Anspruch und Wirklichkeit der »besonderen Gemeinschaft«: Der Ost-West-Dialog der deutschen evangelischen Kirchen 1969-1991 9783666557477, 3525557477, 9783525557471

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Anspruch und Wirklichkeit der »besonderen Gemeinschaft«: Der Ost-West-Dialog der deutschen evangelischen Kirchen 1969-1991
 9783666557477, 3525557477, 9783525557471

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Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Siegfried Hermle und Harry Oelke

Reihe B: Darstellungen Band 45

Vandenhoeck & Ruprecht

Anke Silomon

Anspruch und Wirklichkeit der »besonderen Gemeinschaft« Der Ost-West-Dialog der deutschen evangelischen Kirchen 1969–1991

Vandenhoeck & Ruprecht

Für Christian und Laura

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 10: 3-525-55747-7 ISBN 13: 978-3-525-55747-1

© 2006, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen. Internet: www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Satz: Daniela Weiland, Göttingen Druck und Bindung: a Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Vielgestaltigkeit der Beziehungen der evangelischen Kirchen in Ost- und Westdeutschland und ihre „besondere Gemeinschaft“ – Themen und Ziele, Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Von Treysa bis Fürstenwalde – Kurzer Abriss der kirchlichen und politischen Entwicklung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Weg zur Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (1967–1971) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil I: Die „besondere Gemeinschaft“ in der Praxis – Die Beratergruppe und der Ost-West-Dialog (1969–1989) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Kapitel: Die Anfänge der bilateralen kirchlichen Dialoggruppe (1969–1972) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Kapitel: Nach dem Grundlagenvertrag (1972–1978) . . . . . . . . . . . . . . . 196 2.1 Der Kirchenbund will an seinen Aufgaben wachsen – was leistet die „Beratergruppe“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2.2 EKD-seitige Präzisierung der Aufgaben- und Arbeitsbeschreibung für die Beratergruppe – Zustimmung des KKL-Vorstands mit einem eigenen Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 3. Kapitel: Neue Gestaltungsmöglichkeiten nach dem 6. März 1978 (1978–1983)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 3.1 Lingners Kampf gegen die Auflösung des Ost-West-Gremiums – Ein Wort der Kirchen zum 40. Jahrestag des Kriegsbeginns . . . . . 300

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Inhalt

3.2 „Hauptorgan“ zur Praktizierung von Art. 4 (4)? . . . . . . . . . . . . . . 325 3.3 Lehrreiches Studienobjekt Beratergruppe: Gesellschaftsbezogene Urteilsbildung der Kirchen in Ost- und Westdeutschland . . . . . . . 347 4. Kapitel: Thesen zur „besonderen Gemeinschaft“, Irritationen und Divergenzen (1983–1989) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 4.1 „Grundvertrauen“ oder „Äquidistanz“ zum Staat? – Divergierendes Rollenverständnis von Bund und EKD als Gefahr für ihre Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 4.2 EKD: Gestaltung des Christseins und BEK: Gesellschaftliche Mitverantwortung – Was können die Kirchen „noch“ gemeinsam sagen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 Teil II: Die „besondere Gemeinschaft“ in der Wirklichkeit – Die Konsultationsgruppe und die gemeinsame Friedensverantwortung der evangelischen Kirchen (1980–1991) 5. Kapitel: Entstehung und Ziele der Konsultationsgruppe (1980–1983). . 457 5.1 Systembindung der evangelischen Kirchen als Hindernis gemeinsamer Friedensaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 5.2 EKD-Denkschrift, Synodaltagung und Ost-West-Gespräche konturieren unterschiedliche friedensethische Positionen. . . . . . . . 498 6. Kapitel: Die kritische Phase: Zwei Kirchen im geteilten Deutschland (1983–1985)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 7. Kapitel: Konsensfindung für Gemeinsame Worte und eine Bilanz (1985–1989) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 7.1 Politischer Kontext kirchlicher Stellungnahmen: Die besondere thematische Brisanz der beiden geplanten gemeinsamen Worte . . . 571 7.2 Bilanz von 40 Jahren Kirche im geteilten Deutschland: Debatten über gemeinsame Identität, Nation und Verantwortung . . . . . . . . 594 8. Kapitel: Vom 9. November zur Vereinigung (1989–1991) . . . . . . . . . . . 607 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654

Inhalt

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Fazit Risiken, Kosten – und der Preis? Eine (kritische) Bewertung von Theorie und Praxis der „besonderen Gemeinschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . 659 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702 Personenregister/Biographische Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709

Vorbemerkung

Bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Geschichte Deutschlands insgesamt ist in der vergangenen Dekade die Zeit der deutschen Teilung auf besonderes Interesse gestoßen. Das geteilte Deutschland ist nicht nur ein historisches Phänomen, sondern seit der Vereinigung gleichfalls ein abgeschlossenes Forschungsfeld. Welche Rolle nun die evangelischen Kirchen innerhalb dieser Konstellation eingenommen und wie sie ihre grenzübergreifenden Beziehungen zueinander in Theorie und Praxis gestaltet haben, ist die Forschungsfrage, der hier nachgegangen werden soll. Dabei sind unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen, zumal die Geschichte der deutschen Zweistaatlichkeit, mit der die Geschichte der evangelischen Kirchen in Deutschland unauflösbar verbunden ist, wiederum erst im Kontext der außerdeutschen und außereuropäischen Gemengelage zu begreifen ist. Die geopolitische Lage beider deutscher Staaten und ihre Einbindung in antagonistische Machtblöcke bestimmte und begrenzte die deutschen Handlungsräume. Nach zwei „heißen“ Weltkriegen entbrannte im Zuge der politischen Neuordnung der Kalte Krieg zwischen der Sowjetunion und den USA auf dem Feld von Wirtschaft, Diplomatie und Ideologie. Die protestantischen Kirchen – die sich in Gestalt der 1948 gebildeten Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nur für kurze Zeit in der privilegierten Situation einer moralisch weitgehend integeren und organisatorisch intakten Sprecherin aller Deutschen befunden hatten – gerieten in ein doppeltes Spannungsverhältnis: Zunächst konfrontiert mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, also der Teilung Deutschlands, kam der evangelischen Kirche die Rolle als letzte gesamtdeutsche Klammer zu, die sie rasch in ihr Selbstverständnis integrierte. Jedoch entwickelten sich beide deutschen Staaten zügig auseinander, wurden 1955 der NATO bzw. dem Warschauer Pakt angegliedert und waren somit gänzlich verschiedenen Rahmenbedingungen ausgesetzt, denen auch die Kirchen unterworfen waren. Die Befürchtung, die eigene Organisationsform aller deutschen Gliedkirchen in der einen EKD zu verlieren, gewann zusehends an Aktualität und kulminierte 1961 nach dem Bau der Berliner Mauer. Der kirchliche Handlungsbedarf wuchs stetig, da abgesehen von der gemeinsamen Institution gleichfalls die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Kirchen überhaupt auf dem Spiel stand. Der kompromisshafte Ausweg wurde mit der organisatorischen Teilung der EKD genommen – unter ausdrücklichem Festhalten an der geistlichen, der „besonderen Gemeinschaft“ über die Staatsgrenzen hin-

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Vorbemerkung

weg. Während der Kalte Krieg seit Anfang der 70er Jahre abflaute, blieb der Ost-West-Konflikt bestehen. Beide Machtblöcke, mit ihnen die DDR und die Bundesrepublik sowie der 1969 gegründete Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) und die EKD (West), traten in eine Phase der Bemühungen um politische Entspannung ein, deren Ziel die „friedliche Koexistenz“ war. Zu untersuchen ist, wie sich beide Kirchen und vor allem ihre Protagonisten in dieser neuen Situation verhielten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass den kirchenleitenden Männern die Notwendigkeit vor Augen stand, dass die evangelischen Kirchen einen Standort innerhalb der deutschen Staaten und Gesellschaftssysteme finden mussten, ohne auf der einen Seite die „besondere Gemeinschaft“ und andererseits die spezifisch kirchliche Aufgabe, Zeugnis und Dienst in der Gesellschaft im Sinne des Evangeliums zu leben, preiszugeben. Der vom Kirchenbund in der DDR verkündeten, breiten Interpretationsraum lassenden Formel „Kirche im Sozialismus“ stellte die EKD kein ausdrücklich benanntes Modell gegenüber, obwohl die SED-Führung die EKD als „NATO-Kirche“ titulierte, in ihr die „Kirche des Imperialismus“ sah und ihr „Sozialdemokratismus“ unterstellte. Bei der Beantwortung der Forschungsfrage nach der Gestaltung der „besonderen“ Gemeinschaft zwischen BEK und EKD kommt vor allem der zeitgenössischen Rezeption kirchlichen Handelns, sei es seitens des Staates, der Gesellschaft oder aber innerkirchlich, eine wichtige Bedeutung zu. Die getrennte Entwicklung des Kirchenbundes in der DDR und der EKD in der Bundesrepublik vollzog sich ebenso wie ihre partnerschaftlichen Beziehungen und gemeinsamen Aktivitäten unter dem Einfluß und in Wechselwirkung mit dem Staat und der Gesellschaft. Daraus resultieren die Komplexität und der Spannungsgehalt des Forschungsgegenstandes, „Anspruch und Wirklichkeit der ‚besonderen Gemeinschaft‘“.

Einführung

1. Die Vielgestaltigkeit der Beziehungen der evangelischen Kirchen in Ost- und Westdeutschland und ihre „besondere Gemeinschaft“ – Themen und Ziele, Aufbau der Arbeit „Die vielfältigen Beziehungen, die Zusammenarbeit auf allen Ebenen und nicht zuletzt die materielle Hilfe der Westkirchen für die in der DDR werden nicht durch irgendeine gemeinsame Dachorganisation zwischen Kirchenbund und der seit 1969 auf die westdeutschen Landeskirchen einschließlich des West-Berliner Teils der Berlinbrandenburgischen Landeskirche beschränkten EKD gestützt. Es gibt zwar zahlreiche Einzelabsprachen und im wirtschaftlichen Bereich Verträge unter Einschaltung staatlicher Organisationen, die den Devisentransfer bzw. die Valutafinanzierung kirchlicher Vorhaben in der DDR erlauben, aber keine bilaterale Gemeinschaftsorganisation für den gesamten deutschen Protestantismus.“1

Mit diesen Worten ordnete der westdeutsche Kirchenjournalist Reinhard Henkys im Jahr 1982 – bewusst unpopulär, weil es den gängigen Kategorisierungstendenzen widersprach – die kirchlichen Ost-West-Beziehungen der Ökumene zu. Er betonte jedoch, damit weder eine theologische noch eine kirchenpolitische Entscheidung treffen zu wollen. Vielmehr sei die Partnerschaftspraxis des DDRKirchenbundes und seiner Mitgliedskirchen der entscheidende Gesichtspunkt für die Zusammengehörigkeit von „‚Ökumene‘ in ihren vielfältigen Ausprägungen und ‚besonderer Gemeinschaft‘“. Henkys wies ausdrücklich auf das zwischen den protestantischen Kirchen in der DDR und der Bundesrepublik „lebhaft genutzte Beziehungsgeflecht auf allen Ebenen“ hin, welches bis in den Bereich der Gemeinden, Pfarrkonvente sowie Freundes- und Arbeitskreise hinein praktiziert werde. Dieses Zitat soll gleich zu Beginn der Untersuchung den Blick eröffnen auf die zahlreichen unterschiedlichen Themenbereiche, die eine Beschäftigung mit der „besonderen Gemeinschaft“ der evangelischen Kirchen und Christen in der Bundesrepublik und in der DDR einschließt – und die möglichen Perspektiven, unter denen diese betrachtet werden können. Nachdem der 1969 gebildete Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR sich mit Artikel 4 (4) seiner Ordnung zu der „besonderen Gemeinschaft der 1

R. HENKYS : DDR-Kirchen als ökumenischer Partner. In: DERS. (Hg.), Kirchen, S. 182.

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Einführung

ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“ bekannt hatte, sprachen Synode und Kirchenkonferenz der EKD auf ihrer regionalen Tagung (West) in Stuttgart am 15. Mai 1970 ebenfalls das Bekenntnis für „Synode, Kirchenkonferenz und Rat […] zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“ sowie ihre daraus resultierende „Mitverantwortung für die Gemeinschaft“ und die Wahrnehmung der sich daraus ergebenden Aufgaben „für ihren Bereich in freier Partnerschaft mit dem Bund“ aus. Die EKD-Organe befanden sich mit diesen Beschlüssen in Übereinstimmung mit der Verlautbarung des Rates der EKD vom 26. September 1969. Im Rahmen der durch die organisatorische Trennung möglich gewordenen Bemühungen um eine Strukturreform innerhalb der EKD sollte eine entsprechende Formulierung in die Grundordnung der EKD übernommen werden.2 Die Kirchen der EKD und des Bundes arbeiteten in der Folgezeit daran, ihre Kontakte nicht abbrechen zu lassen und alle Möglichkeiten einer grenzübergreifenden Zusammenarbeit mit größtmöglicher Konsequenz zu nutzen. Sie bemühten sich um den Erhalt der kirchlichen Gemeinschaft in Ordnungsfragen des geistlichen Lebens3, es blieb bei dem gemeinsamen Bibeltext und dem evangelischen Gesangbuch, Ausbildungsordnung und Ordination wurden gegenseitig anerkannt. Die leitenden Geistlichen aus Bund und EKD kamen alle zwei Jahre im Ostteil Berlins zusammen, die leitenden Juristen sowie die Mitglieder beider Synodenpräsidien jeweils einmal pro Jahr. Auch die kirchlichen Dienstellen in Ost und West hielten den Kontakt aufrecht: Der Leiter der Berliner Stelle der EKD-Kirchenkanzlei, Olav Lingner, besuchte kontinuierlich das Sekretariat des Bundes, die Referenten des Kirchenamtes der EKD in Hannover kamen einmal jährlich zu einer Beratung mit denen des BEK-Sekretariats nach Ost-Berlin. Es existierten kooperierende Kommissionen4 sowie Arbeitsgruppen, es fanden Begegnungen auf synodaler Ebene und gegenseitige Besuchsreisen statt.5 Jede Landeskirche der EKD hatte

2 Nach einem langen Arbeits- und Denkprozess innerhalb der westdeutschen EKD wurde analog zu Art. 4 (4) der Bundesordnung eine Formulierung zur „besonderen Gemeinschaft“ in die Grundordnung der EKD (2. Änderung von 1984, Art. 1 [2]) aufgenommen (ABlEKD, Heft 7/1984 vom 15.7.1994, S. 249f.; hier S. 249). Vgl. zu diesem Komplex die ausführliche Darstellung von P. BEIER, „Kirchwerdung“. 3 Das betraf Bibelübersetzungen, Gesangbücher, gottesdienstliche Liturgie und Amtshandlungspraxis auf der einen Seite und die kirchliche Rechtsetzung (z. B. das Pfarrerdienstrecht) andererseits. 4 Z. B. die EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung und der Ausschuss für Kirche und Gesellschaft des BEK. 5 Erst im Sommer des Jahres 1973 konnte ein Vertreter des Bundes an einer EKD-Synode teilnehmen, während die DDR-Regierung Genehmigungen für wechselseitige Besuche auch landeskirchlicher Synoden weit später nach und nach erteilte. Besuchsreisen wurden dann im Zuge der deutsch-deutschen Vereinbarungen möglich.

Themen und Ziele, Aufbau der Arbeit

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eine Patenkirche in der DDR 6, vielfältige Gemeindebeziehungen wurden aufund ausgebaut, und es flossen nicht zuletzt große Summen zur finanziellen Unterstützung in die östlichen Schwesterkirchen, ebenso wie über die Jahre hinweg materielle Hilfe geleistet wurde. Die konfessionellen Zusammenschlüsse Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in der Bundesrepublik und in der DDR pflegten ebenso partnerschaftliche Beziehungen, wie die Evangelische Kirche der Union und der Reformierte Bund sie grenzüberschreitend praktizierten.7 Kirchliche Werke und Einrichtungen wie Diakonie, Innere Mission und Evangelische Frauenhilfe hatten eigene Patenschaftsbeziehungen geschaffen.8 Angesichts der Fülle dieser Kontakte ist die Beschränkung auf einen Teilaspekt des Beziehungsgeflechts zwischen BEK und EKD in der Zeit der deutschen Teilung zwingend notwendig, zumal auch die Untersuchung eines ausgewählten Schwerpunktthemas – will sie denn zu einem nur annähernd aussagekräftigen Ergebnis kommen – immerhin einen Zeitraum von über zwanzig Jahren zu berücksichtigen hat. Ziel der vorliegenden Darstellung ist es herauszuarbeiten, wie der „Anspruch“, also die Vorstellungen von einer „besonderen Gemeinschaft“ der beiden deutschen evangelischen Kirchenbünde entwickelt und in welcher Form und mit welchen Ergebnissen sie in der „Wirklichkeit“ umgesetzt wurde. Die Untersuchung konzentriert sich dabei auf die Genese des Art. 4 (4) der Bun6 Im August 1949 hatte das Hilfswerk folgende Landeskirchen im Rahmen von Patenschaftsbeziehungen einander zugeordnet: Anhalt – Pfalz; Berlin – Westfalen; Brandenburg – Rheinland und Baden; Mecklenburg – Bayern; Pommern – Hansestädte und Schleswig Holstein; Provinz Sachsen – Hessen; Land Sachsen – Hannover, Braunschweig, Schaumburg/Lippe; Schlesien – Oldenburg; Thüringen – Württemberg; Reformierte Gemeinden in Brandenburg, Mecklenburg, Pommern – Emden; Reformierte Gemeinden Sachsens (Provinz und Land) und Thüringens – Lippe/Detmold. Der Begriff Patenschaft wurde später durch die – gleichberechtigten Beziehungen angemessenere – Bezeichnung Partnerschaft ersetzt. Vgl. hierzu K. R ITTBERGER-K LAS, Kirchenpartnerschaften. 7 So kamen die EKU-Kirchenkanzleien aus Ost und West sowie die Dienststellen von VELKD und VELKDDR zum wechselseitigen Austausch und zur Beratung zusammen. Der Zusammenhalt der Ost- und der Westregion der EKU allerdings blieb – trotz fortgesetzter staatlicher Gegenbemühungen – im Vergleich zur VELK, die bereits auf ihrer Generalsynode in Freiberg (28.–30.11.1968) die Regionalisierung ihrer Organe vollzog und mit dem Kirchengesetz vom 1.12.1968 in zwei selbständige Bereiche in der DDR und der BRD aufgeteilt wurde, am engsten. Der Reformierte Bund spielte gegenüber EKU und VELK keine besondere Rolle. 8 Nicht nur einmal im Jahr traten der östliche Hauptausschuss und der westliche Diakonische Rat zusammen. Zur gemeinsamen Arbeit der diakonischen Werke vgl. den Überblicksartikel von K. H. NEUKAMM, Handeln. Darin konstatiert der langjährige Präsident des Diakonischen Werkes der EKD, dass sofort nach der deutsch-deutschen Vereinigung eine gemeinsame Geschäftsführung des Diakonischen Werks in der Bundesrepublik und der „Inneren Mission und Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in der DDR“ ihre Arbeit aufnehmen konnte, weil die „Verantwortlichen in den Jahrzehnten der Trennung an der ‚besonderen Gemeinschaft‘ der evangelischen Christenheit in Deutschland“ festgehalten hätten, die nach dem Zerbrechen der gemeinsamen kirchlichen Organisation und der Bundesgründung 1969 in dem „für die weitere Entwicklung richtungsweisenden“ Art. 4 (4) verankert worden sei. – Vgl. zu den Ost-West-Kirchenbeziehungen vor der Bundesgründung C. LEPP, Tabu.

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Einführung

desordnung, das Nachdenken über seine Realisierung und die praktische Wahrnehmung gemeinsamer kirchlicher Aufgaben auf der gesamtkirchlichen Ebene9, wie sie in der 1969 gegründeten Beratergruppe und der 1980 installierten Konsultationsgruppe ihren Ausdruck fand. Um nun Entstehung, Tätigkeit, Selbstreflexionen und Arbeitsergebnisse der beiden Gruppen unter dem Aspekt der auf oberster Ebene praktizierten „besonderen“ grenzübergreifenden Gemeinschaft genauer in den Blick zu nehmen und die Entwicklungen verständlich zu machen, ist es unerläßlich, zunächst die Vorgeschichte zu beleuchten, die von der „bestehenden“10 zur „besonderen“ Gemeinschaft geführt hat. In der Einführung wird nach der Erörterung des Forschungsstandes und einem kurzen Abriss der kirchlichen und politischen Entwicklung in Deutschland zwischen 1945 bis 1967 knapp dargestellt, welche äußeren Ereignisse und innerkirchlichen Überlegungen die Gründung eines eigenen Kirchenbundes in der DDR beeinflusst haben. Eine bedeutende Rolle spielte dabei der sich verlagernde Kontext, in den die Vorstellungen von „Einheit“ und „Gemeinschaft“ eingebettet waren, nämlich der Bezug dieser Begriffe auf eine deutsche Nation beziehungsweise eine evangelische Kirche in Deutschland. Ebenso richtungsweisend war die Einführung einer neuen, „sozialistischen“ Verfassung in der DDR im Jahr 1968. Diese Maßnahme der DDRRegierung setzte die evangelischen Kirchen stark unter Druck11, ließ sie ihre Überlegungen mit einer gewissen Beschleunigung fortsetzen und führte sie in letzter Konsequenz zur organisatorischen Trennung und zur Gründung eines eigenen Kirchenbundes in der DDR. Der Prozess der Bildung des BEK, der Formulierung seiner Ordnung und der Gestaltung seiner Organe wird nachgezeichnet, in dessen Mittelpunkt Art. 4 (4) und die Gedanken einer Praktizierung der darin bekannten „besonderen Gemeinschaft“ mit der EKD, ihren Gliedkirchen und Christen steht. Nach der vollzogenen Verselbständigung der acht Landeskirchen in der DDR im BEK kam es darauf an, seine Arbeitsfähigkeit herzustellen, seine Aufgabenbereiche zu bestimmen und seinen Handlungsrahmen im „realsozialistischen“ Teil Deutschlands abzustecken. Mit der Darstellung des Weges, den der Kirchenbund von ersten Kontaktaufnahmen zu staatlichen Organen der DDR bis zur Aufnahme offizieller Staat-Kirche-

9 Beide Gruppen setzten sich im Kern aus Vertretern des KKL-Vorstands, des Rates der EKD oder Personen in kirchenleitenden Ämtern zusammen. 10 In Art. 1 (2) der EKD-Grundordnung von 1948 war die Rede von der „bestehenden Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit“, die in der EKD sichtbar werde (ABlEKD 1948, Nr. 5 vom 15.7.1948, S. 109–113; hier S. 110). 11 Artikel 39 (2) besagte, dass die Kirchen ihre Angelegenheiten „in Übereinstimmung mit der Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen der DDR“ zu ordnen hätten.

Themen und Ziele, Aufbau der Arbeit

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Beziehungen und damit seiner Anerkennung durch die Regierung am 24. Februar 1971 gegangen ist, endet die Einführung. Die folgenden Teile I und II wenden sich der „Wirklichkeit“ der „besonderen Gemeinschaft“ zu. Da es den Kirchen in Ost- und Westdeutschland bis zum Zusammenbruch der DDR nicht gelang, ein verbindliches Modell und vor allem die dafür grundlegende theologisch fundierte Definition der beide Kirchen gemeinsam betreffenden Aufgaben für die praktische Verwirklichung ihrer „besonderen Gemeinschaft“ im Sinne des Art. 4 (4) zu entwickeln, wurde die Tätigkeit vor allem der Berater-, aber mitunter auch der Konsultationsgruppe von Überlegungen und Reflexionen über ihre Zielstellung, ihre Aufgabenbereiche, ihr Wirksamwerden und sogar ihre Existenz begleitet, behindert und befördert. Beide mit Kirchenvertretern in Leitungspositionen besetzten Gremien traten etwa viermal jährlich zusammen. Weil die sogenannte12 Beratergruppe zwischen Vertretern des BEK und der EKD bereits Ende des Jahres 1969, kurz nach Bundesgründung, gebildet wurde, muss die Schilderung ihrer Entstehung und ihres Wirkens [Teil I] notwendigerweise in diesem Jahr einsetzen. Folgende Erwägungen machten eine im Vergleich zur Konsultationsgruppe sehr ausführliche Behandlung des Ost-West-Gesprächskreises unumgänglich: 1. Die Beratergruppe traf sich über einen Zeitraum von etwa zwanzig Jahren hinweg. 2. Sie diente primär dem wechselseitigen Austausch von Informationen und Erfahrungen aus dem jeweils anderen Bereich sowie der Erörterung von beide Kirchen betreffenden Sachfragen, so dass das Spektrum der verhandelten Themen entsprechend breit war.13 3. Inhalt und Ziel der Zusammenkünfte erschließen sich nur vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Bund und EKD sowie dem sich unabhängig voneinander vollziehenden Prozess der Standortfindung und Entfaltung in unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Systemen. Diese Zusammenhänge müssen Berücksichtigung finden, so dass nicht lediglich Vorbereitung, Nachbereitung und die eigentlichen Sitzungen der Beratergrup-

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Vgl. das 1. Kapitel, Anm. 2. Dennoch gab es durchaus auch für die Kirchen relevante Themen und Ereignisse, die in diesem Kreis keine Erwähnung fanden. Sofern dies auch in den Leitungsgremien von Bund und EKD nicht der Fall war, werden diese Vorgänge – nicht zuletzt aufgrund der Fülle an Inhalten und Materialien, deren Einbeziehung für die Zielsetzung der gesamten Untersuchung unbedingt notwendig ist – in der Darstellung übergangen. 13

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Einführung

pe14 ausgewertet werden, sondern ebenso die Protokolle der Tagungen anderer Gremien des Kirchenbundes und der EKD15 sowie einzelne Schriftwechsel, Vermerke und Notizen. Und um dem Bild von der in der Beratergruppe praktizierten „besonderen Gemeinschaft“ schärfere Konturen zu verleihen, soll ebenfalls Beachtung finden, welche Informationen aus den östlichen und westlichen Kirchen bei den Treffen der Brüder16 nicht weitergegeben wurden. Soweit sie für die Arbeit der Gruppe oder die Beziehungen zwischen Bund und EKD von Bedeutung waren, werden auch die Maßnahmen, Reaktionen und Beeinflussungsversuche seitens des Staates und seiner Organe einbezogen.17 Das besondere Augenmerk richtet sich demnach auf die innerkirchliche Sicht, das Agieren der Protagonisten, während die staatliche Perspektive im Sinne der Reaktion auf kirchliches Handeln von Interesse ist. Bewusst zurückhaltend wird mit der einschlägigen Überlieferung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR umgegangen, sofern es sich um die sogenannten Inoffiziellen Mitarbeiter handelt. Die vom DDR-Geheimdienst vorgenommene Kategorisierung von Kirchenvertretern als „IM“ bedeutet nicht zwingend, dass diese Personen (wissentlich) mit dem MfS zusammengearbeitet haben. Daher wird lediglich im Personenregister verzeichnet, wer in den Akten als „IM“ „geführt“ wurde. Der quellenkritische Umgang mit den „IM“-Berichten machte es erforderlich, sie nur dann in den Fußnoten Personen zuzuordnen, wenn diese zweifelsfrei als Zuträger innerkirchlicher Angelegenheiten an den Staatssicherheitsdienst identifiziert werden konnten.18

14 Eine zusätzliche Schwierigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass die Protokolle aus Sicherheitsgründen eher wie ausführliche Tagesordnungen gestaltet wurden und trotz Durchsicht verschiedenster Aktenbestände nicht die Niederschriften aller Sitzungen gefunden werden konnten. 15 Gemeint sind nicht nur die Sitzungen der KKL und ihres Vorstands (für den Bund) sowie die der Kirchenkonferenz und des Rates (für die EKD), sondern auch Treffen von leitenden Geistlichen, Juristen und Referenten, die Zusammenkünfte der beiden Synoden und ihrer Organe, ferner die Beratungen der Ausschüsse und Kommissionen. 16 Der Beratergruppe gehörten zeitweilig Grete Schneider, Christina Schultheiß (beide als Stellvertreterinnen) sowie Christa Lewek (ordentliches Mitglied) an, während in der Konsultationsgruppe zu keinem Zeitpunkt eine Frau zu den Mitgliedern zählte. 17 Hier ist primär der SED-Staat gemeint, was nicht allein in der Tatsache begründet liegt, dass das Interesse an den Kirchen und die entsprechenden Versuche, sie dem staatlichen Machtapparat zu unterwerfen, in einem atheistisch und totalitär strukturierten System weitaus ausgeprägter war. Auch die nur für die Erforschung der DDR optimale Quellenlage erzwingt diese Schwerpunktsetzung. 18 Nach dem Zerfall der DDR richteten viele Journalisten, aber ebenso einige Wissenschaftler (vgl. z. B. G. BESIER /S. WOLF [Hg.], Pfarrer) ihr Hauptaugenmerk auf die Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit und insbesondere auf die „Inoffiziellen Mitarbeiter“. Diese Tendenz ist zwar mittlerweile rückläufig, weil einerseits Struktur und Arbeitsweise des MfS gut erforscht sind und andererseits bekannt ist, dass eine nicht geringe Zahl von „IM“ in der Bundesrepublik rekrutiert werden konnte. Für mich stand bei der Auswertung der Akten der BStU nicht im Vordergrund, ob einzelne Kirchen-

Themen und Ziele, Aufbau der Arbeit

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Die Konsultationsgruppe [Teil II] wurde 1980 als Reaktion auf die verschärfte weltpolitische Lage sowie die damit verbundenen Aufrüstungsbestrebungen gegründet, beschäftigte sich speziell mit der kirchlichen Friedensverantwortung und sollte damit ausdrücklich eine Zuarbeit für die jeweiligen Leitungsgremien, die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL) und den Rat der EKD, leisten. In der Untersuchung wird dabei der Schwerpunkt auf die unterschiedlichen, in der Friedensfrage vertretenen Positionen und auf die von den in diese bilaterale Gruppe entsandten Vertretern von KKL und Rat erarbeiteten und in Verantwortung von BEK und EKD publizierten „Gemeinsamen Worte“ gelegt, mit denen die Kirchen zu gesellschaftlichen Fragen und geschichtlichen Ereignissen, im Resultat jedoch ausschließlich im Bemühen um Verständigung und Frieden offiziell und öffentlich Stellung bezogen.19 Auch hier wird das entsprechende Umfeld beleuchtet und dargestellt, wie die innerkirchlichen und öffentlichen Reaktionen (vor und) nach Veröffentlichung der gemeinsamen Stellungnahmen ausgefallen und welche Standpunkte letztlich in die Verlautbarungen eingeflossen sind beziehungsweise einfließen konnten. Gewisse Befürchtungen, die seitens der mittlerweile „elfjährigen“ Beratergruppe aufkamen (und in der Folgezeit zeitweilig zu Spannungen führten), als nun die hochrangig und Effizienz versprechend kleinere Konsultationsgruppe installiert wurde, die zudem auch noch mit dem Spezialauftrag „Friedensfragen“ betraut worden war, werden aus der Perspektive beider Gruppen behandelt. In dieses Kapitel eingearbeitet sind Aussagen aus zahlreichen, vorwiegend schriftlichen Interviews, die mit ehemaligen Mitgliedern der Berater- und der Konsultationsgruppe, soweit sie sich dazu bereit fanden, geführt wurden.20 Der umfangreiche Fragenkatalog umfasste neben der Bitte um konkrete Informationen zu Zielrichtung, Bildung und Vorgehensweise der gemeinsamen Gremien auch Fragen nach persönlichen Einschätzungen zu unterschiedlichen Prägungen und Auffassungen, nach atmosphärischen Eindrücken und nicht zuletzt nach einer Gesamtbewertung der praktizierten „besonderen Gemeinschaft“ in der Zeit der deutschen Teilung. Die Erträge vorliegender Untersuchung werden abschließend zusammengefasst und mit Blick auf die oben formulierte Zielsetzung bewertet. vertreter als „IM“ registriert waren, sondern welche Informationen und Interna sie wissentlich oder auch unwissentlich weitergegeben haben. 19 Das hat den entscheidenden Grund, dass bereits 1995 im Auftrag des Rates der EKD von dem ehemaligen Präsidenten der EKD-Kirchenkanzlei bzw. des Kirchenamtes, Walter Hammer, und dem von 1986 an als Leiter von dessen Berliner Stelle fungierenden Uwe-Peter Heidingsfeld die Sitzungsniederschriften komplett und unter Hinzuziehung von ergänzendem Material herausgegeben worden sind. Vgl. W. HAMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen. 20 Von insgesamt 25 angefragten Zeitzeugen waren zwei mittlerweile verstorben, fünfzehn haben mit großem Arbeitseinsatz alle Fragen beantwortet, zwei überhaupt keine Reaktion gezeigt und die übrigen aus unterschiedlichen, nicht durchweg zeitlichen Gründen die Beantwortung abgelehnt.

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Einführung

Dem besseren Verständnis der kirchlichen Strukturen und Gremien – vor allem in der Übergangsphase vor der Gründung des Bundes – sowie der Verantwortungs- und Aufgabenbereiche der zahlreichen Protagonisten dienen die biographischen Angaben im Personenregister.

2. Forschungsstand Bislang existierte weder eine Gesamtdarstellung zur Bundesgründung noch eine wissenschaftliche Arbeit, die sich explizit dem Thema „besondere Gemeinschaft“ widmet.21 Innerhalb des Forschungsprojekts „Die Rolle der evangelischen Kirche im geteilten Deutschland“ des Rates der EKD, in dessen Rahmen auch vorliegende Untersuchung entstanden ist, sind mittlerweile drei weitere Arbeiten zum Gesamtkomplex „besondere Gemeinschaft“ erstellt worden, von denen zwei publiziert sind.22 Immerhin sind sowohl die Bildung des Kirchenbundes in der DDR als auch die „besondere Gemeinschaft“ von Bund und EKD in einigen Artikeln und Aufsätzen untersucht und in Monographien zur DDR-(Kirchen-) Geschichte oder angrenzenden Disziplinen kursorisch behandelt worden.23 Im Kirchlichen Jahrbuch24 von 1969 wird mehrfach zur „rechtlichen und organisatorischen Verselbständigung der bisherigen EKD-Gliedkirchen im Bereich 21 Ausnahmen sind sogleich zu nennen: Reinhard Henkys hat bereits im Jahr 1970 die wichtigsten Dokumente zur Entstehung des Bundes zusammengestellt und mit Erläuterungen versehen. Dem Band ist unter der Überschrift „Von der EKD zum DDR-Kirchenbund“ eine instruktive Einführung in die Thematik vorangestellt (s. u.). Noch nicht abgeschlossen ist die Dissertationsschrift von Christian Dietrich, mit der eine detaillierte Aufarbeitung der Bundesgründung vorgenommen werden soll. Allerdings wird dort der Art. 4 (4) keine hervorgehobene Rolle einnehmen. Ferner ist die oben erwähnte Dokumentation „Die Konsultationen“ von Hammer/Heidingsfeld zu nennen. 1995 hielt der ehemalige Leiter des BEK-Sekretariats, Martin Ziegler, einen Vortrag zum Thema „Verständigungswege zwischen dem Bund der evangelischen Kirchen in der DDR und der EKD in den siebziger und achtziger Jahren“, in dem der Art. 4 (4), die Arbeit der Berater- und der Konsultationsgruppe sowie „inoffizielle Verständigungswege auf der Leitungs- und Verwaltungsebene“ skizziert werden (s. u.). Andere Monographien zu diesen Schwerpunkten sind der Autorin nicht bekannt. 22 Vgl. P. BEIER, Kirchwerdung, C. LEPP, Tabu, sowie die demnächst erscheinende Untersuchung von K. KUNTER, Hoffnungen. 23 Einige kleinere Arbeiten wurden in die Auswertung der Sekundärliteratur nicht einbezogen, sofern sie in der Darstellung selbst (ausführlicher) berücksichtigt werden. Vgl. auch die von Hammer/ Heidingsfeld in „Die Konsultationen“ (S. 625–629) im Quellen- und Literaturverzeichnis unter III.a) speziell zur „besonderen Gemeinschaft“ aufgeführten Titel. 24 Im Kirchlichen Jahrbuch von 1950 wurde erstmals in einem eigenen Kapitel „Die evangelische Kirche in der sowjetischen Besatzungszone (DDR)“ gesondert über die Situation der östlichen Gliedkirchen berichtet und diese Aufteilung bis zum KJ 1956 beibehalten. Ab dem KJ 1957 wurden regelmäßig unter der neuen Überschrift „Die Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik“ zumeist Auszüge aus den wichtigsten kirchlichen (und staatlichen) Äußerungen und Stellungnahmen dokumentiert, jeweils verbunden mit kurzen Erläuterungen und Wertungen.

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der DDR“ als einem „tiefen und schmerzhaften Einschnitt in der Kirchengeschichte des deutschen Protestantismus“ Stellung genommen.25 Das „Zerbrechen der Form“ bedeute jedoch nicht, so heißt es weiter in dem Abschnitt „Zur kirchlichen Ost-West-Lage“, dass jegliche Gemeinschaft und Verbundenheit der evangelischen Christen Deutschlands hinfällig geworden sei. Unter Verweis auf den in die Ordnung des BEK aufgenommenen Art. 4 (4) und die diesen bekräftigende Erklärung des Rates der EKD zur Bundesgründung bekenne sich die Rest-EKD zur besonderen Gemeinschaft der Kirchen in Ost- und Westdeutschland, demnach zur „Gemeinschaft des Dienstes, des Glaubens, der theologischen Arbeit, des Engagements für den Menschen, für Frieden und Gerechtigkeit“. Eingeräumt wurde allerdings, dass das für beide Seiten nötige Nachdenken über die strukturellen Grundsätze des deutschen Protestantismus, das „Territorial- und Konfessionsprinzip“, Probleme aufwerfen werde, die in der DDR und in der Bundesrepublik auf unterschiedliche Weise gelöst werden würden. Als grenzübergreifende Aufgabe bleibe zwar das zugleich neue und gemeinsame Aussprechen der „Antworten des Evangeliums auf die Herausforderungen der Zeit“ bestehen, doch würden diese Antworten naturgemäß „nicht deckungsgleich“ ausfallen.26 Nach der Bundesgründung wurde im Kirchlichen Jahrbuch darüber nachgedacht, ob die Motive für die organisatorische Teilung der EKD wirklich über jeden Zweifel erhaben waren oder man „dem staatlichen Drängen“ unter Missachtung der Fürstenwalder Erklärung vom 5. April 1967 zu sehr nachgegeben habe und damit eventuell den „weitergehenden Zielen des Staates, die kirchlichen Gefüge der DDR laufend zu schwächen, durch eine organisatorische Nachgiebigkeit geradezu entgegen[gekommen]“ sei.27 Rückblickend auf die Zeit vor der Bildung des BEK müsse konstatiert werden, dass die Gliedkirchen in der DDR „ihren Weg – auch unter mancherlei Mißverständnissen aus kirchlichen Kreisen der Bundesrepublik – in erstaunlicher Folgerichtigkeit und mit großer Entschlossenheit“ gegangen seien. Dabei hätten sich die evangelischen Kirchen in der DDR gegen die Versuche des Staates durchgesetzt, die Bundesgründung zu verhindern bzw. ihr einen (gegen die westliche EKD gerichteten) politischen Akzent zu geben. Doch werde die Formulierung des künftigen Verhältnisses der Kirchen in Art. 4 (4) der inhaltlichen kirchlichen Aufgabe, der Gestalt einer spezifischen Gemeinschaft, insofern nicht gerecht, als es sich nur um eine Beschreibung, nicht aber um eine Klärung des konkreten Inhalts und der Form dieser kirchlichen Bindung handele: 25

KJ 1969 (96. Jg.), v. a. S. 4ff., 233–280 (mit Dokumenten). EBD., S. 5f. 27 EBD., S. 233. Die Entscheidung über Einheit oder Trennung der Kirche habe möglicherweise sogar als Frage des status confessionis behandelt werden müssen (S. 234). 26

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„Man wollte für alle die evangelischen Kirchen in der DDR und in der Bundesrepublik betreffenden Aufgaben mitverantwortlich bleiben, dabei trotz fehlender gemeinsamer kirchlicher Organe diese Gemeinsamkeit keineswegs spiritualisieren. Man wollte nicht organisatorisch-kirchenrechtliche, aber geistliche Gemeinschaft, diese geistliche Gemeinschaft in leiblicher Gestalt, jedoch ohne organisatorische Form. Man wollte mehr als ökumenische Gemeinschaft, aber weniger als föderative Formen.“28

Schließlich sei jedoch die Gewährleistung „kirchlicher Kommunikationsfähigkeit mit dem Staat auf gesamtkirchlicher Ebene“ zumindest „eine unter vielen Komponenten“ gewesen, die bei der Bundesgründung eine Rolle gespielt hätten.29 Am ausführlichsten hat Reinhard Henkys bereits 197030 den Weg zur Gründung eines separaten Kirchenbundes in der DDR beschrieben. Er gelangt nach einer kurzen, aber fundierten Aufarbeitung der Vorgeschichte seit der Gründung der EKD im Jahr 1948 zu der Einschätzung, dass das – wenn auch unausgesprochene – gemeinsame Handlungsmotiv der von den Kirchenleitungen in der DDR zur Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse in Ostdeutschland eingesetzten Strukturkommission der östlichen Landeskirchen und den einzelnen kirchlichen Sprechern in der DDR eben der Wunsch gewesen sei, „das Verhältnis zum Staat gemeinsam zu regeln“. Unausgesprochen deshalb, weil die evangelischen Kirchen vermeiden wollten, die „EKD-Ost-West-Einheitsfrage ins Rollen“ zu bringen. Ein Problem war die Frage der zukünftigen Gestalt der EKD, „auf deren grenzüberschreitende Gemeinschaft man sich so festgelegt hatte“.31 Doch bereits der erste Entwurf der gemeinsamen Strukturkommission vom 3. September 1969 habe offenbart, dass für eine „Parallelität von EKD und Kirchenbundstruktur […] im Grunde kein Raum“ blieb. So habe der Sinn von Art. 4 (4) darin gelegen, die geistige Verbundenheit der evangelischen Kirchen in Ost und West trotz der faktischen institutionellen Trennung festzuschreiben, und es den evangelischen Landeskirchen in der DDR zu ermöglichen, in ihrer Situation, eingebunden in das sozialistische Gesellschaftssystem, Zeugnis und Dienst der Kirche zu leben.32 28

EBD., S. 234. EBD. 30 R. HENKYS, Bund, S. 11–27. 31 EBD., S. 21f. 32 Detlef Pollack betont in einem Aufsatz, der im Jahr 1993 erschienen ist, dass die oft geäußerte Kritik, die Bundesgründung sei durch eine „von außen erzwungene Entwicklung“ zustande gekommen, falsch sei. Die Kirche habe nicht dem staatlichen Druck nachgegeben, sich in Ost und West zu trennen, sondern v. a. aus „kirchlich-seelsorgerlichen Gründen“ ihre Entscheidung getroffen. Die theologischen Überlegungen, „in den jeweiligen Verhältnissen [den christlichen Auftrag] besser erfüllen zu können“, hätten weitaus größeres Gewicht gehabt als politische Erwägungen (D. POLLACK, Umbruch, S. 55). – Henkys selbst bringt den Anteil des Staates an der Bundesgründung nochmals in einem 1993 29

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Im Rahmen eines 1974 veröffentlichen Artikels über die innere Situation der westlichen Kirchen beschreibt Hans Meier aus katholischer Sicht, wie es zur Spaltung der EKD gekommen sei. Ausgangspunkt bildet für ihn die bereits an getrennten Orten tagende EKD-Synode im April 1967, in deren Verlauf der bayerische Landesbischof Hermann Dietzfelbinger zum neuen Vorsitzenden des Rates der EKD wurde und in Ost und West „leidenschaftliche Appelle für die Einheit der Kirche über die politischen Trennungslinien hinweg“ zum Ausdruck gebracht worden seien.33 Die östlichen EKD-Synodalen hätten sich zum letzten Mal gegen die von der SED-Regierung ausgehenden „öffentlichen Angriffe und administrativen Maßnahmen gegen die Einheit der Kirche“ gewehrt, und Friedrich-Wilhelm Krummacher, Vorsitzender der Kirchlichen Ostkonferenz und Bischof der Pommerschen Kirche, habe betont, es gebe keinerlei theologische Gründe für eine Absage an die EKD. Obwohl die Synodalen in der Bundesrepublik sich ebenfalls für den kirchlichen Zusammenhalt ausgesprochen hätten, sei es dann doch zur unvermeidlichen Auseinanderentwicklung gekommen. Den ersten Schritt habe die ESG Ende 1967 mit ihrer Teilung in zwei selbständige Organisationen in der DDR und in der Bundesrepublik gemacht und erklärt, anstelle einer Vereinigung müsse nun die „Annäherung und Verständigung zwischen den beiden deutschen Staaten auf der Grundlage der gegenseitigen Anerkennung“ anvisiert werden. Allein der damals noch amtierende EKD-Ratsvorsitzende Kurt Scharf, Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, sei der „offiziellen These“ treu geblieben, die EKD strebe gleichermaßen geordnete und gleichrangige Beziehungen mit den Regierungen in Ost- und Westdeutschland an. Demgegenüber hätten nicht nur die staatlichen Organe in der DDR, sondern auch Stimmen der bundesdeutschen innerkirchlichen Opposition gefordert, die östlichen und die westlichen Kirchen jeweils ihrem politischen System zuzuordnen. Die Teilung der VELKD-Generalsynode in zwei selbständige Regionalsynoden34 und die Vorbereitungen zur Gründung eines DDR-Kirchenbundes seien trotz des kontinuierlichen verbalen Festhaltens der evangelischen Kirchen an ihrer Einheit klare Zeichen für getrennte Wege veröffentlichten Referat auf den Punkt: „Die SED hatte die Trennung der östlichen Landeskirchen von der EKD faktisch erzwungen, nicht durch politische Einflußnahme, nicht durch Unterwanderung und IM’s, sondern schlicht durch ihr Verwaltungshandeln. Für westliche EKD-Vertreter wurde die Berliner Mauer unüberwindlich. Die EKD wurde nicht verboten, aber man machte ihr das Agieren praktisch unmöglich“ (R. HENKYS : Die Evangelische Kirche in Deutschland als gesamtdeutsche Institution. In: L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ [Hg.], Kirchen, S. 78–99; hier S. 96). 33 H. MEIER, Kirchen, S. 70f. – Auch alle folgenden Zitate stammen von diesen Seiten. 34 Die 1948 gegründete Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) hatte auf ihrer Generalsynode in Freiberg (28.–30.11.1968) die Regionalisierung ihrer Organe in Ost- und Westdeutschland vollzogen und die Verselbständigung einer VELKDDR mit dem Kirchengesetz vom 1.12.1968 rechtlich verankert (vgl. KJ 1986 [95. Jg.], S. 249f.).

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gewesen. Erst mit der konstituierenden Synode in Potsdam-Hermannswerder, auf der der formelle Austritt der östlichen Kirchenglieder aus den Organen der EKD und die Auflösung ihrer Ost-Berliner Geschäftsstellen verkündet wurden, sei die „äußere Einheit der EKD“ „endgültig zu Grabe getragen“ worden. Weil die Öffentlichkeit von der Tagung ausgeschlossen wurde, bezeichnet Meier die Potsdamer Tagung als „Stille Synode“. Interessant ist sein vergleichender Blick auf den Weg der katholischen Kirche: „Weniger dramatisch und zeitlich später liegend vollzogen sich ähnliche Entwicklungen im katholischen Bereich. Die politische und gesellschaftliche Verselbständigung der beiden Teile Deutschlands – am deutlichsten im Nebeneinander zweier Synoden (1971 West, 1973 Ost) – führte hier zunächst noch nicht zu kirchenrechtlichen Folgerungen. Dem scheinbaren Zwang des von interessierter Seite vorgebrachten Satzes ‚Zwei Synoden – Zwei Bischofskonferenzen‘ konnte die Katholische Kirche in Deutschland vermöge ihrer Bindung an Rom leichter begegnen, als diese der stärker in die deutsche Gesellschaft eingelassenen Evangelischen Kirche möglich war.“

Bemerkenswerterweise lässt Meier bei seiner Schilderung der Vorgänge innerhalb der evangelischen Kirchen das mit Art. 4 (4) der Bundesordnung fixierte Festhalten an der „besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“ unerwähnt. In dem von Henkys herausgegebenen Sammelband über die Evangelischen Kirchen in der DDR 35 kommt der Herausgeber zu keiner anderen – scharfsinnigen und nach wie vor zutreffenden – Einschätzung als über zehn Jahre zuvor, was die Gründung des BEK betrifft. Zu den Problemen, die sich speziell aus Art. 4 (4) nach der Bundesgründung ergaben, schreibt Henkys: „Die Kirchenbundgründung brachte die DDR-Führung in die Zwickmühle. Einerseits war nunmehr erreicht, was lange Zeit gefordert worden war. Auf der anderen Seite war die Parteinahme nicht erfolgt und der Art. 4, 4 nährte das Mißtrauen, dass der Kirchenbund sich der Fremdbestimmung durch die westlichen Kirchen unterwerfen könnte.“36

Aus dieser für die SED ambivalenten Lage37 erkläre sich auch, warum es fast zwei Jahre gedauert habe, bis die Regierung der DDR davon abgerückt sei, sich einzelne kirchliche Gesprächspartner auszuwählen, von denen sie sich die größte Kooperationsbereitschaft im Sinne staatlicher Kirchenpolitik erhoffte, und den Bund offiziell anerkannte. Erst angesichts des kurz bevorstehenden Wechsels 35

R. HENKYS (Hg.), Kirchen. EBD., S. 36. 37 So hatte die SED zwar auf eine Spaltung der EKD hingearbeitet, jedoch keinen DDR-Kirchenbund gewollt, sondern hätte es prinzipiell bevorzugt, mit einzelnen Landeskirchen zu verhandeln und damit ihre „Differenzierungspolitik“ zu verfolgen. 36

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in der Führungsspitze von Walter Ulbricht zu Erich Honecker und der sich allmählich entspannenden welt- und deutschlandpolitischen Lage sei diese vage Institutionalisierung der Staat-Kirche-Beziehungen in den Bereich des Möglichen gerückt. Die Staats- und Parteiführung habe nunmehr ein sachlicheres Verhältnis zugelassen, vor allem durch die Akzeptanz vom Kirchenbund selbst bestimmter Gesprächs- und Verhandlungspartner. Sogar die Pflege der „besonderen Gemeinschaft“ der beiden Kirchenbünde und die damit verbundenen partnerschaftlichen Beziehungen auf vielen Ebenen werde zugelassen. Allerdings immer und nur unter der Voraussetzung, dass der DDR-Kirchenbund seine Unabhängigkeit und Eigenständigkeit von der EKD unter Beweis stelle, indem er sich entsprechend der staatlichen Erwartungshaltung im umfassenden Sinne als „Kirche im Sozialismus“38 präsentiere. In den Lebenserinnerungen von Johannes Jänicke, 1955 bis zu seinem Ruhestand 1968 Bischof der Kirchenprovinz Sachsen, werden die Bundesgründung oder ihre Vorgeschichte nicht erwähnt. Jedoch berichtet Jänicke über das bereits nach dem Mauerbau erheblich schwierige Verhältnis zwischen den Kirchen in Ost und West: „Bis 1961 konnten wir als eine Kirche in West und Ost noch gemeinsam tagen. Nach Errichtung der Mauer wurde zwar der Anspruch noch aufrechterhalten, dass wir eine Synode seien, die in getrennten Sessionen zu tagen gezwungen sei, und es wurden grundsätzlich nur gleichlautende Beschlüsse in Ost und West gefaßt. Aber dazu war natürlich während der Tagung eine laufende Kommunikation zwischen beiden Sessionen nötig. Das wurde mit der Zeit immer schwieriger, und – unbeschadet der geistlichen Einheit – erwies sich die organisatorische Einheit je länger je mehr als eine Fiktion.39

Bereits vor dem Mauerbau sei die organisatorische Einheit der evangelischen Kirchen „immer fragwürdiger“40 geworden, wie Jänicke am Beispiel der bewegten Beratungen zwischen Kirchenvertretern aus dem östlichen und dem westlichen Deutschland über das Pfarrerdienstrecht der Evangelischen Kirche der Union (EKU) verdeutlicht. Die Kontakte zu den Glied- bzw. Patenkirchen im Westteil hingegen seien auch unter den komplizierten Bedingungen nach dem 13. August 1961 zwar nicht frei von Spannungen, aber hilfreich und verständnisvoll gewesen. Auch wenn er die Bedeutung der sozialistischen Verfassung als Auslöser der organisatorischen Teilung der EKD ansieht, erkennt Curt-Jürgen HeinemannGrüder in dem Kapitel „Der Zerbruch der EKD-Einheit durch Einwilligung in die Wiederbewaffnung im Militärseelsorgevertrag und die Bundesbildung 1958 38

Zum Begriff „Kirche im Sozialismus“ vgl. z. B. E. JÜNGEL, Kirche, v. a. S. 316–329. J. JÄNICKE, Ich, S. 182. Hervorhebung im Original. 40 EBD., S. 185. 39

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und 1969“ seines 1988 erschienenen Buches41 zutreffend eine schwerwiegende Traditionslinie zwischen dem Militärseelsorgevertrag und der Bundesgründung, und setzt damit zu recht einen anderen Akzent, als es gemeinhin in der einschlägigen Literatur der Fall ist. Die Bundesgründung sei insofern „etwas überraschend“ gekommen, als noch zwei Jahre zuvor die gleichzeitig in Fürstenwalde/ Spree und Berlin-Spandau tagende EKD-Synode „aus Gründen des Glaubensgehorsams gegen den Herrn der Kirche“ ihre Verpflichtung betont habe, „an der Einheit der Evangelischen Kirche in Deutschland gerade wegen der Teilung des Volkes durch den System-Gegensatz beider deutscher Staaten und wegen des Dienstes an den Menschen festzuhalten“. Auch die Entscheidung der DDR-Kirchen, „Kirche nicht gegen oder neben, sondern in der sozialistischen Gesellschaft sein zu wollen“, sei unter Berufung auf den „Glaubensgehorsam“ getroffen worden.42 Damit stünden diese zwei in ihrer Konsequenz völlig unterschiedlichen Formen des Glaubensgehorsams von 1967 und 1969 nebeneinander, wenn nicht sogar gegeneinander. Die lange vor Fürstenwalde u. a. von Helmut Gollwitzer, Kurt Scharf und Martin Niemöller so bezeichnete „Brückenfunktion“ der EKD sei durch den Abschluss des Militärseelsorgevertrags 1957, aus dem die östlichen Gliedkirchen im Zuge der EKD-Synoden in Berlin-Weißensee und Berlin-Spandau (26.–30.4.1958) ausschieden, stark gefährdet worden43 und habe diesem Druck letztlich nicht standhalten können. Die staatliche Sicht auf den innerkirchlichen Denkprozess bis zur Bundesgründung, die damit verknüpfte laufende Bewertung der Entwicklung und die politischen Steuerungsversuche werden in einer Qualifikationsarbeit von Horst Dohle44 dokumentiert. Von 1947 bis 1968 habe die evangelische Kirche sich [!] als „Störfaktor“ für die „neue sozialistische Entwicklung“ verstanden. Es sei die primäre Aufgabe der staatlichen Organe gewesen, den Störungen der Kirche entgegenzuwirken. Eine für die SED „scheinbar gegensätzliche Erfahrung“ sei das in diesen Jahrzehnten unter den meisten Christen zu beobachtende „Verantwortungsbewußtsein“, die „Disziplin und Leistungsbereitschaft“ bei der Mitgestaltung der sozialistischen DDR-Gesellschaft gewesen, „freilich weithin ohne

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C.-J. HEINEMANN-GRÜDER, Pfarrer, S. 86–113. EBD., S. 85. 43 Generalsuperintendent Günter Jacob hatte auf der sog. Atomsynode diese Entscheidung verkündet. Der Vertrag sei für die östlichen Gemeindeglieder untragbar geworden. 44 H. DOHLE, Grundzüge, v. a. S. 46–66. – Der Quellenwert dieser Untersuchung ist insofern hoch einzuschätzen, als sich Dohle durch seine mehr als zwanzigjährige kirchenpolitische Tätigkeit auf verschiedenen Ebenen Erfahrung und Kompetenz angeeignet hat und seine Arbeit nur für ein ausgesuchtes SED-Publikum zugänglich war. Auf der anderen Seite dürfen die Erwartungen an das kritische Potential einer Promotionsschrift B der ZK-Akademie für Gesellschaftswissenschaften nicht allzu euphorisch sein. 42

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kirchenamtliche Ermutigung oder Bestätigung“.45 Ende der fünfziger Jahre habe sich eine „Tendenzwende“ abgezeichnet. Der damals einsetzende innerkirchliche Denkprozess über die Positionierung der Christen und der Kirche in der sozialistischen Gesellschaft sei ein Beweis für die Richtigkeit des staatlichen „kirchenpolitischen Konzepts“ und wurde dementsprechend von der SED als „Lernprozeß“ bezeichnet.46 Dohle bewertet die Diskussion um die neue DDR-Verfassung und den „Volksentscheid“ 1967/1968 als „günstige Voraussetzungen“ zur Verwirklichung der Zielsetzung der SED gegenüber der evangelischen Kirche, besagten Lernprozess zu einem im Sinne der staatlichen Kirchenpolitik konstruktiven Abschluss zu bringen: Die EKD in ihrer Gesamtheit sollte die „politischen Tatsachen“, demnach das Bestehen zweier souveräner deutscher Staaten, anerkennen. Die SED habe eine „organisatorisch-juristische Verselbständigung“ der auf dem Gebiet der DDR ansässigen Gliedkirchen, deren Trennung von der EKD und ein eindeutiges Bekenntnis zur DDR angestrebt.47 Denn nur auf diesem Wege konnte auch das außenpolitische Hauptinteresse der SED-Regierung verwirklicht werden: die völkerrechtliche Anerkennung der DDR. Dohle beschreibt die hoffnungsvolle Erleichterung, mit der die SED die Arbeit der Struktur- und der Verhandlungskommission zur Bildung eines eigenen DDR-Kirchenbundes betrachtete. Allerdings sei der erste Entwurf der Bundesordnung für die SED aufgrund des darin enthaltenen Art. 4 (4) „völlig unannehmbar“ gewesen und insgesamt allenfalls „Teilerfolge“ auszumachen. Den Wunsch, den die EKDMitglieder aus der DDR auf ihrer Informationstagung in Halle48 an den Rat der EKD gerichtet hätten, nämlich im Zuge der Bundesgründung zu überlegen, wie die Gemeinschaft der EKD dennoch erhalten bleiben könne, bezeichnet Dohle als „unsinnige Empfehlung – etwas zu ändern, ohne etwas zu ändern“. Verstärkt werde dieser Eindruck durch die Erläuterungen der Strukturkommission zum 1. Entwurf, in dem bekräftigt wurde, dass die Bindungen mit den westdeutschen Kirchen „so weit wie möglich festzuhalten und auszudrücken“ seien.49 45

Dohle schreibt an dieser Stelle weiter: „Immerhin bedeutete dies, dass bis Ende der 60er Jahre der reale Sozialismus in der DDR von Bürgern errichtet wurde, die zu über 60 Prozent einer Kirche angehörten“ (EBD., S. 18). 46 EBD. 47 Als Hindernis für eine positive Einstellung der Kirchenvertreter zur DDR wurde berechtigterweise die Okkupation der ČSSR durch fünf Warschauer Pakt-Staaten am 21.8.1968 gesehen. Die SED hatte die „gefährlichen Reaktionen der DDR-Kirchen“ durchaus zur Kenntnis genommen (EBD., S. 50). 48 Diese Tagung fand vom 2.–4.10.1968 für die EKD-Mitglieder mit Wohnsitz in der DDR statt. 49 H. DOHLE, Grundzüge, S. 49. Als „Teilerfolge“ wurde innerhalb des Staats- und Parteiapparats die Umbenennung der „Schlesischen Kirche“ in Görlitzer Kirche und der „Pommerschen Kirche“ in Greifswalder Landeskirche sowie der EKD-Kirchenkanzlei in Ost-Berlin in „Evangelische Kirchenkanzlei“ gesehen. Auch die Wahl des mecklenburgischen Landesbischofs N. Beste zum Nachfolger F.-W. Krummachers als Vorsitzender der KKL war für die SED ein Schritt in die richtige Richtung. Einschränkend

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Angesichts der Schwierigkeiten, den Prozess der Gründung des BEK nach ihren Vorstellungen zu beeinflussen, verlegte die SED ihre Strategie von einer „administrativ-juristischen Schwerpunktbildung“ auf die „politisch-ideologische“, durchzusetzen von den für Kirchenfragen zuständigen staatlichen und Parteiorganen sowie CDU, Nationaler Front, Bund Evangelischer Pfarrer und „progressiven kirchlichen Gruppierungen“. Dohle bewertet dies in der dem Staat häufig eigenen Verklärung der Tatsachen als „Flexibilität des Herangehens“.50 Helmut Zander hat in seiner vergleichenden Untersuchung von 1989 über die Friedensbewegungen in beiden deutschen Staaten ein Unterkapitel den politischen Implikationen der „besonderen Gemeinschaft“ gewidmet, die er als „Fundament“ der beiderseitigen Beziehungen bezeichnet. Nach der knappen Darstellung der praktizierten geistlichen Gemeinschaft und dem Netzwerk von Kontakten „von der kirchlichen Basis bis in die Führungsgremien in Ost und West“ zeigt der Autor die Probleme auf, die sich grundsätzlich im Umgang der Kirchenvertreter miteinander in deutsch-deutschen Gremien ergaben. So habe sich die „besondere Gemeinschaft“ für die Kirchenbünde aus der Akzeptanz der „grundlegenden Unterschiede“ bestimmt, die aus der jeweiligen Einbindung in verschiedene Gesellschaftssysteme resultierten. Eigenständiges politisches Verhalten sei nicht nur gegenüber der Bundesrepublik und der DDR, sondern auch im Blick auf die eigene „Schwesterkirche (und deren politische Bindungen)“ verlangt worden, so dass die Debatten um Sachfragen „leicht als Einmischung in die politische Meinungsbildung der Schwesterkirche gesehen und schnell mit der Systemfrage belastet“ worden seien. Die gemeinsam von beiden Kirchen wahrgenommene Friedensverantwortung sei ein Bereich gewesen, in dem sich belastende Sachdiskussionen nicht hätten vermeiden lassen. Zander konstatiert zutreffend, die Friedensfrage habe somit eine katalytische Funktion gehabt und zu Tage gebracht, „wieweit sich die Kirchen durch Systembindung auseinanderentwickelt hatten“. Ende der achtziger Jahre sei die Lösung des DDR-Kirchenbundes von den Westbindungen verstärkt worden durch die „zunehmende (und staatlich geförderte) Orientierung“ des BEK auf die osteuropäische Ökumene.51 Modellhaft seien die Beziehungen zwischen den beiden protestantischen Kirchen in Deutschland insofern gewesen, als sie versucht hätten, ihre „Konzeption schreibt Dohle: „Aber diese Schritte hatten etwas Kosmetisches im Verhältnis zur […] Grundordnung der EKD“ (EBD.). Als bedeutender schätzte Dohle die Trennung der ESG in West und Ost (1967) sowie die Verselbständigung der drei lutherischen Landeskirchen Sachsen, Thüringen und Mecklenburg zur VELKDDR (1968) ein. 50 H. DOHLE, Grundzüge, S. 60f. – Interessant ist selbstverständlich die gesamte Darstellung Dohles über die SED-Kirchenpolitik bis inklusive des Staat-Kirche-Spitzengesprächs am 6.3.1978. Sie kann jedoch im Rahmen dieses Überblicks über die Forschungsliteratur nicht weiter skizziert werden. 51 H. Z ANDER, Christen, S. 330f., 332, 333.

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einer geeinten deutschen evangelischen Kirche fallenzulassen, ohne zugleich die Bereiche ‚besonderer Gemeinschaft‘ preiszugeben“ und an der Nahtstelle der Weltsysteme „Brücke und Grenze zugleich“ zu sein. In einer Zusammenfassung gelangt Zander (im April 1989) im Blick auf die Praktizierung der „besonderen Gemeinschaft“ zu der Einschätzung, dass diese eine recht stabile Basis dargestellt habe, an der beide Kirchen unbeirrbar festgehalten hätten. Doch seien die Auswirkungen der „Bedingungen und die Grenzen der Systembindung“ um so deutlicher zu spüren gewesen, „je mehr Entscheidungen in tagespolitischen Auseinandersetzungen gefällt wurden“. Dies sei noch befördert worden durch die Tendenz von Bund und EKD, sich vergleichsweise rasch mit der DDR beziehungsweise der Bundesrepublik „zu arrangieren“. Die in beidseitiger Verantwortung publizierten Stellungnahmen zur Friedensthematik hätten auf eindrucksvolle Weise erwiesen, „wie schmal der Konsens bei diesen (im deutsch-deutschen Verhältnis einzigartigen!) Verlautbarungen war. Deshalb wird vermutlich der Bestand an gemeinsam vertretenen Positionen weiter schrumpfen.“52 Im März 1990 erschien ein Aufsatz des langjährigen Bischofs der Kirchenprovinz Sachsen, Werner Krusche, zum Weg der evangelischen Kirchen in der DDR, in dem der Autor bereits mit dem Titel „Kritische Solidarität“ seine Sichtweise andeutet. Krusche sieht in der rechtlichen und organisatorischen Verselbständigung der Landeskirchen in der DDR von der Gesamt-EKD und der Bundesgründung 1969 eine „entscheidende Zäsur“ und weist darauf hin, dass von den DDR-Kirchenvertretern niemals die impulsgebenden „staatlichen Nötigungen“ „bestritten“ worden seien. Selbstverständlich habe auch die katholische Kirche der durch die neue sozialistische Verfassung unwiederbringlich konsolidierten Situation, in der gesamtkirchliches Handeln nach DDR-Recht illegal geworden war, Rechnung tragen müssen. Die Äußerungen des Magdeburger Bischofs lassen eine Art von Konkurrenzverhältnis zwischen katholischer und evangelischer Kirche erkennen, in das beide Großkirchen nach der Wende vor allem durch die Bewertung ihrer jeweiligen Rolle in der DDR durch Medien, Forschung und kirchliche Selbstdarstellung gerieten: Wurden die Protestanten unmittelbar nach dem Untergang der DDR als Protagonisten eines friedlichen Umsturzes gelobt, der katholischen Kirche hingegen ihre passive „Überwinterungshaltung“ vorgeworfen, kamen später zunehmend kritische Stimmen auf, die die evangelische Kirche für ein zu starkes Anschmiegen an die SED verurteilten, den Katholiken aber nun zugute hielten, mit ihrer Zurückhaltung ihre „Weltkirche“ vor Beschädigungen durch staatliche Eingriffe bewahrt zu haben. Krusche kommt zu einer Gesamteinschätzung, mit der er nicht nur den Kirchenbund und seine Protagonisten von jeglichem Rechtfertigungszwang entbindet, sondern sogar 52

EBD., S. 367f., 370.

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der praktischen Verwirklichung der „besonderen Gemeinschaft“ zwischen Bund und EKD die Bestnote verleiht: „Ich denke, dass wir an diesem Punkte einander nicht viel vorzuwerfen haben. […] Die evangelischen Kirchen in der DDR hätten dann das Evangelium von der Grenzen überwindenden Kraft der Versöhnung verleugnet, wenn sie der massiven Aufforderung des Staates und seiner kirchenpolitischen Hilfstruppen – besonders der CDU – nachgegeben hätten, sich von der EKD als einer NATO-Kirche loszusagen. Aber genau das haben sie nicht getan. Sie haben sich nicht in den politisch-ideologischen Antagonismus hineinziehen lassen, sondern haben in der Grundordnung des neuen Kirchenbundes einen Artikel von der ‚besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland‘ aufgenommen, in dem von gemeinsamen Aufgaben gesprochen ist [sic], die alle evangelischen Kirchen in der DDR und der Bundesrepublik betreffen und in partnerschaftlicher Freiheit von ihren Organen wahrgenommen werden sollen. Es sollte also nicht nur eine Gemeinschaft im Geist sein, sondern sie sollte auch bestimmte institutionelle Möglichkeiten einschließen. Es hat in den vergangenen 20 Jahren eine Fülle institutionalisierter und improvisierter Formen der Information, Konsultation, Cooperation [sic], ein Geflecht von Beziehungen und lebendigen Begegnungen gegeben, so dass hier geradezu modellhaft praktiziert worden ist, wie Zusammengehörigkeit und Gemeinschaft auch ohne organisatorische Einheit gelebt werden kann. Und modellhaft vielleicht auch dies, dass die finanzielle und materielle Hilfe von Seiten der EKD niemals an Bedingungen oder Erwartungen geknüpft oder zu bestimmten Einflußnahmen mißbraucht worden ist, was ja – wie wir es jetzt erleben – alles andere als selbstverständlich ist. ‚Wir sind über die künstliche Grenze hinweg zusammengeblieben‘, hat Kardinal Meisner in dem erwähnten Interview gesagt. Wir auch.“53

Der ehemalige Hauptgeschäftsführer der Abteilung „Nothilfe“ im Evangelischen Hilfswerk der EKD und Bevollmächtigte der westdeutschen Landeskirchen bei der DDR-Regierung hat in seinen Erinnerungen an die Zeit als „Unterhändler der Menschlichkeit“ die Bundesgründung thematisiert, zumal die politischen Spannungen zwischen den beiden Staaten sich auf die Kirchen und damit auch auf die Transfergeschäfte auswirkten, mit der die EKD die östlichen Gliedkirchen unterstützte. Die „gleichermaßen entschiedene und eindrucksvolle Erklärung“ von Fürstenwalde, mit der die Kirchen ihre „Unzertrennbarkeit“ bekräftigten, habe den – vor allem durch die neue DDR-Verfassung beschleunigten – Prozess der kirchlichen Auseinanderentwicklung nicht aufhalten können. Die Verhandlungen des im Juni 1968 eingesetzten Strukturausschusses und der Kirchenleitungen hätten zwar gezeigt, dass die Einheit der EKD nur schweren Herzens und im Blick auf die Tatsache aufgegeben worden sei, dass eine langfristige Lähmung der Landeskirchen in der DDR nicht verantwortet werden könne. Zudem sei deutlich geworden, dass das Festhalten an der Gesamt-EKD eine „in53

W. K RUSCHE, Solidarität, S. 2f.

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terne Zersplitterung“ zur Folge haben könnte. Nach Bekanntwerden der Ordnung des eigenen DDR-Kirchenbundes sei vor allem der umstrittene Art. 4 (4) zur „besonderen Gemeinschaft“ Auslöser für einen „wiederauflebenden Kirchenkampf“ gewesen, der für den um eine Interpretation in seinem Sinne ringenden SED-Staat der Grund gewesen sei, die Anerkennung des BEK eineinhalb Jahre lang zu verzögern. Ludwig Geissel konstatiert, dass aus Art. 4 (4) für die EKD die Verpflichtung erwachsen sei, „die Bruderkirchen in der DDR auch weiterhin finanziell und materiell zu unterstützen“, was mit einer Übernahme von etwa 40% des Haushalts des BEK in erheblichem Maße erfolgte. Dies habe mit sich gebracht, dass die Kirchen in der DDR nicht gezwungen gewesen seien, „die möglichen Folgen einer unter anderen Bedingungen gewonnenen Selbständigkeit zu überdenken“. Mit diesem dezent kritischen Unterton beurteilt Geissel auch die innenpolitische Neuorientierung, die der DDR-Kirchenbund gerade in der aus seiner Sicht unglücklichen Formel „Kirche im Sozialismus“ gebündelt habe, die er als Ergebnis einer „unausgegorenen theologischen Reflexion“ bezeichnet. Denn so hätten sich die Kirchen nicht nur dem Staat geöffnet, sondern eine gewisse Bereitschaft zum Einlassen auf die von der SED „propagierten sozialistischen Zielvorstellungen“ angedeutet. Der in erster Linie von Kirchenleitenden eingeschlagene Weg zwischen völliger Anpassung und konsequenter Verweigerung sei in den Gemeinden auf wenig Gegenliebe gestoßen. Abgesehen von seiner Einschätzung, die immer wieder geführten Debatten um das in der Praxis stets schwammig gebliebene Konzept einer „Kirche im Sozialismus“ seien letztlich überflüssig gewesen, kommt Geissel zu einem gerade in Anbetracht seiner beruflichen Tätigkeit überraschendem Urteil: „Darüber hinaus hielt ich es für höchst zweifelhaft, ob eine Kirche überhaupt an dieser Form des ‚real existierenden Sozialismus‘ mitarbeiten sollte, um so zum mitverantwortlichen Träger dieses Systems und seiner ökonomischen und politischen Fehlentwicklungen zu werden.“54 Doch betont er in seinem Selbstverständnis als „Unterhändler der Menschlichkeit“ auch kontinuierlich die Zielrichtung dieses Aspekts der „besonderen Gemeinschaft“, den einzelnen Christenmenschen in der DDR.55 54

L. GEISSEL, Unterhändler, S. 360–383; hier S. 361, 363, 367, 379, 380, 382. In einem am 29. September 2000 im R HEINISCHEN MERKUR erschienenen Artikel kommt Geissel zu einem milderen Urteil als in seinem Erinnerungsband. An der grenzübergreifenden Gemeinschaft der evangelischen Kirchen sei über vierzig Jahre hinweg festgehalten worden. Art. 4 (4) bezeichnet Geissel sogar als „kirchliche Vorwegnahme der wenig später von der Bundesregierung Brandt/Scheel vertretenen These vom deutsch-deutschen Sonderverhältnis“. Dass kritische Einwände gegen die zunehmend sich verfestigende Selbständigkeit der evangelischen Kirchen in der DDR immer seltener vorgebracht wurden, führt Geissel v. a. darauf zurück, dass die „besondere Gemeinschaft“ zwischen den deutschen Kirchen „von beiden Seiten mit Leben gefüllt“ worden sei. Zusammenfassend kommt der Autor auch zehn Jahre nach der kirchlichen und staatlichen Vereinigung zu dem unveränderten Schluss, dass die Gründung des DDR-Kirchenbundes im Jahr 1969 „unvermeidlich und geboten“ war, 55

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Gerhard Besier und Stephan Wolf beschreiben in ihrer Dokumentensammlung „Pfarrer, Christen und Katholiken“ (1. Auflage 1991) die Veränderung des Staat-Kirche-Verhältnisses mit dem Mauerbau 1961. Einerseits habe sich die evangelische Kirche vom Westen isoliert gesehen, auf der anderen Seite in „vielen Bereichen ein hohes Maß an Selbständigkeit“ erlangt. Es war davon auszugehen, dass der SED-Staat fortdauern würde; gleichzeitig hätten die „Vorbehalte der SED nicht mehr der Gesamtkirche, sondern nur noch den ‚negativen Kräften‘ in ihr, also den Christen, die sich in der DDR nicht einrichten wollten bzw. weiterhin öffentlich Kritik an dem System übten“, gegolten.56 Zur organisatorischen Trennung der Kirchen schreiben Besier/Wolf, dass die SED die 1967 von den EKD-Synodalen Fürstenwalde und Berlin (West) gleichermaßen bejahte Entscheidung, an der kirchlichen Einheit festzuhalten, zum Anlass genommen habe, „die EKD aus der DDR auszuschließen“. Mit diesem Ziel seien auch die die Kirchen betreffenden Artikel im Anfang 1968 veröffentlichten Verfassungsentwurf formuliert worden.57 In der Tat war durch die sozialistische Verfassung der DDR 1968 eine staatskirchenrechtliche Situation entstanden, die aus der Sicht der DDR-Regierung aus kirchlichen Vertretern beider deutscher Staaten zusammengesetzte Leitungsorgane nicht mehr zuließ. Um zu verhindern, dass von nun an die einzelnen Landeskirchen Gesprächspartner der Regierung sein würden, so Besier/Wolf weiter, war die Gründung eines ostdeutschen evangelischen Kirchenbundes zwingend und wurde rasch vorangetrieben. Die entsprechende Bundesordnung sei innerkirchlich als auch von Seiten des Staates als „Kompromiß“ erlebt worden.58 Erhalten blieb also die in Art. 4 (4) festgeschriebene „besondere Gemeinschaft“ der Kirchenbünde und der einzelnen Landeskirchen (Partnerschaften) auf regionaler Ebene, gegen deren Festschreibung in der Bundesordnung sich der Staat erfolglos gewehrt hatte. Die Kirche habe versucht, den Ablösungsprozess von der EKD zu rechtfertigen, indem „auch theologische Gründe für den politisch erzwungenen Schritt“ angegeben worden seien. Damit meinen Besier/Wolf Albrecht Schönherrs während der 3. Tagung der 1. Synode ausgesprochene Standortbestimmung:

um die Eigenständigkeit kirchlicher Arbeit überhaupt und ihre spezielle Tätigkeit „in der Seelsorge, in der Mission und in der Diakonie“ ausüben zu können (L. GEISSEL, Kampf). 56 G. BESIER /S. WOLF (Hg.), Pfarrer, S. 17. – Dieser Einschätzung kann allenfalls dann zugestimmt werden, wenn die Herausgeber damit lediglich darauf hinweisen wollen, dass die SED nicht mehr davon ausging, „Kirche“ als bürgerliches Relikt müsse sich im Zuge der Entwicklung zum reiferen Sozialismus von selbst auflösen. 57 EBD., S. 19f. 58 G. BESIER /S. WOLF (Hg.), Pfarrer, S. 20.

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„Eine Zeugnis- und Dienstgemeinschaft von Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik wird ihren Ort genau zu bedenken haben: in dieser so geprägten Gesellschaft, nicht neben ihr, nicht gegen sie.“

Diese Interpretation sei im Zusammenhang mit der angeblich von Mitzenheim stammenden Formel „Kirche im Sozialismus“ Anlass für zahlreiche Deutungen und Mißdeutungen geworden.59 Tatsächlich blieb sie bis zum Ende der DDR eine je nach Intention der sie zitierenden Personen in viele Richtungen biegsame Beschwörungsformel. Im Gegensatz zu Besier/Wolf spricht Horst Dähn in positiver Wertung von den Versuchen der evangelischen Kirche, an der „gesellschaftlichen Mitverantwortung“ trotz der erschwerten Arbeitsbedingungen durch Mauerbau und Abgrenzung der DDR festzuhalten. Die Einrichtung der Baueinheiten „auf Drängen“ der Kirche bezeichnet Dähn als „zumindest partiellen Erfolg“ der evangelischen Kirche „gerade auf dem politisch höchst sensiblen Sektor der DDR-Militärpolitik“60, die ihr gesellschaftlich-politisches Engagement beweise. Er schreibt weiter: „An dieser gesellschaftlichen Mitverantwortung hielten die evangelischen Landeskirchen auch dann fest, als sie sich am Ausgang der sechziger Jahre vor die Notwendigkeit gestellt sahen, ihre organisatorischen Bindungen zu den westlichen Gliedkirchen der EKD aufzugeben und sich im Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR zusammenschlossen – einem Kirchenbund, der in seiner Grundordnung ausdrücklich die geistliche, die ‚besondere Gemeinschaft‘ mit der EKD betonte (Artikel 4, 4). Wenn der Kirchenbund auf seiner Eisenacher Synode 1971 den gesellschaftlichen Standort der Kirche in der DDR-Gesellschaft als ‚Kirche im Sozialismus‘ beschrieb, so bedeutete das nicht eine Parteinahme für den realen Sozialismus, sondern eine Benennung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen kirchliches Handeln sich vollzog. Daß diese Standortbestimmung, die die katholische Kirche nicht vornahm, mehrdeutigen, mißverständlichen Interpretationen (sei es auf seiten der Machtelite in Partei und Staat, sei es auf seiten einzelner Gruppierungen im DDR-Protestantismus) zugängig war, ist nicht zu bezweifeln.“61

Dähn vertritt die Ansicht, dass die Formel „Kirche im Sozialismus“ (die Werner Leich erst 1989 – als KKL-Vorsitzender – in „Kirche in der DDR“ umzubenennen vorschlug) der Kirche trotz ihrer Mißverständlichkeit ein gewisses Maß an Stabilität und Konsolidierung verliehen hat, die es u. a. ermöglichte, nicht nur das Positive der DDR-Gesellschaft anzusprechen, sondern sich auch zu Defiziten

59 EBD., S. 22. – Vgl. dazu R. von WEDELs gänzlich andere Sicht und seine kritische Beurteilung v. a. Besiers in: Kirchenanwalt, S. 132–147. 60 H. DÄHN (Hg.), Rolle, S. 14. 61 EBD., S. 14f.

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in der Gesellschaft (Bildung/Erziehung) zu äußern, „ohne sofort einer sozialismusfeindlichen Haltung bezichtigt zu werden“62 . 1996 ist eine Untersuchung erschienen, die nach der Bedeutung fragt, die die noch ungeteilte EKD bis zur Formierung der sozial-liberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt im Jahr 1969 für die „Neuformulierung der Ost- und Deutschlandpolitik“ hatte. Auf der Basis zahlreicher Interviews mit EKD-Vertretern, Politikern und anderen Zeitzeugen, zumeist aus Privatbesitz stammenden unveröffentlichten Quellen und der bereits publizierten Forschungsliteratur beschreibt Thomas E. Heck in vier Kapiteln den rechtlichen Status, den Stellenwert der EKD als gesamtdeutsche Institution sowie die unterschiedlichen Positionen, die sie beispielsweise zur deutschen Frage, zum Ost-West-Konflikt und zur Friedensfrage eingenommen hat. Im Rahmen dieser Situations- und Funktionsbestimmung versucht der Autor, Rückschlüsse auf die Beteiligung der EKD am politischen Meinungsbildungsprozess zu ziehen. Heck charakterisiert die evangelische Kirche als „meinungsbildende pressure group, die in Fragen des allgemeinen öffentlichen Interesses“ ihren Öffentlichkeitsauftrag in Anspruch genommen habe. Im letzten Abschnitt umreißt er die Bemühungen, die die EKD zwischen 1965 und der Kirchenbundgründung in der DDR 1969 einerseits auf die Wahrung ihrer Einheit und andererseits auf die deutsche Frage und die Friedensfrage im europäischen Kontext konzentrierte. Dabei sei das „Ende der EKD als gesamtdeutsche Organisation“ das langfristige Resultat „mehrerer zusammenwirkender Faktoren“, wie dem zunehmenden Druck des SED-Staates und der damit verbundenen wachsenden Behinderung gesamtkirchlichen Handelns, und nicht mehr abzuwenden gewesen, sofern die ostdeutschen Gliedkirchen ihre (organisatorische) Lebens- und (kirchliche) Handlungsfähigkeit nicht verlieren wollten – auch wenn die evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik die Aufspaltung nur ungern und zögerlich akzeptierten. „Die westdeutschen Gliedkirchen schließlich konnten die gesamtdeutsche Organisation in dem Maße leichter aufgeben, in dem sie das östliche Bedürfnis nach einer selbständigen Kirchengemeinschaft anerkannten und dennoch die Substanz der geistlichen Gemeinschaft gewahrt sahen. Es mag tragisch erscheinen, daß die EKD zu eben jenem Zeitpunkt ihre gesamtdeutsche Einheit aufgeben mußte, als die politische Situation sich vom Gegeneinander des Kalten Krieges hin zum geregelten Nebeneinander der innerdeutschen Entspannung zu entwickeln begann. Doch hätte die SED-Führung angesichts der permanenten innerdeutschen Schwäche der DDR das Fortbestehen einer gesamtdeutschen Kirche auch in der Phase der Entspannungspolitik kaum zugelassen.“

Der Verfasser konstatiert ferner, dass die kirchlichen Gruppen und Initiativen ohne eine selbständige kirchliche Organisation in der DDR schwerlich imstande 62

EBD., S. 15.

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gewesen seien, „im Vorfeld und in der Phase des akuten Zusammenbruchs der DDR ihre Rolle als wichtigster Faktor der innenpolitischen Opposition wahrzunehmen“. So bezeichnet er die organisatorisch-rechtliche Teilung der EKD und die Herausbildung der Gliedkirchen in der DDR als „Kirche im Sozialismus“ als Preis, den die evangelischen Kirchen sowohl für die Entkrampfung der StaatKirche-Beziehungen in der DDR als auch für die Entspannung zwischen beiden deutschen Staaten hätten zahlen müssen.63 In seinem Buch „Vergebung oder Weißwäscherei“ führt Ehrhart Neubert einige Motive für die Spaltung der EKD an. Während der SED-Staat auf diese Weise die evangelische Kirche in der DDR in seine Abgrenzungspolitik gegenüber der Bundesrepublik habe einbeziehen wollen, mußten die evangelischen Landeskirchen in der DDR „in den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen wieder handlungsfähig“ werden: „Die Ostkirchen haben auch in diesem Fall eigenständig gehandelt, die ‚besondere Gemeinschaft‘ mit den westlichen Schwesterkirchen bewahrt und entgegen den Erwartungen der SED und ihrer konspirativ und offen agierenden Hilfswilligen sich nicht vereinzeln lassen.“64

Neubert beschreibt einige Jahre später die Vorgeschichte der Bundesgründung als „Widerstand gegen die Kirchenspaltung“. Die SED habe nach dem Mauerbau das „Kirchenproblem“ lösen wollen, indem sie eine „Zwei-Staaten-Doktrin“ durchzusetzen versuchte und damit eine „Neutralisierung“ der Kirchen erreichen wollte.65 Der damalige Staatssekretär für Kirchenfragen sagte 1968 auf einer internen Beratung: „Gesamtdeutsche Kirchenaktivität bedeutet objektiv, die Kirchen in der DDR so in die Hand zu bekommen, dass sie gegebenenfalls als 5. Kolonne gegen den sozialistischen Staat wirksam werden können, im allgemeinen aber auch als ein latentes Unruhe-Zentrum mit dem Charakter einer politischen Opposition. […] Dort, wo aus der Respektierung des Aufbaus des Sozialismus die aktive Mitarbeit an der Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft wird, wo die Kirche sich auf ihre Aufgaben beschränkt und ihre Forderung nach der Ausübung eines Wächteramtes aufgibt, dort gibt es auch, wie die Praxis erweist, keine Konflikte.“66 63 T. E. HECK, EKD, S. 12, 245. Vgl. v. a. die ebenso instruktive wie prägnante Darstellung von der EKD-Synode in Berlin-Spandau und Fürstenwalde/Spree 1967 bis zur Gründung des BEK, S. 232–245. 64 E. NEUBERT, Vergebung (1993), S. 72. 65 E. NEUBERT, Geschichte (1997), S. 170 sowie insgesamt Kap. 23: „Freiheit und Dienst der Kirche“, S. 170–187; vgl. auch Kap. 24: Versöhnung statt Friedenskampf, S. 187–200. 66 EBD. (Dort zitiert nach P. M ASER /M. WILKE : Die Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. Materialien aus dem Zentralen Parteiarchiv der SED und dem Archiv der Ost-CDU. Berlin 1994, geheftet, S. 54f.).

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Die Kirche habe sich hartnäckig gegen die Versuche der SED, die organisatorische Struktur auseinander zu reißen, gewehrt und bei den gleichzeitig Anfang April 1967, aber örtlich getrennt in Fürstenwalde und Berlin-Spandau stattfindenden Tagungen versucht, die Verbindung durch Kuriere aufrechtzuerhalten. Neubert kommt im Blick auf die Wahrung der „besonderen Gemeinschaft“ in der Folgezeit allerdings zu keinem so positiven Urteil wie in seinem 1993 erschienenen Buch. Er konzentriert seine Kritik dabei in erster Linie auf die zweifellos für das Agieren des DDR-Kirchenbundes zentrale Gestalt Schönherrs: Im September 1969 habe sich die 1. Synode des BEK konstituiert. Während Schönherr KKL-Vorsitzender war, so Neubert weiter, übernahm Manfred Stolpe die Leitung des BEK-Sekretariats. Der Görlitzer Bischof Hans Joachim Fränkel sei einer der stärksten Kritiker seiner Brüder in den östlichen Landeskirchen gewesen, die aus seiner Sicht keine Anstalten machten, sich gegen die Trennung von der EKD zu wehren: „Im Laufe der Verhandlungen zur Bundesgründung und während der 1. Bundessynode in Eisenach [richtig: Potsdam; A. S.] im September 1969 kam es zu heftigen innerkirchlichen Auseinandersetzungen um den Artikel 4 Absatz 4 der Bundesordnung, der als letzte Klammer zur EKD die Formulierung enthielt: ‚Der Bund bekennt sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland‘. Auf Drängen des Staates wollten die Opportunisten auch diese Formel streichen. Die 1. Bundessynode wies dies ab, und schließlich gab sich auch der Staat mit der verwaschenen Formel zufrieden. Seit einigen Jahren hatte er damals bereits an der ‚besonderen‘ Art von EKD-Beziehungen Interesse. Die materielle Hilfeleistung der EKD an die ostdeutschen Kirchen hatte sich für ihn als einträgliches Devisengeschäft erwiesen, und er verdiente kräftig an der kirchlichen Vermittlung der Häftlingsfreikäufe durch die Bundesregierung. Die Bundesgründung war selbst schon ein Akt der in der Folge typischen Kirchenpolitik – sie war nicht öffentlich vorbereitet, die Pfarrerschaft und die Gemeinden und auch die Synodalen waren unzureichend informiert worden. Daher gab es längere Zeit Proteste von Konventen, kirchlichen Einrichtungen und einzelnen Theologen. Es entbehrte nicht eines gewissen Zynismus, wenn den Protestierenden vorgehalten wurde, sie wären nicht kompetent, weil sie nicht informiert seien. Eine Synodale, Magdalene Kupfer, legte ihr Mandat nieder. Sie warf Schönherr Fremd- und Selbsttäuschung vor. Dieser machte aus der Nötigung zur Verselbständigung der ostdeutschen Kirchen alsbald eine theologische Tugend, indem er 1970 im ersten Bericht der KKL die theologische Kategorie des ‚Dienstes der Kirche‘ als gewollten und theologisch begründeten Rechtsverzicht interpretierte. Damit war eine Barriere gegen den Einfluß der SED auf die Kirchen erschüttert, denn die demokratisch-synodalen Strukturen im Rahmen des kirchlichen Verfassungs- und Dienstrechts und die Beteiligung der kirchlichen Öffentlichkeit an Entscheidungsprozessen hatte sich bisher als wirksamer Selbstschutz erwiesen.“67 67

E. NEUBERT, Geschichte, S. 172f.

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Im Rahmen einer Rezension des 1995 von Walter Hammer und Uwe-Peter Heidingsfeld herausgegebenen Dokumentationsbandes mit den Niederschriften der Konsultationen zwischen BEK und EKD68 befasst sich Axel von Campenhausen mit dem Thema „Die besondere Gemeinschaft“. Auch er sieht in der Verfassung der DDR aus dem Jahr 1968 den „unmittelbaren Anlaß“ zur Abspaltung der östlichen von den westlichen evangelischen Landeskirchen. Gegen den Widerstand der SED-Regierung sei „in Abwehr der drohenden Mißdeutung des Trennungsschrittes“ als Bekenntnis „in eindrucksvoller Übereinstimmung“ der Landessynoden und Kirchenleitungen – wertet der Rezensent im Gegensatz zu Neubert und bezieht dabei Position im anderen Extrem – Art. 4 (4) in der Ordnung des BEK verankert worden.69 Die unmittelbar mit der Bundesgründung ins Leben gerufene informelle Beratergruppe zwischen Vertretern von BEK und EKD habe zunächst versucht, die Kontakte aufrechtzuerhalten, und diese Aufgabe bis 1990 fortgesetzt. Die 1980 installierte Konsultationsgruppe sei neben die Beratergruppe getreten: „Die nicht ganz geklärte, aber gewollte Parallelität der beiden Gruppen führte zu mancher Überlappung und auch zu Verstimmungen und Empfindlichkeiten“. Von Campenhausen betont die Bedeutung dieser beiden Gruppen in Hinblick auf die „besondere Gemeinschaft“ der evangelischen Kirchen in Deutschland. Dabei problematisiert er, dass aufgrund der speziellen Überwachungssituation der Kirchen in der DDR die „handgreiflichen Ergebnisse“ der kirchlichen OstWest-Zusammenarbeit abgesehen von den „gemeinsamen Worten“ von BEK und EKD leider „spärlich“ ausfielen. Es erweise sich heute (1998) als „hinderlich“, dass die Kirchenvertreter, verglichen mit der Fülle zumeist auf geheimdienstlichem Wege gewonnenen Informationen und Materialien der staatlichen Seite über die Kirche, „nicht ein wenig mehr zu Papier gebracht haben oder das Material nicht preisgeben“. Diese Quellenlage sei in Verbindung mit dem „kommerziellen Medieninteresse […] einer ausgeglichenen Berichterstattung nicht günstig“.70 Ebenfalls 1998 ist die Gesamtdarstellung „Der SED-Staat“ von Klaus Schroeder erschienen. Im Strukturteil seines Buches befasst er sich mit dem politischen System, speziell auch mit den Kirchen und der SED-Kirchenpolitik.71 Seit Mitte der fünfziger Jahre habe die SED auf die Abspaltung der ostdeutschen Landeskirchen von der gesamtdeutschen EKD hingearbeitet. Den Militärseelsorgevertrag, den Mauerbau und die ab 1967 verstärkt auf Abgrenzung von der Bundesrepublik ausgerichtete SED-Politik beurteilt der Autor als wichtige Faktoren für diese Entwicklung. Mit der Gründung des BEK in der DDR, die nach der 68

W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen. A. VON CAMPENHAUSEN, Gemeinschaft, S. 91. 70 EBD., S. 92f. 71 K. SCHROEDER, SED-Staat, S. 474–485.

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Beschneidung kirchlicher Rechte durch die Verfassung von 1968 erfolgte, hätten die Kirchen „dem staatlichen Druck nachgegeben“. Auch Schroeder weist darauf hin, dass die SED die Existenz eigenständiger Landskirchen willkommener gewesen wäre, da sie diese „separat hätte ‚bearbeiten‘“ können. Nicht zuletzt sei die Aufnahme von Art. 4 (4) in die Bundesordnung von der SED als besonders „brisant“ empfunden worden. Die späte offizielle Anerkennung des DDR-Kirchenbundes durch Partei- und Regierung sei ein Ausdruck dieses staatlichen Missfallens über die „besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“.72 Insgesamt bewertet Schroeder die Spaltung der EKD jedoch als „Etappensieg“ der SED.73 Dem 55. Jahrestag der Kirchenversammlung in Treysa am 31. August 1945, während der die zunächst nur vorläufige Grundordnung der EKD beschlossen worden war, widmete der epd eine kurze Meldung. Im Rahmen eines kleinen Abrisses über Struktur, Zielsetzung und Entwicklung der 1948 mit der Verabschiedung ihrer endgültigen Grundordnung in Eisenach gegründeten EKD fällt eine Bemerkung zur organisatorischen Trennung der DDR-Gliedkirchen von der Gesamt-EKD: „1969 hatten die acht ostdeutschen Kirchen auf Druck des SED-Regimes den ‚Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR‘ gegründet.“ Mit dieser nicht weiter ausdifferenzierten Formulierung wird allerdings eine eindeutige Aussage zu den Motiven der Kirchenspaltung geliefert, die keinerlei Interpretationsspielräume offenläßt. Die DDR-Gliedkirchen werden als Akteure der Trennung benannt, die den Pressionen der regierenden Sozialistischen Einheitspartei nur nachgekommen sind und deswegen einen eigenen Kirchenbund gründeten. Man könnte diesen Satz sogar dahingehend verstehen, dass die Form der kirchlichen Vereinigung in der DDR von der SED vorgegeben wurde. Die von den beiden evangelischen Kirchen schriftlich fixierte „besondere Gemeinschaft“ findet nicht einmal Erwähnung.74 Die nach der Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR erfolgten Versuche von BEK und EKD, ihre Grundordnungen zu reformieren und auf diesem Wege jeweils zu einer engeren Kirchengemeinschaft zukommen, hat Peter Beier in einer vergleichenden Studie aufgearbeitet. Dabei liegt der Schwerpunkt seiner im Jahr 2004 erschienenen Monographie auf der Frage, welchen Stellenwert die „besondere Gemeinschaft“ bei den letztlich gescheiterten Kirchwerdungsprozessen von DDR-Kirchenbund und EKD gehabt hat. Beier beantwortet seine Forschungsfrage, indem er einige abschließende Thesen formuliert. Er kommt zu dem Ergebnis, dass „angesichts der unterschiedlichen Be72

EBD., S. 479. EBD., S. 483. 74 EPD -WOCHENSPIEGEL /Ost 37/2000 vom 31.8.2000, S. 3.

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rücksichtigung der ‚besonderen Gemeinschaft‘ innerhalb der Strukturreformen in BEK und EKD bei gleicher Zielstellung der Reformen, übereinstimmenden Problemen sowie ihrem gemeinsamen Scheitern“ die „besondere Gemeinschaft“ unter dem Aspekt der „Kirchwerdung“ in erster Linie als eine „deutsch-deutsche Problemgemeinschaft in ekklesiologischen Grundsatzfragen“ erscheine.75 Eine Forschungsarbeit über die Ost-West-Gemeinschaft der evangelischen Christen und die deutsche Teilung zwischen 1945 und 1969, also der unmittelbaren Nachkriegszeit bis zur Bundesgründung, ist im Jahr 2005 veröffentlicht worden. Darin untersucht Claudia Lepp Deutungsmuster und Praxis kirchlicher sowie nationaler Einheit im gesamtdeutschen Protestantismus vor dem Hintergrund sich wandelnder nationaler und internationaler Rahmenbedingungen. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Phase der mentalen und politischen Umbrüche seit Mitte der 1950er bis Ende der 60er Jahre. Auch geht Lepp den Möglichkeiten und Grenzen praktizierter Kircheneinheit nach und beleuchtet die Ost-West-Gemeinschaft evangelischer Christen als Subjekt und Objekt der Deutschlandpolitik. Zugleich wendet sie ihren Blick auf die protestantische Begegnungskultur an der Basis und zeigt dabei Bindungs- und Abwendungsphänomene auf. Lepp schildert im letzten Kapitel den „Weg zur ‚besonderen Gemeinschaft‘ der evangelischen Christenheit in zwei deutschen Staaten mit Beziehungen ‚von besonderer Art‘“, wie ihn die evangelischen Kirchen von 1967 bis 1969, dem Zeitpunkt ihrer Trennung in EKD und BEK, beschritten haben und ordnet ihn kirchen- und deutschlandpolitisch ein. Dabei benennt sie, welche Haltung die evangelischen Christen in der Bundesrepublik und der DDR zur kirchlichen Entwicklung in dieser Phase eingenommen haben und welche Erwartungshaltung die SED vermittelte und im Blick auf ihre staatlichen Zielvorstellungen umzusetzen versuchte.76

3. Von Treysa bis Fürstenwalde – Kurzer Abriss der kirchlichen und politischen Entwicklung in Deutschland Wenige Monate nach Ende des Zweiten Weltkriegs, im August 1945, ging aus der Treysaer Konferenz der vorläufige Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hervor. In seiner Funktion als Ratsmitglied lud Otto Dibelius77 75

P. BEIER, „Kirchwerdung“, S. 463. C. LEPP, Tabu, v. a. S. 768–774. Wie die Arbeiten von Beier und Kunter ist diese im Rahmen eines Forschungsprojekts der EKD über die evangelische Kirche im geteilten Deutschland entstanden. Lepps Untersuchung behandelt eine ähnliche Themen- bzw. Fragestellung wie die hier vorliegende Arbeit – aber für die Zeit von 1945 bis 1969. 77 Von 1949 bis 1961 war Dibelius der Vorsitzende des Rates der EKD, von 1945 bis 1960 Vorsitzender der Ostkirchenkonferenz. 76

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im September die Landeskirchen der SBZ zu einer Versammlung nach Berlin ein, in deren Verlauf die „Konferenz der östlichen Landes- und Provinzialkirchen“ entstand.78 Am 19. Oktober verabschiedete dann der vorläufige Rat das „Stuttgarter Schuldbekenntnis“79, mit dem die evangelische Kirche in Deutschland ihre Mitschuld am Krieg und den Verbrechen des Nationalsozialismus zum Ausdruck brachte und einen Neuanfang auf der Basis der Heiligen Schrift verkündete. Mit der Annahme der Grundordnung der EKD auf der Eisenacher Kirchenversammlung (9.–13.7.1948) wurde die Gründung der EKD als „Bund lutherischer, reformierter und unierter Kirchen, in welchem die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christen sichtbar wird“80, endgültig vollzogen.81 Die Kirchenversammlung verabschiedete in Eisenach auch ein „Wort der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Frieden“82, in dessen Zentrum der Versöhnungsgedanke stand und mit dem die christliche Verantwortung für den Frieden bekräftigt wurde. Mit einem weiteren, in Eisenach formulierten „Wort zur deutschen Not“83 richtete sich die EKD mit Nachdruck gegen die Teilung Deutschlands, da sie dem deutschen Volk die „Lebensgrundlagen“ entziehe.84 Organe der EKD waren der Rat (von der Synode und der Kirchenkonferenz für sechs Jahre gewählt), die Kirchenkonferenz, in der jede der 28 Gliedkirchen mit einer Stimme vertreten war, sowie die Synode, die in der Regel einmal jährlich zu einer Tagung zusammentrat. Die Ostkirchenkonferenz bzw. Kirchliche Ostkonferenz war in der Grundordnung der EKD nicht als verfassungsmäßiges Organ verankert, sondern blieb ein lockerer Zusammenschluss, dessen Teilnehmerzahl nicht festgelegt und dessen Beschlüsse für die Landeskirchen nicht bindend waren. Neben der Ostkirchenkonferenz tagte seit 1949 in unregelmäßiger Folge eine Bischofskonferenz der östlichen Gliedkirchen. Die Geschäfte der Kirchlichen Ostkonferenz führte zunächst die Berliner Stelle der Kirchenkanzlei der EKD in Berlin-Charlottenburg unter Leitung von Dibelius. Nach der DDR-Gründung wurde im Jahr 1950 eine Außenstelle in Berlin-Mitte angesiedelt. Auch der „Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Regierung 78

Sie tagte regelmäßig bis zur BEK-Gründung 1969. Vgl. M. GRESCHAT (Hg.), Schuld sowie C. VOLLNHALS, Kirche. 80 GO der EKD vom 13.7.1948. In: ABlEKD, Heft 5/1948 vom 15.7.1948, S. 109–113. 81 Am 8.7.1948 schlossen sich die lutherischen Kirchen in der VELKD und am 20.2.1950 die unierten in der APU (1953 in EKU umbenannt) zusammen. 82 KJ 1945–1948, S. 185f. 83 KJ 1945–1948, S. 198. 84 Christian Hanke weist in seiner Darstellung zur Deutschlandpolitik der EKD darauf hin, dass „es im Rat der EKD wiederholt Diskussionen über die Einheit Deutschlands und deren Gefährdung gegeben hatte, in denen durchaus divergierende Positionen von den einzelnen Ratsmitgliedern bezogen wurden“. Vgl. C. H ANKE, Deutschlandpolitik, S. 85f. 79

Kurzer Abriss der kirchlichen und politischen Entwicklung

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der DDR“, 1949–1959 Heinrich Grüber, wickelte seine Geschäfte bald über die Außenstelle ab.85 Zum Zeitpunkt der Gründung der DDR äußerte sich der Rat der EKD unter seinem neuen Vorsitzenden Dibelius mit einem „Wort“ zur Bildung zweier deutscher Staaten. Während den (hinsichtlich der Gestalt Deutschlands uneinigen) Besatzungsmächten die Verantwortung für die Zweistaatlichkeit zugeschrieben wurde, forderte der Rat beide deutschen Regierungen auf, all ihre Bemühungen darauf zu konzentrieren, „dem deutschen Volke eine neue Einheit seiner staatlichen Ordnung alsbald wiederzugeben“.86 Von der Kirchenkonferenz 1945 in Treysa bis zur Gründung der DDR im Oktober 1949 war das Verhältnis zwischen Staat und evangelischer Kirche in der SBZ/DDR im wesentlichen konfliktfrei. Das lag schlichtweg in der Tatsache begründet, dass andere Probleme im Vordergrund standen, nämlich die jeweils eigene Standortfindung und Aufgabenbestimmung. Es sollte allerdings nicht lange dauern, bis im Zuge der ideologischen Zielbestimmung der SED-Regierung und ihrer Etablierung als Staatsmacht die ersten Auseinandersetzungen einsetzten. Entsprechend der Aussagen der „Klassiker“ des Marxismus-Leninismus war parallel zur Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft mit einem Absterben bürgerlicher Formen, zu denen die Kirchen gezählt wurden, zu rechnen. Mit dem Erreichen der kommunistischen Gesellschaft würde demnach die „letzte fremde Macht, die sich jetzt noch in der Religion widerspiegelt“87, verschwunden sein. Angesichts dieses Generationen andauernden Prozesses, dessen erste Etappe mit dem Sozialismus in der DDR eingeleitet worden sei, lautete die Grundforderung der SED an die Kirchen daher, eine öffentliche Positionsbestimmung (zugunsten der DDR) abzugeben. Den Kirchen wurde in der ersten Verfassung der DDR, in die die Kirchenartikel aus der Weimarer Verfassung von 1919 weitgehend übernommen wurden, eine rechtlich gesicherte Stellung zugebilligt.88 Dennoch wurde die evangelische Kirche als latenter „Störfaktor“ empfunden, als Hemmnis für die neue sozialistische Entwicklung, solange sie sich nicht den tatsächlichen Machtverhältnissen in der DDR anpasste. Die politische Zielsetzung der SED war es, jegliche, also auch kirchliche „Störungen“ zu verhindern und 85

Am 29.11.1949 wurden bereits Bevollmächtigte der EKD für beide Regierungen eingesetzt. Damit reagierte die EKD frühzeitig – im Sinne einer Anerkennung der Bundesregierung und der Regierung der DDR – auf die zweifache Staatenbildung. Vgl. auch H. GRÜBER, Erinnerungen sowie J. HILDEBRANDT (Hg.), Brückenbau. 86 „Wort“ des Rates der EKD „zur politischen Spaltung Deutschlands“ vom 12.10.1949. Abgedruckt bei F. MERZYN (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 79. 87 F. ENGELS : Herrn Eugen Dührings… . In: MEW 20, S. 295. 88 Vgl. H. HILDEBRANDT (Hg.), Verfassungen, S. 101ff. (Art. 135–141 der Weimarer Verfassung vom 11.8.1919 zu „Religion und Religionsgesellschaften“), 207ff. (Art. 41–48 der Verfassung der DDR vom 7.10.1949 zu „Religion und Religionsgemeinschaften“).

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ihre eigene Dominanz in allen gesellschaftlichen Bereichen sicherzustellen. Dieser Bewertung von Kirche und Christen im sozialistischen Teil Deutschlands als „Störfaktoren“ widersprach u. a. die Tatsache, dass sich DDR-Bürger christlichen Glaubens gleichermaßen mit großer Energie der (Mit-) Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft widmeten. Bis zu der ersten Phase des „Kirchenkampfs“ in der DDR, den die SED 1952 mit ihren Angriffen auf die Junge Gemeinde als der Keimzelle „feindlicher“ kirchlicher Erziehung und Beeinflussung eröffnete, gehörten noch rund 80 Prozent der Bevölkerung der evangelischen Kirche an89, so dass die SED aus existentiellen und gesellschaftsstrategischen Gründen Christen nicht explizit ausschließen konnte. Ein konkreter Anknüpfungspunkt fand sich in der Frage der Friedenssicherung, bei deren Lösung die Christen und die evangelische Kirche einbezogen werden sollten. Die Einrichtung der Sperrzonen zwischen Ost und West im Mai 1952 als Schutz vor dem westdeutschen „Imperialismus“ zeichnete die künftige Entwicklung bis zum Mauerbau 1961 bereits vor. Die einzige gesellschaftliche Kraft, die sich den Gleichschaltungsmaßnahmen der SED mit Erfolg widersetzen konnte, waren die Kirchen. Der Partei- und Staatsführung gelang es nicht, ihre Autorität bei der Schaffung der politischen und ökonomischen Grundlagen des Sozialismus auf die evangelische Kirche auszudehnen und den kirchlichen Einfluss auf die Bevölkerung zu unterbinden. Durch die in der Verfassung festgeschriebene Glaubensfreiheit leidlich geschützt, konnten sich die Kirchen auch der weltlichen Nöte der Christen annehmen und sie partiell auffangen. Die kritischen Worte, mit denen der EKD-Ratsvorsitzende Dibelius den Ministerpräsidenten bzw. Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Otto Grotewohl, auf die katastrophale wirtschaftliche Situation in der DDR im Februar 1953 öffentlich hinzuweisen suchte, hatte allerdings nur die Verstärkung des Drucks auf die östlichen Kirchenführer zur Folge. Die evangelische Kirche rief beim Kirchentag in Essen am 24. Mai 1953 Christen in Ost und West dazu auf, die Flüchtlingsnot bewältigen zu helfen, und traf die SED damit an einem besonders wunden Punkt, da die Zahl der DDR-Bürger, die das Land verließen, erschreckende Ausmaße erreicht hatte. Grotewohl ließ zu diesem Zeitpunkt schon implizit verlauten, dass die SED an einer Trennung der evangelischen Kirche in Ost und West interessiert war.90 89 D. POLLACK, Weg, S. 6. – 1964 waren ca. 60% der DDR-Bürger Mitglied der evangelischen, 8% der katholischen Kirche; zum Zeitpunkt der Auflösung der DDR lagen die Zahlen bei ungefähr 25% (ev. Kirche) und 4–5% (kath. Kirche). 90 Anfang Juni 1953 waren die SED-Funktionäre Grotewohl, Oelßner und Ulbricht von der sowjetischen Führung nach Moskau bestellt und gemaßregelt worden, ihre verfehlten politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen zu korrigieren. In diesem Zusammenhang bezeichneten die Genossen des ZK der KPdSU auch das Vorgehen gegenüber der evangelischen Kirche in der DDR als „ernsten

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Das erste Schlüsselerlebnis im Sinne einer Vorahnung der politischen Konsequenzen der Teilung sowie der Unnachgiebigkeit und Härte, mit der die Regierung der DDR ihre Pläne durchzusetzen gewillt war, war für die Deutschen in Ost und West der Aufstand am 17. Juni 1953, der schwerwiegende innenpolitische Ursachen hatte und entsprechende Wirkungen auslöste – ganz abgesehen von seiner außen-, wenn nicht gar weltpolitischen Bedeutung. Die Bevölkerung musste erfahren, dass die SED-Führung die „Feinde“ des Aufbaus des Sozialismus nicht nur in den untergehenden Klassen verortete oder mit den Bürgern des kapitalistischen Teil Deutschlands gleichsetzte, sondern ebenfalls jede Abweichung in den eigenen Reihen und unter den Arbeitern entschlossen bekämpfte.91 Die Tatsache, dass die Sowjetunion mit ihrem gewaltsamen Eingreifen in die Unruhen einen frühzeitigen Untergang der DDR verhinderte, legte unter anderem den Umkehrschluss nahe, dass ein Ende des Kalten Kriegs und eine Entspannung des Ost-West-Verhältnisses dem östlichen deutschen Staat die Existenzgrundlage entziehen und zur Blockauflösung führen könnte. Dass die Bundesrepublik 1955 der NATO und die DDR kurz darauf als Gründungsmitglied dem Warschauer Pakt beitrat, ließ die Aussicht auf eine solche Entwicklung und damit auch auf die deutsche Wiedervereinigung weiter schwinden. Die Spaltung Deutschlands verfestigte sich, und analog dazu nahm die Bedrohung der Einheit der evangelischen Kirchen zu. In der DDR wurde die Jugendweihe eingeführt, die eine gewollte, deutliche Konkurrenz zur Konfirmation darstellte. Mit dieser Maßnahme wollte die Staats- und Parteiführung die Kinder und Jugendlichen für ihren Staat gewinnen, den Einfluss der Kirche im Sinne einer christlichen Prägung unterbinden. Ein „Dauerbrenner“ in den Auseinandersetzungen zwischen Staat und evangelischer Kirche wurde bereits frühzeitig die Frage der sozialistischen und später kommunistischen Erziehung – und blieb es bis zum Ende der DDR. Der nach dem 17. Juni 1953 vorübergehend eingestellte Kampf gegen die Kirchen in der DDR wurde 1956, im Jahr des von sowjetischen Truppen blutig niedergeschlagenen Ungarn-Aufstands und der so genannten Entstalinisierung, mit dem an die evangelischen Bahnhofsmissionen gerichteten Vorwurf der „Spionage“ und der Schließung sämtlicher westdeutscher Außenstellen in der DDR wieder aufgenommen.

Fehler“ und forderten von der SED mit der Einstellung jeglicher Restriktionen zugunsten einer intensiven „Aufklärungs- und Kulturarbeit“ einen taktischen Kurswechsel (Abdruck des Dokuments bei R. STÖCKIGT in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Heft 5, 33 Jg. [1990], S. 48ff.); vgl. ferner M. G. GOERNER, Kirche. 91 Vgl. z. B. K. W. FRICKE /I. SPITTMANN (Hg.), 17. Juni 1953. Anlässlich des 50. Jahrestages des deutschen Aufstands ist eine Reihe neuer Untersuchungen erschienen. Einige Literaturhinweise finden sich in: DA 36 (2003), S. 551. – Vgl. auch M. GRESCHAT/J. C. K AISER (Hg.), Kirchen.

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Nach der Zustimmung der EKD-Synode zum Militärseelsorgevertrag zwischen der EKD und der Bundesregierung im Jahr 1957 brach die DDR die Kontakte zur EKD ab. Auf deren Synode im Frühjahr 1958 hatte der Cottbuser Generalsuperintendent Günter Jacob zwar mitgeteilt, dass die Gültigkeit des Militärseelsorgevertrags auf die westlichen Gliedkirchen begrenzt sei, dennoch verlor Heinrich Grüber Mitte Mai 1958 die Anerkennung als Verhandlungspartner des Rates der EKD. Die DDR-Regierung akzeptierte nur noch kirchliche Gesprächspartner mit Wohnsitz in der DDR. Die Außenstelle wurde in „Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR“ umbenannt. Hans Iwand, einer der führenden Theologen der Bekennenden Kirche, 1958 Mitbegründer der als Gegenpol zum Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) gebildeten Prager Christlichen Friedenskonferenz (CFK), hatte auf der Synode der EKD nochmals darauf hingewiesen, dass die Entscheidung der EKD für den Militärseelsorgevertrag bewusst und sehenden Auges getroffen worden war: „Wir haben damals darum gebeten, die Dinge doch noch einmal zu erwägen und etwa für die westlichen Landeskirchen gesondert durchzuführen, weil wir Sorge hatten, daß die Belastungen, die dieser Vertrag für die Einheit der Evangelischen Kirche bedeuten kann, zu groß werden, weil wir nicht verstehen konnten, daß im Abwägen der beiden Dinge, der Einheit der Evangelischen Kirche und dieses Vertrages, – das größere Gewicht nicht auf der Einheit liegen sollte“.92

Anfang 1961 untersagte die DDR-Regierung die Tagung der EKD-Synode in Ost-Berlin. So fand sie vom 12. bis zum 17. Februar in Berlin-Spandau statt und wählte den Berlin-brandenburgischen Präses Scharf zum Vorsitzenden des Rates der EKD. Kurz nach dem Bau der Mauer am 13. August 1961 wurde diesem nach einem dienstlichen Aufenthalt in West-Berlin die Einreise in die DDR verweigert und seine Ausbürgerung vollzogen. Die Bischofskonferenz beschloss letztlich aus sprachkosmetischen Gründen, die Kirchliche Ostkonferenz in Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL) umzubenennen. Der Greifswalder Bischof Friedrich-Wilhelm Krummacher (seit 1960 im Amt als Nachfolger von Dibelius) wurde mit der Ausarbeitung einer Geschäftsordnung für die KKL beauftragt. Innerkirchliche Auseinandersetzungen und strukturelle Schwierigkeiten waren unausweichlich. Die EKU – Rheinland und Westfalen gehörten zu diesem kirchlichen Zusammenschluss – und die Berlin-brandenburgische Kirche, deren Gebiet den Ost- und den Westteil umfaßte, wurden zu besonderen Problemfällen. Die Geschäftsordnung (GO) der KKL wurde am 26. Februar 1962 verabschiedet und legitimierte die KKL als rechtlich selbständige, beratende Einrichtung, deren Beschlüsse nur geringe Verbindlichkeit ge92 BERICHT ÜBER DIE 3. TAGUNG DER II. SYNODE DER EKD IN DEUTSCHLAND vom 26.–30.4.1958, S. 285. – Die EKD-Synode tagte gleichzeitig in Berlin-Weißensee und Berlin-Spandau.

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genüber den Landeskirchen besaßen. Eine von allen Landeskirchen finanzierte Geschäftsstelle nahm am 1. Juni offiziell ihre Tätigkeit auf. Von Berlin-Weißensee über Prenzlauer Berg zog sie 1965 in die Bischofstraße in Berlin-Mitte, wo auch die „Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR“, die östlichen Verwaltungsstellen der EKU und der VELK untergebracht waren. Als das Haus dem Bau des Fernsehturms weichen mußte, zog die Geschäftsstelle, die seit 1962 von Manfred Stolpe geleitet wurde, im Jahr 1968 in die Auguststraße um. Die Geschäftsstelle war zuständig für die Verwaltungsgeschäfte der KKL (Vorbereitung der Sitzungen, Protokollführung) und wenige gesamtkirchliche Aufgaben, da die Kontakte zu den EKD-Organen und den westlichen Landeskirchen über die „Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR“ (weiter-) liefen. Auch die Verhandlungsführung mit staatlichen Stellen konnte kaum wahrgenommen werden, weil Organe des Staates diese Stelle – ebenso wie die Wahl Krummachers zum KKL-Vorsitzenden – nicht voll anerkannten. Die Geschäftsstelle war sehr engagiert im ökumenischen Bereich und übernahm die Kontaktpflege zu internationalen Gremien, Verhandlungen mit dem Staat über Reisemöglichkeiten für DDR-Bürger zum Besuch ausländischer Kirchen oder die Teilnahme an ökumenischen Veranstaltungen im Ausland.93 Am 18. August 1964 kam es zu einem Treffen zwischen dem Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht und dem – seit Abschluss des Militärseelsorgevertrags als bevorzugtem Gesprächspartner der SED-Regierung gehandelten – thüringischen Landesbischof Moritz Mitzenheim auf der Wartburg. Dabei wurde zwar festgestellt, dass die Christen und Marxisten gemeinsame humanistische Grundlage eine Zusammenarbeit von Kirche und Staat in der DDR ermöglichen könne, jedoch keine verbindlichen Regelungen in Aussicht gestellt oder wie auch immer geartete Vereinbarungen getroffen. Da die SED-Regierung nach 1961 verstärkt an einer offiziellen Anerkennung der DDR als eigenständiger Staat deutscher Nation interessiert war, löste die von der Kammer für öffentliche Verantwortung des Rates der EKD 1965 unter Beteiligung von Kirchenvertretern aus der DDR erarbeitete und veröffentlichte Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen Nachbarn“ bei der SED ernsthafte Verstimmung aus. Denn in der Schrift wurde die bisherige Ostpolitik kritisiert, vor allem was völkerrechtliche und ethnische Grundlagen betraf, die Aussöhnung mit den osteuropäischen Nachbarvölkern gefordert und eine politische Lösung der Oder-NeißeGrenzfrage. Die Lösung der Friedensfrage sei nur auf der Basis einer dauerhaften 93 1964 wurde Walter Pabst zum Ökumene-Beauftragten der evangelischen Bischöfe in der DDR berufen und war in diesem Rahmen lange Zeit der kirchliche Gesprächs- und Verhandlungspartner bei der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen.

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Friedensordnung möglich, also eng verknüpft mit der Aufgabe, dabei auch die „notvolle Spaltung Deutschlands zu überwinden“.94 Die Publikation einer „Handreichung“ für die Seelsorge an Wehrpflichtigen, die die KKL am 6. November 1965 unter dem Titel „Zum Friedensdienst der Kirchen“ den Landeskirchen zur Orientierung übergab, wurde von der DDR-Regierung nicht nur als unerlaubte Einmischung in politische Angelegenheiten, sondern als kirchlicher Appell zur Verweigerung des Wehrdienstes und Angriff auf die Verteidigungsbereitschaft der DDR interpretiert. Sie forderte von der Kirche vergeblich die Rücknahme der Handreichung. Doch unterstrich die KKL in einem Nachtrag vom April 1966 den seelsorgerlichen Zweck ihrer Handreichung, der die Gewissensfrage bei jeglichen Entscheidungen wachhalten und nicht die Friedenspolitik der DDR in Frage stellen wolle. Hintergrund war, dass die SED-Regierung schon Ende 1964 mit der „Bausoldaten“-Regelung die Möglichkeit eröffnet hatte, den Militärdienst ohne Waffe – jedoch keinen zivilen Wehrersatzdienst – in den Baueinheiten des Ministeriums für Nationale Verteidigung der DDR abzuleisten. Zwar ging die Handreichung nicht so weit, zur Sicherung des Friedens eine einseitige Abrüstung zu verlangen, sondern akzeptierte das Modell der militärischen Abschreckung durch Gleichrüstung als Übergangslösung, doch nahmen die Kirchen in der DDR zur Wehrdienstfrage eine klare Haltung ein: „Es wird nicht gesagt werden können, daß das Friedenszeugnis der Kirche in allen drei der heute in der DDR gefällten Entscheidungen junger Christen in gleicher Deutlichkeit Gestalt angenommen hat. Vielmehr geben die Verweigerer, die im Straflager für ihren Gehorsam mit persönlichem Freiheitsverlust leidend bezahlen und auch die Bausoldaten, welche die Last nicht abreißender Gewissensfragen und Situationsentscheidungen übernehmen, ein deutlicheres Zeugnis des gegenwärtigen Friedensgebots unseres Herrn. Aus ihrem Tun redet die Freiheit der Christen von den politischen Zwängen. Es bezeugt den wirklichen und wirksamen Friedensbund Gottes mitten unter uns.“95

Als der EKD-Ratsvorsitzende Scharf, der ja bereits 1961 von der SED-Regierung zur „persona non grata“ erklärt worden war, auf den getrennt in Ost und West tagenden Synoden zum Nachfolger des 1966 in den Ruhestand tretenden Dibelius als Bischof der Berlin-brandenburgischen Kirche gewählt wurde, meldete der DDR-Nachrichtendienst ADN, diese Neubesetzung sei auf dem Gebiet der DDR „wirkungslos“. So wurde Schönherr, Generalsuperintendent des Sprengels Eberswalde, Mitte Januar 1967 von der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg zum Verweser des Bischofsamtes für die Ostregion bestimmt, um die Handlungsfähigkeit dieser Kirche in der DDR nicht völlig zum Erliegen kommen zu

94 95

K IRCHENKANZLEI DER EKD (Hg.), Denkschriften, Bd. 1/1, S. 77–126. Abdruck in: KJ 1966 (93. Jg.), S. 249–261; hier S. 256.

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lassen.96 Mit der Verabschiedung des Gesetzes über die DDR-Staatsbürgerschaft am 20. Februar durch die Volkskammer der DDR vollzog die SED-Regierung einen weiteren Schritt der Abgrenzung von der Bundesrepublik. Die gleichzeitig vom 2. bis zum 7. April in Berlin-Spandau und Fürstenwalde/Spree tagende Synode der EKD nahm diese Entwicklung zum Anlass, trotz der örtlichen Zweiteilung ihrer Synodaltagungen die sogenannte Fürstenwalder Erklärung zu verabschieden, mit dem sich die östlichen und westlichen Brüder ausdrücklich zum Festhalten an der Einheit der EKD bekannten. Nachdem der Bundeskanzler am 12. April 1967 in einer Regierungserklärung anlässlich des kurz bevorstehenden VII. SED-Parteitags im Blick auf die Deutschlandpolitik einige praktische Vorschläge zusammengestellt hatte, die zur Erleichterung des Lebens im geteilten Deutschland beitragen sollten, bekräftigte der Staatsratsvorsitzende Ulbricht seinen bereits Ende Dezember 1966 verkündeten 10-Punkte-Plan zur Lösung der deutschen Frage und schlug eine Begegnung beider deutscher Regierungschefs vor. Der Vorsitzende des DDR-Ministerrates, Willi Stoph, sandte dem Bundeskanzler am 18. September einen Vertragsentwurf über Gewaltverzicht und die Herstellung normaler gleichberechtigter deutsch-deutscher Beziehungen zu, den die Bundesregierung jedoch als Teilungsvertrag mit unannehmbaren Vorbedingungen ablehnte. Mit dem von der DDR-Volkskammer am 1. Dezember 1967 gefassten Beschluss, eine neue sozialistische Verfassung der DDR erarbeiten zu lassen, zeichnete sich einmal mehr ab, dass die DDR unwiederbringlich ihren eigenen Weg eingeschlagen hatte, der nicht nur zwischen den beiden deutschen Staaten eine immer größere Distanz schuf, sondern auch die evangelischen Kirchen in Ost und West voneinander entfernen sollte.

4. Der Weg zur Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (1967–1971) Die organisatorische Aufspaltung der 1948 als gesamtdeutsche kirchliche Institution gebildeten Evangelischen Kirche in Deutschland, welche im Jahr 1969 mit der Gründung eines separaten Kirchenbundes in der DDR vollzogen und offenbar wurde, kam sogar für einen Großteil der evangelischen Christen in Ost- und Westdeutschland in gewisser Weise überraschend. Dies kann nicht 96 Aus dieser Wahl, so schreibt Ehrhart Neubert, habe die SED kirchenpolitischen Nutzen ziehen können, indem sie sogleich mit ihm in vertraulichen darüber verhandelte, dass die „Fehlentscheidung“ von Fürstenwalde revidiert werden müsse. Dies sei tatsächlich geschehen, ohne dass eine Synode dazu habe Stellung nehmen können. Allerdings führt der Autor für diese kritische Bemerkung keinerlei Belege aus der archivischen Überlieferung an (E. NEUBERT, Geschichte, S. 172).

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wirklich verwundern angesichts der zweifelsohne irreführenden Tatsache, dass die evangelischen Kirchen sich, beginnend mit der doppelten Staatsgründung, in unregelmäßigen Abständen und mit wechselnder Deutlichkeit kirchenintern und öffentlich immer wieder zur Einheit der EKD bekannt hatten – bundesdeutsche Kirchenleitende selbst noch zu dem Zeitpunkt, als die Ordnung des BEK bereits im Entwurf formuliert und der Zusammenschluss der acht Landeskirchen auf dem Gebiet der DDR beschlossene Sache war. Zudem wurden zwar Staat und Öffentlichkeit in der DDR von der östlichen Bischofskonferenz Anfang Juni 1968 über die zur Neuordnung der kirchlichen Gemeinschaft der dortigen Gliedkirchen und eine mögliche Verhandlungsführung mit staatlichen Organen eingesetzte Struktur- und Verhandlungskommission informiert, doch über die Zielstellung und die Ergebnisse der Arbeit nicht kontinuierlich auf dem Laufenden gehalten, sondern im Grunde lediglich ein Jahr später über den Vollzug der Kirchenbundgründung in Kenntnis gesetzt. Noch auf den getrennten Tagungen der Synode der EKD in Berlin-Spandau und Fürstenwalde/Spree, die zeitgleich vom 2. bis 7. April 1967 stattfanden, wurde eine gemeinsame Erklärung zur Einheit der EKD abgegeben.97 Diese Erklärung war – in Anlehnung an entsprechende Verlautbarungen der noch gesamtdeutsch tagenden Synode der EKD von 1956 und 1961 – zuerst von den Synodalen in Fürstenwalde verabschiedet und darauf von den EKD-Synodalen in Berlin-Spandau mit großem Beifall angenommen worden. In Teil I wurde Argumenten widersprochen, mit denen die Notwendigkeit einer Teilung begründet wurde. Die Einheit der 28 evangelischen Landeskirchen in der EKD habe Bestand und mit ihr der gottgegebene Auftrag der Evangeliumsverkündigung. Dem evangelischen Bekenntnis nach dürfe die kirchliche Gemeinschaft nur dann aufgegeben werden, wenn „der Bruder in Irrlehre oder Ungehorsam gegen den Herrn der Kirche beharrt“. Dies sei trotz mancher „Versuchung“ weder in der Bundesrepublik noch in der DDR der Fall. Der Aufforderung an die EKD, ihre Einheit aufzugeben, weil sie den Menschen „in zwei entgegengesetzten Gesellschaftsordnungen“ nicht mehr dienen könne, sei nicht Folge zu leisten, da eine Gesellschaftsordnung nicht zur „Herrin über den Christusdienst“ gemacht werden dürfe. Der zweite Teil enthielt Gründe, die für das Festhalten an der Einheit der EKD sprachen. Durch das gemeinsame Bekenntnis der evangelischen Christen zur Schuld und der Verantwortung für die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft sei die deutsche Christenheit frei geworden, das 97 BERICHT ÜBER DIE ERSTE TAGUNG DER VIERTEN SYNODE DER EKD, S. 167. Abdruck der „Erklärung der zur 1. Tagung der 4. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland in Fürstenwalde (Spree) versammelten Synodalen zur Einheit der EKD vom 5. April 1967“, später als „Fürstenwalder Erklärung“ bezeichnet, S. 378–381.

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„gemeinsame Erbe der Reformation“ „zu erhalten und zu bewähren“. Von der Verantwortung für das deutsche Volk könne sich die EKD auch in der Zukunft nicht entbunden fühlen. Ferner zeige sich in der gesamten Ökumene die starke und hoffnungsvolle Tendenz einer Annäherung, der durch die Teilung der Evangelischen Kirche in Deutschland nicht entgegengearbeitet werden könne. Im dritten Teil der Erklärung wurde die Pflicht der EKD für die Bewahrung ihrer Einheit nochmals bekräftigt und die Wichtigkeit von gegenseitiger Hilfeleistung, Vertrauen und Rücksichtnahme betont. Allerdings war in diesem Kontext auf die zur Erfüllung des kirchlichen Auftrags in beiden Teilen Deutschlands unter Umständen gebotene gegenseitige Freigabe hingewiesen und damit indirekt auch die Möglichkeit einer weiteren Regionalisierung der ostdeutschen EKD-Mitgliedskirchen eingeräumt worden. Am letzten Tag wurde der Synode der Entwurf des „Wortes an die Gemeinden angesichts der gefährdeten Einheit der Kirche“ vorgestellt und nach einer Debatte der überarbeitete Text verabschiedet. In dem Wort wurde um den Erhalt der sowohl von innen als auch von außen bedrohten Einheit gebeten. Gewarnt wurde allerdings vor einer Verbindung entsprechender Bemühungen mit „nationalistischen Tendenzen“.98 Danach berichtete der Ausschuss für öffentliche Verantwortung zum Thema „Einheit der EKD“, mit dem er unter anderem betraut worden war.99 Der Ausschuss hatte keinerlei Vorlage erarbeitet aufgrund der Tatsache, dass die „Fürstenwalder Erklärung“ vom 5. April 1967 als so „vortrefflich“ angesehen wurde, dass sie dergestalt übernommen werden sollte. „Sie spricht für uns und mit uns aus, was hier gesagt werden sollte. Sie spricht deutlich aus der drüben gegebenen Situation. Aber das ist ihr gutes Recht, das macht dieses Wort so lebensnah, richtig und notwendig. Wir konnten uns nicht entschließen, dem noch ein eigenes Wort hinzuzufügen. Wir meinten, daß im Rahmen dessen, was drüben gesagt wurde, auf ausgezeichnete Weise auch zum Ausdruck gebracht ist, was von uns her zu sagen wäre.“

Bei den getrennten EKD-Synodaltagungen in Berlin-Spandau und Fürstenwalde/Spree war also die Frage der Einheit der EKD jeweils ausführlich diskutiert worden. Dabei wurde von beiden Synodenteilen diese Diskussion fast vollständig von der Debatte um eine deutsch-deutsche Vereinigung lösgelöst. Dies mag angesichts der durch den Mauerbau zementierten Teilung nicht weiter erstaunen, doch setzte sich die Synode im Jahr 1967 auch verstärkt mit den theologischen und ebenso ideologischen Unterschieden zwischen den Gliedkirchen der EKD in Ost und West auseinander. Die in Krummachers Ergänzung zu Scharfs Bericht aufgeworfene Hauptfrage, der sich die Synodalen in Spandau 98 99

EBD., S. 203f. (Entwurf), 211ff. (überarbeiteter Text). EBD., S. 214–221.

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und Fürstenwalde gleichermaßen stellten, „warum und aus welcher geistlichen Verantwortung heraus“ überhaupt an der Einheit der EKD festgehalten werden solle, hatte Krummacher selbst schlicht mit „Glaubensgehorsam“ beantwortet. Er versuchte, mit dem Begriff der „Brücke“ aus kirchlicher Sicht die Funktion der EKD innerhalb der beiden deutschen Staaten adäquater zu beschreiben. Damit leitete er eine klare Tendenz zum Abrücken von der Verknüpfung zwischen nationaler und kirchlicher Einheit ein. Die bislang an die Kirche herangetragene Aufgabe, die DDR und die Bundesrepublik sozusagen stellvertretend für die fehlende gemeinsame Staatsform zu „verklammern“, sah Krummacher für die EKD nicht (mehr) als bindend an. Durch die Einbringung des Kirchengesetzes und des Ratsantrags zur Änderung der Grundordnung der Synode wurde zudem deutlich, dass die EKD-Synode erste Schritte in Richtung einer Anpassung der EKD an die veränderten politischen Verhältnisse vorzunehmen gewillt war. Vielmehr blieb ihr keine Wahl, wollte sie als Kirche ihrem Verkündigungsauftrag weiter nachkommen. Im Verlauf der jeweiligen Plenumssitzungen kam es jedoch hinsichtlich der sich bietenden Alternativen zu unterschiedlichen Akzentsetzungen. Die Synode in Spandau ging von der Tatsache aus, dass es sich bei der EKD um einen „Bund bekenntnisbestimmter Kirchen“ handele, der kein homogenes Glaubensverständnis aufweise. Der Ausschuss für öffentliche Verantwortung nahm dies auf und stellte die Frage, ob das Festhalten an der organisatorischen Gemeinschaft in der EKD einen Bekenntnisfall darstelle. Über diesen Punkt wurden die Synodalen in Spandau sich nicht einig. Während auf der einen Seite das Problem durch eine Unterscheidung zwischen organisatorischer und geistlicher Einheit umgangen werden sollte, wobei letztere die entscheidende und ausreichende für die Situation der EKD sei, wurde andererseits kritisiert, dass Form und Inhalt der EKD als Kirche nicht trennbar seien. Es sei ferner nicht akzeptabel, dass die Kirche durch die politischen Verhältnisse ihre Struktur antasten lasse, weil das Kirchesein in der EKD ein unaufgebbares Gottesgeschenk sei. Trotz der einheitlich mit großem Beifall aufgenommenen „Fürstenwalder Erklärung“ enthielt das am letzten Verhandlungstag von der Synode in Spandau verabschiedete „Wort an die Gemeinden“ den klaren Hinweis auf innerkirchliche, die Einheit der EKD gefährdende Unstimmigkeiten und warnte nun sogar auch vor „nationalistischen Tendenzen“ beim Eintreten für die Kirchengemeinschaft. Der Ausschuss für öffentliche Verantwortung kam in Spandau bezüglich der Einheitsfrage nach ausführlichem Abwägen des Für und Wider letztlich zu dem Ergebnis, dass eine Lösung dieser Frage erst in dem Moment unausweichlich werde, wenn einzelne Kirchenglieder ihr Ausscheiden aus der EKD-Gemeinschaft verkündeten. Bischof Dietzfelbinger brachte für die westlichen Synodalen die uneingeschränkte Zustimmung zur „Fürstenwalder Erklärung“ und den

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Willen zur Aufrechterhaltung der einen Evangelischen Kirche in Deutschland zum Ausdruck. Der Präses der in Fürstenwalde versammelten Synodalen Fritz Figur bot in seiner Einführung einen sehr konkreten und erhellenden Rückblick auf die bereits lange Vorgeschichte der Einheitsproblematik und schloss die Hauptfrage an, ob und wie die Synode ihre Bereitschaft zum Festhalten an der EKD beweisen wolle. In den Diskussionen, die auf den Rechenschaftsbericht, die Ergänzung dazu sowie die Einbringung des neuen Kirchengesetzes und des Ratsantrags folgten, setzte sich die Synode schwerpunktmäßig mit den äußeren, politisch motivierten Gefährdungen der gesamtdeutschen EKD auseinander. Das Plenum konzentrierte sich auf grundsätzliche Fragestellungen, vor allem auf die Klärung des Selbstverständnisses der EKD und den zugrundeliegenden Deutschlandbegriff, dessen verbindliche Interpretation für die östlichen Synodalen zweifellos einen höheren Stellenwert hatte. An diesem Punkt zeigte sich eben auch, dass die Synodalen aus der DDR sich weit weniger von der Hoffnung und dem Wunsch auf eine nationale Vereinigung verabschiedet hatten. Eine eher gegenläufige Tendenz innerhalb der thüringischen Landeskirche kam durch den Beitrag des thüringischen Bischofsstellvertreters Ingo Braecklein zutage. Den dortigen EKDSynodalen sei die Bitte mitgegeben worden, sich für eine Änderung der Betheler Gesetze und eine paritätische Besetzung des Rates der EKD mit Ost- und WestKirchenvertretern einzusetzen. Die Eindringlichkeit, mit der Braecklein betonte, dass dies keineswegs den Wunsch der Thüringer nach einer Teilung der EKD bedeute, ließ die östlichen Synodalen zu Recht aufhorchen. Denn bei einer realistischen Betrachtung der aktuellen Situation war die Frage tatsächlich nur legitim, wie das Festhalten an der organisatorischen und geistlichen Einheit der EKD über die Staatsgrenze zwischen beiden Teilen Deutschlands hinweg auf Dauer aufrechterhalten werden könnte. Dem wurde von anderer Seite – wie auch in Spandau – die Unteilbarkeit kirchlicher Einheit in Geist und Gestalt und ihre Unberührbarkeit durch weltliche Einflüsse oder Machtfaktoren entgegengehalten. Dibelius wies auf die Namensänderung der EKD nach dem Zweiten Weltkrieg hin, die allen völkischen oder nationalistischen Implikationen entgegenwirke, und betonte die Verantwortung der Kirche für alle Menschen in Ost und West fern jedweder politischen Konstellationen. Der Ausschuss für Theologie und Verkündigung löste allerdings mit seinem Antrag hinsichtlich eines bis in einzelne Formulierungen hinein vom Rat verantworteten Rechenschaftsberichts eine Debatte aus, die zeigte, dass auch die Synodalen der östlichen Gliedkirchen in theologischen Fragestellungen uneins waren. Und es wurde einmal mehr deutlich, dass Theologie und Verkündigung in ihrer Außenwirkung nicht auf Zeugnis und Dienst der Kirche zu beschränken waren, sondern gleichermaßen Einfluss auf die säkulare Welt zeigten. Dass dies umgekehrt der Fall war, wurde

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selbstverständlich von den evangelischen Christen in Ost- und Westdeutschland nicht bezweifelt, auch wenn sie ihren Blick dabei schon allein aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der DDR um einen zentralistisch aufgebauten Einparteienstaat mit einer erklärtermaßen atheistischen Weltanschauung handelte, primär auf den östlichen Teil Deutschlands richteten. Demgegenüber war die Bundesrepublik, gemessen an ihrem Selbstverständnis als Staat mit einer freiheitlich demokratischen Grundordnung, zunächst deutlich unverdächtiger, was mögliche Ein- und Übergriffe auf das kirchliche Wirken anbelangte. Wie im Folgenden erkennbar wird, hatten die Gliedkirchen in der DDR mit ihrem Bestreben, die kirchliche Einheit in der Gesamt-EKD weder institutionell noch im Sinne einer grenzübergreifenden Gemeinschaft im Glauben aufzukündigen, sich jedoch gleichzeitig als Kirche in einer sozialistischen Gesellschaft zu etablieren, eine schwierige Gratwanderung vor sich. Die Einführung einer „sozialistischen“ Verfassung in der DDR, mit der die evangelischen Kirchen im Jahr 1968 konfrontiert wurden, war ein Höhepunkt in einer Reihe von politischen Ereignissen und staatlichen Maßnahmen der SEDRegierung. Diese Verfassung verfehlte ihren Zieleffekt insofern keineswegs, als sie stark impulsgebend auf den Wandlungs- und Gestaltungsprozess der Kirchen in Ost und West wirkte. Die wechselseitigen kirchlichen und staatlichen Aktivitäten und Reaktionen nicht nur in der DDR, sondern gleichfalls in der Bundesrepublik, wurden bis zur Akzeptanz des östlichen Kirchenbundes durch die SEDRegierung im Jahr 1972 kaum noch von vergleichbaren Zäsuren beeinflusst. Vielmehr sollte die Kommunikation auf unterschiedlichen Ebenen stattfinden, mit beidseitig ebenso differenzierter Taktik wie auch spontanen Alleingängen. Bereits vor dem Bekanntwerden des Entwurfs einer neuen Verfassung der DDR nahmen die Spannungen zwischen Kirche und Staat in der DDR in vielen Bereichen spürbar zu. Die Beziehungen der östlichen und westlichen Gliedkirchen blieben davon nicht unberührt, die gegenseitige Kontaktaufnahme wurde zusehends behindert und erschwert. So hielt der Präsident der Kirchenkanzlei der EKD, Walter Hammer, die wichtigsten Informationen über die Lage der Kirchen in der DDR, wie sie ihm bei einer Besprechung mit östlichen Kirchenvertretern am 21. September 1967 in Ost-Berlin übermittelt worden waren, in einem langen Vermerk fest. Krummacher sei aufgefallen, dass die SED-Regierung ihre Versuche ausweite, die Kirchen in der DDR in den rein religiösen Bereich abzudrängen. Seine Einschätzung basierte auf einigen Beobachtungen: Der Staat erkläre die großen Dome und attraktiven Kirchen zum „kulturellen Eigentum der Nation“ und wolle seine Vertreter zum Beispiel im Naumburger und im Merseburger Dom als Fremdenführer einsetzen. Vergleichbare Absichten zeigten sich sogar bei Laienspielen und Tanzveranstaltungen „rein biblischen Inhalts“. Es werde von Seiten des Staates offensichtlich ausgetestet, wann der

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Punkt erreicht sei, an dem die Kirchen sich gegen diese Beschränkung zur Wehr setzten.100 Zur Frage der Einheit der EKD sei Hammer die Bitte mitgegeben worden, dass die theologische Auseinandersetzung im Sinne einer positiven Begründung keinesfalls beendet werden dürfe und eine entsprechende Debatte auf der Klausurtagung des Rates im Januar des kommenden Jahres wünschenswert sei. Die DDR-Kirchenvertreter sähen seit der Verabschiedung der „Fürstenwalder Erklärung“ vor allem in östlichen und westlichen Publikationen eine neue Tendenz, der entgegenzuwirken sei: Diejenigen, die kritisch die Legitimation eines kirchlichen Zusammenhalts hinterfragten oder in Abrede stellten, befänden sich in der Überzahl und blieben nicht ohne Einfluss. Es sei ein „bemerkenswertes Indiz“, dass CDU-Mitglieder wie Carl Ordnung und Herbert Trebs keinerlei Skrupel hätten, die materiellen Hilfen, die die West-EKD ihren östlichen Gliedkirchen zukommen lasse, in der Öffentlichkeit kritisch zu thematisieren. Krummacher habe sich gegenüber Hammer hinsichtlich der „rechtlichen Form der Synodaltagung im Herbst 1968“ für eine regionale Tagung ausgesprochen. Schwierigkeiten habe es auch hinsichtlich der von der Kirche erbetenen Ausreisegenehmigungen für zwanzig Kirchenvertreter zur Versammlung der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) in Pörtschach gegeben. Die staatlichen Organe hätten – obwohl es grundsätzlich im Sinne der DDR-Regierung war, durch die Beteiligung der evangelischen Kirchen in der DDR an der Konferenz ihr Ansehen im internationalen Rahmen zu verbessern – nur neun potentiellen Teilnehmern die Ausreise gestattet. OKR Walter Pabst habe bei der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen mit Hauptabteilungsleiter Hans Weise Rücksprache gehalten. Dieser habe ihm erläutert, eben jene neun Kirchenvertreter seien vom Staat für die Reise freigegeben worden. Weise sei „explodiert“, als Pabst auf die Erklärung von Heraklion101 hingewiesen habe. Er habe Pabst 100

Der Hintergrund war der staatlichen Überlieferung zufolge nicht primär die Lust am Machtspiel, sondern ein wachsender Einfluss der Kirche. Z. B. schickten zunehmend Eltern ihre Kinder nach der Jugendweihe zur Firmung oder Konfirmation, was aus staatlicher Sicht einem Abschwören des Jugendweihegelöbnisses gleichkam. Ferner gab es offenbar vermehrt Fälle, in denen SED-Mitglieder Religionsunterricht nahmen, um eine kirchliche Trauung mit ihren evangelischen Partnern zu ermöglichen. In einem Schreiben eines Parteimitglieds vom 15.6.1967 an ZK-Sekretär Albert Norden hieß es: „Es ist notwendig, in der Partei in allen Parteiorganisationen klarere Vorstellungen in der Haltung zur Kirche zu schaffen. Wenn schon Parteimitglieder mitspinnen, dann kann man ja der Kirche keinen Vorwurf machen, daß sie für ihre kirchlichen Handlungen Bedingungen [Unterricht in Religion vor der kirchlichen Trauung; A. S.] stellt. […] Es ist doch einfach unerhört, daß erwachsene Mitglieder unserer Partei Religionsunterricht nehmen. Da schießen wir aus allen Rohren gegen die Imperialisten und die imperialistische Kirche, ihr Terror gegen den Fortschritt wird aber noch von Narren in unserer eigenen Partei nachgebetet. Wenn dies alles unwidersprochen bleibt, werden wir selber uns die Schwierigkeiten züchten“ (SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/14/3, Bl. 97f.). 101 In Heraklion (Kreta) hatte vom 15.–26.8.1967 der Zentralausschuss des ÖRK getagt, und es war v. a. seitens der ROK Kritik an den Erklärungen zu Vietnam und der Nahostfrage geübt worden. Vgl.

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gedroht, dass ähnliche Bemerkungen in der Zukunft zur Konsequenz haben würden, dass die Kirchen höchstens einen einzigen Vertreter als Beobachter zu ökumenischen Veranstaltungen entsenden dürften und sonst keinerlei Ausreisegenehmigungen mehr erteilt würden. Erklärungen wie die von Heraklion erachte die DDR als Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten. Pabsts Hinweis, dass es problematisch sei, in Pörtschach anderen östlichen Kirchenvertretern die zu erwartende Frage nach dem Verbleib der restlichen elf DDR-Delegierten zu beantworten, hatte Weise offenbar nur noch mehr verärgert. Er habe Pabst vorgeschlagen, dann zu sagen, dass „in keinem anderen sozialistischen Lande […] das Verhältnis zwischen Kirche und Staat so schlecht [sei] wie in der DDR“. Offenbar versuche das Staatssekretariat jetzt, „von der negativen Auswahl zur positiven Bestimmung der ‚Delegierten‘ überzugehen“. Es könne „lediglich erheitern“, dass bei der Nichterteilung von Reiseanträgen vorgegeben werde, die Bezirke seien die Entscheidungsträger. Die Kirchen in der DDR hätten sich daher entschlossen, lieber fünf ihrer Gliedkirchen auf der ökumenischen Konferenz unvertreten zu sehen als sich darauf einzulassen, staatliche Namensvorschläge zu akzeptieren. Es werde auch nicht auf die bestehende Möglichkeit zurückgegriffen, die kirchlichen Stimmrechte auf andere Personen zu übertragen. Ferner war Hammer von dem Gerücht in Kenntnis gesetzt worden, OKR Gerhard Lotz plane, in den Dienst des Staates überzuwechseln, da ihm in der evangelischen Kirche „nicht das ihm angemessene Wirkungsfeld“ geboten werde. Obwohl es sich hier natürlich um eine schockierende Nachricht handelte, sei bekannt, dass im Hinblick auf Bischof Moritz Mitzenheims Ausscheiden aus dem Bischofsamt kein Kirchenvertreter daran interessiert sei, seine Nachfolge anzutreten, solange Lotz seine Position im Thüringer Landeskirchenrat102 innehalte. Krummacher und andere Vertreter der DDR-Kirchen hatten dann an Hammer ihren Wunsch weitergegeben, dass es Olav Lingner als nebenamtlicher Referent in der Berliner Stelle der EKD-Kirchenkanzlei ermöglicht werde, „möglichst weitgehend“ an den Sitzungen des Rates der EKD teilzunehmen.103 Wie Behm den Referenten aus den leitenden Verwaltungsbehörden der DDRGliedkirchen am 10. Januar bei einer sogenannten Erweiterten Besprechung berichtete, sei nicht nur in der Außen-, sondern auch in der Deutschlandpolitik eine „Verhärtung der Fronten“ zu beobachten. Ferner strebe die Staats- und Parteiführung mittels einer neuen Verfassung Veränderungen an, die für die Kirchen neue Wirklichkeiten schafften. Während die für den Sektor Kultur

dazu A. BOYENS : Ökumenischer Rat der Kirchen und Evangelische Kirche in Deutschland zwischen West und Ost. In: G. BESIER /A. BOYENS /G. LINDEMANN, Protestantismus, S. 129–133. 102 Lotz war derzeit stellv. Vors. im Landeskirchenrat und Bischofsstellvertreter. 103 Vermerk Hammer vom 23.9.1967, S. 3, 4, 7, 9, 10 (EZA, 87/1007).

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zuständigen staatlichen Organe gestärkt würden, versuche man, die Kirche aus diesem Bereich herauszudrängen und auf den „Kultus“ zu beschränken. Für die EKD erwüchsen immer neue Schwierigkeiten. Die kirchliche Presse in der DDR sei wegen der Verwendung der Bezeichnung „EKD“ Anfeindungen ausgesetzt. Die Landeskirchen in der DDR befänden sich in einer zunehmend problematischen Situation. Innerkirchlich müsse die prüfende Frage gestellt werden „Was bedeutet uns die EKD?“104 Wie gleich am ersten Sitzungstag der Klausurtagung des Rates der EKD in Friedewald, am 13. Januar, deutlich wurde, mussten auch die westlichen Brüder sich diese Frage nun ernsthaft stellen. Denn nicht nur die SED brachte gegenüber der evangelischen Kirche in der DDR ihre Erwartungshaltung auf direktem und indirektem Wege zum Ausdruck, sondern auch die Bundesregierung forderte die Kirchen auf, sich im Westteil Deutschlands deutlich zu positionieren. Der Bevollmächtigte des Rates am Sitz der Bundesrepublik Deutschland und Evangelische Militärbischof, Hermann Kunst, informierte über die Anfrage der Regierung der Bundesrepublik nach dem konkretem Beitrag der evangelischen Kirche zur Demokratie. Es werde durchaus anerkannt, dass die „Belastung der Kirche durch die DDR besonders groß“ sei. Jedoch werde die „politische Kirche“ „immer nur in einer kritischen Haltung gegenüber der Bundesregierung“ wahrgenommen. Die Politiker fragten sich – wobei zum Beispiel der Name Martin Niemöller gefallen sei und an die Pfarrer gedacht werde, die „in Talaren an Demonstrationszügen“ teilnähmen – ob die evangelische Kirche nicht „mehr oder weniger krampfhaft“ versuche, „Kirche von heute“ sein zu wollen. Die staatliche Erwartungshaltung sei deutlich: Die Kirche solle bei ihrer Standortbestimmung „auch eine positive Haltung zur Demokratie“ finden. Angesichts der Tatsache, dass die evangelische Kirche „immer noch als Volkskirche“ existiere, sei ein nachdrücklicher staatlicher Wunsch in dieser Richtung nicht „abwegig“. Kunst vertrat vor den Anwesenden die Einschätzung, dass die Kirche in der Außenpolitik – und dazu seien auch die Beziehungen zur DDR zu rechnen – das Mitspracherecht verloren habe, welches man ihr unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg eingeräumt habe: „Die Zeit, in der Otto Dibelius Grotewohl und Adenauer sein Haus als Verhandlungsort anbieten konnte, sei vorbei.“ Die Handlungsmöglichkeiten der EKD seien somit darauf beschränkt, Hilfestellung bei dem Versuch zu leisten, die „harte politische Auseinandersetzung durch menschliches Entgegenkommen“ zu mildern. Dabei handele es sich um „Passierscheinabkommen, Familienzusammenführung, finanzielle Unterstützung, Alimentezahlungen, politische Fäden zur DDR“. Eine besondere 104 Niederschrift (Lewek) über die Erweiterte Referentenbesprechung am 10.1.1968 in Berlin, S. 1 (EZA, 104/200).

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Bindung, die aber innerhalb der Bundesrepublik „mehr und mehr umstritten“ werde, sei nach wie vor der „kirchlichen Kanal zur DDR“.105 Zum Thema „Einheit der Kirche zwischen Ost und West“ konstatierte Kunst, dass er die nur noch auf indirekten Kontakten basierenden Verbindungen zwischen den Ratsmitgliedern aus der DDR und denen aus der Bundesrepublik für besonders problematisch halte. Da die Pflege persönlicher Beziehungen durch die politischen Umstände nahezu unmöglich geworden sei, verlören die westlichen Ratsmitglieder mit der Tuchfühlung zu den DDR-Brüdern gleichzeitig den Überblick über deren Denk- und Entscheidungsprozesse sowie die daraus resultierenden Ergebnisse. Auch bestünde praktisch kaum noch eine Möglichkeit, im Gespräch mit den östlichen Kirchenvertretern etwas über die Pläne bzw. Konzeptionen staatlicher Kirchenpolitik zu erfahren, so dass die Erwartungshaltung der SEDRegierung unklar bliebe. Die bundesdeutschen Ratsmitglieder könnten sich daher nicht auf zu erwartende Handlungen einstellen, es bleibe vor allem hinsichtlich einiger konkreter Fragen eine große „Unsicherheit in der Beurteilung der Sachlage“: „In diesem Zusammenhang bedürfe es dringend der Überlegung, ob die theologische und politische Aussage von Fürstenwalde ausreichend sei, um der DDR gegenüber an dem Postulat der Einheit der EKD festhalten zu können. Offen sei die Frage, welche Möglichkeiten die DDR-Regierung sähe, der EKD Schwierigkeiten zu bereiten. Ebenso sei ungewiß, mit welchem Nachdruck die DDR die Trennung zwischen EKD-Ost und EKD-West zu betreiben beabsichtige. Zur Zeit sähe es so aus, daß das Gesetz des Handelns der Kirche aus der Hand genommen sei. Dies ginge auf keinen Fall so weiter. Man müsse klar wissen, was man kirchlicherseits anstreben ggf. durchsetzen wolle. Dazu gehöre besonders für die westlichen Ratsmitglieder die Überlegung, welche Ratschläge im Einzelfall den östlichen Brüdern gegeben werden müßte [sic]. Die Frage sei nun, wie dieses Ziel einer klareren Konzeption zu erreichen sei.“106

Der neue Verfassungsentwurf, der am 31. Januar öffentlich gemacht, nach einer Diskussion innerhalb der DDR-Gesellschaft in einer sogenannten plebeszitären Abstimmung von 94,5 Prozent der Wahlberechtigten (SED-Angabe) angenommen wurde und mit dem 9. April 1968 Gültigkeit erlangte, stellte die evangelische Kirche dann tatsächlich rascher als offenbar zumindest in Hannover angenommen vor eine veränderte Situation. Das Inkrafttreten der neuen „sozialistischen“107 Verfassung der DDR, die diejenige aus dem Jahr 1949 ablöste, 105 Kurzreferat, gehalten von H. Kunst auf der Klausurtagung des Rates der EKD am 13.1.1968, S. 2, 3 (EZA, 4/63). 106 Auszug aus Niederschrift (Lingner) der Sitzung des Rates EKD am 13./14.1.1968 (EZA, 4/454). 107 Der Führungsanspruch der SED erfuhr in Art. 1 Abs. 1 eine verfassungsrechtliche Absicherung: „Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat deutscher Nation. Sie ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land, die gemeinsam unter Führung der Arbeiter-

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brachte eine große Einschränkung kirchlicher Rechte mit sich. Die evangelische Kirche verlor de jure ihren Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ganz bewusst sollten die evangelischen Landeskirchen in der DDR unter Zugzwang gesetzt werden, die DDR als neues Betätigungsfeld anerkennen und sich folgerichtig von der Gesamt-EKD endgültig lösen. Die Verselbständigung der Kirchen in der DDR und möglichst die Zerschlagung der EKD waren das erklärte Ziel der SED spätestens seit dem Abschluss des Militärseelsorgevertrags. Anfang 1967 hatte Paul Verner, Politbüro-Kandidat und Sekretär des ZK der SED, vor Parteimitgliedern bereits folgendes formuliert: „Wir müssen taktische Maßnahmen überlegen, wie wir Schritt für Schritt das kirchliche Leben organisieren nach den realen historisch entstandenen Möglichkeiten.“108 Die neue Verfassung sollte also aus Sicht der SED die EKD-Gliedkirchen auf dem Staatsgebiet der DDR „zu einer organisatorisch-juristischen Anerkennung politischer Tatsachen“ zwingen.109 Die rechtliche Stellung der Christen und der Kirchen war vor allem in Artikel 39110 bezeichnet: „(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, sich zu einem religiösen Glauben zu bekennen und religiöse Handlungen auszuüben. (2) Die Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften ordnen ihre Angelegenheiten und üben ihre Tätigkeit aus in Übereinstimmung mit der Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen der Deutschen Demokratischen Republik. Näheres kann durch Vereinbarungen geregelt werden.“

Vor allem Absatz zwei des zitierten Artikels besagte jedoch, dass die kirchlichen Handlungen der Verfassung der DDR nicht widersprechen durften, also von den staatlichen Organen an dieser gemessen werden konnten.111 Der Zusatz, dass „Näheres“ durch Vereinbarungen geregelt werden könne, verstärkte die – ausklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei den Sozialismus verwirklichen“. Die Verfassungen von 1949 und 1968 wurden im GBl. der DDR veröffentlicht. Die die Kirchen betreffenden Artikel sind abgedruckt in: KJ 1968 (95. Jg.), S. 165f. (1949), 166f. (Entwurf der Verfassung von 1968) und 190f. (Endgültige Fassung vom 6.4.1968). – Vgl. insbesondere auch H. ROGGEMANN, DDR-Verfassungen. 108 Mitschrift der Ausführungen P. Verners und daraus entstandener Konzeptionsentwurf vom 17.1.1967. Zitiert nach H. DOHLE, Grundzüge, S. 24. 109 EBD., S. 25. – Um die staatlichen Funktionäre auf der oberen Ebene entsprechend zu instruieren, beschloss das Politbüro auf seiner Sitzung am 20.2.1968, „zur Verfassungsdiskussion eine interne Argumentation zu den kirchlichen Fragen herauszugeben“ (SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2/1155, Bl. 2). 110 Zum Vergleich hier der Wortlaut des Artikels im Verfassungsentwurf (dort Art. 38), der sich nur im 2. Absatz von dem endgültigen Gesetzestext unterschied: „(2) Die Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften haben ihre Angelegenheiten und ihre Tätigkeit in Übereinstimmung mit der Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen der Deutschen Demokratischen Republik zu ordnen und durchzuführen“ [Hervorhebungen durch A. S.]. Der letzte Satz („Näheres kann…“) war im Entwurf der Verfassung nicht enthalten. 111 Dieser Grundsatz gilt natürlich auch in demokratischen Staaten, gewinnt jedoch in einem Einparteienstaat eine andere Qualität.

