könnten die Kommunen die Werbeindustrie vertraglich zur Offenlegung ihrer Erträge verpflichten, damit sie die Höhe der Abgaben entsprechend festlegen können. Umgekehrt müssten die Behörden den Stadtbewohnern darüber Auskunft geben, wozu die Einnahmen verwendet werden. Förderung der Beschriftungskultur Aus den oben genannten Gründen ist es sinnvoll, für gestalterisch sorgfältige, auf die Architektur abgestimmte Beschriftungen besondere Leitbilder zu erstellen. Wobei damit nicht nur die konstruktive Integration, sondern auch die visuelle, materielle, inhaltliche, soziale oder historische Kontextualisierung gemeint sein kann. Kommunen sollten für solche Beschriftungen die Rechtsgrundlagen und die Bewilligungspraxis anpassen. Darüber hinaus könnte die Beschriftungskultur durch finanzielle Anreize (z. B. Gebührenerlass), durch das Ausloben von Wettbewerben und die Vergabe von Preisen gezielt gefördert werden.

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Neben den legalen, vom Gesetzgeber bzw. den Kommunen bewilligten und regulierten Äußerungsformen existieren viele illegale spielerische, politische und künstlerische Zeichenschichten. Französisch réclame, eigentlich = das Ins-Gedächtnis-Rufen, zu älter: réclamer; lateinisch reclamare, laut zurufen, entgegenschreien Propaganda dagegen bezeichnet politische Werbung. Mataja, Victor 1909/1920: Die Reklame. Berlin/Leipzig: Duncker und Humboldt Sogenannte Streckenwerbung Balsiger, H. 1922: «Plakat oder Reklameunfug?» In: Heimatschutz = Patrimoine, Band 17, Heft 7, S. 119–122 Heute im Marketing Out-of-Home-Media genannt (OoHM) 2007 setzte der Bürgermeister Gilberto Kassab das Gesetz «Lei cidade limpa» (Gesetz der sauberen Stadt) in Kraft.

ORIENTIERUNG DURCH DESIGN SIGNALETIK

Orientierung durch Design

Grundsätzlich kann zwischen normativen, d. h. gesetzlich regulierten Signalisationsformen – etwa für den Straßen­, Schienen­ oder Flugverkehr  – und fakultativen Signale­ tiksystemen, die meist eher auf den Langsamverkehr aus­ gerichtet sind, unterschieden werden, wobei die beiden Formen sich heute vielerorts überschneiden. Aktiv am Ver­ kehr Teilnehmende müssen die entsprechenden Verkehrs­ signale und ­schilder kennen. Die Kenntnisnahme der in halböffentlichen oder privaten Signaletiksystemen gebote­ nen Informationen erfolgt dagegen weitgehend freiwillig, d. h. im individuellen Interesse. Diese Orientierungselemen­ te, die zusätzlich zu den normativen Systemen erstellt wer­ den, werden heute primär als Signaletik bezeichnet. Bei beiden Formen handelt es sich im Kern um die Be­ schilderung von Verkehrswegen. Die Signale sollten dabei sprachlich, visuell und akustisch so codiert sein, dass Men­ schen sie sinnlich wahrnehmen und die Zeichen decodie­ ren, d. h. ihre Bedeutung verstehen und einordnen können. Grafische Zeichen dienen den Verkehrsteilnehmern als Warnsignale, Informationen oder Richtungshinweise und ermöglichen und erleichtern ihnen damit die Orientierung im Verkehr, in komplexen Gebäuden, auf großen Arealen und im (öffentlichen) Raum. Sich orientieren zu können, ist ein menschliches Grundbedürfnis. Orientierung funktio­ niert jedoch, nach Beate Kling, nicht ohne selbstverantwort­ liches Denken und Handeln: «So übersichtlich Leitsysteme in räumlichen Zusammenhängen auch sein mögen, eine aktive Benutzung ist Bedingung für ihren Erfolg.»1 Kennt man beispielsweise die Schrift oder die kulturellen Codes eines Landes nicht, wie etwa das arabische oder chinesi­ sche Alphabet oder Piktogramme, ist man schnell verloren. Die signaletische Informationskette Orientierungsdesign oder Wegleitung –  wie die Signa­ letik auch genannt wird – gliedert einen Weg von einem Ort oder Raum zum nächsten in Abschnitte. Die orientie­ rende Zeichenkette setzt sich aus Wegleitungselementen (Richtungspfeile mit Zielangaben zu einem Areal, einem Gebäude, einem Raum etc.) und Zielbestätigungen (Be­ schriftung von Areal­, Gebäude­, Raumeingängen etc.) zusammen. An wichtigen Entscheidungspunkten, etwa Kreuzungen und Abzweigungen, weisen Zeichen die Pas­ santen auf die nächsten Ziele hin, wobei Orientierung dann am besten funktioniert, wenn der Sichtbezug vom einen zu den nächsten Elementen gegeben ist. Grundsätzlich gilt: Auch das beste Signaletiksystem vermag architektonische 37

Mängel, etwa eine fehlende Eingangsbildung oder unlogi­ sche Raumabfolgen, nie gänzlich aufzuheben. Vom Einzelschild zum System Schildermaler fertigten Orientierungstafeln bis weit ins 20. Jahrhundert als (kunst­)handwerkliche Einzelstücke an. Im Lauf des 20. Jahrhunderts wurden sie zunehmend durch industriell vorproduzierte, zum Teil standardmäßig beschriftete Schilder abgelöst. Einzelne Pioniere gestalteten bereits im ersten Vier­ tel des 20. Jahrhunderts mehr oder weniger systematisch aufgebaute Orientierungselemente. Für die Londoner Untergrundbahn entwarf Edward Johnston 1916 eine spe­ zielle Schrift, die Johnston Sans, und eine frühe Form des berühmten roten Kreislogos (Roundel) der U­Bahn stammt ebenfalls von Johnston. Ein erstes Farbleitsystem im Innen­ bereich gestaltete Max Burchartz in den 1920er­Jahren für das Hans­Sachs­Haus in Gelsenkirchen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg setzten sich jedoch hierarchisch aus­ geklügelte, d. h. inhaltlich, visuell und konstruktiv­materiell aufeinander abgestimmte Signaletiksysteme in großem Maßstab durch. Private oder öffentliche Zuständigkeit? Im Lauf des 19. Jahrhunderts übernahm die öffentliche Hand – insbesondere in den schnell wachsenden Städten – immer mehr die Aufgabe, Orientierungselemente zu entwickeln und die gesetzlichen Grundlagen dafür zu schaffen. Dies war lange Zeit nicht selbstverständlich, denn sowohl die Verkehrssignalisation als auch die Straßenbenennung wur­ den erst nach zähen Verhandlungsprozessen mit privaten Grundstücksbesitzern, Nutzern und Interessenverbänden zu hoheitlichen Aufgaben.2 Orientierung auf dem Land und in der Stadt Wegleitung im neuzeitlichen Sinn wurde erst mit dem Aus­ bau von sicher begeh­ und befahrbaren Weg­, Straßen­ und Eisenbahnnetzen im 19. Jahrhundert zum Thema.3 Wa­ ren lange Zeit beschriftete Landmarken wie Gaststätten oder große Bauernhöfe Hilfsmittel zur groben Orientierung im ländlichen Raum, halfen in den Städten Beschriftungen von Läden, Hotels, Poststellen und öffentlichen Ämtern den

Orientierung durch Design

Ortsfremden dabei, sich zurechtzufinden. Um 1850 waren in New York – der damals größten Metropole der westli­ chen Hemisphäre – erst wenige Hauptverkehrsachsen ge­ kennzeichnet. Private Eigentümer in besseren Wohnlagen versuchten immer wieder, ihnen nicht genehme Straßen­ oder Ortsbezeichnungen zu schönen, und übermalten gar eigenhändig die von den Behörden angebrachten Stra­ ßenschilder.4 Dass die Kommunen die Straßenbenennung als ihre Aufgabe in die Hände zu nehmen begannen, war nicht zuletzt ein demokratischer Akt. Sie argumentierten nicht nur damit, dass Touristen und Geschäftsreisende sich orientieren können müssen, sondern auch mit der Gleich­ behandlung aller Bevölkerungsschichten. Die Einführung von Hausnummern Eine Folge dieser systematisierenden Bemühungen war die Einführung von Hausnummern als abstrakte Bezeich­ nungen. Die Verwaltungen der wachsenden Städte such­ ten nach Möglichkeiten, den Wandel administrativ zu be­ wältigen und zu dokumentieren. Jedes Grundstück erhielt eine Nummer. Dies ermöglichte sowohl die Erstellung von Grundstücksregistern als auch das Zeichnen verbindlicher Stadtpläne. Während man sich in vielen Städten in den Straßen nach fortlaufenden Zahlen orientieren kann, ist das etwa in japanischen Städten oder in Venedig anders organisiert. Das System der Postadressen in Japan basiert auf einem Parzellensystem, das sich von historischen Ein­ teilungen der Steuerbezirke ableitet. In Venedig sind je­ weils alle Häuser in einem der sechs Stadtteile (sestiere) durchnummeriert. Zunahme des individuellen Verkehrs Solange in den städtischen Räumen vorwiegend Fußgän­ ger unterwegs waren, gab es keinen Grund, Verkehrsströ­ me zu hierarchisieren und zu lenken. Dies änderte sich mit der Industrialisierung und der in der Folge zunehmenden Mobilität der Bevölkerung. Als erstes individuelles Ver­ kehrsmittel kam am Ende des 19. Jahrhunderts das Fahrrad auf, das von der Bevölkerung als leise und schnell und des­ halb als gefährlich empfunden wurde. Eine erste einheitli­ che Signalisierung für den Fahrradverkehr wurde um 1880 in Italien eingeführt. Die Ausbreitung des Automobils ab 1890 und die damit einhergehende «Gefahr durch zirku­ lierende Maschinen»5 in den urbanen Räumen erforderte 38

entsprechende Beschilderungen. Frühe Straßenschilder wurden oft von Reifen­ oder Automobilherstellern finanziert, die diese mit Werbung kombinierten («Fahr mit Dunlop»). Die divergierenden Bedürfnisse der unterschiedlichen Ak­ teure führten unweigerlich zu einem Schilderchaos. Sicherheit als schlagendes Argument Die Behörden erkannten, dass die Verkehrssicherheit für die Bevölkerung durch eine systematische Signalisierung ver­ bessert werden konnte. Dieses Argument half ihnen dabei, sich gegenüber den Interessenverbänden durchzusetzen. Es wurde ihnen auch früh bewusst, dass der Individualver­ kehr in den Folgejahrzehnten rasch wachsen und nicht an den Landesgrenzen haltmachen würde. Bereits 1903 fand eine erste gesamteuropäische Konferenz zu diesem Thema statt. Amerikanische und europäische Verkehrsexperten arbeiteten bis in die 1960er­Jahre an einem international verständlichen, einheitlichen Konzept, wurden sich aber in zentralen Punkten nicht einig. Signaletik als Designaufgabe In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, vor allem aber nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden für den Schiffs­, Schienen­ und Luftverkehr immer mehr internationale Re­ gelsysteme. In den neuen, komplexen Infrastrukturbauten für diesen Massenverkehr wurden intelligente, durchgän­ gig gestaltete Signaletiksysteme zur effizienten und siche­ ren Lenkung der Passagierströme unabdingbar. Zu Beginn der 1960er­Jahre wurde die Straßenbeschil­ derung erstmals zur Designaufgabe. Die Schrift Transport von Margaret Calvert und Jock Kinneir und ihr typografi­ sches Konzept für die britischen Verkehrsschilder wirkte sich auf nachfolgende Signaletikerinnen und Signaletiker aus. Ab 1960 bis heute entwarfen und entwerfen renom­ mierte Gestalter für die neu entstehenden Flughäfen, Unter­ grundbahnen und Bahnhöfe auch aus der Distanz gut les­ bare Schriften und Signaletiksysteme: so beispielsweise Bob Noorda für die Metropolitana Milanese (1964); Bob Noorda und Massimo Vignelli für die New York City Underground (um 1970), Adrian Frutiger für den Flughafen Paris Charles de Gaulle (1968), gefolgt von Schriften und Systemen von Gerard Unger und insbesondere Paul Mijksenaar. Mijksenaar schilderte mit seinem Team –  neben Amsterdam Schiphol – viele weitere Flughäfen aus, etwa

Orientierung durch Design

diejenigen von Dallas, Rotterdam und New York. In einem Interview von 20046 sagte er, dass er mit seinen Tafel­, Farb­ und Piktogrammsystemen den (Flug­)Passagieren erspare, in unterschiedlichen Ländern immer wieder neue, visuelle Codes erlernen zu müssen. Sein Traum sei, dass möglichst viele Flughäfen sein Informationsdesign kopier­ ten. Mit diesem Wunsch ist er nicht allein. Die Suche nach universell­normativen Kommunikationssystemen zeigte sich insbesondere bei der Entwicklung von Piktogrammen, wie etwa denjenigen von Otl Aicher für die Olympischen Spiele von 1972 in München. Universelle Designs sind – auch wenn sie jede Gestaltergeneration von Neuem versucht – durch die kulturell unterschiedlich geprägte Wahrnehmung und den Wandel ästhetischer Auffassungen längerfristig zum Scheitern verurteilt. Systematik in der Nachkriegsmoderne Auch öffentliche oder halböffentliche Bauten wie Spitäler, Hochschulen und Stadtverwaltungen sowie private Ge­ schäftshäuser oder Areale wurden durchgängig beschil­ dert und in der Folge auch repräsentativere Bauten wie Museen, Theater und Bibliotheken. Der Durchbruch von Signaletiksystemen korreliert mit der Abnahme von archi­ tekturspezifischen Gebäudebeschriftungen zwischen 1960 und 1980. Das lässt sich historisch bzw. systemisch begrün­ den. Frühe Signaletiksysteme für Infrastrukturbauten ba­ sierten auf den Erkenntnissen der Verkehrssignalisierung. Bei diesen war es wichtig, die Orientierungselemente ma­ teriell, farblich und konstruktiv deutlich von der Umgebung, der Architektur abzugrenzen, damit sie klar erfassbar wa­ ren. Das damit verbundene explizite Ignorieren der Archi­ tektur kann man als Hands­off­Strategie bezeichnen. Diese Auffassung kam den Architekten der Nachkriegsmoderne entgegen: Ihre (Raster­)Architekturen sollten nicht direkt und prominent beschriftet werden und waren bewusst nicht darauf ausgelegt. Das gilt teilweise bis heute. Individualisierung innerhalb der Systematisierung

Informationsbedarf hinausgehen. Verschiedene Faktoren beeinflussen dabei die konkrete Ausformulierung der Ent­ würfe: Um welchen Bautyp handelt es sich? In welcher Um­ gebung liegt das Gebäude? Wer erteilt den Auftrag, an wen und mit welchem Ziel? Aus welchen Vorgaben und Inhalten wird die übergreifende Kommunikationsidee entwickelt? Signaletik im Auftrag von Nutzern, Betreibern und Bauherrschaften ist meist funktional, d. h. nutzerorientiert ausgerichtet. Nicht selten wird die Kommunikationsidee aus dem Corporate Design einer Firma bzw. der Building Identity abgeleitet; sie folgt damit marketingtechnischen Vorgaben statt territorial­architektonischen Grundlagen. Informationsträger im öffentlichen Raum Seit den 1980er­Jahren werden immer mehr Fußgänger­ leitsysteme im öffentlichen Raum der Städte installiert. Sie dienen Ortsfremden und Besuchern zur Orientierung, indem sie gezielt und effizient zu den wichtigen Einrich­ tungen und Sehenswürdigkeiten führen. Dass sich auch Kommunen als aktiv kommunizierende Dienstleisterinnen gegenüber den verschiedenen Nutzergruppen definieren, ist grundsätzlich begrüßenswert. Aktuell stellt sich die Fra­ ge, ob einige der vielen physisch im Raum präsenten – und dort oft mit anderen räumlichen Installationen konkurrie­ renden – Informationsträger in naher Zukunft durch digita­ le Medien ergänzt oder gar ersetzt werden und in welcher Form dies genau geschehen wird (digital signage). 1 2

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Signaletiksysteme wurden in den letzten beiden Jahrzehn­ ten in Bezug auf die verwendeten Schriften und Pikto­ gramme, vor allem aber in Bezug auf die Materialien und Farben weiterentwickelt und differenziert. Sie wurden ein Stück weit der Architektur angepasst und wiesen teils spie­ lerische oder narrative Ebenen auf, die über den reinen 39

In: Signaletik. Orientierung im Raum. 2013. München: Edition Detail Wie David Henkin in seiner Publikation City Reading. Written Words and Public Spaces in Antebellum New York ausführlich und anschaulich beschreibt Die früheste Form von Straßensignalisation auf dem Festland waren die römischen Wegmarken – Meilensteine –, die Distan­ zen, Wegzeiten und Richtungen zu Zielorten anzeigten. Mark­ steine kennzeichneten Grundstücks­, Gemeinde­, Ländergrenzen. David Henkin, City Reading. Written Words and Public Spaces in Antebellum New York David Henkin, City Reading. Written Words and Public Spaces in Antebellum New York In: Die Zeit, 5. Februar 2004

SEHEN ODER LESEN? DIE REZEPTION VON ARCHITEKTUR UND SCHRIFT

Sehen oder Lesen?

Der Schriftcode ist auch in kleinen Dimensionen in der Lage, dem Architekturcode Konkurrenz zu machen oder ihn gar zu dominieren: Architektur und Schrift folgen auf der Entwurfs­ und Anwendungsebene zwar ähnlichen ge­ stalterisch­konstruktiven Gesetzmäßigkeiten, unterschei­ den sich in ihrer Wahrnehmung jedoch fundamental. Schrift ist visuell rezipierbare Sprache. Sie wird meis­ tens in Zeilen gesetzt und durch einen linearen Lesepro­ zess übersetzt. Der Blick muss der Zeile folgen, damit die Botschaft entschlüsselt werden kann. Die unterschiedli­ chen Rezeptionskonzepte von linearer Schrift und bildhaft­ szenischer Architektur können zu Konflikten zwischen den beiden Medien führen. Während den alphabetischen Code sehr viele Men­ schen kennen, ist das beim architektonischen Code nicht der Fall. Architektur kann man nicht «lesen» wie ein Buch. Ähnlich wie Bilder gibt sie keine Leserichtung vor, etwa von links nach rechts oder von oben nach unten. Sie zeigt sich als Ganzes, auch wenn gewisse dominante Elemente (Ein­ gänge, Türme etc.) die visuelle Rezeption steuern. Archi­ tektur nimmt man als mehrdimensionale Ganzheit wahr, gleicht kleine Einheiten permanent mit dem Gesamten ab. Je länger man schaut, desto tiefer bzw. detaillierter wird der Eindruck. Drängt sich die lineare Schrift an der Fas­ sade in den Vordergrund, lenkt sie den Blick auf sich und weg vom Gebäude. Beschriftungen bestehen aus Kombinationen von Wör­ tern und Zeichen, die auf unterschiedliche Weise mit der Architektur interagieren. Aus kommunikativer Perspektive irritiert bis heute, dass die meisten Architekten und Publi­ zisten, die sich zu dieser Thematik äußerten, zusammen­ fassend von Grafiken, Zeichen oder Symbolen sprachen und schrieben, also nicht kategoriell zwischen Schriftzei­ chen und bildhaften Elementen unterschieden. In Bezug auf Gebäudebeschriftungen ist diese Unterscheidung jedoch zentral. Wird Schrift beispielsweise ornamental angewendet und steht dadurch nicht ihr linguistischer, sondern ihr bild­ hafter Ausdruck im Zentrum, nähert sie sich der Architek­ tur an und kann besser in diese integriert werden, ohne zu stören. Auch wenn dies teils um den Preis einer optimalen Lesbarkeit geschieht.

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Teil 2

Projekt 1

Projekt 7

28 CASE STUDIES

NEUBAU KUNSTMUSEUM BASEL BASEL CH / 2016 S. 44

RAIFFEISENBANK NÄFELS CH / 2012 S. 64 Projekt 8

Projekt 2

EINKAUFSZENTRUM STÜCKI BASEL CH / 2009 S. 48 Projekt 3

NEW YORK TIMES BUILDING NEW YORK USA / 2007 S. 52 Projekt 4

PARKING GARAGE SANTA MONICA PLACE SANTA MONICA USA / 1980 S. 56 Projekt 5

NEUBAU WALLRAFRICHARTZ-MUSEUM & FONDATION CORBOUD KÖLN DE / 2015 S. 60 Projekt 6

E,D,E,N PAVILLON HOTEL EDEN RHEINFELDEN CH / 1987 S. 62

HOTEL LOUIS MÜNCHEN DE / 2009 S. 68 Projekt 9

MUNICIPAL POOLS POVOAÇÃO PT / 2008 S. 70 Projekt 10

MASJID AL-IRSYAD KOTA BARU PARAHYANGAN PADALARANG ID / 2010 S. 74 Projekt 11

THE LYON HOUSEMUSEUM MELBOURNE AU / 2009 S. 78 Projekt 12

HOTEL CITY GARDEN ZUG CH / 2009 S. 80 Projekt 13

TONI-AREAL ZÜRICH CH / 2014 S. 84

Projekt 14

Projekt 20

Projekt 27

HALLE FÜR STRASSENVERKEHR VERKEHRSHAUS LUZERN CH / 2009 S. 88

GEMEINDEBIBLIOTHEK DIETLIKON CH / 2013 S. 110

THE NEW SCHOOL NEW YORK USA / 2014 S. 130

Projekt 21

Projekt 28

RBC DESIGN CENTER MONTPELLIER FR / 2012 S. 112

ALTERSZENTRUM DORFLINDE ZÜRICH CH / 2011 S. 134

Projekt 15

GAS RECEIVING STATION DINTELOORD NL / 2013 S. 90 Projekt 16

CORPORATE DESIGN FÜR KLEINBAUTEN ZÜRICH CH / 2004 S. 94 Projekt 17

RAKETE BASEL CH / 2012 S. 98 Projekt 18

SCHULHAUS BUCHWIESEN ZÜRICH CH / 2004 S. 102 Projekt 19

BEZIRKSGEBÄUDE DIETIKON CH / 2010 S. 106

Projekt 22

GALERIES LAFAYETTE BERLIN DE / 1996 S. 116 Projekt 23

HACKNEY EMPIRE THEATRE LONDON GB / 2004 S. 118 Projekt 24

WERKHEIM USTER USTER CH / 2009 S. 120 Projekt 25

BIBLIOTHEK COTTBUS COTTBUS DE / 2004 S. 124 Projekt 26

BEST ANTI-SIGN BUILDING RICHMOND USA / 1978 S. 128

Projekt 1

NEUBAU KUNSTMUSEUM BASEL BASEL CH / 2016

CHRIST & GANTENBEIN CH ) Mediendesign IART AG ( BASEL CH ) Architektur

( BASEL

Der Neubau für das Kunstmuseum Basel fügt sich harmonisch in den städtebaulichen Kontext ein und tritt in einen selbstbewussten Dialog mit dem bestehenden Bau von 1936. Die Architekten Emanuel Christ und Christoph Gantenbein schufen mit der eigenwilligen polygonalen Figur des Neubaus vielfältige und subtile Verbindungen zum Stamm­ haus in Bezug auf die Materialisierung, die Fassadengliederung und die räumliche Organisation. Mit ihrem raffinierten Neubau greifen die Architekten die prägenden Elemente des Stammhauses auf und überführen sie in eine zeitgenössische Formensprache. Der Neubau ist unterirdisch vom Haupthaus her zugänglich, hat aber auch einen eigenen Eingang. Dieser ist als eingezogene Ecke ausformuliert und nimmt räumlich Bezug auf die Hauptfassade des Mutterhauses mit der Arkade. Die hellgraue Backsteinfassade refe­ riert auf die helle Kalksteinfassade des Stammhauses und ist auch ähnlich gegliedert wie diese. Im Obergeschoss wird sie durch einen drei Meter hohen umlaufenden Fries gekrönt. Die Architekten überführten die Typologie von gemeißelten Frie­ sen aus Schriften, Bildern oder grafischen Mustern technologisch und ästhetisch in die Gegenwart. Ihnen gelang damit etwas, was in Bezug auf Medienfassaden (oder teilmediatisierte Fassaden) allzu selten glückt: eine überzeugende, ideal in die Architektur integrierte Lösung. In Zusammenarbeit mit den Basler Medienspezialisten iart entwickelten sie einen kommunikativen Fries, der analoge Elemente mit elektronischen kombiniert. Auf die schmalen Simse der 4 cm tief auskragenden Backstei­ ne wurden einzeln ansteuerbare, in flache Profile gegossene LED­ Elemente montiert. Die abgekehlten, speziell für diesen Zweck her­ gestellten Steine reflektieren ihr Licht optimal. Die Profile selbst sind durch diese Montageweise für die Betrachter unsichtbar; die aus­ gestrahlten Inhalte sind von der Straße her und vor allem aus der Distanz jedoch bestens sicht­ und lesbar. Der Neubau ist für Sonder­ ausstellungen konzipiert. Auf die somit häufiger wechselnden Aus­ stellungsinformationen kann mit dem beliebig bespielbaren Band bestens eingegangen werden. Der Fries kann mehr als Texte anzeigen und verschwinden las­ sen. Grafische Muster und bildhafte Figuren können sowohl positiv als auch negativ dargestellt werden. Statische Elemente wechseln sich mit animierten ab: Der massive Baukörper gerät teilweise in Bewe­ gung. Die Lichtmenge kann subtil gesteuert werden; Informationen werden sanft ein­ und ausgeblendet: Vor den Augen der Betrachter entstehen flüchtige Lichtbilder von großer Poesie. Der mediale Fries ist weit von einer klassischen Leuchttafel entfernt, sondern vielmehr wirkungsästhetisch ein integraler Bestandteil des Mauerwerks.