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legungsabhängige und damit schwammige – Bedeutung der Neuregelung und vor allem ihrer Konsequenzen für den Wirkungsspielraum der Kirchen in der DDR.112 Der SED-Staat eröffnete sich mit der Option, separate Vereinbarungen mit einzelnen Landeskirchen in der DDR zu treffen, Möglichkeiten für die Ausgestaltung seiner Kirchenpolitik, die im Zuge der Verselbständigung der DDRGliedkirchen und auch in den Folgejahren eine erheblich Rolle spielen sollten: Der Ausblick auf „Vereinbarungen“, die – wenn sie auch nur für einen konkreten Teilbereich geschlossen würden – einen gewissen rechtlichen Status hätten und deren Einhaltung somit (wechselseitig) einklagbar wäre, musste auf die evangelischen Kirchen in der DDR anziehend wirken. Diese Attraktivität konnte jedoch nicht frei von Ambivalenz sein, zumal wie immer geartete Regelungen zwischen Staat und Kirche eine beiderseitige Verhandlungsbereitschaft voraussetzten. Damit hatten die staatlichen Organe ein potentielles Druckmittel in der Hand, die evangelischen Kirchen zumindest zur gründlichen Zurkenntnisnahme der staatlichen Erwartungshaltung zu bewegen. Die Staats- und Parteiführung konnte ferner ihre sogenannte Differenzierungspolitik betreiben und sogar dahingehend ausbauen, von den acht Landeskirchen in der DDR ausgewählte als Verhandlungspartner des Staates durch Einzelabsprachen zu binden. Weiter garantierte Artikel 20, Absatz 1, die Gewissens- und Glaubensfreiheit sowie die Rechtsgleichheit aller DDR-Bürger: „(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat unabhängig von seiner Nationalität, seiner Rasse, seinem weltanschaulichen oder religiösen Bekenntnis, seiner sozialen Herkunft und Stellung die gleichen Rechte und Pflichten. Gewissens- und Glaubensfreiheit sind gewährleistet. Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich.“113

Artikel 6, Absatz 5, erklärte die Bekundung u. a. von Glaubenshass zum Straftatbestand: „(5) Militaristische und revanchistische Propaganda in jeder Form, Kriegshetze und Bekundung von Glaubens-, Rassen- und Völkerhaß werden als Verbrechen geahndet.“114

Allein die heftige Diskussion über mögliche Konsequenzen der Verfassung für die evangelischen Christen und Kirchen und die damit verbundene „Polarisierung der Kräfte“ in den Kirchen kam der SED-Kirchenpolitik entgegen. Diese für den Staat günstige Tendenz veranlasste den Staatssekretär für Kirchenfragen, Hans Seigewasser, zu der „Aufgabenstellung“ für die staatlichen Organe, „diesen 112 Vgl. zu den innerkirchlichen Reaktionen und Überlegungen auch die persönlichen Erinnerungen von R. von WEDEL, Kirchenanwalt, v. a. S. 93–97. 113 Die von der Verfasserin kursiv gesetzten Passagen fehlten noch im Verfassungsentwurf, in der dieser Artikel die Nummer 19 war. 114 Im Entwurf der Verfassung war dieser Artikel gleichlautend.

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massenpolitischen Aufschwung zu nutzen, noch stärker zu differenzieren, die innerkirchlichen Gegensätze auch von außen noch zu schüren, damit Auseinandersetzungen innerhalb der Kirchen und nicht zwischen Staat und Kirche stattfinden“.115 Bereits am 7. Februar, wenige Tage nach der Veröffentlichung des Entwurfs für die neue „sozialistische“ Verfassung der DDR116, traf Staatssekretär Seigewasser mit dem als staatsloyal117 geltenden Thüringer Landesbischof Mitzenheim im „Haus Fortuna“ in Tabarz zusammen, um für die Stärkung und Unterstützung seiner Position – keine Änderungsvorschläge zur „Privilegierung“ der Kirche, sondern für eine feste Stellung der evangelischen Kirche in der sozialistischen Gesellschaft – zu werben. Die SED sah in Mitzenheim denjenigen Bischof, der notfalls im Alleingang die staatlichen Positionen gegen die übrigen sieben Landesbischöfe auf dem anstehenden Bischofskonvent in Lehnin Mitte Februar durchsetzen könnte. Mitzenheim blieb dem Konvent allerdings fern, so dass ein dort formuliertes Schreiben der Bischöfe an den Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht (vom 15. Februar 1968) nur sieben Unterschriften trug. Ein in dem Schreiben enthaltener Satz besagte, dass die Bischöfe sich „als Staatsbürger eines sozialistischen Staates […] vor die Aufgabe gestellt [sähen], den Sozialismus als eine Gestalt gerechteren Zusammenlebens zu verwirklichen“.118 Aus dem inhalt115

H. DOHLE, Grundzüge, S. 36. Am 3. Februar 1968 in der NEUEN ZEIT. 117 Bereits aus einem Gespräch, das Seigewasser am 30.8.1962 [sic] mit Vertretern der Berlin-brandenburgischen Kirchenleitung führte, geht diese Charakterisierung Mitzenheims klar hervor: „Der Staatssekretär unterstrich, daß in der DDR keine Staatskirche bestünde. Ihn interessiere nicht, wer Bischof in Pommern sei. Aber den Staat interessiere sehr, wer als Sprecher der Kirchen auftreten würde. Der Staatssekretär gebrauchte unter Hinweis auf Bischof Mitzenheim den Ausdruck ‚rangältester Bischof‘. Ihm wurde entgegen gehalten, daß die Kirche diesen Terminus nicht kenne.“ Der ehemalige Generalsuperintendent von Ost-Berlin, Fritz Führ, sprach über die „unmögliche Situation“ Mitzenheims und dass dieser das Vertrauen der Kirchen nicht besitze. Seigewasser nannte Mitzenheim einen „so loyalen Staatsbürger“, den der Staat „nicht im Stich lassen würde“ (EZA, 102/373). – Allerdings war Seigewasser 1968 durchaus bewusst, dass Mitzenheim zumindest auf der mittleren und unteren Ebene der thüringischen Kirchenvertreter nicht unumstritten war und die „progressiven Kräfte dieser Landeskirche nicht einheitlich“ wirkten. Daher sei die „Arbeit unter den Thüringer Synodalen“ ein Schwerpunkt („Lektion“ Seigewasser vor Mitarbeitern für Kirchenfragen am 12.2.1968. In: SAPMOBArch, DY 30/IV A 2/14/8, Bl. 32–50; hier Bl. 46). 118 Die Bischöfe stellten diese Formulierung durch den Anschlusssatz aus dem Darmstädter Wort des Reichsbruderrates der Bekennenden Kirche vom 8.8.1947 in einen umfassenderen Zusammenhang: „Als Christen lassen wir uns daran erinnern, daß wir es weithin unterlassen haben, die ‚Sache der Armen und Entrechteten gemäß dem Evangelium von Gottes kommenden Reich zur Sache der Christenheit zu machen‘“, demnach für soziale Gerechtigkeit einzutreten. Doch auch das Darmstädter Wort war seinerzeit als „Sozialistenbeschluß“ kritisiert worden. Der Brief aus Lehnin ist vollständig abgedruckt bei R. HENKYS, Bund, S. 112ff. – Henkys schreibt, dass es zu einer nachträglichen Unterschrift Mitzenheims zwar nicht gekommen sei, dieser jedoch später Wert auf die Feststellung gelegt habe, „daß auch er den Inhalt des Briefes billigt“ (EBD., S. 112). – Hamel erinnert sich in einem Interview, dass 116

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lichen Zusammenhang genommen löste diese Textpassage heftige Reaktionen aus, die von dem von kirchlicher Seite vorgebrachten Vorwurf politischer Akklamation bis hin zu zufriedenen Äußerungen seitens der SED reichten. Lingner konnte in Bezug auf den noch nicht abgeschickten Brief der Bischöfe Wilkens am 14. Februar kurz über die Unstimmigkeiten berichten, die auf der laufenden EKU-Synode119 beinahe zu einer Eskalation geführt hatten. Mehrere Mitglieder unterschiedlicher Kirchenleitungen hätten vehement dagegen protestiert, von den Bischöfen nicht über dieses Schreiben informiert und damit übergangen worden zu sein. Es sei nicht akzeptabel, dass die Bischöfe „in einer so wichtigen Sache aus eigener Machtvollkommenheit“ heraus handelten. Nun habe Krummacher auf dieses Votum der Kirchenleitungsmitglieder, die damit das Absenden des Briefentwurfs der Bischöfe zur Verfassungsfrage verhindert hätten, „höchst erregt und wohl auch wütend“ reagiert. Der umstrittene Brief gelte nun „als nicht mehr existent. Er ist nie geschrieben worden“. Krummacher habe „sich alle weiteren Schritte vorbehalten“ und verlauten lassen, dem Evangelischen Nachrichtendienst in der DDR ein Interview geben zu wollen. Obwohl die DDR-Kirchenvertreter natürlich nicht über mögliche Inhalte dieses Gesprächs mit ENA informiert seien, hegten sie die schlimmsten Befürchtungen.120 Tatsächlich gab Krummacher, wie auf der Synode verkündet, gegenüber ENA eine Stellungnahme zum Verfassungsentwurf ab, die am 14. Februar abgedruckt wurde.121 Er wies darauf hin, dass die ostdeutschen Gemeinden Honeckers Aussage vor der Volkskammer, die Tätigkeit der evangelischen Kirchen in der DDR werde auch nach Inkrafttreten der neuen Verfassung „voll gewährleistet“ bleiben, mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen hätten. Angesichts der Tatsache, dass die „rechtliche Basis“ jegliches kirchliche Handeln und die Erfüllung ihrer Aufgaben erst ermögliche, kämen nun unter Christen Zweifel auf, ob u. a. der dafür maßgebliche Artikel 38 des Entwurfs der Verfassung die Wahrung kirchlicher Rechte ausreichend deutlich zum Ausdruck bringe. Wenn die evangelischen Kirchen in der DDR eine klarere und verbindlichere Formulierung wünschten, sei das nicht als Verlangen nach „Privilegien“ zu missdeuten. Krummacher wies weiter darauf hin, dass die evangelischen Christen in Ostmit dieser „zweideutigen“ Formulierung „als Staatsbürger“ statt „als Christ“ kein Vergleich mit dem westlichen System gemeint gewesen sei, sondern zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass das, „was wir als real existierenden Sozialismus erlebten, der Verbesserung höchst bedürftig sei“. Überhaupt sollte mit dem Schreiben die Verfassung abgelehnt werden. „Aber es war eine Blindheit, daß wir die Sache nicht in eine Form übersetzt haben, die unmißverständlich gewesen ist.“ In: H. FINDEIS /D. POLLACK (Hg.), Selbstbewahrung, S. 175ff.; hier S. 177. 119 Die EKU-Teilsynode tagte vom 9.–15.2.1968 in Potsdam-Babelsberg. 120 Schreiben Lingner an Wilkens vom 14.2.1968, S. 1f. (EZA, 4/181). 121 Vgl. zu den Krummachers Haltung betreffenden Vorgängen die detaillierte und Hintergründe erhellende MfS-Akte in: BStU (ZA Berlin), MfS AP 11318/92.

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deutschland die DDR seit ihrer Gründung als „ihren Staat“ bejahten und die Kirche auch durchaus für dessen völkerrechtliche Anerkennung eintrete. Allein die „Herstellung normaler Beziehungen“ zwischen der DDR und der Bundesrepublik und ihre „Zusammenarbeit“ seien die Voraussetzungen für eine haltbare und dauerhafte Friedensordnung in Europa und wirkten sich positiv auf die voneinander getrennt lebenden Deutschen aus. Damit war Krummacher bei der Tätigkeit und christlichen Verantwortung der evangelischen Kirchen in der DDR angelangt und thematisierte vorsichtig das Verhältnis der Gliedkirchen in Ost und West: „Bei solchem Dienst nehmen wir keinerlei Weisungen oder gar ‚Bevormundungen‘ entgegen, die etwa von außerhalb unseres Staatsgebiets kommen könnten. Unsere evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik sind eigenverantwortlich in ihrem Bereich. Eine solche kirchliche Selbständigkeit steht nicht im Widerspruch zu der brüderlichen Gemeinschaft des christlichen Glaubens, die über alle staatlichen Grenzen hinweg lebendig ist. Beides – kirchliche Selbständigkeit und übergreifende Glaubensgemeinschaft – gehört im ökumenischen Zeitalter ohne Zweifel zusammen. Auf solchen Grundlagen kann, wie ich meine, im Rahmen der künftigen Verfassung das Verhältnis von Staat und Kirche auf allen Ebenen kirchlichen Lebens hilfreich und fruchtbar sein.“122

Krummacher wollte mit dieser zaghaften Formulierung, die Entgegenkommen und Forderung gleichermaßen zum Ausdruck brachte, offenbar der SED-Regierung schmackhaft machen, dass die – unerläßliche – verfassungsmäßige Sicherung kirchlicher Rechte nicht missbraucht werden würde und sogar das Zulassen grenzübergreifender Kommunikation zwischen den evangelischen Kirchen in Ost- und Westdeutschland der Konsolidierung der DDR im internationalen Rahmen zum Vorteil gereichen werde. Die DDR-Bischöfe hatten den auf ihrem Konvent in Lehnin am 15. Februar – in der von Schönherr überarbeiteten Fassung – diskutierten Brief angenommen und an den Staatsratsvorsitzenden gesandt. Das Schreiben unterschied sich allenfalls in seiner Schwerpunktsetzung auf die Kritik an der Undeutlichkeit des Verfassungsentwurfs tendenziell von Krummachers eigenverantworteter Stellungnahme. Während die Bischöfe sich eingangs ebenfalls als Christen und Staatsbürger klar im sozialistischen Staat verorteten und ihre Mitwirkung auch an der Verwirklichung „des Sozialismus als eine Gestalt gerechteren Zusammenlebens“ zusagten, wurden die deutsch-deutschen Beziehungen hinsichtlich der Gemeinschaft der evangelischen Kirchen nicht weiter angesprochen. Kritisiert wurde grundsätzlich die mehrfach in dem Entwurf gebrauchte Formel „gemäß dem Geist und den Zielen dieser Verfassung“, die nach der Einschätzung der 122

Auszugsweiser Abdruck bei R. HENKYS, Bund, S. 111f.

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Bischöfe „mannigfaltiger Auslegung“ geeignet sei. So baten sie um eine Präzisierung der die Kirchen betreffenden Verfassungsartikel und schlugen für die Endfassung einen modifizierten Wortlaut des Artikels 38 vor: „1. Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, einen religiösen Glauben zu bekennen und religiöse Handlungen auszuüben. 2. Die Tätigkeit der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften gemäß ihrem religiösen Bekenntnis, insbesondere die Seelsorge, die Unterweisung und die gemeinnützige Arbeit, werden gewährleistet. Die Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften ordnen ihre Angelegenheiten selbständig nach Maßgabe der für alle geltenden Gesetze. Ihre Rechtsfähigkeit, ihr Eigentum sowie das Recht, ihre Mitglieder zu geordneten Abgaben und zu Opfern heranzuziehen, werden gewährleistet.“123

Die Änderungswünsche betrafen den zweiten Absatz, wobei im ersten Satz nicht nur die wichtigsten kirchlichen Tätigkeitsbereiche aufgeführt, sondern ihre Sicherung festgeschrieben werden sollte. Gleiches betraf die kirchliche „Rechtsfähigkeit“ und ihr Eigentum sowie die Einziehung von Kirchensteuern, die als dritter Satz hinzugefügt worden war. Der zweite Satz war von der im Entwurf der Verfassung verwendeten Formulierung: „Die Kirchen […] haben zu ordnen und durchzuführen“ in ein neutrales, nicht als Befehl anklingendes „ordnen“ verändert. Letztlich hieß es in der DDR-Verfassung in dem als Nr. 39 erscheinenden Artikel im zweiten Absatz dann: „Die Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften ordnen ihre Angelegenheiten und üben ihre Tätigkeit aus in Übereinstimmung mit der Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen der Deutschen Demokratischen Republik. Näheres kann durch Vereinbarungen geregelt werden.“

Stolpe berichtete am 4. April Krummacher über die Chefbesprechung124 vom gleichen Tag, während der nahezu drei Stunden lang über die Situation der EKD verhandelt worden war, ohne dass man sich über das weitere Vorgehen hatte einig werden können.125 Vier Möglichkeiten hatten sich herauskristallisiert, wie die evangelischen Kirchen reagieren könnten, um ihre Handlungsfähigkeit zu bewahren. Der Vorschlag, die Ordnung der EKD ruhen zu lassen und eine 123

Abdruck des Briefs auch in: KJ 1968 (95. Jg.), S. 181f.; hier S. 182, sowie in: EK Nr. 4 (1. Jg.), April 1968, S. 218f. 124 Sog. Chefbesprechungen fanden unter Beteiligung der Dienststellenleiter (EKD, EKU, VELK) in der EKD-Kirchenkanzlei für die Gliedkirchen in der DDR statt. 125 Nach Einschätzung der Abt. Kirchenfragen beim Hauptvorstand der CDU seien hier erstmals – basierend auf einem „Memorandum“ Krummachers – die Bestrebungen bekannt geworden, in der DDR einen selbständigen kirchlichen Zusammenschluss zu bilden. Diese Diskussion sei am folgenden Tag in Abwesenheit von Mitzenheim und Lotz, die in Prag an der Tagung der CFK teilnahmen, auf der Konferenz der Bischöfe fortgeführt worden (Abt. Kirchenfragen, Quast, Information vom 14.5.1968, S. 1 [ACDP, VII-013-3252]).

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„selbständige Kirche Augsburgischen Bekenntnisses“ in der DDR zu gründen, kam von Pabst und fand keine Befürworter. Hildebrandt, Präsident der EKUKirchenkanzlei, schlug vor, von kirchlicher Seite keinerlei Maßnahmen zu treffen, sondern sich auf die Aktivitäten des Staates vorzubereiten und „Ausweichmöglichkeiten“ zu prüfen. Gewisse Änderungen in der EKD-Geschäftsordnung genauer zu planen, ohne jedoch zum gegenwärtigen Stand der Dinge konkrete Schritte zu unternehmen, hielt Behm für angemessen. Ringhandt, Heidler, Hafa, Lewek und Stolpe stimmten „dezidiert“ in der Auffassung überein, dass auf der Basis der Rechtsordnung der EKD unverzüglich gehandelt werden müsse. Diese Gruppe stellte zwei unterschiedliche Modelle zur Auswahl: Das erste, von Stolpe entworfene Modell sah vor, dem Rat der EKD folgende Punkte zur Beschlussfassung vorzulegen: Auf der Basis des Gesetzes über „Tagungen der Synode und der Kirchenkonferenz der EKD in besonderen Fällen“ vom 4. April 1967 müsse der Rat die „Einberufung regionaler Tagungen“ fordern und ferner die Mitglieder des Rates ermächtigen, „im Bereich der regionalen Tagungen, in dem sie ihren Wohnsitz haben, die Aufgaben des Rates voll wahrzunehmen“. Der Rat solle den regionalen Räten die Befugnis erteilen, sich eine Geschäftsordnung zu geben. Letztens müsse der Rat der EKD die Namensgebung der regionalen kirchlichen Organe bestimmen: „Synode der Ev. Kirchen in der DDR“, „Kirchenkonferenz der Ev. Kirchen in der DDR“ sowie „Rat der Ev. Kirchen in der DDR“. Die entsprechenden Ratsbeschlüsse für die Verwirklichung von Stolpes Modell sollten nicht öffentlich verkündet werden. Darauf sollte der „Rat der Ev. Kirchen in der DDR“ eine eigene Geschäftsordnung beschließen und veröffentlichen, in der er „gemeinsame Tagungen mit der Konferenz der ev. Bischöfe vorsieht“, und seine „Amtstellen ordnen“. Die DDR-Ratsentscheidungen würden von der Synode in der DDR überprüft und ein Kirchengesetz zur Regelung der gemeinsamen Tätigkeit („Verwaltungsunion, volle Abendmahls- und Kanzelgemeinschaft“) der DDR-Gliedkirchen verabschiedet. Ringhandts Variante zielte direkt auf die Gründung eines Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. Allerdings wollte er sich dabei auf die EKD-Grundordnung (Art. 21, Abs. 2126) stützen. Der Zusammenschluss der acht evangelischen Kirchen auf dem Gebiet der DDR sollte im Einvernehmen mit dem Rat der EKD erfolgen und durch den Beschluss von „Notverordnungen durch alle 8 Landeskirchen“ zustande kommen. Die Funktion eines solchen Kirchenbundes sah Ringhandt in der Vertretung der Belange aller DDR-Gliedkirchen „nach außen“ und im Verschmelzen zum 126 „Der Zusammenschluß, die Neubildung und die Auflösung von Gliedkirchen erfolgt im Benehmen mit der Evangelischen Kirche in Deutschland. Das gleiche gilt, wenn sich Gliedkirchen ohne Aufgabe ihres rechtlichen Bestandes innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland zusammenschließen“ (GO der EKD vom 13.7 1948. In: ABlEKD, Heft 5/1948 vom 15.7.1948, S. 109–113; hier S. 111).

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„gemeinsamen Bekenntnis“. Er stellte sich vor, die regionale Synode der EKD in der DDR durch die Landeskirchen dazu zu ermächtigen, ein entsprechendes Kirchengesetz über die „Ordnung der Ev. Kirchen in der DDR“ auszuarbeiten. Stolpe kündigte an, dass Behm auf der Sitzung am 8. April die auf der Chefbesprechung diskutierten Modelle vorstellen werde. Sehr nachdrücklich fügte er hinzu, dass sich die anwesenden Kirchenvertreter durchaus über den Ernst der Lage bewusst seien, auch wenn es ihnen dennoch nicht gelungen sei, sich auf eine gemeinsame Vorgehensweise zu einigen. Sie seien sich ebenfalls darüber im Klaren, bei zu langem Zögern die Möglichkeit eines „zentralen Zusammenschlusses“ der DDR-Kirchen, der „dann vom ‚Ökumenischen Rat der Ev. Kirchen in der DDR‘ (Bassarak) wahrgenommen“ werde, zu verspielen.127 Auf der Besprechung der östlichen Ratsmitglieder und der leitenden DDRGeistlichen am 8. April erläuterte dann Krummacher die Überlegungen, die im Rat angestellt würden, um der „derzeitigen Situation gerecht“ zu werden. Zu diesem Zweck sei eigens die Zusammenkunft anberaumt worden. Er informierte die Anwesenden über die Eingabe, mit der von Rabenau und acht weitere Synodale um die schnellstmögliche Einberufung einer regionalen Synodaltagung gebeten hatten, und die darauf installierte Konsultativgruppe128. Wie vorgesehen übernahm es Behm, einen Überblick über die verschiedenen, von der Konsultativgruppe und zentralen Dienststellen erarbeiteten Handlungsmodelle zu geben. In der sich anschließenden Debatte wurden folgende Ergebnisse erzielt: Da davon auszugehen sei, dass die Regierung der DDR bzw. die Bezirke sich gemäß Art. 39 (2) ihrer Verfassung um Einzelvereinbarungen mit den Gliedkirchen in der DDR bemühen werde, versicherten sich die Bischöfe untereinander, dass eine „Gesamtvereinbarung“ zu treffen sei, während separate Absprachen zwischen regionalen Staatsorganen und DDR-Landeskirchen auf keinen Fall in Frage kämen. Folgerichtig müsse ein kirchliches Organ geschaffen werden, das von der SED-Regierung als Verhandlungspartner akzeptiert werde. Über die Frage der Bildung eines solchen Gremiums wurde ausgiebig diskutiert. Einige der Anwesenden vertraten die Auffassung, es handele sich hier um einen „Notstand“, so dass mit der Gründung eines kirchlichen Verhandlungsorgans die Erklärung von Fürstenwalde zur Einheit der EKD nicht aufgekündigt werde. Doch konnte die Frage nicht abschließend geklärt werden, „wo ein Ausgangspunkt für die Bildung eines solchen Gremiums zu nehmen ist“. Hammer schätzte Art. 21 (2) der EKD-Grundordnung als unzureichend ein. Ebenso biete die KKL keine tragfähige Basis, weil sie eben im Gegensatz zur EKD keine „Vereinigung von Kirchen“, 127

Schreiben Stolpe an Krummacher vom 4.4.1968, S. 1, 2 (EZA, 687/1). Diese Gruppe wurde nach der Eingabe von von Rabenau und 8 weiteren Synodalen auf die Einberufung einer Tagung der Regionalsynode hin gebildet. Sie ist nicht identisch mit der „Beratergruppe“. 128

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sondern von Kirchenleitungen ohne das entsprechende „synodale Element“ sei. Demnach sollte die Möglichkeit einer Hinzuziehung des Kirchengesetzes vom 4. April 1967 untersucht werden. Allerdings müsse auch die in dem Antrag der Synodalen enthaltene Hoffnung bedacht werden, dass eine strukturelle Neuorientierung die Verbindung der acht Gliedkirchen in der DDR stärke: „Jede Neuordnung, die nicht auf die Regionalsynode Bezug nimmt, dürfte schon im Ansatz einen Fehler haben. Der ‚Geburtsfehler‘ aller bestehenden Gremien (Kirchenkonferenz, Regionalsynode, Rat) kann nicht als unüberwindlich gelten. Die Frage bleibt offen, ob nicht, falls ganz neue Formen der Arbeit geschaffen werden sollen, die einzelnen Landessynoden dazu gehört werden müssen.“

Am Ende ihrer Beratung beschlossen die Bischöfe, den Entwurf für eine Umordnung der existierenden EKD-Gremien von der Konsultativgruppe ausarbeiten zu lassen. Dabei sollten die Organe der EKD volle Handlungsfähigkeit haben und gleichzeitig die Rechtskontinuität der EKD nicht aufgegeben werden müssen. Ein zweites Konzept sollte von der Gruppe vorgelegt werden, das als Grundlage für eine „Neuformierung“ der Landeskirchen auf dem Gebiet der DDR tauglich sei. Eine zusätzliche neugebildete dreiköpfige Gruppe (Präsident Hans Koch, Propst Walter Münker, Rektor Walter Saft) beauftragten die Bischöfe mit der Vorbereitung einer potentiellen Vereinbarung mit der DDR-Regierung, in der vor allem die Punkte festgehalten werden sollten, für deren Klärung ein Abkommen mit dem Staat unabdingbar sei. Im Rahmen einer Terminabsprache für ein weiteres Treffen der anwesenden Vertreter aus der DDR und der Bundesrepublik stellten sich die Teilnehmer frei, „weitere Berater, z. B. auch OKR [G.] Lotz“, an den Verhandlungen zu beteiligen.129 Zu ihrer zweiten Zusammenkunft trafen sich die Mitglieder der Konsultativgruppe am 16. April. Behm informierte die Anwesenden über die Arbeitsaufträge, die Bischöfe und Ratsmitglieder aus der DDR auf ihrer Sitzung am 8. April formuliert hatten. Diese seien dem Rat auf seiner Sitzung Anfang Mai, den Bischöfen auf ihrer Konferenz am 18. Mai vorzulegen. Heidler teilte mit, dass die Leitung der VELKD einen Entwurf ausgearbeitet habe, der allerdings erst verabschiedet werden könne, wenn ihre Regionalsynode im Juni dafür die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen habe. Für die EKU konnte Hildebrandt keine Neuigkeiten 129 Aktenvermerk Behm vom 9.4.1968, S. 1, 2 (EZA, 4/22). – Lotz sprach mit GI „Elfie“ ausführlich über diese Sitzung, an der er selbst gar nicht teilgenommen hatte. Er gab auch den Inhalt eines Gesprächs mit Schönherr wieder, dem er den Vorschlag gemacht habe, die Beziehungen zur EKD „‚einfrieren‘ zu lassen“, sowie seine fragende Bemerkung gegenüber Vertretern des Staatssekretärs und des ZK der SED, „wie lange die staatlichen Organe noch dulden wollten, daß sich die illegalen Büros der EKD in der Hauptstadt der DDR befinden“ (Abt. XX/4, Oltn. Nottrott; Erfurt 19.4.1968: Niederschrift Bericht GI „Elfie“ über Gespräch mit Lotz am 11.4.1968 [BStU (ZA Berlin), MfS AIM 3043/86, T. I, Bd. 1, Bl. 134ff.; hier Bl. 135]).

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über konkretere Schritte weitergeben. Bei der Beschäftigung mit den beiden Arbeitsaufträgen kam die Konsultativgruppe, nachdem Hammer130 je einen Entwurf über die Ausführungsbestimmungen des Kirchengesetzes vom April 1967 und über den „Beschluss über die Wahrnehmung der Aufgaben und Befugnisse des Rates der EKD“ präsentiert hatte, zu dem Schluss, dass ausschließlich der Rat der EKD befugt sei, über diese Papiere zu sprechen. Beide Entwürfe entsprächen genau dem „Modell A“, welches beinhalte, „unter Wahrung der Rechtskontinuität [der EKD] praktikable Lösungen zu schaffen, die den Vorwurf einer westlichen Beeinflussung und Bevormundung beheben können“. Die Anwesenden wandten sich daher ihrem zweiten Arbeitsauftrag zu, dem sie besondere Wichtigkeit zollten, nämlich der Formulierung eines „Modells B“. Dieses solle einen gangbaren Weg aufzeigen, ein eigenes kirchliches Verhandlungsgremium in der DDR zu installieren, um der DDR-Regierung als „Gesprächspartner“ gegenübertreten zu können. Verschiedene Vorschläge, die aus der Kirchenkanzlei (in Hannover) kamen, wurden nach kurzer Debatte für untauglich befunden. Offensichtlich ausgelöst durch eine nicht im Protokoll festgehaltene Stellungnahme Schönherrs und einen Vorschlag Stolpes kamen die Mitglieder der Konsultativgruppe im Zuge ihrer „ausführlichen Beratung“ dann überein, dem Rat und „evtl. auch den Bischöfen“ als „Modell B“ einen Beschluss zu präsentieren, der in gleicher Weise von allen DDR-Gliedkirchen zu verabschieden sei: „1. Die ev. Landeskirchen in der DDR schließen sich zur Ev. Kirche in der DDR zusammen. 2. Die Ev. Kirche in der DDR ist ein Bund lutherischer und unierter Kirchen mit gemeinsamer Rechtsvertretung. Ihre Ziele sind die volle Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft sowie das Zusammenwachsen im gemeinsamen Zeugnis und Dienst. 3. Bis zur Erarbeitung einer Ordnung wird als vertretungsberechtigtes Organ ein vorläufiger Ausschuss, in den jede Landeskirche zwei Vertreter entsendet, gebildet. Dieser Ausschuss wählt einen Vorsitzenden und einen stellvertretenden Vorsitzenden. 4. Der vorläufige Ausschuss soll bis zum 1.1.1969 unter synodaler Beteiligung die Ordnung der Ev. Kirche in der DDR erarbeiten.“

130 Einen Tag zuvor hatte Hammer – dem die Sitzung zweifellos bevorgestanden hatte, sich an Kunst gewandt: „Aber dann die Arbeit an unserer künftigen Ost-West-Ordnung! Wäre es nur ein juristisches Problem – halb so aufregend! Sie aber wissen besser als andere, wie sehr ich mich seit über zehn Jahren für das engagiert habe, was ich nun pflichtgemäß kunstvoll und möglichst geräuschlos auseinander zu teilen habe. Das geht an die Nieren! Nun, wem sage ich das! Sie sind noch viel länger und tiefer in der Sache! Morgen gehen vormittags die Verhandlungen in Ost-Berlin weiter. Für die EKD will drüben niemand zum Märtyrer werden. Wir können dazu nichts sagen. Aber es bohrt innerlich, und man muß doch mehrfach schlucken. […] Der arme Kurt Scharf! Was kann man für ihn tun? Um 17.30 Uhr bin ich morgen bei ihm. Hoffentlich hält er durch. Physisch ist er nicht der Stärkste. Kirchlich und politisch müssen ihn diese Wochen sehr mitnehmen. Bonn müßte näher bei Hannover liegen – oder umgekehrt!“ (Schreiben Hammer an Kunst vom 15.4.1968, S. 1f. [EZA, 87/1007]).

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Der „vorläufige Ausschuss“ sollte die Belange der einzelnen DDR-Gliedkirchen in Verhandlungen mit dem Staat bereits vertreten dürfen. Die Anwesenden beschlossen, nur die Vorsitzenden der Kirchenleitungen vertraulich über diese Pläne zu unterrichten, während ansonsten Stillschweigen131 bewahrt werden müsse. Keine Entscheidung fällte die Konsultativgruppe hinsichtlich der Durchführung der Tagung der EKD-Synode im Oktober, jedoch zeichnete sich die Tendenz in Richtung einer Verschiebung ab.132 Braecklein habe zwar bekräftigt, dass eine Aufgabe der EKD-Gliedschaft nicht geplant sei, doch müsse seiner Meinung nach die Selbständigkeit der evangelischen Kirchen in der DDR von denen in der Bundesrepublik „nach außen hin“ in aller Klarheit präsentiert werden. Der thüringische Bischofsstellvertreter habe gedroht, dass seine Landeskirche jegliches Modell, das von dieser Grundkonzeption abweiche, nicht akzeptieren werde.133 Auf der EKD-Ratssitzung am 2. und 3. Mai berichtete Hammer über die jüngste Entwicklung in den östlichen Gliedkirchen. Die Mitglieder des Rates und die Leiter der Kirchenleitungen hätten sich am 8. April zusammengefunden, um die Möglichkeit eines Vertragsabschlusses zwischen evangelischer Kirche und (SED-) Staat zu durchdenken, die sich mit den Bestimmungen der neuen Verfassung der DDR eröffne. Die Aussprache habe zu dem einhelligen Ergebnis geführt, dass keinerlei Einzelverträge zwischen den östlichen Landeskirchen und den jeweils zuständigen DDR-Bezirken geschlossen werden sollten. Vielmehr sei ein übergeordnetes Vertragswerk anzustreben, welches eine „Gesamtvertretung der ev. Kirchen in der DDR“ mit der Regierung der DDR auszuhandeln und zu paraphieren habe. Hammer informierte darauf über die von Krummacher in einer Vorlage niedergelegten Vorstellungen „für die bevorstehende Besprechung am 18.5.“134. In der Sitzung des Rates wurden drei Entwürfe vorgelegt und diskutiert: 1. Die „Ausführungsbestimmungen zum Kirchengesetz über Tagungen der Synode und der Kirchenkonferenz der EKD in besonderen Fällen vom 4.4.67“; 2. Der „Beschluss über die Wahrnehmung der Aufgaben und Befugnisse des Rates der EKD“; 3. Der „Beschluss über die Organe der Ev. Kirche in der DDR“. Der Vorlage „Beschluss über die Wahrnehmung der Aufgaben und Befugnisse 131 Allerdings war das MfS im Besitz einer „Information“ vom 21.5.1968, in der Verlauf und Inhalt der Sitzungen vom 8.4., 3.5. und 18.5.1968 bis ins Detail wiedergegeben waren (BStU [ZA Berlin], MfS AIM 3043/86, T. II, Bd. 4, Bl. 253–258). – Eine noch umfangreichere „Einzel-Information über geplante Strukturveränderungen der ‚Evangelischen Kirche in Deutschland‘“ vom 29.5.1968 findet sich in: BStU (ZA Berlin), MfS HA XX/4-1233, Bl. 531–539. 132 Aktenvermerk Behm vom 17.4.1968, S. 2, 3 (EZA, 4/22). 133 Aktennotiz [Lingner?] vom 22.4.1968 (EZA, 4/22). 134 Krummacher legte die bei der 2. Sitzung der Konsultativgruppe am 16.4. als „Modell B“ vorgestellten Strukturpläne vor. Am 18.5. sollte noch eine Besprechung mit den leitenden Geistlichen in der DDR stattfinden. Diese sollten dann um ihre Zustimmung zu den vorgeschlagenen Regelungen gebeten werden.

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des Rates der EKD“ stimmten dessen Mitglieder mit „einigen geringfügigen Änderungen“ erst zu, nachdem die „schwerwiegenden Bedenken“ durch Rücksprache mit den östlichen Ratsmitgliedern und deren „dringender“ Bitte um eine Billigung ausgeräumt worden waren. Der Rat beschloss, seinen Vorsitzenden zu bitten, ein Schreiben an Krummacher zu formulieren, „in dem auf die rechtlichen Bedenken hingewiesen wird, die darin bestehen, daß Entwurf (2) keine ausreichende rechtliche Basis für den beabsichtigten Beschluss nach Entwurf (3) darstellt“. Ferner sollte in dem Brief – unter Bezugnahme auf die „Fürstenwalder Erklärung“ – auf „die Notwendigkeit des brüderlichen Zusammenhaltes“ hingewiesen werden.135 Die östlichen Mitglieder des Rates sollten gebeten werden, dem 3. Entwurf „Beschluss über die Organe der Ev. Kirche in der DDR“ ihre Zustimmung nicht zu erteilen, bevor das Schreiben Krummacher erreicht habe. Auch die westlichen Ratsmitglieder fassten in ihrer Sitzung keinen Beschluss zu diesem Entwurf. Ratsmitglied Heinrich Riedel sollte in den Ostteil Berlins geschickt werden, um „nochmals in geistlicher Verantwortung nachdrücklich mit den Ratsmitgliedern in der DDR“ das Gespräch zu suchen.136 In der von Behm über eben diese Ratssitzung angefertigten Niederschrift137 ist die Frage der „künftigen Ordnung der EKD in Ost und West“ als wichtigster Beratungspunkt festgehalten. Jedoch wird auch vermerkt, dass die DDR-Mitglieder des Rates ausdrücklich der Einschätzung der westlichen Brüder widersprachen, die Überlegungen zur Neuordnung der Verhältnisse in der EKD resultierten allein aus der mit Nachdruck vermittelten staatlichen Erwartungshaltung. Vielmehr hätten die Verhandlungen über die Möglichkeit eines engeren Zusammenschlusses der Gliedkirchen in der DDR gezeigt, dass die Anstöße „aus dem Raum der Kirche selbst“ kämen. Die Vorschläge zur Umstrukturierung der EKD seien teilweise so „weitgehend“, dass ihre Umsetzung an eine Auflösung der Evangelischen Kirche in Deutschland grenzte. Behm hielt ebenso fest, dass die Ratsmitglieder „gerade dieses“ vermeiden, die „Kontinuität der EKD auf jeden Fall bewahren“ 135 Mit deutlichen Worten brachte Dietzfelbinger darin die Unstimmigkeit und Besorgnis der Ratsmitglieder hinsichtlich einer in der Konsequenz der Entwürfe unwiederbringlichen Aufspaltung der EKD zum Ausdruck. Eine Änderung der Bezeichnung „EKD“ im Osten müsse eine ebensolche im Westen nach sich ziehen. Es sei nicht ausreichend, permanent die „ökumenische Verbundenheit“ zu verbalisieren. Wenn aber nur der erste und der zweite Entwurf in Form von Beschlüssen Gültigkeit erlangten, könne dies die „Handlungsunfähigkeit“ der EKD-Organe zur Folge haben. Durch die Bildung von neuen Organen würden Rat und Kirchenkanzlei der EKD ausgeschaltet und die Trennung der EKD sei endgültig zementiert (Schreiben Dietzfelbinger an Krummacher sowie alle Rats- und Kirchenleitungsmitglieder vom 7.5.1968, S. 2f. [EZA 4/22]). 136 Niederschrift (Gundert) über die 14. Sitzung des Rates der EKD am 2./3.5.1968 in Berlin, S. 6f. (EZA, 2/1772). 137 Niederschrift (Behm) über die 14. Sitzung des Rates der EKD am 2./3.5.1968 in Berlin (EZA, 4/22).

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und den Weg zu einer „wirklichen geistlichen Gemeinschaft der Gliedkirchen in der DDR“ offenhalten wollten. Zum Teil bedingt durch verschiedene, in den Evangelischen Kommentaren veröffentlichte Artikel, in denen „interne Überlegungen der verantwortlichen Gremien“138 preisgegeben und dadurch „bereits die zu erwartenden Reaktionen auf staatlicher Seite hervorgerufen“ worden seien, habe die Gemengelage eine zusätzliche Komplizierung erfahren: „Es bleibt darum offen, ob die von den Ratsmitgliedern in der DDR vorgeschlagenen Regelungen die Zustimmung der leitenden Geistlichen am 18. Mai finden werden. Jedoch muß auf alle Fälle der Rat seinerseits aktiv werden, um nicht in Abhängigkeit von anderen Stellen und Strömungen zu geraten.“139

Die Ratsmitglieder seien letztlich zu dem Schluss gekommen, dass Hildebrandt als Präsident der Kirchenkanzlei der EKU, die ebenfalls eine Gliedkirche der EKD sei, zu der Beratung am 18. Mai hinzugezogen werden müsse. Bischof Krummacher wurde beauftragt, die leitenden Geistlichen über die Beschlüsse der Ratssitzung und die „dahinterstehenden Motive“ zu informieren. Der Rat der EKD wolle die Bischöfe dazu anregen, eine „kleine Verhandlungskommission“ zu bilden, die mit dem SED-Staat Vorberatungen über mögliche Vereinbarungen führen könne, ohne jedoch die Befugnisse zu erhalten, Verträge zu schließen. Dieser Kommissionen sollte das Material des „Vereinbarungsausschusses“ an die Hand gegeben werden: „4) Sollten die Kirchen die getroffenen Regelungen als nicht ausreichend bezeichnen, kann als letzte Möglichkeit angeboten werden, einen Ausschuss zu berufen, der sich zusammensetzt aus Mitgliedern der EKD-Synode, der Kirchenkonferenz und des Rates. Dieser Ausschuss sollte dann eine ‚Satzung der Landeskirchen in der DDR‘ ausarbeiten, die sich im Rahmen der Grundordnung der EKD hält. Eine Terminfestsetzung für das Ende der Arbeit sollte nicht erfolgen. Das Ergebnis der Ausschussarbeit, also eine solche Satzung, müßte dann von der regionalen Tagung der EKD-Synode und von den einzelnen Landessynoden bestätigt werden. Von den westlichen Vertretern wird der Plan 4) als ultima ratio bezeichnet, weil hiermit die Gefahr des Auseinanderfallens der EKD gegeben ist. Dem wird entgegengehalten, daß das Festhalten an der Kontinuität der EKD zum Auftrag dieses Ausschusses gehören würde und daß der Rat von Anfang an mit an der Verantwortung beteiligt wäre.“140

138 Gemeint ist die Konsultativgruppe, deren Überlegungen in der Ausgabe Nr. 4 von EK vom April 1968 ansatzweise wiedergegeben worden waren. Ein von Hammer bereits am 22.3. gegebenes Interview war tatsächlich in dieser Ausgabe abgedruckt, die jedoch am 10.4., also sechs Tage vor der 2. Sitzung der Konsultativgruppe – wie er auf der Bischofskonferenz darlegte, um Mitzenheims Vorwürfe zu entkräften – erschien. 139 Niederschrift (Behm) über die 14. Sitzung des Rates der EKD am 2./3.5.1968 in Berlin, S. 1f. (EZA, 4/22). 140 EBD., S. 3.

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Bei einer Beratung der Mitglieder des Rates wurde entsprechend beschlossen, die Beschlüsse I und II bekannt zu geben, während III und IV offengehalten wurden, bis eine Verständigung über endgültige Regelungen erfolgt sei. Daher wollte der Rat der KKL empfehlen, auch die Wahl der beiden KKL-Vorsitzenden bis auf weiteres auszusetzen. Der Rat regte die „Bereitstellung einer Verhandlungskommission der Kirchen im Blick auf eventuelle Vereinbarungen“ an, die dem Rat der EKD und den leitenden Geistlichen zugeordnet sein sollte. Lingner wurde dazu ermächtigt, mit dem Vorsitzenden des Rates und dem Präsidenten der EKD-Kirchenkanzlei zu besprechen, ob es sinnvoll sei, Zusammentreffen von den westlichen Ratsmitgliedern nahestehenden Personen und Vertretern der östlichen Gliedkirchen zu organisieren. Die Ergebnisse solcher Aussprachen könnten dann in Form von neuen Vorschlägen den Mitgliedern des Rates auf ihrer Sitzung Mitte Juni zu gute kommen. „Dabei sind alle Möglichkeiten eingehend durchzuberaten“.141 Über die mit Spannung erwartete Sitzung des sogenannten Erweiterten Rates, also der DDR-Ratsmitglieder und der leitenden Geistlichen in der DDR am 18. Mai, existieren zwei undatierte und ungezeichnete Niederschriften, die sich jedoch letztlich nur in ihrem Umfang unterscheiden. Während in der ersten Niederschrift142 nur die wichtigsten Verhandlungspunkte festgehalten wurden, handelt es sich bei dem zweiten Protokoll143 bewusst um eine fast wörtliche Wiedergabe der gesamten Zusammenkunft. Daran zeigt sich die Wichtigkeit, die dieser Beratung für die weitere kirchliche Entwicklung zugesprochen wurde und die sie in der Tat auch hatte. Krummacher informierte die Anwesenden im Detail über die beiden Arbeitsaufträge, die der Konsultativgruppe erteilt worden waren (A: Entwicklung der EKD; B: Organisation der Gemeinschaft der Landeskirchen in der DDR) und über die dem zweiten Ausschuss übergebene Aufgabe (Verhandlungspunkte für Abkommen mit dem Staat). Der Rat habe das von der Konsultativgruppe hinsichtlich einer Neuordnung der DDR-Gliedkirchen als „Modell B“ vorgeschlagene Papier geprüft und sei aus „verschiedenen Gründen“ zu dem Ergebnis gekommen, dass es nicht realisierbar sei. Statt der in dieser Ausarbeitung angeregten Bildung eines Ausschusses wollte der Rat ein schwach besetztes Gremium zur Verhandlungsführung und ein größeres Gremium zur Lösung der Frage der Organisation der Gemeinschaft der acht Landeskirchen in der DDR bilden, in dem Mitglieder aller DDR-Gliedkirchen vertreten sein sollten. Ferner verlas und erläuterte Krummacher die beiden vom Rat 141 Niederschrift (o. A.) über die Beratung der Ratsmitglieder am 10.5.1968, S. 3. (EZA 4/22). – Schönherr, Johannes, Jänicke und evtl. auch Juergensohn sollten Mitglieder der Verhandlungskommission sein. 142 Niederschrift (o. A.) über die Beratung am 18.5.1968, 5 S. (EZA, 4/22). 143 Protokoll (o. A.) über die Sitzung am 18.5.1968, 16 S. (EZA, 4/22).

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verabschiedeten Beschlüsse (I und II), während er von der Arbeit an Beschluss III und IV sprach, ohne näher auf den Inhalt einzugehen. Zu I und II bemerkte er, sie seien nur „gefaßt worden, um sich nicht sachlichen Notwendigkeiten zu verschließen und um spätere Vorwürfe zu vermeiden, der Rat der EKD hätte nichts getan, als etwas getan werden mußte“.144 Nachdem Krummacher seinen Sachstandsbericht beendet hatte, einigten sich die Anwesenden darauf, dass in der nun folgenden Generaldebatte eben die Frage eines Zusammenschlusses der acht Gliedkirchen und der ihnen zu gebenden „rechten Ordnung“ im Vordergrund stehen müssten. Um wirklich zu einer engeren Gemeinschaft der acht evangelischen Kirchen in der DDR zu gelangen, reiche es nicht aus, eine Regionalordnung zu fixieren, warf Schönherr in die Diskussion ein. Vielmehr seien weitergehende Festlegungen zu treffen, wobei allerdings nicht die „EKD als solche stillgelegt“ werden dürfe. Schönherr sprach sich dafür aus, eine Strukturund eine Verhandlungskommission einzusetzen. Ähnlich äußerten sich auch Hildebrandt, Johannes, von Brück, Wätzel und Jänicke. Zum Teil vertraten die Befürworter dieser neuzubildenden Gremien jedoch die Ansicht, dass eine „klare Aufgabentrennung“ der Gruppen notwendig sei. Mitzenheim beharrte darauf, dass die Bildung solcher Kommissionen nicht ohne die Voten der Landeskirchen und Kirchenleitungen erfolgen dürfe. Allerdings bevorzuge er einen „Ausbau“ der KKL. Seine Kritik an dem „Modell B“ der Konsultativgruppe wurde mit dem Hinweis abgewehrt, dass „dieses Modell nicht mehr Verhandlungsgrundlage sei“. Die Handlungsfähigkeit des Rates sei ohne Zweifel gegeben, „auch wenn er nach außen hin davon nicht viel Aufhebens mache“. Die Gruppe der östlichen Ratsmitglieder habe zudem bislang ihre Vollmachten auch gegenüber der Kirchenkanzlei wahrgenommen. Eine hitzige Debatte entbrannte um die Frage, ob eine sofortige Einrichtung des Verhandlungsgremiums erfolgen solle. Wieder war es Mitzenheim, der sich gegen die überwiegend befürwortenden Wortmeldungen abgrenzte mit dem Argument, nicht für seine Kirchenleitung sprechen zu können. Zudem wiederholte er, dass die Kommission nicht nur mit Zustimmung aller Kirchenleitungen gebildet werden müsse, sondern alle Kirchen, auch die kleineren, darin vertreten sein sollten. Im Übrigen müssten die Kirchen hinsichtlich der anstehenden Staat-Kirche-Verhandlungen den ersten Schritt tun, da die DDR-Regierung nach Mitzenheims Ansicht keinen Druck in dieser Richtung ausübe. Fränkel gab zu bedenken, dass es unklug sei, sich übereilt auf Vereinbarungen einzulassen. Er regte an, zuvor mit der katholischen Kirche Kontakt aufzunehmen. Die Meinungsäußerungen zusammenfassend, schlug Krummacher vor, das Struktur- und das Verhandlungsgremium möglichst rasch einzusetzen und beide trotz verschiedener Arbeitsaufträge gut miteinander zu 144

EBD., S. 2.

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vernetzen. Alle Anwesenden waren sich einig, dass die Verhandlungskommission nur ein klar begrenztes Mandat für Gespräche mit dem Staat haben solle, jedoch ohne Zustimmung aller Landeskirchen keinesfalls Verträge abschließen dürfe. Nach Beendigung dieser Diskussionen wurde beschlossen, eine Struktur- und eine Verhandlungskommission der DDR-Landeskirchen einzusetzen. Über die Namensgebung der Kommissionen war länger debattiert und gemeinschaftlich entschieden worden. Wie üblich kam man überein, die Beschlüsse vorerst „vertraulich zu behandeln“. Über ihre öffentliche Bekanntgabe gegenüber staatlichen Stellen müsse gründlich nachgedacht werden. Während ihrer Zusammenkunft am 5. Juni sollten die leitenden Geistlichen über die verbindliche personelle Besetzung der beiden Ausschüsse debattieren.145 Und sie sollten eine von Schönherr auszuarbeitende Pressemitteilung für ENA beraten, mit der vor allem auch die Gemeinden von den Ergebnissen der Sitzung in Kenntnis gesetzt werden sollten. Hervorgehoben wurde, dass die Westpresse nicht „vorzeitig“ informiert werden dürfe, da dies „der Sache sehr schaden“ würde. Somit war der Grundstein für konkrete Schritte zur Bildung eines eigenen Kirchenbundes in der DDR gelegt. Am 5. Juni setzte die Bischofskonferenz aufgrund übereinstimmender Beschlüsse der Kirchenleitungen der acht evangelischen Landeskirchen in der DDR die Strukturkommission und die Verhandlungskommission ein, die Vorschläge machen sollten, wie die Gemeinschaft der DDR-Gliedkirchen neu zu ordnen sei und welche Regelungen eventuell mit den staatlichen Stellen getroffen werden könnten. Der Verhandlungskommission gehörten unter Federführung von Albrecht Schönherr wie vorgesehen Johannes Jänicke, Kurt Johannes und Ingo Braecklein an. Die Mitglieder der Verhandlungskommission waren automatisch zugleich Mitglieder der Strukturkommission, die sich darüber hinaus aus Propst Heinz Fleischhack (KPS), Kirchenpräsident Martin Müller (Anhalt), Superintendent Gerhart Wendelin (LK Sachsen), Propst Siegfried Ringhandt (Berlin-Brandenburg), Rechtsanwalt Rudolf Lotz (Thüringen), Bischof Hans-Joachim Fränkel (Görlitz), Landesbischof Niklot Beste (Mecklenburg) und Präsident Willy Woelke (Greifswald) zusammensetzte. Manfred Stolpe als Geschäftsführer war der Strukturkommission mit beratender Stimme beigeordnet.

145 Niederschrift (o. A.) über die Beratung am 18.5.1968, S. 2, 3, 5 (EZA, 4/22). – Auf einem „außerplanmäßigen Treff“ am 23.5.1968 diskutierte GM „Karl“ mit den MfS-Angehörigen Sgraja und Roßberg die Neuheiten und übergab ihnen die Abschrift vermutlich beider kirchlichen Protokolle: „Die gesamte Konferenz war streng geheim, ‚Karl‘, der nicht selbst daran teilgenommen hat, hat die Informationen von mehreren Teilnehmern herausarbeiten müssen sowie die Protokolle konspirativ entwenden und Abschriften tätigen [müssen]. Die Information hat ein [sic] hohen politischen Wert“ (BStU [ZA Berlin], MfS AIM 3043/86, T. II, Bd. 4, Bl. 271ff.; hier S. 273).

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Dass sich seit dem Bekanntwerden der neuen Verfassung der DDR und nun vor allem mit den entschiedenen Schritten der Brüder in der DDR innerhalb der Evangelischen Kirche der Gedanke verfestigte, an einer wie auch immer gearteten Verselbständigung der DDR-Gliedkirchen nicht vorbeizukommen, verdeutlicht der Beschluss des Rates der EKD, die Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirchen in Deutschland für die Gliedkirchen in der DDR in „Evangelische Kirchenkanzlei“ umzubenennen. Dieser Beschluss spiegelt zugleich die verzweifelte Hoffnung der westdeutschen Ratsmitglieder wider, den Zerfall der EKD zu vermeiden. So wurde auch darauf hingewiesen, dass die neue Namensgebung „lediglich eine Änderung der Firmierung“ darstelle und „keinerlei juristische Bedeutung und Konsequenzen“ damit verbunden seien.146 Auf seiner Sitzung am 13. und 14. Juni nahm der Rat der EKD diese Namensänderung zur Kenntnis und stimmte ihr zu, da die Begründung für diese Maßnahme, dem SED-Staat keine Verdachtsmomente für eine Beeinflussung der DDR-Kirchen durch den Westen liefern zu wollen und damit die Kirchenkanzlei zu schützen, allen einleuchtete. Doch spielte letztlich eine solche äußerliche Veränderung eine marginale Rolle. Unter dem Tagesordnungspunkt „Ost-West-Verhältnis“ wurde, eingeleitet durch Hammers Bericht über die Beratung der westlichen Ratsmitglieder am 13. Juni, eine offene und substantielle Debatte über die derzeitige Situation der EKD geführt. Hammer verdeutlichte, wie groß im Westen die „Betroffenheit“ über den Weg der Kirchen in der DDR sei, der mit der Beratung der „Modelle“ am 8. April eingeschlagen worden sei und mit der Installation der Kommissionen am 5./6. Juni seinen Gipfelpunkt erreicht habe. Der EKD drohe der Zusammenbruch, zumal kein einziges EKD-Mitglied aus der Bundesrepublik in der Struktur- oder der Verhandlungskommission vertreten sei. Durch die Ernennung Stolpes zum Sekretär der Strukturkommission sei auch die Kirchenkanzlei „ausgeschaltet“ worden. Man frage sich, ob die Folgen dieser Entwicklung ausreichend bedacht worden seien. Unklar sei, was mit der Berlinbrandenburgischen Kirche geschehen solle. Angezweifelt werde, ob es wirklich erforderlich gewesen sei, die in Freiberg angesetzte Tagung der Regionalsynode (Ost) der VELKD zu verschieben. Völlig offen seien einige juristische Fragen, z. B. drohe der Kontinuität der finanziellen Unterstützung des Westens für die DDR-Kirchen – „entgegen anders lautenden Auskünften“ – akute Gefahr. Hammer wies darauf hin, dass es abgesehen von der unübersichtlichen rechtlichen Gemengelage sicherlich „nicht leicht sein [dürfte], die Bereitschaft zur Hilfe in den westlichen Kirchen und Gemeinden wachzuhalten, wenn es zu einer Tren146 Protokoll (Lewek) über die Erweiterte Referentenbesprechung am 10.6.1968, S. 1 (EZA, 102/73). – Auch der EPD hatte in Nr. 150 vom 4.6.1968 auf S. 8 gemeldet, dass die Umbenennung in keinem Zusammenhang mit der Bildung eines Kirchenbundes in der DDR stünde.

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nung kommen sollte“. Grundsätzlich werde durchaus das „Vorwärtsweisende“, das sich an den Bemühungen der östlichen Gliedkirchen um einen engeren Zusammenschluss zeige, positiv wahrgenommen, vor jeglichem „Überschwang“, so hob Hammer hervor, könne er jedoch nur warnen: „Wenn hier ein kirchenpolitischer Druck auf den Westen ausgeübt werden soll, könnte das Ergebnis auch negativ sein und eher zu einer Verhärtung der Gegensätze führen.“ Es sei der feste Wille der westlichen Kirchen, die Gemeinschaft der EKD zu bewahren. Im Falle ihres „Auseinanderbrechens“ trage der Westen keine Verantwortung. Eine Neuordnung der Kirchen könne im übrigen keinesfalls ohne synodale Beteiligung vorgenommen werden. Hammer riet den DDR-Brüdern und der Schwester147, sich bezüglich möglicher Vereinbarungen mit dem SED-Staat auch dann Zeit zu lassen, wenn die thüringische Kirche im Alleingang eine Absprache treffe. Den Wunsch der EKD-Mitglieder in der Bundesrepublik „nach ständiger Information und Konsultation“ zum Erhalt der kirchlichen Ost-West-Gemeinschaft“ fügte Kirchenamts-Vizepräsident Niemeier an. Der Studiendirektor des Wittenberger Predigerseminars Paul Wätzel wies darauf hin, dass die Berufung Stolpes zum Sekretär der Strukturkommission „keine Präjudizierung der gesamtkirchlichen Dienststellen“ bedeute, sondern das Bedürfnis eine bedeutende Rolle gespielt habe, die thüringische Kirche in die Gemeinschaft der DDR-Kirchen einzubinden: „Wenn die Gemeinschaft der 8 Gliedkirchen in der DDR auseinanderbricht, ist es auch mit der EKD zu Ende“. Dass die Beurteilung der Lage aus westlicher Sicht so anders ausfalle, nahm Krummacher mit Bedauern zur Kenntnis. Dem Vorwurf, die Ratsmitglieder aus der Bundesrepublik seien bei den jüngst getroffenen Entscheidungen übergangen worden, widersprach er unter Verweis auf diverse Absprachen. Allerdings räumte Krummacher ein, dass die Kirchen in der DDR sich hinsichtlich der am 6. Juni auf Anfang August verschobenen Neuwahl des KKL-Vorsitzenden tatsächlich „in einer sehr bedauerlichen Weise [hätten] von Thüringen beeinflussen lassen, so daß man noch am ehesten hier ein Abrücken von der EKD“ befürchten könne. Darauf verdeutlichte der Bischof den westlichen Ratsmitgliedern, dass sie offenbar die staatlichen Organe und ihre mögliche Handlungsweise falsch einschätzten. Zwar werde der Staat „spektakuläre Maßnahmen vermeiden, aber dafür Daumenschrauben anlegen“. Ein unübersehbares Anzeichen dafür sei zum Beispiel, dass im Zusammenhang mit der Delegierung von DDR-Vertretern zur Konferenz nach Uppsala ihm selbst und Noth nur eine Ausreise gestattet werde, wenn sie ihre Funktion im Rat der EKD aufgäben. Ähnlich verhalte es sich mit der vom Westen kritisierten Absage der Regionalsynode (Ost) der VELKD. „Gesamtkirchliches Handeln“, sei es auch nur in Form einer regionalen Synodaltagung, werde vom 147

Ratsmitglied (Ost) Oberin Elisabeth Lundbeck.

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Staat nicht zugelassen. Krummacher kam zu dem Schluss, dass die gebildeten Kommissionen unbedingt mit ihrer Tätigkeit beginnen müssten. Alle Ergebnisse würden vom Rat und den leitenden Geistlichen gemeinsam besprochen werden. Die von Hammer übermittelten kritischen Einwände und Befürchtungen der bundesdeutschen EKD-Mitglieder suchte er auszuräumen: „Die Gesamtkirche kann und wird gehört werden, die Rechtskontinuität soll nach dem Willen aller gewahrt bleiben, keiner wolle einen Ausmarsch aus der EKD. Doch den Makel der Fernsteuerung wolle man vermeiden. Von daher sei die Zusammensetzung der Kommission zu erklären. Der Verdacht des Westens, vom Osten abgeschrieben zu werden, sei unberechtigt.“

Hammer entgegnete Krummacher, von westlicher Seite sei weder ein Verdacht noch ein Vorwurf, sondern nur die Sorge um die „Ohnmacht der EKD“ und die Angst vor ihrem Auseinanderbrechen ausgesprochen worden. Er brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass sich in Uppsala die Gelegenheit für „manche klärenden Gespräche“ bieten werde. Zur Verschiebung der VELKD-Regionaltagung erläuterte Noth, dass es sich keineswegs um eine Kapitulation vor staatlichen Drohungen, sondern vielmehr um den Versuch handele, kirchliches Handeln zu ermöglichen. Die EKD müsse sich mit der Aufgabe ihrer „alten Rechtsformen“ aus der „Ohnmacht“ befreien. Dem fügte Wätzel hinzu, dass die Ratsmitglieder aus der DDR ihre „Weisungsungebundenheit“ demonstrieren wollten. Diskutiert wurde von den Ratsmitgliedern noch die Frage, ob die EKD-Synode wie geplant im Oktober tagen solle oder eine Verschiebung anzuraten sei. Unter Umständen könnten die staatlichen Organe in der DDR „zeitliche Nähe zur Synode in Spandau“ und die übereinstimmende Thematik als Affront empfinden und durch entsprechende Maßnahmen gleichzeitig die Arbeit der Strukturkommission lähmen, ehe sie begonnen habe. Eine endgültige Entscheidung wurde auf der Sitzung nicht getroffen. Doch kristallisierte sich der Plan heraus, zumindest eine Informationstagung möglichst fern von Berlin zu veranstalten, um die Synodalen auf diesem Wege über den Stand der Entwicklung auf dem Laufenden zu halten. Immerhin sei durch die Pressemeldung in ENA die erfolgte Installation der beiden Kommissionen öffentlich geworden, so dass die Synodalen mit „berechtigter Verstimmung“ reagieren könnten, wenn im Oktober in den Medien von der Synodaltagung in Spandau berichtet werde. Vermutlich gerieten die Kirchenleitenden auch in Verlegenheit, eine plausible Begründung zu liefern, warum die Tagung der EKD-Synode (Ost) nicht stattfände, obwohl der Staat nicht einmal ein Verbot ausgesprochen habe.148 148 Niederschrift (Behm) über die Sitzung des Rates der EKD am 13./14.6.1968, S. 1f., 3, 4, 5 (EZA, 104/47).

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Zur ersten Sitzung der Strukturkommission am 19. Juni machte Schönherr einige handschriftliche Aufzeichnungen, aus denen hervorgeht, dass über folgende Punkte bereits sehr konkrete Überlegungen angestellt worden waren: Im Blick auf die Protokolle der Sitzungen von Bischofskonferenz und KKL am 5. und 6. Juni müsse über die Form der „Korrespondenz“ der zwei Kommissionen befunden werden und grundsätzlich die Frage der „Grenze von ‚Gemeinschaft‘“ erörtert werden („Wie weit können wir gehen?“). Beraten wurde über ein Konzept („Leitungsprinzip?“), die Frage des Vorsitzes sowie den weiteren Arbeitsstil („Besondere Arbeitsgruppen“) des zukünftigen Kirchenbundes. Ferner versuchten die Kommissionsmitglieder, die Fragen der Kosten („Geschäftsstelle“) und der Vertraulichkeit der geführten Überlegungen („Nur eingesetzte Gremien, Kirchenleitungen EKD, EKU, VELKD“) zu klären. Schönherrs eigene, den Stichworten zur Sitzung angefügte Vorschläge waren weit ausführlicher dargelegt und im Laufe der Verhandlung mit zum Teil schon sehr präzisen und der späteren Gestalt des Bundes inklusive der personellen Besetzung seiner Organe nahekommenden Anmerkungen ergänzt worden.149 Am 24. Juni fertigte der Staatssekretär auf der Grundlage verschiedener Gespräche mit Kirchenleitenden im Mai und Juni150 eine Information über die kirchliche Sachlage an. Der Ausspruch Schönherrs, man suche nach einer „organisatorischen“ Lösung für die Kirchen in der DDR, die „aus der Sackgasse von Fürstenwalde“ herausführe, beschreibe prinzipiell auch die Intention seiner übrigen Gesprächspartner – nur die Ansichten über das richtige Modell seien unterschiedlich. Da Mitzenheim und Lotz in einem „zentralistisch orientierten“ Bund der evangelischen Kirchen in der DDR eine für die thüringische Kirche „gefährliche Problematik“ sähen, plädierten sie für einen lockereren Zusammenschluss in Form einer ausgebauten KKL, die absolut eigenständig und unabhängig vom Rat der EKD sei. Lotz habe vor – und Mitzenheim stimme da grundsätzlich zu –, die Synode der EKD „einschlafen“ zu lassen. Der Staatssekretär beurteilte diese Position als „taktisch, im Grunde genommen sogar opportunistisch“, denn Lotz wolle sich nur nicht mit dem „Odium der ‚Spaltung‘ der EKD belasten lassen“. Hingegen habe Schönherr „(in Zeugen-Gegenwart)“ wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die „‚überheizte EKD-Atmosphäre‘ in Fürstenwalde mit dem theatralischen Krummacher-Bekenntnis zur Einheit sich für die Kirche in der DDR ungünstig ausgewirkt habe“ und betont, dass viele östliche Kirchenvertreter diese Meinung teilten. Schönherr sei sich im Klaren darüber, dass nach der als desillusionierend empfundenen Annahme der neuen DDR-Ver149 Hsl. Aufzeichnungen Schönherrs vom 19.6.1968, 5 S. (1. Seite zur Sitzung, 4 Seiten „Mein Vorschlag“ zur 1. Sitzung der Strukturkommission (EZA, 687/1). 150 Unterredungen hatte Seigewasser mit Jacob, G. Lotz, Mitzenheim und Schönherr geführt.

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fassung „Tricks“ nicht mehr weiterführten (z. B. zwei Regionalsynoden bzw. das „Zwillingskirchen“-Modell). Auch habe er „volles Verständnis“ dafür, dass aus staatlicher Perspektive Ausreisen von östlichen Ratsvertretern zu ökumenischen Veranstaltungen völlig unakzeptabel seien. Unübertroffen hart – so Seigewasser weiter – sei die Haltung von Generalsuperintendent Jacob. Er habe nach eigener Aussage trotz seiner amtlichen Verpflichtung angesichts des Tagungsortes bereits auf die Teilnahme an der Synodaltagung in Fürstenwalde verzichtet, um gegen den „Rummel“ zu demonstrieren: „Für ihn sei es klar, daß die Kirche in der DDR als Kirche in der sozialistischen Gesellschaft völlig andere Aufgaben habe als die Kirche Westdeutschlands.“ Anhand dieser Gesprächsresultate stellte der Staatssekretär folgende Spekulationen an: Eine „einflußreiche Gruppe von Kirchenleitungsmitgliedern außerhalb des Thüringer Bereiches“ werde den „ernsthaften Versuch“ unternehmen, „sich mit dem Staat zu arrangieren“. Gerade weil „Gegner dieser Gruppe“, wie Hildebrandt und Fränkel, die mit der sozialistischen Verfassung entstandene Situation durchaus „richtig einschätzten“, würden sie die kirchliche Entwicklung der EKD im Sinne der von Schönherr als „Tricks“ bezeichneten Modelle zu steuern versuchen. Seigewasser sprach daher die Empfehlung an die zuständigen Staatsvertreter aus, in zukünftigen Unterredungen mit Kirchenvertretern „konsequent“ auf eine organisatorisch und rechtlich selbständige Kirche in der DDR „(praktisch selbständige Landeskirchen der DDR)“ sowie die Auflösung aller EKD- und EKU-Dienststellen im Bereich der DDR zu drängen. Auch müssten die östlichen Ratsmitglieder auf diese „anachronistisch gewordenen Funktionen verzichten“. Werde diesen „normalen Forderungen“ nicht nachgekommen, könne es keine Verhandlungen zwischen Staat und Kirche über „Vereinbarungen konkreter Art (Art. 39, Abs. 2)“ geben.151 Während einer Besprechung mit westlichen Vertretern der EKD am 9. Juli brachte Krummacher seine Erschütterung über den gesamten Verlauf der KKLSitzung vom 6. Juni zum Ausdruck. Mit der Entscheidung, die Wahl des Vorsitzenden der KKL bis Anfang August zu verschieben, zeige die Kirche dem Staat ganz offenbar ihr Entgegenkommen. Lotz habe völlig unwidersprochen fordern können, dass die KKL „endlich“ einen Vorsitzenden benötige, der „in der Lage sei, mit dem Staat zu verhandeln“. Krummacher zeigte sich vor allem deswegen so bestürzt, weil die evangelische Kirche sich „seit 20 Jahren“ niemals bei ihren Personalwahlen von staatlichen Wünschen oder staatlichem Druck habe beeinflussen lassen. Es komme einer wesentlichen Beschneidung der kirchlichen Handlungsfähigkeit gleich, wenn in Zukunft die Erwartungshaltung des Staates bei den Wahlen führender Kirchenvertreter berücksichtigt oder ihr sogar entsprochen werde. Würde Noth zum 1. KKL-Vorsitzenden und Schön151

Ausarbeitung Seigewassers vom 24.6.1968 (SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/14/10, Bl. 59ff.).

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herr zum 2. Vorsitzenden gewählt, so würde diese Entscheidung zwar zu einer Zustimmung auch der thüringischen Landeskirche führen, doch handele es sich dann um eine „Kompromißlösung“. Weil die Regierung der DDR ihn ebenso wenig wie Krummacher akzeptiere und er letztlich als eine Art Strohmann alle Verhandlungen mit dem Staat „decken“ müsse, die in realiter von Schönherr geführt würden, habe Noth sich von dieser Möglichkeit wenig begeistert gezeigt.152 Den Mitgliedern der Strukturkommission schickte Stolpe am 24. Juli den ersten Entwurf der zukünftigen Bundesordnung, in dem es mit Blick auf die Kirchen in der Bundesrepublik hieß: „Der Bund nimmt die Gesamtinteressen der in ihm zusammengeschlossenen Gliedkirchen selbständig und unabhängig wahr. Er weiß sich darüber hinaus für die ganze Ev. Christenheit in Deutschland verantwortlich. Entscheidungen, die alle Ev. Kirchen in Deutschland berühren, können nicht ohne Beteiligung des Bundes getroffen werden.“153

Bei der Sitzung am 1. und 2. August herrschte unter den Ratsmitgliedern noch Unklarheit über die Art und Weise der Neuordnung der DDR-Kirchen. Diese Situation wurde verständlicherweise als irritierend empfunden, zumal als fester Termin für die Fertigstellung der neuen Ordnung bereits der 1. Januar 1969 anvisiert worden war. Ebenso offen war weiterhin, „wie die Gemeinschaft zwischen Ost und West in der neuen Form aufrechterhalten“ werden könne.154 In der Aussprache über das derzeitige Ost-West-Verhältnis berichtete Krummacher über den Stand der Überlegungen der Strukturkommission sowie die auf der KKL-Sitzung am 1. August erfolgte Wahl Bestes155 zu ihrem Vorsitzenden. Tatsächlich habe sich die Strukturkommission mit der Frage der Beziehungen zwischen Bund und EKD noch gar nicht befasst.156

152

Berichtsprotokoll (o. A.) über eine Besprechung von Behm, Woelke, Wendelin und Lingner mit Krummacher am 9.7.1968, S. 1 (EZA, 4/22). 153 Schreiben Stolpe an die Mitglieder der Strukturkommission vom 24.7.1968 (EZA, 687/1). Der Entwurf ist mit hsl. Änderungen Schönherrs versehen. Der zitierte Artikel hieß hier 4 (2). 154 Auszug aus Niederschrift über die 16. Sitzung des Rates der EKD am 1./2.8.1968 (EZA, 4/19). 155 Wie der Stellvertreter des Staatssekretärs für Kirchenfragen, Fritz Flint, der CDU-Abteilung Kirchenfragen mitgeteilt hatte, sei die Wahl Bestes zum KKL-Vorsitzenden eine „taktische, im Einvernehmen mit der ‚EKD‘-Führung getroffene, Maßnahme“. Ein „wenig profilierter“, aber von den staatlichen Stellen als Gesprächspartner akzeptierter Mann solle in den Vordergrund gestellt werden, während Krummacher weiterhin die „Fäden“ ziehe. Die Strukturkommission befinde sich im übrigen in einem „starken ‚Westsog‘“ und werde sich, falls ein eigener Kirchenbund in der DDR „überhaupt in irgendeiner Form noch“ zustande komme, an der Konzeption des Berliner Bischofs Scharf orientieren (Aktenvermerk Hiekisch vom 8.8.1968, S. 1 [ACDP, VII-013-3060]). 156 Niederschrift (Behm) über die Sitzung der Ratsmitglieder am 1.8.1968, S. 2, 3 (EZA, 104/48).

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Schönherr wandte sich am 6. August an die Mitglieder der Struktur- und der Verhandlungskommission. Er bezog sich auf die in den Beratungen aufgekommene Idee, der erarbeiteten Bundesordnung ein Begleitwort anzufügen, mit dem die „Intentionen der Ordnung, besonders aber das Verhältnis zur EKD“ näher erläutert werden könnten. Einen von ihm selbst formulierten Entwurf legte Schönherr bei und bat die Mitglieder der Kommissionen, sich auf der nächsten Sitzung dazu zu äußern. Er schlug vor, den Entwurf der Bundesordnung inklusive des Begleitwortes sogleich an die Vorsitzenden der Kirchenleitungen zu versenden, damit diese es in ihren Kirchenleitungen durchsprechen könnten und die Ergebnisse der Beratungen auf der Tagung der KKL am 20. September bereits vorlägen. Darauf präsentierte Schönherr den Mitgliedern der Struktur- und der Verhandlungskommission einen Änderungsvorschlag, der in Anbetracht der weit fortgeschrittenen Entwürfe und des Zeitdrucks, unter dem die DDR-Gliedkirchen sich fühlten, überraschend einschneidend war. Er stellte zur Diskussion, anstelle einer eigenen Synode des Bundes in der DDR, „die aufwendig und spektakulär“ sei, das synodale Element durch die Aufstockung der Konferenz der Kirchenleitungen zum Ausdruck zu bringen. Es sei denkbar, abgesehen von den leitenden Geistlichen je zwei Vertreter der Landessynoden bzw. einen Synodalen der kleineren Kirchen in die KKL zu wählen. Sollte der DDR-Kirchenbund dermaßen aufgebaut sein, könnte die KKL Gesetzesvorlagen erarbeiten, die dann durch „gleichlautende Beschlussfassung“ der Landessynoden in Kraft gesetzt würden. In seinem derart abgewandelten Modell der Bundesordnung sah Schönherr den entscheidenden Vorteil, dass sowohl die Kirchen, die Bedenken geäußert hätten, mit dem Bund könne in der DDR eine „Superkirche“ entstehen, als auch die „westlichen Brüder“ mehr „Verständnis“ für diese Lösung aufbrächten. Bei einem solchen „Kirchengebilde“ läge der Schwerpunkt weniger auf einer „zentralen Leitung und Verwaltung“ als vielmehr auf der Tätigkeit der Kommissionen und Ausschüsse sowie der „Zusammenarbeit aller“. Die Bezeichnung KKL könnte entsprechend in „Konferenz der Kirchen“ abgewandelt werden. Schönherr räumte zwar am Ende seines Schreibens ein, sich durchaus darüber im klaren zu sein, dass es etwas „mißlich“ sei, zu diesem Zeitpunkt mit neuen Gedanken aufzuwarten, hielt jedoch seine Erwägungen nicht für besonders eingreifend. Bemerkenswert an diesem Modell Schönherrs ist, dass es die Kompetenzen der EKU und der VELKD, denen die Landeskirchen auf dem Gebiet der DDR jeweils angehörten, völlig unberücksichtigt lässt.157 Das „Begleitwort“ zum Entwurf der Bundesordnung ist in vieler Hinsicht aufschlussreich, weil es bei der 157 Schreiben Schönherr o. D. [das Datum 6.8.1968 hat Schönherr nur hsl. vermerkt und mit einem Fragezeichen versehen], S. 1, 2. Schönherr schloss sein Schreiben mit der Information, dass er bis Ende August im Urlaub sei (EZA, 687/1).

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Begründung für die Bildung des Bundes (Teil I.) doch andere Akzente setzt, als es in den unzähligen internen innerkirchlichen Beratungen und Diskussionen geschah. In Teil II wird sowohl die „Unabhängigkeit“ des neuen Bundes als auch seine „geistliche Bindung“ mit den Kirchen in der Bundesrepublik besonders hervorgehoben, während im III. Teil hergeleitet wird, auf welche Initiative hin und auf der Basis welcher kirchlicher Gremien bzw. Verordnungen die Ordnung des BEK entwickelt wurde.158 Den zweiten Entwurf der Ordnung des Bundes vom 31. Juli versandte Stolpe am 9. August an die Mitglieder der Strukturkommission. Artikel 4 (4) war folgendermaßen formuliert worden: „Der Bund nimmt an der Verantwortung für die ganze Ev. Christenheit in Deutschland teil. Entscheidungen, die alle Ev. Kirchen in Deutschland berühren, können nicht ohne Beteiligung des Bundes getroffen werden.“159 Die Leiter der Dienststellen traten auf Einladung Krummachers und mit dem Einverständnis der östlichen Ratsmitglieder sowie der Strukturkommission am 4. September in der Kirchenkanzlei in Ost-Berlin zusammen, um sich von Schönherr und Stolpe über die bereits sehr konkreten Arbeitsergebnisse der Strukturkommission informieren zu lassen. Der Kommissionsvorsitzende berichtete, dass die „erste vorläufige Arbeit“ der Strukturkommission mit ihrer Sitzung am Vortag abgeschlossen sei. Neben einer Ordnung des DDR-Kirchenbundes, die sich eng an die Grundordnung der EKD anlehne, läge auch ein „Begleitwort“ vor, das der Erläuterung der Beziehungen zwischen Bund und EKD diene. Beide Entwürfe seien nicht nur auf die Initiative der acht Gliedkirchen in der DDR hin entstanden, sondern würden auch von diesen verantwortet. Der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR sei als intensive Föderation der acht Landeskirchen zu verstehen, die anknüpfe an die „Gemeinschaft derselben Kirchen“ in der KKL. Es solle sich demnach beim Bund weder um eine „zentralistische“ Kirche in der DDR noch um eine nur „lockere Arbeitsgemeinschaft“ der DDR-Kirchen handeln, sondern um ein zwischen beiden Extremen angesiedeltes Modell: „Die zentrale Bedeutung des Bundes liegt in der künftigen gemeinsamen Arbeit der uns gemeinsam betreffenden Probleme.“ Ein „kirchenrechtliches Novum“ und „heimlicher Mittelpunkt des Entwurfs“ hingegen seien die Kommissionen des Bundes, die unter der Leitung jeweils eines hauptamtlichen Sekretärs für die eigentliche Tätigkeit und alle Aktivitäten des Bundes zuständig seien. Die Bildung eines Sekretariats des Bundes unter dem Vorsitz einer Art von „Generalsekretär“ sei vorgesehen, das sich aus den Sekretären der etwa sechs bis acht Kommissionen zusammensetze. Stolpe ergänzte, 158 159

„Begleitwort“ (EZA, 102/33; auch 4/22). Schreiben Stolpe an die Mitglieder der Strukturkommission vom 9.8.1968 (EZA, 687/1).

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dass der Ordnungsentwurf und das Begleitwort von den Teilnehmern an der etwa zehnstündigen Sitzung am 3. September „einstimmig verabschiedet“160 worden seien. Dabei sei es letztlich geglückt, in der zentralen und außerordentlich kontrovers diskutierten Frage der Beziehungen zwischen Bund und EKD zu einem Konsens zu kommen: „Niemand will einen Austritt, ein Abschwören oder eine Distanzierung von der EKD.“ Gleichermaßen waren die landeskirchlichen Dienststellenleiter sich jedoch einig, dass alle acht Gliedkirchen zur Vertretung ihrer Angelegenheiten einen selbständigen Kirchenbund in der DDR gründen wollten, dessen Ordnung durch ihr „vollmächtiges Handeln“ „verbindlich“ sei. Eine Abstimmung zu den Organen der EKD werde erfolgen. Wie Schönherr näher erläuterte, sollten die östlichen Ratsmitglieder sich mit den westlichen – unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die „Gedanken und Linien der EKD“ beibehalten werden müssten – über offene Fragen verständigen. Die Strukturkommission habe sich gedacht, dass die neugebildeten Organe des Bundes „eine Art Treuhandschaft“ für den östlichen Teil der EKD übernähmen. Die regionalen Organe der EKD (Ost) müssten – vorausgesetzt, sie fänden sich im BEK wieder – nicht neu bestellt werden, sondern könnten ihre Rechte und Pflichten auf die entsprechenden Gremien des Bundes übertragen. Schönherr erklärte, dass es allein um die Schaffung einer arbeitsfähigen Organisation der östlichen Gliedkirchen ginge, nicht aber um eine „separate Regelung“ für die Kirchen in der DDR. Während die Landeskirchen in der DDR die Entscheidung über das Inkraftsetzen der Bundesordnung zu fällen hätten, werde die EKD bei der Klärung der Frage der „Verklammerung“ des neuen DDR-Kirchenbundes mit der West-EKD nicht ausgeschlossen. Am Nachmittag des 19. September werde die Bundesordnung und das entsprechende Begleitwort von den östlichen Ratsmitgliedern im Beisein von Schönherr und Hildebrandt erörtert. Dann könnten am folgenden Tag auch die Mitglieder des Rates aus der Bundesrepublik die Entwürfe durchsprechen und über das Ergebnis ihrer Debatte berichten. Lingner sollte allerdings vier westlichen Ratsmitgliedern (Dietzfelbinger, Wilm, Scharf, Hammer) die Entwürfe von Ordnung und Begleitwort unverzüglich zusenden, damit deren Stellungnahmen bereits auf der Sitzung des Rates der EKD (Ost) am Nachmittag des 19. September vorlägen. Wie ursprünglich geplant, sollte den EKD-Synodalen im Oktober in Halle auf einer Informationstagung die Gelegenheit gegeben werden, über die Neustrukturierung des Bundes zu bera160 Beste und Lotz hätten an der Sitzung nicht teilgenommen. Jedoch habe Beste eine schriftliche Stellungnahme „zu der weiteren Verfahrensweise und zu dem Entwurf“ abgegeben. – Auch wenn es sich, wie Stolpe ausdrücklich zu beachten bat – bei der vorgelegten Ordnung um die tatsächlich mittlerweile dritte überarbeitete Fassung handelte, so war es doch gleichzeitig der erste Entwurf der Strukturkommission. Ob Schönherrs offenbar nicht einbezogene Änderungsvorschläge zumindest debattiert worden sind, ist nicht ersichtlich.

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ten. Bis dahin müssten die Kirchenleitungen ihre verbindlichen Erklärungen abgegeben haben.161 Der Präsident der Kirchenkanzlei in Hannover schickte u. a. auch Lingner am 17. September eine als „persönlich“ deklarierte Stellungnahme zum Ordnungsentwurf und dem dazugehörigen Begleitwort. Obwohl seiner Einschätzung nach die Bildung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR nach Art. 21 (2) der EKD-Grundordnung grundsätzlich zulässig sei, bezweifelte Hammer, ob dies ebenso für eine Kirchenbundkonstruktion gelte, die sich nicht innerhalb der EKD, sondern an ihrer Stelle formiere und sie damit „jedenfalls regional“ ersetze. Es sei deshalb fraglich, ob die Strukturkommission tatsächlich der ihr gestellten Aufgabe gerecht geworden sei, nämlich die Gemeinschaft der DDRGliedkirchen unter Wahrung des Rechtsbestands und der Rechtsverpflichtung neu zu ordnen. Die Kompetenzen der Organe und Amtstellen der EKD in der DDR würden vollständig und „(konkurrierend?)“ von den Organen des Bundes übernommen. Das Verhältnis des DDR-Kirchenbundes zur EKD werde im Ordnungsentwurf nicht einmal ansatzweise thematisiert. Hammer kam zu einer vernichtenden Bewertung. Dabei brachte er mit dem durch sorgfältige Wortwahl erzeugten Unterton zum Ausdruck, dass zumindest er sich als westliches EKDMitglied nicht nur übergangen fühlte, sondern offenbar mit der vorgesehenen derart eigenständigen Gestalt des kirchlichen Zusammenschlusses der östlichen Gliedkirchen nicht gerechnet hatte. Er bezweifelte sogar die von den Brüdern in der DDR vorausgesetzte beschränkte Handlungsfähigkeit der Leitungsorgane der EKD in der Bundesrepublik und der DDR, indem er die Frage nach den entsprechenden „gravierenden außerkirchlichen Fakten“ stellte.162 Auch der Bezug auf die „Fürstenwalder Erklärung“ verdrehe Aussage und Intention dieses gesamtkirchlichen Wortes von 1967. Hammer fügte hinzu, dass in dem zitierten Satz durch das „soweit“ eine Begrenzung der gegenseitigen Freigabe angedeutet werde, die sich im Entwurf der Bundesordnung nicht wiederfinden lasse. Ferner war im Begleitwort von der angestrebten „vollen Unabhängigkeit“ der Kirchen die Rede, mit der sie ihrem Auftrag in der DDR nachkommen wollten, jedoch bei gleichzeitiger Bewahrung der „geistlichen Bindung“ zu den westlichen Kirchen. Die geistliche Gemeinschaft sei nicht mit „rein geistiger“ Gemeinschaft zu verwechseln, sondern bedeute auch „Leibhaftigkeit“, die in „gemeinsamer Beratung und gegenseitiger Hilfeleistung“ Gestalt gewinne. Spöttisch und mit einer gewissen Verbitterung kommentierte Hammer: „Wenn unter ‚gemeinsamer Beratung‘ ein der Entstehung der Ordnung des Bundes entsprechendes Vorgehen verstanden werden soll, so kann damit nur ein äußerst reduziertes 161 162

Protokoll (Lingner), S. 1, 2, 3, 4, (EZA, 4/22). Vermerk Hammer vom 17.9.1968, S. 1, 2 (EZA, 4/22).

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Verständnis des Wortsinns verbunden werden.“163 An dem eigentlichen Ordnungsentwurf kritisierte Hammer, er sei an vielen Stellen ungenau und unklar und lasse wichtige Sachverhalte unberücksichtigt. In seinen „abschließenden Bemerkungen“ bewertete er eine auf der Basis der beiden Entwürfe vorgenommene Regelung als illusionär, vor allem gemessen an der ursprünglichen Zielstellung der Strukturkommission, durch eine Neuordnung im Sinne der Unabhängigkeit die EKD-Gliedkirchen auf dem Gebiet der DDR vor „staatlichen Eingriffen“ schützen zu wollen. Wenn der SED-Staat überhaupt die Bemühungen der evangelischen Kirchen „honorieren“ werde, dann sei das Hammers Einschätzung nach höchstens angesichts einer „völligen Trennung der einzelnen Gliedkirchen von der EKD“ zu erwarten. Und auch in diesem Fall „allenfalls für eine kurze Übergangszeit“. Die angestrebte Konstruktion des Bundes stelle eine überflüssige „Zwischenlösung“ dar, die Hammer sogar für „geistlich schädlich“ hielt, da sie letztlich allein dazu tauge, „einen Zustand lediglich zu verschleiern“. Es sei daher allemal besser, an dem Bestehenden festzuhalten, bis es einem „tatsächlich ‚aus der Hand geschlagen‘“ werde. Nur sei offenbar genau diese Möglichkeit den Kirchenvertretern in der DDR verschlossen, da der Staatssekretär für Kirchenfragen vom Stand der Arbeit der Strukturkommission „Kenntnis erhalten“ habe. Mit großer Schärfe kommentierte Hammer den dritten Absatz des ersten Artikels der vorläufigen Bundesordnung, in dem der Bund sich zu den „von der ersten Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen“ bekannte: „Damit dürften die 6 Sätze der Barmer theologischen Erklärung vom 31. Mai 1934 gemeint sein. Am Ende des dritten Satzes heißt es: ‚Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen.‘“

Der Präsident der Kirchenkanzlei wurde abschließend noch deutlicher, indem er für den Fall, dass „eines Tages“ die Handlungsfähigkeit aller EKD-Organe auf DDR-Gebiet „wirklich“ nicht mehr gegeben sei, vorschlug, dies auf der Grundlage eines „Notrechts“ zu verkünden. Solange, bis gemeinsames Handeln wieder möglich sei, würden die EKD-Organe ohne die östlichen Brüder agieren und „ihr Handeln und die Vertretung der evangelischen Christenheit in Deutschland grundsätzlich“ auf die Bundesrepublik und West-Berlin begrenzen. Für eine solche Übergangszeit sei ein kirchlicher Zusammenschluss in der DDR in Anlehnung an den Entwurf der Bundesordnung „nicht zu beanstanden“. Hammer betonte seine Überzeugung, dass das von ihm beschriebene 163

Vermerk Hammer vom 17.9.1968, S. 3, 4.

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Vorgehen „allein eine geistlich und rechtlich ebenso ehrliche wie klare Lösung“ darstelle.164 Die östlichen Ratsmitglieder tagten am Nachmittag des 19. September, wobei mit Wilm nur ein westlicher Kirchenvertreter an der Debatte teilnahm. Hauptverhandlungsthema waren ebenfalls der Entwurf der Ordnung des Bundes sowie das Begleitwort. Der Teil des Rates der EKD aus der Bundesrepublik war bereits vormittags zusammengetreten und hatte, da vier seiner Mitglieder die Papiere vorab zur vertraulichen Einsicht erhalten hatten, diese besprechen können. Dabei war man zu einer insgesamt negativen Bewertung gekommen, wie Wilm eingangs den östlichen Ratsvertretern mitteilte. Krummacher betonte daher vor Beginn der Verhandlung, dass es sich lediglich um Arbeitspapiere handele, die bislang in keinem „verantwortlichen Gremium“ diskutiert worden seien, sondern mit denen sich nur die Ratsmitglieder aus der DDR einzeln befasst hätten.165 Er vertrat die Ansicht, dass ohne eine zumindest sachliche Klärung der zukünftigen Gestalt der EKD und ihres Verhältnisses zum DDR-Kirchenbund die Bundesordnung nicht in Kraft gesetzt werden dürfe. Wätzel kritisierte, dass die im Begleitwort genannten positiven Aspekte einer Kirchenbundgründung nur vorgeschoben seien, da es sich letztlich um eine auf massiven Druck des Staates hin gebildete „Notgemeinschaft“ handele. Auch entspreche es nicht den Tatsachen, dass die Installation der Strukturkommission allein dem Aktivwerden der acht Gliedkirchen in der DDR zuzuschreiben sei. Daraufhin ergriff Schönherr das Wort, um die Motive für die Neuordnungsbestrebungen und die jüngste Entwicklung nochmals herauszustellen. Aufgrund der nur noch beschränkten Funktions- und Handlungsfähigkeit der bestehenden EKD-Gremien und kirchlichen Amtsstellen in der DDR sei der „Wunsch“ entstanden, eine gemeinsame Vertretung für die acht DDR-Landeskirchen zu bilden, die in dieser Funktion vom Staat auch anerkannt würde. Es sei jedoch nicht die Aufgabe der Strukturkommission gewesen, das Verhältnis zur EKD in schriftlicher Form zu regeln, wenngleich versucht worden sei, die „Gemeinschaft mit der EKD“ zum Ausdruck zu bringen. Schönherr wies insbesondere darauf hin, dass die für den Bund geplanten Organe als aus einem „Notrecht“ entstanden zu verstehen seien. Einer Meinung seien die Mitglieder der Strukturkommission, dass die „Einheit in der EKD“ nicht preisgegeben werden solle. Doch auf der anderen Seite sei es unmöglich, rechtlich zu einer Konstruktion zu kommen, die „allen gerecht“ 164

EBD., S. 5, 6. – Hervorhebung im Original. Protokoll (o. A.) über die Sitzung des Rates der EKD (Ost) am 19.9.1968, S. 1 (EZA, 4/22). – An dieser Stelle vermerkte der Protokollant, dass sich bereits die Berlin-brandenburgische und die Dresdner Kirchenleitungen in ihren ordentlichen Sitzungen mit den Ausarbeitungen beschäftigt hätten, während die Kirchenleitungen in Dessau und Magdeburg beiden Entwürfen sogar mit einigen Änderungsvorschlägen zugestimmt hätten. 165

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werde. Vorgeschlagen habe die Kommission nun eine kirchliche Neuordnung, die sich an Art. 21 (2) der EKD-GO anlehne, aber in der Konsequenz über die in der Grundordnung enthaltenen Formulierungen hinausreiche. Denn neben der Zielstellung, für die Kirchen in der DDR eine Gesamtvertretung gegenüber den staatlichen Stellen zu schaffen, sei es das Anliegen der Strukturkommission, gleichzeitig die Basis herzustellen für einen wirklich engen kirchlichen Zusammenschluss in der DDR. Schönherr kam zu folgendem Schluss: „Wenn der Versuch des Neuzusammenschlusses nicht der Verurteilung der Rebellion verfallen soll, dann müssen die Organe der EKD ihre Funktion von den Organen des neuen Bundes ausüben lassen können.“ Heftiger Widerspruch in fast allen Punkten kam von Wilm. Von einer „Notordnung“ sei im Ordnungsentwurf nichts zu erkennen. Es handele sich beim Bund vielmehr um einen Zusammenschluss der DDR-Gliedkirchen, der von der bestehenden Gemeinschaft der EKD völlig abgetrennt sei. Nicht überzeugend seien die im Begleitwort dafür angeführten Beweggründe. Durchaus würden die westlichen Ratsbrüder den acht Landeskirchen in der DDR einen „freien Zusammenschluß in Unabhängigkeit“ zugestehen, da die Existenz eines Vertretungsorgans für Verhandlungen mit der DDR-Regierung zweifellos von Wichtigkeit sei. Doch müsse dies „unter uns […] und zwar innerhalb der EKD“ vonstatten gehen – wobei die Bezeichnung nebensächlich sei. Richte man sich jedoch nach den vorgelegten Entwürfen, seien die „EKD und ihre geistliche, leibliche Gemeinschaft kaputt“. Wilm stellte eindringlich die rhetorische Frage, ob das Zerbrechen wirklich nicht zu verhindern sei, ob eine Ordnung mit dem Organ einer eigenen Bundessynode umgesetzt werden müsse. „Müssen Sie nicht erst die tatsächliche Nötigung abwarten? Noch werden Sie doch nicht gezwungen.“166 Hildebrandt meldete ebenfalls Zweifel an der Notwendigkeit eines solch eingreifenden Schrittes an, auch wenn er dem vermittelten Eindruck widersprach, die östlichen Kirchenvertreter verlangten unisono die „Freigabe für den EO [Entwurf (Bundes-) Ordnung] vom Westen“. Allerdings kritisierte er den Begriff „Notrecht“ als unangemessen, da er aus der Bekennenden Kirche stamme und deren Situation unter nationalsozialistischer Herrschaft nicht mit der aktuellen kirchlichen Lage zu vergleichen sei. Während der Zeit des Nationalsozialismus hätten sich die Organe der Kirche dem Bekenntnis „entfremdet“, so dass ein Notrecht vom juristischen Standpunkt aus seine Berechtigung gehabt habe. Kritisch betrachtete Hilde166 Protokoll (o. A.) über die Sitzung des Rates der EKD (Ost) am 19.9.1968, S. 2, 3f. (EZA, 4/22). – Wie aus einer von Behm angefertigten Niederschrift hervorgeht, verwies Wilm an dieser Stelle darauf, dass mit der von der Strukturkommission in dieser Weise angestrebten Bundesgründung sowohl gegen die Barmer Theologische Erklärung als auch gegen die Fürstenwalder Erklärung gehandelt werde. Doch: „Der Hinweis auf Barmen und Fürstenwalde verfängt nicht“. Vgl. Niederschrift (Behm) über die Sitzung des Rates der EKD am 19./20.9.1968, S. 4 (EZA, 2/2474).

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brandt die Bildung eines derart eigenständigen Bundes mit einer „zu schweren Rüstung“ in Form der vorgesehenen Organe sowie der „vorgelegten perfektionierten Ordnung“. Möglicherweise müsse man die Intention des Begleitwortes sogar als „Auflösung“ der EKD interpretieren. Dem könne er nicht zustimmen. Noth setzte seinen Vorrednern entgegen, dass die Zeit dränge und ein funktionsfähiges Organ als Vertretung der Landeskirchen in der DDR inklusive einer Synode gebildet werden müsse, bevor der Staat mit einem „Gewaltakt“ die Gemeinschaft der DDR-Gliedkirchen zerstöre. „Die Zeit der Schubladengesetze ist vorbei.“ Ähnlich äußerte sich Wätzel, der davor warnte, dass die Kirchen in der DDR „in das Waffenarsenal des Ostens“ integriert und als antiwestliche Propaganda missbraucht würden. Nacheinander versuchten Krummacher und Schönherr nochmals, die Diskussion auf den Punkt zu bringen, die Komplexität der kirchlichen Situation in der DDR, den zeitlich und räumlich stark eingeschränkten Handlungsspielraum zu verdeutlichen und nicht zuletzt die Arbeitsergebnisse der Strukturkommission zu verteidigen. Schönherr formulierte in die allgemein bekundete Ratlosigkeit hinein, dass es „unter der Voraussetzung der Zusammengehörigkeit der EKD“ definitiv nur zwei Möglichkeiten gebe: „Entweder: Eine Gemeinschaft gibt es nur, wenn die Leiblichkeit bis in die Organe reicht. Dann ist die ‚Kellersituation‘ nicht erlaubt. Oder: Es gibt eine geistige Gemeinschaft, ohne daß die Leitungsorgane gemeinsam sind. Ich meine, daß diese Gemeinschaft sich äußern kann in Ausschüssen. Verantwortlich für die Entsendung in die Ausschüsse müssen zwei verschiedene Leitungsgremien sein. Wenn wir die Organe der EKD beibehalten wollen, dann brauchen wir den Bund nicht.“

Angesichts dieser entschlossenen Haltung setzte Wilm zum zweiten Mal zum Widerspruch an. Sein Votum als Vertreter der EKD aus der Bundesrepublik soll an dieser Stelle dem Schönherrs gegenübergestellt werden: „Wir sehen Ihre Lage. Frage bleibt, ob man unter den gegebenen Umständen auf Gewaltmaßnahmen seitens des Staates warten muß unter Einschließung des Risikos, daß dann nicht mehr so viel getan werden kann wie jetzt. Gibt es denn wirklich nur das Entweder-Oder von Ihnen, Bruder Schönherr? Könnte es nicht so sein, daß Sie einen Verband der Evangelischen Kirchen in der DDR machen, vielleicht mit einer Mitgliedervertretung – aber nicht einer Synode –. Im übrigen tun wir weiter so viel gemeinsam wie wir tun können! Selbstverständlich arbeiten wir dann mit Regionalgesetzgebungen (Noth schüttelt den Kopf). Machen Sie doch aus dem, was da ist, etwas, ohne etwas ganz anderes zu machen. Sie haben etwas ganz anderes gemacht, eine eigene Kirche in der DDR.“

Während Krummacher und Noth auf die Bewegungslosigkeit des Rates und die Uneffektivität der Regionalordnung der EKD hinwiesen, widersprach Hil-

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debrandt der von der Strukturkommission vorgeschlagenen Konstruktion mit dem Argument, dass die neuen Organe des Bundes mit der Übernahme der Funktionen der EKD-Gremien erheblich „belastet“ würden. Mit einem solchen Bund werde „uns politisch nicht geholfen“ sein. Er plädierte für das Festhalten an der Zweigleisigkeit. Darauf gab Schönherr die ihm von Staatssekretär Seigewasser übermittelte staatliche Erwartungshaltung wieder, der entsprechend allenfalls eine „freie Partnerschaft mit den Kirchen im Westen“, also ein souveräner kirchlicher Zusammenschluss in der DDR toleriert werde, mit dem jegliche Einflussnahme der EKD „ausgeschaltet“ sei. Im weiteren Verlauf dieser heftigen Debatte konnte unter den Anwesenden keine Einigkeit darüber erzielt werden, ob die Verbundenheit der westlichen und östlichen Landeskirchen mit einer regionalen Regelung gleichermaßen gewährleistet sei wie mit einer „Partnerschaft getrennter Kirchen“. Vor allem über die Einrichtung einer Synode des Kirchenbundes waren die Ansichten zweigeteilt. Schönherr schlug vor, auf der anstehenden Informationstagung in Halle einen Ausschuss zu bilden, der das Verhältnis zur EKD kläre. Dann müsse der Rat „unter Beteiligung des Westens“ über das Arbeitsergebnis informiert werden und eine Entscheidung treffen.167 Am folgenden Tag, dem 20. September, nahmen die östlichen Ratsmitglieder ihre Beratung wieder auf. Lingner berichtete den Anwesenden, dass die Vertreter des Rates aus der Bundesrepublik auf ihrer Sitzung am Morgen zu keinem anderem Urteil gekommen seien als am Vortag. Sie hätten sich bei ihrer Debatte um eine verständnisvolle Interpretation der entwickelten Vorstellungen bemüht. Dennoch seien gegen die ausgearbeiteten Entwürfe Missfallen laut sowie Zweifel geäußert worden, vor allem, was die Perfektion des in Aussicht genommenen Zusammenschlusses und die Unklarheit des Verhältnisses zu den vorhandenen Strukturen anbelangte. Das Begleitwort zur Bundesordnung werde abgelehnt. Der Rat habe beschlossen, seine Bedenken von Scharf in einem Schreiben verdeutlichen zu lassen und gleichzeitig die Kirchenkanzlei damit beauftragt, zum 1. oder spätestens bis zum 5. Oktober einen Gegenentwurf zu formulieren. Zu diesem Zweck sei ein Ausschuss gebildet worden, der sich unter der Federführung von Hammer aus Wilm, Riedel, Heintze, und Benn zusammensetze und das weitere unmittelbare Gespräch übernehmen solle. Krummacher teilte mit, Stellungnahmen von Scharf, Hammer und Wilkens erhalten, sie jedoch noch nicht ausgewertet zu haben. Festzustellen sei aber, dass sie bei ihren Beurteilungen im Unterschied zu den östlichen Ratsvertretern nicht von einer kirchlichen „Zwangslage“ ausgingen. Lingner setzte dem entgegen, dass die „Zwangs167 Protokoll (o. A.) der Sitzung des Rates der EKD (Ost) am 19.9.1968, S. 4, 5, 8f., 9, 12. – Hervorhebungen im Original.

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lage“ sehr wohl auch im Westen gesehen werde, nur die Meinungen geteilt seien, was die Notwendigkeit derartiger Schritte anbelange. Es komme einzig und allein darauf an, so konstatierte Krummacher, das staatliche Ziel nach „Aufsplitterung in Bezirkskirchen“ zu vereiteln. Ohne die Grundproblematik lösen zu können, setzten die Anwesenden die nächsten Termine fest: Im Oktober sollten auf einer Kirchenkonferenz in Halle die leitenden Geistlichen über die „EKDProblematik“ in Kenntnis gesetzt werden. Für den 11. Oktober wurde eine außerordentliche Ratssitzung anberaumt. Dazu geladen werden sollten – abgesehen von den vier östlichen Mitgliedern des Rates – Fränkel und Johannes von der Strukturkommission und als westliche Vertreter Wilm, Riedel, Benn sowie Lingner und Behm. Auf dieser Tagung wiederum müsse ein Entschluss über die Kirchenkonferenz am 6./7. November gefasst werden. Alle Kirchenleitungen sollten wie vorgesehen ihre Voten zum Entwurf der Strukturkommission bis zum 15. November abgegeben haben.168 Die Kirchenkanzlei der EKD hatte einen Alternativentwurf zur Ordnung des Bundes erarbeitet, den Behm von Lingner erhalten hatte und am 26. September an Krummacher schickte. Behm erläuterte, dass man ein alternatives Modell habe vorlegen wollen, welches zu einem engeren kirchlichen Zusammenschluss der DDR-Landeskirchen führe, der ihre „selbständige und unabhängige Vertretung“ gewährleiste. Vermieden worden sei, eine bis ins Detail perfekt ausgefeilte Ordnung zu formulieren, die sonst „ihren Charakter als Notordnung“ verloren hätte. Zudem habe klargestellt werden sollen, dass keinesfalls ein DDR-Kirchenbund „außerhalb der EKD“ geschaffen werde. Artikel 1 sei auf den ersten Absatz reduziert worden, während Artikel 2 gestrichen und mit der Erweiterung „selbständig und unabhängig“169 neuformuliert worden sei. Auch Artikel 4 tauche in dem Alternativentwurf nicht mehr auf. Grundsätzlich habe die Kirchenkanzlei an Stelle der Bezeichnung „Synode“ durchgängig „Kirchenversammlung“ und statt „Gliedkirche“ „Mitgliedkirche“ eingesetzt. Weitere, am Entwurf der Strukturkommission vorgenommene Änderungen seien marginal. Nun stelle sich die Frage, ob die EKD-Kirchenkanzlei selbst, der Rat oder eine Einzelperson die alternative Fassung auf der Informationstagung in Halle vorstellen könne.170 Am 30. September machte Hammer Benn, Heintze und Riedel den „Alternativentwurf“ für eine Ordnung des DDR-Kirchen-

168 Niederschrift (Behm) über die Sitzung des Rates der EKD am 19./20.9.1968, S. 7, 8 (EZA, 2/2474) 169 Art. 2 (1): „Der Bund nimmt seine Aufgaben nach innen und nach außen durch gemeinsame Organe selbständig und unabhängig wahr.“ 170 Schreiben Behm an Krummacher vom 26.9.1968 (mit Anlage „Alternativentwurf“), S. 1, 2 (EZA, 104/48).

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bundes zugänglich, der bereits an alle östlichen Ratsmitglieder geschickt worden war.171 Vom 2. bis zum 4. Oktober verhandelten die Synodalen der EKD aus der DDR miteinander auf der Informationstagung in Halle.172 Einen Bericht über Verlauf und Ergebnisse dieser Tagung, während der die Synode in der Hauptsache über den Entwurf der Bundesordnung debattiert hatte, erstatteten am 4. Oktober Figur, Hildebrandt, Behm und Lewek.173 Die Hallenser Informationstagung erbrachte letztlich einen Gegenvorschlag zum von der Strukturkommission erarbeiteten [1. bzw. 3.] Entwurf der Bundesordnung, der nur einige kleine Änderungen beinhaltete. Darin wurde dem Wortlaut von Art. 4 (4), wie ihn die Strukturkommission formuliert hatte („In der Mitverantwortung für die ganze ev. Christenheit in Deutschland wirkt der Bund an Entscheidungen, die alle ev. Kirchen in Deutschland berühren, durch seine Organe mit“), gegenübergestellt: „Der Bund hat die Aufgabe, die Gemeinschaft der ev. Christenheit in Deutschland zu fördern. Er wirkt an Fragen, die alle evangelischen Kirchen in Deutschland berühren, durch seine Organe mit“. Die Synodalen sprachen als Ergebnis der Informationstagung die Empfehlung an den Rat der EKD aus, die Arbeit am von der Strukturkommission vorgelegten Entwurf der Bundesordnung weiterführen zu lassen. Mit dieser Bitte war der ausdrückliche Wunsch verknüpft, die Gründung des Kirchenbundes in der DDR möglichst derart zu vollziehen, dass darüber die „Gemeinschaft der EKD“ nicht aufgegeben werde.174 171 Schreiben Hammer an Benn/Heintze/Riedel vom 30.9.1968 mit dem sechsseitigen „Alternativentwurf“ in der Anlage. Vermerk: „Vertraulich!“ (EZA, 2/2474). 172 Offenbar ging die HA XX/4 des MfS davon aus, es handele sich um die regionale Tagung der EKD in der DDR, während die „westberliner Teilsynode“ dann im Anschluss tagen werde. Fünf inoffizielle Mitarbeiter sollten eingesetzt, das „Tagungsobjekt“, die Superintendentur von Halle sowie „kirchliche Übernachtungsobjekte überwacht und mit ausgewählten, als „loyal“ eingeschätzten Synodalen vorab beeinflussende Gespräche geführt werden. Da die Synoden in Halle und Berlin-West nicht zeitgleich tagten, sei „nicht damit zu rechnen“, dass die westdeutsche EKD Kuriere einsetze, so dass nur möglichst alle „nicht aus kirchlichen Objekten“ geführten Telefongespräche abgehört werden müssten, die Teilnehmer oder Beobachter der Tagung „von und nach Westdeutschland bzw. Westberlin“ führten. Westliche Kirchenvertreter, die sich zu dieser Zeit „als Touristen oder zu Verwandtenbesuchen“ in Halle aufhielten, sollten beobachtet werden (HA XX/4, Oberstleutnant Ludwig: Maßnahmeplan vom 26.9.1968 [BStU (ZA Berlin), MfS HA XX/4-20, Bl. 5–9; hier Bl. 5, 6, 8]). In einer „Einzel-Information“ über die Hallenser Tagung vom 9.10.1969 wurde dann mit einer gewissen Erleichterung notiert, dass „zwischen den einzelnen Teilsynoden […] jedoch erstmals weder thematische noch organisatorische Zusammenhänge“ bestünden, ebenso wenig wie es „gemeinsame Richtlinien oder gemeinsame Arbeitsformen“ gegeben habe. Hinsichtlich der diskutierten Strukturfragen sei keine Konsensbildung erfolgt (EBD., Bl. 40–44; hier Bl. 40). 173 Bericht über die Verhandlungen der „Informationstagung“ der Synodalen der EKD (Ost) in Halle vom 2.–4.10.1968 (EZA, 4/22). – Da das „Begleitwort“ nicht an die Synodalen verteilt worden war, konnte es auch nicht diskutiert werden. 174 Vorschlag der Teilnehmer der Informationstagung vom 4.10.1968, S. 3 (EZA, 104/79).

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Am letzten Tag der regionalen Tagung (West) der EKD-Synode in BerlinSpandau vom 6. bis 11. Oktober wurde wie geplant von der Synode mit drei Stimmenthaltungen eine „Erklärung“ an die östlichen und westlichen Kirchenmitglieder zur Frage des Weges der EKD verabschiedet. Es hieß: „Wir danken für die Gemeinschaft, die Gott uns geschenkt hat. Die Einheit unserer Kirche ist in Freiheit gewachsen. Jede Gefährdung dieser Einheit können wir nur erleiden. Unter dem Wort Gottes sind wir miteinander verbunden im Zeugendienst für den einen Herrn. Gott fordert von uns, diese Gemeinschaft immer wieder zu verwirklichen und darin nicht nachzulassen. Wir wissen, daß die Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik nach Mitteln und Wegen suchen, ihren Dienst in den Gegebenheiten ihrer Situation auftragsgemäß und wirkungsvoll auszurichten. In diesem Bemühen sind wir ihnen nahe. Denn unsere Kirchen und Gemeinden stehen vor der gleichen Aufgabe. Die Schwierigkeiten sind groß, die dabei zu überwinden sind. Aber der Vorwurf politischer Abhängigkeit, der uns gemacht wird, entspricht nicht der Wahrheit. Wir bevormunden einander nicht, sondern sind frei, das zu tun, was unser Auftrag fordert. Wir sind gewiß, daß die Kirche, die ihrem Herrn gehorcht, damit ihre Einheit stärkt.“175

In einer vor der Publikation des Gesamtberichts herausgegebenen Teilveröffentlichung zur regionalen Tagung (West) der EKD-Synode wurde darauf hingewiesen, dass diese erste Ausarbeitung nicht erkennen lasse, „daß diese Tagung inmitten einer schweren Gefährdung der Gemeinschaft der EKD zwischen den beiden Teilen Deutschlands stattfand. Der Tagung stand keine entsprechende Tagung für den Bereich der DDR gegenüber“. Derzeit beschäftigten sich die evangelischen Kirchen in der DDR mit der Frage, ob ein eigener engerer Zusammenschluss unumgänglich sei und welche Formen der Verbindung der DDRGliedkirchen zur Option stünden. Die Auswirkungen eines „solchen besonderen Zusammenschlusses“ für die Beziehungen der Gliedkirchen in der DDR zur EKD seien nicht vorhersehbar. Auch bleibe offen, ob „die rechtlichen Strukturen der EKD überhaupt“ berührt würden.176 In Ost-Berlin fanden sich in Ausführung des Ratsbeschlusses vom 19./20. September die östlichen Ratsmitglieder mit einigen Mitgliedern der Strukturkom175 Beschluss der Regionaltagung (West) der EKD vom 11.10.1968 (BERICHT ÜBER DIE REGIONALE TAGUNG (WEST) DER VIERTEN SYNODE DER EKD vom 6.–11.10.1968, S. 309f.). – Eine 14seitige Zusammenstellung aller „Äußerungen zum Thema ‚Einheit der EKD‘“, die auf der Tagung in Berlin-Spandau getätigt wurden, konnte von der HA XX/4 des MfS auf der Basis von Tonbandaufnahmen erarbeitet werden. Gleichermaßen wurde ein „Gedächtnisprotokoll“ über „Privatgespräche“ zur Einheitsfrage angefertigt (auch in: ACDP, VII-012-3031) sowie der Verlauf der Pressekonferenz am 7.10. schriftlich fixiert (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-22, Bl. 54–67; 68–71; 35–40). 176 E. WILKENS (Hg. im Auftrag der Synode [zur Regionalen Tagung (West) der Synode der EKD vom 6.–11.10.1968 in Berlin-Spandau]): „Die Zukunft der Kirche und die Zukunft der Welt. Die Synode der EKD zur Weltverantwortung der Kirche in einem revolutionären Zeitalter“. Einführung, S. 3f. (EZA, 2/1509).

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mission und EKD-Vertretern aus der Bundesrepublik am 11. Oktober zu einer Beratung zusammen. Wilm informierte die Anwesenden über die Regionaltagung der EKD-Synode in Spandau, stellte auch die Verhandlungen im Berichtsausschuss dar und verlas den Synodenbeschluss zur Einheitsfrage. Die Ratsmitglieder aus der DDR lobten den Beschluss als besonders gelungen und kamen überein, ihn allen östlichen EKD-Synodalen und den Kirchenleitungen in der DDR zuzusenden, damit diese ihn „in geeigneter Weise“ verwenden könnten. Vor allem wurde als positiv hervorgehoben, dass in dem in Spandau gefassten Beschluss die „Vorwürfe“ von Götting und Seigewasser zurückgewiesen würden. Der östliche Rat sah vor, Mitzenheim zu befragen, ob er auf dem CDU-Parteitag für die Kirchen gleichermaßen den „falschen und entstellenden“ staatlichen Vorwürfen widersprochen habe. Krummacher bemühte sich, die kritischen Einwürfe von Wilm und Ringhandt im Blick auf die ausgereifte Bundesordnung, die auf die Auflösung der EKD-Organe hinauslaufen würde, zu entkräften, indem er nochmals darauf hinwies, dass an ein Ausscheiden aus der EKD nicht gedacht sei. Die Perfektion der Bundesordnung sei in Halle thematisiert worden, ohne jedoch mit den vorgebrachten Änderungsvorschlägen die ersten Artikel „zu entleeren“ – wie es mit dem „Alternativentwurf“ der Kirchenkanzlei in Hannover geschehe. Die Synodalen hätten mit ihren Vorschlägen und Anregungen zum Ordnungsentwurf den Wunsch gezeigt, eine ebensolche „geistige Grundlage“ für den DDR-Kirchenbund zu schaffen, „die auch für die EKD gilt“. Genau damit werde die Gemeinschaft mit der EKD bezeugt.177 Behm wandte ein, dass die Gründung des Bundes sich auf der rechtlichen Ebene der Landeskirchen vollziehe. Dennoch sei es im Interesse der EKD zu erfahren, ob der Eindruck richtig sei, dass die Bundesordnung möglicherweise die EKD-Grundordnung ersetzen solle. Diese Fragen hingen allerdings davon ab, inwieweit die Ordnung des Bundes überhaupt noch diskutiert und verändert werden könne. Falls dies noch möglich sei, könne es bereits ausreichen, dem Bund Richtlinienkompetenz zu verleihen. Auch sei eine Konferenz der Synoden – anstelle einer eigenen Kirchenversammlung in der DDR – hinreichend als synodale Basis geeignet. Noth bekräftigte, dass nicht an ein Abtöten der EKD-Organe gedacht sei, sondern an ihre Funktionsfähigkeit. Eine fruchtbare Zusammenarbeit der Landeskirchen sei ohne eine DDR-Synode völlig undenkbar. Was mit dem Rat der EKD geschehen solle, sei allerdings unklar. Überhaupt sei das Grundproblem bei all diesen stetig gestellten Fragen, dass es keine „gemeinsame rechtliche Basis“ zwischen Kirchenbund und EKD mehr geben könne. Die drei einzigen Handlungsmöglichkeiten beschrieb Johannes folgendermaßen: 1. Das Einschlafen der EKD durch die 177 Bericht [o. A.] über die Sitzung am 11.10.1968 in der Ev. Kirchenkanzlei in Ost-Berlin, S. 1, 2 (EZA, 4/19).

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Verabschiedung einer perfekten eigenen Bundesordnung, was er nicht befürworte. 2. Modifizierung des Ordnungsentwurfs anhand der Vorschläge der Hallenser Informationstagung, Streichung des 2. Satzes von Art. 4 (4), Inkrafttreten der Ordnung. Die Organe der EKD könnten weiterexistieren, die des Bundes in erster Linie die anstehenden Aufgaben in der DDR übernehmen, und das Sekretariat des Bundes werde mit der Kirchenkanzlei zusammengeschlossen. 3. Keine Verabschiedung der Ordnung des Bundes, Regelung der kirchlichen Angelegenheiten durch die KKL. Dieses Modell habe eine mehr oder weniger lockere Verbindung der DDR-Landeskirchen zur Konsequenz. Fränkel wies einerseits darauf hin, dass die Erklärung von Fürstenwalde einem „Abschwören“ von der EKD in der Bundesrepublik entgegenstünde, andererseits müsse auch die Perspektive der „jungen Generation“ berücksichtigt werden, die die Gemeinschaft der EKD nie „gelebt, erprobt“ und als „lebendig“ empfunden habe, sondern deren Beziehung zu den westdeutschen Kirchen nicht anders sei als die zu den Kirchen in der ČSSR. Die Kirchen in der DDR müssten sich enger zusammenschließen. Dabei leite die Bundesgründung einen „Prozeß“ ein, der einen schrittweisen „Übergang“ zur Verselbständigung nach sich ziehe. Die Frage sei nur, wie die grenzüberschreitende „Gemeinschaft“ interpretiert werde, als kontinuierliche „Rechtseinheit“ oder als „etwas größeres als das, was gegenwärtig Ausdruck in der Ordnung der EKD findet“.178 Wiederum war es Krummacher, der das Wort ergriff, um zu klären, dass ein Nebeneinander der Organe des Bundes und der der EKD für einen längeren Zeitraum unvermeidbar sei, zumal der Bund mit der Ostregion der EKD identisch sei. Der östliche Rat müsse fortbestehen als „Bastion, auf der die Verzahnung zwischen Ost und West praktiziert würde. Eines Tages aber würde es zum Schwur kommen“. Wilkens konstatierte, dass sich die EKD (West) erst in dem Moment, wo der Status quo endgültig nicht mehr zu halten sei, der Frage stellen müsse, „ob sie auf der ganzen Linie die Kooperation mit dem Bund pflegen kann und soll“. Für eine positive Entscheidung seien keine Paragraphen nötig, man könne es „dann einfach tun“. Im weiteren Verlauf der Sitzung diskutierten die Anwesenden vor allem über Art. (4), die grundsätzlich dahinterstehende Intention sowie die Notwendigkeit seiner Aufnahme in die Bundesordnung. Fast prophetisch äußerte Krummacher, dass man vielleicht auf die Fixierung von 4 (4) verzichten könne, da sowohl der Staat als vermutlich auch die thüringische Landeskirche dagegen seien: „Vielleicht wird dieser Artikel der Testfall für den Staat werden.“ In diesem Zusammenhang wurde noch einmal geklärt, was für eine Bedeutung das weitere „Funktionieren“ des Rates der EKD und ihrer Organe habe, vor allem auch aus staatlicher Perspektive. Die Befürchtungen der SED-Regierung richteten sich auf die Tatsache, 178

EBD., S. 3, 4.

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dass die westlichen Ratsmitglieder die östlichen bei gemeinsamen Beschlussfassungen überstimmen und somit einen unerwünschten Einfluss auf die Kirchen in der DDR haben könnten, was an sich nach den Ausführungsbeschlüssen zum Kirchengesetz von 1967 nicht mehr möglich sei. Es wurde beschlossen, der vorgesehenen Verfahrensweise – Weiterarbeit der Strukturkommission am Ordnungsentwurf nach Eingang aller landeskirchlichen Stellungnahmen Mitte November – zu entsprechen, diese „Vorentscheidung“ abzuwarten und in gleicher Zusammensetzung am 12. Dezember erneut zusammenzutreten. Demnach war auch keine abschließende Antwort auf die Frage gefunden worden, ob die „Gemeinschaft“ der evangelischen Kirchen in beiden Teilen Deutschlands nur in einer „Rechtseinheit mit entsprechenden Organen“ Ausdruck finden oder eben in einem anderen Sinne verstanden werden könne. Jegliche Entscheidungen über die zentralen Fragen blieben offen. Übereinstimmung herrschte unter den Anwesenden lediglich hinsichtlich der Notwendigkeit eines engeren kirchlichen Zusammenschlusses der DDR-Landeskirchen. „In diesem Zusammenhang kann wohl Mitzenheim als einzige Gegenstimme angesehen werden.“179 Weise befragte Pabst am 28. Oktober zum Stand der Arbeit der Strukturkommission. Er äußerte seinen Eindruck, dass die Arbeit nur schleppend vorankomme und die EKD-Organe vermutlich die Gliedkirchen in der DDR nicht freiwillig aus ihrer Verantwortung entlassen würden. Den Prozess der Emanzipation der acht Landeskirchen voranzutreiben, sei „keine Glaubens-, sondern lediglich eine Ordnungsfrage“, dozierte Weise. Ausdrücklich betonte er, dass die staatlichen Organe nicht vorhätten, „etwa von den DDR-Kirchen nach deren Verselbständigung zu verlangen, daß der Sozialismus von den Kanzeln propagiert“ werde. Da dies selbstverständlich die Angelegenheit von Staat und Partei sei und bleibe, könnten die Kirchen in der DDR auch nach dem Vollzug ihrer Trennung von der EKD „sich ganz der Gottesverehrung, der Seelsorge und der religiösen Erbauung hingeben“. Pabst entgegnete, dass die Strukturkommission zur Bewältigung der ihr gestellten umfassenden und komplizierten Aufgabe ausreichend Zeit benötige, so dass der Staat nicht mit einem unverzüglichen Ergebnis rechnen könne.180 In einer „Aussprache“ mit Schönherr am 25. November monierte Seigewasser, dass die Arbeit der Strukturkommission keineswegs zu einer endgültigen Trennung der Gliedkirchen in der DDR von der EKD führen werde, wie er einigen Meldungen westdeutscher Printmedien entnommen habe. Er betonte nochmals, dass eine wie auch immer geartete kirchliche Konstruktion, die nicht „eine restlose und rechtlich einwandfreie vollkommene“ Loslösung von der EKD bedeute, 179 180

EBD., S. 5, 6, 8. Aktenvermerk Pabst vom 30.10.1968, S. 4 (EZA, 102/374).

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„kein staatliches Plazet“ erhalten werde. Schönherr habe sein Unverständnis geäußert, wie die bundesdeutsche Presse in den Besitz des zweiten Ordnungsentwurfs gekommen sein könnte, und Seigewasser beruhigt, man werde sich „in etwa an die Mitzenheimsche Formulierung181 halten“, um dann einzuräumen: „Natürlich würde man mit den Kirchen in der Bundesrepublik auch ‚zukünftig in einer geistigen und geistlichen besonderen Gemeinschaft verbleiben, in einer Art spezifischem Partnerschaftsverhältnis‘. Der Gast bemühte sich dabei herauszustellen, daß diese Linie ‚für die drüben ein schwerer Brocken sein würde‘. Er sagte wörtlich, daß die Strukturkommission keine Zwillingskirche wolle und daß es nach einem geschaffenen ‚Bund evangelischer Kirchen in der DDR‘ keine Organe der EKD bei uns mehr geben würde.“

Offenbar weiterhin misstrauisch verwies der Staatssekretär zum wiederholten Male auf die Bestimmungen der DDR-Verfassung, was Schönherr mit der Bemerkung zu entkräften suchte, seine Auskünfte über den Stand der kirchlichen Neuordnungspläne entsprächen durchaus den Tatsachen. Nur könne er „unsere Dienststelle auch nicht offiziell über bestimmte Dinge in Kenntnis setzen“, solange der Diskussionsprozess nicht abgeschlossen sei.182 Er schilderte Seigewasser den geplanten zeitlichen und organisatorischen Ablauf der weiteren innerkirchlichen Debatten. Dazu berichtete Schönherr, dass die EKD-Gremien in der Bundesrepublik und West-Berlin angesichts einiger problematischer Fragen „tatsächlich […] ‚mächtig nervös geworden seien‘“. Vor allem werde um die aus kirchlicher Sicht der EKD zugeschriebene Funktion der „letzten Klammer“ zwischen den beiden deutschen Staaten gefürchtet. Im Übrigen sei die Ansicht verbreitet, eine geistliche Einheit der Kirchen in der Bundesrepublik und der DDR sei „eben nicht ohne organisatorische Einheit möglich“. Zugleich betonte Schönherr, er habe durchaus Verständnis für die staatliche Erwartungshaltung, 181

An den Staatsgrenzen endeten auch die kirchlichen Organisationsmöglichkeiten. Offensichtlich war es Schönherr nicht gelungen, die Zweifel Seigewassers an seiner Darstellung von Verlauf und Stand des kirchlichen Neuordnungsprozesses zu zerstreuen. Anfang Dezember kam der Staatssekretär nochmals auf die zahlreichen westlichen Pressemeldungen zu sprechen, die besagten, dass es – „trotz gegenteiliger Behauptungen von Bischof Schönherr“ – hinsichtlich der geplanten Bundesgründung in der DDR „mindestens bis ins Einzelne gehende Absprachen zwischen der Strukturkommission in der DDR und dem Rat der EKD“ gebe. Wilke brachte seine Überzeugung zum Ausdruck, „daß die Ratsmitglieder der EKD aus der DDR den Rat der EKD beauftragt haben, die Arbeit der Strukturkommission der Kirchen in der DDR weiter zu lenken“. Ihm sei zugetragen worden, dass auf der Informationstagung in Halle ein solches Vorgehen „insgeheim von den DDR-Ratsmitgliedern beschlossen worden“ sei. Seigewasser forderte Wilke zu einer „nochmaligen Nachprüfung des Sachverhalts“ auf. Wenn Wilke mit seiner Einschätzung recht habe, könne daraus nur gefolgert werden, „daß Bischof Schönherr den Staatssekretär grob belogen hat. Das hätte dann eine erneute und sehr ernste Aussprache mit diesem zur Folge“ (Protokoll [Rogowski] der Dienstbesprechung vom 2.12.1968, S. 5, 11 [BArch BERLIN, DO 4 STS f. Kirchenfragen Nr. 2466]). 182

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dass die Kirchen zu diesen grundlegenden Fragen klarer sprechen müssten. Eine Neuorientierung der Kirchen in der DDR werde ohne jeden Zweifel anvisiert. Man sei „nicht willens, auf die Gnade anderer (westdeutscher bzw. Westberliner kirchliche Stellen) angewiesen zu bleiben“. Seigewasser erinnerte dann mit Nachdruck daran, dass die Eigenständigkeit der DDR-Landeskirchen durch einen Kirchenbund nicht verloren gehen dürfte. Ferner erwarte der Staat nach wie vor, dass die Berlin-brandenburgische Kirche ebenfalls ihre Lösung von West-Berlin in Angriff nehme. Dann sei Schönherr nicht nur de facto, sondern endlich de jure Bischof. Der Staatssekretär bekräftigte abschließend, dass das Interesse des Staates an „vertrauensvollen Beziehungen aller Religionsgemeinschaften zur sozialistischen Staatsmacht“ ungebrochen sei.183 Als Vorsitzender der Strukturkommission erstattete Schönherr am 10. Dezember den KKL-Mitgliedern einen Zwischenbericht über den Stand der Vorbereitungen eines kirchlichen Zusammenschlusses in der DDR. Alle Kirchenleitungen hätten zum Entwurf einer BEK-Ordnung Stellung genommen und die Notwendigkeit der Bundesgründung in der DDR betont. Über „anstehende Grundsatzfragen“ werde die Strukturkommission mit den leitenden Geistlichen am 7. Januar 1969 beraten. Der KKL-Vorsitzende Beste teilte darauf mit, dass demnächst eine „Verlautbarung über die Strukturfragen“ herausgebracht werden solle. Über Mitzenheims Vorschlag, auch die leitenden Juristen zu einer Sitzung über die Strukturfragen zusammentreten zu lassen, sollte nach Ansicht der KKL-Mitglieder am 7. Januar entschieden werden. Der Dresdner Landesbischof Noth hob auf der einen Seite das „Zusammenwachsen“ als „zwingende Aufgabe“ hervor, sprach sich jedoch gegen eine Verquickung der Bundesgründung mit den „noch offenen ekklesiologischen Fragen“ aus. Beste informierte über das Ergebnis der Generalsynode der VELK in Freiberg. Die Regionalgliederung der lutherischen Kirchen und Gründung einer eigenständigen VELK in der DDR solle „nicht trennend wirken“, sondern der engeren Zusammenarbeit aller evangelischer Kirchen in der DDR dienen.184 183

Kurzbericht (Flint) vom 27.11.1968, S. 1–3 (BArch BERLIN, DO 4 STS f. Kirchenfragen Nr. 423). Niederschrift (Stolpe) über die KKL-Sitzung vom 10.12.1968 in Berlin-Weißensee, S. 2 (EZA, 104/105). – Über diese Sitzung und die Zusammenkunft der Bischofskonferenz am folgenden Tag unterrichtete Stolpe eine knappe Woche später wieder die Abt. Kirchenfragen der CDU und versuchte Quast „immer wieder weis zu machen, daß man sich in den wesentlichen Fragen an Empfehlungen gehalten habe, die aus dem Raum der CDU gekommen seien“. Nun sei die Bundesgründung und damit eine organisatorische sowie rechtliche Ablösung von der EKD „nicht aufzuhalten“ (Aktenvermerk Quast vom 17.12.1968, S. 2 [ACDP, VII-013-3252]). – In der Kirchenabteilung des MfS war am 7.1.1969 eine „Einzel-Information“ sowohl über die Bischofskonferenz (9.12.) als auch über die Sitzung der KKL (10.12.) angefertigt worden, die nicht nur weitaus detaillierter als die kirchlichen Protokolle ausfiel, sondern der ebenfalls alle Stellungnahmen der Kirchenleitungen zum BO-Entwurf beigefügt war (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1233, Bl. 198–208). 184

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Das Verhältnis zwischen ost- und westdeutschen Gliedkirchen und die Überlegungen der DDR-Gliedkirchen zur Neustrukturierung war auch auf der Ratssitzung am 12./13. Dezember das bestimmende Thema. Die östlichen Ratsmitglieder fassten als Ergebnis insbesondere auch der DDR-Bischofskonferenz vom 9. Dezember zusammen: Der Bildung eines Kirchenbundes in der DDR, zu der es nur eine Alternative gebe, nämlich den „völligen Partikularismus“ der Landeskirchen, werde durchweg von allen Kirchen zugestimmt. Sogar für den Fall, dass die Regierung der DDR diesbezüglich Druck ausüben werde, sei keine der Gliedkirchen versucht, aus ihrer Verfassung den Passus zu streichen, der ihre Zugehörigkeit zur EKD zum Ausdruck bringe. Eine „Revolte“ gegen die EKD sei nicht im Sinne der DDR-Kirchen; die Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in Deutschland werde gewollt und gestützt. Wenn der SED-Staat Anstalten machen sollte, die Bundesgründung zu verhindern oder „durch massive Einwirkungen in eine Richtung“ zu lenken, die die Kirchen nicht verantworten könnten, würden diese auf die bestehende Regionalordnung der EKD zurückgreifen. Die mögliche Konsequenz, dass der Staat mit verstärkten Behinderungen reagieren könnte, werde dafür in Kauf genommen: „Die Kirchen sind sich der Gefährlichkeit der Situation voll bewußt. Zwar ist zu unterscheiden zwischen der Propaganda in der DDR-Presse – namentlich der CDU-Presse – und dem, was der Staat wirklich tun wird. Aber massive Versuche einer Einwirkung von außen sind nicht auszuschließen. Die Kirchen sind entschlossen, ihnen gemeinsam zu begegnen.“

In der sich anschließenden Debatte nahmen die westlichen Mitglieder des Rates diese Mitteilung der Brüder aus dem Osten mit „Genugtuung“ entgegen und anerkannten die erkennbaren Bemühungen, auch unter veränderten Rahmenbedingungen an der Gemeinschaft mit der EKD festzuhalten. Sie brachten ihrerseits deutlich zum Ausdruck, sich durchaus im Klaren zu sein über „die großen Schwierigkeiten, die hier auftreten werden“. Über das weitere Vorgehen der Strukturkommission bei der endgültigen Formulierung der Ordnung des Bundes sollten ihre Mitglieder sich auf der gemeinsamen Sitzung der Kommission mit den leitenden Geistlichen am 7. Januar 1969 abstimmen. An eine Teilnahme der restlichen Ratsmitglieder an dieser Beratung werde nicht gedacht, „hier müssen die Ebenen klar unterschieden werden“. Die Klärung des Verhältnisses zwischen DDR-Kirchenbund und EKD allerdings falle zunächst in den Zuständigkeitsbereich des gesamten Rates der EKD, der in diesem Punkt „Gesprächspartner des Bundes“ sei.185 Hammer hielt in seinem Protokoll über die separate Sitzung 185 Niederschrift (Behm) über die Sitzung des Rates der EKD vom 12./13.12.1968, S. 1, 2, 3 (EZA, 4/23).

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der westlichen Ratsmitglieder fest, dass aus West-Sicht die „Neuordnung der kirchlichen Zusammenschlüsse in der DDR […] stimmungsmäßig schon weiter fortgeschritten“ sei, als dem Ordnungsentwurf und den landeskirchlichen Voten dazu zu entnehmen sei. Zwar sei der Wunsch der acht DDR-Gliedkirchen nach dem Erhalt der „geistlichen und leiblichen Gemeinschaft mit den westlichen Kirchen“ erkennbar, doch fehle jeglicher Plan zu dessen Verwirklichung. Es werde an eine Art partnerschaftliches Verhältnis zur EKD gedacht, welches erst nach der Bildung des Bundes geregelt werden solle. Die Bundesgründung werde von den DDR-Kirchen nicht als „geplante Fortentwicklung, sondern als Erleiden“ gesehen. Uneins waren sich die westlichen Ratsmitglieder darüber, wie sie sich gegenüber den Kirchenvertretern aus der DDR verhalten sollten. Ein Teil war der Ansicht war, man dürfe die Dinge nicht „treiben“ lassen, sondern müsse den östlichen Brüdern die Konsequenz der Bundesgründung – das Ende der EKD – klar vor Augen halten und ihnen im Prinzip dazu raten, „sich von der EKD zu distanzieren“. Weder eine „Vogel-Strauß-Politik“ noch ein „milder Weg“ aus Mitleid seien hilfreich. Die gegenteilige Meinung vertraten andere Mitglieder des Rates, da sie um die „letzten Möglichkeiten des Zusammenbleibens“ fürchteten. Sie sprachen sich vielmehr dafür aus, die Frage der künftigen Beziehungen zwischen Bund und EKD vorübergehend noch offen zu lassen. „Ein wenig Mysterium gehöre zum Wesen der Kirche.“ Abschließend erteilte der Rat der EKD seiner Kirchenkanzlei folgende Aufträge: 1. Sie solle die Möglichkeit durchdenken, einen Brief des Ratsvorsitzenden an die DDR-Mitglieder bzw. -Gliedkirchen zu formulieren, in dem nach der Ausgestaltung der Beziehungen des Bundes zur EKD gefragt werde. 2. Unter Einbeziehung zweier Kirchenvertreter aus der DDR sollte darüber nachgedacht werden, wie die erwünschten partnerschaftlichen Beziehungen in der Praxis Gestalt gewinnen könnten.186

Wie vorgesehen trafen die Strukturkommission und die Bischöfe am 7. Januar zu einer Sondersitzung zusammen. Ringhandt, Mitglied der Strukturkommission, schlug eine Fassung des Art. 4 (4) vor, die im Februar 1969 von der gesamten Strukturkommission mit geringfügigen Änderungen angenommen wurde. Sein Formulierungsvorschlag lautete: „Der Bund bekennt187 sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. In der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft wirkt 186 Auszug aus Niederschrift (Hammer) über die 26. Sitzung des Rates der EKD am 12./13.12.1968, S. 1, 2, (EZA, 4/19). 187 Bei einer Tagung im Jahr 1995 bezeichnete der zeitweilige Leiter des BEK-Sekretariats die hier erstmalig auftauchende Formulierung „bekennen“ als für den Charakter einer Ordnung ungewöhnlich, doch deute sie bereits die Umstrittenheit und Sensibilität dieses Komplexes an. Aus zwei Gründen sei dies notwendig gewesen: Einerseits habe man die „besondere Gemeinschaft“ gegen den „ständigen

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Einführung der Bund an Entscheidungen, die alle evangelischen Kirchen in der DDR und in der BRD gemeinsam berühren, durch seine Organe mit.“

In einem Vermerk hielt Stolpe die Ergebnisse fest, die in dieser gemeinsamen Beratung der Strukturkommission und den leitenden Geistlichen über den Ordnungsentwurf erzielt worden waren.188 Für die Weiterarbeit der Strukturkommission waren zu den einzelnen Passagen der Bundesordnung „Empfehlungen“ ausgesprochen worden.189 Obwohl in der Sitzung schon deutlich geworden war, dass die meisten Anwesenden zur Beschreibung der grenzübergreifenden kirchlichen Gemeinschaft in der Bundesordnung das Adjektiv „besonders“ bevorzugten, brachten sie grundsätzlich zum Ausdruck, dass auch die Verwendung der Bezeichnung „spezifisch“, die von der Magdeburger Kirchenleitung vorgeschlagen (und bislang häufig in den Diskussionen benutzt) worden war, durchaus vorstellbar sei. Die lediglich auf einen einzigen Aspekt der kirchlichen Verbundenheit gerichtete und daher gänzlich anders geartete Vokabel „geschichtliche Gemeinschaft“ (Beste) hingegen wurde offenbar weder debattiert noch in die engere Wahl genommen. Schönherr gewährte dem Evangelischen Nachrichtendienst in der DDR aus Anlass der Sondersitzung von Strukturkommission und leitenden Geistlichen ein Interview190, um sich zum Stand der Arbeit an der Bundesplanung zu äußern und damit der kirchlichen Öffentlichkeit Einblick in die bisher von der Strukturkommission erzielten Ergebnisse zu geben. Er erklärte, dass sich „keine einzige Landeskirche“ gegen die Gründung des Bundes ausgesprochen habe und gewisse kontroverse Fragen mehr oder weniger vollständig hätten geklärt werArgwohn des Staates“ verteidigen müssen, seine Abgrenzungsversuche könnten von den Kirchen durch gesamtdeutsches Handeln unterlaufen werden, auf der anderen Seite habe man sich des innerkirchlichen Vorwurfs erwehren müssen, mit der Bundesgründung die „Fürstenwalder Erklärung“ von 1967 verraten zu haben (M. ZIEGLER, Verständigungswege, S. 1). 188 Am 8.1.1969 informierte Stolpe schriftlich alle KKL-Mitglieder über den Beschluss der Bischofskonferenz (ebenfalls vom 7.1.1969), Bischof W. Krusche in Nachfolge von Jänicke in die Verhandlungskommission zu berufen. Für den Fall, dass eine der Kirchenleitungen sich mit dieser Entscheidung nicht einverstanden erklären könne, bat er bis zum 15.2.1969 um eine Nachricht an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz (EZA, 104/49). – Da keine der Kirchenleitungen Einspruch erhob, blieb es dabei. 189 Vermerk Stolpe vom 10.1.1969, S. 1, 2 (EZA, 687/3 und 104/49). – In einer Information des MfS über die Sitzung war auch der Vorschlag Figurs festgehalten, vom 7.–9.3.1969 eine Informationstagung für die EKD-Synodalen abzuhalten, gegen den die thüringische Landeskirche mit einem Schreiben an alle DDR-Bischöfe „schärfsten Protest“ eingelegt habe, da die Bundesbildung die „innere Angelegenheit der Kirchen in der DDR sei (Information [o. A.] vom 15.1.1969 [BStU (ZA Berlin), MfS AIM 3043/86, T. II, Bd. 5, Bl. 90]). 190 Das Interview zu den Ergebnissen der Sondersitzung vom 7.1. wurde 13.1. geführt und am 15.1.1969 von ENA publiziert. Es ist u. a. abgedruckt in: EPD DOKUMENTATION 5/69 vom 20.1.1969 und KJ 1968 (95. Jg.), S. 237–243.

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den können. Darauf erläuterte Schönherr die in der Bundesordnung profilierten Arbeitsgremien und Strukturen des BEK. Befragt nach der Bedeutung der Bundesgründung für das Verhältnis zur EKD, sprach er von dem „gemeinsamen Band aller Kirchen“, dem „erhöhten Herrn selbst“ sowie von der nachhaltigen Verkettung der evangelischen Kirchen in Deutschland durch die gemeinsame Sprache und Geschichte. Diese „spezifische Einheit geschichtlicher Verbundenheit“, die in der Formel „spezifische Gemeinschaft“ ihren Ausdruck finde, solle nicht aufgegeben werden. Problematisch sei allerdings die Verwirklichung eben dieser Formel mit gemeinsamen Leitungs- und Verwaltungsorganen. So könne Mitzenheims Feststellung, die Staatsgrenzen der DDR bildeten auch die Grenzen für die kirchlichen Organisationsmöglichkeiten, nur zugestimmt werden: „Es kann ernsthaft nur einen Weg geben. Mit dem Zustandekommen der Organe unseres Bundes, also mit der Wahl der Synode des Bundes und der Bildung seiner Leitungsorgane werden die bisherigen EKD-Organe ihre Verantwortung für unsere Kirchen nicht mehr wahrnehmen können. Ein künftiges gleichzeitiges Arbeiten beider Organe nebeneinander ist aus vielen Gründen nicht mehr möglich.“191

Damit hatte Schönherr erstmals in aller Deutlichkeit ausgesprochen, welche Konsequenzen die Bundesgründung für die Beziehungen zur EKD haben würden. Deren Ratsvorsitzender Dietzfelbinger reagierte mit einer Erklärung auf das Interview, die am 20. Januar vom westlichen Evangelischen Pressedienst epd veröffentlicht wurde. Die EKD akzeptiere die von den DDR-Gliedkirchen frei gefällte Entscheidung, höre „aber nur mit Schmerzen“, dass somit die Tätigkeit der Organe der EKD in der DDR beendet sei: „Welche Rückwirkungen dieses Geschehen auf die EKD in der Bundesrepublik Deutschland haben wird, kann heute noch nicht beurteilt werden. Wir wissen, daß Organisationsformen nicht das wichtigste Band kirchlicher Gemeinschaft sind. Wir müssen trotzdem tief bedauern, daß die organisatorische Gemeinsamkeit in der EKD, in der sich eine lange segensreiche gemeinsame Geschichte ausprägt, offenbar nicht aufrechtzuerhalten ist. Im Zeitalter der Ökumene ist gerade uns evangelischen Christen in Deutschland, die an der Nahtstelle zweier antagonistischer Gesellschaftsordnungen leben, die Aufgabe gestellt, in der bleibenden Gemeinschaft des Glaubens, auf die auch Dr. Schönherr hinweist, einen langen Atem zu bewahren.“192

Die öffentlichen Äußerungen Schönherrs und Dietzfelbingers waren ebenso Gegenstand eines Gesprächs in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen am 21. Januar wie westliche Pressemeldungen zur bevorstehenden

191

EBD., S. 238, 242. Dietzfelbingers Erklärung wurde in der Ebenfalls in: KJ 1968 (95. Jg.), S. 243. 192

EPD

DOKUMENTATION 5/69 vom 20.1.1969 abgedruckt.

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Bildung des Bundes.193 Seigewasser kritisierte vor allem die ausführliche Berichterstattung in westdeutschen Zeitungen, weil die „Staatsorgane sehr wenig von diesem Vorhaben wüßten“. Besonders interessiert zeigte sich der Staatssekretär an der Zielstellung der Informationstagung in Magdeburg. Schönherrs Erläuterung, die Synodalen der EKD sollten dort über den Stand der Entwicklung in Kenntnis gesetzt werden, nicht aber Entscheidungen im Blick auf die Bundesgründung treffen, empfanden Seigewasser und seine Mitarbeiter nicht als ausreichend. Vielmehr wollten sie wissen, welche konkreten Pläne die Kirchen für die Organe der EKD hätten und ob davon auszugehen sei, dass der Rat und die übrigen kirchlichen Organe der EKD wirklich ihre Tätigkeit auf den Westteil Deutschlands begrenzen würden, wie Schönherr es gegenüber ENA zum Ausdruck gebracht hatte. Der Stellvertreter des Staatssekretärs, Fritz Flint, bezweifelte, dass tatsächlich mit der Gründung des Bundes die Arbeit der EKDOrgane eingestellt werden sollte. Er sei der Ansicht, sie würden ihren rechtlichen Status nicht aufgeben und sich die Möglichkeit offen halten, „erforderlichenfalls im Dienste westlicher Auftragnehmer tätig werden“ zu können. Direkter formulierte Hauptabteilungsleiter Weise seine Befürchtungen mit der Behauptung, der „EKD-Aktivist Behm würde doch sicher wieder nur sein Schild umdrehen“. Zusammenfassend erläuterte Seigewasser, das „Bestehende“ – und damit meine er die Organe der EKD und das Mandat einzelner Kirchenvertreter gleichermaßen – müsse sowohl rechtlich als auch institutionell „klar beendet“ werden. Stolpe hielt in seinem Vermerk seine Wahrnehmung fest, dass die Staatsvertreter weitaus größeres Augenmerk auf die Arbeit der Mitglieder des Rates der EKD legten als auf das Mandat der Synodalen. Angesichts der Forderung nach einer endgültigen Stillegung der Organe der EKD sowie der Aufgabe der Mandate der EKD-Funktionsträger konnte Schönherr nur entgegnen, nicht ermächtigt zu sein, die Belange der EKD zu verhandeln. Doch hätten „maßgebliche Vertreter“ des Rates seinen Darlegungen im ENA-Interview zugestimmt, vor allem Krummacher und Noth. Abschließend richteten Seigewasser und seine Mitarbeiter einige spezielle Fragen zur vorgesehenen Struktur und Zusammensetzung des DDR-Kirchenbundes an Schönherr, aus denen u. a. herauszuhören war, dass der Staat besonderes Interesse an der potentiellen personellen Zusammensetzung der Leitungsorgane des zukünftigen Bundes zeigte. Auch die ungeklärte Situation der Berlin-brandenburgischen Kirche kam wieder zu Sprache. Den Vorhaltungen des Staatssekretärs bezüglich der strukturellen Verbindung mit West193 Vermerk Stolpe vom 24.1.1969 (EZA, 102/67). – So hatte der West-Berliner Tagesspiegel am 21.1.1969 über die Bundesgründung berichtet und Dietzfelbingers Kommentar abgedruckt. Ferner war bereits in der Dezember-Ausgabe der LM der Ordnungsentwurf der Strukturkommission komplett veröffentlicht worden.

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Berlin suchte Schönherr mit der Bemerkung entgegenzutreten, sowohl bei den Bischofswahlen als auch den Weisungsbefugnissen werde konsequent getrennt nach der regionalen Ordnung gehandelt. Seigewasser entgegnete zwar, „der Staat könne sich mit dieser Auskunft nicht befreunden“, doch stünde die Klärung des Themas Berlin-Brandenburg nicht an erster Stelle. Der Staatssekretär fragte an, ob im März eine Unterredung zwischen ihm und der Berlin-brandenburgischen Kirchenleitung geführt werden könne, allerdings ohne eine öffentliche Publikation der Ergebnisse. Schönherr stellte diese Möglichkeit für Ende des gewünschten Monats in Aussicht.194 Während der Gesprächswunsch Seigewassers mit der Berlin-brandenburgischen Kirchenleitung in dem staatlichen Protokoll keine Erwähnung findet, stimmt die Niederschrift in den meisten anderen Punkten mit Stolpes Aufzeichnungen überein – auch wenn eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung schon sehr deutlich auf die Konvenienz der jeweiligen Vermerke schließen lässt. Die Einwände der Staatsvertreter gegen eine zweite, nicht zu den erwarteten Beschlüssen führende „Informationstagung“ hätten Schönherr und Stolpe gemeinsam zu entkräften gesucht. Stolpe habe erläutert, dass auf den einzelnen landeskirchlichen Synoden im Blick auf eine endgültige Trennung von der EKD „vorerst eine Überzeugungsarbeit geleistet“ werden müsse. Wenn ein „solcher Durchbruch“ in Magdeburg erreicht würde, könne man mit einer Zustimmung der Gliedkirchen auf ihren Synodaltagungen rechnen. Darauf bezeichnete es Seigewasser als wenig überzeugend, dass die „Synodalen der einzelnen Landeskirchen nach 20-jährigem Bestehen der DDR erst mit dem Gedanken vertraut gemacht werden müssen, dass es zwei deutsche Staaten gibt und sich daraus auch die Notwendigkeit der Trennung der Landeskirchen der DDR von der EKD ergibt“. Wiederum beharrte der Staatssekretär auf einer Wahrung der Selbständigkeit der Landeskirchen in der DDR und betonte, diese seien immer noch die einzigen Verhandlungspartner des Staates. Schönherrs Stellungnahmen während der gesamten Unterredung bewertete die Protokollantin als Aufwarten mit Halbwahrheiten. Er habe sich unentwegt darum bemüht, „sich bei der Beantwortung der einzelnen Fragen nicht festzulegen“. Gegen Ende des Gesprächs ergab sich noch ein interessanter Wortwechsel, den Stolpe vermutlich aufgrund des privaten Inhalts nicht festgehalten hatte. Nachdem Schönherr mit zwei „persönlichen Anliegen“ vorstellig geworden sei, hätten ihm die Staatsvertreter zunächst erläutert, diese gehörten nicht in den Zuständigkeitsbereich der Dienststelle. Dann jedoch wurde Schönherr Folgendes mit auf den Weg gegeben:

194

Vermerk Stolpe vom 24.1.1969, S. 1, 2 (EZA, 102/67).

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„Der Bischof sollte sich jedoch auch darüber Gedanken machen, daß z. B. bei der Bearbeitung seines Antrages auf Zuzugsgenehmigung nach Berlin [da sich dort der Bischofssitz befand] sein politisch falsches Verhalten im Zusammenhang mit den Ereignissen am 21.8.68 berücksichtigt wird. Er hat s. Zt. [seinerzeit] entgegen staatlicher Weisungen gehandelt. Dafür trägt er persönlich die Verantwortung.“195

Schönherrs Stellungnahme in ENA, die beim Staatssekretär eher weitere Zweifel an einer ernsthaften Trennungsabsicht der DDR-Gliedkirchen hatte aufkommen lassen, fand „im Osten und im Westen auch [ein] sehr kritisches Echo“, wie die Mitglieder des Rates der EKD in ihrer Beratung am 30. Januar feststellten. Vor allem die Tatsache, dass der Vorsitzende der Strukturkommission Mitzenheims Äußerung nicht nur zitiert, sondern ihr zugestimmt hatte, habe Enttäuschung und Unmut ausgelöst: „Namentlich die Berufung auf D. Mitzenheim ist als Einschwenken des Bundes auf die thüringer Linie mißverstanden worden. Im Osten hat man die Frage: Versuchung oder Notwendigkeit? gestellt. Im Westen hat das Interview wie ein Kanonenschlag gewirkt, die psychologischen Wirkungen müßten mitbedacht werden.“

Jedoch kamen die Ratsmitglieder überein – unabhängig von den verschiedenen Auswirkungen und Interpretationsmöglichkeiten des Schönherr-Interviews196 –, dass der Rat seine gesamte Anstrengung darauf richten werde, die gemeinsame Partnerschaft zwischen dem DDR-Kirchenbund und der EKD „so konkret wie möglich zu gestalten“. Dabei sei es allerdings nicht ausreichend, sich auf verbale „Deklamationen“ zu beschränken. Vielmehr müsste an verbindlichen „Vereinbarungen“ gearbeitet werden: „Die Frage ist nur, wieweit öffentlich jetzt schon gesprochen werden kann, wenn nicht alles gefährdet werden soll.“197

195 Protokoll (Fitzner) vom 22.1.1969, S. 2f., 4, 5 (BArch BERLIN, DO 4 STS f. Kirchenfragen Nr. 1437). Schönherr hatte sich angesichts der Intervention in der ČSSR am 21.8.1968 nicht an das staatliche Gebot gehalten, von (nicht zustimmenden) Äußerungen abzusehen. Eine Stellungnahme der Berlin-brandenburgischen Kirche war bis auf die Gemeindeebene verteilt worden. Am 12.6.1969 urteilte der Ratsbevollmächtigte Kunst in seinem Bericht zur Lage der Kirche in der DDR vor dem Gesamtdeutschen Ausschuss treffend (S. 9): „Schönherr genoss ein gewisses Ansehen bei Seigewasser. Seit er die Kanzelerklärung wegen des 21. August 1968 veröffentlichte, steht er unter ziemlich schweren Depressionen. Seigewasser hatte ihm nahegelegt, nach Berlin zu ziehen. Jetzt hat der Magistrat von Ost-Berlin auf das Bestimmteste den Zuzug verweigert. Schönherr wird seinen Dienstsitz jetzt in Eberswalde nehmen“ (EZA, 742/3). 196 Das CDU-Presseorgan NEUE ZEIT hatte z. B. in seiner Ausgabe vom 25.1.1969 befriedigt getitelt: „Absage an ‚EKD-Organe‘ – D. Schönherr stimmt Grundsatz D. Mitzenheims zu“ (EZA, 104/49). 197 Auszug aus Niederschrift (Behm) über die Beratung der Ratsmitglieder am 30.1.1969 (EZA, 104/187).

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Stolpe führte wie vereinbart die Mitglieder der KKL auf ihrer Sitzung am 5. März in den überarbeiteten Entwurf der Strukturkommission198 ein. Im Laufe der Diskussion stellte der thüringische Bischofsstellvertreter Lotz den Antrag, „Artikel 4 (4) zu streichen, hilfsweise durch eine andere Formulierung – am besten am Schluß der Ordnung – zu ersetzen. Sein im Verlauf der Debatte modifizierter Alternativantrag zu Artikel 4 Absatz 4 wird der Konferenz vorgelegt und zur Abstimmung gestellt. Der Antrag wird mit 1:7 Stimmen abgelehnt“.199 Die Strukturkommission hatte sich im Februar 1969 auf folgenden Wortlaut geeinigt, der dann unverändert200 in die Bundesordnung aufgenommen wurde: „Der Bund bekennt sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. In der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft nimmt der Bund Aufgaben, die alle evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bundesrepublik Deutschland betreffen, in partnerschaftlicher Freiheit durch seine Organe wahr.“

Die 2. Informationstagung der EKD-Synodalen fand vom 7. bis 9. März in Magdeburg statt. Eine handschriftliche Aufzeichnung der Aussprache zur Bundesgründung gibt Aufschluss über die kritischen Anmerkungen und grundsätzlichen Erwägungen, die von den einzelnen Synodalen in die Debatte getragen worden waren. Einige Synodale bezweifelten, dass die Gründung eines eigenen kirchlichen Zusammenschlusses in der DDR wirklich unumgänglich sei. Eine ablehnende Haltung gegenüber der Bildung des Bundes wurde zumeist damit begründet, dass der alleinige Auslöser für die kirchlichen Verselbständigungsbemühungen die vom Staat ausgeübten Pressionen seien, vor denen die evangelischen Kirchen nun kapituliert hätten. Vermehrt wurde die Frage gestellt, wie die künftigen Beziehungen zwischen Bund und EKD aussehen sollten und ob über die Ordnung des Bundes eine Verständigung mit den westlichen Brüdern erfolgt sei. 4 (4) wurde in diesem Zusammenhang zwar als Bekenntnis zur unaufgebbaren Gemeinschaft mit der EKD gesehen, gleichzeitig jedoch auch kritisiert, dass ein solch minimales Zeichen in einer mehr oder weniger unklaren Formulierung eher Missverständnisse schaffen könne, als tatsächlich die grenzübergreifende Gemeinschaft zu bezeugen.201 Nach eingehenden Diskussionen wurde auf dieser Tagung Folgendes formuliert: 198 Vom 6.2.1969 ohne Veränderungen der Konferenz der evangelischen Bischöfe vom 27.2.1969. Nur hatte Stolpe hier „DDR“ und „BRD“ sowie weitere Abkürzungen unterstrichen, da diese ausgeschrieben werden sollten. 199 Niederschrift (Stolpe) über die Sitzung der KKLDDR am 5.3.1969 in Berlin-Weißensee, S. 1f. (EZA, 102/13). 200 In der Fassung vom 6.2.1968 waren allerdings die Adjektive „evangelischen“ sowie die Bezeichnungen für beide deutsche Staaten noch abgekürzt. 201 „Aussprache Mgd. 8.3.69“, o. A., o. D. (EZA, 102/67).

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Die Synodalen der EKD aus den Gliedkirchen in der DDR „sehen im Bund eine Möglichkeit, die Gemeinschaft des Zeugnisses und des Dienstes der in ihm zusammengeschlossenen Kirchen zu vertiefen. Sie erkennen, daß seine Ordnung die Fortführung des der Kirche aufgetragenen Christusdienstes der Versöhnung in zwei entgegengesetzten Gesellschaftsordnungen, wie er in der Erklärung von Fürstenwalde als unaufgebbar bezeugt wurde, nicht aus-, sondern einschließt. Sie sehen daher keine Veranlassung, der Bildung des Bundes zu widersprechen“. Bei einer Abstimmung über die Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR sprachen sich 26 Synodale dafür und 7 dagegen aus. Zwei Teilnehmer enthielten sich der Stimme.202 Den zweiten Entwurf einer Vereinbarung zwischen Bund und EKD zur Praktizierung von 4 (4) hatte Behm ausgearbeitet und auf der Sitzung der östlichen Ratsmitglieder am 28. April vorgestellt. Am 8. Mai wandte sich Lingner nun an Hammer und berichtete ihm von der Ablehnung auch dieses Vorschlags und den dagegen vorgebrachten Argumenten. Dabei habe der Blick auf die staatlichen Organe eine große Rolle gespielt, wobei unter den Ratsmitgliedern aus der DDR eine geradezu überraschende „Einmütigkeit“ geherrscht habe. Die DDRKirchenleitenden hätten Staatsvertretern bei Gesprächen über den umstrittenen Artikel bedeutet, „daß eine wie immer geartete Vereinbarung zwischen Ost und West der gegebenen Kommentierung [zu 4 (4)] widersprechen würde“. Auch wenn die Ratsmitglieder ihren westlichen Brüdern kontinuierlich versicherten, die Gemeinschaft und Zusammenarbeit zwischen den Kirchen nicht preisgeben zu wollen, eine schriftliche Vereinbarung dazu jedoch ebenso überflüssig wie kontraproduktiv sei, zeigte sich Lingner alarmiert: „Bei allen Entscheidungen des kirchlichen Bereichs fragt man sich heute nach der Reaktion der staatlichen Stellen. Die Brüder im Osten scheinen mir nicht mehr frei zu sein, die kirchlichen Angelegenheiten nach allein kirchlichen Gesichtspunkten zu ordnen. Im übrigen scheint mir logisch zu sein, daß eine später tatsächlich praktizierte Gemeinschaft der den staatlichen Vertretern gegebenen Kommentierung des Artikels 4 Absatz 4 genau so widerspricht wie eine vereinbarte Gemeinschaft. Insofern halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß gegen die spätere Gemeinschaft dieselben Bedenken erhoben werden, die heute gegen eine Vereinbarung erhoben werden. Wenn eine solche Vereinbarung die leitenden Persönlichkeiten des kirchlichen Lebens staatlichen Stellen gegenüber zu Lügnern stempelt, dann wir eine spätere praktizierte Gemeinschaft dies in der gleichen Weise tun. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?“

202 Zu den Ergebnissen der Magdeburger Informationstagung vgl. EZA, 104/80. – Vgl. auch die „Einzel-Information“ der HA XX/4 des MfS vom 13.3.1969 (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1233, Bl. 157–163).

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Lingner vermittelte Hammer, dass nach der Zustimmung der Berlin-brandenburgischen und der thüringischen Landessynode203 zur Bundesordnung204 der DDR-Kirchenbund ein „Faktum“ sei.205 Auf Vorschlag des Vorsitzenden Beste wurde die Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR von den Mitgliedern der KKL auf ihrer Sitzung am 10. Juni in Berlin-Weißensee unterzeichnet. Die KKL beschloss, diese nun gültige Ordnung zu verkünden.206 Die Konferenz beauftragte den Nominierungsausschuss aus je einem Vertreter der acht evangelischen Landeskirchen in der DDR 207 zur Vorbereitung der Berufung von 10 Synodalen gemäß Art. 21 (1) und 10 (1) der Ordnung des Bundes. Der Nominierungsausschuss wurde von der Tagung beurlaubt, um nach seiner Rückkehr der Konferenz einen Vorschlag zur Berufung der Synodalen und ihrer Stellvertreter zu unterbreiten. Nach erfolgter Aussprache beschloss die Konferenz über die Berufung von zehn Mitgliedern sowie ihrer 1. und 2. Stellvertreter. Der KKL-Vorsitzende wurde beauftragt, die erste Synode des BEK vom 10.9. (abends) bis zum 14.9.69 (nachmittags) zu ihrer konstituierenden Tagung nach Potsdam einzuberufen. Dabei

203

Bei der Synodaltagung der Kirche in Thüringen (2.–5.5.1969) hatten die Thüringer Synodalen überraschend ihre Mandate in der EKD-Synode niedergelegt. Das Ausscheiden aus der EKD wurde durch ein verfassungsänderndes Gesetz am 7.12.1969 mit Synodalmehrheit beschlossen. – Wie aus den Aufzeichnungen über ein Treffen zweier MfS-Mitarbeiter mit IM „Karl“ hervorgeht, ging der Beschluss der „Entpflichtung der EKD-Synodalen aus Thüringen“ auf eine Eingabe des IM zurück. Vorausgegangen waren seinem Plan einige „Aussprachen mit dem MfS“: „Mit der Annahme dieses Beschlusses ist ein einzigartiger Präzedenzfall für die anderen Landeskirchen entstanden. Der IM ist der Meinung, daß auf der Synode des Bundes das Problem der EKD-Synodalen (falls es nicht vorher von den anderen Landeskirchen gelöst wird) sowie die Neufassung des A 4,4 auf der Tagesordnung stehen“ (Treffbericht [Roßberg] vom 13.5.1969 [BStU (ZA Berlin), MfS AIM 3043/86, T. II, Bd. 5, Bl. 118ff.; hier Bl. 119f.]). 204 Die Berlin-brandenburgische, die Thüringer und die Greifswalder Kirche hatten auf ihren Frühjahrssynoden Anfang Mai als letzte der acht Kirchen in der DDR über die BO verhandelt und ihr zugestimmt. Aus einer sehr ausführlichen „Einzel-Information“ des MfS vom 16.5.1969 gehen – v. a. im Blick auf Berlin-Brandenburg – die Debatten und Abstimmungsergebnisse hervor (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1233, Bl. 116–130). 205 Schreiben Lingner an Hammer vom 8.5.1969 (Entwurf von Behm in der Anlage), S. 1ff. (EZA, 4/19). 206 Erst fast drei Wochen später wandte sich Beste auch an den EKD-Ratsvorsitzenden, um ihn über die Unterzeichnung der Bundesordnung (die er seinem Brief beilegte) zu unterrichten. Beste mutmaßte, dass der Rat der EKD „nun bestimmte Folgerungen ziehen“ werde und drückte seine Hoffnung aus, dass das Wort Gottes alle Christen „in Ost und West gemeinsam recht verstehen und in seinem Dienst“ blieben (Schreiben Beste an Dietzfelbinger vom 30.6.1969. Abdruck in: KJ 1969 [96. Jg.], S. 255). 207 Dem Nominierungsausschuss gehörten an: Ringhandt (Berlin-Brandenburg), von Brück (Dresden), Lotz (Eisenach), Juergensohn (Görlitz), M. Müller (Anhalt), Woelke (Greifswald), Timm (Mecklenburg) und Koch (Magdeburg).

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sollte die Öffentlichkeit ausgeschlossen, die kirchliche Presse „in geeigneter Weise verständigt“ werden.208 Die Bundesgründung wurde in einem längeren Hintergrundbericht von dpa am 7. Juli kommentiert. Der Autor schlussfolgerte, dass nun die „Spaltung der EKD“ unwiederbringlich vollzogen sei. Er zitierte wiederum aus dem ENAInterview mit Schönherr vom Januar 1969 dessen Bemerkung, zwischen der Bundesrepublik und der DDR verlaufe keine „beliebige“ Grenze, sondern die zweier „antagonistischer Gesellschaftsordnungen“. Damit habe der Ost-Berliner Bischofsverweser die Ansicht des „immer als besonders ‚progressiv‘ geltenden“ thüringischen Bischofs Mitzenheim bekräftigt, dass die deutsch-deutsche Staatsgrenze zugleich die Grenze kirchlicher Organisationsmöglichkeiten sei. Der negative Unterton dieses Berichts, der die Bildung eines eigenen Kirchenbundes in der DDR mehr oder weniger als Kapitulation vor staatlichem Druck zu Lasten der EKD bewertete, war recht deutlich zu hören.209 Während ihrer Tagung in Stuttgart beschlossen die Mitglieder des Rates der EKD dann folgendes Vorgehen: Anfragen nach einer Stellungnahme der EKD zur Gründung des DDR-Kirchenbundes sollten „vorerst dahin beantwortet werden, dass der Rat von dem Inkrafttreten der Ordnung des Bundes Kenntnis genommen hat“. Die in der DDR noch existenten Organe der EKD sollten von Verlautbarungen über den Abschluss ihrer Tätigkeit absehen. Unter der Voraussetzung, dass der BEK sein Einverständnis erklärte, sah der Rat vor, von nun an „in einer besonderen Rubrik des Amtsblattes der EKD einzelne wichtige Gesetze des Bundes – zusammen mit den Mitteilungen aus der Ökumene“ zu veröffentlichen.210 Wie sich die Beziehungen der EKD und des Kirchenbundes der DDR zur Ökumene in Zukunft entwickelten, sei nicht abzusehen, bevor der BEK sich durch seine Organe „erklärt“ habe. „a) Die Frage der Gründung eines Bundes der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik ist im Rahmen der weiterreichenden Frage der künftigen Gestalt der EKD zu 208 Niederschrift (Stolpe) über die Sitzung der KKL in der DDR am 10.6.1969 in Berlin-Weißensee, S. 3f. (EZA, 102/13). – Über diese Sitzung und ebenso eine interne, nicht protokollierte Zusammenkunft der acht Bischöfe am folgenden Tag in Schwerin, bei der Personalfragen besprochen wurden, erhielt wiederum die MfS-Kirchenabteilung Kenntnis (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1233, Bl. 110–115). 209 DPA Hintergrund „Die Spaltung der EKD“ vom 7.7.69, verantwortlich: Kurt Mauch, S. 14 (EZA, 4/23). 210 Auch auf der Referentenbesprechung in Hannover war darüber beraten worden, Gesetze der DDR-Gliedkirchen aus der Zeit bis zum 10. Juni 1969 „noch wie bisher“ im Amtsblatt der EKD zu veröffentlichen: Danach sollten „nur noch besonders interessierende (Überschrift: evt. ‚Mitteilungen aus dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR und der Ökumene‘)“ Informationen bzw. Neuerungen aufgenommen werden (Niederschrift [Nordmann] über die Referenten-Besprechung am 9.7.1969, S. 2 [EZA, 4/175]).

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sehen. Diese Frage ist sowohl unter rechtlichen als auch unter theologischen Gesichtspunkten zu prüfen. b) Als Grundlage der Prüfung bedarf der Rat je eines rechtlichen und eines theologischen Gutachtens. […] Das rechtliche Gutachten soll in der Ratssitzung im September, das theologische Gutachten in der darauffolgenden Ratssitzung erstattet werden. c) Um Erstattung des rechtlichen Gutachtens soll Professor Dr. Scheuner gebeten werden.211 […] Soweit eine Änderung der GO der EKD notwendig werden sollte, sind die Kirchen in der DDR, soweit möglich, zu beteiligen“.212

Auf der Sitzung des Politbüros am 25. Juli wurde ein Bericht über den Fortgang der Bundesgründung zur Kenntnis genommen und der Durchführung der darin vorgeschlagenen acht Maßnahmen zugestimmt. Berichterstatter war Barth, Leiter der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen. Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf den Tagungen der östlichen Landessynoden sei die Frage der Einheit der EKD bzw. das künftige Verhältnis des Kirchenbundes zur EKD gewesen. Letztlich habe bei diesen Debatten diejenige der drei konkurrierenden innerkirchlichen Gruppierungen eine „Niederlage erlitten“, deren Vertreter für die Einheit der EKD „über Staatsgrenzen hinweg“ eingetreten seien. Die verabschiedete Bundesordnung spiegele insofern den Sieg der „progressiven Kreise“ der Kirchen wider, als in Art. 4 (2) betont werde, dass der Bund seine Aufgaben „selbständig und unabhängig“ wahrnehme und im Übrigen die föderative Struktur des Kirchenbundes dessen Organen keine „Richtlinienkompetenz gegenüber den Landeskirchen“ einräume. Während in diesem Punkt die staatliche Erwartungshaltung sich erfüllt hatte, da die Differenzierungspolitik der SED mit einzelnen, rechtlich selbständigen Gliedkirchen eher zu betreiben war als mit einem zentralistisch geleiteten kirchlichen Zusammenschluss, musste der Berichterstatter einräumen, dass mit der Aufnahme von Art. 4 (4) der Linie der „reaktionären Kräfte“ entsprochen worden sei. Hingegen werde die Diskussion um die praktische Umsetzung v. a. der „besonderen Gemeinschaft“ wohl noch weitergehen. In seiner Unterredung mit Staatssekretär Seigewasser habe Beste berichtet, dass mit der endgültigen Konstituierung des Kirchenbundes auf der ersten Tagung im September die vier östlichen Ratsmitglieder ihre Mandate niederlegen und die „Geschäftsstellen der EKD“ in Ost-Berlin ihre Arbeit beenden würden. Die kirchliche Entwicklung bis zur Gründung des BEK in der DDR fasste Barth nochmals kurz im Sinne einer Bestätigung der staatlichen Kirchenpolitik zusammen:

211 Hammer richtete sich mit dieser Bitte offiziell mit zwei Schreiben (28. und 31.7.1969) an Scheuner. Beigelegt war das für diese Arbeit grundlegende Material (EZA, 2/93/175). 212 Niederschrift (Dibelius) über die 31. Sitzung des Rates der EKD am 21./22.7.1969 in Stuttgart, S. 16, 18 (EZA, 2/1773). – Hammer erläuterte den Ratsmitgliedern die Vorschläge anhand seiner „Vortragsnotiz“, die an alle Anwesenden ausgegeben worden war.

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„Ohne Zweifel hat die Annahme der sozialistischen Verfassung und die weitere Stärkung der DDR zu einer weiteren Differenzierung in den evangelischen Kirchen und ihren Leitungen der DDR geführt [sic]. Ausdruck dafür sind die Auseinandersetzungen in den kirchenleitenden Kreisen der DDR und die Versuche der westdeutschen EKD, den Bund mit allen Mitteln zu verhindern.“

Die Maßnahmen, die die Arbeitsgruppe Kirchenfragen zur Weiterführung einer erfolgreichen Taktik vorschlug, waren grundsätzlich auf die Überwachung des unbedingten Einhaltens der sozialistischen Verfassung gerichtet. Das bedeutete nichts anderes, als dass die staatlichen Organe im Zuge der Ausgestaltung des Bundes die Kirchenvertreter weiterhin auf eine klare Trennung von der westdeutschen EKD zu drängen hatten. Gleiches galt selbstverständlich nach wie vor für die Berlin-brandenburgische Kirche und die EKU. Die Räte der Bezirke sollten die „bewährte Praxis“ beibehalten, Verhandlungen mit den jeweiligen Landeskirchen zu führen. Dabei wurde ausdrücklich betont, dass diese kirchenpolitische Linie weiterverfolgt werden sollte „unabhängig vom Bund und entsprechend den bisherigen positiven Erfahrungen der Zusammenarbeit“ zwischen Staat und Kirche, um den „positiven“ kirchlichen Kreisen zu signalisieren, dass die SED das „Prinzip der landeskirchlichen Organisationsform […] weiterhin als die legitime Form der kirchlichen Organisation“ ansah. Die restlichen Maßnahmen betrafen die Stützung der staatlichen Forderungen durch propagandistische Maßnahmen. Einerseits sollte die am 18. August anlässlich des 5. Jahrestags des Ulbricht-Mitzenheim-Gesprächs auf der Wartburg anstehende gleichnamige Tagung genutzt werden, um die Erwartungshaltung des Staates öffentlich zu wiederholen. Auf der anderen Seite sollten die sogenannten progressiven Gruppierungen213 in diesem Sinne Eingaben an die erste Tagung der Bundessynode richten. Etwas präziser wurde nun auf die von Theologieprofessoren auszuarbeitende Erklärung eingegangen, die – unterzeichnet möglichst auch von Professoren und Dozenten der sechs theologischen Fakultäten in der DDR – ebenfalls der Synode des Bundes zugeleitet und „unmittelbar vor Beginn der Tagung publiziert“ werde. Geplant war, diese Erklärung zudem möglichst in „progressiven westdeutschen kirchlichen Zeitschriften“ unterzubringen.214 213 Weißenseer und Weimarer Arbeitskreis, Ev. Pfarrerbund, Sächsische Bruderschaft, Dobertiner Konferenz. 214 Anlage Nr. 8 zum Protokoll Nr. 29/69 der PB-Sitzung vom 25.7.1969, S. 3ff., 8. Hervorhebungen im Original (SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2/1237, Bl. 127–135). – Bericht und Maßnahmen (Pkt. 1–4, 6) wurden den 1. Sekretären der SED-BL und den Vorsitzenden der RdB als „vertrauliche Verschlußsache“ zugeleitet. – Zur Sicherung einer erfolgreichen Umsetzung der Maßnahmen fand vor der Potsdamer Tagung der BEK-Synode eine Beratung zwischen Mitgliedern der ZK-AG Kirchenfragen und denen der Dienststelle des Staatssekretärs statt (Niederschrift [o. A.] über diese Besprechung [o. D.] in: SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/14/18, Bl. 19ff.).

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Auch die Blockpartei CDU plante, die SED-Linie gegenüber den evangelischen Kirchen in der weiterhin DDR tatkräftig zu unterstützen. So berichtete der Leiter der Abt. Kirchenfragen auf der Sitzung des Sekretariats des Hauptvorstands der CDU am 12. August über die Anfang September in Berlin zum Thema „Unser Staat und wir“ geplante Tagung der Arbeitsgemeinschaft Kirchenfragen. Zielstellung sei u. a. zu verdeutlichen, dass auch die CDU einen Beitrag dazu geleistet habe, den Kirchen bewusst zu machen, dass sie ihrem Auftrag „nur gerecht werden können, wenn sie sich bewußt als Gemeinschaften christlicher Bürger verstehen, die schöpferisch die sozialistische Gesellschaft mitgestalten“ – natürlich im Einklang mit der DDR-Verfassung und völlig unabhängig von der „westdeutschen Militärkirche“. Die Konstituierung des Bundes im September sei die ideale Möglichkeit für die evangelischen Kirchen, die entsprechenden Voraussetzungen für ein „normales und vertrauensvolles“ Staat-Kirche-Verhältnis zu schaffen. Im Nachgang der Tagung sollten demnach auch die „klaren Forderungen“ der CDU an die Bundessynode in den Presseorganen der CDU publiziert und dem DDR-Nachrichtendienst ADN übergeben werden.215 Der epd berichtete am 20. August von den „neuen kirchenpolitischen Forderungen“, die Staatssekretär Seigewasser kurz zuvor auf der Wartburg referiert hatte. Im Grunde wurde mit der Meldung nur die Erwartungshaltung der SED in der Bundesrepublik verbreitet, die zumindest innerkirchlich im Osten bereits hinlänglich bekannt war.216 Neun Mitglieder der Theologischen Fakultät der HU Berlin wandten sich – wie zuletzt auf der Politbüro-Sitzung von Barth angekündigt – am 20. August angesichts der nahenden Tagung der ersten Synode des 215 Beschluss-Vorlage: Bericht (Quast) vom 12.8.1969 über die Tagung der Arbeitsgemeinschaft Kirchenfragen der CDU, S. 1f., 4 (SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/15/69). – Wie erwünscht berichtete unter anderem die NZ ausführlich und wies dabei den „spezifischen Beitrag“ hin, den die CDU geleistet habe, um „zahlreichen Pfarrern, Theologen und anderen kirchlichen Amtsträgern“ dabei zu helfen, „ihren Platz in unserer sozialistischen Gesellschaft zu finden und zu einer schöpferischen Praktizierung humanistischer Mitverantwortung zu gelangen“. Auftragsgemäß wurden ferner die „Forderungen“ nach einer umfassenden Trennung von der EKD wiederholt (ACDP, VII-013-2159). 216 EPD -Meldung vom 20.8.1969. – Die Veranstaltung war anläßlich des 5. Jahrestages des „Wartburggesprächs“ zwischen Ulbricht und Mitzenheim (18.8.1964) vom Nationalrat der Nationalen Front und dem Staatssekretär für Kirchenfragen organisiert worden. – Auf der Besprechung in Seigewassers Dienststelle wurden von Flint die Reaktionen westlicher Medien als Erfolg für die staatliche Kirchenpolitik gewertet: „Im Mittelpunkt wütender Kommentare steht die Rede des Staatssekretärs, insbesondere mit den Passagen, die sich mit der geistigen Loslösung der DDR-Kirchen von der EKD befassen. Man bezeichnet Kollegen Seigewasser und vor allem auch Willi Barth (anläßlich seiner Auszeichnung mit dem Karl-Marx-Orden) als ‚Kirchenspalter‘. Aus dem Tenor aller westdeutschen Kommentare ergibt sich Wut und Enttäuschung. Das zunehmende Platzgreifen realer Einschätzungen der Lage bei den kirchlichen Amtsträgern in der DDR verursacht den westdeutschen EKD-Leuten spürbar Ärger. Man ist ungehalten darüber, daß es in der DDR ein wachsendes Miteinander von Christen und Marxisten gibt“ (Protokoll [Rogowski] über Dienstbesprechung beim Staatssekretär am 8.9.1969 [BArch BERLIN, DO 4 STS f. Kirchenfragen Nr. 382, Bl. 300–304; hier Bl. 300]).

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BEK mit einem Schreiben an Bischof Beste. Eingangs betonten sie unter Berufung auf die Heilige Schrift, dass die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft „nicht unbeeinflußt“ bleibe von der ihrer Träger. In einer Zeit zunehmender „Vergesellschaftung der Menschheit“ und ihrer starken Abhängigkeit von der Qualität der Politik seien „politische Fehlhaltungen der Kirchen besonders verhängnisvoll“. Die Hochschullehrer warfen den DDR-Kirchenleitenden nicht nur zu große Nähe zur Bundesrepublik, sondern eine „ideologische Abhängigkeit von der Politik des westdeutschen Imperialismus“ vor, wobei sie ausdrücklichen Bezug auf den Militärseelsorgevertrag nahmen, von dem die Kirchen in der DDR „juristisch nicht einwandfrei“ entbunden worden seien. Die Bundesgründung eröffne nun die einzigartige Möglichkeit eines Neuanfangs. Mit einer ausführlichen Begründung und in scharfem Ton stellten die Berliner Theologen vier Forderungen auf, die mit denen Seigewassers praktisch übereinstimmten: 1. Die klare Trennung von der „EKiD“ inklusive der Auflösung aller Dienststellen auf dem Gebiet der DDR und ihrer Hauptstadt sowie die Niederlegung aller Mandate. 2. und 3. Die endgültige Loslösung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg und der EKU in der DDR von ihren Brüdern und Schwestern in der Bundesrepublik. 4. Eine Überarbeitung bzw. wenigstens verbindliche Interpretation des Art. 4 (4) durch die Synode des Bundes.217 Bevor die Mitglieder des Rates der EKD aus der DDR am 26. August zur Abhandlung der Tagesordnung übergingen, debattierten sie über das Wartburggespräch und die von Seigewasser formulierten Forderungen. Zwar sprachen sich die Anwesenden dafür aus, die Angriffe des Staatssekretärs auf die Fürstenwalder Erklärung nicht unwidersprochen zu lassen, kamen jedoch überein, dass dies in der Verantwortung des DDR-Kirchenbundes zu geschehen habe. In der sich anschließenden Beratung über die Fragen der Überleitung von Aufgaben der EKD auf den Bund wurde entschieden, so vorzugehen, wie es auf der Sitzung am 26. Juni besprochen worden war: „Grundsatzbeschluß der Synode, Abschluß einer Vereinbarung, Erklärung der Ratsmitglieder, Erklärung des Präsidiums der Synode.“ Über die endgültige Formulierung der ebenfalls am 26. Juni verfassten Erklärung für zu treffende „Vereinbarungen“ zwischen dem BEK und der EKD hinsichtlich der Praktizierung von 4 (4) konnten sich die Mitglieder des Rates (Ost) nicht einig werden.218 Nach einer Unterredung mit Krummacher Anfang September hielt Behm fest, dass die Mitglieder des Rates der EKD über den Zerfall der organisatorischen Einheit durchaus betroffen seien, jedoch die Ansicht verträten, „um der Sache willen das Opfer bringen zu müssen“. Behms in seiner 217

Schreiben von neun Hochschullehrern an Beste vom 20.8.1969, S. 1 (EZA, 102/38). Niederschrift (Behm) über die Sitzung der östlichen Ratsmitglieder am 26.8.1969, S. 1 (EZA, 104/51). 218

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Gesprächsnotiz niedergelegten Einschätzung, die Ratsmitglieder versuchten auf diese Weise, ihr Gewissen zu beruhigen, fügte von Heyl handschriftlich die Bemerkung hinzu: „Das scheint mir auch das Hauptmotiv zu sein.“219 Nur zwei Tage vor Beginn der ersten Tagung der Bundessynode wurde Pabst zu einer Unterredung in die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen bestellt. Seigewasser war bei dem Gespräch Pabsts mit Hauptabteilungsleiter Weise und Referent Boje, in dem es natürlich um die Bundesgründung ging, nicht anwesend. Weise stellte sogleich klar, dass im Zuge der organisatorischen Verselbständigung der DDR-Gliedkirchen von der EKD in Form des eigenen Zusammenschlusses der BEK vom Staat keinesfalls selbstverständlich als „Gesprächspartner“ akzeptiert werde. Angesichts der Behinderung, Beschneidung und Verhinderung kirchlicher Tätigkeit sowie des nachhaltigen Drucks, den die Partei- und Staatsorgane vor allem seit dem Mauerbau auf die evangelischen Kirchen in der DDR ausgeübt haben, gibt die Begründung der staatlichen (Zurück-)Haltung, die Weise ins Feld führte, einen mustergültigen Einblick in die kompromisslos das aktuelle Ziel verfolgende kirchenpolitische Taktik der staatlichen Funktionäre: Der Staat sehe die Bundesgründung zunächst als einen „rein innerkirchlichen Vorgang“ an. Eine Anerkennung des BEK als Vertretung der evangelischen Kirchen in der DDR gegenüber der Regierung käme nur in Frage, wenn vorab „vier Voraussetzungen klar erfüllt“ würden. Bei diesen handelte es sich wiederum um die von Seigewasser auf der Wartburg benannten Forderungen an die Kirchen in der DDR, die von Weise noch einmal präziser formuliert wurden. Er konstatierte in aller Deutlichkeit: „Solange diese Voraussetzungen nicht klar erfüllt seien, könnten weder der Vorsitzende des Bundes noch seine Stellvertreter noch der Generalsekretär noch die Sekretäre der Kommissionen Gesprächspartner des Staates sein.“ Als Pabst sein Erschrecken über diesen Forderungskatalog zum Ausdruck brachte, mit dem er in keiner Weise gerechnet habe, antwortete Weise ihm, dass nicht nur der Staatssekretär persönlich bereits vor mehreren Wochen Schönherr eben dies mitgeteilt habe, sondern in den vergangenen Monaten zahlreichen kirchlichen Amtsträgern ebenfalls die eindeutige Erwartungshaltung des Staates hinsichtlich des zukünftigen StaatKirche-Verhältnisses vermittelt worden sei. Demnach könne er seinerseits Pabsts Überraschung nicht nachvollziehen – womit er zweifellos nicht unrecht hatte. Pabst entgegnete, dass er weder von seiner Kirche beauftragt worden sei, über diese Themen mit Vertretern des Staatssekretariats zu sprechen noch im Besitz einer wie auch immer gearteten „Vollmacht“ sei, dazu „verbindliche Erklärungen abzugeben“. Weise stellte für den Fall, dass die evangelischen Kirchen in der DDR die genannten vier Voraussetzungen nicht erfüllten, gesonderte Verhand219

Vermerk Behm vom 6.9.1969, S. 1 (EZA, 87/1027).

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lungen der staatlichen Organe mit den acht DDR-Landeskirchen in Aussicht. Dies bedeute in der Konsequenz zum Beispiel, dass die Beantragung von Ausreisegenehmigungen zu ökumenischen Veranstaltungen von den Kirchenvertretern selbst oder ihren Landeskirchen nicht direkt an die zuständigen Organe des Staates gerichtet werden könnten. Vielmehr sei der Umweg über die jeweiligen Räte der Bezirke nötig.220 Weise verdeutlichte mittels ausgesprochen geschickter Gesprächsführung die staatliche Erwartungshaltung in allen Details, ohne in den nachweisbaren Verdacht zu geraten, Organe des Staates könnten versuchen, direkt in innerkirchliche Entscheidungsprozesse einzugreifen.221 Die Synode, die sich aus Mitgliedern aller acht Landeskirchen – 50 davon von den Landessynoden gewählt, 10 von der KKL berufen – zusammensetzte, beschloss auf ihrer konstituierenden Sitzung vom 10. bis 14. September die Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) als selbständige Einrichtung. Zum Präses der I. Bundessynode wurde Braecklein gewählt.222 Die Wahl der restlichen Präsidiumsmitglieder ergab folgende Zusammensetzung: Der Präsident der sächsischen Landessynode Johannes Cieslak und der Präses der Synode der Kirchenprovinz Sachsen Helmut Waitz waren Stellvertreter 220

Aktenvermerk Pabst vom 10.9.1969, S. 2, 3, 4 (EZA, 687/4). Am gleichen Tag hatte eine Dienstbesprechung stattgefunden, in der die Mitarbeiter des Staatssekretärs nochmals sehr ausführlich über die „politisch-rechtlichen Konsequenzen“, die sich aus der Gründung des BEK für ihre „Leistungstätigkeit“ ergäben, instruiert worden waren. Weise war demnach bestens vorbereitet (Überarbeitete Fassung [Fitzner] der Vorlage die Dienstbesprechung am 8.9.1969 vom 27.10.1969, S. 1 [BArch BERLIN, DO 4 STS f. Kirchenfragen Nr. 2498]). 222 Wie aus dem Interview mit Pabst hervorgeht, hatte die Wahl Braeckleins den gezielten Hintergrund, ihn fest in die Gemeinschaft des neuen Kirchenbundes in der DDR zu integrieren. Mit der Nachfolge Braeckleins im Bischofsamt (nach Mitzenheim, dem „Begründer“ des sog. Thüringer Wegs) sei ein weiterer Schritt zur Normalisierung des Verhältnisses der thüringischen zu den anderen sieben Landeskirchen in der DDR getan worden. In: H. FINDEIS /D. POLLACK (Hg.), Selbstbewahrung, S. 178–209; hier S. 294. – In einem „Treffbericht“ des MfS-Majors Franz Sgraja vom 10.1.1970 heißt es, dass mit IM „Ingo“ vor der BEK-Synode zwischen dem 5. und 10.9.1969 „mehrere Treffs“ durchgeführt worden seien, bei denen die Konzeption für sein Verhalten besprochen wurde. Dabei sei u. a. „lange mit dem IM darüber diskutiert [worden], damit er sich bereiterklärte, diese Funktion [des Präses] zu übernehmen“. Ferner wird in dem Treffbericht „Ingos“ Bericht über eine „streng geheime Sitzung des [thüringischen] Landeskirchenrats“ am 6.1.1970 wiedergegeben, auf der Landesbischof Mitzenheim Braecklein als Kandidaten für seine Nachfolge vorgeschlagen und dafür die Zustimmung aller Mitglieder des LKR gewonnen habe (BStU [ZA Berlin], MfS 24028/91, T. II, Bl. 73ff.). – In einer „Information“ der HA XX/4 vom 17.9.1969 wird wiederum erfolgsbewusst konstatiert: „Das für Braecklein sehr positive Abstimmungsergebnis konnte nur deshalb erreicht werden, weil die progressiven Kräfte nach einem einheitlichen Plan gegen die Wahl der beiden von den reaktionären Kräften aufgestellten Gegenkandidaten […] [Cieslak, Waitz] auftraten und viele Synodale von ihrer Absicht, diese beiden Kandidaten zu wählen, abbrachten. Nach der Wahl des Präses konzentrierten die progressiven Kräfte ihre Aktivität auf die Zerschlagung der ‚EKD‘. […] Mit der Niederlegung der Mandate und der Auflösung der ‚EKD‘-Geschäftsstelle und -Einrichtungen hat die ‚EKD‘ in der DDR juristisch aufgehört zu existieren“ (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1233, Bl. 39–46; hier Bl. 42, 46). 221

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Braeckleins, Siegfried Wahrmann und Ursula Radke Schriftführer. Ferner bestimmte die BEK-Synode aus ihren Reihen sieben Vertreter für die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, nahm die personelle Besetzung der ständigen Synodenausschüsse223 vor, beschloss die Geschäftsordnung der Synode und bildete auf der Basis der BEK-Ordnung zusätzlich einen Richtlinien- und einen Kommissionsausschuss224. Die KKL, die bei ihrer eigenen konstituierenden Sitzung am 13. September in Potsdam-Hermannswerder einen Nominierungsausschuss gewählt hatte, war neben der Bundessynode verfassungsmäßiges Organ des BEK mit gesetzlich geregelter Zusammensetzung und Kompetenzen.225 Allerdings fehlte ihr weiterhin das Weisungsrecht gegenüber den Landeskirchen. Für die Verwaltungsgeschäfte des Bundes sollte eine eigene Verwaltungsstelle, ein Sekretariat (ab 1971 war es arbeitsfähig), eingerichtet werden, bis zu dessen Einsetzung die Geschäftsstelle der KKL ihre Arbeit fortsetzte. In seinem Schlusswort an die Synode sprach Präses Braecklein am 14. September auf der einen Seite von einer „spezifischen Gemeinschaft“ des Glaubens, des Dienstes und der theologischen Arbeit. Aber er betonte auch, dass die evangelischen Kirchen eine „geistliche Gemeinschaft“ verbinde in dem, was über das rein Organisatorische hinausreiche. So bat er die Synodalen, den Terminus „geistige Gemeinschaft“, von der er in der „Wartburgverlautbarung“ (Seigewassers) gelesen habe, in der aktuellen Situation nicht als Infragestellung des von ihm gerade umschriebenen kirchlichen Zusammenhalts zu verstehen.226 Bischof Krummacher richtete noch aus Potsdam am 14. September ein Schreiben an den Münchner Landesbischof Dietzfelbinger, in dem er ihn über den Verlauf der Synodaltagung unterrichtete und die zwei beigelegten – auf der Tagung verlesenen – Erklärungen der vier östlichen Ratsmitglieder227 erläuterte. Diese Erklärungen ergaben sich aus dem Beschluss der BEK-Synode hinsichtlich der Übernahme der „bisher der EKD im Bereich der DDR obliegenden vermögensrechtlichen und dienstrechtlichen Verpflichtungen“ sowie der „Rechte und Anwartschaften“. Während Krummacher die erste Erklärung, mit der die Auflösung der Evangelischen Kirchenkanzlei der EKD zum 30. September 1969 verkün223

Haushalts-, Rechts-, Wahlvorbereitungs- und Legitimationsprüfungsausschuss. Während der Richtlinienausschuss für die Gestaltung der künftigen praktischen Tätigkeit des Bundes zuständig war, sollte der Kommissionsausschuss die Bildung entsprechender, die Arbeitsgebiete des Bundes abdeckende Kommissionen vorschlagen. Ferner oblag es der KKL, weitere Aufgaben vorläufig Ausschüssen zu übertragen, die nötige Vorarbeiten für die zu gründenden Kommissionen erledigen sollten. 225 Der KKL gehörten neben den acht leitenden Geistlichen der DDR-Landeskirchen je ein zusätzlicher Vertreter der Kirchenleitungen und sieben von der Synode gewählte Mitglieder an. 226 Schlusswort Braecklein vom 14.9.1969, S. 1 (EZA, 687/4). Auszugsweiser Abdruck auch in: KJ 1969 (96. Jg.), S. 264f., mit der Jahreszahl 1970 falsch datiert. 227 Krummacher, Lundbeck, Noth, Wätzel. 224

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det wurde, eher als formalen Akt betrachtete, sei die in der zweiten Erklärung festgestellte Niederlegung der Mitgliedschaft im Rat der EKD „unerhört schwer gefallen“. Krummacher bat um „brüderliches Verstehen“.228 In seiner Erwiderung unterstrich Dietzfelbinger seine Erleichterung über die Tatsache, dass die Bundessynode offenbar nicht Art. 4 (4) preisgegeben habe. Er gestand seine Verunsicherung ein, die „in der letzten Zeit durch die Nachrichten“ gewachsen sei, die er über die Haltung der thüringischen Landeskirche in dieser Frage erhalten habe.229 Wie die östlichen Ratsmitglieder hatten die DDR-Mitglieder der EKD-Synode ebenfalls die Beendigung ihrer Tätigkeit zu erklären, was in einem, ebenfalls in Potsdam von Braecklein verlesenen Schreiben des Präses der östlichen Regionalsynode der EKD, Figur, an alle EKD-Synodalen im Bereich der DDR vom 14. September zum Ausdruck kam und vollzogen wurde. Somit ging auch die „synodale Verantwortung für die Gemeinschaft der acht Gliedkirchen in der DDR“ auf die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen über.230 Am 15. September wählten die vierundzwanzig KKL-Mitglieder ihren Vorstand, der sich aus Bischof Schönherr als Vorsitzendem, Landesbischof Noth als erstem und Oberkonsistorialrat Gerhard Juergensohn als 2. Stellvertreter, Synodenpräses Braecklein (qua Amt) und Pfarrer Martin Kramer als nichttheologischem Mitglied (und einem der sieben synodalen Vertreter der KKL) zusammensetzte. Stolpe wurde zum Generalsekretär bzw. Leiter des Sekretariats des Bundes ernannt. Die neue KKL stellte fest, dass die KKL und die Konferenz der ev. Bischöfe laut ihrer GO vom 21. Januar 1962 damit nicht mehr existierten und die bisherige Geschäftsstelle der KKL ab sofort für den Kirchenbund tätig werde, bis das „endgültige“ Sekretariat seine Tätigkeit aufnehme. Nachdem die Aufgaben und Zuständigkeiten der EKD im Bereich der DDR erloschen seien, arbeiteten die bestehenden Kammern und ähnlichen Einrichtungen unter ausschließlicher Verantwortung des Bundes, der die endgültige Arbeitsregelung dieser Gremien festlegen werde.231 Für den 18. September hatte sich Pabst in der Dienststelle des Staatssekretärs angemeldet, um mit Weise und Boje einige ökumenische Angelegenheiten durchzusprechen. Bevor es dazu kam, äußerten sich die beiden Staatsvertreter, „wenn 228 Schreiben Krummacher an Dietzfelbinger vom 14.9.1969, S. 1 (EZA 4/295). – Die 1. Erklärung betraf die vermögens- und dienstrechtlichen Fragen bzw. Verpflichtungen, die mit dem Synodenbeschluss von der EKD auf den Bund übergegangen waren. Die östlichen Ratsmitglieder hätten damit ihrer „Fürsorge- und Treuepflicht gegenüber den Mitarbeitern [der mit dem 30.9.1969 aufzulösenden Ev. Kirchenkanzlei] und den Vermögenswerten der EKD in der DDR hinreichend Rechnung getragen“ (EBD.). 229 Schreiben Dietzfelbinger an Krummacher vom 5.1.1970, S. 2 (EZA 102/70). 230 Schreiben Figur an die EKD-Synodalen in der DDR vom 14.9.1969. Abdruck in: KJ 1969 (96. Jg.), S. 275. 231 Protokoll (o. A.) über die 1. Sitzung der KKL am 15.9.1969 in Potsdam-Hermannswerder, S. 5 (EZA, 102/45).

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auch in gedämpfter Ausdrucksweise“, insgesamt positiv zur Potsdamer Tagung des BEK. Die Befriedigung seitens des Staates – so erläuterte Weise dem Oberkirchenrat – sei nicht zuletzt daran zu erkennen, dass im Neuen Deutschland die Aussagen der Bundessynode recht ausführlich wiedergegeben worden seien und Seigewasser der Bitte von drei Vertretern des KKL-Vorstands um eine Unterredung nachgekommen sei. Wohlwollend habe der Staat registriert, dass die westlichen EKD-Vertreter nicht nur ihre Tätigkeit, sondern auch ihre Funktion in der DDR als beendet erklärt hatten. So hätten sich die staatlichen Befürchtungen nicht bestätigt, dass die kirchlichen Amtsträger aus der Bundesrepublik versuchen könnten, ihre Funktion nur ruhen zu lassen. Weise lobte die vom neuen Synodenpräses in seinem Schlusswort vorgenommene Unterscheidung von „geistiger“ und „geistlicher“ Gemeinschaft. Braecklein habe die Rede Seigewassers auf der Wartburg dahingehend ganz richtig interpretiert, als auch der Staatssekretär mit der nicht zu duldenden „geistigen“ Gemeinschaft ausschließlich eine „ideologischpolitische“ gemeint habe. Gegen die „geistliche“ Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in Deutschland, „die den Kirchen vom Evangelium her gegeben sei“ und die sich auf eine Liturgie und ein Gesangbuch beziehe, gebe es in der Tat keinerlei Einwände. Als Beweis dafür, dass die „Sachlage“ offenbar auch in der Bundesrepublik „begriffen“ worden sei, zitierte Weise darauf mit einer gewissen Freude aus dem West-Berliner Tagesspiegel. Boje fügte hinzu, dass die Wahl Pfarrer Kramers in den KKL-Vorstand von den Organen des Staates aufgrund seiner Mitgliedschaft im CFK-Regionalausschuss der DDR besonders gewürdigt worden sei. Ferner zeigten die Vertreter von Seigewassers Dienststelle sogar Verständnis dafür, dass die rechtliche Trennung der Berlin-brandenburgischen Kirche und der EKU vom Westen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Bundessynode fielen. Die Erwartungshaltung des Staates richte sich nun auf die kommenden Tagungen dieser Kirchen. Das letzte Anliegen brachte Boje vor. Um ein Gespräch mit Pabst habe die Leitung der „Gesellschaft für die Verbindung mit den Vereinten Nationen“ gebeten. Es solle geklärt werden, ob die DDR-Kirchen mittels ihrer Beziehungen in der Ökumene Hilfestellung bei der „Aufnahme der DDR in einzelne UNOGremien“ leisten könnten.232 Vermutlich lässt sich die ungewohnt milde und fast verständnisvolle Atmosphäre dieser Unterredung weniger aus der Zufriedenheit der Staatsvertreter mit Verlauf und Ergebnissen der ersten Synodaltagung des BEK erklären als aus der Tatsache, dass die SED-Regierung darauf hoffte, die ökumenischen Kontakte der Kirchen und ihre Reputation für die angestrebte Aufnahme der DDR in die UNO nutzen zu können. Und für den Bereich Ökumene war Pabst der langjährige „Mittelsmann“ zwischen dem Staatssekretariat und den Kirchen in der DDR. 232

Aktenvermerk Pabst o. D., S. 1f. (EZA, 102/375).

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Auch in der Sitzung des Rates der EKD am 25. und 26. September ging es natürlich um die Bundesgründung, die mit der konstituierenden Tagung der Synode des BEK mit allen Konsequenzen endgültig besiegelt war. Hammer erläuterte das Zustandekommen der von den Ratsmitgliedern aus der DDR in Potsdam gefassten Beschlüsse und abgegebenen Erklärungen. Er bat die anwesenden Mitglieder des Rates, dabei der „zeitlichen Reihenfolge“ besondere Beachtung zu schenken. Der Beschluss der Synode zur Übernahme der dienst- und vermögensrechtlichen Verpflichtungen der EKD durch den DDR-Kirchenbund habe die östlichen Ratsmitglieder veranlasst, die Übertragung des EKD-Vermögens in der DDR auf den Bund zu vollziehen – verbunden mit der ausdrücklichen „Erwartung“, dass der BEK die „Zweckbestimmung des Vermögens“ wahren werde. Diese Beschlüsse seien die Voraussetzung für die dann erfolgte Beendigung von Funktion und Tätigkeit der östlichen Mitglieder des Rates der EKD gewesen. Das Schreiben Figurs an die DDR-Synodalen habe wiederum die Erklärung der Ratsmitglieder aufgenommen und gleichzeitig die Mandatsniederlegung auch der EKD-Synodalen mit Wohnsitz in der DDR verkündet. Die Ratsmitglieder diskutierten über die Konsequenzen für die EKD in der Bundesrepublik und die zukünftige „Gemeinschaft der evangelischen Christenheit in Deutschland“.233 Wie auf der Ratssitzung im Juli in Stuttgart beschlossen worden war, hatte man Ulrich Scheuner, Professor für Kirchenrecht in Bonn, gebeten, ein Gutachten zur Gestalt der EKD nach der Bundesgründung zu erstellen. Scheuner trug die Ergebnisse seiner Arbeit234 – die sich aus juristischer Sicht ergebenden Folgen für die EKD – vor. Auf der Basis der gliedkirchlichen Stellungnahmen zur Ordnung des Bundes sowie der Verlautbarungen der Bundessynode in Potsdam urteilte Scheuner, der Art. 4 (4) spiele eine gewichtige Rolle, auch wenn ihm keine „organisatorische oder institutionelle“, sondern nur eine „geistige“ Bedeutung zugesprochen werde. Dennoch sei von Seiten des Staates „erhebliche Kritik“ laut geworden. Scheuner lotete in seinen Ausführungen verschiedenste Deutungsmöglichkeiten aus und nahm letztlich drei näher in den Blick: „a) Volle Abtrennung; b) Verbleib in einer Lage, in der die Lösung sich noch innerhalb der Ordnung der EKD hält, deren latente Fortgeltung nur regional zurückgeschoben ist; c) Selbständigkeit des neuen Bundes in rechtlicher Hinsicht, die aber nicht ausschließt, daß er in einer engeren geistlichen und geschichtlichen Gemeinschaft mit den Kirchen der Bundesrepublik verbleibt, die keine volle Auflösung aller Bindungen bewirkt.“

233 Niederschrift (von Heyl) über die 32. Sitzung des Rates der EKD am 25./26.9.1969 in Berlin (West), S. 3f. (EZA, 2/93/750). 234 Ursprünglich befand sich das Gutachten als Anlage 2 beim Protokoll. U. SCHEUNER: Bericht über die rechtliche Bedeutung der Gründung des BEK in der DDR für die EKD, 13 S. (EZA, 4/23).

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Der Jurist kam zu dem vorläufigen Ergebnis, dass vermutlich die dritte Version die Situation am plausibelsten widerspiegele. Auch diese lasse jedoch einige rechtliche Folgerungen im Unklaren, so dass er kein abschließendes Urteil fällen könne. Doch plädierte er dafür, in jedem Fall weder die finanziellen Hilfeleistungen für die DDR-Kirchen einzustellen noch „persönliche Kontakte“ zwischen BEK und EKD abreißen zu lassen.235 Der Rat kam infolgedessen zu der Überzeugung, dass Scheuners Votum – „die volle rechtliche Würdigung der Vorgänge [sei] gegenwärtig weder möglich noch notwendig“ – zuzustimmen sei. Da die einzelnen Ratsmitglieder vermutlich nicht vermeiden könnten, persönlich zur Gründung des BEK Stellung beziehen zu müssen, mahnte der Rat zur grundsätzlichen Zurückhaltung bei Äußerungen zu den „rechtlichen Konsequenzen“ und warnte ausdrücklich vor der „Anwendung staatsrechtlicher Begriffe“. Mit Blick auf den ÖRK entschieden die Mitglieder des Rates, vorerst keine offizielle Stellungnahme nach Genf abzugeben. In der auf der Sitzung beschlossenen „Erklärung“236 des Rates zur Bundesgründung wurde eingangs über die Beendigung von Funktion und Tätigkeit der östlichen Ratsmitglieder ebenso wie über die Mandatsniederlegung der DDR-Synodalen informiert. Dann wurde mit Dank des Dienstes der EKD „an der inneren und äußeren Gemeinschaft ihrer Gliedkirchen in beiden Teilen Deutschlands“ gedacht und betont, dass mit der Bundesgründung ein „tiefer und folgenschwerer Einschnitt“ in die mehr als hundert Jahre währende „Geschichte des Zusammenschlusses der evangelischen Kirchen in Deutschland“ zu beklagen sei. Doch trotz des Zerbrechens der Gemeinschaft werde die gemeinsame kirchliche Verantwortung für Zeugnis und Dienst Bestand behalten. Die westlichen Ratsmitglieder respektierten237 die Entscheidungen der Brüder und Schwestern im Osten und erklärten ihre Übernahme der Funktion und Aufgaben des Rates der EKD für die Bundesrepublik.238 Auf ihrer 2. Sitzung verteilten die Vorstandsmitglieder der KKL am 25. Oktober u. a. spezifische Aufgabenbereiche. Während Schönherr sich für die Beziehungen zum Staat und die Angelegenheiten von 4 (4) zuständig erklärte, 235

EBD., S. 4, 5f., 11. Die vielerorts abgedruckte (z. B. KJ 1969 [96. Jg.], S. 5) Ratserklärung vom 26.9.1969 war der Niederschrift als Anlage 3 beigefügt (EZA, 2/93/750). 237 Bewusst hatte sich der Rat bei der Wortwahl für „respektieren“ statt „akzeptieren“ entschieden, und damit verdeutlicht, dass die Bundesgründung als Faktum hingenommen, eben respektiert werde, jedoch nicht im Sinne einer „rechtserheblichen ‚Anerkennung‘“ oder „de-facto-Anerkennung“ akzeptiert (Vgl. M. HECKEL, Vereinigung, v. a. S. 71–79; hier S. 75). Auch in Stuttgart debattierte der Rechtsausschuss der Synode ausführlich darüber und entschied sich mehrheitlich gegen „Anerkennen“ bzw. „Akzeptieren“ und dafür, „respektieren“ beizubehalten („Bericht“ über „Stuttgart 1970“, S. 169. Vgl. auch S. 178). 238 Niederschrift (von Heyl) über die 32. Sitzung des Rates der EKD am 25./26.9.1969 in Berlin (West), S. 4 (EZA, 2/93/750). 236

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übernahm Noth die Ökumene, Juergensohn die Verbindungen zu den Gliedkirchen, Braecklein die Synodalangelegenheiten und Kramer die internen Angelegenheiten des Bundes.239 Scheuner, der auf der Septembersitzung des Rates sein Gutachten zu den rechtlichen Folgen der Bundesgründung für die EKD vorgetragen hatte, wandte sich am 10. November an Dietzfelbinger, um ihm von seiner Kontaktaufnahme mit ÖRK-Generalsekretär Blake zu berichten. Er habe diesem mitgeteilt, dass die EKD in der Bundesrepublik die „eingetretene Trennung mit Bedauern, aber mit Verständnis für das Unvermeidliche aufnehme“, die notwendigen Konsequenzen jedoch erst von der EKD-Synode auf ihrer Tagung im kommenden Jahr gezogen würden. Auch habe er seinen bereits in einem Gespräch mit Blake im Sommer geäußerten Hinweis bekräftigt, bezüglich einer selbständigen ökumenischen Vertretung des DDR-Kirchenbundes sei keinerlei Eile geboten, da über diese Frage zudem eine Vorabbesprechung zwischen BEK und EKD stattfinden müsse. Nun habe Scheuner vor zwei Tagen mit Unmut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung entnommen, dass Blake just zur Verhandlung der zukünftigen Beziehungen des BEK zur Ökumene Vertreter des Kirchenbundes nach Genf eingeladen habe. Zwar sei ihm unbekannt, von wem „das Drängen“ ausgegangen sei, doch vermutete er, dass es Blake gewesen sei, „dessen Neigung zu impulsiven Handlungen bekannt ist“. Der Bonner Jurist bat Dietzfelbinger, ihn darüber aufzuklären, ob eine Person oder ein Gremium der EKD über die Fühlungnahme zwischen Bund und ÖRK informiert worden sei. Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass die EKD tatsächlich übergangen worden sei, werde er in Genf diesem – aus seiner Sicht nicht korrekt abgelaufenen – Vorgang „noch nachgehen“. Nun habe sich im Rahmen eines von ihm jüngst gehaltenen Vortrags die Möglichkeit zu einer Rückfrage bei Schönherr ergeben, dem gegenüber er sich allerdings seine Verärgerung in keiner Weise habe anmerken lassen, sondern den „Vorgang als natürlich“ behandelt habe. Schönherr habe berichtet, tatsächlich mit dem ÖRK in Verhandlungen zu stehen. Als bemerkenswerte „Nuance“ hob Scheuner hervor, dass offenbar die in der Vergangenheit offene Frage, ob der BEK als solcher oder einzelne DDR-Landeskirchen die Verbindung zum ÖRK aufnehmen sollten, geklärt sei: Geplant sei, „daß die einzelnen Kirchen Mitglieder werden sollen, aber in Verbindung treten durch den Bund. Da dieser keine Kirche ist, kann er selbst 239 Protokoll (o. A.) über die 2. Sitzung der KKL am 25.10.1969 in Berlin-Weißensee, S. 8 (EZA, 102/45). – Über alle verhandelten Tagesordnungspunkte, so auch den Zwischenbericht, den die AG zur „Arbeitsweise der Kommissionen“ vorlegte (sogar die in Aussicht genommene personelle Besetzung der zehn Kommissionen des BEK war in allen Einzelheiten in der „Information“ der HA XX/4 vom 9.12.1969 aufgeführt), war das MfS wieder detailliert unterrichtet (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/41233, Bl. 32–38).

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satzungsgemäß nicht Mitglied werden, aber man legt – diese entspricht den früheren Informationen – Gewicht darauf, daß die Beziehungen gesammelt durch den Bund gehen“.240 Die KKL verabschiedete am 22. November mit einer Gegenstimme und vier Enthaltungen den Beschluss, dass „mit der Annahme der Ordnung des Bundes durch die Synoden der Landeskirchen und die Konstituierung der Organe des Bundes […] die evangelischen Kirchen in der DDR nicht mehr Gliedkirchen der EKD“ seien. Damit wurde das Ende der Mitgliedschaft der acht DDR-Landeskirchen in der EKD ausgesprochen. Die KKL bezog sich auf die Erklärung des Rates vom 26. September und eröffnete den Gliedkirchen die Möglichkeit, ihre Verfassungen im Blick auf die veränderte Rechtslage zu prüfen und bei künftigen Gesetzgebungsakten zu korrigieren (verfassungsrechtliches Ausscheiden). Einen „generellen Feststellungsbeschluß einer Gliedkirche“ hielt die KKL in ihrem Beschluss für möglich.241 Lingner informierte am 27. November in seinem „Referenten-Bericht über die Lage Ost-West“ darüber, dass ein erstes Treffen von Mitgliedern des KKLVorstands und Beauftragten des Rates der EKD am 15. Dezember in Ost-Berlin stattfinden werde.242 Er berichtete auch, dass es Schönherr in einem erneuten Anlauf nicht gelungen sei, für eine offizielle Vorstellung des KKL-Vorstands einen Gesprächstermin mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen zu vereinbaren. Offensichtlich wolle Seigewasser erst nach Abschluss der Tagung der Berlin-brandenburgischen Synode die Kirchenleitenden der DDR empfangen, um den Verlauf und die Ergebnisse der Synodaltagung bereits vorliegen zu haben. 240 Schreiben Scheuner an Dietzfelbinger vom 10.11.1969, S. 1, 2. Scheuner informierte gleichzeitig auch Hammer und den Präsidenten des Kirchlichen Außenamtes der EKD, Adolf Wischmann (EZA, 2/93/175). 241 Auszugsweiser Abdruck des Beschlusses in: KJ 1969 (96. Jg.), S. 4. – Vgl. die MfS-„Information“ vom 13.12.1969 über diese Sitzung, aus der die von den einzelnen KKL-Mitgliedern im Zuge der Beschlussfassung vertretenen Ansichten hervorgehen (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1233, Bl. 27–31). – Die thüringische Kirche schied mit einer Verfassungsänderung ihrer Synode vom 7.12.1969 als erste aus der EKD aus. Es folgten die Görlitzer Kirche (5.4.1970), die sächsische Landeskirche (10.4.1970), die Landeskirche Anhalts (21.5.1970), die Greifswalder Kirche (8.11.1970), die Kirchenprovinz Sachsen (10.11.1970) und die EKiBB (10.5.1971). Die mecklenburgische Kirche blieb bei ihrer Kirchgemeindeordnung vom 20.3.1969, die keinen entsprechenden Artikel bezüglich der Zugehörigkeit zur EKD enthielt. – Dass damit die Diskussion keineswegs abgeschlossen war, geht aus einem Vermerk der EKD-Kirchenkanzlei vom 1.2.1970 (EZA BERLIN, 4/296) hervor. So erwarte das Kollegium der Kirchenkanzlei, dass die KKL in aller Deutlichkeit erkläre, in ihrem Beschluss vom 22.11.1969 die Erklärung des Rates der EKD vom 26.9.1969 falsch interpretiert zu haben. Denn die Zugehörigkeit der östlichen Gliedkirchen zur EKD sei keineswegs durch die Ratserklärung in Frage gestellt worden. Schönherr nahm zu einem späteren Zeitpunkt insofern Stellung, als er bedeutete, die KKL könne den Widerspruch zwischen der Ratserklärung und ihrem eigenen Beschluss nicht erkennen. 242 Hierbei handelte es sich um die erste Sitzung der „Beratergruppe“. Vgl. Teil I, 1. Kapitel vorliegender Darstellung.

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Hinsichtlich des anstehenden Besuchs von Schönherr in Genf sei von den östlichen Brüdern darum gebeten worden, es ausdrücklich nicht ohne vorherige Rücksprache zu einem spontanen Zusammentreffen von Kirchenvertretern der EKD mit dem KKL-Vorsitzenden kommen zu lassen. Die Gesamtbeurteilung Lingners lautete: „Nach wie vor läßt sich anhand vieler Einzelbeispiele zeigen, daß die Brüder im Osten sehr unbefangen einen Kontakt mit den Kirchen im Westen anstreben.“243 Im Verlauf eines seiner vielen Gespräche mit HAL Weise in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen wurde Pabst angehalten, seine Gesprächsvermerke zukünftig „kürzer zu gestalten“ und sich auf die Niederschrift der offiziellen Mitteilungen zu beschränken, die Weise im Auftrag Seigewassers an ihn weitergebe: „Wenn ich unbedingt das Bedürfnis hätte, außerdem die Erwägungen festzuhalten, die er [Weise] mehr im Plauderton mache, so möchte ich in meinen Vermerken deutlich sichtbar werden lassen, daß es sich dabei nicht um amtliche Äußerungen handle.“ Bemerkenswert an diesem Teil der Unterredung ist schlicht die Tatsache, dass Weises Kritik durch einige Vermerke ausgelöst worden war, die er „in den letzten Tagen wieder“ erhalten habe. Pabst merkte in Klammern dazu an, dass er die entsprechenden Vermerke über Kuriere an „wenige kirchenleitende Persönlichkeiten“ geschickt habe. Leider sprach Pabst keine Vermutung aus, auf welchem Weg diese Aufzeichnungen in die Dienststelle des Staatssekretärs gelangt sein könnten. Offenbar war Weise, wie sich aus der dann folgenden Gesprächssequenz erschließen läßt, vom Staatssekretär wegen seiner Äußerungen zur Bundesgründung zurechtgewiesen worden. Denn er klärte Pabst darüber auf, dass der Staat die Existenz des DDR-Kirchenbundes als Realität anerkenne und in der Bildung des Bundes einen zwar „sehr unvollkommenen“, aber immerhin ersten Schritt „auf einem guten Weg“ sehe. Wenn Weise nun gesagt habe, der BEK könne nicht Gesprächspartner des Staates sein, habe er damit nur zum Ausdruck bringen können, dass dies „noch nicht“ möglich sei.244 Schönherr wurde für den 13. Januar zu einem Gespräch mit Seigewasser geladen. Eine Konzeption für diese Unterredung, von der Seigewasser sich in erster Linie Informationen über den Stand der Planung der Tagung der Regionalsynode (Ost) der Berlin-brandenburgischen Kirche erhoffte, war eigens mit der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen abgesprochen worden. Besonderes Interesse sei demnach der „persönlichen Haltung“ Schönherrs zu den „Problemen der Syno243

Lingner, 27.11.1969: „Referenten-Bericht über die Lage Ost-West“, S. 1, 2 (EZA, 2/93/1492). Aktenvermerk Pabst o. D. über Gespräch am 28.11.1969, S. 2. Hervorhebung im Original (EZA, 102/375). – Es ist anzunehmen, dass der Vermerk Pabsts über seine Unterredung mit Weise am 8.9.1969 Seigewassers Unmut erregt hatte. 244

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de“ zu zollen. Dieser erklärte zwar, dass die jetzige Situation kein Dauerzustand sein könne, doch da Bischof Scharf rein formal nach wie vor amtierender Bischof für den Ost- und den Westbereich sei, werfe die „Verwirklichung der vollen Selbständigkeit im Sinne organisatorischer und politischer Trennung“ größte Probleme auf. Schönherr schätzte ein, dass er sich bei dem Versuch, im Bereich der Berlin-brandenburgischen Synode gegen Scharf als Bischof anzutreten, ein „Mißtrauensvotum“ einhandeln würde, da diejenigen aus dem Ostbereich, die Scharf seinerzeit gewählt hätten, ihm nicht „ohne weiteres den Stuhl vor die Tür setzen“ wollten. Auch wenn man sich zur Zeit um eine Namensänderung – vielmehr den Zusatz Westberlin – bemühe, sei eine völlige Trennung frühestens in zwei bis drei Jahren zu erwarten. Seigewasser entgegnete, dass die Bundesgründung als positiver Ansatz verstanden werde, jedoch im Blick auf Berlin-Brandenburg das Interview Scharfs mit dem westdeutschen Spiegel 245 einmal mehr bewiesen habe, dass dieser „Repräsentant der sog. gesamtdeutschen Politiker“ nicht im mindesten daran denke, die Einheit der EKD preiszugeben. Damit stünde aus Sicht des Staates die Glaubwürdigkeit des Bundes in der DDR auf dem Spiel: „Die Bereinigung der Probleme, also auch die Veränderung der Grundordnung von Berlin-Brandenburg, ist kein organisatorisches, sondern ein eminent politisches.“ Der Staatssekretär führte nochmals die thüringische Kirche als glänzendes Beispiel für die Bemühungen um gute Staat-Kirche-Beziehungen ins Feld, um sogleich an die immer noch gesamtdeutsch agierende EKU zu erinnern. Möglicherweise solle die EKU nun stellvertretend in die bisherige Rolle der EKD schlüpfen. Schönherr argumentierte, auch der Staat tue besser daran, nicht zu starken Druck auf die Entwicklung der Kirche in Berlin-Brandenburg auszuüben, da sonst mit Widerstand, vielleicht sogar mit einer Art „Kirchenkampfsituation“ zu rechnen sei. Er bat um Vertrauen und Geduld, woraufhin Seigewasser erwiderte, dass persönliches Vertrauen in Schönherr gesetzt werde, was ihn jedoch nicht davon entbinde, seiner „Verantwortung als leitender Kirchenmann und als sozialistischer Staatsbürger“ gerecht zu werden und sich mit aller Kraft auf der März-Tagung für eine Berlin-brandenburgische Kirche in der DDR einzusetzen, die dem Buchstaben der mittlerweile zwei Jahre gültigen sozialistischen Verfassung nicht widerspreche.246 245 Mit diesem Interview und anderen Äußerungen in der Presse hatte Scharf insofern Schaden angerichtet, als die staatlichen Organe in der DDR ausgesprochen allergisch darauf reagierten und den jungen Kirchenbund erneut unter Druck setzten, v. a. die Intention von Art. 4 (4) mit einer unmissverständlichen Interpretation zu verdeutlichen („Ist die Einheit nur ein Mythos? Spiegel-Gespräch mit Berliner Bischof Kurt Scharf über die Ev. Kirche im geteilten Deutschland.“ In: DER SPIEGEL Nr. 52/69 vom 22.12.1969, S. 32ff. Auszugsweiser Abdruck in: KJ 1970 [97. Jg.], S. 252ff.) 246 Information Seigewasser vom 16.1.1970, S. 1, 2, 5 (SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/14/11, Bl. 116–120).

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Hammer setzte die Ratsmitglieder am 11./12. Februar detailliert über die Pläne der EKD-Kirchenkanzlei in Kenntnis, auf der regionalen Synodaltagung in Stuttgart die Erklärung von Synode und Kirchenkonferenz der EKD zur Bundesgründung und der Rechtslage in der EKD247 sowie ein „Kirchengesetz über die Verteilung der von den Gliedkirchen zu wählenden Mitglieder der Synode der EKD“248 der erstgenannten Erklärung gemäß einzubringen und zu beschließen. Ferner werde vorgeschlagen, die vier ausgefallenen DDR-Mitglieder des Rates durch die Nachwahl neuer Ratsmitglieder zu ersetzen.249 Am zweiten Sitzungstag kamen die Mitglieder des Synodenpräsidiums zur gemeinsamen Tagung mit dem Rat in die Kirchenkanzlei. Hammer erörterte den Anwesenden, dass der Rat sich aus taktischen Gründen dagegen entschlossen habe, noch im Herbst des Jahres 1969 die Synode einzuberufen. Man habe „eine gewisse Klärung der Entwicklung in der DDR nach der Gründung des Kirchenbundes“ erst abwarten wollen, um nicht jeglichen Verdachtsmomenten Vorschub zu leisten, der Westen versuche eine wie immer geartete Einflussnahme oder bedränge die Kirchen in der DDR.250 Unter den mittlerweile veränderten Vorzeichen müsse die Regionalsynode in der Bundesrepublik einige, für den künftigen Weg der EKD wichtige Entscheidungen treffen. In diesem Zusammenhang nannte Hammer die vorgesehene „Erklärung“ von Kirchenkonferenz und Synode: In möglichst enger Anlehnung an Art. 4 (4) der Ordnung des Bundes wolle sich nun die West-EKD zur „Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der deutschen ev. Christenheit“ bekennen und die sich daraus ergebenden Aufgaben „für ihren Bereich in freier Partnerschaft mit dem Bund“ wahrnehmen. Aus juristischer Sicht sei es notwendig, zum Ausdruck zu bringen, dass die regionale Tagung (West) der EKD-Synode endgültig als „Synode der EKD“ gemäß

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Spätere Synoden-Vorlage 2 a: Erklärung der Synode und der Kirchenkonferenz der EKD zur Bundesgründung und zur Rechtslage innerhalb der EKD. Abdruck des Entwurfs und der in Stuttgart verabschiedeten Fassung vom 15.5.1970 in: „Bericht“ über „Stuttgart 1970“, S. 272f. bzw. 287f. Auch in: KJ 1970 (97. Jg.), S. 15f. Die mündliche Begründung, die der Synode zum Entwurf der Erklärung gegeben wurde, ist auszugsweise angedruckt EBD., S. 12–15, sowie vollständig in „Bericht“ über „Stuttgart 1970“, 276–282. 248 Synoden-Vorlage 2 b: Kirchengesetz über die Verteilung der von den Gliedkirchen zu wählenden Mitglieder der Synode der EKD. Abdruck des Entwurfs und der in Stuttgart verabschiedeten Fassung vom 15.5.1970 in: „Bericht“ über „Stuttgart 1970“, S. 274f. bzw. 288f. 249 Niederschrift (Niemeier) über die 36. Sitzung des Rates der EKD am 11./12.2.1970 in Hannover, S. 3 (EZA, 2/93/754). 250 So war der Rat auch den „nachdrücklichen Vorstellungen und Bitten aus dem Bereich der östlichen Gliedkirchen“ nachgekommen, „nicht Berlin als Tagungsort für die nächste EKD-Synode ins Auge zu fassen“, wie die Kirchenkanzlei der EKD den Mitgliedern des Rates der EKD in der BRD und West-Berlin und denen des Präsidiums der EKD-Synode mitteilte (Schreiben [Nordmann] vom 6.8.1969, S. 1 [EZA, 2/93/167]).

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der EKD-Grundordnung alle entsprechenden Funktionen ausübe.251 Auf dieser rechtlichen Basis könne die EKD die für ihre weitere Entwicklung erforderlichen Veränderungen an der Grundordnung vornehmen, was bis zu diesem Zeitpunkt „mit Rücksicht auf die Lage in der DDR“ habe zurückgestellt werden müssen.252 Bei der laufenden Vorbereitung der EKD-Synode setzte sich der Rat der EKD auf seiner Sitzung vom 20. bis 23. April mit dem schriftlich angekündigten Rücktritt von Präses Puttfarcken auseinander. Aus dem von Scharf verlesenen Brief vom 10. April ging hervor, dass der Präses „mit sofortiger Wirkung“ nicht nur von seinem Amt als Präses zurücktrete, sondern auch sein Ratsmandat niederlege, „weil er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne, als Präses der Synode die Verhandlungen über die Ratsvorlage Nr. 2 a 253 zu leiten, die er rechtlich nicht für vertretbar halte“.254 Puttfarckens Einwand richtete sich gegen die Tatsache, dass die Synode der EKD nicht mehr handlungsfähig sei, „wenn sie sich als Synode der EKD nach Maßgabe der Grundordnung“ verstünde, wie es in der Vorlage zum Ausdruck kam. In diesem Fall sei die Synode nämlich laut Art. 26 (2) der EKD-GO mit der Anwesenheit von weniger als zwei Drittel ihrer Mitglieder „nicht beschlußfähig“.255 Die Mitglieder des Rates entschieden nach 251 Den von Hammer auf der Januar-Ratssitzung eingebrachte Vorschlag für die „Erklärung“, in den ein spiegelbildlich zu Art. 4 (4) formulierter Absatz eingefügt war, hatte die Kirchenkanzlei schon verworfen und in einer – mit Blick auf die SED-Organe – zurückhaltenderen Weise gestaltet: Das einleitende Bekenntnis zur „besonderen Gemeinschaft“ war gestrichen, und es wurde von der Mitverantwortung für die Gemeinschaft und den sich daraus ergebenden Aufgaben gesprochen, die nur im Bereich der westlichen Gliedkirchen in der Bundesrepublik und West-Berlin wahrgenommen würden (Entwurf einer Vorlage für die regionale Tagung der EKD-Synode in Stuttgart für die Ratssitzung am 11./12.2.1970 [o. D.], S. 2 [EZA, 2/93/754]). – Der Rat lehnte auch diese neue Vorlage als missverständlich ab, so dass die oben auszugsweise zitierte Formulierung verabschiedet wurde, die auch die Zustimmung des KKL-Vorstands fand und im Mai 1970 in Stuttgart als Vorlage 2 a von der Synode diskutiert wurde. 252 Niederschrift (von Harling) über die gemeinsame Sitzung des Rates und des Präsidiums der Synode der EKD am 12.2.1970 in Hannover, S. 2, 3 (EZA, 2/93/754). 253 Erklärung der Synode und der Kirchenkonferenz der EKD zur Bundesgründung und zur Rechtslage innerhalb der EKD. Abdruck des Entwurfs und der in Stuttgart verabschiedeten Fassung vom 15.5.1970 in: „Bericht“ über „Stuttgart 1970“, S. 272f. bzw. 287f. Auch in: KJ 1970 (97. Jg.), S. 15f. Die mündliche Begründung, die der Synode zum Entwurf der Erklärung vorgetragen wurde, ist auszugsweise angedruckt EBD., S. 12–15; die rechtliche Begründung zu beiden Vorlagen findet sich vollständig in: „Bericht“ über „Stuttgart 1970“, S. 276–282. 254 Niederschrift (Dibelius) über die 38. Sitzung des Rates der EKD vom 20.–23.4.1970 in Bonn, S. 3f. (EZA, 2/93/756). 255 Niederschrift (Lingner) über die 37. Sitzung des Rates der EKD vom 18.–19.3.1970 in Berlin, S. 6 (EZA, 2/93/755). – Es hieß wörtlich: „Die regionale Tagung (West) nimmt nunmehr die Aufgaben und Befugnisse der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland nach Maßgabe der Grundordnung für den Bereich der Bundesrepublik und Berlin (West) wahr.“ Verabschiedet wurde dann am 15.5.1970 in Stuttgart eine Fassung, in die vermutlich Puttfarckens Bedenken eingeflossen waren, aber

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einer ausführlichen Debatte, dennoch an der kritisierten Vorlage festzuhalten. Im Zusammenhang mit beiden Ratsvorlagen (2 a und 2 b256) war der Rücktritt Puttfarckens ebenfalls Thema der Kirchenkonferenz am 23. April. Scharf teilte zunächst mit, dass die Regionalsynode (Ost) der Berlin-brandenburgischen Kirche auf ihrer Tagung wegweisende Beschlüsse gefasst habe, die allerdings noch vom Westbereich angenommen werden müssten. Mit den Beschlüssen werde nicht etwa die Kirche in Berlin-Brandenburg endgültig geteilt, sondern „die Freigabe von Grundsatzentscheidungen für die beiden regionalen Synoden“ erreicht. Zuletzt informierte Scharf die Anwesenden über die Amtsniederlegung des Präses der EKD-Synode, woraufhin Weeber die dafür ausschlaggebende Vorlage Nr. 2 a und Vorlage 2 b des Rates sowie die dazugehörigen rechtlichen Begründungen näher erläuterte. Im Rahmen einer Debatte wurde betont, dass der Synode eine Entscheidung ausschließlich über die Vorlagen, nicht jedoch über die Begründungen zukomme. Gleiches gelte für die „förmliche Stellungnahme“ der Kirchenkonferenz. Während die Mitglieder der Kirchenkonferenz Vorlage 2 a ihre volle Zustimmung erteilten, wurde Vorlage 2 b nur „unter Vorbehalt“ akzeptiert.257 Vor der von allen Seiten mit Spannung erwarteten regionalen Synodaltagung (West) der EKD in Stuttgart (10.–15. Mai 1970), die im Vorfeld wegen der zu treffenden umfassenden theologischen und kirchenorganisatorischen Grundsatzentscheidungen als „Planungssynode“258 charakterisiert worden war, fand eine „vertrauliche, brüderliche Aussprache“ der Synodalen statt, über die kein Proto-

sicherlich auch dem Bund eher entsprochen wurde: „Die regionale Tagung (West) erklärt sich damit zur Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und nimmt ihre Aufgaben und Befugnisse nach Maßgabe des geltenden Rechts für den Bereich der Bundesrepublik und Berlin (West) wahr.“ Jedoch war das „nimmt nunmehr wahr“ weggefallen, mit dem verhalten, vielleicht auch unabsichtlich zum Ausdruck gekommen war, dass der „quasi-revolutionäre Akt“ der Bundesgründung der eigentliche Auslöser für alle vom Rat eingeleiteten Maßnahmen war. Begründet wurde diese Umformulierung allerdings damit, dass „nimmt nunmehr wahr […] immer noch bedeuten [könne], daß irgendwo noch etwas von der Wahrnehmung fremder Interessen stecke“, „erklärt sich zur Synode“ demnach „präziser und exakter das Gewollte sagt“ (Vgl. „Bericht“ über „Stuttgart 1970“, S. 234). 256 Vorlage 2 b: Kirchengesetz über die Verteilung der von den Gliedkirchen zu wählenden Mitglieder der Synode der EKD. Abdruck des Entwurfs und der in Stuttgart verabschiedeten Fassung vom 15.5.1970 in: „Bericht“ über „Stuttgart 1970“, S. 274f. bzw. 288f. 257 Niederschrift (von Harling) über die Tagung der Kirchenkonferenz am 23.4.1970 in Bonn, S. 2, 3 (EZA, 2/93/679). – Um welchen „Vorbehalt“ es sich hier handelte, ist im Protokoll nicht vermerkt, aber die Kirchenkonferenz wollte vermutlich abwarten, welche Veränderungen an dieser Vorlage (möglicherweise verbunden mit einer Änderung der EKD-GO) auf der Synodaltagung vorgenommen würden. 258 So äußerte z. B. E. Wilkens in der Ausgabe der FRANKFURTER RUNDSCHAU vom 12.5.1970, diese „Planungssynode“ sei die „schwierigste, bedeutsamste Kirchentagung seit der verfassungsgebenden Kirchenversammlung von 1948“.

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koll angefertigt wurde.259 Es ist jedoch anzunehmen, dass es dabei u. a. um die Bundesordnungsartikel 4 (4) betreffende Passage in der zu verabschiedenden „Erklärung“ von Synode und Kirchenkonferenz ging, zumal gerade seitens der Synodalen immer wieder der Wunsch geäußert worden war, das Bekenntnis zur „besonderen Gemeinschaft der evangelischen Christenheit in Deutschland“ spiegelbildlich zum Ausdruck zu bringen – und diese Forderung wurde in Stuttgart nicht mehr in aller Konsequenz aufgestellt. Allerdings sollte die Vorlage (2 a) des Rates doch leicht verändert werden. Scharf erstattete in Vertretung den Rechenschaftsbericht an die Synode. Im Rahmen einer Rückschau auf die Gründe für die erzwungene Aufspaltung der EKD und einem Ausblick auf die nun nötigen Folgeentscheidungen deutete Scharf mit dem Hinweis auf den eigenen Weg der EKD an, dass im Blick auf die zukünftigen Verbindungen zwischen den Kirchen in Ost und West tatsächlich etwas Neues, Besonderes angestrebt werden musste, wenn auch unter ausdrücklicher Wahrung der „besonderen Gemeinschaft“. Sorgfältig begründete der Einbringer Weeber dann den Entwurf der Erklärung von Synode und Kirchenkonferenz zur Bundesgründung und zur Rechtslage innerhalb der EKD.260 Im Plenum, den Synodenausschüssen und in der Kirchenkonferenz wurde der Entwurf ausführlich diskutiert und nach zwei Abstimmungen261 verabschiedet. Es hieß darin unter Bezugnahme auf die Ratserklärung vom 26. September 1969, dass Synode und Kirchenkonferenz die von den östlichen Gliedkirchen „getroffenen Entscheidungen“ „respektierten“, die Grundordnung der EKD für den Bereich Bundesrepublik und West-Berlin fortgelte262 und die regionale Tagung (West) sich damit zur Synode der EKD erkläre, die „ihre Aufgaben und Befugnisse nach Maßgabe des geltenden Rechts“ für das Gebiet der Bundesrepublik und West-Berlins wahrnehme. Die in den letzten Absatz aufgenommene, Art. 4 (4) der Bundesordnung entsprechende Aussage, war ursprünglich in der Vorlage (2 a) – um die Bitte der östlichen Brüder zu

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Dass diese Aussprache geführt worden ist, geht lediglich aus dem Wortbeitrag eines Synodalen – im Rahmen der Aussprache über den Ratsbericht – hervor („Bericht“ über „Stuttgart 1970“, S. 54). 260 Die von Weeber vorgetragene mündliche Begründung zu der Erklärung ist in Auszügen abgedruckt in: KJ 1970 (97. Jg.), S. 12–15, vollständig in: „Bericht“ über „Stuttgart 1970“, S. 80–85. 261 Nach der 1. Lesung der Vorlage 2 a am 14.5. hatte es noch vier Gegenstimmen und drei Enthaltungen gegeben, die Verabschiedung nach der 2. Lesung am 15.5. erfolgte mit zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung. Die Kirchenkonferenz stimmte der beschlossenen „Erklärung“ am 15.5. einstimmig zu. 262 Auch über die Frage, ob die EKD in der veränderten Situation eine Namensänderung vornehmen müsse, wie von den östlichen Brüdern mehrfach angeregt und gewünscht worden war, wurde ja bereits länger diskutiert. In der von ihrer am 15.5. verabschiedeten „Entschließung“ zum künftigen Weg der EKD erteilte die Synode dem einzusetzenden Ausschuss für Struktur- und Verfassungsfragen u. a. auch den Arbeitsauftrag, „vorzuschlagen, welchen Namen die Evangelische Kirche in Deutschland künftig tragen soll“.

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erfüllen, dem Staat möglichst keine Angriffsfläche hinsichtlich des Festhaltens an der Einheit mit der EKD zu bieten – so formuliert worden: „Synode, Kirchenkonferenz und Rat bekennen sich zur Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit 263 und nehmen die Aufgaben, die sich daraus ergeben, für ihren Bereich in freier Partnerschaft mit dem Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik wahr.“

Die am 15. Mai 1970 verabschiedete Fassung lautete hingegen: „Synode, Kirchenkonferenz und Rat bekennen sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. In der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft nehmen sie die Aufgaben, die sich daraus ergeben, für ihren Bereich in freier Partnerschaft mit dem Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik wahr.“

Damit war an sich eine recht geschickte Möglichkeit gefunden worden, sich einerseits – mit einer politisch weitgehend unauffälligen Formulierung – zur besonderen Gemeinschaft zu bekennen und gleichzeitig mit dem nun abgetrennten zweiten Satz die Verbundenheit mit dem BEK in der DDR, die Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft, inklusive der Wahrnahme der damit verbundenen (auch gemeinsamen) Aufgaben auszudrücken.264 Dass die Umsetzung dieser Überlegungen dennoch den Unmut der SED-Organe wecken sollte, war nicht zwingend vorauszusehen gewesen, jedoch auch nicht sehr überraschend. Derartige Feinheiten nahm der ohnehin beim Thema EKD dauergereizte Staat nicht in erhoffter Weise wahr.265 Mit der Verabschiedung der Vorlage 263 An dieser Stelle war der Bezug zur „bestehenden Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit“, wie es in der Grundordnung der EKD von 1948 (Art. 1, Abs. 2) hieß, hergestellt, was von aufmerksamen Staatsvertretern möglicherweise als deutlich provozierend hätte interpretiert werden können. Auf diese Bezugnahme wurde nur in der „Rechtlichen Begründung“ zu den Entwürfen der „Erklärung“ (Vorlage 2 a) und „Kirchengesetz“ (Vorlage 2 b) hingewiesen. Abdruck in: „Bericht“ über „Stuttgart 1970“, S. 276–282; hier S. 277. 264 Wie auf der Synode berichtet wurde, hatte der Rechtsausschuss der Synode „im Interesse der Klarheit und auch um Mißdeutungen möglichst auszuschließen“, den „Wortlaut noch enger“ an den von Art. 4 (4) der BO angepasst. Ferner wurde hinsichtlich der Unterschriften unter der Erklärung angeregt, nicht wie in der Vorlage vorgesehen, neben dem Synodenpräses den „Stellvertretenden Ratsvorsitzenden als Vorsitzender der Kirchenkonferenz“, sondern als „Stellvertretenden Ratsvorsitzenden zugleich als Vorsitzender der Kirchenkonferenz“ unterzeichnen zu lassen, um damit die „besondere Bedeutung“ der Erklärung zu unterstreichen. Dieser Vorschlag wurde auch angenommen („Bericht“ über „Stuttgart 1970“, S. 170; Hervorhebungen durch A. S.). 265 Tatsächlich war von der Kirchenabteilung des MfS am 28.5.1969 eine „Information“ über die EKD-Synode angefertigt worden, der in der Anlage sogar die Entwürfe der Vorlagen 2 a und b beigefügt waren, ohne dass die Formulierungsänderungen weiter kommentiert waren. Hingegen hatte die HA XX/4 eine Analyse von Berufs- und Bildungsstand der Synodalen in die Information aufgenommen (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1251, Bl. 341–361, 362–376 [Anlagen]).

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2 b, also des „Kirchengesetzes“, wurde die notwendige Konsequenz aus dieser Grundsatzentscheidung gezogen, die es ermöglichte, die durch den Austritt der ostdeutschen Landeskirchen aus der EKD bis auf die Beschlussunfähigkeit266 dezimierte EKD-Synode – nun erklärtermaßen Synode in der Bundesrepublik und Berlin (West) – aufzufüllen. Um entsprechende Ergänzungswahlen durchzuführen, musste wiederum erst die Sitzverteilung in der Synode auf die einzelnen Gliedkirchen durch ein Kirchengesetz neu geregelt werden, also nach Austritt der DDR-Gliedkirchen auf die Kirchen im Bereich der Bundesrepublik und West-Berlin umverteilt und die dahinterstehenden rechtlichen Fragen der EKD-Grundordnung gemäß geklärt werden.267 Kurzfristig war auch erwogen worden, mit einer „Politik der leeren Plätze“ die Trennung der beiden Kirchen zu demonstrieren, was aber bei den östlichen Brüdern als überflüssige Provokation des Staates nicht auf Zustimmung gestoßen wäre und im Übrigen das Problem der Beschlussunfähigkeit der Synode nicht gelöst hätte.268 Während sich bei der Abstimmung über das Kirchengesetz nach der ersten Lesung ein Synodaler der Stimme enthielt, wurde es nach der 2. Lesung einstimmig angenommen. Der erste Schritt auf dem nun ausdrücklich geebneten Weg für eine Struktur- und Verfassungsreform der EKD wurde mit einer „Entschließung“ getan, die der für diese Fragen eingesetzte Synodenausschuss vorgelegt hatte.269 Die in der vorherigen Aussprache umstrittene Zielbeschreibung, die „Gemeinschaft des Zeugnisses und Dienstes unserer bekenntnisbestimmten Kirchen“ statt in dem be266 Beschlüsse konnten laut EKD-GO nur mit den Stimmen von mindestens 2/3 der insgesamt 120 Synodalen (davon 100 durch die synodalen Organe der Gliedkirchen gewählt, 20 vom Rat der EKD berufen) gefasst werden. Jedoch hatte die Synode der EKD derzeit nur noch 78 stimmberechtigte Mitglieder. 267 Da in der GO der EKD nur die Gesamtzahl der Synode, nicht jedoch die Aufschlüsselung nach Landeskirchen festgeschrieben war, bestand keine Notwendigkeit, die GO zu ändern, um die freigewordenen Plätze auf die westlichen Landeskirchen zu verteilen. 268 Z. B. hatten die Vertreter des KKL-Vorstands auf der Sitzung der gemeinsamen Beratergruppe am 27.4.1970 darum gebeten, dass die EKD-Synode auf ihrer Tagung Ergänzungswahlen durchführen möge, um die Verhältnisse zu klären (Protokoll [Lingner] über die Sitzung des Vorstands der KKL und der vom Rat der EKD entsandten Gruppe am 27.4.1970 [Berlin-Gruppe], S. 4 [EZA BERLIN, 4/293]). – Was die Ergänzung des Rates der EKD anbelangte, der ja ebenfalls um die vier östlichen Mitglieder sowie durch einen Todesfall und die Mandatsniederlegung Puttfarckens verkleinert war, bezeichnete es ein Synodaler als nicht „opportun“, ihn gleich in Stuttgart „auf seine Vollzahl“ nachzuwählen: „Ist es nicht zu früh und sollten wir auf dieser ersten Tagung nicht ein Zeichen der Verbundenheit und ein Zeichen der Trauer dadurch sichtbar machen, daß wir zumindest einige Stühle leer lassen?“ Es wurden zwei – allerdings ganz unterschiedlich begründete – Anträge gestellt, denen die Synode nach längerer Diskussion zustimmte, den Rat nur auf 12 statt auf 15 Mitglieder aufzufüllen („Bericht“ über „Stuttgart 1970“, S. 196. Vgl. zur gesamten Diskussion auch S. 197–202). 269 „Entschließung“ der Synode der EKD „zum künftigen Weg der Evangelischen Kirche in Deutschland“ vom 15.5.1970. Abdruck in: „Bericht“ über „Stuttgart 1970“, S. 290–292 sowie in: KJ 1970 (97. Jg.), S. 16f.

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stehenden „Kirchenbund“ in einer „Bundeskirche“ zu intensivieren, drohte die Verabschiedung der „Entschließung“ zu verhindern, da einige Synodale befürchteten, hinter dem so bezeichneten Modell verberge sich eine stark zentralisierte „Superkirche“, die die Gemeinden ersticke. Letztlich empfanden es die Kritiker als ausreichend, dass dem Begriff „Bundeskirche“ durch Einklammerung ein vorläufiger, flexibler Status verliehen wurde, und das Papier wurde einstimmig angenommen.270 In dem Grußtelegramm, das Schönherr und Braecklein nach Stuttgart geschickt hatten, hieß es: „Die Gemeinschaft miteinander wird gerade dadurch gekennzeichnet, daß wir nicht aus uns selbst heraus gerecht und selig sind. Nicht durch das, was wir sind, sondern durch das, was wir nicht sind, konstituiert sich diese Gemeinschaft. Als die Armen im Geiste werden wir die rechte Sprache finden, die uns in der Liebe zusammenschließt.“

Der nach dem Rücktritt von Puttfarcken zum neuen Präses gewählte Raiser antwortete am 15. Mai für die EKD-Synode: Im Namen „der in Stuttgart versammelten Synode danke ich für Ihre Grüße und erwidere sie herzlich. Wir halten in freier Partnerschaft mit Ihnen an der Gemeinsamkeit des Dienstes und Auftrages unserer Kirchen fest. Wir wissen uns mit Ihnen in der Gemeinschaft der Armen, denen verheißen ist, daß Gottes Geist in ihnen mächtig werden will“.271 In unmittelbarem Anschluss an die Tagung der EKD-Synode fand in Stuttgart eine Sitzung des Rates statt, auf der die Übereinstimmung mit der soeben von der Synode beschlossenen Fassung der „Erklärung“ zur Bundesgründung und der rechtlichen Situation in der EKD festgestellt wurde.272 Auch die Kirchenkonferenz stimmte am gleichen Tag sowohl der Erklärung (Vorlage 2 a) als auch dem Gesetz (Vorlage 2 b) zu und schloss die Bitte an den Rat an, für den Struktur- und Verfassungsausschuss der Synode sogleich die entsprechenden Nominierungsvorschläge zu unterbreiten.273 270 Ein Synodaler hatte in diesem Kontext angeregt, statt „Bundeskirche“ doch die Bezeichnung „Kirchenbund“ in die Entschließung aufzunehmen, die auch der Bund in der DDR gewählt habe. So könne die „Gemeinsamkeit“ betont werden, „in der wir immer noch stehen, wenn wir uns denselben Namen hier zu eigen machen würden. Es gibt dann eben zwei Kirchen deutscher Zunge, das eine ist der Kirchenbund drüben und das andere ist der Kirchenbund hier“ („Bericht“ über „Stuttgart 1970“, S. 185). 271 Beide Telegramme (vom 11.5. und vom 15.5.1970) stammen aus: EZA, 2/93/1493. 272 Niederschrift (Hammer) über die 40. Sitzung des Rates der EKD am 15.5.1970 in Stuttgart, S. 1 (EZA, 2/93/757). 273 Niederschrift (Hammer) über die Sitzung der Kirchenkonferenz am 15.5.1970 in Stuttgart (EZA, 2/93/680). – Lingner hatte den Kirchenbund sogleich über Verlauf und Ergebnisse der Synodaltagung informiert, wie aus einem Vermerk Behms vom 20.5.1970 (EZA, 102/67) hervorgeht, während eine offizielle Mitteilung über die „Erklärung“ der EKD-Synode erst später erfolgte. – Eine sehr ausführ-

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Am 10. Juni kam es zu einem Treffen des KKL-Vorsitzenden Schönherr und des Leiters des Sekretariats des DDR-Kirchenbundes, Stolpe, mit Staatssekretär Seigewasser und Hauptabteilungsleiter Weise. Allerdings beschränkte sich die Unterredung, abgesehen von der wie üblich eingangs vorgetragenen Grundsatzkritik, überwiegend auf ökumenische Fragen, während ein offizielles Gespräch des Vorstands der KKL mit dem Staatssekretär von staatlicher Seite weiterhin abgelehnt wurde. Diese „zurückhaltende“ staatliche Haltung weist einmal mehr darauf hin, dass die DDR-Führung primär das Ziel verfolgte, den Bund beim Auf- und Ausbau einer Infrastruktur in der Ökumene nicht zu behindern, sondern zu benutzen, um der eigenen Anerkennung im internationalen Raum schrittweise näher zu rücken.274 Seigewasser begründete die staatliche Weigerung, offizielle Beziehungen zum Bund aufzunehmen geschweige denn ihn anzuerkennen, mit der mangelnden Bereitschaft der Berlin-brandenburgischen Kirche und der EKU, sich von ihren Westbereichen zu lösen. Die Äußerungen Bischof Fränkels und ebenso die Hamels auf der EKU-Synode in Magdeburg 275 bezeichnete er als „sehr massiv“ und von der gleichen inhaltlichen Tendenz wie die Entscheidungen der EKD-Synode (West) in Stuttgart. Als zusätzlichen Affront wertete der Staatssekretär, dass die westliche Regionalsynode der EKU liche und umfangreiche „Information Nr. 6/70“ über die Tagung der EKD-Synode, in der u. a. diverse Äußerungen von Vertretern der EKD in der westlichen Presse zitiert wurden, präsentierte Seigewassers Dienststelle erst am 7.7.1970 (SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/14/26, Bl. 95–108). 274 Welches große Potential der Staat in den kirchlichen ökumenischen Verbindungen in Bezug auf die Verwirklichung der eigenen außenpolitischen Interessen sah, zeigt u. a. der auf einer Dienstbesprechung bei Seigewasser eine gute Woche zuvor ins Auge gefasste Plan, von der Rechtsabteilung „Grundsatzmaterial“ zu der Frage erarbeiten zulassen, wie die DDR-Kirchen nach der Trennung von der EKD ihren finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Ökumene ohne Valuta nachkommen können, die bisher von der EKD beglichen wurden: „1. Was ergäbe sich, wenn der gegenwärtige Zustand der finanziellen Abhängigkeit der DDR-Kirchen von der EKD nicht beseitigt werden sollte? 2. Was ergäbe sich, wenn der gegenwärtige Zustand beendet wird und die DDR-Kirchen ihre finanziellen ökumenischen Beiträge selbst aufbringen müssen? Könnte einer Kompensation der Leistungen der DDR-Kirchen durch die verstärkte Verlagerung von Ökumene-Veranstaltungen in die DDR zu Lasten der DDR-Kirchen zugestimmt werden? Warum nicht? 3. Welche Möglichkeiten gibt es für den Staat, Valuta-Mittel auf Abruf zur Verfügung zu halten, ohne daß damit der Valutahaushalt in Anspruch genommen wird? (Überprüfung des sogenannten Valuta-Abkommens unter diesem Aspekt).“ Pabst sollte zu einer Unterredung über das Thema „finanzielle Absicherung der ökumenischen Verpflichtungen der DDR-Kirchen“ einbestellt werden. Der Vorschlag, sich „eine Übersicht über die kirchlichen Gesamteinnahmen zu verschaffen“, wurde mangels sich bietender Möglichkeiten verworfen (Protokoll [Rogowski] über Dienstbesprechung beim Staatssekretär am 1.6.1970, S. 8f. [BArch BERLIN, DO 4 STS f. Kirchenfragen Nr. 401]). 275 Vgl. dazu den Bericht des EKU-Ratsvorsitzenden Bischof Fränkel vor der EKU-Synode (22.–24.5.1970) in: KJ 1970 (97. Jg.), S. 273–276. Siehe auch die „Information“ der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen vom 18.6.1970 über die Synodaltagung, in der v. a. Hamel staatlicherseits stark kritisiert und dem Kreis von Kirchenvertretern zugeordnet wurde, gegen die vorgegangen werden müsse (Dok. 22 bei F. H ARTWEG [Hg.], SED, Bd. 2.2, S. 125–128).

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gerade West-Berlin als Tagungsort gewählt habe. All dies, gebündelt in dem nach Wunsch umdeutbaren Art. 4 (4) der Bundesordnung, trage nur dazu bei, die „positiven Ansätze“ der Bundesgründung zunichte zu machen. Durch den „revolutionären Akt“ der Bildung des BEK sei eine veränderte kirchenpolitische Situation entstanden. Doch der Vielfalt der Interpretationsmöglichkeiten des Bundes hätte nur eine deutlich formulierte Präambel seiner Ordnung einen Riegel vorschieben können. Der „sozialistische deutsche Staat“ nehme auch die Interessen der Kirchen wahr. Demzufolge könne es keinen „dritten Weg“ geben. Wer ihn vertrete, „vertrete objektiv die Konterrevolution“. „Die DDR sei kein Provisorium und es gebe keine Wiedervereinigung mit einem spätkapitalistischen Staat. Das müsse auch Bischof Fränkel begreifen.“ Schönherr verteidigte Fränkel, der – auch wenn er in der Frage der EKU naturgemäß anderer Meinung sei – ganz und gar hinter der Bundesgründung stünde. Abgesehen davon sei die „Haltung der Organe des Bundes doch eindeutig“.276 Im Rahmen einer Beratung der leitenden Juristen aus den EKD-Gliedkirchen am 24. Juni vertrat Hammer die Überzeugung, dass die Erklärung von Synode und Kirchenkonferenz der EKD zur Bundesgründung und zur Rechtslage innerhalb der EKD eine klare Basis für die künftigen Ost-West-Beziehungen der Kirchen bilde. Die EKD sei verpflichtet, ihre Hilfe für die Gliedkirchen des BEK fortzusetzen. Mit der Unterstützung des Kirchenbundes werde ein Beitrag zur Verkündigung des Evangeliums in der DDR geleistet. Und dafür trage die EKD eine Mitverantwortung im Sinne der „besonderen Gemeinschaft der evangelischen Christenheit in Deutschland“. In eigener Sache der EKD betonte Hammer, dass die Kirchenkonferenz bereits auf ihrer Sitzung in zwei Wochen acht Beauftragte aus ihrer Mitte277 in den von der Synode eingesetzten Ausschuss für Struktur- und Verfassungsaufgaben wählen müsse, damit dieser sich am besten noch vor der Sommerpause zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenfinden könne. Hammer informierte die Juristen in diesem Zusammenhang vom Ratsbeschluss, Lingner aus der Kirchenkanzlei der EKU als hauptamtlichen Referenten in die Berliner Stelle der EKD-Kirchenkanzlei zu übernehmen und ihn nicht nur mit den sich aus Art. 4 (4) ergebenden Aufgaben, sondern auch mit der Geschäftsführung des Ausschusses zu betrauen. Sinn dieser Maßnahme sei nicht zuletzt, die Berliner Stelle derart auszubauen, dass dort auch „zusätzliche Aufgaben im gesamtkirchlichen Interesse“ übernommen werden könnten.278

276

„Vertraulicher Vermerk“ Stolpe vom 18.6.1970, S. 2 (EZA, 102/375). Neben den acht Beauftragten der Kirchenkonferenz sollte der Ausschuss mit 16 Synodalen besetzt werden. 278 Niederschrift (Nuyken) über Besprechung der leitenden Juristen aus den Gliedkirchen am 24.6.1970 in der Kirchenkanzlei in Hannover, S. 1 (EZA, 2/93/268). 277

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Nicht ungeplant, jedoch – ausgelöst durch Scharfs „unverschämte provokatorische Ausführungen“ auf der westlichen Regionaltagung der EKU-Synode in Berlin (West) 279, „nach denen die ‚Einheit der EKD‘ auch in organisatorischen Formen“ weiterbestünde – mit verstärkter Motivation geführt, kam es kurz vor Beginn der Synodaltagung des BEK zu einer Unterredung Seigewassers, Weises und Wilkes mit Schönherr und Stolpe zur „Vorbereitung der Bundessynode“. Der Staatssekretär verlangte von Schönherr, bei der Synodaltagung Scharfs Einmischung in die „kirchlichen Angelegenheiten der DDR“ unter namentlicher Nennung öffentlich zurückzuweisen. Sollte eine derartige Erklärung nicht abgegeben werden, verweigere der Staat alle weiteren Gespräche mit Kirchenvertretern über den Kirchenbund, der sich nicht „in einen luftleeren Raum stellen“ und die DDR-Verfassung missachten könne.280 Seigewasser hob unter Hinweis auf den Artikel Kinds in der Neuen Zeit hervor, dass der Verfasser immerhin nicht nur Politiker (der CDU), sondern DDR-Staatsratsmitglied sei, und die Bundessynode seinen Äußerungen Beachtung schenken müsse. Bei der Tagung der BEK-Synode müssten „jetzt“ Art. 4 (4) geklärt, jegliche „Spekulationen verhindert“ und „notwendigerweise in einer Präambel die Position der Kirchen in der DDR“ eindeutig dargelegt werden. Wie Hans Wilke in seiner Information vermerkte, habe Schönherr mit Bestürzung auf die zitierten Ausführungen Scharfs reagiert:

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Die regionale Tagung hatte vom 13.–16.6.1970 stattgefunden. Auch IM „Ingo“ wurde während der laufenden Synode instruiert, sich für „die Erarbeitung einer Stellungnahme der Synode“ einzusetzen, die sich namentlich gegen Scharfs „reaktionäre Versuche der Einflußnahme“, zugleich jedoch gegen die „reaktionäre Interpretation des Artikels 4.4“ durch weitere „Vertreter der ‚EKD‘ […] in der Presse“ verwehre. Die Vertreter des MfS bezeichneten es gegenüber „Ingo“ allerdings nur als „sehr betrüblich“ für die weitere Entwicklung des Bundes und des Staat-Kirche-Verhältnisses, wenn die Bundessynode dazu schweige. „Ingo“ stimmte dem in jeder Hinsicht zu, doch sehe er im Blick auf Scharf kaum Erfolgschancen, da viele Kirchenvertreter „durch persönliche und berufliche Kontakte aus der Vergangenheit eng mit Scharf verbunden“ seien. Er kündigte an, seinen Einfluss auf die Arbeit des Berichtsausschusses konzentrieren zu wollen, „um zu erreichen, daß die Synode eine klare Stellung zu den Fragen der organisatorischen und institutionellen Selbständigkeit, der Zurückweisung jeglicher Einmischungsversuche durch die ‚EKD‘ und ihre Vertreter sowie die weitere Entwicklung des Bundes in der sozialistischen Gesellschaft abgibt“ [sic]. Ferner habe „Ingo“ grundsätzlich überlegt, nach seiner Wahl zum Landesbischof sein Amt als Präses der Synode aufzugeben, sich jedoch dagegen entschieden, „um die progressive Entwicklung seiner Landeskirche durch sein persönliches Wirken auf die Tätigkeit der anderen Landeskirchen und auf die Entwicklung des Bundes zu übertragen“. Er wolle den [Thüringer] Weg seines Amtsvorgängers weitergehen, von dessen Richtigkeit er von Anfang an überzeugt gewesen sei, obwohl die thüringische Kirche von den anderen Landeskirchen als „Verräter“ bezeichnet worden sei. Dennoch, so verdeutlichte „Ingo“ dem MfS, „möchte er von staatlicher Seite nicht in der Art und Weise herausgestellt werden wie Mitzenheim, damit er nicht von den anderen Kirchenführern isoliert wird“ (HA XX/4, Major Buhl, „Treffbericht“ vom 29.6.1970 über Unterredung mit IM „Ingo“ am 28.6.1970 im Interhotel Potsdam [BStU (ZA Berlin), MfS 24028/91, T. II, Bl. 76–80; hier Bl. 76ff.]). 280

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„Er war sichtlich schockiert und entrüstet über diese Tatsachen, die er noch nicht kannte. Er sprach davon, daß Scharf leider unbelehrbar sei. In seinem Bericht auf der Synode will er zum Ausdruck bringen, daß auf der Stuttgarter Synode der EKD die Namensfrage offengeblieben ist und damit eine Reihe von Grundfragen, die jetzt unmißverständlich gelöst werden müssen.“

Auf der Synodaltagung wolle er deutliche Worte finden. Da allerdings eine Änderung der Bundesordnung kaum zu erwarten sei, werde er sich für die Verabschiedung einer interpretierenden Synodenentschließung verwenden. Der Bischof legte Wert auf den Hinweis, „daß diese Einstellung ihm nicht erst durch den Staat nahegebracht werden müsse, daß er von sich aus reagieren wird“, zumal Scharfs Auslegung die „Bemühungen der Landeskirchen“ beispielsweise um eine Veränderung ihrer Grundordnungen „völlig verdrehe“. Seigewasser kam nicht umhin, nochmals zu betonen, dass die Kirchen in der DDR im Falle ihres Schweigens zu Scharfs Provokation mit gravierenden Konsequenzen zu rechnen hätten und drohte mit einem „Einfrieren“ der Staat-Kirche-Beziehungen. Das Verhältnis zwischen Bund und EKD könne „nur ökumenischen Charakter“ haben. Immerhin habe der Staat einen ersten Schritt in Richtung „sauberer und korrekter Beziehungen auf der Grundlage der Verfassung zwischen Staat und Kirche und umgekehrt“ getan, indem er dem stellvertretenden LWB-Generalsekretär die Teilnahme an der BEK-Tagung gestatte. Damit habe Schönherr – „auch in ökumenischer Sicht“ – eine „hohe Verantwortung“ zu tragen. Dieser habe zustimmend entgegnet: „Auch für ihn sind die Beziehungen zu den Kirchen in der BRD ökumenische Beziehungen ‚die uns allerdings ganz besonders naheliegen‘. Die Kontakte auf dem Boden des Bundes zu westdeutschen Kirchen gingen bisher um Fragen des Neuen Testaments, des Gesangbuches, der Mischehenfrage und der katholischen Kirche. Bisher haben die westdeutschen Kirchen ihm gegenüber noch nicht versucht, hereinzureden. Diese gravierende Erklärung von Scharf wirft völlig neue Fragen auf. Innerlich erregt erklärte er ‚wozu arbeitet man überhaupt noch‘.“

Zuletzt kam Stolpe dem Bischof insofern unterstützend zu Hilfe, als er die Staatsvertreter davon zu überzeugen suchte, dass eine Präzisierung von 4 (4) zweifelsfrei besser mittels einer Synodenerklärung zu gewährleisten sei, anstatt sich auf erneute Debatten über die Bundesordnung einzulassen.281 Tatsächlich hatte die staatliche „Kampagne“ impulsgebend gewirkt und dem Rechtsausschuss der Bundessynode einige Eingaben zur Bearbeitung beschert, die sich für eine „Überprüfung oder Interpretation“ von 4 (4) aussprachen. Allerdings kam der Ausschuss zu dem einstimmigen Ergebnis, dass angesichts des 281 „Information“ Wilke vom 26.6.1970 (BArch BERLIN, DO 4 STS f. Kirchenfragen Nr. 355, Bl. 25f.).

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Berichts der KKL und der beiden Erklärungen der Stuttgarter EKD-Synode eine Verhandlung im Plenum sich erübrige.282 Im Konferenzbericht war unter Berufung auf den Ratsbeschluss vom 26. September 1969 und den Beschluss der EKD-Synode im Mai 1970 bestätigt worden, dass „die nunmehr vorhandene organisatorische Trennung ebenso klar anerkannt [sei] wie die weiterbestehende, geistliche Gemeinschaft“. Es unterliege allein der Zuständigkeit der EKD, über ihre zukünftige Struktur und ihren Namen zu befinden. Dafür sei in Stuttgart eigens ein entsprechender Ausschuss gebildet worden, der der Synode der EKD auf ihrer nächsten Tagung über seine Arbeitsergebnisse Rechenschaft ablegen werde. Ebenso wie der Bund es für sich selbst anstrebe, wünsche man den Landeskirchen in der Bundesrepublik Erfolg bei ihrem Bemühen, „der vollen Kirchengemeinschaft ein erhebliches Stück näher“ zu kommen. Schönherr habe der Einladung zur EKD-Synode leider nicht Folge leisten können und daher zusammen mit Präses Braecklein nur ein Grußschreiben nach Stuttgart senden können. Mit der Annahme der Bundesordnung und der Konstituierung des BEK seien die Gliedkirchen auf dem Gebiet der DDR nicht mehr der EKD zugehörig. Dieser Situation Rechnung tragend, hätten die meisten Landessynoden mittlerweile ihre Verfassungen und Gesetze korrigiert.283 Artikel 4 (4) der Ordnung des BEK sei von der als „Regionalsynode West“ einberufenen Synode der EKD, deren Grundordnung nun für den Bereich der Bundesrepublik und West-Berlin gelte, sowie von Kirchenkonferenz und Rat in entsprechender Weise beantwortet worden.284 So hieß es dann auch in der Stellungnahme des Synodenausschusses zum Bericht der KKL, die mit 2 Enthaltungen angenommen wurde: „Im Blick auf das Verhältnis zu den Kirchen der EKD haben wir von der Erklärung der Synode in Stuttgart vom Mai 1970 Kenntnis genommen und sind wie die Konferenz der Auffassung, daß ‚die nunmehr vorhandene organisatorische Trennung ebenso klar anerkannt (ist) wie die weiterbestehende geistliche Gemeinschaft‘. Nach Meinung der Synode ist mit dieser Aussage des Konferenzberichtes die einzig legitime Interpretation des Artikels 4,4 der Bundesordnung gegeben. Wir weisen alle Versuche zurück, die bestehende geistliche Gemeinschaft zu entleeren oder sie so zu interpretieren, daß dadurch die organisatorisch-rechtliche und institutionelle Selbständigkeit des Bundes in Frage gestellt wird. Es ist allein Sache des Bundes, verbindliche Aussagen über Selbstverständnis und Auftrag des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR zu machen.“285

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Vorlage Nr. 6 des Rechtsauschusses der Synode (EZA, 102/39). Vorlage Nr. 4. KKL-Bericht an die Bundessynode, S. 9. Es wurde im Bericht der KKL darauf hingewiesen, dass die Kirche in Berlin-Brandenburg dies in Form einer Generalklausel geregelt habe (EZA, 102/40). 284 KKL-Bericht an die Synode (Vorlage Nr. 4), S. 3, 9 (EZA, 4/67). 285 Stellungnahme des Ausschusses der Synode zum KKL-Bericht (Vorlage Nr. 9), S. 2 (EZA, 4/67). 283

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Dass diese zurechtweisende Aussage der Bundessynode nicht in Richtung der westdeutschen Brüder gesprochen wurde, sondern für die Ohren des Staates bestimmt war, begriff die ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen durchaus, wenn auch offenbar mit einer kleinen Verzögerung. In einer von Barth persönlich gezeichneten „Information“ über den Tagungsverlauf wird die fast einstimmig erfolgte Verabschiedung dieser Erklärung des Berichtsausschusses stolz auf die staatliche Beeinflussungskampagne zurückgeführt – „besonders Pfarrer Natho und Pfarrer Günther“ hätten sich dafür eingesetzt – und dann beanstandet: „Die Inkonsequenz dieser Erklärung besteht darin, dass nicht klar gesagt ist, daß westdeutsche Kirchenführer den Artikel 4/4 im Sinne der Nichtanerkennung der organisatorischen, rechtlichen und institutionellen Selbständigkeit interpretieren.“286 In einer ebenfalls undatierten, aber mit großer Wahrscheinlichkeit später entstandenen „Information“, heißt es demgegenüber, dass inkonsequenterweise „nicht klar gesagt“ werde, „wer den Artikel 4/4 im Sinne der Nichtanerkennung der organisatorischen, rechtlichen und institutionellen Selbständigkeit interpretiert“. Diese Textänderung ist nur im Zusammenhang mit dem Folgesatz, der in der ersten Fassung überhaupt nicht auftaucht, bemerkenswert: „Der Begriff ‚entleeren‘ richtet sich gegen unsere Argumentation.“287 Sodann nimmt die Information jedoch den Wortlaut der früheren Ausarbeitung wieder auf, in der mit einer gewissen Zufriedenheit vermerkt wird, dass weder in den Berichten und Aussprachen noch in den Beschlüssen der Bundessynode die Rede von der „besonderen“, sondern nur noch von der „geistlichen“ Gemeinschaft gewesen sei. Das sei insofern von Bedeutung, als „die Fiktion einer ‚besonderen Gemeinschaft‘ mit nationalen Phrasen wie ‚gemeinsame Geschichte‘, ‚gemeinsame Kultur‘, ‚gemeinsame Tradition‘, ‚gemeinsame Schuld‘ usw. begründet wurde“. Der von Schönherr referierte, in keiner Weise provozierende oder polemische Konferenzbericht habe sich „günstig“ auf die Atmosphäre der gesamten Synode ausgewirkt. Nicht nur in Schönherrs Bericht, sondern auch im Kontext verschiedener Wortbeiträge sei 286 „Information“ Barth o. D., S. 3 (Hervorhebung durch A. S.) (SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/14/18, Bl. 88–93). 287 „Information“ AG Kirchenfragen o. D., S. 3 (Hervorhebung durch A. S.). Diese Fassung enthält im Unterschied zur ersten noch eine Reihe von „Schlußfolgerungen“, ansonsten stimmt sie bis auf die zitierte Abweichung wörtlich mit der von Barth unterzeichneten Information wörtlich überein (SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/14/18, Bl. 74–80). – Im Rahmen einer Einschätzung aus der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen wiederum wird diese Passage der Synoden-„Entschließung“ nur zurückhaltend als möglicherweise kritische Ansprache an den Staat interpretiert: „Für die Leitungstätigkeit und die weitere Wirksamkeit der gesellschaftlichen Kräfte muß aber auch darauf geachtet werden, daß mit dieser weiten Formulierung die Möglichkeit gegeben ist, helfende Hinweise aus der gesellschaftlichen Praxis der sozialistischen Menschengemeinschaft in der DDR abzuwerten oder abzuweisen“ („Information Nr. 7/70“ vom 8.7.1970, S. 5. In: SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/14/18, Bl. 81–87).

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Bedauern darüber ausgedrückt worden, dass es bislang nicht zu einem offiziellen Antrittsbesuch des Vorstands der KKL bei Seigewasser gekommen sei. Synodenpräses Braecklein habe in seinem Schlusswort auf die nach wie vor mangelnde „innere Festigung“ des Kirchenbundes hingewiesen. Wenn es auch im Blick auf die staatlichen Forderungen zu keiner neuen Entwicklung gekommen sei, wurde die auf der Tagung ausgesprochene Hoffnung des BEK, seine ökumenischen Kontakte zu erweitern und seine Beziehungen zu den übrigen Kirchen, „besonders aber denen in den sozialistischen Staaten“ zu intensivieren, in der Ausarbeitung mit Wohlwollen registriert. Von den an die Information angefügten drei Schlussfolgerungen ist zumindest eine erwähnenswert: Es erscheine „unter den gegebenen Voraussetzungen“ als „zweckmäßig“, dem Vorstand der Konferenz einen „Antrittsbesuch beim Staatssekretär für Kirchenfragen in Aussicht zu stellen“, – allerdings unter der Bedingung, dass ein gemeinsames Kommuniqué veröffentlicht werde. Während der Staat sich darin bereit erklären werde, „normale“ Beziehungen zwischen Bund und staatlichen Organen anzustreben, sollte der Bund verbindlich erklären, den bekannten staatlichen Forderungen in Gänze nachzukommen. Staatssekretär Seigewasser wurde die Aufgabe übertragen, der ZK-Arbeitsgruppe eine „detaillierte Konzeption“ für eine solche Unterredung und das Kommuniqué vorzulegen.288 Am 28. August fand im Anschluss an die Gratulationsfeierlichkeiten zum 75. Geburtstag Seigewassers eine offensichtlich sehr vertrauliche Unterredung zwischen Bischof Schönherr und OKR Lotz statt, die außer in den Beständen der BStU nicht einmal Erwähnung findet. Der KKL-Vorsitzende habe sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, dass seine ehrlichen Bemühungen, den Bund „im positiven Sinne zu entwickeln“, bislang nicht auf fruchtbaren Boden gefallen seien. Damit meinte Schönherr zweifellos nicht die ebenso wenig in Gänze zufriedenstellende innerkirchliche Situation im Bund, sondern die Tatsache, dass der Staat „die Bestrebungen einer Reihe positiver und loyaler Kräfte nicht ernst genug genommen und faktisch bisher ignoriert“ habe. Aus diesem Grund habe er das Gespräch mit einem „real denkenden Menschen“ wie Lotz gesucht und ihn um seine Einschätzung gebeten, welche Fehler er gemacht

288 „Information“ AG Kirchenfragen o. D., S. 4, 5, 6f. (SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/14/18, Bl. 74–80). – Eine weitere „Information“ fast gleichen Inhalts wurde am 25.8.1970 in der HA XX/4 hergestellt. In dieser Ausarbeitung war in keiner Weise erwähnt worden, dass mit der Entschließung der Bundessynode auf die „Einmischungsversuche“ seitens des Staates abgezielt worden sein könnte. Allerdings findet sich auch nicht die leiseste Andeutung auf eine mögliche Anerkennung des Bundes durch die Regierung der DDR. Angefügt sind der Information Maßnahmen für die „politisch-operative Arbeit unter Einsatz geeigneter IM“, „Perspektivzeitraum“ bis 1975 (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-37, Bl. 124–136; hier Bl. 135f.; Anlage [Bl. 137: Vom Bund erstelltes Schaubild über BEKStrukturen]).

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habe. Lotz habe ihn auf seine nach außen hin „zu schwache“ Position sowie sein Versäumnis hingewiesen, sich „genügend Verbündete zu schaffen“. Wichtig sei vielmehr, sich von Personen wie Lewek und Behm zu trennen, die „ehemals im Apparat“ der EKD aktiv gewesen seien, und sich von „reaktionären Kräften“ wie Ringhandt, W. Krusche und Fränkel zu „distanzieren“. Es reiche nicht aus, „nur schlechthin Verwaltungsaufgaben durch[zu]führen und [zu] erfüllen“, sondern Schönherr müsse sich in kirchenpolitischer Hinsicht um die Erfüllung der Anforderungen an eine Kirche in der sozialistischen Gesellschaft bemühen. Nachdem der KKL-Vorsitzende ihm grundsätzlich zugestimmt hatte289, habe er eingeräumt, eigentlich nur im Blick auf Fränkel Schwierigkeiten zu sehen, da dieser der Einzige sei, „der unnachgiebig an der Einheit der ‚Evangelischen Kirche in Deutschland‘ festhalten“ wolle. Dann kam Schönherr auf das vermutlich wichtigste Motiv für seine Unterredung mit Lotz zu sprechen: „Zur Gewährleistung der Entwicklung der evangelischen Kirchen im Sinne der Politik der DDR möchte er unbedingt einen kontinuierlichen und streng vertraulichen Kontakt zu einem maßgeblichen Vertreter des Staates oder der Partei haben. Ihm sei sehr an einem vertraulichen Gespräch mit dem Leiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED, W. Barth, gelegen.“

Dabei hoffte er auf eine Vermittlung durch Lotz, der sogleich zusagte, mit einem „führenden Vertreter“ des CDU-Hauptvorstands darüber zu beraten. Schönherr fügte noch hinzu, er sei deswegen an einem Gespräch mit Barth interessiert, weil es ihm nicht gelungen sei, mit Seigewasser eine derart vertrauliche Unterredung zu führen und alle Gespräche in der Dienststelle des Staatsekretärs ihm statt „konstruktiver Hilfe“ nur „Kritik“ eingebracht hätten.290 Der Leiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED sandte dem zuständigen ZK-Sekretär Paul Verner am 4. September eine detaillierte Information über die „Entwicklungstendenzen“ des BEK sowie eine „Konzeption für eine langfristige Einflußnahme“ auf den Bund zu und bat um sein Votum insbesondere zur kirchenpolitischen Konzeption291. Diese zielte darauf, die gegenüber dem Bund vertretene Linie nicht zu verlassen und die etwa ein bis zwei Jahre, die der Bund zur Erfüllung sämtlicher staatlichen Forderungen benötigen werde, zu nut289 Schönherr habe Ringhandt wegen seiner „konstruktiven Arbeit“ verteidigt, jedoch Lotz gegenüber zugegeben, dass dieser „der Gewährsmann von Bischof Scharf sei und von dessen illegalen Kurieren ständig angelaufen“ werde. 290 Information (o. A.) vom 10.9.1970 (BStU [ZA Berlin], MfS AIM 3043/86, T. I, Bd. 2, Bl. 20–23). 291 Da Verner Ende Oktober auf einem Qualifizierungslehrgang für die mit Kirchenfragen befassten Vertreter des Partei- und Staatsapparats in der Sonderschule des ZK in Brandenburg/Havel ein Referat auch zum Bund halten sollte, war Barth offenbar um die Einheitlichkeit der kirchenpolitischen Linie der SED bemüht.

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zen, um mit allen Mitteln auf eine strukturelle und politische Entwicklung des BEK im Sinne des Staates Einfluss zu nehmen. Am Ende dieses Prozesses könnte eine Staat-Kirche-Vereinbarung gemäß Art. 39 (2) der DDR-Verfassung stehen. Sozusagen als Appetithappen solle den Vertretern des Bundes ein Antrittsbesuch des KKL-Vorstands bei Staatssekretär Seigewasser in Aussicht gestellt werden.292 In der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen wurde Mitte Dezember der Arbeitsplan für das erste Halbjahr 1971 vorbereitet. Demnach sollte gegen die Ostpolitik der Bundesregierung angearbeitet werden, deren Ziel eine Entkrampfung des deutsch-deutschen Verhältnisses sei und die über „besondere ‚innerdeutsche Regelungen‘ unter Ausschluß der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR zu einer ‚sicheren Friedensordnung in Europa‘“ kommen wolle.293 Trotz der grundsätzlichen, vielversprechenden staatsbürgerlichen Bewusstseinsbildung der meisten Kirchenvertreter in der DDR lasse sich doch ein nicht geringer Teil von ihnen von den Versprechungen der Bundesregierung beeinflussen. Daher müssten bei der „politisch-ideologischen und organisatorischen Arbeit“ mit „Geistlichen und kirchlichen Amtsträgern“ „Routinevorstellungen“ überwunden werden und einer „schöpferischen Tätigkeit Platz machen“. Nur durch eine „positive Beeinflussung individueller Art“ und der Nutzung „neuer Möglichkeiten der prinzipiellen Auseinandersetzung“ seien die kirchenpolitischen Zielstellungen der SED durchzusetzen. Die einzelnen Synodaltagungen müssten durch intensive Gesprächseinwirkung auf Synodale und Kirchenleitende vorbereitet werden, damit die Synoden „– von der Bonner Regierung die Ratifizierung der Verträge von Moskau und Warschau, die eine klare Anerkennung des Status quo in Europa zum Inhalt haben, verlangen; 292

Schreiben Barth an Verner vom 4.9.1970 mit „Information zu Entwicklungstendenzen“ und „Konzeption“ (SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/14/19, Bl. 111, 112–124, 125–128; hier Bl. 114-124). 293 Auf der Dienstbesprechung am 18.12.1970 erläuterte Seigewasser den „Begriff der sogenannten ‚innerdeutschen Beziehungen‘ […], auf die sich Kanzler Brandt versteift, um der ‚völkerrechtlichen Anerkennung der DDR durch Bonn‘ auszuweichen“. Es handele sich weder um ein „Schlagwort“ noch eine „bloße politische Propagandafloskel“, sondern vielmehr eine Bezeichnung, die „als Programmpunkt der Brandt/Scheel-Regierung einen Anschlag auf die DDR [signalisiere], die Ausklammerung völkerrechtlicher Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten, um die Tür für eine Annektion der DDR von Bonn her offen zu halten“. Gleichermaßen sei die „angeblich noch bestehende ‚Einheit der deutschen Nation‘ […] von der deutschen Großbourgeoisie zerrissen worden“. „Auch diese Frage kann nur vom Klassenstandpunkt aus betrachtet und beantwortet werden.“ Unter Bezugnahme auf Honecker erläuterte der Staatssekretär, dass es - vom Klassenstandpunkt aus betrachtet – „keine Konvergenz der beiden Systeme, sondern nur ihre fortschreitende Abgrenzung voneinander“ gebe: „Es handelt sich um den objektiven Prozeß der gegenseitigen Abgrenzung. Er vollzieht sich unabhängig von den Versuchen der Bonner Machthaber, die Fiktion von der Einheit der Nation im Klasseninteresse der bundesdeutschen Bourgeoisie aufrecht zu erhalten. Diese Versuche sind zum Scheitern verurteilt, weil sie irreal sind“ (Protokoll [Rogowski] der Dienstbesprechung beim Staatssekretär [BArch BERLIN, DO 4 STS f. Kirchenfragen Nr. 382, Bl. 126–139; hier Bl. 128f.]).

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– die Einberufung einer gesamteuropäischen Sicherheitskonferenz gemäß dem Budapester Appell der Staaten des Warschauer Vertrages fordern; – die völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch alle europäischen Staaten einschl. der Bundesrepublik auch zu ihrem Anliegen machen und – die Aufnahme beider deutscher Staaten in die UNO und ihre Unterorganisationen unterstützen“.

Mit diesem Maßnahmeplan wurde offensiver denn je das Ziel verfolgt, die Kirchen in der DDR für die Umsetzung der außenpolitischen Implikationen der SED-Regierung zu instrumentalisieren. Entsprechend sollte auch die ökumenische Arbeit des Bundes insofern – selektiv – unterstützt werden, als bei der Erteilung von Ausreisegenehmigungen für Kirchenvertreter ins „kapitalistische Ausland“ vorab sondiert werden müsse, ob die von der Kirche delegierten Personen „als sozialistische Staatsbürger die Gewähr dafür bieten, in den Gremien verantwortungsbewußt als die Sprecher von Kirchen aufzutreten, die in einem sozialistischen Staate existieren und wirken“. Das hieß nichts anderes, als dass nur diejenigen Vertreter des BEK eine Genehmigung zur Ausreise erhalten sollten, von denen mit einiger Sicherheit zu erwarten war, dass sie die Interessen der DDR verträten.294 Anfang Februar 1971 besprach der KKL-Vorstand in Dresden die Möglichkeit einer Teilnahme von Vertretern des Bundes an den CDU-Feierlichkeiten anlässlich des 10. Jahrestags des Ulbricht-Fuchs-Gesprächs am 8. Februar 1971. Krummacher hatte sich mit erheblichen Bedenken gegen diese Veranstaltung an den Staatsratsvorsitzenden gewandt, und die Vorstandsmitglieder stellten nun fest, dass die Kritikpunkte nach wie vor aufrecht erhalten werden müssten. Angesichts der nahezu unveränderten Praxis des Umgangs staatlicher Organe mit der evangelischen Kirche in den letzten zehn Jahren könne nicht von „Gemeinsamkeit“ gesprochen werden. Ein „sachliches Vorgespräch“ zur Klärung dieser Unstimmigkeiten wäre die zwingende Voraussetzung gewesen, um der Einladung zu folgen – die im übrigen nicht einmal für den gesamten Vorstand der Konferenz ausgesprochen worden sei. Demnach käme eine Annahme der Einladung nicht in Frage. Die Vorstandsmitglieder beschlossen, bei ihrer Absage deutlich zu machen, dass der „Referent Paul Verner weder persönlich noch in seiner Funktion Anlaß oder Ursache“ für die Entscheidung sei. Für den Fall, dass kurzfristig doch noch eine Einladung an den ganzen Vorstand erfolgen 294 Staatssekretär für Kirchenfragen, Präambel zum Arbeitsplan für das 1. Hj. 1971, „Information Nr. 11/70“ vom 15.12.1970, S. 3ff., 9 (SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/14/7, Bl. 52–61). – In seinem Entwurf einer „Einschätzung“ vom 19.1.1971 kam Wilke zu einem ähnlichen Ergebnis. Er hob hervor, dass Art. 4 (4) der Bundesordnung zwar „weiter präzisiert“ worden sei, doch „dieser Schritt […] noch nicht die notwendige Klärung auf der Grundlage der Verfassung der DDR“ bedeute (SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/14/10, Bl. 162–177; hier Bl. 167).

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sollte, könne ein Referent zu der Veranstaltung entsandt werden, während eine Teilnahme von Stolpe oder Pabst als „nicht sinnvoll“ ausgeschlossen wurde. Hinsichtlich der nächsten Tagung der Synode des Bundes kam der Vorstand der KKL überein, Gäste aus der „Inland-Ökumene und Genf“ einzuladen, während aus Polen, Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland keine Vertreter um ihre Teilnahme gebeten werden sollten. Auf der Zusammenkunft der Beratergruppe am 24. März295 müsse den EKD-Mitgliedern „deutlich gesagt werden“, warum zur Zeit an eine Einladung nicht zu denken sei [„Am Thema ist jetzt nichts mehr zu ändern.“]. Im Blick auf eine mögliche Namensänderung der EKD kamen die Vorstandsmitglieder übereinstimmend zu dem Schluss, dass der Bund kein Votum zu diesem Problem abgeben könne, zumal es sich eindeutig um eine interne Angelegenheit der westlichen Kirchen handele.296 In einer Ausarbeitung der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen vom 11. Februar war im Rahmen einer einführenden Situationsbeschreibung vermerkt, dass die Kirchen des BEK sich auf die „besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit“ in der Regel nur mit Bezug auf „geistliche Dinge“ beriefen, jedoch die Ordnung des Bundes nicht entsprechend geändert worden sei und „gesamtdeutsche kirchliche Kontakte […] weiterhin unter Mißbrauch der Tagespassierscheine in der Hauptstadt der DDR realisiert“ würden. Tendenziell bemühe sich der BEK um „geordnete Beziehungen“ zum Staat, überlagert werde dies allerdings von innerkirchlichen Debatten um eine Standortbestimmung der Kirchen in der DDR. Auf ihrer 3. Tagung im Sommer 1971 wolle sich die Bundessynode demnach mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Christen in der sozialistischen Gesellschaft befassen. Zumindest insofern finde die „außenpolitische Konzeption“ der SED Unterstützung, als Kirchenvertreter sich bei ökumenischen Veranstaltungen für die Aufnahme der DDR in die UNO und das Abhalten einer europäischen Sicherheitskonferenz bemühten. Aus dem Maßnahmenkatalog geht eine bedeutende Neuerung hervor: Die Arbeitsgruppe bezeichnete es als „erforderlich und zweckmäßig, geregelte Beziehungen zwischen dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR und den staatlichen Organen herzustellen“.297 Das Motiv für diesen Schritt war zunächst die Hoffnung, auf diese Weise leichter auf die Entwicklung des BEK, vor allem auch auf die vom Staat als gefährliche Konkurrenz empfundene kirchliche Jugendarbeit, Einfluss nehmen und die Konflikte um das Bildungswesen glätten zu können. Ferner 295

Vgl. Teil I, 1. Kapitel. Protokoll (Kramer) über die Sitzung des KKL-Vorstands am 3.2.1971 in Dresden, S. 2, 5 (EZA, 101/114). 297 Wilke informierte Stolpe sogleich von der Absicht des Staatssekretärs, „am 24.2. ein offizielles Gespräch mit dem Vorstand des ‚Bundes‘ zu führen“ (Aktenvermerk Wilke vom 11.2.1971 [BArch BERLIN, DO 4 STS f. Kirchenfragen Nr. 641]). 296

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wurde der Beschluss gefasst, dem Bund die erwünschte Lizenz für ein eigenes Amtsblatt zu erteilen, das – wie sich die Staatsfunktionäre vorstellten – inhaltlich „dem föderativen Charakter“ des BEK Rechnung zu tragen habe.298 Hinsichtlich des Art. 4 (4) geht aus einem an die Ausarbeitung angefügten Papier hervor, seitens einiger Kirchenvertreter werde behauptet, „daß historisch und national zwischen den Kirchen in der DDR und in Westdeutschland eine ‚besondere‘ oder ‚spezifische Gemeinschaft‘ bestehe, die enger sei als die geistliche Gemeinschaft mit den Kirchen in der Ökumene“. Aus staatlicher Perspektive wurde damit die „These der westdeutschen Brandt-Scheel-Regierung“ gestützt, dass der besondere Charakter der deutsch-deutschen Beziehungen nicht im völkerrechtlichen, sondern im innerdeutschen Bereich liege. Nicht trotz, sondern vermutlich wegen dieser beunruhigenden Tendenz hatte sich die SED entschlossen, den Bund „als Verhandlungspartner“ zu akzeptieren und sich mit dem KKL-Vorstand über die besonders strittigen Fragen zu einigen. Allerdings ging bei der Aufnahme offizieller Beziehungen zum BEK die Erwartungshaltung des Staates weit über den „Austausch prinzipieller Erklärungen auf der Grundlage der Verfassung“ hinaus. Es war vorgesehen, zusätzlich „Einzelvereinbarungen“ zu treffen, um u. a. zu gewährleisten, dass der Vorstand der KKL „sich vor der Wahl oder Berufung leitender Amtsträger mit den zuständigen staatlichen Organen konsultiert“. Desgleichen sollte die ökumenische Tätigkeit des Bundes mit den SED-Organen detailliert abgestimmt werden. Und nicht zuletzt war keineswegs geplant, die Differenzierungstaktik gegenüber den Kirchen in der DDR aufzugeben, sondern sie vielmehr weiter zu vertiefen.299 Schönherr sandte am 12. Februar einen Brief an den Präses der EKD-Synode, Raiser, um ihm zu erläutern, warum der Vorstand der KKL nach einer eingehenden Diskussion zu der Übereinkunft gekommen sei, für keines seiner Mitglieder eine Ausreisegenehmigung zur Synodaltagung der EKD vom 18. bis 21. Februar in Berlin-Spandau zu beantragen. Ein Grund, wenn auch nicht der 298 Ausarbeitung der AG Kirchenfragen „Betr.: Maßnahmen zur Einflußnahme“ auf den BEK vom 11.2.1971, S. 1f. (SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/14/44, Bl. 1ff.). – Dieser Punkt wurde auf der Sitzung des ZK-Sekretariats am 29.6.1971 verhandelt: „Dem Vorsitzenden der KKL in der DDR, Bischof D. A. Schönherr, wird die Lizenz zur Herausgabe eines Amtsblattes des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR erteilt. Als Chefredakteur wird in der Lizenzurkunde Oberkonsistorialrat Stolpe ausgewiesen. Die Lizenz ist auf die Veröffentlichung von Kirchengesetzen, Verordnungen und Beschlüssen des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR und seiner Gliedkirchen zu begrenzen. / Technische Daten: / Auflagenhöhe: 3000 Ex. / Erscheinungsweise: einmal monatlich / Umfang: 8-10 S. / Format: DIN A 4.“ Ferner wurde der „Bereitstellung von Valutamitteln (Schweizer Franken) in Höhe von 55.000 Mark für Beiträge der ev. Kirchen in der DDR an Weltkirchengremien“ zugestimmt (SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/3/1757, S. 2f.). 299 O.A. [AG Kirchenfragen] „Einige Gedanken zum Bund“ vom 16.2.1971, S. 4, 6 [SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/14/44, Bl. 4–10]).

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entscheidende – so Schönherr –, sei die durch Urlaub, Krankheit und dienstliche Verpflichtungen bedingte Verhinderung der meisten Mitglieder des Vorstands. Ferner müsse zwischen dem Tag der Antragstellung und der Ausreise ein Zeitraum von zwei Monaten liegen.300 Das Hauptargument für die abschlägige Entscheidung des Vorstands formulierte Schönherr folgendermaßen: „Aber nach der Bundesrepublik [„zur Teilnahme an einer EKD-Synode“] eine Ausreisegenehmigung zu erhalten, erscheint momentan unmöglich, erst recht nach Westberlin [„wenn sie in Westberlin stattfindet“]. Sie dürfen jedoch versichert sein, daß wir mit großer Anteilnahme das Geschehen der [„Ihrer“] Synode verfolgen. Mehr oder weniger [„!!!!! (gefährlich)“: „In einer Beziehung“] geht es doch Ihnen und uns um das Gleiche, bei Ihnen um die Kirchwerdung der EKD, bei uns des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. In diesem Bestreben können wir nur voneinander lernen. So beobachten wir mit großem Interesse, was bei Ihnen geschieht, und wünschen Ihnen, daß wirklich vorwärtsweisende Gedanken, Erwägungen und Beschlüsse auf Ihrer Synode gefaßt werden können. Wir geben die Hoffnung nicht auf, daß es eines Tages möglich sein wird, wieder zueinander zu kommen und die uns gemeinsam bewegenden Fragen zu bedenken und zu beraten“.301

Unabhängig davon, für welche Wortwahl sich der Bund nun tatsächlich entschieden haben mag, zeigt dieser Briefentwurf, dass der Umgang des Bundes und der EKD miteinander keineswegs frei von Unsicherheiten und Schwierigkeiten war. Wenn man sich auf beiden Seiten über die Theorie einer gelebten „besonderen Gemeinschaft“ und dem Willen zu ihr weitgehend einig war, erwies sich demgegenüber die Praxis als nicht unkompliziert. In seinem Schreiben an Kunst vom 15. Februar berichtete Lingner ausführlich über die öffentlichen Referate, die der CDU-Vorsitzende Götting und das Politbüro-Mitglied Verner zum zehnjährigen Jubiläum des Fuchs-Ulbricht-Treffens vor dem erweiterten Präsidium und dem Hauptvorstand der CDU zur Kirchenpolitik gehalten hatten. Dem Kirchenjournalisten Henkys sei von einer „staatlichen ‚Quelle‘“ zugetragen worden, dass es sich bei Verners Rede – von einem Kollektiv im Auftrag des ZK der SED ausgearbeitet – offensichtlich um ein „lang- und mittelfristiges Programm des Staates für seine künftige Kirchenpolitik“ handele. Die evangelischen Kirchen in der DDR sollten dazu geführt werden, den sozialistischen Staat öffentlich zu bejahen. Auch Götting habe in seinem Vortrag über den DDR-Kirchenbund und dessen Position in der DDR gesprochen. Dabei habe er im Vergleich zu dem Politbüro-Mitglied wesentlich 300 Dieses Schreiben war von Pabst mit hsl. Änderungsvorschlägen, Kommentaren und Streichungen versehen worden. An dieser Stelle vermerkte Pabst: „Stimmt nicht“. Eine längere Zeitspanne sei „günstig“, aber nicht zwingend notwendig. 301 Schreiben Schönherr an Raiser vom 12.2.1971. Die hsl. Anmerkungen Pabsts sind in dem längeren Zitat in eckige Klammern gesetzt (EZA, 101/306).

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deutlicher eine Erwartungshaltung vermittelt, die als Konsequenz aus dem geforderten kirchlichen „Ja“ zum sozialistischen Staat dann auch ein klares und endgültiges „Nein“ zu den Gliedkirchen in der Bundesrepublik beinhalte: „Sowenig wie es zwischen der DDR und der Bundesrepublik ‚besondere innerdeutsche Beziehungen‘ geben kann, sowenig kann es zwischen den der Nato verhafteten westdeutschen und Westberliner Kirchenleitungen einerseits, den unabhängigen und eigengeprägten Landeskirchen in der DDR andererseits irgendeine Art von ‚besonderer Gemeinschaft‘ geben…“

Da Verner nicht mit dieser Eindringlichkeit gesprochen habe, stelle sich die Frage, ob der SED-Staat tatsächlich offiziell keine derart tiefgreifenden Forderungen an die Kirchen richte oder ob Götting doch die richtige Interpretation von Verners Worten geliefert habe. Lingner wies Kunst darauf hin, dass vor dem Hintergrund der beiden Referate auch die in Kürze in Kraft tretende Veranstaltungsverordnung302 hinsichtlich der Kontakte der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik und der DDR unter einem anderen Blickwinkel betrachtet werden müsse. Ganz ohne Zweifel unterlägen dann alle vom Staat als kirchlich deklarierten Veranstaltungen der Meldepflicht. „Das gilt von den Bibelrüsten, von den Patenschaftstreffen, von Theologen- und Juristentagen, von Treffen von Kirchenleitungen, von Ausschüssen und natürlich von den Begegnungen der Berater des Rates der EKD mit dem Vorstand der KKL.“ Da vor allem die Zusammenkünfte der östlichen und westlichen Leitungsgremien gemessen an den gesetzlichen Bestimmungen als verfassungswidrig gekennzeichnet werden könnten, seien die grenzüberschreitenden Beziehungen der evangelischen Kirchen gefährdet. Lingner ging davon aus, dass vermutlich die Staatsorgane vorerst die kirchliche Reaktion auf die Veranstaltungsverordnung abwarten würden, so dass diese ihre Kontakte weitgehend unbehindert pflegen könnten. Nur müssten die Kirchen eben gründlich darüber nachdenken und abwägen, wie sie sich angesichts der sich nach der Bundesgründung weiter verändernden Situation am klügsten verhalten sollten: „Es kann kein Zweifel sein: nach der erreichten Trennung der EKD wird nun ein neues Ziel anvisiert. Die Denkpause ist zuende. Die Kirchen stehen vor schweren Fragen. Alle Kirchenführer in der DDR haben feierlich erklärt, daß die ‚besondere Gemeinschaft‘ das große Tabu ist. Wer daran rührt, fordert den status confessionis heraus. Sollen die Kirchen nun energisch auf das ihnen im übrigen vorher zugestandene Recht der ‚speziellen‘ oder ‚besonderen‘ Gemeinschaft pochen oder es mehr ‚leise‘ praktizieren? Wenn das Bestreiten der besonderen Gemeinschaft durch staatliche Sprecher hingenommen wird, wie will man dann später glaubhaft gegen die konkrete Behinderung im Einzel302 Verordnung über die Durchführung von Veranstaltungen vom 26.11.1970. Gültig ab 1.3.1971 (GBl. II 69/71).

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fall protestieren? Protestiert man aber schon jetzt, kann sich herausstellen, daß es an der geistigen Kraft fehlt, einen möglichen Kampf durchzustehen“.303

Nachdem Wilke – im Auftrag des Staatssekretärs für Kirchenfragen – Stolpe am 11. Februar die Einladung des Vorstands der KKL zu einem offiziellen Gespräch am 24. Februar in der Dienststelle Seigewassers weitergegeben hatte, stimmte sich der Vorstand erst einmal über die mögliche Wahrnehmung des genannten Termins ab. Eine Woche später wurde zunächst unter Vorbehalt, nach der Bestätigung durch die KKL am 20. Februar dann am 21. endgültig zugesagt. Wie aus einer Information des MfS hervorgeht, kam es auf der außerordentlichen Sitzung der KKL am 20. Februar zu „heftigen Auseinandersetzungen“304. Als Schönherr mitgeteilt habe, dass die Leitung des Bundes in Kürze offiziell vom Staatssekretär empfangen werde, sei von Bischof Krusche kritisiert worden, dass der Vorstand der KKL „viel zu schnell auf diese Einladung eingegangen sei. Es hätte genug Gründe gegeben, um dieses Gespräch hinauszuschieben. Der Bund sei viel zu lange vom Staat ignoriert worden. Jetzt habe es ganz offensichtlich der Staat eilig, aber nun sollte man die gleiche Taktik anwenden“. Krusches Haltung habe zwar keine Unterstützung gefunden, doch sei es zu einer ausgesprochen kontroversen Debatte gekommen, nachdem Schönherr den Entwurf seiner für die Unterredung mit Seigewasser vorgesehenen Erklärung verlesen und zur Diskussion gestellt hatte. Krusche, Fränkel und Ringhandt hätten sich äußerst unzufrieden mit Schönherrs Entwurf gezeigt, da jegliche „Beschwernisse“ und „Behinderungen“, die der Staat Christen in der DDR bereite, keine Erwähnung

303

Schreiben Lingner an Kunst vom 15.2.1971, S. 1, 2, 3 (EZA, 87/1027). In dem wie üblich knapp formulierten Protokoll stellt sich dies so dar: „In der sich anschließenden mehrstündigen lebhaften Aussprache, an der sich alle Mitglieder und Berater der KKL beteiligen, geht es um die folgenden Themenbereiche: 1. Grundsatzerwägungen über die Zweckmäßigkeit, die Einladung zum gegenwärtigen Zeitpunkt anzunehmen. 2. Bedeutung der vom Vorsitzenden zu haltenden Ansprache. 3. Einzelfragen zum Text der Ansprache. 4. Einzelfragen zum technischen Verlauf der Begegnung. Zu 1: Es wird Übereinstimmung darin erzielt, daß die Einladung zum vorgesehenen Termin wahrgenommen werden soll, unbeschadet der Tatsache, daß der Präses der Synode, Landesbischof D. Braecklein, wegen Krankheit nicht teilnehmen kann. Vertreter: Präses Waitz. Zu 2: Die Ansprache, zu deren Textentwurf der Vorsitzende der KKL die brüderliche Beratung der Konferenzmitglieder erbittet, soll nicht als ‚Wort der Konferenz‘ verstanden werden. Die Konferenz stellt sich hinter die Intention des Entwurfs; die einzelnen Formulierungen aber hat der Vorsitzende zu verantworten. Zu 3: Es werden zahlreiche Ergänzungs- und Änderungsvorschläge zum Textentwurf eingebracht. Die Konferenz stimmt darin überein, daß der Vorsitzende diese Vorschläge im Rahmen des Möglichen berücksichtigt und den endgültigen Text noch einmal mit dem Vorstand abspricht. Zu 4: Die Konferenz stimmt darin überein, daß am Schluß der Begegnung kein Kommuniqué, wohl aber eine im Text mit dem staatl. Gesprächspartner gemeinsam verabredete Presseverlautbarung herausgegeben werden soll. Der Text der Ansprache soll später den Mitgliedern der KKL zugänglich gemacht, jedoch nicht zur Veröffentlichung in der Presse freigegeben werden“ (Protokoll [Borgmann] der außerordentlichen KKL-Tagung am 20.2.1971 in Berlin, S. 2 [EZA, 101/94]). 304

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fänden. Ferner plädierten sie dafür, die „positiven Stellungnahmen zum sozialistischen Staat“ zu streichen und stellten den Antrag, einen „Formulierungsausschuss“ zu bilden. Mit Entschiedenheit habe Schönherr seine Erklärung verteidigt und mitgeteilt, „daß er nicht die Absicht habe, sich auf einen ‚Schleudersitz‘ zu setzen und die ‚sich langsam öffnende Tür wieder zuzuschlagen‘“. Einzelne Änderungsvorschläge lehnte er ebenso ab wie die Bildung des „Formulierungsausschusses“. Obwohl Ringhandt Schönherrs Entwurf sogar als „vollendete Anpassung“ bezeichnete, sei schließlich der Erklärung von allen Anwesenden die Zustimmung erteilt worden.305 Das seit der Bundesgründung mit hoffnungsvoller Spannung erwartete „offizielle“ Gespräch zwischen Staatssekretär Seigewasser und den Mitgliedern des KKL-Vorstands fand also am 24. Februar statt.306 Im Rahmen seiner Begrüßung erklärte Seigewasser, der Staat habe sich nicht früher auf ein derartiges Zusammentreffen einlassen können, sondern zunächst die Entwicklung des DDRKirchenbundes abwarten müssen. Fortan hoffe er auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche. Schönherr dankte für den Empfang und die Tatsache, dass auch in der langen Übergangszeit seit der Gründung des Bundes immerhin wichtige Arbeitsgespräche hätten stattfinden können. Eingangs hob er die „erhebliche Bedeutung“ hervor, die dieses Zusammentreffen für die künftigen Staat-Kirche-Beziehungen habe. Er zitierte einige zentrale Passagen aus der Ordnung des Bundes, um Seigewasser die Anliegen und Ziele des Kirchenbundes und der Christen in der DDR darzulegen. Es sei nicht vorgesehen, eine gewisse Selbständigkeit der acht Landeskirchen zugunsten einer bürokratischen und leblosen „zentralistisch geleiteten Superkirche“ aufzugeben. Der BEK sei bereits in der Ökumene aktiv und habe sich an der Formulierung der Entschließung der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Evian beteiligt. Darin sei festgehalten, dass die Gemeinden und Kirchen sich für die „Ablösung der lebensbedrohenden Militärsysteme durch weltweite Sicherheits- und Rechtssysteme“ einsetzen sollten, indem sie „vor allem“ die UNO unterstützen, gleichfalls „bei der Bemühung der Aufnahme aller Staaten in die UNO“. Nicht unerwähnt ließ Schönherr im Anschluss an diese sicher freudig zur Kenntnis genommene Information, dass in der Entschließung auch von der „besonderen Gemeinschaft“ zwischen EKD und Kirchenbund die Rede sei. Allerdings mit der eindeutigen Erklärung, es handele sich hierbei um eine „geistliche“ Gemein305 „Information Nr. 20 Verhältnis zwischen Staat und Kirche – erstes offizielles Gespräch zwischen Staatssekretär für Kirchenfragen und Vertretern des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR“ vom 30.3.1971 (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1238, Bl. 156–162; hier Bl. 160f.). 306 Es nahmen teil: Schönherr, Noth, Juergensohn, Waitz (i.V. für Braecklein), Kramer und Stolpe für den Bund sowie Seigewasser, Flint, Wilke, Fitzner und Rogowski von Seiten der Dienststelle des Staatssekretärs.

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schaft, die auf der gemeinsamen Geschichte, kirchlichen Tradition, gleichem Bekenntnis und der „Pflicht, gemeinsam auf uns geladene Schuld abzutragen“, beruhe. Dementsprechend sei Art. 4 (4) „nicht als kirchliche Variante einer bestimmten politischen Konzeption“ zu verstehen. Der KKL-Vorsitzende setzte darauf den Staatsvertretern auseinander, dass die acht Landeskirchen vorhätten, dem gottgegebenen Auftrag zu Zeugnis und Dienst in diesem Staat, in der DDR, nachzukommen. Mit Bezug auf die fünfte Barmer These wies Schönherr hin auf die „Würde des Staates, die nach christlichem Glauben auf göttlicher Anordnung“ beruhe, und auf die „Verantwortung“ von Staat und Kirche sowie auf die „Versuchungen“, die beiden Seiten drohten, wenn sie „ihren besonderen Auftrag überschreiten“. Dass ein Christ für das Wohl des Staates bete und mit seinem Handeln die Verantwortung wahrnehme, sei nicht etwa der Ausdruck eines „billigen Opportunismus“, sondern der „inneren Verpflichtung“. Noch einmal bekräftigte Schönherr: „Die Kirche wird sich darum allen Versuchen widersetzen, diesen Staat zu diskriminieren, und wünscht ihm, daß er auch rechtlich den Platz in der Völkerwelt einnehmen möge, der ihm die volle Mitarbeit an den Problemen des Weltganzen, besonders im Rahmen der UNO und ihrer Gliederungen ermöglicht.“

Zur Darlegung seines Verständnisses für die Haltung des SED-Staates gegenüber den Kirchen zitierte der Vorsitzende der KKL die (DDR-) Verfassung und interpretierte dazu die Stellungnahmen der Politbüro-Mitglieder Paul Verner und Hermann Matern.307 Die SED gehe zwar davon aus, dass es „nicht überbrückbare weltanschauliche Gegensätze zwischen Christen und Marxisten“ gebe, die christlichen Bürger jedoch auf der Basis ähnlicher humanistischer Grundprinzipien ihren Beitrag in der sozialistischen Gesellschaft der DDR leisten und sich gemeinsam mit den Marxisten um „die konkreten Fragen der gesellschaftlichen Zusammenarbeit“ bemühen sollten. Das sei angesichts der „leidvollen Geschichte“ der Beziehungen von Kirche und Sozialismus zweifelsohne keine leichte Aufgabe, die aber in Angriff genommen werden müsse. In diesem Kontext hob Schönherr hervor, dass für die evangelischen Kirchen in der DDR die im Zuge der Verfassungsdebatte erfolgte Aufnahme einer Aussage zur Glaubensund Gewissensfreiheit eine bedeutende Erfahrung gewesen sei. Im Blick auf die verfassungsmäßig garantierte Gleichberechtigung monierte er die Benachteiligung junger Christen, vor allem auch der Bausoldaten, im Bildungswesen. Zum Schluss brachte er den Wunsch zum Ausdruck, dass das Handeln des Christen vom „marxistischen Partner“ als „unverdächtig und hilfreich“ betrachtet werde, 307 Verner hatte bei der CDU-Feier am 8.2.1971 anlässlich des 10. Jahrestags des Fuchs-Ulbricht-Gesprächs, Matern bereits am 25.9.1969 vor dem erweiterten Hauptvorstand der CDU zum Staat-KircheVerhältnis referiert.

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auch wenn er die christlichen Handlungsmotive vielleicht nicht nachvollziehen könne.308 Einen „vertraulichen Vermerk“ fertigte Stolpe über das Gespräch an. Im Anschluss an Schönherrs Ausführungen habe der Staatssekretär unter Verweis auf die zuständigen örtlichen Staatsorgane zunächst erklärt, mit dem Vorstand nicht jetzt die monierten „Einzelfälle“ diskutieren zu wollen. Da es außer Frage stünde, dass auch zukünftig Spannungen zwischen Staat und Kirche nicht zu verhindern seien, wolle er keine „billigen Hoffnungen“ formulieren. Er lege Wert darauf, dass von Seiten der Kirche das „föderalistische Prinzip“ ihres Kirchenbundes hervorgehoben worden sei, was er bereits den Diskussionsbeiträgen auf der Tagung der Synode der EKD in Berlin-Spandau habe entnehmen können. Vor allem Bischof Dietzfelbinger habe sich in dieser Richtung geäußert. Überhaupt seien die Beziehungen zwischen Bund und EKD immer wieder thematisiert worden. Seigewasser habe die zu diesem Aspekt schon mehrfach verdeutlichte grundsätzliche Haltung des Staates wiederholt: Der BEK habe aus dem „Verfassungsauftrag“ erwartungsgemäß die entsprechenden Konsequenzen für seine organisatorische Gestalt gezogen. Zwar habe es in der „ersten Phase seines Bestehens bedenkliche Interpretationen gegeben“, die jedoch zu der Einsicht geführt hätten, „daß mit Mißdeutungen der organisatorischen Selbständigkeit des Bundes der Weg versperrt werden sollte“. Der Staatssekretär habe eingeräumt, dass die Kirche sicherlich ihrem Selbstverständnis nach an jedem Ort im „Dienst ihres Herrn“ stünde. Gleichermaßen müsste den Kirchenvertretern einleuchten, dass dies nicht als „staatspolitischer Gesichtspunkt“ zu übernehmen sei. Die Abgrenzung zwischen Sozialismus und Kapitalismus sei zunehmend im Wachsen begriffen und eine „Konvergenz“ liege außerhalb jeden Vorstellungsbereichs. Wenn die Kirche die Tatsache zur Kenntnis nähme, „daß der Weg des Sozialismus und sein Ausbau in der DDR unwiderruflich seien“, würde sie sich und ihren Christen einen Dienst erweisen. Eine Wiedervereinigung der sozialistischen DDR mit dem „spätkapitalistischen System der Bundesrepublik“ sei „nach Lage der Fakten“ für die Zukunft ausgeschlossen. Was die von Schönherr kritisch angesprochenen Beschwernisse für Christen anbelange, gebe es aus staatlicher Sicht viele Gegenbeispiele von Christen, die „freudig mitarbeiten und hervorragende Initiativen ergreifen“ würden. „Das einzige Kriterium der Einschätzung von Staatsbürgern sei ihre Mitwirkung zum Wohl der Menschen.“ Der KKL-Vorsitzende habe sich zur „Selbständigkeit“ des Kirchenbundes geäußert. Seigewasser bat mit Nachdruck, die den Kirchen bekannten „offenen Fragen“, vor allem hinsichtlich der EKU und der Berlin-brandenburgischen Kirche, weiter zu bear308 „Ansprache“ Schönherr beim Empfang des KKL-Vorstands durch den Staatssekretär für Kirchenfragen am 24.2.1971, S. 1–4, 6 (EZA, 4/464).

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beiten und nicht zu glauben, sie seien „nun in der Versenkung verschwunden“. Der Staatssekretär lobte allerdings auch die „eigenständigen Impulse“, die der Bund in der ökumenischen Arbeit entwickle. Ihm sei aus der Ökumene übermittelt worden, dass dem Beitrag der Kirchen aus der DDR schon auf Grund ihrer besonderen Rolle – als protestantische Mehrheit in einem sozialistischen Staat – ein spezielles Gewicht zukomme. Auch bedankte sich Seigewasser für die kirchlichen Bemühungen um eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR und bat, die damit verknüpften Bestrebungen seines Staates nicht als „egoistischen Standpunkt der gesellschaftlichen Kräfte“ fehl zu interpretieren. Um der Friedenssicherung willen sei eine Anerkennung beider deutscher Staaten unbedingt erforderlich. In diesem Kontext nahm der Staatssekretär Bezug auf Schönherrs Darlegungen zum Frieden und versicherte, dass die DDR um eine „harmonische Einheit zwischen Sozialismus und Humanismus“ bemüht sei und der Dialog mit den evangelischen Kirchen auf dieser Ebene besonders vielversprechend sei. Die in der Verfassung verankerten Rechte auf Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie freie Religionsausübung würden vom Staat „ernst“ genommen. Schönherr zeigte sich zufrieden, dass seine Rede offenbar von den Vertretern der Dienststelle in der richtigen Weise aufgenommen worden sei und erklärte auch sein freudiges Einverständnis, zur Klärung der von ihm genannten Probleme und kritischen Punkte „intensive Einzelgespräche“ zu führen. Daraufhin verdeutlichte Seigewasser nochmals, der Staat wünsche sich von der Kirche lediglich eine „klare Position gegenüber Grundfragen“, sei jedoch nicht auf eine „Akklamation“ zur Tagespolitik aus. Dabei bezog er sich auf weltpolitische Ereignisse, bei denen es sich eben nicht um tagespolitische, sondern grundsätzliche Fragen handele und zu denen eine Äußerung des Bundes erwartet werde. Seigewasser wolle mit dieser Bemerkung darauf aufmerksam machen, dass die Kirche in der DDR „bei notwendigen Entscheidungen [nicht] zu billig vorgehen“ könne.309 Stolpe sandte bereits zwei Tage nach dem Gespräch allen KKL-Mitgliedern die veröffentlichte Pressemeldung sowie den Wortlaut der Ansprache des Vor309

„Vertraulicher“ Vermerk Stolpe vom 9.3.1971, S. 3–7 (EZA, 101/114). – Als Anlage zu einem Schreiben schickte Stolpe diesen Vermerk erst am 12.3.1971 an die leitenden Geistlichen in der DDR (EBD.). – Die von dem persönlichen Referenten des Staatssekretärs, Rogowski, angefertigte Gesprächsniederschrift stimmt nahezu vollständig mit Stolpes Vermerk überein. Etwas ausführlicher erwähnt wird Kramers Einwand, der kirchliche Lernprozess sei nicht ausreichend fortgeschritten, da die Kirchen in der DDR vom Staat überfordert würden. Es bereite den Vertretern des Bundes Schwierigkeiten, „sich in das Neue hineinzufinden“. Der Protokollant vermutete, dass Kramer damit kritisch auf den durch die Verfassung beschränkten kirchlichen Handlungs- und Wirkungsspielraum hinweisen wollte. Seigewasser habe Kramer unmissverständlich dargelegt, dass die DDR-Verfassung nicht in Frage gestellt werden könne. Ferner werde der Staat sich nicht auf Debatten einlassen, die „Beziehungen unterhalb der Schwelle der völkerrechtlichen Anerkennung“ beträfen (BArch BERLIN, DO 4 STS f. Kirchenfragen Nr. 1437, Bl. 353–357; hier Bl. 357).