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Auf die Simse der 4 cm tiefen, abgekehlten Back­ steine wurden einzeln ansteuerbare, in Profile gegossene LED­Elemente montiert. Sie sind 23 mm tief und 8 mm hoch und wurden speziell für diese Anwendung entwickelt.

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Prüfung der Steuerung an einer Testfassade durch Mitarbeiter von iart.

Durch die Ausleuchtung mit LED wird die Schattenwirkung der Fugen da aufgehoben, wo diese aktiviert sind. Schriften, grafische Muster und Bilder laufen sowohl negativ als auch positiv über den Fries.

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Projekt 2

EINKAUFSZENTRUM STÜCKI BASEL CH / 2009

DIENER & DIENER ARCHITEKTEN CH ) Mediendesign IART AG ( BASEL CH ) Architektur

( BASEL

Das 2009 im Basler Kleinhüningen eröffnete Stücki ist eines der größten Einkaufszentren der Schweiz und steht in einem ehemals industriell genutzten Quartier. Entworfen haben den eindrücklichen Gebäudekomplex die Basler Architekten Diener & Diener. Das Stücki besteht aus einer Shoppingmall mit 120 Läden, einem Fitnesscenter sowie einem Hoteltrakt mit 144 Betten auf gesamthaft 32 000 m2. Vier hohe, fensterlose Türme ummanteln die haustechnischen Installa­ tionen. Der Bau ist 367 Meter lang und 110 Meter breit und seine ver­ schiedenen Teilvolumen werden durch die weiße Grundfarbe optisch geschickt zusammengehalten. Die 38 m hohen Türme markieren die Ein­ und Ausgänge des Are­ als. Diener & Diener schlugen der Bauherrschaft vor, die Firma iart ein multimediales Gesamtkonzept für die Beschriftungs­ und Lichtele­ mente des Einkaufszentrums entwickeln zu lassen. Auf je zwei Seiten der vier Türme wurden 15 Meter hohe, flächenbündige LED­Felder in­ stalliert, die an Strichcodes erinnern und so die Vertikalität der Türme zusätzlich betonen. Nachts werden auf den Landmarken leuchten­ de, sich bewegende Bilder und Zeichen ausgestrahlt, die die Basler Skyline prägen. Die Inhalte wechseln je nach Bedarf: Es können Markennamen angezeigt werden oder Produkte, aber auch besondere Sujets, die sich auf Feiertage oder die Jahreszeiten beziehen. Das Team von iart entwickelte eine spezielle Software, mit der die eingegebenen Inhalte abstrahiert und auf das LED­Raster abgestimmt werden. Die Firma iart ist darauf spezialisiert, Medienlösungen für spezifische räumlich­ konstruktive Bedingungen zu entwickeln. Sie unterstützt anspruchs­ volle Architekten dabei, ihre Entwurfsideen technologisch integral umzusetzen. Dies mit dem Ziel, dass die Technik nicht mehr losgelöst von der Ästhetik wahrgenommen wird, sondern mit dieser verschmilzt und zum form(mit)bestimmenden Element wird. Das Stücki war eines der ersten Bauprojekte in der Schweiz mit einer nicht nur technisch, sondern auch ästhetisch befriedigenden Medienfassade. Was das Projekt aber auch deutlich macht, ist, dass es sich lohnt, wenn sämtliche Beschriftungselemente von Beginn an aufeinander und mit der Architektur abgestimmt werden. Die Leuchtschrift auf dem Dach und vor allem die klassischen bunten Nutzerschriften an der Fassade kollidieren in der ersten Nutzungsphase optisch noch mit dem schön gestalteten LED­Fries. Genau diese Elemente lässt die Be­ treiberin von den Architekten und der Firma iart zurzeit überarbeiten. Man darf auf die neue Lösung gespannt sein.

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Aus Distanz gut sichtbar: Die LED­Friese sehen aus wie ein Strichcode. Sehr sinnig für ein Einkaufszentrum.

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Die Nutzerlogos an der Fassade, hier halb  von einem Baum verdeckt, machen den ideal integrierten LED­Flächen Konkurrenz. Das wird aktuell korrigiert.

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Projekt 3

Architektur

NEW YORK TIMES BUILDING NEW YORK USA / 2007

Typografie

RENZO PIANO BUILDING WORKSHOP ( GENUA IT / PARIS FR ) MICHAEL BIERUT / PENTAGRAM ( NEW YORK USA )

Beim neuen Hauptsitz des renommierten New­York­Times­Verlags mitten in Manhattan handelt es sich um ein Projekt der Superlative. Den Wettbewerb mit hochkarätiger Beteiligung entschied der italie­ nische Architekt Renzo Piano im Jahr 2 000 mit seinem Entwurf für ein elegantes und ungewöhnlich transparentes Hochhaus für sich. Dessen Fassade besteht vollständig aus Isolierglas mit einem nied­ rigen G­Wert (Gesamtenergiedurchlassgrad) und einer vorgehäng­ ten Schicht aus horizontalen, hellen Keramikstäben. Diese zweite Haut schützt die Mitarbeiter vor blendendem Sonnenlicht und redu­ ziert den Energieeintrag zusätzlich. Das Gebäude sollte möglichst energieeffizient sein und gleichzeitig den Luxus einer geschosshohen Verglasung bieten: ein nicht lösbarer Widerspruch. Das New­York­Times­Gebäude ist zurzeit der fünfthöchste Wol­ kenkratzer im Zentrum Manhattans. Mit seinen 52 Stockwerken und einer Höhe von 319 m prägt er die Skyline der Metropole entschei­ dend mit. Dass es sich um eine der wichtigsten Corporate­Architek­ turen der letzten Jahre handelte, spornte alle Projektbeteiligten zu Höchstleistungen an, so auch die für die Beschriftung zugezogenen Mitarbeiter der international bekannten Firma Pentagram. Der Designer Michael Bierut stand vor der Aufgabe, den berühm­ ten New­York­Times­Schriftzug als 4,5 m hohe und 33,5 m lange Schrift auf die fein ausformulierte Fassade zu bringen, ohne deren Ausdruck zu stören. Ein schwieriger Auftrag, den die strengen kommunalen Auf­ lagen bezüglich Größe, Materialisierung und Applikation von Logos in diesem historischen Stadtteil zusätzlich erschwerten. Dadurch, dass der Sonnen­ und Sichtschutz aus technischen Gründen von der Fassa­ de separiert und als ein sich an den Ecken und nach oben auflösender Schleier ausformuliert wurde, bildete dieser die ideale Ausgangslage für Bierut, um die Beschriftung in die Außenhaut des Hochhauses nicht nur optisch, sondern auch konstruktiv zu integrieren. In enger Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro von Renzo Piano entwickelten Bierut und seine Mitarbeiter eine höchst raffinierte Lösung. Der Fraktur­Schriftzug wurde in 959 Einzelteile zerlegt, die auf die Keramiklamellen aufgezogen wurden wie Perlen auf eine Schnur. Die im Grundriss tropfenförmigen, aus Aluminium bestehen­ den Elemente wurden horizontal leicht geneigt und erfüllen so zwei Anforderungen zugleich: Sie bieten den Mitarbeitern einen praktisch unverstellten Blick nach außen, und der Schriftzug ist von der Straße her optimal lesbar. Wenn das kein Kunststück ist!

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Der New­York­Times­Hauptsitz ist zurzeit das fünfthöchste Gebäude in New York. Die Sicht nach außen wird durch die in die Keramiklamellen eingewirkte Schrift kaum be­ einträchtigt.

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Der New­York­Times­Schriftzug wurde in 959 Teile zerlegt und einzeln auf die Keramikstäbe aufgezogen.

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Projekt 4

PARKING GARAGE SANTA MONICA PLACE SANTA MONICA USA / 1980

Architektur

Typografie

GEHRY PARTNERS & VICTOR GRUEN ASSOCIATES ( LOS ANGELES USA ) GEHRY PARTNERS

Der Einkaufskomplex Santa Monica Place entstand zwischen 1973 und 1980 und befindet sich am südlichen Ende eines Geschäftsviertels in Santa Monica. In dieser Zeit wurden die in amerikanischen Vororten erprobten Shoppingcenter­Konzepte in den urbanen Raum transfe­ riert. Dem Architekten Frank Gehry und den Mitarbeitern von Victor Gruen Associates gelang es, durch die geschickte Anordnung und die Maßstäblichkeit der Bauvolumen einen gewissen Bezug zu den umlie­ genden Gebäuden, dem Quartier, herzustellen. Das raffinierte Spiel zwischen Geschlossenheit und Offenheit nahmen die Architekten auch bei der Beschriftung der südlichen Parkgarage auf, die zwar sehr groß ist, durch die zurückhaltende Materialisierung und das Einweben in die Fassadenhülle jedoch wieder zurückgenommen wirkt. Die Architekten platzierten die beiden Malls mit den wichtigsten Ankermietern auf einer der Diagonalen und die beiden Parkgaragen auf der anderen, was nicht der Orthodoxie damals gängiger Mall­ Theorien entsprach. Gehry konnte sich mit den Wünschen und Vor­ gaben der Bauherrschaft nicht identifizieren und betrachtet das Pro­ jekt als unfertiges Werk. Den je sechsgeschossigen Parkdecks haben die Architekten – um ihre Härte etwas abzumildern – einen Schleier aus handelsüblichem Maschendraht vorgehängt, einem schlichten Material, das Gehry häufiger verwendete. Der Schriftzug SANTA MONICA PLACE läuft über fast die ge­ samte Fassadenlänge von 100 Metern und ist ca. 8 Meter hoch. Die Buchstaben sind in einer schmal­kursiven, fetten und eng laufenden Versalschrift gesetzt, deren stark geometrisierte Form eng mit der Materialwahl zusammenhängt. Die Schrift wurde aus einem hel­ len, silbern gespritzten Drahtgeflecht ausgeschnitten und auf die Grundhülle appliziert. Dadurch, dass auch sie transparent ist, wird ihre Monumentalität gebrochen, und es fällt genügend Licht in die dahinterliegenden Parkebenen. Dass eine so große und inhaltlich pragmatische Beschriftung einen solchen Zauber entfalten kann, ist außergewöhnlich.

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Blick vom Innern eines Parkdecks durch das transparente Maschendrahtgeflecht.

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Silbern gespritztes Drahtgeflecht hebt die Schrift vom ungespritzten der Grundhülle ab.

Die 8 m hohe Schrift ist frontal zur Anfahrts­ straße platziert und läuft über die gesamte Fassadenbreite. Sie wirkt trotz ihrer Monumen­ talität zurückhaltend.

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Projekt 5

NEUBAU WALLRAFRICHARTZ-MUSEUM & FONDATION CORBOUD KÖLN DE / 2015

Architektur Typografie

CHRIST & GANTENBEIN CH ) LUDOVIC BALLAND ( BASEL CH )

( BASEL

Die Basler Architekten Emanuel Christ und Christoph Gantenbein ha­ ben 2015 den Wettbewerb für die Erweiterung des Wallraf­Richartz­ Museums in Köln für sich entschieden. Die Realisierung des ebenso selbstbewussten wie zurückhaltenden Gebäudes inmitten der Kölner Altstadt wird mit Spannung erwartet. Der Neubau besteht aus einem differenzierten Ensemble aus Museumsräumen, Wohn­ und Geschäftshäusern. Die im Süden klein­ teilige Bebauungsstruktur wird gegen den Marsplatz hin von einem markanten Kopfbau – dem eigentlichen Museum – abgeschlossen. Die lebendige, geradezu archaisch anmutende Fassade aus horizon­ tal geschichteten, farblich und maßstäblich unterschiedlichen vor­ und rückspringenden Backsteinen nimmt sowohl Rücksicht auf die historische Umgebung als auch auf den Ungers­Bau von 2001. Die Architekten brechen das Volumen des nahezu geschlosse­ nen Baukörpers im Erdgeschoss teilweise auf und schaffen damit eine einladende Geste: Durch schräge Stützen hindurch kann man einen Blick ins Innere erhaschen. Erst auf den zweiten Blick können Passan­ ten die expressiv geformten Pfeiler – die sich aus dem Boden heraus­ zustemmen scheinen – als Buchstaben oder Buchstaben­Fragmente erkennen. Durch die starke Verfremdung kann man erst auf den drit­ ten Blick konkrete Worte entziffern (WALLRAF­RICHARTZ). Die Namen der Sammlungsstifter tragen das Gebäude; ihre grundlegende Rolle in Bezug auf den Bau wird zum ausdrucksbestimmenden Element. Mit der prominenten Verwendung von Schrift nehmen die Architek­ ten Bezug auf die in Metallplatten reliefartig eingegossenen Künstler­ namen, die Ian Hamilton Finlay in die Basaltbänder der Ungers­Fassade eingefügt hat, und auf die im Treppenhaus des Altbaus locker ange­ ordneten Namenstafeln des holländischen Schriftdesigners René Knip. Dieser hat für das Museum nicht nur eine eigene Schrift entworfen, sondern die Schrifttafeln subtil in den Fugenraster Ungers’ eingepasst. Für die Gestaltung der Schrift zogen die Architekten den Basler Grafikdesigner Ludovic Balland hinzu, der unter anderem auf Font­ design spezialisiert ist. Aus einer ersten gemeinsamen Skizze ent­ stand in enger Zusammenarbeit das letztendliche Projekt. Ballands Schriftzug wirkt stark konstruiert und robust. Durch Abstraktion und Fragmentierung wird die Schrift zum fast unlesbaren Ornament. Sie fügt sich so nicht nur optisch in die Architektur ein, sondern ist durch die «tektonische» Ausbildung vollständig integriert. Balland hat mit den Architekten bereits an verschiedenen Buch­ projekten gearbeitet; die intensive Auseinandersetzung mit Schrift am Bau ist aber neu für ihn. Laut Balland ist ein Generationenwechsel im Gang: Jüngere Architekturbüros respektieren die Arbeit von Grafikern auf eine neue Art und Weise und binden sie frühzeitig – wie beim hier besprochenen Projekt – in den architektonischen Entwurfsprozess ein.

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Der «tektonisch» ausformulierte Schriftsockel nennt die Namen der Stifter: Wallraf-Richartz.

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Projekt 6

E,D,E,N PAVILLON HOTEL EDEN RHEINFELDEN CH / 1987

Architektur Typografie

HERZOG & DE MEURON CH ) HERZOG & DE MEURON

( BASEL

Der skulpturale Kleinbau der Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron steht inmitten von schönen alten Bäumen im Park des Ho­ tels Eden in Rheinfelden. Trifft man beim Flanieren auf das Gebilde, wird man zuerst einmal auf schönste Weise irritiert: Vier eigenwillig geformte Pfeiler tragen ein starr­flaches, quadratisch durchbroche­ nes Betondach. Bei genauerem Hinsehen entfalten sich die subtilen Qualitäten der Gartenlaube, deren Elemente aus schwarz eingefärb­ tem Beton gegossen sind. Die Stämme, die ein als abstraktes Gitter gestaltetes Blätterdach tragen, entpuppen sich als Buchstaben: E, D, E und N. Die Buchstabenpfeiler sind integraler Bestandteil des Baus und jeder drückt ein anderes Verhältnis zum Dach aus, das sie tragen. Die mittleren Querbalken der beiden Es liegen in der mathematischen, nicht in der typografischen Mitte, was ihnen eine tektonische Quali­ tät verleiht. Das D mit seinem Bauch scheint sich unter der Last zu biegen, das N wird gespalten. Die Lettern sind zudem verschieden ausgerichtet, was ihnen eine zusätzliche Dynamik verleiht. Es scheint fast so, als würde das Dach sie festhalten und daran hindern wol­ len, wegzuspringen. Die Buchstaben sind extrem schmal und hoch ausgebildet und changieren so zwischen Lesbarkeit und Abstraktion. Das löst Neugier aus und setzt den Betrachter in Bewegung, denn das ganze Wort lässt sich nur aus einer bestimmten Perspektive erfassen. Mit EDEN wird der Pavillon programmatisch benannt; der Begriff löst aber weite Assoziationen aus, wird zur reinen Poesie. Wir wissen, dass wir uns in Rheinfelden befinden, und fühlen uns gleichzeitig ein wenig wie im Paradies.

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Die vier Stützen des Pavillondaches sind als schmal­hohe Buchstaben ausgebildet (E, D, E, N).

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Projekt 7

Architektur

RAIFFEISENBANK NÄFELS CH / 2012

Typografie

LUSSI + HALTER ( LUZERN CH ) VELVET CREATIVE OFFICE ( LUZERN CH )

Der subtile Entwurf des Luzerner Architekturbüros Lussi + Halter ver­ langte nach einer ebensolchen Beschriftung. Davon ließ sich im Fall der Raiffeisenbank Näfels die Bauherrin glücklicherweise überzeu­ gen. Der Bankneubau ist Teil eines Ensembles von Wohnbauten, das im neueren Ortsteil von Näfels – von herrschaftlichen Bauten um­ ringt – eine Zentrumsfunktion übernimmt. Das massive Volumen des Gebäudes setzt zur Straße hin einen deutlichen Akzent und schützt den rückwärtigen Hofbereich. Zum gediegenen Charakter der Über­ bauung tragen verschiedene Faktoren bei: die präzise Setzung der Baukörper, die sorgfältige Außenraumgestaltung, die Kunststeinge­ wände und die Materialisierung der Fassade in Kellenwurftechnik in fein abgestimmter Farbigkeit. Die Bauvolumen des Bankgebäudes sind im Sockelgeschoss zusammengebaut und werden an den äu­ ßeren Kanten von je einem Schriftzug umfasst und so als zusammen­ gehöriges Ganzes identifiziert: RAIFFEISEN. Die beiden geschosshohen Schriftzüge folgen der Intention der Architektur: Sie sind gleichzeitig großmaßstäblich und zurückhal­ tend ausformuliert. Eine Beschriftung im Sockelbereich war in frühen Visualisierungen der Architekten bereits vorhanden; für die typografi­ sche Präzisierung zogen sie die Kommunikations­ und Designagentur Velvet aus Luzern hinzu. Die Corporate­Schrift der Raiffeisenbank basiert auf einer klassischen Frutiger mit speziellem R, angeschnit­ tenen Horizontalen bei E und F und geschwungenen Endungen bei A und N. Wie jedes Logo ist es stark zeitgebunden. Eine in Naturstein eingefräste Schrift sollte jedoch etwas zeitloser sein, insbesondere was die Farbgebung betrifft. Die Schrift wurde 5 mm tief aus hellen, großteiligen Kalksteinplatten gefräst und vor Ort montiert. Gerade die leicht anachronistische Idee, eine Firmenschrift in Stein zu meißeln, reizte Designer wie Architekten. Es war ihnen wich­ tig, dass die Fassadenbeschriftung integral zum Entwurf gehörte. Die Zeichen sollen gemeinsam mit dem Gebäude altern und beide Zeugen ihrer Entstehungszeit bleiben, auch wenn die Nutzung wech­ seln sollte. Dass Architektur Ausdruck einer spezifischen Firmenkultur sein kann, ist allgemein bekannt. Dass eine zu dieser Firmenkultur passende Beschriftung diesen Eindruck zusätzlich unterstützt, etwas weniger. Die Raiffeisenbank als Auftraggeber ermöglichte in Näfels ein nachahmenswertes Beispiel.

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Die Designagentur Velvet probierte im Entwurfs­ prozess unterschiedliche Schrifttypen in ver­ schiedenen Größen und Anordnungen aus und entschloss sich letztendlich für eine fette Frutiger.

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Bemusterung der sockelhohen, in Naturstein­ platten gefrästen Schrift vor Ort.

Zwei Schriftzüge fassen das Gebäudevolumen im Erdgeschoss optisch zusammen. Die mutige Auftraggeberin hat nicht darauf bestanden, die aktuelle Wortmarke an der Fassade anzubrin­ gen. Damit hat sie eine Lösung ermöglicht, die gemeinsam mit dem Gebäude altert.

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Projekt 8

HOTEL LOUIS MÜNCHEN DE / 2009

Architektur Typografie

HILD UND K ARCHITEKTEN DE ) HILD UND K ARCHITEKTEN

( MÜNCHEN

Beim Projekt, ein Verwaltungsgebäude am berühmten Viktualien­ markt in München in ein Boutique­Hotel mit Ladenpassage umzu­ bauen, standen die Architekten Hild und K vor der Aufgabe, im his­ torischen Kontext der Altstadt zwischen unterschiedlichen Bauten zu vermitteln. Sie entschlossen sich zu einer Neuinterpretation unter­ schiedlicher Münchner Bautraditionen: des Barocks und der Wieder­ aufbauarchitektur der Fünfzigerjahre; beide augenfällig repräsentiert durch die direkt benachbarten Gebäude. Das Konzept verschränkt beide Stilrichtungen. Die regelmäßige Anordnung der raumhohen Fenster mit französischen Balkonen erzeugt eine moderne Anmutung der Fassade; zugleich sorgen Stuckprofile um die Fensteröffnungen für barocke Bewegtheit. An der Fassade bilden 1,4 m breite und 1,9 m hohe Lettern das Wort HOTEL. Sie wurden sozusagen als Blindfenster eingesetzt und helfen so einerseits, den Fassadenrhythmus zu harmonisieren. An­ dererseits stimmen die fünf Buchstaben nicht mit den vier Geschoss­ zeilen überein. Sie wurden als vertikal versetztes Element quer zur horizontal – in Leserichtung – verlaufenden Befensterung eingefügt; diese kompositorische Maßnahme erzeugt eine subtile Spannung. Dass die Schrift zum integralen Teil der Fassadengestaltung wurde, bestimmte deren konkrete grafische Ausformulierung. Der Schriftzug wurde vom Büro Hild und K gestaltet und weist – insbe­ sondere beim O – stark geometrische Züge auf. Die Größe der Buch­ staben entspricht derjenigen der Fensteröffnungen. Dadurch glie­ dert sich die Beschriftung optimal in die Fassadenstruktur ein, auch wenn ein beigezogener Typograf die Schrift eventuell noch etwas raffinierter ausgebildet hätte. Die Negativform der Lettern entstand aus Aussparungen im Feinputz bzw. durch Niveauunterschiede der Putzstärke. Die Architekten überführen die Typologie der traditionell gemeißelten Hausinschriften durch die ungewöhnliche Größe und Typografie in die Neuzeit. Der Name des Hotels (LOUIS) wurde als Spezifizierung der Grund­ nutzung (HOTEL) deutlich kleiner auf der Fassade appliziert, als wäre er eine Fußnote. Geht es hier darum, dass der Name der Nutzer bei Bedarf schnell ausgewechselt werden könnte? Das Gegenteil ist der Fall: Die Besitzer des Hotel Louis sehen sich stark der Tradition der Gastlichkeit verpflichtet und verzichteten daher bewusst darauf, den Namen der Gastgeber groß am Haus zu markieren.

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Die Grundnutzung des Gebäudes (Hotel) ist integral in die Fassade «eingeschrieben». Der konkrete Name des Betreibers (Louis) wurde als kleine, recht zurückhaltende Schattenschrift beigefügt.

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Projekt 9

Architektur

MUNICIPAL POOLS POVOAÇÃO PT / 2008

Typografie

BARBOSA & GUIMARÃES ARQUITECTOS ( MATOSINHOS PT ) BARBOSA & GUIMARÃES ARQUITECTOS

Das Dorf Povoação liegt an der südlichen Spitze der Azoreninsel San Miguel. Die Gemeinde hatte bereits ein Gelände für verschiedene Sport­ nutzungen aus einem sanft geschwungenen Hang geschnitten und eingeebnet, als die portugiesischen Architekten Barbosa & Guimarães mit dem Bau des öffentlichen Hallenbads beauftragt wurden. Sie brachten die verschiedenen Nutzungen in mehreren läng­ lichen Gebäudevolumen unter und positionierten diese am Hang bzw. schoben sie geradezu in diesen hinein, indem sie das Dach voll­ ständig mit Erde und Gras eindeckten. In diese natürliche Abdeckung eingesetzte Oberlichter sorgen für eine gute Beleuchtung der darun­ terliegenden Räume und symbolisieren gleichzeitig den künstlichen Eingriff in die Landschaft. Dass auch die Beschriftung des Baus, der wie in die Landschaft eingegossen wirkt, derselben Intention folgte, war für die Architek­ ten logisch: Sie sind der Auffassung, dass jedes öffentliche Gebäude deutlich und gleichzeitig integral gekennzeichnet werden sollte. Mit ihrem – von Beginn an eingeplanten – Entwurf beziehen sie sich auf klassische, in Stein gemeißelte Reliefinschriften, überführten diese jedoch grafisch und materiell in die Neuzeit. Die Lettern wurden positiv auf die Rückseite der Schalung mon­ tiert und vor Ort in Beton gegossen: So entstand das Negativrelief. In einem zweiten Arbeitsgang wurde die Fassade mit einem basalthalti­ gen Material verputzt. San Miguel ist eine Vulkaninsel: Daran erinnern die ungewöhnlich dunklen Fassaden des gesamten Komplexes. Die Inschrift COMPLEXO DE PISCINAS COBERTAS DE MUNICÍPIO DA POVOAÇÃO positionierten die Architekten auf der Fassadenfläche neben dem Eingang. Den Font – der an die portugiesische Schriftkul­ tur der 1920er­Jahre erinnert – haben sie speziell dafür entworfen. Dass sie die Binnenflächen einzelner Buchstaben wegließen, führte zu dem eigenwilligen Schriftbild. Das Layout innerhalb des vor­ gegebenen Felds bzw. die Spationierung der Schrift folgt mathema­ tischen Gesetzmäßigkeiten und ist bis auf wenige Details sorgfältig ausgeführt. Was Laien nicht sehen, fällt Grafikprofis jedoch auf. Es wäre hilfreich gewesen, einen Typografen beizuziehen, um die kleinen Schönheitsfehler zu eliminieren.