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sitzenden Schönherr beim Empfang des Staatssekretärs zu.310 Aus der knappen Medienverlautbarung ging außer den Namen der Teilnehmer nur hervor, dass Schönherr sich zu „Aufgaben und Zielen“ des Kirchenbundes sowie zu „einigen wichtigen Problemen des Lebens der Kirchen in der sozialistischen Gesellschaft“ geäußert habe. Seigewasser habe seinerseits Erläuterungen zum „humanistischen Inhalt der auf Frieden und Sozialismus gerichteten Innen- und Außenpolitik der DDR“ gegeben und die Frage der „gemeinsamen Verantwortung von Marxisten und Christen beim Aufbau der sozialistischen Gesellschaft und im Ringen um Frieden und Sicherheit“ angesprochen. Abschließend sei die Übereinkunft getroffen worden, zur Beratung von „Sachfragen“ zu weiteren Aussprachen zusammenzukommen.311 Mit dieser ersten offiziellen Unterredung zwischen Vertretern des Bundes und denen der Dienststelle des Staatssekretärs, die zugleich die staatliche Anerkennung des BEK bedeutete, war – mehr als zwei Jahrzehnte nach der Gründung der DDR und immerhin über eineinhalb Jahre nach der Bildung des Kirchenbundes – eine hoffnungsvolle Zäsur gesetzt. Ob es sich dabei um einen Etappensieg für die evangelischen Kirchen in der DDR oder auch für den SED-Staat handelte, und wie sich das Grundsatzgespräch in der Realität auf die wechselseitigen Beziehungen auswirken sollte, war allerdings zu diesem Zeitpunkt noch völlig offen.312 Aus einem „Perspektivplan“ der HA XX/4 vom 11. Januar 1972 [sic] für die Jahre 1971 bis 1975 geht hervor, dass zumindest MfS-seitig umfangreiche „Aufgaben und Ziele in der politisch-operativen Arbeit“ in Angriff genommen werden sollten, um Folgendes zu erwirken: Der BEK, „als wichtigstes Leitungsgremium der evangelischen Kirchenleitungen in der DDR, soll 1975 ein progressives bzw. loyales Instrument der Politik unserer Partei und Regierung in Kirchenfragen sein“.313

310

Schreiben Stolpe an alle Mitglieder der KKL vom 26.2.1971 mit zwei Anlagen (EZA, 101/114). Wortlaut der Pressemitteilung (EZA, 4/464). 312 Henkys bewertet im Jahr 1982 die Aufnahme offizieller Beziehungen zwischen dem BEK und der Regierung der DDR als „Wende in der Kirchenpolitik“. Die gesamte Entwicklung habe es dem Staat ermöglicht, „Umgangsformen mit der Kirche zu finden, die nicht mehr nur das Ziel hatten, die Kirche ausschließlich als Stütze des Systems zu gewinnen, und es erlaubte auch die Rolle der DDR-CDU deutlich zu beschneiden. Im Protokoll des Staates rutschte die CDU vom zweiten auf den dritten Platz nach der SED. Sie verlor die Aufgabe, im Staat gleichsam als Ersatzkirche, als Sprecherin der ‚wahren Kirche‘ aufzutreten“ (R. HENKYS [Hg.], Kirchen, S. 36). – Nicht vollends überzeugend ist die mit dieser Einschätzung aufgestellte starke These, die CDU habe vor dem Grundsatzgespräch unmittelbar hinter der SED rangiert. Nach Ansicht der Autorin hat sie diese Position nie besetzen können. Vielmehr ist ihr sukzessiver Bedeutungsverlust analog zur Konsolidierung der SED als Regierungspartei – v. a. im Kontext der zwischen beiden deutschen Staaten abgeschlossenen Verträge – zu sehen. 313 BStU (ZA Berlin), MfS HA XX/4-3242, Bl. 598–627; hier Bl. 600f. 311

Resümee

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Resümee Betrachtet man die Verlautbarungen der EKD-Synoden seit Mitte der fünfziger Jahre, so stellt sich die kirchliche Entwicklung bis zur „Fürstenwalder Erklärung“ vom Jahr 1967 dar als Abrücken von der Vorstellung einer im Glauben und in der Organisationsform geeinten evangelischen Kirche, die zugleich eine Art Stellvertreterrolle für die fehlende staatliche, nationale deutsche Einheit einnehmen sollte. In der von beiden Teilen der EKD-Synode in Ost- und Westdeutschland anerkannten Erklärung zum kirchlichen Zusammenhalt von Fürstenwalde war eine Option bereits vage angelegt: Eine Lockerung der Bindungen, möglicherweise sogar eine weitergehende gegenseitige Freigabe könnte trotz der Tatsache, dass eine Gesellschaftsordnung nicht zur „Herrin über den Christusdienst“ gemacht werden dürfe, in Betracht kommen, falls der gottgegebene Auftrag der Evangeliumsverkündigung in den jeweiligen Bereichen gefährdet sei. Mit dem Inkrafttreten der „sozialistischen“ Verfassung in der DDR, die einer gemeinsamen institutionellen Organisation der evangelischen Landeskirchen in beiden deutschen Staaten rechtliche Grenzen setzte, war eben diese Situation eingetreten. Während die Gliedkirchen der „Alt-EKD“ und ihre Protagonisten maximal dazu bereit waren, eine auch für den SED-Staat akzeptable Zwischenlösung zu finden, beschritten die östlichen Brüder recht unbeirrt und selbstbewusst den Weg zur Gründung eines rechtlich und organisatorisch selbständigen Kirchenbundes in der DDR. Mit der Aufnahme des Art. 4 (4) in dessen Ordnung allerdings brachten sie – und dies in der theologisch grundlegenden und bedeutsamen Formulierung eines Bekenntnisses – ihr Festhalten an der „besonderen“, „geistlichen“ Gemeinschaft mit der evangelischen Christenheit in Deutschland zum Ausdruck. In der Folgezeit bemühte sich der BEK zunächst um seine Profilierung als eigenständige und handlungsfähige evangelische Kirche im sozialistischen Teil Deutschlands sowie die Klärung seines Selbstverständnisses. Nahezu zeitgleich begann der Bund mit der Arbeit an seiner Standortbestimmung in einem Staat atheistischer Weltanschauung und versuchte, verbindliche Beziehungen zur Staats- und Parteiführung und den ihr untergeordneten Organen aufzubauen. Die beidseitige Betonung kompatibler „humanistischer Grundanliegen“ sollte sich dabei als hilfreich und hemmend zugleich erweisen: Die SED-seitige verbale Zusicherung der Glaubens- und Gewissensfreiheit, das gemeinsame Ziel der Friedenssicherung sowie nicht zuletzt der Anspruch eines Sozialismus-Modells in Gestalt einer gerechten Form menschlichen Zusammenlebens standen keineswegs im Widerspruch zu Dienst und Auftrag einer christlichen Kirche. Ferner weckte die unterschwellig signalisierte Bereitschaft des Staates, die Kontaktaufnahme des BEK mit der Ökumene nicht zu unterbinden, Hoffnungen. Jedoch zeigte sich sukzessive, dass Christen

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Einführung

in der DDR-Gesellschaft nicht gleichberechtigt waren, sondern im Blick auf Bildungschancen und berufliche Entfaltung benachteiligt wurden. Die Bedeutung von Frieden wurde ebenso unterschiedlich ausgelegt, wie die Frage seiner Sicherung und entsprechender (politischer) Lösungsansätze Divergenzen zutage treten ließ. Die Förderungswürdigkeit der ökumenischen Beziehungen des Kirchenbundes maß die SED in erster Linie am potentiellen Nutzen für die völkerrechtliche Anerkennung der DDR. Und schließlich wurde der BEK zwar offiziell vom Staat anerkannt, doch blieben grundlegende Forderungen und Vorgaben wie die klare Abgrenzung von der EKD- und der EKU-West – selbstverständlich auch von der Bundesrepublik insgesamt – bestehen und wurden als Druckmittel für jedwedes staatliche Entgegenkommen benutzt. So hatte die Staats- und Parteiführung dem Bund keine verlässlichen geschweige denn verbindlichen Zusagen gemacht oder mit ihm Vereinbarungen getroffen, die das künftige Staat-KircheVerhältnis regelten. In dieser Gemengelage schien dem BEK die von der SED erwünschte Rolle eines kirchlichen Gebildes mit stark föderalistischen Strukturen zuteil zu werden, mit dessen Gliedern separat Konflikte mittels Auseinandersetzungen um „Einzelfälle“ ausgetragen werden sollten. In Aussicht stand eine nur schwer kalkulierbare Entwicklung, die der evangelischen Kirche in der DDR weder Anlass zur Resignation noch zu ungebrochenem Optimismus bot.

Teil I: Die „besondere Gemeinschaft“ in der Praxis – Die Beratergruppe und der Ost-West-Dialog (1969–1989)

Einleitung Die Frage, in welcher Weise eine grenzübergreifende Zusammenarbeit der evangelischen Kirchen im geteilten Deutschland weitergeführt werden könnte, war innerkirchlich ebenso frühzeitig wie kontinuierlich diskutiert worden. Mit der faktischen Teilung der EKD respektive der Gründung des auch im juristischen Sinne institutionell eigenständigen Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR trat eine Situation ein, in der es für die beiden Kirchen nicht mehr ausreichend sein konnte, ihren Willen und ihr Bekenntnis zum Festhalten aneinander im Glauben (und Handeln) verbal zum Ausdruck zu bringen. Es stand vielmehr an, die Möglichkeiten einer praktischen Umsetzung der in Artikel 4 (4) der Bundesordnung formulierten „besonderen Gemeinschaft“ auszuloten und aktive Schritte einzuleiten, sich bietende Chancen zu nutzen und das ihnen innewohnende Potential voll auszuschöpfen. Der erste Versuch in dieser Richtung, der zunächst ausführlich nachgezeichnet wird, stellte der gesprächsweise Austausch zwischen Kirchenleitenden aus Kirchenbund und EKD dar. Da es den östlichen Vertretern Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre nicht möglich war, in den Westen zu reisen, mussten EKD-Mitglieder aus der Bundesrepublik die Grenze in die DDR bzw. nach Ost-Berlin überqueren. Das Ziel dieser deutsch-deutschen Treffen war – und dies zeigte sich sowohl an der personellen Besetzung als auch am Ablauf der Zusammenkünfte – wegen der widrigen politischen Umstände bewusst nicht zu hoch gehängt worden: Die „besondere Gemeinschaft“ beider Kirchen sollte praktiziert werden, indem schlicht der Dialog zwischen Ost und West fortgesetzt wurde. Die Verbindung sollte nicht abreißen und das Wissen über die Entwicklung der Kirchen, ihre Aktivitäten sowie das Leben der Christen im jeweils anderen Bereich gegenseitig vermittelt werden. BEK und EKD stellten sich vor, über diese kommunikative, informative Ebene die trennende Staatsgrenze sozusagen überbrücken und möglichen Entfremdungstendenzen entgegenwirken zu können. Durch die Konvenienz der beteiligten Personen aus kirchenleitenden Kreisen – nach ein paar Jahren gestattete die SED Mitgliedern des Rates der EKD die Einreise, so dass sich gleichrangige Kirchenvertreter aus der DDR und der Bundesrepublik gegenüberstanden – waren die Teilnehmer an den Gesprächsrunden in der Lage, die ausgetauschten Informationen direkt in die Beratungs- und Entscheidungsgremien von Bund und EKD hineinzutragen und ihnen auch bei Bedarf zuzuarbeiten. Nicht zuletzt aufgrund der dabei gewonnenen Erfahrungen und der Einsichten in Schwachpunkte und Problembe-

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Die Beratergruppe und der Ost-West-Dialog

reiche der Ost-West-Gruppe, aber vor allem wegen der zunehmenden, den Weltfrieden bedrohenden Aufrüstungsbestrebungen der Großmächte, kulminierend im „NATO-Doppelbeschluss“, kam von Seiten des Kirchenbundes in der DDR Ende des Jahres 1979 die Anregung, ein kleineres, verbindliches Gremium zu bilden, das sich aus festgelegten Mitgliedern aus der Leitungsebene beider Kirchen zusammensetzen sollte. Im Gegensatz zum bereits 1969 gegründeten Beraterkreis wurde diesmal ein spezieller Auftrag formuliert: Die Konsultationsgruppe sollte sich mit den Fragen Friedenssicherung und Abrüstung befassen, sich über entsprechende Aktivitäten der Kirchen in Ost- und Westdeutschland informieren und selbst Lösungsvorschläge und Anregungen erarbeiten, um sie dem Rat der EKD und dem KKL-Vorstand zu unterbreiten. Möglicherweise könne es dabei sogar zu gemeinsamen kirchlichen Handlungen kommen. Nicht mehr und nicht weniger wurde anfangs als Aufgabe der gegenüber den kirchlichen Leitungsgremien berichtspflichtigen Teilnehmer an den Konsultationen benannt. An eine Fortsetzung der seit mehr als zehn Jahren ersten von Bund und EKD gemeinsam verantworteten und veröffentlichten Stellungnahme, dem „Wort zum Frieden“1, war noch nicht gedacht. Mittels der folgenden Untersuchung von Entstehung, Entwicklung und Tätigkeit dieser beiden Gruppen kann nicht nur verdeutlicht werden, ob und auf welchem Weg es den evangelischen Kirchen im geteilten Deutschland gelang, ihr Bekenntnis zur „besonderen Gemeinschaft“ in praktisches Handeln umzusetzen, sondern es lässt sich gleichermaßen herausarbeiten, wie sie sich – ausgehend von der kirchlichen Teilung – über einen Zeitraum von zwanzig Jahren hinweg in den unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Systemen „eingelebt“ haben, sich prägen ließen oder sie ihrerseits mitprägten. Einblicke in die jeweilige Innen-, Deutschland- und Außenpolitik sind eine ebenso zwangsläufiges wie erwünschtes Nebenprodukt.

1 Abdruck des Wortes zum 40. Jahrestag des Kriegsbeginns vom 24.8.1979 u. a. in: M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 305ff.

1. Kapitel: Die Anfänge der bilateralen kirchlichen Dialoggruppe (1969–1972)

Anfang des Jahres 1969 wurde bei der Sitzung einiger Kirchenvertreter, die sich mit den „Überleitungsproblemen“ der Aufgaben von EKD-Organen auf die des zukünftigen Bundes auseinander setzten, auch über die Möglichkeiten debattiert, wie eine bleibende Partnerschaft zwischen östlichen und westlichen Brüdern in Anlehnung an Art. 4 (4) des Bundesordnungsentwurfs praktisch verwirklicht werden könne. Obwohl letztlich zugunsten mündlicher Absprachen von einer schriftlich fixierten Vereinbarung abgesehen werden sollte, waren sich die Anwesenden insofern fast einig, als zumindest im Sekretariat des Bundes und der Kirchenkanzlei der EKD eine Schaltstelle zu installieren sei. Ein dem Protokoll beiliegender Entwurf „Zur Durchführung der in Artikel 4 Abs. 4 der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR festgelegten Mitverantwortung für die ganze evangelische Christenheit in Deutschland“ verdeutlichte die Vorstellungen von einer institutionell verankerten, verantwortlichen kirchlichen Zusammenarbeit, gegenseitiger Beratung und wechselseitigem Informationsaustausch.1 Bei der Ratssitzung, die am 13. März in der DDR stattfand, stellte die Kirchenkanzlei der EKD den Entwurf für eine Vereinbarung zwischen Rat und Vorstand der KKL vor, der die Praktizierung der besonderen Gemeinschaft der beiden Kirchen verbindlich regeln sollte. Im Grunde war in der Ausarbeitung die Konstituierung der späteren „Beratergruppe“2 bereits angelegt. Ein „Verbindungsausschuß“, zusammengesetzt aus je vier Bevollmächtigten aus der Bundesrepublik und der DDR, sollte geschaffen werden. Als Zuständigkeitsbereich der acht Kirchenvertreter waren Koordinierungsaufgaben benannt. Zwar wurde der Entwurf in der vorliegenden Form „verworfen“, doch bekräftigten die Anwesenden, sein Grundanliegen zu befürworten. Eine Ost-West-Gruppe sollte beauftragt werden 1

Niederschrift (Lewek) vom 20.1.1969, S. 2 (EZA 4/23). Die auch in dieser Arbeit für den Ost-West-Kreis verwendete Bezeichnung „Beratergruppe“ meinte eigentlich nur die Vertreter der EKD, die in die DDR einreisten, um ihre östlichen Brüder zu kontaktieren. Bevor es Ende 1969 zur Bildung und gemeinsamen Arbeit dieser Gruppe kam, existierte schon eine Art Vorläufer dieses Gremiums, der (ebenfalls geltend für die Vertreter aus dem Westen) „Berlin“oder „Besucher“-Gruppe genannt wurde. Im Folgenden wird jedoch in vorliegender Arbeit – v. a. zur Vermeidung sprachlicher Kompliziertheiten – die Ost-West-Gesprächsgruppe in der Gesamtheit ihrer Mitglieder zuweilen als Beratergruppe bezeichnet werden. 2

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Die Beratergruppe und der Ost-West-Dialog

und „nach klarer gegenseitiger Absprache zu regelmäßigen Begegnungen“ zusammentreten. Denkbar seien allerdings auch andere Regelungen. Einig waren sich die Ratsmitglieder, dass mit Blickrichtung auf den Staat keinesfalls der Verdacht aufkommen dürfe, es handele sich um die Bildung eines gemeinsamen „neuen Leitungsgremiums“. Unter Berücksichtigung der vorgetragenen kritischen Bedenken sollte die Vorlage umgearbeitet und auf einer anstehenden Besprechung mit Niklot Beste und Albrecht Schönherr neu verhandelt werden. Die Vorgabe für die Gestaltung einer Vereinbarung zwischen EKD und DDR-Kirchenbund lautete: „So verbindlich wie möglich, so locker wie nötig“.3 Vorschlag des Vorstands der KKL an den Rat der EKD: Gemeinsames „Bevollmächtigten“-Gremium Nachdem die Ordnung des Bundes Anfang Juni unterzeichnet und der BEK gerade auf der ersten, konstituierenden Tagung der Bundessynode seine Organe gebildet hatte, ließ der Referent der EKU bei der Berliner Stelle der EKD-Kirchenkanzlei, Olav Lingner, sich am 26. September von Manfred Stolpe, dem Leiter des Sekretariats des Bundes, über den Verlauf der 1. Sitzung des KKL-Vorstands (15.9.1969) berichten. Es sei dort besprochen worden, „zu Informationszwecken“ zumindest Auszüge der Protokolle an die Berliner Stelle der EKD-Kirchenkanzlei weiterzugeben. Im Übrigen lasse der Vorstand dem Rat der EKD die Bitte ausrichten, Personen zu bevollmächtigen, die zu gemeinsamen Sitzungen mit den Vorstandsmitgliedern4 in Ostberlin zusammentreffen könnten. Stolpe gab sogleich Terminvorschläge weiter und betonte, vom Vorstand ausdrücklich beauftragt worden zu sein, „bei der Weiterleitung der Bitte darauf hinzuweisen, daß der Beschluß des Vorstands einmütig gefaßt worden ist. Der Vorstand hat in Zusammenhang damit gebeten, der Rat der EKD möge ein möglicherweise bestehendes Mißtrauen gegenüber dem Bund zurückstellen“. Es sei dem Vorstand mit der praktizierten und geordneten Partnerschaft im Rahmen von Art. 4 (4) der Bundesordnung ernst. Ferner habe Stolpe Lingner darum gebeten, für eine erste Ost-West-Sitzung die Tagesordnung zu erstellen. Lingner habe seinerseits „angeregt, daß auf einer der ersten Sitzungen die Frage der Veröffentlichung der Friedensthesen verhandelt“ werde.5 Am 3. Oktober fasste der KKL-Vorstand den Entschluss, sich für die Praktizierung der „besonderen Gemeinschaft“ zwischen Bund und EKD auf „allen Ebenen“ einzusetzen. Für die kirchenleitende Ebene 3 Niederschrift Behm über die Sitzung des Rates am 13.3.1969 (in der DDR), S. 6 (EZA, 2/93/904). 4 Die waren der KKL-Vorsitzende Schönherr, seine Stellvertreter Noth und Juergensohn, Synodenpräses Braecklein, Kramer und der Leiter des BEK-Sekretariats, Stolpe. 5 Vermerk Lingner vom 11.10.1969 (EZA, 4/67).

Anfänge der bilateralen kirchlichen Dialoggruppe (1969–1972)

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solle dies wie angedacht in Form von gemeinsamen Beratungen eines von westlicher und östlicher Seite verbindlich besetzten Gesprächskreises geschehen, der regelmäßig etwa alle sechs bis acht Wochen zu vereinbarten Terminen zusammentrete. Die bislang existierende, sogenannte EKD-Besuchergruppe um den braunschweigischen Landesbischof Gerhard Heintze6 solle angeregt werden, sich zunächst zu Sitzungen mit Mitgliedern des Vorstands bereitzuhalten.7 In einem Anhang zum Protokoll der Ratssitzung am 23. und 24. Oktober, der mit dem Zusatz „Vertraulich!“ gekennzeichnet war, ist Hammers Bericht zur „Ost-West-Lage“ festgehalten. So habe der DDR-Kirchenbund seine Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht, Art. 4 (4) seiner Ordnung in der kirchlichen Praxis gerecht zu werden. Allerdings müssten die Gremien der EKD gleichermaßen ihre Bereitschaft zeigen, „dem spiegelbildlich zu entsprechen“. Ein Zusammenwirken der beiden evangelischen Kirchen in Deutschland sei nur unter der Voraussetzung praktikabel, dass Begegnungen der östlichen und westlichen Kirchenvertreter stattfänden. Derzeit lasse sich dies zum Beispiel auf der Ebene des Rates der EKD nicht verwirklichen, so dass über „Hilfs- und Übergangslösungen“ nachgedacht werden müsse. Die Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR habe darum gebeten, dass die EKD „Bevollmächtigte“ benenne, die an allen Ratssitzungen teilnehmen müssten, und diese berechtige, mit der KKL „verbindliche Gespräche“ zu führen. Im Zuge dieses Verfahrens könnte, warnte Hammer, eine „Art ‚Superrat‘“ entstehen. Auch sei nicht auszuschließen, dass künftige Personalwahlen des Rates der EKD beeinflusst würden, weil die „Grenzfähigkeit“ der Bevollmächtigten eine entscheidende Rolle spiele. Daher müsse eine „Zwischenlösung“ gefunden werden. Der Rat sah sich zwar bereit, dem Vorschlag der Konferenz Rechnung zu tragen, jedoch zunächst nicht in der Gestalt von „Bevollmächtigen“, sondern mit einer „beauftragten Besuchergruppe, der wie bisher Wilm und Heintze angehören sollen, die aber nach dem Ausscheiden von Riedel und Benn wieder aufgefüllt werden muß“. Die weitere Beteiligung von Vertretern der Kirchenkanzlei werde dabei auch zukünftig als selbstverständlich vorausgesetzt. Der Rat beschloss, OKR Schmitz und Vizepräsident Füllkrug zu bitten, der beauftragten Besuchergruppe beizutreten. Falls Wilm an einer Begegnung oder Ratssitzung nicht teilnehmen könne, sollte ein anderes Mitglied der Besuchergruppe dem Rat Bericht erstatten.8 Zur Verwirklichung dieser Pläne schrieb Lingner wenige Tage später den braunschweigischen Landesbischof Gerhard Heintze, den westfälischen Präses 6

V. Benn, G. Heintze, H. Riedel, E. Wilm (Ratsmitglied). Protokoll (Kramer) der Sitzung des Vorstands der KKL in der DDR am 3.10.1969 in Berlin, S. 1 (EZA, 102/47). 8 Vertraulicher Anhang (Hammer) zum Protokoll der Ratssitzung am 23./24.10.1969 in Berlin (EZA, 2/1773). 7

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Die Beratergruppe und der Ost-West-Dialog

Ernst Wilm, den schleswig-holsteinischen Bischof Alfred Petersen, Vizepräsident Armin Füllkrug und OKR Otto Schmitz an. Er berichtete, dass der Vorstand der KKL zur Praktizierung von 4 (4) den Beschluss gefasst habe, eine „Gruppe von leitenden Kirchenmännern zu benennen, die zusammen mit dem Vorstand die gemeinsamen Aufgaben der Christen in der DDR und in der Bundesrepublik beraten“. Der Rat der EKD habe auf seiner letzten Sitzung die Anregung des KKL-Vorstands aufgenommen und die Empfänger von Lingners Schreiben für die Aufgabe ausgewählt. Lingner wies darauf hin, dass es sich bei der vorgesehenen Ost-WestGruppe um ein Provisorium handele, mit dem die Zeit überbrückt werden solle, bis den Mitgliedern des Rates der EKD die Einreise in die DDR gestattet werde: „Es kann kein Zweifel sein, daß sowohl dem Rat der EKD als auch den Organen des Bundes in der DDR sehr daran gelegen ist, daß die gemeinsamen Gespräche mit der Zeit einen wirklich verbindlichen Charakter bekommen“. Problematisch sei es allerdings, einen Termin zu finden, an dem ein erstes Treffen stattfinden könnte. Von den EKD-Vertretern seien alle Terminvorschläge aus der DDR abgelehnt worden, so dass nun nur noch der 15. Dezember übrig geblieben sei. Eine Absage auch dieses Datums – so betonte Lingner ausdrücklich – sei unbedingt zu vermeiden, da sie „die Brüder im Osten sicher sehr erschrecken“ würde.9 Im Rahmen seines „Referenten-Berichts“ konnte Lingner am 27. November mitteilen, dass die von den beiden Kirchenbünden Beauftragten in dieser Konstellation erstmalig am 15. Dezember in Ost-Berlin zu einer Unterredung zusammentreffen würden. Die vom Rat der EKD für die Übernahme dieser Aufgabe angefragten Personen10 hätten sich ausnahmslos bereit erklärt, an der Gesprächsgruppe mit den Mitgliedern des Vorstands der KKL teilzunehmen.11 Damit waren erst einmal die Weichen für den Arbeitsbeginn der gemeinsamen Gesprächsgruppe von Bund und EKD gestellt. Allerdings gingen beide Seiten nicht ohne Vorbelastungen in die Verhandlungen. Während die EKD sowohl aus verständlichen als auch weniger nachvollziehbaren Gründen ihre Abgesandten nicht mit umfassenden Vollmachten auszustatten bereit war, gelang es wiederum dem KKL-Vorstand nicht, gewisse Zweifel der westlichen Brüder hinsichtlich der Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit ihres Willens am Festhalten der „besonderen Gemeinschaft“ auszuräumen. Das Gespräch mit den westlichen Brüdern bereitete der KKL-Vorstand am 15. Dezember 1969 vor. Verschiedene grundsätzliche Problemstellungen sollten diskutiert werden. Es müsse zum Beispiel geklärt werden, mit welchen Voll9 Schreiben Lingner an Wilm/Heintze/Petersen/Füllkrug/Schmitz vom 28.10.1969, S. 2 (EZA, 2/01/1427). 10 Petersen, Heintze, Wilm, Füllkrug und Schmitz. 11 Lingner, 27.11.1969: „Referenten-Bericht über die Lage Ost-West“, S. 1 (EZA, 2/93/1492).

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machten die Gesprächspartner aus BEK und EKD ausgestattet seien. Zur Frage eines gegenseitigen Austauschs von Protokollen überlegten die Mitglieder des Vorstands, ob das Problem thematisiert werden sollte, dass ein „formeller Austausch“ der Sitzungsniederschriften wegen des unerwünschten, jedoch „nicht auszuschließenden publizistischen Auftauchmoments“ vermutlich unüberwindliche Schwierigkeiten bereite. Der KKL-Vorstand kam überein, dass es ein gangbarer Weg sei, nach jeder Sitzung einen Informationsaustausch „mit leichter Hand“ zwischen dem Leiter des BEK-Sekretariats und dem EKD-Beauftragten erfolgen zu lassen.12 Die ersten beiden Treffen zwischen KKL-Vorstand und „Besuchergruppe“ Am Abend des gleichen Tages kam es dann zu der Begegnung zwischen den fünf Mitgliedern des Vorstands der KKL sowie Stolpe und den fünf Mitgliedern der westlichen „Besuchergruppe“ in der Ost-Berliner Auguststraße.13 Zunächst hatte Schönherr die Anwesenden darüber informiert, dass die zwecks Verhandlungen über eine Mitgliedschaft des BEK im ÖRK vorgesehene Reise von Gottfried Noth, Ingo Braecklein und ihm selbst nach Genf habe abgesagt werden müssen. Nachdem Noth von der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen die Ausreise verweigert worden sei, hätten Schönherr und Braecklein ihre Anträge zurückgezogen.14 In diesem Zusammenhang baten die Vorstandsmitglieder den Rat der EKD um die Klärung der Frage, wie die Vertreter des DDR-Kirchenbundes und der EKD in der Mitgliederliste des ÖRK aufgeführt werden sollten. Für wünschenswert halte es der KKL-Vorstand, wenn die Namen der Mitglieder beider deutscher Staaten direkt aufeinander folgten. Doch würden in der Regel die ÖRK-Mitgliedskirchen und ihre Vertreter in alphabetischer Reihenfolge entsprechend der Ländernamen verzeichnet, so dass die Bundesrepublik Deutschland und die DDR nicht unmittelbar hintereinander geführt würden. Die „Besuchergruppe“ stimmte nicht nur dem Vorschlag zu, den ÖRK um ein Abweichen von der üblichen Länderreihenfolge zu ersuchen, sondern auch darum zu bitten, die Mitglieder aus der DDR vor denen aus der Bundesrepublik zu nennen. Die nächste Information für die westlichen Kirchenvertreter betraf die 12 Protokoll über die Sitzung des Vorstands der KKL am 15.12.1969 in Berlin, S. 3 (EZA, 102/47). 13 Die Teilnehmer waren: Schönherr, Noth, Braecklein, Juergensohn, Kramer, Stolpe aus der DDR und Wilm, Heintze, Füllkrug, Schmitz, Lingner von der EKD (Protokoll [Lingner] über die Sitzung des KKL-Vorstands mit der Beratergruppe des Rates der EKD (West) am 15.12.1969 [EZA, 4/67]). 14 Der Protokollant vermerkte an dieser Stelle, dass Schönherr zum Zeitpunkt der Protokollniederschrift (undatiert, vermutlich 13.1.1970) eine Zusage für alle drei Vertreter des Bundes erhalten habe, so dass die Reise Ende Januar angetreten werde (EBD., S. 1).

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Die Beratergruppe und der Ost-West-Dialog

von ENA-Redakteur Günter Lorenz verfasste Meldung über die Haltung des Rates zur Gründung des DDR-Kirchenbundes, für die der Vorstand der KKL Lorenz in einer persönlichen Unterredung gemaßregelt hatte mit dem Hinweis, derartige Presseverlautbarungen nicht akzeptieren zu können.15 In diesem kleinen Kreis bat Schönherr jedoch die Anwesenden aus der Bundesrepublik, dem Rat der EKD nochmals den Wunsch des Vorstands nach einer Spezifizierung des „Deutschland“ in der Bezeichnung „EKD“ – beispielsweise in Form von „EKD (BR)“ – weiterzugeben. Eine solche Namensänderung sei grundsätzlich der „Zusammengehörigkeit zwischen Ost und West dienlicher“ und könne gleichzeitig dem Zusammentreffen vom Rat der EKD mit Organen des BEK den Weg ebnen. Die Veränderung der Nomenklatur bewerteten die westlichen Vertreter als heiklen Punkt, über den zweifelsohne in naher Zukunft keine Entscheidung zu erwarten sei, zumal „von verschiedensten Seiten“ deutlich grundlegendere Fragen an die EKD herangetragen worden seien, deren Klärung Priorität hätten. Auch gehöre der Beschluss über eine wie immer geartete Änderung der Bezeichnung EKD nicht in den Zuständigkeitsbereich des Rates, sondern müsse auf der kommenden Synode thematisiert werden. Fest stünde: „Weder die Synode noch der Rat der EKD würden es sich erlauben können, die Frage nach einer neuen Nomenklatur lediglich unter dem Gesichtspunkt Ost-West zu erörtern.“ Eine längere Diskussion erforderte der mit einer Gegenstimme und vier Enthaltungen gefasste Beschluss der KKL vom 22. November16, mit dem das Ende der Mitgliedschaft der acht DDR-Landeskirchen in der EKD verkündet worden war. Unter Bezug auf die Erklärung des Rates vom 26. September war die Folgerichtigkeit einer Überprüfung und gegebenenfalls Berichtigung der Nomenklatur der gliedkirchlichen Organe formuliert worden mit der Option, dass die Konferenz auch „einen generellen Feststellungsbeschluß einer Gliedkirche für möglich“ halte. Die Mitglieder des KKL-Vorstands erläuterten, dass der Beschluss eine Reaktion gewesen sei auf die Ankündigung der Thüringer Vertreter, ihre Synode werde am 5. Dezember „ihre Verfassung berichtigen“.17 Braecklein 15

Lorenz hatte in der ENA-Ausgabe XXII/41 vom 9.10.1969 unter der Überschrift „Die Lage der westdeutschen EKD“ geschrieben: „Befremdlich ist demgegenüber, daß der Rat trotz der grundsätzlich veränderten Sachlage, von deren Respektierung in seiner Erklärung gesprochen wird, es nach den Worten von Öffentlichkeitsreferent Oberkirchenrat Wilkens ‚nicht für vordringlich‘ hält, den Namen ‚Evangelische Kirche in Deutschland‘ in eine die Beschränkung des Wirkungsbereichs auf Westdeutschland und Westberlin sachgemäß ausdrückende Bezeichnung zu ändern“. 16 Auszugsweiser Abdruck des Beschlusses in: KJ 1969 (96. Jg.), S. 4. 17 Tatsächlich wurde im Zuge der Tagung der thüringischen Landessynode am 7.12.1969 ein verfassungsänderndes Gesetz von der Mehrheit der Synodalen angenommen. So hatten die Thüringer die bereits auf ihrer Synode Anfang Mai verkündete Niederlegung der Mandate ihrer Synodalen in der EKD-Synode mit der Aufhebung ihrer Mitgliedschaft als Gliedkirche der EKD verfassungsrechtlich bekräftigt.

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übernahm es, den Anwesenden die – rein rechtlichen – Motive für diese Maßnahme zu erörtern. Im Kontext der Bischofsneuwahl habe man eine Änderung an der Verfassung vornehmen müssen und sei dabei um die „weitergehende Frage der Zugehörigkeit zur EKD“ nicht herumgekommen. Vor allem Füllkrug bewertete diese Argumentation als „wenig überzeugend“. Die Vorstandsmitglieder berichteten, auf ihrer Sitzung am 22. November ernsthaft überlegt zu haben, ob die Ankündigung der thüringischen Kirche so gewichtig sei, dass die kirchliche Gemeinschaft mit Thüringen aufgegeben werden müsse. Obwohl letztlich diese Konsequenz nicht gezogen wurde, seien die meisten KKL-Mitglieder ehrlich bestürzt über den Vorgang. Die westlichen Kirchenvertreter wiederum kritisierten aufs Schärfste, über derart schwerwiegende Ereignisse, die gemäß Art. 4 (4) zweifellos die Christen in Ost- und Westdeutschland beträfen, nicht von ihren Brüdern in der DDR unterrichtet worden zu sein, sondern nur durch die Medien davon erfahren zu haben. Einige Kirchenleitende in der Bundesrepublik hätten geäußert, dass die Verantwortlichen des BEK gegenüber denen des Rates der EKD „mit verdeckten Karten spielen“ wollten. Allerdings habe die Besuchergruppe nun den Eindruck, der KKL-Beschluss sei „nicht leichtfertig“ gefasst worden, auch wenn er im Widerspruch zu den kontinuierlichen Bekräftigungen der Kirchen in der DDR stünde, ihre „verfassungsmäßige Verankerung und Zugehörigkeit“ zur EKD keinesfalls aufgeben zu wollen.18 Für ihr nächstes Zusammentreffen fassten die Anwesenden ins Auge, die Zielstellung dieser Ost-WestUnterredungen zu klären. Die westlichen Besucher kamen überein, ihrerseits vor den Zusammenkünften mit dem Vorstand der KKL in Ost-Berlin jeweils ein internes Vorgespräch im Westteil der Stadt zu führen.19

18 Offenbar hatten die Erläuterungen des KKL-Vorstands nicht die nötige Überzeugungskraft. Vermutlich Lingner vermerkte am 1.2.1970, dass das Kollegium der Kirchenkanzlei es für „für erforderlich und redlich [halte], daß die KKL des BEK ausdrücklich erklärt, daß die Interpretation der Erklärung des Rates der EKD vom 26.9.1969 in dem Beschluss der Konferenz vom 22.11.1969 unzutreffend ist. Es geht besonders darum, daß die Zugehörigkeit der östlichen Gliedkirchen zur EKD durch die Erklärung des Rates nicht in Zweifel gezogen worden ist“. Schönherr reagierte später mit der Bemerkung, die KKL könne keinen Widerspruch zwischen der Erklärung des Rates der EKD vom 26.9.1969 und der Erklärung der KKL vom 22.11.1969 erkennen (Vermerk [o. A.] aus der Berliner Kirchenkanzlei vom 1.2.1970 [EZA, 4/296]). 19 Protokoll (Lingner) über die Sitzung des KKL-Vorstands mit der Beratergruppe des Rates der EKD (West) am 15.12.1969, S. 2 (EZA, 4/67). – Während die westlichen Abgesandten sich auf dieses erste Treffen nicht extra vorbereitet hatten, zogen sie für weitere Zusammenkünfte Vortreffen in ihrem Kreis in Erwägung, was bereits bei der zweiten Begegnung umgesetzt wurde. Da das Treffen am 15.12. abends stattfand, war über den im Gegensatz zu einer Einreise am Mittag „auffälligeren“ Grenzübergang von kirchenleitenden Persönlichkeiten gesprochen und überlegt worden, ob „wahrheitsgemäß“ als Einreisemotiv das Treffen mit dem KKL-Vorstand angegeben werden sollte. Leider findet es an keiner Stelle Erwähnung, wie die Besuchergruppe letztlich vorgegangen ist.

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Wie geplant, berieten die Kirchenvertreter aus Ost- und Westdeutschland am 2. Februar 1970 zunächst über den Status der westlichen „Beratergruppe“ und in diesem Kontext auch über die Bedeutung des gesamten Ost-West-Kreises. Die Mitglieder des KKL-Vorstands verdeutlichten noch einmal, dass sie diese Gespräche als „Praktizierung“ des Art. 4 (4) verstanden wissen wollten. Aus diesem Grund und um der Verbindlichkeit willen sei es wichtig, dass der Vorstand mit „Abgesandten des Rates der EKD mit gewissen Vollmachten“ verhandele. Stellvertretend für die Vertreter der EKD erläuterte Wilm, dass der Rat sich durchaus darüber im Klaren sei, dass „eigentlich“ Mitglieder des Rates die angemessenen Gesprächspartner des Vorstands der KKL wären. Da dies aufgrund der Einreisebeschränkungen in die DDR derzeit nicht zu bewerkstelligen sei, müsse die westliche „Beratergruppe“ als vorübergehende Kompromisslösung akzeptiert werden. Die anwesenden EKD-Vertreter seien für die Gesprächstreffen mit den Vorstandsmitgliedern zwar bevollmächtigt, jedoch handele es sich keineswegs um eine „Art Generalvollmacht“, die verbindliche Absprachen ermögliche: „Jede konkrete Absprache bedürfe einer besonderen Bevollmächtigung durch den Rat“. Was also den „Status“ der Beratergruppe anbelange, werde der Rat der EKD darüber und über die Frage, ob die Beratergruppe aus der Bundesrepublik zumindest partiell an den Ratssitzungen teilnehmen dürfe, noch befinden müssen. Ebenfalls ungeklärt sei, ob die vom Rat Entsandten die Niederschriften der Ratstagungen erhielten. Angesichts der bestehenden Unsicherheiten sei eine „Firmierung“ der Beratergruppe-West „zweitrangig“. Einig waren sich die Vertreter beider Kirchen, dass es keinen „offiziellen“ Austausch der Sitzungsprotokolle der KKL beziehungsweise ihres Vorstands und dem Rat der EKD geben solle. Jedoch könnten die Niederschriften jeweils gegenseitig „inoffiziell“ bekannt gegeben werden. Stolpe und Lingner sollten darüber entscheiden, ob in speziellen Fällen Auszüge von Protokollen einem „weiteren Kreis in Ost und West“ zugänglich gemacht werden könnten. Der KKL-Vorstand gab sein Einverständnis, „in der jetzt eingeführten Weise“ weiterhin „Gesetze u. a.“ aus der DDR im EKD-Amtsblatt abdrucken zu lassen. Eine Vorgabe allerdings sei, auch den Fundort nachzuweisen. Schönherr berichtete von den Ergebnissen seines Besuchs beim ÖRK in Genf.20 Generalsekretär Blake habe ihm ein „aide mémoire“ präsentiert, aus dem Folgendes hervorgehe: Sowohl der DDR-Kirchenbund als auch die einzelnen Landeskirchen gelten als „Partner“ des ÖRK. Entsprechende Informationen würden demnach ebenso dem Bund wie den Gliedkirchen zugestellt. Beratungen erfolgten direkt 20 Schönherr, Noth und Braecklein waren nach einigen Auseinandersetzungen um die Ausreisegenehmigungen vom 28.–30.1.1970 beim ÖRK in Genf zu Besuch gewesen, um über die Modalitäten einer Mitgliedschaft der Kirchen in der DDR zu beraten. Vgl. dazu den Teilabdruck des Protokolls und des offiziellen Pressekommuniqués in: KJ 1970 (97. Jg.), S. 298ff.

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mit dem BEK, der als Vermittler zwischen ÖRK und den DDR-Landeskirchen fungiere. Offizielle Gesprächsprotokolle sollten inhaltlich mit den „konfessionellen Weltbünden abgesprochen“ werden. Die EKD werde nur in Kenntnis gesetzt, nicht aber an Verhandlungen beteiligt werden, um zu vermeiden, dass deren „bilateraler Charakter“ in Frage gestellt werden könnte. Was die Benennung der ÖRK-Mitgliedskirchen in den offiziellen Listen anbelangte, gebe es für die EKD und den BEK drei Möglichkeiten: „1. Die Mitglieder beider deutscher Staaten werden untereinander aufgeführt, ohne daß eine gemeinsame Überschrift über den Mitgliedern steht. 2. Über den Mitgliedern beider deutscher Staaten steht als Überschrift ‚Die deutschen Staaten‘ oder ‚Deutsche Staaten‘. 3. Die gemeinsame Überschrift lautet: ‚Deutschland‘.“

Während Schönherr die erste Variante als sinnlos erachtete, da ohne die gemeinsame Überschrift auch jeglicher Hinweis auf die Existenz der „besonderen Gemeinschaft“ zwischen EKD und Kirchenbund fehle, verwarf er die dritte Möglichkeit wegen der „nicht mehr definierbaren“ Bezeichnung „Deutschland“. Der Vorstand der KKL stimmte mit Schönherr überein, dass die zweite Lösung die beste sei und bat den Rat um eine „klare Meinungsäußerung“. Auch die westdeutschen Berater bevorzugten tendenziell den 2. Vorschlag.21 Vom Rat um eine Stellungnahme in der Frage gebeten, ob zur Tagung der EKD-Synode in Stuttgart auch Vertreter der Bundesregierung eingeladen werden sollten, äußerten die Mitglieder des Vorstands einhellig ihre Bedenken. Dennoch könne und wolle der Vorstand keine „förmliche Bitte“ an den Rat richten, auf eine solche Einladung zu verzichten. Die östlichen Vertreter gaben jedoch für eine Entscheidung zu bedenken, dass es sich bei der Synodaltagung noch um eine regionale Tagung handele. Die „Beratergruppe“ räumte zustimmend ein, dass der Ratsbeschluss vom 26. September noch ratifiziert werden müsse und bis zu diesem Zeitpunkt der Wirkungsbereich der EKD „nicht auf das Bundesgebiet und Berlin (West) beschränkt“ sei. Der Rat werde sicher berücksichtigen, dass „eine Einladung von Vertretern der Bundesregierung zur Synode der EKD die Brüder im Osten beschweren würde“. Im Gegensatz dazu bewertete der Vorstand das Angebot, Vertreter des Bundes zu EKD-Synode einzuladen, als selbstverständlichen Ausdruck der Praktizierung von 4 (4), räumte jedoch ein, dass dem mit ziemlicher Sicherheit derzeit nicht entsprochen werden könne. Nachdem Wilm und Lingner vom Verlauf der Sitzung des Rates Mitte Januar berichtet hatten, klärte Schönherr die Anwesenden über die komplizierte Lage der Berlin-branden21 Protokoll (Lingner) über die Sitzung des Vorstands der KKL und der vom Rat der EKD entsandten Beratergruppe am 2.2.1970, S. 1, 2, 3 (EZA, 4/293). – Lingner wandte sich am 10.3.1970 an Blake und bat um die Übersendung des „aide mémoire“.

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burgischen Kirche auf. Das Besondere daran sei, dass die Kirche im Grunde faktisch zweigeteilt sei, während an der bestehenden rechtlichen Einheit festgehalten werde. Unter anderem wegen der kontinuierlichen staatlichen Pressionen, eine klare Trennung der Kirche in Berlin-Brandenburg vorzunehmen, aber auch angesichts innerkirchlich zum Ausdruck gebrachter Anliegen, sei ihm – als Verwalter des Bischofsamtes – von der östlichen Berlin-brandenburgischen Kirchenleitung per Beschluss die Anrede mit dem Titel „Bischof“ zugebilligt worden.22 Über diese Beratung zwischen Ratsbeauftragten und KKL-Vorstand informierte Wilm den Rat eine gute Woche später auf dessen Sitzung in Hannover. Er gab die vom Vorstand nun bereits wiederholt geäußerte Bitte weiter, der Rat möge den Kirchenvertretern aus der Bundesrepublik eine „förmliche Beauftragung“ dazu erteilen, bei den Ost-West-Gesprächen im Namen des Rates zu verhandeln. Auf diesem Wege könnten sich die Beteiligten von der weitgehenden „Unverbindlichkeit“ der Zusammentreffen befreien. Ferner sei ein „inoffizieller“ Protokollaustausch ins Auge gefasst worden. Die Mitglieder der Beratergruppe hätten sich außerdem für eine Veröffentlichung der Gesetze des BEK und seiner Gliedkirchen in einem speziellen Anhang des EKD-Amtsblattes ausgesprochen. Was die Beziehungen der DDR-Kirchen zum ÖRK anbelangte, habe man sich auf eine „unmittelbare“ Verbindung geeinigt. Die EKD und der BEK sollten in den Mitgliedslisten des Ökumenischen Rates direkt untereinander unter der übergreifenden Länderbezeichnung „Deutschland“ oder „Deutsche Staaten“ aufgeführt werden. Allerdings tendiere der Kirchenbund zwangsläufig zur letztgenannten Variante, da von Seiten des Staates „amtlich“ mitgeteilt worden sei, dass die DDR-Regierung den Oberbegriff „Deutschland“ nicht akzeptieren werde. Die Anwesenden hätten über die Möglichkeit diskutiert, die englische Bezeichnung „German Churches“ zu verwenden. Nach einer Aussprache fassten die Ratsmitglieder folgende Beschlüsse: Der Austausch von Sitzungsprotokollen des Rates und der KKL wurde befürwortet. Auch sollten die westlichen Mitglieder der Kontaktgruppe die Ratsniederschriften erhalten und – „soweit notwendig“ – zu den Sitzungen des Rates eingeladen werden. Hinsichtlich der Nomenklatur in den ÖRK-Mitgliedslisten23 wurde Lingner beauftragt, mit dem 22

Protokoll (Lingner) über die Sitzung des Vorstands der KKL und der vom Rat der EKD entsandten Beratergruppe am 2.2.1970, S. 3, 4 (EZA, 4/293). 23 Über das Kirchliche Außenamt der EKD erhielten die Mitglieder des Rates die neuen Mitgliedslisten des ÖRK. Auf der Ratssitzung am 23./24. September 1970 wurde demnach zur Kenntnis genommen, dass die Kirchen des Bundes und die der EKD unter der Hauptüberschrift „‚Deutsche Kirchen‘ (German Churches)“ aufgeführt wurden. Nochmals aufgegliedert durch die Untertitel „Bundesrepublik Deutschland“ und „Deutsche Demokratische Republik“ waren die den jeweiligen Kirchen angehörenden Gliedkirchen einzeln aufgelistet. Zusätzlich wurde in einem Vermerk darauf hingewiesen, dass „der Bund die Vertretung seiner Gliedkirchen unbeschadet ihrer Einzelmitgliedschaft beim ÖRK“ wahrnehme (Auszug aus Protokoll über die Ratssitzung am 23./24.9.1970 [EZA, 2/01/1422]).

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Vorstand der KKL darüber zu beraten. Ferner solle der Präses der EKD-Synode die KKL zur regionalen Tagung in Stuttgart [10.–15.5.1970] einladen. Die erwünschte Publizierung von Kirchengesetzen des Bundes im Amtsblatt der EKD sei bereits seit Sommer 1969 veranlasst.24 Im Anschluss an Lingners Bericht über die Arbeit der Kirchen in der DDR kam der Rat am 18./19. März überein, seine „Beratergruppe“ zur Sitzung im April einzuladen, wobei keine Notwendigkeit gesehen wurde, die Mitglieder an der gesamten Ratstagung zu beteiligen. Verteilt wurde auch eine Vorlage für die Erklärung der Synode und der Kirchenkonferenz der EKD zur Bundesgründung und zur Rechtslage innerhalb der EKD.25 Lingner hatte im Kontext der geplanten Grundsatzerklärung der Synode der EKD die Ansicht der östlichen Brüder weitergegeben, dass die SED-Regierung zwar den BEK nicht anhand von Erklärungen der EKD beurteilen würde, jedoch ohne Zweifel die Art der Stellungnahme der EKD zur Bundesgründung die kirchlichen Beziehungen beeinflussen werde. Nur wenn Bund und EKD für den Staat erkennbar und eindeutig „gleichberechtigt“ seien, könne unter Umständen auf eine Tolerierung „offizieller Beziehungen“ zwischen den Kirchen gehofft werden. Jeder noch so leise Anklang, dass der Kirchenbund in der DDR und die westdeutsche EKD eventuell durch eine „heimliche Rechtsklammer“ verbunden blieben, würde die Chancen auf die Praktizierung der „besonderen Gemeinschaft“ zunichte machen. Daher bevorzuge der KKL-Vorstand, dass der EKD-Synode die „Fassung des ursprünglichen Entwurfs“ einer Erklärung zur Verabschiedung vorgelegt werde.26 Nomen est omen Am 26. März richtete Lingner ein Schreiben an die Kirchenkanzlei der EKD, um über den Stand der Erörterungen über eine adäquate Benennung der „Besuchergruppe“ des Rates zu informieren. So habe eine Referentenbesprechung in Hannover zu dem übereinstimmenden Ergebnis geführt, dass der Wunsch des KKL-Vorstands, die Bezeichnung „Bevollmächtigtengruppe“ zu verwenden, „nicht annehmbar“ sei. Gleichzeitig hätten die Referenten den Namen „Besuchergruppe“ als in der Tat zu unverbindlich ebenfalls verworfen. Letztlich sei die Wahl auf den Terminus „Beratergruppe“ gefallen und dem Rat sogleich die entsprechende Mitteilung gemacht worden. Nur habe dies in der Niederschrift über die Ratssitzung keine Berücksichtigung gefunden. Auch wenn also im Pro24 Vertraulicher Anhang zu Niederschrift (Niemeier) über die 36. Sitzung des Rates der EKD am 11./12.2.1970 in Hannover, S. 1, 2 (EZA, 2/93/754). 25 Niederschrift (Lingner) über die 37. Sitzung des Rates der EKD am 18./19.3.1970 in Berlin, S. 5 (EZA, 2/93/755). 26 Vermerk Lingner vom 18.3.1970 (EZA, 4/293).

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tokoll wieder von der „Besuchergruppe“ gesprochen worden sei, habe man auf eine Korrektur verzichtet, „weil die Einführung der richtigen Bezeichnung auch ohne Protokolländerung möglich erschien“. Lingner klagte, dass jetzt in den Schriftwechseln der EKD-Kirchenkanzlei alle Bezeichnungen „durcheinander“ gingen. Die Kirchenkanzlei in Hannover verwende kontinuierlich „Besuchergruppe“, während die Berliner Stelle sich stets an „Beratergruppe“ halte. Daher sei es notwendig, diese „Uneinheitlichkeit“ abzustellen. Notfalls müsse der Rat sich mit der Namensfrage wohl noch einmal befassen, obwohl Lingner dies angesichts des seitens der Referenten und der Ratsmitglieder erklärten Einverständnisses mit der Bezeichnung „Beratergruppe“ für überflüssig halte.27 Nachdem der Rat auf seiner Sitzung vom 20. bis 23. April zunächst über den Umgang mit dem Rücktritt Puttfarckens von seiner Funktion als Präses und als Mitglied des Rates beraten hatte, berichtete Wilm, dass die „Besuchergruppe“ für ihre Verhandlungen mit dem KKL-Vorstand eine „Vollmacht, einen Namen“ sowie die „laufende Unterrichtung und konkrete Aufträge seitens des Rates“ benötige. Der Rat stellte fest, dass eine Bezeichnung von geringerer Bedeutung sei als die Notwendigkeit, die Gruppe zur Erfüllung ihres Arbeitsauftrags im Sinne von 4 (4) zu befähigen. Um auf dem politischen Minenfeld keinen falschen Schritt zu riskieren, kamen die Ratsmitglieder wiederum zu der Überzeugung, dass von einer „Institutionalisierung“ des Ost-West-Gesprächskreises abzusehen sei. Es wurde beschlossen, auf eine Namensgebung ganz zu verzichten, aber als Arbeitsauftrag zu formulieren, „daß die Gruppe bevollmächtigt ist, die vorgesehenen Gespräche in partnerschaftlicher Verbindung im Rahmen des Art. 4 Abs. 4 der Ordnung des Bundes zu führen“. Die westlichen Beauftragten sollten dem Kirchenbund über Entwicklungen im Bereich der EKD berichten und die Informationen aus dem Bund in der DDR an den Rat der EKD weitergeben. Zu den Zuständigkeiten der EKD-Vertreter zähle auch die Erledigung von speziellen Aufträgen des Rates. Die Ratsprotokolle würden ihnen übergeben, während eine Teilnahme an den Sitzungen des Rates nur „im Einzelfall erforderlich“ sei.28 Am 27. April machten die Vorstandsmitglieder den Ratsabgesandten bei ihrem Ost-West-Treffen die Mitteilung, dass im Zuge der landeskirchlichen Synodaltagungen alle Gliedkirchen des Bundes – bis auf die Landeskirche in Mecklenburg – reibungslos und ohne nennenswerte Einwände ihre „in den Verfassungen verankerte Zugehörigkeit zur EKD durch die Zugehörigkeit zum Bund ersetzt“ hätten. Die von der Berlin-brandenburgischen Synode gefassten Beschlüsse hätten insofern keine Trennung dieser Kirche bewirkt, als es nach 27

Schreiben Lingner an die EKD-Kirchenkanzlei vom 26.3.1970, S. 1, 2 (EZA, 2/93/756). Niederschrift (Dibelius) über die 38. Sitzung des Rates der EKD vom 20.–23.4.1970 in Bonn, S. 14 (EZA, 2/93/756). 28

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wie vor einen Bischof gebe. „Der Name und die Grundartikel bleiben das gemeinsame Band dieser Kirche.“ Die westlichen Brüder informierten über den im April getroffenen Ratsbeschluss, der sie zu „partnerschaftlichen Gesprächen im Rahmen des Art. 4,4 mit dem Vorstand der KKL“ bevollmächtige. Diese Entscheidung des Rates bewertete der KKL-Vorstand positiv und bezeichnete sie als „ausreichende Grundlage für die künftige Arbeit“. Dennoch kamen die Anwesenden zu der Einschätzung, dass eine konkrete Formulierung ihres gemeinsamen Arbeitsauftrags derzeit nicht möglich sei und später im Zuge erneuten Nachdenkens vorgenommen werden könne, „wenn sich aus der Praxis genügende Gesichtspunkte ergeben“ hätten. „Vorläufig“ wurden drei Arbeitsschwerpunkte in den Blick genommen: „1) Gegenseitige Information, 2) Gemeinsame Vorschläge bei anstehenden Fragen, um zwischen den östlichen und westlichen Kirchen einen Konsens herbeizuführen, 3) Beobachtung der Entwicklungen in den Kirchen in der DDR und in der BRD mit dem Ziel, festzustellen, wo gemeinsames Vorgehen oder gegenseitige Abstimmung erforderlich ist.“

Wilm schlug vor, den Rat darum zu bitten, beim regelmäßig auf seinen Tagungen erstatteten „Bericht zur Lage“ einen Platz für einen Bericht zur Situation der Kirchen in der DDR einzuräumen und abgesehen von Wilm selbst einen weiteren Vertreter der westlichen Beratergruppe an den Sitzungen des Rates teilnehmen zu lassen.29 Wie Lingner Hammer Anfang Mai berichtete, sei von den Vorstandsmitgliedern ferner die Bitte ausgesprochen worden, nach dem Austritt der östlichen Synodalen die EKD-Synode wieder auf die in der Grundordnung festgelegte Zahl aufzufüllen. Das hinter diesem Wunsch stehende Interesse des Bundes ergab sich schlicht und einfach aus der Tatsache, dass durch diesen Schritt die Absicht der EKD, ihre „Zuständigkeit der EKD auf den Bereich BR und West-Berlin“ zu begrenzen, deutlicher erkennbarer wäre und für die SEDRegierung ein weiteres Verdachtsmoment hinsichtlich des grenzübergreifenden Hineinwirkens der EKD in DDR-Territorium wegfiele.30 Am 25. Juni informierte Lingner die EKD-Kirchenkanzlei, das Lutherische Kirchenamt sowie die Kirchenkanzlei der EKU darüber, dass der Kirchenbund in der DDR vom 1. bis 3. Dezember eine Gesprächstagung veranstalten wolle, an der die leitenden Kirchenjuristen aus beiden Teilen Deutschlands teilnehmen sollten. Die Planung sei allerdings noch sehr vage, so dass es weder eine Tagesordnung gebe noch klar sei, ob Referate gehalten würden. Jedoch sei vorgesehen, aus dem Bereich der EKD sieben Juristen einzuladen, von denen einer der „Ge29 Protokoll (Lingner) über die Sitzung des Vorstands der KKL und der vom Rat der EKD entsandten Gruppe am 27.4.1970, S. 2, 3 (EZA, 4/293). 30 Schreiben Lingner an Hammer vom 6.5.1970 (EZA, 2/01/1427).

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schäftsführer der zwischenkirchlichen Verbindung nach Art. 4 Abs. 4 der GO der Ev. Kirche in der DDR“ sein solle. Eine Absprache mit Stolpe zufolge waren bereits neun Personen aus der Bundesrepublik genannt worden, die man für die Tagung gewinnen wollte.31 Die KKL-Vorstandsmitglieder trafen sich am 2. Juli 1970 wieder mit den vom Rat der EKD Beauftragten aus der Bundesrepublik, von denen allerdings nur Heintze, Schmitz und Lingner erschienen. Verhandlungspunkte waren unter anderem die Ergebnisse der Synoden von EKD, BEK und EKU sowie die Klausurtagung des Rates der EKD. Bei der gegenseitigen Berichterstattung stellten die Anwesenden fest, bereits aus anderen Kanälen hinreichend informiert zu sein. Im Kontext von Schönherrs Bericht über die zweite Tagung der Bundessynode allerdings kam zur Sprache, „daß die im epd 32 veröffentlichten Stellungnahmen von Bischof Scharf für die Brüder in der DDR immer unerträglicher“ würden. Für den SED-Staat seien derartige öffentliche Äußerungen ein willkommenes Druckmittel. Im Vorfeld der BEK-Synode hätten Staatsvertreter sowohl Bundessynodale als auch Mitglieder kirchlicher Leitungsgremien mit verschiedenen Zitaten des West-Berliner Bischofs Kurt Scharf konfrontiert und sie in massivster 31 Schreiben Lingner vom 25.6.1970 (EZA, 2/93/1385). – Bei der Beratung der leitenden Juristen aus den westlichen Gliedkirchen am 28.10.1970 informierte Hammer, dass am 1. und 2. Dezember eine gemeinsame Tagung des „Neuner-Ausschusses“ mit den Kirchenjuristen aus der DDR in Berlin stattfinden solle. Zur Teilnahme erklärten sich zwei der Anwesenden bereit. Ein Jurist schlug in diesem Kontext vor, anzuregen, dass die Kirchen in der Bundesrepublik sich bei den „zuständigen Stellen dafür verwenden, daß von den Besatzungsmächten in Berlin im Rahmen der jetzt laufenden Gespräche die bestehenden Einschränkungen der Religionsfreiheit und der Menschenrechte beteiligt oder zumindest gemildert werden“ (Niederschrift [Hammer] über die Besprechung der leitenden Juristen aus den Gliedkirchen am 28.10.1970 in Hannover, S. 2 [EZA, 2/93/1386]). 32 Bereits in EPD DOKUMENTATION 13/70 (S. 7f.) war ein Interview mit Scharf abgedruckt worden, in dem er eine Interpretation von 4 (4) vornahm und über die Bedeutung der „besonderen Gemeinschaft“ für die Berlin-brandenburgische Kirche sprach. Weitere westliche Zeitungen hatten daraus zitiert. – Gemeint waren in diesem Fall jedoch die Auslegungen Scharfs auf der regionalen Tagung (West) der Berlin-brandenburgischen Synode vom 18.–21.6.1970, über die epd Ende Juni mehrfach berichtete hatte. Scharf hatte in seinem Rechenschaftsbericht zur Frage der kirchlichen Einheit die Verfremdung des eigentlichen Problems durch v. a. außerkirchliche Themen bemängelt und das „geistliche und kirchliche“ Füreinandereinstehen von Bund und EKD bar jeder gegenseitigen rechtlichen Einflussnahme hervorgehoben. Der Berlin-brandenburgischen Kirche im Westbereich komme hinsichtlich der Realisierung und Praktizierung von Art. 4 (4), der durch den Synodenbeschluss von Stuttgart auch für die westliche EKD gelte, eine wichtige Funktion zu. Da die EKiBB ebenfalls Gliedkirche der EKU sei, bezeichnete Scharf sie als Testfall für die EKU. Doch hatte er sich im Gesamtkontext gleichfalls positiv über die Ostpolitik der Bundesregierung geäußert. Auch wenn Scharf betont hatte, die Deutschland- und Ostpolitik müsse sich nicht zwangsläufig auf „eine zu bewahrende oder preiszugebende übergreifende gemeinsame Organisation der Landeskirchen oder Kirchengemeinschaft im innerdeutschen Bereich“ auswirken, hatte er im Rahmen seiner Ausführungen bestimmte Reizworte wie „völkerrechtliche Anerkennung der DDR“ und „Hallstein-Doktrin“ verwendet. Angesichts der erfahrungsgemäß sehr auf solche Schlüsselbegriffe gerichteten Auffassungsweise der DDR-Staatsvertreter war Scharfs Bericht vor der Synode zweifellos ein gefährliches Unterfangen.

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Weise zur Distanzierung aufgefordert. Wie in einigen Unterredungen zwischen Vertretern von evangelischer Kirche und Staat sehr deutlich geworden sei, trage Scharf einen erheblichen Anteil an der Verantwortung, dass den DDR-Gliedkirchen die Verpflichtung auferlegt worden sei, eine eindeutige Interpretation von Art. 4 (4) vorzunehmen oder aber in der Präambel der Bundesordnung eindeutig ihr Selbstverständnis „als sozialistische Kirche“ zu erklären. Dabei zähle für die „Brüder im Osten“ einzig und allein die – unverständliche – Tatsache, dass der Bischof diese schwere Belastung der Kirchen in der DDR offenbar in Kauf nehme. Nicht von Belang sei hingegen, ob er korrekt zitiert oder missverstanden worden sei. Denn wenn seine Äußerungen wirklich ständig fehlinterpretiert würden, müsse sich Scharf doch grundsätzlich stärker zurückhalten. Im Falle weiterer Veröffentlichungen dieser Tragweite bleibe den Vertretern des Bundes nur die Möglichkeit, entweder in „geeigneter und scharfer Form“ ihren Widerspruch zu formulieren oder die „jeweiligen leitenden Ämter zur Verfügung zu stellen“. Trotz dieser bedrohlichen Ankündigung betonten die Vorstandsmitglieder, es sei für die Kirchen in der DDR von großem Nutzen, dass die Synode der EKD im Mai mit ihrer Erklärung klar Stellung bezogen habe. Auf dieser Basis sei der Aufbau brüderlicher Beziehungen zwischen DDR-Kirchenbund und EKD vorstellbar. Besonders mit Blick auf die zukünftige Ost-West-Partnerschaft stellten Scharfs Stellungnahmen, mit denen sowohl die eindeutige Stuttgarter Erklärung als auch der unmissverständlich formulierte Art. 4 (4) verwässert und verfälscht würden, jedoch eine ernste Gefährdung dar. Die Vertreter der KKL wiesen darauf hin, sich auch „um der Ehrlichkeit dem Staat gegenüber“ nicht auf unterschiedliche Interpretationen bzw. Lesarten des Bundesordnungsartikels einlassen zu können. Die EKD-Vertreter kündigten ihrerseits an, den Rat bei der nächsten Tagung über die Vorkommnisse unterrichten zu wollen. Gesprochen wurde dann über die Frage, wie Kirchenvertreter aus der DDR ihre Reisen in die Ökumene finanzieren könnten. Eine Unterstützung aus dem Westbereich, so hielt Lingner in seinem Protokoll fest, würde zweifellos mit großer Dankbarkeit aufgenommen werden, auch wenn die Brüder aus dem Osten dies nicht förmlich beantragen wollten. Innerhalb der EKD werde derzeit das Problem erörtert. Die DR-Vertreter bevorzugten ein Modell, das ihre Reisekostenabrechungen direkt über die Zentralstelle in Genf laufen ließe und hätten angeregt, einen entsprechenden Fonds einzurichten. Auf den Hinweis, dass aus Sicht der EKD für ihre Abrechnungen mit Genf ein formaler Rahmen geschaffen werden müsse und die EKD auch für die Bestimmung der Reisekostenhöhe zuständig sei, hätten die KKL-Vorstandsmitglieder mit „vollem Verständnis“ reagiert.33 33 Niederschrift (Lingner) über die Sitzung des KKL-Vorstands und der Berlin-Gruppe am 2.7.1970, S. 3, 4, 5 (EZA, 4/293).

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Auf der Sitzung des Rates am 29. und 30. Juli informierte Heintze dann ebenfalls über das Zusammentreffen mit dem KKL-Vorstand Anfang des Monats und die dort geführte Debatte über die Konsequenzen der Äußerungen Scharfs für den Bund. Die Vertreter beider Seiten seien übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, die Eindeutigkeit von Art. 4 (4) nicht durch jedwede „Infragestellungen“ der vollkommenen Selbständigkeit des DDR-Kirchenbundes gefährden zu lassen. Von Nachteil sei gewesen – so berichtete Heintze – dass der Beratergruppe die Darlegungen von Bischof Scharf nicht im genauen Wortlaut vorgelegen hätten, zumal er sich offenbar bei seiner Beschreibung der grundsätzliche kirchlichen Aufgabenbestimmung eng an das Darmstädter Wort angelehnt habe. Aus theologischer Sicht habe Scharf wohl zum Ausdruck bringen wollen, dass die „geistliche Gemeinschaft“ auch „Leibhaftigkeit“ benötige. Nur müssten dabei eben die herrschenden Konditionen bedacht werden. Jedenfalls werde die „besondere Gemeinschaft“ von den östlichen Brüdern mit ganzer Ernsthaftigkeit praktiziert, und der BEK wünsche, dass dies zukünftig so bleibe. Daher regte Heintze an, den Vorstandsmitgliedern gegenüber ausdrücklich noch einmal zu vermitteln, dass der Rat „vorbehaltlos“ an der Stuttgarter Erklärung festhalte und die Entschließungen der BEK-Synode aufnehme. Bischof Scharf selbst setzte den Rat über seine mittlerweile mit den Brüdern aus der DDR getroffene „Vereinbarung“ in Kenntnis, von nun an „sofort, wenn ihm künftig Pressemitteilungen ähnlicher Art“ bekannt würden, „den vollen Wortlaut zur Verfügung“ zu stellen und notfalls auch „für Berichtigungen und Ergänzungen im Westbereich“ zu sorgen. Der Ratsvorsitzende beauftragte Heintze, beim nächsten Ost-West-Gespräch folgende „Meinung des Rates“ zu übermitteln: Falls es zu vergleichbaren Ereignissen kommen sollte, müsse die „unmittelbare Fühlung mit den Brüdern“ gewährleistet sein. Jede Stellungnahme, die ansatzweise politisch interpretierbar sei, dürfe sowohl von den Kirchenvertretern in der Bundesrepublik als auch von denen in der DDR nur mit äußerster Umsicht abgegeben werden. Abschließend erwähnte Heintze noch, dass seitens des Bundes das Interesse bekräftigt worden sei, zu den Tagungen der EKD-Synode eingeladen zu werden, „jedoch nicht zur nächsten“, die für den 18. bis zum 21. Februar 1971 in Berlin-Spandau angesetzt war.34 Auch im Rahmen der Referentenbesprechung am 11. August waren die Schwierigkeiten Thema, die sich aus Scharfs Äußerungen für den Kirchenbund in der DDR ergeben hatten. Lingner informierte über den daraus resultierenden Entschluss der östlichen Brüder, zu den KKL-Vorstandssitzungen jeweils einen Vertreter einer Kirchenleitung der EKD-Gliedkirchen einzuladen. Die Referenten regten an, dafür nach Möglichkeit Persönlichkeiten zu entsenden, die 34 Niederschrift (Becker) über die 43. Sitzung des Rates der EKD am 29./30.7.1970 in München, S. 14f. (EZA, 2/1774).

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eine Einreisemöglichkeit haben und nicht als zu einseitig festgelegt gelten. Genannt wurden die Namen Helmut Hild, Helmut Claß, Hans Thimme, Erich Vellmer und Hermann Greifenstein.35 Schönherr teilte den Mitgliedern der Beratergruppe auf ihrer Sitzung am 15. September mit, dass die Kirchen in der DDR neuerdings „ideologisch“ mit „härteren Bedingungen“ umzugehen hätten. Vor allem zeige sich die Verschärfung der Lage am Schulwesen. Auch die Durchführung kirchlicher Veranstaltungen werde durch „administrative Maßnahmen“ erschwert. So seien im Rahmen der Kirchentagswerbung von staatlichen Organen Plakate verboten worden. Nochmals bezogen die KKL-Vorstandsmitglieder zu den „angeblich“ von Bischof Scharf stammenden Äußerungen Stellung, die der Staatssekretär für Kirchenfragen einzelnen DDR-Kirchenleitenden vorgelegt hatte. Mit dem entsprechenden Nachdruck betonten die östlichen Brüder, dass ähnliche Veröffentlichungen mit „solchen Fehlinterpretationen“ zukünftig unbedingt verhindert werden müssten, um die „kirchlichen Leitungsgremien“ in der DDR nicht wiederholt in „unangenehme Zwangslagen“ geraten zu lassen. Denn nicht zuletzt führe dies auch innerhalb des Bundes und seinen Gliedkirchen zu „erheblichen Spannungen“.36 Profilierung des vom Staat anerkannten BEK und Erweiterung der „Beratergruppe“ Am 8. Januar 1971 mussten sich die Mitglieder des KKL-Vorstands und die westlichen Berater zunächst Gedanken um die – durch das Ausscheiden von Wilm und Petersen notwendig gewordenen – Nachwahlen in ihren Kreis machen. Da den beiden Abgesandten des Rates aus der Bundesrepublik wiederholt der Grenzübertritt verweigert worden war, sahen sie keine verlässliche Möglichkeit mehr, ihre Anwesenheit bei den gemeinsamen Sitzungen zu gewährleisten.37 35

Niederschrift (Echternach) über die Referentenbesprechung vom 11.8.1970, S. 1 (EZA, 4/175). Niederschrift (Lingner) über Sitzung KKL-Vorstand und Rat-BG am 15.9.1970 in Hannover, S. 3 (EZA, 2/01/1427). – Auf einer Besprechung der EKD-Referenten am 24.11.1970 wurden die „aktuellen Probleme bei der epd-Arbeit“ diskutiert: „Eine grundsätzliche Schwierigkeit, aus der viele andere Probleme folgen, liegt offenbar in der doppelten Funktion von epd, über und für den Dialog innerhalb der Kirche wie auch über und für den Dialog zwischen Kirche und Gesellschaft informieren zu sollen“. Die Referenten kamen überein, dass über das inhaltliche Konzept weiter beraten werden müsse (Niederschrift [Kirchhoff], S. 2 [EZA, 4/175]). 37 Wie Hammer dem Vizepräsident des Kirchlichen Außenamtes der KD in Frankfurt/Main bereits im Rahmen der Vorplanung der Ratstagung am 9./10.12.1970 mitgeteilt hatte, hatte der ausscheidende braunschweigische Landesbischof Heintze am Abend des ersten Sitzungstags an einem gemeinsamen Essen mit den Ratsmitgliedern teilgenommen und im Nachgang in einem vertraulichen Gespräch einen Bericht über das letzte Treffen der Ost-West-Gesprächsgruppe erstattet (Schreiben Hammer an Hohlfeldt vom 26.11.1970 [EZA, 2/93/764]). – Zu dem TOP „Angelegenheiten der Gesprächsgruppe zu Art. 4 Abs. 4 der Ordnung des Bundes“ hatte Heintze den Rat der EKD bereits darüber informiert, dass Wilm und Petersen an den Sitzungen der Beratergruppe, deren nächste Anfang Januar 1971 statt36

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Der Vorstand der KKL regte an, bei dieser Gelegenheit die Beratergruppe auf sechs Personen (aus der Bundesrepublik) zu erweitern, wobei die Benennung eines „Theologieprofessors“ aus dem Westen und eines „weiteren Juristen“ wünschenswert sei.38 Mittlerweile, so teilten die Vorstandsmitglieder daraufhin mit, sei die Phase der Konstituierung des Kirchenbundes abgeschlossen und die seiner Profilierung angebrochen. Im Rahmen der „Ausgestaltung einer rechten Zeugnis- und Dienstgemeinschaft“ stelle sich die bedeutende Grundsatzfrage nach dem Selbstverständnis des Bundes. Deutlich herauszustellen sei, dass dieser sich als „Kirche für andere“ zeigen wolle. Dabei sei vermutlich nicht auszuschließen, dass der Aktionsradius und die Handlungsmöglichkeiten des BEK auf dem Feld der Politik bestimmt werde von dem „in der DDR vorhandenen Spielraum“. Die Hauptfrage, die sich dem Kirchenbund während der Periode seiner Profilierung stelle – und an diesem Punkt war auch die „besondere Gemeinschaft“ von EKD und BEK berührt – sei die, „wie groß die Möglichkeit gemeinsamen kirchlichen Redens als Zeugnis im Raum der DDR sein wird“. Die Beziehungen des Bundes zum Staat und seinen Organen hätten in der Gründungs- und ersten Aufbauetappe keinerlei Veränderung erfahren, und es sei davon auszugehen, dass sich daran in naher Zukunft nichts ändern werde: „Nach wie vor ist die Lage so, daß der Bund von den staatlichen Stellen de facto anerkannt aber de jure nicht akzeptiert wird.“ Demnach müsse auf dem nun zu beschreitenden Weg der Profilierung des BEK auch Art. 4 (4) „überdacht“ werden. Die Vorstandsmitglieder wiesen darauf hin, dass es zweifelsohne – und bereits jetzt erkennbar – viele Bereiche gebe, in denen die Kirchen in Ost- und Westdeutschland sehr unterschiedliche Richtungen einschlügen, wobei zunächst das „Pfarrerdienstrecht und andere Gebiete“ genannt wurden. Natürlich räumten die östlichen Brüder sofort ein, dass es gleichfalls Sachgebiete geben werde, auf denen gemeinsam gearbeitet werden könne und müsse. Zusammenfassend vermittelten die Mitglieder des KKL-Vorstands denen der westlichen Beratergruppe folgende vage Botschaft: Man werde „also verstärkt darauf achten müssen, auf welchen Gebieten gemeinsam gearbeitet werden kann, auf welchen Gebieten eine Information erforderlich ist und auf welchen Gebieten die Wege auseinandergehen“.39 Lingner schrieb am 21. Januar an den Bevollmächtigten des Rates am Sitz der Bundesrepublik, Hermann Kunst, um ihm vom Verlauf der Beratergruppensitzung zu berichten. Schönherr habe mitgeteilt – was aus Lingners Protokoll ja keineswegs hervorgeht – dass „trotz der zunehmenden Spannung zwischen Staat fände, nicht mehr teilnehmen könnten (Niederschrift [von Harling] über die 47. Sitzung des Rates der EKD am 9./10.12.1970 in Frankfurt/Main, S. 18 [EZA, 2/1775]). 38 Auszug aus Protokoll der Sitzung der Beratergruppe am 8.1.1971 (EZA, 2/01/1427). 39 Protokoll (Lingner) über die Sitzung des Vorstands der KKL und der vom Rat der EKD entsandten Gruppe am 8.1.1971, S. 2, 3f. (EZA, 4/294).

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und Kirche gewisse Anzeichen sichtbar würden, aus denen geschlossen werden kann, dass der Staat die Praktizierung des Artikels 4 Abs. 4 in stärkerem Maße dulden werde. Möglicherweise werden sogar zeitweise Einreisebeschränkungen aufgehoben werden“. Diese Einschätzung habe Schönherr im Kontext der ihm vom Struktur- und Verfassungsausschuss vorgelegten Frage abgegeben, ob die Weiterarbeit an einer möglichen Namensänderung der EKD notwendig sei. Dies habe der Bischof dahingehend beantwortet, als es ohne Zweifel von Wert sei, wenn alle im Blick auf die SED-Regierung „auch nur scheinbaren Anstöße aus dem Weg geräumt werden könnten.“ Lingners Kommentar lautete: „Seine Bemerkung hatte also mehr den Charakter einer ‚Randglosse‘“.40 Lingner gab die Informationen aus der Beratergruppe am 17. und 18. Februar 1971 an die Ratsmitglieder weiter. Er berichtete auch von den Reden des Politbüro-Mitglieds Paul Verner und des CDU-Vorsitzenden Gerald Götting während der Feierlichkeiten der CDU zum 10. Jahrestag des „Ulbricht-FuchsGesprächs“.41 Ferner konnte Lingner dem Rat mitteilen, dass sich offenbar über die Anerkennung des Kirchenbundes Verhandlungen anbahnten. In der neuen Verordnung zum Versammlungsrecht42 seien für die Kirchen allerdings nur begrenzte Befreiungen vorgesehen. Die Mitglieder des Rates debattierten gleichfalls darüber, „wie lange die EKD es sich gefallen lassen kann, von Rednern in der DDR als ‚NATO-Kirche‘ angesprochen zu werden, und ob es für den Kirchenbund eine Hilfe sein würde, wenn die EKD sich zu Zeichen politischen Druckes auf den Kirchenbund äußert“.43 Lingner übernahm es, die auf dieser Ratssitzung zur Auffüllung der Beratergruppe vorgeschlagenen Personen um ihre Mitarbeit zu bitten.44 In seinem Schreiben vom 3. März fasste er die organisatorische Auseinanderentwicklung der Kirchen im Zuge der Bundesgründung kurz zusammen, zitierte BO-Art. 4 (4) und schilderte das Zusammenkommen der westlichen Beratergruppe mit dem KKL-Vorstand. Er erläuterte, dass aufgrund der von der DDR verhängten Einreisesperre für Ratsmitglieder das Ost40

Schreiben Lingner an Kunst vom 21.1.1971 (EZA, 4/68). Am 8.2.1971, anlässlich des Jahrestags des Grundsatzgesprächs zwischen dem Hochschultheologen und CDU-Mitglied Emil Fuchs und dem damaligen Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht, hatten Verner und Götting öffentliche Referate vor dem erweiterten Präsidium und dem Hauptvorstand der CDU zur Kirchenpolitik gehalten. 42 Gemeint ist die Veranstaltungsverordnung vom 26.11.1970 (Inkrafttreten am 1.3.1971). 43 Protokoll (Dibelius) über die 49. Sitzung des Rates der EKD am 17./18.2.1971 in Berlin, S. 9 (EZA, 2/1775). 44 Bereits auf der Referentenbesprechung am 10.2.1971 war berichtet worden, dass über die personelle Bestückung der Ost-West-Gruppe mit den KKL-Vorstandsmitgliedern beraten worden sei. Da von westlicher Seite nur noch drei vom Rat Beauftragte übrig seien (Füllkrug, Heintze, Schmitz), wurde angeregt, Basse, Bornhäuser, Gräßer und Scheib zu kontaktieren und um ihre Mitarbeit zu bitten (Niederschrift [Kirchhoff] der Referentenbesprechung [Plenum] am 10.2.1971, S. 2 [EZA, 2/1835]). 41

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West-Gespräch vorerst nur in dieser Besetzung möglich sei und zählte die daran teilnehmenden Abgesandten der EKD und des Bundes auf. Da seit kurzem auch Wilm und Petersen keine Genehmigung mehr erhielten, nach Ost-Berlin einzureisen, habe der Rat beschlossen, die westliche Beratergruppe zu erweitern. Vor allem die Mitglieder des KKL-Vorstands hätten den Wunsch geäußert, einen Theologieprofessor aus der Bundesrepublik in den Gesprächskreis aufzunehmen. Aufgrund gewisser Unsicherheiten, u. a. der Möglichkeit, dass Wilm doch die Einreise wieder gestattet würde, sollten die Angeschriebenen zunächst nur an der nächsten Sitzung von Beratergruppe und Vorstand der KKL teilnehmen. Für eine erste Orientierung über den üblichen Ablauf der Zusammentreffen legte Lingner die Protokolle der letzten drei Sitzungen bei und schilderte, welche Themen am 24. März in Ost-Berlin zur Verhandlung stünden. Unter anderem werde Bischof Schönherr über die aktuellen Staat-Kirche-Beziehungen berichten. Nachdem jüngst ein offizieller Antrittsbesuch des KKL-Vorstands beim Staatssekretär für Kirchenfragen stattgefunden habe, sei der DDR-Kirchenbund „vom Staat zum erstenmal de jure anerkannt“. Über den Inhalt der in diesem Rahmen von Schönherr verlesenen Rede habe sich die KKL in einer „einigermaßen heftigen“ Debatte vorher verständigt. Sowohl Propst Siegfried Ringhandt als auch der Bischof der Kirchenprovinz Sachsen, Werner Krusche, hätten dafür votiert, die staatliche Einladung zu diesem Antrittsbesuch abzulehnen, wobei Ringhandt sogar von einer „Magna Charta der Anpassung“ gesprochen habe. Die Diskussion habe jedoch letztlich dazu geführt, dass alle Mitglieder der Konferenz sich dafür ausgesprochen hätten, Staatssekretär Hans Seigewassers Einladung Folge zu leisten. Auch Schönherrs Ansprache-Entwurf sei dann – abgesehen von der Auflage einer stilistischen Überarbeitung einzelner Formulierungen – unisono für angemessen befunden worden. Lingner räumte ein, dass der Wortlaut der Rede, der der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemachte werde, der Kirchenkanzlei weder bekannt sei noch vorliege. Abschließend versuchte Lingner, die bisherige Arbeit des Ost-West-Gesprächskreises vorsichtig zu bilanzieren. Man könne nicht behaupten, dass die bisherigen Besprechungen „sehr viele konkrete Früchte“ getragen hätten. Dennoch müsse „mit Geduld“ versucht werden, die Partnerschaft zwischen Ost und West zu profilieren. Es werde seine Zeit dauern, die „richtige Weise der partnerschaftlichen Zusammenarbeit“ herauszufinden. Störmanöver der staatlichen Stellen in der DDR müssten dabei einkalkuliert werden.45 Anders als noch auf seiner Sitzung Anfang Februar beschlossen, kam der Vorstand der KKL am 11. März – vermutlich wegen der mittlerweile erfolgten staatlichen Anerkennung des Kirchenbundes – überein, zur Eisenacher Tagung der 45 Schreiben Lingner an Basse/Scheib/Gräßer vom 3.3.1971, S. 3, 4 (EZA, 4/68). – Während Ottokar Basse und Erich Gräßer ihre Teilnahme zusagten, lehnte Ludwig Scheib die Mitarbeit ab.

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Bundessynode im Juli Vertreter nicht nur des ÖRK in Genf, sondern auch des Britischen Kirchenrates, des Ökumenischen Rates in Polen und ebenfalls eine „Persönlichkeit“ von der EKD einzuladen. Die KKL wurde gebeten, diesem Vorschlag seine Zustimmung zu erteilen. Mit Rücksichtnahme auf die DDR-Regierung sei zu beachten, dass die Staatsorgane über die geplante Einladung eines Kirchenvertreters aus der Bundesrepublik möglichst auf eine Weise informiert würden, dass sie nicht in eine „Zwangslage“ gerieten. Daher sei es wichtig, dieses Vorhaben keinesfalls vorher öffentlich zu verkünden geschweige denn ihm „große Publizität“ zu verleihen. Die Angelegenheit müsse bei der März-Sitzung des OstWest-Kreises unbedingt beraten werden.46 Ferner fasste der Vorstand der KKL ins Auge, das BEK-Sekretariat zu beauftragen, mit der Dienststelle des Staatssekretärs „einzelne Problemkreise“ zu sondieren und sich über einen „Verfahrensweg“ zu einigen, was die Durchführung verschiedener „Gespräche [von Vertretern des Bundes] mit Experten auch aus unseren Regierungsstellen“ anbelangte. Denn diese Möglichkeit der Staat-Kirche-Kommunikation hatte Staatssekretär Seigewasser beim ersten offiziellen Zusammentreffen mit dem Vorstand der KKL am 24. Februar in Aussicht gestellt. Der KKL-Vorsitzende solle „unter Berücksichtigung der Breite der Konferenz und der Experten“ gemeinsam mit dem Leiter des BEK-Sekretariats die personelle Auswahl zur Besetzung der kirchlichen Delegationen – der jeweiligen Thematik angemessen – treffen. Wichtig sei bei der zeitlichen Planung, die kommenden Wochen „zu nutzen“, während bei der Festlegung der zu entsendenden Kirchenvertreter „wegen der Kontinuität“ darauf geachtet werden solle, an den Gesprächen zumindest immer ein Vorstandsmitglied zu beteiligen. Als für den Bund zentrale „Problemkreise“ erachtete der KKL-Vorstand „etwa Bildungsfragen“, „Hochschulfragen“ und „allgemeine Rechtsfragen“. Ausgesprochen wichtig sei auch, gegenüber dem Staat die Frage eines BEK-Mitteilungsblatts und eines Pfarrer-Almanachs zur Sprache zu bringen.47 Die Mitglieder der KKL diskutierten am 13. März, wie der Kirchenbund auf die am 1. März in Kraft getretene staatliche Veranstaltungsverordnung48 reagieren sollte. Nachdem Stolpe die Verordnung aus rechtlicher Sicht bewertet und eine vorläufige Einschätzung über ihre Handhabung durch die staatlichen Organe gegeben hatte, setzte sich die KKL mit einer Stellungnahme auseinander, die von den leitenden Juristen aller DDR-Gliedkirchen ausgearbeitet worden war. Als Ergebnis einer ausführlichen Debatte erhob die KKL das Votum der Chefjuristen zur „communis opinio“ und beschloss, die Veranstaltungsverord46

Protokoll (Kramer) über die Sitzung des KKL-Vorstands am 11.3.1971, S. 1f. (EZA, 101/114). Auszug aus Protokoll (Kramer) der Sitzung des KKL-Vorstands am 11.3.1971 (EZA, 101/341). 48 Verordnung über die Durchführung von Veranstaltungen vom 26.11.1970. Abdruck in: GBl II 69/71. 47

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nung bei den anstehenden „zentralen Gesprächen zwischen Staat und Kirche im Komplex Rechtsfragen“ mit Priorität zu thematisieren. Außerdem sollten jegliche Gesprächsmöglichkeiten mit Staatsvertretern auf allen Ebenen genutzt werden, um das Unbehagen des Bundes gegenüber der Verordnung, „die völliges Unverständnis hinsichtlich der Lebensäußerungen einer ev. Kirche widerspiegelt“, zu verdeutlichen.49 Bei der Zusammenkunft der mittlerweile personell erweiterten Ost-WestGruppe am 24. März vertraten Braecklein und Schönherr im Zuge ihrer Schilderung der aktuellen Staat-Kirche-Beziehungen, wie sie sich „nach den Reden von Verner und Götting gestaltet hätten“, die Ansicht, es sei hier eine „Wendung“ eingetreten. Einen Beweis dafür sahen sie in der Tatsache, dass die Staatsorgane mit dem Vorstand der KKL „als Organ des Bundes“ in Kontakt träten.50 Nachdem der KKL-Vorstand vor einem Monat das offizielle Gespräch mit Seigewasser geführt habe, stünde als nächstes ein Besuch beim Präsidenten der DDR-Volkskammer an. Offenbar seien die staatlichen Stellen derzeit um die Vermeidung von Unstimmigkeiten und Konflikten mit dem Kirchenbund bemüht. So sei zum Beispiel zu beobachten, dass Staatsvertreter im Rahmen ihrer „offiziellen Äußerungen“ von der bislang üblichen „Berufung auf DDRnahe kirchliche Persönlichkeiten oder Gruppen“ Abstand genommen hätten. Die Vertreter des Bundes folgerten daraus, dass der Staat sich offenbar doch genötigt fühle, „mit der offiziellen Kirche ein[en] modus vivendi zu suchen“.51 Nun unterrichtete Schönherr die Brüder aus der Bundesrepublik darüber, dass die KKL entschieden habe, zur Tagung der Bundessynode im Juli einen EKDVertreter einzuladen. Im gleichen Atemzug räumte er jedoch ein, dass freilich auf die Erteilung einer Einreisegenehmigung durch die zuständigen Organe des Staates für den Ratsvorsitzenden oder ein Ratsmitglied nicht zu hoffen sei. Die Teilnahme einer „kirchenleitenden Persönlichkeit“ aus der EKD an der Synodaltagung könne allerdings durch den Kunstgriff ermöglicht werden, eine „mehr oder weniger ‚private‘ Einladung auszusprechen. Unbedingte Voraussetzung für eine derartige Verfahrensweise sei aus Sicht des Bundes, dass der Rat der EKD vorab seine Zustimmung erteile.52 Das Sekretariat des Bundes möge die Berliner Stelle darüber informieren, „welche [ökumenischen] Reisen im Interesse der Kirchen in der DDR durchgeführt werden“, wie Lingner am 26. März vermerkte. Dabei sei bei der Planung einerseits unbedingt darauf zu achten, dass die Reisen nicht zu hohe Kosten 49

Protokoll (Lewek) der 11. KKL-Tagung am 13.3.1971 in Berlin, S. 6 (EZA, 101/94). Kurzprotokoll (Lingner) über Sitzung der Beratergruppe am 24.3.1971, S. 2 (EZA, 2/01/1427). 51 Kurzprotokoll (Lingner) über das Gespräch der Berater der EKD mit dem Vorstand der KKL am 24.3.1971, S. 2 (EZA, 4/68). 52 Kurzprotokoll (Lingner) über Sitzung der Beratergruppe am 24.3.1971, S. 3 (EZA, 2/01/1427). 50

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verursachten und ebenfalls davon abzusehen, dass die kirchlichen Stellen der EKD letztlich in die Lage gerieten, dem Kirchenbund Reisen zu „finanzieren, die mehr staatlichen Interessen entsprechen als kirchlichen“. Diese letzte Bemerkung zeigt allerdings, dass offenbar im Rahmen der „besonderen Gemeinschaft“ die Vertrauensbasis nicht unbedingt an Stabilität gewonnen hatte. Ferner läge es in der Verantwortung der EKD, die Höhe der Reisekosten festzusetzen und „ein gewisses Bewegungsgeld“ draufzulegen. Lingner hielt fest, dass die Verhandlungen mit dem BEK über dieses Thema „sehr kurz“ gewesen seien, was durchaus nachvollziehbar sei. Denn die östlichen Brüder fühlten sich wegen ihrer faktischen finanziellen Abhängigkeit von der EKD „in dieser Sache etwas bedrückt“ und verständlicherweise in ihrer „Rolle als Kostgänger der EKD“ unwohl. Als völlige Fehleinschätzung bezeichnete es Lingner, wenn man seitens der EKD die Zurückhaltung des Bundes als aus „einer gewissen Furcht vor den staatlichen Stellen“ resultierend interpretiere: „Dies ist ganz sicher nicht so. Es ist ihnen einfach peinlich, nach der von ihnen vollzogenen Trennung finanziell weiterhin als Bittsteller aufzutreten.“53 Auf der Ratssitzung am 14. und 15. April informierte Wilm die Anwesenden über das jüngste Zusammentreffen der Beratergruppe. Dort sei über eine „in dieser Weise offenbar unerwartete Rede“ Schönherrs auf einem von der DDRRegierung ausgerichteten Empfang gesprochen worden. Sein Thema sei unter anderem das Verhältnis von Staat und Kirche in der DDR sowie die Beziehungen der EKD zum BEK gewesen. Bemerkenswert sei, dass Schönherrs Rede in vollem Wortlaut veröffentlicht worden sei. Ferner berichtete Wilm den Mitgliedern des Rates der EKD, dass zur Synodaltagung des DDR-Kirchenbundes im Juli in Eisenach „eine repräsentative Persönlichkeit aus der EKD“ eingeladen werden solle.54 Die Tagung der Bundessynode war auch Thema der Vorstandssitzung der KKL am 15. April. Hinsichtlich der Einladung eines EKD-Mitglieds wurde nochmals betont, dass der Staat „rechtzeitig und mit leichter Hand“ darüber in Kenntnis gesetzt werden solle. Die Gelegenheit müsse genutzt werden, um vorzufühlen, wie auf diese Ankündigung reagiert werde. Das Synodenpräsidium habe die KKL angeregt, den Staatssekretär ebenfalls um seine Teilnahme als Gast zu bitten. Damit solle allerdings keineswegs ein „offizielles Grußwort an 53 Vermerk Lingner vom 26.3.1971, S.1f. (EZA, 2/01/1422). – Ein um Verständnis bemühter Vorschlag wurde Lingner nahezu einen Monat später seitens der EKD gemacht: „Die zweckmäßigste, einfachste und für die Empfänger mit den geringsten Peinlichkeiten verbundene Regelung scheint mir die zu sein, den Reisekostenbetrag (Bewegungsgeld, Tage- und Übernachtungsgeld, Tagungsbeitrag – wenn erforderlich) an eine Bank am Ankunftsort zu überweisen (Schreiben [o. A.] an Lingner vom 22.4.1971, S. 1 [EZA, 2/01/1422]). 54 Protokoll (von Harling) über die 52. Sitzung des Rates der EKD am 14./15.4.1971 in Berlin, S. 10 (EZA, 2/1775).

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die Synode gemeint“ sein. Obwohl der Vorstand in diesem Punkt absolut einer Meinung war, sprachen sich nur drei seiner Mitglieder für den Vorschlag des Präsidiums aus, während die anderen beiden sich der Stimme enthielten. Ferner habe das Synodenpräsidium die Bitte an die KKL gerichtet, sich in ihrem Bericht an die Bundessynode mit der Frage zu beschäftigen, ob der DDR-Kirchenbund sich mit seinen (zu) zahlreichen Tätigkeiten übernehme. Drei eng miteinander verwobene Tendenzen seien in diesem Kontext zu beobachten: An Stelle der erwünschten und erwarteten Fixierung der Arbeit habe sich eine „scheinbare Verdoppelung ergeben, weil die Vielfalt des Vorhandenen sichtbar gemacht“ werde. Die jeweiligen Verantwortungsbereiche von Bund und Landeskirchen müssten deutlich herausgearbeitet werden, „weil es ein Bund der Landeskirchen ist, in dessen Synode freilich eine Gruppe darauf nicht den entscheidenden Wert legt“55. Eine solche Kompetenzzuweisung müsse auch in Bezug auf die Bundessynode erfolgen, deren Kapazitäten für „allgemeine Grundsätze“ ausreichend seien. Es könnten von der Synode jedoch nicht „zu viele Einzelentscheidungen oder Festlegungen der Konferenz“ erwartet werden.56 Stolpe unterrichtete die Mitglieder der KKL am 15. Mai von dem Plan, die Lizenz für ein eigenes Mitteilungsblatt des Bundes zu beantragen. Es sollte in einer Auflage von 3.000 Exemplaren zwölf Mal im Jahr mit insgesamt 120 Seiten jährlich erscheinen. Während er selbst als Schriftleiter fungieren wolle, werde die Evangelische Verlagsanstalt (EVA) die Herausgeberschaft übernehmen. Ferner informierte Stolpe über die Anregung des Präsidiums der BEK-Synode, den Staatssekretär für Kirchenfragen zur Synodaltagung einzuladen.57 Ökumenische Fragen wurden auf der Klausurtagung des Rates der EKD erörtert. Der Präsident des Kirchlichen Außenamtes der EKD, Alfred Wischmann, gab seine Eindrücke von der Tagung der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) im dänischen Nyborg58 wieder, auf der die Kirchen aus der DDR mit einer starken Delegation vertreten gewesen seien. Das von Bischof Krusche gehaltene Referat habe „in entscheidender Weise die Beratungen der Konferenz“ bestimmt. Wischmann habe wahrgenommen, dass sich innerhalb der KEK „so etwas wie ein neues Selbstbewußtsein“ herausgebildet habe, was teilweise auf die derzeitige Kraftlosigkeit der Prager Christlichen Friedenskonferenz zurückzuführen sei. Die Ratsmitglieder setzte er vom Inhalt seiner mit dem internationalen Sekretär der CFK (aus der DDR), Gerhard Bassarak und der polnischen Delegation geführten Unterredungen in Kenntnis. Bassarak habe ihn informiert, dass 55

Diese Bemerkung ist als Seitenhieb auf Thüringen zu verstehen. Protokoll (Kramer) über die Sitzung des KKL-Vorstands am 15.4.1971, S. 2, 1 (EZA, 101/114). 57 Protokoll (Schwerin) der 12. KKL-Tagung am 15.5.1971 in Berlin, S. 6 (EZA, 101/95). 58 Die Vollversammlung „Nyborg VI.“ fand in der gleichnamigen Hafenstadt auf Fünen statt.

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das ZK der SED an der Gründung eines eigenen Kirchlichen Außenamtes des BEK interessiert sei. Erwin Wilkens fügte dem Bericht hinzu, die Schwäche der KEK wiederum werde daran sichtbar, dass politische Fragen „in aller Regel auf der Ebene politischer Meinungen verhandelt“ würden und es keinerlei „Brücke“ vom theologischen Ansatz zu konkreten politischen Fragestellungen gebe. Nicht zuletzt sei dies zutage getreten beim Umgang mit der „Frage der Anerkennung der DDR, der europäischen Sicherheitskonferenz und des Berlinproblems“.59 Die Konferenz fasste am 26. Juni den eindeutigen Beschluss, dass die Durchführungen von Bibelrüstzeiten als religiöse Handlungen „im Sinne der verfassungsmäßig garantierten Religionsausübung“ zu bewerten seien und damit keineswegs bei der Volkspolizei angemeldet werden müssten. Über diesen Tatbestand seien sich Kirche und Staat seit langem einig, und es sei wiederholt zitierfähig von zuständigen staatlichen Stellen in dieser Weise erklärt worden. Mit einem weiteren Beschluss zur Veranstaltungsverordnung zementierte die KKL am 6. Juli diese Feststellung: „Kirchliche Veranstaltungen in kirchlichen Räumen, die Verstehenshilfe für schriftgemäßes Zeugnis des Evangeliums oder Zurüstung zu Leben und Dienst der Christen sind, unterliegen nicht der Anmeldepflicht.“60 Am 10./11. September erfuhren die Konferenzmitglieder auf ihrer Sitzung, dass vom Staat tatsächlich die Lizenz für ein eigenes Mitteilungsblatt des Bundes als „Amtsblatt zur Veröffentlichung von Kirchengesetzen, Verordnungen und Beschlüssen des Bundes und seiner Gliedkirchen“ erteilt worden sei und dieses entweder beim BEK-Sekretariat oder der EVA bestellt werden könne. Da sowohl die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg als auch die Görlitzer Kirche nicht über ein Amtsblatt verfügten, sollte das Mitteilungsblatt des Bundes auch allen Pfarrämtern dieser beiden Landeskirchen zugestellt werden. Aufgrund der geringen Gesamtauflage könne diese Regelung nicht für die übrigen Gliedkirchen in der DDR gelten. Diese müssten alle Äußerungen des Kirchenbundes wie bisher in ihren eigenen Amtsblättern abdrucken. Hinsichtlich der staatlichen Veranstaltungsverordnung waren beim Bund Mitteilungen des Ministeriums des Innern und der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen eingegangen, aus denen hervorging, dass seitens der staatlichen Organe nach wie vor versucht werde, zwischen „religiösen Handlungen und von der Kirche durchgeführten Veranstaltungen“ zu unterscheiden.61

59 Bericht (Hammer) über die Verhandlungen der Klausurtagung des Rates der EKD am 20./21.5.1971 in Friedewald, S. 9 (EZA, 2/93/907). 60 Beschlüsse der KKL vom 26.6. und 6.7.1971 (EZA, 101/95). 61 Protokoll (Pabst) der 14. KKL-Tagung am 10./11.9.1971, S. 4, 5 (EZA, 101/95).

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Entwurf einer neuen Grundordnung der EKD – spiegelbildliches Bekenntnis zu Artikel 4 (4)? Der Vorstand der KKL beriet am 21. Oktober über die Möglichkeit einer gastweisen Beteiligung des Kirchenbundes an der Tagung der EKD-Synode im November (7.–12.11.1971) in Frankfurt am Main. Die Anwesenden planten, die Genehmigung einer Ausreise für Stolpe oder Pabst zu erwirken.62 Der Präses der Bundessynode sollte es übernehmen, einen Brief zu formulieren, der – im Falle eines positiven Bescheids der staatlichen Stellen – von dem entsandten Vertreter des Bundes persönlich übergeben werden könne. Sollten weder Stolpe noch Pabst an der EKD-Synode teilnehmen können, müsse das Schreiben bis Ende Oktober in Berlin eingetroffen sein, damit es rechtzeitig nach Frankfurt geschickt werden könne. Im Zusammenhang mit der geplanten Verfassungsreform der EKD stellte der Vorstand das Interesse des Bundes an der Form einer Aufnahme von Art. 4 (4) heraus. Für besonders problematisch hielten die Mitglieder des KKL-Vorstands jedoch eine wörtliche Übernahme, zumal die Gefahr bestünde, dass das schriftliche Festhalten an der besonderen Gemeinschaft unter der „Überschrift ‚Evangelische Kirche in Deutschland‘“ sogleich eine provozierende Wirkung haben könne. Wenn die EKD sich nicht zu einer Namensänderung entschließen könne, so müsse „die Formulierung des entsprechenden Artikels etwas disparater als in der Bundesordnung ausfallen“. Im Falle einer Umbenennung könne die Aussage über die besonderen kirchlichen Ost-West-Beziehungen „etwas enger“ an 4 (4) angelehnt sein. Der Vorstand sprach die Empfehlung aus, den Ratsbeauftragten beim 62 Am 18.10. hatte Schönherr den Staatssekretär über die Einladung des EKD-Synodenpräses vom 1.10. für ihn selbst und „weitere Vertreter des Bundes“ informiert, an der Synodaltagung in Frankfurt/ Main teilzunehmen. Da Schönherr selbst „verhindert“ sei, bat er Seigewasser zu erwägen, ob er eine „gastweise Teilnahme des Herrn Oberkonsistorialrat Stolpe oder des Herrn Oberkirchenrat Pabst an dieser Tagung für möglich“ halte: „Damit wäre eine gute Gelegenheit gegeben, die Selbständigkeit und Unabhängigkeit unseres Kirchenbundes in der westdeutschen Öffentlichkeit zu unterstreichen.“ Unter dem Schreiben hatte Pabst hsl. vermerkt: „Br. Stolpe – St.S. Seigewasser teilte mir am 26.10. mündlich mit, er werde Bischof D. Schönherr eine schriftlich ablehnende Antwort übersenden. Wollen wir dem Vorsitzenden diesen Sachstand mitteilen? 27.10. P.“ Auf einem Zettel, den Pabst dann später angeheftet hatte, stand: „Br. Stolpe – Wollen wir die Sache z.d.A. schreiben, oder wollen Sie nochmals darüber mit dem Vorsitzenden sprechen? 15.11. P.“ Stolpe beantwortete am gleichen Tag Pabsts Anfrage mit der Bemerkung, er habe bereits am 13.11. Rücksprache mit Schönherr gehalten, so dass der Vorgang zu den Akten genommen werden könne (Schreiben Schönherr an Seigewasser vom 18.10.1971, S. 1 [EZA, 101/306]). – Bei einer Unterredung mit dem Staatssekretär am 29.10.1971 hatte Pabst trotz der von Seigewasser am 26.10. mündlich erteilten Absage nochmals angefragt, ob der Staatssekretär hinsichtlich der von Schönherr „schriftlich vorgetragenen Anregung“, einen BEK-Vertreter zur Tagung der Synode der EKD zu entsenden, „eine endgültige Entscheidung“ getroffen habe: „Mir wurde erklärt, eine solche gastweise Teilnahme sei nicht denkbar, solange es nicht zu einer befriedigenden Interpretation von Art. 4 (4) der Ordnung des Bundes gekommen sei“ (Aktenvermerk Pabst o. D., S. 3 [EZA, 101/346]).

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nächsten Treffen mitzuteilen, dass der BEK sich nicht in die Angelegenheiten der EKD einmischen werde, es vielleicht sogar von Vorteil sei, wenn die genaue Formulierung den Brüdern in der DDR unbekannt sei. Dennoch werde unter Hinweis auf Schönherrs Antrittsrede am 24. Januar und Scharfs Darlegungen vor der Berlin-brandenburgischen Synode im Sommer vorgeschlagen, „dasselbe mit anderen Worten zu sagen“. Einigkeit bestünde zwar „in der Sache“, doch sei die präzise Wortwahl für den Kirchenbund in der DDR sehr wohl von Bedeutung. Das ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass von den Kirchen in der DDR nicht der geringste Wunsch verspürt werde, erneut mit dem Staat über 4 (4) debattieren zu müssen, was bei einer gleichlautenden Formulierung im Westen nahezu „unvermeidbar“ sei.63 Im Verlauf der Sitzung der leitenden Juristen der EKD-Gliedkirchen am 27. Oktober gab Hammer die vorläufigen Ergebnisse bekannt, die der Struktur- und Verfassungsausschuss der EKD in diesem Punkt erzielt hatte. Derzeit fasse man ins Auge, die „besondere Gemeinschaft“ in folgender Formulierung in die EKD-Grundordnung aufzunehmen: „Die Evangelische Kirche in Deutschland bekennt sich zu ihrer Verantwortung für die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit.“64 Über den Stand der Arbeit des Struktur- und Verfassungsausschusses der EKD berichtete Lingner den Mitgliedern der Ost-West-Gesprächsgruppe auf ihrer Sitzung am 18. November, dass hinsichtlich der „Namensfrage“ der EKD in den Debatten große Probleme aufgetaucht seien und noch keine Entscheidung gefallen sei. Man habe sich allerdings entschlossen, Bundesordnungsartikel 4 (4) in die neue EKD-Grundordnung nicht spiegelbildlich zu übernehmen, sondern die Verantwortung für die besondere Gemeinschaft nur in einem Satz zu formulieren. Die Schwierigkeiten bei der „ganzen Verfassungsfrage“ lägen „im Detail […]. Die Bedeutung der EKD wird in den Kirchen sehr verschieden beurteilt“.65 Nach einer Information über den Verlauf der EKD-Synodaltagung in Frankfurt teilten die KKL-Mitglieder die Entscheidung mit, dass Kirchenvertreter in der DDR bei den staatlichen Organen kirchliche Veranstaltungen nicht anmelden würden. Die östlichen Brüder baten nochmals, dass „kirchenleitende Persönlichkeiten der EKD“ an den Sitzungen der Beratergruppe teilnehmen möchten.66 63

Protokoll (Kramer) über die Sitzung des KKL-Vorstands am 21.10.1971 in Halle, S. 1 (EZA, 101/114). – Von ihrem Vorstand erfuhr die KKL dann am 13.11., die Anfrage des Strukturausschusses der Synode der EKD sei dahingehend beantwortet worden, dass eine wörtliche Übernahme von 4 (4) in die EKD-GO „nicht angemessen“ erscheine (Protokoll [Mönch] der 15. KKL-Tagung am 13.11.1971, S. 2 [EZA, 101/96]). 64 Niederschrift (Linnewedel) über die Besprechung der Leitenden Juristen aus den Gliedkirchen am 27.10.1971 in Hannover, S. 9 (EZA, 2/93/1386). 65 Vermerk Behm vom 25.11.1971, S. 2f. (EZA, 101/358). 66 Vermerk Lingner o. D., S. 2 (EZA, 2/01/1427). – Ein entsprechendes Einladungsschreiben sandte Lingner am 1.12. an Lohse, Viering und Claß mit der Bemerkung, die „Brüder aus der DDR“ hätten

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Am 15./16. Dezember beschloss der Rat der EKD, dass ihm auch in Zukunft nach Möglichkeit regelmäßig Berichte über die Treffen seiner Beratergruppe mit den Kirchenvertretern des Bundes erstattet werden sollten. Die vom Rat Entsandten wurden darum gebeten, beim nächsten Gespräch in der DDR die „dort bestehenden Bildungsfragen“ zu thematisieren. Wenn es erforderlich erscheine, müsse „anschließend“ der ÖRK „eingeschaltet“ werden.67 Wilm und Lingner bekräftigten auf der Ratssitzung am 19./20. Januar 1972, dass es nicht etwa als Zeichen von Desinteresse zu bewerten sei, wenn die ursprüngliche Teilnehmerzahl an den Gesprächen zwischen BEK und EKD eine deutliche Reduzierung erfahren habe. Es bestünde beiderseits „weiterhin großes Interesse“ an dieser OstWest-Verbindung, und die von der EKD Entsandten würden dem Rat gerne „gelegentlich“ Bericht über die Gespräche erstatten. Die Mitglieder des Rates beschlossen, dass von der EKD sieben Personen der Gruppe angehören sollten und beauftragten Lingner, geeignete Kandidaten anzuschreiben. Der Turnus, in dem der Rat über die Zusammentreffen informiert werden sollte, wurde auf jede „zweite oder dritte“ Sitzung des Rates festgelegt. Wiederum Lingner sollte dafür zuständig sei, den Bericht aus der Beratergruppe als Tagesordnungspunkt anzumelden, wenn es erforderlich sei. Daher wurde er zum ständigen Referenten für den Verhandlungsgegenstand der Ratssitzungen „Bericht zur Lage“ bestimmt, „zur steten Erinnerung an diesen Punkt“. Im Anschluss an einen Kurzbericht von Reinhard Henkys diskutierten die Mitglieder des Rates die jüngsten Entwicklungen im Bereich der DDR. Die augenscheinliche Tendenz der DDR-Regierung, die ideologische Abgrenzung zu verstärken, wurde als Reaktion auf die von der Bundesregierung abgeschlossenen Ostverträge68 interpretiert. Offenbar werde seitens der DDR befürchtet, dass der Einfluss aus dem Westen wieder zunehmen und zur Aufweichung der östlichen Ideologie führen könnte. Die erheblichen Reiseerleichterungen nach Polen und in die ČSSR sowie die Zusage, die Versorgung mit Konsumgütern zu verbessern, wurden als „Ausgleich“ für eine ideologische Verhärtung bewertet.69 Zur Information schickte Lingner den Mitgliedern der westlichen Beratergruppe am 13. März einen Bericht, den der Kirchenjournalist Henkys über im immer wieder ausdrücklich darum gebeten, „daß zu den Terminen kirchenleitende Herren aus dem Bereich der EKD eingeladen werden“ (Schreiben Lingner an Lohse/Viering/Claß vom 1.12.1971, S. 1 [EZA, 2/01/1427]). 67 Niederschrift (Dibelius) über die 60. Sitzung des Rates am 15./16.12.1971 in Stuttgart, S. 4 (EZA, 2/1787). 68 Die sogenannten Ostverträge von Moskau (BRD/SU, 12.8.1970) und Warschau (BRD/Polen, 7.12.1970) traten am 3.6.1972 nach dem Austausch der Ratifizierungsurkunden zusammen mit dem Viermächte-Berlin-Abkommen in Kraft. 69 Niederschrift (Linnewedel) über die 61. Sitzung des Rates am 19./20.1.1972 in Berlin, S. 12 (EZA, 2/1787).

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Laufe des Monats anstehende Besuchsreisen von Kirchenvertretern aus der DDR in die Schweiz niedergeschrieben hatte. Eingeladen hätten der Genfer ÖRK, der LWB und der Berner Kirchenrat. Die Delegation des Bundes70 sei „erstmals“ nicht durch von den staatlichen Organen selektiv verweigerte Ausreisegenehmigungen in ihrer personellen Zusammensetzung zu beeinflussen versucht worden, wie es bisher von den Behörden der DDR gerne praktiziert werde. Dies habe zur positiven Folge, dass „einige Personen nach Genf reisen, die bisher noch nie oder ganz wenig am direkten ökumenischen Gespräch haben teilnehmen können“. Zu Vertretern des ÖRK habe die Leitung des BEK ja bereits Ende des Jahres 1969 den Kontakt gesucht, um nach ihrer Lösung von der EKD und der Bildung eines eigenen Kirchenbundes die Mitgliedschaft der Gliedkirchen in der DDR im ÖRK neu zu regeln, was im Rahmen eines offiziellen Besuchs von Schönherr, Noth und Braecklein im Januar 1970 auch geschehen sei.71 Henkys erwähnte, dass die drei Bischöfe eigentlich ihre damalige Reise zum ÖRK schon für den Dezember 1969 ins Auge gefasst hatten, dann aber – weil der Staat Noth die Ausreise nach Genf verweigert hatte – Schönherr und Braecklein ihre Anträge zurückgezogen hätten und die Reise von kirchlicher Seite zunächst abgesagt worden sei. 1971 habe dann die Regierung der DDR den Antrag des Bundes befürwortet, ihre „Mitgliedsbeiträge an die ökumenischen Organisationen transferieren zu dürfen“, so dass der Bund seit diesem Zeitpunkt pro Jahr an den ÖRK 25.000 und an die KEK 3.000 DDR-Mark zahle. Dabei hob Henkys hervor, dass die genannten Summen nach der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) „die höchsten Mitgliedsbeiträge aus Kirchen der Ostblockländer“ seien. Ferner überwiesen die vier Landeskirchen in der DDR, die Mitglied im LWB seien, dafür einen Beitrag von 25.000 Mark an den Lutherischen Weltbund. Die Reise der Delegation des Bundes in die Schweiz werde als „Fortsetzung der Anfang 1970 geknüpften offiziellen Beziehungen und Arbeitsbesprechungen angesehen“. Nun stünde die Beratung einiger Sachfragen hinsichtlich der Zusammenarbeit von Kommissionen und Ausschüssen des BEK mit den korrespondierenden ÖRKAbteilungen an. Mit Interesse habe man in Genf verschiedene Erklärungen des BEK gegenüber der DDR-Regierung zur Kenntnis genommen, „nach denen sich Tätigkeit und Auftrag einer ev. Kirche in der sozialistischen Gesellschaftsordnung nicht auf den Kultus- oder den engeren religiösen Bereich beschränken können, sondern dass für ev. Kirchen das gesamte gesellschaftliche Leben der Bereich ist, in dem Zeugnis und Dienst der Christen wirksam werden sollen. 70 Braecklein, Hempel, Rathke, Krummacher, Domsch, von Brück, Heidler (lutherische Delegation) und Schönherr, Johannes, Juergensohn, Braecklein, Kramer, Stolpe (für den Vorstand). 71 Dabei war die Einzelmitgliedschaft der acht Landeskirchen in der DDR beim ÖRK festgelegt worden, die jedoch gemeinsam ihre Mitgliedschaft durch den BEK wahrnehmen ließen. Der Zentralausschuss des ÖRK hatte diese Regelung dann 1971 bei seiner Tagung in Addis Abeba bestätigt.

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Man frage in Genf, wie weit dies Theorie sei, oder welche realen Möglichkeiten wirklich gegeben sind“.72 Heintze gab den Mitgliedern des Rates am 16./17. März seinen Eindruck wieder, dass der KKL-Vorstand „nach wie vor großen Wert auf die Praktizierung des Artikels 4 (4)“ lege. Aus diesem Grund sollte der Kreis der an den Ost-West-Zusammenkünften Beteiligten nun vergrößert werden. An den letzten Treffen der Beratergruppe hätten sogar die neu gewählten Leiter der Gliedkirchen teilgenommen. Im vergangenen Jahr, so konstatierte Heintze, habe der Kirchenbund das Bewusstsein um seine Selbständigkeit erheblich gestärkt, was u. a. am Ausbau der Kontakte in die Ökumene, der offiziellen Besuche beim ÖRK in Genf, der direkten Mitarbeit in der Konferenz Europäischer Kirchen und im nordisch-deutschen Kirchenkonvent erkennbar werde. Die Kirchen in der DDR „bejah[t]en die Position in ihrem Staat“ und gäben dennoch die geistliche Gemeinschaft mit der EKD nicht auf. An der Einführung Johannes Hempels in das Dresdner Bischofsamt habe er zusammen mit dem hannoverschen Landesbischof Lohse teilgenommen. Die DDR-Gliedkirchen hätten jedoch mit zunehmenden Problemen zu kämpfen. Besondere Schwierigkeiten ergäben sich im Blick auf die Pflicht, auch kirchliche Veranstaltungen bei den staatlichen Organen anzumelden. Ferner sei der Bildungssektor ein sensibler Punkt. Jungen Christen werde die Zulassung zu den Erweiterten Oberschulen verweigert und damit auch das staatliche Abitur versagt. Ähnlich verhalte es sich mit der Vergabe von Studienplätzen. Auch der Umgang mit Bausoldaten biete immer wieder Anlass zur Sorge. Als positiv hob Heintze die Tatsache hervor, dass derartige Probleme nicht nur in Unterredungen mit Vertretern des Staates verhandelt, sondern sogar offen auf den Tagungen der Synoden thematisiert würden. Zuletzt kam Heintze noch einmal direkt auf die Gesprächsinhalte der Beratergruppe. Dabei sei unter anderem über die Ostverträge debattiert worden. Auch habe man die „Frage der Geschlossenheit der Landeskirchen in der DDR“ erörtert. Im Kontext der Schwierigkeiten für die Kirchen, sich auf dem Feld der Politik zu äußern, sei über „Heraushebung der DDR-Kirchen in der Antirassismusfrage“ gesprochen worden. Im Anschluss stellte der Ratsvorsitzende fest, dass einem Bericht aus der Beratergruppe auf den Sitzungen des Rates ein „fester Platz“ eingeräumt werden solle, wie es ja bereits von verschiedenen Seiten angeregt worden war.73

72 Schreiben Lingner an die BG des Rates der EKD vom 13.3.1972 mit Anlage „Bericht [Henkys] über kirchliche Besuchsreisen aus der DDR in die Schweiz zwischen dem 14. und 24.3.1972“, S. 2f. (EZA, 2/01/1422). 73 Niederschrift (Becker) über die 63. Sitzung des Rates am 16./17.3.1972 in Berlin, S. 2, 3 (EZA, 2/1787).

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Das Verhältnis zu den Brüdern im Westen und die Positionierungsversuche der Kirchen in der DDR Zur Planung der BEK-Synode Ende Juni in Dresden setzte sich der Vorbereitende Ausschuss auf seiner 2. Sitzung am 21. April mit dem Entwurf einiger Thesen Heino Falckes für das Hauptreferat zum Thema „Christus befreit – darum Kirche für andere“ auseinander.74 Zwei Textpassagen sollen hier wiedergegeben werden, um zu zeigen, wie risikobereit (angesichts der Tatsache, dass die staatlichen Organe bekanntermaßen alle auf der Synode gemachten Äußerungen stets genauestens zur Kenntnis nahmen) Falcke seinen Vortrag konzipiert und formuliert hatte: [S. 1] „Christus befreit zur grenzüberschreitenden Liebe. Bedingungslos angenommen sein, löst aus dem Zwang, sich durch Selbstruhm und Abgrenzung von anderen der eigenen Identität versichern zu müssen. Die grenzüberschreitende Liebe durchbricht Abgrenzungsideologien, in denen relative Unterschiede zu trennenden Mächten werden. Sie stellt sich zu den jeweils Ausgeschlossenen und nimmt sie bedingungslos an, ohne ihnen religiöse oder gesellschaftliche Vorleistungen aufzuerlegen. Sie macht aufgeschlossen für den befremdlichen Nächsten, ja für den Feind, und vereinigt die Getrennten (Gal. 2,11 ff.)“. [S. 3f.] „In der Sendung der Kirche gründet ihre Freiheit, unbefangen auf die geschichtliche Situation einzugehen. Die Kirche geht unbefangen auf die Situation ein, wenn sie es auftragsbestimmt und situationsbezogen, aber nicht situationsabhängig tut. In diesem Sinn ist die Gründung des Bundes nicht als religiöser Überbau über eine Divergenztheorie und Artikel 4.4 der Bundesordnung nicht als konvergenztheoretischer Rest zu verstehen. Ziel der Bundesgründung war und ist vielmehr, dem situationsbezogenen Auftrag der Kirche in der DDR in der Sendungsgemeinschaft mit der ganzen Christenheit besser zu entsprechen. Der Sendungsauftrag befreit uns aus allen Bindungen zu dienendem und solidarischem Sicheinlassen auf die Situation (1. Kor. 9,19). Dabei versuchen Christen, die wie andere in kollektiven Vorurteilen, Problemfixierungen und Blickverengungen befangen sind, sich vom Evangelium den freien Blick für die Situation geben und zeigen zu lassen, was gerade ‚dran ist‘. Das Evangelium kann also nicht unkritisch vorgängig rezipierten Situationsanalysen und vorentschiedenen Handlungskonzepten eingepaßt werden. Auftragsbestimmtes Eingehen auf die Situation transformiert nicht nur das Evangelium situationsbezogen, sondern dient der Transformation, die das Evangelium an Kirche und Welt vollbringen will, denn es bezeugt die schöpferische Liebe, die Situationen verwandelt (vgl. 1.4.3)“.

74 Vorgesehen war als Synodenthema: „Noch einmal: Kirche für andere – Leben als befreite Menschen“. Letztlich fiel die Wahl auf das sicher auch aufgrund der weniger zweideutigen Interpretationsmöglichkeiten anders formulierte Motto: „Christus befreit – darum Kirche für andere“.

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Die Reaktion der Ausschussmitglieder war kurz und knapp: Die Bezugnahme auf die EKD und Bundesordnungsartikel 4 (4) könne „wegfallen“. Falcke hat letztlich seine Thesen über- und ausgearbeitet, so dass die oben zitierten Auszüge nicht wörtlich auf der 4. Tagung der BEK-Synode referiert wurden. Jedoch bedeutet dies keinesfalls, dass der Erfurter seine Thesen mit Blick auf den Staat verwässert oder gestutzt hätte, auch wenn der Hinweis auf den umstrittenen Artikel bzw. die EKD tatsächlich nicht explizit in die endgültige Fassung aufgenommen worden war.75 Von einer leichten Entspannung der kirchlichen Situation in der DDR hatte Stolpe am 25. April Lingner berichtet. Seitens des Staates sei zweifellos das Bemühen erkennbar, es nicht zum „Bruch mit der offiziellen Kirche“ kommen zu lassen. In den vor Beginn der EKU-Synode mit Vertretern der EKU und Synodalen geführten Gesprächen sei darauf verzichtet worden, die Forderung nach einer umfassenden Verselbständigung der EKU auf dem Gebiet der DDR im Sinne einer conditio sine qua non zu wiederholen. Die Staatsvertreter hätten lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die EKU im DDR-Bereich selbständige Organe bilden müsse und angedeutet, dass der Staat mit einer Regelung, wie sie der Bund mit Art. 4 (4) getroffen habe, grundsätzlich einverstanden sei. Es bestünden sogar keine Einwände dagegen, „wenn die EKU grundsätzlich eine Kirche bleiben wolle“ – vorausgesetzt, ihre Organe hätten wirklich die volle Selbständigkeit.76 Hinsichtlich der Staat-Kirche-Beziehungen habe Stolpe auf die große Bedeutung der „Frage der Ratifizierung der Ostverträge“ für die Kirche hingewiesen und erklärt, dass im Falle der Durchsetzung der Verträge der SEDStaat gezwungen sei, solange ein „gewisses Wohlverhalten“ an den Tag zu legen, bis über seine Aufnahme in die UNO und die Anerkennung seitens der westlichen Staaten entschieden worden sei. Die Kirchen in der DDR müssten diese Zeitspanne „für sich“ ausnutzen, um ein „erträgliches Verhältnis“ zwischen Staat und Kirche „zu stabilisieren“. Sollten die Ostverträge hingegen scheitern, müsse der Staat in keiner Weise auf sein Ansehen im internationalen Raum Rücksicht nehmen. Dann – so habe Stolpe weiter spekuliert – werde ohne jeden Zweifel sowieso der Bundesrepublik der „Schwarze Peter zugeschoben“.77 Die leitenden Kirchenjuristen aus dem westlichen Teil Deutschlands berieten am 27. April über den „Kirchlichen Bruderdienst“. Dabei handelte es sich um eine freiwillige Abgabe, die in den Gliedkirchen in der Bundesrepublik gesammelt und über Berlin den DDR-Patenkirchen zugeleitet wurde. Hammer 75 Niederschrift (Behm) über 2. Sitzung des Vorbereitenden Ausschusses der Bundessynode am 21.4.1972 in Berlin, S. 3 (EZA, 101/33). – Falckes Referat ist abgedruckt in: KJ 1972 (99. Jg.), S. 242–255. Vgl. dort zu den Zitaten insbesondere S. 246, 249, 252. 76 Vermerk Lingner o. D., S. 1 (EZA 4/187). 77 Auszug aus Vermerk Lingner o. D., S. 2 (EZA 4/454).

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wies darauf hin, dass es in der Vergangenheit trotz der Einrichtung eines „Ausgleichsfonds“ nicht gelungen sei, die „beträchtlichen Unterschiede“ zu nivellieren, die sich aus der jeweiligen finanziellen „Leistungsfähigkeit“ der westlichen Geber-Kirchen ergäben und sich bei der Verteilung der Mittel zwangsläufig auf die Patenkirchen in der DDR auswirkten. So habe der Kirchenbund einen „besonderen Verteilerschlüssel“ erarbeitet, der sich am Personalbestand orientierte. Vorgeschlagen werde, die Bruderhilfe nicht mehr den Patenverhältnissen der Kirchen entsprechend, sondern die gesamten Mittel in Anlehnung an den neuen Verteilerschlüssel zu vergeben. Die Juristen waren sich einig, dass diese veränderte Vorgehensweise „angemessen und erstrebenswert“ sei. Ein anderes Problem, das sich in diesem Zusammenhang stellte und erörtert wurde, bestand in der Schwierigkeit, vor allem jüngere Pfarrer und Kirchenbeamte von der „Notwendigkeit des Bruderdienstes zu überzeugen“. Während einige von ihnen sich nur zur Abgabe sehr geringer Beiträge verpflichteten, lehnten andere eine finanzielle Leistung ganz ab. Dem könne nur abgeholfen werden, so meinte Hammer, wenn die „Betroffenen“ ausführlich über den Sinn und Zweck des Kirchlichen Bruderdienstes informiert würden. An der Ausarbeitung eines geeigneten Faltblatts werde gearbeitet.78 Die Informationen aus dem Treffen der Ost-West-Beratergruppe am 31. Mai gab Lingner Anfang Juni den Mitgliedern des Rates weiter. In einer Unterredung mit Staatsorganen zum Schwerpunktthema Kirche und Staat hätten die östlichen Kirchenvertreter bekräftigt, ihre Bereitschaft, sich im Westen für die Sicherheitskonferenz und die Aufnahme beider deutscher Staaten in die UNO einzusetzen, beruhe auf „innerer Überzeugung“. Gleichzeitig hätten sie den Vertretern des Staates verdeutlicht, dass die Stimme der Kirchen aus der DDR nur geringes Gewicht habe, solange ihnen die Bewertung anhinge, sie seien staatsabhängig. Diese westliche Außensicht könne möglicherweise korrigiert werden, wenn der Staat sich zu einem Gespräch mit dem Kirchenbund über die Situation der Kirche in der DDR bereit fände. Der Staat habe mit einer Zusage reagiert.79 Innerkirchlich werde derzeit kontrovers diskutiert, wie mit der neuen staatlichen Verordnung umzugehen sei, die zur Anmeldung auch kirchlicher Veranstaltungen verpflichte. Während die thüringische Kirche erklärt habe, ihre Bibelrüsten anmelden zu wollen, seien in den übrigen Gliedkirchen Bedenken laut geworden. Die Mitglieder der KKL hätten sich dann mehrheitlich dagegen 78 Niederschrift (von Harling) über die Besprechung der leitenden Juristen aus den Gliedkirchen am 27.4.1972 in Hannover, S. 10 (EZA, 2/93/1386). 79 Am 10.5.1972 hatte ein „Informationsgespräch“ Seigewassers mit dem Vorstand der KKL und dem Präsidium der Bundessynode zu außenpolitischen Fragen stattgefunden, bei dem eine weitere Unterredung über grundsätzliche Fragen hinsichtlich der Tätigkeit der Kirchen in der sozialistischen Gesellschaft für den 26.6. vereinbart worden war.

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ausgesprochen, allerdings sei offen, ob die Kirche in Thüringen sich ebenfalls an diesen Beschluss der KKL halten werde. Im Verlauf der sich an Lingners Bericht anschließenden Debatte fragte Ratsmitglied Wilhelm Niesel, ob nicht der Zeitpunkt gekommen sei, dass der Rat der EKD „einmal wieder“ nach Ost-Berlin einreise. Daraufhin erläuterte Lingner, dass die Kirchen in der DDR durchaus in Erwägung zögen, in dieser entspannteren Phase z. B. Ausreisegenehmigungen für ökumenische Veranstaltungen im westlichen Ausland zu beantragen. Umgekehrt sollten in die DDR seitens des Bundes nur „solche Leute“ eingeladen werden, die „nicht auf der ‚schwarzen Liste‘“80 stünden. In den östlichen Kirchen werde für derartige Besuche ein „Konzept“ ausgearbeitet, fügte Scharf hinzu, das man den Brüdern im Westen übergeben wolle. DDR-Kirchenvertreter hätten jedoch nachdrücklich betont, dass bei Besuchsreisen ausgesprochen maßvoll vorgegangen werden müsse. Es sei demnach auf keinen Fall angeraten, eine ganze Gruppe von Mitgliedern des Rates nach Ost-Berlin zu schicken.81 Der Staatssekretär empfing den KKL-Vorstand am 26. Juni erneut zu einer Unterredung, in der es um die Gestaltung der künftigen Staat-Kirche-Beziehungen ging. Seigewasser betonte, dass die DDR durchaus interessiert sei an einer guten Zusammenarbeit, bezeichnete jedoch „völkerrechtliche Vereinbarungen“ zwischen den beiden deutschen Staaten als unabdingbare Voraussetzung. Jegliche Bemühungen der Kirchen um eine Gestaltung „innerdeutscher 80 Von einer Einreisesperre betroffen waren zu diesem Zeitpunkt u. a.: H. Dietzfelbinger, H. Grüber, W. Hammer, H. Kunst, H. Lilje, W. Niesel, L. Raiser, K. Scharf, R. von Weizsäcker, E. Wilkens und E. Wilm (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1234, Bl. 188–194). – Scharf hatte sich am 23.5.1972 das erste Mal seit dem Mauerbau wieder zu Gesprächen mit östlichen Kirchenvertretern in Ost-Berlin aufhalten können und – wie das MfS erfahren hatte – über eine Unterredung mit Bundeskanzler Willy Brandt informiert, in der es um die „Rolle und Aufgaben der Kirche zur Durchsetzung der ‚neuen Ostpolitik‘“ gegangen sei: „Durchsetzung einer Kirchenpolitik, die den politischen Realitäten und Gegebenheiten mehr Rechnung trägt. Durch Anerkennung der Existenz von zwei deutschen Staaten durch die Kirche Voraussetzungen schaffen, um die Einflußnahme auf die Entwicklung in der DDR zu verstärken“ (HA XX/4; Berlin, 8.1.1973 „Jahresanalyse über die Entwicklung der politisch-operativen Lage und die Wirksamkeit der politisch-operativen Arbeit auf der Linie XX/4“ [BStU (ZA Berlin), MfS HA XX/4-3242, Bl. 529–565; hier Bl. 529f.]). 81 Niederschrift (Gundert) über die 66. Sitzung des Rates am 7./8.6.1972 in Mauloff, S. 6, 7 (EZA, 2/1787). – Auf der Hauskonferenz im Lutherischen Kirchenamt in Berlin war am 19.6. über die Erfahrung mit den derzeit bei der VELK, der EKU und dem Berlin-brandenburgischen Konsistorium tätigen, aus dem Westbereich stammenden kirchlichen Kurieren gesprochen und als problematisch festgehalten worden, dass die „Kuriere selbst von ihrer Tätigkeit nicht immer voll überzeugt“ seien und sich „gelegentlich“ kritisch äußerten. Allerdings könne der „Kurierdienst eine nicht unwichtige Nebenwirkung“ haben. Den Kurieren eröffne sich die Möglichkeit, ihre bei der Arbeit gewonnenen Einblicke in die Situation der Kirchen in der DDR in ihren Heimatgemeinden zu vermitteln. Das wiederum sei ausgesprochen positiv zu bewerten, zumal es Teil der „anerkannten Verpflichtung der Kirchen in der DDR und der Kirchen in der EKD [sei], an der ‚geistlichen Gemeinschaft‘ festzuhalten und das gegenseitige Kennenlernen der jeweiligen Problemlage zu fördern“ (Vermerk Lingner o. D., S. 2f. [EZA, 2/01/1325]).

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Beziehungen“ seien nichts anderes als ein „Mißbrauch“ und würden sofort unterbunden. Mit der Bemerkung, dass dies selbstverständlich den „Charakter“ der Beziehungen zwischen Bund und EKD betreffe, verdeutlichte der Staatssekretär die staatliche Erwartungshaltung. Das einzig akzeptable Verhältnis der ostdeutschen zur westdeutschen Kirche beschrieb er als normale ökumenische Beziehung einer Kirche zu der eines beliebigen anderen Staates. Dabei müsse der Bezugspunkt des DDR-Kirchenbundes der Ökumenische Rat der Kirchen in Genf sein – nicht etwa Bonn. Seigewasser fasste zusammen: „Der Staat werde es nicht dulden, daß ihm über den Weg der Kirchen die Bonner Doktrin der innerdeutschen Beziehungen unterschoben [sic] werde. Niemand verkenne die besonderen historischen Bindungen zwischen den deutschen Kirchen. Sie rechtfertigten jedoch keine besonderen innerdeutschen Beziehungen. Die könne es auch im kirchlichen Raum nicht geben“.82

In einem undatierten neunseitigen Entwurf Schönherrs für ein Schreiben an Seigewasser, mit dem der KKL-Vorstand offenbar zu einigen als prekär empfundenen Äußerungen des Staatssekretärs dezidierter Stellung nehmen wollte, bezog sich der KKL-Vorsitzende auch auf die staatlichen Vorstellungen eines „akzeptablen Verhältnisses“ zwischen Bund und EKD. Er widersprach der Einschätzung Seigewassers und konstatierte, die Bundeshauptstadt sei zu keinem Zeitpunkt „ökumenischer Bezugspunkt“ des Kirchenbundes in der DDR gewesen. Tatsächlich sei dies unter anderem Genf, da dort sowohl der ÖRK als auch die konfessionellen Weltbünde der Kirchen ihren Hauptsitz hätten. Schönherr erläuterte, dass der BEK in der DDR und seine Gliedkirchen „nicht nur gute Beziehungen zu den zentralen Büros der kirchlichen Weltbünde [anstrebten], sondern ebenso bilaterale Kontakte zu den einzelnen Kirchen in anderen Staaten“. Die Berührungspunkte und die Gemeinschaft mit der EKD beeinflussten jedoch nicht im geringsten den Status der kirchenrechtlichen Selbständigkeit des Kirchenbundes und stellten im übrigen „keine ‚innerdeutschen Beziehungen‘ im politischen Sinne“ dar. Es handele sich vielmehr um „bilaterale Beziehungen zwischen Kirchen selbständiger Staaten, die sich je nach Bekenntnis, Sprache und Geschichte unterschiedlich gestalten“.83 Auf der außerordentlichen Tagung der KKL am 1. Juli kamen deren Mitglieder überein, dass die derzeit in Dresden tagende Synode des Bundes84 82 Vermerk Stolpe, S. 4 (EZA, 687/31). – Mit den Äußerungen Seigewassers setzte sich die KKL erst auf ihrer Sitzung am 10.11.1972 in aller Gründlichkeit auseinander. 83 Schreiben (Entwurf) Schönherr an Seigewasser o. D., S. 6 (EZA, 687/31). Der Entwurf findet sich auch in den Beständen der ZK-AG Kirchenfragen (SAPMO-BArch, DY 30/IV B 2/14/81, Bl. 1–9). 84 Vom 30.6.–4.7.1972 in Dresden.

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„schnellstmöglich“ über das Gespräch des Vorstands mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen unterrichtet werden müsse, auch wenn eine „genaue Analyse“ noch ausstünde. Ein Motiv für die Entscheidung war die vom Vorsitzenden des Rates des Bezirks Dresden für das Präsidium der Bundessynode, einige ökumenische Gäste sowie die Mitglieder der KKL ausgesprochene Einladung zu einem staatlichen Empfang am 3. Juli. Einige Konferenzmitglieder warfen die Frage auf, „ob Inhalt und Verlauf des Gesprächs vom 26.6. der Sache nach eine solche Begegnung im Rahmen eines Staatsempfangs überhaupt zulassen“. Jedoch schwächte bei der Debatte der anwesenden Mitglieder der KKL der mit Schönherrs Briefentwurf ansatzweise umgesetzte Plan, dem Staatssekretär eine „grundsätzliche Stellungnahme der Kirchen“ zukommen zu lassen, die Vorbehalte vorläufig ab. Abgesehen davon war ebenso der Termin besonders misslich, da die sächsische Landeskirche ihrerseits für diesen Tag die Synode eingeladen hatte.85 Bei der Fortsetzung ihre Tagung am Abend fand dann – basierend auf einem Bericht des anhaltischen Kirchenpräsidenten Eberhard Natho und des KKL-Vorsitzenden Schönherr aus Gesprächen mit Vertretern des Staates – ein „ausführlicher Meinungsaustausch“ über die Reaktionen von Staatsvertretern auf das von Falcke gehaltene –Synoden-Hauptreferat „Christus befreit – darum Kirche für andere“ statt. In der Diskussion spielte freilich eine wichtige Rolle, welcher Stellenwert Falckes Ausführungen im Kontext der Grundsatzdebatte zur „Frage Kirche und Gesellschaft“ zukäme. Die Anwesenden bezogen verschiedene Gesichtspunkte mit ein, die sich aus der Unterredung des Vorstands mit Seigewasser am 26. Juni ergeben hatten und versuchten herauszuarbeiten, welche Relevanz vom Staat vorgebrachte „Einsprüche für einen innerkirchlichen synodalen Denk- und Lernprozeß“ überhaupt hätten oder auch haben dürften.86 Ohne Zweifel hatte Falcke mit seinem fundierten theologischen Beitrag zu Zielen und Aufgaben der Kirche als Zeugnis- und Dienstgemeinschaft in der sozialistischen Gesellschaft den Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR einen Schritt weitergebracht auf dem Weg zur Klärung seines Selbstverständnisses und dem daraus resultierenden gebotenen kirchlichen Handeln. Dass die Beschaffenheit des BEK – abgesehen von den wichtigen offenen Fragen seiner Bewährung als Kirche für andere in der DDR – noch ziemlich brüchig war, hatte die KKL in ihrem ausgesprochen selbstkritischen Bericht an die Synode eingeräumt. Die Bundessynode hatte dies nicht als Zeichen der Unsicherheit abgewertet, sondern als instruktiv und anregend zur Kenntnis genommen und in 85 Protokoll (Lewek) über außerordentliche Tagung der KKL am 1.7.1972 in Dresden, 12.30–13.30 Uhr, S. 2 (EZA, 101/338). 86 Protokoll (Lewek) über außerordentliche Tagung der KKL am 1.7.1972 in Dresden, 19.30–21.00 Uhr, S. 2 (EZA, 101/338).

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ihrer Stellungnahme Möglichkeiten formuliert, wie der Bund sich selbst festigen, in der DDR deutlicher positionieren sowie den christlichen Glauben leben und seine Aufgaben erfüllen könnte.87 Es war nicht weiter verwunderlich, dass die staatlichen Reaktionen auf Falckes umfassendes, theologisch argumentierendes und dabei freilich die Problemzonen im Verhältnis von Staat, Kirche und Gesellschaft in der DDR mit berührendes Hauptreferat zutiefst misstrauisch und tendenziell kritisch-ablehnend ausfielen. Immerhin darf nicht vergessen werden, dass die Tagungen der Bundessynode in Relation zu anderen kirchlichen Veranstaltungen eine maximale Öffentlichkeitswirkung im ansonsten mit gutem Erfolg beschnittenen und abgeschotteten Handlungsraum der DDR hatten.88 „Seelsorge und Gemeinnützigkeit“ contra „Wächteramt“ Scharf unterrichtete die Mitglieder des Rates auf der Sitzung am 6. und 7. Juli 1972, dass die Berlin-brandenburgische Kirche (Ost) Schönherr zum Bischof gewählt habe, während bei der Synodaltagung im Westbereich die Verabschiedung eines Bischofswahlgesetzes gescheitert sei, weil die notwendige 2/3-Mehrheit nicht erreicht wurde. Er sei jedoch überzeugt, dass die erforderlichen Stimmen auf der Tagung der westlichen Berlin-brandenburgischen Synode im November zusammenkommen würden. Über die letzte Sitzung der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung, auf der unter anderem eine Debatte über die Europäische Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit debattiert worden sei, informierte Wilkens. Es würden in diesem Kontext weiterhin Anstrengungen unternommen, zusammen mit der DDR-Arbeitsgruppe eine „gemeinsame Erklärung“ zu formulieren.89 Wegen der geplanten Grundsatzäußerung des Bundes zu Seigewassers Darlegungen vor dem Vorstand der KKL im Juni wandte sich Stolpe am 8. August an Hempel, der Mitglied der Vorbereitungsgruppe90 war, die eigens zur Ausarbeitung der kirchlichen Stellungnahme eingesetzt worden war. Er legte eine „Skizze“ zu der zu kommentierenden Bemerkung des Staatssekretärs bei, die „Kirchen übten ihre seelsorgerliche und gemeinnützige Tätigkeit aus“ und 87

Auszugsweiser Abdruck des Konferenzberichts in: M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 77–83. Dort ist ebenfalls die Stellungnahme der Bundessynode zum Bericht der KKL vom 4.7.1972 veröffentlicht (S. 74ff.). 88 In einer „politisch-operativen Einschätzung“ der MfS-HA XX/4 vom 7.7.1972 über die Bundessynode in Dresden wird mit Zufriedenheit konstatiert, dass von „10 Diskussionsrednern, die sich mit unterschiedlicher Konsequenz kritisch mit dem Referat“ Falckes befasst hätten, „über die Hälfte inoffizielle Mitarbeiter“ gewesen seien (BStU [ZA Berlin] MfS HA XX/4-17, Bl. 273–278; hier Bl. 275). 89 Niederschrift (Linnenbrink) über die 67. Sitzung des Rates der EKD am 6./7.7.1972 in West-Berlin, S. 14 (EZA, 2/93/784). 90 Ihr gehörten an: Hempel, Kramer, Lewek und Grengel.

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erläuterte, dass in Anlehnung an erste Vorüberlegungen die „folgenden Gedankengänge […] nach den Begriffen ‚seelsorgerlich‘ und ‚gemeinnützig‘ gruppiert“ seien, während das Ziel der zu formulierenden grundsätzlichen Erklärung des Bundes allerdings vielmehr darin bestünde, „unabhängig von der staatlichen Terminologie die eigene Position der Kirche darzulegen“.91 Über die Frage, wie mit den Äußerungen Seigewassers aus der Unterredung zwischen Staat und Kirche umzugehen sei, berieten auch die Konferenzmitglieder auf ihrer Sitzung am 8. und 9. September. Hinsichtlich des Vorgehens der Vorbereitungsgruppe, die ja das Selbstverständnis des Kirchenbundes in einem Antwortschreiben an den Staatssekretär unmissverständlich zum Ausdruck bringen sollte, debattierte die KKL darüber, ob die Kirche dabei direkt die Bezeichnung „Wächteramt“ als Ausgangspunkt ihrer Erläuterungen verwenden oder die staatliche Perspektive aufgreifen solle, der entsprechend „Seelsorge und Gemeinnützigkeit“ als Charakteristika der Kirche benannt worden waren. Einigkeit bestand über die Tatsache, dass dem „Kirchenverständnis des Staates“ zweifellos das kirchliche Selbstverständnis „deutlich gegenübergestellt“ werden müsse.92 Auf der Sitzung der Beratergruppe am 14. September, an der acht Vertreter des Bundes und sieben von der EKD teilnahmen93, wurde eine umfangreiche Tagesordnung abgearbeitet. Im Anschluss an Kramers DDR-„Presseüberblick“ schilderte Schönherr die Schwerpunktthemen, die die Synode des Bundes auf ihrer jüngsten Tagung in Dresden beraten hatte. Eine zentrale Rolle habe gespielt, inwieweit ein Vorankommen der Arbeit des Kirchenbundes festzustellen sei. Der Erwartungshaltung der BEK-Synode entsprechend müssten die einzelnen Landeskirchen Kompetenzen abtreten. Denn wenn der Bund im Grunde nicht von der Synode, sondern von der KKL geleitet werde, bestünde das Risiko einer reinen „Konferenz-Kirche“. Vorerst sei geplant, sich im Rahmen der Weiterarbeit des BEK um eine „verstärkte Zusammenarbeit“ mit der VELKD und der EKU zu bemühen, wobei sogar langfristig an eine „Zusammenlegung der Verwaltungen“ gedacht werde. In Zukunft solle der Bund allein für den gesamten Bereich der Ausbildung zuständig sein. Der zweite Schwerpunkt der Synodaltagung habe auf dem Feld der Politik gelegen. Falcke sei die Aufgabe übertragen

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Schreiben Stolpe an Hempel vom 8.8.1972, S. 1 (EZA, 101/338). – Hervorhebung im Original. Protokoll (Borgmann) der 20. KKL-Tagung am 8./9.9.1972, S. 3 (EZA, 101/96). – Ein Schreiben an Seigewasser, welches alle diese Aspekte berücksichtigte, wurde der KKL auf ihrer Tagung am 10.11.1972 unter TOP 1 vorgelegt. Es hatte für die kirchliche Standortbestimmung in der DDR grundsätzlichen Charakter und ist zudem ein Beispiel für den selten so explizit durchgeführten Versuch, die Sprache der Kirche für den Staat zu übersetzen und ihm dabei in fast kindgerechter Manier einen Bruchteil der Grundlagen christlichen Glaubens näher zu bringen. 93 Schönherr, Juergensohn, Johannes, Kramer, Gienke, Pabst, Zeddies, Behm (DDR) und Heintze, Claß, Schnübbe, Füllkrug, Johnsen, Henkys, Gräßer (BRD). 92

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worden, das Grundsatzreferat zum Thema „Kirche im sozialen Staat“ [sic] zu halten. Vertreter des Staates hätten seine Ausführungen kritisiert.94 Schönherr leitete daraus die besondere Schwierigkeit für die Kirchen in der DDR ab, auf dem Grat zwischen „Opportunismus“ und „antisozialistischer Haltung“ den „ihr eigenen Weg“ in den Beziehungen zum SED-Staat zu finden. Im Vorfeld der Synodaltagung habe eine Unterredung von Vertretern des Bundes und des Staates stattgefunden, in deren Verlauf die Staatsvertreter ein „sorgfältig erarbeitetes Referat“ vorgetragen hätten. Darin sei präzisiert worden, welche grundsätzlichen Vorstellungen die Partei- und Staatsführung von einer Kirche im sozialistischen Staat habe. Die Mitglieder des Vorstands teilten darauf mit, dass kein Vertreter des BEK an der EKD-Synode Anfang Oktober in West-Berlin teilnehmen könne.95 Die von den staatlichen Stellen verkündete Verweigerung der erforderlichen Ausreisegenehmigung sei in erster Linie mit dem Tagungsort begründet worden, der eine „kirchliche Variante der Brandt-Scheel-Doktrin zum Ausdruck“ bringe. Im Kontext der Berichte über die im August in Utrecht abgehaltenen Tagung des Zentralausschusses des ÖRK überlegte die Beratergruppe, ob in Aussicht genommen werden könne, im Jahr 1974 die Tagung in West-Berlin abzuhalten. Die Vorstandsmitglieder brachten ihre Skepsis zum Ausdruck, da angesichts des nach wie vor ungelösten politischen Berlin-Problems immer mit Schwierigkeiten zu rechnen sei, was eine Teilnahme-Genehmigung für die DDR-Kirchenvertreter beträfe. Dennoch plädierten sie dafür, „die Sache“ noch abzuwarten und zunächst von einer Einflussnahme auf die Wahl des Tagungsorts abzusehen.96 In seinem Bericht zur Lage erläuterte Kunst am 21./22. September vor dem 94 Vor allem die von Falcke verwendete Formulierung „verbesserlicher Sozialismus“ war von staatlicher Seite als kritische Einmischung in eine reine Parteiangelegenheit interpretiert worden. – Anders urteilt Dietrich Staritz, ausgehend von der umstrittenen Standortbestimmung „Kirche im Sozialismus“, mit der das kirchliche Selbstverständnis in der DDR bereits zuvor formuliert worden war. So habe die SED diese Formel als „Positionswechsel“ mißverstanden, doch ebenso irritiert seien „sowohl Teile der eigenen Anhänger als auch die westdeutschen Kirchen“ gewesen, „zu denen sich der Kirchenbund im übrigen (und nicht der der hilfreichen materiellen Bindungen wegen) in einem ‚besonderen‘ Verhältnis sah“. Aus dieser richtigen Beobachtung folgerte Staritz 1996, dadurch sei immerhin die Möglichkeit eröffnet worden, „sich intensiver zur eigenen Gesellschaft zu äußern und auch einmal von einem ‚verbesserlichen Sozialismus‘ zu sprechen“, wie Falcke es getan habe (D. STARITZ, Geschichte, S. 335). 95 Raiser hatte Braecklein am 11.8.1972 eine Einladung zur EKD-Synode (1.–5.10.1972) in Berlin-Spandau geschickt und dazu geschrieben: „Ich möchte meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, daß die Verbindung zwischen dem Bund der Evangelischen Kirchen […] und der Evangelischen Kirche in Deutschland nun angesichts der Verständigung auf politischer Ebene gefestigt und vertieft wird“ (Schreiben Raiser an Braecklein vom 11.8.1972 [EZA, 101/307]). – Zumindest im Blick auf die Teilnahme der Vertreter des Bundes an der Synodaltagung der EKD sollte sich diese Hoffnung nicht erfüllen. 96 Vermerk (Lingner) über die Sitzung der Beratergruppe am 14.9.1972 in Ost-Berlin, S. 2, 3 (EZA, 8/91/1246). – Zu den Bemühungen der Kirchen in der DDR um eine Strukturreform – mit dem Ziel der Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche (VEK) sowie dem Themenkomplex Struktur- und Verfassungsreform der EKD vgl. die Spezialdarstellung von P. BEIER, „Kirchwerdung“.

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Die Beratergruppe und der Ost-West-Dialog

Rat der EKD, warum dem „Problem der Staatsangehörigkeit der DDR-Bürger“ vor allem im zwischen der DDR und der Bundesrepublik zu schließenden Grundlagenvertrag97 besonderes Gewicht zukomme. Von der Regierung der DDR werde es als „Diskriminierung“ empfunden, dass die Bundesregierung kontinuierlich humanitäre Erleichterungen verlange. Die Staats- und Parteiführung habe ihr potentielles Entgegenkommen signalisiert, was die Zusammenführung von Familien anbelange – „und zwar in dem Maße, in dem die Diskriminierungen seitens der Bundesrepublik aufhörten“. Kunst berichtete, dass die Fluchtneigung aus der DDR besonders in den Kreisen der Intellektuellen immer noch „spürbar“ sei. Die Ratsmitglieder erfuhren über die Beratergruppe, dass Schönherr und Braecklein vermutlich nicht zur Synode der EKD ausreisen dürften, da der Tagungsort West-Berlin von den staatlichen Stellen als Provokation empfunden werde.98 Wenige Tage später musste Pabst den Bischöfen die endgültig abschlägige Entscheidung des Staates mit „Bedauern“ mitteilen.99 Allerdings sollte die Angelegenheit noch eine komplizierte Wendung erfahren. Am 3. Oktober hatte der epd die kritische Äußerung von EKD-Synodenpräses Ludwig Raiser zitiert, auf seine an die Vertreter des Kirchenbundes in der DDR gerichtete Einladung weder eine „schriftliche noch eine persönliche Antwort“ erhalten zu haben. Die epd-Meldung veranlasste wiederum Behm dazu, ein Schreiben an Hammer zu richten, in dem er zumindest teilweise dieser Darstellung widersprach, die aus Sicht des Bundes eben „nicht ganz den Tatsachen“ entspreche. Er wies darauf hin, dass Schönherr bei dem Zusammentreffen mit der westlichen Beratergruppe am 14. September berichtet habe, die Staatsorgane hätten mit dem speziellen Hinweis auf den Tagungsort Berlin (West) ihre Verweigerungshaltung verdeutlicht und würden die Teilnahme an der EKD-Synode nicht gestatten, und schrieb: „Da die Berlin-Gruppe eine gemeinsam verabredete Einrichtung ist, mußten wir annehmen, daß diese Mitteilung von den anwesenden EKD-Vertretern an die Kirchenkanzlei und das Präsidium der EKD-Synode weitergegeben würde. Dann hätte dieser falsche Eindruck des totalen Schweigens von unserer Seite, den wir außerordentlich bedauern, nicht entstehen können. Wir wären Ihnen, sehr verehrter Herr Präsident, dankbar, wenn Sie auch Herrn Präses D. Raiser entsprechend informieren würden.“100 97

Die Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR über einen „Grundlagenvertrag“ waren bereits am 27.11.1970 aufgenommen worden. Egon Bahr und Helmut Kohl unterzeichneten ihn am 21.12.1972 in Ost-Berlin, und der Vertrag trat am 21.6.1973 in Kraft. 98 Niederschrift (Echternach) über die 68. Sitzung des Rates am 21./22.9.1972 in Hannover, S. 10 (EZA, 2/1787). 99 Schreiben Pabst an Braecklein und Schönherr vom 27.9.1972 (EZA, 101/307). 100 Schreiben Behm an Hammer vom 6.11.1972 (EZA, 101/307). – In der Akte, in der Behms Brief abgelegt ist, findet sich eine Reihe von sehr aufschlussreichen zumeist hsl. Vermerken, die vor dem 6.11. von verschiedener Seite angefertigt wurden. Wie Pabst den übrigen Kirchenleitenden in der DDR berichtete, hatte Braecklein tatsächlich persönlich überhaupt nicht auf die Einladung reagiert.

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Auf der Ratssitzung Mitte November kam der Bevollmächtigte Kunst wieder auf den Grundlagenvertrag zu sprechen. In der Debatte wurde darüber spekuliert, wie sich dieser Vertrag zwischen DDR und Bundesrepublik auf die Beziehungen von Bund und EKD bereits auswirke und zukünftig auswirken werde. Auch wenn mit den Kirchenvertretern aus der DDR bislang „noch nicht ausführlich“ darüber habe gesprochen werden können, sollten „ab sofort“ von den Kirchen wechselseitige Einladungen ausgesprochen werden. Zudem sah der Ratsvorsitzende vor, in seinem mündlichen Bericht an die Synode der EKD Anfang Januar in Bremen darzustellen, „wie die EKD seit der Teilung Deutschlands den Weg, der bis zu diesem Grundvertrag geführt hat, begleitet hat“. Dabei werde er seine Einschätzung verdeutlichen, dass innerhalb der EKD eine Aufarbeitung dieses „ganzen Komplexes“ bislang nicht erfolgt sei.101 Der Kirchenkonferenz wiederum erläuterte Kunst am 13. Dezember, dass die Ergebnisse der Bundestagswahl vom Ausland wohlwollend zur Kenntnis genommen würden. Dies zeige, dass auch die Bonner Ostpolitik als integrativer Bestandteil der Weltpolitik Anerkennung finde. Der Bevollmächtigte betonte, dass im Blick auf die Beziehungen zur DDR und dem Kirchenbund derzeit mit großer „Zurückhaltung und Selbstbescheidung“ vorgegangen werden müsse. Dass mit einer Ausnahme alle Vertreter der EKD wieder Einreisegenehmigungen in die DDR erhielten, dürfe auf keinen Fall zum Anlass genommen werden, diese Entspannung weidlich auszunutzen: „Vermehrte Aktivitäten und jeder (wenn auch: falsche) Eindruck, daß die Kirchen der BRD Einfluß nehmen wollten, könne nur schaden.“ In der Debatte kamen die Anwesenden überein, dass dem Wunsch der Brüder im Osten nach eigenverantwortlichen Entscheidungen unbedingt Rechnung zu tragen sei. Jede Einflussnahme von Seiten der EKD müsse „unterbleiben“.102 In gewissem Widerspruch zu der selbstverordneten Zurückhaltung stand der Meinungsaustausch der Ratsmitglieder auf ihrer einen Tag darauf beginnenden Sitzung. Auf Kunsts Anfrage, ob der Rat der EKD vorhabe, sich zum Grundlagenvertrag zu äußern, betonten die meisten Mitglieder, dass der Rat „zu diesem von ihm im Grundsatz seit langem mit angestoßenen Vorgang nicht schweigen dürfe“. Während einige der Anwesenden eine schriftliche Erklärung des Rates für die der Sache angemessene Lösung hielten, plädierten andere dafür, der Ratsvorsitzende möge in seinem Bericht an die EKD-Synode auf den deutsch-deutschen Grundlagenvertrag eingehen. Letztlich kamen die Ratsmitglieder sogar zu dem Ergebnis, dass der Vorsitzende „gar nicht darum herumkommt, in dem Bericht 101 Niederschrift (Grimme) über die 71. Sitzung des Rates am 16./17.11.1972 in Berlin, S. 5 (EZA, 2/1787). 102 Niederschrift (Linnewedel) über die Sitzung der Kirchenkonferenz am 13.12.1972, S. 10, 11 (EZA, 2/93/693).

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vor der Synode zu dem Grundvertrag Stellung zu nehmen“. Bei der Erörterung des potentiellen Inhalts der abzugebenden Äußerung herrschte im Rat Konsens, „nicht über den Vertrag im einzelnen“, sondern „zu den kirchlichen Aspekten in der Sachfrage“ zu sprechen. Angeregt wurde, einen Bezug zur Friedensstudie der EKD herzustellen und „auf die hier und da geäußerte Ansicht einzugehen, daß seit dem 19.11.1972 die Deutschen in der Bundesrepublik kein Staatsvolk mehr seien, sondern nur noch eine Wohngemeinschaft, und daß es auch der Kirche in Ost und West nicht gelungen sei, zusammenzubleiben“.103 Hinsichtlich der Situation nach der Bundestagswahl kam der Rat überein, nicht zu einer Verschärfung der Lage beitragen zu wollen und sich vorerst auf ein Gespräch mit dem Bundespräsidenten zu beschränken, da es für eine Unterredung mit der Bundesregierung noch zu früh sei.104 Die Vertreter des BEK tauschten auf ihrer Sitzung mit den westlichen Brüdern am 20. Dezember Informationen über die anstehende Tagung der EKD-Synode, über die Bemühungen um eine engere Kirchengemeinschaft in der DDR, die theologischen Lehrgespräche im Rahmen der Leuenberger Konkordie und ihre Konsequenzen sowie über den aktuellen Stand ökumenischer Beziehungen aus. Verhandelt wurde nochmals über einen möglichen Tagungsort für die Sitzung des ÖRK-Zentralausschusses im Juli 1974. Dabei blieb es bei der bereits geäußerten Feststellung, dass jedwede Stadt in der Bundesrepublik unter Berücksichtigung der erheblich besseren Einreiseoptionen für Kirchenvertreter aus der DDR dem Tagungsort West-Berlin sicher vorzuziehen sei. Auch berieten die Anwesenden über die Möglichkeiten gegenseitiger Einladungen zu kirchlichen Veranstaltungen und stellten in diesem Kontext Überlegungen an, wie einerseits ein „geordneter Informationsaustausch“, auf der anderen Seite eine Versorgung vor allem der östlichen Brüder mit Literatur zu verwirklichen sei. Zum TOP „Westliche Journalisten in der DDR und ihr Auftreten bei kirchlichen Veranstaltungen“, der angesichts der absehbaren Unterzeichnung des Grundlagenvertrags und der bereits abgeschlossenen Vertragswerke105 an Aktualität gewonnen 103

Niederschrift (Dibelius) über die 72. Sitzung des Rates am 14./15.12.1972 in Hannover, S. 7f. (EZA, 2/1787). 104 Vor der Wahl hatte sich der Rat mit seiner „Erklärung“ vom 22.9.1972 zu Wort gemeldet (Abdruck in: J. E. CHRISTOPH [Hg.], Kundgebungen, Bd. 3, S. 96f.). Nun ging es dem Rat vor allem um § 218 StGB, zu dem am 5.4.1973 die „Erklärung des Rates der EKD zum gegenwärtigen Stand der Auseinandersetzung über Fragen des Schwangerschaftsabbruchs“ veröffentlicht wurde. Am 14.5. verfasste dann der Ratsvorsitzende ein Schreiben an Bundeskanzler Brandt, in dem die fehlende breite „Sachdiskussion“ um eine Neufassung des § 218 bemängelte und die kirchliche Beteiligung an der Suche nach einer „menschlich tragbaren Lösung“ anbot (Abdruck EBD., S. 115–119; 123ff.). 105 So z. B. das Transitabkommen vom 17.12.1971, das als ergänzende Regelung zum ViermächteBerlin-Abkommen (ziviler Personen- und Güterdurchreiseverkehr zwischen BRD und West-Berlin) nun mehrmals jährlicher Reisen von Bundesbürgern in die DDR auf Einladung von Verwandten und

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hatte, erstattete der West-Berliner Publizist Henkys einen Bericht. Da in naher Zukunft „35 ständige Korrespondenten und weitere Reisekorrespondenten westdeutscher Zeitungen in Ost-Berlin und der DDR ihre Arbeit“ aufnähmen, müssten die Kirchen in der DDR sich auf den kontinuierlichen „Umgang“ mit westdeutschen Journalisten einstellen. Zweifellos noch problematischer als bislang werde es sein, die Veröffentlichung von solchen Presseberichten in den Printmedien der Bundesrepublik zu vermeiden, die negative Auswirkungen auf die evangelischen Kirchen in der DDR und ihre Arbeit hätten. Im Anschluss an Henkys Schilderung erläuterten die KKL-Mitglieder, welcher Status quo bei der „gesellschaftlichen Positionsbestimmung der Kirchen in der DDR unter Berücksichtigung des Gesprächs zwischen Regierung und Bundesvorstand und der Problematik eines Staatsbürgers christlichen Glaubens“ erreicht worden war. Der Sprachregelung der SED zufolge gelte ein „sozialistischer Staatsbürger christlichen Glaubens“ noch nicht als Staatsbürger der DDR im Vollsinn. Insgesamt könne diese Bezeichnung jedoch insofern als „Fortschritt“ betrachten werden, als sich bei einer semantischen und inhaltlichen Analyse eine „Akzentverschiebung gegenüber der früheren Ausdrucksweise von einer ‚gemeinsamen humanistischen Verantwortung von Christen und Marxisten‘“ feststellen lasse. Gleichwohl sei zu bedenken, dass mit der abgewandelten Formel eine Identifikation der Christen mit dem sozialistischen Staat nicht nur impliziert, sondern vorausgesetzt werde, was wiederum Konsequenzen für die Stellung von Christen in der DDR habe: „Die volle Identifikation mit der sozialistischen Zielsetzung muß den Totalitätsanspruch des sozialistischen Staates anerkennen. Dieser Totalitätsanspruch des sozialistischen Staates steht in einem Spannungsfeld zu dem Totalitätsanspruch des Evangeliums. Allerdings – und dies will die Formel wohl zum Ausdruck bringen – hat die Auseinandersetzung mit dem Klassenfeind Vorrang vor dem ideologischen Gegenüber von Christentum und Marxismus. Insofern kann die Identifikation mit der sozialistischen Gesellschaftsordnung in der Frage der Klassenauseinandersetzung ausreichen, um als sozialistischer Staatsbürger angenommen zu werden unter Zurückstellung der weitergehenden Forderung nach voller Identifikation mit den sonstigen sozialistischen und ideologischen Zielsetzungen.“

Im Zuge dieser komplexen Überlegungen kamen die Mitglieder des KKL-Vorstands zu dem Schluss, dass die neue Bezeichnung „sozialistischer Staatsbürger christlichen Glaubens“ sowohl „redlich“ als auch „hart“ sei.106 Bekannten (bis dato nur 1 x im Jahr) sowie von Institutionen und Organisationen aus kommerziellen, kulturellen, religiösen oder sportlichen Gründen ermöglichte. Auch Touristenreisen und DDR-Bürger jeden Alters (bis dato nur Rentner) „in dringenden Familienangelegenheiten“ konnten genehmigt werden. Ferner war am 26.5.1972 der Verkehrsvertrag zwischen BRD und DDR zur Regelung des gegenseitigen Wechsel- und Transitverkehrs von Personen und Gütern auf Straßen, Schienen und Wasserwegen über Grenzübergangsstellen abgeschlossen worden. 106 Vermerk Lingner o. D., S. 2, 3f. (EZA, 101/358).

2. Kapitel: Nach dem Grundlagenvertrag (1972–1978)

Hinsichtlich der erwünschten Ausreisegenehmigung für Braecklein zur Bremer Synodaltagung der EKD im Januar 1973, zu der Präses Raiser seinen Amtsbruder vom BEK wieder eingeladen hatte, war Pabst in Folge seiner Nachfrage für den 22. Dezember zum Staatssekretär bestellt worden. In der Dienststelle habe man ihn darüber in Kenntnis gesetzt, dass die staatlichen Organe nach einer eingehenden Prüfung der Sachlage – „auch im Lichte des Grundvertrags und des Verkehrsvertrags mit der BRD“ – zu einer abschlägigen Entscheidung gekommen seien. Da der Tagungsort Bremen im Gegensatz zur EKD-Synode in Berlin im Oktober keine Rolle spielen konnte, muss die diesmal angegebene Begründung für Pabst ziemlich überraschend gewesen sein: Die Synodaltagung könne nicht als „religiöse Handlung“ bezeichnet werden, sondern sei eine „kirchenamtliche Veranstaltung“, deren Verhandlungsthema ausschließlich den Bereich der Kirchen in der Bundesrepublik betreffe. Um diese Auslegung zu bekräftigen, hätten die Vertreter der Dienststelle folgende Passage aus dem Tätigkeitsbericht der Berlin-brandenburgischen Kirchenleitung für die vergangene Herbsttagung ihrer Synode zitiert: „Es wäre unrealistisch, aus der Tatsache der Entspannungen und dem Programm der friedlichen Koexistenz, die ein gewisses Maß von Kooperation und gutnachbarlichen Beziehungen einschließt, die Folgerung zu ziehen, daß es nunmehr zu einem unkontrollierten Hin und Her, ja zum Überspielen staatlicher Grenzen kommen könnte. Nach Lage der Dinge entspricht der Entspannung die politische und ideologische Abgrenzung.“

Pabst sei mitgeteilt worden, dass Seigewasser und seine Mitarbeiter dieser Aussage in Gänze zustimmen könnten, sie respektierten und dementsprechend handelten. Ferner wurde seitens der Staatsvertreter betont, dass die Verweigerung der Ausreisegenehmigung zur EKD-Synode keineswegs als gegen die Person Braeckleins gerichtet missverstanden werden dürfe. Die Dienststelle ermögliche dem Bischof bekanntermaßen „Dienstreisen bis in entfernte Gegenden der Erde“. Grundsätzlich bestünden auch keinerlei Einwände, wenn Braecklein Einladungen in die Bundesrepublik Deutschland annehmen wolle – falls beispielsweise der ÖRK, der LWB „oder andere ökumenische Gremien“ ihre Tagungen dort abhielten. Pabst habe entgegnet, dass er diese Ablehnung sehr bedauere, zumal er Raiser davon unterrichten müsse. Daraufhin sei er gewarnt worden,

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dass die zukünftige ökumenische Arbeit des Bundes nur Schaden nehme, falls die Angelegenheit in „dramatischer Weise von der Westpresse“ hochgespielt werde. Wie Pabst noch erfahren habe, werde der Antrag, den Zeddies gestellt hatte, um in Vertretung von Schönherr an der Synode im Rheinland teilzunehmen, „in gleicher Weise behandelt“.1 Die Aufzeichnung Pabsts über diese Unterredung nahm Schönherr am 16. Januar 1973 zum Anlass, Seigewasser mit einem Schreiben an ein Gespräch (vom 31.10.1972) zu erinnern, in dessen Verlauf der KKLVorsitzende den Staatssekretär befragt hatte, was aus staatlicher Perspektive unter „religiöser Handlung“ zu verstehen sei. Da Seigewassers damalige Antwort im Widerspruch zu der Behauptung stünde, das Abhalten einer Synodaltagung sei keine religiöse Handlung, bitte er um Aufklärung. Die Textpassage aus dem Bericht der Berlin-brandenburgischen Kirchenleitung hätten die Staatsvertreter „nicht ganz zutreffend“ interpretiert. Die Kirchenleitung habe vielmehr zum Ausdruck bringen wollen, dass die „Entspannung nicht überzubewerten“ sei. Da Erich Honecker das Interesse der DDR an „gutnachbarlichen Beziehungen“ zur Bundesrepublik herausgestellt habe, wolle Schönherr nun betonen, dass solche auch die gegenseitigen Besuche von Kirchenvertretern auf den Tagungen der Synoden einschließen müssten. Seiner Ansicht nach wäre es „in Richtung der staatlichen Auslegung der Verträge für die Zukunft erstrebenswert, wenn sich für die Kirchen in der DDR mit allen Nachbarkirchen ein normales Verhältnis ergeben würde, zu dem der wechselseitige Besuch der Synoden gehört“.2 Am 15. Januar wurde Pabst wiederum in der Dienststelle des Staatssekretärs vorstellig, um vorfühlend mitzuteilen, dass die KKL den Beschluss gefasst habe, zur Tagung der Bundessynode im Mai in Schwerin elf Gäste einzuladen. Dies seien außer dem Staatssekretär, dem Vorsitzenden des RdB Schwerin, einem Vertreter der AGCK und der ROK in der DDR Gäste aus der Ökumene, wobei Pabst die EKD ganz zuletzt nannte und ankündigte, in Kürze entsprechende Anträge für die Einzuladenden einzureichen. Während dies „zur Kenntnis“ genommen worden sei, wurde der Plan der KKL, u. a. im Herbst 1973 Delegierte des französischen Protestantischen Kirchenbundes und im Sommer 1974 des Ökumenischen Rates der Kirchen in Ungarn in der DDR zu empfangen, „mit Befriedigung zur Kenntnis genommen“. Darauf jedoch habe der Staatsvertreter aus dem West-Berliner Tagesspiegel zitiert, dass Bischof Braecklein die staatliche Genehmigung zur Teilnahme an der EKD-Synode mit dem „fadenscheinigen“ Argument verweigert worden sei, den für Ausreiseanträge mindestens erforderlichen Bearbeitungszeitraum von sechs Wochen unterschritten zu haben. Gleichermaßen sei der Antrag Schönherrs auf Ausreise zur Tagung der rheinischen 1 2

Aktenvermerk Pabst vom 27.12.1972, S. 1f. (EZA, 101/346). Schreiben Schönherr an Seigewasser vom 16.1.1973, S. 1f. (EZA, 101/346).

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Landessynode abgelehnt worden. Pabst war nun – abgesehen davon, dass er der Mitinitiator „dieser entstellten Nachrichten“ sei – nicht etwa vorgeworfen worden, dass doch zumindest ihm gegenüber eine andere Begründung angegeben worden war, sondern seitens des Staates hieß es, derartige Ausreiseanträge hätten „gar nicht“ vorgelegen. Dem Vertreter der Dienststelle habe Pabst „kategorisch“ erklärt, dass er mit der Veröffentlichung im West-Berliner Tagesspiegel nichts zu tun habe, zumal er die einladenden Stellen nur über die Unmöglichkeit einer Teilnahme informiert habe und im übrigen nicht Schönherr, sondern Zeddies ins Rheinland habe fahren wollen, wie der Dienststelle aus der Unterredung mit Pabst im vergangenen Dezember bekannt sei. Pabst bemühte sich dann um eine grundsätzlichere Richtigstellung: „Die Praxis, in komplizierten Fällen nicht sofort Ausreiseformulare einzureichen, sondern zunächst ein klärendes Gespräch zu führen, sei mir vom Staatssekretariat selbst schon vor Jahren nahegelegt worden. Von Bischof D. Schönherr wisse ich, daß er überrascht sei über die mir gemachte Mitteilung, bei Synoden handele es sich nicht um religiöse Handlungen. Diese Äußerung stimmte nicht überein mit Auskünften, die Bischof D. Schönherr vor einiger Zeit vom Staatssekretär persönlich erhielt. Dazu wurde erwidert, von solchen Äußerungen des Staatssekretärs sei nichts bekannt.“3

Im weiteren Verlauf der Unterredung stand die „Frage der Teilnahme kirchlicher Amtsträger aus der DDR an Tagungen westdeutscher Synoden“ im Mittelpunkt. Ein „ernstes Hindernis“, so wurde Pabst verdeutlicht, sei dabei Art. 4 (4), was zwar nicht heißen müsse, dass jegliche Ausreisen zu diesen Anlässen von vornherein völlig ausgeschlossen seien, doch werde „von Fall zu Fall eine sorgfältige Prüfung“ unabdingbar sein. Bei der staatlichen Entscheidung spiele die „Person des Antragstellers“ zwar eine Rolle, doch das Hauptkriterium sei die Bewertung der entsprechenden Synodaltagung in der Bundesrepublik. Höchst problematisch seien aus staatlicher Sicht Einladungen zu EKD- und EKU-Synoden, so dass die Vertreter des Bundes zwei Möglichkeiten hätten: Einerseits könnten 3 Tatsächlich hatte Der Tagesspiegel am 11.1.1973 von der „Ausreiseverweigerung für evangelische Kirchenvertreter zu Tagungen kirchlicher Gremien in der BRD“ geschrieben, was den Leiter der ZKArbeitsgruppe Kirchenfragen unter Rechtfertigungsdruck gegenüber dem Politbüro-Mitglied Verner setzte. Er sandte diesem sogleich eine von Weise über die Unterredung mit Pabst angefertigte Aktennotiz zu und erläuterte, dass kirchlicherseits keine schriftlichen Anträge auf Ausreise vorgelegen hätten. Weise habe Pabst allerdings um eine frühzeitigere Ankündigung derartiger Gesuche gebeten, zumal dieser häufig erst „eine Woche vor dem Termin der Ausreise“ mit schriftlichen Anträgen in die Dienststelle Seigewassers komme. Die Westpresse könne nur von Pabst informiert worden sein. Weise selbst hatte in seiner Stellungnahme die Ablehnung des von Pabst mündlich vorgetragenen Anliegens damit begründet, dass es den Kirchenvertretern aus der DDR nicht „erleichtert“ werden könne, „weiterhin sogenannte innerkirchliche Beziehungen, die gesamtdeutschen Charakter tragen, zu pflegen“ (Schreiben Barth an Verner vom 11.1.1973 mit Anlage: Stellungnahme Weise vom 11.1.1973, S. 2 [SAPMOBArch, DY 30/IV 2/2.036/39, Bl. 1ff.]).

Nach dem Grundlagenvertrag (1972–1978)

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sie auf die Annahme solcher Einladungen und zugleich auf das Stellen einer Ausreisegenehmigung völlig verzichten. Zum anderen sei auch dann, wenn von Vertretern der Dienststelle des Staatssekretärs vorab signalisiert werde, dass mit einer Bewilligung des Antrags auf Ausreise nicht zu rechnen sei, den Eingeladenen anzuraten, „daß sie von sich aus von der Annahme der Einladung absehen möchten. Es sei nicht gut, seine eigene Entscheidung in solchen Fällen hinter einer staatlichen Ausreiseverweigerung zu verstecken“. Freilich sicherte Pabst die Weitergabe dieser Information zu, wies jedoch darauf hin, dass es normalerweise die gebotene Reaktion auf eine Einladung sei, zumindest zu sondieren, ob die Möglichkeit ihrer Annahme bestünde.4 Aufgrund einiger Unklarheiten, die sich für Lingner bezüglich der Arbeit der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei der EKD ergaben, wandte er sich am 18. Januar an Präsident Hammer, um ihm einen „kritischen Bericht mit Vorstellungen der zukünftigen Arbeit“ zu erstatten. Er schilderte zunächst die zeitraubende Arbeit an der EKD-GO, die ihn so in Anspruch genommen habe, dass er seine Aufgabe, „zu den DDR-Kirchen eine Verbindung herzustellen, nicht oder fast gar nicht“ habe wahrnehmen können. Hammer über den aktuellen Stand der Beziehungen zwischen BEK und EKD zu informieren, war jedoch Lingners zentrales Anliegen. Um zu einer „geordneten Partnerschaft“ zu kommen, sei die Ost-West-Gesprächsgruppe gebildet worden, in der zunächst den fünf Mitgliedern des KKL-Vorstands fünf „Berater“ des Rates gegenübergestanden hätten. Die Besetzung der westlichen Beratergruppe sei „unzureichend“ gewesen, weil drei Mitglieder „mit unterschiedlichen Begründungen“ meistens hätten absagen müssen, während Schmitz die Einreise nach Ost-Berlin verweigert worden sei und somit nur Heintze „regelmäßig an den Sitzungen teilgenommen hat und teilnimmt“. Zudem hätten aus der DDR zumeist noch drei bis fünf KKLMitglieder zusätzlich sich an den gemeinsamen Treffen beteiligt, und die Ratsabgesandten seien gebeten worden, ebenfalls zahlreicher zu erscheinen. Nach Rücksprache mit dem Ratsvorsitzenden Dietzfelbinger sei der westliche Kreis erweitert worden und Lohse, Claß, Heintze, Greifenstein, Gräßer, Wilm und Füllkrug mit Einschränkungen sowie Hild und Viering hätten sich seitdem regelmäßig an den Verhandlungen beteiligt.5 Unter Verweis auf die veränderte politische Situation fragte Lingner an, ob der „‚Berater-Status‘ weiterhin sinnvoll“ sei und schlug im Blick auf eine in jeder Hinsicht ausgewogene Besetzung der Ost-West-Gruppe vor, drei bis fünf ständige Mitglieder des Rates benennen zu lassen und zudem vier bis sieben personell nicht fixierte Vertreter aus der 4

Aktenvermerk Pabst vom 24.1.1973, S. 5f. (EZA, 101/346). Schreiben Lingner an Hammer vom 18.1.1973, S. 1, 2f. (EZA, 4/161). – Den Sitzungsvermerk über das Treffen am 20.12.1972 legte Lingner zur Information über den derzeitigen Personalstand bei. 5

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Die Beratergruppe und der Ost-West-Dialog

EKD – im Idealfall leitende Juristen bzw. Kirchenleitende – gesondert zu einzelnen Sitzungen einzuladen. „Dies entspräche der Praxis der DDR-Kirchen.“ Für ungeklärt hielt Lingner ferner die „Frage des Stellenwertes der Gespräche“ und konstatierte kritisch bilanzierend, dass der „rechte Stil“ für die Unterredungen bislang nicht gefunden worden sei. Es handele sich im Wesentlichen um einen mehr oder weniger interessanten Meinungsaustausch. Verbindliche Absprachen seien selten getroffen worden. Im Zusammenhang mit der neuen politischen Lage müsse das Selbstverständnis eines institutionalisierten Gesprächs bedacht und formuliert werden. Er halte es für möglich, „daß die ‚geordnete Partnerschaft‘ zwischen den Kirchen in beiden Bereichen verbindlicher gestaltet wird. Z. B. wäre es m. E. möglich, in der Taufpraxis, im Verhältnis der Kirchen zur römisch-katholischen Kirche, in Fragen der Kirchengemeinschaft (Leuenberger Konkordie) u. a. zu klareren Absprachen zu kommen. Auch könnte es möglich sein, die ökumenischen Beziehungen miteinander abzustimmen und ggf. vor ökumenischen Konferenzen die beiderseitigen Standpunkte abzuklären mit dem Ziel, zu bestimmten Fragen einmütig Stellung zu nehmen.“

Der bereits in Richtung einer Forderung gehende Vorschlag Lingners, der OstWest-Gesprächsgruppe mit einem veränderten Status und zusätzlichen inhaltlichen Aufgaben letztlich Kompetenzen zu verleihen, die sie von Anfang an nicht gehabt hatte und – zumindest seitens des Rates der EKD – gar nicht hatte erhalten sollen, war schon recht weitreichend, auch wenn er nur Hammer vorgetragen wurde. Dies verwundert angesichts Lingners vorausgegangener kritischer Beschreibung der derzeitigen Gemengelage und der Tatsache, dass eine einigermaßen verlässliche Teilnahme der westlichen Beratergruppe an den Sitzungen noch nicht sehr lange gegeben war. Abschließend wies Lingner Hammer darauf hin, dass es zwischen den Kirchen in Ost- und Westdeutschland „eine Fülle“ von der EKD – offiziell und aus „gutem Grund“ – unbekannten Kontakten gebe, so dass sich doch im Zuge einer Neubewertung der (entspannteren) politischen Situation die Frage stelle, ob die wilden Beziehungen „in stärkerer Weise“ als bislang „beobachtet und ausgewertet“ werden sollten.6 Aus einer längeren Aussprache über sein Schreiben mit Hammer Anfang Februar hielt Lingner folgende Ergebnisse fest: Nach Abschluss der Wahlen zum Rat der EKD sollte über die Bestückung seiner Beratergruppe mit drei bis maximal fünf Ratsmitgliedern entschieden werden, wobei für die zusätzlich an jedem dritten Treffen zu beteiligenden Personen etwa zwölf Kandidaten zur Auswahl stünden. Hinsichtlich des Status der Gruppe waren Hammer und Lingner sich lediglich einig, dass eine Definition von Bedeutung und Wahrnahme der „gemeinsamen Verantwortung“ 6

Schreiben Lingner an Hammer vom 18.1.1973, S. 3f., 5 (EZA, 4/161).

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beider Kirchen gefunden werden müsse, die im Rahmen einer vielleicht so bezeichneten „speziellen ökumenischen Partnerschaft“ getragen werden könnte. Offen blieb, ob „dies lediglich eine gründlichere Informationspflicht“ bedeute oder mit weitergehenden „Verpflichtungen“ verbunden sei, „in Sachfragen nach übereinstimmenden Grundsätzen für Entscheidungen zu suchen“. Was die von Lingner angesprochenen organisatorischen Fragen anbelangte, u. a. die Vermittlung von Informationen über die Kirchen in der DDR in den Westen, hielt Hammer das West-Berliner Evangelische Publizistische Zentrum unter Leitung von Henkys für geeignet, um die „technische Arbeit“ zu übernehmen. Jedoch müsse die Hauptverantwortung für die Auswahl entsprechender Nachrichten bei der Kirchenkanzlei der EKD bleiben – vor allem was die Weitergabe von Informationen betreffe, die bedeutend „für kirchenleitende Entscheidungen“ innerhalb der EKD seien. Die Erörterung der restlichen von Lingner aufgeworfenen Fragen und Anregungen stellte Hammer in nicht allzu ferner Zukunft in Aussicht.7 Bereits am 6. Februar 1973 legte die Kirchenkanzlei in Hannover einen ersten Entwurf vor, in dem die Aufgabenbereiche und der Status der Ratsabgesandten näher bestimmt wurde. Demnach sollten die „Beauftragten“ vom Rat der EKD jeweils für die Dauer ihrer Amtszeit mit „besonderen Aufgaben, bei denen es nicht möglich oder tunlich erscheint, sie in vollem Umfang durch die zuständigen Amtstellen wahrnehmen zu lassen“, betraut werden. Der „Wirkungskreis“ werde zum Zeitpunkt der Beauftragung „im einzelnen festgelegt“ und die Tätigkeit der Beauftragten in enger Tuchfühlung mit dem Rat und den ihm verpflichteten Stellen ausgeübt. Das schloss eine Informationspflicht „über alle wesentlichen Vorgänge und Vorhaben“ sowie einen jährlich zu erstattenden „schriftlichen“ Arbeitsbericht ein. Letztlich ging aus dem Ordnungsentwurf klar hervor, dass den Beauftragten des Rates wie bisher eine Beratungsfunktion, jedoch keinerlei weitergehende Kompetenzen zukam.8 Dem Rat der EKD berichtete Lingner Mitte Februar über die letzte Zusammenkunft der Beratergruppe mit den Vertretern der KKL und die derzeitige Situation der Kirchen in der DDR. Grundsätzlich könnte unter dem Aspekt der entspannteren Möglichkeiten der Einreise in die DDR über die personelle Zusammensetzung der Beratergruppe nachgedacht werden. In erster Linie müsse jedoch nun eine Klärung von „Funktionen und Arbeitsweise dieser Gruppe“ vorgenommen werden, um die Unverbindlichkeit des reinen Austauschs von Informationen endgültig zu überwinden. Anzustreben sei eine wirksamere und beide Leitungsgremien tatsächlich beschäftigende Zusammenarbeit an beiderseitigen 7

Vermerk Lingner o. D. [Februar 1973], S. 1 (EZA, 4/161). „Entwurf [o. A. (Hammer)] Ordnung für die Beauftragten des Rates der EKD“ vom 6.2.1973 (EZA, 4/69). 8

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theologischen Aufgaben wie Raumordnung, Schulfragen, Rechtsfragen, Ausbildungsfragen, Taufpraxis, Kirchengemeinschaft zwischen den reformatorischen Kirchen. Präses Raiser wurde gebeten, den Rat der EKD bei der Tagung der BEK-Synode Ende Mai in Schwerin zu vertreten, zu der Braecklein kurz zuvor schriftlich eingeladen hatte.9 Am 8. März berichtete Lingner auf einer der Hauskonferenzen10, dass wie vorgesehen mit Schönherr nochmals über den potentiellen Veranstaltungsort der Tagung des ÖRK-Zentralausschusses im Jahr 1974 debattiert worden sei. Der KKL-Vorsitzende und der Ökumene-Referent des Bundes hätten die Wunschorte in folgender Reihenfolge benannt: „Am besten ein neutrales Land, dann ein Land aus Nato-Bereich, dann BRD, dann Berlin-West“, da die Bewilligung der nötigen Einreisegenehmigungen für kirchliche Teilnehmer aus der DDR nach West-Berlin nach wie vor ungesichert sei. Offensichtlich sei es die staatliche Zielsetzung, „Westberlin langsam und gezielt ‚auszutrocknen‘“.11 Die Anwesenden kamen zu dem – angesichts der gerade bekannt gewordenen Bedenken Schönherrs und Pabsts – überraschend kompromisslosen Ergebnis, für den Fall, dass der ÖRK sein Einverständnis gebe, unter keinen Umständen von dem aus westlicher Perspektive bevorzugten West-Berlin als Ort der Tagung 9 Niederschrift (Wilkens) über die 75. Sitzung des Rates am 15./16.2.1973 in Bonn, S. 2 (EZA, 2/1788). – Näheres, so Lingner, könne dem Protokoll über die Sitzung der Beratergruppe am 20.12.1972 entnommen werden. 10 Bereits im Sommer 1970 hatte Lingner Scharf darüber unterrichtet, dass der Wunsch bestünde, sog. Hauskonferenzen von hauptamtlichen Referenten der Kirchenkanzlei der EKD, nebenamtlichen Referenten des Lutherischen Kirchenamtes und der EKU sowie einzuladenden Gästen durchzuführen. Scharf sollte in seiner Funktion als stellv. Ratsvorsitzender dazu einberufen. Die erste Hauskonferenz war am 1.7.1970, doch wurde der Plan, regelmäßig Mittwochs zusammenzukommen, wegen Terminschwierigkeiten bald aufgegeben, und die Konferenzen fanden in unregelmäßiger Folge statt. Gesprächsthemen waren prinzipiell alle Fragen und Probleme, die die Arbeit der Referate betrafen (Mittelbeantragungen für Literatur, Informationsmaterial und Gegenstände, die für die DDR-Kirchen bestimmt waren). Umgekehrt sollten gebündelte Nachrichten aus dem Bund an westdeutsche Kirchen weitergegeben werden (Schreiben Lingner an Scharf vom 26.6.1970 [EZA, 4/176]). 11 Das staatliche Augenmerk war stets speziell auf Berlin gerichtet, was angesichts der Tatsache durchaus nachvollziehbar ist, dass der Status Ost-Berlins als Hauptstadt der DDR in unmittelbarer Nachbarschaft zum „feindlichen“ Westteil der Stadt (aus SED-Perspektive) besonders geschützt werden musste. So wurden im Blick auf die nach Abschluss der deutsch-deutschen Verträge zunehmenden OstWest-Verbindungen der Kirchen die gemeinsamen kirchlichen Veranstaltungen und Partnerschaftsbeziehungen auch auf Gemeindeebene mit Besorgnis beobachtet. Wie der Leiter der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen, Barth, dem zuständigen Politbüromitglied Verner mitteilte, habe das Referat Kirchenfragen beim Magistrat von Groß-Berlin über die verstärkten Bemühungen informiert, „kirchliche Zusammenkünfte mit westberliner Personen u. Gruppierungen i. d. Hauptstadt Bln.“ durchzuführen. Barth regte an, „nötigenfalls“ über Maßnahmen zu beraten, „um diesen kirchlichen Absichten entgegenzuwirken“ und auch auf die Berlin-brandenburgische Kirchenleitung einzuwirken, mit dem Ziel, „daß einer solchen Entwicklung Einhalt geboten“ werde (Schreiben Barth an Verner vom 10.5.1973 [SAPMO-BArch, DY 30/IV B 2/14/17, Bl. 10]).

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abzuweichen. Die fast trotzige Begründung war, dass die „Rücksichtnahme“ auf die Wünsche der DDR-Regierung „eindeutige Grenzen“ habe. Die Kirche im Westteil der Stadt gehöre der der EKD an, und es sei auf lange Sicht schlichtweg nicht akzeptabel, dass es dem SED-Staat gelingen sollte, eine überregionale kirchliche Veranstaltung in einer Gliedkirche der EKD zu „verbieten“.12 Wechselseitige Synodenbesuche mit Hindernissen Den „Entwurf einer Ordnung für die Beauftragten des Rates der EKD“ vom 6. Februar, der als Resultat des Meinungsaustauschs von Lingner und Hammer von Letzterem ausgearbeitet worden war, erklärte der Präsident der EKD-Kirchenkanzlei den Mitgliedern des Rates auf ihrer Sitzung Mitte März in Berlin. Auch wenn die Anwesenden die formulierten Anregungen als „wichtig“ bewerteten, sprachen sie sich dagegen aus, zum aktuellen Zeitpunkt einen „förmlichen Beschluß“ zu fassen, da ohnehin eine Prüfung der vom Rat entsandten Personen anstünde. Der Rat kam zu der weithin vagen Entscheidung, die derzeitigen westlichen Berater sollten sich durchaus bei ihrer Arbeit an Hammers Ordnungsentwurf orientieren. Im Zuge der Überlegungen über die personelle Bestückung der Gruppe seitens der EKD müsse gleichzeitig nachgedacht werden, wie der Beraterkreis fester an die Kirchenkanzlei angebunden werden könne.13 Auf der Sitzung des KKL-Vorstands am 22. März wurde darüber spekuliert, wen die EKD als Vertreter zur Mai-Tagung der Bundessynode entsenden werde. Der Bund habe seine Einladung ausgesprochen und könne hinsichtlich der personellen Entscheidung der EKD keine Alternativvorschläge machen. Wenn der Versuch, für Raiser eine Einreisegenehmigung zu erlangen, scheitern sollte, müsse allein von der EKD darüber befunden werden, ob sie einen anderen oder gar keinen Vertreter schicken wolle. Etwas hilflos betonten die Vorstands12 Vermerk Lingner über Hauskonferenz am 8.3.1973, S. 3f. (EZA, 2/01/1322). – In einer „Information über stattfindende zentrale Tagungen der evangelischen Kirche und einige damit im Zusammenhang stehende Probleme“ vom 6.4.1973 heißt es: „Dem MfS wurde intern bekannt“, dass der ZA des ÖRK „im August 1974 in Westberlin seine Tagung durchführen wird. Neben den Mitgliedern des Zentralausschusses wird der gesamte Stab des Weltkirchenrates sowie Vertreter der kirchlichen und weltlichen Presse anwesend sein (ca. 300 Personen).“ Aus „bereits vorliegenden Hinweisen“ müsse geschlossen werden, dass zahlreiche Teilnehmer die Gelegenheit nutzen könnten, Kirchen und ihre Vertreter in der DDR zu besuchen und möglicherweise sogar darum bäten, „in Kirchen der DDR zu predigen“. Ferner debattierten leitende „Kirchenkreise der BRD und Westberlins“ vertraulich über Möglichkeiten, wie die „Aufhebung der Einreisesperre“ Scharfs in die DDR erreicht werden könne: „Es wurde in Erwägung gezogen, über zuständige Institutionen eine Verhandlung mit verantwortlichen Vertretern der DDR über einen annehmbaren Einreisemodus für Scharf zu veranlassen“ (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1262, Bl. 70f.). 13 Niederschrift (Echternach) über die 76. Sitzung des Rates am 15./16.3.1973 in Berlin, S. 10f. (EZA, 2/93/790).

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mitglieder, dass selbstverständlich „jeder von der EKD Entsandte […] als Gast bei uns willkommen“ sei und gegenüber den staatlichen Stellen „bei Anfrage“ höchstens darauf verwiesen werden könne, der Bund sei im Falle eines Ablehnungsbescheids nicht imstande, die Verantwortung für eine „etwaige Publizität“ des Vorgangs zu übernehmen. Vielmehr sei dies „nach Lage der Dinge unvermeidlich“.14 Im Blick auf eine erneute – im Sinne einer Fortführung des Gesprächs über die Staat-Kirche-Beziehungen vom 26. Juni 1972 verstandene – Verhandlung des Vorstands mit Seigewasser Anfang April fassten die Anwesenden den einstimmigen Beschluss, dass es „aus grundsätzlichen Erwägungen“ nicht tunlich sei, an der Unterredung Bischöfe zu beteiligen, die nicht Mitglied des KKL-Vorstands seien.15 Am 24. April wandte sich Stolpe wegen der ursprünglich für den gleichen Tag angesetzten außerordentlichen Tagung zu Fragen der Veranstaltungsverordnung an die Mitglieder der KKL. Er erklärte, dass dieser Sitzungstermin auf Beschluss des Vorstands deswegen verschoben worden sei, da derzeit eine endgültige Entscheidung über den Umgang der Kirchen mit der Verordnung noch nicht möglich sei. Verhandlungen über diesen Tagesordnungspunkt sollten nun Mitte Mai geführt werden, und Stolpe legte zur Vorbereitung einen Vermerk über das Gespräch des Vorstands mit Seigewasser am 6. April bei. Er übermittelte den KKL-Mitgliedern Schönherrs Ansicht, dass auf die vom Staatssekretär „angebotene Entkrampfung eingegangen werden sollte und der Beschluß vom 6.7.197116 somit gegenstandslos werden würde“, wie in dem ebenfalls beigelegten Entwurf eines Briefs an Seigewasser betont wurde. Seigewasser hatte erläutert, dass mit der Veranstaltungsverordnung kein Gesetz gegen die Kirche in Kraft gesetzt, sondern lediglich die Idee umgesetzt worden sei, „allgemeines Recht für alle“ zu schaffen. Der Staat versuche nicht, die „Kirche in den Griff“ zu bekommen. Den Vertretern des Vorstands war zugestanden worden, dass religiöse Handlungen im Sinne der Verordnung unangetastet blie14 Auf seiner Sitzung am 25.4.1973 bekräftigte der Vorstand nochmals seine Feststellung, dass jeder Gast der EKD „angenehm“ sei. Die EKD könne lediglich darauf aufmerksam gemacht werden, dass analog zum Grad der Prominenz des entsandten EKD-Vertreters – und Raiser sei zweifellos sehr bekannt – die Chancen auf die staatliche Genehmigung einer Einreise in die DDR abnähmen. Im Blick auf die Teilnahme eines Vertreters des Bundes bei der Synodaltagung der EKD in Coburg rückten die Mitglieder des Vorstands von ihrem Beschluss wieder ab, bei den Staatsorganen überhaupt keine Ausreisegenehmigung in die BRD zu beantragen. Da derzeit gewisse Möglichkeiten auf einen positiven Bescheid gesehen wurden, entschied der Vorstand, Pabst zu entsenden (Protokoll [Kramer] über die Sitzung des KKL-Vorstands am 25.4.1973 in Berlin, S. 3 [EZA, 101/115]). 15 Protokoll (Kramer) über die Sitzung des KKL-Vorstands am 22.3.1973 in Berlin, S. 1f. (EZA, 101/115). 16 Kern dieses KKL-Beschlusses war folgender: „Kirchliche Veranstaltungen in kirchlichen Räumen, die Verstehenshilfe für schriftgemäßes Zeugnis des Evangeliums oder Zurüstung zu Leben und Dienst der Christen sind, unterliegen nicht der Anmeldepflicht“ (Beschluss der KKL vom 6.7.1971 zur VaVo, S. 2 [EZA, 101/95]).

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ben.17 Hammer unterrichtete die Referenten der Kirchenkanzlei am folgenden Tag darüber, dass sich hinsichtlich der Veranstaltungsverordnung „vielleicht ein neuer erträglicher Kurs“ abzeichne. Auf der anderen Seite müsse der Bund möglicherweise – ausgelöst durch eine kritische Rede des Bischofs Hans-Joachim Fränkels in Görlitz18 – mit einer „verstärkten Abgrenzungspolitik der staatlichen Stellen im kirchlichen Bereich“ rechnen, was sich wiederum ungünstig auf die Kontakte zwischen Kirchenbund und EKD auswirken werde.19 Mit einem Schreiben bedankte sich Hammer am 25. April bei Lingner dafür, dass er ihm den Vermerk über die Hauskonferenz am 8. März zugeschickt habe und signalisierte sein Interesse, zukünftig regelmäßig Kopien der Sitzungsprotokolle zu erhalten: „Sie wissen ja: Information ist nötig und nur als Mosaik zu gewährleisten. Dabei ist jeder Stein wichtig. Und die Informationen aus Berlin und aus der DDR stehen bei uns ja glücklicherweise immer noch ganz oben in der ‚Hit-Parade‘!“ Falls Lingner nicht an der Referentenbesprechung am 25.4. teilnehmen könne – und das war offenbar der Fall gewesen – der Tagesordnungspunkt „Leuenberg“20 sei ohnehin vertagt, so dass er im Mai beim Rat in 17

Schreiben Stolpe an die KKL-Mitglieder vom 24.4.1973 mit Anlage 1 („Notizen [Schönherr] zum Gespräch mit StSfK am 6.4.1973“, S. 1) und Anlage 2 („Entwurf Schreiben an den StSfK, S. 3) (EZA, 101/97). 18 Fränkel hatte vor der Görlitzer Synode auf ihrer Tagung vom 30.3.–2.4.1973 einen Vortrag gehalten, in dem er u. a. das Modell einer „Kirche im Sozialismus“ in Frage gestellt und sich für mehr Pluralismus in einer christlich geprägten Gesellschaft ausgesprochen hatte. Bei o. g. Unterredung im Staatssekretariat für Kirchenfragen am 6.4. hatte die mit großer Härte von einem sehr aufgebrachten Seigewasser geäußerte Kritik an Fränkels Rede einen erheblichen Teil des Gesprächs eingenommen. Der Staatssekretär hatte den Görlitzer Bischof als „militanten Bischof“ und „fanatischen Eiferer“ bezeichnet, der nahezu „wortgetreu Positionen von Barzel und Strauß“ übernommen habe, um die „Grundpositionen der Gesellschaft“ anzugreifen, und ihn mit Dibelius und Scharf verglichen. Damit hetze er nicht nur staatsfeindliche Kirchenvertreter in der DDR wie Hamel und Steinlein auf, sondern stärke auch diejenigen SED-Mitglieder, die „zum Sektierertum neigen“ und kein Verständnis dafür aufbrächten, „daß man mit der Kirche so freundlich rede“ wie Seigewasser selbst. Über diesen Gesprächsabschnitt hatte Schönherr einen gesonderten Vermerk angefertigt („Notiz“ Schönherr vom 9.4.1973, S. 1f. [EZA, 101/347]). 19 Niederschrift (Kirchhoff) der Referentenbesprechung am 25.4.1973, S. 3 (EZA, 2/1836). 20 Zu diesem Stichwort soll ein weiteres Beispiel für die zuweilen ans Absurde grenzende Empfindlichkeit und das Misstrauen der Staatsvertreter genannt werden: Aus seinem Gespräch mit Seigewassers Mitarbeiter Hans Wilke am 2.3.1973 hielt der Potsdamer Gen.Sup. Horst Lahr fest: „Im letzten Abschnitt des Gespräches äußerte Herr Wilke sein Befremden darüber, daß ausgerechnet auf Veranlassung der Kirchen in der DDR in den Konkordientext (§ 11) der Satz vom ‚Leiden‘ hineingekommen sei. Er wollte wissen, aus welcher Veranlassung dies geschehen sei und wies von vornherein auf die Gefahr hin, daß der genannte Tatbestand propagandistisch gegen die DDR ausgenutzt werden könne“. Lahr erläuterte, dass alle anderen Kirchen sich dem Vorschlag, der wohl aus Görlitz und Mecklenburg (Wilke korrigierte: Görlitz und KPS. Lahr vermerkte, er habe absichtlich nicht nur Görlitz nennen wollen) gekommen sei, angeschlossen hätten. Lahr argumentierte dreifach: a) bei der Konkordie handele es sich um eine Grundbeschreibung des Evangeliums, so dass „Nachfolge“ „Kreuzesnachfolge“ sei, „b) Indem ausdrücklich von ‚Leidensbereitschaft‘ gesprochen wird, wird deutlich gemacht, daß

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München „auftreten und den ‚Germanisierungs-Krach‘ kurz darstellen müsse. Außerdem wird man ohnehin einiges aus der DDR wissen wollen“. Hammer zählte die Themen auf, über die Lingner dann im Rahmen des Berichts zur Lage sprechen solle. Die Ratsmitglieder würden vermutlich gerne erfahren, welcher Stand aktuell bei den Bemühungen um wechselseitige Besuche bei Synoden im Bereich des Bundes und der EKD erreicht sei, ob in Gesprächen mit dem Staat ein Ergebnis im Blick auf die Anwendung der Veranstaltungsverordnung erzielt worden sei und welche Reaktionen auf Fränkels Rede vor der Görlitzer Synode festzustellen seien: „Sollte meine Einreise in die DDR vom 30.4.–4.5. Wirklichkeit werden, könnte ich vielleicht dieses oder jenes ergänzen“.21 Lingner war vermutlich auch auf der Ratssitzung am 10./11. Mai in München nicht anwesend. Hammer informierte über das kirchliche Sonderbauprogramm in der DDR und betonte seinen Eindruck, die Abgrenzungspolitik der staatlichen DDR-Organe gegenüber der EKD werde weiter forciert. So sei auch die Einreise Raisers zur Tagung der Bundessynode in Schwerin „zur Zeit nicht durchsetzbar“, und der Göttinger Systematiker Wenzel Lohff werde an seiner Stelle teilnehmen.22 Allerdings war eine gewisse Zunahme der Verkrampfung auch innerhalb der DDR spürbar. So hatte Pabst die telefonische Nachricht einer Sachbearbeiterin aus der Dienststelle des Staatssekretärs erhalten, dass Vertreter des Bundes unmittelbar nach ihrer Rückkehr von Dienstreisen ihre Reisepässe in Seigewassers Dienststelle abzugeben hätten. Bei einer persönlichen Nachfrage wurde Pabst am 10. Mai bestätigt, dass diese Regelung tatsächlich getroffen worden und zu befolgen sei. Hingewiesen wurde auf „angeblich zahlreiche Terminüberschreitungen bei den die Christen und die Kirchen bei ihrem politischen Engagement nicht Machtansprüche vertreten und nicht frühere Privilegien wiederzuerlangen trachten, sondern ganz im Gegenteil dazu die Situation, in der sie keine politische Macht und keine Privilegien mehr haben, geistlich bejahen. c) Der eingefügte Satz hat eine ganz präzise seelsorgerliche Abzielung [sic]. Da es, wie von beiden Seiten klar zum Ausdruck gebracht wird, zwischen der marxistisch-leninistischen Ideologie einerseits und dem christlichen Glauben andererseits unüberbrückbare Gegensätze gibt, muß praktisch auch mit Konfliktfällen gerechnet werden. Dieses ist auch nicht nur eine theoretische Überlegung, vielmehr gibt es konkret diese Konfliktfälle, insbesondere im Hinblick auf Kinder aus christlichen Familien in der Schulsituation. Bei solchen Konflikten besteht die Gefahr, daß, solange die Fälle nicht bereinigt sind, Eltern und Kinder sich äußerlich unterwerfen, innerlich aber in die Opposition gehen. Der Satz von der ‚Leidensbereitschaft‘ zeigt an, daß das Evangelium freimacht, die Anfechtungen solcher Konfliktsituationen im Glauben durchzustehen und also dennoch frei zum ‚Dienst in der Welt‘ zu bleiben. Insbesondere zu dieser letzten Interpretation (c) äußerte Herr Wilke, daß hierüber weiter gesprochen werden müsse. Staatlicherseits bestünden von der sozialistischen Gesellschaftsordnung her hierüber ganz andere Vorstellungen: Im sozialistischen Miteinander müßten solche Konfliktfälle (die nicht bestritten wurden) bereinigt werden; im Gegensatz dazu ‚Leidens-Situation‘ von vornherein einzuplanen, widerspreche dem gesellschaftlichen Miteinander“ (Aktenvermerk Lahr o. D., S. 2 [EZA, 687/11]). 21 Schreiben Hammer an Lingner vom 25.4.1973, S. 1 (EZA, 2/93/792). 22 Niederschrift (Echternach) über die 78. Sitzung des Rates der EKD am 10./11.5.1973 in München, S. 19f. (EZA, 2/93/792).

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Rückreisen“, die es notwendig machten, zukünftige die Reisezeiten- und Wege zu überprüfen. Nach erfolgter Überprüfung gingen die Pässe „umgehend“ an das Sekretariat des Bundes zurück.23 Im Sekretariat des Bundes fand am 17. Mai eine interne Unterredung über die finanzielle Situation der Kirchen statt, an der u. a. Stolpe und Schönherr teilnahmen. Innerhalb des Kirchenbundes gebe es zunehmend kritische Einwände gegen die Zuschüsse bzw. die Finanzierung der Kirchen in der DDR durch die EKD, eine „kleine Gruppe“ fordere sogar den „totalen Verzicht“. Auch wenn Schönherr sich nicht konkret in Richtung einer materiellen Unabhängigkeit des BEK bemühe, müsse man sich für den „Tag X, an dem kein Geld aus dem Westen mehr fließt“, wappnen. Ferner sei nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass von staatlicher Seite „eines Tages – aus welchen Gründen auch immer“ der Geldtransfer in die DDR unterbunden werde. Dabei stellte sich Schönherr vor, der Staat könne möglicherweise derartige Maßnahmen treffen im Zusammenhang mit einem „Angebot“, seinerseits den Kirchenbund zu unterstützen. Auf eine solche Vereinbarung dürfe sich der Bund unter keinen Umständen einlassen, da er in der Konsequenz „in eine totale Abhängigkeit wie etwa die evangelische Kirche in Ungarn und in der Tschechoslowakei“ geraten könne. Schönherr konstatierte, dass der Kirchenbund die Bereitschaft zeigen müsse, „‚arm, aber ehrlich‘ zu werden“.24 Wie Lingner, Wilkens und OKR Dieter Rohde auf einer Referentenbesprechung aus den kirchlichen Ost-West-Gesprächen weitergaben, wurde in diesem Zusammenhang in der DDR innerkirchlich diskutiert, mit welcher Perspektive die evangelische Kirche, die den Rückgang ihrer Mitgliederzahlen mit Sorge betrachte, ihre zukünftige Entwicklung betrachten solle. Möglicherweise werde es notwendig, die „Strategie einer Diaspora-Arbeit“ zu entwickeln und sich letztlich in Richtung einer „kleinen Freikirche“ hin zu bewegen. Die kirchenleitenden Gremien befassten sich auch mit der – traditionellen Strukturen gegenläufigen – problematischen Tendenz, dass „viele Pfarrfrauen in außerkirchlichen Berufen arbeiten“. Auch wenn den Kirchen in er DDR immer weniger Mittel zur Verfügung stünden, hätten sie es bisher nicht geschafft, „klare Prioritäten“ zu setzen.25 23

Aktenvermerk Pabst vom 15.5.1973, S. 3 (EZA, 101/346). – Im Kontext eines Berichts über die kirchliche Reisetätigkeit diskutierte der KKL-Vorstand über die Tatsache, dass alle Dienstreisen über die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen abgewickelt werden müssten. Die letzte Information, die Pabst aus dem Staatssekretariat erhalten habe, sei die: „Die Landeskirchen sollen überlegen, ob gewisse Dinge nicht als privat deklariert werden können“. Die Vorstandsmitglieder regten an, dass der Bischofskonvent „sich über die Frage einer differenzierten Befürwortung (etwa mit und ohne Begründung)“ verständigen solle (Protokoll [Kramer] über die Sitzung des KKL-Vorstands am 19./20.6.1973 in Berlin, S. 7 [EZA, 101/115]). 24 Vertraulicher Vermerk [Stolpe?] o. D., S. 3 (EZA, 4/188). 25 Auszug Protokoll Referentenbesprechung Plenum vom 14.6.1973 (EZA, 2/01/1427).

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Kurz vor Beginn der EKD-Synodaltagung in Coburg hatten die Ratsmitglieder auf ihrer Sitzung noch etwas unsicher über die Begrüßungsmodalitäten gesprochen, mit denen Pabst als Vertreter des Bundes bei der Tagung empfangen werden könnte.26 Da es eine zeitliche Überschneidung mit der Bundessynode in Schwerin gab, die ihre Versammlung noch nicht abgeschlossen hatte, war Pabst in die Bundesrepublik entsandt worden, um erstmalig den BEK auf einer Tagung der Synode der EKD repräsentieren zu dürfen. Nachdem dieser ein eigenes Grußwort gesprochen hatte, verlas er ein von Braecklein und Schönherr gemeinsam verfasstes Schreiben an den EKD-Synodenpräses, in dem die persönliche Anwesenheit Pabsts in Coburg als Zeichen einer positiven Entwicklung bewertet wurde, die bis vor kurzer Zeit nicht vorauszusehen gewesen sei. In wenig verklausulierter Betonung der „besonderen Gemeinschaft“ der Kirchen und Christen in Ost und West hieß es darin weiter: „Wir glauben, daß unsere Kirchen ihren Weg hier nur finden werden, wenn sie sich ganz auf ihren umfassenden Auftrag konzentrieren und sich ebenso Resignation und Selbstbemitleidung wie Selbstrechtfertigung verboten sein lassen. Es wird uns sehr wichtig sein, daß unsere Schwesterkirchen, besonders die, mit denen wir durch Sprache, Geschichte und die Aufgabe, die gemeinsame Vergangenheit aufzuarbeiten, geistlich so sehr verbunden sind, nicht ablassen, uns mit ihrem Gebet, ihren brüderlichen Mahnungen und Fragen und ihrem ermunterndem Wort zu begleiten. Daß wir über diese geistliche Hilfe hinaus auch für eine Fülle von brüderlicher Hilfe anderer Art zu danken haben, möchten wir einmal deutlich aussprechen. Wir hoffen, daß auch unsere Erfahrungen Ihren Kirchen von Nutzen sein können. So war es bisher und so möge es auch bleiben. Daß die Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik nicht mehr durch eine Organisation verklammert sind, macht diese gegenseitige geistliche Mitverantwortung als solche nur noch eindeutiger und dringender. Wir suchen unseren Weg in verschiedenen Staaten mit sehr verschiedenen Gesellschaftsordnungen. Wir werden uns vielleicht manchmal aus den Augen verlieren. Wir werden gelegentlich ratlos fragen, welchen Weg der andere einschlägt. Wir sollten uns gegenseitig das Vertrauen bewahren, daß jeder, da wo er ist und auf seine Weise, unserem Herrn nachzufolgen sich bemüht, und wir sollen die Hoffnung festhalten, daß der Herr und alle zusammen mit allen anderen Kirchen trägt und mit der ganzen Welt zu der Vollendung führt, für die er seine Kreatur bestimmt hat.“27

Nach seiner Rückkehr in die DDR fasste Pabst die Eindrücke zusammen, die er während seines dreitägigen Aufenthalts in Coburg gewonnen hatte. Einer26 Niederschrift (Hammer) über die 79. Sitzung des Rates der EKD am 28.5.1973 in Coburg, S. 5 (EZA, 2/93/793). 27 Schreiben Braecklein und Schönherr an den EKD-Synodenpräses vom 27.5.1973, S.1f. (EZA, 101/307). – Zur Einschätzung der Schweriner Synodaltagung des BEK durch das MfS vgl. u. a.: BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1262, Bl. 5–15, 17ff. sowie 27–45.

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seits schilderte er mit einer gewissen Bewunderung die vielfältigen und umfangreichen Tätigkeiten, die in Verantwortung der westdeutschen Schwesterkirche geleistet würden, relativierte dies jedoch durch den Hinweis auf die förderliche Wirkung des „Wohlstands“ in der Bundesrepublik sowie die dem Bund verschlossene Möglichkeit, die Kirchensteuer über den Staat einziehen zu lassen. Zudem merkte Pabst an, die „beeindruckende Fülle der Aktivitäten“ vermöge allerdings nicht darüber hinwegzutäuschen, dass der „westdeutsche Protestantismus in seinen Grundlagen erschüttert ist von der inneren Unsicherheit, die heute weite Teile der Weltchristenheit umfaßt hat“. Dem Generationswechsel unter den Synodalen, die überwiegend um die vierzig Jahre oder sogar jünger seien, schrieb Pabst die „entscheidende“ Prägewirkung auch für das künftige „Gesicht“ zu, über das derzeit nur spekuliert werden könne. Ohne eine explizite Wertung konstatierte er, dass die einst problembehaftete, mit der Bundesgründung vollzogene Trennung der östlichen von den westlichen Gliedkirchen „von den EKD-Synodalen inzwischen weitgehend verarbeitet“ sei. Seine Aufnahme als Gast der Synode sei „sehr herzlich“ gewesen, doch habe im Rahmen der „sehr zahlreichen“ von ihm geführten Gespräche niemand „Fragen gestellt etwa in der Richtung, ob die verwaltungsmäßige Trennung richtig gewesen sei“. Der Ratsvorsitzende sei in seinem Bericht an die Synode ebenso wie die Kirchenkanzlei in ihrem schriftlich vorgelegten Rechenschaftsbericht auf die Beziehungen zwischen Bund und EKD „sachlich und taktvoll und ohne die Spur irgendwelcher Emotionen“ zu sprechen gekommen.28 Der neue EKD-Synodenpräses Cornelius von Heyl beantwortete den Brief Schönherrs und Braeckleins an die Synode am 29. Juni ausführlich. Er bezeichnete die letzten Jahre als schwierige Zeit für die evangelischen Kirchen in Ost und West. Vor allem das „endgültige Zerbrechen der letzten organisatorischen Gemeinschaft zwischen uns“ sei nicht nur „schmerzlich“ gewesen, sondern der „notwendige Neubeginn“ habe zudem nicht alle Hoffnungen erfüllt, mit denen er ursprünglich initiiert worden sei. Dies gelte von Heyls Einschätzung nach in „fast überraschend“ ausgeprägter Form sowohl für den BEK als auch für die EKD. Von Heyl konstatierte, dass die Beschäftigung mit den beide Kirchen beschäftigenden „theologischen Problemen unserer Zeit“ der intensiveren Kommunikation zwischen allen Kirchen bedürfe, doch „unserem“ Ost-West-Dialog aufgrund der durch gemeinsame „Geschichte, Sprache und Bekenntnis“ bedingten wechselseitigen Abhängigkeit eine Schlüsselrolle zukäme. Auf die freizügige Bemerkung der Ost-Bischöfe, dass manche von den Kirchen für ihren Bereich zu treffende Entscheidung auf das Unverständnis der Brüdern und Schwestern stoßen könnte, die in einem Staat mit einer gänzlich anderen Gesellschaftsordnung 28

Vermerk Pabst o. D., S. 7 (EZA, 101/307).

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lebten, entgegnete von Heyl, dass man sich dessen freilich bewusst sein müsse, jedoch die Kirchen in der DDR seitens der EKD „mit einem großen Vertrauensvorschuß rechnen dürfen und daß wir gewiß sind, daß Sie auch dann, wenn wir Sie nicht sofort verstehen, keinen anderen Ausgang und kein anderes Ziel haben als den einen Herrn unserer einen Kirche. Wir werden Ihr Vertrauen in gleicher Weise brauchen, denn die Gefahr von Mißdeutungen und Mißverständnissen ist bei dem uns gegebenen Auftrag, den Weg der Kirche in der westlichen Konsumgesellschaft zu finden, fast größer“.

Das Vertrauen, das die Kirchenbünde einander entgegenbrächten, sei jedoch nur ein grundlegender Aspekt, denn es käme darauf an, die Ost-West-Verbindungen mittels aller sich bietenden Gelegenheiten im gemeinsamen Gespräch, dem Austausch von Informationen und Erfahrungen, der „gegenseitigen brüderlichen Mahnung“ dafür zu nutzen, nicht nur die „Gemeinsamkeiten“, sondern insbesondere auch „unsere Verschiedenheiten fruchtbar werden“ zu lassen. Darauf kam von Heyl auf den Dank der Brüder in der DDR für die „verschiedenen Hilfen“ der letzten Jahre zu sprechen und betonte, dass ein solcher insofern unnötig sei, als es nicht das Verdienst der EKD sei, im Besitz entsprechender Mittel und Möglichkeiten zu sein: „Doch freuen wir uns, wenn wir zur Erfüllung Ihres Auftrages ein wenig beitragen konnten.“ Von Heyl schloss mit der Hoffnung, dass das diesjährige Gelingen der wechselseitigen besuchsweisen Teilnahme an den Synodaltagungen „als ein gutes Zeichen für die Möglichkeiten unseres künftigen Dialoges gewertet werden kann“ und brachte seinen Wunsch nach offiziellen Kontakten zwischen den Präsides der EKD- und der Bundessynode zum Ausdruck.29 Spannungen in den Staat-Kirche-Beziehungen und ein Beschluss des Rates für seine Beauftragten Ein vertraulicher Vermerk, den Henkys über eine Unterredung des Dessauer Kirchenpräsidenten Natho mit Seigewasser und seinem Stellvertreter Fritz Flint verfasst hatte, ging in Kopie auch an Lingner und bestätigte ihm einmal mehr, dass es mit dem Staat-Kirche-Verhältnis in der DDR offenbar nicht zum Besten stand und die Abgrenzung gegenüber der Bundesrepublik verschärft werde. Natho hatte selbst um dieses Gespräch am 25. Juli gebeten, um zu erfahren, warum keiner der fünf Kirchenvertreter, die für eine Teilnahme am Evangelischen Kirchentag in Düsseldorf delegiert worden waren, eine Ausreiseerlaubnis erhalten habe. Jedoch kam Flint, für Natho überraschend30, auf zwei völlig andere Themen zu 29

Hsl. Vermerk Behm vom 13.8.1973 (EZA, 101/307). Überraschend, weil Natho beide Punkte als „nicht aktuell“ empfunden habe und auch in keiner Weise persönlich mit den Organen des Staates in Konflikt geraten sei. 30

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sprechen. Er konstatierte „ausführlich und scharf“, mit den ewigen Debatten um die Veranstaltungsverordnung sei endgültig Schluss, mehr als der zwischen Staatsorganen und Kirchenvertretern erzielte „Kompromiß“ sei nicht zu erreichen. Gleichermaßen sei es sinnlos, seitens der Kirche „dauernd ‚Problemchen und Diskussiönchen‘“ über die Volksbildung auszulösen. Flint verdeutlichte, dass die Hoffnung, Volksbildungsministerin Margot Honecker werde sich auf eine Debatte mit Kirchenleitenden einlassen, „abwegig und illusionär“ sei. Dem habe Seigewasser hinzugefügt, dass die DDR weiterhin junge Menschen „vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus aus parteilich“ erziehen werde – mit dem Ziel der sozialistischen Persönlichkeitsbildung. Natho habe entgegnet, dies dem Staat durchaus zuzugestehen, nur stelle sich die Streitfrage, ob bei dieser Erziehung ausreichend Spielraum für die Christen bleibe, ihren Glauben zu leben. Als endlich das Gespräch auf die Verweigerung der Ausreisegenehmigungen kam, hätten sich der Staatssekretär und sein Stellvertreter erst nicht zu einer Auskunft bereitgefunden, dann jedoch darauf verwiesen, dass die DDR „eben noch kein normales Verhältnis zur Bundesrepublik“ habe. Im übrigen – so hatte es Seigewasser einem Aufsatz aus den Lutherischen Monatsheften entnommen – sei der Kirchentag ein „sterbendes Unternehmen“ und habe niemals einen ökumenischen Charakter gezeigt, sondern „stets Ökumeniker nur für seine Zwecke bemüht“.31 Daher sehe er keinen Grund, DDR-Bürger an dieser Veranstaltung teilnehmen zu lassen.32 Auf Nathos Ankündigung, er sei für den Oktober von der evangelischen Kirche der Pfalz eingeladen worden und habe vor, einen Reiseantrag zu stellen, habe Seigewasser kurz und bündig erwidert, „an irgendwelchem Aufwärmen von Patenschaftsbeziehungen“ nicht im geringsten interessiert zu sein. Wie von Heyl es von Hammer erbeten hatte, verlas Letzterer Braeckleins Antwort auf das Schreiben des EKD-Synodenpräses am 10./11. August vor den Ratsmitgliedern. Eine Information des Präsidenten des sächsischen Landeskirchenamtes, Kurt Johannes, der zufolge die staatlichen Organe der DDR in jüngster Vergangenheit gehäuft „unbequemen Pfarrern“ die offizielle Übersiedlung in die Bundesrepublik gestatteten, gab Kunst weiter. Problematisch sei an diesen Fällen, dass die Pfarrer ihren Umzug vollzogen hätten, ohne vorab ihre Kirchenleitung um Zustimmung zu bitten. Zu der Überlegung, die „alte Regelung33 31 Tatsächlich hatte Lingner Anfang Februar die Teilnahme von BEK-Vertretern am Kirchentag – unter der Voraussetzung, dass es im „Programm ökumenische Aspekte“ gebe – für nicht völlig ausgeschlossen gehalten und angekündigt, mit dem Generalsekretär des DEKT wegen dieser Frage „korrespondieren“ zu wollen (Niederschrift [Lange] der Referentenbesprechung [Plenum] am 6.2.1973, S. 1f. [EZA, 2/1836]). 32 Vermerk Henkys vom 7.9.1973, S. 1 (EZA, 4/301). 33 Entsprechend der genannten Regelung wurden Pfarrer, die an ihrer Kirchenleitung vorbei ihre Gemeinde verlassen hatten, nicht in die Gliedkirchen der EKD übernommen.

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aus der Zeit vor dem Mauerbau wieder in Erinnerung zu rufen“, gab Scharf zu bedenken, dass die Vorsitzenden der einzelnen Kirchenleitungen anhand eines persönlichen Schreibens über die Sachlage zu unterrichten seien, da seinerzeit die Kirche in Berlin-Brandenburg von drei Pfarren unter Berufung auf das Grundgesetz verklagt worden seien.34 Zur Frage des Umgangs mit den ohne Zustimmung ihrer Kirchenleitung in die Bundesrepublik übersiedelten DDR-Pfarrern stellte die KKL auf ihrer Sitzung Anfang September fest, dass die westdeutschen Gliedkirchen sich unterschiedlich verhielten. Neben der Konferenz solle sich auch der Bischofskonvent mit der Problematik beschäftigen. Zuletzt war zu vermelden, dass ein erneutes Gespräch des Vorstands mit Staatssekretär Seigewasser noch nicht in Aussicht stünde, der Bund jedoch nach Ansicht der Vorstandsmitglieder keinerlei Druck ausüben, sondern die Entwicklung abwarten solle.35 Auch die Beratergruppe von Bund und EKD debattierte am 12. September in Ost-Berlin nun über die Frage, ob den aus der DDR ausgereisten Pfarrern ein neues Beschäftigungsverhältnis in den EKD-Gliedkirchen zugestanden werden solle. (Da über die Sitzung kein Protokoll aufgefunden wurde, bleibt allerdings offen, ob und zu welchem Ergebnis die Debatte geführt hat.) Ein weiterer Tagesordnungspunkt war die Neubildung der westlichen Gruppe, wie Behm und Lingner es bereits vorbesprochen hatten.36 Lingner sandte mit dem Betreff „Beratergruppe“ Präsident Hammer am 2. Oktober einen entsprechenden Entwurf für einen Ratsbeschluss inklusive Begründung zu. Während in der Beschluss-Vorschlag lediglich von der „Wahrnehmung der Aufgaben“ gesprochen wurde, die sich aus dem Ratsbeschluss vom April 1970 und der Erklärung von Synode und Kirchenkonferenz vom Mai 1970 ergäben, und die für die Besetzung der Gruppe benannten Ratsbeauftragten namentlich aufgeführt wurden, war die sich anschließende Begründung ausgesprochen detailliert. Darin wurde nicht nur die Entstehungsgeschichte des Ost-West-Gremiums geschildert, sondern ebenfalls die Schwierigkeiten, die aus politischen und anderen Gründen die personelle 34

Niederschrift (Gundert) über die 5. Sitzung des Rates am 10./11.8.1973 in Berlin, S. 23 (EZA, 2/93/798). – Wenn der Vorschlag, wie die Formulierung im Protokoll nahe legt, jedoch nicht belegt, tatsächlich aus den Reihen der Ratsmitglieder kam, fällt auf, dass ebenfalls nicht zweifelsfrei aus Scharfs Äußerung hervorgeht, ob alle Kirchenleitungen in Ost und West angeschrieben werden sollten bzw. warum der Rat nicht ausdrücklich eine Absprache mit den Brüdern in der DDR ins Auge fasste. 35 Protokoll (Grengel) der 26. KKL-Tagung am 7./8.9.1973 in Berlin, S. 3 (EZA, 101/97). 36 EZA, 8/91/1246 und 4/69. – Am 13. August hatten Behm und Lingner sich über die künftige Zusammensetzung der Ost-West-Gesprächsgruppe ab. Demnach werde die EKD mit drei Vertretern ihres Rates, drei Abgesandten der Gliedkirchen (alle sechs mit festen Stellvertretern) und zwei wechselnden, „freien Vertretern“ der Gliedkirchen an den Treffen teilnehmen. Vom Bund sollten nach wie vor der gesamte Vorstand der KKL sowie drei personell nicht festgelegte Vertreter der Gliedkirchen bei den gemeinsamen Unterredungen anwesend sein. Für die Dienststellen würden die Namen Henkys, Lingner und Groscurth genannt, während u. a. Stolpe und Behm von Ostseite die Sitzungen der Gruppe begleiten sollten (Vermerk Behm vom 24.8.1973 [EZA, 101/358]).

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Besetzung im Westen bereitete habe, da für eine regelmäßige Teilnahme an den gemeinsamen Sitzungen mit den KKL-Vorstandsmitgliedern entweder die Einreisemöglichkeit oder die (zeitliche) Bereitschaft gefehlt habe. Im Januar 1972 sei Lingner mit der Zusammensetzung der westlichen Beratergruppe betraut worden, der aktuell neun Mitglieder plus vier Vertreter angehörten. Dabei habe sich die Stellvertreterregelung zur Vorbeugung gegen die oben genannten Probleme als sehr sinnvoll erwiesen. In dem Entwurf erwähnte Lingner ebenfalls, dass der Status der Gruppe, die von vornherein keinerlei Beschlussfassungskompetenz besitzen sollte, niemals endgültig geklärt, jedoch seitens des Rates aus politischen Gründen bewusst von einer festen Institutionalisierung abgesehen worden sei. Der Vorschlag, den Lingner in dem Entwurf formuliert hatte, sei mit Schönherr und Stolpe abgestimmt worden: 1. Vier bis fünf Mal im Jahr sollten die Vertreter des Bundes und der EKD zusammenkommen. Bei der möglichst zeiteffizienten Wahl der Termine sei zu beachten, dass vorher oder im Anschluss reguläre Sitzungen des Rates der EKD bzw. der KKL stattfänden, was allerdings eine entsprechende Vorabstimmung zwischen Rat und KKL voraussetze. 2. Sowohl die Teilnehmer als auch die Aufgabenstellung müssten unter Berücksichtigung von Art. 4 (4) der Bundesordnung neu benannt werden. 3. Insgesamt sollten bei den Sitzungen nicht mehr als 20 Personen anwesend sein, wobei eine paritätische Besetzung aus Ost und West anzustreben sei. Für die westliche Beratergruppe sei folgende personelle Bestückung empfehlenswert: Drei ständige Mitglieder aus dem Rat sowie drei nicht dem Rat angehörende EKD-Vertreter aus den Gliedkirchen (und jeweils feste Stellvertreter für diese sechs Nominierten) und zwei bis drei wechselnde Gäste. Ferner sollten sich Mitarbeiter aus den Kanzleien und den Kirchenämtern an den Gesprächen beteiligen. Im Falle der Annahme dieser Regelung müsse noch darüber entschieden werden, ob auch für die Stellvertreter der drei ständigen Ratsmitglieder eine Mitgliedschaft im Rat der EKD vonnöten sei oder ebenfalls Nicht-Ratsmitglieder in Frage kämen. Für beide Varianten waren dem Beschluss-Entwurf gesonderte Berufungsvorschläge beigelegt.37 Auf der Sitzung des Rates der EKD Anfang Dezember gab Hammer den Anwesenden zunächst die Eindrücke wieder, die er beim Weltfriedenskongress in Moskau38 von den Teilnehmern gewonnen hatte. Die Kirchenvertreter aus der DDR hätten die wachsende Bedeutung der Friedensthematik besonders hervorgehoben und berichtet, dass man sich künftig auch innerhalb des Bundes der Evangelischen Kirchen intensiver mit dem Frieden beschäftigen werde – aller37

Schreiben Lingner an Hammer vom 2.10.1973 mit Anlage (EZA, 4/69). An dem Moskauer Weltkongress der Friedenskräfte (25.–31.10.), hatte sich unter Leitung des PBMitglieds Albert Norden eine 53-köpfige staatliche DDR-Delegation beteiligt. Unter diesen befanden sich mit Gienke, Natho und Lewek auch drei Vertreter der ev. Kirchen in der DDR. 38

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dings „nicht ohne Fühlungnahme mit dem Rat der EKD“. Die Ratsmitglieder beschlossen, die Ost-West-Gesprächsgruppe mit der Behandlung dieses Themas auf ihrer nächsten Sitzung zu beauftragen. Ferner solle die Gruppe untersuchen, ob unter Umständen dabei eine Zusammenarbeit mit der KEK angebracht sei. Anschließend erläuterte Hammer die Beschluss-Vorlage, die Lingner in Abstimmung mit dem Leiter des BEK-Sekretariats und dem KKL-Vorsitzenden angefertigt hatte.39 Der Rat entschied sich bei seiner Beschlussfassung hinsichtlich der Zusammensetzung der westlichen Beratergruppe dafür, tatsächlich sechs Mitglieder des Rates40 (drei von ihnen als Stellvertreter) und drei weitere Vertreter aus den Gliedkirchen41 (plus drei Stellvertreter) als ständige Mitglieder der Beratergruppe zu nominieren. Ferner sollten – in Übernahme des LingnerModells – „zwei bis drei unständige Mitglieder“ an den Sitzungen der Gruppe teilnehmen, die die Geschäftsführung zur jeweiligen Sitzung einlade. „An folgenden Personenkreis ist dabei zu denken: Weitere Ratsmitglieder einschl. des Präses der Synode, leitende Geistliche und Juristen aus den Kirchenleitungen, Ltr. gesamtkirchlicher Ämter (EKU, VELKD, Diakonisches Werk etc.), Vertreter der wissenschaftlichen Theologie, Ltr. des Kirchenrechtlichen Instituts etc.“ und Leiter sowie Mitarbeiter der Amtsstellen der EKD und der kirchlichen Ämter in Abhängigkeit von den anstehenden Verhandlungsthemen.42 Am 10. Januar 1974 schrieb Lingner die sechs vom Rat bestimmten ständigen Mitglieder der Beratergruppe und ihre sechs Stellvertreter an, um ihnen die Termine für die ersten beiden im neuen Jahr angesetzten Sitzungen durchzugeben. Eine aktuelle Mitgliederliste legte er bei.43 Einen Tag darauf vermerkte er im Blick auf die Neuzusammensetzung der Beratergruppe, dass den nicht wiederbenannten Mitgliedern für ihre Arbeit gedankt und sie darüber informiert wer39 Die dem Rat vorgelegte Vorlage (EZA, 2/93/801) war bis auf zwei Namensvorschläge identisch mit der von Lingner vorbereiteten. 40 1. Ratsvorsitzender oder Stellvertreter (Hild), 2. Lohse, 3. Petersen (Vertreter: G. Schneider, Eßer, Hofmann). 41 Heintze, Greifenstein, Kaulitz (Vertreter: F. Viering, v. Keler, Schnübbe). 42 Niederschrift (Echternach) über die 9. Sitzung des Rates am 7./8.12.1973 in Frankfurt/Main, S. 17f., 26f. (EZA, 2/93/802). 43 Schreiben Lingner an Mitglieder und Stellvertreter der Beratergruppe vom 10.1.1974 (EZA, 4/70). – Der Wolfenbütteler OLKR Kaulitz reagierte mit dem Hinweis auf die übergewichtige Besetzung der Gruppe mit Vertretern aus dem niedersächsischen Raum bzw. der braunschweigischen Landeskirche (Schreiben Kaulitz an Lingner vom 22.1.1974 [EZA, 4/70]). – Heintze schrieb am 4.3.1974 an Hammer, er habe seine „Entlassung“ aus der Beratergruppe zur Kenntnis genommen und dem Schreiben entnommen, dass Ratsmitglieder nun ihre ursprüngliche Aufgabe selbst übernehmen: „Sollte vielleicht mit diesem Hinweis ein Wink gegeben werden, daß die Mitglieder der neuen Beratergruppe, die nicht gleichzeitig Ratsmitglieder sind, sich in Zukunft in der Kontaktsuche mit den Vertretern des Bundes […] mehr zurückhalten sollten?“ Daneben vermerkte Hammer hsl.: „Nein!“ (Schreiben Heintze an Hammer vom 4.3.1974 [EZA, 4/70]).

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den sollten, dass der Rat, nachdem seinen Mitglieder mittlerweile die Einreise nach Ost-Berlin gestattet werde, „nunmehr selbst die Verantwortung für die Gespräche mit den Kirchen in der DDR“ übernehme. Wie bereits wenige Tage zuvor in einem Schreiben an Hammer44 geschehen, schlug Lingner vor, den Leiter des Berlin-brandenburgischen Konsistoriums, Flor, als Vertreter dieser Kirche nachträglich für eine ständige Teilnahme (ausdrücklich ohne Stellvertreter) an den Ost-West-Gesprächen zu benennen. Flor selbst hatte sich Ende des vergangenen Jahres an Scharf gewandt und ihm mitgeteilt, er wolle nicht mehr weiter regelmäßig gastweise an den Sitzungen teilnehmen, nachdem er festgestellt habe, dass der Rat der EKD bei der Neuberufung der Beratergruppe die Kirche in Berlin-Brandenburg nicht berücksichtigt hatte.45 Lingner gab in seinem Schreiben an die ehemaligen Mitglieder der Gruppe den Ratsbeschluss bekannt, erläuterte die Neuzusammensetzung und fügte hinzu, dass die provisorische Konstruktion nun ein Ende gefunden habe, weil außer Scharf allen Vertretern des Rates die Einreise in die DDR von den staatlichen Organen genehmigt werde.46 Die Ratsmitglieder wurden auf ihrer Sitzung am 11. und 12. Januar ausführlich über das jüngste Treffen der Beratergruppe am 19. Dezember informiert, während der ein Bericht über den „Weltkongreß der Friedenskräfte“ abgegeben worden sei. Vermutlich hatte dieser andere Schwerpunkte gehabt als der Hammers vor den Mitgliedern des Rates Anfang Dezember. Wie im Rahmen des Ost-West-Gesprächs mitgeteilt wurde, seien die der staatlichen DDR-Delegation angegliederten einzigen Kirchenvertreter, Gienke, Lewek und Natho, vollständig in die „Nationale Delegation“ der DDR integriert worden und hätten in Moskau in verschiedenen Sachkommissionen mitgearbeitet. Insofern habe sich die Entscheidung als richtig erwiesen, die Vertreter des Bundes an der Konferenz teilnehmen zu lassen. Nur habe diese positive Erfahrung augenscheinlich nicht zu einer „Besserung“ der Staat-Kirche-Beziehungen geführt. Weiterhin hätten sich die östlichen und westlichen Brüder mit den Vorbereitungen für die ÖRK-Vollversammlung in Djakarta und dem vom Kirchenbund ausgearbeiteten Vietnam-Papier beschäftigt. Die Durchsicht der Ausarbeitung „Vietnam und wir“ vom FAK II des Bundes und des dazugehörigen Materials hatte Lingner übrigens schon Monate zuvor zu einer kritischen Stellungnahme veranlasst. Er gehöre keineswegs zu denen, die die Schuld der USA beim Vietnam-Problem totschweigen wollten, müsse sich aber fragen, ob hier nicht „Tendenzen sichtbar“ würden, dass der Kirchenbund „in offiziellen Stellungnahmen sich zum Anwalt der DDR-Politik macht?“ Lingner schloss dies unter anderem aus der Tatsache, 44

Schreiben Lingner an Hammer vom 7.1.1974 (EZA, 4/69). Vermerk Lingner vom 11.1.1974, S. 2 (EZA, 4/70). 46 Schreiben Lingner vom 11.1.1974 (EZA, 4/70). 45

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dass in dem Papier von der Kriegsbeteiligung Nord-Vietnams keine Rede war.47 Als der Vizepräsident der EKD-Kirchenkanzlei Lingner Anfang Februar um die Zusendung der Ausarbeitung bat, schrieb auch dieser: „Je einseitiger sich unsere Freunde in der DDR in politischen Stellungnahmen entwickeln, desto schwieriger wird ja auch eine konstruktive Kommunikation. Und vielleicht ist es ja auch Aufgabe der Kommunikation, einer solchen einseitigen Entwicklung wiederum entgegenzuwirken. Im Grunde genommen geht es dabei ja um die mich seit langem wieder neu beschäftigende Frage, bis zu welcher Grenze kirchliche Äußerungen in politischen Angelegenheiten kirchlich-theologisch legitimiert sind. Was nämlich kirchlich-theologisch nicht zu legitimieren ist, das sollten wir auch in kirchlichen Äußerungen nicht vertreten.“48

Offenbar war diese wichtige Divergenz in der politischen Wahrnehmung weder in der Beratergruppe49 offen thematisiert worden noch setzte sich der Rat Mitte Januar weiter damit auseinander. Die Ratsmitglieder führten eine Aussprache über die „kirchenpolitischen Situation in der DDR“. Die Anwesenden waren sich einig darüber, dass der Beratergruppe eine wichtige Bedeutung zukomme und es absolut notwendig sei, durch „gegenseitige Kenntnis“ eine enge Tuchfühlung mit dem Bund zu gewährleisten. Der Ratsvorsitzende Helmut Claß machte in diesem Kontext auf den von der Berliner Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Publizistik herausgegebenen Materialdienst „Kirche im Sozialismus“ vom 7. Januar 1974 aufmerksam.50 Bemühungen der EKD um die „besondere Gemeinschaft“ und Prüfung politischer Äußerungen der Kirchenleitenden in Ostdeutschland Am 25. Januar fand sich der Vorstand der KKL wiederum zu einem Gespräch beim Staatssekretär für Kirchenfragen ein. Wie Schönherr eingangs erläuterte, sei der Anlass des Gesprächs – da die Mitglieder des neuen Vorstands bereits bekannt 47

Vermerk Lingner vom 21.9.1973 (EZA, 4/177). Schreiben Wilkens an Lingner vom 4.2.1974, S. 1f. (EZA, 4/70). 49 Allerdings geschah dies am 21.3.1974 im Rahmen einer Analyse der öffentlichen Äußerungen von kirchenleitenden Vertretern des Bundes. 50 Niederschrift (Rohde) über die 10. Sitzung des Rates am 11./12.1.1974 in Kassel, S. 7f. (EZA, 2/93/804). – Die erste Probenummer war im November 1973 erschienen, gefolgt von drei weiteren Testheften (Nr. 2/1973 [Dezember], Nr. 1 /1974 [Januar], Nr. 1/1975 [Februar]), deren „formale und inhaltliche Konzeption“ damit noch zur Diskussion gestellt wurde. Beginnend mit dem Juniheft 2/1975 erschien „Kirche im Sozialismus. Materialien zu Entwicklungen in der DDR“ unregelmäßig etwa alle zwei Monate. Die Hefte enthielten bereits publizierte Dokumente, Aufsätze und Informationen, anhand derer die Empfänger bzw. Abonnenten einen Einblick in die Situation der Kirche in der DDR gewinnen konnten. Die Berliner Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Publizistik wurde finanziert zu 65% von der EKiBB, zu 20% von der EKD sowie zu je 7,5% von der VELKD und der EKU. 48

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seien –, „weder eine technische Notwendigkeit“ noch „einfache Höflichkeit“, sondern der Wunsch des Bundes, ein Zeichen für seine unverminderte Gesprächsbereitschaft zu setzen. So wagte der KKL-Vorsitzende den Umkehrschluss, die rasche Zusage des Staatssekretärs beweise, dass er ebenso interessiert an einem Dialog mit den Kirchen sei. Seitdem vor nahezu drei Jahren die erste Unterredung „auf dieser Ebene und in dieser Qualität“ stattgefunden habe – Schönherr bezog sich auf die offizielle Aufnahme der Staat-Kirche-Beziehungen und die staatliche Anerkennung des BEK am 24. Februar 1971 –, sei die DDR Mitglied der UNO geworden, die KSZE-Schlussakte unterzeichnet sowie der deutsch-deutsche Grundlagenvertrag abgeschlossen worden. Der Bund habe seinerseits ein festes Standbein in der Ökumene und sei an den wichtigen Aktivitäten maßgeblich beteiligt. Nachdem Schönherr im Namen des Kirchenbundes in der DDR bei dem ersten Grundsatzgespräch zum Ausdruck gebrachte habe, dass die Christen für das Wohl des Staates eintreten, dafür beten und ihre Verantwortung „handelnd wahrnehmen“ wollten, seien die Bemühungen des BEK um eine Standortfindung in der DDR-Gesellschaft in der Formel „Kirche nicht gegen oder neben, sondern im Sozialismus“ gebündelt worden, die offenbar auch der Erwartungshaltung des Staates weitgehend entspreche. An Aktualität habe für die Kirche die damalige Äußerung Ulbrichts nicht verloren, „Mißtrauen und Vorurteil“ zwischen Staat und Kirche hätten im Zuge gemeinsamer Arbeit „Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung“ Platz gemacht. Die Antwort des Staatssekretärs auf Schönherrs konziliante Einführung war eine Präzisierung der Vorstellung von einer „sozialistischen Persönlichkeit“, zu der ein jeder DDR-Bürger durch die staatlichen Erziehungsmaßnahmen heranreifen sollte. Mit impliziter Kritik betonte Seigewasser, dass dabei ein allgemeines Bekenntnis nicht ausreichend sei, sondern erst mit einer völligen Bejahung der „geistigen Grundlagen“ der sozialistischen Gesellschaft das Lernziel erreicht werde und sich diese Haltung konkret beweisen müsse. Immerhin gestand er dem Kirchenbund oder zumindest einem Teil seiner Vertreter zu, sich um ein „eigenes Profil“ bemüht zu haben und hielt fest, dass die „theoretischen Diskussionen“ über Art. 4 (4) „kontrollfähiger“ geworden seien, „weil sich herausstellte, daß Realität wurde, was wir empfohlen haben. Es wurde nicht nur eine formale organisatorische Verselbständigung (oder: Abgrenzung) vollzogen, sondern in entscheidenden Grundsatzfragen wurden von den Kirchen in der DDR andere Positionen eingenommen als von den Kirchen in der BRD“. Als Beispiel führte der Staatssekretär die von der der EKD divergierende Haltung des Bundes zum Antirassismusprogramm des ÖRK an. Abgesehen von wenigen Gegenstimmen anerkenne die evangelische Kirche in der DDR auch die entsprechenden „Konsequenzen auf gesellschaftlicher Ebene“, was letztlich bedeute, dass der „Kampf gegen Krieg und Unterdrückung“ immer auch eine „antiimperialistische Komponente“ haben müsse. Diese Entwicklungstendenz

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innerhalb des Kirchenbundes sei bei den Veranstaltungen der Kirche „anlässlich der X. Weltfestspiele und bei ökumenischen Zusammenkünften“ deutlich geworden. Ferner zeigten die Kirchen mit ihrem Engagement für den Frieden eine „neue Qualität“. In diesem Zusammenhang lobte Seigewasser die Teilnahme von drei BEK-Vertretern am Moskauer Weltkongress der Friedenskräfte, was von der SED-Regierung ebenfalls als positives Novum registriert worden sei: „Die Breite der Aussagen in Moskau hat die Bereitschaft zu dieser humanistischen Aktion bestätigt. Diese Entwicklung hat sich nicht im Selbstlauf vollzogen, sondern sie wird vom Staat zielbewußt gefördert.“ Wiederum kritisch resümierte der Staatssekretär, dass sich vor einigen Jahren – trotz der ausdrücklichen Hinweise der Vertreter der Räte der Bezirke – außer Schönherr und Braecklein kaum ein Bischof für die völkerrechtliche Anerkennung der DDR habe einsetzen wollen: „Im Sinne einer wohlverstandenen Glaubwürdigkeit der Kirche im Sozialismus, nicht um des Staates willen [sic!], wäre es aber gut gewesen. Ein solcher geistiger Zustand konnte nicht zugelassen werden. Eigenartigerweise haben dann bestimmte Herren eine Änderung ihrer Stellung vorgenommen, nachdem die Kirchen in der BRD nach der Regierung der BRD eine Kursänderung vorgenommen hatten. Das Eintreten für die völkerrechtliche Anerkennung der DDR war aber eine staatsbürgerliche Aufgabe. Es kommt uns darauf an, daß der sozialistische Staatsbürger christlichen Glaubens die gleichen Konsequenzen auf sich zu nehmen bereit ist, wie jeder andere Staatsbürger.“

Seigewasser knüpfte an seine anfänglichen Erläuterungen an und konstatierte: „Das sollten wir alle spüren, wenn es darum geht, Kirche im Sozialismus zu postulieren.“ Wenn die Christen bzw. die Kirchen in der DDR tatsächlich keine große Schwierigkeit darin sähen, sich im Sozialismus zu positionieren, müsse dieser „Prozeß der Selbstbesinnung und der konkreten Verantwortung“ sich jedoch rascher vollziehen. Jeglichen Wortmeldungen, mit denen die sozialistische Friedenspolitik in Zweifel gezogen werde, müsse sich auch die Kirche „mutiger“ entgegenstellen.51 Im Blick auf eine Korrektur des Beschlusses vom Dezember 1973 zur Besetzung der Beratergruppe brachte Lingner auf der Ratssitzung am 8. und 9. Februar eine Vorlage ein, mit der eine Berufung von Konsistorialpräsident Flor in 51 Schreiben Stolpe an Mitglieder des KKL-Vorstands vom 27.2.1974 mit Anlage „Vermerk nach eigenen Aufzeichnungen“ vom 21.2.1974 über Gespräch Vorstand KKL mit StSfK am 25.1.1974, 19 S., an die KKL verteilt am 9.3.1974, S. 1, 2, 6, 7 (EZA, 101/115). – In der Akte befinden sich noch weitere Vermerke unterschiedlichen Umfangs von Kramer und Schönherr. Eine siebzehnseitige Fassung des Vermerks wurde den Mitgliedern des Vorstands von Pabst zugesandt. Am 27.2.1974 schickte Stolpe ihnen nochmals (mit der Bitte um Korrektur und Rücksendung) die rund neunzehn Seiten lange Endfassung.

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die Gruppe erfolgen sollte. Begründet wurde diese Nachnominierung mit der Tatsache, dass damit auch ein Vertreter der Berlin-brandenburgischen Kirche an den Ost-West-Gesprächen teilnehmen könnte. Dies sei deshalb von Wichtigkeit, weil die Kirche in Berlin-Brandenburg „enge und ständige Beziehungen“ zu ihrer Schwesterkirche im Westteil Deutschlands halte und diese umgekehrt „vielfältige Aufgaben“ für die Kirchen in der DDR wahrzunehmen habe. Flor sei bereit, eine solche Berufung anzunehmen.52 Die Ratsmitglieder beschlossen der Vorlage folgend seine Ergänzungsberufung zum Mitglied der Beratergruppe.53 Eine zweite, von Lingner erläuterte Vorlage betraf den West-Berliner Materialdienst „Kirche im Sozialismus“, dessen erste zwei Probenummern Lingner als Anschauungsmaterial auf der Ratssitzung im Januar verteilt hatte. Die Mitglieder des Rates begrüßten das Erscheinen dieser Hefte, in denen Dokumente, Nachrichten und Informationen über die Kirchen in der DDR aufgearbeitet waren, und brachten zugleich ihr Einverständnis zum Ausdruck, das der Leiter des Publizistischen Zentrums in West-Berlin, Henkys, für die Gestaltung des Inhalts und die Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Publizistik für die Herausgabe verantwortlich zeichneten. Die Übernahme der Herausgeberschaft durch die Arbeitsgemeinschaft sei „aus verschiedenen Gründen“ angezeigt, was jedoch nicht bedeute, dass der Rat oder die Kirchenkanzlei der EKD „insbesondere über das Kuratorium der AG oder im direkten Benehmen mit dem verantwortlichen Redakteur auf den Inhalt Einfluß nehmen“. Ebenso bewertete das Lutherische Kirchenamt der VELKD die Publikation des Materialdienstes zwar als positiv, verlangte jedoch bei den entsprechenden Verhandlungen zu berücksichtigen, dass auch der VELKD eine gewisse Einflußmöglichkeit auf „Form und Inhalt des Materialdienstes“ nicht versagt bleiben solle. Zu dem begrenzten Empfängerkreis sollten die Mitglieder des Rates, seiner Beratergruppe inklusive der Stellvertreter, Angehörige der Amtsstellen der EKD, des Diakonischen Werks, des Lutherischen Kirchenamtes, der EKU-Kirchenkanzlei und der Geschäftsstelle der Arnoldshainer Konferenz gehören. Ferner werde jede Gliedkirche ein Exemplar erhalten sowie Interessenten, „die ihn ausdrücklich bestellen“. Schlussendlich war man sich darüber einig, dass mit der Veröffentlichung des Materialdienstes „Kirche im Sozialismus“ eine bisher nur in ungenügender Weise wahrgenommene Aufgabe erfüllt werde, die sich aus der „besonderen Gemeinschaft“ ergebe.54

52 Vorlage (Hammer/Lingner) für die 13. Sitzung des Rates im Februar 1974 betr. BG (EZA, 2/93/804). 53 Niederschrift (Lingner) über die 13. Sitzung des Rates am 8./9.2.1974 in Berlin, S. 8 (EZA, 2/93/805). 54 Vorlage (Hammer/Lingner) für die 13. Sitzung des Rates im Februar 1974 betr. Materialdienst KiSo, S. 1f. (EZA, 2/93/804).

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Allerdings wurden in einem Punkt doch von Ratsmitgliedern Bedenken angemeldet – und zwar gegen den Titel „Kirche im Sozialismus“.55 Für das Treffen zwischen westlicher Beratergruppe und Vertretern des Bundes am 21. März war das Thema „Konkretes politisches Reden der Kirche – Analyse der Erklärungen des Bundes“ vorgesehen, in das Lingner mit einem Referat einführte. Er hatte bei der Sichtung von KKL-Berichten und Einzelaussagen der DDR-Bischöfe herausgearbeitet, dass hinsichtlich der Charakterisierung des Verhältnisses von Kirche und Gesellschaft in der DDR durch kirchenleitende Persönlichkeiten des Bundes Übereinstimmung herrschte, nicht nur, was die „faktische Lage“, sondern auch den „Auftrag der Kirche“ anbelangte: So gelte grundsätzlich, dass es zwischen Kirche und marxistisch-leninistischer Weltanschauung „keine ideologische Koexistenz“ gebe oder geben könne, was nicht als kirchliche „Kampfaussage“ zu interpretieren sei, sondern bedeute, dass die Kirche in der DDR für den Staat „gesellschaftspolitisch“ kein erwünschter Partner sei. Die Folge sei, dass die Kirche höchstens informiert, nicht jedoch konsultiert werde und absolut zwangsläufig immer wieder Konflikte mit dem Staat entstehen müssten. Beispielsweise habe Braecklein in diesem Kontext von einer „ideologischen Diasporasituation“ gesprochen. Nur – so Lingner – stelle sich die Frage, in welcher Weise sich diese Lage auf das Reden der Kirche auswirke. Übereinstimmung hatte seine Analyse ebenfalls im Blick auf die Überzeugung der Bischöfe ergeben, Kirche habe ihre Verantwortung für die Gesellschaft wahrzunehmen, sich nicht unter Verweis auf das bedrohliche Umfeld zurückzuziehen und sich sogar der Gesellschaft zu öffnen. Schönherr habe die Aufgeschlossenheit des Bundes mit seiner Formel einer Kirche „nicht neben, nicht gegen, sondern im Sozialismus“ zum Ausdruck bringen wollen, deren Bedeutung allerdings wenig konkret und recht flexibel auslegbar sei. Entweder meine sie die „solidarische bis hin zu unkritische Partnerschaft“ zwischen Kirche und Staat, bei der die Kirche leicht in die Anpassung geraten werde. Oder die Kirche bemühe sich um eine „kritische“ Partnerschaft und melde sich dementsprechend zu allen Fragen zu Wort, was von staatlicher Seite zweifelsohne als provozierend empfunden werde. Zwar habe sich der Bund unbedingt für die kritische Partnerschaft entschieden und den gesellschaftlichen Dialog aufgenommen, doch sei fraglich, inwieweit dies „immer und in vollem Umfang“ geglückt sei. Lingner hatte zur Klärung dieser Frage das politische Reden der Kirche in der DDR in zwei Kategorien unterschieden, den Stellungnahmen zu Ereignissen außerhalb und zu denen innerhalb der DDR, und war zu dem Ergebnis gekommen, dass es der Kirche „nicht immer“ gelungen sei, „zwischen einer unkritischen Solidari55 Niederschrift (Gundert) über die 13. Sitzung des Rates am 8./9.2.1974 in Berlin, S. 9 (EZA, 2/1781).

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tät und einer bloßen Provokation einen dritten Weg des gesellschaftspolitischen Dialogs zu finden“. Er führte hier als Beispiel die Unausgewogenheit in dem Papier „Vietnam und wir“ an, mit dem der Eindruck erweckt werde, der Bund habe dem Staat nach dem Mund geredet. Die kirchlichen Äußerungen zum deutsch-deutschen Grundlagenvertrag wiederum zeugten von dem Versuch, „sozusagen unanstößig“ zu sprechen, während es den vorsichtigen und sachlichen Stellungnahmen des Bundes zu einigen Vorgängen in der DDR zumeist weder an Klarheit noch an Deutlichkeit mangele. Das letzte Lob relativierte Lingner jedoch dahingehend, dass der Kirchenbund bestimmte Problemkomplexe, zu denen er sich hätte äußern sollen, „ausgeklammert“ und geschwiegen habe. Dieses „Schweigen“ zu manchen Themen, die Lingner jedoch nicht weiter spezifizierte oder durch Beispiele veranschaulichte, bezeichnete er als „durchaus kennzeichnend“, schloss aber mit dem etwas zweideutigen Hinweis, dass derartige Reaktionen bzw. Nicht-Reaktionen des Bundes durchaus nachvollziehbar seien: „Selbstverständlich darf nicht übersehen werden, daß es gerade um der Möglichkeit einer deutlichen Rede willen töricht wäre, lediglich als nörgelnde Kritiker aufzutreten. Die Kirchen waren (als Kirchen im Sozialismus) genötigt, positive Leistungen der DDR als solche hervorzuheben.“56 Die östlichen Brüder stimmten Lingners Analyse im Großen und Ganzen zu. Das Problem liege in der Tat darin, dass die Kirchen in der DDR bei ihren Äußerungen zu innenpolitischen Ereignissen darauf achten müssten, die Möglichkeit ihrer Hilfeleistung im Einzelfall nicht zu „verspielen“. Dabei sei für die Kirchenleitenden grundsätzlich ausgesprochen „bedrückend“, wenn ihre wichtigste Aufgabe, das Evangelium in glaubwürdiger Weise zu bekennen und zu bezeugen, durch ihre Stellungnahmen zu innen- und außenpolitischen Vorfällen belastet werde. Es sei leider immer wieder zu beobachten, dass gerade die Beurteilung der Glaubwürdigkeit ihrer Evangeliumsverkündigung von ihren Äußerungen zu politischen und gesellschaftlichen Tagesfragen abhängig gemacht werde.57 Wie die Ratsmitglieder Anfang Juli nach Kunsts Bericht über die Verbesserungen und Rückschläge in den deutsch-deutschen Beziehungen von ihrem Vorsitzenden erfuhren, habe die Beratergruppe von Bund und EKD am 19. Juni in Ost-Berlin getagt. Besonderer Erwähnung bedürften der dort erfolgte Austausch positiver Erfahrungen mit drei regionalen Kirchentagen und die fruchtbare Debatte über das Antirassismus-Programm des ÖRK. Ferner sei der Rat der EKD eingeladen worden, in Kürze den Ost-Berliner Dom zu besichtigen, für den ein 56 Anlage zum Vermerk Lingner (o. D.) über die Sitzung der Beratergruppe am 21.3.1974, S.1ff. Hervorhebungen im Original (EZA, 4/70). 57 Vermerk Lingner (o. D.), S. 3. Der Vermerk über diese Sitzung wurde auf Wunsch der Ost-Mitglieder vertraulich behandelt (EZA, 4/70).

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Bau- und Finanzierungsprojekt ins Auge gefasst worden sei. Die Mitglieder des Rates beschlossen anschließend, dieses Projekt zum Tagesordnungspunkt einer der kommenden Sitzungen zu machen. Voraussetzung für eine Prüfung des Vorhabens sei allerdings, dass „präzise Zahlenangaben“ vorlägen.58

2.1 Der Kirchenbund will an seinen Aufgaben wachsen – was leistet die „Beratergruppe“? Beim nächsten Zusammentreffen der westlichen Beratergruppe mit dem KKLVorstand, das vermutlich Anfang August stattfand, informierten die Vertreter des Bundes darüber, wie die Ostverträge von der Bevölkerung in der DDR eingeschätzt würden. Aus Sicht des Kirchenbundes sei die wenig überraschende Tatsache hervorzuheben, dass die eingetretene Ost-West-Entspannung59 sich negativ auf die Beziehungen zwischen Staat und Kirche in der DDR auswirke. Auch in der Vergangenheit sei der Effekt zutage getreten, dass es im Zuge der Auflösung von politischen Spannungen im deutsch-deutschen Verhältnis zu „ideologischen Verhärtungen“ gekommen sei. Und da die Kirche als „potentieller Gegner der Ideologie“ gelte, habe sie dies stets in besonderem Maße zu spüren bekommen. Der Dresdner Bischof Hempel ging davon aus, dass unter den jüngeren Theologen etwa 90 Prozent der Ostpolitik Willy Brandts zustimmten, während Kramer für die DDR-Bevölkerung die Zahl der Befürworter auf ungefähr 70 Prozent schätzte. Im Anschluss kamen die Vorstandsvertreter auf die staatliche Veranstaltungsverordnung zu sprechen. Stolpe vertrat die Ansicht, dass diese nicht in erster Linie „gegen die Kirche gerichtet“ sei, sondern vielmehr die Angst der SED-Regierung um die nationale Sicherheit eine entscheidende Rolle spiele. Es müsse bedacht werden, dass die kirchlichen Arbeitsformen starke Ähnlichkeit mit denen der Gruppen aufwiesen, die „in der Tschechei die Dubzek-Ära ausgelöst“ hätten. Die östlichen Brüder verdeutlichten, dass die merklich konfrontative Stimmung zwischen Kirche und Staat „allein von den DDR-Kirchen ausgetragen“ werden müsse; eine Unterstützung „von außen“ sei im Blick auf die Auseinandersetzungen über die Veranstaltungsordnung „weder erwünscht noch sinnvoll“. Es liege allein in der Hand der Gemeinden und sei abhängig von ihrer

58 Niederschrift (Echternach) über die 18. Sitzung des Rates der EKD am 4./5.7.1974 in Berlin, S. 15 (EZA, 2/93/812). 59 Außer dem am 21.6.1973 in Kraft getretenen Grundlagenvertrag hatten dazu u. a. beigetragen: Die seit Ende 1972 begonnenen KSZE-Gespräche, die am 18.9.1973 erfolgte Aufnahme beider deutscher Staaten in die UNO, die Einrichtung gegenseitiger Ständiger Vertretungen von DDR und BRD in Bonn und Ost-Berlin am 14.3./2.5.1974.

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„Stärke“, ob es der Kirche gelingen könne, sich in diesem Konflikt gegenüber dem Staat zu behaupten.60 Insofern offenbar an der Ost-West-Gesprächsgruppe vorbei, als der Kreis sehr viel kleiner war, trafen sich Vorstandsmitglieder der KKL und Stolpe am Spätnachmittag des 6. August mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Claß und Präsident Hammer in der Ost-Berliner Auguststraße zu einer Beratung. Bei der Begrüßung brachte Schönherr seine Freude über die begrenzte Teilnehmerzahl und zugleich die Ansicht zum Ausdruck, dass „dergleichen auch in Zukunft ab und an nützlich sein könnte“. Nach der letzten großen Ost-West-Runde seien unter den Mitgliedern der Beratergruppe des Rates Zweifel aufgekommen, wie Claß mitteilte, „ob die brüderlich gemeinte, in der Sache aber schonungslos offene Gesprächsführung“ seitens der westlichen Teilnehmer tatsächlich der Gruppe „angemessen“ sei und nicht manchem Bruder aus der DDR zuviel zugemutet werde. Die BEK-Vertreter verneinten dies und betonten, dass die Authentizität und Ehrlichkeit ihrer Gesprächspartner sogar die Voraussetzung für einen fruchtbaren Austausch seien, weil die Abgesandten des Rates damit bewiesen, dass sie die östlichen Brüder ernst nähmen. Claß fragte dann an, „ob und in welcher Weise“ die besondere Gemeinschaft im Rechenschaftsbericht des Ratsvorsitzenden an die Synode berücksichtigt werden könnte. Nach wie vor rieten die Vertreter des Bundes davon ab, Art. 4 (4) direkt zu erwähnen, schlugen jedoch vor, dessen vielfältige Praktizierung zwischen Bund und EKD hervorzuheben – angefangen von gemeinsamer theologischer Arbeit, gegenseitigen Synodenbesuchen und dem Informationsaustausch bis hin zu der „bemerkenswerten“ Tatsache, dass alle EKD-Ratsmitglieder in die Auguststraße in Ost-Berlin kommen dürften. Im Rechenschaftsbericht könne sogar durchaus betont werden, dass der nun beförderte Entspannungsprozess die Praktizierung der besonderen Gemeinschaft erleichtert habe. Einschränkend gab der Vorstand zu bedenken, dass eine Prüfung vorgenommen werden sollte, „an welcher Stelle des Berichts diese Dinge“ unterzubringen seien, im Kontext der Tätigkeiten des Kirchenamtes oder unter dem Punkt Ökumene.61 Kritisch merkten die Vorstandsmitglieder darauf an, dass es von Vorteil für den Bund gewesen sei, wenn vor der Verabschiedung des Ratswortes zum 25. Jahrestag des Grundgesetzes eine Rücksprache mit den 60 Vermerk Lingner o. D. [am oder vor dem 6.8.1974] über Treffen BG EKD und Vorstand KKL, S. 2, 5 (EZA, 2/01/1418). 61 Offenbar haben die Vorschläge der Vorstandsmitglieder nur hinsichtlich der Beachtung des Kontextes einen spürbaren Eingang in die Überlegungen des Rates gefunden, der auf seiner Sitzung im Oktober noch gleichermaßen am Anfang stehend erörterte, „ob, in welchem Zusammenhang und in welcher Weise die Verbundenheit mit den Kirchen in der DDR [im Ratsbericht] zum Ausdruck gebracht werden soll“ (Niederschrift [Dibelius] über die 21. Sitzung des Rates der EKD am 18./19.10.1974 in Hannover, S. 5 [EZA, 2/93/816]).

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Vertretern der Kirchen in der DDR stattgefunden hätte. Beispielsweise sei die darin vorgenommene Bezugnahme auf die „Präambel und diejenigen, ‚denen mitzuwirken versagt war‘“, insofern problematisch, als der Bund hinsichtlich des 25-jährigen Jubiläums der DDR-Gründung nun – „unter Hinweis auf dieses Ratswort“ – mit der staatlichen Erwartungshaltung konfrontiert sei, „im Sinne der DDR“ eine ähnliche Äußerung zu tun.62 Die mangelnde vorherige Abstimmung der EKD mit dem Bund habe die Kirchen in der DDR in eine Zwangslage gebracht, was möglicherweise hätte verhindert werden können. Claß und Hammer räumten ein, ihrerseits „an derartige Zusammenhänge überhaupt nicht gedacht“ zu haben, und betonten, alles daran setzen zu wollen, dass sich solche Pannen nicht wiederholten. Die Mitglieder des KKL-Vorstands fragten zuletzt ihre beiden Gesprächspartner, ob es für sie unter Umständen vorstellbar sei, „als Vertreter der EKD“ Seigewasser einen „Höflichkeitsbesuch“ abzustatten. Seitens des Bundes sei in dieser Richtung beim Staatssekretär „ganz informell und locker ohne jede Verbindlichkeit vorgefühlt“ worden, worauf zwar nicht mit Ablehnung, jedoch auch nicht mit Begeisterung reagiert worden war. Nachdem es offenbar im Rahmen des kleinen Gesprächskreises nicht mehr zur abschließenden Klärung dieser Frage gekommen war, vermerkte Hammer, er habe später Stolpe die vorläufige Mitteilung gemacht, dass die EKD kein „besonderes Bedürfnis“ nach einer derartigen Unterredung verspüre, der Rat vorab seine Zustimmung erteilen müsse und die zu verhandelnden Themen festgelegt sein sollten. Wenn es jedoch tatsächlich nur ein „Höflichkeitsbesuch“ werde, der dem Bund „nutzbringend“ erscheine und der EKD nicht zum Schaden gereiche, habe der Rat sicher keine Einwände. Stolpe habe betont, dass dem Kirchenbund daran gelegen sei, seine Beziehungen zur EKD „auch im Blick des Staates zu normalisieren“. Da Vertretern von Kirchen aus der Ökumene mittlerweile ganz „unbefangen“ solche Besuche bei Staatssekretär Seigewasser möglich seien, müsste dies für die EKD doch ebenso gelten. Im Übrigen habe dieses Vorhaben keine Eile, sondern es sollte nur frühzeitig mit Grundsatzüberlegungen begonnen werden.63 Am 11. und 12. September berieten Vertreter der EKD-Kirchenkanzlei mit denen des Bundes über die vom BEK an den Rat ausgesprochene Einladung, die Bausubstanz des Berliner Doms zu begutachten und die Frage einer West-Finan62 Am 21.6.1974 hatte PB-Mitglied Norden in einer längeren Aussprache mit den Vertretern des Bundes, die am Ende Oktober 1973 am Moskauer Weltreffen für den Frieden teilgenommen hatten, bereits um eine „entsprechende Würdigung“ des 25. Jahrestags durch die Kirchen gebeten. Die BEKVertreter hatten mit dem Hinweis, dass sie mit einer kirchlichen Stellungnahme keinen „einseitigen Akt“ vollziehen wollten, sondern eine staatliche Gegenäußerung erwarteten, versprochen, die Bitte Nordens zumindest gründlich zu überdenken (Information vom 24.6.1974, S. 2, 5 [SAPMO-BArch, DY 30/IV B 2/14/79, Bl. 59–66]). 63 Vermerk Hammer vom 12.8.1974, S. 2, 4f. (EZA, 2/01/1418).

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zierung von dessen Instandsetzung zu diskutieren. Lingner vermerkte, dass vom Rat über die Bedeutung eines „solchen offiziellen Besuchs“ nachgedacht worden sei. Da die DDR-Regierung die Praktizierung der besonderen Gemeinschaft zwischen BEK und EKD nur begrenzt zulasse, würde es „keine sehr günstigen Eindruck erwecken“, wenn der erste Besuch des gesamten Rates nach dem Mauerbau „aus einem Anlaß politisch hingenommen wird, der letztlich finanzielle Gründe hat“.64 Mit dem Betreff „Beratergruppe“ wandte sich Lingner am 14. Oktober an Hammer. Er brachte einen gewissen Unmut zum Ausdruck, was die nach wie vor bestehende Unklarheit über „Funktionen und Zuständigkeiten“ des OstWest-Kreises anbelangte und kündigte an, sich als erklärtermaßen für die Verbindungen zu den Kirchen in der DDR zuständiger Leiter der Berliner Stelle der EKD-Kirchenkanzlei mit dem Sekretariat des Bundes über einige offene Fragen verständigen zu wollen, um nach mittlerweile fast fünf Jahren die „Beratergruppe behutsam in den Griff zu bekommen“. Dabei müssten auch „personelle Fragen“ thematisiert werden. Lingner merkte in seinem Anschreiben an, die „Andeutung“ Hammers, es bestünden gerade in diesem Punkt seitens der EKD Widerstände, nicht einfach so akzeptieren zu können: „In dem Geschäft stehe ich seit annähernd 10 Jahren. Besonders im Zusammenhang mit der Trennung der Kirchen in der DDR von der EKD und im späteren Verlauf wurde mir immer wieder versichert, daß es für die Kirchen in der DDR besonders hilfreich sei, in meiner Person einen sachgerechten Interpreten ihrer Anliegen zu haben. Wenn sich in letzter Zeit insoweit ein Meinungsumschwung vollzogen haben sollte, müßte dies auch ausgesprochen werden können. Es geht nicht um Personen, sondern um die Wahrnehmung und Erfüllung von Aufgaben.“

Den potentiellen Gesprächsinhalt hatte Lingner in einer Anlage genauer skizziert. Zunächst sei festzustellen, ob es „gemeinsame Anliegen“65 gebe, die zwischen der KKL bzw. ihrem Vorstand mit dem Rat der EKD erörtert und abgestimmt werden müssten. Abgesehen vom wechselseitigen Informationsaustausch habe die Ost-West-Gesprächsgruppe „noch keine solche gemeinsamen Anliegen gefunden“ oder ihre Debatten, wie beim Antirassismusprogramm und der Menschenrechtsfrage, mit erheblicher Verzögerung geführt, so dass sie von KKL und Rat nicht berücksichtigt werden konnten. Lingner wies darauf hin, dass das Ziel der Beratungen ja nicht zwingend eine Konsensfindung in bestimmten Sach64

Vermerk Lingner vom 12.9.1974, S. 1f. (EZA, 4/91/702). Lingner nannte hier die Themen Kirchengemeinschaft, KSZE, Menschenrechte und ökumenische Fragen (wie das Antirassismusprogramm). Die Regelung finanzieller Fragen und Partnerschaftsbeziehungen auf der Ebene der Landeskirchen und Gemeinden rechnete er zwar zu den gemeinsamen Anliegen, jedoch im Rahmen der Tätigkeit der Ost-West-Gruppe ausdrücklich nicht zu deren Aufgaben. 65

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fragen sein müsse, sondern das Feststellen und Begründen eines Dissens ebenso von Wert sei. Nur müsse grundsätzlich darüber befunden werden, ob die Beratergruppe die „richtige Schleuse“ für gemeinsame Anliegen der Kirchen sei und wie sie dann die Anliegen „in angemessener Weise rechtzeitig und ausreichend vorbereitet“ in Rat und KKL tragen könne. Wenn die Gruppe für derartige Vorklärungen „nicht geeignet“ sei und „möglicherweise Einzelkontakte“ (Unterredungen des EKD-Ratsvorsitzenden, Hammers oder anderen) auch „mit Rücksicht auf die Vertraulichkeit“ zu bevorzugen wären, sei fraglich, welche Funktion die gemeinsamen Gespräche zwischen Vertretern der EKD und des Bundes überhaupt haben sollten. Für den Fall, dass dem Ost-West-Gesprächskreis die von Lingner angeregte wichtige Bedeutung eines den Leitungsorganen der EKD und des Bundes vor- und zuarbeitenden Gremiums zugesprochen werde, skizzierte der Leiter der Berliner Stelle die Voraussetzungen, die zur Erledigung eines solchen Auftrags unbedingt zu erfüllen seien. In erster Linie bedeutete das, dass die Gruppe sofort und ausführlich sowohl über „gemeinsame Anliegen“ von Bund und EKD informiert als auch über den Diskussionsstand im Rat und der KKL unterrichtet werden müsse. Die Schaltstelle auf westlicher Seite sollte die Berliner Stelle der Kirchenkanzlei der EKD – und damit Lingner selbst – sein. Damit hatte Lingner einen weiteren Versuch gestartet, den Ost-West-Gesprächskreis aufwerten und ihm entsprechende Kompetenzen zuweisen zu lassen.66 Die von Lingner avisierte Unterredung fand am 6. November im Sekretariat des Bundes in der Ost-Berliner Auguststraße zwischen Christa Lewek, Eckart Schwerin und Behm statt. Bei der in der kleinen Untergruppe ohne Lingner Kirchenbund-intern durchgeführten Erörterung der künftigen Arbeit der Beratergruppe fand seine Gesprächsskizze jedoch Berücksichtigung. Ausgehend von der übereinstimmend konstatierten Unzufriedenheit mit der derzeitigen Konstruktion und der gleichzeitig versicherten Überzeugung, dass dem Ost-West-Kreis „bei richtigem Funktionieren eine wesentliche Bedeutung für beide Seiten“ zukommen könnte, wurden einige Änderungsvorschläge formuliert: 1. Grundlage der Tätigkeit der Beratergruppe sei Bundesordnungsartikel 4 (4), die Arbeit demnach keine „Privatsache“, sondern ein Auftrag des BEK, zu dessen Erfüllung eine „geordnete Partnerschaft“ vonnöten sei. Die Organe des Bundes seien insofern zu beteiligen, als der KKL-Vorstand gegenüber der Konferenz oder der Synode einer „Berichtspflicht“ über die Gespräche mit den westlichen Brüdern nachzukommen habe. Bei der gemeinsamen Arbeit zutage tretende Unstimmigkeiten, die sich durch die unterschiedliche Situation der Kirchen in der Bundesrepublik und in der DDR ergeben könnten, müssten „in gegenseitigem Vertrauen“ offen66 Schreiben Lingner an Hammer vom 14.10.1974 mit Anlage „Gesprächsskizze für eine Besprechung im Sekretariat“, S. 1. Abschrift der Skizze an Schönherr/Stolpe/Zeddies (EZA, 4/92/1).

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gelegt werden. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Gruppe sollten seitens des Bundes der gesamte Vorstand sowie bis zu drei Vertreter der östlichen Gliedkirchen an den Gesprächen teilnehmen. Eine Beteiligung der Dienststellenleiter von EKU und VELK wurde nicht als unbedingt notwendig erachtet, weil diese auch den Bund nicht zu gesamtkirchlichen Treffen einlüden, während von der Teilnahme „einiger fester Interessenten“ wie Fränkel und W. Krusche vermutlich nicht wieder abgerückt werden könne. Ins Auge gefasst wurde wieder einmal, abhängig von den zu verhandelnden Themen in verstärktem Maße „Fachreferenten und Experten“ zu den Beratungen hinzuzuziehen. Der Austausch von aktuellen Informationen aus beiden Kirchen sollte zugunsten der gründlich vorbereiteten Beratung von speziellen Fragen, die „erkennbar […] beide Seiten existenziell betreffen und partnerschaftliches Handeln erfordern“, reduziert werden. Dabei sollte das mit der gemeinsamen Besprechung angestrebte Ziel vorab fixiert werden. Umfassenden Referaten vorzuziehen seien zuvor erarbeitete und an die Teilnehmer versandte „Thesen, bzw. Skizzen oder Problemanzeigen“. Die AGK (Arbeitsgruppe Koordinierung) des BEK-Sekretariats und der Vorstand der KKL sollten die Entscheidung über die Verhandlungsthemen treffen, die dann im Detail von den zuständigen Fachreferenten, Stolpe und Behm vorbereitet würden. In den Protokollen, die über alle Sitzungen der Vertreter aus EKD und Bund angefertigt werden müssten, sollte vor allem die „Verantwortlichkeit für die Durchführung von Verabredungen“ festgehalten werden.67 In dem Bemühen, zu einer einheitlichen Regelung im Umgang mit in die Bundesrepublik übersiedelten DDR-Pfarrern zu kommen, wandte sich Schönherr am 9. Dezember in seiner Funktion als Vorsitzender des Bischofskonvents an den EKD-Ratsvorsitzenden. Da die DDR-Regierung zunehmend den Übersiedlungsanträgen von Pfarrern stattgebe – entgegen früherer Praxis häufig sogar unter Einbeziehung der Kinder –, müsse er angesichts der verheerenden Folgen für die latent unterversorgten Gemeinden in der DDR sowie die psychische und die zusätzliche Arbeitsbelastung der in der DDR verbleibenden Pfarrer darum bitten, dass die leitenden Geistlichen und die Kirchenleitungen der EKD über die in diesen Fällen „seit langem geübte Praxis“ in Kenntnis gesetzt würden. Schönherr beschrieb die vielschichtige Problemlage und betonte, dass durchaus „aufrichtiges Verständnis“ für den Übersiedlungswunsch der meisten Pfarrer bestünde. Dies gelte insbesondere für die Brüder, die in den fünfziger Jahren – 67 Vermerk o. A. [Behm] o. D., S. 1f. (EZA, 4/92/1). – Am 28.11.1974 schickte Behm den Vermerk an alle Referenten des BEK-Sekretariats mit der Bemerkung, dass dieser der AGK auf ihrer nächsten Besprechung als „Arbeitsgrundlage“ dienen solle. Lingner sei mit dem Papier zwar „sehr grundsätzlich“ einverstanden, habe jedoch eingeräumt, dass es keine „Antwort auf für ihn sehr wesentliche Fragen“ biete. Demnach sei an den Vorschlägen zur künftigen Tätigkeit der Beratergruppe noch zu arbeiten (Schreiben Behm vom 28.11.1974 [EZA, 4/91/373]).

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„(unter den damaligen Voraussetzungen ‚für einige Jahre‘)“ – aus der Bundesrepublik in die DDR gekommen seien und die nun ihren Kindern nicht die gewünschte schulische oder universitäre Laufbahn ermöglichen könnten. Abgesehen davon führe es auch in den „geistlichen Notstand“, wenn solche Pfarrer „unter den hiesigen gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen“ unwillig ihren Dienst in der Gemeinde ausübten. Schönherr benannte drei Kategorien von übersiedelten Pfarren, die von der EKD entsprechend unterschiedlich behandelt werden sollten: 1. Wenn aus gesundheitlichen Gründen eine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand erfolgt sei, müsse mindestens ein Jahr bis zur Gewährung einer Festanstellung in der EKD abgewartet werden. Sollte tatsächlich eine „Heilung bestimmter Krankheiten nur unter ganz bestimmten [in der DDR nicht vorhandenen] klimatischen Verhältnissen möglich“ sein, handele es sich selbstverständlich um einen Ausnahmefall. 2. Bei einer Übersiedlung nach einer offiziellen Dienstentlassung sei bis zur „Wiederbeilegung der Rechte aus der Ordination“ eine Frist von zumindest zwei Jahren zu beachten und die frühere (DDR-) Gliedkirche um ihr Einverständnis zu bitten. 3. Sollte die Übersiedlung ohne die Zustimmung der eigenen Kirchenleitung erfolgen, könne man nicht umhin, disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen, für deren Umsetzung die Hilfestellung der EKDGliedkirchen erbeten werde. Zuletzt wies Schönherr darauf hin, dass es – abgesehen von den unter Punkt 1. benannten – selbstredend noch andere Fälle gebe, „in denen auch wir bereit sind, die volle Mitverantwortung für eine Übersiedlung nach der BRD durch ausdrückliche Freigabe zu übernehmen“. Sein in dem Schreiben formuliertes Anliegen, schloss der Vorsitzende des Bischofskonvents, werde mit Nachdruck von allen Kirchenleitungen in der DDR mitgetragen und finde hoffentlich auch die Unterstützung der Brüder in der Bundesrepublik.68 Lingners Wunsch für den kirchlichen Ost-West-Kreis: Mehr Effizienz durch klare Verhältnisse und behutsamer Kompetenzzuwachs Am 12. Februar sondierte Schönherr in einer Unterredung mit Staatssekretär Seigewasser, ob darauf zu hoffen sei, dass die gegenseitige Teilnahme von offiziellen Vertretern des Bundes und der EKD an Synodaltagungen auch auf landeskirchlicher Ebene ermöglicht werde. Der Staatssekretär entgegnete, dass in der nächsten Zeit sicher nicht von der derzeitigen Regelung abgewichen werde, Ein- bzw. Ausreisegenehmigungen nur anlässlich von Tagungen der Synoden der 68

Schreiben Schönherr an Claß vom 9.12.1974, S. 1f. (EZA, 688/111).

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EKD und des Bundes zu erteilen. Zur Begründung führte er an, dass vor allem, aber nicht nur von den EKD-Gliedkirchen nach wie vor die Bezeichnung „Patenschaftsverhältnisse“ verwendet werde. Derartige Beziehungen würden „auf allen Ebenen praktiziert“ und brächten wiederholt „unliebsame Vorkommnisse“ mit sich, die dann Konflikte nach sich zögen. Ebenso wenig hätten sowohl die Bundesregierung als auch die Oppositionsparteien ihre Haltung zum Staatsbürgerrecht verändert, sondern vielmehr jüngst bekräftigt. Und aus der Sicht der DDR rangiere das Völkerrecht vor dem Staatsrecht. Seigewasser fügte hinzu, dass die EKD sich insgesamt immer stärker in Richtung der politischen Rechten bewege. Beispielsweise habe Hild, der Kirchenpräsident von Hessen-Nassau, gerade geäußert, dass bereits das „Eintreten für die DKP“ und nicht erst eine Parteimitgliedschaft für den kirchlichen Dienst untauglich mache. Er sei für ihn durchaus nachvollziehbar, so der Staatssekretär, dass ein Mitglied der DKP kein Pfarrer sein könne, doch für Hilds Position habe er keinerlei Verständnis. Schönherrs zum Abschluss vorgebrachte Bitte um eine Ausreisegenehmigung zum Kirchentag nach Frankfurt/Main, auf dessen Eröffnungsgottesdienst er eine Predigt halten solle, „verneinte“ der Staatssekretär ohne Angabe von Gründen.69 Nach der Durchsicht seines gesammelten Materials über die Kirchen in der DDR informierte Wilkens am 24. Februar Lingner, dass er zahlreiche, überwiegend an Kirchenpräsident Hammer gerichtete Schreiben Lingners von Ende des Jahres 1973 gefunden habe, in denen es „um eine Verbesserung und Systematisierung der Beziehungen“ zwischen EKD und BEK gegangen sei. Da ganz offensichtlich die bereits damals vom Leiter der Berliner Stelle monierten „Unzulänglichkeiten“ nicht ausgeräumt worden seien – die Tätigkeit des Ost-WestKreises komme nach wie vor nicht über „bloße Besprechungen hinaus, deren 69 Vermerk Schönherr vom 14.2.1975, „Streng vertraulich! Nur zum persönlichen Gebrauch“, S. 6 (EZA, 687/31). – In diesem Sinne formulierte die MfS-Kirchenabteilung am 4.3.1975 eine „Bearbeitungskonzeption zur weiteren politisch-operativen Bearbeitung klerikaler Kräfte in der DDR für den Zeitraum 1975–1980 für den Sicherungsbereich der Linie XX/4“: Die „Gesamtstrategie“, die in zwei Etappen umgesetzt werden sollte, „zielt damit darauf, schrittweise die kirchlichen Organisationen als innenpolitischen Faktor zu liquidieren, da sie zum legalen Haupthindernis wurden, Millionen ihrer Mitglieder politisch-ideologisch an den sozialistischen Staat zu binden. Dieser Prozeß wird sich weit über die nächsten Jahrzehnte hinziehen. In der nächsten Etappe wird es darum gehen, die Abgrenzung der Kirchen […] in der DDR von denen der BRD und Westberlins politisch-ideologisch weiterzuführen und den Prozeß der Orientierung der Mitglieder der Kirchen […] auf die sozialistische Gesellschaftsordnung in der DDR zu beschleunigen sowie die Tätigkeit der Leitungen der Kirchen […] optimal mit der sozialistischen Gesetzlichkeit und den Grundsätzen der Innen- und Außenpolitik der DDR in Übereinstimmung zu bringen“. Diese Prinzipien seien ebenfalls auf die ökumenischen Beziehungen der Kirchen anzuwenden, wobei die internationalen kirchlichen Kontakte zu „fördern und zu nutzen“, „andererseits die internationalen Kontakte der Organisationen, die innenpolitische Störfaktoren sind, zu zersetzen bzw. mit den Organisationen zu liquidieren“ seien (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-3241, Bl. 248–271; hier Bl. 252f., 257f.).

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Wert ja sehr begrenzt“ sei – und in der Kirchenkanzlei ebenfalls schon eine Weile darüber nachgedacht werde, wie man „zu wirksamen Arbeitsbeziehungen in konkreten Angelegenheiten“ kommen könne, regte Wilkens ein Treffen mit Lingner vor der März-Sitzung der Beratergruppe in Ost-Berlin an. Konkrete Veränderungsvorschläge wolle er derweil nicht machen, halte es jedoch für sinnvoll, wenn an der Unterredung auch Schönherr, Stolpe und der Referent des BEK-Sekretariats für theologische Grundsatzfragen teilnehmen könnten.70 Hammer und Wilkens musste Lingner am 10. März von einer unerwarteten Komplikation berichten, die sich im Zuge seiner recht erfolgreichen Bemühungen um eine bessere Abstimmung der für die ÖRK-Vollversammlung in Nairobi delegierten Vertreter von Bund und EKD ergeben hatte. So war tatsächlich eine gemeinsame Tagung der Delegierten für den 30. April in der DDR-Hauptstadt angesetzt worden. Nun habe Lingner von Stolpe erfahren, dass dieses Treffen vermutlich nicht stattfinden könne und dadurch die deutsch-deutsche Vorbereitung der Vollversammlung natürlich eine erhebliche Beschwerung erfahre. Der Grund sei, dass überraschenderweise Vertreter des westdeutschen ZDF in Ost-Berlin aufgetaucht seien und darum gebeten hätten, die Tagung der östlichen und westlichen Delegierten Ende April filmen und sie für das „Fernsehen kommentierend“ auswerten zu dürfen. Stolpe und er tappten gleichermaßen im Dunkeln, wer das ZDF über die geplante Vorbereitungstagung der Kirchenvertreter informiert haben könnte. Diesen „Vorfall“ nahm der Leiter der Berliner Stelle nun zum Anlass, um Hammer und Wilkens erneut auf den Ratsbeschluss hinzuweisen, mit dem seiner Dienststelle die Zuständigkeit für die Kontakte zwischen Bund und EKD zugewiesen worden sei. Lingner bat nochmals darum, „daß grundsätzlich eine Absprache und Klärung über die konkrete Wahrnehmung der Verbindung zwischen den Kirchen geordnet und beachtet“ werde. Seiner Ansicht nach könne es keinesfalls darum gehen, der Berliner Stelle dabei die Rolle des „bloßen Briefträgers“ zukommen zu lassen, „im übrigen aber nach eigenem Ermessen Verbindungen [zu] organisieren“. Damit spielte Lingner freilich auf seinen kleinen Disput mit dem Vertreter des Kirchlichen Außenamtes der EKD an, betonte jedoch, dass seine Bitte um klare Verhältnisse in keinem Zusammenhang mit der Frage stünde, ob es eine kirchliche Dienststelle gewesen sei, die das ZDF über die gemeinsame Tagung der Delegierten von Bund und EKD informiert habe. Abschließend teilte der Leiter der Berliner Stelle seine Beobachtung mit, dass die Beziehungen zwischen den Kirchen in Ost- und Westdeutschland von der DDR „mit zunehmendem Mißtrauen verfolgt“ würden. Einige Sitzungen zwischen Vertretern der EKD und des Kirchenbundes „im lutherischen Bereich“ hätten nicht stattfinden können. Die ganze Entwicklung 70

Schreiben Wilkens an Lingner vom 24.2.1975, S. 1 (EZA 4/92/1; 4/91/683).

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spreche dafür, dass die grenzübergreifenden kirchlichen Kontakte „mit einer gebotenen Behutsamkeit“ gepflegt werden müssten.71 Eine Woche später wandte sich Lingner an Wilkens, um auf dessen Brief vom 24. Februar und das darin bekundete Interesse an effizienteren Arbeitsbeziehungen mittels einer Umgestaltung der Ost-West-Gesprächsgruppe zu reagieren. Er berichtete ihm von der Gesprächsskizze, die er für eine Unterredung mit Vertretern des BEK-Sekretariats über die Zukunft der Beratergruppe von Bund und EKD vorbereitet und an Hammer gesandt hatte, teilte mit, dass dann eine kleine Untergruppe, bestehend aus Lewek, Schwerin und Behm, eine interne Aussprache zu diesem Thema geführt habe und nun für den 14. März ein Gespräch – „lediglich eine erste Absprache und ein erster Meinungsaustausch“ – im größeren Kreis geplant sei. Lingner bat wegen der außerordentlichen Wichtigkeit dieser Angelegenheit darum, dass für ein „endgültiges Gespräch“ dann Wilkens und Hammer (oder wenigstens einer von ihnen) zur Verfügung stünden. Die Verbindungen zwischen Bund und EKD müssten endlich geklärt und geordnet werden.72 Von der erfolgten Besprechung Lingners mit den Referenten des BEKSekretariats konnte der Leiter der Berliner Stelle Hammer und Wilkens dann berichten, dass die östlichen Referenten mit großer Entschlossenheit um eine Intensivierung und Systematisierung der Beziehungen zwischen Kirchenbund und EKD bäten. Man sei übereingekommen, Lingner jegliche Informationen – Material, Dokumente und Arbeitergebnisse auch „vorläufiger Art“ – aus dem Bund zukommen zu lassen. Über deren Verwendung im Westen müsse allerdings mit Stolpe oder dem Referenten des Sekretariats vorab verhandelt werden. Diese Forderung der BEK-Vertreter ergebe sich aus deren Befürchtung, dass bei einer Weitergabe von Dokumenten oder Papieren ein Missbrauch selbst dann nicht auszuschließen sei, wenn dabei auf eine strikte Vertraulichkeit hingewiesen werde. Lingner erläuterte den Vertretern des Bundes, dass es wenig Sinn habe, wenn er persönlich bestens über die Situation und die Arbeit der Kirchen in der DDR unterrichtet sei, ihm allerdings nicht zugestanden werde, nicht nur bestimmte Informationen, sondern auch Dokumente an ausgewählte Personen in der EKD weiterzugeben. So habe er seinerseits verlangt, zumindest Mitglieder des Rates, der Kirchenkanzlei und „gelegentlich“ der Kammern oder Ausschüsse der EKD von der restriktiven Weitergabe-Regelung auszunehmen.73 71

Schreiben Lingner an Hammer/Wilkens vom 10.3.1975, S. 1f. (EZA, 4/91/774; 4/91/683). Schreiben Lingner an Wilkens vom 17.3.1975, S. 1f. (EZA, 4/92/1). 73 Schreiben Lingner an Hammer/Wilkens vom 26.3.1975, S. 1f. Lingner erwähnte eingangs, seine Gesprächsskizze sowie der Vermerk über die interne Aussprache im Sekretariat des Bundes seien Grundlage der Unterredung am 14.3. gewesen (EZA, 4/91/683). – Wilkens bedankte sich Anfang April für Lingners Schreiben zum Themenkomplex Beratergruppe, schlug eine Besprechung mit Hammer, Held und Kalinna vor und fügte hinzu, dass zu seinem Kummer „wieder einmal ein Dokument 72

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Der Generalsuperintendent des Sprengels Potsdam, Horst Lahr, erläuterte beim Treffen der Ost-West-Beratergruppe am 25. März die unter dem Titel „Zwischen Konkordie und Kirche“ dokumentierten Arbeitsergebnisse des Ausschusses Kirchengemeinschaft zur Frage der Kirchwerdung des Bundes.74 Bei der nachfolgenden Debatte wurden einige Fragen gestellt, da man sich auf EKDSeite im Zuge der eigenen Bemühungen um eine Strukturreform mit ähnlichen Problemstellungen auseinander setzte. Wissen wollten die Anwesenden, ob im Bund Überlegungen angestellt worden seien, welche Größe eine Gliedkirche haben müsse, um den in der Dokumentation fixierten „Anforderungen“ zu entsprechen. Ferner wurde nach Problemen „im Miteinander des Dienstes zwischen den Landeskirchen“ gefragt und ob „nicht auch in der DDR“ eine gewisse Furcht vor einer „Zentralisation der kirchlichen Arbeit“ spürbar sei. Die letztgenannten Bedenken hätten innerhalb der EKD zweifellos größeres Gewicht als die Ängste, dass die Kooperation zwischen den Kirchen nicht funktionieren könnte. Während es mit der Zusammenarbeit auch bislang „recht und schlecht“ geklappt habe, sei die Sorge, „daß eine Zentralisation zu einer Veränderung des kirchlichen Klimas führen könnte“, sehr ausgeprägt. In diesem Kontext wurde eine Äußerung des Ratsvorsitzenden Claß vor der EKD-Synode zitiert: „Die Synode diskutiert theologische Fragen politisch“. Die Brüder aus dem Westen hakten nach, ob die „theologisch-geistliche Besinnung über das Gemeinsame zwischen den Kirchen wirklich sammelnde Kraft habe. In der EKD gewinnt man teilweise den Eindruck, daß dieses Auf-Sich-Selbst-Besinnen die Gemeinschaft nicht fördert“. Im Anschluss an die Diskussion berichtete Stolpe über ein interessantes Referat, das ein Staatsvertreter in Leipzig gehalten habe, offenbar in der apologetischen Absicht, die für den nach wie vor „weitgehenden Einfluß“ der Kirchen in der DDR verantwortlichen Umstände zu erläutern. Stolpe bezeichnete den weitergegeben worden sei, das auf einen kleinen Kreis hätte beschränkt bleiben sollen“. Wilkens betonte, dieses Papier lediglich den Mitgliedern der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung übergeben zu haben und wies darauf hin, dass in besagter Sitzung „auch um streng vertrauliche Behandlung gebeten“ worden sei (Schreiben Wilkens an Lingner vom 8.4.1975, S. 1 [EZA, 4/91/684]). 74 Abdruck in KJ 1974 (101. Jg.), S. 456–471. Zur Diskussion siehe auch EBD., S. 472f. Der Ausschuss setzte sich zusammen aus Mitgliedern der theologischen Kommission des Bundes, des Rates der EKU (DDR) sowie der VELKDDR-Kirchenleitung und war Anfang März 1973 von der KKL beauftragt worden, die mit der „Kirchwerdung“ verbundenen theologischen Fragen zu klären. Vgl. dazu die ausführliche Darstellung von P. BEIER, „Kirchwerdung“. – Bei einem Gespräch in der Dienststelle des Staatssekretärs am 3.4. fragte Pabst nach einer Ausreisegenehmigung für Zeddies zum 23. Theologischen Kolloquium der EKD in Hannover am 23.6. Die EKD habe diesen gebeten, „bei einem ökumenischen Kolloquium über den Stand der Gespräche zur Kirchengemeinschaft (Leuenberger Konkordie)“ zu referieren. Da eine „bilaterale Besprechung“ zwischen EKD und BEK unter keinen Umständen zugelassen werde, wurde Pabst die Auflage erteilt, vorab detaillierte Informationen „über den ökumenischen Charakter dieser Veranstaltungen einzuholen“ (Aktenvermerk Pabst o. D., S. 3 [EZA, 101/347]).

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Inhalt dieses Vortrags als „beachtlich“, obwohl „oder gerade weil die konkreten Angaben kaum der Wirklichkeit“ entsprächen. Für den Staat sei einerseits der Umgang mit der Kirche zunehmend problematisch, weil „die Kirche durch Anpassung der Kirchenführer nicht mehr als Klassengegner anzusehen ist“ und sich dadurch die Angriffsfläche verringert habe. Auf der anderen Seite habe auch die finanzielle und materielle Unterstützung durch die EKD zu einer Stabilisierung des Bundes beigetragen. Als schwerwiegenden Grund, die „ideologische Auseinandersetzung“ mit den Kirchen zu verstärken, habe der Referent deren erfolgreiches Bemühen um die Jugendlichen angeführt. So machten „etwa 30% der Erwachsenen in der DDR und 15–20% der Jugendlichen in der DDR den ‚harten Kern‘ der Kirche“ aus, mit dem man „nur schwer fertigwerde“. Stolpe informierte die Anwesenden, dass eine Übersetzung des Vortrags, der bisher lediglich in einer russischen Zeitschrift publiziert worden, im BEK-Sekretariat vorliege.75 Auf dieser Sitzung wurde wieder über den Plan gesprochen, die gemeinsame Tagung der für die ÖRK-Vollversammlung in Nairobi delegierten östlichen und westlichen Kirchenvertreter durchzuführen. Groscurth und Pabst sollten mit der Vorbereitung dieser Tagung beauftragt werden – allerdings bewusst unabhängig von und außerhalb der Beratergruppe von Bund und EKD.76 Auf der Sitzung des Rates vom 10. bis zum 12. April wurde zwar der Bericht über das Treffen der Beratergruppe vertagt, doch erhielt Hammer den Auftrag, eine Vorlage mit Vorschlägen auszuarbeiten, wie die Effektivität der Unterredungen dieses Kreises erhöht werden könne.77 Der Rat befasste sich auf seiner Sitzung am 23. und 24. Mai wiederum mit dem Materialdienst „Kirche im Sozialismus“, von dem mittlerweile die ersten vier Probenummern vorlagen.78 Als Bestätigung des Beschlusses vom Februar 1974 unterstützten die Mitglieder des Rates in positiver Wertung der Publikation die Planung, dass die West-Berliner Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Publizistik in Kooperation mit dem Gemeinschaftswerk Evangelische Publizistik (GEP) für die Herausgabe, Henkys als Leiter der Arbeitsgemeinschaft für den Inhalt verantwortlich zeichnen solle. Erwartet werde allerdings, dass – wie bereits über ein Jahr zuvor zum Ausdruck gebracht worden war – der EKD- und der EKU-Kirchenkanzlei sowie dem Lu75

Vermerk Lingner o. D., S. 1f., 4. Stets wurde bei der Übersendung der Protokolle darauf hingewiesen, dass „Vermerke dieser Art nur einem begrenzten Personenkreis auszuhändigen seien“. Zu seinem Vermerk vom 25.3. schrieb Lingner sogar, dass dieser in der Kirchenkanzlei/Berliner Stelle eingesehen werden könne, weil die „Vertreter der Kirchen in der DDR […] darum gebeten [hatten], die Sitzungsvermerke nicht an den Teilnehmerkreis der Sitzungen zu versenden“ (EZA, 4/92/2). 76 Schreiben Seipold an Vogt vom 4.4.1975 (EZA, 4/92/2). 77 Niederschrift (Hammer) über die 30. Sitzung des Rates der EKD vom 10.–12.4.1975 in Bonn, S. 19 (EZA, 2/93/823). 78 Vorlage (Hammer) für die 31. Sitzung des Rates der EKD am 23./24.5.1975 betr. Materialdienst KiSo – Materialien zu Entwicklungen in der DDR (EZA, 2/93/823).

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therischen Kirchenamt Mitgestaltungsmöglichkeiten bezüglich der abgedruckten Materialien eingeräumt würden. Der im Februar des Vorjahres von einigen Ratsmitgliedern monierte Titel war erweitert worden auf „Kirche im Sozialismus – Materialien zu Entwicklungen in der DDR“ und fand in dieser Form offenbar keinen Anstoß mehr.79 Eine weitere Beschlussvorlage, die die Einladung von Gästen zur Tagung der EKD-Synode im Jahr 1975 betraf, wurde vom Rat angenommen. Mit der Einverständniserklärung, die Regierung der Bundesrepublik einzuladen zu den „kommenden Synodaltagungen, sofern diese nicht in Berlin stattfinden“, schlossen sich die Mitglieder des Rates dem entsprechenden Beschluss des Präsidiums der EKD-Synode vom 9. Mai an.80 Eigene Identitätsbildung des BEK auf Kosten der EKD oder Behinderung der Kirchwerdung in der DDR durch die „besondere Gemeinschaft“? Bei ihrer Debatte über die von Lingner vorgelegten Thesen zur Theologie der Befreiung kamen die Vertreter des Bundes und der EKD in ihrer gemeinsamen Sitzung am 17. Juni in der DDR-Hauptstadt zu dem Ergebnis, dass es für die Kirchenvertreter aus der Bundesrepublik insofern problematisch sei, sich im Rahmen ökumenischer Versammlungen zu diesem Themenkomplex zu Wort zu melden, als der EKD zugehörige wie auch andere westliche Kirchen als Teil gerade des politischen Blocks gesehen würden, der „von den jungen Kirchen bekämpft“ werde. Demgegenüber könnten die Vertreter des Kirchenbundes in der DDR „eher das reformatorische Anliegen in das ökumenische Gespräch einbringen“, da sie als Kirchen in einem sozialistischen Gesellschaftssystem einen „Vertrauensvorschuß“ erhielten. Die östlichen Mitglieder der Beratergruppe gaben bekannt, dass an der Septembertagung der Bundessynode in Eisenach der Vorsitzende des Rates der EKD persönlich teilnehmen solle, zumal keine Zweifel an seiner ungehinderten Einreise in die DDR bestünden.81 Behm notierte unabhängig von Lingners Vermerk eine „Schlußbemerkung“, die ausschließlich die DDR-Vertreter des Ost-West-Kreises betraf. Angesichts der Tatsache, dass mit Braecklein, Hempel und Schönherr drei Vorstandsmitglieder abwesend gewesen seien, von denen nur einer sein Fehlen entschuldigt hatte, hätten die Abgesandten des Rates der EKD in der Sitzungspause ihre östlichen Brüder „sehr eingehend befragt, welchen Stellenwert der Bund der Beratergruppe“ zuweise. Wenn im Falle von Terminüberschneidungen die Prioritäten zuungunsten einer Teil79 Niederschrift (Lingner) über die 31. Sitzung des Rates am 23./24.5.1975 in Berlin, S. 3 (EZA, 2/1782). 80 Tischvorlage für die 31. Ratssitzung am 23./24.5.1975 betr. Einladung von Gästen zur Synode 1975 (EZA, 2/93/824). 81 Vermerk Lingner o. D., S. 3 (EZA, 8/91/1246).

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nahme an den gemeinsamen Gesprächen gesetzt würden und zudem die Dienststellenleiter „so gut wie niemals“ anwesend seien, sei kritisiert worden, könne dies nur als deutliches Zeichen dafür gewertet werden, dass die Beratergruppe seitens des Bundes doch eher als „ein unverbindliches Gremium zum Austausch von Informationen“ betrachtet werde. Die EKD-Vertreter, die im Blick auf die gemeinsamen Treffen eine weitaus höhere Erwartungshaltung hätten, fragten sich, ob dies die „oft sehr weite Anreise in Zukunft“ wert sei. Behm betonte, wie „bedrückend“ diese Situation für die am 17. Juni anwesenden Kirchenvertreter aus der DDR gewesen sei und stellte in Aussicht, dass der Konvent der Bischöfe sich mit der Problematik beschäftigen werde. Für die nächste Zusammenkunft der Gruppe müsse unbedingt auch der Bund – „analog etwa zu den Thesen von Lingner“ – Material vorbereiten, um mehr Engagement zu zeigen.82 Als erster nahm Braecklein zu diesen Vorwürfen Stellung und entkräftete einen nach dem anderen. Jedes der drei Vorstandsmitglieder habe einen „triftigen Grund“ für seine Nichtteilnahme gehabt, und bei einem Verhältnis von je zwei Bischöfen aus der DDR und der Bundesrepublik könne man wohl nicht von einer „einseitigen Besetzung“ sprechen. Da aus dem BEK in der Regel insgesamt elf Teilnehmer gegenüber acht aus der EKD bei den Sitzungen anwesend seien, könne man die Besetzung am 17. Juni durchaus als ausgewogen bezeichnen. Nicht nur die Vertreter des Bundes hätten das Problem, dass es zu Terminkollisionen kommen könne. Zuletzt wies Braecklein darauf hin, dass zum Beispiel er selbst eine wesentlich zeitraubendere und umständlichere Anreise in Kauf nehmen müsse als viele bundesdeutsche Gruppenmitglieder.83 Schönherr reagierte deutlich gelassener auf den abschließenden „Seufzer des Protokollanten“, „daß wir DDR-Leute diese Begegnung nicht ernst genug nähmen“. Es sei nun einmal unvermeidbar, dass die Teilnahme an den gemeinsamen Beratungen manchmal nicht zu bewerkstelligen sei. Im Bischofskonvent sei der Sachverhalt am Rande erörtert und festgestellt worden, dass seit der Gründung der Beratergruppe der Vorstand der KKL „als das eigentliche Gegenüber in diesem Gespräch angesehen wurde“, während andere Kirchenvertreter aus der DDR nur „zeitweise“ an den Zusammenkünften teilgenommen hätten. Schönherr nahm dabei den Görlitzer Bischof Fränkel aus, der von Anfang an sein „ständiges Interesse“ zum Ausdruck gebracht habe. Im übrigen sei der KKL-Vorsitzende selbst – was man von den westlichen Ratsvertretern „nicht unbedingt“ behaupten könne – praktisch bei jedem Treffen dabei gewesen: „Natürlich gibt es dann einmal die Situation, daß zwei Vorstandsmitglieder fehlen müssen. Das ist ja offenbar auch auf westlicher Seite so gewesen. Von mangelndem Interesse kann gar keine Rede 82 83

Vermerk Behm vom 20.6.1975, S. 2 (EZA, 101/359). Schreiben Braecklein an Behm vom 7.7.1975 (EZA, 101/359).

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sein.“ Beim Konvent der Bischöfe sei auch darauf aufmerksam gemacht worden, dass der Kreis der zur Teilnahme an den Ost-West-Gesprächen Eingeladenen eher begrenzt sei. Der mecklenburgische Bischof Heinrich Rathke sei bislang zu keinem einzigen Treffen gebeten worden. Schönherr regte an, in jedem Fall den gesamten Bischofskonvent zu den Sitzungen einzuladen. Dass einige Mitglieder der Beratergruppe zuweilen absagen müssten, sei nicht zu verhindern.84 Innerhalb der EKD wurde nun immer konkreter über „Arbeitsauftrag und Arbeitsweise“ der Berliner Stelle der EKD-Kirchenkanzlei nachgedacht. Lingner notierte aus einer Besprechung unter anderem folgendes Ergebnis, das vor allem die Beratergruppe betraf: „Eine plurale Wahrnehmung der kirchlich-partnerschaftlichen Beziehungen auf allen Ebenen wird für nötig gehalten. Es ist nicht die Aufgabe der EKD, hier steuernd oder reglementierend einzugreifen. Das Informationsdefizit in diesem Bereich der partnerschaftlichen Kontakte muß hingenommen werden“.85 Gleichzeitig arbeitete Lingner an einer „Ist- und Soll-Beschreibung“86 über die derzeitige Tätigkeit seiner Dienststelle und einem für die Ratssitzung Ende September bestimmten Bericht über die Beziehungen zwischen Bund und EKD, wobei er Letzteren am 25. Juli in einem ersten Entwurf Hammer und Wilkens zuschickte.87 Integriert in diesen Bericht war auch eine – bis zur Entscheidung des Rates über den Auftrag der Berliner Stelle auf der Basis der Ist-SollBeschreibung – vorläufige Arbeitsbeschreibung der Berliner Stelle. Untergliedert hatte Lingner seine Ausarbeitung in vier Kapitel, deren erstes eine Darstellung des Selbstverständnisses und der Arbeit des Bundes sowie seiner Gliedkirchen unter den spezifischen Bedingungen des sozialistischen Gesellschaftssystems in der DDR war. Dabei wies Lingner ebenso auf die Problematik hin, die mit den Formeln „Kirche im Sozialismus“ und „Wächteramt“ verbunden sei: 84

Schreiben Schönherr an BEK-Sekretariat vom 9.7.1975 (EZA, 101/359). Vermerk Lingner o. D. [etwa 10.7.1975], S. 1 (EZA, 672/AZ 323-1, Bd. 3). 86 Im Zusammenhang mit dieser Arbeitsbeschreibung legte Lingner einem ebenfalls am 25.7.1975 verfassten Schreiben an Hammer und Wilkens drei Verteiler-Listen für die Weiterleitung von Materialien aus dem Bund (über die Berliner Stelle) vor. In der ersten wurden sechs Personen aufgeführt, die die KKL-Protokolle erhalten sollten, während auf der zweiten fünfzehn Personen bzw. Dienststellen genannt waren, die darum gebeten hatten, mit allgemeineren Informationen aus den Kirchen in der DDR versorgt zu werden. Die Mitglieder der Beratergruppe sowie einige ausgewählte Kirchenvertreter hatte Lingner der dritten Verteilerliste zugeordnet. Sie sollten Papiere erhalten, die speziell den Ost-West-Gesprächskreis sowie seine Arbeit betrafen (Schreiben Lingner an Hammer/Wilkens vom 25.7.1975 mit drei Anlagen [EZA, 4/91/774]). – Einen regelrechten „Arbeitsbericht“ von sechs Seiten über seine konkrete Tätigkeit im Jahr 1974 hatte Lingner bereits am 10.7.1975 fertiggestellt und auch in diesem Rahmen versucht, die „verschiedenen Aufgabengebiete“ der Berliner Stelle zu benennen („Arbeitsbericht des OKR Lingner“, S. 1 [EZA, 101/3138]). 87 Schreiben Lingner an Hammer/Wilkens vom 25.7.1975 mit Anlage „Bericht über die Kirchen in der DDR und die Beziehungen der EKD zum Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR“ (EZA, 4/91/774). – Eine erste zehnseitige Skizze hatte Lingner bereits zuvor erarbeitet (EZA, 606/108). 85

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„Die Bemühungen der Kirchen in der DDR, in Solidarität zum sozialistischen Staat zu stehen, stellt [sic] sie in neuer und andersartiger Weise vor die alte Versuchung, eine Verbindung von ‚Thron und Altar‘ einzugehen. Es ist kein Wunder, daß gelegentlich unkirchliche aber aufmerksame Beobachter das Auftreten der Kirche in der DDR als verwirrend empfinden. Sie gewinnen den Eindruck, daß die Kirche einerseits als in die sozialistische Gesellschaft eingepaßte Kirchen auftreten, andererseits – überraschenderweise – in einem spannungsvollen Gegenüber zu Staat und Gesellschaft stehen.“

Einige, in öffentliche kirchliche Äußerungen eingebundene Stellungnahmen zählte Lingner als „Solidaritätsadressen“ mit einem für Kenner der DDRSprachregelung „eigenwilligen Tenor“ auf. Durchaus werde jedoch in wichtigen Themenbereichen wie Volksbildung, Veranstaltungsverordnung, Jugendgesetz und Schwangerschaftsabbruch das kirchlich-kritische Wächteramt wahrgenommen. Im zweiten Abschnitt widmete sich der Bericht der „wachsenden Eigenständigkeit“ des Kirchenbundes, die die Beziehungen zur EKD insofern beeinflusse, als die Emanzipationsbestrebungen den BEK in Richtung einer „eigenen ekklesiologischen Identität“ führten. Auf diesem Weg erweise sich die materielle Unterstützung durch die EKD „in gewisser Weise als Danaer-Geschenk“, das die Entwicklung des Kirchenbundes und seine Standortfindung im Sozialismus erschwere. Sowohl für die EKD als auch für den Bund sei das Anstreben finanzieller Autarkie der DDR-Kirchen ein wichtiges Ziel, das den wechselseitigen brüderlichen Kontakten nur förderlich sein könne. Lingner wies darauf hin, dass der BEK und seine Gliedkirchen ebenso in ihrer inhaltlichen Arbeit und in den Beziehungen in die Ökumene ein eigenes Profil entwickelten, so dass man die Kirchen in der DDR keinesfalls als „Rest-EKD“ bezeichnen könne. Trotz aller zwangsläufigen und notwendigen Auseinanderentwicklung gebe es zwischen BEK und EKD Analogien vor allem im Blick auf ähnlich strukturierte innerkirchliche Problem. Im dritten Kapitel befasste sich Lingner konkret mit den partnerschaftlichen Beziehungen der beiden deutschen Kirchen und konstatierte optimistisch, aus der nach wie vor „fehlenden Definition, dem fehlenden Verfahren und den fehlenden Kriterien zur Feststellung von gemeinsamen Aufgaben“ ergebe sich, „daß nur dann eine Angelegenheit zur gemeinsamen Aufgabe werden kann, wenn die Kirchen des Bundes und die Kirchen der EKD sie zu einer solchen erklären“. Daraus erwachse die angesichts der politischen Lage positive Möglichkeit, flexibel zu reagieren. Lingner erläuterte die Praktizierung der besonderen Gemeinschaft in der Ost-West-Beratergruppe, räumte allerdings ein, dass es dieser in den letzten Jahren „nicht gelungen“ sei, den ihr zugewiesenen Auftrag – für beide Kirchen gleichermaßen relevante Aufgaben zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass in den leitenden Organen von Bund und EKD „in Verhandlungen von gemeinsamen Anliegen die jeweilige Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft des deutschen Protestantismus zum Tragen“

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komme – zu erfüllen. Bis auf wenige Ausnahmen beschränke sich die Arbeit diese Kreises auf den Austausch von Informationen über den jeweils anderen Bereich. Eine Abstimmung in manchen wichtigen Fragen sei verpasst worden, wobei die „politischen Verhältnisse den Kooperationsmöglichkeiten“ vermutlich auch Grenzen gesetzt hätten, doch müsse man sich fragen, ob der vorhandene Handlungsspielraum wirklich voll ausgeschöpft worden sei. Die Arbeit der Beratergruppe sei insgesamt für beide Seiten „wertvoll“, habe aber „keine erkennbare“ Außenwirkung. Protokolle über die gemeinsamen Sitzungen erhalte nur ein kleiner Kreis von Personen, und weder im Rat noch in der KKL werde regelmäßig über die Treffen berichtet. Im BEK-Sekretariat und innerhalb der EKD sei gleichermaßen darüber nachgedacht worden, „ob die Tätigkeit der Beratergruppe ihrem Auftrag entsprechend effektiver gestaltet“ werden könne. Auch wenn es Möglichkeiten gebe, durch organisatorische Maßnahmen die Effizienz zu verbessern, liege das eigentliche Problem im „Grundsätzlichen“. Kirchenbund und EKD müssten entscheiden, ob der Ost-West-Kreis wirklich mit der Beratung der Leitungsorgane beider Kirche die oben bezeichnet Aufgabe wahrnehmen oder es schlicht bei einem wechselseitigen Informationsaustausch bleiben solle. Um die Missstände zu verdeutlichen, betonte Lingner, dass die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen VELKD und VELKDDR, EKU-West und -Ost, beiden Bereichen der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg sowie die Verbindungen von Diakonischem Werk und Innerer Mission/Hilfswerk der DDR sehr viel enger seien und intensiver gepflegt würden. Zudem gebe es viele OstWest-Kontakte auf verschiedenen Ebenen, über die EKD, VELKD und EKU offiziell gar nicht unterrichtet seien. Die Funktionen seiner eigenen Dienststelle beschrieb Lingner im letzten Abschnitt. Sie habe jedwede Informationen aus der DDR zu beschaffen und bereitzustellen sowie „verschiedene Zielgruppen“ über das kirchliche Leben in der DDR zu unterrichten. Umgekehrt müssten vor allem die Referenten des BEK-Sekretariats mit Material und Auskünften über die EKD versorgt werden. Die Berliner Stelle sei auch verantwortlich für die „Steuerung von Informationen aus der DDR für Dokumentationen, Zeitschriften, Bücher, Rundfunk- und Fernsehen“, habe geschäftsführende Funktionen für die Beratergruppe und erledige die „geschäftsmäßige Abwicklung des Kirchlichen Hilfsplans“ zur materiellen Unterstützung der Kirchen in der DDR ebenso wie den „diakonischen Dienst“ für diese in „besonderen Fällen“. Ferner koordiniere sie die Tätigkeit von West-Berliner kirchlichen Dienststellen, sofern diese die Kontakte zum Bund beträfen. Zuletzt erfülle die Berliner Stelle der EKD-Kirchenkanzlei einzelne Aufträge für die Kirchenkanzlei der EKD, das Kirchliche Außenamt, den Bevollmächtigten und weitere Dienststellen der Kirche. Was den zunehmend schwierigeren Transfer von Material aus beziehungsweise in die DDR anbelange, so Lingner, seien seine Dienstelle und das Sekreta-

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riat des Bundes auf die unbedingte Unterstützung aller kirchlichen Dienststellen im Westteil Berlins angewiesen.88 Nachdem Lingner einen neunseitigen Bericht seiner Dienststelle mit dem Schwerpunkt Bildungspolitik in der DDR mit der Anfrage an Wilkens und Hammer geschickt hatte, ob ähnliche Berichte89 Eingang in die Besprechungen der kirchlichen Referenten aus der Bundesrepublik finden sollten, bestätigte Hammer ihm am 29. Juli die besondere Wichtigkeit einer solchen Maßnahme. Er regte sogar an, dass von nun an monatlich in einer der Referentenbesprechungen ein „Bonner“ und ein „Berliner Bericht“ erstattet würden, wobei vorab mit dem EKD-Ratsbevollmächtigten eine Einigung über die „zeitliche Verteilung“ erzielt werden müsse. Hammer fügte hinzu, dass es im Übrigen „ja auch nicht schrecklich“ sei, wenn beide Berichte gleichzeitig in einer Besprechung der Referenten auf der Tagesordnung stünden.90 Am 1. August wandte sich Hammer an den EKD-Ratsvorsitzenden, dessen Stellvertreter und Heinz Joachim Held, den Präsidenten des Kirchlichen Außenamtes, um sie über eine Beratung mit dem KKL-Vorstand am 30. Juli in Ost-Berlin zu informieren. Es war über den bereits auf der Sitzung des OstWest-Gesprächskreises Mitte Juni unterbreiteten Vorschlag der östlichen Brüder debattiert worden, zur kommenden Tagung der Bundessynode hinsichtlich der Einladung eines EKD-Vertreters „protokollarisch etwas ‚höher‘ einzusteigen“ und für den Ratsvorsitzenden Claß eine Einreisegenehmigung zu beantragen. Dadurch könne dem Bund seinerseits die Möglichkeit eröffnete werden, für einen Gegenbesuch in der Bundesrepublik beim Staat die Ausreise eines entsprechenden Vertreters des BEK anzumelden. Im Laufe der Diskussion sei jedoch festgestellt worden, dass auch innerhalb des Kirchenbundes kein Konsens bestünde, ob zukünftig bei gegenseitigen Synodalbesuchen so verfahren werden solle. Daher habe man sich entschlossen, doch die derzeitig praktizierte Regelung beizubehalten und Hild zur Bundessynode zu schicken, während der Präses der BEK-Synode, Otto Schröder, an der Tagung der Synode der EKD teilnehmen solle. Hammer hatte die Vorstandsmitglieder ebenso darüber aufgeklärt, dass es bei den vom Rat derzeit geführten und insbesondere für seine Sitzung am 26. und 27. September geplanten Gesprächen über die kirchlichen Ost-West-Beziehungen nicht um Fragen der materiellen Hilfeleistungen der EKD an den Bund 88 „Bericht über die Kirchen in der DDR“, S. 2f., 4, 6ff., 10. Lingner wies in diesem Zusammenhang auf die – nach dem Ausscheiden des Referenten im Lutherischen Kirchenamt in Berlin – zwingend notwendige Wiederbesetzung der Stelle hin (EZA, 4/91/774). 89 Lingner hatte die Themen auf der Basis von Literatur, Texten und Artikeln dargestellt, wie er es auch in den Berichten aus der EKD tat, die für den Bund bestimmt waren. 90 Schreiben Lingner an Hammer/Wilkens vom 24.7.1975 und Schreiben Hammer an Lingner vom 29.7.1975 (EZA, 4/91/770).