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Die Beschriftung wurde vor Ort in die Eingangs­ fassade betoniert und anschließend mit einem basalthaltigen Kellenwurf überzogen.

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Das Ensemble schmiegt sich in das Gelände ein, die Dächer sind mit Erde und Gras bedeckt. Die Beschriftung war von Beginn an Teil des archi­ tektonischen Programms.

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Projekt 10

MASJID AL-IRSYAD KOTA BARU PARAHYANGAN PADALARANG ID / 2010

Architektur Typografie

PT. URBANE INDONESIA ID ) PT. URBANE INDONESIA

( BANDUNG

Der Grundriss und die Kubatur des auf Geschäftshäuser, Stadtpla­ nung und Moscheebauten spezialisierten indonesischen Architektur­ büros Urbane folgen einem recht einfachen Muster. Das Gebäude­ volumen ist quadratisch, auf drei Seiten geschlossen und auf der vierten Seite zu einem Teich hin geöffnet. Es folgt einerseits den klas­ sischen Anforderungen an einen Moscheebau, fällt aber andererseits durch die Absenz einer Kuppel auf. Die Architekten verweisen darauf, dass eine solche nicht zwingend zur kulturell­religiösen Identität des Islams gehöre. Der Bau wirkt durch das Weglassen dieser historischen Reminiszenz modern, ohne jedoch die wichtigste bauliche Voraus­ setzung für Sakralbauten der islamischen Welt, die Ausrichtung zur Kaaba in Mekka, zu vernachlässigen. Die Moschee steht auf dem Ge­ lände einer islamischen Hochschule; das zugehörige Minarett ist nicht in das Gebäude integriert, sondern befindet sich etwas abseits davon. Das Gebäude erfüllt den Zweck, für den es gebaut wurde, ideal. Muslime beten in geraden Reihen, die parallel zur Gebetsrichtung (Qibla) ausgerichtet sind. Die Moschee bietet einen geschützten In­ nenraum für 1 000 Gläubige, schafft aber auch verschiedene Bezüge zur Außenwelt. In ihr werden verschiedene religiöse Zeremonien aus­ geübt; der Ausblick zum Wasserbecken hin ist insbesondere auf das kontemplative Einzelgebet ausgelegt. Die Fassade ist modular aufgebaut und besteht aus verschie­ denen, speziell für diese Anwendung hergestellten Backsteintypen. Helle Vollbacksteine tragen das Gebäude; dunkle, rahmenförmige Steinelemente durchwirken es. Diese offenen Elemente dienen einer­ seits der Belüftung des Gebäudes, andererseits sind sie als riesige Be­ schriftung ausformuliert, die sich über die gesamte Außenhülle zieht. Die integrale Inschrift «Es gibt keinen Gott außer Gott. Mohammed ist der Gesandte Gottes.» verschmilzt mit der Fassade und bringt die Funktion des Gebäudes deutlich zum Ausdruck: Sie identifiziert es als Gebetshaus und ist gleichzeitig ein weithin unübersehbarer Aufruf zum Gebet.

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Der Schriftzug bildet einen «Schleier», der zwischen Innen und Außen vermittelt. Helle Vollbacksteine sind mit dunklen, geloch­ ten durchwirkt. So entsteht der Schriftzug, der gleichzeitig eine optimale Belüftung der Moschee garantiert.

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Der Schriftzug «Es gibt keinen Gott außer Gott. Mohammed ist der Gesandte Gottes.» umfaßt das Gebäude. Er drückt seine Funktion deutlich aus und ist weithin sichtbar.

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Projekt 11

THE LYON HOUSEMUSEUM MELBOURNE AU / 2009

Architektur Typografie

LYONS ARCHITECTS AU ) CORBETT LYON ( MELBOURNE AU )

( MELBOURNE

Durch digitale Medien – etwa Bildschirme im Außenraum – verlieren große, fix an Fassaden installierte Fremdwerbungen zunehmend an Legitimität. Anders verhält es sich mit Gebäudebeschriftungen, die für einen Bau mit langfristiger Nutzung maßgeschneidert werden. Diese erleben seit einigen Jahren weltweit eine Renaissance, und zu dieser Kategorie gehört auch die Beschriftung des Lyon Housemuse­ um, das sich in Kew, einem Vorort von Melbourne, befindet. Man könnte einwenden, dass dieses Haus keine Beschriftung be­ nötigt, da es in einem Wohnquartier liegt und von Privathäusern um­ geben ist. Da das Gebäude jedoch eine Mischung zwischen Wohn­ haus und – an den Wochenenden – öffentlich zugänglichem Museum ist, stellte sich die Frage, wie das nach außen subtil kommuniziert werden könnte. Die dezente Lösung, die hier besprochen wird, wurde dadurch möglich, dass der Architekt Corbett Lyon gleichzeitig Mu­ seumsbesitzer und Bauherr war. Ihm war bewusst, dass eine große, schrille Geste an dieser Lage unangemessen wäre. Wie bei vielen Häusern in solchen Vororten üblich, ist auch das Grundstück des Lyon Housemuseum von einer Backsteinmauer ein­ gefasst. Mauern trennen üblicherweise den privaten vom öffentlichen Grund. An dieser Schnittstelle setzt Lyons Entwurf an. Da Backstein­ mauern modular aufgebaut sind und aus einzelnen aufeinander ge­ schichteten Elementen bestehen, lassen sich durch eine einfachen Mo­ difikation Informationen einweben: Einzelne Backsteine stehen weiter hervor als andere und bilden so einen sichtbaren Kontrast. Auf diese Weise werden Muster erzeugt oder, wie in diesem Fall, Schrift. Der Architekt nimmt damit eine der ältesten Beschriftungsmethoden, die Schrifterzeugung durch Materialwechsel, auf und aktualisiert sie. Dass nicht der Name des Museums in die 2,5 m hohe Mauer ein­ gewirkt wurde, sondern diejenigen der beiden Straßen, an denen es liegt, erstaunt auf den ersten Blick. Die Schriften identifizieren nicht das Gebäude selbst; sie betonen dessen Lage im Stadtkörper und dienen so zur Orientierung. Ihre ungewohnte Größe macht sie wie­ derum zu etwas Besonderem und signalisiert den Besuchern dezent und dennoch deutlich, dass sich hier ein spezielles Gebäude befindet. Lyon löst mit dieser kommunikativen Geste das Abweisende der Mauer ein Stück weit auf. Die gleichzeitig zurückhaltende und einladende Ausformulierung des Zauns entspricht exakt dem hybriden Charakter des Projekts, das sich auf der Grenze zwischen privat und öffentlich, Kunst und Leben sowie Architektur und Kunst befindet.

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Im Lyon Housemuseum zeigt der Architekt Corbett Lyon seine hochkarätige Sammlung zeitgenös­ sischer australischer Kunst. Es liegt im Vorort Kew in Melbourne. Durch hervorstehende Back­ steinelemente im Mauerwerk wird der Name der Straßen, an denen das Museum liegt, gebildet.

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Projekt 12

Architektur

HOTEL CITY GARDEN ZUG CH / 2009

Typografie

EM2N ARCHITEKTEN ( ZÜRICH CH ) BRINGOLF IRION VÖGELI GMBH ( ZÜRICH CH )

Dafür, dass Beschriftungen der architektonischen Intention folgen – visuell, materiell, in Bezug auf den Maßstab und die präzise Posi­ tionierung an Fassaden und im Raum –, setzen sich die Architekten von EM2N und die Grafikerinnen von Bringolf Irion Vögeli GmbH seit einigen Jahren gemeinsam ein. Exemplarisch für diese Haltung ist das Projekt Hotel City Garden in Zug. Das auf eine Lebensdauer von 12 bis 15 Jahren angelegte Parkho­ tel wurde zwischen 2008 und 2009 von den Architekten Daniel Niggli und Mathias Müller geplant und ausgeführt. Die Basis des Gebäude­ konzepts bilden Raummodule in Holzbauweise (24 Zimmer pro Ge­ schoss); die Bodenplatte und der vertikale Erschließungskern sind in Beton gefertigt. Nur dank der Effizienz der Holzkonstruktion, sowohl in der Vorproduktion als auch bezüglich der Montage auf der Baustelle, war die Einhaltung der engen Termine überhaupt möglich. Unabhängig von der Vorgabe einer temporären Nutzung und ei­ ner möglichst günstigen Bauweise musste das Hotel den infrastruktu­ rellen und vor allem repräsentativen Anforderungen eines 4­Sterne­ Etablissements genügen. Die Zimmer wurden, anders als üblich, nicht orthogonal, sondern schräg zueinander angeordnet. Das führte zum expressiven, mehrfach abgestuften Gebäudevolumen. Die verchromte, edel wirkende Fassade des Hotels spiegelt zur einen Seite hin den schönen Baumbestand des Parks. Die Front und die Zargen der Gebäudebeschriftung wirken tags­ über wie ihr Hintergrund: verchromt. Die Abdeckung ist mit einer Spezialfolie bezogen, die nachts lichtdurchlässig wird. Die Schrift reagiert sowohl optisch als auch materiell kongenial auf den archi­ tektonischen Entwurf und wirkt so selbstverständlich, als wäre sie schon bei der ersten Skizze in dieser Form mitgeplant worden. Die Außenbeschriftung faltet sich in exakt demselben Winkel aus der Fassade heraus, in dem die Hotelzimmer im Grundriss angeord­ net sind. Diesem Programm folgen auch die Türbeschriftungen im Innern: Die dreistelligen verspiegelten Raumnummern sind ebenfalls schräg ausgebildet. Das Besondere an dieser Beschriftungslösung ist, dass sie die dem Gebäude inhärente Dynamik zusätzlich verstärkt. Die Lettern wirken, als bewegten sie sich aus der Fassade, aus den Türblättern heraus hin zum Betrachter, der staunend vor ihnen steht.

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Die Buchstaben falten sich im exakt gleichen Winkel aus der verspiegelten Fassade heraus, wie die Hotelzimmer im Grundriss angeordnet sind.

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Die Gestalterinnen arbeiten stets mit Hand­ modellen, um die räumliche Wirkung und die Materialisierung der Entwürfe zu überprüfen.

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Wie die Fassade sind auch die Zargen der Buch­ staben verspiegelt. Die spezielle Frontfolie wird nachts durchlässig und der Schriftzug leuchtet blendend weiß.

Projekt 13

Architektur

TONI-AREAL ZÜRICH CH / 2014

Typografie

EM2N ARCHITEKTEN ( ZÜRICH CH ) BRINGOLF IRION VÖGELI GMBH ( ZÜRICH CH ) / HI – VISUELLE GESTALTUNG ( LUZERN CH )

Schriftdesign Font Areal, BIV/Hi in Zusammenarbeit mit Binnenland Produktdesign Schilderfamilie Förrlibuck: BIV / Hi mit David Weisser, fokusform

Die Bewegungssuggestion der City­Garden­Beschriftung [ S. 84 ] lässt sich auch beim Projekt der Planergemeinschaft BIV Grafik / Hi – Visu­ elle Gestaltung mit dem Architekturbüro EM2N für das Toni­Areal in Zürich beobachten, dessen Anfänge in der gleichen Zeit liegen, wenn sie sich auch in ihrem Ziel, ihrer architektonischen Ausgangslage und ihrem Maßstab unterscheiden. Das Toni­Areal ist ein 24 000 m2 großes Grundstück im Wes­ ten der Stadt Zürich, auf dem sich früher eine Milchfabrik befand. Zwischen 2008 und 20141 wurde das Produktionsgebäude von den Architekten EM2N, Daniel Niggli und Mathias Müller in einen Hoch­ schulcampus für 5 000 Studenten, Dozenten und Mitarbeiter um­ und ausgebaut. Dieser Campus vereint die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und einen Teil der Zürcher Hochschule für Angewand­ te Wissenschaften (ZHAW) sowie das Museum für Gestaltung mitsamt Schaudepot. Zum Gesamtraumprogramm gehörten aber auch ver­ schiedene Kultur­ und Veranstaltungsräume, Gastronomieangebote, Shops und 100 Wohnungen. Das Gebäudevolumen von 493 400 m3 entspricht demjenigen eines ganzen Quartiers. Entsprechend gingen die Architekten das Projekt eher wie eine städtebauliche denn eine primär architektoni­ sche Aufgabe an. Sie legten das Innere des Gebäudes als ein kom­ plexes System von Hallen, rues intérieures, intimeren Räumen und Kaskaden an, entwarfen einen inneren Urbanismus: Das Haus als Stadt, die Stadt als Haus. Die Orientierung im komplexen Raumgefüge ist alles andere als einfach. Einmal mehr waren die mit der Signaletik betrauten Gestal­ terinnen und Gestalter des Büros Bringolf Irion Vögeli und des Büros Hi – Visuelle Gestaltung gefordert. Im Gegensatz zu anderen Pro­ jekten entwarfen sie hier zuerst die fast 2 Meter hohen Buchstaben, die die Haupterschließungsachsen kennzeichnen. Die monumen­ talen, auf der Frontseite schwarz bemalten Buchstabenkörper sind tektonisch mehrfach gefaltet und wirken, als würden sie sich in die Wände hineindrücken bzw. sich aus diesen herauswinden. Die kom­ plex reliefierten Lettern dynamisieren sozusagen die Wände. Die Pro­ jektautoren gehen noch weiter und bezeichnen die Buchstaben als Akteure, die mit den Studierenden, Dozierenden und Besuchern in leibhaftigen Kontakt treten. Beim südlich gelegenen Haupteingang und an der Nordfassa­ de wurde je eine große, nachts weiß leuchtende Außenbeschriftung installiert. Deren ebenfalls mehrfach gefaltete Fronten sind mit ei­ ner Rasterfolie abgedeckt, die tagsüber schwarz wirkt, nachts aber lichtdurchlässig ist. Weitere Beschriftungen – etwa für das Bistro, das Kino, den Konzertsaal – wurden jeweils auf das Untergrundmaterial abgestimmt.

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Studienauftrag: 2005; Planungsphase: 2005–2011; Bauphase: 2008–2014

Bringen den Bau in Bewegung: die mehrfach gefalteten Buchstaben beim Haupteingang. Dieser Typ wird außen und für die Haupterschlie­ ßungsachsen im Innern verwendet.

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Die aus Metall konstruierten, mannshohen Buch­ staben werden montiert und vor Ort schwarz gestrichen.

Bei diesem Projekt waren besonders viele Modelle nötig, um die komplexen Neigungswinkel der Buch­ staben zu prüfen und zu optimieren.

Weitere Beschriftungen im Innern sind im selben Farbton und/oder Material wie der jeweilige Untergrund gehalten.

Montage der komplex konstruierten Außen­ beschriftung. In Zusammenarbeit mit den Fontdesignern der Firma Binnenland haben die Designerinnen die Schrift «Areal» entworfen.

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Projekt 14

Architektur

HALLE FÜR STRASSENVERKEHR VERKEHRSHAUS LUZERN CH / 2009

Fassade

GIGON /GUYER ARCHITEKTEN ( ZÜRICH CH ) GIGON /GUYER ARCHITEKTEN

Die Halle für Straßenverkehr, ein Ersatzbau des Verkehrshauses Luzern, wurde als Ausstellungsgebäude für Autos, Motorräder, Last­ wagen und Fahrräder konzipiert. Im Inneren erwartet die Besucher ein Hochlager mit über 40 Fahrzeugen, die auf Wunsch einzeln durch einen Roboter in ihre Nähe gebracht werden können. Verschiedene Inseln zu Themen wie Mobilität und Unfallverhütung, eingerichtet von unterschiedlichen Gestaltern, berichten über den Straßenverkehr von heute und präsentieren Visionen zu dessen künftiger Entwicklung. Der schlichte Kubus ist zweigeschossig und verfügt über eine Ausstellungsfläche von 2 000 m2. Den Zürcher Architekten Annette Gigon und Mike Guyer war es ein zentrales Anliegen, die Funktion des Gebäudes auf dessen Hülle zum Ausdruck zu bringen. Die Architek­ ten berichten, dass das Vorprojekt eine Fassadenvariante aus flach gepressten Autokarosserien vorsah. Im weiteren Entwurfsprozess entstand die Idee, die Hülle mit in der Schweiz und zum Teil auch im Ausland gebräuchlichen Verkehrsschildern zu verkleiden, die mit ih­ rer einprägsamen Typografie, ihren Farben und Maßen eine enorme visuelle Kraft besitzen. Die Schilder wurden nach Farben sortiert (grün für Autobahnen, blau für Hauptstraßen, weiß für Nebenstraßen) und auf jeweils eine Fassadenseite appliziert. Zur vierten, hinteren Seite wurden die Ta­ feln seitenverkehrt montiert, sodass die Sicht von den rückwärtigen Nachbargebäuden derjenigen entspricht, die Verkehrsteilnehmende aus der entgegenkommenden Fahrtrichtung haben. Ursprünglich war angedacht, gebrauchte Schilder einzusetzen. Diese kamen letztendlich nur für die verkehrt montierten Schilder auf der Rückseite des Baus zur Anwendung, denn dem amtierenden Museumsdirektor gelang es, mit einem der Anbieter sehr gute Kon­ ditionen für fabrikneue Schilder auszuhandeln. Die so gestaltete Fassade kommuniziert die Nutzung des Gebäu­ des explizit. Die Lösung kann als ironische Variation eines decorated shed, eines «dekorierten Schuppens», interpretiert werden, wie ihn das amerikanische Architekturbüro Robert Venturi, Denise Scott Brown & Associates in den 1970er­Jahren definiert hatte. Hier wird jedoch nicht ein gesichtsloses Bauvolumen von einer dominierenden Zeichenschicht strukturell getrennt und durch die­ se identifiziert, sondern die typografische Hülle fällt materiell und kommunikativ integral und damit kongenial mit dem Inhalt des Ge­ bäudes zusammen.

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Wenn Ausdruck und Inhalt auf kongeniale Weise verschmelzen: Die Fassade der Halle für Straßenverkehr ist vollständig mit Verkehrs­ schildern bedeckt.

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Projekt 15

GAS RECEIVING STATION DINTELOORD NL / 2013

Architektur Typografie

STUDIO MARCO VERMEULEN NL ) STUDIO MARCO VERMEULEN

( ROTTERDAM

Angesichts knapper werdender fossiler Brennstoffe gewinnen neue Technologien, die Kreisläufe schließen und lokale Ressourcen nutzen, an Bedeutung. Der intensive Agro­ und Nahrungsmittelcluster auf dem Areal New Prinsenland in Dinteloord, fünfzig Kilometer südlich von Rotterdam gelegen, soll mögliche Schritte hin zu einer postfossi­ len Produktion aufzeigen. Ein wichtiges Element ist die Nutzung von Abfällen aus der Gemüse­ und Zuckerrübenproduktion zur Erzeu­ gung von Biogas. Das bescheidene Gebäude, in dem dieses Gas in das Netz eingespeist wird, war Ausgangspunkt einer Recherche über neue Materialien und deren Verwendung in der Bauindustrie. Der niederländische Architekt Marco Vermeulen entwarf das Ge­ bäude mit den ungewöhnlichen Fassadenpaneelen und verwendete dabei das Produkt Nabasco der Firma NPSP aus Haarlem, das aus einer Mischung von Bioresin – einem ungiftigen, aus nachwachsen­ den Rohstoffen gewonnenen Kunststoff  – und Hanffasern besteht. Die Entwicklung solcher biologisch abbaubaren Materialien ist noch jung, wird aber die Zukunft der Bauindustrie stark beeinflussen. Das oberirdisch sichtbare Gebäudevolumen weist eine einfache Kubatur auf, die das komplexe Gefüge an unterirdischen Gasleitun­ gen, Tunnels und Infrastrukturbauten nicht erahnen lässt. Vermeulen schuf mit den Paneelen aus Nabasco die weltweit erste Fassade aus diesem vollständig recycelbaren Material. Er integrierte zudem die chemische Formel für Biogas direkt in den Gussprozess der Fassadenplatten. Die Buchstaben H (Wasser­ stoff), C (Kohlenstoff) und N (Stickstoff) sind als typografisches Mus­ ter in Form eines Positivreliefs mit verschiedenen Höhen ausgebildet. Damit wird die Nutzung des Gebäudes – wenn auch leicht verschlüs­ selt – raffiniert nach außen transportiert. Eigentümlich mutet allenfalls die glänzendbraune Fassade an, die stark an Schokolade erinnert. Vermeulen wollte ihr ein explizit anorga­ nisches Aussehen verleihen und sie so von der Öko­Ästhetik abgren­ zen. Die «süße» Wirkung verweist auf die nahe gelegene Zuckerfabrik.

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Die Buchstaben H, C und N stehen für die che­ mische Formel von Gas. Die reliefierte Fassade drückt die Nutzung des Gebäudes subtil aus. Gussform der einzelnen Buchstaben­ bzw. Fassadenpaneele.

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Die Fassade ist vollständig recycelbar. Sie besteht aus einer Mischung von Bioresin – einem ungif­ tigen, aus nachwachsenden Rohstoffen gewon­ nenen Kunststoff – und Hanffasern.

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Projekt 16

Architektur

CORPORATE DESIGN FÜR KLEINBAUTEN ZÜRICH CH / 2004¹

Typografie

KAUFMANN WIDRIG ARCHITEKTEN GMBH ( ZÜRICH CH ) AGNÈS LAUBE ( ZÜRICH CH )

Die Stadt Zürich lobte 2004 einen Wettbewerb für ein Corporate De­ sign ihrer Kleinbauten aus; gemeint waren damit Bootshäuser, Kioske und WC­Anlagen im öffentlichen Raum. Das Zürcher Architektenduo Daniel Kaufmann und Michael Widrig entwickelte die Idee für eine entsprechende Gebäudeserie gemeinsam mit der Zürcher Grafik­ designerin Agnès Laube. Im Zentrum des Entwicklungsprozesses stand die Frage, wie man diesen Bauten im öffentlichen Raum einen gemeinsamen architektonischen Ausdruck bei gleichzeitiger Unter­ scheidung der jeweiligen Nutzungen und Standorte verleihen könnte. Für das seit 2002 interdisziplinär im Feld Archigrafie agierende Team (Arge L­KW) stand schnell fest, dass die Schrift bei dieser Bauaufgabe eine bestimmende Rolle einnehmen würde. Das architektonische Konzept sah vor, die Kleinbauten durch eine volumetrische Urtypologie zusammenzubinden. Diese sollte aus klar ablesbaren, einfachen Grundrisstypen bestehen – mit jeweils asym­ metrisch ausformulierten Dächern, die den Schwerpunkt der Gebäude innerhalb der städtebaulichen Situation klärten. Durch die variierbare Materialisierung sowohl des Daches als auch der gesamten Fassade sollte diese sich wiederholende Form kontextualisiert werden. Agnès Laube entwarf ein typografisches Ornament – eine Rei­ hung und Aneinanderschiebung der Buchstaben Z und H, dem Kürzel für Zürich. Dieses Muster sollte sich – ähnlich wie bei einer Louis­ Vuitton­Tasche – über die gesamte Hülle ziehen, so den Gedanken einer Corporate Architecture unterstreichen und die Stadt Zürich auf dezente Weise als Bauherrin identifizieren. Das Team experimentierte mit verschiedenen Metallen wie Bronze, Messing und Chromstahl und damit, wie die Schrift flächendeckend auf die Hülle gebracht werden könnte: mit Brünierungs­, Ätz­ oder Sandstrahltechniken. Interessant fanden die Gestalter dabei, die Beschriftung nicht aus der Fassade herauszuarbeiten oder auf diese zu applizieren, sondern die Metallhülle an sich durch thermische oder chemische Verfahren zu transformieren. So entstand eine symbolische Grund­ beschriftung, die –  ergänzt durch funktionale Nebenbeschriftun­ gen – augenzwinkernd auf den modischen Aspekt von Corporate­ Design­Konzepten verweisen sollte.

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WBW 2. Preis, nicht ausgeführt

Das Projekt erforderte intensive Experimente. Gesucht wurden verschiedene Verfahren (eloxieren, brünieren o. ä.), mit dem sich das Schriftornament ZH für Zürich in die Chrom­ stahl­, Messing­ oder Bronzehülle der Klein­ bauten integrieren lässt.

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Durch unterschiedliche Verkleidungsmaterialien sollten die Kleinbauten – trotz standardisiertem Bautyp – situativ in den Stadtkörper integriert werden können. Hier die silbern schimmernde Variante für die Kioskbauten.