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oder „die im Rahmen der Verwaltung zu klärenden personellen Angelegenheiten“ gehen müsse, sondern in erster Linie um eine „sachliche und personelle“ Effizienzsteigerung der zwischenkirchlichen Zusammenarbeit im Allgemeinen und der Tätigkeit der Beratergruppe im speziellen. Die Anwesenden seien nach einer intensiven Debatte überein gekommen, „Besprechungen im kleineren Kreise wie die heutige […] mindestens einmal jährlich“ zu führen, um „konkrete Verabredungen zu treffen“. Die Beratergruppe müsse einen, aus Mitgliedern von Rat und Kirchenkonferenz bestehenden Kreis fester Teilnehmer und entsprechender Stellvertreter haben. Wünschenswert sei bei den Zusammenkünften die kontinuierliche Anwesenheit entweder des Ratsvorsitzenden persönlich oder seines Vertreters. Wenn „Spezialfragen“ zur Erörterung anstünden, könnten zu diesen Sitzungen Berater hinzugezogen werden. Eine konkrete Aufgabenbeschreibung für die Ost-West-Gruppe wurde auch in diesem Kreis nicht vorgenommen, sondern nur hervorgehoben, dass sie vor allem dem wechselseitigen Austausch von Informationen und dem „Gespräch über rechtzeitig vereinbarte Themen“ dienen solle. Einen Turnus von drei bis vier Zusammentreffen im Jahr hielten die Anwesenden für geboten. Schönherr habe nochmals auf den Wert der gemeinsamen Sitzungen und der in diesem Rahmen möglichen offenen Gespräche für den Bund hingewiesen. Er erinnerte daran, dass die „Frage getrennter und nicht aufeinander abgestimmter ‚Niederschriften‘“ über die Treffen ebenso ungeklärt sei wie die „Vorbereitung der Sitzungen auf Referentenebene“.91

2.2 EKD-seitige Präzisierung der Aufgaben- und Arbeitsbeschreibung für die Beratergruppe – Zustimmung des KKL-Vorstands mit einem eigenen Beschluss Bei der Ratssitzung Ende September war wie vorgesehen das Verhältnis zwischen Kirchenbund und EKD ein Tagesordnungspunkt, und Hammer führte die Anwesenden in die Vorlage ein, für deren Erarbeitung ihm der Rat Mitte April den Auftrag erteilt hatte. Mit der nun zur Debatte stehenden BeschlussVorlage sollten, wie es in der Begründung hieß, „die Voraussetzungen für eine effektivere Arbeit der Beratergruppe“ geschaffen werden, „indem ihre Aufgaben im Rahmen des Möglichen“ eine Präzisierung erführen. Der BEK müsse diese Aufgabenbeschreibung nicht bestätigen. Beigelegt war Lingners „Bericht über die Kirchen in der DDR und die Beziehungen zum Bund“, in dem ja auch die Tätigkeit der Ost-West-Gruppe und die sie umgebenden Problembereiche 91 Schreiben Hammer an Claß/Hild/Held vom 1.8.1975 mit Anlage (Wilkens in Kopie): Vermerk Hammer vom 31.7.1975, S. 2, 4f. (EZA, 2/01/1418).

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beschrieben wurden. Erwähnt und ebenfalls als Anlage beigefügt war die „in der Beurteilung teilweise abweichende“ Stellungnahme, die Heinrich Foerster zu Lingners Papier abgegeben hatte92. Da die Aufgaben der Berliner Stelle der EKDKirchenkanzlei in einem „Sachzusammenhang mit dem speziellen Auftrag der Beratergruppe“ stünden, würden diese in dem Beschluss-Vorschlag festgelegt. Auch ein Hinweis auf die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit der kirchlichen Dienststellen in West-Berlin bei der „Praktizierung einer geordneten Partnerschaft zu den Kirchen in der DDR“ fehlte nicht.93 Hammer räumte bei der Erläuterung der Vorlage ein, dass entsprechende „Vorschläge zur personellen Besetzung“ der Beratergruppe erst bei einer der kommenden Sitzungen des Rates zur Verhandlung kommen sollten. Bei der sich anschließenden Aussprache brachten die Anwesenden nochmals einmütig den „Wunsch nach einer besseren Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen“ zum Ausdruck und fassten folgende Beschlüsse: Obwohl in der Begründung zum Beschluss-Vorschlag festgehalten war, dass der Kirchenbund der Aufgabenbeschreibung für die Beratergruppe nicht zustimmen müsse, hieß es nun, dass der Ost-West-Kreis „vorbehaltlich der Zustimmung durch den Bund“ den Auftrag erhalten solle, „Berichte über die kirchliche Arbeit und besondere kirchliche Problem aus dem Bereich der EKD und dem Bereich des BEK DDR“ entgegenzunehmen und zu besprechen, „theologische Gespräche94 über wichtige kirchliche Themen zwischen den Kirchen in der EKD und denen des Bundes“ anzuregen und zu fördern, sich mit Fragestellungen zu befassen, „die ganze evangelische Christenheit in Deutschland angehen“ sowie „dafür Sorge [zu tragen], daß die Organe der EKD und des BEK in der DDR in partnerschaftlicher Freiheit ihre jeweilige Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der ganzen ev. Christenheit in Deutschland wahrnehmen können“. Nach einer Absprache mit den BEK-Organen werde über die personelle Bestückung der Gruppe entschieden. Im Blick auf die Tätigkeit von Lingners Dienststelle wurde auf seinen „Bericht“ und die darin beschriebenen wahrzunehmenden „besonderen Aufgaben“ der Berliner Stelle verwiesen, wobei die Details vom Leiter der EKD-Kirchenkanzlei geregelt würden. Ferner war in dem Beschluss die Bitte an den Rat der EKU sowie die Kirchenleitungen der VELKD und der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg gerichtet, „die Kirchenkanzlei EKD – Berliner Stelle – bei der Erfüllung ihrer Aufgaben 92

Schreiben Foerster an Lingner vom 19.8.1975 (EZA, 4/91/774). Vorlage für die Ratssitzung am 26./27.9.1975: „Beschluß-Vorschlag“, S. 3 (EZA, 4/91/774). 94 Mit dem Betreff „Theologische Gespräche/Beratergruppe“ hatte Lingner sich schon Anfang September an Hammer gewandt und mitgeteilt, dass zwar kein Geld für den Haushaltsplan 1976 angemeldet worden sei, das Projekt jedoch nichtsdestotrotz „4–8 Mal im Jahr für 1–3 Tage in Ost-Berlin mit Beteiligung von 8–10 Leuten durchgeführt“ werden könne (Schreiben Lingner an Hammer vom 9.9.1975 [EZA, 2/93/1498]). 93

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zu unterstützen und mit ihr gemeinsam bzw. arbeitsteilig für eine geordnete Partnerschaft zu den Kirchen in der DDR zu sorgen“, während analog dazu die EKD-Kirchenkanzlei „in Zusammenarbeit“ mit der der EKU, dem Lutherischen Kirchenamt und dem Berlin-brandenburgischen Konsistorium die Koordinierung einer gemeinsamen Tätigkeit der in West-Berlin ansässigen kirchlichen Dienststellen übernehmen sollte – sofern es sich um Aktivitäten handele, die der „Verbindung zu den Kirchen in der DDR förderlich“ seien.95 Mit diesem Beschluss hatte der Rat der EKD dem beidseitigen Wunsch, die Grundlage für eine wirkungsvollere Tätigkeit der Beratergruppe zwischen Bund und EKD zu schaffen, nur insofern entsprochen, als zumindest klargestellt wurde, dass dem Ost-West-Gremium keine Kompetenzen zugewiesen wurden, die seinen derzeitigen Status eines informierenden und beratenden Kreises von Kirchenleitenden verändert hätten. Lingner bemühte sich sogleich um die Erfüllung seiner Aufgaben und sandte am 2. Oktober einen „Bericht der Berliner Stelle an das BEK-Sekretariat“ zugleich an das Lutherische Kirchenamt, die EKU-Kirchenkanzlei, das Berlin-brandenburgische Konsistorium, das Diakonische Werk und den Leiter des Evangelischen Publizistischen Zentrums in West-Berlin. In seinem Anschreiben erläuterte er, dass solche Berichte in Zukunft in „unregelmäßigen Abständen“ für die Referenten des Kirchenbundes angefertigt würden, weil es zunehmend problematischer geworden sei, ihnen Informationsmaterial über die westlichen Gliedkirchen zukommen zu lassen. Seine Berichte aus der EKD stelle Lingner aus „Zeitschriften, epd-Diensten u. a.“ zusammen. Die Berliner Stelle erstatte auch der Kirchenkanzlei der EKD in Hannover Berichte über die Kirchen in der DDR und habe den Angeschriebenen das diesen zugrundeliegende Material zugeschickt. In dem beiliegenden Bericht für das Sekretariat des Bundes wurde mitgeteilt, dass schon jahrelang zwischen der EKD und ihren Gliedkirchen Debatten über vom Ökumenischen Rat und der Weltpolitik „diktierte“ „politische und gesellschaftspolitische Themen“ geführt würden. Sichtbar werde dies an den Tagesordnungspunkten der Sitzungen von Rat der EKD, Kirchenkonferenz und Synode, am „Programm der Kirchentage, an ökumenischen Gesprächen zwischen Rat und Deutscher Bischofskonferenz u. a.“. Dabei gebe es einige Dauerbrenner wie die KSZE, die Menschenrechte, das Christentum und den Sozialismus, über die – wenn auch unter veränderter Firmierung – kontinuierlich beraten werde.96 Lingner schloss eine knappe Darstellung der genannten 95 Niederschrift (Herborg) über die 35. Sitzung des Rates der EKD vom 26./27.9.1975 in Nürnberg, S. 15f. (EZA, 2/93/828). 96 Dass das MfS besonders daran interessiert war, Einzelheiten über den Umgang der Kirchen mit solchen politisch relevanten Themen zu erfahren, mag nicht weiter verwundern. Vgl. z. B. den von der HA XX/4 am 1.9.1975 ausgearbeiteten „Maßnahmeplan“ zur Eisenacher Tagung der BEK-Synode

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Themenkomplexe an.97 Am folgenden Tag vermerkte er, dass Henkys ebenfalls einen ausgewählten Personenkreis in der Bundesrepublik von Zeit zu Zeit mit speziellen Nachrichten aus der DDR versorge.98 Nachdem er am 6. Oktober von Lingner die Beschluss-Vorlage für die September-Sitzung des Rates erhalten hatte, wandte sich Uwe-Peter Heidingsfeld, Pfarrer im Ökumenisch-Missionarischen Institut in West-Berlin, an den Ökumene-Referenten in der Kirchenkanzlei der EKU (Westbereich), Groscurth, und bemängelte, dass aus der Vorlage nicht hervorgehe, welche Personen sich mit „Arbeitsaufträgen und -wünschen an die Beratergruppe“ richten könnten. Nicht einverstanden zeigte sich Heidingsfeld auch mit Lingners Formulierung, dass im Zuge der Verselbständigung des Bundes und seiner Suche nach einer Standortbestimmung als Kirche im sozialistischen System ein „Distanzgefühl“99 gegenüber der EKD und ihren Problemen wachse. Unter dem Abschnitt „Partnerschaft zur EKD und ihre [sic] Gliedkirchen“ müsse vielmehr Erwähnung finden, „daß allmählich auf beiden Seiten eine Generation nachrückt (in den Gemeinden wie auch in ‚gehobeneren‘ Stellungen), die sich nicht mehr kennen aus gemeinsamer Vergangenheit (Schule, Uni, Militär, BK u. a.)“. Es stelle sich die Frage, wie „jenseits der personellen und technischen Kontinuität“ eine Partnerschaft in der Sache gewahrt werden könne. Diese Überlegung müsse im Kontext der Aufgaben und personellen Besetzung der Beratergruppe gesehen werden, so Heidingsfeld weiter, denn es sei doch schwer möglich, den von Lingner gewünschten wechselseitigen Informationsaustausch in dem Ost-West-Kreis sinnvoll zu gestalten und vor allem in einzelnen Fragen zu einer „konkreten Abstimmung“ zu kommen, wenn die Grundlage, „also der Wunsch nach solcher Gemeinsamkeit zu verschwinden beginnt/nicht mehr vorhanden ist?“ Foersters Einschätzung hingegen, dass es auch Gremien geben müsse, die – wie die Beratergruppe – über keinerlei Entscheidungsbefugnisse verfügten und sich dadurch eben in der vorteilhaften Situation befänden, mit der nötigen Lockerheit „ge-

(BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-3422, Bl. 1–6), sowie ihren „Rapport über die Erfüllung der Kampfprogramme zum 25. Jahrestag der Bildung des MfS, zum 30. Jahrestag der Befreiung und in Vorbereitung des IX. Parteitages der SED“ vom 22.10.1975(BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-3241, Bl. 298–310, v. a. Bl. 308ff.). 97 Vermerk Lingner vom 2.10.1975. Den Bericht hatte Lingner bereits am 19.9.1975 erstattet (EZA, 4/91/775). 98 Vermerk Lingner vom 3.10.1975. In den Verteiler aufgenommen waren: Scharf, Flor, Runge, Roepke, Wilkens, Kunze, Kunst, der epd Frankfurt/Main sowie die Zeitschrift EK (EZA, 4/91/770). – Zu den genannten Empfängern vgl. die Kurzbiographien Anhang. 99 Im Übrigen hatte Lingner dieses „Distanz-Gefühl“ positiv bewertet und ihm eine fruchtbare Wirkung für die freie Partnerschaft zwischen Bund und EKD zugesprochen. Vgl. „Bericht“ Lingner, S. 5 (EZA, 4/91/774).

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meinsam ins Unreine“ denken und über alles miteinander sprechen zu können, stimme er zu.100 Ausgelöst durch eine nicht erteilte Ausreisegenehmigung für den Naumburger Dozenten Johannes Hamel in die Bundesrepublik und dessen daraufhin beim Staatssekretär für Kirchenfragen eingereichte Beschwerde sprach Pabst im Rahmen einer Unterredung in der Dienststelle am 4. November mit den Staatsvertretern einmal wieder etwas ausführlicher über das Thema „kirchliche Dienstreisen in die BRD“. Dabei musste er erfahren, dass sich an der staatlichen Haltung in dieser Frage tatsächlich nichts geändert hatte: Grundsätzlich könnten von den Zuständigen sowieso nur Anträge bearbeitet werden, mit denen um eine Ausreise zu „Veranstaltungen von gesamtkirchlicher Bedeutung“ gebeten werde. Eine kirchliche Dienstreise mit dem Ziel der Teilnahme an einer gliedkirchlichen Synodaltagung in der Bundesrepublik werde wie in der Vergangenheit nicht gestattet. Handele es sich um eine anders gelagerte Anfrage, müsse Pabst im Vorfeld „telefonischen Kontakt“ mit dem Staatssekretär aufnehmen, um in Erfahrung zu bringen, ob es Sinn habe, einen Antrag auf die Ausreise aus der DDR überhaupt bei den staatlichen Organen einzureichen.101 Für eine endgültige Entscheidung des Präsidenten der EKD-Kirchenkanzlei beziehungsweise des Rates über den „Arbeitsauftrag“ und die „Arbeitsweise“ der Berliner Stelle wollte Lingner mit der Unterstützung der in der Kirchenkanzlei in Hannover tätigen Oberkirchenräte eine Beschluss-Vorlage erarbeiten und richtete am 17. November zum Anberaumen einer Besprechung ein Schreiben an Hammer, den er um die Weiterleitung seines Briefes inklusiver der vier Anlagen bat. Der Leiter der Berliner Stelle regte an, die Beratung in Berlin statt in 100

Memo Heidingsfeld an Groscurth (o. D.), S. 1f. (EZA, 673/91/30). Aktenvermerk Pabst vom 6.11.1975, S. 3 (EZA, 101/347). – Auch die Mitglieder der KKL stellten Anfang 1976 fest, dass sich die rigide staatliche Position bezüglich der Erteilung von Ausreisegenehmigungen für kirchliche Dienstreisen in die Bundesrepublik nicht geändert hatte. Nach wie vor verlange der Staat ausnahmslos die Angabe eines überzeugenden „ökumenischen Anlasses“ (Protokoll [Meckel] der 40. KKL-Tagung am 9./10.1.1976 in Berlin, S. 4 [EZA, 101/100]). Von der Grundtendenz, dass die SED-Regierung sich innenpolitisch um eine „Konsolidierung“ bemühe, um sich nach außen hin unter anderem von der Bundesrepublik abzugrenzen, informierte der EKD-Vorsitzende des Rates Ende Januar die anwesenden Mitglieder (Niederschrift [Lingner] über die 42. Sitzung des Rates der EKD am 30./31.1.1976 in Berlin, S. 10 [EZA, 2/93/836]). Zwischen diesen beiden zutreffenden Beobachtungen bestand ein enger Zusammenhang, wie aus einer Ausarbeitung der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen vom 8.7.1976 hervorgeht. „Klerikale“ kirchliche Kreise bemühten sich um „vielfältige Kontakte und Informationen zwischen Kirchen und kirchlichen Institutionen kapitalistischer Staaten (insbesondere der BRD und der USA)“, und es häuften sich Anträge auf zum Teil „langfristige Besuchs- und Informationsreisen“ auch in die DDR, die dann mit erheblichen Aktivitäten der Presse verbunden seien. Um dies zu verhindern und den „Sicherheitsbedürfnissen der DDR“ gerecht zu werden, müsse die staatliche „kirchenpolitische Informationstätigkeit“ effizienter gestaltet werden (SAPMO-BArch, DY 30/IV B 2/14/11, Bl. 101ff.; hier Bl. 101f.). 101

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Hannover durchzuführen, wo sich die Gelegenheit einer „besseren Einsicht in die Arbeitsmöglichkeiten“ seiner Dienststelle eröffne und sie aus Kostengründen terminlich mit einer Sitzung des Rates im Westteil der Stadt zu verbinden.102 Die erste Anlage, eine „Einführung in die Problemstellung“, die Lingner zur Vorbereitung der Besprechung selbst erarbeitet hatte, beruhe, wie er ausdrücklich vermerkte, auf seiner „persönlichen Meinung“. Er wies zuerst auf die „Schlüsselfunktion“ hin, die die Berliner Stelle der EKD-Kirchenkanzlei bis zum Bau der Mauer als Schaltstelle für die „kirchliche Zusammenarbeit zwischen Ost und West“ und als Tagungsort für zahlreiche Gremien der EKD gehabt habe. Zudem sei hier eine „Fülle von Büroarbeiten“ für die ansässigen kirchlichen Dienststellen verrichtet worden. Auch nach 1961 habe die Rolle seiner Dienststelle nicht an Bedeutung verloren und nun die zusätzliche Aufgabe übernommen, die Kirchen und ihre Dienststellen im Osten Deutschlands über die Grenze hinweg mit Materialien aller Art zu versorgen. Seitdem von den DDR-Organen zunehmend westlichen Kirchenvertretern die Einreise in den Ostteil der Stadt nicht mehr genehmigt worden sei, hätten diese ihre gemeinsamen Sitzungen gleichzeitig, aber örtlich getrennt in Ost- und West-Berlin durchführen müssen. Dabei seien sie auf „Verbindungsmänner“ angewiesen gewesen, die zwischen den Tagungsorten hin- und herpendelten, um mit dieser Hilfskonstruktion eine gemeinsame Arbeit zu ermöglichen: „In der kritischsten Zeit der Synode der EKD 1967 und in der Phase der Verselbständigung der Kirchen in der DDR 1968 wurde die Pendlertätigkeit so erschwert, dass zeitweise für die EKD nur noch wenige, 1968 zeitweise nur noch der Unterzeichnete ohne Schwierigkeiten pendelnd die Verbindung zwischen Ost und West sicherstellen konnten.“ Während Scharfs Amtszeit als Ratsvorsitzender habe ihm die Berliner Stelle als Büro gedient. Auch wenn die Verbindungen seit der Bundesgründung eine „gewisse Lockerung“ erfahren hätten, würden die partnerschaftlichen Kontakte durch die Ost-West-Beratergruppe, deren Geschäftsführung die EKD-Kirchenkanzlei ihrer Außenstelle in Berlin übertragen habe, gepflegt. Lingner schilderte dann, in welcher Weise die zwischen den vier Siegermächten und zwischen den beiden deutschen Staaten ausgehandelten politischen Verträge den Kirchen bessere Möglichkeiten eröffnet hätten, über die praktisch „für mehr oder weniger Jedermann“ „wieder durchlässige“ Grenze hinweg ihre Verbindungen zu festigen. Für die Beratergruppe bedeute dies allerdings sowohl einen „qualitativen“ als auch einen „quantitativen Funktionsverlust“. Zur Veranschaulichung zählte Lingner 102 Schreiben Lingner an Hammer vom 17.11.1975 mit der Bitte um Weiterleitung an Dahrmann/ Echternach/Hauschild/Höner/Nordmann/Schloz. Bei den drei restlichen Anlagen handelte es sich um den „Beschluß-Vorschlag“, den der Rat nahezu unverändert auf seiner Sitzung Ende September verabschiedet hatte, die Anlagen zum „Beschluß-Vorschlag“ sowie Lingners „Ist- und Soll-Beschreibung der Tätigkeit“ seiner Dienststelle (EZA, 673/91/31).

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nochmals alle seit ihrer Gründung von der Berliner Stelle ausgeübten Tätigkeiten auf, um dann, wie bereits in seinem „Bericht“ geschehen, einen Überblick über die derzeitige Arbeit und Funktion seiner Dienststelle zu bieten. Es stelle sich daher die Frage nach der „Notwendigkeit einer Berlin-Präsenz der EKD“, die angesichts des Stellenabbaus noch drängender werde und letztlich nur mit kirchenpolitischen Argumenten beantwortet werden könne. Es sei also eine neue Konzeption für die Berliner Stelle der EKD-Kirchenkanzlei zu erarbeiten, wobei Berücksichtigung finden müsse, welche Gründe für die Weiterexistenz der Berliner Stelle sprächen, welche Aufgaben von ihr wahrgenommen werden sollten und wie die Tätigkeit aller in Berlin ansässiger Dienststellen koordiniert werden könne. Durch den Beschluss des Rates vom September sei über diese Fragen zwar partiell entschieden worden, doch stünde eine Präzisierung und Regelung von Einzelheiten aus. Am Ende seiner in jeder Hinsicht offenen „Einführung“ ließ es Lingner sich doch nicht nehmen, zu betonen, dass der Rat sich mit seinem Beschluss zwar nicht ausdrücklich, doch implizit für die Aufrechterhaltung einer Berliner Dependance ausgesprochen, der von Lingner vorgelegten Aufgabenbeschreibung zugestimmt und den Wunsch nach einer engen Zusammenarbeit aller kirchlichen Dienstellen in Berlin verdeutlicht habe.103 Die westlichen Mitglieder der Beratergruppe informierte Lingner darüber, dass für die Sitzung des Ost-West-Gesprächskreises am 17. Dezember eine Debatte über die von beiden Kirchen nach wie vor sehr unterschiedlich beurteilte Frage geplant sei, wie im Blick auf eine Fortsetzung der kirchlichen Mitgliedschaft mit Christen umgegangen werden solle, die von der DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt seien.104 Lingner legte ein Schreiben von OKR Wessel Nuyken aus Hannover bei, in dem dieser von der Empfehlung des Rechtsausschusses der EKD-Synode berichtet hatte, bei den Verhandlungen über ein entsprechendes Kirchengesetz dem Vorschlag eines Ausschussmitglieds zu folgen. Ein Heidelberger Kirchenrechtler habe angeregt, darin für in die Bundesrepublik ausgereisten Christen Folgendes zu formulieren: „Art. 4 Abs. 1 und 3 finden im Geltungsbereich der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland (Art. 3 Abs. 3 GO) sinngemäß Anwendung.“105 Allerdings hätten 103

„Einführung [Lingners] in die Problemstellung“ o. D., S. 1ff. (Anlage zu Schreiben Lingner an Hammer vom 17.11.1975 [EZA, 673/91/31]). 104 Bereits auf der Chefbesprechung am 19.11.1975 war auf die von der EKD an die Kirchen in der DDR ausgesprochene Bitte aufmerksam gemacht worden, „es den BRD-Kirchen in der Freigabe [von ausgereisten Pfarrern] nicht unnötig schwer zu machen“ (Auszugsweise Abschrift aus Niederschrift Chefbesprechung am 19.11.1975 in Berlin [EZA, 101/304]). 105 Nach der EKD-GO vom 7.11.1974 lautete Art. 4 (1): „Die in einer Gliedkirche ordnungsgemäß vollzogene Taufe wird in allen Gliedkirchen anerkannt“. Art. 4 (3): „Die in einer Gliedkirche ordnungsgemäß vollzogene Ordination wird in allen Gliedkirchen anerkannt; Ordinierte sind in allen Gliedkirchen zum Dienst der Verkündigung, zur Vornahme von Taufen und Amtshandlungen zuge-

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die in einer gemeinsamen Sitzung von Juristen aus der DDR und denen aus dem Bereich der VELK anwesenden DDR-Juristen gegen eine derartige Bestimmung Einspruch erhoben.106 In der Tat hätte diese Formulierung vor allem den aus der DDR übersiedelten Pfarrern den glatten Wechsel in den Dienst der EKD ermöglicht. Seitens des Bundes richteten sich die Bedenken einer erleichterten Freigabe nicht gegen solche Christen beziehungsweise Pfarrer, die aus nachvollziehbaren und begründeten Motiven die DDR verließen, sondern gegen die nicht wenigen Fälle, in denen zum Beispiel Pfarrer ihre Gemeinden ohne Zustimmung der Kirchenleitung verlassen hatten.107 Wie beim Treffen der gemeinsamen Beratergruppe im März zu erfahren war, hatte sich der KKL-Vorstand mit dem Ratsbeschluss von Ende September zu Funktion und Aufgaben des gemeinsamen Ost-West-Kreises beschäftigt und eine „schriftliche Stellungnahme“ mit einigen Änderungsvorschlägen angekündigt. Da der Gesamteindruck vermieden werden müsse, dass die Gliedkirchen des Bundes für die der EKD nicht als „gleichberechtigte Partner“ angesehen würden, sei angeregt worden, die Bezeichnung „‚Beratergruppe‘ fallenzulassen“. Es müsse vielmehr deutlich werden, dass es sich um die „Konsultation von zwei Gruppen“ handele, deren Mitglieder jeweils ausdrücklich von Bund und EKD „entsandt“ würden. Bemerkenswerterweise war es auf Befremden gestoßen, dass der Rat seinen Beschluss „unter Vorbehalt der Zustimmung der Kirchen in der DDR“108 gefasst habe. Denn, so hätten die Vorstandsmitglieder erklärt: „Die Kirchen in der DDR haben einen eigenen Beschluß zu fassen und nicht fremden Beschlüssen zuzustimmen.“ Diese Interpretation basierte offenbar auf der latenten Furcht der östlichen Brüder, sie könnten vom Rat bzw. den Kirchenvertretern der EKD nicht ernstgenommen oder gar bevormundet werden. Für diese Vermutung spricht auch die Kategorie der weiteren, bei der Zusammenkunft der Beratergruppe bereits monierten Formulierungen, zumal der Vorstand zu verstehen gab, dem Inhalt des Beschlusses zustimmen zu können: „An einigen Stellen dürften lockerere Formulierungen zu empfehlen sein (‚unterrichten sich gegenlassen“. In Art. 3 (3), der in Anlehnung an Art. 4 (4) der Ordnung des Bundes aufgenommen worden war, hieß es: „Die Evangelische Kirche in Deutschland bejaht ihre Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland.“ 106 Schreiben Lingner vom 5.12.1975 (EZA, 4/92/5). 107 Sogar bei einem Treffen von Mitgliedern des Rates der EKD mit denen der Deutschen Bischofskonferenz Mitte März wurde im Kontext der Aussprache über die Situation der Kirchen in der DDR das Problem der „Übernahme von Pfarrern“ aus der DDR in die Kirchen im Westteil Deutschlands erörtert (Niederschrift [Harms] über die 18. Sitzung des Kontaktgesprächskreises zwischen Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der EKD am 15./16.3.1977 in Bonn, S. 11 [EZA, 2/93/914]). 108 In der Begründung zum „Beschluß-Vorschlag“ war demgegenüber umgekehrt betont worden, dass der BEK der Aufgabenbeschreibung für die Beratergruppe nicht zustimmen müsse.

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seitig‘ ist besser als ‚nimmt Berichte entgegen‘ – letzteres ist Leitungsorganen der Kirchen vorbehalten; auch die Formulierung ‚trägt Sorge für‘ sollte durch ‚hilft‘ ersetzt werden).“ So kamen die Anwesenden überein, den Beschluss des Rates von einem kleinen Kreis – paritätisch aus je zwei oder drei Vertretern des Bundes und der EKD zusammengesetzt – überarbeiten zu lassen. Diese Gruppe sollte sich bei ihrer Arbeit sogar abwägen, „ob es nicht angezeigter ist, die Aufgaben der Konsultationstreffen ohne förmlichen Beschluß festzulegen“.109 Unter der Voraussetzung, dass die Beratergruppe als „eine der Möglichkeiten“ angesehen werde, „unter den gegebenen Umständen“ den Auftrag von Art. 4 (4) der Bundesordnung zu erfüllen, stimmte der KKL-Vorstand am 24. März den vom Rat der EKD formulierten Aufgabenstellung „für die Mitglieder aus dessen Bereich“ zu, allerdings – wie beim Treffen des Ost-West-Kreises angekündigt – mit an zwei Stellen wunschgemäß verändertem Wortlaut: Die Gruppe nehme nicht „Berichte entgegen“, sondern „berichte gegenseitig“ „über die kirchliche Arbeit und besondere kirchliche Probleme aus dem Bereich der EKD und dem Bereich des Bundes“. Die Passage, in der die Beratergruppe mit der Anregung und Förderung „theologischer Gespräche über wichtige kirchliche Themen zwischen den Kirchen“ in Ost und West beauftragt wurde, beanstandete der Vorstand der KKL nicht. Hinsichtlich des letzten Abschnitts, die Gruppe solle Fragen erörtern, die die ganze evangelische Christenheit in Deutschland angehen“ und „dafür Sorge [tragen]“, dass die Organe beider Kirchen „in partnerschaftlicher Arbeit ihre jeweilige Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft“ wahrnehmen könnten, wurde gewünscht, das „dafür Sorge tragen“ durch „dazu beitragen“ zu ersetzen. Die gemeinsamen Beratungen sollten, wie der KKL-Vorstand beschloss, zusammen mit der Berliner Stelle der EKD-Kirchenkanzlei vorbereitet werden.110 Entsprechend des Beschlussvorschlags von Hammer111 stimmte der Rat der EKD den vom KKL-Vorstand bezüglich der Formulierung der Aufgabenstellung der gemeinsamen Beratergruppe vorgenommenen Änderungen auf seiner Sitzung Ende Juni dann zu.112

109

Vermerk Lingner vom 14.3.1976, S. 3 (EZA, 4/91/373). Protokoll (Kramer) über die 64. Sitzung KKL-Vorstands am 24.3.1976 in Buckow, S. 3 (EZA, 101/116). 111 Tischvorlage (Hammer) für die 46. Sitzung des Rates der EKD am 25./26.6.1976 betr.: Beratergruppe (EZA, 4/91/373). 112 Niederschrift (Harms) über die 46. Sitzung des Rates der EKD am 25./26.6.1976 in Berlin, S. 11 (EZA, 2/93/839). – Der Vorstand der KKL nahm die Entscheidung des Rates wiederum am 4.8.1976 zur Kenntnis (Protokoll [Kramer] über die 67. Sitzung des KKL-Vorstands am 4.8.1976 in Halle, S. 7 [EZA, 101/116]). 110

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Die Selbstverbrennung von Oskar Brüsewitz: Ein „konterrevolutionärer Akt gegen die DDR“ löst schwere Konflikte aus Da die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Interesse angemeldet hatte, bei einem offiziellen Aufenthalt des EKD-Ratsvorsitzenden Claß in Ost-Berlin im Rahmen eines Zusammentreffens ein Essen für ihn zu veranstalten, überlegten die Vorstandsmitglieder auf ihrer Sitzung am 3. Juni, wie dieser Wunsch am geschicktesten zu erfüllen sei. Anzuraten sei auf jeden Fall, eine Begegnung zwischen dem Ratsvorsitzenden und dem Staatssekretär für Kirchenfragen vorzuschalten. Die Anwesenden wollten ihre Bereitschaft zum Ausdruck bringen, für ein solches Zusammentreffen die „Modalitäten“ auszuhandeln, vorausgesetzt, Claß bereite seinerseits durch ein entsprechendes Schreiben an Seigewasser den Boden. Ein „Bote des Bundes“ könne dem Staatssekretär den Brief übergeben. Eine Alternative sahen die Mitglieder des Vorstands darin, die voraussichtliche Teilnahme des Ratsvorsitzenden an der Synodaltagung des Bundes Ende September in Züssow zum Anlass zu nehmen, der Anfrage der Ständigen Vertretung nachzukommen. Sollten Seigewasser und der Ratsvorsitzende sich während der Tagung der Synode begegnen, spräche nichts dagegen, die Einladung zu einem Essen in Ost-Berlin nach Abschluss der Synode anzunehmen.113 Am 18. August übergoss sich Pfarrer Oskar Brüsewitz auf dem Marktplatz vor der Michaeliskirche in Zeitz mit Benzin und erlag vier Tage später seinen schweren Verbrennungen.114 Diesen öffentlich inszenierten Selbstmord versuchten die staatlichen Organe schon allein deswegen rasch zu vertuschen, weil Brüsewitz auf dem Dach seines mitten auf dem Marktplatz geparkten Autos Plakate aufgestellt hatte, die sich vor allem gegen die sozialistische Kirchen- und 113

Protokoll (Kramer) über die 66. Sitzung des KKL-Vorstands am 3.6.1976 in Berlin, S. 4 (EZA, 101/116). – Möglicherweise hatte dann doch sehr schnell ein Treffen sowohl mit Staatssekretär Seigewasser wie auch mit dem Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesregierung, Günter Gaus, stattgefunden, über das die Verfasserin jedoch keinen Vermerk gefunden hat. Aus einem Schreiben Hammers vom 5.7.1976 bezüglich der Tagesordnung für eine geschlossene Sitzung des Rates am 9.7.1976 geht – allerdings mit Fragezeichen vor beiden Namen – hervor, dass Claß einen Bericht über beide Begegnungen erstatten sollte. – Im Protokoll der regulären Ratssitzung am 9./10.7.1976 wird lediglich festgehalten, dass der Ratsvorsitzende im Rahmen der Berichte zur Lage über die „Besprechungen der Beratergruppe EKD/Bund“ informierte (Schreiben Hammer vom 5.7.1976 und Niederschrift [Diestel] über die 47. Sitzung des Rates der EKD am 9./10.7.1976 in Frankfurt/Main, S. 14 [EZA, 2/93/840]). – Im Übrigen musste Stolpe dem Vorstand der KKL, der vor Beginn und während der Synodaltagung des Bundes in Züssow tagte, mitteilen, dass Claß die Einreisegenehmigung verweigert worden sei. Die Anwesenden formulierten eine entsprechende Meldung, die der Präses verlesen sollte. ÖRK-Generalsekretär Philip Potter habe seine Teilnahme abgesagt (Protokoll [Kramer] über die 68. Sitzung des KKL-Vorstands am 24. und 27.9.1976 in Züssow, S. 1 [EZA, 101/116]). 114 Vgl. dazu die vorliegenden ausführlichen Darstellungen der Ereignisse und Hintergründe u. a. von: H. SCHULTZE (Hg.), Signal; H. MÜLLER-ENBERGS /H. SCHMOLL /W. STOCK, Wolfgang, Fanal; A. SILOMON : Brüsewitz. In: K.-J. HUMMEL /C. STROHM (Hg.), Zeugen, S. 439–458.

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Bildungspolitik richteten. Zwar wurden die Schilder sofort von der Volkspolizei konfisziert, so dass ihr Inhalt der Öffentlichkeit lange unbekannt blieb, doch verbreitete sich dennoch sehr rasch, Brüsewitz sei als Christ am Sozialismus zerbrochen und habe diesbezüglich ein Zeichen setzen wollen. Allerdings war der Pfarrer bereits in der Vergangenheit durch ungewöhnliche Aktionen aufgefallen, die nicht nur den Staat in höchsten Maße provoziert hatten, sondern auch die Bereitschaft seiner Vorgesetzten und der provinzsächsischen Kirchenleitung sinken ließen, sich hinter ihn zu stellen. Was nun folgte, war – abgesehen von der menschlichen Tragödie – ein Staat-Kirche-Konflikt, der über die Kirchenprovinz Sachsen hinaus den gesamten Kirchenbund beschäftigte und der in der Bundesrepublik nicht nur die Medien aus unterschiedlichen Gründen interessierte. Da sich der Magdeburger Bischof Krusche zu diesem Zeitpunkt gerade auf einer ökumenischen Reise in Tansania befand, versuchte der westliche EKU-Ökumene-Referent Groscurth, Krusche über Bekannte in Dar es Salaam einen Brief zukommen zu lassen. Eingangs betonte er, in keiner Weise damit beauftragt worden zu sein, den Bischof über den Vorfall zu unterrichten und schilderte sehr knapp Brüsewitz’ Selbstverbrennungsversuch, über den Stolpe am 18. August115 von dem Magdeburger Konsistoriumsmitglied Harald Schultze informiert worden sei. Stolpe habe seine Abreise zu einer ökumenischen Tagung verschoben und sei am Folgetag „kurz in der Jebensstraße“ gewesen. Der Leiter des BEK-Sekretariats habe derweil mit Seigewasser gesprochen und alle Bischöfe und Mitglieder des KKL-Vorstands beziehungsweise ihre Vertreter116 aufgeklärt. Eine Stellungnahme der Magdeburger Kirchenleitung stünde in Aussicht. Groscurth betonte die allseitige Befürchtung, die Nachricht von dem Ereignis in Zeitz könne – angesichts der „Raffinesse von Springers Leuten – in Kürze wie ein Komet in der Bundesrepublik einschlagen, womit der Ball gleichzeitig bei der CDU/CSU [sei], und wir hätten endlich mal wieder etwas für den kalten Krieg“. Lingner verhandele derzeit mit Henkys, ob es „unter diesen Umständen nicht besser wäre“, wenn dieser eine kurze Meldung im epd unterbrächte. Ebenso wenig wie auszuschließen sei, dass „findige Springer-Leute“ Schönherr an seinem Urlaubsort aufspürten, sei es nicht völlig unwahrscheinlich, dass man Krusche entdecke und „plötzlich mit dieser schlimmen Sache konfrontiere“. Groscurth versprach, dem Bischof die Erklärung der Magdeburger Kirchenleitung zukommen zu lassen – gesetzt den Fall, er bekäme sie „rechtzeitig in die Hand“. An Lingner schrieb Groscurth, dass er mit Krusche Kontakt aufgenommen habe 115 Fälschlicherweise schrieb Groscurth, Brüsewitz habe sich am Vormittag des 16.8. zu verbrennen versucht. 116 Schönherr befand sich zu diesem Zeitpunkt in Österreich, Hempel in Genf und von Brück in Uppsala.

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und wies ebenfalls darauf hin, dass eine „geschickte Meldung durch Henkys“ seiner Ansicht nach dem „dauernden Warten“ vorzuziehen sei, bis die SpringerPresse die „Bombe hochgehen“ lasse: „Aber das ist nicht mein Geschäft!“117 Bei einem Gespräch in der Dienststelle des Staatssekretärs am 24. August brachte man gegenüber Pabst die „Betroffenheit über die Selbstverbrennung von Pfarrer Brüsewitz zum Ausdruck“, um sogleich die Anfrage anzuschließen, ob Pabst „bereit sei, mich schriftlich von seinem Verhalten zu distanzieren“. Die Staatsvertreter erläuterten, dass allen kirchlichen Mitarbeitern, die in einem „ständigen dienstlichen Kontakt“ mit dem Staatssekretariat stünden, „dieselbe Frage“ gestellt werde. Als Pabst entgegnete, das von der Magdeburger Kirchenleitung anlässlich der Selbstverbrennung des Rippichaer Pfarrers an ihre Gemeinden gerichtete „Wort“ für „klar, ausgewogen und ausreichend“ zu halten, wurde er aufgefordert, die Angelegenheit gründlich zu überdenken und der Dienststelle mitzuteilen, ob er bei seiner Entscheidung bleiben wolle.118 Die Mitglieder des Rates der EKD debattierten am 27. August zunächst über den Fortgang des Sonderbauprogramms des DDR-Kirchenbundes, das auf der Basis entsprechender Mittel der EKD verwirklicht werden sollte. Einem Vorschlag seines Finanzbeirats zur partiell „vorzeitigen Finanzierung des Gesamtbedarfs“ stimmte der Rat zu und formulierte die Bitte an die westlichen Gliedkirchen, diesem Procedere ebenfalls seine Zustimmung zu erteilen. Eine „angemessene“ Beteiligung des Bevollmächtigten an der in Aussicht genommenen Verfahrensweise solle gewährleistet werden. Der Ratsvorsitzende kam später in seinem „Bericht zur Lage“ auf Oskar Brüsewitz zu sprechen und gab „eine Reihe von Hinweisen“ zu Reaktionen in der Bundesrepublik und in der DDR auf den Tod des Pfarrers. Die Anwesenden berieten über den „Entwurf für eine Formulierung im Ratskommuniqué“ und verabschiedeten die endgültige Fassung.119 117 Schreiben Großcurth an W. Krusche vom 20.8.1976; Schreiben Großcurth an Lingner vom 20.8.1976. – Groscurth vermerkte am 24.8.1994 bei der Abgabe seines Nachlasses an das EZA, dass er niemals nachgefragt habe, ob Krusche seinen Brief erhalten habe. Jedoch sei sein Telefonat mit Krusche [am Sonntag (?)] aktenkundig geworden. Im übrigen seien beide Schreiben „so geheim“ gewesen, dass er sie persönlich zu Hause verfasst habe (EZA, 643/94/12). – Tatsächlich wurde bereits am 20.8. vom Berliner Büro des epd eine Meldung an den RIAS gegeben mit der Bitte, sie an Kirchenfunk, Zeitfunk und Nachrichtenabteilung weiterzuleiten (Abdruck als Dok. 15 bei H. SCHULTZE (Hg.), Signal, S. 163. 118 Aktenvermerk Pabst vom 1.9.1976, S. 2 (EZA, 101/347). – Das „Wort an die Gemeinden“ der Ev. Kirche der KPS vom 21.8.1976 ist abgedruckt in: J. E. CHRISTOPH (Hg.), Kundgebungen, Bd. 3, S. 282f. – Vgl. auch die Dokumentation in: KJ 1976/77 (103./104. Jg.), S. 397–421; EPD DOKUMENTATION 41a/76 sowie KiSo Nr. 6/1976. 119 Niederschrift (Echternach) über die 48. Sitzung des Rates der EKD am 27.8.1976 in Hannover, S. 4, 10 (EZA, 2/93/842). – Das Kommuniqué vom 28.8. ist auszugsweise abgedruckt in: J. E. CHRISTOPH (Hg.), Kundgebungen, Bd. 3, S. 282.

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Nachdem die KKL-Mitglieder, die Bundessynodalen und die Ephoren der Gliedkirchen in der DDR bereits am 30. August mittels einer „Schnellinformation“120 des BEK-Sekretariats, der einige Anlagen „zur Information in dieser Sache“ beigegeben waren, über den „demonstrativen“ Freitod unterrichtet worden waren, verabschiedete die Konferenz am 11. September einen „Brief an die Gemeinden“121. Darin brachte sie ihre Betroffenheit über Brüsewitz‘ Tat zum Ausdruck, formulierte sich daraus für die Kirchenleitungen, Pfarrer, Gemeindemitglieder sowie die staatlichen Organe ergebenden „Anfragen“, warb um gegenseitiges Ernstnehmen von Christen und Nichtchristen „als Partner im Bemühen um die Bewältigung der Probleme und Aufgaben in unserer Welt. Konkret wurde auch das einheitliche sozialistische Bildungssystem benannt, in dem eine Atmosphäre des Vertrauens geschaffen werden müsse, die es Kindern und Jugendlichen ermögliche, „ungekränkt als Christen leben [zu] können“. Angesprochen wurde ferner das Spannungsverhältnis zwischen Kirchenleitenden und Gemeinden, das in dieser speziellen Situation „durchgestanden“ werden müsse, um zu einer „neuen Gemeinschaft untereinander“ zu kommen. Der Staatsratsvorsitzende und Generalsekretär des ZK der SED reagierte am 15. September mit einem Fernschreiben an alle 1. Sekretäre der SED-Bezirksleitungen auf diesen „provokatorischen Brief“. So habe die Konferenz den Brief an die Gemeinden „nur zum äußeren Anlaß“ genommen, um gegen die gesellschaftliche Ordnung in der DDR „Verleumdungen“ zu richten und „grobe Entstellungen der gesellschaftlichen Entwicklung, insbesondere hinsichtlich des Inhalts des sozialistischen Bildungswesens“ zu publizieren: „Vorhandene Spannungen innerhalb der Kirche werden mit der Absicht vertuscht, den Hauptstoß gegen die DDR zu führen. Damit soll der Entwicklung eines normalen Verhältnisses zwischen Staat und Kirche entgegengewirkt werden. Eine Reihe Teilnehmer der Konferenz erhoben grundsätzliche Bedenken gegen den Brief, da aus ihm durchaus provokatorische Absichten gegen den Staat abgeleitet werden können. Die Hauptsprecher für den konterrevolutionären Inhalt dieses Briefes erklärten, daß man über existierende Spannungen zwischen Staat und Kirche nicht einfach hinweg diskutieren könne.“

Gegen die Anregung eines Bischofs, statt eines Schreibens an die Gemeinden besser eine öffentliche Stellungnahme in der bundesdeutschen Presse abzugeben, hätten sich die „negativen Kräfte“ durchgesetzt, und der Brief sei mit einer Veröffentlichungs-Sperrfrist (19.9.1976) dem Rat der EKD sowie der DDR-Nachrichtenagentur ADN übergeben worden. Honecker bat die 1. Sekretäre der Bezirksleitungen, den 1. Sekretären der SED-Kreisleitungen den Inhalt des Briefs 120 121

Abgedruckt bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 166f. Vgl. den genauen Wortlaut bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 168–170.

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an die Gemeinden und dessen Bewertung durch das ZK zu übermitteln. Auch wenn es sich „um einen der größten konterrevolutionären Akte gegen die DDR“ handele, sei es nicht angeraten, wie es weiter in dem Fernschreiben hieß, diesem vor den Volkswahlen am 17. Oktober mit einer offiziellen Äußerung entgegenzutreten. Jedoch werde die Staats- und Parteiführung „zur gegebenen Zeit die erforderlichen Schlußfolgerungen“ ziehen. Es komme nun darauf an, verstärkt mit den „positiven Kräften“ in den evangelischen Kirchen zusammenzuarbeiten und den kommenden Wahlaufruf dazu zu nutzen, um klarzustellen, „daß in der DDR niemand wegen seines Glaubens Zurücksetzungen erleidet, auch nicht die Kinder“.122 Anfang Oktober setzte sich der Rat mit dem Problem der westlichen Presseberichterstattung auseinander, das insofern in mittelbarem Zusammenhang auch zu dem „Fall Brüsewitz“ stand, als die Medienverlautbarungen in der Bundesrepublik in der Vergangenheit häufiger zur Verschärfung von Staat-Kirche-Konflikten in der DDR beigetragen hatten. Kirchenkonferenz und Rat hatten bereits in einer gemeinsamen Sitzung beraten, wie auf „Veröffentlichungen in westdeutschen Zeitungen, die den Kirchen in der DDR schaden bzw. sie herabsetzen“, zu reagieren sei. Überlegt worden war, ob dem Bund damit geholfen sei, wenn gegen Darstellungen, die für die Gesamtkirche negative Konsequenzen hätten oder in denen sogar einzelne Gliedkirchen, deren Leitungen bzw. DDR-Pfarrer „diffamiert“ würden, mit rechtlichen Mitteln vorgegangen werde. Die Ratsmitglieder debattierten über zwei konkrete Fälle, von denen einer ihnen besonders „krass“123 erschien. Im Zuge der Beschäftigung mit der Fragestellung, welchen Beitrag die westdeutschen Kirchen leisten könnten, um die Publizistik in der Bundesrepublik „zu einer angemesseneren Berichterstattung über die kirchlichen Verhältnisse in der DDR“ zu bringen, fassten die Anwesenden den Beschluss, im Ratskommuniqué über ihre Sitzung die Beratung mit der Kirchenkonferenz über das Problem der fatalen und unangemessenen bundesdeutschen Medienberichterstattung zu erwähnen. Ferner erhielt die Kirchenkanzlei den Auftrag, „dem Rat Vorschläge zu unterbreiten, wie der westdeutschen Presse das dort offenbar zum Teil fehlende Informationsmaterial über die ev. Kirchen in der DDR zur Verfügung gestellt und nahegebracht werden“ könne. Anschließend gab der stellvertretende Ratsvorsitzende Hild seine Eindrücke vom Bezirkskirchentag in Halle124 wieder. Der 122 Fernschreiben Honeckers vom 15.9.1976, S. 1f. Der „Brief an die Gemeinden“ wurde ebenfalls übermittelt (SAPMO-BArch, DY 30/IV B 2/14/81, Bl. 10f.). 123 Gemeint war ein Artikel in der WELT vom 7.10.1976, in dem ein Kommentar zu der Fernsehsendung „Kennzeichen D“ vom 5.10. abgegeben und insbesondere Bischof Krusche und zwei DDR-Pfarrer in gravierender Weise angegriffen und diffamiert worden seien. 124 Der Kirchentag hatte vom 17.–19.9.1976 unter dem Motto „Gottes Wege führen weiter“ stattgefunden.

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nachhaltige Eindruck, den die Selbstverbrennung von Brüsewitz hinterlassen hatte, sei stark zu spüren gewesen. Vor allem viele junge Christen hätten das Geschehen in Zeitz dahingehend verarbeitet, dass sie in höherem Maße bereit seien, „sich zum Christsein zu bekennen“. Beeindruckt habe Hild auch ein Gesprächskreis von Jugendlichen zu dem Thema „Was bedeutet der christliche Glauben für das Leben in der DDR?“, welches sie „in überzeugender Weise geistlich erfaßt und ohne Anklänge von Resignation“ bearbeitet hätten.125 Nachdem Kramer beim Treffen des Ost-West-Gesprächskreises am 20. Oktober einige Erklärungen zum Bericht der KKL vor der Züssower Bundessynode gegeben hatte, in dem unter dem Abschnitt ökumenische Beziehungen auch eine Beschreibung der Beziehungen zur EKD eingebettet worden war, entspann sich eine – vor allem für die anwesenden westlichen Ratsvertreter vermutlich überraschend verlaufende – Diskussion über die Frage, „ob und wie die Kirchen der EKD und einzelne kirchenleitende Persönlichkeiten in der EKD zu Vorgängen in der DDR Stellung nehmen sollen“. Eine wichtige Rolle spielte nämlich der Aspekt, „ob und wann solche Stellungnahmen hilfreich oder schädlich für die Kirchen in der DDR sein können“. Zur Veranschaulichung des Problems führten die Brüder aus der DDR dann das Kommuniqué des Rates vom 28. August an und schrieben den EKD-Vertretern eine deutliche Kritik ins Stammbuch: „Man hat in der DDR vermißt, daß vor einem solchen Wort eine Verbindung zu den Kirchen in der DDR gesucht worden ist. Man hat Verständnis dafür gezeigt, daß die Kirchen in der EKD in ihrer Situation genötigt sein können, zu Vorgängen in der DDR für ihre Gemeinden in der EKD Stellung zu nehmen. Natürlich habe sich das Ratswort nicht an die Christen oder Kirchen in der DDR richten wollen. Wenn die Kirchen in der DDR und die Kirchen in der EKD sich gegenseitig etwas zu sagen hätten, so würde dies sicher nicht im Wege von offiziellen Verlautbarungen oder Worten geschehen, sondern im Wege der gegenseitigen Fühlungnahme und Aussprache.“

Lingner habe den Eindruck gehabt, dass bei einigen Teilnehmern eine gewisse Verärgerung über das Ratswort in verhaltener Weise nachklang. Stolpes Hinweis, dass sich die Kirchen in der DDR über den Umgang der Kirchen in der EKD mit kommunistischen Pfarrern auch jeder Stellungnahme enthielten, habe Hild mit der sachlichen Erwiderung zu entkräften versucht, derartige Probleme gebe es zur Zeit nicht. Doch sei das Ratswort „ein wenig“ als Einmischung in die Angelegenheiten der Kirchen in der DDR angesehen worden. Lingner fügte 125 Der Bevollmächtigte hatte zuletzt noch über die „Reaktionen und Maßnahmen“ in der DDR berichtet, die das Ratskommuniqué zum „Fall Brüsewitz“ ausgelöst habe. Im Sitzungsprotokoll wird nicht erwähnt, wie diese „Reaktionen und Maßnahmen“ ausgefallen waren (Niederschrift [Linnewedel] über die 50. Sitzung des Rates der EKD am 8./9.10.1976 in Hannover, S. 5, 7, 8 [EZA, 2/93/845]).

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allerdings noch hinzu, dass nicht alle östlichen Mitglieder der Beratergruppe diese Ansicht vertreten hätten. Manche der Anwesenden aus der DDR hätten immerhin das Kommuniqué über die Sitzung des Rates am 8. und 9. Oktober „als hilfreich“ bezeichnet.126 Seine offenbar erste Erfahrung in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen machte Lingner im Oktober bei der Übergabe eines Briefs des EKDRatsvorsitzenden Claß an Seigewasser.127 Stolpe hatte ihn beauftragt, für ihn selbst und den Bund ein „ausführliches Gedächtnisprotokoll“ mit allen „auch scheinbar unwichtigen Einzelheiten“ anzufertigen, da „protokollarische Einzelheiten von Bedeutung sein könnten“. Aus seinem Gespräch mit Hauptabteilungsleiter Weise vermerkte Lingner unter anderem, er habe zum Abschied – wie Stolpe es ihm vorab geraten habe, um eine Reaktion „herauszulocken“ – nebenbei fallen lassen, dass es ihm „dann sehr angenehm“ sein werde, wenn man sich möglicherweise bei Gelegenheit wieder begegne. Lingner habe bei Weise eine gewisse Verlegenheit wahrgenommen und die von einem Lachen begleitete Antwort erhalten: „Das müsse man wohl sehen.“ Insgesamt hatte Lingner den Eindruck gewonnen, man habe den Hauptabteilungsleiter instruiert, lediglich die Rolle des Zuhörers zu übernehmen, um zu vermeiden, dass die Unterredung als solche im nachhinein als staatliche Anerkennung der Beziehungen und Kontakte zwischen Bund und EKD „im vollen Umfang“ interpretiert werden könnte. Vermutlich eher zutreffend war Lingners Einschätzung, dass Weise außerdem „wohl jeden Eindruck vermeiden [sollte], als ob der Besuch von mir beim Staatssekretär in irgendeiner Form ein künftiges Verhältnis der EKD zu den Regierungsstellen der DDR präjudiziert. Herr Weise selbst scheint mir ein treuer Genosse seiner Partei zu sein. Er ist nicht sehr elegant-flexibel. Mit Sicherheit kann er ein sehr harter Partner sein, wenn dies von ihm erwartet werden sollte“.128 126

Vermerk Lingner o. D., S. 2. Hervorhebung durch die Verfasserin (EZA, 4/92/5). Claß hatte Lingner gebeten, dem Staatssekretär sein Schreiben vom 1.10.1976 persönlich zu übergeben. Der Ratsvorsitzende hatte darin seine Freude über die Teilnahmemöglichkeit an der Tagung der Bundessynode in Züssow zum Ausdruck gebracht und betont, dass er Seigewasser dies gerne „persönlich“ gesagt hätte. Er fragte an, ob es im Rahmen eines seiner nächsten Berlin-Aufenthalte möglich sei, mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen in dessen Dienststelle zusammenzutreffen. Dass Hauptabteilungsleiter Weise „wie abgesprochen“ Lingner am 12.10.1976 empfangen und eine kurze Unterhaltung mit ihm geführt habe, teilte der Leiter der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen dem zuständigen Politbüromitglied Verner noch am gleichen Tag mit. U. a. habe Lingner sich positiv über die „gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR, besonders im Blick auf soziale Sicherheit und die Rolle der Frau in der Gesellschaft“, geäußert. Demgegenüber fände eine Frau in der Bundesrepublik nach einem zeitweiligen Ausscheiden aus ihrem Beruf „nie wieder Beschäftigung“. Lingner habe gelobt, dass in der DDR das „Recht auf Arbeit verwirklicht sei. Dies seien wirkliche Fragen der Menschlichkeit“ (SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2.036/43, Bl. 130f.). 128 Schreiben Lingner an Stolpe vom 22.10.1976 mit Anlage: Vermerk Lingner o. D., S. 1f. (EZA, 101/304). 127

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Obwohl der Vorstand der KKL noch kurz vor Beginn der Tagung der Bundessynode über die von staatlichen Organen zurückgewiesene Einreisegenehmigung für den EKD-Ratsvorsitzenden Claß berichtet hatte, war diesem offenbar kurzfristig doch die Teilnahme an den Beratungen in Züssow gestattet worden. Am 6. November informierte er die Mitglieder des Rates, wie aus seiner Perspektive der Tagungsverlauf zu beurteilen sei. Insbesondere sei Claß die „bewegende freundliche menschliche Aufnahme“ angenehm aufgefallen. Er habe analog dazu beobachten können, dass die Beziehungen der verfassten Kirche in der DDR zur Diakonie eher frostiger seien. Auch wenn man sich innerhalb der Kirchen des Bundes nur ungern mit der Thematik der Kirchwerdung befasse, sei „Kirchengemeinschaft – Einheit und Vielfalt“ als Hauptthema verhandelt worden. Die Synode habe vorgesehen, die aktuelle Ordnung des Bundes nicht zu verändern, sondern vielmehr „voll auszuschöpfen“. Wie auf dem Kirchentag in Halle habe auch die Tagung der Bundessynode unter dem starken Eindruck der „Nachwehen der Ereignisse in Zeitz“ gestanden. Nur sei in diesem Kontext mittlerweile nicht mehr die Rede von „Unbehagen“, sondern das Stichwort laute nun „Betroffenheit“. Im Blick auf die Beziehungen einzelner Kirchenleitungen zu ihren Gemeinden würden „ernsthafte Konsequenzen gezogen“, was gleichermaßen grundsätzlich für die „Rolle der Kirche in diesem Staat“ zum Tragen kommen werde. Der Ratsvorsitzende berichtete den Anwesenden von einigen separaten Unterredungen, die er in Züssow mit Pfarrern geführt habe und die ihn sehr beeindruckt hätten. Die Haltung der Kirchen in der DDR und ihrer Vertreter gegenüber Journalisten aus der Bundesrepublik sei dergestalt zu beschreiben, dass „man sich nicht nur manipuliert, sondern sogar ‚bedroht‘ fühle“.129 Am 13. Dezember sandte der Leiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED, Willi Barth, dem für Kirchenfragen zuständigen Politbüro-Mitglied und ZK-Sekretär Verner einige Ausarbeitungen zur „Weiterführung der kirchenpolitischen Arbeit gegenüber den ev. Kirchen i. d. DDR“ zu. Er konstatierte, dass in der derzeitigen Situation unter den Vertretern des Kirchenbundes eine „stärkere Polarisierung der Kräfte“ erkennbar sei: Während das Vertrauen der schon in der Vergangenheit als „loyal“ zu bewertenden „christlichen Bürger“ und „kirchlichen Amtsträger“ in den „sozialistischen Weg“ der DDR gewachsen sei, versuchten die „Reaktionären“ – „insbesondere infolge der Zuspitzung des ideologischen Kampfes“ – zu verhindern, dass die evangelische Kirche sich den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen anpasse und lenkten sie vielmehr auf einen Konfrontationskurs. Bischöfe wie Krusche und Hempel wollten die Kirche als „Sammelbecken“ der Opposition etablieren, die sich auf dem 129 Niederschrift (Herborg) über die 51. Sitzung des Rates der EKD am 6.11.1976 in Braunschweig, S. 3f. (EZA, 2/93/845).

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„schmalen Pfad zwischen Opportunismus und Opposition“ bewegen müsse, um mit kritischer Solidarität und Distanz ihre Vorstellungen des „wahren“ Sozialismus durchzusetzen. Pfarrer Brüsewitz‘ Selbstverbrennung sei ausgenutzt worden, um eine Art Kirchenkampfsituation herzustellen, was am Brief der KKL an die Gemeinden vom 11. September deutlich geworden sei. Schönherr habe sich vergeblich gegen die Veröffentlichung des Briefs gewandt, aber mit Hilfe von Braecklein und Gienke dafür gesorgt, dass zumindest die Synodaltagung in Züssow nicht zu einer weiteren Verschlechterung des Staat-Kirche-Verhältnisses geführt und den Westmedien keinen Anlass für erneute Angriffe auf die DDR geliefert habe. Die Wahlbeteiligung der kirchlichen Amtsträger sei nicht weiter zurückgegangen, was allerdings nicht bedeute, dass diese die Politik der SED bejahten. Mit der Vokabel „Partnerschaft“ hätten die Beeinflussungsversuche der Kirchenvertreter aus West-Berlin und der Bundesrepublik auf die Kirchen in der DDR wieder zugenommen. Daraus könne gefolgert werden, dass die Verselbständigung der östlichen Gliedkirchen, „die man nach außen zur Schau trägt“, nur rein rechtlich erfolgt sei: „Faktisch hat sich an den Beziehungen nicht viel geändert“. Zum Vorschein gekommen sei dies ebenfalls im Kontext mit dem Fall Brüsewitz, den die EKD zur „groben Einmischung“ in die „inneren Angelegenheiten“ sowohl des Staates als auch des Kirchenbundes genutzt habe. Insgesamt sei der sprunghafte Anstieg der ökumenischen Beziehungen der Kirchen in der DDR „seit 1970“ zwiespältig zu beurteilen. Einerseits habe er zu einer Desillusionierung der in internationalen kirchlichen Gremien mitarbeitenden Vertreter des Bundes beigetragen, was ihre Sicht auf „die Wirklichkeit der kapitalistischen Welt“ angehe. Auf der anderen Seite seien „stärker bürgerliche Epoche- und Gesellschaftsauffassungen“ in die DDR-Kirchen hineingetragen worden, und vor allem die bundesdeutschen und US-amerikanischen Kirchen versuchten, die Kirchenvertreter aus der DDR mit bürgerlichen Vorstellungen von Freiheit und Demokratie zu infiltrieren und sie zu einer kritischen Haltung zum „realen Sozialismus“ zu bringen.130

130 Schreiben Barth an Verner vom 13.12.1976 mit Anlagen (SAPMO-BArch, DY 30/IV B 2/14/17, Bl. 32–36; hier Bl. 33, 35f.). – Diese Einschätzung der Kirchen in der DDR wurde in einer Information des Staatssekretärs für Kirchenfragen vom 28.2.1977 zugespitzt auf den „Sozialdemokratismus“ als ideologisches Hauptproblem. So seien die Vorstellungen, die eine große Anzahl von Kirchenleitenden in der DDR vom Sozialismus habe, „mehr oder weniger bewußt“ an sozialdemokratische Grundideen angelehnt und „mit Erwartungen und Illusionen verbunden, den realen Sozialismus in diese Richtung ‚verbessern‘ zu können“. Seitdem die Bundesrepublik durch eine sozial-liberale Koalition regiert werde (1969), die zudem eine enge Bindung zur EKD aufweise, sähen die Kirchen in der DDR sich immer stärker in der Rolle eines kritischen Korrektivs. Das Modell „Kirche im Sozialismus“ und v. a. seine Bedeutung für Praxis sei umstritten und werde innerkirchlich immer wieder kontrovers diskutiert (SAPMO-BArch, DY 30/IV B 2/14/38, Bl. 19–24; hier Bl. 19, 21).

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Bedeutung der Verquickung von Staat, Kirche und Gesellschaft für Art. 4 (4) Die Referenten der Kirchenkanzlei der EKD in Hannover informierte Lingner am 1. März über die Ausarbeitung des Theologischen Studienausschusses des Nationalkomitees des LWB in der DDR zum Thema „Identität und Pluralität“. Ein Ergebnis der Untersuchung sei, dass es sich um eine „soziologische Fiktion“ handele, die auch aus theologischer Perspektive nicht aufrechtzuerhalten sei, zu meinen, es könne eine vollständige Trennung von Kirche und Gesellschaft geben. Auch wenn die Kirche durch ein gewisses „Anders-Sein“ charakterisiert sei, bewege sie sich doch immer in gesellschaftlichen Zusammenhängen. Als aufschlussreich bezeichnete Lingner auch, wie 4 (4) der Bundesordnung „unter diesem Aspekt“ dargestellt werde. Da die „Kirche als Institution gesellschaftlichen Charakter“ habe, könne sie nicht an der „konkreten gesellschaftlichen Situation vorbei entworfen werden“. Somit stelle 4 (4) die situationsspezifische Verwirklichung eines Möglichen dar, und es werde in der Studie von einem „Gewinn auf der funktionalen Ebene“ gesprochen. Trotz des Interesses, das Lingner der Ausarbeitung entgegenbrachte, wies er gegenüber den Referenten auf seine Zweifel hin, ob die Gliedkirchen der EKD angesichts ihrer partnerschaftlichen Beziehungen zu denen des BEK dazu verpflichtet seien, sich mit dem Inhalt der Studie intensiver zu beschäftigen und sie unter Umständen kritisch zu erörtern.131 Vom 21. bis zum 23. April tagte der Rat der EKD und befasste sich unter anderem mit dem sogenannten Brüsewitz-Zentrum, das die dem politisch konservativen Spektrum zuzuordnende Vereinigung „Christlich-Paneuropäisches Studienwerk“ in Bad Oeynhausen zu gründen plante. Einige Mitglieder des Rates waren angeschrieben und um die Unterstützung des Vorhabens gebeten worden. Vermutlich nicht nur instinktiv, sondern auch auf Grund ihrer gerade in letzter Zeit gemachten Erfahrungen, was die Empfindlichkeit der ostdeutschen Brüder auf Einmischungen in die Belange der Kirchen in der DDR anging, hatten alle Empfänger das Ansinnen abgelehnt. Der Rat konnte die Richtigkeit dieser Reaktion nur bestätigen.132 Der Medien- und Öffentlichkeitsreferent der EKD, Claus-Jürgen Roepke, berichtete von ersten vagen Überlegungen innerhalb des epd, des Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatts und der Berliner Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Publizistik, die Akkreditierung eines „Korrespondenten für evangelische Publizistik“ in Ost-Berlin zu beantragen. Die Ratsmitglieder diskutierten nicht nur über die organisatorischen Gesichtspunkte und die per131

Bericht Lingner vom 1.3.1977, S. 6 (EZA, 4/91/685). Bei einer Unterredung in Seigewassers Dienststelle am 2.5. erfuhr Pabst sowohl von der geplanten Gründung des Zentrums als auch von der Tatsache, dass „alle 15 Mitglieder des Rates der EKD […] allerdings eine Beteiligung abgelehnt“ hätten (Aktenvermerk Pabst vom 5.5.1977 [EZA, 101/348]). 132

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sonelle Frage, sondern versuchten sich ebenso über die potentiellen Arbeitsmöglichkeiten eines „offiziell“ in der DDR-Hauptstadt akkreditierten Korrespondenten klar zu werden. Wenn seitens des Rates gerade auch in der jüngsten Vergangenheit wiederholt das dringende Erfordernis festgestellt worden war, die Berichterstattung der bundesdeutschen säkularen Medien „über das kirchliche Leben in der DDR“ zu verbessern, war man sich doch im Zweifel, ob die Akkreditierung eines evangelischen Korrespondenten in der angedachten Form dazu einen Beitrag leisten werde. Die Mitglieder des Rates sahen sich daher „unter den gegenwärtigen Umständen nicht in der Lage, die diesbezüglichen Überlegungen zu befürworten“.133 Von einem Gespräch mit Henkys über diesen Plan wurde auf der Sitzung des Vorstands der KKL Mitte Mai während der Tagung der Bundessynode in Görlitz ebenfalls berichtet. Da sich herausgestellt hatte, in welcher Weise die „speziellen Konstellationen seiner gegenwärtigen Tätigkeit“ die Vorstellungen von der beabsichtigten Akkreditierung beeinflusse, machten sich auch unter den Vorstandsmitgliedern „Bedenken“ breit.134 Am gleichen Tag trat die KKL in Görlitz zu einer außerordentlichen Tagung zusammen, auf der über die Einladung Seigewasser für den 5. Juli zu einem zusammen mit der Nationalen Front der DDR durchgeführten Festakt in Potsdam debattiert wurde. Anlässlich der anstehenden Feierlichkeit zum 60. Jahrestag der „Großen Oktoberrevolution“ werde ein Referat des Bundes zum Thema „Der Beitrag der Ev. Kirchen in dem Bemühen um Frieden, Sicherheit und den sozialen Fortschritt“ erwartet. Die KKL kam überein, Falcke135 anzufragen und im übrigen davon abzusehen, den Kirchenbund auf dieser Veranstaltung von seinen „höchsten Repräsentanten vertreten“ zu lassen.136 Einen Monat später stellten die KKL-Mitglieder fest, dass überhaupt nur wenige Kirchenvertreter zu einer Teilnahme bereit wären, was zeige, wie ausgesprochen ambivalent die Haltung der Kirche „zum Phänomen der Revolution“ sei. Kirchliche Beiträge würden 133 Niederschrift (Diestel) über die 56. Sitzung des Rates der EKD vom 21.–23.4.1977 in Gnadenthal, S. 4, 9 (EZA, 2/93/852). 134 Protokoll (Kramer) über die Sitzung des KKL-Vorstands am 16.5.1977 in Görlitz, S. 1 (EZA, 101/116). 135 Falcke trug im November 1977 vor der Synode der KPS eine sehr gelungene Wertung des 60. Revolutionsjubiläums vor und erläuterte dabei die sowohl historisch als auch theologisch zu verstehende Distanz zu Revolutionen, die Kirchen und Christen eigen sei. Zum Abschluss seiner Ausführungen stellte Falcke folgende Frage: „Welchen Beitrag bringt die Oktober-Revolution und ihre Wirkungsgeschichte in die verantwortliche Beratung und Planung des Überlebens der Menschheit ein, die eine unteilbare Schicksalsgemeinschaft geworden ist?“. Damit hatte er sich im Blick auf den „real-existierenden“ Sozialismus und seinen glorifizierenden Umgang mit der „Großen Oktoberrevolution“ bewusst für eine neutrale Einschätzung entschieden (Auszugsweiser Abdruck in: KJ 1976/77 [103./104. Jg.], S. 486ff.; hier S. 488). 136 Protokoll (Demke) der außerordentlichen KKL-Tagung am 16.5.1977 in Görlitz (Bundessynode), S. 2 (EZA, 101/103).

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von Kramer, Lewek und Günter Krusche erbracht.137 Wegen seiner schlechten Erfahrungen mit der Medienberichterstattung hatte der Bund sich entschlossen, selbst die Gemeinden über die kirchliche Teilnahme an der Feier mittels einer „Schnellinformation“ zu unterrichten und ihnen die entsprechenden Redebeiträge der entsandten Kirchenvertreter zu Kenntnis gegeben, um einer möglicherweise einseitigen oder verzerrten Wiedergabe durch die DDR-Presseorgane Vorschub zu leisten. Bereits bei einem Gespräch in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen am 2. Mai hatten die Staatsvertreter gegenüber Pabst ihre „Besorgnis“ über das „rapide Ansteigen von Ausreiseanträgen in die BRD“ geäußert und mitgeteilt, dass zukünftig „nach wichtigen und weniger wichtigen Reisevorhaben differenziert“ werden müsse.138 Von dieser erneuten Verschärfung im Blick natürlich ebenfalls auf kirchliche Dienstreisen in die Bundesrepublik erfuhr der Vorstand der KKL am 2. Juni. Grundsätzlich habe im Vorfeld der Antragstellung eine Vorabsprache mit Vertretern des Staatssekretariats stattzufinden. Die Anwesenden entschlossen sich, für die KKL eine Vorlage mit entsprechenden Kriterien zu erarbeiten, in welchen Fällen eine Ausreise „kirchlich notwendig“ sei. Im Übrigen solle unter Beteiligung des Vorstands, des Rates der EKU und des LWB-Nationalkomitees versucht werden, die Gesamtzahl der Ausreiseanträge „kirchlich verantwortbar“ zu reduzieren, während auf Vorgespräche mit dem Staat „verzichtet“ werden sollte. Schönherr, Braecklein und Pabst wurden damit beauftragt, die vom Kirchenbund ins Auge gefasste neue Praxis, die man ab Anfang September erproben könne, den Vertretern der Dienststelle darzulegen.139 Im Rahmen eines allgemeinen Berichts zur Lage hob der schleswig-holsteinische Bischof Petersen am 8./9. Juli vor den anwesenden Ratsmitgliedern die Frage „Abrüstung zwischen Helsinki und Belgrad“140 sowie das Problem der Übernahme ausgereister DDR-Pfarrer in den Dienst der westdeutschen Kirchen als zwei Themen hervor, die auf der Sitzung der Ost-West-Beratergruppe Anfang des Monats eingehend diskutiert worden seien. An einer „Erklärung des Rates 137

Protokoll (Behm) der außerordentlichen KKL-Tagung am 18.6.1977, S. 1 (EZA, 101/103). – Die Bewertung fiel von EKD-Seite positiv aus: „Auch die Redebeiträge vom 5. Juli von Vertretern des Bundes – wieder äußerst sorgfältig abgestimmt und formuliert, verdienen Beachtung und Respekt. Ein Kniefall kirchlicher Repräsentanten vor dem Phänomen der Oktober-Revolution und den Repräsentanten des Sozialismus fand nicht statt. Die Presse in der DDR verzichtete auf ihre Veröffentlichung“ (KJ 1976/77 [103./104. Jg.], S. 486). – Die Beiträge Kramers, Leweks und G. Krusches sind abgedruckt EBD., S. 488–495. 138 Aktenvermerk Pabst vom 5.5.1977 (EZA, 101/348). 139 Protokoll (Kramer) über die 78. Sitzung des KKL-Vorstands am 2.6.1977 in Halle, S. 1 (EZA, 101/116). 140 Die KSZE-Gipfelkonferenz in Helsinki, auf der die Schlussakte unterzeichnet worden war, tagte vom 30.7. bis 1.8.1975, das KSZE-Folgetreffen in Belgrad fand vom 4.10.1977 bis 9.3.1978 statt.

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der EKD zu Angriffen auf evangelische Kirchenleitungen und Bischöfe in der DDR“141, der sogenannten Brüsewitz-Erklärung, der die Kirchenkonferenz bereits ihre Zustimmung erteilt habe, wurden einige Änderungen vorgenommen, bevor der Rat sie verabschiedete. In dieser Stellungnahme des Rates wurde die vom „Christlich-Paneuropäischen Studienwerk“ in Angriff genommene Gründung eines Informations- und Dokumentationszentrums („Brüsewitz-Zentrum“) kritisiert. Folgende Argumente wurden gegen das Vorhaben ins Feld geführt: Zum einen gereiche es den Kirchen in der DDR zum Schaden, wenn durch die „Verwendung des Namens Oskar Brüsewitz“ ihr Verhalten „politisch verfälscht“ werde. Kenner der „kirchlichen Vorgänge in der DDR“ wüssten, dass „Synoden, Kirchenleitungen und Bischöfe sich mit Entschiedenheit für Glaubens- und Gewissensfreiheit und für zentrale Menschenrechte“ einsetzten. „Wir widersprechen der Unterstellung, daß Kirchenleitungen in der DDR sich von Organen des Staates und der Partei zu politisch genehmen Erklärungen nötigen lassen. Aus unserer Kenntnis der jüngst besonders angegriffenen Bischöfe Albrecht Schönherr und Werner Krusche erklären wir, daß deren Darstellung der Situation ihrer Gemeinden und Pfarrer nicht als eine Konzession an den kommunistischen Staat zu verstehen ist. Diese Angriffe halten wir für üble Nachrede.“ Der Rat habe vollstes Vertrauen in die Kirchenvertreter und Christen im anderen Teil Deutschlands. Vor allem stünde es niemandem zu, „von außen her ihr Festhalten am christlichen Glauben einseitig politisch“ zu instrumentalisieren. „Wer in einer schwierigen Situation bereit ist, sein Leben als Christ zu führen, ist unserer Achtung und Fürbitte gewiß.“142

Mit dieser Erklärung des Rates war der Verantwortung für die „besondere Gemeinschaft“ tatsächlich uneingeschränkt Rechnung getragen worden. Wie auf der Vorstandssitzung Anfang Juni geplant, brachte Pabst am 17. August bei einem Besuch in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen gegenüber dem Stellvertreter Seigewassers, Hermann Kalb, das Gespräch auf die vom Staat monierte Anzahl von Ausreiseanträgen. Er erläuterte, dass es gerade jetzt – vor Beginn der herbstlichen Sitzungsperiode – zu einer Häufung von Anträgen kommen könne. Kalb übermittelte die Weisung des Staatssekretärs, „ab sofort“ werde die Dienststelle nur noch Anfragen auf Einreise in und Ausreise aus der DDR entgegennehmen, wenn die notwendigen Fristen zur Bearbeitung gewahrt würden. Das bedeute, dass Reisepass-Inhaber für ihre Ausreise sechs Wochen, Nicht-Reisepass-Inhaber sieben Wochen vor dem gewünschten Reisetermin einen Antrag gestellt haben müssten, während eine Einreisegenehmigung vier Wochen zuvor zu beantragen sei. Immerhin räumte Kalb ein, dass für die „Teilnahme an Beerdigungen und an ök[umenisch] herausragenden Ereignissen 141

Abdruck in: J. E. CHRISTOPH (Hg.), Kundgebungen, Bd. 3, S. 308. Niederschrift (Herborg) über die 58. Sitzung des Rates der EKD am 8./9.7.1977 in Hannover, S. 17 (EZA, 2/93/853). 142

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von hohem kirchenpolitischen Rang“ Ausnahmen gemacht würden.143 Auf dem Konvent der Bischöfe teilte Schönherr dann am 8. September mit, dass sich offenbar gerade jetzt die lang erhoffte Möglichkeit eröffne, dass Kirchenvertreter des BEK die Erlaubnis erhielten, an gliedkirchlichen Synodaltagungen der EKD teilzunehmen. Es müsse auf jeden Fall darauf geachtet werden, dass es nicht zu einer „untunlichen Erweiterung des Reisekontingents“ komme. So sollten die EKD-Gliedkirchen darum gebeten werden, eine Einladung immer nur für „eine Kirche in der DDR“ auszusprechen.144 Zur inhaltlichen Vorbereitung der nächsten Beratergruppen-Sitzung informierte Lingner am 16. September die westlichen Mitglieder, dass die bundesdeutschen Medien in ihrer Berichterstattung die Kirchen des Bundes im Kontext von „‚Dissidenten‘ in der DDR und ihrem Eintreten für die Verwirklichung von Menschenrechten“ mit einer zunehmend kritischen Wertung belegten. Diese Tendenz sei sogar bis in die Kreise hin zu beobachten, die an sich einen „vorsichtigen politischen Kurs“ des BEK und seiner Kirchen grundsätzlich befürworteten. Die Frage, welche Haltung der Kirchen angesichts der derzeitigen Lage „angemessen“ sei, werde selbstverständlich nicht nur in der Bundesrepublik diskutiert, sondern auch innerhalb der Kirchen in der DDR als Problem wahrgenommen, mit dem man sich auseinandersetzen müsse. Lingner wies darauf hin, dass der Bund sich seinem Selbstverständnis nach als „Kirche für andere“ begreife und dieses „Konzept eines Kirche-Seins in der DDR“ auch auf seinen Synodaltagungen verkündet habe. Nun regte Lingner zur Klärung der Frage an, was das im Blick auf die „Dissidenten-Fälle und in der Menschenrechtsfrage konkret“ bedeute.145 Aus einer Beratung der Referenten des Bundes in Ost-Berlin hatte Lingner am 30. September einige wichtige interne Informationen erhalten. Stolpe habe darüber unterrichtet, dass für die Tagung der Bundessynode Ende Oktober in Herrnhut vorgesehen sei, die Tätigkeit des Bundes seit seiner Gründung zu bilanzieren. Er sprach von einer grundlegenden Änderung der „Backpfeifen-Situation“, mit der man 1969 und 1970 noch das Staat-Kirche-Verhältnis habe beschreiben können. Es würden mittlerweile auf allen Ebenen geregelte Gespräche geführt, bei

143 Aktenvermerk Pabst o. D., S. 2. – Am 29.8.1977 erklärte Weise Pabst dann, dass es in der nächsten Zeit unangenehmerweise häufiger zu Ablehnungen kommen werde, da die beteiligten staatlichen Stellen nur schwer von den ganzen Ausreiseanträgen zu überzeugen seien. Weitere sieben Wochen (18.10.) später wurde von der Dienststelle darum gebeten, Anträge auf Ausreise und Einreise gleichermaßen nur noch Dienstags und Freitags einzureichen. Von dieser Regelung ausgenommen seien Fälle von besonderer Dringlichkeit (EZA, 101/348). 144 Protokoll (Schönherr) über Tagung Bischofskonvent am 8.9.1977 in Berlin, S. 1. Hervorhebung im Original (EZA, 688/111). 145 Schreiben Lingner vom 16.9.1977, S. 1 (EZA, 4/92/6).

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denen man „alles“ thematisieren könne. Die Kommunikationsmöglichkeiten mit den Staatsvertretern hätten zu einer positiven Entwicklung der wechselseitigen Beziehungen beigetragen, doch dürften damit einhergehende „Gefahren“ nicht übersehen werden. Stolpe erklärte diesbezüglich, dass der Staat sich „zunehmend“ gegenüber bestimmten Wünschen der Kirchen „aufgeschlossen“ zeige. So habe beispielsweise der Bund für einen Synodenpräses, der als Rechtsanwalt146 tätig sei, die Genehmigung für eine Privatpraxis beantragt, was insofern wenig Aussicht auf Erfolg gehabt habe, als Anwälte in der DDR grundsätzlich nur in Kollektiven arbeiteten. Der Staat habe jedoch über den Antrag positiv beschieden mit dem Hinweis, dass die erteilte Genehmigung „ein Zeichen der guten Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche“ sei. Stolpe meinte, durch derartige Vorkommnisses könne der Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche, den die Kirchen im Blick auf ihren Auftrag und ihre Unabhängigkeit unbedingt einhalten müssten, aufgeweicht werden. Auch wenn der Bund zu einer gewissen Stabilität gefunden habe und seine Gliedkirchen die „Zuständigkeit der zentralen Stelle“ zumindest auf den Gebieten Ökumene und Staat-Kirche-Beziehungen akzeptiert hätten, sei das Verhältnis zu den Gliedkirchen nicht spannungsfrei. Es nachhaltig zu festigen und zu klären, sei eine wichtige Aufgabe für die nahe Zukunft. Stolpe informierte dann über die ausgesprochen „prekäre“ finanzielle Situation der Pfarrer in der DDR, die auch in der Tatsache zum Ausdruck komme, dass mittlerweile etwa „80% der Pfarrfrauen“ berufstätig seien. Es sei zu befürchten, dass der Staat sich anbiete, „Finanzlücken bei der Besoldung von Pfarrern zu schließen“. Vereinzelt hätten Pfarrer finanzielle Unterstützungen von Staatvertretern angenommen. Ein BEK-Referent hatte ein anderes Problem auf den Tisch gebracht, welches sich bei einigen Gesprächen mit Gemeindepfarrern als akut erwiesen habe. Seitens der CDU gingen Mitglieder der „unteren Ebene“ auf Pfarrer zu und böten sich ihnen als Gesprächspartner an. Die CDU wolle Christen und Pfarrern die „politische Basis“ für eine gesellschaftliche Mitarbeit bieten. Bei der sich anschließenden Frage, wie die leitenden Geistlichen die Rolle der CDU einschätzten, habe Stolpe passen müssen. Lingner vermerkte, dass ohne Zweifel kein Konsens bestünde, ob auf derartige Gesprächsangebote der CDU eingegangen werden solle. In einer separaten Unterredung mit Lewek habe diese mit Nachdruck „darauf gedrängt“, endlich Konsultationen zwischen EKD und Bund im Sinne des Art. 4 (4) zu organisieren. An einigen Beispielen habe sie erläutert, dass es „gut gewesen wäre“, wenn sich die Kirchen in Ost- und Westdeutschland in den letzten Jahren über bestimmte Themen in verbindlichen Unterredungen abgestimmt hätten. Lingner betonte, dass ihm entsprechende 146 Hier handelte es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Wolfgang Schnur. Vgl. dazu BStU (ASt Rostock), MfS AOP 2614/83, Bd. I, z. B. Bl. 49.

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Wünsche bereits des öfteren angetragen worden seien, die Gesprächsbereitschaft sich jedoch auf beiden Seiten als eher gering erwiesen habe. Da die Beratergruppe offenbar zur Ausfüllung dieser Rolle nicht wirklich in Frage komme, und die Treffen zwischen der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung und dem Ausschuss Kirche und Gesellschaft des Bundes wiederum „eher geeignet“ seien, „die einschlägigen Themen zwischen den verschiedenen Kirchen zur Sprache zu bringen“, müssten Überlegungen angestellt werden, wie man zu einer brauchbaren Lösung kommen könne.147 Auf der Vorstandssitzung am 14. Oktober gaben Schönherr und Braecklein ihre Eindrücke vom staatlichen Empfang anlässlich des Jahrestags der DDRGründung wieder. Wie immer seien die Einladungen zu der Feier erst kurz zuvor ausgesprochen worden, so dass dem in Herrnhut neu zu wählenden KKL-Vorstand nahegelegt werden müsse, „in vergleichbaren Fällen eine Verabredung für den Eventualfall zu treffen“. Die nicht zu Ende geführte grundsätzliche Diskussion über die Frage, „ob und wie wir uns an derartigen Anlässen beteiligen“, müsse wieder aufgenommen werden. Es wurde angeregt, zu diesem Zweck nach Abschluss der Wahlen auf der BEK-Synode die Liste mit der Reihenfolge des kirchlichen Protokolls zu aktualisieren und den „staatlichen und gesellschaftlichen Stellen als Interpretation zu übergeben“. Die Mitglieder des Vorstands kamen überein, an der derzeit praktizierten Regelung festzuhalten, der entsprechend die Kirchenvertreter zusammen mit ihren Gattinnen eingeladen würden, und nicht von den staatlichen Organen zu verlangen, dass jeder Bischof die Möglichkeit haben müsse, einen Begleiter mitzubringen.148 Ein gemeinsames Wort der Kirchen in zwei deutschen Staaten für Entspannung und Frieden ohne politische Gemeinsamkeit? Der in Herrnhut erneut zum Vorsitzenden der KKL gewählte Schönherr verhandelte am 9. November mit dem Ratsvorsitzenden Claß, dem Vorsitzenden der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung, Roman Herzog, sowie dem Vizepräsidenten der Kirchenkanzlei der EKD und dem Leiter der Berliner Stelle darüber, ob und in welcher Weise die Formulierung eines „Gemeinsamen Wortes“ beider Kirchen zur KSZE-Schlussakte und dem am 4. Oktober begonnenen Folgetreffen in Belgrad in Angriff genommen werden könnte. Das BEK-Sekre147 Vermerk Lingner o. D. [etwa 4.10.1977], S. 1f. Am 17.10.1977 an Binder, Wilkens, Hammer, Heidingsfeld, Henkys, Röder und Groscurth geschickt (EZA, 4/91/686). 148 Protokoll (Kramer) über die 82. Sitzung des KKL-Vorstands am 14.10.1977 in Dresden, S. 2 (EZA, 101/116). – Den Mitgliedern der KKL berichtete Braecklein Mitte November in gleicher Weise von dem Staatsempfang am 7.10. (Protokoll [Lewek] der 52. KKL-Tagung am 11./12.11.1977 in Berlin, S. 5 [EZA, 101/103]).

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tariat hatte nicht nur den entsprechenden Vorschlag gemacht, sondern auch ein Papier vorgelegt, in dem für das Vorhaben zu beachtende inhaltliche und formale Aspekte zusammengestellt waren. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es für den Bund von besonderer Wichtigkeit sei, jeglichen „Verdacht einer ‚gesamtdeutschen‘ Aktion“ abzuwenden, wurden in der Beratung drei Modelle angedacht: Dem Wort könne mittels der Beteiligung weiterer Kirchen „(ČSSR u. a.)“ ein ökumenischer Anstrich verliehen werden. Sowohl der Bund als auch die EKD könnten eine separat verantwortete Stellungnahme abgeben, dabei jedoch für inhaltliche Übereinstimmung und ein zeitgleiches Erscheinen Sorge tragen. Denkbar sei ferner, im Rahmen des gemeinsamen Wortes klarzustellen, dass die gemeinschaftliche Arbeit der Kirchen nicht als „Forderung nach politischer Gemeinsamkeit“ zu missdeuten sei, also darzulegen, dass sich die Kirchen aus zwei deutschen Staaten äußerten, die „durch eine ‚heiße Grenze‘ voneinander getrennt“ seien. Insgesamt könnte allein durch das Verfassen eines gemeinsamen Wortes die besondere Gemeinschaft von Bund und EKD zum Ausdruck gebracht und durch die Publikation hervorgehoben werden. Die „Besonderheit der Gemeinschaft“ bestünde nachgerade darin, dass die beiden deutschen Kirchen in jeweils unterschiedlichen Gesellschaftssystemen lebten. Das Wort solle nur etwa eine halbe Seite lang sein, wobei vorstellbar sei, Bezug auf „andere kirchliche Erklärungen“149 zu nehmen. Eine Veröffentlichung in der Weihnachtszeit hielten die Anwesenden für „günstig“. Das Wort dürfe nicht an die Gemeinden in Ost und West, sondern vielmehr in seelsorgerlicher Absicht an die Politiker gerichtet sein. Gleichwohl könne die Bitte an die Gemeinden mit ausgesprochen werden, die gemeinsame Äußerung und den dahinter stehenden Problemkomplex „mit zu bedenken“. Inhaltlich solle mit diesem „seelsorgerlichen Wort“ verdeutlicht werden, dass die Protagonisten im Bereich der Politik hartnäckig an ihrem Bemühen um Entspannung festhalten sollten und sich dabei des Rückhalts der Kirchen sicher sein könnten. Sie sollten ferner gebeten werden, die „Entspannungsrelevanz der Menschenrechte und den Zusammenhang zwischen Frieden und Menschenrechten“ zu sehen. Sich ebenfalls mit diesen Themen auseinander zu setzen, müssten die Gemeinden aufgefordert werden. Als möglicherweise problematisch bezeichneten die Anwesenden, dass ein „christlicher Aufschrei“ dadurch an „Überzeugungskraft“ einbüßen könne, wenn er „nur scheinbar ein politisch relevantes Thema anspricht, in Wirklichkeit keine substantielle Aussage zur Sache“ enthalte. Auch sei es kaum möglich, in einem gemeinsamen Wort die politische Auseinandersetzung um die Frage der Abrüstung und die unter149 Dazu wurde angemerkt, dass es zur Vermeidung des genannten Verdachts einer gesamtdeutschen Aktion zu empfehlen sei, auf ein Wort der KEK zu rekurrieren und u. U. auch auf die Aussagen der Görlitzer Bundessynode von Mitte Mai des Jahres.

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schiedlichen Interpretationen der „Bedeutungen von Korb I und Korb III“150 kommentarlos zu übergehen.151 So hatten die in kleinem Kreis auf oberster Ebene geführten Verhandlungen über eine gemeinsame kirchliche Stellungnahme erst einmal zahlreiche Schwierigkeiten und Hindernisse zutage gebracht, deren Überwindung beiden Seiten einiges an Einfallsreichtum abverlangen würde. Auf der KKL-Sitzung am 11. und 12. November wurde dann bekannt gegeben, dass es am 8. des kommenden Monats zu einer Begegnung des Vorstands und der Bischofskonferenz mit dem EKD-Ratsvorsitzenden, seinem Stellvertreter und den Dienststellenleitern kommen werde.152 Am ersten Verhandlungstag der EKD-Synodaltagung, die vom 6. bis 10. November in Saarbrücken stattfand, sprach Bischof Schönherr für den Kirchenbund ein Grußwort. Er bedankte sich im Namen der Christen in der DDR für die zahlreichen, im Rahmen des EKD-finanzierten Sonderbauprogramms verwirklichten kirchlichen Bauvorhaben. Erfreulicherweise sei über die Jahre hinweg der gegenseitige Vertrauensvorschuss, den die Christen sich über die Grenzen hinweg „gönnten“, nicht aufgekündigt worden. Dies alles sei „keine Selbstverständlichkeit mehr“, denn nach den vielen Jahren der Trennung bedürfe es „besonderer Anstrengung, vielleicht auch nicht geringer Opfer“, um sich nicht aus den Augen zu verlieren. Dazu sei es vonnöten, sich „von Zeit zu Zeit einander zu erkennen zu geben.“ An diese einleitenden Worte anknüpfend, skizzierte der Bischof die Position und Situation der Christen und Kirchen „im Sozialismus“. Er wies darauf hin, dass es sich bei der Formel um mehr als nur eine reine Ortsbestimmung handele, zumal den Christen – trotz der weltanschaulichen Differenzen und der strikten Trennung von Kirche und Staat – zahlreiche Möglichkeiten zugestanden würden, das Evangelium zu verkündigen und mit Nichtchristen zusammenzuarbeiten. Insgesamt zeichnete Schönherr ein sehr positives Bild von der christlichen Existenz in der DDR. Zwar entwickle sich dort die evangelische Kirche zur Minderheitskirche, doch könne dies eine „Chance für das Christsein im Sozialismus“ bedeuten. Schönherr konstatierte, dass die christliche Ausbildung von Kindern, die der allumfassenden kommunistischen Erziehung ausgesetzt seien, zuweilen von Gemeindegliedern, die nicht im Dienst der Kirche stünden, „unbefangener, nüchterner und hoffnungsvoller“ wahrgenommen werde als von Pfarrern, die sich von der schrumpfenden Zahl der Kirchenmitglieder „niederdrücken“ ließen.153 Auf diese Aussagen Schönherrs, die er in ähnlicher 150 Der besonders bedeutende und umstrittene Korb III betrifft Verbesserungen im Bereich menschlicher Kontakte sowie den Kultur- und Informationsaustausch. 151 Vermerk Lingner vom 10.11.1977, S. 1f. (EZA, 672/AZ 133). 152 Protokoll (Lewek) der 52. KKL-Tagung am 11./12.11.1977 in Berlin, S. 11 (EZA, 101/103). 153 BERICHT ÜBER DIE SECHSTE TAGUNG DER FÜNFTEN SYNODE DER EKD vom 6.–10.11.1977, S. 75–78; hier S. 75ff.

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Form gegenüber bundesdeutschen Journalisten154 wiederholt hatte, reagierten 39 Pfarrer des Kirchenbezirks Aue der sächsischen Landeskirche mit „Betroffenheit“. Besonders kritisiert worden seien in ihren Gemeinden die Äußerungen des Bischofs zu den Staat-Kirche-Beziehungen in der DDR und dem speziellen „Problem der Bildungs- und Schulfragen“. Viele Gemeindeglieder fühlten sich in ihrer resignativen Haltung noch „bestärkt“, was die Pfarrer als sehr „bedrückend“ empfänden. Während Schönherr bei seinem Aufenthalt in der Bundesrepublik das Leben junger Christen in der sozialistischen Gesellschaft als weitgehend unproblematisch dargestellt habe, hätten viele jugendliche Christen aufgrund ihrer Ablehnung sowohl der Jugendweihe als auch einer Mitgliedschaft in der FDJ „große Schwierigkeiten bei der Bewerbung um Lehrstellen“ bewältigen müssen. Die Pfarrer fassten den Zweck ihres kritischen Schreibens zusammen: „In den Betrieben gab es bittere Verärgerung über die leichtfertige Beschönigung der Situation der Christen vor Ort. Deshalb möchten wir mit aller Deutlichkeit erklären, daß wir uns mit unseren Gemeinden durch die von Herrn Bischof Schönherr gemachten Aussagen nicht sachgemäß vertreten fühlen. Wir wissen und bejahen, daß zum Christsein das Leiden gehört. Aber wir wehren uns gegen Äußerungen eines führenden Repräsentanten der Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik, durch die das Bild von unserem Leben als Christen mitten in einer militanten atheistischen Umwelt allzu billig verzeichnet wird. Wir bitten darum die Konferenz der Kirchenleitungen, darauf hinzuwirken, daß Herr Bischof [sic] in seiner Eigenschaft als Vorsitzender sich in Zukunft, wenn überhaupt, dann sparsamer und differenzierter über die Probleme des Lebens der Christen in der sozialistischen Gesellschaft äußert, damit die Verbindung von der Leitung zur Basis der einzelnen Gliedkirchen nicht zerbricht wie andernorts.“155

Einen Bericht über die Unterredungen erstatten zu können, die er im Rahmen seiner Teilnahme an der EKD-Synodaltagung in Saarbrücken mit „führenden Politikern der BRD“ geführt habe, hatte der KKL-Vorsitzende Schönherr das für Kirchenfragen zuständige Politbüromitglied Verner gebeten. Bischof Schönherr nutzte das am 6. Dezember zustande gekommene Gespräch, um sich nach der staatlichen Entscheidung hinsichtlich seiner Anfrage um einen „Antrittsbesuch“ des neuen Vorstands der Konferenz beim Staatsratsvorsitzenden Honecker zu erkundigen. Verner teilte ihm mit, dass Honecker „sicherlich“ zu einem derartigen Treffen bereit sei, wenn dabei – wie es Stolpe bereits auftragsgemäß an die Staatsvertreter weitergegeben habe156 – „solche Probleme“ verhandelt würden, 154 Beispielsweise war am 10.11.1977 ein längeres Gespräch mit Schönherr in der Saarbrücker Zeitung erschienen. 155 Schreiben von 39 Pfarrern des Kirchenbezirks Aue vom 28.11.1977 (EZA, 101/307). 156 Stolpe hatte den Staatsvertretern ferner eine Skizze für entsprechende Vorbereitungsgespräche übergeben.

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„über die man sich vorher verständigt“ habe und die „positive Entwicklung in den Beziehungen zwischen Staat und Kirche dargelegt werde“. Verner räumte ein, dass viele der vom Leiter des BEK-Sekretariats benannten Fragen zweifellos schon vorab geklärt werden könnten, während andere „durch Gesetze und Verordnungen geregelt“ und einige „weder zeitgemäß noch gerechtfertigt“ seien. In diesem bedeutungsvollen Gespräch solle die „Frage aller Fragen“, nämlich die Friedenssicherung, thematisiert werden – ausgehend von der Tatsache, dass „das Wohl der Menschen im Mittelpunkt der Politik von Partei und Regierung“ stünde. Die kirchlicherseits erbetene Erweiterung von Reisemöglichkeiten hingegen sei eine Angelegenheit des Staates. Im Übrigen habe die DDR viele Vorleistungen erbracht, die von der Bundesrepublik mit dem „Mißbrauch der Transitwege und dem Menschenhandel ‚honoriert‘“ worden seien. Die Gleichbehandlung von Christen und Nichtchristen, die von der Kirche unverständlicherweise und unberechtigterweise immer wieder gefordert werde, sei in der Verfassung verankert, und es bestünde „in der DDR auf allen Gebieten, insbesondere auch in den Fragen der Bildungsmöglichkeiten und der Berufsausbildung, Chancengleichheit“. Im Blick auf diese beiden Bereiche hatte der Staatsratsvorsitzende ganz offensichtlich keine Gesprächsbereitschaft signalisiert. Zu den bereits geregelten Fragen zählte Verner die „Seelsorge in Haftanstalten, das Druckgenehmigungsverfahren“ sowie die „Einfuhr von religiöser Literatur“. So könne die Kirche sich auf Verhandlungen über folgende Sachfragen einstellen: 1. Ausstrahlung von Sendungen zu kirchlichen Feiertagen im DDR-Fernsehen; 2. Zahlung von Gebühren für die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen in Kirchenbesitz; 3. Staatliche Rente für Pfarrer und kirchliche Amtsträger. Schönherr stimmte dem zu und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass bei einer Unterredung zwischen Vorstand der KKL und Honecker auch konkrete Ergebnisse erzielt würden, die ihm eine Unterstützung sein könnten, um sich mit denjenigen „auseinanderzusetzen, die ihm ständig unkritische Anpassung“ zum Vorwurf machten. Er versprach, seinerseits keine Äußerungen zu machen, die „Anlaß“ für eine „Konfrontation“ zwischen Staat und Kirche geben könnten. Der ZK-Sekretär kündigte an, Honecker über Inhalt und Verlauf seines Gesprächs mit Schönherr in Kenntnis zu setzen.157 Mit dieser Absprache war der Grundstein für das retrospektiv als „Spitzengespräch“ (im Sinne eines Meilensteins über-) bewertete Zusammentreffen des KKL-Vorstands mit einem kleinen Kreis um Honecker am 6. März 1978 gelegt worden. Doch hatte Schönherr dafür zweifellos allein mit seinen öffentlichen Äußerungen den Preis gezahlt, Enttäuschung, Unmut 157 Information der ZK-AG Kirchenfragen vom 8.12.1977, S. 26ff., 30 (SAPMO-BArch, DY 30/IV B 2/14/7, Bl. 26–32). – Schönherrs Schilderung seiner mit westdeutschen Politikern geführten Gespräche war als separate Anlage beigefügt.

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und zuweilen auch Bestürzung bei einem Teil der Christen in der DDR, der sogenannten kirchlichen Basis, ausgelöst zu haben. Die westlichen Mitglieder der gemeinsamen Beratergruppe wies Lingner am 6. Dezember darauf hin, dass ganz offensichtlich die Kirchen des Bundes vom Staat „stärker in die Diskussion um die Abrüstungsfrage einbezogen“ würden als die EKD-Gliedkirchen in der Bundesrepublik. Eine Schwierigkeit für den BEK sei es, „in diesen Fragen ihr kirchliches Proprium durchzuhalten“, da die Regierung der DDR natürlich hartnäckig bemüht sei, den Bund im Sinne einer Übernahme ihrer „speziellen Sicht zu diesen politischen Komplexen“ zu bewegen. Aus der Stellungnahme, die der BEK am 8. Juli als Reaktion auf den Brief des ÖRK-Generalsekretärs Philip Potter hinsichtlich des Programms über Militarismus und Wettrüsten erarbeitet habe, werde ersichtlich, dass die Kirchen in der DDR die Erziehung zum Frieden als kirchlichen Auftrag betrachteten.158 Lingner schlug vor, in einer knappen Woche im Ost-West-Gesprächskreis zu debattieren, ob nicht auch die Kirchen der EKD ihr Engagement in der Abrüstungsfrage verstärken „könnten und wollten“. Ferner könne man im Rahmen der gemeinsamen Aussprache untersuchen, inwieweit sich in den östlichen und westlichen Kirchen unterschiedliche Haltungen zur Frage der Abrüstung entwickelten. Eins, so schrieb Lingner, sei derzeit zumindest klar: Die EKD-Kirchen formulierten „ihre Antworten zurückhaltender“ als die des Kirchenbundes in der DDR.159 Hammer informierte am 9. Dezember etwas spärlich über den Verlauf des „Gedankenaustauschs“, zu dem Claß, Hild sowie weitere Vertreter der EKD verabredungsgemäß am 8. Dezember mit dem KKL-Vorstand und dem Konvent der Bischöfe zusammengetroffen waren. Erörtert worden seien Fragen des jeweiligen kirchlichen Auftrags, wobei die kirchliche Mitverantwortung für die Friedenssicherung und das Festhalten an der Entspannungspolitik im Mittelpunkt der Debatte gestanden habe.160 Die Begegnung hatte zwar nicht zu der anvisierten Vollversion eines „Gemeinsamen Wortes“ geführt, aber zur Verabschiedung einer „Gemeinsamen Erklärung“, mit der die EKD und der Bund im Kontext der 1975 in Helsinki unterzeichneten KSZE-Schlussakte und der laufenden Folgekonferenz in Belgrad deren Bedeutung auch für das gemeinsame Handeln der Kirchen, die in Sorge um den Fortgang des Prozesses der politischen Entspannung „an der Grenze zwischen den beiden großen Gesellschaftssystemen in Europa“ lebten, für den Weltfrieden herausstellten.161 158 Der Brief Potters stammte vom März 1977, die hektographierte BEK-Stellungnahme ist abgedruckt bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 207–213. 159 Schreiben Lingner an Beratergruppe vom 6.12.1977, S. 1f. (EZA, 673/91/30). 160 Information Hammer vom 9.12.1977, S. 1 (EZA, 2/93/1492). 161 Abdruck der „Gemeinsamen Erklärung“ bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 231f.

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Wie von Lingner angeregt, erörterten die westlichen und östlichen Kirchenvertreter auf ihrer gemeinsamen Sitzung am 12. Dezember, über welche grundsätzlichen Möglichkeiten die Kirchen verfügten, sich für die beidseitige Abrüstung einzusetzen. Der Katholik Joachim Garstecki, der in der Theologischen Studienabteilung beim Bund als Referent für Friedensfragen maßgeblich an der Formulierung der entsprechenden Positionen des BEK beteiligt war, erläuterte in einem Referat die historischen, politischen und gesellschaftlichen Hintergründe.162 Am 28. November sandte Heidingsfeld dem Leiter der Berliner Stelle seine Notizen über die Zusammenkunft der Beratergruppe zu, die diesem eventuell bei der Anfertigung seines eigenen Vermerks von Nutzen sein könnten. Über die Zukunft der gemeinsamen Gruppe äußerte Heidingsfeld sich gleichermaßen skeptisch wie kritisch: „Wie es mit diesem Gremium im neuen Jahr weitergehen soll, weiß ich nicht. Es müßte deutlicher werden, was die Runde will, wie sie sich selber versteht. Ist sie ein ‚Bischofsstammtisch‘? Oder ein sachbezogen arbeitendes Gremium? Da Beschlüsse eh nicht gefaßt werden können, ist die sonst bei Sitzungen nötige Strenge und Präzision nicht vonnöten.“

Was allerdings seiner Ansicht nach nicht heißen dürfe, dass innerhalb der Beratergruppe „über alles und jedes – und das auch noch möglichst unvorbereitet –“ geredet werden sollte. So schlug er vor, was Lingner selbst bereits häufiger angeregt und in gewissem Maße auch zur Umsetzung gebracht hatte, nämlich das Ost-West-Gremium mit der Vorklärung und Beratung von „EKD und Bund gemeinsam interessierenden und auch berührenden“ Themen zu betrauen. Zu bestimmten Fragen könnten Spezialisten hinzugezogen werden. Voraussetzung sei allerdings, dass sowohl auf westlicher wie auf östlicher Seite „kluge und vorausschauende Menschen“ vorab Überlegungen anstellten, wie diese Themenkomplexe am besten behandelt werden könnten. Nach Abschluss der jeweiligen Sitzungen müssten wiederum die Mitglieder der Beratergruppe ihre „Wünsche zur nächsten oder übernächsten Tagesordnung“ anmelden, damit konkrete Themen und Informationen vorbereitet werden könnten.163 Eher bedrückend war der Bericht, den der Nachfolger Kunsts im Amt des Ratsbevollmächtigen am Sitz der Bundesrepublik, Heinz-Georg Binder, den Ratsmitgliedern am 26. und 27. Januar über den Verlauf der im Gange befindlichen KSZE-Folgekonferenz in Belgrad und die „offensichtlich eingetretene Verschlechterung“ im Verhältnis beider deutscher Staaten erstattete. Binder verdeutlichte den Anwesenden noch einmal, dass die Kirchen allein insofern sehr 162 163

Vermerk Heidingsfeld vom 26.12.1977 (EZA, 101/360). Schreiben Heidingsfeld an Lingner vom 28.12.1977 (EZA, 673/91/30).

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von dem Kurs politischer Entspannung profitiert hätten, als er ihnen ermöglicht habe, den Christen in der DDR Hilfe zu leisten. Das sei ein entscheidender Grund für das besonders ausgeprägte Interesse der Kirchen, dass die auf Entspannung gerichtete Politik weitergeführt werde und nicht in der Stagnation ende.164 Über einen weiteren, gleichwohl vermutlich nur vorübergehenden Missstand wurde Lingner am 11. Februar in einer Unterredung von Vertretern der EKD-Kirchenkanzlei mit denen des Bundes informiert. Da offenbar auf höherer Ebene entschieden worden war, die Einfuhr von Literatur in die DDR zu legalisieren, sei derzeit der „Weg zur Weiterleitung von Literatur“ nicht mehr gangbar. Nun solle darüber befunden werden, „ob das Risiko einer weiteren illegalen Einfuhr noch tragbar ist“.165 Kramer, der als Referent zur kommenden Sitzung des Ost-West-Gesprächskreises eingeladen worden war, wandte sich am 20. Februar an den stellvertretenden Leiter des BEK-Sekretariats, Christoph Demke, um angesichts einer Terminkollision zu erläutern, warum er seine Prioritäten in Zukunft vermutlich zu ungunsten einer Teilnahme an der Beratergruppe setzen werde. Als Mitglied des Vorstands der KKL hatte er von Anfang an mit der sogenannten DDR-Presseschau einen Beitrag zum wechselseitigen Informationsaustausch geleistet. Nun schrieb er Demke: „Zum dritten weiß ich aus den vergangenen Jahren, wie begrenzt die Zeit und wie unterschiedlich das Interesse an den Früchten meines persönlichen Engagements ist. Solange das als Nebenfrucht abfiel, ist dagegen ja nichts zu sagen, aber als ausdrücklich eingeladener Referent zu diesem Punkt [Presseschau] komme ich mir angesichts der Entscheidung der Konferenz vom 22.10.166 einfach komisch vor. Man kann eben nicht intakte Eier und aus ihnen ein Omelett gleichzeitig haben, und das sollte vorher im Blick sein“.167

164 Niederschrift (Höner) über die 66. Sitzung des Rates der EKD am 26./27.1.1978 in Mülheim/ Ruhr, S. 8 (EZA, 2/93/859). 165 Vermerk Lingner vom 13.2.1978 (EZA, 4/91/702). 166 Kramer war 1977 bei den Neuwahlen in Herrnhut von der KKL nicht mehr in den kleinen Kreis des Vorstands gewählt worden, sondern nach zwei Amtsperioden nur noch „einfaches“, von der Bundessynode gewähltes KKL-Mitglied. 167 Schreiben Kramer an Demke vom 20.2.1978 (EZA, 101/360).

3. Kapitel: Neue Gestaltungsmöglichkeiten nach dem 6. März 1978 (1978–1983)?

Ebenfalls mit dem Betreff Beratergruppe richtete sich Lingner am 2. März an das Ratsmitglied Lohse und teilte ihm mit, dass auf der kommenden Sitzung des Gremiums nur wenige „repräsentative“ Vertreter der EKD anwesend sein würden. In diesem Zusammenhang wolle er darüber informieren, dass „bisweilen“ der Verlauf der gemeinsamen Beratungen als nur „wenig günstig“ zu bezeichnen sei. Neben vielschichtigen anderen Ursachen sei dies auf die Tatsache zurückzuführen, dass die östlichen und westlichen Mitglieder „sich gegenseitig mit großer Behutsamkeit“ begegneten. Einerseits würden tatsächlich vorhandene Kontroversen in Sachfragen ein wenig überspielt, während auf der anderen Seite selbstverständlich auch innerhalb des Bundes über spezielle Fragen kein Konsens herrsche. Jedenfalls komme die Uneinigkeit zwischen den Vertretern aus der DDR zum Teil „sehr deutlich“ gerade in den Wortbeiträgen des KKL-Vorsitzenden Schönherr zum Ausdruck, je nachdem, „ob er seine Formulierungen sehr allgemein wählt oder stark zeichnet“.1 Aus der Sitzung, die am 14. März stattgefunden hatte, hielt Lingner dann Schönherrs Äußerung fest, es sei für die Kirchen in der DDR „nicht unproblematisch“, dass der Rat in West-Berlin tage. Lingner fügte hinzu, dass sich Schönherr bei dieser kritischen Anmerkung durchaus darüber im Klaren gewesen sei, dass es sich hier um keine Neuerung handele, sondern die Sitzungen des Rates „schon immer“ in Berlin stattgefunden hätten.2 Mittlerweile hatte Honecker am 6. März 1978 das lange vorbereitete und als große Zäsur in den Staat-Kirche-Beziehungen erhoffte Gespräch mit dem Vorstand der KKL geführt, auf das Vertreter von Staat und Kirche sich immer wieder berufen sollten.3 Im Verlauf dieser Unterredung wurden für den Bund 1

Schreiben Lingner an Lohse vom 2.3.1978, S. 1 (EZA, 673/91/30). Vermerk Lingner o. D., S. 8 (EZA, 4/92/6). 3 Vgl. die „Information des Sekretariats“ des BEK und andere Dokumente zu diesem Gespräch in U. SCHRÖTER /H. ZEDDIES, Nach-Denken, S. 152–174. – Von der HA XX/4 des MfS wurden am 7.3.1978 die offenbar in der Gesamttendenz positiven Reaktionen der am Gespräch beteiligten BEKVertreter ausgewertet. Ähnlich sei die Einschätzung des Kirchenjournalisten Henkys ausgefallen, wie IMV „Harry“ seinem Führungsoffizier am 9.3. mitgeteilt hatte. Lediglich aus den ersten Wortmeldungen kirchlicher Kreise (Information vom 10.3.) sprächen nicht nur Anerkennung und positive Würdigung, sondern gleichermaßen ein gewisses Misstrauen, ob die zwischen Staat und Kirche ge2

Neue Gestaltungsmöglichkeiten (1978–1983)?

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wichtige Sachthemen wie kirchliche Bauvorhaben, Sendezeiten für die Kirche in Rundfunk und Fernsehen, Gottesdienste und Seelsorge im Strafvollzug und Einfuhr kirchlicher Literatur angesprochen, und der Staatsratsvorsitzende würdigte ausdrücklich das kirchliche Friedensengagement. Lingner richtete sich mit Bezug auf das Spitzengespräch, über das die östlichen Brüder die anwesenden Ratsabgesandten bei der März-Sitzung der gemeinsamen Beratergruppe genauer informiert hatten, am 6. April mit einem immerhin achtseitigen Schreiben an Lohse, Hammer und Wilkens. Er regte an, dem Rat der EKD nicht nur kurz im Rahmen des Berichts aus der Beratergruppe über den Verlauf des 6.3.1978 in Kenntnis zu setzen, sondern es detaillierter in seiner „Bedeutung“ zu erläutern: „Dabei sollte deutlich werden, wie die Brüder in der DDR das Gespräch und seine Auswirkungen einschätzen als auch westliche Beobachter“.4 Lohse ging auf der Sitzung des Rates am 7. und 8. April auf die Themen ein, die beim Treffen des Ost-West-Gesprächskreises in der DDR-Hauptstadt eine besondere Rolle gespielt hatten. Man habe über die Situation der Evangelischen Studentengemeinden in der DDR gesprochen und sich darauf mit dem sogenannten Sjollema-Papier5 auseinandergesetzt. Großen Raum habe die Debatte über die Begegnung des KKL-Vorstands mit dem Staatsratsvorsitzenden Honecker eingenommen. Tatsächlich übernahmen es im Anschluss Lingner und Binder, den Bericht Lohses zu ergänzen.6 Es wurde der Vorschlag gemacht, in das Kommuniqué über die Ratssitzung eine Passage zum Staat-Kirche-Spitzengespräch in der DDR einzufügen. Darin könne zunächst die Freude auch des Rates der EKD zum Ausdruck gebracht werden, „daß zwischen Staat und Kirche in der DDR ernsthafte Bemühungen im Gange sind, die Gleichachtung, Gleichberechtigung und Chancengleichheit aller Bürger, ohne Unterschied der Religion und Weltanschauung, auf allen Ebenen durchzusetzen und dies zur verbindlichen Norm zu machen“. Der Rat könne ferner hervorheben, dass der Bund sich zur kirchlichen Mitverantwortung für die Sicherung des Weltfriedens bekannt habe und in diesem Kontext auf die gemeinsame Erklärung von Vertretern des Bundes und der EKD vom 8. Dezember 1977 verweisen, in der festgestellt worden sei, „daß die Kirchen in beiden Staaten es als ihre Aufgabe

troffenen Vereinbarungen tatsächlich realisiert würden (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1096, Bl. 226ff., 229–233, 234–237). 4 Schreiben Lingner an Lohse, Hammer, Wilkens vom 6.4.1978, S. 1 (EZA, 643/97/15). 5 Dabei handelte es sich um das Hintergrund-Papier „Südafrika heute – Hoffnung um jeden Preis?“ vom Dezember 1977, das der Leiter der Antirassismusabteilung des ÖRK, Baldwin Sjollema, erarbeitet hatte. Diese Ausarbeitung wurde nicht nur von Vertretern der EKD und des Bundes unterschiedlich bewertet und kontrovers diskutiert. 6 Niederschrift (Echternach) über die 68. Sitzung des Rates der EKD am 7./8.4.1978 in Berlin, S. 15 (EZA, 2/93/861).

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ansehen, die Politiker zu ermutigen, zur weiteren Entspannung in Europa beizutragen, z. B. durch Minderung der Rüstungsabgaben und dadurch, daß die angestrebte Zusammenarbeit zwischen den Staaten noch mehr und sichtbarer als bis jetzt den Menschen zugute kommt“.7 Am 14. April wandte sich der sächsische Landesbischof Hempel in einer insofern etwas prekären Angelegenheit an den KKL-Vorsitzenden, als sie nicht nur Schönherrs Funktion, sondern letztlich auch seine Persönlichkeit betraf: „Was mich beschwert, möchte ich in eine Bitte zusammenfassen. Ich bitte Sie, aktiv das Mögliche dafür zu tun, daß der Vorsitzende des Bundes nicht im Laufe der Zeit als der Repräsentant des Bundes nachgesehen wird. Ich behaupte nicht, daß es jetzt so ist. Ich habe aber zunehmend den Eindruck, daß es so wird. Ich bitte Sie, aktiv das Mögliche zu tun, daß die Repräsentanten der Gliedkirchen, d. h. konkret wohl der Vorstand und die Mitglieder der KKL als die Wirklichkeit des Bundes in den Blick gerückt bleiben.“

Als Beispiel dafür, dass die von ihm als sich herausbildender Missstand wahrgenommene Situation bereits Informationsdefizite mit sich bringe, führte Hempel eine Unterredung Schönherrs und Stolpes mit Seigewasser vom 11. April an, von der er nur zufällig erfahren habe.8 Der Dresdner Bischof verdeutlichte, dass er den Vorsitzenden der KKL einem „objektiven Sog“ ausgesetzt sehe, der außerhalb von Schönherrs Einflussbereich liege. Denn es sei ohne jeden Zweifel so, dass der Staat – allein aufgrund des zentralistischen Aufbaus des DDRSystems – „lieber mit einem Mann“ verhandele: „Die staatliche Analogie und die daraus resultierenden Wünsche sind ein Sog.“ Auch im kirchlichen Bereich, beispielsweise bei den „Delegationen von draußen“ und ebenfalls in einzelnen Gliedkirchen existierten ähnliche Tendenzen. Schließlich brachte Hempel seine Befürchtungen und das damit verbundene eigentliche Anliegen ebenso kritisch wie deutlich auf den Punkt und betonte, „daß ich Ihre persönliche Fairneß nicht in Zweifel ziehe, aber mir fehlen die ‚föderativen Impulse‘ von Ihnen, und ohne die ist der Sog nicht zu überwinden. Meine Bitte ist, daß der Vorsitzende Moderator ist und keinesfalls mehr. Unter Moderator verstehe ich, daß der Vorsitzende (mit seinen Stellvertretern) seine Aufgabe darin hat, die ihm Zugeordneten mit deren Gaben und Lasten in den Blick zu rücken und sich selbst ohne diese Mannschaft möglichst wenig sehen zu lassen. Ich bin gegen eine hierarchisch agierende Kirche und für eine mannschaftliche. (Womit ich nicht gesagt haben möchte, daß ich mich ausschließlich so verhielt.) Ich weiß, daß Sie das als Mensch und

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Vorschlag (o. A.) für Einschub ins Ratskommuniqué o. D. (EZA, 2/01/1428). In der Tat wurde das Gespräch weder bei den Sitzungen des Vorstands, der KKL, des Bischofskonvents oder der Beratergruppe erwähnt. Auch ein vertraulicher Vermerk o. ä. fand sich nicht in den Akten. 8

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Christ auch sind. Aber ich sehe das nicht mehr deutlich, daß Sie das auch als Vorsitzender des Bundes sind. Sie schaffen Traditionen. Wie soll ein nächster Vorsitzender des Bundes das korrigieren? Wieviel Kräfte wird er unnütz verbrauchen müssen, um das zu erreichen, falls er es zu erreichen wünscht?“9

In Anlehnung an die von Lingner bereits Anfang September 1975 vorgebrachte und in den Ratsbeschluss zur Tätigkeit der Beratergruppe von Ende September 1975 auch aufgenommene Anregung, im Zusammenhang mit den kirchlichen Ost-West-Verbindungen und der Beratergruppe eine Art theologischer Arbeitsgruppe zu installieren, richtete sich Lingner am 12. April an den neuen Präsidenten der EKU-Kirchenkanzlei (West), Peter Kraske. Er legte den Entwurf seines Schreibens an Wilkens bei, das er erst abzusenden beabsichtige, wenn dazu das Votum Kraskes eingegangen sei. Für einen theologischen Gesprächskreis, zusammengesetzt aus Vertretern des Bundes und der EKD, habe er nach einer Unterredung am 17. März mit Zeddies, dem Leiter des Lutherischen Kirchenamtes der VELKDDR, bereits einige potentielle Kandidaten aus der DDR aufgelistet10 und diese Informationen an seinen Kollegen Karlheinz Schmale in der Berliner Stelle des Lutherischen Kirchenamtes der VELKD weitergegeben. Hinsichtlich der personellen Besetzung mit Teilnehmern aus dem Westbereich plane Lingner, sich mit Heidingsfeld die Geschäftsführung der theologischen Beratergruppe zu teilen. Als VELKD-Vertreter müsse Schmale einbezogen werden.11 Diese Frage sei jedoch noch gründlicher zu erörtern, wenn die EKD-Kirchenkanzlei dem Vorhaben ihre Zustimmung erteilt haben sollte.12 In dem Briefentwurf an den Vizepräsidenten der EKD-Kirchenkanzlei hatte Lingner etwas ausführlicher erläutert, dass der Plan, eine theologische Ost-West-Arbeitsgruppe zu bilden, die zwei bis dreimal im Jahr zusammentreten solle, von Zeddies vorgeschlagen worden und ursprünglich aus zahlreichen Unterredungen zwischen Lingner und Zeddies erwachsen sei. Beide seien der Ansicht, dass „die Aufgaben gemäß Art. 4 Abs. 4 der Ordnung des Bundes und der entsprechenden Beschlüsse von Synode, Rat und Kirchenkonferenz der EKD nicht befriedigend wahrgenommen“ würden. In der Arbeitsgruppe könnte untersucht werden, ob in West und Ost „auf bestimmte Fragen unterschiedliche Antworten gegeben worden sind 9 Schreiben Hempel an Schönherr vom 14.4.1978, S. 1–3. Hervorhebungen im Original (EZA, 687/50). Eine Reaktion auf dieses Schreiben aus den Handakten Schönherrs liegt der Verfasserin nicht vor. Allerdings geht ja nicht nur aus dem oben zitierten Brief Lingners an Lohse vom 2.3.1978 hervor, dass Schönherrs Auftreten in kirchlichen Gremien, in der Öffentlichkeit und gegenüber dem SEDStaat stark autoritative Tendenzen aufwies. 10 Zeddies, G. Krusche, Hempel oder Domsch, Falcke, Forck, Demke, Wiebering, Amberg und Schultze. 11 Lingner schlug als westliche Vertreter noch Honecker, Mohaupt und Schlaich vor. 12 Schreiben Lingner an Kraske vom 12.4.1978 (EZA, 8/91/1186).

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oder Arbeitsergebnisse voneinander abweichen“. Über spezielle Themenkomplexe könnten sich „kompetente Fachleute“ gemeinsam beraten und – falls in den Unterredungen Ergebnisse erzielt und formuliert würden – die entsprechenden Erträge „in geeigneter Weise kirchenleitenden Gremien bzw. ihren Kanzleien zur Kenntnis“ bringen. Für die gründliche Erörterung von Einzelfragen sei die Beratergruppe „kein geeignetes Gremium“. Dies treffe gleichermaßen auf die einmal im Jahr durchgeführten „Spitzengespräche“ zwischen dem EKD-Ratsvorsitzenden und weiteren westlichen Kirchenvertretern mit der KKL und ihrem Vorstand zu, da auch in diesem Rahmen keine „Facharbeit“ geleistet werden könne. Die Art von Gesprächen, für die Lingner und Zeddies sich die Bildung einer deutsch-deutschen theologischen Arbeitsgruppe wünschten, könne allenfalls noch zwischen Mitgliedern der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung und denen des BEK-Ausschusses Kirche und Gesellschaft geführt werden, deren inhaltliche Tätigkeit einem speziellen Austausch über theologische Fragestellungen am ehesten vergleichbar sei.13 Nachdem Schmale Lingner am 17. April für sein Schreiben einige Änderungsvorschläge gemacht hatte, sandte der Leiter der Berliner Stelle am 2. Mai nicht den oben zitierten Entwurf seines Schreiben ab, sondern eine deutlich zurückhaltender formulierte Fassung, in der es unter anderem hieß: „Wir [Lingner und Zeddies] haben ein wenig den Eindruck, daß die Aufgaben gemäß Art. 4 Abs. 4 der Ordnung des Bundes und der entsprechenden Beschlüsse von Synode, Rat und Kirchenkonferenz der EKD nicht befriedigend wahrgenommen werden. Die bestehenden Kontakte auf der Ebene von Kirchenleitungen (Beratergruppe und ‚Spitzengespräch‘) können die ins Auge gefaßte Aufgabe nicht bewältigen. Wenn der Plan verfolgt werden soll, kann es sich zunächst nur um einen Versuch handeln. Weder Herr Zeddies noch ich sind sicher, ob es gelingt, einen solchen Gesprächskreis sinnvoll arbeiten zu lassen. Auf jeden Fall muß vermieden werden, zu den zahllosen Ausschüssen in beiden Bereichen einen weiteren zu gründen, der letztlich doch nichts zustande bringt.“14

Für die Kirchenkanzlei der EKU fasste Kraske am 27. April seinen Eindruck hinsichtlich des von Lingner anvisierten Vorhabens zusammen. Wie er dem Leiter der Berliner Stelle bereits fernmündlich mitgeteilt habe, werde eine „Intensivierung des theologischen Gesprächs zwischen EKD und Kirchenbund“ grundsätzlich begrüßt, doch habe eine erfolgreiche Umsetzung des Plans zweifellos bessere Aussichten, wenn die gliedkirchlichen Zusammenschlüsse beteiligt würden. Lingner habe ihm zu verstehen gegeben, dass er sich nicht auf „andersartige Planungen einlassen wolle“, bevor er eine ermunternde oder zustimmende Reak13 14

Schreiben (Entwurf) Lingner an Wilkens vom 12.4.1978, S. 1 (EZA, 4/92/6). Schreiben Lingner an Wilkens vom 2.5.1978, S. 1 (EZA, 4/92/6).

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tion aus Hannover erhalten habe. Kraske notierte weiter Lingners Befürchtung, Hammer und Wilkens könnten die Ansicht vertreten, dass die Bildung eines theologischen Gesprächskreises insofern überflüssig sei, als in der Tat die Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD und der Ausschuss Kirche und Gesellschaft des Bundes „genauso gut und ohne zusätzlichen Aufwand“ diese Aufgabe in ihre gemeinsamen Gespräche einbeziehen könnten. Kraske schloss mit der Bemerkung, das Ganze sei eher als „unverbindliches Experiment“ gedacht, für das die Kirchen „noch keine Verantwortung übernehmen“ müssten.15 Wilkens meldete sich am 11. Mai mit einem überraschend positiven Votum bei Lingner. Die von Zeddies angestoßene Überlegung sei so naheliegend, dass man sich „wundern“ müsse, „nicht schon eher darauf gekommen“ zu sein. Er stimme mit Lingner in seiner Einschätzung im Blick auf die „Möglichkeiten und die Schwierigkeiten, hier die EKD einzuschalten“, völlig zu. „Zugespitzt“ könne man sogar die Frage stellen, ob eine solche theologische Arbeitsgruppe in der Verantwortung der EKD gebildet werden könne, zumal „viele ihr das Recht bestreiten, im eigenen Bereich etwas Vergleichbares zu tun“. Dies müsse auf der kommenden Sitzung des Rates diskutiert werden. Wilkens versprach, darüber nachzudenken, inwieweit es möglich sei, das Vorhaben in die EKD-internen Überlegungen zur „Verbesserung der Zusammenarbeit in der EKD“ einfließen zu lassen. Er halte es für gangbar zu versuchen, in diesem Sinne die Anregungen von Zeddies und Lingner vorläufig „für eine Förderung theologischer Zusammenarbeit innerhalb der EKD“ nutzbar zu machen. Ausgehend von einer solchen Unterredung innerhalb der EKD sei es nur noch ein kleiner Schritt, dann die „Querverbindungen zum Kirchenbund hinüber zu schaffen“.16 Bezugnehmend auf ein Schreiben, mit dem der EKD-Ökumenereferent Groscurth Mitte Mai gegenüber Lingner das problematische Hintergrundpapier von Baldwin Sjollema, dem Leiter der Antirassismusabteilung des ÖRK in Genf, zum Antirassismus-Programm thematisiert hatte, antwortet Lingner am 1. Juni. Er wies zunächst auf die ausführliche Darstellung der entsprechenden Ratsdebatte hin, über die sein Protokoll der Ratssitzung sowie der vorgesehene mündliche Bericht des Vorsitzenden Claß für das Treffen der Beratergruppe Aufschluss gäben. Lingner riet bei einer Diskussion über die Haltung der EKD zu dem Papier zur absoluten Zurückhaltung und brachte sein Erstaunen zum Ausdruck, dass allseits von einem Diskussions-Beitrag ohne „offiziellen Status“ gesprochen werde, obwohl die Ausarbeitung bereits weltweite Verbreitung gefunden habe und sogar auf Pressekonferenzen erläutert werde. Der Autor selbst habe in seinem Anschreiben bemerkt, eine „Orientierungshilfe für konkretes Handeln geben [zu 15 16

Vermerk Kraske vom 27.4.1978, S. 1f. (EZA, 8/91/1186). Schreiben Wilkens an Lingner vom 11.5.1978, S. 1f. (EZA, 2/93/1498).

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wollen], und zwar sowohl für individuelle als auch konkrete Aktionen“, und sich damit an „interessierte Gruppen und Einzelpersonen“ gerichtet, was ganz offensichtlich über eine Anregung zur Diskussion hinausgehe. Wenn nun Einzelpersonen, Gruppen und die Öffentlichkeit „in einer Mitgliedskirche unmittelbar von dem ÖRK über heiß umstrittene Fragen unterrichtet werden und diese Unterrichtung zugleich einen Aufruf zu Aktionen“ enthalte, so seien die Bedenken der EKD keineswegs grundlos. Den weiteren Verlauf der Debatte wisse Lingner nicht einzuschätzen, da man sowohl das formale Vorgehen des ÖRK als auch den Inhalt17 des Sjollema-Papiers mit einiger Berechtigung kritisieren könne. Sorgen bereite ihm allerdings die Aussicht auf eine Trübung der Beziehungen zwischen EKD und Bund. Wie einer „Zwischenantwort“18 des Kirchenbundes in der DDR zu entnehmen sei, halte man dort gerade die „Gewaltfrage in sehr aufnahmebereiter Weise für diskussionswürdig“. Wenn die konträren Haltungen der beiden deutschen Kirchen hinsichtlich der Verwendung des ÖRK-Sonderfonds19 noch habe „mühsam kaschiert“ werden können, sei nicht auszuschließen, dass nun Folgendes offenbar werde: „Die Kirchen in der EKD und die Kirchen in der DDR kommen in einer sehr grundsätzlichen theologischen Frage zu widersprüchlichen Aussagen und Meinungen. Hier kann die Glaubwürdigkeit der protestantischen Kirchen in Frage gestellt werden.“ Lingner schloss mit der Hoffnung, dass das Treffen mit den östlichen Brüdern am 12. Juni zur Klärung einiger Fragen beitragen werde.20 17 In der Ausarbeitung über die Lage in Südafrika werde einerseits davon gesprochen, dass eine klare Definition einer „gerechten Auflehnung“ vorgenommen werden müsse, gleichzeitig jedoch betont, das Fehlen dieser Interpretation dürfe nicht zum Anlass genommen werden, „den Kampf der Schwarzen“ nicht „schon jetzt zu unterstützen“. Darin sah Lingner den Beweis, dass in dem Papier sogar die „Option“ zur Rechtfertigung von Gewalt im Sinne eines gewaltsamen Widerstandes der Schwarzen in Südafrika enthalten sei. 18 Eine erste Stellungnahme zum Hintergrundpapier hatte der Bund mittels eines Schreibens seines FAK Ökumenische Diakonie an Sjollema vom 17.5.1978 abgegeben, der „einen deutlicheren Akzentunterschied – wenn nicht einen Dissens –“ zwischen EKD und Bund aufdeckte (Vgl. KJ 1978 [105. Jg.], S. 336–339; hier S. 336f.). 19 Der Sonderfonds des ÖRK war im Rahmen der Bekämpfung des Rassismus in Südafrika zur Unterstützung unterdrückter (Volks-) Gruppen vorgesehen. Da die Abstimmung über die Vergabekriterien natürlich mit einer politischen Beurteilung einherging, welche Gruppen (und damit gleichermaßen ihre Vorgehensweise und politischen Ziele) der finanziellen Hilfen würdig waren, gestaltete sich die Konsensfindung vor allem zwischen Kirchen aus Ländern mit unterschiedlichen Regierungsformen und Gesellschaftssystemen äußerst kompliziert. Strittig war z. B. die Frage, ob die Patriotische Front in Zimbabwe, die in den Jahren 1977/78 (bewaffnete) Guerillakämpfe führte, um die Schwarzen-feindliche Regierung zu stürzen, Fondsmittel erhalten sollte. 20 Schreiben Lingner an Groscurth vom 1.6.1978, S. 1f. (EZA, 643/94/12). – Im kirchlichen Jahrbuch von 1976/77 hatte Lingner bereits die Divergenzen zwischen den Kirchen im Blick auf die Gewaltfrage an der Ausarbeitung „Erziehung zum Frieden“ der ThSA und des FAK Friedensfragen beim Bund verdeutlicht: „Es läßt sich nicht übersehen, daß sich insoweit das kirchliche Votum in die Thesen

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Am gleichen Tag wandte sich Lingner an die westlichen Mitglieder der Beratergruppe, um sie auf die für den 12. Juni ins Auge gefasste Diskussion zum Hauptthema Südafrika und die dabei zu erwartenden Meinungsverschiedenheiten vorzubereiten. Er betonte, dass die EKD in ihren „amtlichen Verlautbarungen durch die Jahre hindurch eine Stellung bezogen und durchgehalten [habe], die im Widerspruch zu den Tendenzen des ‚Hintergrundpapiers‘“ stünde. Das werde vor allem auch bei der Lektüre der vertraulichen Bewertungen von Held und Wilkens deutlich. Grundsätzlich habe sich die EKD kontinuierlich für eine friedliche Lösung der Rassenkonflikte in Südafrika eingesetzt, und die in diesem Kontext publizierte theologische Thesenreihe zur Gewaltfrage21 bestimme noch heute „ihre Grundhaltung“. Lingner erläuterte, dass die kritische Bewertung des Sjollema-Papiers durch den Rat auch vor dem Hintergrund der „wohl seit Jahren bestehenden Spannung“ zwischen EKD und ÖRK in dieser Frage zu sehen sei. Auch habe sich die EKD in der Vergangenheit des Öfteren mit dem ÖRK über „Verfahrensfragen“ auseinandergesetzt, bei denen sie sich „brüskiert gefühlt hat und fühlt“. Für seine Haltung gegenüber dem Ökumenischen Rat im Allgemeinen und in der Südafrika-Frage im Speziellen werde der Rat der EKD „von kirchlichen Gruppen und Einzelpersönlichkeiten in der EKD z. T. scharf kritisiert“. Allerdings ginge es dabei zumeist weniger um eine Distanzierung von den theologischen Thesen als vielmehr um den formalen Umgang des Rates mit dem ÖRK, der als schulmeisterlich-belehrend empfunden werde. Lingner wies darauf hin, dass sich die Südafrika-Kommission „trotz ihrer gewiß komplizierten personellen und institutionellen Zusammensetzung und der damit gegebenen Meinungspluralität sachlich nicht von der Haltung des Rates speziell zur Gewaltfrage distanziert“ habe.22 Zuletzt verdeutlichte Lingner, dass der Bund ganz offensichtlich der Ausarbeitung Sjollemas nicht ablehnend gegenüberstünde, sondern gerade auch den Argumenten zur Gewaltfrage mit größerer Aufgeschlossenheit begegne. So regte Lingner an, sich bei der Sitzung der Ost-West-Beratergruppe der spannenden Frage anzunähern, welche Stellung die Kirchen in der DDR zu den zwölf theologischen Thesen der EKD einnähmen. Auf der Grundlage der Thesenreihe, die Lingner „in ausreichenden Exemplaren“ in die Auguststra-

der sozialistischen Staaten einfügt, nach denen im Rahmen des proletarischen bzw. sozialistischen Internationalismus Gewaltanwendung nationaler oder sozialer Befreiungsbewegungen unterstützt werden kann und darf. Man muß allerdings hinzufügen, daß auch der ÖRK in seinen Stellungnahmen Gewaltanwendung von Befreiungsbewegungen nicht eindeutig verurteilt und damit auch praktisch legitimiert. Die Arbeit ‚Erziehung zum Frieden‘ läßt sich also auch in den ökumenischen Kontext einordnen“ (KJ 1976/77 [103./104. Jg.], S. 451). 21 Gemeint waren die 12 theologischen Thesen der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung mit dem Titel „Gewalt und Gewaltanwendung in der Gesellschaft“ vom Mai 1973. 22 Dieser Satz war mit einem hsl. Fragezeichen versehen.

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ße bringen werde, könne eine Aussprache geführt werden, um herauszufinden, ob in der theologischen Bewertung der Gewaltfrage zwischen den östlichen und westliche Brüdern ein Konsens bestünde. Lingner wies die Mitglieder der Beratergruppe aus der Bundesrepublik dann noch darauf hin, dass der Ratsvorsitzende um einen Bericht zur Lage gebeten worden sei, in dem auch das weitere Vorgehen der EKD in der Abrüstungsfrage thematisiert werden solle. Das Gespräch, welches der Bund mit dem Nationalrat der Kirchen Christi (NCC) in den USA über Fragen der Abrüstung geführt habe, werde dabei Berücksichtigung finden.23 Über die gemeinsame Sitzung der EKU-Bereichsräte am 5. Juli sandte Groscurth Heidingsfeld, Henkys und Lingner eine vertrauliche Information zu, um sie über zwei Verhandlungspunkte zu unterrichten, „die möglicherweise bei Ihnen noch nicht angekommen sind“. Zum Ersten handelte es sich um einen Bericht W. Krusches über eine Unterredung von Vertretern des Bundes mit dem Vorsitzenden des Ministerrates, Willi Stoph, um die Schönherr Staatssekretär Seigewasser Anfang Juni24 gebeten hatte, um Stoph ökumenische Dokumente zur Abrüstung und europäischen Sicherheit übergeben zu können. Eingangs habe Schönherr verdeutlicht, dass die Kirche keine streng pazifistische Haltung vertrete, doch mit Besorgnis die Abrüstungssituation und die Maßnahmen gegen eine Erziehung zum Frieden betrachte. Da Stoph daraufhin ein einstündiges Referat gehalten habe, das Gespräch allerdings von vornherein auf 90 Minuten limitiert gewesen sei, hätten die Kirchenvertreter ihre Anliegen nur ansatzweise vorbringen können. Der stellvertretende KKL-Vorsitzende Kurt Domsch habe in Anlehnung an das sächsische Sprichwort „Vertrauen schafft Vertrauen“ angefragt, ob dies auch für die Bausoldaten gelte, während Krusche seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht habe, dass die vorgelegten Papiere der ökumenischen Konferenzen nicht nur selektiv, sondern umfassend vom Staat zu Kenntnis genommen würden. Stoph habe erwidert: „Nicht alle guten Gedanken stammten nur aus den Ministerien; je mehr Leute gut mitdächten, desto besser sei es. Man erwarte von der Kirche nicht, daß sie in ihren Erklärungen Voten von Außenminister [Oskar] Fischer vor der UNO repetiert, aber 23 Schreiben Lingner an Beratergruppe vom 1.6.1978, S. 1f. (EZA, 643/94/12). – Vgl. dazu den Gemeinsamen Bericht über den Dialog zwischen Vertretern des Bundes, des NCC und der Vereinigung Ev. Freikirchen in der DDR am 5.–7.4.1978 in Chorin zum Wettrüsten in: M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 264–268. 24 Am 1.6.1978 hatte der Vorstand der KKL bei einem Gespräch mit Seigewasser die kirchlichen Proteste gegen die geplante Einführung des Wehrkundeunterrichts in den 9. und 10. Schulklassen vorgetragen. Da staatlicherseits ein Termin für den gewünschten Besuch bei Stoph bereits so rasch in Aussicht gestellt wurde, habe man, so „im Blick auf die Wehrerziehung keine neue Tagesordnung beantragen“ können (Vermerk Groscurth vom 6.7.1978, S. 1 [EZA, 643/94/12]). – Es kam am 5.7.1978 sogar zu einem Treffen zwischen Schönherr und dem PB-Mitglied Paul Verner, ohne Erfolg. Zu Beginn des neuen Schuljahrs wurde am 1.9.1978 der Wehrkundeunterricht erstmals durchgeführt.

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die Kirche dürfe auch nicht das Umgekehrte erwarten; immerhin sollten die Stellungnahmen ‚mit gebührendem Ernst‘ zur Kenntnis genommen werden.“

Im Zusammenhang mit alternativen Sicherheitssystemen habe Lewek „gefragt, was eigentlich sicher mache – etwa die Wehrerziehung?“. Der Vorsitzende des DDR-Ministerrates habe abgewiegelt, dass über dieses Thema zu einem anderen Zeitpunkt gesprochen werden müsse. Letztlich sei es zu einer „einseitigen“ Presseerklärung über die Unterredung mit Stoph gekommen, auf deren Formulierung die Kirche nur insofern Einfluss habe nehmen können, als zumindest das Wort „Abrüstungsbewußtsein“ darin vorkomme, während „Friedenserziehung“ deswegen abgelehnt worden sei, weil es derzeit als gegen die staatliche Wehrerziehung gerichtetes „Reizwort“ gelte. Auf der Sitzung der Bereichsräte der EKU habe Groscurth selbst einen Zeitungsartikel erwähnt, in dem der Autor den KKLVorstand auf das Schärfste dafür kritisiert hatte, die katholische Kirche in der DDR nicht vorab über das Spitzengespräch zwischen Bund und Vertretern der DDR-Regierung informiert zu haben.25 Offenbar war dieser Artikel nur Krusche und Schönherr bekannt, wobei Letzterer den Sachverhalt kurz geschildert hatte: Vor dem 6. März habe Lewek „mehrfach“ vergeblich versucht, den Sekretär der Berliner Bischofskonferenz zu kontaktieren und zuletzt eine Nachricht hinterlassen, ihm eine „wichtige Mitteilung“ machen zu müssen. Da jede Reaktion ausgeblieben sei, habe sie am 2. März einen Brief verfasst, der sogleich im Ordinariat abgegeben worden sei und den Schönherr nun vor Vertretern der EKUBereichsräte verlesen habe. Dass mit diesem Schreiben die katholische Kirche damals über das anstehende Staat-Kirche-Gespräch unterrichtet worden sei, sei auch von deren Seite „nicht bestritten“ worden. Am 31. März hätten Schönherr und Stolpe den Vorsitzenden der Berliner Bischofskonferenz, Kardinal Alfred Bengsch, aufgesucht, da dieser aus Zeitgründen nicht bereit gewesen sei, einer Einladung in die Auguststraße zu folgen. In einem zweieinhalbstündigen Gespräch sei Bengsch ausführlich über den Verlauf der Unterredung mit Honecker informiert und abschließend um seine Einschätzung gebeten worden. Er habe der Bewertung Schönherrs bis auf seine „Sicht über Mitwirkungsmöglichkeiten bei Rundfunk und Fernsehen“, die den Kirchen am 6. März eingeräumt worden waren, zugestimmt. Bengsch „glaube nicht, daß hier wirklicher Einfluß möglich“ sei. Über die „Informationsschwierigkeiten“ sei gleichfalls gesprochen worden, und Schönherr habe gefragt, ob sich die katholische Kirche in dem Gespräch „auch mitvertreten“ sehe, was Bengsch bejahte.26 25 Der Redakteur Michael Albus hatte den die Kontroverse auslösenden Artikel im „Informationsdienst des katholischen Arbeitskreises für zeitgeschichtliche Fragen e. V.“, Heft 90/1978, veröffentlicht. Eine Antwort von R. Henkys wurde in Heft 93 gedruckt. Vgl. auch KJ 1978 (105. Jg.), S. 347f. 26 Vermerk Groscurth vom 6.7.1978, S.1f. (EZA, 643/94/12).

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Der Sachverhalt kam ebenfalls bei der Tagung der KKL am 7. und 8. Juli im Kontext eines Berichts über die Beratungen der evangelisch-katholischen Konsultativgruppe zur Sprache. „Immer wieder“ werde in diesem Gremium der „Vorwurf der Nichtinformation der Katholischen Kirche vor dem 6. März“ bekräftigt, der auch vom Katholischen Nachrichtendienst (KNA) erhoben worden war. Ein Dementi stehe nach wie vor aus. Lewek teilte auch den Mitgliedern der KKL mit, welche Bemühungen erfolgt seien, um die katholischen Brüder vor dem 6. März von dem Treffen mit dem Staatsratsvorsitzenden in Kenntnis zu setzen. Vertagt wurde der Tagesordnungspunkt „40. Jahrestag der Kristallnacht“.27 Dem Rat lag am 21. Juli ein an Lewek gerichtetes Schreiben des Sekretärs der Berliner Bischofskonferenz vom 10. Juli vor. Darin wurde bestätigt, dass mit Leweks Brief vom 2. März die Bischofskonferenz im Vorfeld über das anstehende Gespräch des KKL-Vorstands mit Honecker unterrichtet worden sei. Der Inhalt der kritischen Zeitungsmeldung sei demnach falsch. Die Ratsmitglieder kamen überein, die Angelegenheit beim „nächsten Kontaktgespräch“ zur Sprache zu bringen. Der Kirchenkanzlei wurde der Auftrag erteilt, auf einer „Richtigstellung der Falschmeldung“ in der Presse zu bestehen.28 Eine interessante Bewertung, was die Stimmung unter Vertretern des Kirchenbundes im Blick auf die Zeitungsmeldung anbelangte, nahm der Präsident der EKD-Kirchenkanzlei eine Woche später gegenüber dem Vizepräsidenten vor. Der Artikel verärgere die Brüder in der DDR nicht über alle Maßen, weil „man die strategische Linie des Artikels innerkatholisch“ sehe, also als eine Art „Warnung an die Adresse gewisser Bischöfe in der DDR, auf ähnliche ‚Abwege‘ zu gehen wie der BEKDDR“. Mit Ausnahme des Vorsitzenden der Berliner Bischofskonferenz sei die Tendenz, mit Vertretern des Staates Kontakt aufzunehmen, unter den katholischen Bischöfen, „doch wohl ziemlich verbreitet“. Was das Bemühen der Kirchenkanzlei um eine Richtigstellung des Zeitungsartikels betreffe, verstünden die östlichen Brüder dies als „freundlichen Akt“. Hammer schloss mit der Bemerkung: „Im übrigen haben sie dort Lebenswichtigeres zu bedenken…“.29 Möglichkeiten und Grenzen gemeinsamen kirchlichen Redens zu theologischen und politischen Grundsatzfragen und die Rolle der Beratergruppe Der Vorstand der KKL beschäftigte sich am 25. und 26. Juli mit der letzten Sitzung der gemeinsamen Beratergruppe, auf der plangemäß über die Südafrika27

Protokoll (Schwerin) der 56. KKL-Tagung am 7./8.7.1978 in Berlin, S. 4, 12 (EZA, 101/104). Niederschrift (Hammer) über die 71. Sitzung des Rates der EKD am 21.7.1978 in Berlin, S. 12 (EZA, 2/93/864). 29 Schreiben Hammer an Wilkens vom 1.8.1978 (EZA, 2/01/1415). 28

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Problematik und das Hintergrundpapier des ÖRK-Referenten Sjollema debattiert worden war. Im Nachgang des Gespräch habe man die Idee entwickelt, in einer kleineren Zusammensetzung „Grundsatzfragen in Fragen der Gewaltanwendung, des sog. ‚gerechten Kampfes‘“ zu beraten und dabei die Lage in Südafrika mit dem Ziel einer „beispielhaften Konkretisierung“ in den Mittelpunkt zu stellen. Der KKL-Vorstand hieß diesen Plan gut und beschloss, dass die EKD mit Vertretern aus Rat, Kirchenkanzlei, Kirchlichem Außenamt und Südafrika-Ausschuss an der Beratung teilnehmen solle, während von östlicher Seite an Schönherr, Domsch, Demke, Lewek und Zeddies gedacht wurde. Als Termin wurde der 12. Oktober in Aussicht genommen. Ferner überlegten die Mitglieder des Vorstands, ob es nicht sinnvoll sei, dieses Treffen mit dem Vorschlag des Präsidenten des Kirchlichen Außenamtes der EKD zu verbinden, sich in einem größeren Personenkreis über die Studie der Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD „Gewalt und Gewaltanwendung in der Gesellschaft“ informieren zu lassen. Potentielle Gesprächsteilnehmer sollten zu ihrer Vorbereitung die Ausarbeitung erhalten.30 Lingner erläuterte am 17. August dem Bonner Theologen Martin Honecker, Mitglied der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung, der beidseitige Wunsch, sich im Kontext der Südafrika-Problematik über „theologische Grundsatzfragen“ auszutauschen, sei aus der Überlegung erwachsen, dass sich „EKD und Bund bei wesentlichen Antworten auf Fragen des ÖRK über ihre jeweiligen Voten möglichst vorher gegenseitig“ unterrichten sollten. Damit würden die Konsequenzen gezogen aus der zum Beispiel im Blick auf den ÖRK-Sonderfonds und die Bewertung des Programms zur Bekämpfung des Rassismus (PCR) 31 gemachten Erfahrung, dass die Voten der beiden deutschen Kirchen erhebliche Divergenzen aufwiesen. Gleiches sei bei den Stellungnahmen des Bundes und der EKD zur Leuenberger Konkordie der Fall gewesen. So stelle sich bereits seit längerer Zeit die Frage, ob im Sinne von Art. 4 (4), der auch von den Organen der EKD „beschlußmäßig akzeptiert“32 worden sei, nicht die Durchführung gemeinsamer „theologischer Konsultationen“ in Angriff zu nehmen sei. Nachdem die Praktizierung der grenzübergreifenden „besonderen Gemeinschaft“ der Kirchen anfangs auf große Schwierigkeiten gestoßen sei, er-

30 Protokoll (Demke) über die 91. Sitzung des KKL-Vorstands am 25./26.7.1978 in Berlin, S. 6 (EZA, 101/117). 31 Die EKD hatte ihre Zweifel angemeldet, was die Verwendung der Fondsmittel zur Unterstützung bewaffneter Befreiungsbewegungen in Südafrika (z. B. Patriotische Front Zimbabwe und partiell auch die SWAPO) anbelangte. Das PCR wiederum war auf den weißen Rassismus ausgedehnt worden und hatte auch parteipolitische Optionen getroffen. Die Befürchtung der EKD richtete sich auf die Verlagerung der ÖRK-Aktivitäten in den politisch-sozialen Bereich. 32 Die entsprechenden Texte legte Lingner in Kopie bei.