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Projekt 17

Architektur

RAKETE BASEL CH / 2012

Typografie

BAUBÜRO IN SITU / NRS TEAM ( BASEL CH / ZÜRICH CH ) HAUSER, SCHWARZ ( BASEL CH )

Seit 2012 gibt es in Basel eine Raumstation. Von hier aus starten Jung­ designer ins weite Universum der Kreativwirtschaft. Damit der Start ins Unternehmertum möglichst gut gelingt, erhalten sie Unterstützung von der Basler Christoph Merian Stiftung, die das Ateliergebäude initiiert und finanziert hat. Die Atelierplätze werden durch die Stiftung nicht subventioniert; die Mietpreise sind jedoch aufgrund der günstigen Bauweise sehr moderat. Die Infrastruktur ist einfach, aber adäquat, und das umgebende Dreispitz­Areal ist äußerst inspirierend. Die 32 Ateliers sind als Zwischennutzung auf zehn Jahre angelegt und wurden – wie das 2009 auf einer Industriebrache in Zürich eröff­ nete Basislager – aus einfachen Standard­Containern modular zu­ sammengefügt. Die Containersiedlung in Basel wurde jedoch – unter anderem durch einen anthrazitfarbenen Anstrich – sanft veredelt, was der zum Teil repräsentativen Funktion des Gebäudes entspricht. Die Ateliersiedlung bildet das Eingangstor zum Dreispitz­Areal, bei dem es sich um eines der größten Entwicklungsprojekte der Schweiz handelt. Im Parterre ist das Modell der Arealtransformation öffentlich ausgestellt; vom 17 Meter hohen Aussichtsturm können die Besucher den Projektstand mit eigenen Augen überprüfen. Die Architekten der Firma nrs­team GmbH betonten das Tem­ poräre der Anlage, indem sie Treppen und umlaufende Gänge aus marktüblichen Baugerüsten konstruierten und mit Maschendraht verkleideten sowie sämtliche Leitungen und Installationen sichtbar ließen. Das Basler Gestalterduo Simon Hauser und David Schwarz nahm diese architektonische Idee auf und entwickelte daraus eine prägnante Leuchtschrift – und mehr noch: ein ganzes Corporate­ Design­Programm. Sie übertrugen die visuell dominanten Gerüst­ stangen des Baus auf die Unterkonstruktion der Hauptbeschriftung und gleichzeitig das Modulare der Containersiedlung auf die Fläche, die jedes Zeichen einrahmt. Diese beiden Elemente bilden ein visuel­ les Baukastensystem, aus dem alle weiteren Anwendungen (Website, Innenbeschriftungen, Drucksachen etc.) abgeleitet werden können. Die Front der Leuchtschrift und 5 cm der insgesamt 12 cm tiefen Zargen sind deckend anthrazitfarben lackiert. Das Licht tritt aus den restlichen 7 cm der Zargen und aus der Rückseite aus, wodurch die weiß lackierte Unterkonstruktion betont wird. Ein Element, das sonst als notwendiges Übel behandelt wird – das Traggerüst –, wird hier quasi zum Star erhoben, den eine geradezu magische Aura umgibt. Was hier zuletzt angesprochen wird, stand ganz am Anfang des Projektes: der Name. Der etwas nostalgische Begriff Rakete war einer (und übrigens der erste) von 150 Vorschlägen, die stiftungsintern eva­ luiert und zum Teil kontrovers diskutiert wurden. Dass die Gestalter es verstanden, die Beschriftungen visuell und konstruktiv kongenial mit dem Namen zu verbinden, verhalf diesem letztendlich zur Akzeptanz. Zündende Ideen brauchen manchmal Zeit, bis sie sich durchsetzen, und vor allem: viel Raum.

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Die Gestalter schlugen eine Flucht­nach­vorn­ Strategie ein. Statt das Traggerüst zu verstecken, machen sie es zum Hauptakteur der Beschrif­ tungslösung. Diese passt bestens zum Atelier­ gebäude, das aus Baucontainern und Standard­ Gerüsten besteht. Die Buchstaben leuchten nach hinten und be­ tonen das weiß lackierte Gestänge nachts noch stärker.

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Erst bei der Bemusterung mit einem dunklen bzw. hell gestrichenen Metall zeigte sich die magische Wirkung.

Bemusterung vor Ort mit eindrucksvollem Kran. Blick ins Innere eines Buchstabenkörpers, der mit LEDs ausgelegt ist.

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Aus der Erscheinung der Hauptbeschriftung leiteten die Gestalter ein Corporate­Design­ System für das ganze Projekt «Rakete» ab (Logo, Innenwegleitung, Geschäftspapiere etc.).

Projekt 18

SCHULHAUS BUCHWIESEN ZÜRICH CH / 2004

Architektur Kunst am Bau

ARNOLD AMSLER

( WINTERTHUR CH ) MARIO SALA ( WINTERTHUR

CH )

Das Schulhaus Buchwiesen liegt am nördlichen Rand der Stadt Zürich im Quartier Seebach. Das städtebauliche Credo der Nachkriegszeit war die durchgrünte Gartenstadt. Diesem folgten auch die Archi­ tekten der in den 1950er­Jahren erbauten Schulhausanlage Buch­ wiesen 1–3. 2002 ersetzte der Architekt Arnold Amsler einen Teil des Schulhauses durch einen Neubau. Der dreigeschossige, holzverkleide­ te Schultrakt und die Turnhalle mit einer Scobalit­Fassade sprengen den beschaulichen Maßstab und bringen neue Bilder ins Quartier. Der Schweizer Künstler Mario Sala knüpft mit seinem Kunst­und­ Bau­Beitrag mit dem Titel Flughafen an die Eigenschaften des Or­ tes und dessen Widersprüche an und überhöht sie. Zwei Meter hohe Buchstaben auf dem Dach formen den Schriftzug: WILLKOMMEN IM BUCHWIESEN. Mario Sala vereinnahmt die Architektur des Schulhau­ ses auf eine provokative Weise und erzählt Geschichten: Geschichten von Migration und minimal ausgestatteten Flugfeldern auf anderen Kontinenten; Geschichten von Vorstädten und Gewerbegebieten mit ihrem schnellen Wandel, ihren Maßstabsbrüchen und schreienden Reklameschildern. Und nicht zuletzt bringt er einen Hauch des ver­ gangenen Glamours von Hollywood in ein bescheidenes Vorortquar­ tier in der Startschneise des Flughafens von Zürich. Das Fliegen ist hier auf vielschichte Weise präsent: im positiven Sinn gehören Flugzeuge am Himmel zu Träumen von Reisen, sind Teil von Erinnerungen und wecken Sehnsüchte. Andererseits ist die Flug­ lärmbelastung auf dem Schulgelände beträchtlich. Dass der Auslän­ deranteil in solch belasteten Quartieren oft sehr hoch ist, ist nicht von der Hand zu weisen; entsprechend multikulturell ist die Zusammen­ setzung der Klassen in diesen Schulhäusern. Ankommen und Weggehen: Diese Themen sind auch für eine Schule zentral. Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen Kul­ turen treffen hier aufeinander, verbringen einen Teil ihrer großen Lernreise miteinander und gehen dann weiter. Sie alle sollen, unab­ hängig von ihrer Herkunft und Begabung, für diese Zeit im Schulhaus Buchwiesen herzlich willkommen geheißen werden. Deutlicher als mit der übergroßen Dachbeschriftung kann dies kaum ausgedrückt wer­ den. Doch werden mit dieser Botschaft nur die Kinder und Jugendli­ chen, die das Schulhaus besuchen, angesprochen? Die weiße Schrift ist in Relation zum Gebäudevolumen überdi­ mensioniert; dadurch irritiert sie im ersten Moment. Die Buchstaben sind aus einfachem Blech geschnitten und auf ein leuchtend rot la­ ckiertes Gestänge montiert. Insgesamt wirkt der Schriftzug dadurch etwas billig und provisorisch. Salas Intervention ist vordergründig laut und fröhlich, wirkt gleichzeitig aber temporär und damit pre­ kär. WILLKOMMEN IM … steht da für die Quartierbevölkerung und für Fluggäste groß und verheißungsvoll geschrieben … BUCHWIESEN. Das große Willkommensversprechen wirkt seltsam leer.

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Der Künstler Mario Sala verhilft dem Träger­ gerüst zu einem prominenten Auftritt. Seine Schrift ist ärmlicher materialisiert als in der Schweiz üblich. Damit verweist sie auf «prekä­ rere» Orte, anderswo auf der Welt.

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Kunst­am­Bau­Schrift als kritisch­ironischer Kommentar. Das Willkommen richtet sich nicht nur an die Schülerinnen und Schüler des Schulhauses, sondern auch an die Passagiere der Flugzeuge, die über es hinwegdonnern. Das Gebäude liegt in der Anflugschneise des Flughafens Zürich.

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Projekt 19

BEZIRKSGEBÄUDE DIETIKON CH / 2010

Architektur Typografie

ANDREAS SENN ARCHITEKTUR GALLEN CH ) BRINGOLF IRION VÖGELI GMBH ( ZÜRICH CH ) ( ST.

Der scharf geschnittene Betonkubus war bereits ausgerüstet, als die Gestalterinnen des Büros Bringolf Irion Vögeli GmbH die Baustelle erstmals betraten. Den Wettbewerb für den Neubau des Bezirksge­ bäudes in Dietikon hatte das St. Galler Architekturbüro Andreas Senn bereits 1998 für sich entschieden; eingeweiht wurde es jedoch erst 2010. Der zwölfjährige Realisierungsprozess des Baus, der sehr unter­ schiedliche Nutzungen unter einem Dach zu vereinen hatte (Kantons­ polizei, Staatsanwaltschaft, Bezirksgericht, Bezirksgefängnis und die Bezirksverwaltung), war von mehreren Überarbeitungsphasen und schwierigen Rahmenbedingungen geprägt. Erstaunlich ist, dass die Gebäudebeschriftung und die Wegleitung für diesen öffentlichen Bau trotz langer Planungsphase so gut wie vergessen worden waren. Das Gebäudevolumen setzt sich aus zwei ineinandergeschobe­ nen Winkeln mit drei unterschiedlichen Gebäudehöhen zusammen. Mit dieser doppelten L­Form wird im Grundriss ein innen liegender, nach oben offener Hof geschaffen. Nach außen prägt die Sichtbeton­ fassade mit den ausgeschnittenen Bandfenstern den Charakter des Gebäudes. Der streng orthogonalen Architektur setzten die Gestalte­ rinnen eine Schrift mit weicher Anmutung entgegen: die Brauer Neue. Der Zürcher Grafiker Pierre Miedinger hatte sie 1974 als Corporate Font für die Brauerei Hürlimann entworfen; ab 1999 wurde sie von einem jüngeren Grafiker digitalisiert und zur Schriftfamilie ausgebaut. Die am Bau verwendeten Materialien bildeten den Ausgangs­ punkt für das Beschriftungskonzept: Die Signaletikerinnen schlu­ gen sowohl für die prominente Hauptbeschriftung auf der Stirnseite des Gebäudes als auch für die Stockwerkbeschriftungen im Innern Buchstaben aus Beton vor, für die Beschriftung der Türen aus Edel­ kastanie solche aus dem gleichen Holz. Eine Spezialität des Büros ist das lustvolle Experimentieren mit Volumen und Materialien, bis eine gebäudespezifische Lösung gefunden ist. Die Ideen werden an Handmodellen überprüft, Konstruktionsvarianten mit Spezialisten besprochen und bemustert. Bei diesem Projekt wurden viele Schriften dreidimensional aus­ geführt, was je nach Blickwinkel ein lebendiges Licht­und­Schatten­ Spiel erzeugt, die Lesbarkeit jedoch nicht negativ beeinflusst. Das wird besonders an den Stockwerkbeschriftungen deutlich: Auf allen Etagen sind sämtliche Stockwerke aufgelistet; die Betonbuchstaben des Stockwerks, in dem man sich befindet, stehen etwas weiter her­ vor: Man sieht die Beschriftung nicht nur, man spürt sie physisch. Die Lösungen wirken insgesamt so selbstverständlich, als wären sie von Beginn an eingeplant gewesen. Und mehr noch: Sie verleihen dem eher strengen Gebäude ein freundliches Gesicht.

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Die Buchstaben der Stockwerkbeschriftungen weisen unterschiedliche Tiefen auf. Der aktuelle Standort wird so buchstäblich hervorgehoben.

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Die Schrift «Brauer Neue» entwarf Pierre Miedinger 1974 für die Brauerei Hürlimann. Philippe Desarzens hat den Font ab 1996 digitalisiert und zur Schriftfamilie ausgebaut.

Die Buchstaben wurden in Beton gegossen und auf die Fassade appliziert. Sie wirken, als wären sie von Beginn an eingeplant gewesen, und ge­ ben dem scharfkantigen Gebäude ein freundli­ ches Gesicht. Die Buchstaben der Geschossbeschriftungen wurden aus gegossenen Betonplatten ausgefräst.

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Projekt 20

PRIMARSCHULHAUS MIT GEMEINDEBIBLIOTHEK DIETLIKON CH / 2013

Architektur Typografie

BAUMBERGER & STEGMEIER AG CH ) BAUMBERGER & STEGMEIER AG

( ZÜRICH

Dietlikon ist eine typische Agglomerationsgemeinde in der Nähe von Zürich, nicht weit vom Flughafen entfernt. Ihr Erscheinungsbild ist durch Fachmärkte und Verkaufsgeschäfte geprägt, und wie viele Dör­ fer in dieser Gegend ist sie in den 1960er­Jahren stark gewachsen. Stolz ist die Gemeinde mit knapp über 7 000 Einwohnerinnen und Ein­ wohnern auf den intakten alten Dorfkern, den sie liebevoll pflegt. Davon zeugt das neue, sorgfältig gestaltete Primarschulhaus mit integrierter Gemeindebibliothek, das sich am Rand des alten Dorf­ kerns befindet. Die Architekten Peter Baumberger und Karin Stegmeier haben das 50 Meter lange zweigeschossige Gebäudevolumen in der Mitte leicht geknickt. Zusammen mit der feingliedrig gestalteten Fas­ sade fügt es sich so in die örtliche Maßstäblichkeit ein und bildet mit den Bestandsbauten eine neue, überzeugende Einheit. Das auffällige, weit auskragende Vordach schützt die Erschließungszone vor Wind und Wetter und macht sie so zu einem wertvollen Außenaufenthalts­ bereich für die Schülerinnen und Schüler. Der deckende, lichtgraue Holzanstrich verleiht dem Gebäude – zusammen mit dem Vordach – den Ausdruck eines zeitgenössischen öffentlichen Gebäudes. Die im Obergeschoss auf der Südseite untergebrachte Bibliothek wird durch eine große Außenbeschriftung prominent gekennzeich­ net. Die Architekten haben diese von Beginn an als integralen Be­ standteil des architektonischen Entwurfs behandelt: materiell, farb­ lich und visuell. Durch die präzise Positionierung der Schrift lösen die Architekten gleich mehrere Probleme: Die Auffindbarkeit ist gegeben, die Geschosssprünge wurden elegant nivelliert, die Ecksituation ge­ löst und der Zugangsbereich optisch vergrößert. Die Schrifthöhe und ­breite definiert sich durch die Tragstruk­ tur sowie den Grundriss der Architektur. Um die Beschriftung in das für sie vorgesehene Feld einzupassen, musste nur noch eine dazu geeignete, schmal­hohe Schrift gefunden werden. Die Architekten recherchierten ausgiebig und entschieden sich letztendlich für die Catorze27 des portugiesischen Fontdesigners Fabio Duarte Martins, die gut zum Geist des Projektes passt. Die 1,50 m hohe Schrift besteht aus Aluminium, das günstiger und witterungsbeständiger als Holz ist. Der Font wurde für diese Anwen­ dung leicht überarbeitet, einige Buchstaben in der Breite reduziert und die Auf­ und Abstriche weisen die gleiche Stärke auf wie die Holzla­ mellen der Fassade. Insgesamt ist das Schriftbild – bis auf kleine Aus­ nahmen – gut spationiert. Das ist keineswegs selbstverständlich, wenn Architekten selbst die typografische Gestaltung übernehmen. Die Beschriftung wurde vor allem aufgrund der großen Eigenini­ tiative der Architekten zum selbstverständlichen Teil des feinen und luftig wirkenden Gebäudes. Dass die Mittel bescheiden waren, merkt man der Lösung zum Schluss nicht an. Im Gegenteil: Das Projekt ist ein gutes Beispiel dafür, dass auch mit schmalen Budgets schöne und originelle Beschriftungen möglich sind.

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Durch die präzise Positionierung der Schrift lösen die Architekten gleich mehrere Probleme: Die Auffindbarkeit der Bibliothek ist gegeben, die Geschosssprünge wurden elegant nivelliert, die Ecksituation gelöst und der Zugangsbereich optisch vergrößert. Die feine Schrift ist in ein 1,5 × 5,40 m großes Feld eingepasst und hat eine Tiefe von 80 mm.

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Die Schrift «Catorze27» entwarf der portugiesi­ sche Fontdesigner Fabio Duarte Martins 2011. Als Inspiration dienten ihm von nordportugiesi­ schen Handwerkern geschmiedete Gebäude­ beschriftungen aus den 1950er­Jahren.

Projekt 21

Architektur

ATELIERS JEAN NOUVEL FR ) MIT C+D ARCHITECTURE ( MONTPELLIER FR ) ATELIERS JEAN NOUVEL MIT L'AUTOBUS IMPÉRIAL ( PARIS

RBC DESIGN CENTER MONTPELLIER FR / 2012 Typografie

Zum Konzept des Firmeninhabers Franck Argentin – seine Firma RBC vertreibt Möbel von international renommierten Designern – gehört es, seine Showrooms von berühmten Architekten bauen zu lassen. So wurde das RBC Design Center in Montpellier, das sich an einer Ausfallachse im neuen Geschäftsviertel Port Marianne befindet, von Jean Nouvel entworfen. Durch breite Vorzonen ist die Tiefe des Grundstücks von der Straße her einsehbar. Nouvel nutzt dies paradox, indem er die Stra­ ßenfassade herunterspielt und die beiden quer zur Straße liegen­ den Fassaden zu Schaufassaden, ja richtiggehenden Werbefassaden ausbildet. Die Straßenfassade zeigt hinter Metallgittern die techni­ sche Struktur des Gebäudes: Fluchtpodeste und ­treppen, die acht halbgeschossig versetzte Ausstellungsniveaus erschließen. Über dem verglasten Erdgeschoss gliedern fast geschossho­ he, mit grauem Profilblech verkleidete Bänder die Hauptfassaden. Schmale horizontale Fensterschlitze deuten die Obergeschosse an. Leicht vor­ und rückspringende weiße Metallbuchstaben füllen den Raum zwischen den Bändern und erzeugen den Eindruck einer Struk­ tur, in der Buchstabenkörper und Bänder sich gegenseitig tragen: große Bauklötze aus Balken und Worten. Im Erdgeschoss benennen die fast drei Meter hohen Buchstaben RBC das Gebäude, ein großes M den Ort (Montpellier). Die Wörter in den Obergeschossen benennen nicht die Marken der Möbel, sondern die Tätigkeiten, mit denen sie in Zusammenhang stehen: kochen, es­ sen, beleuchten, verstauen, wohnen – und auch weit darüber hinaus­ führende Beschäftigungen, wie sehen, träumen und kreieren. Das Gebäude spielt mit Elementen der Warenhausarchitektur und Werbeschriften, der klassischen Tektonik und des spätmodernen Technizismus und wird somit zu einer komplexen Collage mit dem Ziel, zum Kauf zu verführen.

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Die Sicht von der Straße auf das RBC­Design­ center ist unkonventionell. Nouvel gewährt den Passanten Einblick in das Innere mit den acht Splitleveln.

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Die vor­ und rückspringenden dreidimensionalen Buchstabenkörper sind zwischen die Fassaden­ schlitze geschoben. Die Hauptbeschriftung steht am Boden und ist erdgeschosshoch.

Die seitlichen Fassaden sind als Schau­ bzw. Werbefassaden ausgelegt. Die auf ihnen applizierten weißen Worte können aus dem vorbeifahrenden Auto gut gelesen werden.

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Projekt 22

GALERIES LAFAYETTE BERLIN DE / 1996

Architektur

Typografie

JEAN NOUVEL, EMMANUEL CATTANI & ASSOCIÉS ( PARIS FR ) JEAN NOUVEL, EMMANUEL CATTANI & ASSOCIÉS

Das Kaufhaus Lafayette – auch Quartier 207 genannt – ist einer der wenigen Glasbauten, die in den 1990er­Jahren in der Innenstadt von Berlin gebaut wurden. Das war nur möglich, weil das Grundstück kurz nach dem Mauerfall gekauft wurde und neue Gestaltungsvor­ gaben noch nicht in Kraft getreten waren. Der Bau von Jean Nouvel, Emmanuel Cattani & Partner befindet sich an der Ecke Friedrich­ straße/Französische Straße. Der Auftrag bestand darin, an diesem prominenten Ort ein so spektakuläres Gebäude zu erstellen, dass die Passanten förmlich von der Straße in sein Inneres gesogen würden. Die Fassade des von außen zunächst ruhig und geschlossen wir­ kenden Gebäudevolumens ist halb verspiegelt und gibt – bei entspre­ chender Lichtstimmung bzw. Beleuchtung – den Blick auf die komplex gestalteten Innenräume frei. Nouvel nahm zwei historische Elemente der Kaufhaustypologie auf: Nach außen ist die dunkle Fassade durch umlaufende Bänder rhythmisch gegliedert; die Geschosse werden deutlich akzentuiert. Im Innern nimmt Nouvel Bezug auf die berühm­ ten Coupoles des Mutterhauses und formt diese als zwei riesige Kegel aus, von denen sich der eine vom Erdgeschoss in die unteren Etagen bohrt und der andere sich nach oben verjüngt, das Dach durchstößt und zur Lichtkuppel wird. Dieses Motiv wiederholen 15 weitere, kleinere umgekehrte Kegel, die – drei­ bis fünfgeschossig –, das Gebäude von oben her durchdringen, belichten und die Verkaufsflächen gliedern. Großmaßstäbliche, mehrgeschossige Kaufpaläste begannen um die Jahrhundertwende die kleinen, eingeschossigen Läden zu verdrängen. Als eine Folge davon kletterten die Beschriftungen vom Erdgeschoss aus die Fassaden hinauf. Die großen Volumen waren im Stadtraum gut sichtbar und eigneten sich bestens für die Anbringung von Reklamen. Die Schilder über den Eingängen und die Schaufens­ terbeschriftungen wurden durch umlaufende Schriftbänder an den oberen Geschossen erweitert. Bei diesen historischen «Fascias» (itali­ enisch für Band) wurden Buchstaben aus Blattgold rückseitig auf Glas appliziert und mit einer zweiten, schwarzen Farbschicht abgedeckt. Nouvel übernimmt diese Typologie und modernisiert sie. Beim Kaufhaus Lafayette können Leuchtbuchstaben auf bandförmige Stromschienen aufgeclippt werden. Der Name des Gebäudes prangt weiß auf der Rundung, die Zeichen Q 207 wurden in roter Leucht­ schrift ausgeführt und auf der Fassade verteilt.

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Nach außen weist die Galerie Lafayette eine klassische Kaufhausfassade auf. Die Geschos­ sigkeit wird durch umlaufende glänzende Bänder markiert. Ursprünglich war vorgesehen, die Marken als Leuchtschriften in diese Bänder zu integrieren.

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Projekt 23

HACKNEY EMPIRE THEATRE LONDON GB / 2004

Architektur Typografie

TIM RONALDS ARCHITECTS GB ) RICHARD HOLLIS ( LONDON GB )

( LONDON

Das Hackney Empire Theatre liegt im Herzen des Londoner Stadtteils Hackney, gleich neben der alten Stadthalle, und ist eines der schöns­ ten gut erhaltenen Varieté­Theater Großbritanniens der Jahrhundert­ wende. Der Architekt Frank Matchman hat es 1901 entworfen, und viele berühmte Schauspieler und Musiker wie Charlie Chaplin, Stan Laurel und Louis Armstrong sind in diesem Etablissement aufgetreten. Für die Renovierung und die Erweiterung des unter Denkmal­ schutz stehenden Theaters mit 1 400 Plätzen wurde ein internationa­ ler Wettbewerb ausgelobt, den Tim Ronalds Architekten für sich ent­ scheiden konnten. Sie erstellten an der prominenten Ecklage (Mare Street und Wilton Way) zwischen 2001 und 2004 eine neue Bühne, eine Hinterbühne und einen großen Infrastrukturbau mit einer äußerst ausdrucksstarken Fassadenbeschriftung. Gemäß Tim Ronalds war der Entwurfsprozess intensiv. Es war ihm wichtig, auf das historische Gebäude Rücksicht zu nehmen und gleichzeitig einen neuen Ort, einen Treffpunkt für die lokale Bevöl­ kerung zu schaffen. Der Erweiterungsbau sollte auf die Kubatur des alten Teils Bezug nehmen und dennoch zeitgenössisch wirken. Das Theater sollte auf seiner Fassade prominent beschriftet und seine wechselnden Produktionen sollten kommuniziert werden können. Für Tim Ronalds war es wichtig, die Beschriftung als integralen Teil der Architektur und nicht in Form applizierter Zeichen zu lösen. Die massiven Lettern bestehen zum einen aus demselben Material wie der Untergrund und sind zum anderen auf einem leicht wirkenden Trägergerüst montiert, das der Ingenieur Philip Cooper speziell für diesen Zweck entwickelt hat. In frühen Entwurfsphasen hatten die Architekten den Font Le­ traset Compacta verwendet, zogen aber später für die konkrete Ausgestaltung der Schriften den renommierten englischen Grafik­ designer und ­historiker Richard Hollis hinzu, der für diese Aufga­ be eine fette, eng laufende versale Schrift entwarf, die auf Head­ line­Schriften von Zeitungsanzeigen sowie von Theaterplakaten der Jahrhundertwende referiert. Die gut 3,5 m großen, mit Terrakotta verkleideten Buchstaben bestehen im Kern aus Beton und wurden auf schlanke Stahlträger montiert. Obwohl sie sehr massiv wirken, scheinen sie vor der Fassa­ de zu schweben. Dieser Eindruck wird dadurch unterstützt, dass die Endbuchstaben Y (von HACKNEY) und E (von EMPIRE) an der rechten Seite der Fassade über die Gebäudekante hinausragen.

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Die mehr als 3 Meter großen Buchstaben be­ stehen aus einem mit Terrakotta bekleideten Betonkern. Trotz ihrer Größe und ihrem Gewicht scheinen sie vor der Fassade zu schweben.

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Projekt 24

WERKHEIM USTER USTER CH / 2009

Architektur Typografie

HODEL ARCHITEKTEN CH ) HI – VISUELLE GESTALTUNG ( LUZERN CH ) ( WETZIKON

Produktdesign David Weisser / fokusform ( Zürich CH )

Das Werkheim Uster bietet mit 120 betreuten Wohnplätzen und 160 geschützten Arbeits­ und Ausbildungsplätzen ein vielfältiges An­ gebot für Menschen mit Behinderung. Das Heim verfügt über ver­ schiedene Werkstätten, unter anderem für Siebdruck, Metall­ und Holzbearbeitung. Darauf baut das Konzept des mit der Signaletik für den Umbau und die Erweiterung des Werkheims beauftragten Gestalterduos auf. Megi Zumstein und Claudio Barandun ließen sich auf einen be­ sonderen Prozess ein. Gemeinsam mit der Heimleitung klärten sie ab, wie die Beschriftungselemente in den internen Werkstätten aus­ geführt werden könnten, denn der Entwurf sollte explizit die produk­ tionstechnischen Möglichkeiten des Werkheims repräsentieren. Für die Gestalter bestand die konzeptuelle Herausforderung also darin, eine Balance zwischen ihren ästhetischen Ansprüchen und der ein­ fachen Ausführbarkeit aller Elemente durch die Mitarbeiter in den Werkstätten zu finden. Der Produktdesigner David Weisser entwickelte in enger Koope­ ration mit den Gestaltern ein modulares System aus möglichst vielen gleichartigen Elementen und war zuständig für dessen Konstruktion, Verbindungs­ und Montageart. Die Teilsegmente der großen Grund­ beschriftungen im Außen­ und Innenbereich sind in einem 67,5°­Winkel aus demselben Kantholz wie die übrigen Elemente ausgeschnitten und werden zu Buchstaben, Zahlen und Pfeilen zusammengefügt. So ergibt sich ihr leicht kantiges, typografisches Erscheinungsbild. Diese Basisschriften können mit rechteckigen, auf Zeilen (Gewindestangen) aufreihbaren Holzklötzchen beliebig ergänzt werden. Sämtliche Ele­ mente sind in Thermoholz (Esche) ausgeführt. Alle Beschriftungselemente wurden in den internen Werkstät­ ten produziert, per Siebdruck bedruckt und mit Hilfe der Schreinerei Burkhardt aus Wädenswil montiert. Die Erstbeschriftung wurde unter der Leitung der Gestalter ausgeführt; seither übernehmen die An­ gestellten die anfallenden Anpassungen jeweils selbst. Das Beschrif­ tungssystem bewährt sich im laufenden Betrieb also bestens und ist daher ebenso sinnstiftend wie schön.

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Die Beschriftung ist ein Baukastensystem. Es be­ steht aus Holzelementen, die besiebdruckt und auf Gewindestangen aufgezogen werden können. Anwendung des Systems für die Stockwerk­ beschriftung im Innern.

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Alle Beschriftungselemente werden in der Werk­ statt des Heims für Menschen mit Behinderung hergestellt. Und zwar von diesen selbst.

Auch die Außenbeschriftung ist aus Holz, in diesem Fall Esche. Sie ist dem Wetter ausgesetzt und verfärbt sich im Lauf der Jahre.

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Projekt 25

BIBLIOTHEK COTTBUS COTTBUS DE / 2004

Architektur Typografie

HERZOG & DE MEURON CH ) HERZOG & DE MEURON

( BASEL

Jacques Herzog und Pierre de Meuron haben die Bibliothek Cottbus als Solitärbau konzipiert. Als Landmarke drückt sie selbstbewusst den Geist der jungen Universität aus; gleichzeitig verbindet sich das Gebäude – unter anderem aufgrund seiner auffälligen, biomorphen Form – auf vielfältige Weise mit der Umgebung. Die Architekten beto­ nen, dass der Baukörper aus der Analyse verschiedener Bewegungs­ abläufe im Innern abgeleitet sei, beziehen sich aber auch auf das Bild von Amöben. Diese Einzeller besitzen keine feste Form, sondern ver­ ändern permanent ihre Gestalt, indem sie zur Fortbewegung Schein­ füßchen (Plasmafortsätze) ausbilden. Das Bild passt gut, denn auch die Erscheinung der Bibliothek verändert sich durch unterschiedliche Lichtverhältnisse und je nachdem, von welcher Seite man sich ihr an­ nähert. Das Gebäude wirkt auf den ersten Blick geschlossen; eine Geschossigkeit etwa ist tagsüber nicht zu erkennen, sondern wird erst nachts durch die Beleuchtung sichtbar. Der Eingang liegt in einer in die runde, glatte Haut eingeschnittenen Spalte und ist auf das Mini­ mum reduziert und dennoch markant. Die Glasfassade wurde beidseitig mit einem weißen typografi­ schen Ornament bedruckt, das an die auf der Innenseite mit einem Unruheraster aus Buchstaben bedruckten Bankcouverts erinnert, durch das die Entschlüsselbarkeit von Inhalten beim Einscannen ver­ hindert werden soll. Durch dieses Muster, das aus mehreren überein­ andergelegten Schichten von verschiedenen Texten, Sprachen, Alpha­ beten und Schrifttypen besteht, wird der Gebäudekörper gleichzeitig homogenisiert und aufgelöst, und dies auf mehreren Ebenen. Das Muster bricht die Reflexion auf dem Glas, mildert die harte Anmu­ tung des Materials und unterstützt damit die fließend­geschlossene Weichheit der Form des Gebäudekörpers. Die Buchstaben sind nicht mehr lesbar. Sie wurden von den Schriftlinien gelöst und stark abstra­ hiert. Durch die Reduktion auf ihren bildhaften Ausdruck passen sie sich der Architektur an, als all­over, d. h. flächendeckendes Muster, lösen sie deren Tektonik ein Stück weit auf. Aus rein typografischer Sicht ist ihre Formgebung nicht ganz befriedigend. Auch wenn es nichts Konkretes zu lesen gibt, verweist die Fassa­ de auf das Innere des Gebäudes, kommentiert subtil seine Nutzung als Bibliothek. Durch die Verwebung diverser Sprachelemente wird der Schleier zu einer Art Metatext, der auf das immense Wissen, das in Bibliotheken gespeichert ist und dem menschlichen Erkenntnis­ gewinn dient, verweist. Während das Sprachgewirr die Fertigstellung des Turms zu Babel verhindert hatte, wird es hier zum real gebauten Ausdruck einer globalisierten Wissensgesellschaft.

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Die Glaspanels sind mit einem weißen Muster besiebdruckt, das aus verschiedenen über­ einandergelagerten Texten, Sprachen, Alpha­ beten und Schrifttypen besteht.

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Durch den Schleier wird das Gebäude gleich­ zeitig homogenisiert und aufgelöst. Blick durch die Schriftschicht nach draußen.

Die Buchstaben wurden von den Schriftlinien gelöst und stark abstrahiert. Durch die Reduk­ tion auf ihren bildhaften Ausdruck passen sie sich der Architektur an.

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Projekt 26

BEST ANTI-SIGN BUILDING RICHMOND USA / 1978

Architektur Typografie

SITE ARCHITECTURE YORK USA ) SITE ARCHITECTURE

( NEW

Das sogenannte Anti­Sign­Projekt fällt etwas aus der legendären Gebäudeserie, die die New Yorker Architektengruppe SITE zwischen 1972 und 1979 für die Warenhauskette BEST Products entworfen hat, heraus. Beim Peeling­, Tilt­ oder Notch­Building formulierten die Architekten die Fassaden materiell­räumlich spektakulär aus (von mittelalterlichen Scheinfassaden inspiriert) [ S.65 ]. Diese Gebäude wurden zum Zeichen und machten somit eine Beschriftung eigent­ lich obsolet. Beim Anti­Sign­Projekt dagegen besetzt der Schriftzug BEST zwei gesamte, 10 m hohe und 120 m lange Fassaden. Die in verschiedenen Anthrazittönen eingefärbten Buchstaben des Schriftbandes lösten sich zunehmend auf, überlagerten und verdichteten sich und wurden zum typografischen Ornament. Diese gestalterische Ausformulierung war – wie James Wines erläutert – keineswegs freiwillig erfolgt, sondern aus einem unvorhergesehenen Problem entstanden: Die Gebäudeparzelle lag halb auf dem Ge­ biet des Bezirks der Stadt Richmond und halb auf demjenigen des Bundesstaats Virginia. Gemäß den unterschiedlichen Bauvorschriften hätte das Logo auf der einen Seite 9 m, auf der anderen jedoch nur 2 m hoch appliziert werden dürfen. SITE­Architects wollten jedoch gebäudehohe Buchstaben auf beiden Fassaden. Sie schlugen deshalb vor, die Schrift nur bis zur Hälfte der Fassade lesbar zu machen und auf der zweiten Hälfte als unlesbare Wandgrafik aus sich überlappenden Buchstaben auszubil­ den. Diese Grafik wurde von den zuständigen Behörden als abstrakte Kunst klassifiziert und konnte somit bewilligt werden. Gestalter kön­ nen gesetzliche Auflagen als Einschränkung, aber auch als Heraus­ forderung sehen. Mit ihrer cleveren Idee lösten die Architekten von SITE nicht nur ein praktisches Problem, sondern schufen auch einen gestalterischen Mehrwert. SITE durfte mit dem Segen des kunstverständigen Besitzerpaars das Logo der Warenhauskette BEST verfremden. Dass diese überzeu­ gende Idee im Umgang mit Corporate­Design­Elementen auf Archi­ tektur im Nachgang so wenig Nachahmer gefunden hat, erstaunt doch sehr. Im Zeitalter dynamischer Erscheinungsbilder sind solche Lösungen doch eigentlich kein Anti­Design mehr.

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Die 9 Meter hohen anthrazitfarbenen Buch­ staben besetzen zwei Fassaden. Man sieht deutlich, dass der Schriftzug BEST links noch gut lesbar ist und sich zur rechten Seite hin immer mehr übereinanderschiebt.

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Projekt 27

THE NEW SCHOOL NEW YORK USA / 2014

Architektur Typografie

SOM ARCHITECTURE YORK USA ) INTÉGRAL RUEDI BAUR ( PARIS FR ) ( NEW

Das mit handgefertigten Messingschindeln verkleidete Gebäude des renommierten Architekturbüros Skidmore, Owen and Merill an der Kreuzung 5th Avenue und 14th Street in Manhattan weist eine beson­ dere Eigenschaft auf, die die Basis für die Herleitung der verwendeten Fonts, der dreidimensionalen Hauptbeschriftung sowie der Orientie­ rungselemente im Innern des Gebäudes bildete. Auffällig am sonst orthogonal ausgerichteten 16­stöckigen Baukörper sind die abgewin­ kelten, tektonisch nach innen ausformulierten – quasi in die Fassade eingedrückten – verglasten Erschließungsgänge. Diese rues intéri­ eures bilden vielfältige Aufenthaltszonen für die Studierenden und Lehrenden und sind von außen gut ablesbar. Dass die Schriftfamilie dreidimensional wirken und umfangreich sein sollte, war aufgrund der Analyse der Architektur früh klar; es stellte sich jedoch die Frage, welcher Font dazu am geeignetsten wäre. Nach mehreren Tests entschieden sich die Designer für die Schrift Irma von Peter Bilak als Basis ihrer Entwürfe. Es entstanden 14 Schriftschnitte mit unterschiedlichen Schattenwürfen, die eine große Variabilität in der Anwendung ermöglichten. Die Idee, die Hauptbeschriftung, die als Skizze bereits im Wett­ bewerb­Projekt von SOM im von außen gut einsehbaren, rot aus­ gekleideten Eingangsbereich auf der ersten Etage positioniert war, dreidimensional auszuformulieren, entstand nach der Entwicklung der Fontfamilie. Der Designer David Thoumazeaux – einer von drei Pro­ dukt­ bzw. Industriedesignern bei intégral Ruedi Baur – realisierte die konstruktiv komplexe Schrift auf der Basis von Skizzen von Ruedi Baur. Sie bewegt sich in verschiedene Richtungen, wird im konisch zulaufen­ den Gang nicht nur kleiner, auch die Zargentiefe nimmt ab. Zusätzlich werden die Buchstabenformen in verschiedene Richtungen projiziert und die Oberflächen weisen unterschiedliche Neigungen auf. Einzig die Grundlinie der weißen Schrift bleibt konstant. In Kombination mit der roten Farbe, die die Buchstabenkörper optisch mit der Trägerwand verschmelzen lässt, garantiert sie eine visuelle Stabilität innerhalb der allgemeinen Bewegtheit. Dass es nicht einfach war, einen Metallbauer zu finden, der die­ sen Schriftzug in die Realität umsetzen konnte, liegt auf der Hand. Ein amerikanischer Schlosser baute die Buchstabenkörper und rüstete sie lichttechnisch aus. Auch die Beleuchtung ist raffiniert gelöst: Vorne sind die Buchstabenkörper offen; etwa 5 cm zurückversetzt wurden transluzente Plexiglasscheiben eingesetzt, die das am Buchstaben­ grund montierte LED­Licht gleichmäßig nach vorne verteilen. Dass eine profane, primär informierende Beschriftung an Kunst grenzen kann, ist nie auszuschließen: Turrell lässt grüßen. Baur begegnet einer Innenstülpung der Fassade mit einer inne­ ren Ausstülpung – einer kommunikativ prägnanten Gegengeste. Er tut dies jedoch, ohne die Fassade zu perforieren, nimmt Rücksicht auf die strengen Signaletik­Vorgaben in Manhattan und zeigt gleichzeitig, wie man aus diesen das Maximum rausholen kann. Das macht Eindruck. 130

Der dreidimensionale Schriftzug wurde auf die rot gestrichene Rückwand des Eingangskorridors im ersten Stock montiert.

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Die Buchstabenkörper sind tektonisch äußerst komplex und – auf den ersten Blick nicht sicht­ bar – vorne offen. Das Leuchtmittel im Innern wurde um einige Zentimeter zurückversetzt.

Die Erschließungskorridore wurden nach außen an die Fassade verlagert. Die Hauptbeschriftung wurde von außen nach innen verlegt.

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Die dreidimensionale Schriftfamilie wurde aus den abgewinkelten, nach innen formulierten Erschließungszonen abgeleitet.

Projekt 28

ALTERSZENTRUM DORFLINDE ZÜRICH CH / 2011

Architektur Typografie

NEFF NEUMANN ARCHITEKTEN AG CH ) HI – VISUELLE GESTALTUNG ( LUZERN CH ) ( ZÜRICH

Die alte Linde, die in Oerlikon bei Zürich den einstigen Dorfmittel­ punkt1 markierte, steht heute noch – gesund und prächtig – in der Nähe der für die 1970er­Jahre typischen Zentrumsüberbauung. Die neueren Gebäudevolumen wurden um die Dorflinde herum arran­ giert und diese gab dem Areal seinen Namen. Der Künstler Franz Grossert hat 1972 eine Linde – formal stark abstrahiert – mitten in den Empfangsraum des Alterszentrums ge­ setzt und die real existierende damit symbolisch verdoppelt. Den Stamm fügte er aus verschiedenen bunten Keramikteilen zusammen, das ausladende Blätterdach wurde reliefartig aus geometrischen Holzteilen von unterschiedlicher Tiefe gebildet. Die horizontalen Flä­ chen sind hellgelb gestrichen, die Seiten bordeauxrot. Neben dieser expressiven Skulptur weist der Bau ungewöhnlich viele weitere mar­ kante Kunstwerke auf. Dass die Architektinnen Barbara Neff und Bettina Neumann die Kunst ins Zentrum ihres Umbau­ und Renovierungsprojekts rückten, führte zum Wettbewerbserfolg. Ziel der baulichen Eingriffe war nicht nur die möglichst selbstverständlich wirkende Verschmelzung von Alt und Neu. Es ging den Projektautorinnen zusätzlich explizit darum, der vorhandenen Kunst aus den 1970er­Jahren mehr Raum zu geben, für sie eine Bühne zu schaffen, auf der sie ihre Wirkung voll entfalten kann. Diese Haltung wird auch durch Vreni Spiesers zeitgenössische künstlerische Intervention unterstützt. Ihre raumhohen, mit Farb­ verläufen bedruckten Tapeten erzeugen auf jedem Stockwerk eine eigene Farbstimmung, die den Bewohnern – quasi als Nebeneffekt – die Orientierung im Gebäude erleichtert. Das Luzerner Atelier Hi – Visuelle Gestaltung ist mit verschiede­ nen Beschriftungsprojekten aufgefallen, die sich auf die Geschichte, formale Eigenheiten oder die Materialität von Gebäuden beziehen. Megi Zumstein und Claudio Barandun suchen die Themen für Außen­ und/oder Innenbeschriftungen stets in den Gebäuden und haben dafür einen ganz besonderen Blick entwickelt. Beim Alterszentrum Dorflinde bot die expressive Grossert­Skulp­ tur den Ausgangspunkt ihrer Entwürfe. Dies führte die Gestalter zuerst in zwei Richtungen: Es entstand eine Variante in Keramik und eine aus dimensional geformten Platten. Beide Lösungen hätten sich gut in die Architektur integriert; die zweite war jedoch eigensinniger, passte op­ timal zur Architektur und war zudem kostengünstiger. Das Besondere am Dorflinden­Projekt ist, dass die Signaletik aus einem historischen Kunst­und­Bau­Projekt hergeleitet wurde. Des­ sen formale Qualitäten wurden auf Schriftobjekte übertragen und aktualisiert. Diese erfüllen eine explizit kommunikative Aufgabe und stärken – gemeinsam mit der Skulptur und den anderen Kunstprojek­ ten – die Identität des Gebäudes.

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Der Zürcher Vorort Oerlikon wurde 1934 eingemeindet.

Die einzelnen Buchstaben wurden aus geschich­ tetem Plattenmaterial von unterschiedlicher Höhe konstruiert und in den gleichen Farben gestrichen wie die Skultptur.

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Die Beschriftungen wurden aus dem expressiven Deckenelement des Schrift­am­Bau­Projektes von Franz Grossert abgeleitet. Es stammt von 1972, stellt eine abstrahierte Linde dar und nimmt damit Bezug auf den Namen des Alterszentrums.

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Teil 3

ANHANG

VON DER INSCHRIFT ZUM INTERFACE – DER WANDEL DER BESCHRIFTUNGSTECHNIKEN S. 140 ANATOMIE DER BUCHSTABEN S. 145 GEBÄUDEBESCHRIFTUNGSTECHNIKEN – RÄUMLICHE GRAFIK – GRAFIK IM RAUM S. 146 PROZESSE – PROJEKTBETEILIGTE UND PLANUNGSPHASEN S. 158 LITERATUR S. 162 BILDNACHWEIS S. 165

VON DER INSCHRIFT ZUM INTERFACE DER WANDEL DER BESCHRIFTUNGSTECHNIKEN

Von der Inschrift zum Interface

Vorläufer der heutigen Gebäudebeschriftungen Schon in der Antike existierten  viele der Beschriftungstypen, die wir heute kennen: Inschriften, Malereien und Tafeln. Gemeißelte Schriften an Tempeln und Architraven waren oft religiöser Natur. Sie wurden später profanisiert, d. h. die Technik wurde auch bei Alltagsbauten ver­ wendet. Aus den Tafeln aus Terrakotta und Stein entwickelten sich die mittelalterlichen Wirtshaus­, Laden­ und Zunftschilder aus Eisen, Holz, Keramik und Glas. Gemeißelte, ge­ fügte, aufgemalte und angehängte Kennzeichen an öffentlichen und privaten Bauten – auch an Ställen, Scheunen etc. – kommunizierten die Namen ihrer Besitzer, das Erstel­ lungsdatum, das Handwerk oder den Standort. Nur wenige Gebäude wurden beschriftet Im Unterschied zu Dörfern und Städ­ ten trugen Häuser nur dann Namen, wenn sie wichtige, der Orientierung dienende Landmarken waren. «In der Regel wird nicht (…) jeder Bau prop­ rial1 bezeichnet, sondern nur die bekanntesten, attraktivsten, interes­ santesten unter ihnen (…).»2 Be­ schriftet wurden öffentliche Gebäude wie Gasthöfe, Spitäler, Läden, Hotels und behördliche Institutionen. Worte und Bilder Sogenannte «sprechende» Schilder, die Bilder3 oder Zeichen4 zeigten, wie auch «nicht sprechende» Schilder, die auf mythologische und religiöse Sym­ bole referierten, konnten vom Großteil der Bevölkerung entschlüsselt werden. Bildschilder – zum Teil von namhaften Künstlern wie Antoine Watteau oder Gustave Courbet gemalt – wurden im Lauf der Jahrhunderte, parallel zur 141

fortschreitenden Alphabetisierung der Bevölkerung, durch ergänzende Texte erklärt oder ganz durch reine Wortschilder ersetzt.5 Mehr Konkurrenz, mehr Werbung Die im deutschen Kulturraum noch heute üblichen Begriffe «Schild»6 und «Tafel»7 verweisen auf die Entste­ hung der Handwerks­ und Dienst­ leistungszünfte im Mittelalter. Zunft­ bzw. Innungszeichen drückten die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe aus. Solange der Zunftzwang herrschte, waren keine weiteren Werbemaßnahmen nötig; es genügte ein Schild – beispiels­ weise das Zunftwappen – als Hinweis auf das im jeweiligen Gebäude ausgeübte Handwerk. Als die Gewer­ befreiheit den Zunftzwang ablöste, wurde die Konkurrenz zwischen den Marktteilnehmern größer, und damit entstanden auch die kom­ merziellen Werbeformen, die wir heute kennen: Flyer, Plakate, Zeitungs­ annoncen und Werbeschilder. An Läden, Fabriken und Firmensitzen waren nun groß und auffällig nicht nur die Namen der Besitzer oder Betreiber zu sehen, sondern auch Markenlogos und Werbeplakate angebracht. Wandel der Beschriftungstechniken Klassische, integrale Beschriftungen wie in Stein gemeißelte Inschriften, Sgraffitos oder Inlays aus verschiede­ nen Materialien in Dächern, Böden und Fassadenfronten existieren in un­ zähligen Varianten. Diese abrasiven8 Verfahren wurden durch applizierbare Beschriftungsformen wie Schilder, Werbetafeln oder Einzelbuchstaben ergänzt oder abgelöst. Während Schilder früher aus Holz, Email oder Metall gefertigt wurden, bestehen sie heute überwiegend aus Kunststoff.

Einfach austauschbare Werbebanner und Großplakate (Megaposter) ersetzen die «Reklamemalereien» auf Brandmauern und Fassaden (Holz, Mauerwerk oder verputzte Wände).9 Buchstaben aus Metall, Holz, Keramik etc. werden mit Stiften  einzeln auf die Fassade montiert; teilweise mit Distanz zum Unter­ grund. Sie können in der Werkstatt vorgefertigt werden. Aus Einzel­ buchstaben geformte Schriften ver­ decken die Fassaden nicht, anders als flächige Schilder und Kästen, die deshalb heute vielerorts nicht mehr bewilligt werden. Auf glatten Untergründen, ins­ besondere auf Glas, werden heute größtenteils Folienschriften verwen­ det. Seit dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts ist großflächiger Siebdruck möglich, zum Teil auch vor Ort. Damit können Glasfassaden z.B. mit transluzenter Schrift oder mit Typo­Ornamenten bedruckt wer­ den, wodurch ein ähnlicher Eindruck entsteht wie bei der älteren Glas­ ätzung. Der Siebdruck wurde in den letzten Jahren von digitalen Direkt­ druckverfahren, bei der die Farben mit UV­Licht gehärtet werden, abgelöst. Zu diesen Beschriftungstech­ niken gesellten sich Methoden, bei denen die Oberflächenstruktur durch chemisch­thermische Verfah­ ren transformiert wird, wie etwa das Eloxieren oder Brünieren. Zurzeit wird auch mit 3­D­Druckverfahren experimentiert, mit der sich in Zukunft Buchstaben oder Gussformen dru­ cken lassen. Unbeleuchtete Beschriftungs­ typen wirken bei Tag, sind aber nachts nicht lesbar. Während Schrif­ ten im Mittelalter mit Fackeln an­ geleuchtet wurden, geschieht dies heute mit Scheinwerfern und Spots.