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öffneten sich zunehmend neue Möglichkeiten, die „gestellte Aufgabe in einem partnerschaftlichen Miteinander wahrzunehmen“.33 Angedacht worden war vom BEK-Sekretariat und der Kirchenkanzlei in Hannover ferner, wie Hammer auf der Sitzung des Rates Anfang September mitteilte, zum 40. Jahrestag des Judenpogroms der Nationalsozialisten am 9./10. November von Claß und Schönherr in gemeinsamer Verantwortung eine kurze Erklärung abgeben zu lassen. Die Ratsmitglieder schlugen in positiver Wertung dieses Vorhabens vor, ein solches gemeinsames Wort auf der Basis der entsprechenden Erklärung der EKU-Synode an die Gemeinden zu erarbeiten. Grete Schneider, Karl Immer, Hans Thimme und Heinz-Georg Binder brachten ihre Bereitschaft zum Ausdruck, in einer Vorbereitungsgruppe mitzuarbeiten. Sollte eine gemeinsame Erklärung des Ratsvorsitzenden und des Vorstandsvorsitzenden nicht zustande kommen, müsse der Rat der EKD darüber beschließen, ob ein eigenes Wort des Rates zur „Kristallnacht“ zu publizieren sei.34 Schriftlich informierte Lingner am 19. September die westlichen Teilnehmer der Beratergruppe über die im Rat debattierte Planung. Seinem Schreiben legte er das von der EKU-Synode verabschiedete Wort bei und versprach, sich darum zu bemühen, auch das Rundschreiben des Kirchenpräsidenten von Hessen-Nassau an die Gemeindepfarrer seiner Kirche zur Erinnerung an den Pogrom rechtzeitig vor dem nächsten Ost-West-Treffen zur Verfügung zu stellen. Seitens der EKD sei bereits eine Dokumentation zusammengestellt worden, und es werde bei der Synodaltagung in Bethel des 40. Jahrestages gedacht. Offen sei derzeit, ob es zur Verabschiedung eines „besonderen Wortes der Synode oder des Rates“ kommen werde. Ein Gast aus der EKD-Kirchenkanzlei sei zur Beratergruppensitzung eingeladen worden, „der für die Vorarbeiten und Überlegungen der EKD federführend tätig war und ist“. In der DDR habe sich insbesondere die Kirchenprovinz Sachsen mit dem Thema befasst. Ein dort erstelltes „Arbeitsheft mit dem Titel ‚Als die Synagogen brannten…‘“ hatte Lingner ebenfalls beigefügt und merkte an, dass in der Verantwortung der provinzsächsischen Kirche noch ein „Brief an die Gemeinden“ vorbereitet werde, den unter Umständen die KKL versenden werde.35 Der Leiter der Berliner Stelle machte darauf aufmerksam, dass gerade

33 Schreiben Lingner an M. Honecker vom 17.8.1978, S. 2f. – Ein ähnliches Schreiben richtete Lingner am 20.9.1978 an den Münchner Theologen und EKD-Synodalen Trutz Rendtorff (EZA, 4/92/7). 34 Niederschrift (Lingner) über die 72. Sitzung des Rates der EKD am 8./9.9.1978 in Bonn, S. 15 (EZA, 2/93/865). 35 Der Görlitzer Bischof Fränkel hatte auf der KKL-Tagung Anfang September darauf hingewiesen, dass in der „begrüßenswerten Materialsammlung“ der KPS „die Beteiligung von O. Dibelius an der Kanzelerklärung gegen die Judenverfolgung übergangen worden ist. Eine von der KL der KPS erarbeitete Erklärung zum 40. Jahrestag der Kristallnacht soll von der Konferenz während der Synode

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in der DDR die Auseinandersetzung mit der sogenannten Reichskristallnacht politisch nicht unproblematisch sei und vom Staat „sehr genau“ beobachtet werde, ob und in welcher Form die Kirchen des Bundes sich dazu am 9. November äußerten. Angesicht dieser politischen Brisanz erscheine es ihm als zweifelhaft, dass Claß und Schönherr im Namen des Bundes und der EKD eine öffentliche gemeinsame Erklärung zum 40. Jahrestag des Pogroms abgeben könnten.36 Bei dem Gespräch zwischen östlichen und westlichen Kirchenvertretern am 2. Oktober wurde dann festgestellt, dass die Zeit für die Formulierung eines gemeinsamen Wortes der Kirchen zu knapp bemessen sei. Die KKL habe auf der Basis der „Vorarbeiten“ der Kirchenprovinz Sachsen nun ihr eigenes „Wort“37 verabschiedet, wobei es „denkbar und vielleicht sogar wünschenswert“ sei, wenn der Rat sich in seiner Stellungnahme darauf beziehen, es „ganz oder auszugsweise“ übernehmen könne. Angesichts des gescheiterten Vorhabens überlegten die Mitglieder der Beratergruppe, ob der 40. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs am 1. September des kommenden Jahres zum Anlass genommen werden könnte, ein gemeinsames Wort von BEK und EKD zu veröffentlichen. Es wurde in Erwägung gezogen, auch die evangelische Kirche in Österreich daran zu beteiligen. Relativ ausführliche Informationen erhielten die Anwesenden über den zweiten Fall der Selbstverbrennung eines Pfarrers in der DDR, fast genau zwei Jahre nach dem „Signal von Zeitz“, diesmal in der sächsischen Landeskirche. Der Pfarrer Rolf Günther hatte sich am 17. September in dem zwischen Magdeburg und Halle liegenden Ort Falkenstein während des Gottesdienstes in der Kirche Zum Heiligen Kreuz am Altar verbrannt.38 Henkys verfasste am 5. Oktober auf der Basis eines vertraulichen Berichts des sächsischen Oberlandeskirchenrates Ulrich von Brück einen vierseitigen Vermerk, aus dem sowohl die Hintergründe der Tat wie auch die Einschätzungen von Brücks selbst, Schönherrs und Stolpes hervorgehen. Schönherr habe die Fälle Brüsewitz und Günther verglichen und festgestellt, dass sie in der „erzwungenen Relevanz der Aussage“, mit der die Pfarrer die Menschen genötigt hätten, „ihr behandelt werden“ (Protokoll [v. Rabenau] der 57. KKL-Tagung am 8./9.9.1978 in Berlin, S. 5 [EZA, 101/105]). 36 Schreiben Lingner an Beratergruppe vom 19.9.1978, S. 1f. (EZA, 673/91/30). 37 Wort der KKL vom 24.9.1978. 38 Vermerk Lingner o. D., S. 3f. (EZA, 4/92/8). – An sich stand auf allen Vermerken über die Sitzungen der Beratergruppe, dass der Umgang mit ihnen vertraulich sei. Am 30.10. wies Lingner dann in einem Schreiben ausdrücklich noch einmal auf die Bitte der BEK-Vertreter hin, „Vermerke dieser Art nur einem begrenzten Personenkreis auszuhändigen. Wir bitten – wie bisher – den Vermerk [speziell zur Sitzung am 2.10.] mit Vertraulichkeit zu behandeln“. Das hatte vermutlich in erster Linie mit dem Bericht über die Selbstverbrennung Pfarrer Günthers zu tun, die vor allem nach den negativen Erfahrungen mit dem „Fall Brüsewitz“ von kirchlicher und politischer Brisanz war (Schreiben Lingner vom 30.10.1978 [EZA, 673/91/30]).

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Zeugnis ernst zu nehmen“, vergleichbar seien. Von Brück hatte darauf hingewiesen, dass es gleichwohl auch andere Elemente gebe. So habe Günther am Ende seines Abschiedsbriefs aus Goethes „Faust“ zitiert: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.“ Schönherr habe die Befürchtung geäußert, dass die Pfarrer in der DDR weithin unter der Erfahrung litten, Gewalt anwenden zu müssen, damit ihr Wort noch gehört werde. An den Handlungen von Brüsewitz und Günther werde gleichermaßen eine „letzte Gottlosigkeit“ sichtbar. Allerdings, habe der KKL-Vorsitzende eingeräumt, der Kirche habe Brüsewitz letztlich „im Ergebnis“ einen großen Dienst erwiesen, denn das Spitzengespräch am 6. März sei sicher „nicht oder jedenfalls nicht so zustande gekommen ohne Brüsewitz“. Dass die Selbstverbrennung Günthers „schwieriger zu verarbeiten“ sei als die des Rippichaer Pfarrers, habe Stolpe geäußert. Viel schlimmer jedoch sei, dass viele Christen in der DDR „die Nachricht, daß ein Pfarrer sich am Altar verbrennt, als eine Bankrotterklärung der Kirche empfinden“ müssten. Er frage sich, was die Christen sagen sollten, wenn sie in diesem Sinne in der Schule oder im Betrieb angesprochen würden.39 Der Ulmer Prälat von Keler nahm das jüngste Treffen der Beratergruppe zum Anlass, am 6. Oktober gegenüber Lingner einige grundsätzliche Erwägungen zu äußern. Er legte dem Leiter der Berliner Stelle nahe, für die Zukunft „ernsthaft“ auf die unbedingte personelle Stabilität dieses Kreises zu drängen, sonst sei er mit den Vertretern der Dienststellen und der Presse einfach zu groß und das Gespräch daher „nicht mehr vertrauensvoll und ertragreich“. Von Keler versprach sich von einer Verkleinerung und Straffung des Gremiums auch eine stärkere Motivation der Mitglieder, für ihre regelmäßige Teilnahme an den Sitzungen Sorge zu tragen. Eine solche Grundeinstellung könne vielleicht sogar die „Vorbedingung einer Nominierung“ sein. Die Voraussetzung sei selbstverständlich die Klärung der „Prinzipienfrage“ zu Aufgabe und Funktion des Ost-West-Gesprächskreises. Wenn nur unverbindliche Informationen und Atmosphärisches ausgetauscht werden solle, könne man so weitermachen wie bisher: „Aber je länger je mehr wird eine bewußte und intensive Kontaktpflege nötig, zumal die nachrückenden Jahrgänge nicht mehr die Brücke gemeinsam erlebter Geschichte besitzen. Dies müßte dem Rat bei seiner Entscheidung sehr deutlich gemacht werden. […] Die Unterscheidung zwischen Train und kämpfender Truppe ist hier sowieso nicht möglich. Aber die Logistik hat ihre regen Eigenkontakte – sind für Sie diese Sitzungen überhaupt das Tüpfelchen auf dem i?“40

Diese Überlegungen von Kelers weisen starke Parallelen zu Lingners Bemühungen der letzten Jahre auf, nicht nur endlich über die schwammige Funkti39 40

Notizen Henkys zum Fall Günther vom 5.10.1978, S. 5 (EZA 643/94/7,2). Schreiben von Keler an Lingner vom 6.10.1978 (EZA, 4/92/8).

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onsbestimmung der Beratergruppe als Hüter der „besonderen Gemeinschaft“ hinauszukommen, sondern ihren Status im Sinne eines Bedeutungszuwachses zu erhöhen. Die Sitzung des deutsch-deutschen Gremiums Anfang Oktober beschäftigte auch Groscurth, allerdings vor allem wegen des fehlgeschlagenen Unternehmens, in Verantwortung des Bundes und der EKD ein gemeinsames Wort zum Gedenken an den 9. November 1938 zu publizieren. Groscurth griff die von den Anwesenden formulierte „sinnvolle“ Anregung auf, für den 40. Jahrestag des Kriegsbeginns am 1. September 1979 frühzeitig mit der Vorbereitung einer Stellungnahme beider Kirchen zu beginnen: „Kann man nicht ohne Hitze und Emotionen versuchen, langfristig zu einer gemeinsamen Erklärung von Bund und EKD zu kommen?“ Schönherrs Vorschlag, die österreichische Kirche zu beteiligen, beurteilte Groscurth „im Blick auf die Person des derzeitigen Bischofs in Österreich einigermaßen problematisch“, jedoch müsse er persönlich sich auch nicht um dessen Zusage bemühen. Er betonte, dass auch die Beauftragung entsprechender Autoren nicht zu seinen Aufgaben gehöre, verwies aber dennoch auf die Eignung von Ludwig Raiser, Richard von Weizsäcker oder Klaus von Bismarck. Möglich sei auch, vergleichbare Personen aus der DDR zu finden, wobei er es nicht für günstig halte, „kirchliche Funktionäre für einen Entwurf“ heranzuziehen. Groscurth bat Lingner, in irgendeiner Form initiativ zu werden, damit das gemeinsame Vorhaben nicht vergessen werde. Zuletzt wies er darauf hin, dass das Unternehmen auch deswegen lohnenswert sei, weil nicht mit großer Konkurrenz zu rechnen sei.41 Auf der Ratssitzung am 20. und 21. Oktober wurde ein Wort zum 9. November kurz beraten, überarbeitet und sogleich beschlossen. Grund für dieses Schnellverfahren waren vermehrte Anfragen aus den Gliedkirchen der EKD, die es nun in Form einer Kanzelabkündigung verbreiten sollten, wann denn das angekündigte Ratswort zur Verfügung stünde. Petersen erstattete den Anwesenden einen Bericht über das Gespräch der Ost-West-Beratergruppe am 2. Oktober, an dem außer ihm kein weiteres Mitglied des Rates teilgenommen habe. Die östlichen Brüder hätten Erläuterungen zu verschiedenen Studien gegeben, die in der Theologischen Studienabteilung beim Bund über Fragen der Friedenserziehung, der charismatischen Erneuerungsbewegungen und der Diasporasituation der Kirche in der DDR erarbeitet worden seien.42 Den Studien komme eine besondere Bedeutung zu, weil theologische Publikationen in der 41

Schreiben Groscurth an Lingner vom 10.10.1978 (EZA, 673/91/30; 4/92/8). Die ThSA beim Bund war 1973 als Institution der Gliedkirchen und der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse gebildet worden, um im Auftrag der Kirchen „projektgebundene Forschungsarbeit“ zu leisten, einen „geistigen Vorlauf durch selbständige Studienarbeit zu schaffen und für die Kirchen bestimmte Sofortaufgaben zu übernehmen (Vorbemerkung [Götz Planer-Friedrich] zum Verzeichnis der Erarbeitungen der ThSA beim Bund, 3. Ausgabe, Stand 12/1983). 42

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DDR einem „umständlichen Genehmigungsverfahren ausgesetzt“ seien. Ferner seien bei dem Treffen die Hintergründe der Selbstverbrennung des Pfarrers Günther dargelegt worden. Petersen informierte die Ratsmitglieder dann über das bereits Ende Juli vereinbarte Grundsatzgespräch zwischen EKD und Bund über Fragen der Gewaltanwendung vom 12. Oktober, bei dem auch er selbst zugegen war. Die EKD wurde durch insgesamt sechs, der Kirchenbund durch sieben Personen vertreten. Die Reaktion der Vertreter des Bundes auf die ihnen bislang unbekannte Stellungnahme des Rates zum Thema „Gewalt und Gewaltanwendung“ sei ambivalent ausgefallen. Auf der einen Seite hätten sie die „theologische Ausgewogenheit und Differenziertheit“ anerkennend zur Kenntnis genommen, gleichzeitig sei ihnen der „‚ausgesprochen westdeutsche‘ Charakter“ aufgefallen. Sehr ausgeprägt gewesen sei das Interesse der Kirchenvertreter aus der DDR an den „Alternativen, die wir anbieten, wenn wir zum Gewaltverzicht mahnen“. Der Hintergrund für diese eindringlichen Nachfragen erschließt sich aus einer Beobachtung Petersens, seine Gesprächspartner hätten sich „intensiv“ um eine theologische Legitimation einer „Änderungsgewalt“ bemüht. Die theologische Debatte über die Gewaltfrage werde am 9. Januar 1979 fortgeführt. Im Rahmen eines Berichts über seine Teilnahme an der Synode des Bundes Ende September in Ost-Berlin und dem Kirchentagskongress in Brandenburg hob der EKD-Synodenpräses insbesondere hervor, wie außerordentlich sensibel man mit der westdeutschen Presse umgegangen sei, die eine Äußerung Schönherrs über „vereinzelte Anzeichen faschistischer Tendenzen bei Jugendlichen“ in mißverständlicher Formulierung wiedergegeben hatte. Von Heyl habe in seinem Grußwort an die Bundessynode „in behutsamer Weise auf die Schwierigkeit der Bewältigung unserer deutschen Vergangenheit Bezug genommen“.43 Da die Sitzung der Beratergruppe Anfang Oktober offensichtlich einige ihrer Mitglieder aus der Bundesrepublik vor allem in Hinblick auf ihre praktisch nicht existente Konzeption beschäftigt hatte, teilte Lingner dies Hammer am 13. November mit und legte ein Schreiben bei, das er am gleichen Tag in Vorbreitung der nächsten Zusammenkunft im Dezember an die westlichen Teilnehmer des Gesprächskreises verschickte. Hammer unterrichtete er zunächst darüber, dass nicht nur von Keler, sondern auch Petersen ihn angesprochen und auf eine stärkere Kontinuität in der personellen Zusammensetzung der Beratergruppe gedrängt hätten. Sie hätten moniert, dass die Vertreter der Kanzleien „gegenüber den Mitgliedern aus der Beratergruppe bzw. dem Vorstand“ der KKL „überrepräsentiert“ seien und die Sitzungsvermerke den Mitgliedern der Beratergrup43 Niederschrift (Hammer) über die 73. Sitzung des Rates der EKD am 20./21.10.1978 in Hannover, S. 10ff., mit Anlage 1: Wort des Rates der EKD zum 40. Jahrestag des Judenpogroms am 9./10.11.1938 vom 21.10.1978 (EZA, 2/93/866).

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pe nicht zugehen. Das sei zweifellos auch einer der Gründe, warum von den Beteiligten die Bedeutung solcher Begegnungstagungen unterschätzt werde. Natürlich leuchte ein, dass die Neuwahlen zum Rat der EKD abgewartet werden müssten, bevor das Ost-West-Gremium „anders und neu“ zusammengesetzt werde. Lingner erinnerte Hammer daran, ihm bereits früher in Aussicht gestellt zu haben, vor der anstehenden Neubesetzung einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten. Er kündigte nun an, dass er sich dabei nicht auf „Namen und eine organisatorische Regelung“ der jeweiligen Stellvertreter beschränken werde. Vielmehr sei es doch an der Zeit, zwischen EKD und Bund verantwortliche Gespräche über anstehende Probleme, die beide Kirchen angehen, zu führen. Es müsse überlegt werden, ob die Beratergruppe dazu geeignet sei und dann „evt. mit Rücksicht auf diese Funktion eine andere Zusammensetzung haben muss“. Der Leiter der Berliner Stelle wiederholte, dass die Überlegungen zu „einem späteren Zeitpunkt“ aufgenommen und von Hammer in Übereinstimmung mit dem Rat der EKD entschieden werden sollten. Er machte zuletzt darauf aufmerksam, dass es als positives Zeichen zu bewerten sei, wenn sich die Mitglieder der gemeinsamen Gesprächsgruppe Gedanken über die „künftige Konzeption“ des Gremiums machte: „Das war nicht immer so.“44 Jedoch war diese Neuerung offenbar die Quelle Lingners wieder verstärkter Hoffnungen auf eine grundsätzliche Klärung von Aufgabenbereichen, Kompetenzen und personeller Bestückung des Ost-West-Gremiums. Seinem Brief an die westlichen Mitglieder der Beratergruppe hatte Lingner wiederum eine Übersicht angefügt, der zu entnehmen war, wer in den Jahren 1976 bis 1978 an welchen Sitzungen teilgenommen hatte. Bei der Gelegenheit brachte Lingner den Wunsch zum Ausdruck, dass die EKD „im Interesse der Brüder aus der DDR“ beim kommenden Treffen am 4. Dezember „etwas zahlreicher vertreten sein könnte“. Ferner teilte Lingner mit, über welche Themen von allgemeinem Interesse vermutlich gesprochen werde: Petersen, Schönherr und Domsch könnten über die Unterredung zwischen Vertretern aus Bund und EKD über „die Frage der Gewaltanwendung und ihrer theologischen Beurteilung angesichts der Diskussion um das sogenannte Sjollema-Papier“ berichten, dessen Fortsetzung in etwas größerer, hoffentlich die „Gesprächsfähigkeit“ nicht beeinträchtigende Besetzung für den 9. Dezember geplant sei. Auch sei es notwendig, die östlichen Teilnehmer über „die Haltung der EKD zum ÖRK im Zusammenhang mit der Mittelvergabe an die Patriotische Front und die Befreiungsbewegung SWAPO“ genauer aufzuklären. Dann könnten die Anwesenden aus der DDR bei einer Erläuterung des dem Rat vorgelegten

44

Schreiben Lingner an Hammer vom 13.11.1978, S. 1f. (EZA, 4/92/8).

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Memorandums45 nicht nur Anregungen für „ihre eigenen Überlegungen“ gewinnen, sondern erfahren, welche Zielvorstellungen der Rat bei seinem Gespräch mit den Mitgliedern des ÖRK-Zentralausschusses aus dem Bereich der EKD habe. Ferner sei es denkbar – und damit regte Lingner einen Austausch im Sinne der schon häufig angestrebten besseren Abstimmung zwischen Bund und EKD an –, dass die östlichen Brüder ihr Interesse äußerten, „unmittelbar nach der Dezember-Ratssitzung zu hören, welche Haltung die EKD-Delegierten in Jamaika im Januar 197946 einnehmen werden“. Zuletzt müsse auch über den Verlauf der Synodatagung der EKD47 und „Schwerpunkte der kirchlichen Entwicklung im Bereich der EKD“ informiert werden. Für die Zeitplanung der Mitglieder und ihrer Stellvertreter nannte er wegen der im Mai anstehenden Wahlen zum neuen Rat nur zwei Termine in der ersten Jahreshälfte 1979.48 Bei einer Unterredung mit Lingner am 23. November schlug der Präsident der EKD-Kirchenkanzlei vor, die westdeutschen Gliedkirchen um die Beauftragung jeweils eines für die Belange der Kirchen in der DDR und die Beziehungen zum Bund zuständigen Referenten zu bitten. Bei gemeinsamen Konferenzen könnten sich die Referenten untereinander zur Lage berichten, müssten jedoch auch den Kontakt zu den entsprechenden BEK-Referenten herstellen. Im Rahmen der Referentenkonferenzen sollten nicht nur Lageberichte erstattet und „Wünsche und Anregungen für die Verbesserung der Zusammenarbeit“ übermittelt werden, sondern auch Fragen des wechselseitigen Austauschs von Informationen und der gegenseitigen Besuche erörtert werden. Hammer konkretisierte, dass sein Vorschlag nach der Neuwahl des Rates im Kontext mit „den dann zu verhandelnden Fragen der Beratergruppe“ eingebracht werden könne. Es sei dabei zu überlegen, ob die Treffen und somit die Tätigkeit der Beratergruppe zu beenden und durch die Konferenzen der gliedkirchlichen Referenten zu ersetzen sei. Vielmehr müsse man sich mehr als in der Vergangenheit um „Gespräche zwischen Fachleuten aus der EKD und aus dem Bund“ über spezielle Fragestellungen bemühen. Für diese Art einer zeitlich und inhaltlich begrenzten Auseinandersetzung sei die derzeitige, in kleinerem Kreis geführte Debatte über die Gewaltfrage ein erstes Beispiel. Allerdings müsse bei der Installation derartiger „geordneter Gespräche“ die

45 Memorandum des Rates der EKD zum Verhältnis der EKD zum ÖRK – unter besonderer Berücksichtigung des Programms zur Bekämpfung des Rassismus und seines Sonderfonds vom 6.11.1978. Abdruck in: J. E. CHRISTOPH (Hg.), Kundgebungen, Bd. 3, S. 379–389. 46 Die Sitzung des ÖRK-ZA fand vom 1. bis 11.1.1979 in Jamaika statt. Der Präsident des Kirchlichen Außenamtes der EKD trug dort die Bedenken gegen den Sonderfonds vor, und es wurde ein Beschluss über die Fortführung und Finanzierung aus zweckgebundenen Spenden und haushaltsrechtliche Trennung des Sonderfonds vom ÖRK-Etat gefasst. 47 7. Tagung der 5. Synode der EKD vom 5.–10.11.1978 in Bethel. 48 Schreiben Lingner vom 13.11.1978 an die Beratergruppe, S. 2, 1f. (EZA, 101/361).

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„Verantwortungsstruktur“ klar sein. Die westlichen Teilnehmer müssen vom Rat beauftragt und diesem gegenüber rechenschaftspflichtig sein. Die Gesprächsteilnehmer aus dem Bereich der DDR müssen der Konferenz bzw. dem Vorstand der Konferenz gegenüber verantwortlich bleiben. In gesonderten Gesprächen zwischen dem Ratsvorsitzenden einerseits und dem Vorsitzenden der Konferenz andererseits mit einem Kreis von Beteiligten könnten die Ergebnisse solcher Gespräche ausgewertet werden. Aus diesem Kreis könnten auch besondere Aufträge für die Bildung von neuen Gesprächskreisen erteilt werden.49 Mit dieser Anregung arbeitete Hammer sozusagen an zwei Fronten gegen die Beratergruppe an, um deren Etablierung als Kernstück der praktizierten besonderen Gemeinschaft sich Lingner seit der Gründung des Bundes in der DDR bemüht hatte. Hammers Plan, den Informationsaustausch sowie die mehr oder weniger unverbindlichen Gespräche über die Referenten der Gliedkirchen laufen zu lassen und bei Bedarf Fachgespräche mit unterschiedlicher Besetzung zwischen Vertretern des Bundes und der EKD anzuberaumen, führten in die Gegenrichtung. Eine fest installierte Beratergruppe mit umfassender Verantwortlichkeit für die gemeinsamen Anliegen beider Kirchen war dabei nicht vorgesehen. Fritz Viering, der Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche, sagte am 30. November seine Teilnahme an der Dezembersitzung des Ost-WestKreises wieder ab, nicht ohne zu betonen, wie „brennend“ ihn „dieses Mal“ die Gesprächsthemen interessiert hätten. Als Beweis legte er seinen vor der Landessynode erstatteten Bericht bei, in dem er sich nicht nur mit dem Verhältnis des Rates der EKD zum Genfer Stab des ÖRK im Blick auf den Sonderfonds, sondern auch mit einigen während der EKD-Synode verhandelten Schwerpunkten auseinandergesetzt hatte, „mit dem Versuch, diese Vorgänge geistlich-theologisch zu deuten“. Viering teilte mit, im Rahmen einer Diskussion des „Genfer Problems“ im ökumenischen Studienkreis seiner Landeskirche die nachdrückliche Frage gestellt zu haben, warum Rat und Leitung des BEK sich nicht vorab über „solche grundsätzlichen Memoranden und Stellungnahmen“ gemeinsam verständigten. Die Kritik des Landessuperintendenten am Vorgehen der EKD und ihrer Informationspraxis fiel sehr grundsätzlich aus: „Wir reden so viel über die besondere Gemeinschaft, die zwischen den Kirchen der DDR und den Kirchen der Bundesrepublik bestehen soll und haben das sogar in unseren Verfassungen niedergelegt. In Wirklichkeit leben wir nebeneinander, als hätten wir keine gemeinsame Geschichte und eine sich daraus ergebende Verpflichtung zur ‚besonderen Gemeinschaft‘. Wir nutzen nicht die seltene Chance, daß Kirchen in unterschiedlichen Gesellschaftssystemen gemeinsame Fragen besprechen, die alle angehen.“

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Vermerk Lingner vom 24.11.1978, S. 1f. (EZA, 4/92/8).

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Ihm sei durchaus klar, dass gerade aufgrund dieser Konstellation kaum daran gedacht werden könne, „gemeinsame Beschlüsse und Erklärungen“ des Bundes und der EKD zu publizieren. Doch müsse – vor allem angesichts der skandalösen Erfahrung mit den „völlig entgegengesetzten Stellungnahmen“ beider Kirchen „zu ein und derselben ökumenischen Frage“50 – wenigstens angestrebt werden, gemeinsame Beratungen durchzuführen. Viering fügte hinzu, dass er den Eindruck habe, der Vorstand der KKL sei in seiner Haltung zum Staat „freier“ als der Rat gegenüber der Bundesregierung. Zu nicht wenigen Ereignissen, bei denen eine Äußerung der Kirche wirklich notwendig sei, schweige die EKD. Die Stellungnahmen des Bundes „zur dortigen Wehrerziehung“ nötigten ihm „Bewunderung“ ab.51 Ausführlich hielt der Leiter der Berliner Stelle im Nachgang der Sitzung der Beratergruppe am 4. Dezember die Unterschiede fest, die dieses Treffen im Vergleich zu den früheren ausgezeichnet habe. So habe sich durch die Nutzung eines neuen Raumes und die veränderte Sitzordnung eine „bessere Gesprächsatmosphäre“ ergeben. Hingegen habe die Anwesenheit von immerhin vierundzwanzig Personen die Debatte eher erschwert, weil einige der Teilnehmer sich zu häufig und mit zu langen Wortbeiträgen daran beteiligt hätten. Wiederum sei von westlichen Vertretern der Gruppe kritisiert worden, dass die „Kanzlisten“ zu oft das Wort ergriffen. Besonders angeregt habe man über den Verlauf der EKDSynode und das spannungsreiche Verhältnis der EKD zum ÖRK diskutiert, wobei sich die östlichen Brüder an dem Hauptthema der Synodaltagung, Erziehungs- und Bildungsfragen, „durchaus nicht nur ‚höflich‘ interessiert“ gezeigt hätten. Doch sei von den DDR-Vertretern verstärkt zu den Beziehungen zum ÖRK Stellung genommen worden. Zwar habe von Keler mehrfach betont, dass die Haltung der EKD zum ÖRK nicht auf den Sonderfonds beziehungsweise die Mittelvergabe zu reduzieren sei, doch hätten die Anwesenden bei der Aussprache den Schwerpunkt klar auf diese Aspekte und dabei auf die Frage gelegt, welche Position die Kirchen zur Gewalt einnähmen. Die Vertreter des Bundes erläuterten, dass in der DDR noch keine „abschließende Meinungsbildung“ zu diesem Themenkomplex erfolgt sei, da zur Zeit die Beschäftigung unter anderem mit dem staatlichen Wehrkundeunterricht Priorität habe. Wie Lingner vermerkte, sei jedoch den Einzeläußerungen von Fränkel, Domsch, W. Krusche, Schönherr und auch Grengel spürbar anzumerken gewesen, dass „über die Fra50 Viering meinte offenbar die konträren Äußerungen von EKD und Bund zur Gewaltfrage, an denen sich erwiesen habe, dass „beide Kirchen sich ganz schön ihren Gesellschaftssystemen angepaßt hatten, ohne es zu wissen“. 51 Schreiben Viering an Lingner vom 30.11.1978, S. 1f. Hervorhebungen durch Lingner (EZA, 4/92/8). – Vgl. die unterschiedlichen Verlautbarung der Kirchen in der DDR zum Thema Wehrkundeunterricht in: M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, u. a. S. 246–256, 272–276, 280f.

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gen schon gehörig nachgedacht“ worden sei. Fränkel habe eine „sehr dezidierte“, tendenziell mit dem EKD Memorandum vom 6. November übereinstimmende Stellungnahme abgegeben. Während Domsch ähnlich wie Fränkel zuvor die Grenzen kirchlichen Redens und Handelns benannte, habe Krusche nur zaghaft gewertet und angefragt, „ob die Meinungsbildung in der EKD nicht stark geprägt ist von der Rücksichtnahme auf gemeindliche und politische Gegebenheiten in der Bundesrepublik“. Hingegen könne Schönherr die Anwendung von Gewalt „als Mittel zur Befreiung von Unterdrückten und Ausgebeuteten hinnehmen“ und habe mit einem Verweis auf die Geschichte der Befreiungskämpfe betont, dass die „deutschen Kirchen zu anderen Zeiten, wenn sie selbst betroffen gewesen waren, ohne besondere Scheu die gewaltsame Lösung politischer Unterdrückung für möglich gehalten“ und nicht nur gerechtfertigt, sondern auch unterstützt hätten. In einem Nebengespräch habe Grengel in Anlehnung an Schönherr ihre Meinung zum Ausdruck gebracht: „Entweder schweigen und nichts tun oder gewaltsame Lösung und Beendigung des unmenschlichen Zustandes. Den Einwand, daß die EKD eine solche Alternative nicht anerkennen kann, sondern statt der Gewalt anderes einsetzt, um die gleichen Ergebnisse zu erzielen, wurde nicht akzeptiert. Die anderen Mittel brächten ja doch nichts. Vom Erfolg wird also das Mittel bestimmt. Wenn friedliche Mittel zu keiner Lösung führen, dann müssen gewaltsame Mittel eingesetzt werden dürfen. Die Frage, ob und wie lange der Einsatz friedlicher Mittel den gewaltsamen Mitteln vorzuziehen sei, wurde nicht beantwortet.“

Nicht nur der KKL-Vorsitzende sei der Ansicht gewesen, dass das Gespräch der Kirchen über die Gewaltfrage weitergeführt werden müsse. Dabei wurde die Hoffnung ausgesprochen, der am 12. Oktober erstmals eigens dazu zusammengetretene Gesprächskreis werde „zu brauchbaren Ergebnissen“ kommen. Lingner brachte sein Bedauern zum Ausdruck, dass Hempel als Mitglied des ÖRK-Zentralausschusses wegen seiner Abwesenheit nicht zu diesem Komplex habe befragt werden können, denn seine Meinung habe offenbar unter den DDR-Bischöfen ein „erhebliches Gewicht“. Auf eine spezielle Nachfrage von Henkys hin hätten mehrere der Brüder aus der DDR zu verstehen gegeben, dass die KKL die „Zwischenantwort“ des Bundes zum Sjollema-Papier „nicht gebilligt“ habe und sie von einer Veröffentlichung des Votums durch den ÖRK nichts wüssten. Lingner deutete diese Auskunft als Zeichen für die tatsächlich im Blick auf die Gewaltfrage noch im Prozess der Entscheidungsfindung verharrende Debatte im Bund. Er halte es allerdings für schlichtweg unmöglich, dass Lewek „in eigener Verantwortung und ohne Rücksprache“ mit Schönherr und der Konferenz die „Zwischenantwort“ nach Genf gesandt haben könnte. So interpretierte er die Erklärung der DDR-Vertreter über den „nichtamtlichen Charakter“ des Votums als „späteres Abrücken“ und als Beweis, dass auch weitere „maßgebliche

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Sprecher der Kirchen in der DDR“ sich „nicht auf diese Linie drängen lassen“ wollten. Grengel habe ihm auch mitgeteilt, dass es innerhalb des Bundes als problematisch angesehen werde, am Beispiel Südafrika die „Alternative Gewalt und gewaltlos“ zu sehen, zumal die Lage doch längst von Gewalt bestimmt werde. In einer solchen Situation könne man doch die Betroffenen nicht „sozusagen im Vorfeld einer Gewaltsituation“ zum Gewaltverzicht anhalten. Der Leiter der Berliner Stelle kam aufgrund der Gespräche an diesem Tag zu der persönlichen Schlussfolgerung, dass der Dialog durch die unterschiedliche Sprachregelung in Ost- und Westdeutschland behindert werde: „Bei dieser Sicht der Dinge wird der Begriff ‚Gewalt‘ offensichtlich anders gebraucht als er bei uns üblicherweise gebraucht wird. Die Unterscheidung zwischen ‚legaler Macht‘, die auch Gewalt und Gewaltanwendung im Rahmen von polizeilichen Maßnahmen, aber auch das legitime oder gar legale überschreitende Maß kennt, und ‚Änderungsgewalt‘ wird offensichtlich nicht gemacht. Das erschwert den Verständigungsprozeß.“52

Auf Vierings Schreiben vom 30. November reagierte Lingner am 7. Dezember, bedankte sich für die interessante Anlage und schilderte detailliert, welchen Verlauf die Sitzung der Beratergruppe genommen habe. Die auch von Viering angesprochene Frage nach dem Einfluss, dem die beiden Kirchen durch ihre jeweilige Einbindung in unterschiedliche politische Systeme unterworfen seien, sei vor allem im Zusammenhang mit der Gewaltfrage debattiert worden. Lingner wies auf den Gesprächskreis hin, der diese Problematik unter theologischem Blickwinkel für eine zeitlang erörtere, und nahm dies zum Anlass, Vierings Kritik an der mangelnden Praktizierung der besonderen Gemeinschaft ein wenig zu entkräften. Es zeige sich die deutliche Tendenz, zwischen Ost und West gemeinsame Themen zu erörtern. Das Ziel sei selbstredend nicht, zu gemeinsamen Aussagen oder Voten zu kommen. „Aber man will erfahren, warum die Kirchen hier so und die Kirchen dort anders reden, denken, handeln. Für mich selbst bedeutet diese Entwicklung eine gewisse Befriedigung. Die Beratergruppe scheint mir über die Jahre hinweg wenig effektiv gewesen zu sein. Natürlich hatte es die EKD schwerer als die EKU und auch als die VELKD. EKU und VELKD knüpften bei ihren Beziehungen herüber und hinüber an eine frühere Praxis an, die modifiziert durchgehalten werden konnte.“

Demgegenüber habe die EKD seit dem Mauerbau praktisch keinerlei Kontakte wirklich aufrechterhalten können. Nach einer Schilderung der damaligen (Auseinander-)Entwicklung kam Lingner auf die Funktion und Aufgaben der 1969 gegründeten Beratergruppe zu sprechen, die von dem Gremium nicht hätten erfüllt werden können, so dass nach der Neuwahl des Rates im Mai 1979 ent52

Vermerk Lingner (Dez. 1978), S. 1ff. (EZA, 672/AZ 323, Bd. 1).

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schieden werden müsse, ob die „Fortsetzung der Institution Beratergruppe sinnvoll“ sei. Da sich die Verbindungen zwischen dem Bund und der EKD sowie ihren Gliedkirchen in ausnehmend positiver Weise gestalteten, herrsche auch kein Mangel an wechselseitigen Informationen. Lingner räumte ein, dass die derzeit bestehende Ost-West-Gruppe sich „für die notwendige gemeinsame Verhandlung von anstehenden Problemen […] aber auch künftig nicht eignen“ werde und man den theologischen Gesprächskreis als Test bezeichnen könne, „gezielt ein besonders schwerwiegendes Thema gemeinsam“ zu erörtern.53 Frischer Wind für BEK, EKD und ihre „besondere Gemeinschaft“? Der Leiter des Berlin-brandenburgischen Konsistoriums (Bereich West), Flor, wandte sich am 2. Januar 1979 mit dem Betreff Beratergruppe an den Präsidenten der EKU-Kirchenkanzlei. Er berichtete von der Debatte im Rat der EKU über den Ost-West-Kreis, die an sich Ende Januar weitergeführt werden solle. Flor betonte zwar die Notwendigkeit einer Meinungsbildung innerhalb des Rates, bevor der im Mai neu zu wählende Rat der EKD seinerseits Beratungen über Neuberufung und Aufgabenbestimmung des Gremiums aufnehme, schlug jedoch Kraske vor, „die Sache um 2 bis 3 Monate zu vertagen“. Trotz dieser Anregung wolle er „als wohl einziges offizielles Mitglied der Gruppe aus dem Kreis des Rates und ziemlich regelmäßiger Teilnehmer schon jetzt ein paar Stichworte, die in einer Aussprache erörtert werden sollten, mitteilen“. Offenbar hatte sich Henkys, wie aus Lingners Notizen erstaunlicherweise nicht hervorgeht, in der Sitzung der Beratergruppe Anfang Dezember des Vorjahres nicht nur ausnehmend kritisch über den Ost-West-Gesprächskreis geäußert, sondern das „Unternehmen“ mit einem „ziemlich totalen Verriß“ abgewertet. Auch wenn Flor dies für „überzogen und ungerecht“ halte54, könne er einigen Monita nur zustimmen. Zunächst würden die in Bundesordnungsartikel 4 (4) „angesprochenen Möglichkeiten […] durch die gegenwärtige Praxis nicht ausgeschöpft“, und der vom Rat der EKD berufenen Beratergruppe fehle es an der nötigen „institutionellen Basis“. Sie sei nicht autorisiert, Beschlüsse zu fassen, und die Tatsache, dass weder der Präsident der EKD-Kirchenkanzlei Hammer noch Vizepräsident Wilkens an den Treffen teilnähmen, beweise, dass dort weder Entscheidungen getroffen noch wenigstens Beratungen von wirklicher Relevanz geführt würden. Nicht nur die Vollmitglieder aus dem Westen fehlten häufig, die zudem oft kurzfristigen Absagen zwängen Lingner dazu, im Eilverfahren Ersatz zu be53

Schreiben Lingner an Viering vom 7.12.1978, S. 1f. (EZA, 4/92/8). Flor hob hervor, dass es Unterredungen von „erheblichem fachlichen und menschlichen Niveau gegeben [habe], die gewiß nicht einfach verpufft sind“. 54

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schaffen. So müsse nicht nur unbedingt für eine „in etwa gleichwertige Besetzung aus Ost und West“, sondern für eine stete und verantwortliche Teilnahme aller Mitglieder Sorge getragen werden. Auch sei eine längerfristige Planung der Verhandlungsthemen inklusive eines entsprechenden „Spielraums zur Erörterung jeweils aktueller Dinge“ unabdinglich, für die ein „kleines Gremium“ gebildet werden könne, das die Tagesordnung aufstelle, ohne „zu gängeln“. Eine Beteiligung der EKU-Kirchenkanzlei biete sich allein deshalb an, weil dabei gleichzeitig den Bestrebungen Rechnung getragen werden könne, die Zusammenarbeit der in Berlin ansässigen gesamtkirchlichen Dienststellen zu verbessern. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen sei wichtiger als die Ausstattung der Beratergruppe mit „Entscheidungskompetenzen“, zumal die Motivation der Mitglieder zur verbindlichen Mitarbeit im Zuge einer entsprechenden Umorganisation automatisch gestärkt werde. Im Übrigen könne eine „stärkerer Institutionalisierung und Kompetenzausstattung“ des Ost-West-Kreises dazu führen, dass weniger offen und unbefangen miteinander gesprochen werde. Bestimmte Bischöfe könnten „‚mauern‘ und politische Hemmnisse eine Rolle spielen“, so dass es von Vorteil sei, den Status der „Beratergruppe“ beizubehalten. Flor regte an, diese Vorschläge im Sinne einer Empfehlung an die zukünftigen Mitglieder des Rates der EKD weiterzugeben.55 Über das wie geplant am 9. Januar fortgesetzte theologische Gespräch, das Vertreter von EKD und BEK am 9. Januar zum Thema Rassismus in Südafrika, Sjollema-Papier und speziell der Haltung der Kirchen zur Gewaltfrage geführt hatten, fertigte Heidingsfeld ein ausführliches Protokoll an. Die von Lingner zu dem Problemkomplex vorgelegten Thesen waren in der Debatte berücksichtigt worden; auch wurde der Disput um den Sonderfonds des ÖRK und dessen Verwendung bei der Debatte ebenso wenig ausgeklammert wie die Frage der getrübten Beziehungen zwischen EKD und ÖRK.56 Ausgelöst vermutlich nicht zuletzt durch den Verlauf dieses Fachgesprächs, machte Heidingsfeld dem Leiter der Berliner Stelle den Vorschlag, eine Teilnahme von Vertretern des Bundes an der theologischen Konsultation57, die die EKD zu Vorbereitung ihrer Beratung mit dem ÖRK in Aussicht genommen hatte, zu überdenken. Zwar habe man ursprünglich beschlossen, zu der Konsultation auch Personen „(allerdings aus westeuropäischen Ländern)“ [sic] einzuladen, die nicht aus dem EKD-Bereich kämen, doch sehe er eine Beteiligung des Kirchenbundes nicht unbedingt als „sinnvoll“ an: „Es besteht doch immerhin die Gefahr, dass die zwischen ihm und 55

Schreiben Flor an Kraske vom 2.1.1979, S. 1f. Hervorhebung im Original (EZA, 8/91/1246). Vermerk Heidingsfeld vom 10.1.1979 (EZA, 101/364). 57 Vermutlich ist ein für Ende September in der Ev. Akademie Arnoldshain angesetztes Zusammentreffen gemeint, bei dem die Unstimmigkeiten mit dem ÖRK thematisiert werden sollten. 56

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der EKD anders – um nicht zu sagen kontrovers – eingeschätzten Programme des ÖRK, z. B. Menschenrechte, Antimilitarismus, Programm zur Bekämpfung des Rassismus, sich zu einem der Haupt-Gesprächspunkte während der Konsultation entwickeln.“ Derartige Diskussionen sollten seiner Ansicht nach, da sie „ja auch ein wenig mit Ekklesiologie, Christologie, Kontext und 4,4 zu tun“ hätten, besser bei den Zusammenkünften von dem theologischen Gesprächskreis geführt werden, der zur Beratung von Gewalt und Gewaltanwendung gebildet worden sei. Diese Gruppe könne sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit, aber „in loser Folge“, weiter treffen.58 Bei einer Begegnung der Synodenpräsidien von Bund und EKD am 3. Februar hob Präses von Heyl noch einmal hervor, wie schwierig sich die Lage der EKD angesichts ihres angespannten Verhältnisses zum ÖRK gestalte. Da der Kirchenbund in der glücklichen Situation sei, „sowohl beim ÖRK als auch bei der EKD gehört zu werden“, regte von Heyl an, dass diese Konstellation vom BEK genutzt werden solle, um sich vermittelnd für die EKD einzusetzen. Wenn das Engagement der EKD in der Ökumene nämlich einen „schweren Schaden“ erlitte, wirke sich dies auch in negativer Weise auf den Bund aus. Er betonte, dass es nicht etwa um einen erzwungenen Meinungskonsens zwischen EKD und BEK ginge, sondern lediglich um eine Verständigungshilfe sowohl beim ÖRK für die Position und Situation der EKD als auch bei der EKD, damit möglicherweise überspitzte Dramatisierungen abgebaut werden könnten. Bei der Debatte über die vom Vizepräses der BEK-Synode, Gottfried Forck, gegebenen Informationen über die Eisenacher Delegiertenversammlung wurde dann deutlich, dass die Vorschläge, „wie das föderative Element bei den verschiedenen Organen und Gremien“ durchzuhalten sei, dem Bund dazu dienen sollten, die bei der Formulierung der neuen EKD-Grundordnung gemachten Fehler nicht zu wiederholen. Von Heyl berichtete über seine Teilnahme an der letzten Tagung der Bundessynode, deren „unbefangene Öffnung zur Öffentlichkeit“ ihm positiv aufgefallen sei. Doch fügte er fragend an, ob es tatsächlich notwendig gewesen sei, im KKL-Bericht die Nennung des Namens „EKD“ zu vermeiden. Der Vertreter des Bundes bei der EKD-Synodaltagung in Bethel hatte wiederum beobachtet, dass die „Diskrepanzen in der Frömmigkeitshaltung“ innerhalb der EKD weitaus größer seien als beim BEK. Im Blick auf die zahlreichen in der Synode vertretenen Bevölkerungsschichten fehlten nur Repräsentanten aus der Arbeiterschaft. Beeindruckend sei das Bemühen des Ratsvorsitzenden gewesen, „auseinanderstrebende Gruppen“ zusammenzuführen. Nachdem der Präses der Bundessynode dargestellt hatte, welche Wirkungen das Staat-Kirche-Spitzengespräch vom 6. März vergangenen Jahres gezeigt habe, fragten die westlichen 58

Schreiben Heidingsfeld an Lingner vom 26.1.1979, S. 1 (EZA, 673/91/30).

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Brüder an, wen der Bund zur Tagung der EKD-Synode in Berlin-Spandau entsenden werde, da dieser – falls seitens des Kirchenbundes keine Einwände bestünden – gebeten werden solle, den Schlussgottesdienst abzuhalten.59 Bereits vor über eineinhalb Jahren hatten sowohl der Rat der EKD als auch der Vorstand der KKL ihre Bedenken geäußert, was die Akkreditierung eines evangelischen Korrespondenten in der DDR-Hauptstadt betraf, so dass der Plan vom Rat verworfen worden war. Nun hatte Lingner am 18. Januar bei Stolpe vorgefühlt, inwieweit der Kirchenbund es für umsetzbar halte, dass ein Redakteur des epd als ständiger Korrespondent in Ost-Berlin eingesetzt werde. Der Leiter der Berliner Stelle bat bei Interesse um ein Zeichen und knüpfte die Frage an, ob man gegebenenfalls beim BEK auch Personalvorstellungen habe.60 Der KKL-Vorstand erörterte die Angelegenheit auf seiner Sitzung am 9. Februar und erklärte sie aufgrund einer „neuen Einschätzung der Situation“ nun für denkbar. Der Vorschlag des Vorsitzenden Schönherr, für die Akkreditierung Röders zu votieren, wurde von den Anwesenden begrüßt.61 Der Ratsbevollmächtigte Binder vertrat bei der Sitzung der Kirchenkonferenz am 22. März die Ansicht, die „deutsche Frage“ sei wiederentdeckt worden. Im Mittelpunkt stünde aus bundesdeutscher Perspektive „das Abwägen der Risiken von Schritten auf die Wiedervereinigung hin für die Sicherheit des westlichen Teilstaates“. Hammer informierte auch die Vertreter der Kirchenkonferenz über die sogenannten Eisenacher Empfehlungen und wies auf einen von Zeddies verfassten und publizierten „ausführlichen Bericht“ hin. Er verdeutlichte, dass vom Bund nachdrücklich darum gebeten werde, nun im Westen keine „breite Diskussion im Blick auf die Auswirkungen auf die EKD“ zu beginnen. Zwar habe man sowohl in Bundesrepublik als auch in der DDR im Prinzip dasselbe Anliegen, nämlich zu einer engeren Kirchengemeinschaft zu kommen, jedoch dabei mit ganz unterschiedlichen „Größenverhältnissen“ umzugehen. Ferner sei die „Bekenntnisfrage“ in der DDR wesentlich unkomplizierter als im Westen. Eine zweite Bitte des Kirchenbundes gab der Präsident der Kirchenkanzlei weiter, die Reisen von BEK-Vertretern aus kirchlichem Anlass in die Bundesrepublik betraf. Da die Kirchenleitungen in der DDR weder „den Bogen bei den staatlichen Stellen […] überspannen“ noch die Herausbildung eines „ReiseEstablishments“ befördern wollten, sollten sie über geplante Einladungen seitens der EKD vorab informiert beziehungsweise die Einladungen mit der Bitte um Entsendung eines Kirchenvertreters an die kirchlichen Gremien gerichtet 59

Vermerk Demke vom 20.2.1979 (EZA, 101/39). Schreiben Lingner an Stolpe vom 18.1.1979 (EZA, 4/91/686). 61 Protokoll (Lewek) über 98. Sitzung des KKL-Vorstands am 9.2.1979 in Berlin, S. 2 (EZA, 101/118). 60

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werden.62 Am gleichen Tag hatte der Vorstand der KKL sich über einen speziellen Aspekt dieses Problems verständigt. Die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen habe mitteilen lassen, dass die – immerhin mittlerweile mögliche – Teilnahme von Vertretern des Kirchenbundes an Synodaltagungen der EKD-Gliedkirchen nur jeweils einer Person gestattet und auch nur ein Antrag auf Ausreise in die Bundesrepublik bearbeitet werde. Die Anwesenden waren zu der Übereinkunft gekommen, auf einen Einspruch beim Staatssekretär zu verzichten und bei ihrer Sitzung im Mai zu überlegen, auf welchem Weg eine Unterrichtung der westdeutschen Gliedkirchen am besten zu bewerkstelligen sei.63 In einem gemeinsamen Gespräch des Rates und des Präsidiums der EKDSynode wurde am 23. März im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Synodaltagung über die grundsätzliche Bedeutung der „EKD-Synode im kirchlichen Leben“ nachgedacht. Auch wenn die Synode der EKD zweifellos die „größte Öffentlichkeitswirkung“ habe, dürfe dies nicht den Ausschlag bei der Wahl eines Tagungsthemas geben. Die Gesprächteilnehmer kamen im Laufe ihrer Debatte zu dem Schluss, dass die Festlegung eines „ständigen Tagungsortes“ „wünschenswert“ sei. Vorgeschlagen wurde das Dominikanerkloster in Frankfurt am Main, aber auch West-Berlin biete sich aufgrund einer „Brückenfunktion“ zwischen Ost- und Westdeutschland an.64 Allerdings müsse bedacht werden, dass „andere Orte“ wiederum durch ihre Bezugspunkte zur Gemeinde große Vorteile mit sich brächten. Die Kirchenkonferenz sollte damit beauftragt werde, diese Frage genauer zu prüfen. Einig wurden sich die Anwesenden darüber, dass ein Vertreter des Rates an der September-Tagung der BEK-Synode in Dessau teilnehmen solle.65 Im Rahmen seines Lageberichts informierte Binder am 23. und 24. März auch die Ratsmitglieder vom Wiederaufleben der deutschen Frage, allerdings in diesem Kreis unter Nennung der Voraussetzung, dass die kontroverse Debatte über die Sicherheitspolitik weitergeführt werde und die „Handlungsschwäche der Großmächte“ anhalte. Der Präsident der Kirchenkanzlei erstattete einen Bericht über die Pläne der Kirchen in der DDR, sich zur „VEK“ zusammenzuschließen, und der Vorstandsvorsitzende des Gemeinschaftswerk Evangelische Publizistik

62 Niederschrift (Hammer) über die Sitzung der Kirchenkonferenz der EKD am 22.3.1979 in Hannover, S. 5, 10f. (EZA, 2/93/720). 63 Protokoll (Pabst) über 99. Sitzung des KKL-Vorstands am 22.3.1979 in Dresden, S. 7 (EZA, 101/118). 64 Dass West-Berlin nicht nur als Ort kirchlicher Veranstaltungen in der Praxis nach wie vor vom SED-Staat als Provokation empfunden wurde, gerade weil damit die missliebige deutsch-deutsche „Brückenfunktion“ verbunden war, wurde merkwürdigerweise nicht mitbedacht. 65 Niederschrift (Hammer) über das gemeinsame Gespräch zwischen Rat und Präsidium der Synode der EKD am 23.3.1979 in Hannover, S. 4 (EZA, 2/93/873).

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(GEP), Thimme teilte mit, dass der KKL-Vorstand der Einrichtung einer offiziellen epd-Korrespondentenstelle in Berlin (Ost) positiv gegenüberstünde. Ein ständiger Korrespondent mit Wohnsitz in der DDR-Hauptstadt habe die Möglichkeit, sich ungehindert in der gesamten DDR zu bewegen und könne zudem „indirekt“ einen Beitrag dazu leisten, dass die Berichterstattung der übrigen in Ost-Berlin akkreditierten Journalisten über das kirchliche Leben in der DDR an Qualität gewinne. Da seitens der EKD und des Bundes gleichermaßen bereits wiederholt darüber nachgedacht worden war, wie eine Verbesserung der Presseberichterstattung im Sinne des Ausbaus und der Qualifizierung erreicht werden könne, begrüßten die Ratsmitglieder den Plan und nahmen mit Zustimmung zur Kenntnis, dass die „zuständigen Gremien im GEP/epd und in der Berliner Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Publizistik die erforderliche Klärung der organisatorischen, personellen und finanziellen Fragen in Angriff nehmen“.66 Wie im März vereinbart, beschäftigte sich der Vorstand der KKL am 7. Mai nochmals mit der Frage, wie mit der vom Staatssekretär für Kirchenfragen auf jeweils einen Vertreter des Bundes limitierten Ausreisegenehmigung zu Tagungen der Landessynoden in die BRD umzugehen sei. Da der Vorstand bei seiner Entscheidung geblieben war, von einer Intervention beim Staat abzusehen, kamen seine Mitglieder überein, beim Treffen der Synodenpräsidien von Bund und EKD im Juni von der staatlichen Auflage zu berichten und auch die westlichen Brüder der Beratergruppe bei der nächsten Zusammenkunft in Kenntnis zu setzen.67 Mitte Mai wurde die Mitteilung an die gesamte KKL weitergegeben und dort debattiert. Die Konferenz vertrat einmütig die Ansicht, dass es den Kompetenzen der BEK-Gliedkirchen unterliege, über die Wahl der zu entsendenden Person zu entscheiden und lediglich die nötige Koordination über den Bund abgewickelt werden solle.68

3.1 Lingners Kampf gegen die Auflösung des Ost-West-Gremiums – Ein Wort der Kirchen zum 40. Jahrestag des Kriegsbeginns Zu einer koordinativen Ost-West-Beratung kamen der stellvertretende Leiter des BEK-Sekretariats und der Leiter der Berliner Stelle am 7. Mai zusammen. Die Teilnehmer aus der DDR hatten bislang nicht auf die Anfrage der EKD-Kirchenkanzlei reagiert, ob die Ende vergangenen Jahres erstmals durchgeführte 66 Niederschrift (Hammer) über die 81. Sitzung des Rates der EKD am 23./24.3.1979 in Hannover, S. 9, 15 (EZA, 2/93/873). 67 Protokoll (Lewek) über 100. Sitzung des KKL-Vorstands am 27.4.1979 in Berlin, S. 7 (EZA, 101/118). 68 Protokoll (Winkel) der 61. KKL-Tagung am 11./12.5.1979 in Zwickau, S. 4 (EZA, 101/106).

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und im Januar fortgesetzte „theologische Konsultation“ von Vertretern des BEK und der EKD zur Gewaltfrage am 31. Mai weitergeführt werden könne. Wie Demke jetzt mitteilen konnte, solle dieser Termin zwar „fallengelassen“ werden, jedoch habe der Kirchenbund großes Interesse an einer Konsultationen zu einem neuen Thema, vielleicht mit einer dem Verhandlungsgegenstand angemessen veränderten Besetzung. Allerdings dürfe es zu keiner thematischen und personellen Überschneidung mit den Treffen zwischen Mitgliedern der Kammer für öffentliche Verantwortung und dem Ausschuss Kirche und Gesellschaft kommen. Für die Tätigkeit des Bundes sei eine Erörterung grundlegender Fragen der Beziehungen des ÖRK zu seinen Mitgliedskirchen von Wichtigkeit. „Mit Rücksicht auf die geplante Tagung ÖRK-EKD im September“69 wäre es günstig, eine gemeinsame Konsultationsgruppe „noch vor der Sommerpause“ etwa Ende Juni zu einer Vorberatung zusammentreten zu lassen, um die potentielle Themenstellung zu präzisieren und einen Termin zu vereinbaren. Demke erläuterte, dass das Interesse des BEK sich im großen Zusammenhang des Verhältnisses des ÖRK zu den einzelnen Mitgliedskirchen besonders auf die „Klärung des Konsensus-Problems“ richte. Dafür seien nicht nur theologische, sondern vermutlich auch kirchenrechtliche Erwägungen vonnöten. Es stelle sich einerseits die Frage, in welcher Weise das ökumenische Handeln der Kirchenleitungen der Mitgliedskirchen des ÖRK von einem Konsens in den einzelnen Mitgliedskirchen getragen sein müsse und ob ein „sichtbar gewordener Dissens in einer Mitgliedskirche“ das ökumenische Handeln und die Entscheidungen der Kirchenleitungen blockiere. Zum Zweiten müsse geklärt werden, ob die Entscheidungen der ÖRK-Gremien „in den Mitgliedskirchen Verpflichtungs- oder Bindungswirkungen“ auslösten, durch die wiederum die ökumenischen Entscheidungen und das Handeln der Kirchenleitungen in den Mitgliedskirchen festgelegt würden. Grundsätzlich gehe es hierbei um den „Grad der Verbindlichkeit der ökumenischen Gemeinschaft“. Möglicherweise könne die theologische Konsultationsgruppe diesen Fragenkomplex an einem konkreten Beispiel abarbeiten und auf einer „ersten Arbeitstagung“ nicht nur das Beratungsthema detailliert bestimmten, sondern auch die Planung der inhaltlichen Vorbereitung. Mit Blick auf die Ost-West-Beratergruppe regte Lingner an, das nächste Treffen am 2. Juli Anfang Juli zur Selbstreflexion zu nutzen und – unter Berücksichtigung der „Ziele der Delegiertenkonferenz“ und der im Zuge der Ratsneuwahlen anstehenden „personellen Neubesetzung“ der Gruppe – darüber nachzudenken, wie die zukünftige Arbeit aussehen könnte. Günstig sei es, wenn man dem Rat für seine Entschei69 Hierbei handelte es sich um ein Gespräch, dass vom 24. bis 27.9.1979 in der Ev. Akademie Arnoldshain zwischen Vertretern der EKD, ihrer Mitgliedskirchen, des Bundes und evangelikalen Gruppierungen über die Kontroversen mit dem ÖRK geführt werden sollte.

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dung über die Weiterarbeit der Beratergruppe eigene Vorschläge unterbreiten könne. Lingner stellte in Aussicht, das entsprechende Material zur Vorbereitung der kommenden Sitzung an alle Mitglieder zu versenden, und bat um eine vom Sekretariat des Bundes erarbeitete Auftrags- und Arbeitsbeschreibung für den Ost-West-Gesprächskreis. Er betonte, dass eine Entscheidung dadurch erschwert werde, dass „sachliche, kirchenpolitische und politische Fragen“ berücksichtigt werden müssten. Unter dem sachlichen Aspekt sei die Existenz eines „Informationsforums wie das der Beratergruppe“ nicht mehr als zwingend erforderlich zu rechtfertigen, da nicht nur die EKU und die VELK bilaterale Gespräche führten, sondern auch auf der Ebene der westlichen und östlichen Gliedkirchen der EKD ein reger Austausch stattfinde. Lingner fasste alle Kritikpunkte zusammen, die mit Blick auf die Arbeit des gemeinsamen Gesprächskreises von unterschiedlichen Seiten – nicht zuletzt auch von ihm selbst – benannt worden waren und immer wieder geäußert wurden: So erschwere die Zusammensetzung der Beratergruppe die Erfüllung der Aufgabe, Entscheidungsprozesse in den Leitungsgremien von Bund und EKD „beratend vorzubereiten“. Die Teilnehmerzahl sei zu groß, die Zusammensetzung von Diskontinuität gekennzeichnet, die inhaltliche Vorbereitung unzureichend. Aus dem Beraterkreis selbst kämen kaum thematische Anregungen, und nicht zuletzt erweckten die Gespräche den Eindruck, „als ob es keine gemeinsamen Anliegen zwischen dem Bund und der EKD gäbe, die einer Abstimmung bedürften“. Dass diese Einschätzung nicht richtig sei, habe sich gerade in der Vergangenheit an den ökumenischen Fragen gezeigt, bei deren Klärung es sehr wohl der wechselseitigen Information und der Abstimmung bedurft hätte. Nur sei eben zweifelhaft, ob der Ost-West-Kreis sich für die Wahrnehmung der gemeinsamen kirchlichen Aufgaben im Sinne von Art. 4 (4) eigne. Wenn man nun die Beratergruppe unter dem kirchenpolitischen und politischen Blickwinkel betrachte, sei es ausgesprochen problematisch, sie „einfach aufzulösen“. Erstens könne ihre Funktion nicht von den deutsch-deutschen Gremien der EKU und der VELK übernommen werden, die zudem ihre eigenen Schwerpunkte hätten. Dann sei unklar, wie sich die besonderen Gemeinschaft nach der Gründung der VEK in der DDR weiter praktizieren lasse, wenn das vorhandene „Instrument der Beratergruppe“ „ersatzlos“ aufgegeben werde. Viel wichtiger sei jedoch – und diese vollkommen zutreffende Bewertung Lingners grenzte in ihrer Konsequenz dennoch ans Absurde: „Politisch endlich muß gefragt werden, ob die Preisgabe mühsam erkämpfter Möglichkeiten regelmäßiger Verbindungen nicht doch problematisch bleibt. Beim Staat könnte ein Stück Glaubwürdigkeit kirchlichen Drängens aufs Spiel gesetzt werden. Wenn sich jetzt herausstellt, daß solche Begegnungen überflüssig sind, warum wurde an ihnen so zäh festgehalten?“. Lingner betonte noch einmal, wie kompliziert es sei, angesichts dieser Gemengelage die richtige Wahl

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zu treffen. Er halte es sogar für möglich, dass man sich dazu entschließen müsse, die endgültige Entscheidung aufzuschieben und beispielsweise die Auswertung der Eisenacher Delegiertenkonferenz innerhalb des Bundes abzuwarten.70 In Anknüpfung an den Ratsbeschluss von Ende Februar71 zum 40. Jahrestag des Kriegsbeginns legte Wilkens dem neugewählten Rat der EKD am 8. und 9. Juni nicht nur eine Beschlussvorlage72, sondern die erwünschte Dokumentation „zeitgenössischer“ kirchlicher Äußerungen zum Beginn des Zweiten Weltkriegs sowie den Entwurf für ein „Wort“ des Rates vor. Mit der Verabschiedung des von Wilkens vorbereiteten Beschlusses sollten die Ratsmitglieder zum einen die Entscheidung ihrer Amtsvorgänger vom Februar bestätigen und zum anderen ihren Willen zum Ausdruck bringen, die Erklärung zum Kriegsbeginn „nach Möglichkeit“ mit dem BEK gemeinsam abzugeben. Vorgesehen war, spätestens auf der Sitzung des Rates Anfang Juli den Text abschließend zu beraten. In der „Begründung und Erläuterung“, die Wilkens zu dem Beschlussvorschlag formuliert hatte, fand Erwähnung, dass die Anregung für ein gemeinsames Wort zu diesem Anlass aus der DDR gekommen und dieser Wunsch „in einer eigens hierzu kürzlich anberaumten Besprechung“ (am 25.5.) bekräftigt worden sei. Ferner hieß es, dass der angelegte Entwurf in Form einer „Gedankensammlung“ einige im Kirchenbund angestellte Überlegungen berücksichtige. Da die „Fülle der geäußerten Gedanken“ nur schwer in einem kurzen Kanzelwort unterzubringen sei, müsse entschieden werden, ob die gemeinsame Erklärung als Kanzelwort oder in Form einer „längeren Gedankenführung“ Gestalt gewinnen solle. Die Mitglieder des Rates setzten sich besonders mit dem „Entwurf“ intensiv auseinander, schlugen Formulierungsänderungen vor, gaben Anregungen für eine „Weiterarbeit am Text“ und beschlossen das Vorhaben gemäß Wilkens Vorlage. Angesichts dieser Entscheidung kam man überein, auf ein „gemeinsames Wort mit der Katholischen Bischofskonferenz“ zu verzichten und der zusammen mit Vertretern des Bundes zu erarbeitenden Stellungnahme zum 40. Jahrestag „hohe Priorität“ einzuräumen. Da keines der Ratsmitglieder an dem bereits vage anvisierten Beratungstermin Mitte Juli teilnehmen könne, sollten abgesehen von den Amtstellenvertretern noch zwei Personen hinzugewonnen werden. Als weiterer Termin wurde der 2. Juli in Aussicht genommen, weil aufgrund des Zusammentretens der Ost-West-Beratergruppe in Ost-Berlin am gleichen Tag auch 70 Vermerk Lingner vom 8.6.1979, S. 2f. Hervorhebung im Original (EZA, 4/91/702). – Demke übergab Lingner zur Information eine Zusammenstellung der „bisherigen Äußerungen kirchenleitender Gremien zu den Empfehlungen der [Eisenacher] Delegiertenversammlung“ (EZA, 672/AZ 060). 71 Niederschrift (Dahrmann) über die 80. Sitzung des Rates der EKD am 23./24.2.1979 in Hannover, S. 7 (EZA, 2/93/872). 72 Vorlage (Wilkens) für die 1. Sitzung des Rates am 8./9.6.1979 vom 6.6.1979 (EZA, 672/AZ 323, Bd. 1).

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die Anwesenheit einiger Vertreter des Rates gewährleistet sei. Am 6. und 7. Juli sollte die gemeinsame Erklärung erst separat vom KKL Vorstand und vom Rat verhandelt und danach in einer gemeinsamen Unterredung die „Endredaktion“ vorgenommen werden. Wilkens kündigte an, für die nächste Beratung Mitte Juni sogleich einen „überarbeiteten Entwurf“ erstellen zu wollen. Zuletzt zogen die Mitglieder des Rates Bilanz über die EKD-Synodaltagung, die Mitte Mai in Berlin-Spandau stattgefunden hatte. Hervorgehoben wurde deren außerordentliche Öffentlichkeitswirkung. Allerdings finde die Synode der EKD „nur schwer einen eigenen überzeugenden Stil“. Als problematisch habe sich das „Phänomen der Gruppenbildung in verschiedenen Landessynoden“ erwiesen. Mit den synodalen Gruppen müsse äußerst behutsam umgegangen werden, um einer „Verfestigung“ solcher Strukturen entgegenzuwirken. Die Anwesenden hofften darauf, dass die zunehmende Sacharbeit in den einzelnen Ausschüssen zur Relativierung des Problems beitragen werde.73 Am 13. Juni wandte sich Lingner an Lothar Coenen, Referent im Kirchlichen Außenamt der EKD. Es legte sein Einladungsschreiben an die westlichen Mitglieder der Beratergruppe bei und fügte hinzu, dass er zwar nicht beurteilen könne, ob ein „Vertreter des Außenamtes bei der Sitzung sein kann und sein will“, doch Coenen dazu rate, die Ost-West-Zusammenkünfte „sorgfältig“ zu beobachten. In den kommenden Monaten werde der Rat über die Zukunft der Beratergruppe nachdenken. Ein Beschluss, ob und in welcher Weise das Gremium seine Arbeit fortsetzen solle, sei bislang nicht gefasst worden, doch stünde die OstWest-Gruppe zweifellos „zur Diskussion“.74 In dem erwähnten Schreiben an die Mitglieder und Stellvertreter der Beratergruppe aus dem Westen wies Lingner darauf hin, dass es für die Brüder aus der DDR mit Sicherheit von besonderem Interesse sei, im Rahmen der Lageberichte nicht nur über die Zusammensetzung des neugewählten Rates und dessen erste Sitzung informiert zu werden, sondern vor allem auch „zu erfahren, ob es gelungen ist, ein gemeinsames Wort zum 40jährigen Beginn des 2. Weltkrieges zu formulieren“. Er teilte mit, dass sich einige Vertreter des Bundes und der EKD vor der Sitzung des Ost-West-Kreises zusammensetzen würden, um gemeinsam an der Formulierung der Stellungnahme zu arbeiten.75 Stolpe machte im Blick auf die Beratergruppensitzung am 2. Juli zunächst Demke den Vorschlag, in dem Gremium zu diskutieren, wie die Kirchen in der DDR „in der öffentlichen Meinung in der BRD“ bewertet würden. Zu diesem Thema könne beispielsweise Henkys die Einführung geben.76 73 Niederschrift (Conring) über die 1. Sitzung des von der 6. Synode gewählten Rates der EKD am 8./9.6.1979 in Hannover, S. 7f. (EZA, 2/93/878). 74 Schreiben Lingner an Coenen vom 13.6.1979 (EZA, 4/92/9). 75 Schreiben Lingner an Beratergruppe vom 13.6.1979, S. 1f. (EZA, 673/91/30). 76 Hsl. Vermerk Stolpe vom 18.6.1979 (EZA, 688/1).

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Im Zuge der Vorbereitung einer Vorlage mit dem Betreff „Wahrnehmung der ‚besonderen Gemeinschaft‘ mit den Kirchen des BEKDDR (bisher ‚Beratergruppe‘)“ erinnerte Hammer den Leiter der Berliner Stelle am 17. Juni an diesen Tagesordnungspunkt der Juli-Ratssitzung und regte an, aktiv zu werden, „ehe von dort unziemliche Vorschläge kommen“. Lingner möge ihm eine Liste zusenden, auf der die Namen aller derzeitigen westlichen Mitglieder des Gremiums aufgeführt seien „(falls das angesichts der Fluktuation möglich ist!)“, damit er den aktuellen Stand in die Begründung zu seinem Beschluss-Vorschlag für den Rat aufnehmen könne.77 Die entsprechende Vorlage für die Ratssitzung enthielt folgenden „Beschluß-Vorschlag“, der an dieser Stelle wiedergegeben werden soll, gerade weil er letztlich vom Rat nicht verabschiedet wurde: „1) Der Rat bittet die Leitungen aller Gliedkirchen (einschließlich der EKU) und der VELKD, zur kontinuierlichen und verbindlichen Wahrnehmung der ‚besonderen Gemeinschaft‘ mit den evangelischen Kirchen in der DDR, je einen ‚VerbindungsBeauftragten‘ zu benennen, der Mitglied der Kirchenleitung oder maßgeblich in der zentralen gliedkirchlichen Verwaltung tätig sein sollte. 2) Die Konferenz dieser Verbindungs-Beauftragten, in der der Rat durch mindestens zwei seiner Mitglieder und die Amtsstellen vertreten sein werden [sic], hat die Aufgabe a) Fragen zu erörtern, – die sich – mit Ausnahme der wirtschaftlichen – aus der besonderen Gemeinschaft der in der EKD und dem BEKDDR zusammengeschlossenen Kirchen ergeben, – die solche grundlegenden Probleme des Zeugnisses und des Dienstes der Kirche betreffen, die sich wegen der besonderen und unterschiedlichen gesellschaftlichen Umweltbedingungen stellen; – mit dem BEKDDR regelmäßige Kontakte zu unterhalten, gemeinsame Beratungen zu pflegen und gegebenenfalls gemeinsame Empfehlungen zu erarbeiten; b) Informationen auszutauschen; c) den Rat zu beraten und Anregungen an ihn gelangen zu lassen, die diese besondere Gemeinschaft betreffen. Die Konferenz der Verbindungs-Beauftragten kann nach Bedarf oder auf Bitten des Rates ad-hoc-Arbeitsgruppen auf begrenzte Zeit für bestimmte Arbeitsvorhaben mit festgelegtem Ziel einsetzen. 3) Die bisherige ‚Beratergruppe‘ entfällt. 4) Daneben werden Kontakte zwischen den Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden des Rates und des Vorstandes der Kirchenleitungen in der DDR unter Beteiligung der Amts- und Dienststellenleiter fortgesetzt. 5) Federführend und für die Geschäftsführung verantwortlich ist die Kirchenkanzlei.“

Im Übrigen entsprachen diese von Hammer formulierten Vorschläge dem Modell, das er bereits in einem Vier-Augen-Gespräch mit Lingner am 23.11.1978 kurz 77

Schreiben Hammer an Lingner vom 17.6.1979 (EZA, 4/92/9).

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skizziert hatte. In der anschließenden „Begründung und Erläuterung“ verdeutlichte Hammer, dass die „besondere Gemeinschaft“ zwischen den evangelischen Kirchen in beiden Teilen Deutschlands auf „vielfältige Weise“ praktiziert werde und es an dieser Stelle nur um das ginge, „was auf der Ebene der EKD regelmäßig und in geordneter Weise unternommen“ werde. Der Präsident der Kirchenkanzlei nannte zunächst die Aktivitäten im Bereich der „wirtschaftlichen Hilfen“: 1. Den „Sonderausschuß“, der für die Verwaltung der von den Gliedkirchen im Rahmen des „Hilfsplans“ eingehenden Haushaltmittel zuständig sei. 2. Den Ausschuss für den Kirchlichen Bruderdienst, der für die Verwaltung der von den „kirchlichen Mitarbeitern im Westwährungsbereich eingehenden Spenden – freiwilligen Gehaltsabzüge“ verantwortlich sei. 3. Verschiedene kirchliche Dienststellen, unter ihnen auch die Berliner Stelle er EKD-Kirchenkanzlei, sowie 4. Den „Dreierkreis“, bestehend aus dem Ratsbevollmächtigten Binder, dem Vizepräsidenten des Diakonischen Werkes/Innere Mission und Hilfswerk der EKD, Ludwig Geissel und Hammer selbst, eingesetzt zur „Koordinierung der Hilfsprogramme untereinander und mit Zuwendung von dritten Seiten, Transfer- und sonstige Programm- und Abrechnungsfragen im Rahmen der wirtschaftlichen Hilfen für die Kirchen in der DDR.“ Was die „nicht-wirtschaftliche Pflege der besonderen Gemeinschaft“ anbelange, sei abgesehen von der wechselseitigen Entsendung von Kirchenvertretern zu den Synodaltagungen von Bund und EKD zuerst die Beratergruppe zu nennen, die in der Vergangenheit gute Dienste als in mancherlei Beziehung hilfreiches „Gesprächsforum“ geleistet habe. In diesem Zusammenhang erläuterte Hammer, welche Schwachstellen das Gremium aufweise und welche zusätzlichen Wünsche ihm angetragen worden seien. All das habe er in seinem Beschluss-Vorschlag zu berücksichtigen versucht. Ferner finde in der Regel zwei Mal pro Jahr ein so genannter „Kleiner Gipfel“ statt, bei dem der Ratsvorsitzende, der KKL-Vorstandsvorsitzende und ihre Stellvertretern sich unter Beteiligung der Leiter der Amts- und Dienststellen über aktuelle Fragen, Möglichkeiten gemeinsamen Vorgehens und praktische Problem berieten. Zuweilen komme es dabei auch zu „erklärungsähnlichen“ Stellungnahmen in Form von Kommuniqués. Im Unterschied zur Beratergruppe, die sich grundlegenderen theologischen, kirchenpolitischen und auch politischen Fragen widme, befassten sich die „Chefs“ mit eher tagespolitischen, aktuellen Fragen und Problemen und trügen diese auch zur Verhandlung in den jeweiligen Leitungsgremien an. An der Durchführung dieser „Gipfel“ müsse unbedingt festgehalten werden. Zuletzt bestünden kontinuierliche Verbindungen zwischen den einzelnen Dienststellen und ihren Leitern, die jedoch keiner Regelung durch den Rat

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bedürften.78 Hammers Vorlage war noch eine Anlage beigefügt, die der Vorsitzende des EKD-Ausschusses für den Kirchlichen Bruderdienst für die Verantwortlichen in den Landeskirchen und ihren Diakonischen Werken verfasst hatte. Der in Mark der DDR transferierte Bruderdienst werde finanziert durch Spenden der westlichen Kirchenvertreter, wobei sich der prozentuale Anteil zwischen einem, „manchmal sogar 2–3% des Gehalts“ bewege. Dabei werde nicht geprüft, wieviel einzelne Personen spendeten und ob sie überhaupt einen Anteil für den Bruderdienst abgäben. Zu erwähnen sei, dass „einige wenige Mitarbeiter im Bereich des BEK-DDR […] jegliche Zuwendungen aus dem Bereich der EKD“ ablehnten: „Diese Haltung wird selbstverständlich respektiert. Im übrigen ist der Dank für diese besondere Hilfe groß“.79 Wie Lingner und Demke Anfang Mai abgestimmt hatten, fand am 27. Juni eine Vorberatung für eine erneute „theologische Konsultation“ zwischen Vertretern des Bundes und der EKD statt. Zunächst jedoch wurde die für Ende September geplante EKD-Tagung in Arnoldshain über die Kontroversen mit dem ÖRK thematisiert, an der neben weiteren ökumenischen Gästen auch Hempel teilnehmen sollte. Da – wie Coenen berichtete – im Bereich der EKD durch Spannungen zwischen verschiedenen Gruppierungen wie beispielsweise „Evangelikalen und ‚Progressiven‘“ die Situation recht problematisch sei, müsse mit einer geringen Gesprächs- und Hörbereitschaft gerechnet werden. Jedoch hoffe man, dass die Gäste aus der Ökumene einen Beitrag zur „Neutralisierung des spannungsgeladenen Gegeneinanders“ leisten könnten. Bei der Vorbereitung der „theologischen Konsultation“ überlegten die Anwesenden zunächst, ob grundsätzlich ein Gesprächsbedarf zwischen den beiden Kirchen zu speziellen theologischen Themen bestünde, die potentiellen Gesprächspartner neben ihren eigentlichen Arbeitsaufgaben Kapazitäten dafür aufbringen könnten und nicht „das Gespräch in ökumenischen Gremien einem bilateralen“ zwischen Bund und EKD „vorzuziehen“ sei. Es herrschte Übereinstimmung, dass sowohl das Interesse als auch das Bedürfnis an einem theologischen Gedankenaustausch „zu bestimmten Sachthemen“ vorhanden seien. In der theologischen Konsultation könnten Fragen detaillierter erörtert werden, die sich aus der ökumenischen Arbeit ergäben. Gleichermaßen könne man Probleme besprechen, die im Kontext insbesondere der Beziehungen der beiden deutschen Kirchen zueinander auftauchten, vor allem hinsichtlich anstehender Entscheidungen von Bund und EKD in Bereichen, in denen offensichtliche Gegensätze zwischen den Kirchen 78 Vorlage (Hammer/Lingner) für die 2. Sitzung des Rates am 6./7.7.1979, S. 1f., 4 (EZA, 2/93/878). – Einen Entwurf für die Vorlage hatte Hammer bereits am 17.6.1979 ausgefertigt (EZA, 4/92/9; 672/AZ 323, Bd. 1). 79 „Vertrauliche Information über den ‚Kirchlichen Bruderdienst‘“ zur Vorlage Hammers vom 25.6.1979, S. 2 (EZA, 2/93/878).

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in Ost und Westdeutschland auftauchten. Vertreter der EKD und des Kirchenbundes könnten sich im theologischen Meinungsaustausch vorverständigen und abstimmen und zugleich einen von Schönherr so bezeichneten „kritischen Ökumenismus“ praktizieren, was angesichts der Einbindung der beiden Kirchen in unterschiedliche gesellschaftliche und politische Systeme von besonderem Wert sei. Folgende Themen wurden für eine bilaterale Konsultation ins Auge gefasst: Abrüstung, Menschenrechte und das ökumenische Programm zum Militarismus im Kontext des KSZE-Folgetreffen im Jahr 1980 in Madrid, die Wechselwirkung von Theologie und Gesellschaft im Blick auf das Verhältnis von Kirche und Gesellschaft sowie Glauben und Ideologie und zuletzt die „Problematik der Rezeption ökumenischer Arbeiten“. Zu allen Themenbereichen müsse zunächst recherchiert werden, inwieweit innerhalb der Kirchen bereits dazu gearbeitet werde, um dann die Fragestellung zu präzisieren, Material zusammenzustellen und Thesen vorzubereiten. Nach einer „Denkpause“ wollten die Anwesenden sich erneut beraten, ein konkretes Konsultationsthema festlegen und die entsprechenden vorbereitenden Arbeiten in Gang bringen.80 Der Entwurf einer gemeinsamen Stellungnahme von Kirchenbund und EKD für die Gemeinden anlässlich des vierzigsten Jahrestages des Kriegsausbruchs wurde von den Mitgliedern des KKL-Vorstands auf ihrer Sitzung am 28. Juni diskutiert. Einige Formulierungsänderungen sollten der aus Vertretern beider Kirchen zusammengesetzten Arbeitsgruppe angetragen werden, die endgültige Fassung jedoch am 2. Juli zwischen Schönherr und EKD-Ratsmitgliedern abgestimmt werden. Für den 13. Januar des kommenden Jahres schlug der neu gewählte Rat ein Treffen in Ost-Berlin vor, an dem abgesehen von der KKL auch die Konvente der Bischöfe aus der DDR und der Bundesrepublik einschließlich ihrer Ehepartner teilnehmen sollten.81 Der Vorstand der KKL gab seine Zustimmung und regte an, den Bischofskonvent des Kirchenbundes am folgenden Tag in Herrnhut zusammentreten zu lassen.82 80 Vermerk Lingner vom 2.7.1979, S. 1ff. (EZA, 688/1). Teilnehmer waren Lewek, Zeddies, Demke, Coenen und Lingner. 81 Stolpe bat dann eine Woche vor der Zusammenkunft Lingner um eine Liste mit den Namen der aus der Bundesrepublik zu erwartenden Gäste, um diese zur Vermeidung von Problemen beim Grenzübertritt HAL Weise von der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen zu übergeben. Die EKD-Vertreter sollten an der Grenze angeben, „Gäste von Schönherr in der Albrechtstraße zu sein“. Zur Erläuterung fügte Stolpe hinzu: „Es ist zu bedenken, daß sich der Übergang sonst sehr stark verzögern kann. Beim 2. Bischof fängt der Grenzbeamte an, den nächsthöheren Offizier zu befragen, beim 4. Bischof ruft er das Staatssekretariat für Kirchenfragen an u. a. Der Übergang würde sich sehr lange hinziehen, wenn hier nicht vorbereitende Klarheit geschaffen wird“ (Vermerk Lingner vom 15.1.1980 über ein Gespräch mit Stolpe am 7.1.1980 [EZA, 4/91/702]). 82 Protokoll (Pabst) über 103. Sitzung des KKL-Vorstands am 28.6.1979 in Berlin, S. 4, 5 (EZA, 101/118).

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Neue Ideen für die Zukunft des „Instruments“ Beratergruppe Einen eineinhalbstündigen Antrittsbesuch stattete der neue EKU-Ratsvorsitzende und anhaltische Kirchenpräsident Natho in Begleitung des Präsidenten der Kirchenkanzlei der EKU am 2. Juli dem Staatssekretär für Kirchenfragen ab. Wie Groscurth in seinem Vermerk über das Gespräch eingangs betonte, sei er sowohl von Rogge „privat“ als auch durch einen Bericht Nathos beim Treffen der Beratergruppe am gleichen Tag darüber informiert worden, dass Seigewasser „klipp und klar eine Warnung vor einem Rückfall in die Zeit vor 1971“ ausgesprochen habe. Offenbar habe er aus einer Unterredung Wilkes mit dem Leiter des Lutherischen Kirchenamtes der VELKDDR nicht nur erfahren, dass die aus vierundzwanzig Vertretern des Bundes, der EKU und der VELK in der DDR zusammengesetzte – in Anknüpfung an die „Eisenacher Empfehlungen“ um die Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR bemühte – „Gemeinsame Vorbereitungsgruppe“ durch drei mitarbeitende Gäste aus der Bundesrepublik ergänzt werden solle, sondern auch eine Liste mit den Namen aller DDR-Teilnehmer erhalten.83 Der Staatssekretär habe Natho und Rogge erklärt, dass er den „Status quo“ der EKU mit den gegenseitigen Beratungen und Besuchen akzeptieren könne, nicht jedoch eine „Ausdehnung auf BEK und VELK“. Ebenso wenig sei gegen eine Beteiligung von Vertretern der westdeutschen Kirchen an den Strukturverhandlungen der konfessionellen Zusammenschlüsse in der DDR im Beobachterstatus etwas einzuwenden. Eine „gesamtdeutsche Konzeption“, so Seigewasser, werde aber unter keinen Umständen toleriert. Abschließend habe der EKU-Ratsvorsitzende den Staatssekretär darauf hingewiesen, dass das Verhältnis von Staat und Kirche sich auf der „oberen Ebene“ positiv entwickle, während dies vor allem in den Bezirken Halle und Dessau „weit weniger“ der Fall sei. Natho habe im Rahmen seines Berichts über die Unterredung im Ost-WestGesprächskreis angefragt, „warum denn alles zu Papier gebracht werden müsse“. Dabei spielte er auf die Schwierigkeiten an, die sich für die Kirchen potenzierten, wenn entsprechende Niederschriften in den Besitz staatlicher Organe gerieten. Der Ratsvorsitzende der EKU konstatierte, dass es Zeiten gegeben habe, in denen die Beziehungen zum Staat entspannter gewesen seien und bemerkte: „Es besteht 83 Am 3.7.1979 werde in dieser Angelegenheit auch Stolpe im Staatssekretariat erwartet. In einem Aktenvermerk Wilkes vom 3.7.1979 (S. 1) über diese Unterredung mit Stolpe heißt es: „OKR Stolpe behauptete, in diesem Gespräch [mit Rogge und Zeddies über die VEK und die staatliche Kritik an „mitarbeitenden Gäste“ aus der BRD] nicht gesagt zu haben, mit wem er eine Beratung geführt hatte, um zu vermeiden, daß ‚in der ganzen Kirche erzählt würde, er ginge mit allen Fragen zum ZK‘. Im anschließenden Meinungsaustausch wurde deutlich, daß gegenwärtig die Meinung besteht, die im Artikel 4/4 der Grundordnung des BEK enthaltene Festlegung ‚neu aufzuarbeiten‘, aber keine Bereitschaft in der Leitung des Bundes besteht, hier neue Festlegungen zu treffen“ (BArch BERLIN, DO 4 STS f. Kirchenfragen Nr. 425).

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der Verdacht, daß wir uns als normal eingeredet haben, was keineswegs normal ist.“ Gleich zu Beginn der Beratergruppensitzung sei Schönherr zu Seigewasser zitiert worden, und Hempel, der an Stelle des KKL-Vorsitzenden die Gesprächsleitung übernahm, habe „privat angezweifelt“, ob Schönherr tatsächlich „sofort hätte gehen müssen“. Im Anschluss an das gemeinsame Abendessen der Vertreter von Kirchenbund und EKD habe Schönherr die Anwesenden über seine Unterredung mit dem Staatssekretär und dessen Stellvertreter informiert: „Freundlich in der Form, schwerwiegend in der Sache und in der gleichen Fragestellung: Sorge vor dem Zurückfallen vor 1969 und Schlepptau BRD. Mitarbeit von Gästen sei etwas Neues und würde bedeuten, daß sich die EKU in BEK durchsetzen würde. Mitarbeit von BRD-Vertretern institutionalisiert bedeute Widerspruch zu Souveränität des Staates.“ Ferner sei moniert worden, dass der DDR-Schriftsteller Stefan Heym „allein im Juni“ drei Lesungen in evangelischen Kirchen abgehalten habe. Bei einer Veranstaltung sei ein Journalist aus der Bundesrepublik anwesend gewesen und habe im westdeutschen Fernsehen [Report] darüber berichtet. Die Staatsvertreter hätten moniert, Heym sei „zu einer Fahne des inneren Widerstandes“ geworden, was nicht dem „Geist des 6. März“ entspräche. Ob die Kirchen gewillt seien, hinter diese Linie zurückzutreten. In diesem Sinne habe Seigewasser Schönherr Folgendes angetragen: „Mit ‚Menschen, die mit unserer Gesellschaft in Konflikt geraten sind‘, betriebe z. B. das ZDF eine unverantwortliche Hetze. Es wurde die Bitte geäußert, derartigen Menschen kein politisches Asyl zu gebe; es wäre gut, wenn die Kirche Distanz zeigte. Der Staat wolle Ruhe an der Basis und sorgte sich um gute Zusammenarbeit mit den Kirchen. Viele hätten Heym erst jetzt zur Kenntnis genommen. Lt. Herrn Kalb nähmen viele Leute an den Zusammenkünften teil, die nicht zur Kirche gehörten, weitgehend aufgrund der westlichen Massenmedien. Seigewasser fürchtet Konsequenzen, wenn die Leute hart angefaßt werden, die solche Veranstaltungen durchführen. An sich gäbe es zwischen Staat und Kirche keine besonderen Problem, aber diese Punkte müßten von der Kirche bedacht werden.“84 84 Diese Äußerungen der beiden Staatsvertreter sind insofern bemerkenswert, als damit die – Ende der siebziger Jahre noch fast als paranoid erscheinende – Angst des Staates vor der Etablierung einer sich unter dem schützenden Dach der evangelischen Kirche ausbreitenden oppositionellen Bewegung zum Ausdruck kommt, deren Anteil am Zusammenbruch des gesamten Systems im Jahr 1989 in der Tat nicht als gering eingeschätzt werden kann. – In der Seigewassers Niederschrift vom 3.7.1979 über das Gespräch mit Schönherr am Vortag wird Schönherrs Stellungnahme anders wiedergegeben: Zu „mitarbeitenden Gästen“ aus der EKD an den Eisenacher Empfehlungen und ähnlichen „gesamtdeutschen“ Bestrebungen sagte Schönherr, er sehe „in Übereinstimmung mit der staatlichen Auffassung keinen Sinn darin, Vertretern der EKD ein Mitspracherecht in der Entscheidung von Fragen einzuräumen, die die Beziehungen der Kirche zu unserem Staat und ihren Dienst in der sozialistischen Gesellschaft zum Inhalt haben. Freilich dürfe nicht ausgeschlossen werden, daß so wie bisher auch künftig im Rahmen der ökumenischen Arbeit mit Gliedern und Persönlichkeiten der EKD Kontakte gepflegt werden und Konsultationen zur Verständigung über gemeinsame Glaubensanliegen wünschenswert

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Groscurth hatte in diesem Zusammenhang zwei Bemerkungen des stellvertretenden KKL-Vorsitzenden notiert. Domsch sei der Ansicht, dass die Kirchen sich nicht vom Schriftstellerverband der DDR vorschreiben lassen könnten, welche Autoren sie einlüden. Was die gastweise Beteiligung von Kirchenvertretern aus der Bundesrepublik an den Strukturverhandlungen des 24-köpfigen DDR-Ausschusses anbelange, so werde dabei ausschließlich an die Form der künftigen Beziehungen der VEK zur EKD gedacht. Im Übrigen habe Domsch mit Nachdruck gefragt, „wie dieses Papier85 im Staatssekretariat bekannt geworden sei“.86 Über die Zusammenkunft der Beratergruppe am 2. Juli hob auch Lingner in seinem Protokoll besonders hervor, dass im Kontext der Berichte über die Unterredungen mit Staatssekretär Seigewasser festgestellt worden sei, welche Belastung es für die Kirchen in der DDR darstelle, wenn „staatliche Stellen Protokolle von vertraulichen Sitzungen auf dem Tisch haben!“ Bei der Festlegung neuer Termine für Ost-West-Treffen kam dann erneut eine Debatte über die Frage auf, ob und in welcher Form die Beratergruppe von Bund und EKD zukünftig ihre Arbeit fortsetzen solle, und Lingner berichtete den Anwesenden von der Beschlussvorlage, die dem Rat der EKD auf seiner kommenden Sitzung präsentiert werde. Alle Kirchenbundvertreter sprachen sich „ohne Ausnahme und ohne jede Einschränkung“ für die Weiterführung der gemeinsamen Beratungen aus und gaben ihre Bitte an den Rat weiter, zusätzlich zwei oder drei seiner Mitglieder und „weitere zwei bis drei“ Kirchenleitende aus der EKD in das Ost-West-Gremium zu berufen. Es sei allerdings wünschenswert, dass diese Personen sich ernsthaft um eine regelmäßige Teilnahme an den Treffen bemühten. Konsens bestand gleichermaßen hinsichtlich der Notwendigkeit, „einige Verbesserungen (z. B. der Vorbereitung)“ an der Tätigkeit der Gruppe vorzunehmen. Dabei habe Hempel hervorgehoben, dass an der bereits etablierten Übung, bei den Sitzungen ein Grundsatzthema zur Aussprache zu stellen, festgehalten werden solle. Die insbesondere aus dem Bereich des Kirchen des Bundes stammenden Berichte über mehr oder weniger kritische Äußerungen über Verlauf und Ergebnis der Beraterbleiben. Die Ausführungen des Bischofs zu diesen Fragen blieben insgesamt unklar, insbesondere im Blick auf seine persönliche Positionsbestimmung. Es entstand der Eindruck, daß er sich nicht eindeutig festlegen wollte oder konnte. Offenbar war er auch auf dieses Thema unzureichend vorbereitet. In einem Nebensatz äußerte er, daß ihm mit der Einladung zu diesem Gespräch sofort klar gewesen sei, daß Stefan Heym Gegenstand der Aussprache sein würde“ (SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2.036/45, Bl. 157f.). 85 Gemeint ist eine Niederschrift, in der die Empfehlung der KKL, drei Gäste aus dem Bereich der EKD zur Mitarbeit in dem Gremium einzuladen, festgehalten worden war. 86 Vertraulicher Vermerk Groscurth vom 3.7.1979, S. 1f. (EZA, 643/94/12). – Offiziell rückte der Bund von seinem Plan zwar wieder ab, doch wurde die Beteiligung von Mitarbeitern aus dem EKDBereich nicht aufgegeben.

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gruppen-Gespräche wurden mit Nachdruck „als unzutreffend zurückgewiesen“. Die Anwesenden regten an, dass der EKD-Ratsvorsitzende und andere Vertreter der EKD bei einem ihrer nächsten Zusammentreffen mit dem KKL-Vorstand die Frage der Weiterarbeit der Beratergruppe erörtern sollten. Lingner hielt in seinem Vermerk ferner das Ergebnis eines Nachgesprächs fest, das am 4. Juli mit Demke und Stolpe geführt worden sei. Stolpe habe die Ansicht vertreten, dass es derzeit nicht angeraten sei, irgendwelche Veränderungen an der Arbeitsweise des Ost-West-Kreises vorzunehmen. Er schloss dabei auch Schönherrs Vorschlag ein, die Bezeichnung „Beratergruppe“ zu ändern. Demke habe dies mit der Bemerkung unterstützt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt gehe es vielmehr „um eine Art der ‚Besitzstandswahrung‘“. Die Beratung zwischen Vertretern des Bundes und der EKD am 2. Juli sei spürbar von den Informationen über die Gespräche mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen beeinflusst gewesen: „Vor einigen Wochen und Monaten hatte man auch über die Beratergruppe noch ganz andere Urteile gehört.“ Abschließend hätten die Anwesenden über mögliche Berufungen von neuen Beratergruppen-Mitgliedern debattiert.87 Der stellvertretende Leiter des BEK-Sekretariats hatte wiederum in seinem Vermerk über die Sitzung des Ost-West-Gesprächskreises die „ausführliche Aussprache zur Frage der Weiterarbeit der Beratergruppe“ skizziert. Die Vertreter beider Kirchen seien nicht nur der Ansicht, dass der hohen Fluktuation unter den Mitgliedern Einhalt geboten werden solle, was auch bei den Neuberufungen durch den Rat zu bedenken sei, sondern ebenso die „Rückkopplung“ zu den sie entsendenden Gremien besser funktionieren müsse. Um die „Intensität“ der gemeinsamen Treffen „vor allem hinsichtlich der Thematik und der Sachfragen“ zu steigern, könne einmal im Jahr eine ganztägige Zusammenkunft organisiert werden.88 Wie vorgesehen, setzten Lingner und von Keler den Rat der EKD am 6. und 7. Juli vom „Stand der Beratungen“ über das gemeinsame Wort von Bund und EKD zum 40. Jahrestag des Kriegsbeginns in Kenntnis. Der vorliegende Entwurf wurde prinzipiell akzeptiert, doch sollten mit den Vertretern des DDRKirchenbundes zwei von ihrer Seite vorgebrachte Änderungsvorschläge debattiert werden. Für den Fall, dass der BEK weitere Wünsche äußere, bevollmächtigte der Rat den Berliner Bischof und Vorsitzenden des Bereichsrates (West) der EKU, Martin Kruse, und den württembergischen Landesbischof von Keler, entsprechenden Textänderungen zuzustimmen.89 Auch müsse mit den östlichen 87

Vermerk Lingner o. D., S. 2, 6 (EZA, 4/92/9). Vermerk Demke vom 3.7.1979, S. 1 (EZA, 688/1). 89 In einem Rundfunkkommentar zum Thema Frieden (Radio DDR I, 9.12.1979) zitierte Stolpe auch aus dem gemeinsamen Wort beider Kirchen. Auf Stolpes Manuskript fand sich ein hsl. Vermerk für Lingner: „An diesem Wort wurde Kritik geübt (im Westen – Kraske u. a.) Warum in aller Welt?“ (EZA, 672/AZ 80-5-4, Bd. 2). 88

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Brüdern abgesprochen werden, in welcher Weise eine eventuelle Veröffentlichung des Wortes zum 1.9.1939 vorgenommen werden könne. Die Anwesenden rechneten offenbar immer noch mit einem Scheitern des gemeinsamen Projekts, denn für diese Möglichkeit wurde die Bitte an den Ratsvorsitzenden ausgesprochen, „in Abstimmung mit der Kirchenkanzlei eine Erklärung für die EKD abzugeben“.90 Das Thema „Beratergruppe“ verhandelten die Mitglieder des Rates in geschlossener Sitzung und kamen – wie Stolpe und Demke – zu dem Ergebnis, dass im Blick auf die Tätigkeit und die personelle Besetzung des Gremiums derzeit keine grundsätzlichen Entscheidungen getroffen werden sollten, sondern die „weitere Entwicklung“ abzuwarten und die Arbeit der Beratergruppe wie gewohnt fortzusetzen sei. Hild, von Keler, Kruse und von Heyl würden bis auf weiteres den Rat bei den Ost-West-Treffen vertreten, während die „stets mögliche und erwünschte Teilnahme“ des neuen Ratsvorsitzenden Lohse dabei „als selbstverständlich vorausgesetzt“ werde. Großen Wert werde darauf gelegt, dass der Münchner OKR Hermann Greifenstein und der braunschweigische Landesbischof Heintze, nun auch leitender Bischof der VELKD, wie bisher dem Ost-West-Gesprächskreis angehörten. Unter der Voraussetzung, dass sie sich zur regelmäßigen Anwesenheit verpflichteten, könnten auch der theologische Vizepräsident der westfälischen Kirche, Helmut Begemann und der Hamburger Theologieprofessor Wenzel Lohff um ihre Mitarbeit gebeten werden. Die Mitglieder des Rates kamen überein, sich zusätzliche Berufungen vorzubehalten und zu speziellen Themenbereichen Ad-hoc-Einladungen auszusprechen. Die Geschäftsführung der Beratergruppe werde weiterhin Aufgabe der EKDKirchenkanzlei sein, die verstärkt für eine gezielte Vorbereitung der Sitzungen „(Themenauswahl und einführende Statements)“ Sorge tragen müsse.91 Die KKL tagte zeitgleich mit dem Rat und setzte sich im Anschluss an einen Bericht Leweks zu Entstehungsprozess und Inhalt ebenfalls mit dem Entwurf einer Stellungnahme zum 40. Jahrestag des Kriegsausbruchs auseinander. Unter dem Vorbehalt, dass die beiden Formulierungsvorschläge92 in den Text übernommen werden würden, stimmten die Mitglieder der KKL der Vorlage durchweg zu und ermächtigten ihrerseits bei einer Stimmenthaltung Schönherr, diese Änderungen, „die Überschrift, die Publizierung und die Sperrfrist dem 90 Niederschrift (Hammer) über die 2. Sitzung des Rates der EKD am 6./7.7.1979 in Hannover, S. 6 (EZA, 2/93/879). 91 Auszug aus geschlossener Sitzung des Rates der EKD am 6.7.1979 (EZA, 4/92/9). 92 Im ersten Absatz müsse die Formulierung „alle europäischen Staaten“, im zweiten der Begriff „Feindschaft“ verändert werden. In der Endfassung heißt es: „Nahezu alle europäischen Staaten“ wurden vom durch den deutschen Angriff auf Polen ausgelösten Krieg ergriffen. Statt von „Feindschaft“ wird von „tiefgreifenden Gegensätzen“, „politischen Spannungen“ und „Mißtrauen“ zwischen den Völkern gesprochen.

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Vorsitzenden des Rates der EKiD und dem Bischof der Ev. Kirche AB und HB in Österreich93 zur Mitunterzeichnung anzubieten und das Wort zu unterschreiben“. Der Titelvorschlag der KKL lautete „Wort zum Frieden“. Der Text sollte den kirchlichen Presseagenturen am 10. August übergeben werden mit der Bitte, ihn zum 1. September zu veröffentlichen. Die Kirchengemeinden in der DDR sollten das Wort auf dem üblichen Wege als „Schnellinformation“ erhalten.94 Am 12. Juli unterrichtete Lingner den stellvertretenden Leiter des BEKSekretariats über die Entscheidungen, die der Rat hinsichtlich der Beratergruppe getroffen hatte. Man habe verabredet, dass an den Treffen des Ost-West-Gesprächskreises regelmäßig mindestens drei der benannten Ratsmitglieder teilnehmen würden, wobei der Vorsitzende sich mit seinem Stellvertreter abwechseln könnte. Ferner werde die VELKD durch Heintze, die EKU durch Begemann, die Professorenschaft durch Lohff und die EKD-Kirchenkanzlei „unregelmäßig“ durch Hammer vertreten. Nun erwarte der Rat, dass der Bund die personelle Besetzung analog für DDR-Seite festlege. Über eine Beteiligung einzelner Dienstellen der EKD, wie der Berliner Stelle, der EKU-Kirchenkanzlei und des Lutherischen Kirchenamtes der VELKD „als Zuhörer und Informanten“ denke man nach, doch müsse der Kirchenbund „nicht parallel verfahren“. Vielmehr erscheine es sinnvoll, wenn die „Dienststellenleiter als Vollmitglieder anwesend sind und einzelne Referenten, deren Sachgebiet ständig zur Aussprache steht, an den Sitzungen teilnehmen“.95 Mit einer Art Zwischenbericht wandte sich Lingner am 16. Juli an den Präsidenten der Kirchenkanzlei in Hannover, um ihn über den Stand der Vorbereitung von „theologischen Konsultationen“ zwischen Bund und EKD und die bisherigen Absprachen im Blick auf die Zukunft der Beratergruppe zu informieren. So habe die Planung weiterer Konsultationen mit der Vorberatung Ende Juni an Kontur gewonnen und bedürfe nun eines „deutlichen Plazets für weitere Abreden“, damit die „Verantwortung und die ‚Rückkopplung‘ bedacht und evt. festgelegt“ werden könnte. Lingner schlug Hammer vor, den Amtsstellen Organisation und Geschäftsführung zu übertragen und – da es vermutlich wegen der Behandlung ökumenischer Fragen im Blick auf die Zuständigkeit zu einem 93

AB = Augsburger Bekenntnis; HB = Heidelberger Bekenntnis. Protokoll (Schwerin) der 62. KKL-Tagung am 6./7.7.1979 in Berlin, S. 8 (EZA, 101/107). – Schönherr antwortete am 25.9.1979 auf einer Pressekonferenz nach Abschluss der BEK-Synode in Dessau auf die Frage eines Journalisten, welche Hoffnungen bestünden, „daß man gemeinsam mit der EKD über Frieden und Abrüstung nachdenken“ könne, zumal „überhaupt keine Reaktion von drüben [EKD] bei ihrem langen Bemühen“ festzustellen seien: „Ich würde das nicht sagen wollen. Ich erinnere an das ‚Wort zum Frieden‘. Es war zwar nicht einfach. Wir haben miteinander sprechen müssen und manches mußte von beiden Seiten zurückgenommen werden. Das ist nur ein Beispiel“ (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1064, Bl. 261–265; hier Bl. 262). 95 Vermerk Demke vom 20.7.1979 (EZA, 688/1). 94

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Kompetenzgerangel zwischen der EKD-Kirchenkanzlei und dem Kirchlichen Außenamt kommen werde – ihn selbst als Hauptkoordinator zu beauftragen. Da mit den Ost-West-Konsultationen zu theologischen Grundsatzfragen in einem wichtigen Bereich der Austausch zwischen beiden Kirchen gewährleistet werde, für den die Beratergruppe aus unterschiedlichen Gründen nicht das geeignete Forum biete, könnten deren Mitglieder sich in Gänze der Erfüllung der in Bundesordnungsartikel 4 (4) fixierten Festlegungen widmen. Die Aufgabe des Gremiums bestünde demnach darin, sich über die Belange abzustimmen, für die die „jeweiligen Zusammenschlüsse Mandat und Zuständigkeit“ hätten. Lingner zählte die Beziehungen zwischen Staat und Kirche, ökumenische Angelegenheiten sowie den Ausbildungssektor als Themen auf, zu denen wechselseitig Informationen ausgetauscht werden könnten. Auch sei es sinnvoll, wenn Bund und EKD sich gegenseitig kritisch in Frage stellen und absprechen würden. Bis auf gewisse Defizite bei der Kommunikation im Ökumene-Bereich seien jedoch die genannten Themenfelder durch bilaterale Kontakte zwischen Bund und EKD außerhalb der Beratergruppe abgedeckt, so dass sich der Ost-WestKreis eigentlich nur mit grundsätzlichen Fragen beschäftigen könne, soweit sie von den Leitungsgremien der EKD und des Bundes behandelt oder entschieden werden müssten. Weiter blieben Berichte zur Lage und vielleicht ein bestimmtes Hauptthema zum Zwecke der „etwas gründlicheren Information“. Auch wenn derartige Begegnungen für die Mitglieder der Beratergruppe von eher geringem Wert seien, vertrat Lingner die Ansicht, man könne dennoch etwas aus der Gruppe machen, wenn ein fester Personenkreis kontinuierlich an den Sitzungen teilnehme. Die Voraussetzung sei allerdings, das die Beratergruppe vor allem mit Kirchenleitenden aus Ost und West zusammengesetzt sei. Lingner erläuterte diese Einschätzung: „Zur ‚Kontextualität‘ der Kirchen in der DDR gehört, daß hier hierarchisch empfunden und gedacht wird. Das Gewicht und der Wert einer Zusammenkunft wird gemessen an der Ranghöhe der Anwesenden. Ehrlicherweise muß man zugeben, daß nicht nur die östlichen Kirchen einem hierarchischen Trend unterworfen sind.“ Lingner regte er an, dass Hammer alternierend mit dem Präsidenten des Kirchlichen Außenamtes der EKD an den Sitzungen teilnehmen und der Bevollmächtigte Binder angefragt werden solle, um einen „politischen Bericht“ zu erstatten.96 96 Schreiben Lingner an Hammer vom 16.7.1979, S. 1–4. Abschriften an Demke, Lewek, Heidingsfeld, Burgsmüller (EZA, 4/92/9). – Bei der Übermittlung der beiden Sitzungstermine und Themenschwerpunkte merkte Lingner gegenüber den westlichen Mitgliedern der Beratergruppe an, dass seitens des Bundes noch nicht auf die Frage reagiert worden sei, ob Interesse an einem Bericht über die politische Lage in der Bundesrepublik durch Binder oder einen seiner Mitarbeiter bestünde (Schreiben Lingner an Beratergruppe vom 17.7.1979 [EZA, 8/91/1246]). – Am gleichen Tag wandte sich Lingner auch an Demke, um nachzuhaken, inwieweit die östlichen Mitglieder Informationen über das poli-

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Demke wandte sich mit einem Schreiben an Lingner, um sich für die „Nachrichten und Anregungen“ im Blick auf die Beratergruppe zu bedanken, die er dem KKL-Vorstand auf dessen Sitzung am 26. Juli übermittelt habe. Die Anfang Juli zur personellen Besetzung der Gruppe getroffenen Ratsbeschlüsse seien positiv aufgenommen worden, und der Vorstand werde der KKL den Vorschlag unterbreiten, aus dem Bund sechs ständige Teilnehmer zu benennen. Doch sei man auf der Sitzung zu der Überzeugung gekommen, den bisher praktizierten „Einladungsmodus“, neben dem Vorstand auch alle Leitenden Geistlichen und Leiter der gliedkirchlichen Verwaltungsbehörden, sowie die Leiter der drei zentralen kirchlichen Dienststellen zu den Beratergruppentreffen hinzuzubitten, nicht ändern zu können: „Eine Reduzierung des Teilnehmerkreises und praktisch eine Verweigerung des Zugangs zur Beratergruppe würde bei uns gegenwärtig Mißtrauen Nahrung geben.“ Doch werde durch die Verpflichtung der sechsköpfigen „Kerngruppe“ zur regelmäßigen Teilnahme an den Sitzungen die notwendige Kontinuität des Ost-West-Kreises gesichert.97 Tatsächlich hatte der Vorstand der KKL am 26. Juli beschlossen, seine Einladungen zu den Ost-WestTreffen wie bislang relativ breit zu verschicken und die Mitglieder der „Kerngruppe“ auf der Tagung der Konferenz im September festzulegen.98 An die westlichen Mitglieder der Beratergruppe und Demke wandte sich Lingner am 19. September im Blick auf die nächste Zusammenkunft Anfang Oktober. Er kündigte an, dass eine Debatte über die Medienpolitik zu erwarten sei und sprach die Hoffnung aus, den Brüdern aus der DDR bei diesem Thema die „Zunge lösen“ zu können. Die bundesdeutsche Medienberichterstattung habe in den vergangenen Monaten im Zentrum herber Kritik gestanden, so dass „man hier gerne ‚Roß und Reiter‘ beim Namen hören möchte“. Der Leiter der Berliner Stelle berichtete, dass Lewek im Kontext der Publikation des gemeinsamen „Wortes zum Frieden“99 anlässlich des 40. Jahrestages des Kriegsbeginns tische Geschehen im Westen hätten. Er fügte hinzu, dass über die personelle Besetzung der Beratergruppe im einzelnen noch nicht endgültig entschieden worden sei, jedoch der Rat nachdrücklich den Wunsch geäußert habe, „daß die Mitglieder sich zu einer regelmäßigen Teilnahme an den Begegnungen verpflichtet wissen“. Ebenfalls müsse an einer verbesserten Vorbereitung der Treffen gearbeitet werden (Schreiben Lingner an Demke vom 17.7.1979, S. 2 [EZA, 101/361]). 97 Schreiben Demke an Lingner vom 4.9.1979, S. 1 (EZA, 4/92/9). 98 Protokoll (Pabst) über 104. Sitzung des KKL-Vorstands am 26.7.1979 in Potsdam, S. 5 (EZA, 101/118). 99 Das „Wort zum Frieden“ vom 24.8.1979 sowie ein Kommentar von Henkys, der in der epdZentralausgabe vom gleichen Tag veröffentlicht wurde, ist u. a. abgedruckt in: KJ 1979 (106. Jg.), S. 124f. – Lingner selbst kommentierte im KJ euphorisch: „Die Kirchen in den beiden deutschen Staaten bekannten sich in einem fast demonstrativen Akt zu der von ihnen immer wieder in Anspruch genommenen ‚besonderen Gemeinschaft‘. Daß Politiker in West und Ost bei ihren politischen Reden auf dieses Wort Bezug genommen haben und Passagen aus ihm sogar zitierten, muß fast als Sensation gewertet werden“ (EBD., S. 392).

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„mit spitzer Zunge“ die Frage gestellt habe, „ob es überhaupt einen Sinn hätte, den kirchlichen Medien in der Bundesrepublik einen Informationsvorsprung zu geben, wenn diese so geringen Einfluß auf die Berichterstattung ausüben können“. Er betonte, dass er diese Bemerkung Leweks für „völlig abwegig“ halte. Weiterhin müsse mit den östlichen Brüdern über das neueste Strafrechtsänderungsgesetz100 gesprochen werden, das Lingner hinsichtlich der „besonderen Gemeinschaft“ Anlass zu einigen Befürchtungen gab, auch wenn er sein erklärendes Beispiel in gewohnt lässiger Weise formulierte: „Es ist kein Witz: Wenn Sie in der Schweiz ein häßliches Wort über Angola fallen lassen, können Sie bei Gelegenheit eines Besuches in der DDR bestraft werden. Dies wäre nach den einschlägigen Bestimmungen ein ‚Verbrechen‘“. Er brachte seine Sorge zum Ausdruck, die verschärften strafrechtlichen Bedingungen könnten die Kirchenvertreter aus der DDR möglicherweise soweit beunruhigen, dass sie größte Zurückhaltung bei der Übergabe von Materialien übten und sich nun scheuten, „mit uns ein offenes Wort zu sprechen“.101 Zu der Beratergruppensitzung am 8. Oktober 1979 war Röder, Korrespondent des epd in der DDR102, eingeladen worden, um ein Referat zum Thema der westlichen Medienberichterstattung über die DDR und die Kirchen zu halten.103 Dass er diesen interessanten Vortrag vor einer EKD-seitig schwach vertretenen Gruppe halten musste, hatte bereits im Vorfeld zu unterschwelligen Auseinandersetzungen geführt. Vermutlich auch angesichts des Ratbeschlusses, für eine kontinuierliche Teilnahme seiner Mitglieder zu sorgen, hatte sich der Berlinbrandenburgische Bischof und EKU-Ratsvorsitzende (West), Kruse, an Lingner gewandt, um zu erfahren, ob seine Anwesenheit bei dem Ost-West-Treffen wichtiger sei als seine Teilnahme an der Konsultation in Hofgeismar104. Da Lingner nicht mehr die Gelegenheit hatte, den Präsidenten der EKU-Kirchenkanzlei (West) zu befragen, worum Kruse ihn gebeten hatte, wies ihn der Leiter der Berliner Stelle ein wenig schnippisch nochmals auf von Kelers Bitte an die Mitglieder des Rates hin, die Sitzungstermine der Beratergruppe mit Priorität zu behandeln. Ferner habe Lingner Kruse bereits vorab mitgeteilt, dass nur wenige 100 Am 28.6. hatte die DDR-Volkskammer die 3. Strafrechtsänderung beschlossen, die eine erhebliche Verschärfung des politischen Strafrechts mit sich brachte. 101 Schreiben Lingner vom 19.9.1979, S. 8f. (EZA, 4/92/10). 102 Der Vorstand der KKL wurde am 12.12.1979 darüber informiert, dass Röder vom epd mittlerweile „die beantragte Akkreditierung als DDR-Korrespondent erhalten und seine Tätigkeit aufgenommen“ habe. Sein Sitz sei im Internationalen Pressezentrum in Berlin-Mitte (Protokoll [Lewek] über 109. Sitzung des KKL-Vorstands am 12.12.1979 in Berlin, S. 3 [EZA, 101/118]). 103 Vermerk Lingner o. D., S. 2f. (EZA, 101/361). 104 In der Ev. Akademie in Hofgeismar fand vom 8.–10.10.1979 eine Begegnung von bundesdeutschen Vertretern von Kirchenleitungen, Theologischen Fakultäten, Fachbereichen und Institutionen über „Kirchenleitung und wissenschaftliche Theologie“ statt.

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EKD-Vertreter sich zum Ost-West-Treffen angemeldet hätten, während zur Sitzung im Dezember niemand abgesagt habe und sogar die Präsidenten der Amtsstellen der EKD erscheinen würden. In seinem Einladungsschreiben an die Mitglieder der Beratergruppe habe er ferner versucht, die schwache Besetzung mit der „verhältnismäßig kurzfristigen Terminierung der ersten Zusammenkunft“ zu entschuldigen. Formal hatte Lingner seinen Brief an Kruse beendet: „Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich kein Votum abgeben kann, ob das eine oder andere wichtiger ist. Es gehört schlicht zu meinen dienstlichen Obliegenheiten, Sie an Beratungen im Rat zu erinnern und auf die geringe Beteiligung westlicher Teilnehmer an der Sitzung am 8.10. hinzuweisen“.105 Der Bund widerspricht der SED-Propaganda und bezieht eine eigenständige kirchliche Position in der Friedensfrage Die zahlreichen Anmeldungen zur Zusammenkunft der Beratergruppe am 17. Dezember in Ost-Berlin nahm Hammer zum Anlass, einen „Kleinen Gipfel“106 anzuberaumen, der unmittelbar vor der Sitzung des Ost-West-Kreises zusammentreten sollte. Der Präsident der Kirchenkanzlei der EKD hatte dies nach Rücksprache mit dem neuen Ratsvorsitzenden Lohse und dem Leiter des BEK-Sekretariats Stolpe entschieden, fügte jedoch in seinem Schreiben nachdrücklich hinzu, dass eine Beteiligung der an dem sich anschließenden Beratergruppentreffen „sehr erwünscht“ sei.107 In diesem Zusammenhang wandte sich der Vorsitzende des Rates der EKD an Lingner und bat ihn, bei der Gelegenheit eine Unterredung mit dem Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in der DDR, Günter Gaus, in Ost-Berlin zu arrangieren.108 An Schönherr richtete Lohse anlässlich des Ablebens des Staatssekretärs für Kirchenfragen ein 105

Schreiben Lingner an Kruse vom 25.9.1979, S. 1f. (EZA, 8/91/1246). Hierbei handelte es sich um ein bis zwei Mal im Jahr stattfindende Treffen der Vorsitzenden des Rates, der Leiter und stellv. Leiter der Amtsstellen und des Bevollmächtigten zur Erörterung anstehender Fragen im kleinen, vertraulichen und aktionsfähigen Kreis mit den entsprechenden Amtsträgern des Kirchenbundes. 107 Schreiben Hammer an Lohse/Hild/Held/Binder/Koch/Wilkens vom 10.9.1979 (EZA, 4/92/9). 108 Schreiben Lohse an Lingner vom 16.10.1979 (EZA, 4/91/1193). – Der auf der EKD-Synode im Mai zum neuen Ratsvorsitzenden gewählte Lohse nutzte diesen 17.12.1979 als offiziellen Antrittsbesuch (in Begleitung von Hammer) beim BEK. Lingner kommentierte im KJ 1979 (106. Jg.), S. 449: „Der Besuch im Dezember hatte offiziellen Charakter; die Beziehungen zwischen Kirchen auf der Leitungsebene sollten auch von den staatlichen Stellen in der DDR amtlich zur Kenntnis genommen werden. Kirchliche Zeitungen in der DDR sollten diese Tatsache auch melden können. Über die zwischenkirchlichen Beziehungen und über die ‚besondere Gemeinschaft‘ zwischen dem Bund der Ev. Kirchen in der DDR und der EKD sollte endlich in aller Öffentlichkeit gesprochen werden können. Der offiziell angetretene und amtliche Besuch erfüllte seinen Zweck. Der DDR-Staat nahm diesen Schritt in die Öffentlichkeit hin. Mehr konnte man nicht erwarten.“ 106

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Schreiben, in dem er den „wesentlichen Beitrag“ hervorhob, den Seigewasser zu Verbesserung der Staat-Kirche-Beziehungen geleistet habe. Gleichermaßen zu würdigen sei, dass der Staatssekretär die „Möglichkeiten zu brüderlicher Zusammenarbeit zwischen unseren Kirchen und im ökumenischen Bereich verständnisvoll begleitet“ habe.109 Auf der Sitzung des Synodenpräsidiums der EKD Anfang November wurde wieder einmal deutlich, dass die von der DDR-Regierung eingeräumten Möglichkeiten der brüderlichen Zusammenarbeit analog zur politischen Situation Schwankungen unterlagen. In Vorbereitung der EKD-Synode, die vom 27. Januar bis 1. Februar 1980 in Garmisch-Partenkirchen tagen sollte, hatte OKR Rüdiger Schloz versucht, den Ost-Berliner Dozenten für Praktische Theologie, Günter Krusche, für das theologische Hauptreferat zu gewinnen. Zwar habe dieser seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, jedoch eingeräumt, vorab mit Stolpe Rücksprache halten zu wollen. Nach der Unterredung mit dem Leiter des BEK-Sekretariats habe Krusche zunächst fernmündlich abgesagt, um dann die schriftliche Begründung nachzureichen, dass ihm aller Voraussicht nach angesichts einer „direkt von der EKD“ ausgesprochenen Einladung vom Staat keine Genehmigung zur Ausreise erteilt werde. Die DDR hege besonders nach dem gemeinsamen „Wort zum Frieden“ von Bund und EKD die Befürchtung, die Kirchen in Ost und West könnten ihre Zusammenarbeit noch intensivieren. Hammer habe sich in dieser Sache an Stolpe gewandt und ihm vorgeschlagen, Krusche statt dessen über den Lutherischen Weltbund110 einladen zu lassen. Seitens des LWB habe man sich bereit erklärt, das Vorhaben zu unterstützen. Nach „eingehender kritischer Diskussion“ beschloss das Präsidium, diesen Kunstgriff in Anspruch zu nehmen und bat die EKD-Kirchenkanzlei um Veranlassung der nötigen Schritte. Für den Fall, dass der Plan nicht von Erfolg gekrönt sein sollte, wurde Krusche um die rechtzeitige Übersendung eines Vortragsmanuskripts gebeten, das dann auf der Tagung verlesen werden könnte.111 Nachdem das sowjetische Staatsoberhaupt Leonid Breschnew im Rahmen eines DDR-Besuchs Anfang Oktober112 den Abzug von 20.000 sowjetischen Soldaten und 2.000 Panzern aus der DDR angekündigt hatte, rief der Nationalrat der Nationalen Front der DDR zu einer breit angelegten Unterschriftensamm109 Schreiben Lohse an Schönherr vom 19.10.1979 (EZA, 101/348). – Seigewasser war am 18.10.1979 verstorben. Der vormalige DDR-Botschafter in Italien, Klaus Gysi, hatte dieses Amt übernommen. 110 Seit 1977 war Krusche Vorsitzender der Studienkommission des LWB. 111 Niederschrift (o. A.) über die Sitzung des Präsidiums der Synode der EKD am 9./10.11.1979 in Rummelsberg, S. 2 (EZA, 2/93/278). 112 Breschnew hielt sich vom 4.–8.10.1979 in der DDR auf und konnte so auch am 6. Oktober an der gigantischen Militärparade und dem Festakt anlässlich des 30. Jahrestages der DDR-Gründung teilnehmen.

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lung für eine sogenannte Willenserklärung113 auf, mit der die Abrüstungsvorschläge der Sowjetunion unterstützt und die politische und ideologische Geschlossenheit der DDR-Bürger demonstriert werden sollte. Der Kirchenbund sprach sich am 1. November mit einem „Wort an die Gemeinden“114 indirekt gegen eine Beteiligung an der Unterschriftensammlung aus, richtete sich dabei jedoch nicht gegen die sowjetischen Abrüstungsvorschläge, sondern allein gegen die Form der propagandistischen Aufbereitung durch den Nationalrat. Frieden könne nur auf der Grundlage von Versöhnung und Vertrauen entstehen, während diese Initiative eher die Gegensätze verschärfe, und christlicher Glaube mache den Friedensdienst in der DDR erforderlich. Zusätzlich sandte der KKL-Vorsitzende am gleichen Tag einen Begleitbrief 115 an den Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, um das Wort des BEK zu erläutern und die kritische kirchliche Haltung zur „Willenserklärung“ zu präzisieren. Lingner informierte Hammer in einem persönlichen Schreiben darüber, dass in dem „Wort an die Gemeinden“ Bezug auf den Brief an die Regierung genommen werde. Im Besitz des „streng vertraulichen“ und nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Textes seien ausschließlich die DDR-Bischöfe und Stolpe. Unter keinen Umständen „solle und dürfe“ verbreitet werden, dass der Vorsitzende oder Mitglieder des Rates der EKD von dem Schreiben Kenntnis hätten. Ebenso wenig dürfe der Brief derzeit „im Westen kursieren“. Daher habe Lingner Demke auch nicht um die Übergabe des Textes gebeten. Mit der Bitte, den Ratsvorsitzenden darüber zu informieren, habe der stellvertretende Leiter des BEK-Sekretariats den Inhalt kurz skizziert. Eingangs werde in dem Schreiben das „Wettrüsten auf beiden Seiten“ thematisiert, in diesem Kontext auf das kirchliche Konzept der Friedenserziehung hingewiesen und die Ansicht der Kirche verdeutlicht, dass es sich bei der Bewahrung des Friedens um die „Lebensfrage der Menschheit“ handele. Die „pauschale Erwähnung verschiedener kirchlicher Stellungnahmen u. a. endet mit dem Hinweis auf das Wort zum 40. Jahrestag des Kriegsausbruchs, das ‚gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland‘ gesagt werden konnte“, wie Lingner von Demke erfahren habe. Das war insofern nicht ganz richtig, als es in dem Brief an die Regierung gleich im ersten Absatz lediglich hieß, dass der Kirchenbund zu diesem Anlass „auch in Gemeinschaft“ mit der EKD seine „besondere Verantwortung für Schaffung, Erhaltung und Sicherung des Friedens“ 113 Nach DDR-Angaben hat 96% der Bevölkerung (über 14 Jahre) den Aufruf unterzeichnet. – Wie aus Informationen des MfS hervorgeht, haben nur 45% der „ev. Amtsträger“ und 24% der „kath. Amtsträger“ die Erklärung unterschrieben (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1094, v. a. Bl. 15–34). 114 Gemeint war das Wort des BEK an die Gemeinden in der DDR vom 1.11.1979. Abdruck in: M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 320f. 115 Schreiben Schönherr an Stoph vom 1.11.1979. Abdruck in: M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 322–325.

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erklärt habe, während dann der Beschluss der Bundessynode vom 25. September 1979 in Dessau zur Stationierung von Mittelstreckenraketen116 zitiert wurde. In diesem Beschluss hatte allerdings die Synode des Bundes die KKL gebeten, in der Friedensfrage auch mit „dem Rat der EKD Fühlung zu nehmen“.117 An die KEK-Delegation des Bundes war von der Synode die Bitte ausgesprochen worden, sich bei der Vollversammlung der KEK vom 18.–25.10.1979 auf Kreta für die kurzfristige Einleitung von Verhandlungen zwischen den Regierungen Europas einzusetzen, während der Vollversammlung selbst vorgeschlagen werden sollte, sich für ein Moratorium der Entscheidungen zu den Mittelstreckenraketen stark zu machen. In dem Schreiben an die Regierung wurde die kirchliche Haltung in der Friedensfrage anhand weiterer Zitate aus den entsprechenden ökumenischen Verlautbarungen verdeutlicht, die Notwendigkeit Vertrauen schaffender Maßnahmen herausgestellt und letztlich in Blick auf die „Willenserklärung“ dafür plädiert, die Entscheidung solcher DDR-Bürger zu respektieren, die Breschnews Initiative, nicht aber die des Nationalrats der Nationalen Front bejahten, und somit ihre Unterschrift verweigerten. Lingner kommentierte gegenüber Hammer, bei der Bewertung des BEK-Briefs an die DDR-Regierung müsse Berücksichtigung finden, dass er „in seinen Aussagen klarer und für den Staat m. E. unbequemer ist als das Wort an die Gemeinden. Um so überraschter bin ich, daß das Wort an die Gemeinden vom Staat mit stärkerer Kritik bedacht wird. Schon der Hinweis in dem Brief auf das ‚Wettrüsten auf beiden Seiten‘ steht im Widerspruch zu der DDR-Sprachregelung und der ideologischen Linie (‚Wettrüsten‘ gibt es nur in den imperialistischen Staaten; die sozialistischen Staaten sind an einem ‚Wettrüsten‘ nicht beteiligt; sie stärken ihre Verteidigungsbereitschaft).“ Ferner überspiele der Hinweis auf das gemeinsame Wort zum 40. Jahrestag „souverän und unüberhörbar“ die staatliche Forderung des Staates, die DDR-Kirchen müssten im „Kampf gegen den Imperialismus Partei“ beziehen. „Die Zitate aus ökumenischen Papieren entsprechen der Übung der 116 Das Wort der Synode zur Stationierung von Mittelstreckenraketen ist abgedruckt in: KJ 1979 (106. Jg.), S. 402f. 117 Den Vorstand der KKL unterrichtete Schönherr am 22.11.1979, dass für den 24. November ein „Sondierungsgespräch“ mit dem EKD-Ratsvorsitzenden vereinbart sei, an dem auch Hammer und Stolpe teilnehmen würden. Der Vorstand gab dem seine Zustimmung und bat in diesem Kontext auch die zwei Vertreter des Bundes [Krusche/Schultheiß] bei der Bischofseinführung von Kelers in Stuttgart, dort „die Besorgnisse der Christen und Kirchen in der DDR darzulegen“ (Protokoll [Stolpe] über 108. Sitzung des KKL-Vorstands am 22.11.1979 in Berlin, S. 4 [EZA, 101/118]). – Das Gespräch mit Lohse fand wie geplant am 24.11.1979 statt. Allerdings traf Schönherr am 26.11.1979 in Bonn auch zu einer Unterredung mit dem SPD-Vorsitzenden Brandt zusammen, an der u. a. auch Binder teilnahm. In beiden Gesprächen, über die Stolpe vorab die ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen informiert hatte, ging es um die Frage der Friedenssicherung. Informationen über Verlauf und Inhalt der Unterredungen scheinen innerhalb der Kirchen kaum gegeben worden zu sein.

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Kirchen in der DDR, ihre spezielle Meinung zu bestimmten Fragen im Wege von Zitaten vorzutragen.“118 Diese Interpretation Lingners war zwar vor allem hinsichtlich seiner Beobachtung der Sprachregelung zwischen Staat und Kirche grundsätzlich zutreffend. Der Bund nutzte durchaus sowohl in der direkten Kommunikation mit dem Staat als auch in seinen öffentlichen Stellungnahmen bestimmte Reiz- oder Schlüsselbegriffe, um nur für den Aufmerksamen oder Eingeweihten erkennbare Botschaften zu transportieren, wie auch Vertreter des Staates – jenseits der plakativen offiziellen Propaganda – über die Wortwahl Tendenzen im Gesprächsverlauf zu erzeugen geübt waren. Gleiches galt sicherlich beidseitig für den Rückgriff auf Zitate, mit dem einerseits die Urheberschaft einer Meinungsäußerung einer anderen Person oder Institution zugeordnet wurde und andererseits, was viel wirkungsvoller war, eine Autorität zur Rückenstärkung benutzt werden konnte. Doch Lingner bedachte offenbar im Fall des Briefs an die DDR-Regierung nicht, dass dieser – im Gegensatz zum vom Staat kritisierten „Brief an die Gemeinden“ – eben der Öffentlichkeit auch unbekannt war und durch eine offizielle Beanstandung erst eine gewisse Publizität erlangt oder zumindest Neugier erweckt hätte. Im Übrigen war auch im „Wort an die Gemeinden“ allein durch die Feststellung, dass der christliche Glaube untrennbar mit dem Dienst für den Frieden im eigenen Land verbunden sei, ein provozierender Kontrapunkt zur von der SED durchgesetzten militärischen Ausbildung Heranwachsender gesetzt worden. Lingner gab die Einladung des BEK-Sekretariats zur Sitzung der Beratergruppe am 17. Dezember an die westlichen Mitglieder weiter. Er schickte die Information voraus, dass mittlerweile sowohl der Rat als auch der KKL-Vorstand über eine veränderte personelle Besetzung des Ost-West-Kreises für ihren jeweiligen Bereich debattiert hätten. Der gesamte Vorstand sowie die Leiter aller acht DDR-Gliedkirchen würden ständig an den Sitzungen teilnehmen, wobei die leitenden Geistlichen im Falle ihrer Verhinderung auch einen Vertreter entsenden könnten. Mit dieser „vorläufigen Entscheidung“ des Kirchenbundes, beanstandete Lingner, sei nicht dem ausdrücklichen Wunsch vor allem des Rates Rechnung getragen worden, für einen fest zusammengesetzten Personenkreis zu sorgen. Durch die Vertreterregelung könne es wieder zu wechselnden Konstellationen in der Besetzung des Gremiums kommen. Die leitenden Juristen der Landeskirchen in der DDR hätten eine „ausschließlich theologische Besetzung“ der Gruppe kritisiert. Ferner sei angefragt worden, ob nicht auch das „Laienelement“ Berücksichtigung finden müsse. Die Tagesordnung, die in gemeinsamer 118 Schreiben Lingner an Hammer vom 13.11.1979, Vermerk „Persönlich“, S. 1f. (EZA, 672/AZ 805-4, Bd. 2).

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Absprache festgelegt worden sei, biete zwei Schwerpunkte: Die EKD-Konsultation in Arnoldshain119, die zwar bereits bei dem Treffen im Oktober hätte verhandelt werden sollen, jedoch auf Bitte des zum damaligen Zeitpunkt nicht abkömmlichen Präsidenten des Kirchlichen Außenamtes der EKD, Held, erst jetzt zur Beratung stünde. Nach einem „Sachbericht“ von Heidingsfeld würden Held und Hempel, die ebenfalls an der Konsultation teilgenommen hatten, ihre Eindrücke wiedergeben und die „weiteren Perspektiven“ skizzieren, die sich daraus für die Beziehungen zwischen EKD und ÖRK eröffneten. Vermutlich werde die Beratergruppe sich intensiver mit dem zweiten Tagesordnungspunkt beschäftigen, dem „Friedensdienst der Kirchen“. Seitens der DDR-Mitglieder bestünde Interesse an einem Bericht über Reaktionen in der Bundesrepublik auf das BEK-„Wort an die Gemeinden“ zur Unterschriftensammlung des Nationalrats der Nationalen Front in der DDR. Für die westdeutschen Beratergruppenmitglieder seien hingegen nähere Informationen über den Begleitbrief an die SED-Regierung von besonderem Belang. Lingner erwähnte, dass „mit Sorgfalt“ darauf geachtet worden sei, dass der Wortlaut des Schreibens nicht im Westen verbreitet werde, um einen Missbrauch durch bundesdeutsche Medien auszuschließen. Im Kontext „Friedensdienst der Kirchen“ bäten die Vertreter des Bundes auch darum, zu erfahren, „ob und wie“ der Dessauer Beschluss der Bundessynode in der EKD und ihren Gliedkirchen aufgenommen worden sei. Berichten sollten die westlichen Mitglieder der Gruppe ihrerseits über die „EKDKonsultation zum ÖRK-[Studien-]Programm ‚Militarismus und Wettrüsten‘“. Zuletzt sprach Lingner die Anregung des Bundes an, zur Abrüstungsthematik eine „kleine Konsultationsgruppe aus Teilnehmern der EKD und des Bundes“ zu bilden, die „Erwägungen und Empfehlungen erarbeiten und der Beratergruppe oder den Leitungsgremien vorlegen“ solle. Auf einer „Begegnungstagung“ der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung und des BEK-Ausschusses Kirche und Gesellschaft am 15. Dezember in Ost-Berlin werde unter anderem auch über den weiteren Umgang mit der Frage der Abrüstung beraten. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Beratergruppe „Vorschläge für eine Vertiefung der Thematik durch eine Konsultationsgruppe vorgelegt“ würden.120 Bei dieser „Begegnungstagung“ am 15. Dezember setzten sich die östlichen und westlichen Vertreter unter anderem mit der brandaktuellen Frage auseinander, wie die Lage nach dem sogenannten NATO-Doppelbeschluss, den die Außen- und Verteidigungsminister der NATO-Staaten am 12. Dezember gefasst hatten, zu beurteilen sei. Mit diesem Beschluss wurde zum einen entschieden, 119 Vom 24. bis 27.9.1979 hatten Vertreter der EKD, ihrer Mitgliedskirchen, des BEK und evangelikaler Gruppierungen über die Spannungen mit dem ÖRK debattiert. 120 Schreiben Lingner vom 10.12.1979, S. 1f. (EZA, 688/1).

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bis zum Ende des Jahres 1983 neue bodengestützte nukleare Mittelstreckenraketen121 in Europa zu stationieren, um ein Gegengewicht zu den bereits installierten neuen sowjetischen Mittelstreckensystemen (SS-20) zu schaffen. Gleichzeitig wurde der Beschluss auf bundesdeutsche Initiative an ein Angebot für Verhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion über die europäischen Mittelstreckenraketen gekoppelt. Für den Fall, dass diese Verhandlungen zu einem Abbau der sowjetischen SS-20 führten, sollte seitens der USA auf eine Stationierung neuer Raketen verzichtet werden. Inhalt und mögliche Konsequenzen des NATO-Doppelbeschlusses erklärte der Kirchenjurist Ulrich Scheuner den Anwesenden. Er halte es für „möglich und wahrscheinlich“, dass die Sowjetunion sich allein wegen ihres Interesses an einer Ratifizierung des SALT-II-Vertrags122 auf entsprechende Verhandlungen mit den USA einlassen würden. Demnach sei es nicht unberechtigt, auf den Verzicht von „Produktion“ und „erst recht“ Stationierung der neuen Mittelstreckenwaffen zu hoffen. Die Mitglieder des BEKAusschusses Kirche und Gesellschaft brachten „noch einmal die Dringlichkeit“ zum Ausdruck, dass die „aberwitzige Spirale von Abschreckung und Sicherheit“ durchbrochen und das im „Osten entstandene Bedrohungsgefühl hinter den politischen Aktivitäten, insbesondere der Sowjetunion richtiger“ eingeschätzt werden müsse. Dabei hoffe man im Blick auf neue Verhandlungen vor allem auf die Initiative der NATO. Abschließend betonten die Vertreter des Bundes die Wichtigkeit und ihr Interesse, mit größerer Regelmäßigkeit weitere „Kontaktgespräche“ mit den westlichen Kammermitgliedern zu führen. Es sei wünschenswert, wenn diese über den reinen „Informationscharakter hinaus noch stärker in die jeweilige kirchliche Organisation und Verantwortlichkeit eingebunden“ werden könnten.123 Die Beratergruppe beziehungsweise die zu bildende Konsultationsgruppe fanden bei der Begegnungstagung von Ausschuss und Kammer keine Erwähnung.

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108 Pershing-II-Raketen sowie 464 Cruise Missiles. Seit November 1969 verhandelten die USA und die SU bereits über die Begrenzung strategischer Rüstungen [Strategic Arms Limitation Talks]. Am 26.5.1972 hatten beide Regierungen einen auf unbegrenzte Zeit geschlossenen Vertrag über die Begrenzung von Systemen zur Abwehr ballistischer Raketen [Anti Ballistic Missile] sowie ein auf fünf Jahre limitiertes Interimsabkommen über spezielle Maßnahmen hinsichtlich einer Begrenzung von strategischen Offensivwaffen unterzeichnet. Das SALT-I-Abkommen, das im Oktober 1977 ausgelaufen war, sollte nach Erklärungen beider Großmächte so lange eingehalten werden, bis die SALT-II-Verhandlungen zu einem Ergebnis geführt hätten. Allerdings ratifizierte der Senat der USA dann das SALT-II-Abkommen wegen des sowjetischen Einmarsches in Afghanistan Ende Dezember 1979 nicht. 123 „Vertraulicher Vermerk“ Claessen vom 16.1.1980, S. 4f. (EZA, 672/AZ 323, Bd. 1). 122

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3.2 „Hauptorgan“ zur Praktizierung von Art. 4 (4)? Mit dem württembergischen Landesbischof sprach Lingner am 17. Dezember über weitere Umstrukturierungen, die zu einer effizienteren Arbeit der Beratergruppe führen könnten. Er unterrichtete danach Hammer, dass von Keler und er ins Auge gefasst hätten, jeweils ein Mitglied des Gremiums aus der EKD und dem Bund als „Sprecher“ zu bestimmen. Der Bischof aus Stuttgart habe sich prinzipiell bereit erklärt, diese Funktion für die westlichen Mitglieder der Gruppe zu übernehmen, doch angeregt, die Angelegenheit zunächst dem Berlinbrandenburgischen Bischof Kruse vorzutragen. Dieser könne angesichts seines Amtes als EKU-Ratsvorsitzender möglicherweise Bedenken äußern. Vermutlich würde Kruse es als belastend empfinden, „einerseits ‚Sprecher‘ der Beratergruppe zu sein und zugleich die kritische Distanz der EKU zur Beratergruppe durchzuhalten“. Lingner kündigte Hammer an, den Bischof noch vor der kommenden Sitzung des Rates kontaktieren zu wollen, so dass dort bereits zur Kenntnis genommen werden könne, wer als Sprecher der Berater im EKD-Bereich fungiere.124 Ferner sei es erstrebenswert, zeitweise – aber in jedem Fall vor der nächsten Beratergruppensitzung – ein „Vorgespräch“ zwischen den westlichen Mitgliedern des Gesprächskreises durchzuführen, um dadurch „inhaltlich“ die nachfolgende Unterredung mit den Brüdern aus der DDR zu erleichtern125. Von Keler habe den Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass dem Rat der EKD regelmäßig ein Bericht über die Sitzungen der Beratergruppe erstattet werde, was aufgrund der Tatsache, dass vier seiner Mitglieder dort vertreten seien, sicherlich umsetzbar sei. Lingner und von Keler hätte zudem angedacht, ob das Vertrauen der Brüder ineinander „dadurch gestärkt werden könnte, wenn einmal eine zweitägige Tagung in der DDR durchgeführt würde“. Angesichts der Tatsache, dass der Meinungsaustausch auf der Beraterebene“ weder in die Gliedkirchen der EKD noch in die des Kirchenbundes hineinwirke, sei Hammers „frühere Idee“ wieder ins Gespräch gekommen, je einen Referenten aus allen Gliedkirchen in Ost und West „für die ‚verbindliche Bruderschaft‘ oder die ‚geordnete Partnerschaft‘“ zu benennen, die ihrerseits einmal jährlich gemeinsam in der DDR „evt. 124

Die Kommission des Rates kam dann auf ihrer Sitzung am 26.1.1980, kurz vor der EKD-Synodaltagung in Garmisch-Partenkirchen, zu der Übereinkunft, von Keler als Sprecher der Beratergruppe vorzuschlagen (Niederschrift [Hammer] über die 6. Sitzung der Kommission des Rates der EKD am 26.1.1980 in GAP, S. 2 [EZA BERLIN, 2/93/883]). – Von Keler wurde auf der Ratssitzung vier Tage später um die Übernahme dieser Funktion gebeten und erklärte sein Einverständnis (Niederschrift [Hammer] über die 8. Sitzung des Rates der EKD am 30.1.1980 in GAP, S. 2 [EZA BERLIN, 2/93/882]). 125 An dieser Stelle hatte Lingner in seinem Schreiben an Hammer die Bemerkung wieder gestrichen, dass ein Vorgespräch „auch unter den Mitgliedern der Beratergruppe eine Verständigung darüber herbeiführen [könne], welche Funktion die Beratergruppe haben kann und hat“.

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nach einem Vorgespräch innerhalb der Bereiche“ tagten. Lingner fügte an, dass das „im einzelnen schwer zu begründende ‚Unbehagen‘ in Bezug auf die Beratergruppe“ zweifellos dazu führen könne, dass sich „die lutherischen Kirchen in der DDR und im Bereich der EKD entschließen könnten, einen Beratungskonvent regelmäßig zusammentreten zu lassen, damit Fragen, die auf der Beraterebene nicht erörtert werden können, im konfessionell ‚familiären‘ Bereich beraten oder behandelt werden.“126

Die Anregungen, die Lingner an Hammer weitergegeben hatte, sollten dazu beitragen, die Beratergruppe endlich als effizient arbeitendes Gremium zu etablieren, dessen Wirkungsgrad sich nicht nur auf die EKD und den Bund, sondern auch auf die übrigen konfessionellen Zusammenschlüsse in der DDR und der Bundesrepublik erstreckte. Damit wäre die Beratergruppe letztlich in den Rang des konkurrenzlosen Hauptorgans zur Praktizierung der besonderen Gemeinschaft der beiden Kirchen aufgestiegen. Heidingsfeld, mittlerweile OKR im Kirchlichen Außenamt der EKD, reagierte Anfang Januar 1980 auf die von Lingner schriftlich dargelegten Vorschläge, welche Gestalt die Beratergruppe nach der Schaffung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR annehmen könne. Die Bezeichnung „geordnete Partnerschaft“ der beiden Kirchen durch „verbindliche Bruderschaft“ zu ersetzen, sei „zwar einleuchtend“, beziehe aber einerseits die „Schwestern“ nicht mit ein und bringe andererseits „nicht so präzise zum Ausdruck, was das Wort Partnerschaft (vor allem, wenn man bedenkt, daß es früher Patenschaft hieß) formuliert“, so dass seiner Ansicht nach der Begriff „Partnerschaft“ zu bevorzugen sei. Offenbar hatte Lingner in seiner Ausarbeitung auch zwischen „kirchlichen, theologischen und politisch-ethischen Themenbereichen“ unterschieden, was Heidingsfeld prinzipiell nachvollziehen könne, doch bezweifle, ob eine solche Trennung möglich sei: „Die Unbestrittenheit, daß kirchliches und theologisches Reden und Handeln zugleich auch immer an den Kontext gebunden ist, innerhalb dessen er stattfindet, scheint mir dabei zu wenig berücksichtigt zu sein. Ich meine also durchaus, daß man es riskieren sollte und könnte, auch diese kirchlichen und theologischen Themenbereiche innerhalb der Beratergruppe zur Verhandlung zu stellen, was nicht ausschließt, daß man zu bestimmten speziellen Themen die von Ihnen vorgeschlagene Beratungskonvente bildet.“

Nach der Durchsicht von Lingners Anregungen stelle sich Heidingsfeld immer noch die Frage, welche zwingenden Gründe es für die Weiterexistenz der Beratergruppe gebe. Wenn auch einiges dafür spräche, „eine Klammer beizubehalten, 126

Schreiben Lingner an Hammer vom 21.12.1979, S. 1f. (EZA, 4/92/11).

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unter der Vertreter aus beiden Kirchenvereinigungen in der Bundesrepublik und in der DDR zusammenkommen können“, müsse diese Klammerfunktion näher bestimmt werden. Entweder betrachte man sie lediglich als einen der „letzten verbliebenen Zusammenhalte“ oder man begreife sie zugleich als „Chance“, „ein Modell ökumenischer Zusammenarbeit von Kirchen und Christen, die (von gemeinsamer Tradition herkommend) nun in so unterschiedlichen gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und ökonomischen Kontexten Zeugnis und Dienst ablegen müssen, zu praktizieren“.127 Die Mitglieder der KKL befassten sich am 11. und 12. Januar mit den Aufträgen, den die Bundessynodalen in Dessau ihnen im vergangenen September mit dem Beschluss zur Frage der Stationierung von Mittelstreckenraketen erteilt hatten.128 Während Stolpe über die Ausführung des Synodenbeschlusses im Blick auf KEK und EKD berichtet und eine Bewertung der friedenspolitischen Entwicklung und der Aufgaben, die sich für die Kirchen daraus ergeben können, vorgenommen hatte, stellte Demke dar, wie sich die „Gesprächslage in der EKD“ zur Frage der Friedenssicherung und Abrüstung gestalte. Die KKL fasste nach einer ausführlichen Diskussion den Beschluss, den Konvent der Bischöfe zu beauftragen, „zu prüfen, ob und in welcher Weise eine geistliche Orientierung an die Gemeinden bzw. die Pfarrerschaft gegeben werden soll“. Der KKL-Vorstand könne nach einer Auswertung der Resultate eine entsprechende Vorlage für die Tagung der KKL im März ausarbeiten. Falls es nötig werde, die Orientierung kurzfristiger zu publizieren, werde die KKL zu einer Sondersitzung einbestellt. Hinsichtlich der Fühlungnahme mit der EKD erteilten die Anwesenden ihrem Vorsitzenden den Auftrag, den Vorsitzenden des Rates zu kontaktieren und der EKD „die Bildung einer kleinen Gruppe zur Frage der Friedenssicherung vorzuschlagen“. Ferner wurden Schönherr und der KKL-Vorstand beauftragt, „Gesprächsmöglichkeiten auf hoher staatlicher Ebene zu sondieren und wahrzunehmen, in denen die kirchliche Auffassung dargelegt werden kann und Informationen erbeten werden sollen“.129 Die DDR-Bischöfe stellten bei ihrer Rüste vom 14. bis zum 17. Januar in Herrnhut in eigener Sache fest, dass weniger die Bildung einer Vereinigten Evan127

Schreiben Heidingsfeld an Lingner vom 7.1.1980, S. 1f. (EZA, 4/92/11). Der Beschluss vom 25.9.1979 ist abgedruckt in: M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 308. Darin waren zum einen die kirchlichen Delegierten aus der DDR aufgefordert worden, sich auf der KEK-VV (18.–25.10.1979) für die „kurzfristige Einleitung von Verhandlungen zwischen den Regierungen Europas einzusetzen“ und bei der Vollversammlung die Verabschiedung eines Moratoriums der Entscheidungen zu eurostrategischen Waffen anzuregen. Zum anderen war der Wunsch nach einer Kontaktaufnahme mit der EKD in der Friedensfrage zum Ausdruck gebracht worden. 129 Protokoll (Demke) der 65. KKL-Tagung am 11./12.1.1980, S. 2f. (EZA, 101/107). – Der genaue Gesprächsverlauf und einzelne Stellungnahmen der Anwesenden gehen aus einer MfS-Information vom 15.1.1980 hervor (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-31, Bl. 13–16). 128

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gelischen Kirche in der DDR als vielmehr „die Art, wie wir bisher miteinander im Bunde umgegangen sind“, zur Debatte stünde. Dabei konstatierten die Anwesenden, dass man sich vor allem im Bereich der Ökumene mit zu zahlreichen Aufgaben „übernommen“ habe. Nicht nur die Anzahl der Kommissionen, sondern ebenso die ihrer Mitglieder müsse verringert werden. Die Installation zu großer Gremien sei in Zukunft zu vermeiden, da zum Beispiel in der KKL eine „oft nicht mehr zu verantwortende Schweigsamkeit“ herrsche. Statt dessen müsse sich der Kirchenbund die „Kreativität der Gemeinden und die landeskirchlichen Aktivitäten“ besser zu nutze machen. Zur Koordination benötige man ein „kleines, aber starkes“ BEK-Sekretariat mit „Dezernenten“ anstelle der „‚Sekretäre‘ mit zehnjährigem Auftrag“. Bei einer Verkürzung der Beauftragungszeit müsse allerdings mit einer Verunsicherung der Angestellten gerechnet werden. Alle Bischöfe waren durchweg der Ansicht, dass der „Schritt zu einer größeren Gemeinsamkeit nur“ mit Stolpe als Leiter des BEK-Sekretariats oder einer entsprechenden Nachfolgeorganisation „gewagt“ werden könne. Angesichts seiner Unersetzlichkeit wollte der Bischofskonvent sich dafür einsetzen, dass Stolpe eine „Anstellung auf Lebenszeit“130 erhielte. Nur müsse dann die Laufzeit der Dienstverhältnisse der übrigen Sekretariatsmitglieder „auf eine entsprechende Stufe“ gestellt werden. Der KKL-Vorstand sollte gebeten werden, diesen Wunsch der Bischöfe mit Nachdruck geltend zu machen.131 Für eine Festschrift132 entwarf Lingner einen zehnseitigen Beitrag zum Thema „besondere Gemeinschaft“, den er am Mitte Januar dem Präsidenten der EKU-Kirchenkanzlei, dem Leiter des BEK-Sekretariats und dem Leiter des Lutherischen Kirchenamtes der VELKDDR, also Rogge, Stolpe und Zeddies, mit der Bitte um ihr Votum zuschickte. Seinen Artikel leitete Lingner mit dem Hinweis ein, dass der 10. Jahrestag der Bundesgründung im vergangenen Jahr zwar „keinen Anlaß“133 zum Feiern geboten, das schweigende Übergehen des Jubilä130

Üblich war eine auf zehn Jahre befristete Anstellung. Vermerk Schönherr vom 18.1.1980, S. 2 (EZA, 101/3099). 132 Der Artikel wurde in der Festschrift (T. SCHOBER [Hg.]: Das Recht im Dienst einer diakonischen Kirche. Freiheit und Bindung. Wolfgang Güldenpfenning zum 75. Geburtstag. Stuttgart o. J.) ohne Verfasserangabe abgedruckt. Veröffentlicht wurde Lingners Beitrag – ebenfalls ohne Angabe des Autors – auch in KiSo 3/1980, S. 33–39. 133 Diese Entscheidung des Bundes, das Jubiläum seiner Entstehung am 10.6.1979 nicht mit einem besonderen Festakt zu begehen, hing mit der Tatsache zusammen, dass sich Anfang Oktober 1979 die DDR-Staatsgründung zum 30sten Mal gejährt hatte und befürchtet worden war, dass im Falle einer Würdigung des eigenen Gründungstages vom Staat die Erwartung zum Ausdruck gebracht werde, der Bund müsse sich auch anlässlich des 30. Jahrestages der DDR exponieren. Jedoch hatte z. B. Stolpe, offenbar ohne dass diese einer größeren Öffentlichkeit bekannt gegeben worden war, unter dem Titel „Anmerkungen zur kirchlichen Entwicklung nach 1968“ eine Ausarbeitung zum 10. Jahrestag der Bundesgründung verfasst (EZA, 101/8). – Dieser in Ost-Berlin gehaltene Vortrag fand sich auch in den Beständen des MfS wieder (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1064, Bl. 124„a“[unnummeriert]–134). 131

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ums jedoch „hier und da Verwunderung ausgelöst“ habe. Allerdings hätten die beiden evangelischen Kirchen in Ost und West im zehnten Jahr der Trennung ihre „besondere Gemeinschaft“ mit dem gemeinsamen „Wort zum Frieden“ anlässlich des 40. Jahrestages des Kriegsausbruchs erstmals „öffentlich darstellen“ dürfen134 – eine „lange Zeit“, wie Lingner konstatierte. Im Folgenden stellte Lingner sehr detailliert die Entwicklung der besonderen Gemeinschaft seit 1969 dar. Er berücksichtigte dabei die politische Entwicklung und den kirchenpolitischen Kurs im Ostteil Deutschlands und schilderte gleichermaßen ausführlich, anhand welcher gemeinsamen Gremien sowie deutsch-deutschen Kontakte BEK und EKD ihre in 4 (4) bekannte „besondere Gemeinschaft“ allen Widerständen zum Trotz zu praktizieren versuchten. Der Arbeit der Ost-West-Beratergruppe räumte Lingner einen vergleichsweise breiten Raum ein. Die Kirchengemeinschaft zwischen Bund und EKD sei nach und nach mit Leben erfüllt worden, doch könne nicht behauptet werden, „heute sei nun alles wieder in Ordnung“. Beide Kirchen hätten – geprägt durch das Leben in unterschiedlichen Gesellschaftssystemen – „ihre eigenen Wege“ verfolgt, so dass ein Konsens in theologischen oder politisch-ethischen Fragen nur „schwer oder gar nicht“ hergestellt werden könne. Lingner resümierte: „Das die Kirchen verbindende Evangelium, das gemeinsame Bekenntnis, das gleiche Liedgut und auch die zusammen erlebte Geschichte entheben die Kirchen der EKD und die Kirchen des Bundes nicht von der Bemühung, die besondere Kirchengemeinschaft zwischen ihnen in Wort und Tat immer wieder neu zu bewähren.“135 Stolpe notierte auf der Vorderseite des zugehörigen Anschreibens von Lingner knapp, dass er es an sich für „klüger“ halte, jedoch nicht ausdrücklich darauf bestünde, den Artikel nicht in die Festschrift aufzunehmen. Zu einzelnen Formulierungsänderungen sei Lingner in jedem Fall zu veranlassen.136 Zeddies monierte in seiner Stellungnahme, die er zur uneingeschränkten Verwendung an Stolpe weiterreichte, dass mit einigen wertenden Aussagen in der Ausarbeitung der Eindruck vermittelt werde, der Kirchenbund habe sich „politischen Interessen untergeordnet“. Weiter gebe der Leiter der Berliner Stelle gewisse Informationen preis, bei denen sich Zeddies frage, ob das tatsächlich nötig sei.137 Die Interpretation der Rede des für Kir134

In einer Besprechung mit Demke am 2.2.1980 erwog Lingner dann, das „dürfen“ zu streichen. O. Lingner: Die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland [4.1.1980], S. 1, 10 (EZA, 688/149). 136 Schreiben Lingner an Stolpe vom 15.1.1980 mit hsl. Kommentar Stolpes vom 28.1.1980 (EZA, 688/149). 137 Lingner schilderte beispielsweise, dass Staatssekretär Seigewasser vor der offiziellen Anerkennung des Bundes erklärt habe, „Schreiben des Bundes mit einem entsprechenden Briefkopf“ nicht annehmen zu können. Seigewasser habe jedoch eingeräumt, eine Verwendung des Kopfbogens der KKL könne akzeptiert werden. Der Leiter der Berliner Stelle kommentierte in seinem Beitrag, dass die KKL bereits vor der Bundesgründung existiert hätte, wenn auch „mit anderer Funktion, Zusammensetzung und 135

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chenfragen zuständigen ZK-Sekretärs Paul Verner vom 8. Februar 1971 stünde im Widerspruch zu „anderslautenden Aussagen“.138 Insgesamt beschränke sich der Beitrag abgesehen vom Schlussteil auf die „Strukturproblematik, ohne die Sachfragen zu erörtern. Dadurch erscheint ‚besondere Gemeinschaft‘ als etwas, für das die Beweislast (wegen seiner Abgrenzung von der EKD) lediglich beim Bund liegt, der er recht und schlecht genügt. Das ist schade“.139 Lingner vermerkte am 1. Februar, Demke werde ihm am folgenden Tag mitteilen, ob die Einwände gegen seine Ausarbeitung zur „besonderen Gemeinschaft“ aufrechterhalten würden.140 In dieser Aussprache setzte Demke Lingner von dem recht negativ ausgefallenen Gesamtvotum der Dienststellenleiter in Kenntnis. Seitens des Bundes werde von einer Veröffentlichung abgeraten, da von negativen Konsequenzen für die Praktizierung der besonderen Gemeinschaft für sehr wahrscheinlich angesehen werden müssten. Auch wenn Lingner seinen Artikel nicht zurückziehe, jedoch unter Berücksichtigung der empfohlenen Veränderungen überarbeite, blieben die „grundsätzlichen Bedenken“ bestehen. Lingner erklärte sich – abgesehen von den bereits erwähnten – zu weiteren Änderungen bereit. Hinsichtlich seiner am Ende des Beitrags formulierten Einschätzung, dass es trotz des Gelingens, die „besondere Gemeinschaft“ der Kirchen „neu zu beleben“, „verfehlt“ sei, „zu meinen, heute sei nun alles wieder in Ordnung“, habe Demke dem Leiter der Berliner Stelle zu erläutern versucht, welche brisante Wirkung dieser „Satz in seiner Harmlosigkeit“ haben könne. In Auswertung der Beratung befand Demke, dass es nicht vonnöten sei, die kritischen Einwendungen nochmals schriftlich niederzulegen. Lingner werde Hammer und Lohse mitteilen, dass Rogge, Stolpe und Zeddies eine Publikation seines Beitrags als potentielle Gefährdung der „besonderen Gemeinschaft“ zwischen EKD und Kirchenbund ansähen, wobei der „Grad der Wahrscheinlichkeit“ als „hoch“ eingeschätzt werde. Dennoch werde Lingner nicht ersucht werden, seine Darstellung zurückzuziehen, „weil man nicht in die andere Seite ‚hineinregieren‘ will“. Der Leiter der Berliner Zuständigkeit“. Somit habe es sich „als klug“ erwiesen, „die bestehende Konferenz zu einem Organ des Bundes zu machen“. Auch im Blick auf die Beratergruppe war Lingner nach Ansicht von Zeddies zu sehr ins Detail gegangen. Tatsächlich hatte er nicht nur die Anzahl der jährlichen Ost-West-Treffen genannt, sondern sogar indirekt berichtet, welche Kirchenvertreter dem Ost-West-Gesprächskreis angehörten. Während letztlich die Seigewasser-Passage herausgenommen wurde, sollte Lingner bei der Beschreibung der Beratergruppenmitglieder zumindest die östlichen Teilnehmer aussparen. 138 Verner hatte sein Referat anlässlich des 10. Jahrestages des Fuchs (CDU)-Ulbricht (SED)-Gesprächs gehalten. – Wie Demke nach seiner Beratung mit Lingner vermerkte, wurde auch diese Passage gestrichen. 139 Schreiben Lingner an Zeddies vom 15.1.1980 mit Anmerkungen Zeddies vom 19.1.1980 auf der Vorder- und Rückseite (S. 1f.); auch Demke hatte sich später auf der Rückseite Notizen über seine Unterredung mit Lingner am 2.2.1980 gemacht (S. 2) (EZA, 688/149). 140 Auszug aus Vermerk Lingner vom 1.2.1980. – Heidingsfeld notierte wiederum (o. D.) hsl. auf dem Vermerk: „Nach Rücksprache mit Präs. Hammer soll der Beitrag laufen erledigt“ (EZA, 4/91/687).