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Schriften aus glühenden Punkten Neue Beschriftungstechniken verän­ derten die Stadtbilder zwar fort­ laufend, einen fundamentalen Wandel bewirkte aber erst die Erfindung der Glühlampe ab Mitte des 19. Jahr­ hunderts. Durch diese neue Licht­ technik wurde die städtische Grund­ beleuchtung mittels Gaslaternen ersetzt, und erste Leuchtschriften wurden möglich. Die ersten Buch­ staben wurden aus den Lichtpunkten von Glühlampen gebildet, und bald konnten diese auch – elektrisch ge­ steuert – blinken und Bewegungs­ abläufe suggerieren. Der Dichter Julius Rodenberg hielt bereits 1867 fest:10 «Bald zwinkert und blitzt es überall. Ganz Paris ist mit goldenen Punkten besät (…), aus den Punkten bilden sich Linien, die Linien werden zu Figuren, und so weit das Auge sieht, erblickt es endlose Lichteralleen.» In der Hygieneausstellung in Berlin 1883 wurde das Wort «EDISON» buchstabenweise und im Wechsel illuminiert.11 Diese intermittierenden Schriften sind die Vorläufer der heu­ tigen digitalen Screens und Medien­ fassaden, die Bewegtschriften und ­bilder ausstrahlen und zudem – was neu ist – eine rasche Aktualisierung von Informationen ermöglichen. Neonschriften und -zeichen Georges Claude präsentierte die frei formbare, mit Neongas gefüllte Glasröhre erstmals an der Pariser Transportmesse von 1910. Sie wurde zwar weltweit eingesetzt, war aber vor allem in den USA zwischen 1920 und 1960 extrem populär. Die ers­ ten Neon­Installationen am Broad­ way und am Times Square in New York, viele davon gestaltet von Douglas Leigh, wurden zu regel­ rechten Touristenattraktionen. 142

Wie sollte mit dem neuen Medium Licht umgegangen werden? Der deutsche Architekt und Archi­ tekturtheoretiker Hugo Häring bemängelte in einem Aufsatz von 1927 mit dem Titel Lichtreklame und Architektur, dass das Nachtbild der (deutschen) Stadt immer noch ein «jahrmarktähnliches Durcheinan­ der der verschiedensten Lichtrekla­ men»12 bot. Ernst May, zwischen 1925 und 1930 Stadtbaumeister in Frank­ furt a. M., konstatierte in einem Auf­ satz von 1928,13 dass die als weg­ weisend erachteten amerikanischen Errungenschaften der Werbung nur «gestalterisch in die richtige Bahn ge­ lenkt werden müssten», damit sie in die Ordnungsvorstellung des Neuen Bauens passten. Im Gegensatz zu den an amerikanischen Fassaden sorg­ los und lustvoll angebrachten großen und bunten Lichtreklamen – die in Europa teilweise als zu kitschig oder sogar als anrüchig empfunden wur­ den –, sollte das Licht Mays Meinung nach zum integralen Bestandteil der Architektur werden. Erich Mendelssohns Reise nach New York im Jahr 1926 inspirierte ihn zu einer integralen Lichtarchitektur. Er konzipierte seine wegweisenden Entwürfe bewusst im Hinblick auf die Nachtwirkung und die Dynamik des Straßenverkehrs, führte horizontale Lichtbänder ein, integrierte Leucht­ schriften auf den oberen Geschossen oder platzierte sie auf Vorbauten. Lichtwerbung wird zum lukrativen Geschäft Nach dem Ersten Weltkrieg führte das Interesse der Städte und Ge­ meinden an den Steuerabgaben der Lichtwerbenden zum Durchbruch der Leuchtschriften in Europa. Die Elektrizitätswerke begannen damit, den Absatz von Lichtstrom zu for­

cieren. Die nun gemeinsamen Inter­ essen der Kommunen und der In­ dustrie mündeten 1928 in Deutschland in einer «Licht­Kampagne». Die Berliner Wirtschaft wollte im Rahmen einer Werbewoche, an der sich kulturelle Institutionen, Gestaltende und die Stadtbauämter rege betei­ ligten, die Möglichkeiten des neuen Mediums ausloten. Die Ausstellung «Berlin im Licht» im Herbst 1928 er­ öffnete die Kampagne. Ziel waren eine breitere Akzeptanz des elektri­ schen Lichts durch die Bevölkerung und die Demonstration der weit­ reichenden Einsatzmöglichkeiten. Auch in Zürich fand 1932 eine «Licht­ woche» statt, um der Bevölkerung die «Anwendungen des elektrischen Lichts» näherzubringen. Ein Wett­ bewerb suchte Vorschläge für die Be­ spielung mehrerer Plätze, Gebäude und Straßenzüge. Zahlreiche promi­ nente Schweizer Gestalter wie Max Bill und Alfred Willimann sowie Foto­ grafen wie Hans Finsler nahmen daran teil. Politische Propaganda Die italienischen Faschisten und die deutschen Nationalsozialisten nutz­ ten in den 1930er­Jahren Neon­Licht­ werbung zu Propagandazwecken. Während des Zweiten Weltkriegs  fielen die Lichtreklamen der Verdunk­ lungspflicht zum Opfer, und das Leuchtreklameschaffen kam, auch aufgrund des Strommangels, fast gänzlich zum Erliegen. Berlin etwa  lag während der Stromblockade 1948/49 weitgehend im Dunkeln. Eine unabhängige Stromversorgung war die Voraussetzung dafür, dass West­ berlin nach dem Zweiten Weltkrieg wieder leuchten konnte und beispiels­ weise der Kurfürstendamm wieder zu der nachts erhellten Straße wurde, die er vor dem Krieg gewesen war.

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Die Kampagne «Berlin soll leuchten!» von 1957 symbolisierte den wirtschaft­ lichen Aufstieg Westberlins und sollte den Kontrast zu den Ostblockstaaten verdeutlichen. Während des Kalten Krieges kam es in sozialistischen Län­ dern wie Polen14 oder der DDR15 zur (staatlich verordneten) Anwendung von Lichtreklamen, die der Weltöffent­ lichkeit und der eigenen Bevölkerung eine funktionierende Wirtschaft vorspiegeln sollten. Let there be Neon! Das Neonfieber brach in den 1950er­ Jahren auch in Europa wieder aus. Schwungvolle Neonschriften in den für diese Zeit typischen Scriptfonts (z.B. die Mistral von Robert Escoffon von 1953) lockten die Menschen in die neu erbauten Kinos, Kaufhäuser, Läden und Restaurants. Sie stan­ den für wirtschaftlichen Fortschritt und sorgten für etwas Glamour in den stark kriegsbeschädigten, nun wieder schnell wachsenden Städten und Tourismusdestinationen. An einzelnen Orten, insbesondere in ein­ schlägigen Vergnügungsvierteln wie St. Pauli in Hamburg, dem Pigalle in Paris oder dem West End in London, bedeckten bunte Leucht­ reklamen ganze Gebäude. Die 1905 inmitten der Wüste im US­Bundesstaat Nevada gegründete Freizeit­ und Casinostadt Las Vegas entwickelte sich zum Neon­Mekka. Las Vegas ist für seine Spielkasinos und die angelagerten, großen Hotelkom­ plexe bekannt. Ab den 1950er­Jahren entstanden erste riesige Neonwerbe­ anlagen an den Fassaden der Casinos wie des Horseshoe und des Stardust. Der amerikanische Multimediakünst­ ler Rudi Stern16 charakterisiert die Stadt folgendermaßen: «Las Vegas sells the American Dream (…). If form and function are meant to be 143

related, then Las Vegas seems an excellent example. (…) Las Vegas is an electric phantasy meant to sell itself, and neon and electric architec­ ture here are clearly ‹on premise› advertising.» Zu diesem bizarren Gesamtkunst­ werk trugen viele berühmte Neon­ Designer und spezialisierte Firmen wie die Young Electric Sign Company bei. Auf dem Höhepunkt um 1940 pro­ duzierten in den USA fast 2000 größe­ re und kleine Betriebe Neonzeichen. In den 1960er­Jahren setzte dann der Niedergang der Industrie ein. Neon­ röhren wurden nun in geschlossenen Buchstabenkörpern mit transluzenten Abdeckungen versteckt oder auf Schriftkästen aufgedoppelt. Die Neon­ röhre ist jedoch nie ganz verschwun­ den und wird vor allem von Künstlern wie Bruce Nauman und Dan Flavin eingesetzt. Sammler und Museen su­ chen heute alte, berühmte Neon­ zeichen, demontieren und restaurie­ ren sie liebevoll und stellen sie aus.17 Der Wandel des Leuchtschriftenmarktes in der Nachkriegszeit Die mit farbigen Acrylgläsern abge­ deckten oder mit Folien beschichte­ ten selbstleuchtenden Schriftkästen, die die frei geformte Neonröhre in den 1950er­Jahren zu verdrängen be­ gannen, wiesen zwar eine deutlich plakativere Werbewirkung auf, ver­ brauchten aber viel Strom und stör­ ten die Fassadenbilder und Dach­ silhouetten durch zum Teil massive Unterkonstruktionen. Seit den 1990er­ Jahren verdrängen die langlebigeren und ökologischeren Leuchtdioden (LED) die Leuchtstoffröhren. Speziali­ sierte Firmen und Fassadenbauer realisieren mit ihnen großflächige LED­Wände und Medienfassaden. In der Nachkriegszeit entstanden große Beschriftungskonzerne, die

bis heute den Massenmarkt bedienen. Sie setzen Leuchtschriftenprogram­ me für international tätige Konzerne um und implementieren sie – bei­ spielsweise im Rahmen eines Corpo­ rate Redesigns – zeitgleich an allen Gebäuden national oder weltweit. Die meisten europäischen Beschrif­ tungsfirmen stehen heute unter star­ kem Druck: Asiatische Produzenten stellen verschiedene Elemente (LEDs und Spritzgussbuchstaben) viel güns­ tiger her, als es ihnen möglich wäre. Neue Impulse In jüngster Zeit setzt auch im Leucht­ schriftensektor ein Umdenken in Richtung qualitativer (integraler) Pro­ jekte ein. Insbesondere bei kleineren und mittelgroßen Projekten werden neue Möglichkeiten ausgelotet. Her­ steller arbeiten wieder vermehrt direkt mit Architekten und Grafikde­ signern der jüngsten Generation zusammen und bringen ihr langjäh­ riges, profundes Wissen ein. Das Experimentieren mit Materialien, Kon­ struktionsformen, Lichttechniken und Räumlichkeit durch Architekten, Gestalter und Produktionsfirmen bringt stets neue Beschriftungstypen hervor. Ältere Techniken werden verfeinert und neuen Bedürfnissen angepasst. Handmade In jüngster Zeit erlebt zudem auch die handwerklich hochstehende Außenwerbung eine Renaissance: In den USA werden kleine Läden wieder von Hand beschriftet,18 und global agierende Unternehmen setzen maßgeschneiderte, handgemalte Werbungen als Differenzierungsmerk­ mal gegenüber Mitbewerbern ein. Eine Übersicht über die unter­ schiedlichen Beschriftungstechniken bietet das nachfolgende Kapitel.

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Mit Eigennamen Kamianets, Wolodymyr 2000: «Zur Ein­ teilung der deutschen Eigennamen». In: Grazer Linguistische Studien. 54 Bsp.: einen haareschneidenden Coiffeur Bsp.: eine Brezel steht für eine Bäckerei; die Vorläufer der heutigen Piktogramme In: Powlichina/Kowtun 1991: das russische reklameschild und die künstler der avant­ garde. Leningrad: Aurora Kunstverlag Von mhd. schilt, Kriegsschild (oft mit Wap­ pen bemalt); engl. guild Von mhd. tafel, Brett oder Ähnliches in den Zunfthäusern, an dem die Zunftzeichen angebracht waren; engl. guildsign Zu latein. abradere = abkratzen Zum Phänomen der verschwindenden Fassadenmalereien, den ghost signs, sind in den letzten Jahren verschiedene Pu­ blikationen erschienen, z.B. Haas, Cynthia Lea: Ghost Signs of Arkansas. Fayetteville: University of Arkansas Press, 1997 Zit. aus: FVL, Fachverband für Lichtwer­ bung e. V.: Signaturen der Nacht – Die Welt der Lichtwerbung. Ludwigsburg: avedition GmbH, 2009 Die Erfindung der dauerhaft leuchtenden Glühbirne wird Thomas Alva Edison zuge­ schrieben. Typoskript des Vortrags an der 16. Jahres­ versammlung der Deutschen Beleuch­ tungstechnischen Gesellschaft in Karlsruhe vom 22. Juni 1928 May, Ernst: «Städtebau und Lichtreklame». In: Licht und Beleuchtung, Berlin: Verlag Hermann Reckendorf, 1928 Karwinska, Ilona 2009: Polish Cold War Neon. New York: Mark Batty Publisher Neues Leben Verlag 2010: Plaste und Elaste – Leuchtreklame in der DDR. Berlin: Neues Leben Verlag Stern, Rudi 1979: Let there be Neon. Cincin­ nati: ST Publications Inc. Neon Museum Las Vegas (www.neon­ museum.org); Buchstabenmuseum Berlin (www.buchstabenmuseum.de) www.signpaintersfilm.com

ANATOMIE DER BUCHSTABEN

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Majuskeln/Versalien = Großbuchstaben Minuskeln = Kleinbuchstaben Serifenschrift/Serif = Buchstaben mit Füßchen Groteskschrift/Sans Serif = Buchstaben ohne Füßchen

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Scheitel Abstrich Rundung Schulter Bogen Anstrich i­Punkt Arm

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Punze Aufstrich Querstrich Schaft/ Grundstrich 13 Bein 14 Serife 15 Sporn

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Ligatur Kegelhöhe Versalhöhe Oberlänge x­Höhe/ Mittelhöhe 21 Grundlinie 22 Unterlänge

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ARchigrafiE 9

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GEBÄUDEBESCHRIFTUNGSTECHNIKEN RÄUMLICHE GRAFIK – GRAFIK IM RAUM

Gebäudebeschriftungstechniken

Gebäudebeschriftungen zu entwer­ fen und umzusetzen, bedingt viel technisches Know­how und ist weit mehr als eine klassische grafische Aufgabe. Wie kann man Buchstaben und Logos räumlich ausbilden, wie materialisieren und konstruieren? Welche Farbsysteme existieren in der Baubranche? Wie erzielt man be­ stimmte Lichtwirkungen? Den techni­ schen Möglichkeiten und dem Ex­ perimentieren mit Materialien und Konstruktionsweisen sind wenige Gren­ zen gesetzt. Dieses Kapitel bietet einen Überblick über unterschiedliche Beschriftungstechniken und versucht, sie einzuordnen. Die Grenzen zwi­ schen den Techniktypen sind fließend und oft werden mehrere kombiniert.

1 Abrasive Verfahren Fast alle Untergrundmaterialien eignen sich für Beschriftungen durch partiellen Materialabtrag, aber die Art, wie das geschieht, ist verschieden. Abrasive Verfahren eignen sich vor allem für Gebäude mit langfristig gleichbleibender Nutzung. Die Schrif­ ten werden fix in die Gebäudehüllen eingeschrieben; die Fassaden werden sozusagen «tätowiert». 2 Äquivalenz-/Mutationsverfahren Kleine, handliche Module wie Back­ steine, Dachziegel und Keramikplat­ ten können in großer Stückzahl vor­ produziert werden und sind einfach in der Anwendung. Sie werden repe­ titiv zu Wänden geschichtet, Fassaden hinzugefügt und auf Dächer montiert. Durch das punktuelle Einweben von farblich oder räumlich vom Umfeld un­ terschiedlichen Elementen entste­ hen Ornamente oder Schriften. Auch durch Patinierung oder chemisch­ elektronische Prozesse kann die Ober­ flächenwirkung von Materialien verändert werden, ohne dass Materi­ al entfernt oder hinzugefügt wird. 3 Additive Verfahren Beschriftungen werden meistens auf bereits bestehende Gebäude ap­ pliziert. Einige Beschriftungstechniken wie Malereien, Siebdruck oder Folien sind auf die Architektur als Trägerin angewiesen und werden vor Ort aus­ geführt. Buchstaben und Schilder aus Materialien wie Holz, Glas oder Metall können unabhängig von der Architektur hergestellt und nach­ träglich montiert werden. Applizierte Schriften lassen sich entfernen oder überstreichen, hinterlassen je­ doch meistens Spuren.

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4 Selbstleuchtende Schriften Leuchtschriften machen einen gro­ ßen Marktanteil aus, können sehr verschieden ausgeführt werden und erfordern ein ganz besonderes (licht­)technisches Know­how. 5 Animierte Beschriftungstypen Schriften durch Animation lebendig zu machen oder ganze Fassaden mit möglichst aktuellen Informationen und Bewegtbildern zu bespielen, ist ein Traum, der schon zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts viele Gestalter umtrieb [ S. 25 ]. Heute werden diese Fantasien durch neue Technologien zum Teil Realität. Die Installation solcher Anlagen bedingt – aufgrund des großen Impacts, den sie im öffentlichen Raum entfalten – meist ein besonderes Bewilligungsverfahren durch die zu­ ständigen kommunalen Behörden. Die Anlagen werden insbesondere in Bezug auf die Verkehrssicherheit geprüft.

1.1

1.2

1.3

INSCHRIFTEN: MEISSELN

INSCHRIFTEN: FRÄSEN / GRAVIEREN

INSCHRIFTEN: STRAHLEN

Gemeißelte Inschriften sind eine der ältesten Beschriftungstechniken. Die Buchstaben werden – meist in Form einer keilförmigen Vertiefung – mit einem Meißel aus dem Stein gehauen. Die dabei verwendeten Schrifteisen variieren je nach Härte des Steins und dem gewünschten Schrift­ bild. Solche Vertiefungen können zur Verbesse­ rung der Lesbarkeit farbig ausgemalt oder vergoldet werden. Statt dieses Negativverfahrens können Schriften auch vertieft­erhaben oder freistehend­erhaben ausgeführt werden. Dabei wird das Material rund um die Sujets wegge­ meißelt. Steininschriften werden nicht mehr häu­ fig gemacht, da sie nicht verändert werden können. Zudem sind sie teuer, denn der Arbeits­ aufwand der Steinmetze oder Bildhauer ist – trotz druckluftunterstützter Werkzeuge – enorm.

Fassadenmaterialien wie Metall, Holz, Beton  und Kunststoff können mit CNC­gesteuerten1 Fräsen bearbeitet werden. Sowohl Negativ­ oder Positivreliefe als auch sehr präzise und kleinmaßstäbliche Schriften, Logos und Or­ namente sind mit dieser Technik problemlos umsetzbar.

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Computerized Numerical Control

Weil früher ausschließlich Quarzsand als Strahl­ mittel verwendet wurde, ist im Alltag noch heute der Begriff «Sandstrahlen» gängiger als «Druckluftstrahlen». Glas, Holz, Beton oder Metall wird mit unter Druck gespritzten Schleif­ mitteln – Sand, Glas, Korund, Aluminium oder Chromoxid – gestrahlt. Die unterschiedliche Kör­ nung der Strahlmittel führt zu verschieden mat­ ten, gröberen oder feineren Oberflächenstruk­ turen. Das Motiv wird mit einer Schutzfolie oder mit Siebdruck auf den Untergrund appliziert. Diese Schicht deckt die Flächen ab, die nicht gestrahlt werden sollen. Auf Glas gestrahlte Motive sind etwas ganz Besonderes. Sie wirken matt, nehmen jedoch die Umgebungsfarbe auf und reagieren damit auf die im Lauf des Tages wechselnden Licht­ verhältnisse. Bei Regen werden die gestrahlten Scheiben fast vollständig transparent; die Bilder und Schriften lösen sich teilweise auf.

1.4

1.5

2.1

INSCHRIFTEN: KRATZEN / SGRAFFITO

ÄTZEN

FÜGEN: MODULAR / FLACH

Bei der Sgraffitotechnik2 werden Ornamente und Schriften «al fresco»3, d. h. in einen mehrschich­ tigen, noch nicht ausgehärteten Putz geritzt bzw. gekratzt. Damit Texte und Zeichnungen in einem ausreichenden Kontrast zum Putz stehen und so gut wahrnehmbar sind, verwendet man für Deck­ und Grundputz verschiedene Farben.

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Der Begriff Sgraffito ist vom italienischen Verb sgraffiare, zu Deutsch kratzen, abgeleitet. Ital. ins Frische

Je nach zu beschriftendem Material werden un­ terschiedliche Ätzmittel bzw. ­techniken an­ gewendet. Teile, die nicht vertieft und mattiert werden sollen, werden vorgängig mit einem Abdecklack – auch Ätzgrund genannt – ge­ schützt. Bei der Hochätzung wird das Motiv durch Abdecklack geschützt, bei der Tiefätzung dessen Umgebung. Glas wird mit Flusssäure geätzt. Je nach Ätzdauer entstehen unterschiedliche Mattie­ rungsgrade. Die Oberflächenstruktur wird feiner und brillanter als beim Druckluftstrahlen.  Auch Betonelemente können ähnlich bear­ beitet werden. Eine Folie wird mit Abbindever­ zögerer besiebdruckt und in die Betonschalung gelegt. An den bedruckten Stellen wird der Aushärtungsprozess des Betons verzögert. Die Text­ oder Bildmotive können nach dem Ent­ fernen der Schalung freigebürstet werden. Leitende Metalle ätzt man elektrolytisch. Eine Schablone mit dem Sujet wird auf das zu beschriftende Werkstück gelegt und eine elektrolytische Paste aufgetragen, bevor das Metallstück an den Strom angeschlossen wird. Die nicht abgedeckten Teile werden in die Oberfläche des Metalls geätzt. Nach diesem (Beschriftungs­)Prozess wird das Werkstück mit einem Neutralisator behandelt.

Mit verschiedenfarbigen Ziegeln Dächer zu be­ schriften, ist eine der ältesten modularen Be­ schriftungsformen. Bauernhöfe wurden mit ihrem Entstehungsjahr versehen, Fabriken mit ihren Namen. Derselbe Effekt lässt sich durch die Ver­ wendung unterschiedlicher Back­ oder Klinker­ steine bei Fassaden bzw. durch jedes modular fügbare Material (Keramik­, Eternit­, Holz­ oder Metallelemente) erzeugen. Diese Schriften nehmen so das digitale Prinzip quasi vorweg. Jedes Element bildet einen physischen Pixel, und es gilt: Je kleiner die einzelnen Elemente sind und je dichter sie beisammenliegen, desto präziser wird das Schriftbild.

2.2

2.3

3.1

FÜGEN: MODULAR / PLASTISCH

OXIDIEREN

MALEN: SCHRIFTENMALEREI

Verschiebt man einzelne Module räumlich, hebt sie beispielsweise hervor, setzt sie zurück oder stellt sie schräg, entstehen Schriften und Orna­ mente. Auch die Grundform der für ein Sicht­ mauerwerk verwendeten Backsteine kann variie­ ren. Viele Material­in­Material­Lösungen wirken subtil und zurückhaltend; manchmal werden sie deshalb zusätzlich bemalt.

150

Oxidation ist eine chemische Reaktion, bei der die Elektronenzahl von Stoffen verändert wird. Bei diesem Verfahren schlägt sich – anders als bei den galvanischen Überzugsverfahren – keine Schutzschicht auf dem Material nieder: Die oberste Metallschicht an sich wird chemisch umgewandelt und so optisch umgeformt. Es gibt verschiedene Oxidationsverfahren: Alumini­ um wird elektrolytisch oxidiert (Eloxieren), Eisen durch die Behandlung mit alkalischen Lösungen brüniert. Auch die natürliche Oxidation kann zu Beschriftungszwecken genutzt werden. Hier werden die Sujets durch einen speziellen transparenten Anstrich vor dem Alterungspro­ zess geschützt.

Eine der ältesten und einfachsten Beschriftungs­ techniken ist die Schriftenmalerei direkt auf die Fassade. Es ist wichtig, den Untergrund, d. h. den Fassadenaufbau und das Material, gut zu kennen, um die passende – witterungsbeständige und lang haftende – Farbe zu wählen. Den Farbpigmenten können spezielle, etwa nach­ leuchtende oder reflektierende Stoffe beige­ mischt werden. Auch die Art des Farbauftrags ist ent­ scheidend. Der lebendige Duktus eines Pinsels unterscheidet sich stark von der Airbrush­Technik. Sujets werden freihändig auf den Untergrund gemalt oder mithilfe von selbstklebenden Negativ­ schablonen auf diesen übertragen. In einem ersten Arbeitsgang wird die Fassadenfarbe auf­ getragen, damit die eigentliche Schriftfarbe, die in einem zweiten Arbeitsschritt gemalt wird, nicht unter die Folien läuft.

3.2

3.3

3.4

MALEN: HINTERGLASMALEREI / HINTERGLASMETALLRADIERUNG

DRUCKEN: SIEBDRUCK, DIGITALER UV-DIREKTDRUCK

KLEBEN: FOLIENSCHRIFTEN

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Hinter­ glasmalerei bzw. die Hinterglasmetallradierung auch für Ladenbeschriftungen verwendet. Bei der Hinterglasmalerei werden Firmennamen oder Reklamesujets mit einer deckenden Farbe sei­ tenverkehrt auf die Rückseite von Glasscheiben aufgetragen und mit einer zweiten, z.B. schwar­ zen Farbschicht abgedeckt, um den Kontrast zu steigern. Bei der Hinterglasmetallradierung wird statt Farbe eine Metallfolie, zum Beispiel Blatt­ gold, ­silber, ­messing oder ­aluminium, verwen­ det. Die so beschrifteten Glasschilder wurden flach oder leicht schräg oberhalb der Schaufens­ ter oder der Eingänge montiert und zum Teil baulich integriert. Als Ende des 19. bzw. zu Beginn des 20. Jahrhunderts die ersten großen Kauf­ häuser gebaut wurden, platzierten die Architek­ ten umlaufende Schriftbänder auch an oberen Fassadenteilen [ S. 12 ].

Glatte Fassadenmaterialien wie Blech, Glas, Faserzement, Polycarbonat werden auf verschie­ denste Weise bedruckt und als fertig konfek­ tionierte Bauteile auf die Baustelle geliefert. Siebdruck ist ein sogenanntes Durchdruck­ verfahren; für die bauliche Anwendung gibt es Siebrahmen in einer Größe von bis zu 4 m × 8 m.4 In einem ersten Schritt wird ein Sieb vollständig belichtet. Das Kunststoffgewebe wird – da, wo das Motiv erscheinen soll – mit UV­Licht farbdurch­ lässig gemacht. Dann wird das Sieb auf das zu be­ druckende Werkstück gelegt und die Farbe mit dem Rakel durch das Gewebe hindurch auf dieses gedrückt. Bei Glas kann man auch keramischen Siebdruck anwenden. Dabei wird das Sujet wäh­ rend des Härtungsprozesses von Floatglas zu ESG5 bei einer Hitze von 650 °C eingebrannt. So beschriftetes Glas ist äußerst farbstabil und witterungsbeständig; beides wichtige Faktoren für die Anwendung im Außenbereich. Analog zur Hinterglasmalerei wird Glas rückseitig bedruckt. Die Motive können aber auch auf die Zwischenschichten von Isolier­ oder Verbundsicherheitsgläsern gedruckt werden. Dadurch sind sie nicht nur vollkommen witterungs­ beständig, sondern vor allem vor mechanischen Einflüssen geschützt. Statt keramische Farben werden hier Zweikomponentenfarben verwendet. Die Siebdrucktechnik wurde in den letzten Jahren durch den UV­Digitaldruck abgelöst. Dieser kann – anders als Siebdruck – nicht vor Ort ausgeführt werden. Der «digitale Sieb­ druck», wie das Verfahren auch genannt wird, eignet sich für Einzelbeschriftungen und Serien. Mit dieser Technik können zurzeit unterschied­ lichste Materialien bis zu einer Stärke von 10 cm und einer Größe von 3,20 m × 1,60 m bedruckt werden. Die Witterungsbeständigkeit der Beschrif­ tungselemente ist (noch) nicht mit derjenigen der Siebdrucktechnik zu vergleichen; sie müssen für die Außenanwendung zusätzlich laminiert oder lackiert werden.

4 5 151

In Deutschland 2016 Einscheiben­Sicherheitsglas

Glatte Oberflächen werden heute meistens mit wetter­ und UV­stabilen Kunststofffolien be­ schriftet. Die Hersteller bieten umfangreiche Farb­ paletten sowie transluzente oder verspiegelte Effektfolien an, aus denen Schriften auf der Basis digitaler Vorlagen ausgeschnitten werden. Folien können beliebig – zum Beispiel mit speziellen Farben, Farbverläufen oder besonderen Bildsu­ jets – bedruckt werden. Diese sind jedoch nicht UV­beständig und müssen für die Außenanwen­ dung laminiert werden. Folien können auf die Glasinnenseite geklebt bzw. bei VSG6 können Motive direkt auf die Verbundfolie gedruckt werden.

6

Verbundssicherheitsglas

3.5

3.6

3.7

AUSSCHNEIDEN: DEKUPIERTE BUCHSTABEN

GIESSEN

TIEFGEZOGENE UND THERMOVERFORMTE BUCHSTABEN

Buchstaben, Ornamente und Muster können aus allen erdenklichen Plattenmaterialien dekupiert, d. h. ausgeschnitten, und an Gebäude montiert werden. Sie werden aus dünneren Materialien aus­ gefräst oder ­gelasert. Bei dickeren Materialien und Stein wird die Wasserstrahltechnik eingesetzt. Mit CNC­Technik können komplexe Buch­ staben und Muster relativ günstig aus verschie­ densten Materialien geschnitten werden, des­ halb erleben solche Motive in den letzten Jahren eine Blüte. Ein wichtiger Bestandteil der Gestaltungs­ aufgabe ist die Befestigungsart von Buchstaben. Dekupierte Lettern können direkt auf eine Fas­ sade oder mit Distanz zu dieser montiert werden, was unterschiedliche Schatten­ und Freistel­ lungswirkungen ergibt. Die Montageweise der Schriften hängt von der Beschaffenheit und der Konstruktion des Untergrunds ab. Auf massive Fassaden (Mauerwerk, Naturstein, Beton) wer­ den sie mittels eingemörtelten oder geklebten Gewindestangen dauerhaft fixiert; reversible Be­ schriftungen werden verdeckt verschraubt. Für die präzise Montage dieser Schriften werden Bohrschablonen verwendet. Die Befestigung von Lettern auf dünnen, hinterlüfteten Fassaden­ oder Wärmedämmverbundsystemen ist aufwen­ dig; die dafür notwendigen Einlagen müssen vorgängig sorgfältig mit den Fassadenplanern abgestimmt werden. Wird eine Fassade von Bohrungen durchdrungen, stellt sich immer die Frage, wie die Wasserdichtigkeit gewährleistet werden kann.

152

Buchstaben können aus Materialien wie Metall, Beton, Glas oder Kunststoff gegossen werden, wofür spezielle Gussformen hergestellt werden. Beim Betonguss werden Holzschalungen mit unterschiedlichen Oberflächenstrukturen verwendet. Diese sind leicht konisch geschnitten, damit sich das Gussprodukt leicht und ohne Schaden zu nehmen entfernen lässt. Betonguss­ schriften können ortsunabhängig produziert oder direkt vor Ort sowohl als Negativ­ als auch als Positivrelief ausgeführt werden. Zur Ge­ wichtsreduktion größerer Betonbuchstaben wer­ den Polystyrolformen in die Schalung einge­ legt, die nach dem Betoniervorgang nicht mehr sichtbar sind. Meistens ist nicht das Gießen an sich auf­ wendig und teuer, sondern der Formenbau. Ältere, teure Gussverfahren mit hitzebeständigen Formen aus Schamotte, Keramik oder Sand für Metall und Glas werden heute nur noch selten angewendet. Neben den oben beschriebenen, handwerk­ lichen Gussverfahren stellt man Schriften heute industriell in Spritzgusstechnik her. Diese Technik amortisiert sich – da die Herstellung der Spritz­ gusswerkzeuge sehr teuer ist – erst bei Serien ab einer Stückzahl von 1 000 Exemplaren. Nur global agierende Unternehmen mit Hunderten von Filialen benötigen so viele Schriften. Bei der Spritzgusstechnik wird ein Kunststoff­ granulat durch Wärme verflüssigt und mit ho­ hem Druck in eine geschlossene Form gespritzt. Die Buchstaben werden in der Form abgekühlt und dann herausgelöst. Anschließend werden die Rohlinge galvanisiert oder bemalt und zu Logos oder Buchstaben zusammengesetzt.

Auch beim Tiefziehen von Schriften fallen hohe Werkzeugkosten an, weshalb die Technik erst ab einer Stückzahl von mindestens 50 Exemplaren einsetzbar ist. Die Matrizen bzw. die Stempel für das mechanische Tiefziehen bestehen aus Holz oder Aluminium, diejenigen für das Vakuumtief­ ziehen aus Aluminium. Ursprünglich bestanden die Lettern aus dünnen Metallplatten, die mit hohem Pressdruck tiefgezogen wurden. Heute werden sie aus ver­ schiedenen Kunststoffen gefertigt wie ABS7, Polycarbonat oder Acryl, die erwärmt und dann verformt werden. Darum ist für diese Technik auch der Begriff «Thermoverformen» gängig. Beim Vakuumtiefziehen werden die 2 bis 5 mm starken Kunststoffplatten erwärmt und durch ein Vakuum über die Stempelform gesogen. Die Sujets können als Positiv­ oder Negativreliefs und in einer maximalen Größe von 150 × 280 cm8 konzipiert werden. Acrylplatten können vor dem Tiefziehpro­ zess per Siebdruck bedruckt werden, wobei die Verformung des Materials berücksichtigt wer­ den muss. Damit Logos und Buchstaben schluss­ endlich passgenau sind, werden sie in Form von digital errechneten «Zerrdrucken» auf das Material übertragen. Logos und Buchstaben können aber auch nach der Verformung gespritzt, beschichtet oder mit Aluminium bedampft werden, was zu einem Metalleffekt führt. Diese Bedampfung ist lichtdicht oder lichtdurchlässig, sodass Schrif­ ten, die tagsüber metallen oder verspiegelt wirken, nachts leuchten. Tiefgezogene Buchsta­ ben aus ABS können auch galvanisiert, d. h. verchromt werden, was bei Acryl nicht möglich ist.

7 8

Acrylnitril­Butadien­Styrol­Copolymerisat Stand 2016, Deutschland

3.8

3.9

3.10

GEFÜGTE BUCHSTABENKÖRPER

DRUCKEN: 3-D-DRUCK

EINSEITIG BESCHRIFTETE, FASSADENMONTIERTE SCHILDER

Schilder bestanden früher aus Holz, Glas, Blech oder sehr witterungsbeständigem Email und sind heute meistens aus Aluminium oder Kunst­ stoff. Sie werden mit verschiedensten – weiter vorne beschriebenen – Techniken beschriftet [ siehe 3.1–3.4 ]. Schilder werden aus Stabilitäts­ gründen oft abgekantet oder leicht gewölbt und mit unterschiedlichen Techniken flach auf die Fassade oder leicht schräg von dieser abstehend montiert. Großmaßstäbliche Buchstaben werden in ma­ schinellen, aber auch überraschend vielen manuellen Arbeitsgängen aus Einzelteilen zu­ sammengefügt. Bei den heute üblichen Ein­ zelobjekten oder Kleinserien bestehen die Zargen meistens aus thermisch verformtem Acryl, die Rückwände und die Fronten aus ausgelaserten Acrylplatten. Die verschiedenen Elemente werden zu vollständigen Logos oder Buchstaben zu­ sammenmontiert, verklebt und nachträglich la­ ckiert oder foliert (oder vorgängig bedruckt). Meist werden gefügte Buchstaben mit Leuchtmit­ teln ausgerüstet [ siehe 4.3 ].

3­D­Drucker können im Schichtaufbauverfahren mit gebundenem Kunststoffpulver (PMMA9) oder aufgeschmolzenem Filament (drahtförmigem, auf eine Spule aufgewickeltem Kunststoff) drei­ dimensionale Buchstaben «drucken». Diese  Technik steckt noch in der Pionierphase, kann aber in Zukunft für die Herstellung von kom­ plexen Formen, Einzelobjekten oder Kleinserien eingesetzt werden. Auch Gussformen [ siehe 3.6 ] können in Zukunft 3­D­gedruckt werden.

9 153

Polymethylmethacrylat

3.11

3.12

ZWEI- ODER MEHRPYLONEN / STELEN SEITIG BESCHRIFTETE, AUSKRAGENDE SCHILDER ( STECHBZW. NASENSCHILDER )

Sogenannte «Nasenschilder»10 – man kennt sie von (älteren) Gaststätten und Läden – stehen rechtwinklig von der Fassade ab. Oft handelt es sich um kunsthandwerkliche Schlosserarbeiten, die nicht nur mit Text, sondern auch mit Bildzei­ chen werben. Durch die Auskragung entsteht eine Hebelwirkung; die dabei entstehenden Kräfte und etwaige Windlasten erfordern eine solide Verankerung in der Fassade. In engen Altstadt­ gassen müssen diese Schilder wegklappbar sein, damit Fahrzeuge ungehindert passieren können. Von der Fassade abstehende Schilder werden heute Stechschilder genannt.

10

154

Sie heißen so, weil sie wie Nasen in den Luftraum ragen.

Pylonen stehen frei im Raum und sind konstruktiv unabhängig von einem Gebäude. Zu dieser Ka­ tegorie gehören sowohl originelle, teils riesige Einzelobjekte als auch von der Werbeindustrie an­ gebotene Standard­Stelen. Diese Beschriftungs­ elemente sind zwar von der Architektur losgelöst, wirken aber dennoch als additive Elemente auf sie zurück. Im besten Fall sind sie bezüglich Maß­ stab, Konstruktion, Materialisierung und Positio­ nierung auf die Architektur abgestimmt. Werden Stelen montiert, muss dafür (bauseits) ein ent­ sprechendes Fundament eingeplant werden.

3.13

SKULPTURALE SCHRIFTEN / TYPOTEKTUREN

Schriftskulpturen fallen besonders auf und wer­ den seltener realisiert. Bei diesen «Typotekturen» bilden die Lettern einen Teil der Statik, sind in die Konstruktion integriert oder gänzlich dreidi­ mensional ausgebildet und stehen frei im Raum. Diese Schriftskulpturen können umgangen und von allen Seiten betrachtet werden. Dabei offenbart sich die Zweidimensionalität der Schrift deutlich, da sie von hinten seitenverkehrt und somit schwer lesbar ist. Beton eignet sich durch seine flexible Form­ barkeit und statischen Eigenschaften beson­ ders gut für Schriftskulpturen; sie können aber auch aus Metall und Holz konstruiert werden.

4.1

4.2

4.3

SCHRIFTEN AUS PUNKTLEUCHTEN ( GLÜHBIRNEN / LEDS )

SCHRIFTEN AUS LINIENLEUCHTEN ( NEONSCHRIFTEN )

LEUCHTBUCHSTABEN

Die frühesten selbstleuchtenden Schriften be­ standen aus aneinandergereihten einzelnen Glühbirnen. Der hohe Stromverbrauch von Glüh­ birnen führte 2009 zu deren Verbot in der Europäischen Union. Als besonders energiespa­ rende Lichttechnik haben sich in den letzten Jahren LEDs11 durchgesetzt. Die Wirksamkeit von Glühbirnen­Schriften wurde schon früh durch sequenzielles Blinken gesteigert. Mittels elektrischer Schaltanlagen konnten erste Bewegungsabläufe suggeriert werden; später konnten längere Texte in Form von Laufschriften kommuniziert werden. Glüh­ birnenschriften repräsentieren die früheste Form von Bewegtmedien im öffentlichen Raum. Laufschriften bestehen heute aus Platten mit rasterartig applizierten, einzeln ansteuer­ baren LEDs; Informationen können so beliebig aktualisiert werden. Der Übergang zu LED­ Wänden oder ganzen Medienfassaden ist fließend.

11 155

Light Emmitting Diodes

Neongas wird in Glasrohre, sogenannte Neon­ röhren, gefüllt und über die Elektroden an den Rohrenden mit hoher Spannung entzündet. Reines Neon erscheint so im typisch orangeroten Neonlicht. Durch den Zusatz von Argon oder Quecksilber entsteht blaues Licht mit hohem UV­ Licht­Anteil. Beschichtungen auf der Rohr­ innenseite wandeln das UV­Licht in ein vom Auge wahrnehmbares Lichtspektrum um. Je nach Zusammensetzung der Gase können die unter­ schiedlichsten Lichtfarben entstehen. Trans­ parente Glasröhren sind tagsüber schlecht sicht­ bar; deshalb werden sie oft eingefärbt. Neonröhren stehen unter Hochspannung. Für solche Anlagen müssen die entsprechen­ den Sicherheitsvorkehrungen getroffen und die Installationsvorschriften strengstens beachtet werden. Die Glasröhren haben einen Durchmes­ ser zwischen 8 und 30 mm und können von ausgebildeten Glasbläsern in fast jede beliebige Form gebogen werden. Schreib­ oder Zierschriften, bei denen die Buchstaben mit Anstrichen verbunden sind, eignen sich für Neonschriften besonders gut. Bei Unterbrechungen, wie sie etwa bei Grotesk­ schriften entstehen, wird das verbindende Glasrohr so gestrichen, dass es sich dem Unter­ grund anpasst. Frei geformte Neonleucht­ schriften sind aufgrund ihrer ästhetischen Quali­ tät nach wie vor – auch bei Künstlern – gefragt. Sie werden direkt auf die Fassade montiert, in nach vorne offene Buchstabenkästen eingelegt oder auf dreidimensionale Schriftkörper montiert.

Bei Leuchtbuchstaben ist die Lichtquelle unsicht­ bar im Innern dreidimensionaler Körper mon­ tiert. Die homogene Ausleuchtung der Buchsta­ benoberfläche ist das wichtigste Ziel. Ältere Leuchtmittel wie Glühlampen, Neon­ und  Fluo­ reszenzleuchten werden zwar heute noch ver­ wendet, in den allermeisten Fällen setzen die Her­ steller jedoch das energieeffiziente, langlebige Leuchtmittel LED ein. Die Lebensdauer von LEDs ist von der Betriebstemperatur abhängig und beträgt zwischen 50 000 und 80 000 Stunden. Bei LEDs ist die Lichtintensität gut steuerbar; sie kann sowohl dem Tagesverlauf als auch den behördlichen Vorgaben bestens angepasst werden. Die Leuchtdichte (Helligkeit) wird in Candela pro Quadratmeter (cd/m2) gemessen. Mit der heutigen LED­Technologie können Leuchtbuchstaben mit sehr geringer Bautiefe (25–35 mm) und homogener Ausleuchtung her­ gestellt werden. Diese Buchstaben werden aus massiven, mehrschichtigen Acrylplatten ausge­ fräst, und die LEDs werden rückseitig in ein­ gefräste Kanäle eingepasst. Buchstaben mit größerer Versalhöhe, Balkenbreite und Bautiefe werden als Hohlkörper mit Frontabdeckung, Rückwand und Seitenteilen, sogenannten Zargen, ausgeführt. Früher wurden die Zargen aus Blech gefertigt, die Frontseite aus Glas oder Kunststoff. Heute wird transparen­ tes, transluzentes oder lichtdichtes Acryl und – seltener – Aluminium verarbeitet. Bei sehr gro­ ßen Buchstaben werden für die Frontabdeckun­ gen auch Spanntücher verwendet. Der Lichteffekt wird auf verschiedene Arten gesteuert und unterschiedliche Lichttechniken können kombiniert werden. Das Licht kann vorne, seitlich oder rückseitig aus den Buchstaben­ körpern austreten; im letzteren Fall spricht man von «Schattenschriften». Farbige LEDs werden immer seltener ein­ gesetzt. Eingefärbte Acrylplatten sind in den

unterschiedlichsten Standardfarben erhältlich und Platten können für Großserien auch spe­ ziell eingefärbt werden. Abdeckfolien sind in vielen Standardfarben erhältlich; Sonderfarben können individuell abgemischt, auf Folien ge­ druckt und auf das Acryl geklebt werden. Leucht­ schriften, die tagsüber dunkel erscheinen, nachts aber weiß leuchten sollen, können mit entsprechenden Spezialfolien beklebt werden. Jede Form von leuchtender oder ani­ mierter Außenwerbung benötigt eine Strom­ zuleitung und eine Steuerung, was bei der Planung bedacht werden muss. Bei Neubauten können Leuchtbuchstaben einzeln durch die Fassade mit Strom versorgt werden. Bei Bestands­ bauten werden meistens auf die Fassade auf­ gedoppelte Stromschienen verwendet, die die Buchstaben miteinander verbinden und zu deren Montage dienen. Diese Stromschienen werden zwar physisch möglichst schlank ausge­ bildet und farblich an den Hintergrund ange­ glichen, ästhetisch befriedigend ist das jedoch selten. Leuchtröhren, Leuchtstofflampen und Leuchtdioden (LEDs) erfordern passende Vor­ schaltgeräte und Netzteile, deren Platzierung bei der Planung einkalkuliert werden muss. Sie können sowohl im Leuchtkörper als auch außerhalb angebracht werden. Leuchtschriften werden unter anderem auf Dächern platziert, wo sie eine besonders gute Fernwirkung erzielen. Hier ist darauf zu achten, dass das Dach wasserdicht bleibt und die Leuchtschrift den auftretenden Windkräften zu widerstehen vermag. Die dafür notwenigen, teils massiven Trägerkonstruktionen sind nachts nicht sichtbar, sehr wohl aber am Tag. Sie bil­ den deshalb einen integralen Bestandteil des Gestaltungsprozesses.

156

4.4

5.1

LEUCHTKÄSTEN

MECHANISCH ANIMIERTE UND KINETISCHE BESCHRIFTUNGSTYPEN

Leuchtkästen weisen dieselbe Bauweise auf wie Leuchtbuchstaben, sind aber flächig – etwa rechteckig, rund oder oval – ausgebildet. Sie sind das selbstleuchtende Pendant zu den unbe­ leuchteten Schildern und werden meist direkt auf die Fassade montiert, als herausragende Aus­ leger (Stechschilder) formuliert oder von Vordä­ chern abgehängt. Großflächige Leuchtkästen werden oft mit einem sogenannten «Spanntuch», einem sehr reißfesten Gewebe, bezogen. Diese Tücher kön­ nen mit Schriftzügen oder Logos digital bedruckt bzw. mit Folien beklebt werden. In vielen Städten werden auf Vordächer oder Fassaden aufgedoppelte Leuchtkästen – im Gegensatz zu in Einzelbuchstaben ausgeführten Beschriftungen – nicht mehr bewilligt, da sie die Integrität der Fassaden meist massiv stören.

Mechanisch bewegte Objekte im urbanen Raum ziehen viel Aufmerksamkeit auf sich und sind aus unterschiedlichen Richtungen rezipierbar. Es werden einzelne Buchstaben, Worte oder Symbole mittels eines Motors um eine fest defi­ nierte Achse gedreht. Bei kinetischen Fassaden werden durch bewegliche, digital ansteuerbare Stäbe oder andere Elemente Texte oder Bilder plastisch nachgebildet.

5.2

5.3

5.4

( ANIMIERTE )

LED-BÄNDER UND -WÄNDE / MEDIENFASSADEN

BILDSCHIRME / SCREENS

PROJEKTIONEN

Projizierte Schriften, Symbole und Bilder wirken in der Dämmerung oder nachts ideal und kön­ nen ganze Bauten oder Landschaften als Lein­ wand nutzen. Meistens sind sie animiert und werden für temporäre Events genutzt; aber auch statische Anwendungen – etwa im Signaletik­ bereich – sind möglich. Mittels Hochleistungs­ beamern werden Videos oder Textbotschaften auf große Flächen ausgestrahlt. Mit Laserprojek­ tionen lassen sich Linien und Umrisse darstel­ len, jedoch keine Flächen; ihr Vorteil ist, dass Sujets aus nahezu jedem Winkel sowie aus großer Dis­ tanz erkennbar sind. Am Tag sind Projektionen im Außenraum schwer lesbar; dem kann mit speziellen, auf Glas applizierten Folien abgehol­ fen werden. Projektionen eignen sich für Laden­ passagen, Unterführungen und Innenräume.

Werden digitale, beliebig informierbare Elemen­ te, z.B. LEDs, symbiotisch in die gesamte Fas­ sadenhülle integriert, spricht man von einer Me­ dienfassade. Großflächige LED­Anlagen im Außen­ und Innenraum werden als LED­Band bzw. ­Wand bezeichnet. Die Auflösung von LED­Panels wird in  Einheiten pro Pitch gemessen; damit wird der Abstand von einer zur nächsten Diode auf einer bestimmten Fläche angegeben. Je kleiner der Pitch also, umso feiner die Auflösung des LED­Displays, umso besser die Qualität von Texten und Bildern. LED­Panels für den Nahbereich weisen einen Pitch zwischen 5 und 8 mm auf; im Außenbereich beträgt der Abstand 16 mm und mehr. Die Helligkeit einer Anzeige für die Außen­ anwendung beträgt ca. 8 000 cd/m2. Jede Medienfassade bzw. LED­Wand wird durch eine entsprechende Software, ein CMS12, zentral gesteuert. Die auf dem Markt erhältli­ chen Standard­Softwares werden mit Modulen ergänzt, die Inhalte, Farben und den Abstrak­ tionsgrad von Sujets objektspezifisch definieren sowie die Geschwindigkeit der Bewegungen und die Ein­ und Ausblendungsart gezielt steuern.

12 157

Content­Management­System

Der Stand der Technik erlaubt es, großformati­ ge, vorkonfektionierte Screens in die Gebäude­ hülle zu integrieren. Sie sind deutlich kostengün­ stiger als die (noch) teuren LED­Wände. Bei LCD­Screens13 wird die Ausrichtung von Flüssig­ kristallen durch elektronische Impulse gesteuert. Bildschirme, die im Außenbereich positioniert werden und für einen 24­Stunden­Betrieb ange­ legt sind, weisen eine deutlich höhere Leuchtkraft und Lebensdauer auf als solche, die im Innen­ bereich platziert werden. Neuerdings wird – etwa bei Tankstellen – auch E­Paper verwendet. Dieses ist zwar (bis anhin) nur zweifarbig, dafür aber auch von der Seite und bei starkem Sonnenschein sehr gut lesbar. Vor allem aber verbraucht diese Techno­ logie deutlich weniger Energie als LCD­Screens. Die Größe, Proportion und Positionierung von Screens sollte in den architektonischen Planungsprozess eingebunden werden. Die Kom­ bination mit zusätzlichen Lichtinstallationen vereinfacht deren Integration in die Fassade und unterstützt ihre Wirkung in der Dämmerung und nachts.

13

Liquid­crystal displays

PROZESSE PROJEKTBETEILIGTE UND PLANUNGSPHASEN

Prozesse

PROJEKTBETEILIGTE

HERAUSFORDERUNGEN FÜR ARCHITEKTEN UND GRAFIKDESIGNER

Die vorliegende Publikation regt zu einem neuen Bewusstsein für die Schnittstellen zwischen Architektur und Grafik an und soll einen Beitrag zur qualitativen Steigerung der Be­ schriftungskultur leisten. Gebäudebe­ schriftungen gelingen, wenn sie in­ tegral projektiert und ausgeführt werden und wenn die Rahmenbedin­ gungen stimmen. Was können die ver­ schiedenen an der Entstehung von Archigrafien beteiligten Akteure dazu beitragen, und wie werden Beschrif­ tungsprojekte im Idealfall ausgeführt?

Kommunen Gebäudebeschriftungen wirken in den öffentli­ chen Raum hinein. Die Kommunen entwickeln und definieren in Kooperation mit Experten orts­ spezifische Gestaltungsrichtlinien. Diese sichern – zusammen mit den gesetzlichen Grundlagen – eine qualitativ hochstehende Gestaltung des öffentlichen Raumes.

Architekten und grafische Gestaltung Während ihrer Ausbildung werden Architek­ tinnen und Architekten nicht mit Schrift und Typografie konfrontiert. Sie kennen weder die historischen Entwicklungslinien des Grafik­ und Schriftdesigns noch die praktischen An­ wendungsmöglichkeiten. Bezüglich der Schrift­ wahl, der Dimensionierung, der Positionierung, der Ausrichtung, der Farbigkeit/Materialisierung und des Layouts von Schriften wenden sie sich deshalb am besten an qualifizierte Grafikdesig­ ner oder Typografen.

Bauherrschaften (oder deren Vertreter) prüfen die Notwendigkeit von Gebäudebeschriftungen und nehmen diese frühzeitig in ihr Planungs­ Pflichtenheft auf, um unerwünschte Nachrüstun­ gen zu vermeiden. Sie vergeben Direktaufträge, führen Planerwahlverfahren durch oder loben – bei großen Bauprojekten – Wettbewerbe aus. Die mit der Bauleitung betrauten Büros holen bei qualifizierten Grafik­ bzw. Signaletikbüros Offerten ein und diese ziehen ihrerseits geeig­ nete Hersteller bei. Die Bauherrschaften achten bei Wettbewerben darauf, dass die notwen­ digen Kompetenzen in der Jury vorhanden sind. Architekten und Grafikdesigner Je nach Wettbewerbsausschreibung/Bauaufgabe ziehen Architekten für Beschriftungsaufgaben Grafikdesignerinnen oder Typografen bei – oder umgekehrt. Architekten und Beschrifterinnen prüfen die baurechtlichen Möglichkeiten und ent­ wickeln ihren Lösungsansatz mit Rücksicht auf das jeweils andere Fachgebiet bzw. in enger Zu­ sammenarbeit mit dessen Vertretern. Sie schla­ gen auch dann eine Beschriftung vor, wenn diese von den Auslobern oder der Bauherrschaft nicht gefordert wird, sie eine solche aber als sinnvoll erachten. Gebäudebeschriftungen müssen sowohl bei den Planungshonoraren als auch bei den Ausführungskosten budgetiert werden. Hersteller möglichst früh in die Planungsprozesse einzu­ binden, ermöglicht innovative Lösungen und er­ höht die Budgetsicherheit. Hersteller ziehen bei größeren Beschriftungsauf­ trägen frühzeitig Architekten und Designer hinzu. Ebenso bei der Anwendung neuer Techno­ logien sowie der Entwicklung neuer Beschrif­ tungstechniken und Produkte. Umgekehrt werden sie von Architekten und Designern als Berater mit profunden technischen Kenntnissen in Projekte eingebunden.

159

Grafikdesigner und räumliche Gestaltung Die Herausforderung für üblicherweise im  zweidimensionalen Feld agierende Grafik­ designerinnen und ­designer besteht in der Aus­ einandersetzung mit den ästhetischen und räumlich­konstruktiven Gesetzmäßigkeiten von Architektur. Die größte Herausforderung ist dabei meistens der Maßstabssprung. Grafik­ designer müssen ihre Fertigkeiten bezüglich Schriftwahl, Fontdesign und typografischer bzw. grafischer Gestaltung durch zusätzliches Wissen ergänzen. Dazu gehört die Auseinander­ setzung mit Materialien und deren spezifischen Eigenschaften, mit unterschiedlichen Konstruk­ tions­ und Montageverfahren und mit bau­ spezifischen Farbsystemen wie RAL oder NCS. Die Disziplin verlangt bestimmte Visualisierungs­ kompetenzen, d. h. die Beherrschung von Bild­ bearbeitungs­ oder 3­D­Programmen sowie Fertigkeiten im Modellbau. Die Kenntnis unter­ schiedlicher Licht­ und Beleuchtungstechniken ist ebenfalls hilfreich.

PLANUNGSPHASEN

Die Abläufe von kleinen und mittelgroßen Beschriftungsprojekten lassen sich in ähnliche Phasen gliedern wie Bauprojekte. Das sind – nach Auftragsvergabe – im Wesentlichen folgende: Bedarfsanalyse / Planung – Briefing: Gespräch mit den Auftraggebern (Bauherrschaft, Architekten) zum Bauty­ pen, zur architektonischen Gestaltungsidee, zur städtebaulichen Situation, zur räum­ lichen Organisation (außen/innen), zu möglichen Eingriffsorten, zu bestehenden Farb­ und Materialkonzepten sowie zur Nomenklatur (Raumbezeichnungen und Nummerierungssysteme) – Übergabe von bestehenden Plänen, Visu­ alisierungen, Renderings, Modellfotos, Fotografien; Klärung der Zuständigkeiten und Termine – Begehung, wo immer möglich, um einen Eindruck der Räume, der Dimensionen zu erhalten und um die Wegführung/Sicht­ achsen zu prüfen; fotografische Dokumen­ tation und/oder historische Fotografien organisieren (in baugeschichtlichen und anderen Archiven) Vorprojekt / Gestaltungskonzept – Grundlagen beschaffen/analysieren: Bau­ gesetze und Leitbilder bei der Kommune bestellen und prüfen (inkl. Gesuchsformu­ lare, Katasterpläne). Besondere Bestim­ mungen abklären: Liegt das Objekt in der Altstadt, steht es unter Denkmalschutz? – Provisorisches Beschriftungsverzeichnis* erstellen: Ein hierarchisch geordnetes Verzeichnis aller Beschriftungselemente (Haupt­, Neben­, Stockwerks­ und Tür­ beschriftungen sowie Wegleitungselemen­ te im Außen­ und/oder Innenraum, Spe­ zialbeschriftungen) bildet die Grundlage für alle weiteren Arbeitsschritte. Es wird in der ersten Phase provisorisch erstellt und im weiteren Planungsprozess ergänzt. – Gestaltungskonzept: übergeordnete Ge­ staltungsideen entwickeln; Schrift, Farbe, Dimension, Konstruktion und Materialien pa­ rallel entwerfen; Varianten visualisieren und evtl. anhand von Modellen überprüfen – Visualisierung (Photoshopmontagen, 3­D­Visualisierungen): Ideen in Varianten präsentieren. Dabei muss die Gesamt­ systematik klar erkennbar sein und für jedes Element der hierarchischen Zeichenkette eine exemplarische Lösung aufgezeigt wer­ den. Zur Präsentation gehören Konstruk­ tionsskizzen, Farb­ und Materialmuster und je nach Projekt Handmodelle.

160

Projektierung / Bewilligungsverfahren – Ausarbeitung und Detaillierung des aus­ gewählten Entwurfs – Definieren von Gestaltung, Layout und Konstruktion – Nach Bedarf 1:1­Bemusterungen offerieren und produzieren lassen – Positionspläne als Grundlage für die Submission erstellen – Vollständiges Beschriftungsverzeichnis erstellen Submission / Auftragsvergabe – Submissionsunterlagen (Offertanfragen) zusammenstellen – Offerten bei verschiedenen Anbietern einholen und auswerten Realisierung / Montage – Ausführungsplanung für Grafik/Layout und Konstruktion – Permanentes Abstimmen und Einarbeiten von Änderungen bis zur Freigabe – Erstellen aller Daten (Reinzeichnung) und deren Übergabe an die Hersteller – Begleitung der Herstellung (Layout, Konstruktionspläne) – Montagelayouts erarbeiten; Begleitung und Kontrolle der Montage vor Ort – Teilnahme an den Abnahmen vor Ort durch die Architekten/Bauherrschaft Betrieb / Unterhalt Die Schlussdokumentation dient dazu, den Unterhalt von Beschriftungen längerfristig zu garantieren. Sie beinhaltet: – das Beschriftungskonzept, – das Beschriftungsverzeichnis inkl. einer Fotodokumentation aller Elemente, – die Montagelayouts und Positionierungs­ pläne, – die Konstruktionspläne und die grafischen Herstellungsdaten, – die Adressen aller beteiligten Planer, Entwickler und Hersteller. Die Projektphasen für umfangreiche Beschrif­ tungs­ bzw. Signalisierungsprojekte sind kom­ plexer und müssen mit den Gestaltern bzw. den Herstellern fallweise besprochen und fixiert werden. Für den Unterhalt großer Werbeanlagen kann mit den Herstellern ein entsprechender Vertrag abgeschlossen werden.

* Das Beschriftungsverzeichnis dient dazu, – den Überblick über alle Beschriftungs­ elemente zu behalten, – das Gestaltungshonorar zu eruieren, – die Submissionsunterlagen zu erstellen, – die Hersteller zu briefen, – den Monteuren die Übersicht vor Ort zu gewährleisten, – die Projekte zu dokumentieren. Es beinhaltet: – die offizielle Raumnummer (aus den Plänen abzulesen), – die Benennung des Inhalts (Text/Nummer/ Piktogramme), – Angaben zum Träger­ /Untergrundmaterial (Glas, Beton, gestrichene Wand, Stele usw.), – die Beschriftungsart (Folie, Malerei, Sieb­ druck, Metallbuchstaben, Leuchtschrift usw.), – die Montageart (geklebt, verschraubt, mit Distanz montiert usw.).

LITERATUR

Abbondandolo, Ilaria: Carlo Scarpa è la Forma delle Parole. Venedig: Marsilio Editori, 2011 Aicher, Otl: Zeichensysteme der visuellen Kommu­ nikation. Handbuch für Designer, Architek­ ten, Planer, Organisatoren. Berlin: Ernst & Sohn, 1996 Archithese: Schrift am Bau. Calligraphie et façade. Zürich: Niggli. 1/1995 Baines, Phil / Dixon, Catherine: Signs. lettering the environment. London: Laurence King Publishing Ltd., 2003 Banham, Stephen: Characters. Cultural stories revealed through typography. Melbourne: Thames & Hudson, 2011 Barthes, Roland: «Semiotik und Urbanismus». In: Carlini, Alessandro / Schneider, Verbgard: Die Stadt als Text. Tübingen: Wasmuth, 1976 Bartram, Alan: Lettering in architecture. London: Lund Humphries, 1975 Basheer Graphic Books: Type Spaces. Typo­ graphy in three­dimensional spaces. Singapore: Basheer Graphic Books, 2013 Bauer, Ewin K. / Mayer, Dietrich (Hg.): Orientation & Identity. Porträts internationaler Leitsysteme. Wien: Springer­Verlag, 2009 Baumberger, Christoph: «Gebaute Zeichen. Zu den Bedeutungsweisen von Bauwerken». In: Gleiter, Jörg (Hg.) 2014: Symptom Design. Vom Zeigen und Sich­Zeigen der Dinge. Bielefeld: transkript, 2014 Baur, Ruedi et al.: Das Gesetz und seine visuellen Folgen. Baden: Lars Müller Publishers, 2005 Ders.: Construction. Design intégral Ruedi Baur & Associés. Baden: Lars Müller Publishers, 1998 Ders.: Intégral Ruedi Baur et associés. Paris: Pyramid, 2003 Ders.: Antizipieren, Hinterfragen, Einschreiben, Irritieren, Orientieren, Übersetzen, Unter­ scheiden. Baden: Lars Müller Publishers, 2009 Benevolo, Leonardo: Die Geschichte der Stadt. Frankfurt/New York: campus, 1990 Benham, Reyner: The Architecture of the well­ tempered Environment. Chicago: University of Chicago Press, 1969 Berliner Festspiele: WChuTEMAS. Ein russisches Labor der Moderne. Architekturentwürfe 1920–1930. Berlin: Berliner Festspiele, 2014 Bignens, Christoph: «Swiss style» – Die grosse Zeit der Gebrauchsgrafik in der Schweiz 1914–1964. Zürich: Chronos, 2000 Ders.: Kinos. Architektur als Marketing. Zürich: Verlag Hans Rohr, 1988 Bisani, Thomas: Archigrafia – tra architettura e parola. Triest: Università delli Studi di Trieste (2009, unveröffentlicht) Berger, Craig: Wayfinding. Designing and implementing graphic navigational systems. Crans­Près­Céligny: RotoVision, 2005 162

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Literatur

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Literatur

AUTOREN

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Agnès Laube Geboren 1964 in Lengnau/AG, lebt in Zürich. Grafikdesignerin, Dozentin und Autorin. 1984–89 Grafikstudium an der Schule für Ge­ staltung Zürich (heute ZHdK). 1990 Mitarbeit bei Pierre Miedinger, Zürich. Seit 1991 eigenes Atelier in Zürich. Seit 2003 Gastdozentin an verschiedenen Kunsthochschulen der Schweiz (HSLU/Design & Kunst; Hochschule der Künste Bern u. a.). 2011–2015 Leiterin des Studiengangs MA Communication Design an der Hochschule der Künste Bern. Seit Februar 2015 wieder frei­ schaffend tätig als Gestalterin, Beraterin, Publi­ zistin und Dozentin (HSLU). Jurymitglied und Referentin an Hochschulen und bei Firmen und Institutionen im In­ und Ausland. Michael Widrig Geboren 1966 in Pratteln/BL, lebt in Zürich.  Architekt. Studium an der ETH Zürich. Mitarbeit bei Gigon/Guyer Architekten. Eigenes Büro  seit 1998. Diverse Assistenzstellen an der ETH Zürich und der EPFL Lausanne. 2013/14 Dozent an der Hochschule der Künste Bern. Seit 2003 gemeinsames Architekturbüro mit Daniel  Kaufmann (Kaufmann Widrig Architekten GmbH). Seit 2003 arbeiten, lehren, forschen, kuratieren und publizieren die beiden Autoren gemeinsam zum Thema Archigrafie (www.archigrafie.ch).

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BILDNACHWEIS

Teil 1: Einführung 1 UNESCO­Welterbe Fagus­Werk, Alfeld 2 Bauhaus­Archiv, Berlin 3 Wikimedia Commons, CC BY­NC­SA 4.0 4 Wikimedia Commons, Spyros Drakopou­ los, CC BY­SA 4.0, 5 Baugeschichtliches Archiv, Zürich 6 Creative Commons BY­SA 7 Bauhaus­Archiv, Berlin 8 Bauhaus­Archiv, Berlin 9 Tretyakov­Gallery, Moskau 10 Merrill C. Berman Collection, New York 11 Wikimedia Commons, Andrey Kryuchenko, CC BY­SA 3.0 12 Museum of Modern Art/Scala, Florenz 13 Ministère de la Culture – Médiathèque du Patrimoine, Paris 14 Creative Commons, Sara Burns, CC BY­NC­SA 4.0 15 Akademie der Künste, Berlin 16 Akademie der Künste, Berlin 17 Akademie der Künste, Berlin 18 Akademie der Künste, Berlin 19 Baugeschichtliches Archiv, Zürich 20 Wikimedia Commons, CC BY­NC­SA 4.0 21 Theodor Stalder, Zürich 22 Danmark Kunstbibliotek, Kopenhagen 23 angela thomas schmid/pro litteris, Zürich 24 Baugeschichtliches Archiv, Zürich 25 Wikimedia Commons, CC BY­NC­SA 4.0 26 Georg Krähenbühl, Davos 27 Museum für Gestaltung Zürich, Grafik­ sammlung 28 archiv max bill, binia + jakob bill stiftung, Zürich 29 Baugeschichtliches Archiv, Zürich 30 Baugeschichtliches Archiv, Zürich 31 Wikimedia Commons, CC BY­NC­SA 4.0 32 Wikimedia Commons, CC BY­NC­SA 4.0 33 Baugeschichtliches Archiv, Zürich 34 Baugeschichtliches Archiv, Zürich 35 Konzernarchiv Henkel & Co., KGaA, Düsseldorf 36 Wikimedia Commons, CC BY­NC­SA 4.0 37 Baugeschichtliches Archiv, Zürich 38 Museum für Gestaltung Zürich, Grafik­ sammlung 39 Theodor Stalder, Zürich 40 Baugeschichtliches Archiv, Zürich 41 Fondazione nazionale per la tutela, la conservazione e la gestione dei Beni di interesse storico, artistico e naturalistico, Mailand 42 Venturi Scott Brown and Ass. (VSBA), Tom Bernard 43 VSBA, Tom Bernard 44 Wikimedia Commons, CC BY­NC­SA 4.0 45 VSBA, William Watkins 46 SITE Architects, New York 47 SITE Architects, New York 48 VSBA, Stephen Hill 165

49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91

Wikimedia Commons, CC BY­NC­SA 4.0 Jean­Philippe Lenclos, Paris SITE Architects, New York Jerry Cinamon, London Sussman/Prejza, Los Angeles Jean­Philippe Lenclos, Paris Jean­Philippe Lenclos, Paris Barbara Stauffacher Solomon, San Francisco Barbara Stauffacher Solomon, San Francisco Jean­Philippe Lenclos, Paris Barbara Burg + Oliver Schuh, Köln Herzog & de Meuron, Basel Ateliers Jean Nouvel, Paris Gaston Bergeret, Paris Ruedi Walti, Basel Transform GmbH, Wettingen Herzog & de Meuron, Basel Heinrich Helfenstein, Zürich HinderSchlatterFeuz, Zürich Stephan Rutz, Zürich Heinrich Helfenstein, Zürich Christoph T. Hunziker, Birmensdorf Mayo Bucher, Zürich Georg Aerni, Zürich VSBA, Matt Wargo Scagliola/Brakkee, Rotterdam Hild und K, München Wikimedia Commons, CC BY­NC­SA 4.0 Westiform AG, Niederwangen­Bern Westiform AG, Niederwangen­Bern realities:united, Bernd Hiepe, Berlin realities:united, Berlin Wikimedia Commons, CC BY­NC­SA 4.0 VSBA, Philadelphia VSBA, Philadelphia Wikimedia Commons, CC BY­NC­SA 4.0, Baugeschichtliches Archiv, Zürich Wikimedia Commons, CC BY­NC­SA 4.0 Leonardo Finotti, São Paolo Wikimedia Commons, CC BY­NC­SA 4.0 Baugeschichtliches Archiv, Zürich Wikimedia Commons, CC BY­NC­SA 4.0 Baugeschichtliches Archiv, Zürich

Teil 2: Case Studies S. 45 Stefano Graziani, Triest S. 46 oben links und rechts: iart, Basel; unten: Stefano Graziani, Triest S. 47 Stefano Graziani, Triest S. 49 Christian Richters, Berlin S. 50 Ruedi Walti, Basel S. 51 Ruedi Walti, Basel S. 53 Michel Denancé, Paris S. 54 oben links: Michel Denancé, Paris; oben rechts; unten links und rechts: Renzo Piano Building Workshop, Genua S. 55 Michel Denancé, Paris S. 57 Gehry Partners, LLP, Los Angeles S. 58 Gehry Partners, LLP, Los Angeles

S. 59 S. 61 S. 63 S. 65 S. 66

S. 67 S. 69 S. 71 S. 72 S. 73 S. 75 S. 76 S. 77 S. 79 S. 81 S. 82 S. 83

S. 85 S. 86 S. 87

S. 89 S. 91 S. 92 S. 93 S. 95 S. 96 S. 97 S. 99 S.100 S.101 S.103 S.104 S.105 S.107 S.108 S.109

S.111 S.113 S.114 S.115 S.117 S.118 S.121 S.122

S.123 S.125 S.126 S.127

Gehry Partners, LLP, Los Angeles bildbau gmbh, Zürich Herzog & de Meuron, Basel Leonardo Finotti, São Paulo oben links: Franz Rindlisbacher, Zürich; oben rechts: Velvet, Luzern; unten: Leonardo Finotti, São Paulo Franz Rindlisbacher, Zürich Michael Heinrich, München João Ferrand, Matosinhos João Ferrand, Matosinhos João Ferrand, Matosinhos Emilio Photoimagination, M. Ridwan Kamil Emilio Photoimagination, M. Ridwan Kamil Emilio Photoimagination, M. Ridwan Kamil Dianna Snape, St. Kilda Roger Frei, Zürich oben: Roger Frei, Zürich; unten: bivgrafik, Zürich oben rechts und links; unten rechts: bivgrafik, Zürich; unten links: Roger Frei, Zürich Niklaus Spoerri, Zürich oben; unten links: Niklaus Spoerri, Zürich unten rechts: bivgrafik, Zürich oben links, unten links und rechts: Niklaus Spoerri, Zürich; oben rechts: bivgrafik, Zürich Heinrich Helfenstein, Zürich Studio Marco Vermeulen, Rotterdam Studio Marco Vermeulen, Rotterdam Studio Marco Vermeulen, Rotterdam Arge Laube, Kaufmann Widrig, Zürich Arge Laube, Kaufmann Widrig, Zürich Arge Laube, Kaufmann Widrig, Zürich Hauser, Schwarz, Basel Hauser, Schwarz, Basel Hauser, Schwarz, Basel Theodor Stalder, Zürich Theodor Stalder, Zürich Theodor Stalder, Zürich Mark Röthlisberger, Zürich oben: Mark Röthlisberger, Zürich; unten: bivgrafik, Zürich unten links: Mark Röthlisberger, Zürich; oben links und rechts; unten rechts: bivgrafik, Zürich Roland Bernath, Zürich Erick Saillet, Lyon Erick Saillet, Lyon Marie­Caroline Lucat, Montpellier Galeries Lafayette, Berlin Hélène Binet, London Theodor Stalder, Zürich Theodor Stalder, Zürich; unten rechts: Hi – Visuelle Gestaltung, Luzern Theodor Stalder, Zürich Duccio Malagamba, Barcelona Duccio Malagamba, Barcelona Erica Overmeer, Amsterdam

Bildnachweis

S.129 SITE Architects, New York S.131 intégral Ruedi Baur, Paris S.132 oben: James Ewing, New York; unten: Intégral Ruedi Baur, Paris S.133 oben links und rechts; unten links: James Ewing, New York; unten rechts: Intégral Ruedi Baur, Paris S.135 Theodor Stalder, Zürich S.136 Theodor Stalder, Zürich S.137 Georg Aerni, Zürich Teil 3: Anhang 1.1 oben: Arge Laube, Kaufmann Widrig, Zürich; mitte: Theodor Stalder, Zürich; unten: Fondazione nazionale per la tutela, la conservazione e la gestione dei Beni di interesse storico, artistico e naturalistico, Mailand 1.2 oben: Theodor Stalder, Zürich; unten: Michael Heinrich, München; 1.3 oben: Theodor Stalder, Zürich; unten: Manfred Seidl, Wien 1.4 oben: Arge Laube, Kaufmann Widrig, Zürich; unten: Theodor Stalder, Zürich 1.5 oben: Theodor Stalder, Zürich; unten: Margherita Spiluttini, Wien 2.1 oben: Theodor Stalder, Zürich; unten: Stephan Banz, Cully 2.2 oben: Emilio Photoimagination; unten: Dianna Snape, St. Kilda 2.3 Theodor Stalder, Zürich 3.1 oben: Arge Laube, Kaufmann Widrig, Zürich; unten: Christoph T. Hunziker, Birmensdorf 3.2 Theodor Stalder, Zürich 3.3 intégral Ruedi Baur, Paris 3.4 bivgrafik, Zürich 3.5 oben: bivgrafik, Zürich; unten: Arge Laube, Kaufmann Widrig, Zürich 3.6 oben: João Ferrand, Matosinhos; unten: Theodor Stalder, Zürich 3.7 Westiform, Niederwangen­Bern 3.8 oben: Theodor Stalder, Zürich; unten: Arge Laube, Kaufmann Widrig, Zürich 3.9 Arge Laube, Kaufmann Widrig, Zürich 3.10 Theodor Stalder, Zürich 3.11 oben: Arge Laube, Kaufmann Widrig, Zürich; unten: Theodor Stalder, Zürich 3.12 Arge Laube, Kaufmann Widrig, Zürich 3.13 oben: Chermayeff & Geismar & Haviv, New York; unten: Theodor Stalder, Zürich 4.1 oben: Arge Laube, Kaufmann Widrig, Zürich; unten: Theodor Stalder, Zürich 166

4.2

4.3 4.4 5.1 5.2 5.3 5.4

oben: Westiform, Bern­Niederwangen; mitte: Theodor Stalder, Zürich; unten: Theodor Stalder, Zürich Theodor Stalder, Zürich oben: Theodor Stalder, Zürich; unten: Hannes Henz, Zürich oben: Stephan Banz, Cully; unten: iart, Asif Khan, Basel Stéphane Dabrowski, Paris oben: Theodor Stalder, Zürich; unten: realities:united, Bernd Hiepe, Berlin realities:united, Berlin

HAUPTSPONSOR

Westiform Westiform macht seit über einem halben Jahrhun­ dert Marken und Firmen weltweit sichtbar. Die Beratung von Designern und Architekten bei der Umsetzung von Schrift am Bau ist eine der Kern­ kompetenzen des Schweizer Familienunterneh­ mens, wo viele Jahre auch der Typograf Adrian Frutiger als Verwaltungsrat mitwirkte. Neben Licht­ werbungen und Beschriftungen bietet Westiform Digital Signage­Lösungen, Fassadenverklei­ dungen, Wegeleitsysteme und POS­Produkte an. Westiform setzt konsequent auf modernste  Technik, fundierte Beratung, effiziente Prozesse und kundennahe Dienstleistungen. Die Inno­ vationsabteilung entwickelt Produkte, die punkto Energieverbrauch und Design Massstäbe in der Branche setzen. Westiform ist in zweiter Ge­ neration inhabergeführt.

www.westiform.com www.facebook.com/westiform https://twitter.com/Westiform https://www.linkedin.com/company/westiform­ag https://www.xing.com/companies/westiformag

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IMPRESSUM

Archigrafie – Schrift am Bau Agnès Laube, Michael Widrig Konzept und Texte: Agnès Laube, Michael Widrig Lektorat: Sarah Schwarz Projektkoordination: Alexander Felix, Katharina Kulke Herstellung: Amelie Solbrig Layout, Covergestaltung und Satz: Büro 146. Valentin Hindermann, Madeleine Stahel, Maike Hamacher, Zürich mit Tiziana Artemisio Papier: Fly 07, 130 gr/m2 Druck: DZA Druckerei zu Altenburg GmbH

Library of Congress Cataloging-in-Publication data: A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

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Dieses Buch ist auch als E-Book e-ISBN (PDF) 978-3-0356-0559-4 e-ISBN (EPUB) 978-3-0356-0571-6 sowie in englischer Sprache erschienen ISBN 978-3-0356-0568-6. © 2016 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TCF ∞ Printed in Germany ISBN 978-3-0356-0567-9

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