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Stelle habe Demke abschließend darauf hingewiesen, dass eine „Rücknahme“ seines Beitrags „Verärgerung“ auslösen werde, da vermutlich die angemahnten Kritikpunkte nicht auf Verständnis stoßen würden.141 Anfang Februar bestätigte der Vorstand der KKL verbindlich142, seitens des Bundes die Regelung für die bisherige Kernzusammensetzung der Beratergruppe, also KKL-Vorstand und leitende Geistliche, beizubehalten. Jedoch sollte den „Leitern der Verwaltungsbehörden und der zentralen Dienststellen“ die Möglichkeit eröffnet werden, ebenfalls an den Ost-West-Treffen teilzunehmen. Bei der nächsten Zusammenkunft am 12. März könne von der Synodaltagung der EKD in Garmisch-Partenkirchen berichtet werden. Stolpe könne über die Arbeit der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe143 und Hempel und Rathke über ihre Eindrücke von der ÖRK-Konsultation mit Mitgliedskirchen aus sozialistischen Ländern Europas in Budapest144 informieren. Mit Blick auf die Tagung der EKD-Synode, so teilte Stolpe den Anwesenden „inoffiziell“ mit, hätten Vertreter der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen moniert, dass der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß ein Grußwort145 an die Synode gesprochen habe und angekündigt, dass dies grundsätzliche Konsequenzen für 141

Vermerk Demke vom 4.2.1980, S. 1f. (EZA, 688/1). Am 9.10.1979 war bereits festgehalten worden, dass im Ost-West-Gesprächskreis weiterhin der KKL-Vorstand und die leitenden Geistlichen der DDR-Gliedkirchen fest vertreten sein sollten, während je nach Verhandlungsgegenstand zusätzliche Berater eingeladen werden könnten (Protokoll [Lewek] über 107. Sitzung des KKL-Vorstands am 9.10.1979 in Berlin [EZA, 101/118]). – Doch hatten die KKL-Mitglieder auf ihrer Sitzung Anfang November mit sieben Stimmenthaltungen den Vorstand um einen „neuen Vorschlag gebeten“ (Protokoll [Mönch] der 64. KKL-Tagung am 9./10.11.1979 in Berlin, S. 6 [EZA, 101/107]). 143 Diese Gruppe aus Vertretern des Bundes, der EKU und der VELKDDR arbeitete unter Berücksichtigung der „Eisenacher Empfehlungen“ vom Januar 1979 gemeinsam an der Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR. 144 Die Delegierten des BEK hatten bei der ÖRK-Konsultation (28.–31.1.1980) im Auftrag der KKL eine Erklärung des Bundes „zur gegenwärtigen weltpolitischen Situation“ vorgelegt, die dort diskutiert worden war, ohne jedoch Eingang in das Kommuniqué über die Konsultation zu finden. Da dieses Papier des BEK im Rahmen seiner Friedensaktivitäten eine wichtige Rolle spielte, veröffentlichte es der Kirchenbund in der DDR – zusammen mit dem Budapester Kommuniqué. Mit dieser Einbindung in den ökumenischen Zusammenhang sollte vermutlich erreicht werden, dass vor allem die Regierung der DDR die „Erklärung“ weniger als direkte kritische Einmischung des BEK in politische Fragen auffasste. Die „Erklärung“ war zwar ausgesprochen zurückhaltend formuliert – weder der sowjetische Einmarsch in Afghanistan Ende Dezember 1979 noch der NATO-Doppelbeschluss oder die beteiligten Großmächte wurden direkt genannt –, doch dennoch ein eindringlicher Appell an die für die Aufrüstung und die angespannte und instabile weltpolitische Lage Verantwortlichen. Der Kirchenjournalist Henkys bezeichnete das Papier als „bisher umfangreichste und präziseste politisch-geistliche Erklärung der DDR-Kirchen“ (R. HENKYS: Frieden im Zentrum. In: KiSo Nr. 1/1980 [Februar], S. 11f.; hier S. 11). – Abdruck der Erklärung vom 22.1.1980 bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 330–333. 145 Prekärerweise hatte Strauß am 27.1.1980 auch zu den Staat-Kirche-Beziehungen Stellung genommen. Die „bewährte Partnerschaft“ des Freistaats Bayerns und der bayerischen Landeskirche sei keine „unzulässige Vermischung des geistlichen und des weltlichen Regiments“. Staat und Kirche hätten zwar 142

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die gegenseitigen Besuche der beiden Kirchen auf den Tagungen ihrer Synoden haben könne. Die Vorstandsmitglieder bemerkten dazu nur, dass es sich um eine Frage des Protokolls der EKD-Synode handele, der man mit dem nötigen Respekt begegnen müsse, wenn der bayerische Ministerpräsidenten die Synode an ihrem Tagungsort in Bayern offiziell begrüße.146 Verantwortung der protestantischen Kirchen für den Weltfrieden – Konkurrenzunternehmen Konsultationsgruppe Schönherr hatte sich im Namen der KKL am 24. Januar mit dem Vorschlag an den Ratsvorsitzenden der EKD gewandt, zur Wahrnehmung der gemeinsamen Verantwortung von Bund und EKD für die Sicherung des Weltfriedens eine Konsultationsgruppe zu installieren. Diese solle einem „klärenden Gedankenaustausch“ dienlich sein, aus dem sich – unter Umständen auch gemeinsame – Aktionen der Kirchen ergeben könnten.147 Dieser Brief hatte den Rat der EKD während der Synodaltagung in Garmisch-Partenkirchen erreicht und war erst im Rat, dann in der Kommission des Rates und dann wieder im Rat der EKD zur Sprache gekommen. Am 30. Januar erörterte der Rat schließlich die Anregungen der Ratskommission im Blick auf die potentielle „Zusammensetzung und Aufgabenstellung“ einer solchen Konsultationsgruppe und benannte sechs EKDVertreter148. Die Mitglieder des Rates wollten nicht nur das Angebot der KKL annehmen, sondern stellten sich vor, dass die kirchenleitenden Vertreter dieser verbindlich und regelmäßig tagende Gruppe im Zuge ihrer gemeinsamen Überlegungen im weiteren Umfeld der Friedensfrage den Leitungsgremien von Bund und EKD konkrete „Vorschläge für kirchenleitendes Handeln“ machen könnten. Sprecher zugleich der Konsultations- und der bestehenden Beratergruppe sollte von Westseite von Keler sein. Hinsichtlich der Ost-West-Beratergruppe müsse allerdings von Vertretern der Konsultationsgruppe bei ihrer eigenen Aufgabenbestimmung auch die der Beratergruppe neu bedacht und bestimmt werden.149 Von dieser Planung des Rates der EKD erfuhr Heidingsfeld aus dem entsprechenden Sitzungsprotokoll und regte an, vor dem nächsten Treffen der Beratergruppe Miteinen „unterschiedlichen Auftrag“, stünden jedoch in einer „gemeinsamen Verantwortung“. Auszugsweiser Abdruck in: KJ 1980 (107. Jg.), S. 83f.; hier S. 84. 146 Protokoll (Demke) über 111. Sitzung des KKL-Vorstands am 7.2.1980 in Halle, S. 2, 6 (EZA, 101/119). 147 Schreiben Schönherr an Lohse vom 24.1.1980, S. 2 (EZA, 688/2). Darstellung in Teil II, 5. Kapitel. 148 Angefragt waren von Keler, von Heyl, Heintze, Kraske, Binder, Hammer, während seitens des Bundes Schönherr, Domsch, Falcke, Große, Gienke und Stolpe bestimmt worden waren. 149 Niederschrift (Hammer) über die 8. Sitzung des Rates der EKD am 30.1.1980 in GAP, S. 2 (EZA BERLIN, 2/93/882).

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te März im Kirchenamt der EKD einen „Meinungsaustausch“ über diese Überlegungen zu führen. Er begründete dieses Ansinnen mit der Befürchtung, dass das „gleichzeitige Bestehen von Beratergruppe und Kontaktkreis [Konsultationsgruppe] auf die Dauer schwerwiegende Probleme aufwerfen“ werde. Heidingsfeld zitierte aus der Niederschrift, dass der Rat „an einen verbindlicheren und konstanteren Kontakt, an Vorschläge für kirchenleitendes Handeln für die Leitungen der EKD und des BEK-DDR“ denke, wobei „die jeweilige weltpolitische Situation nicht ausgeschlossen“ bleibe. Die breit gefasste Themenstellung der neuen Konsultationsgruppe bedeute seiner Ansicht nach, dass für die Beratergruppe nichts mehr „übrig“ bleibe, sie demnach ihre Funktion verliere und verschwinde.150 Mit seinen Bedenken richtete sich Heidingsfeld in einem „persönlichen und privaten“ Schreiben am 20. Februar nochmals direkt an Lingner, wobei er naturgemäß die Punkte besonders hervorhob, die die Beratergruppe betrafen. So habe der Rat der EKD Schönherrs Anregung „angesichts der brisanten weltpolitischen Lage […] nicht-öffentliche Beratungen zwischen Rat und Konferenz“ ins Leben zu rufen, um sich über den möglichen Beitrag der Kirchen zur Sicherung des Friedens, einem Beenden des Wettrüstens und dem Fortgang der Entspannungspolitik zu verständigen, nicht nur aufgegriffen und bereits einen „Kontaktkreis“ „personell besetzt“, sondern auch den zu verhandelnden Themenkreis „wesentlich weiter gefaßt“, ohne das Vorhaben zeitlich zu begrenzen. Dabei frage Heidingsfeld sich, „ob der Rat überhaupt die Möglichkeit hat, einen ihm unterbreiteten Vorschlag so zu verändern“. Zweifellos werde die Beratergruppe, falls es zur Bildung des bilateralen Kontaktkreises in dieser Form komme, ihre „Existenzberechtigung“ verlieren. Die im Ratsprotokoll benutzte „Wendung“, die neue Gruppe solle im Kontext ihrer Aufgabenbestimmung gleichzeitig die Zielstellung der Beratergruppe neu definieren, habe nach seiner Einschätzung lediglich „rhetorischen Wert“. Wenn man bedenkt, dass Heidingsfeld selbst in der Vergangenheit auf die wenig ertragreiche Arbeit der Beratergruppe hingewiesen und nach zwingenden Gründen für ihre Fortsetzung gefragt hatte, ist seine recht vehemente Kritik trotz der Betonung, er nehme primär Anstoß an der formalen Vorgehensweise des Rates der EKD, doch erstaunlich: „Man kann ja gute Gründe haben, die Leistungsfähigkeit und Funktionalität der Beratergruppe in Zweifel zu ziehen. Man kann ja auch vorschlagen, dieses Gremium durch 150 Vermerk Heidingsfeld vom 15.2.1980. Hammer, Hilmar Koch, Coenen zur Kenntnis (EZA, 673/91/31). – Offenbar hatte Heidingsfeld keine Kenntnis des Schreibens, mit dem der Rat der EKD am 5.2.1980 Schönherrs Angebot förmlich angenommen hatte. Denn darin war erstens nur noch von einer „verbindlichen und konstanten“ Verbindung zwischen den Kirchenleitungen von EKD und Bund die Rede, zum anderen wurde betont, dass die Beratergruppe „auch weiterhin […] zu einem allgemeinen Erfahrungsaustausch“ zusammentreten solle (Schreiben Lohse an Schönherr vom 5.2.1980. Abdruck als Dok. 7 bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 347f.).

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ein anderes zu ersetzen. Was mich hier irritiert, ist die Koppelung: ein Vorschlag der Konferenz […] wird sozusagen als Hebel benutzt, auf längere Sicht die Beratergruppe zu kippen. […] Ich halte es für unziemlich, daß all diese Dinge in Garmisch-Partenkirchen offenbar an Ihnen vorbei beraten und entschieden worden sind. Sollte dies unzutreffend sein, korrigieren Sie mich bitte.“

Dieses Prozedere des Rates, so hob Heidingsfeld wiederum hervor, sei nicht akzeptabel. Auch wenn Lingner seinen Kampf um die Beratergruppe aufgrund einer „Mischung aus Resignation und Weisheit“ aufgegeben habe, dürfe er nicht vergessen, dass er eine Menge Erfahrungen und Einschätzungen zu bieten habe und „im Blick auf Ihren Nachfolger nicht zu rasch und nicht zu viel an Terrain verloren geben“ dürfe.151 Der Leiter der Berliner Stelle erinnerte die westlichen Mitglieder der Beratergruppe Ende Februar an die nächste Zusammenkunft in der Ost-Berliner Auguststraße am 12. März. Er führte auf, wer von den Vertretern des Bundes und der EKD über die Synodaltagung der EKD, die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe in der DDR sowie die Konsultation des ÖRK in Budapest berichten werde. Dann kündigte er an, dass der Ost-West-Gesprächskreis im Kontext des letztgenannten Themas auch über die angespannte politische Situation und „mögliche kirchliche Stellungnahmen“ beraten werde. Lingner zählte einige Dokumente auf, die primär vom Kirchenbund bereits publiziert worden waren152 und betonte, dass vom Bund nachdrücklich dafür plädiert worden sei, angesichts der weltpolitischen Lage „nicht zu schweigen“. Ferner würden die Mitglieder der Beratergruppe über den Briefwechsel zwischen Bund und EKD hinsichtlich der Aufnahme gemeinsamer Konsultationen zur Friedensfrage unterrichtet werden. Die Unterredung am 12. März werde erweisen, ob die Aktivitäten beider Kirchen zur Sicherung des Friedens „zumindest in den Grundzügen in Ost und West konsensfähig“153 seien. Bislang allerdings, so konstatierte Lingner, habe es eher den Anschein, als ob das Friedensengagement des Kirchenbundes wesentlich größer sei als das der EKD. Beachtenswert sei dabei, „daß die DDR-Politiker das Eintreten der DDR-Kirchen für den Frieden nicht nur tolerieren, sondern offensichtlich auch wünschen“, und weder verlangten noch erwarteten, dass der Bund „die offizielle politische Linie der sozialistischen Staaten vertrete“. Vielmehr 151

Schreiben Heidingsfeld an Lingner vom 20.2.1980, S. 1f. (EZA, 673/91/31). Zur ÖRK-Konsultation mit Mitgliedskirchen aus den sozialistischen Ländern Europas Ende Januar: BEK-Presseerklärung, Kommuniqué und Erklärung der KKL zur gegenwärtigen weltpolitischen Situation; Erklärung zum Weltfrieden des ÖRK-Exekutivkomitees vom 15.2.1980; Brief W. Krusches an die Pfarrer der KPS vom 28.1.1980 mit einem Entwurf für einen Fürbittengottesdienst. Lingner nannte auch die Veröffentlichungsorte (EPD). 153 So war es in einem Kommentar von Henkys festgestellt worden (R. HENKYS: Frieden im Zentrum. In: KiSo Nr. 1/1980 [Februar], S. 11f.; hier S. 12). 152

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werde ihnen ein „‚eigenständiger‘ und ‚profilierter Beitrag‘ zugestanden“. Er verwies auf die Tatsache, dass über eine Beratung zwischen dem Nachfolger Seigewassers in der Funktion als Staatssekretärs für Kirchenfragen, Klaus Gysi, mit dem thüringischen Landesbischof Werner Leich, sowohl im SED-Organ Neues Deutschland als auch in der Neuen Zeit der Ost-CDU „ausführlich“ berichtet worden sei. Gysi habe an das gemeinsame „Wort zum Frieden“ von Bund und EKD und die BEK-Erklärung „zur gegenwärtigen weltpolitischen Situation“ erinnert, was als „Ermunterung oder gar Aufforderung“ an den Kirchenbund interpretiert werden könne, in dieser Weise weiterzuarbeiten – auch im Blick auf die Kommunikation mit der EKD. Dass die implizite Kritik des BEK in seiner „Erklärung“ am sowjetischen Einmarsch in Afghanistan von den Zeitungen nicht erwähnt worden sei, stünde nicht im Widerspruch zu dieser Einschätzung, denn die DDR-Presse habe gleichermaßen die „Verurteilung der Militäraktion der UdSSR durch das Exekutivkomitee des ÖRK“ verschwiegen.154 Am 12. März informierten Schönherr und von Keler in der Beratergruppe, dass am folgenden Tag ein „Kontaktkreis“ von je sechs Kirchenleitenden des Bundes und der EKD zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten werde, um sich im Blick auf die Sicherung des Friedens über die den Kirchen zur Verfügung stehenden Mittel zu verständigen, einen Beitrag zur Entkrampfung und Stabilisierung der „weltpolitischen Situation“ zu leisten.155 Von Keler teilte mit, dass das Verhältnis dieser „ständigen Gruppe zu Abrüstungsfragen und anderen Fragen“ zur Beratergruppe bislang zwar ungeklärt sei, der Kontaktkreis jedoch nicht die bestehende Ost-West-Gruppe ersetzen solle. Die neu eingeführten „Sprecher“ beider Kirchen sollten diese Funktion auch im Kontaktkreis ausüben, der jeweils im Anschluss an die Beratergruppe zusammentreten werde.156 Lingner hatte die verlängerte Anwesenheit von Kelers in Ost-Berlin genutzt, um mit ihm – vermutlich nach dem ersten Treffen der neuen Konsultationsgruppe, bei dem allerdings das Thema Beratergruppe keine Rolle gespielt hatte – über Aufbau und Ablauf der nächsten Sitzungen des Ost-West-Gesprächskreises zu sprechen. Von Keler machte den Vorschlag, den Beratertreffen von nun an eine feste dreiteilige Struktur zu verleihen: Grundsätzlich solle ein „theologisch-exegetischer Beitrag zu einer aktuellen theologischen Frage bzw. einem theologischen Buch“157 geliefert werden. Jedes Mal könne eine östliche oder westliche Landes154

Schreiben Lingner an die Beratergruppe vom 27.2.1980, S. 1ff. (EZA, 688/1). Vermerk Lingner o. D. Die zwölf Vertreter beider Kirchen wurden namentlich genannt (EZA, 101/362). 156 Hsl. Vermerk Demke o. D., S. 1 (EZA, 688/1). – Letztlich tagte die Beratergruppe jedoch nach der Konsultationsgruppe. 157 Von Keler nannte: „Dogmatik von Ebeling – Was trägt sie theologisch aus; Jüngel, Denkbarkeit Gottes; Erwägungen zum ‚späten Luther‘; theologische Problematik des Paragraphen 218“. 155

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kirche über ihre Arbeit berichten. Regelmäßig sollten ferner die Sprecher der Beratergruppe einen „Bericht zur Lage“ erstatten. Für die theologisch-exegetischen Beiträge könnten gegebenenfalls externe Referenten angefragt werden, doch sei es wünschenswert, wenn diese Aufgabe von den Mitgliedern der Gruppe selbst übernommen werde. Die nötigen Vorarbeiten jedoch müssten an anderer Stelle geleistet werden, da dies für die Berater „in der Regel ausgeschlossen“ sei. Von Keler stellte sich dabei vor, dass beispielsweise Heidingsfeld für ihn, Schönherr oder Krusche ein „schriftliches Exposé“ ausarbeite, auf dessen Grundlage die Bischöfe dann ihr Referat konzipierten. Der „Sprecher“ der EKD-Vertreter nannte als mögliches Thema die „moderne Praxis im kirchlichen Leben und in der kirchlichen Lehre unter dem Gesichtspunkt der Lehre von den ‚beiden Regimenten‘. Hier könnte untersucht werden, welche Bedeutung es hat, die Gefallenheit des Menschen anzunehmen. Eine Gefahr der Idealisierung menschlicher Möglichkeiten besteht darin, Programme und Ordnungen aufzustellen, die den ‚heilen‘ Menschen voraussetzen. Besonders könnte es ein Mangel in den sozialistischen Spielarten der Moral sein, daß sie von einem ‚heilen Menschen‘ ausgeht. Der Widerspruch zwischen moralischem Anspruch eines sozialistischen Menschen und der realen Wirklichkeit könnte hier seinen Ursprung haben“.

Abschließend regte von Keler an, dass diese Überlegungen sowohl mit Demke als auch in der Kirchenkanzleien der EKD und des Bundes beraten werden sollten, damit ein „konkreter Vorschlag“ zur Weiterarbeit der Beratergruppe zustande käme. Notwendig sei vor allem eine Klärung des „Verhältnisses der ‚Sprecher‘“ Schönherr und von Keler zueinander, wobei bei den Sitzungen des Ost-WestGremiums ein Wechsel im „Vorsitz“ angemessen sei.158 Diesen Gesprächsvermerk leitete Lingner am 24. März an Demke (BEK-Sekretariat), Heidingsfeld (Kirchliches Außenamt der EKD), Schmale (Berliner Stelle des Lutherischen Kirchenamtes der VELKD) sowie Kraske (EKU-Kirchenkanzlei [West]) weiter. Da er von Kelers Anregungen für sehr gut halte, schlage er vor, den Ablauf der kommenden Beratergruppensitzung dementsprechend zu strukturieren. Einem Mitglied könne für einen theologisch-exegetischen Beitrag aus der DDR die Studie der Theologischen Studienabteilung beim Bund „Ökonomie – Leistung – Persönlichkeit“ übergeben werden. Ein Referat über die Studie sei auch deswegen passend und wertvoll, weil darin auch versucht werde, aktuelle theologische Fragestellungen zu erörtern.159 Der Präsident der Kirchenkanzlei der EKU (West), Kraske, hatte Lingners Vermerk an den Ökumene-Referenten Groscurth weitergegeben. Nachdem die158 Abschrift Vermerk Lingner vom 24.3.1980, mit hsl. Bemerkung Stolpes vom 8.4.1980: „H. Bischof D. Schönherr m.d.B. um kritische Durchsicht“ (EZA, 101/362). 159 Schreiben Lingner an Demke vom 24.3.1980 (EZA, 8/91/1246).

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ser ihn mit Heidingsfeld besprochen hatte, fiel sein Gesamturteil negativ aus, da die Beratergruppe „all ihrer Funktionen entkleidet“ und zur unverbindlichen Diskussionsrunde degradiert werde. Groscurth kam auch im Blick auf die inhaltliche Dreiteilung der Sitzungen zu keiner positiven Bewertung: „Was ist das für eine Vorstellung: Heidingsfeld arbeitet ein schriftliches Exposé für einen Bischof aus, und dann referiert der. Eigene Vorbereitung der Mitglieder scheint ausgeschlossen. Wer soll denn die Dogmatik-Bände von Ebeling lesen und sie in einer halben Stunde aufbereiten? Den ersten Vorschlag halte ich also schon für ausgesprochen schlecht, weil unrealistisch. Bericht aus dem Bereich einer Landeskirche: Wir haben in der EKU einige Erfahrungen auf diesem Sektor. Ich fand diese Berichte zwar zeitweise interessant, aber es trägt doch nichts aus, wenn nun 17 plus 8 Berichte gegeben werden. Was will man damit anfangen? Wie wird da die verbindliche Gemeinschaft zwischen EKD und BEK deutlich? Nach dem Vorschlag von Keler/Lingner Berichte zur Lage. Auch hier ist wieder von Verbindlichkeit keine Rede. Eine irgendwie geartete sinnvolle Arbeit scheint ausgeschlossen. Mit dieser Methode bekommt man die Berater-Gruppe in schnellster Zeit kaputt – und mich wundert nur, daß Herr Lingner dazu seine Hand gereicht hat. Im Grund ist dies doch eigentlich eher die Konzeption von Walter Hammer.“160

Am 11. Juni kamen dann die Vertreter der Beratergruppe aus Ost und West wieder zusammen, und von Keler berichtete über den Verlauf der zweiten Konsultation zwischen Bund und EKD zu Fragen des Friedens, die am 19. Mai stattgefunden hatte. Der Rat der EKD ließ anfragen, ob die Gottesdienste am 9. November 1980 „in besonderer Weise auf den Frieden ausgerichtet“ werden sollten, wie es die Synode der EKU vorgeschlagen habe.161 Die Anwesenden setzten sich dann, wie von Lingner angeregt, mit der Studie „Leistung – Ökonomie – Persönlichkeit“ auseinander, die in der Theologischen Studienabteilung beim BEK erarbeitet worden war.162 Der Rat würdigte den beachtlichen Beitrag des Leiters der ThSA zu der Studie, der dem Beratergruppentreffen eine besondere „Qualität“ verliehen habe, auf seiner Sitzung am 11. und 12. Juli ausdrücklich. Von den Anwesenden wurde die – vermutlich nicht wirklich zutreffende – Einschätzung geäußert, dass gerade die theologische Arbeit des Bundes die Gliedkirchen zusammenführe und 160

Schreiben Groscurth an Kraske vom 28.3.1980 (EZA, 8/91/1246). Vermerk Demke vom 16.10.1980, S. 1 (EZA, 688/1). – Auf der Tagung der EKU (Bereich DDR) war am 18.5.1980 beschlossen worden, gegen Ende des Kirchenjahres“ einen Gottesdienst in allen Gemeinden abzuhalten, „in dessen Mittelpunkt das Gebet für Frieden und Abrüstung steht“. Ein genauer Termin war demnach nicht ins Auge gefasst worden (Beschluss der EKU-Synode [Bereich DDR] vom 18.5.1980 [EZA, 108/AZ 43-03, Bd. II]). Am 15.7.1980 fasste auch die Synode der EKU (BRD und West-Berlin) einen entsprechenden Beschluss.– Vgl. dazu die ausführliche Darstellung bei A. SILOMON, „Schwerter“, bes. S. 35–48. 162 Vgl. dazu die Vorstellung der Thesen bei der Zusammenkunft der Beratergruppe am 10.12.1980, in deren Kontext auch auf die Diskussion über die Studie eingegangen wird. 161

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ein „lebendiges Element der Einheit“ bildet. Im Blick auf die kirchlichen Friedensbemühungen führte der Ratsvorsitzende Lohse in die von Hammer vorbereitete Tischvorlage163 zum gemeinsam mit dem BEK geplanten „Bittgottesdienst“ für den Weltfrieden ein und fasste die diesbezüglichen Meinungsäußerungen der Kirchenkonferenz zusammen. Man habe sich dafür ausgesprochen, den mit dem DDR-Kirchenbund abgesprochenen Text allen Landeskirchen als Anregung zugänglich zu machen. Über die Gliedkirchen solle die Verteilung an die Pfarrer erfolgen, „wobei der liturgische Vorschlag je nach örtlichem liturgischen Brauch Abänderungen“ erfahren könne. Wichtig sei, dass bei der Gottesdienstgestaltung „das zentrale Anliegen und die darauf bezogenen Texte, Gebete, Lieder durchgehalten“ würden. Die Ratsmitglieder verständigten sich über den präsentierten Entwurf und merkten einige Verbesserungsvorschläge an, die – ebenso wie weitere Überarbeitungshinweise – an den für die Abstimmung mit dem Bund zuständigen Leiter der Hauptabteilung Theologie und öffentliche Verantwortung im Kirchenamt der EKD in Hannover, Hartmut Löwe, gerichtet werden sollten. Verändert wurde die vom Bund „gewünschte Überschrift ‚Bittgottesdienst für den gefährdeten Frieden‘“ mit der abstrus anmutenden Begründung, dass sie „in der publizistischen Verwendung mißverständlich wäre, da nicht vorwegzunehmen ist, worin am Sonntag des Bittgottesdienstes die konkrete Gefährdung besteht“. Sowohl Hild als auch von Keler gaben zu bedenken, dass man sich im Sinne der Gemeinschaft mit den Kirchen des Bundes eventuell darauf einstellen müsse, das „Adjektiv ‚gefährdet‘“ hinzunehmen.164 Stolpe hatte allerdings bereits am ersten Sitzungstag des Rates ein Schreiben an die Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (AGCK) in der DDR gerichtet, um sie von dem gemeinsamen Vorhaben zu unterrichten: Im Rahmen der Konsultationen zwischen dem DDR-Kirchenbund und EKD sei der gemeinsame Vorschlag ergangen, „aufgrund der gegenwärtigen weltpolitischen Situation und auch im Hinblick auf die 2. Helsinki-Nachfolgekonferenz in Madrid die Gemeinden zu einem Bittgottesdienst für den gefährdeten Weltfrieden aufzurufen“. KKL und Rat „stimmten diesem Vorhaben zu und beschlossen je für ihren Bereich, den drittletzten Sonntag im Kirchenjahr, den 9.11.1980, für diesen besonderen Gottesdienst vorzusehen“.165 163 „Tischvorlage“ Hammers vom 8.7.1980 für die 14. Sitzung des Rates im Juli 1980. OKR Hartmut Löwe war vom Rat dazu bevollmächtigt worden, im Sinne des vom BEK vorgelegten Entwurfs für einen Bittgottesdienst für den Frieden am drittletzten Sonntag des Kirchenjahres mit dem von der KKL Beauftragten am 16.7.1980 den endgültigen Text abzustimmen (EZA, 2/93/887). 164 Niederschrift (Kirchhoff) über die 14. Sitzung des Rates der EKD am 11./12.7.1980 in Hannover, S. 11, 10f. (EZA, 2/93/887). 165 Schreiben Stolpe vom 11.7.1980 an die Mitgliedskirchen der AGCK. Hervorhebung durch A. S. (EZA, 101/305).

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SED straft BEK für Koalition mit „einem ‚Thron‘ auf der anderen Seite“ mit der Beschneidung des Reiseverkehrs und der kirchlichen Aktivitäten ab Am 10. Oktober 1980 wurde in der Beratergruppe unter anderem ein Problem behandelt, das zwar in keinem direktem Zusammenhang mit dem kirchlichen Friedensengagement oder den Ost-West-Beziehungen stand, jedoch die Beziehungen zwischen Kirche und Staat belastete. Es seien häufiger Fälle zu verzeichnen, in denen kirchliche Mitarbeiter – „trotz ausdrücklichen Versprechens“ – von Dienstreisen in die Bundesrepublik nicht in die DDR zurückgekehrt seien. Darüber solle die KKL mündlich informiert werden, „vor allem im Blick auf Mitarbeiter, die nicht Pfarrer sind“. Es müsse darauf hingewiesen werden, dass keinesfalls personengebundene Einladungen ausgesprochen werden sollten, um den gliedkirchlichen Kirchenleitungen in der DDR ihren Einfluss auf die Entsendung von DDR-Bürgern nicht zu nehmen. Hinter dieser Mitteilung verbarg sich die – für die evangelische Kirche in der DDR in nahezu jeder Beziehung präsente – Befürchtung, dass eine „Überbeanspruchung der gegebenen Möglichkeiten“ eine Beschneidung des vorhandenen Spielraums zur Folge haben könnte.166 Lingner informierte Hammer, dass der Bund darum gebeten habe, zu Vorträgen, Synodaltagungen und sonstigen kirchlichen Veranstaltungen nicht gezielt bestimmte Kirchenvertreter aus der DDR einzuladen, um eine langsame Ausweitung der gegenseitigen Besuchsmöglichkeiten nicht zu behindern. Präsident Hammer solle es übernehmen, dies beispielsweise bei einer Tagung der Kirchenkonferenz der EKD-Gliedkirchen zentral mitzuteilen.167 Hammer nutzte tatsächlich die Sitzung der Kirchenkonferenz am 4. November in Osnabrück, um die zwei Bitten des BEK bekannt zu geben. So sollten zukünftig Einladungen zu „Synodaltagungen u.ä. in die Partnerkirchen“ nicht personengebunden, sondern an die Kirchenleitungen gerichtet werden, damit diese über die Entsendung von Kirchenvertretern entscheiden und vermeiden könnten, „daß sich privilegierte ‚Reisekader‘ bilden, die den Unmut der vom Reiseverkehr Ausgeschlossenen erregen“. Zweitens wurde angesichts der Tatsache, dass sich drei kirchliche Mitarbeiter aus der DDR im Frühjahr im Zuge ihrer Dienstreisen in die Bundesrepublik abgesetzt hätten, die Diskussion um die Behandlung und Aufnahme solcher Personen durch die EKD und ihre Gliedkirchen wieder aufgenommen. Aus Sicht des Bundes handele es sich um einen schweren, die Reisemöglichkeiten der anderen kirchlichen Mitarbeiter „belastenden Vertrauensmißbrauch“. Daher bäten die östlichen Brüder, dass für den Fall, dass die Drei sich bei den gliedkirchlichen Leitungen meldeten, unbedingt mit der 166 Vermerk Demke (o. D.) über die Sitzung der Beratergruppe am 10.10.1980, S. 3 (EZA, 101/362). 167 Schreiben Lingner an Hammer vom 20.10.1980 (EZA, 4/91/689).

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Kirchenkanzlei Rücksprache gehalten werden und im Übrigen ein „unangemessenes Entgegenkommen ihnen gegenüber vermieden werden“ solle.168 Ein nach eigener Aussage sehr unerfreuliches Gespräch führte der KKL-Vorsitzende Schönherr am 22. Oktober mit dem auch für Kirchenfragen verantwortlichen ZK-Sekretär Verner und dem Leiter der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen, Rudi Bellmann. Schönherr wurden die zunehmenden Einmischungsversuche leitender Kirchenvertreter aus der DDR in die Politik des Staates zum Vorwurf gemacht. Die Staatsvertreter beriefen sich auf eine Unterredung, die nach der Tagung der Bundessynode in Leipzig Ende September169 zwischen Stolpe, Schönherr und Staatssekretär Gysi stattgefunden hatte. Vom Bund sei der Wunsch geäußert worden, der Staat möge die Kirchen in der DDR vor den Journalisten aus der Bundesrepublik „schützen“. So zumindest habe Verner die Feststellung der Kirchenvertreter verstanden, sie „hätten keinen Einfluß auf das Auftauchen westlicher Korrespondenten und könnten sie darum auch nicht von uns [den Kirchen] ‚fernhalten‘, wie man es von uns erwartet hatte“. Nun habe die sächsische Landessynode plötzlich öffentlich ihr Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, dass eine Berichterstattung über die Tagung in Dresden in die Bundesrepublik untersagt worden sei.170 Die kirchliche Bitte, zumindest für wenig finanzkräftige Bundesbürger Erleichterungen hinsichtlich des erhöhten Zwangsumtauschsatzes bei Einreisen in die DDR zu schaffen, wurde von Verner strikt abgewiesen mit der Begründung, es sei nicht akzeptabel, „daß wir mit unserer Arbeit bezahlen, was die Leute von drüben hier wegessen oder was sie an Dienstleitungen in Anspruch nehmen“.171 Die Kirchen leisteten mit ihrer Argumentation, die mit den Positionen Westdeutschlands „deckungsgleich“ sei, „faktisch“ der Bundesrepublik 168 Niederschrift (Hammer) über die Sitzung der Kirchenkonferenz der EKD am 4.11.1980 in Osnabrück, S. 4 (EZA, 2/93/728). 169 Bei dieser Unterredung am 30.9.1980 war es im Rahmen einer Auswertung der Bundessynode speziell um die westliche Medienberichterstattung gegangen. Gysi hatte als Ergebnis der Tagung festgestellt, dass die Synode ein Gegenkonzept zur staatlichen Friedenspolitik aufgestellt habe. Wie der Staatssekretär bereits in diesem Gespräch kritisierte, habe sich der Bund durch die entsprechenden Berichte in den bundesdeutschen Medien zum Handlanger der westlichen Konfrontationspolitik machen lassen. 170 Am 17.10.1980 war ein Verbot für die bundesdeutschen Korrespondenten ausgesprochen worden, über die Dresdner Synodaltagung zu berichten. 171 Tatsächlich war ein Kurswechsel in der Deutschlandpolitik der DDR erfolgt. Am 10.10.1980 hatte die Regierung der DDR im ND die Erhöhung des Mindestumtauschsatzes für Westbesucher von 13 auf 25 DM pro Tag verkündet („Anordnung über die Durchführung eines verbindlichen Mindestumtauschsatzes von Zahlungsmitteln vom 9.10.1980“ [GBl. I Nr. 29 vom 9.10.1980, S. 291]). Ferner hatte E. Honecker am 13.10.1980 in Gera vor Parteifunktionären eine Abgrenzungsrede gegen die BRD gehalten und die später sog. Geraer Forderungen aufgestellt, im Falle von deren Erfüllung Honecker „weitergehende Regelungen verschiedenster Art“ im deutsch-deutschen Verhältnis in Aussicht stellte: Anerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft, Auflösung der „Zentralen Erfassungsstelle zur Aufklärung von in der DDR verübten Gewalttaten“ in Salzgitter, Umwandlungen der Ständigen Vertretungen in Botschaften, Festlegung des Grenzverlaufs auf der Elbe nach internationalem Recht in der Flussmitte.

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Schützenhilfe und hätten so eine „einzige Hetze durch die Medien der BRD“ unterstützt. Verner kritisierte, dass die vom Staat erweiterten Freiräume missbraucht würden, wofür die Beziehungen des BEK zur EKD ein gutes Beispiel seien. Die „angeblich“ erfolgte organisatorische Abtrennung von der EKD werde in der Realität „grob und systematisch unterlaufen“. Der ZK-Sekretär konstatierte, dass der Kirchenbund durch seine Zusammenarbeit mit der westdeutschen Kirche „Wasser auf die Mühlen der Einpeitscher des Wettrüstens“ leite. Ihm sei das „gesamtdeutsche Gekunkel“ völlig unverständlich, wie er bereits das Wort zum Frieden von BEK und EKD zum 1. September 1979 nicht verstanden habe. Gerade im Blick auf die gemeinsamen kirchlichen Initiativen für den Frieden sei doch nicht zu übersehen, wie unterschiedlich das Verständnis von Frieden auf beiden Seiten sei. Verners Ausführungen mündeten in einer scharfen Grundsatzkritik: „Drüben sei Frieden gleichbedeutend mit Aufrüstung, hier mit Abrüstung. ‚Fassen Sie sich auf als verlängerter Arm der BRD-Regierung? Konspirieren Sie mit der BRD?‘ Alles dies stehe in krassem Widerspruch zum 6.3. Der 6.3. bedeute Vertrauen gegen Vertrauen. Aber das darf man nicht mißbrauchen. ‚So können Sie mit uns nicht verfahren‘. ‚Dies ist die letzte Warnung, die wir aussprechen; wir können alle möglichen Maßnahmen in Frage stellen, z. B. die Neubauten‘.“172

Auf Schönherrs Nachfrage, worauf Verner mit den Bezeichnungen „gesamtdeutsches Gekunkel“ und „Unterwanderung der organisatorischen Selbständigkeit“ anspiele, nannte der ZK-Sekretär nur das Vorhaben beider Kirchen, einen „gesamtdeutschen Bußtag“ zu begehen. Darauf wies der KKL-Vorsitzende die Anschuldigung zurück, die Kirchen in der DDR würden „irgendwelche Befehle“ der Bundesregierung empfangen. Gesprächspartner des Kirchenbundes sei die EKD, nicht die westdeutsche Regierung. Als Schönherr fragte, ob der Staat vom Bund einen Abbruch der Kontakte zu den westdeutschen Kirchen fordere, räumte Verner ein, dass gegen einen Austausch über rein geistliche Belange keine Einwände bestünden. In diesem Kontext monierte er, dass der BEK sich in die „Reiseangelegenheit von Bundeskanzler [Helmut] Schmidt eingemischt“ habe. Dem Staat sei grundsätzlich unklar, was die Kirchen in der DDR mit dem Treffen zwischen Honecker und Schmidt zu tun hätten, doch abgesehen davon habe nicht etwa die DDR-Regierung, sondern Schmidt seinen Besuch abgesagt.173 172 Gemeint war das Grundsatzgespräch vom 6.3.1978, in dem u. a. auch die Durchführung kirchlicher Bauvorhaben in Aussicht gestellt worden war. Bereits 1976 hatte Staatssekretär Seigewasser Bischof Schönherr über Möglichkeiten der Errichtung von Kirchengebäuden in großen Neubaugebieten in der DDR informiert. 173 Am 13.12.1979 hatte Honecker bekannt gegeben, dass für Anfang 1980 telefonisch ein Arbeitstreffen mit Schmidt in der DDR vereinbart worden sei. Das Vorhaben war dann seitens der DDR verschoben worden, wie ADN am 30.1.1980 meldete. Der Grund dafür war der sowjetische Einmarsch in Afghanistan. Nachdem Honecker am 11.8. eine Einladung für den 28./29.8. ausgesprochen hatte,

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Der Vorsitzende der KKL erläuterte, die Ständige Vertretung der Bundesrepublik habe ihm mitgeteilt, dass der Bundeskanzler im Rahmen seines DDR-Besuchs die „Marienkirche in Rostock besichtigen“ wolle und Schönherr gebeten, diesen Wunsch weiterzugeben, was er auch getan habe – „in der Annahme, das so eine Reise doch wohl auf genauen Absprachen basieren dürfte“. Verner sei nicht von seiner Bewertung des Kirchenbundes als „Juniorpartner der EKiD“ abgewichen. Schönherr habe dem die BEK-„Erklärung“ zur weltpolitischen Situation entgegengestellt, die der Bund anlässlich der ÖRK-Konsultation Ende Januar in Budapest zur Friedensverantwortung der Kirchen abgegeben habe, was der ZK-Sekretär auch akzeptierte. Doch kritisierte er dann, dass die Kirchen in der DDR keine „korporativen Mitglieder“ der CFK seien. Daraus entspann sich ein Wortwechsel, der sofort wieder ins Grundsätzliche führte: „Ich [Schönherr ]: Dort lernen wir auch nichts Neues. Herr V.: Aber dort sind Sie nicht so isoliert. Ich: Wir haben eine Vielfalt bester ökumenischer Beziehungen nach Ost und West. In dieser Gesprächsrunde war Herr V. besonders heftig. Er warf mir u. a. vor, ich sei Herrn Schmidts ‚Telefonpartner‘. Ich wies das ebenso zurück wie den Vorwurf, ich sei öfter im Westen als hier. In derselben Heftigkeit erwähnte Herr V., daß er uns vor Illegalität bewahrt habe, weil das Glockenläuten nach dem Sirenenton mit Gedenkminute174 vom Innenminister hätte genehmigt werden müssen. Offenbar ging der Gesprächspartner davon aus, daß hier ein formelles Verbot vorläge. Herr V. faßte zusammen, daß sich die Vorwürfe auf unsere Kritik an den Maßnahmen der Regierung und auf unser Verhältnis zu den Kirchen in der DDR beziehen. ‚Die Hetze mit Unterstützung der Kirche nimmt zu.‘“175

Stolpe musste dem BEK-Synodenpräsidium am 31. Oktober mitteilen, dass den beiden Vertretern des Bundes, die zur Teilnahme an der Synodaltagung der EKD Anfang November in Osnabrück eingeladen worden waren, vom Staat vermutlich keine Ausreisegenehmigung erteilt werde. Die Anwesenden entschlossen nach einer eingehenden Debatte, die DDR-Regierung mit dem Hinweis auf denkbare „negative Auswirkungen“ um eine Prüfung und mögliche Revision der Entscheidung zu bitten. Da das Präsidium die möglichen Konsequenzen eines sagte diesmal Schmidt „wegen der jüngsten Entwicklung in Europa“ (letztlich ging es um die politische Entwicklung in Polen) am 22.8.1980 wieder ab. 174 Am 9.11.1980 sollte mit dem gemeinsam mit der EKD vorbereiteten „Fürbittengottesdienst für den gefährdeten Frieden“ die erste Friedensdekade in der DDR eröffnet werden, während der mit einer Friedensminute am Abrüstungstag/Bußtag, dem 19.11., die zehntägigen kirchlichen Friedensaktivitäten im wahrsten Sinne des Wortes ausgeläutet werden sollten: Um 13.00 Uhr sollten gleichzeitig mit dem staatlichen Probealarm landesweit die Kirchenglocken geläutet werden, um dadurch auch einen Kontrapunkt zum Sirenengeheul zu setzen. Darüber entbrannte zwischen Kirche und Staat ein heftiger Streit, der letztlich zum Nachgeben des Bundes führte. Vgl. zur ersten Friedensdekade und dieser Auseinandersetzung die Darstellung bei A. SILOMON, „Schwerter“, S. 57–103. 175 Vermerk Schönherr vom 22.10.1980, S. 1–3 (EZA, 687/31).

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staatlichen Ausreiseverbots als gravierend bewertete, sei zu überlegen, ob statt dessen der Präses der Bundessynode, Wahrmann, zu EKD-Synode „entsandt werden“ könne. Dieser möge „sich dafür bereithalten“.176 Wie auf der Tagung der KKL Anfang November berichtet wurde, hatte die gesprächsweise Intervention beim Staatssekretär für Kirchenfragen hinsichtlich der Verweigerung der Ausreise des Präsidenten des sächsischen Landeskirchenamtes und stellvertretenden KKL-Vorsitzenden Domsch sowie des BEK-Sekretärs der Kommission für Kirchliche Jugendarbeit, Fritz Dorgerloh, zur gerade beendeten EKD-Synode nicht zum Erfolg geführt. Auch der Vorschlag Stolpes, Schönherr oder Wahrmann könnten an Stelle von Domsch nach Osnabrück geschickt werden, war abgelehnt worden. Als Stolpe am gleichen Tag telefonisch die staatliche Entscheidung erfragt hatte, war ihm mitgeteilt worden, dass überhaupt keine Vertreter des Bundes an der Synodaltagung teilnehmen dürften.177 Stolpe informierte die Mitglieder der KKL über zwei Unterredung bei Staatssekretär Gysi nach der Sondersitzung der KKL am 23. Oktober, bei denen es um die kirchlichen Einwände gegen die Erhöhung des Mindestumtauschsatzes, die Behinderung der kirchlichen Pressearbeit in der DDR sowie um die anstehende Friedensdekade und die Realisierung weiterer von der Konferenz verabredeter Schritte zur Durchführung der zehntägigen Friedensveranstaltungen der Kirchen in der DDR gegangen war. Ferner habe am 27. Oktober bei Gysi ein „Vorgespräch“ für das Gespräch zwischen Vorstand und Staatssekretär für Kirchenfragen zum Thema „kommunistische Erziehung“ stattgefunden.178 Lingner setzte den EKD-Sprecher der Berater- und der Konsultationsgruppe von Keler am 10. November über eine Lagebesprechung mit Vertretern des Bundes in Kenntnis, die nach Abschluss der Synodaltagung der EKD „im Berliner Raum“ stattgefunden habe. Detaillierte Informationen über die jüngsten Staat-Kirche-Gespräche seien den westlichen Brüdern übermittelt worden. Er gehe allerdings davon aus, dass von Keler beim Treffen der Konsultationsgruppe oder den Sitzungen des Rates der EKD Genaueres erfahren werde und deutete nur an, dass seitens der Staatsvertreter die bekannten Vorbehalte gegen die „gesamtdeutschen Küngelei“ bekräftigt und der „Ärger über Telefonate zwischen 176

Niederschrift (Demke) über 14. Sitzung des Präsidiums der BEK-Synode am 31.10.1980 in Berlin, S. 1 (EZA, 101/40). 177 Vermerk Weise vom 3.11.1980 über Gespräch mit Stolpe am 31.10.1980 (SAPMO-BArch, DY 30/ IV B 2/14/80, Bl. 191–193). – Stolpe fertigte am 3.11.1980 einen Vermerk an, in dem er die staatliche Ablehnung der Reiseanträge von Domsch und Dorgerloh wegen der „gegenwärtigen Situation“ festhielt. Telegraphisch informierte er zugleich den EKD-Synodenpräses und übergab am 5.11.1980 dessen Antwortschreiben an den BEK an die Mitglieder der KKL weiter (Vermerk Stolpe vom 3.11.1980 [EZA, 101/305]). 178 Protokoll (Günther) der 70. KKL-Tagung am 7./8.11.1980 in Berlin, S. 5 (EZA, 101/109). – Als Termin für diese Unterredung war der 10.11.1980 vereinbart worden.

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Schönherr und Bundeskanzler Schmidt“ zum Ausdruck gebracht worden sei. Den Vertretern der EKD sei bei dieser Unterredung mit den Brüdern aus der DDR besonders aufgefallen, „daß in den verschiedenen kirchlichen Gremien in der DDR über Verlauf, Atmosphäre und Einschätzung von denselben Personen (bzw. derselben Person) sehr unterschiedlich berichtet worden ist“.179 Der Stellvertretende Leiter des BEK-Sekretariats hatte am gleichen Tag einen ausführlichen Bericht über alle zwischen September und November stattgefundenen Gespräche erstattet, die durchweg Beschneidungen und Verbote kirchlicher Aktivitäten zum Ergebnis gehabt oder in deren Verlauf den Vertretern des Bundes zumindest die klaren Grenzen ihres Wirkungsspielraums aufgezeigt worden waren. Als wichtigste Kritikpunkte des Staates beurteilte Demke die Berichterstattung der westlichen Medien und die im Rahmen der Friedensdekade für den Bußtag, den 19.11.1980 geplante „Friedensminute (Polenschock)“, während der für ein Friedensgebet die Arbeit niedergelegt und die Kirchenglocken geläutet werden sollten. Insgesamt werde verstärkt eine Parteinahme der Kirchen in der DDR für den Staat verlangt.180 Am 10. November 1980 traf der Vorstand der KKL mit Staatssekretär Gysi, seinem Stellvertreter Kalb sowie dem für die evangelische Kirche zuständigen Abteilungsleiter Hans Wilke zusammen. Gysi erläuterte, der ursprünglich vereinbarte Verhandlungsgegenstand „schulpolitische Fragen“ sei zugunsten von „Grundsatzfragen, die wichtiger und Voraussetzung von Erörterungen auch solcher Probleme“ seien, abgesetzt worden. In einem 90-minütigen Referat zur derzeit „sehr ernsten“ Lage brachte Gysi verschiedene Kritikpunkte vor: Die internationale politische Situation sei geprägt von der Rüstungspolitik der USA und der NATO, die „systematisch“ der Möglichkeit eines Kriegs den Weg bereiteten. Die bundesdeutschen Massenmedien würden benutzt, um die „Einheit der sozialistischen Staaten und deren enge Beziehungen“ zu den Dritte-WeltLändern zu zerstören. Die BRD habe nach der Phase der Entspannung in den 70er Jahren zur aktuellen Zuspitzung der internationalen Lage beigetragen: „Eu179

Schreiben Lingner an von Keler vom 10.11.1980, S. 1 (EZA, 4/92/12). Vermerk Lingner vom 13.11.1980, S. 3 (EZA, 672/AZ 80-5, Bd. 2). – Auf diesen Vermerk bezog sich Heidingsfeld in einem Schreiben an Lingner vom 15.12.1980. So hätten „Nachrichten“ über die Staat-Kirche-Gespräche im September und Oktober „bei uns einige Fragen offen gelassen, um deren Beantwortung – nach Fühlungnahme mit den Partnern in der Auguststraße – wir Sie bitten möchten. So ist uns nicht hinreichend deutlich, ob der Austausch zwischen EKD und BEvKDDR in bislang geübter Art und bisherigem Umfang weitergeführt werden kann bzw. soll. Weiterhin möchten wir wissen, ob insbesondere in dem Gespräch zwischen Bischof D. Albrecht Schönherr und Paul Verner Aktivitäten des KA derart zur Sprache gekommen sind, daß wir daraus bestimmte Konsequenzen zu ziehen haben oder aber daß uns die Partner nahelegen, das doch zu tun. Wir wären Ihnen, lieber Herr Lingner, dankbar, wenn Sie uns auch in Zukunft mit Vermerken und Berichten aus Ihrem Arbeitsgebiet versorgen könnten, deren Nutzen für uns hier nicht eigens betont werden braucht“ (EZA, 4/91/689). 180

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rostrategische Waffen; Offenhalten der deutschen Frage in den Grenzen von 1937181 ; Revanchismus; Erfassungsstelle Salzgitter, illegale Wechselstuben“182 . Der Staatssekretär betonte die Entschlossenheit der DDR, ihre Friedenspolitik wie bisher weiterzuführen: „Sie wird es nicht alleine tun können, sondern rechnet mit der Unterstützung der Kirche. Die Grundlage dafür ist: Vertrauen gegen Vertrauen. In diesem Zusammenhang ist deutlich auszusprechen, wie die Regierung die Rolle der Kirche und die Kirchenpolitik sieht.“ Offenbar würden die „Grundfragen der Kirchenpolitik“, über die man sich am 6. März 1978 verständigt habe, „nicht gewahrt“. Zwar werde von der Kirche darauf hingewiesen, dass ein „Rückfall in die Allianz von ‚Thron und Altar‘“, die nach dem „Thronwechsel, als die Arbeiterklasse die Macht übernahm“, beendet worden sei, vermieden werden müsse, doch koaliere der Bund jetzt mit „einem ‚Thron‘ auf der anderen Seite“. Gysi kritisierte, dass die westliche Presse über die Bundessynode und auch über die Synode der Landeskirche Sachsens183 gegen die DDR arbeite. Es müsse aber klar und deutlich herausgestellt werden, dass die Eigenständigkeit der evangelischen Kirche in der DDR weder durch die Medien der BRD noch durch die EKD zu unterlaufen sei.184 Schönherr äußerte seine Verwunderung darüber, „daß die Auswertung der Bundessynode in der Westpresse für den Staat plötzlich einen Rang bekommen hat, den vergleichbare Vorgänge früher nicht gehabt“ hätten. Obwohl Gysi die gemeinsamen Friedensbemühungen von Kirchenbund und EKD, wie das „Wort zum Frieden“ oder den „Bittgottesdienst“ im Rahmen der Friedensdekade expressis verbis gar nicht erwähnt hatte, spielten sie dennoch untergründig eine wichtige Rolle. Den Staat beunruhigten jedwede Beziehungen der beiden Kirchen zueinander zutiefst, da sie die Bemühungen der DDR um eine ideologische Abgrenzung gegen die Bundesrepublik zu unter181 Gysi spielte dabei auf die „Ereignisse“ in Polen an, „die uns sehr berühren, insbesondere im Blick auf den Vertrag über die gemeinsame Friedensgrenze“. Anfang Juli 1980 war es in Polen aus Protest gegen die von der neuen Regierung veranlasste Erhöhung der Fleischpreise sowie weiterer Sparmaßnahmen zu einer Streikwelle gekommen. Die regimekritische Solidarność-Bewegung erkämpfte unter der Führung von Lech Walesa das Recht auf selbstverwaltete Gewerkschaften und das Streikrecht. Die Arbeitsniederlegungen wurden beendet, und es kam zu personellen Veränderungen im polnischen Politbüro und der Regierung. Die Sowjetunion, die ČSSR und vor allem die DDR kritisierten die Entwicklung aufs Schärfste. Die DDR erschwerte als Konsequenz den Grenzübertritt von und nach Polen. 182 So habe die DDR den Mindestumtauschsatz aus rein ökonomischen Gründen heraufsetzen müssen. Die BRD habe diese Tatsache unter Instrumentalisierung der DDR-Kirchen zu einer „Kampagne gegen die DDR hochgeputscht“. 183 Bei der Eröffnung der Herbsttagung der 21. Landessynode Sachsens in Dresden am 18.10.1980 hatte Präsident Cieslak gegen die Nichtzulassung dreier akkreditierter westdeutscher Journalisten protestiert. Die Synode hatte außerdem die Erhöhung des Mindestumtauschsatzes kritisiert. 184 Dabei bezog sich Gysi offenbar v. a. auf einen im Allgemeinen Sonntagsblatt am 8./9.11.1980 erschienenen Artikel, in dem ein „‚Konzept der Kirche in der DDR‘ als einer Oppositionspartei“ beschrieben worden sei.

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laufen drohten. Um dieser übertriebenen Nervosität entgegenzuwirken, betonte Schönherr, dass das „mit dem 6. März aufgebaute Verhältnis zwischen Staat und Kirche […] nach wie vor auch das Verhalten der Kirche“ bestimme. „Er habe den Eindruck, daß eine rechtzeitige Verständigung zu den politischen Entwicklungen und ihren Konsequenzen hilfreich gewesen wäre und vieles von dem, was nun der Kirche vorgehalten wird, vermieden hätte.“ Daran anknüpfend wies Domsch nochmals auf die KKL-„Erklärung zur gegenwärtigen politischen Situation“ hin, mit der die Kirchen ihr klares Bewusstsein über den Ernst der Lage deutlich zum Ausdruck gebracht hätten. Im übrigen habe der von Gysi angesprochene Auflösungsprozess der „Allianz von Thron und Altar“ bereits in den zwanziger Jahren eingesetzt, und die vom Bund bejahte Trennung von Staat und Kirche sei aus der Erfahrung der Bekennenden Kirche in der NS-Zeit erwachsen. Der Präsident des sächsischen Landeskirchenamtes erläuterte: „Auf ein Paktieren mit staatlicher Macht zu verzichten, ist eine Folge der verschiedenen Mandate, die Staat und Kirche haben. Hier ist der Gesichtspunkt der Eigenständigkeit wichtig. Hinsichtlich des Verhältnisses zur EKiD sollte nicht der Begriff der Eigenständigkeit, sondern der der Selbständigkeit der Kirchen des Bundes gebraucht werden. Wir bejahen Kirche im Sozialismus nicht nur als Standortbestimmung, sondern in erster Linie als Aufgabe.“

Domsch kritisierte das staatliche Verbot, die Äußerungen von Bundessynoden in ENA und Kirchenzeitungen abzudrucken, als „Zensur der Bundessynode und auch der KKL“ und fügte hinzu, dass die „normativen Aussagen“ Honeckers am 6. März 1978 zu Gleichachtung und Chancengleichheit von Christen in der DDR sich im Bereich der Volksbildung „eigenartigerweise noch nicht durchgesetzt“ hätten, obwohl der Staatratsvorsitzende sich auch vor dem ZK in diesem Sinne geäußert habe und sich doch die „staatliche Meinung sonst sehr schnell durchzusetzen pflegt“. Daher läge den Kirchen viel daran, über die Bezeichnung „kommunistische Erziehung“ zu sprechen. Zur Problemlösung sei der Dialog185 zwischen Staat und Kirche unersetzlich. Nachdem auch Schultheiß und Stolpe sich für einen regelmäßigen vertrauensvollen Gesprächsaustausch ausgesprochen hatten, fasste der Staatssekretär zusammen, dass man sich in einer „neuen Bewährungssituation“ befinde, jedoch kein Grund zur „Resignation“ bestünde. Gysi verdeutlichte, dass er einen „‚selbstverständlichen‘ Kontakt“ mit dem KKLVorstand für wünschenswert halte.186 185 Domsch betonte an dieser Stelle, dass es tatsächlich um einen „Dialog“, nicht aber um einen „Befehlsempfang“ gehe. 186 Vermerk Schwerin vom 11.11.1980, S. 1–5, 8 (EZA, 101/120). – Eine Schnellinformation über das Gespräch wurde am 1.12.1980 verfasst (Abdruck bei M. FALKENAU [Hg.], Kundgebungen, Bd. 1, S. 376f.).

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3.3 Lehrreiches Studienobjekt Beratergruppe: Gesellschaftsbezogene Urteilsbildung der Kirchen in Ost- und Westdeutschland Hinsichtlich der von Westseite unausgewogenen personellen Besetzung der Beratergruppe richtete sich Hammer am 17. November mit dem Betreff Art. 4 (4) gleichermaßen an die evangelischen Kirchen in Bayern und im Rheinland, um sie zu dazu anzuregen, einen Vertreter zur Mitarbeit im Ost-West-Gesprächskreis zu entsenden.187 Im Vorfeld der nächsten Zusammenkunft der Beratergruppe schrieb Lingner mit einem inhaltlichen Belang an EKD-Synodenpräses von Heyl. Als Themenschwerpunkt, zu dem der Leiter der Theologischen Studienabteilung beim Bund, Götz Planer-Friedrich, einige Thesen ausgearbeitet hatte, war die „gesellschaftsbezogene Urteilsbildung der Kirchen“ in Ost und West vorgesehen. Da dieses Thema nach Lingners Einschätzung offenbar insofern mit dem Ziel „‚entlarvender‘ Art“ ausgewählt worden sei, als sich die östlichen und die westlichen Brüder gegenseitig auf „Art und Ausmaß der vielleicht ungewollten und unbewußten Bindung an die eigene Gesellschaft“ hinweisen wollten, werde eine Diskussion nur unter der Voraussetzung möglich, dass sich die Beratergruppenmitglieder „nichts schenkten“. Es werde sich dabei herausstellen, wo die Fähigkeiten, sich kritisch mit dem eigenen Gesellschaftssystem auseinander zu setzen, an eine Grenze gelangten und inwieweit es an „Freiheit und Mut“ fehle, sich dementsprechend zu äußern. Lingner konstatierte für den EKD-Bereich die vorherrschende Grundeinstellung, vollkommen unabhängig zu sein und daher „unserer Gesellschaft und unseren Politikern zu jeder Zeit die volle Wahrheit vorhalten [zu] können“. Allerdings werde die Richtigkeit dieser Einschätzung von den östlichen Brüdern bezweifelt. Der Leiter der Berliner Stelle machte von Heyl auf die Unverbindlichkeit seiner Äußerungen aufmerksam. Ihm sei lediglich wichtig, dem Präses über die „Grundfragen“ in Kenntnis zu setzen, „mit denen unsere Brüder in der DDR unsere Verlautbarungen oder Denkschriften in die Hand nehmen“.188 Am 10. Dezember setzten sich die Vertreter von Kirchenbund und EKD dann mit Planer-Friedrichs Arbeit auseinander. Der Leiter der ThSA hatte sich bei der Erstellung seiner „Thesen zur gesellschaftsbezogenen Urteilsbildung in den Kirchen“ auf die in der Beratergruppensitzung am 11. Juni geführte Debatte bezogen, die insgesamt eher „den Charakter eines Erfahrungs- und Meinungsaustauschs“ gehabt habe:

187 188

Schreiben Hammer an die bayerische und rheinische Kirche vom 17.11.1980 (EZA, 2/01/1428). Schreiben Lingner an von Heyl vom 20.11.1980 (EZA, 4/92/12).

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„Kontroverse Ansichten zum Thema Leistungsprinzip und ‚wirtschaftliche Entwicklung‘ wurden kaum ausgesprochen und daher auch nicht diskutiert. […] Unausgesprochen blieb vor allem der heimliche Vorwurf, daß die sozialethischen Aussagen der Kirchen – wie im angesprochenen Falle – ganz offensichtlich am jeweiligen gesellschaftlichen Kontext teilhaben, in dem und für den sie geschrieben worden sind.“

Diese Folgerung erläuterte Planer-Friedrich vor allem an der Wortwahl der Diskutierenden. Da eine gewisse Identifikation mit dem eigenen gesellschaftlichen Umfeld geschehe, sei nachvollziehbar, dass es offenbar leichter falle, „die ideologische Anpassung auf der anderen Seite nachzuweisen, als sie selbstkritisch im eigenen Denken und Reden zu erkennen“. Der Leiter der Studienabteilung kam im Zuge seiner Ausarbeitung zu weiteren interessanten Thesen, was die von der jeweiligen Einbindung in unterschiedliche Gesellschaftssysteme beeinflussten Meinungsbildungsprozesse innerhalb des Kirchenbundes und der EKD anbelangte: „7. Jede Kirche entwickelt in ihrem gesellschaftlichen Kontext gewisse Anpassungsstrategien, die mit theologischen Begründungen einhergehen, ohne daß die Koppelung von gesellschaftlicher Motivation und theologischer Argumentation immer bewußt wird: 7.1. Das gilt z. B. für das Prinzip der Parteilichkeit, das man in Fragen ökumenischer Diakonie in den evangelischen Kirchen der DDR gelegentlich bemüht. Die theologische Grundlegung konkordiert mit einem Schlüsselbegriff für gesellschaftliches Engagement im real-existierenden Sozialismus. Ist dieser Effekt vorher reflektiert oder wird er nur stillschweigend genutzt als ein Weg zu gesellschaftlicher Anerkennung, aber auch bekämpft, um Identität zu wahren? 7.2. Das Prinzip ‚demokratischer Ausgewogenheit‘, das in der EKD in Anspruch genommen wird, wenn ‚extreme‘ Positionen abgewiesen werden sollen, läßt sich theologisch begründen mit der Vermittlungsposition der Christen, dem Streben nach Einheit in der Verschiedenheit, dem übergreifenden Heilsangebot der Kirche. Ist es nicht aber auch eine Konzession an den alles nivellierenden Pluralismus in der BRD-Gesellschaft? 8. Daneben gibt es auch eindeutig nichttheologische Befürchtungen, die eine gewisse Konformität kirchlicher Verlautbarungen bewirken, z. B. – die Gefahr der Marginalisierung kirchlicher Verlautbarungen durch Einnehmen einer Außenseiterposition; - einseitige Identifizierung mit Interessengruppen und ‚Schwärmern‘; – der gesellschaftliche Partner könnte verprellt werden; – die Kirche könne vielleicht nicht für alle reden und nicht von jedem verstanden werden. 9. Durch solche – nicht ganz unbegründeten – Befürchtungen kann die Frage nach der Wahrheit vorzeitig abgeschnitten werden. Gesagt wird dann weniger, was vom Evangelium her gerade heute notwendig wäre, sondern was trotz der evangelischen Botschaft noch zu sagen möglich ist.“

Dennoch, so konstatierte Planer-Friedrich in seiner zehnten These, gebe es neben diesen Erscheinungen auch den „Mut zur Einseitigkeit und zum Widerspruch gegen den gesellschaftlichen Trend“. Für die EKD sei dies zum Beispiel an den Diskussionen um Paragraph 218 zum Schwangerschaftsabbruch nach-

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zuweisen, während die kontroversen Debatten über den vom Staat eingeführten Wehrkundeunterricht im Kirchenbund ebenso zeigten, dass man die „jeweilige Anpassungsstrategie“ der Kirchen in Ost- und Westdeutschland keineswegs als „typisch“ bezeichnen könne.189 Die Sitzungsteilnehmer diskutierten „ausführlich und lebhaft“ über die referierten Statements und versuchten herauszufinden, „in welchen jeweiligen Abhängigkeiten die Kirchen der EKD und des Bundes zu ihren gesellschaftlichen und politischen Kräften stehen“. Die in Ost und West anders gelagerte „‚Kontextualität‘ der Kirchen“ ergebe sich aus deren Standortbestimmung in Staat und Gesellschaft. Die Kirchen der EKD identifizierten sich problemloser mit den gesellschaftlichen und politischen Kräften ihres Landes, weil sie nur eine gesellschaftliche Gruppierung unter vielen seien. Von ihnen werde erwartet, dass sie zur politischen und gesellschaftlichen Entwicklung ihre Meinung unter kirchlichem Aspekt darstellen. Demgegenüber hätten die Kirchen in der DDR „offiziell eine Außenseiterposition“ innerhalb ihrer Gesellschaft. Ihre Stellungnahmen zu politischen und gesellschaftlichen Problemen würden weder erwartet noch gefordert, sondern allenfalls geduldet. Die „kritische Solidarität“ der Kirchen in der DDR zu ihrem Staat werde missverstanden, „wenn sich unter diesem Stichwort die ‚Nein-Sager‘ sammeln, um ihrer Anti-Haltung gegen Staat und Gesellschaft zu formulieren“. Möglicherweise noch unter dem Einfluss dieser spannenden Aussprache und wie zum Beweis für die Richtigkeit der daraus abgeleiteten gemeinsamen Einschätzung tauschten die Mitglieder der Beratergruppe die Erfahrungen aus, die sie mit dem im Rahmen der Friedensdekade abgehaltenen Gottesdienst für den gefährdeten Weltfrieden in ihren Kirchen gewonnen hatten. Wie die Brüder aus der DDR berichteten, habe vor allem die von Bund und EKD gemeinsam ausgearbeitete und verwendete Gottesdienstordnung den Argwohn der staatlichen Organe geweckt. Gegenüber den Staatsvertretern sei erläutert worden, dass „der Akzent bei den Christen und Kirchen nicht auf einer nationalen Ebene zu suchen ist“, so dass die gemeinsame Ordnung für den Friedensgottesdienst weder als „politischen Kundgebung“ noch als „gesamtdeutschen Unternehmen“ zu bewerten sei. Es sei den Kirchen darauf angekommen, die „‚Gemeinsamkeit‘ der Christen als Ausdruck der einen Christenheit“ herauszustellen. Die Berater aus dem Westbereich gingen nicht auf den Gottesdienst ein, sondern informierten über „den Hintergrund der Proteste von jungen Menschen gegen die öffentliche Vereidigung von Bundeswehrsoldaten“, auf die sowohl die Bundeswehr als auch die Militärseelsorge „gereizt“ reagiert und die EKD aufgefordert habe, mit einer öffentlichen Stellungnahme Position zu beziehen. Der Rat der EKD habe seiner 189

G. Planer-Friedrich: „Thesen“, S. 1, 3f. (EZA, 643/94/7,1).

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Kammer für öffentliche Verantwortung den Auftrag erteilt, zu diesem Problemkomplex eine Studie auszuarbeiten und entschieden, sich bis zur Fertigstellung des Papiers jeglicher Äußerungen zu enthalten.190 Stolpe hatte angesichts der Spannungen im Staat-Kirche-Verhältnis um eine Unterredung mit dem Leiter der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen ersucht, zu der er am 15. Dezember empfangen wurde. Fünf aktuelle Problembereiche standen im Mittelpunkt. Zur Frage, in welcher Form und unter Zuhilfenahme welcher Regelungen die seit dem Staat-Kirche-Gespräch am 6. März 1978 verfolgte „kirchenpolitische Linie“ den Umgang mit den Kirchen in der DDR bestimme, räumte Stolpe ungefragt – und zeigte dabei, wenn auch mit offensichtlich taktischer Absicht, eine erstaunlich weitgehende Anpassungsfähigkeit – diverse Fehler ein, die der Kirchenbund sich im Rahmen seiner Leipziger Synodaltagung durch Leichtfertigkeit und ohne in ausreichendem Maße die veränderte weltpolitische Lage zu berücksichtigen, habe zuschulde kommen lassen. Zudem sei die „damit verbundene massivere Einvernahmetaktik der westlichen Medien“ unterschätzt worden. Der Leiter des BEK-Sekretariats räumte sogar ein, dass es „auch besser gewesen [sei], wenn sich die Leitung des BEK in Sachen Mindestumtausch über die Motive dieser staatlichen Anordnung ausreichender informiert hätte“. Mittlerweile habe man im Kreise der leitenden Geistlichen über diese Sachverhalte diskutiert und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kirchen eine größere Bereitschaft zeigen müssten, die DDR-Politik mitzutragen, um so ihren Beitrag zur „Verwirklichung der kirchenpolitischen Linie des 6.3.“ zu leisten. Ferner verstünde die Kirche sich nicht als „Gegengewicht“ zum Staat und werde sich daher „durch niemanden in die Rolle einer politischen Opposition drängen lassen“. Die „Mitverantwortung der Kirche könne nur im Interesse der inneren Stabilisierung der DDR verstanden und praktiziert werden“. Hinsichtlich der Fortsetzung des Dialogs mit Staatsvertretern liege der Kirchenbund vor allem an Gesprächskontakten mit „Funktionären der Parteiapparates“. Bellmann 190 Vermerk Lingner o. D., S. 2f. (EZA, 4/92/12). – Hierbei handelt es sich um die 1981 publizierte Denkschrift „Frieden wahren, fördern und erneuern“, mit der die EKD zwar eine internationale Friedensordnung forderte, im Blick auf die Haltung des Christen zum Dienst an der Waffe letztlich nur die in den „Heidelberger Thesen“ von 1959 vertretene Komplementaritätsthese bekräftigte: Die Kirche müsse auch heute noch die „Beteiligung am Versuch, einen Frieden in Freiheit durch Atomwaffen zu sichern, weiterhin als eine für Christen noch mögliche Handlungsweise anerkennen“ (K IRCHENKANZLEI DER EKD [Hg.], Frieden, S. 58 [Hervorhebung durch A. S.]). Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass auf der Sitzung des Rates Mitte September 1980 seitens des Beirats der Ev. Militärseelsorge der Rat darum gebeten worden war, öffentlich Stellung zu beziehen, „ob von Friedensdienst mit der Waffe gesprochen werden darf. Ziel ist die erneute Bestätigung der Heidelberger Thesen“. Genau das sollte geschehen, auch wenn die Denkschrift weniger programmatisch als im Sinne einer Diskussionsgrundlage angelegt war (Niederschrift [Bromm] über die 15. Sitzung des Rates der EKD am 12./13.9.1980 in Frankfurt/Main, S. 11f. [EZA, 2/93/889]).

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gab seinen Eindruck wieder, dass innerhalb der kirchlichen Leitungsgremien offenbar die Frage, wie es mit den Staat-Kirche-Beziehungen weitergehen solle, sehr unterschiedlich beantwortet werde. Er monierte, dass nach wie vor nicht nur Verlautbarungen von Synoden, sondern auch Gespräche zwischen Parteifunktionären und Kirchenvertretern in den Westmedien veröffentlicht würden und betonte, dass nach solchen Fällen staatlicherseits kein Vertrauen in die Kirche gesetzt werden könne. Stolpe erläuterte dann die von Sachlichkeit bestimmte Haltung der DDR-Bischöfe zur Lage in Polen, beschrieb die Stimmung in den Gemeinden als weitgehend ruhig und versuchte damit offenbar die im Staatsapparat aufgekommene Beunruhigung, die oppositionelle Bewegung könne in die DDR überschwappen, zu mildern. Doch wies er darauf hin, dass ein etwaiges militärisches Eingreifen der Nationalen Volksarmee durchaus „Probleme in der Kirche“ auslösen würde. Es sei immerhin ein „Unterschied, wenn so etwas von seiten der Sowjetunion geschehe oder von der DDR“. Die Staatsvertreter klärten den Leiter des Sekretariats auf, dass allein die bundesdeutschen Massenmedien und Politiker Spekulationen über eine Intervention der NVA in Polen in die Welt setzten und erkundigten sich, ob die DDR-Bischöfe darüber auch mit ihren Amtsbrüdern von der EKD beraten hätten. Mit der Bemerkung, dass lediglich ein „kurzes Routinegespräch“ über kirchliche Belange und die Verantwortung beider Kirchen für den Frieden geführt worden sei, dementierte Stolpe diese Vermutung.191 Daraufhin wurde ihm mit Nachdruck verdeutlicht, gemeinsame Friedensaktivitäten des BEK mit der EKD seien eine „Fiktion“, da beide deutsche Staaten gegensätzliche Haltungen zu den Grundfragen der Friedenssicherung einnehmen würden und es die Kirchen mit unterschiedlichen politischen Realitäten zu tun hätten. Anhand neuer Veröffentlichungen und Stellungnahmen der EKD wurde Stolpe darüber aufgeklärt, dass „die Kirchen in der BRD völlig eingebunden sind in das NATO-Konzept der Konfrontationspolitik“. Dieser erläuterte abschließend, dass der Bund sich mittels ernster Unterredungen mit Westjournalisten und Pressevertreten gegen deren unangemessene und tendenziöse Berichterstattung zu verwahren plane. Über die mit Schönherrs Ruhestand erforderlich werdenden personellen Veränderungen im Kirchenbund unterrichtete Stolpe die Parteifunktionäre und bat darum, dass vorab „mit Genossen Verner oder Genossen Stoph – an den Vorsitzenden des Staatrates wage man nicht zu denken – mit einem ausgewählten Kreis von leitenden Geistlichen ein Gespräch zustande käme, über dessen Inhalt man sich noch verständigen könne“. Er halte eine solche Unterredung für wichtig, um seitens des Bundes zu signalisieren, 191 Die ZK-Arbeitsgruppe war darüber informiert worden, dass kurz zuvor vier Bischöfe aus der Bundesrepublik und West-Berlin in die DDR-Hauptstadt eingereist waren. Tatsächlich hatte am 11.12.1980 die Konsultationsgruppe getagt.

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dass der „Kurs“ von Schönherr und „dessen Freunden“ auch mit einem neuen KKL-Vorsitzenden und Berlin-brandenburgischen Bischof nicht verlassen werden solle.192 Über eine weitere anstehende personelle Veränderung, die nicht nur für den DDR-Kirchenbund wichtig war, informierte Stolpe den Präsidenten der Kirchenkanzlei der EKD in Hannover am 12. Januar 1981. Zum 1. Januar 1982, dem Tag, an dem auch seine „Beurlaubung zum Dienst beim Bund“ ende, habe ihn die Berlin-brandenburgische Kirchenleitung zum Konsistorialpräsidenten berufen. Es sei ihm wahrlich schwer gefallen, sich zwischen der „gerade in der Umwälzungsphase der gesamtkirchlichen Arbeit“ spannenden Tätigkeit für den Kirchenbund und dem verantwortungsvollen Dienst für seine Landeskirche, der natürlich für ihn ebenso eine „Herausforderung“ wie eine „Bewährungsprobe“ bedeute, zu entscheiden. Doch hätten einige Argumente dafür gesprochen, das ihm bereits zum zweiten Mal angebotene Amt zu übernehmen: Wenn die Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR gelingen werde, müsse der Schwerpunkt dennoch auf der Arbeit der Landeskirchen liegen. Zum Zweiten müsse man sich bewusst sein, dass das Zusammenrücken in einer zukünftigen engen kirchlichen Gemeinschaft ein Prozess sei, an dem drei „gleichberechtigte Partner“ beteiligt seien und sich „nicht alles automatisch auf den Bund und seine Personen“ zentriere. Ferner werde er sich nicht von der KKL verabschieden müssen. Seine Kirchenleitung habe ihm die „Möglichkeit einer Weiterarbeit in gesamtkirchlichen Aufgaben zugesichert; insbesondere in Fragen der Verbindung zur EKD“.193 Nachdem der EKD-Ratsvorsitzende Lohse offenbar Ende 1980 signalisiert hatte, an einem Gespräch mit Vertretern der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn interessiert zu sein, lud ihn deren Leiter für den 24. Februar in die Botschaft ein. An dieser interessanten Unterredung, die in erster Linie die Frage der Friedenssicherung, die DDR-Politik und die deutsch-deutschen Beziehungen zum Inhalt hatte, nahm unter anderem auch der Ratsbevollmächtigte Binder teil. Der DDR-Botschafter konstatierte, dass die Souveränität seines Landes von der Bundesrepublik umfassend anerkannt werden müsse und kritisierte, dass dem wiederholte Diskriminierungen von DDR-Bürgern, das „Offenhalten der deutschen Frage“, die „Erfassungsstelle“ in Salzgitter sowie ungeregelte Fragen wie die Feststellung der Grenze auf der Elbmitte entgegenstünden. Lohse habe „sein Verständnis für die Haltung der DDR“ gezeigt und betont, dass die EKD ihre Bemühungen um der gemeinsamen Geschichte und Sprache willen aus192 Information AG Kirchenfragen vom 16.12.1980, S. 1–5 (SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2.036/45, Bl. 75–79). 193 Schreiben Stolpe an Hammer vom 12.1.1981 (EZA, 2/01/1415).

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schließlich auf die Pflege guter Beziehungen zum Kirchenbund richte. Im Blick auf das Verhältnis beider deutscher Staaten zueinander wolle die EKD in erster Linie einen Beitrag zum „Abbau des Mißtrauens“ leisten. Der Leiter der Ständigen Vertretung betonte, dass dies am besten zu verwirklichen sei, wenn die Bundesrepublik Deutschland und die DDR wie auch „ihre Kirchen“ ihre Beziehungen gemäß dem Prinzip der „friedlichen Koexistenz“ gestalteten. In seinem Vermerk notierte er, dass Lohse bei seinen Darlegungen und Stellungnahmen ganz offensichtlich darauf bedacht gewesen sei, jegliche „Spannungs- und Konfrontationspunkte“ zu vermeiden. So hätten die Vertreter der EKD sich nur mit großer Zurückhaltung zur Außenpolitik der USA geäußert und einzelne „aggressive“ Verlautbarungen von Mitgliedern der Regierung der USA als „wohl zunächst persönliche Auffassungen“ heruntergespielt. Eine für Anfang März in Aussicht genommene Reise von EKD-Vertretern in die Vereinigten Staaten, habe der Ratsvorsitzende berichtet, diene lediglich dem Zweck, zur Sicherung des Weltfriedens beizutragen. Lohse habe darum gebeten, dass die Bemühungen um das bisher nicht zustande gekommene Treffen des Staatsratsvorsitzenden Honecker mit Bundeskanzler Schmidt nicht aufzugeben, woraufhin der Botschafter darauf hinwies, dass die Zusammenkunft nicht von der DDR abgesagt worden sei und nach wie vor Interesse an einem „Meinungsaustausch“ bestünde. In diesem Zusammenhang habe der Ratsvorsitzende den Wunsch nach engeren Kontakten der EKD zu den für Kirchenfragen zuständigen staatlichen Organen zum Ausdruck gebracht. Die EKD, deren Verhältnis zum BEK „keinen politischen Charakter“ habe, könne in regelmäßigen Gesprächen mit Staatsvertretern der DDR die „spürbare Skepsis“ abtragen, mit der die Kirche in der Bundesrepublik angesehen werde. Der Botschafter vertrat auch in dieser Frage die offizielle politische Haltung, dass die Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten ebenso wie zwischen Bund und EKD nur analog zum Verhältnis jedweder anderer souveräner Staaten zueinander gestaltet werden könnten. Im Übrigen habe die „kirchliche Reisetätigkeit“ zwischen der Bundesrepublik und der DDR sich bereits „vervierfacht“.194 Insgesamt hatte diese Begegnung zwar keine nennenswerten Ergebnisse erbracht, doch ist es trotzdem erstaunlich, dass Lohse oder Binder weder im Rahmen der Berater- noch der Konsultationsgruppensitzungen mitteilten, dass sie stattgefunden hatte.

194 Vermerk AV Bonn, Abt. IAP, Klötzer vom 26.2.1981, S. 1ff. (SAPMO-BArch, DY 30/IV B 2/14/20, Bl. 1–4).

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Nachdenken über die „besondere Gemeinschaft“ nach der VEK-Gründung und Schelte des Bundeskanzlers für Einmischung der EKD in „politische Angelegenheiten“ Bei ihrer Klausurtagung, die Mitte März in Buckow stattfand, zog die KKL positive Bilanz aus dem im Jahr 1980 erstmals angewandten „Nominierungsverfahren“, zu den Tagungen der EKD-Synode immer alternierend ein Mitglied des Präsidiums der Bundessynode oder der KKL zu entsenden.195 Zur Wahrnehmung der in Art. 4 (4) erstmalig festgeschriebenen Verantwortung für die „besondere Gemeinschaft“ beider Kirchen und ihrer Christen auch nach der noch ausstehenden Gründung einer Vereinigten Kirche in der DDR fassten die Anwesenden einen Beschluss, in dem es eingangs hieß, die beteiligten Kirche und Zusammenschlüsse in der DDR verabredeten, ihre Verantwortung für die Verbindung zu den Kirchen in der Bundesrepublik „in gegenseitiger Abstimmung wahrzunehmen und füreinander zu erschließen“. Die KKL stellte nicht nur den Bezug zu Art. 4 (4) und 4 (2) 196 der Bundesordnung, sondern gleichfalls zu Ziffer 3, 8 der „Eisenacher Empfehlungen“ für eine VEK in der DDR her. Demnach bleibe auch die Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR der besonderen Gemeinschaft verpflichtet, die bislang von den konfessionellen Zusammenschlüssen wahrgenommen worden sei, und müsse deren Erfahrungen einbeziehen: „Die Beziehungen im Sinne dieser Gemeinschaft sind nach den Erfordernissen von Sachaufgaben so auszugestalten, daß sie dem Zeugnis des Evangeliums in den unterschiedlichen Gesellschaftssystemen dienen.“ Die seit 1969 bestehende Beratergruppe werde derart strukturiert, dass sie ihre Aufgaben für die „besondere Gemeinschaft voll wahrnehmen“ könne.197 Die Zuständigkeit, über die personelle Besetzung und die Art der Tätigkeit des Gremiums zu entscheiden, läge beim Rat der EKD und der KKL. Bei der Zusammensetzung der Gruppe müsse dafür Sorge getragen werden, dass sowohl Mitglieder der Leitungsgremien aller kirchlichen Zusammenschlüsse als auch gliedkirchliche Beauftragte in ihr vertreten seien. Es sei darauf zu achten, dass „im Interesse kontinuierlicher Information und Konsultation ein feststehender Mitgliederbestand“ 195

Protokoll (Herrbruck) der 72. KKL-Tagung (Klausurtagung) am 13.–15.3.1981 in Buckow, S. 6 (EZA, 101/110). 196 „Der Bund nimmt die gemeinsamen Aufgaben der in ihm zusammengeschlossenen Gliedkirchen selbständig und unabhängig war.“ 197 Die für die „besondere Gemeinschaft“ zuständige Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, in der Vertreter der konfessionellen Zusammenschlüsse in der DDR an der Bildung der VEK arbeiteten, hatte am 5.2.1981 beschlossen (und auf diesem Text basierte der oben zitierte Beschluss der KKL), die Beratergruppe nicht aufzugeben. Heidingsfeld gab am 20.3.1981 den Beschlusstext in einem vertraulichen Umlauf an Hammer, Koch und Coenen weiter und kommentierte, dass die evangelischen Kirchen in der DDR auch „nicht zu erkennen gegeben [hätten], daß der unterdessen gebildete ‚Kontaktkreis‘ [die Konsultationsgruppe] als Ersatz bzw. Nachfolger in Frage kommt“ (EZA, 673/91/31).

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gegeben sei. Die Sitzungen müssten durch einen geschäftsführenden Ausschuss sorgfältig vorbereitet und regelmäßig ausgewertet werden.198 Mit einem dreiseitigen Beschwerdeschreiben richtete sich am 24. März die Chefredaktion der Rheinischen Post an den EKD-Ratsvorsitzenden Lohse und alle DDR-Bischöfe. Staatlicherseits werde dem epd im Blick auf die kirchliche Medienberichterstattung aus der DDR nun mit der Erlaubnis, auch über die Tagungen der gliedkirchlichen Synoden zu informieren, eine „Monopolstellung“ eingeräumt, während den übrigen westdeutschen Korrespondenten „wesentliche Einblicke in die Arbeit der DDR-Kirchen verwehrt“ würden. Joachim Sobotta wies darauf hin, dass sowohl der epd als auch der Bund – sofern er nicht gegen diesen „staatlichen Dirigismus“ vorgehe – mit einer „solchen Kanalisierung“ zwangsläufig in ein „fatales Licht“ gerieten. Jeder von der Regierung der DDR mit Privilegien ausgestattete Journalist verliere „an Glaubwürdigkeit, denn er lebt zwangsläufig unter dem Druck der Selbstzensur“. Da der Kirchenbund doch stets seine „Eigenständigkeit“ im sozialistischen Staat herausstelle, sei es in seinem eigenen Sinne von allergrößter Bedeutung, sich gegen eine von der Bevorzugung Einzelner geprägte journalistische Praxis zu wehren. Sobotta fügte hinzu, dass es bei den Berichten über das kirchliche Leben in der DDR auch zu „Mißverständnissen“ und „unkorrekten Wiedergaben“ führen könne, wenn der Korrespondent in Berlin „Informationen aus zweiter Hand“ verwerten müsse. Da die Rheinische Post die Leserschaft der Evangelische Kirche im Rheinland – immerhin die zweitgrößte Landeskirche in der Bundesrepublik – mit Nachrichten versorge, sei der Chefredaktion die kirchliche Berichterstattung ein besonderes Anliegen. Zudem vertrete seine Redaktion die Ansicht, dass das Wirken der Kirchen in der DDR an der „Nahtstelle zwischen den beiden Weltblöcken auch nach Westen hin transparent gemacht“ werden müsse, weil davon „nicht zuletzt deren Glaubwürdigkeit“ in der Bundesrepublik abhinge.199 Mit dem Betreff Beratergruppe richtete sich Stolpe am 20. April an die Mitglieder des Vorstands der KKL und nannte die Schwerpunktthemen, die zur Verhandlung bei den nächsten Treffen des Ost-West-Kreises gebilligt worden seien: „Kirche als Gesprächspartner oberster Staatsorgane und anderer gesell198

Anlage 2 zum Protokoll: Beschluss der KKL vom 15.3.1981, S. 1f. (EZA, 688/1). Abdruck in: KJ 1981/82 (108./109. Jg.), S. 455f. – Diese Planung interpretierte die Abt. Internationale Beziehungen in der Dienststelle des Staatssekretärs in einer Information vom 9.4.1981 als „gesamtdeutsche Intentionen bei der Schaffung der VEK“ und konstatierte in diesem Bericht, dass trotz der organisatorischen Trennung beider Kirchen auf nahezu allen Ebenen die Kontakte immer weiter ausgebaut würden. Insgesamt werde demnach „durch das Festhalten des BEK an dieser ‚besonderen Gemeinschaft‘“ das „gesamtdeutsche Konzept“ fortgesetzt (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-298, Bl. 85–91; hier Bl. 85f.). 199 Schreiben Sobotta an Lohse und alle DDR-Bischöfe vom 24.3.1981, S. 1ff. (EZA, 2/01/1415). – Über diese kritischen Hinweise wurde im Konvent der Bischöfe beraten und Stolpe damit beauftragt, ein Antwortschreiben zu verfassen.

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schaftlicher Gruppierungen“ sowie „Reform des theologischen Studiums in der Bundesrepublik Deutschland“.200 Lingner präzisierte die inhaltliche Planung für die Zusammenkunft Anfang Juni. Am 13. beziehungsweise am 23. April habe er sich mit Demke, Garstecki und Konrad von Rabenau, der als Referent im Sekretariat des Bundes für die Ausbildungskommission zuständig war, abgestimmt.201 Zum Thema Staat-Kirche-Gespräch sei seitens der östlichen Beratergruppenmitglieder Interesse kundgetan worden zu erfahren, wie im Bereich der EKD die Stellungnahmen von Bundeskanzler Schmidt202 und Bundespräsident Karl Carstens203 bewertet würden, die im Blick auf öffentliche kirchliche Äußerungen ausgesprochen kritisch ausgefallen waren. Schmidt habe den Kirchen in der Bundesrepublik ihre Einmischung in politische Angelegenheiten vorgeworfen und bemängelt, dass es der Theologie noch nicht gelungen sei, „Demokratie wirklich in sich aufzunehmen“. Daher seien die Kirchen „auch nicht die besten Anwälte, das Vertrauen der Menschen in die Demokratie zu festigen“. Wenn er auch „sehr einverstanden“ mit dem Inhalt mancher Denkschriften der EKD aus den 60er Jahren sei, könne er nicht tolerieren, dass sie sich „mit kirchlicher Autorität in die Politik einmischten“. Carstens hatte mit ähnlicher Tendenz auf die Gefahr hingewiesen, dass die Kirchen und ihre Gemeinden „durch Verstrickung in den Zeitgeist“ von ihrer Hauptaufgabe, der Verkündigung des Evangeliums, entfernten.204 So wollten die Brüder aus der DDR wissen, ob es „hier zwischen Staat und Kirche klärende Gespräche“ gegeben habe. Offenbar seien Vertreter der Kirchen in der DDR von staatlicher Seite auf die Anmerkungen 200

Schreiben Stolpe vom 20.4.1981 (EZA, 101/120). Auszug aus Vermerk Lingner vom 29.4.1981 (EZA, 4/92/12). 202 In einem Interview mit den Evangelischen Kommentaren vom 28.2.1981 hatte Schmidt u. a. verdeutlicht, dass offensichtlich viele Protestanten in der Bundesrepublik sich nicht ihren eigentlichen Aufgaben, nämlich „der Verkündigung und der Seelsorge“ widmeten, „ihre Leidenschaft aber für das verwenden, was man neuerdings ‚kritisches Hinterfragen‘ nennt. Wenn man ihnen zuhört, spürt man, daß das Vertrauen auf Gott und das Vertrauen in die Zukunft relativ wenig ausgeprägt ist“. Die zahlreichen Beeinflussungsversuche der Kirchen auf staatliche, politische Entscheidungen stünden in keinem Verhältnis zu der Einwirkung, die der Staat auf die Entscheidungen der Kirchen ausübe. Auszugsweiser Abdruck in: KJ 1981/82 (108./109. Jg.), S. 113–115; hier S. 114, 113. Der Rat der EKD meldete sich am 8./9.5.1981 mit einem angesichts der schweren Vorwürfe Schmidts sehr versöhnlichen Kommuniqué zur öffentlichen Verantwortung des Christen in der Demokratie zu Wort, das in der gleichen Ausgabe des KJ auszugsweise veröffentlicht ist (S. 117f.). 203 Anlässlich der Wiedereröffnung des Bremer St. Petri Doms am 19.4.1981. Vgl. Auszug der Rede in: KJ 1981/82 (108./109. Jg.), S. 116f. 204 Bereits in einem Interview mit Evangelische Kommentare hatte Carstens die Evangeliumsverkündigung als Hauptaufgabe der Kirchen benannt. Zudem hatte der Bundespräsident das kirchliche Wirken im caritativen Bereich gelobt, dem er in einer erstaunlich verengten Sichtweise auch den Friedensgottesdienst vom 9.11.1980 zuordnete: Carstens hatte gewürdigt, dass über Römer 14 gepredigt werden sollte, da es viele Menschen gebe, „die sich danach sehnen, gerade so etwas zu hören“. Vgl. KJ 1980 (107. Jg.), S. 85. 201

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von Schmidt und Carstens angesprochen worden, und Lingner nahm an, dass sie auch bei der Verständigung von Staat und Kirche in der DDR über ihre Beziehungen zueinander „herangezogen“ werden sollten – tatsächlich wiesen die Monita der westlichen Regierungsvertreter geradezu augenfällige Parallelen zu den Beschwerden auf, die DDR-Staatsvertreter den Kirchen gegenüber immer wieder vorgebracht hatten und vorbrachten. Für einen Erfahrungsaustausch zu diesem Thema in der Beratergruppe wünschten sich die östlichen Mitglieder eine skizzenhafte Darstellung der Hauptkonfliktfelder zwischen EKD und Bundesregierung sowie den im Westen üblichen Umgang miteinander, denn die Kirchen des Bundes würden zunehmend gedrängt, ihre Beschwerden und ihre Kritik nur in „vertraulichen Gesprächen mit dem staatlichen Partner“ vorzutragen. Hingegen werde ihnen öffentliche Kritik („kritische Solidarität“) nicht uneingeschränkt zugestanden. Die in der DDR staatlicherseits bzw. politisch geforderte Vertraulichkeit im Umgang von Kirche und Staat ließe nun die Frage aufkommen, inwieweit den Christen und Gemeinden wesentliche Gesprächsinhalte auf oberer Ebene vorenthalten werden können, ohne die Glaubwürdigkeit kirchlicher Leitung in Frage zu stellen. Um den Beratergruppenvertretern aus der DDR zu vermitteln, „welche Praxis sich in der EKD und in den Gliedkirchen bewährt bzw. nicht bewährt“ habe, schlug Lingner die exemplarische Erläuterung anhand der in der Bundesrepublik von Kirche und Staat unterschiedlich beurteilten Konfliktthemen „Friedensfragen, Hausbesetzer, […], § 218, Ausländerprobleme, Dritte Welt, Atomreaktoren/Umweltprobleme, Staatsverschuldung u. a.“ vor, wie Kirchenleitungen „auf den verschiedenen Ebenen in der Bundesrepublik im Gespräch stehen“ und ob die Gemeinden über solche Unterredungen in Kenntnis gesetzt würden. Binder habe sich bereit erklärt, zu diesem Schwerpunkt zu referieren, sei jedoch Anfang Juni verhindert.205 Lingner berichtete, dass die Gemeinsame Vorbereitungsgruppe in der DDR im Rahmen ihrer Weiterarbeit an den „Eisenacher Empfehlungen“ einen Beschluss206 gefasst habe, der auch die „künftige Zusammensetzung und Arbeitsweise der ‚Beratergruppe‘“ einschließe. Einige der Gruppenmitglieder aus 205 Tatsächlich wurde das Thema nicht am 3.6.1981, sondern erst beim Treffen der Beratergruppe am 3.9.1981 diskutiert. Lingner selbst hatte sieben Thesen aufgestellt, die möglicherweise der Einführung dienen könnten, Binders Stellvertreter in der Funktion des EKD-Bevollmächtigten, Hermann Kalinna, zumindest den zweiten Teil einer insgesamt 9 Seiten umfassenden Thesensammlung für eine Diskussion über das Verhältnis von Kirche, Staat und Gesellschaft in der BRD, erarbeitet und am 28.8.1981 an Lingner geschickt (EZA, 4/92/13). Bei Lingners Einschätzung handelt es sich weder um eine innerhalb der EKD konsensfähige Darstellung noch um eine realitätsferne Einzelmeinung. 206 Den Beschluss der GVG vom 5.5.1981, den Lingner beilegte, hatte im Vorfeld Heidingsfeld dem Präsidenten der EKD-Kirchenkanzlei, seinem Stellvertreter sowie dem Leiter des Kirchlichen Außenamtes der EKD zur Ansicht gegeben. Abdruck in: KJ 1981/82 (108./109. Jg.), S. 455f. Vgl. dort die ausführliche Darstellung der Arbeit an der VEK-Bildung zwischen 1979 und 1983 (S. 429 bzw. 449–471).

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der DDR seien an der Ausarbeitung der den Ost-West-Kreis betreffenden Passagen beteiligt gewesen und könnten am 3. Juni nähere Erläuterungen abgegeben. Unter dem Tagesordnungspunkt „Berichte zur Lage“ sei ein Kommentar zu den Ergebnissen der Wahlen in West-Berlin und der Sachstand der Verhandlungen zur Bildung der VEK in der DDR zu erwarten, aus dem Bereich der EKD werde der Bericht – wenn möglich – von einem Ratsmitglied207 erstattet. Aus der DDR könnte unter Umständen eine kleine Information gegeben werden, wie der X. SED-Parteitag aus kirchlicher Sicht beurteilt werde. Gesprochen werden sollte beim Treffen der Beratergruppe auch über das Schreiben, mit dem die Chefredaktion der Rheinischen Post sich an alle Bischöfe in der DDR gewandt habe, um zu monieren, dass die in der DDR akkreditierten Journalisten von den Staatsorganen in der DDR ungleich behandelt würden.208 Die Sitzung der Beratergruppe fand allerdings am 3. Juni in nur sehr verkürzter Form statt, weil alle ihre Mitglieder auf einen Empfang zur Eröffnung einer Ausstellung im Berliner Dom eingeladen waren. Daher stellte Demke auf der Sitzung des Vorstands der KKL Anfang Juli auch die praktisch unveränderte Tagesordnung der Beratergruppe vor. Die Anwesenden regten an, dass seitens des Bundes zum Hauptthema „Gespräch der Kirchen mit Politikern“ ein Beitrag vorbereitet werden solle.209 Lingner hatte den Beratergruppensprecher von Keler schon Ende April über die „Bedrückungen“ unterrichtet, die dadurch verursacht würden, dass die westlichen Vertreter – im Gegensatz zu den Teilnehmern aus der DDR, die zudem immer alle bei den Treffen anwesend seien – die Sitzungen zumeist „vorzeitig“ verließen. Eine Erklärung könne sein, dass das Informationsbedürfnis und das Bedürfnis nach einem Meinungsaustausch durch die vor der Beratergruppe tagende Konsultationsgruppe „erschöpft“ sei. Der Leiter der Berliner Stelle erinnerte von Keler daran, dass derartige Missstände den württembergischen Landesbischof seinerzeit veranlasst hatten, im Rat der EKD eine Debatte über die Situation des Ost-West-Gesprächskreises führen zu lassen und die westlichen Beratergruppenmitglieder nachdrücklich darum zu bitten, den Treffen mit den östlichen Brüdern bei ihrer Terminplanung Priorität zu verleihen. Ling207 Lingner hoffte darauf, dass dies von Keler – im Falle seiner Anwesenheit – übernehmen könne. Für wie wichtig der Leiter der Berliner Stelle die Teilnahme von Kelers erachtete, zeigt sein Vorschlag an Demke, die für 1982 festgelegten Termine für die Gruppentreffen zu verschieben, da diese von Keler offenbar sehr schlecht passten. Lingner wies sogar darauf hin, dass „die Abwesenheit von Landesbischof von Keler für den Gang der Verhandlungen in der Beratergruppe eine Belastung darstellt“ (Schreiben Lingner an Demke vom 15.7.1981 [EZA, 101/363]). 208 Schreiben Lingner an die Beratergruppe (West) vom 11.5.1981, S. 2f. Zum letzten Punkt merkte Lingner an, dass „angeblich“ lediglich den Redakteuren des EPD die Berichterstattung von gliedkirchlichen Synoden gestattet werde (EZA, 4/92/12). 209 Protokoll (Demke) über 128. Sitzung des KKL-Vorstands am 3.7.1981 in Berlin, S. 6 (EZA, 101/120). – Die Ausarbeitung eines Vertreters des Kirchenbundes wurde nicht aufgefunden.

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ner regte an, erneut über die „Arbeitsweise und Zusammensetzung“ der Beratergruppe nachzudenken.210 Tatsächlich wurde im Bereich des Bundes einige Monate später auch wieder über die „Gestaltung der Arbeit der Beratergruppe“ debattiert, was jedoch weniger mit den von Lingner erwähnten Defiziten als mit dem Beschluss der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe vom 5. Februar und der daraus erfolgten Beschlussfassung der KKL vom 15. März zusammenhing. Der Vorstand erteilte dem BEK-Sekretariat den Auftrag, bis zum 1. Oktober einen entsprechenden Vorschlag zur Neuordnung des Gremiums vorzulegen.211 Zu diesem Termin lag ein solcher offenbar noch nicht vor, denn die Mitglieder des KKL-Vorstands kamen nach einer Debatte überein, die erforderliche Ausarbeitung zur Neuregelung der Beratergruppe vom Sekretariat des Bundes und der EKD-Kirchenkanzlei gemeinsam anfertigen zu lassen, wobei unter Verzicht auf „gewichtige strukturelle Aussagen“ „jeweils Beschlüsse mit Geschäftsordnungsrang der Leitungen angestrebt“ werden sollten. Doch hatte man im Vorstand schon recht konkrete Vorstellungen, wie die Anpassung – betontermaßen keine grundlegende Umstrukturierung – des Ost-West-Kreises an die künftigen kirchlichen Strukturen in der DDR vorgenommen werden sollte. Natürlich müssten die Gliedkirchen aller konfessionellen Zusammenschlüsse sowie der Vorstand in der Gruppe vertreten sein, wobei die Option für drei ergänzende Berufungen offengehalten werden sollte. Um die Anzahl der Mitglieder nicht nur in einem verhandlungsfähigen Rahmen zu halten, sondern sogar zu verkleinern, könnten Kirchenvertreter in die Beratergruppe entsandt werden, die mehrere Funktionen in Personalunion innehielten. Je ein von westlicher und von östlicher Seite gestellter „Vorsitzender“ solle zusammen mit den Leitern von BEK-Sekretariat und Kirchenkanzlei der EKD die Geschäftsführung übernehmen. Sollte es bei den vier jährlichen Treffen zu Terminkollisionen kommen, bestünde die Möglichkeit, einen Vertreter zu entsenden.212 Für die Zusammenkunft der Beratergruppe im Dezember sah der Vorstand vor, sich mit der Diskussion zwischen ÖRK-Generalsekretär Potter und dem ehemaligen Präsidenten der EKD-Kirchenkanzlei über den „prophetischen Auftrag der Kirche“213 zu befassen, die bereits Anfang 210

Schreiben Lingner an von Keler vom 30.4.1981 (EZA, 4/92/12). Protokoll (Lewek) über 130. Sitzung des KKL-Vorstands am 21./22.8.1981 in Dresden, S. 7 (EZA, 101/121). 212 Die KKL nahm den Bericht des Vorstands über die Neuregelung der Beratergruppe auf ihrer Sitzung am 13./14.11.1981 „zustimmend zu Kenntnis“ und fasste einstimmig den zusätzlichen Beschluss, dass an der Erarbeitung der Vorschläge auch „die Lutherischen Kirchenämter und die Kanzleien der EKU beteiligt“ werden sollten (Protokoll [Radke] der 76. KKL-Tagung am 13./14.11.1981 in Berlin, S. 8 [EZA, 101/111]). 213 Wilkens hatte in einem Vortrag zwischen zwei Grundmustern politischer Ethik, dem „monistischen“ und dem „dualen“, unterschieden. Ein Auszug seines Referats findet sich in: KJ 1981/82 (108./109. Jg.), S. 93f. 211

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Mai in der Evangelischen Akademie in Bad Boll stattgefunden hatte. Dabei war die Gelegenheit zu Anfragen der EKD an den ÖRK gegeben gewesen, vor allem auch was die Unterschiede in der Wahrnehmung politischer Verantwortung des Christen im Kontext des Glaubens, den grundlegenden Zusammenhang von Evangelium und Politik anbelangte.214 Am 11. November trat der Vorstand der KKL wieder zusammen und erörterte zunächst die Situation, wie sie sich nach den landeskirchlichen Synodaltagungen in der DDR darstellte. Nachdem Domsch kurz von der eine knappe Woche zuvor beendeten Tagung der EKD-Synode im schwäbischen Fellbach berichtet hatte, zu der er diesmal eine staatliche Ausreisegenehmigung erhalten hatte, fassten die Anwesenden einige Beschlüsse, die im Zusammenhang mit den „Sachfragen des Friedensdienstes“ standen. Die Vorgeschichte war, dass die KKL die Theologische Studienabteilung beim Bund bereits im Januar 1981215 mit einer Untersuchung zum Thema „Grundfragen eines politischen Wirksamwerdens von christlichem Friedensdienst unter besonderer Berücksichtigung der Pazifismusproblematik“ beauftragt hatte. Die in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss „Kirche und Gesellschaft“ und der Ad-hoc-Gruppe „Erziehung zum Frieden“ des BEK-Sekretariats erarbeitete Studie war der KKL erstmals im September 1981 vorgelegt worden. Darin wurde auch dargelegt, welche Spannungen die unterschiedlichen Friedensvorstellungen von Kirche und Staat in ihr Verhältnis brachten: „Die von der DDR verfolgte Praxis militärischer Friedenssicherung (Verteidigungsaufgaben, Sicherheitsinteressen, Bündnisverpflichtungen) und die in kirchlichen Verlautbarungen und Initiativen erkennbaren Tendenzen zu alternativen Formen der Friedenssicherung (Orientierungshilfe der Konferenz zum Wehrunterricht 1978, Friedensdekade 1980, Aktion ‚Sozialer Friedensdienst‘ 1980/81216) lassen einen Staat-Kirche-Konflikt hervortreten, auf den der Staat mit der Abgrenzung kirchlicher Zuständigkeiten und mit der Erwartung deutlicherer Parteinahme für die sozialistische Friedenspolitik reagiert.“

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Protokoll (Lewek/Stolpe) über 132. Sitzung des KKL-Vorstands am 1.10.1981 in Berlin, S. 4, 2 (EZA, 101/121). 215 Protokoll (Borgmann) der 71. Tagung der KKL am 9./10. Januar 1981 in Berlin, S. 4 (EZA, 101/109). 216 Am 9.5.1981 hatte eine Dresdner Initiativgruppe sich mit dem Aufruf an die DDR-Volkskammer gerichtet, einen „Sozialen Friedensdienst“ [SoFd] einzurichten. Damit sollte die Regierung – alternativ zur bereits 1964 Wehrpflichtigen eröffneten Möglichkeit, in den sog. Baueinheiten ohne Waffen zu dienen – das Ableisten der Wehrpflicht im sozialen Bereich gestatten (Vgl. dazu u. a. E. NEUBERT, Geschichte, S. 389). – Mit der SoFd-Aktion wollten die Unterzeichner einen konkreten Beitrag leisten, „Frieden einzuüben und gleichzeitig denen in unserer Gesellschaft zugute kommen, die Hilfe am dringendsten brauchen“. Über 5.000 Unterschriften erreichten DDR-weit in Form von Eingaben die Landessynoden, und der Aufruf wurde auf allen Herbstsynoden auf die Tagesordnung gesetzt.

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Die Kirchen müssten einerseits die staatlichen Sicherheitsinteressen berücksichtigen, andererseits dürfe der innovatorische Impuls kirchlicher Friedensinitiativen nicht verpuffen, sondern in „politisch-relevante Handlungsimpulse überführt“ werden.217 Die „Sachfragen des Friedensdienstes“, so kamen die Vorstandsmitglieder überein, solle in der KKL „im Zusammenhang mit dem Leitfaden und dem Arbeitspapier zum politischen Wirksamwerden des Friedensdienstes“ verhandelt werden.218 An ihren neuen Vorsitzenden Hempel richteten sie die Bitte, Staatssekretär Gysi beim anstehenden Gespräch mit Nachdruck auf die Bedeutung der Situation in den Bereichen Volksbildung und Hochschulwesen „für die Bewährung des Gespräches vom 6. März“ hinzuweisen. Ferner solle Hempel Gysi verdeutlichen, dass Vier-Augen-Gespräche mit staatlichen Stellen „vermieden“ werden sollten. Hinsichtlich der nächsten Sitzung der Beratergruppe am 17. Dezember wurde der Vorschlag gemacht, zugunsten von Lageberichten219 auf die Verhandlung eines „Sachthemas“ zu verzichten. Die Konsultationsgruppe wolle auf ihrer Tagung am gleichen Tag mit Blick auf ihre Zukunft eine Bilanz ihrer bisherigen Tätigkeit ziehen.220

217 „Grundfragen eines politischen Wirksamwerdens von christlichem Friedensdienst unter besonderer Berücksichtigung der Pazifismusproblematik“, S. 2 (EZA, 101/2817). Diese Ausarbeitung wurde nach ihrer Veröffentlichung im November 1981 gemeinhin als „Pazifismusstudie“ bezeichnet und ist vielerorts abgedruckt worden. U. a. in: EPD DOKUMENTATION 22/82 und auszugsweise bei O. LINGNER, Friedensarbeit, S. 51–55. – Hinsichtlich der Studie hatte OKR Schloz aus der EKD-Kirchenkanzlei Ende Dezember Lingner berichtet, dass das „Maß an Zufälligkeit“, mit dem er etwa die Ausarbeitungen der ThSA erhalte, ihn nervös mache. Der Leiter der Berliner Stelle antwortete ihm am 7.1.1982, dass er selbst sich ja jahrelang „ohne jeden Erfolg“ darum bemüht habe, die kirchlichen Dienststellen in Berlin-West zu einer gemeinsamen Organisation der Informationsvermittlung zu veranlassen. Der Austausch von Informationen und Material funktioniere nur dann reibungslos, wenn ein „persönlicher Draht“ zu einer DDR-Gliedkirche bestünde, wie er ihn z. B. zur sächsischen Landeskirche habe. Allerdings seien die Papiere häufiger nicht kopierfähig, und es verursache eine enorme Mehrbelastung für die Kanzlei, „die Hilfen für die DDR in Höhe von 50 Mio. DM abzuwickeln habe“, Abschriften anzufertigen. Lingner versprach jedoch, sich darum zu bemühen, dass ihm jeweils zwei Exemplare der Arbeiten der ThSA „auf dem Kurierweg“ überbracht würden, so dass er eines nach Hannover weitergeben könne (Schreiben Schloz an Lingner vom 23.12.1981; Schreiben Lingner an Schloz vom 7.1.1982 [EZA, 4/91/690]. 218 Ein „Leitfaden zur seelsorgerlichen Beratung in Fragen des Wehrdienstes und der Wehrerziehung. Teil III, Aufgaben der Kirche“ wurde im März 1982 fertiggestellt. Abdruck in: M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 55–67. 219 Berichtet wurde über die Themen: EKD-Synode, BEK-Synode, Friedensappell, „Frieden schaffen ohne Waffen“ in Dresden, Stellungnahme der württembergischen Kirche zum ÖRK, Stand der Beratungen in den Gliedkirchen des Bundes zur VEK, Friedensdenkschrift der EKD. 220 Protokoll (Demke) über 133. Sitzung des KKL-Vorstands am 11.11.1981 in Berlin, S. 1f. (EZA, 101/121). – Die Konferenz stimmte dieser Planung zu (Protokoll [Radke] der 76. KKL-Tagung am 13./14.11.1981 in Berlin [EZA, 101/111]).

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Spannung zwischen Pluralität und Einheit innerhalb des Bundes und der EKD – Ist die Lösung der „offenen nationalen Frage“ die kirchliche Aufgabe der „besonderen Gemeinschaft“? Am 13. Dezember 1981 wurde in Polen das Kriegsrecht verhängt und zweieinhalb Wochen später unter Führung von Parteichef General Wojciech Jaruzelski ein „Militärrat zur Nationalen Errettung“ eingesetzt. Durch diese am 5. Dezember 1981 in Moskau getroffene Entscheidung konnte eine militärische Intervention umgangen werden, wie sie Honecker bei einer Unterredung mit KPdSUGeneralsekretär Breschnew bereits im November 1980 vorgeschlagen hatte. Von der besorgniserregenden Situation in Polen wurde auch das immer wieder verschobene innerdeutsche Gipfeltreffen zwischen Schmidt und Honecker mittelbar beeinflusst, das vom 11. bis zum 13. Dezember 1981 in der Schorfheide stattfand.221 Am letzten Besuchstag wurde die Verhängung des Kriegsrechts in Polen bekanntgegeben, was Schmidt allerdings nicht dazu veranlasste, seine Reise unverzüglich abzubrechen.222 Schmidt besuchte am 13. Dezember in Begleitung von Honecker den Güstrower Dom. Die internationalen und nationalen Spannungen blieben wie immer nicht ohne Auswirkungen auf die Kirchen in der DDR. Auf der außerordentlichen Sitzung des Vorstands der KKL am 8. Januar 1982 bestätigten dessen Mitglieder, dass zur konstituierenden Tagung der Bundessynode in Herrnhut Ende Januar keine Gäste eingeladen werden würden. Über Termin und Tagungsort sei sowohl die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen als auch der Rat des Bezirks Dresden zu unterrichten mit dem Hinweis, dass die Plenumssitzungen öffentlich seien und „staatliche Vertreter, wenn sie anwesend sein sollten, uns willkommen sein werden“. Hinsichtlich der Medienberichterstattung entschied 221 Der bereits für den Januar 1980 anvisierte deutsch-deutsche Gipfel war nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan das erste Mal ausgesetzt worden, wie beide Seiten am gleichen Tag mit einer öffentlichen Erklärung bekannt gaben. Am 11.8.1980 hatte Honecker Bundeskanzler Schmidt für den 28./29.8. zu einem Arbeitstreffen am Werbellinsee eingeladen. In Hinblick auf die „jüngste Entwicklung in Europa“ hatte Schmidt am 22.8. abgesagt. Damit war die innerpolitische Krise in Polen gemeint, die zur Gründung der Gewerkschaft Solidarność führte. Die Bundesregierung befürchtete vor allem eine militärische Intervention durch die Sowjetunion. – Gut dokumentiert sind Vorbereitung und Verlauf des Treffens zwischen Honecker und Schmidt sowie die Auswertung (auch durch das MfS) bei D. NAKATH /G.-R. STEPHAN, Hubertusstock, v. a. S. 43–75 (Dok. 1–6). 222 Honecker informierte Jaruzelski am 16.12.1981 telefonisch, er habe Schmidt am 13.12. darüber informiert, „daß Eure Maßnahmen die einzig reale Alternative darstellen, um großes Unglück zu vermeiden“. Der Bundeskanzler habe geäußert, es werde „höchste Zeit, daß man begonnen hat, in Polen Ordnung zu machen“. Honecker wies auf die Vertraulichkeit seiner Mitteilung hin, da „in dieser Art Schmidt natürlich nicht auftreten will“ (Abdruck als Dok. 95 bei M. KUBINA /M. WILKE [Hg.], „Hart“, S. 392f.; hier S. 392). Schmidt wurde in der Bundesrepublik hart kritisiert, nachdem er sich am 18.12.1981 in seiner Regierungserklärung vor dem Bundestag zu dieser Entwicklung in Polen nur sehr vorsichtig geäußert hatte.

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der Vorstand, wie in der Vergangenheit zu verfahren: Pressevertreter sollten nicht eingeladen, sondern nur über das Stattfinden der Synodaltagung informiert werden. Vor Beginn der Tagung werde keine Pressekonferenz abgehalten, über die Möglichkeit, dies nach Abschluss der Synodalverhandlungen zu tun, werde in Herrnhut eine Entscheidung gefällt werden.223 Allerdings war die Teilnahme von bundesdeutschen Korrespondenten vorab vom Staat untersagt worden. Die Beratergruppe trat am 3. März wieder zusammen und setzte sich unter anderem mit dem Verlauf und den Ergebnissen der Herrnhuter Tagung der Bundessynode auseinander. Erstattet wurde diesmal ein Bericht aus der rheinischen Landeskirche. Deren Synode hatte auf ihrer Tagung vom 10. bis zum 16. Januar einen Brief an die Gemeinden mit dem Titel „Die Friedenszusage Gottes und unser Streit um den Frieden“ verabschiedet und einen Beschluss zur Ablehnung der Gewissensprüfung bei Kriegsdienstverweigerungsverfahren gefasst.224 Der Leiter des Sekretariats des Bundes schickte Hammer „in aller Form“ am 25. Mai den KKL-Beschluss vom 15. März 1981 über die „Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft zwischen den evangelischen Kirchen und Christen in beiden deutschen Staaten“, also zur Neuordnung der gemeinsamen Beratergruppe, die diese Aufgabe übernehmen sollte. Er erklärte, dass die Entscheidung der Konferenz im Kontext der Beratungen von BEK, VELKDDR und EKU-Ost zur Bildung einer engeren Kirchengemeinschaft, der Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR, gefallen sei und sowohl die Kirchenleitung der VELKDDR als auch der Rat der EKU (Ostbereich) den „im Beschluß aufgewiesenen Weg“ bereits vor der KKL gebilligt hätten. Nun solle der Rat der EKD über diese Überlegungen beraten, damit unter Berücksichtigung der „Meinungsbildung“ der westlichen Brüder die Konsequenzen für Zusammensetzung und Arbeitsweise der Beratergruppe gezogen werden könnten. Wichtiger Bestandteil des Beschlusses sei die Festlegung, dass in der Beratergruppe „beauftragte Vertreter der Leitungsgremien aller drei Zusammenschlüsse“ mitarbeiteten – und zwar nicht nur aus dem Bereich der DDR, sondern ebenfalls aus der Bundesrepublik. Ein so besetztes Ost-West-Gremium könne einen erheblichen Beitrag dazu leisten, die bisher nebeneinander stehenden konfessionsbetonten kirchlichen Vereinigungen Schritt für Schritt näher zusammenzuführen. Auch wenn die Berlin-brandenburgische Synode den Prozess der VEK-Bildung in der DDR zum Erliegen gebracht habe, behalte der Beschluss seitens des Bundes seine Gültigkeit, und seine Umsetzung solle unbedingt angestrebt werden, wenn der Rat dem darin beschrie223 Protokoll (Demke) über außerordentliche Sitzung des KKL-Vorstands am 8.1.1982 in Berlin, S. 1 (EZA, 101/121). – Tatsächlich entschied sich der Vorstand auf seiner außerordentlichen Sitzung am 31.1.1982 dagegen. 224 Über diese Sitzung des Ost-West-Kreises wurde kein Protokoll gefunden.

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benen „Trend“ gleichermaßen zustimmen könne. Andernfalls sei zu befürchten, dass die im Beschluss ausgedrückte Bereitschaft eines engeren Zusammengehens zwischen dem Bund, der VELK in der DDR und der EKU nicht genutzt werde und dies negative Folgen im Sinne eines „stärkeren Auseinanderdriftens“ habe. Soweit er richtig informiert sei, hätten auch der Rat der EKU (Westbereich) und die VELKD-Kirchenleitung der Zielrichtung des Beschlusses keine Absage erteilt, so dass dessen Verwirklichung grundsätzlich nichts entgegenstünde. Durch den vorgeschlagenen Verfahrensweg wurde nochmals indirekt bekräftigt, welche Bedeutung dem seitens des Bundes zukam: „Nach unseren Vorstellungen sollten die Folgerungen für die Zusammensetzung und Arbeitsweise der Beratergruppe in Form von Beschlüssen mit Geschäftsordnungsrang durch die beiden Leitungen bestätigt werden. Diese Folgerungen, die in einer Art Geschäftsordnungsbeschluß festzuhalten wären, könnten nach Billigung der Grundtendenz durch den Rat der EKiD, durch die Kirchenkanzlei und das Sekretariat im Benehmen mit den Dienststellen der anderen Zusammenschlüsse verbreitet werden.“ Möglichst solle dabei auch mitgeklärt werden, wie zukünftig „spezifische Konsultationen“ durchgeführt werden könten.225

Der Leiter des BEK-Sekretariats bat Hammer, sich vor einer Verhandlung dieses Themenkomplexes im Rat noch einmal mit ihm zu verständigen. Sollte dies nicht bei Gelegenheit der nächsten Sitzung der Konsultationsgruppe zu bewerkstelligen sein, werde er Hammer gerne für eine „Stippvisite“ aufsuchen. Natürlich muss im Auge behalten werden, dass der Bund das Anliegen „Neuordnung der Beratergruppe“ nicht in erster Linie mit Blick auf die „besondere Gemeinschaft“ so vehement vertrat, sondern daran dachte, beim möglichen Scheitern des Projekts einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR zumindest die Restbestände zu retten, die wenigstens auf eine „Kirchwerdung“ in ferner Zukunft hoffen lassen könnten. Der Vizepräsident der EKD-Kirchenkanzlei in Hannover unterrichtete am 19. Mai alle dort Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darüber, dass er von der bayerischen Landeskirche aufgefordert sei, eine Gedankensammlung über das Verhältnis der EKD zu ihren Gliedkirchen vorzulegen. Seinen Vortrag, in dem Löwe am 17. Mai auch auf die Beziehungen zwischen EKD und Bund eingegangen war, legte er dem Schreiben bei.226 Dieser auf den ersten Blick in keiner Weise aufsehenerregende Vorgang sollte ungeahnte Dimensionen annehmen. 225 Schreiben Demke an Hammer vom 25.5.1982, mit Vermerk „Dienstweg!“, S. 1f. (EZA, 101/363). 226 Schreiben Löwe vom 19.5.1982 (EZA, 4/91/373). – Unter dem Titel „Zwischen Gemeinschaftsaufgaben und Teilinteressen. Die Evangelische Kirche in Deutschland und ihre Gliedkirchen“ wurde das Referat in Nr. 11 (37. Jg.) der NACHRICHTEN DER EV.-LUTH. K IRCHE IN BAYERN, 1. Juniausgabe 1982, S. 205ff., veröffentlicht.

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Lingner wandte sich am 27. Mai mit dem Betreff „Gemeinsame Sitzung der Dienststellen“ an den Präsidenten der EKU-Kirchenkanzlei (West) und den Leiter der Berliner Stelle des Lutherischen Kirchenamtes der VELKD. Bei der Lektüre des in der Anlage befindlichen Referats Löwes habe er festgestellt, welche Schwierigkeiten die Vertreter der westlichen Kirchen hätten, die „‚besondere Gemeinschaft‘ überzeugend zu begründen“. Als gleichermaßen bemerkenswert wie problematisch bezeichnete es Lingner, dass der Vizepräsident der Kirchenkanzlei der EKD die „offene nationale Frage als kirchliche Aufgabe der besonderen Gemeinschaft“ hervorgehoben habe.227 Löwe hatte in der Tat darauf hingewiesen, dass nach 1945 die gemeinsamen Synodaltagungen immer auch ein Forum für die offene nationale Frage gewesen seien. Zwar habe es den Anschein erweckt, als ob sich diese „zentrale“ kirchliche Funktion mit der organisatorischen Trennung der EKD erübrigt habe, doch sei deutlich geworden, dass „die Aufgabe fortdauert und in der veränderten politischen und kirchlichen Konstellation nach wie vor wahrgenommen werden muß und kann“. Die gegenseitigen Besuche, den Erfahrungsaustausch und sogar die materielle Hilfe hatte Löwe in diesem Kontext genannt. Ferner hatte er von durch das „erzwungene politische Ausscheiden der DDR-Gliedkirchen“ entstandenen „erheblichen Identitätsproblemen“ der EKD gesprochen und konstatiert: „Hier wird wieder die Wichtigkeit der auf den ersten Blick nicht einmal theologisch zu nennenden Faktoren evident.“228 Am 7. Juni richtete sich Lingner mit seinen Bedenken direkt an den Vizepräsidenten und nannte dessen Ausarbeitung vorsichtig „ergänzungsbedürftig“. Er erläuterte, dass Löwes starke Akzentuierung der die „besondere Gemeinschaft“ zwischen Bund und EKD rechtfertigenden politischen (Beweg-)Gründe nicht zuletzt dann zu Problemen für den BEK und zu Erschwernissen in den Beziehungen beider Kirchen führen könne, wenn etwa der DDR-Staatssekretär für Kirchenfragen den Vortrag auf seinem Schreibtisch vorfände. Lingner informierte Löwe, dass er mittlerweile einen Vermerk über den Sachverhalt angefertigt und einige Unterredungen geführt habe. Seine Befürchtungen, dass sich durch Löwes Referat Schwierigkeiten ergeben „könnten (nicht müssen)“, seien von anderen Personen bestätigt worden.229 Am gleichen Tag wandte sich Lingner an den Leiter des BEK-Sekretariats und den Leiter der ThSA beim Bund und fügte den erwähnten Vermerk hinzu.230 In dem Vermerk, den Demke auch Lewek und Zeddies zur Kenntnis gab, hatte Lingner zunächst diese brisanten Passagen aus Löwes Ausarbeitung wiedergege227

Schreiben Lingner an Kraske/Schmale vom 27.5.1982 (EZA, 4/91/373). H. LÖWE, „Gemeinschaftsaufgaben“ (S. 207). 229 Schreiben Lingner an Löwe vom 7.6.1982 (EZA, 2/01/1428). 230 Schreiben Lingner an Demke/Planer-Friedrich vom 7.6.1982 mit hsl. Kommentar Zeddies vom 21.6.1982 (EZA, 688/149). 228

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ben, um die bereits Kraske und Schmale dargelegte Beobachtung anzuschließen, dass es offenbar für die Kirchenvertreter aus dem EKD-Bereich nicht einfach sei, „schlüssige“ theologische Argumente für das Festhalten an der „besonderen Gemeinschaft“ anzuführen. Der Kirchenbund in der DDR hingegen habe dem Staat wiederholt historische und theologische Motive für die Notwendigkeit präsentiert, die Beziehungen zur EKD aufrechtzuerhalten, in diesem Zusammenhang jedoch verständlicherweise sorgfältig vermieden, die konfliktträchtigen Themen „nationale Einheit“ und „offene nationale Frage“ ins Gespräch zu bringen. Lingner regte an, diese Passagen aus Löwes Vortrag bei einem Treffen der Beratergruppe zu erörtern. Die Überlegungen, die der Vizepräsident über das „verbindliche Sprechen“ der EKD in der Bundesrepublik angestellt hatte, seien nach Lingners Ansicht für den BEK ebenso von Interesse. Jedwede „Verbindlichkeit“ im Reden der Kirche setze „auch in den Bereichen von Sozialethik und Gesellschaftspolitik einen ‚immer neu zu suchenden Grundkonsens‘ voraus, der auf einer ‚Übereinstimmung im Verständnis und der Praxis des Glaubens‘“ beruhe. Dabei verdeutliche Löwe nicht ausreichend, dass ein solcher Grundkonsens gleichermaßen die Grenzen der „möglichen verbindlichen Sprache“ der EKD anzeige. Lingner folgerte, dass sich sowohl an den Denkschriften der EKD als auch an den aktuellen Debatten um die Friedensthematik klar erweise, wie scharf die Spannung zwischen „Pluralität und Einheit“ innerhalb der EKD sei. Die EKD könne vor allem im Blick auf die Friedenfrage nicht, wie Löwe fordere, zwischen den unterschiedlichen Fraktionen und ihren divergierenden Positionen schlichten und mit einer für alle „verbindlichen“ Aussage aufwarten, sondern nur die innerhalb der EKD vertretenen Meinungen wiedergeben: „Das ist wenig, zu wenig, um das vorhandene Bedürfnis von evangelischen Christen und vielleicht auch der Öffentlichkeit nach einem eindeutigen Zeugnis der evangelischen Kirche zu befriedigen. […] Der notwendige Grundkonsens innerhalb der EKD bedarf einer ständigen Überprüfung, Bewahrung und Vertiefung. Überprüft werden muß er, um Gewißheit zu gewinnen, wo die Grenzen des Konsenses liegen. Wo der Grundkonsens aufhört, gibt es keine Gemeinsamkeit im Handeln, kein ‚verbindliches‘ Reden. Der Grundkonsens bedarf auch einer Bewahrung. Er ist überaus störanfällig. Schließlich bleibt die Aufgabe, wenn möglich den Konsens zu erweitern und zu vertiefen. Dies gebietet die Verpflichtung aller Kirchen, sich für die Einheit der Kirche Christi einzusetzen. Prüfen, bewahren, vertiefen – mit diesen Merkmalen wird der EKD eine Aufgabe zugewiesen, der sie sich nicht entziehen kann. Für ihr konkretes Handeln und Reden reicht es eben nicht, davon auszugehen, daß ein gemeinsames Fundament vorhanden sei.“

Mit Löwes Referat habe sich die „theologische Spitze der EKD“ zu Wort gemeldet. Die darin formulierten Überlegungen – so betonte Lingner mit Nachdruck – müssten unbedingt aufgegriffen und weitergedacht werden, denn Löwes

Neue Gestaltungsmöglichkeiten (1978–1983)?

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Ausarbeitung müsse eine wichtige Debatte erst eröffnen, nicht aber als „abschließendes“ Resultat stehen bleiben.231 Zeddies notierte auf Lingners Anschreiben, dass offenbar die „Erfahrungen aus der Spannung von Partikularität – Universalität“ über den Einzelfall hinaus Geltung hätten und von den Kirchen in der DDR „lebhaft-leidvoll“ ergänzt werden könnten und bedauerte zugleich, dass Lingners Bemerkungen eher deskriptiv als analytisch seien. Die Einschätzung des Vizepräsidenten der EKD-Kirchenkanzlei zur „besonderen Gemeinschaft“ könne Zeddies sich nicht zu eigen machen, allerdings nicht ausschließlich und nicht primär wegen potentieller politischer Konsequenzen. Vielmehr handele es sich um einen „‚klassischen‘ (?) Beitrag“ zu einem Thema, das dringend einer Behandlung bedürfe. Löwe selbst reagierte am 29. Juni auf Lingners Schreiben und räumte Verständnis für Lingners im Blick auf die „besondere Gemeinschaft“ geäußerte Bedenken ein, die ihm verdeutlicht hätten, dass er sich hätte „vorsichtiger und differenzierter ausdrücken können“. Allerdings gehe er nicht davon aus, dass seine Ausarbeitung „bei wohlmeinender Interpretation“ irgendwelche Komplikationen nach sich ziehen könnte: „Was als ‚offene nationale Frage‘ im Blick auf die Jahre unmittelbar nach 1945 formuliert worden ist, ist, historisch gesehen, doch sicher richtig. Und die Begründung der fortdauernden besonderen Beziehungen zwischen den DDR-Kirchen und den Gliedkirchen der EKD in unserer gemeinsamen Glaubens- und Kirchengeschichte gehört doch zu einem wesentlichen Teil in das Fortwirken unserer Nationalkultur, zu der das lutherische Erbe zentral gehört. Spezifisch kirchliche, allgemein kulturelle und auch politische Argumente sind im Blick auf die Gemeinschaft der Kirchen in Ost und West kaum reinlich voneinander zu scheiden. Aber weil das so ist, da gebe ich Ihnen recht, sollte in einem reflektierenden Bewußtsein diese Schwierigkeit vorsichtiger formuliert werden.“232

Auf der Sitzung der Beratergruppe am 7. Juli wurde in Ost-Berlin der Schwerpunkt „Tradition und Erbe“ behandelt. Dabei nahmen die Vertreter aus Bund und EKD insbesondere verbindende und trennende Aspekte in der gemeinsamen Geschichte genauer in den Blick. Eine Ausarbeitung hatte Schultze, Mitglied des Magdeburger Konsistoriums, vorgelegt und darin das Geschichtsbewusstsein der Ostdeutschen als „defizitär“ bezeichnet. Ebenso wie Deutschland als Ganzes „emotional nicht mehr erfahrbar“ sei, beschränke sich für die DDR-Bürger die „Begegnung mit den Denkmalen der Vergangenheit auf die in der DDR 231

Vermerk Lingner o. D., S. 1f. (EZA, 688/149). Schreiben Löwe an Lingner vom 29.6.1982. In der Anlage die publizierte Fassung seines Vortragsmanuskripts aus den Nachrichten der bayerischen Landeskirche, die – abgesehen von den in das gedruckte Referat eingefügten Zwischentiteln – mit dem Manuskript übereinstimmt (EZA, 4/91/373). 232

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Die Beratergruppe und der Ost-West-Dialog

zugänglichen Monumente“. Auch seien die Kenntnisse, die die jüngere und die mittlere Generation über die deutsche Geschichte hätten, „gering“. Ausgehend von dieser Einschätzung sah Schultze in den grenzübergreifenden Beziehungen zwischen den Kirchen in den beiden deutschen Staaten die Chance, im Rahmen intensiver Gesprächskontakte den begrenzten Erfahrungshorizont „wieder“ zu erweitern und die „Defizite des reduktiven Geschichtsbewußtseins in der DDR“ zu kompensieren.233 In einem zweiten Beitrag wurde das gleiche Thema vermutlich aus westlicher Perspektive behandelt. Die Geschichte habe innerhalb der DDR und der Bundesrepublik einen ganz anderen Stellenwert. Während im Westen ein kanonisiertes Geschichtsbild nicht existent sei und das Bewusstsein für historische Abläufe allseits als mangelhaft kritisiert werde, habe das von der SED vorgegebene, der Legitimation ihrer Macht dienende Geschichtsbild in der DDR „entsprechend der Lehre des Marxismus-Leninismus einen zentralen Platz in der Ideologie und Wissenschaft“. Demnach gebe es kein trennendes Moment in der gemeinsamen deutschen Geschichte. Dieses liege vielmehr in den divergierenden Geschichtsbildern, deren Ausprägung im Osten wie im Westen von der jeweiligen staatlichen Entwicklung seit Ende des Zweiten Weltkriegs beeinflusst sei.234

233 H. Schultze, 7.7.1982: „Tradition und Erbe. Verbindendes und Trennendes im Umgang mit der gemeinsamen Geschichte“, S. 1, 4 (EZA, 8/91/1246). 234 Auch der zweite, undatierte und ungezeichnete Entwurf (S. 1f.) stammt aus: EZA, 8/91/1246. Ein Protokoll über dieses Treffen wurde nicht gefunden.

4. Kapitel: Thesen zur „besonderen Gemeinschaft“, Irritationen und Divergenzen (1983–1989)

Am 23. September trafen die östlichen und westlichen Mitglieder der Beratergruppe wieder zu einer Sitzung zusammen und setzten sich unter anderem mit einem Bericht aus dem EKD-Bereich über die Reaktionen auf die Arbeitsbilanz der Konsultation zu Friedenfragen1 und der Einschätzung der „Erklärung des Moderamens des Reformierten Bundes“ zur kirchlichen Friedensverantwortung vom 12. Juni auseinander.2 Mit dieser Stellungnahme unter dem Titel „Das Bekenntnis zu Jesus Christus und die Friedensverantwortung der Kirche“ reagierte das Moderamen auf die EKD-Denkschrift „Frieden wahren, fördern und erneuern“ vom Oktober des vorangegangenen Jahres, definierte seinerseits die Friedensfrage als Bekenntnisfrage, betonte also, dass angesichts der Friedensfrage der „status confessionis“ gegeben sei. Ausgehend vom Verständnis des Friedens als Geschenk Gottes in Jesus Christus wurde anhand von sieben Thesen3 unmissverständlich erläutert, warum die Friedensfrage keine rein politische Ermessensfrage sei, also auch nicht unabhängig von der Friedensbotschaft des Evangeliums entschieden werden könne. Gefordert wurden die bedingungslose Absage an atomare Waffensysteme und zur Durchsetzung der Abrüstung erste politische Schritte: „– die grundsätzliche Verpflichtung, Konflikte ohne Anwendung oder Androhung von Gewalt lösen zu wollen, – der Verzicht auf immer neue Waffen, – der sofortige Einhalt der Entwicklung und Stationierung neuartiger Massenvernichtungsmittel, – die Verpflichtung, die vorhandenen Massenvernichtungsmittel in einem Krieg nicht anzuwenden und erst recht nicht als erster einzusetzen, – die Einrichtung kernwaffenfreier Zonen, – kalkulierte, einseitige Abrüstungsmaßnahmen, – das Verbot und die Verhinderung der Rüstungsexporte“. 1 Der Arbeitsbericht der Konsultationsgruppe vom 19.8.1982 ist u. a. abgedruckt bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 87–91, und wurde später auch in die gemeinsame Publikation der „gemeinsamen Worte“ beider Kirchen aufgenommen. Vgl. zur Entstehung und Rezeption des Berichts Teil II, 5. Kapitel. 2 Von dieser Sitzung konnte ebenfalls kein Vermerk aufgefunden werden. Der Hinweis auf die verhandelten Themen ist der Akte 8/91/1246 in den EZA-Beständen [Kirchenkanzlei der EKU (West)] entnommen. 3 Auffällig ist hier die Analogie zu den elf [Heidelberger] Thesen von 1959, denen gegenüber mit der Erklärung des reformierten Moderamens in jedem Punkt radikalere Positionen vertreten wurden.

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Die Beratergruppe und der Ost-West-Dialog

In einem scharfen Gegensatz zu den in der Denkschrift der EKD lediglich aufgezählten Möglichkeiten für Christen, ihren Friedenswillen zu bezeugen, stand in diesem Kontext die in der V. These formulierte Aussage, dass das „Bekenntnis unseres Glaubens […] unvereinbar [sei] mit der Auffassung, die Lösung des Problems der notwendigen und angemessenen Machtmittel des Staates sei allein dem politischen Ermessen und der ‚praktischen Vernunft‘ vorbehalten, und es könne für Christen dabei keine eindeutige Entscheidung geben, die sich von ihrem Glauben her hinreichend begründen ließe“. Abschließend bekräftigte das Moderamen des Reformierten Bundes in seiner Erklärung: „Dieses Bekenntnis unseres Glaubens ist unvereinbar mit allem aufgeregtem, ziellosen Aktivismus, allem blasphemischen Spekulieren über die ‚Schrecken der Endzeit‘, allem Desinteresse an den Fragen der Friedenserhaltung und aller politischen Gleichgültigkeit hinsichtlich der Entwicklung der Welt.“4 Diese Erklärung beantworteten sowohl die Kirchenleitung der VELKD als auch der Rat der EKD mit einem „Kommuniqué“. Die lutherische Kirchenleitung gab bekannt, zur eingehenden Prüfung der „theologischen, kirchenpolitischen und politischen“ Darlegungen der „Erklärung“ eine Kommission eingesetzt zu haben. Die Kirchenleitung stimme dem Moderamen insofern zu, als der Frieden in der Welt Grundvoraussetzung menschlichen Lebens sei und Christen den Auftrag hätten, sich für ein Ende des Wettrüstens und die politische Verwirklichung des Friedens mit aller Kraft einzusetzen. Nicht zustimmen könne sie der Aussage, dass es nur einen denkbaren politischen Weg zur Friedenssicherung gebe, denn unterschiedliche Erfahrungen und Einsichten könnten auch zu verschiedenen Entscheidungen führen. Widersprochen wurde in aller Deutlichkeit dem Aufruf, „politische Entscheidungen – selbst solche auf Leben und Tod – zu Bekenntnisfragen der Kirche zu erklären“.5 Die Reaktion des Rates der EKD fiel Mitte September ähnlich aus. Aus dem gottgegebenen Frieden folge eine kirchliche und christliche Verantwortung für den Weltfrieden. Christliche Ethik könne immer nur auf den Frieden, nicht auf den Krieg gerichtet sein, und die EKDDenkschrift habe davon ausgehend die Notwendigkeit bekräftigt, den Krieg sei „als politisches Mittel“ zu überwinden. Doch sowohl die Option, Frieden durch atomare Rüstung sichern zu wollen als auch die Möglichkeit, auf Rüstung völlig zu verzichten, sei mit „hohen Risiken“ verbunden, die schwerlich gegeneinander abzuwägen seien. Eine „überzeugende“ Strategie zur Minderung oder Überwindung des Hoch- und Wettrüstens könne jedoch derzeit niemand bieten. Aus 4 Die Erklärung des Moderamens ist teilweise abgedruckt in: KJ 1981/82 (108./109. Jg.), S. 103ff.; hier S. 103f. Vgl. zur Erklärung und den Auseinandersetzungen darüber R. WISCHNATH (Hg.), Frieden als Bekenntnisfrage. 5 Kommuniqué der Kirchenleitung der VELKD vom 10.9.1982. Abdruck eines Auszugs in: KJ 1981/82 (108./109. Jg.), S. 105f.; hier S. 106.

Thesen zur „besonderen Gemeinschaft“ (1983–1989)

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diesem Grund könne der Rat der EKD der „Behauptung, bei der Frage nach den Wegen gehe es um das Bekenntnis oder die Verleugnung des Evangeliums, also um den status confessionis“, ebenfalls nur widersprechen. Nicht minder scharf hieß es im Ratskommuniqué: „Das Bekenntnis zu Jesus Christus wird mißbraucht, wenn es zur Entscheidung über offene politische Wege verwendet wird. Verantwortlich denkende und handelnde Christen werden in Gewissensnot gebracht. Fragen des innerweltlichen Überlebens, so wichtig sie sind, dürfen nicht mit Fragen des Glaubens verwechselt und zu Bekenntnisfragen gemacht werden.“ Der Rat schloss die kritische Anmerkung an, dass es im Zeichen der „Festigung und Wahrung der Einheit im Glauben“ unbedingt geboten gewesen sei, ihn vorab über den Plan des Moderamens zu informieren, die Frage der atomaren Abschreckung in dieser Weise zur Bekenntnisfrage zu erheben.6 Auf der 5. Tagung der 6. Synode der EKD in Berlin-Spandau, an der zwei Vertreter des Kirchenbundes gastweise teilgenommen hatten7, brachte der WestBerliner Superintendent Werner Radatz am 7. November einen Antrag auf Änderung der EKD-Grundordnung ein. Von einer breiten Zustimmung ausgehend fügte er dem Antrag keine zusätzliche Begründung an, bat aber darum, vor einer Beschlussfassung den Wortlaut dem Kirchenbund in der DDR vorzulegen. Mit 6 Kommuniqué des Rates der EKD vom 16./17.9.1982. Auszugsweiser Abdruck in: KJ 1981/82 (108./109. Jg.), S. 106f.; hier S. 106f. – Im Januar 1983 nahm der Moderator des Reformierten Bundes Stellung „zu den Vorwürfen und Befürchtungen aus den Leitungsgremien der EKD und der VELKD“ und verdeutlichte, dass die „kirchenrechtliche Konsequenz der Feststellung des status confessionis“ durch ein falsches Verständnis des Begriffs, der im 16. Jahrhundert „maßgebend gewesen sei, „hochgespielt“ werde und damit auch auf eine „Infragestellung bzw. Bedrohung der Einheit der Kirche hingewiesen“ werde (Abdruck der Stellungnahme in: KJ (110. Jg.), 2. Lieferung, S. 287f.; hier S. 287. Hervorhebung im Original). Ende Januar 1983 kam es in der Evangelischen Akademie in Mülheim/Ruhr dann zu einem Gespräch von Vertretern des Rates der EKD und der Leitungsgremien von VELKD, EKU und Arnoldshainer Konferenz mit einer Abordnung des reformierten Moderamens, in dem es um diese unterschiedlichen Positionen zur kirchlichen Friedensverantwortung ging. Einigkeit bestand lediglich darüber, dass die politische Verantwortung von Christen für den Frieden als „Antwort des Glaubens an den Frieden zu verstehen ist, den Gott in Jesus Christus gegeben und verheißen hat und zu dem sich die Christen bekennen“ und dass der Krieg von der Kirche als Mittel der Politik abzulehnen sei. Jedoch sei das Verständnis für die jeweils andere Haltung gewachsen (Eine Presseerklärung über die Unterredung am 30./31.1.1983 ist abgedruckt in der 2. Lieferung des KJ 1983 [110. Jg.], S. 257f.; hier S. 257). 7 Auf der Sitzung des Präsidiums der Bundessynode am 20.11.1982 gab der Ost-Berliner Pfarrer Joachim Rieffel seine Eindrücke von der Tagung wieder und beklagte, erst am Tagungsort von Christina Schultheiß, der Präsidentin der thüringischen Landessynode, erfahren zu haben, „daß er nicht öffentlich reden dürfe. Das Präsidium bittet darum, daß künftig in solchen Fällen eine offizielle Mitteilung dem Betroffenen rechtzeitig zugeht, so daß darüber gesprochen und gegebenenfalls ein Kompromiß herbeigeführt werden kann“. Vermerkt wurde noch, dass Schultheiß in ihrer Funktion als Mitglied des KKL-Vorstands Gast der EKD-Synode gewesen sei, so dass das Präsidium der Bundessynode einen Vertreter zur nächsten Synodaltagung der EKD entsenden könne (Niederschrift [Radke] vom 21.12.1982, S. 2 [EZA, 101/40]).

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der Überweisung an den Ständigen Rechtsausschuss der Synode wurde die Bitte ausgesprochen, der Ausschuss möge sich um die Aufnahme eines Textes in die Grundordnung bemühen, der die Beziehungen zwischen Bund und EKD „zumindest sinngemäß“ in folgender Weise charakterisiere: „Die Evangelische Kirche in Deutschland bekennt sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. In der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft nimmt die EKD Aufgaben, die alle evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik gemeinsam betreffen, in partnerschaftlicher Freiheit durch ihre Organe wahr.“8

Damit hatte Radatz eine engere Anlehnung an den Wortlaut von Art. 4 (4) der Ordnung des Bundes angestrebt. Tatsächlich sprach der Rechtsausschuss die Empfehlung an die Synode aus, den Rat der EKD für die nächste Synodaltagung um die Vorlage eines Kirchengesetzes zur Grundordnungsänderung zu bitten, in dem die „besondere Gemeinschaft“ entsprechend verankert sei. Die Synodalen gaben diesem Beschlussvorschlag9 bei fünf Enthaltungen ihre Zustimmung.10 Noch von der laufenden Tagung der EKD-Synode aus sandte Heidingsfeld den Antrag von Radatz an den Leiter der Berliner Stelle mit der Anregung, ihn unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ bei der Sitzung der Beratergruppe Anfang Dezember zu erörtern. Merkwürdigerweise trägt Heidingsfelds Brief mit Radatz‘ Antrag in der Anlage den Eingangsstempel „8.12.82“, erreichte also offenbar erst fast einen Monat später die Berliner Stelle der EKD-Kirchenkanzlei, und Lingner gab beides ohne zusätzliches Anschreiben an das BEK-Sekretariat weiter, wo Schreiben und Antrag wiederum am „6.1.83“ eintrafen. Auch der 8 Antrag Radatz vom 7.11.1982 (EZA, 101/3132). – Im Zuge der Reformbestrebungen der EKD war eine veränderte Grundordnung (7.11.1974) erarbeitet worden, die jedoch wegen des Scheiterns des Zustimmungsprozesses nicht in Kraft treten konnte, so dass nach wie vor die EKD-GO von 1948 Gültigkeit hatte. In den achtziger Jahren war sodann ein zweiter Anlauf genommen worden, die Reformanliegen umzusetzen. Radatz hoffte, im Zuge dieser zweiten Grundordnungsänderung eine Formulierung durchsetzen zu können, die dem besonderen Verhältnis zum Bund in adäquaterer Weise gerecht werde. In der EKD-GO von 1948 wurde noch von der „bestehenden Gemeinschaft“ (Art. 1 [2]) gesprochen, in der Fassung von 1974 hieß es in Art. 3 (3) lediglich: „Die Evangelische Kirche in Deutschland bejaht ihre Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland.“ – Vgl. zu der Arbeit an der EKD-Grundordnung sowie dem Fortgang der Verhandlungen die ausführliche Darstellung bei P. BEIER, „Kirchwerdung“. 9 Beschluss der Synode der EKD „zur besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“ vom 11.11.1982: „Der Rat wird gebeten, der Synode zu ihrer nächsten Tagung ein Kirchengesetz zur Änderung der Grundordnung vorzulegen, in dem die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland zum Ausdruck kommt“ (EZA, 101/3128). 10 Am 11.11.1982 brachten 22 Synodale einen Initiativantrag ein, mit dem ebenfalls eine Änderung der EKD-GO gefordert wurde. Hier ging es um die Anpassung der in der EKD-GO von 1948 formulierten „Grundbestimmungen“ an die veränderte Lage, die sich nach der Zustimmung aller Gliedkirchen der EKD zur Leuenberger Konkordie ergeben hatte. Vgl. auch hierzu P. BEIER, „Kirchwerdung“.

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Bund bemühte sich nicht erkennbar um den Antrag von Radatz, der doch zweifelsfrei beide Kirchen betraf und ein zentrales Thema für die Beratergruppe hätte sein müssen, die ursprünglich zur praktischen Umsetzung von 4 (4) gebildet worden war. Für die Wiedervorlage waren die Termine 28.1., 1.3. und 13.5.1983 notiert, was nachvollziehbar macht, warum die Angelegenheit nicht zügig von den Vertretern der EKD und des Bundes gemeinsam beraten werden konnte.11 So war zwar der grobe Verlauf der EKD-Synode ebenso Gegenstand der gemeinsamen Sitzung der Beratergruppe am 2. Dezember wie die Themen „kommunistische Erziehung und kirchliche Verkündigung“ sowie die Friedensfrage in kirchlichen Stellungnahmen und in gemeindlichen Veranstaltungen, doch einen Schwerpunkt des Gesprächs bildete der Bericht, den der Bevollmächtigte des Rates der EKD über den Regierungswechsel in Bonn und mögliche Konsequenzen erstattete. Erstmalig war am 1. Oktober ein Misstrauensvotum gegen einen deutschen Bundeskanzler erfolgreich gewesen, und mit dem Ausscheiden Schmidts aus seinem Amt fand die sozial-liberale Koalition ein Ende, die seit der Gründung des Kirchenbundes in der DDR 1969 die Regierung gestellt hatte. Binder schätzte ein, dass die Auswirkungen, die sich mit der neuen CDURegierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl für die kirchliche Tätigkeit ergeben könnten, „nicht sehr groß sein dürften“. Wie die Vertreter des Bundes mitteilten, sei der Machtwechsel innerhalb der DDR „mit Irritation und auch ein wenig Angst begleitet“ worden, zumal bei den ersten politischen Äußerungen der Kohl-Regierung eine „neue Begrifflichkeit“ aufgefallen sei, die als Zeichen einer „härteren Gangart“ gewertet werden könnte. Nicht wenige Menschen in der DDR blickten allerdings auch mit hoffnungsvoller Erwartung auf die neue Regierung. Besonders interessant war die Feststellung der östlichen Brüder, dass das „Bild der Bundesrepublik“ eher „diffus“ auf die DDR-Bürger wirke und „kein beeindruckendes Beispiel für eine funktionierende Demokratie“ biete. Die Tendenz, in der Bundesrepublik eine „erwünschten Alternative zur gesellschaftspolitischen Wirklichkeit der DDR“ zu sehen, sei zunehmend im Schwinden begriffen. Konstatiert wurde, dass vor allem auch für die Kirchen von entscheidender Bedeutung die Kontinuität einer „politischen Linie“ sei, die eine Art „special relationship“ zwischen beiden deutschen Staaten akzeptiere.12 Der Konvent der Bischöfe in der DDR befasste sich am 6. Dezember auch mit der Konsultations- und der Beratergruppe, die in ihrer wechselseitigen Zusammensetzung als „nicht ganz sinnvoll“ empfunden würden. Die Bischöfe waren 11 Schreiben Heidingsfeld an Lingner vom 9.11.1982 (EZA, 101/3132). Vgl. unten Sitzung des KKLVorstands am 16.3.1983. 12 Vermerk Lingner o. D. über die Sitzung der Beratergruppe am 2.12.1982 in Ost-Berlin, S. 4 (EZA, 8/91/1246).

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sich einig, dass die Beratergruppe aus „kompetenten Persönlichkeiten“ zusammengesetzt sein müsse. Während sie bei ihrer Gründung mit KKL-Vorstandsmitgliedern und leitenden Geistlichen besetzt gewesen sei, seien nun „gelegentlich“ auch die leitenden Juristen der Kirchenbehörden hinzugekommen, was schlicht die negative Folge habe, dass die Gruppe zu groß sei. In diesem Kontext war wiederum die Feststellung überraschend, dass neben der Auseinandersetzung mit den Fragen des Friedens [eigentlich die Aufgabe der Konsultationsgruppe; A. S.] „auch andere kirchliche Themen“ verhandelt werden müssten. Angeregt wurde die Installation einer, beidseitig mit jeweils etwa sechs Personen besetzten „kleinen Vorbereitungsgruppe“. Vom anhaltischen Kirchenpräsident Natho kam der Hinweis, dass die Möglichkeit bestünde, die Konsultationsgruppe „als ad-hocGruppe“ zurückzuziehen, doch befanden die Mitglieder des Bischofskonvents, dass mit den Konsultationen nicht nur das Zusammenwirken von Bund und EKD in der Friedensfrage eine wichtige Förderung erfahren habe, sondern es in einem solchen kleinen Kreis auch zu einer stärkeren Vertrauensbildung komme. Da die Arbeit der Konsultationsgruppe in ihrer derzeitigen Zusammensetzung auf Ende des Jahres limitiert sei, müsse gründlich über eine adäquate Neubesetzung nachgedacht werden. Seitens der EKD sei das nachhaltige Interesse an einer Weiterführung der Konsultationen zum Ausdruck gebracht worden. Hinsichtlich der Beratergruppe, die an sich lediglich ein bilaterales Forum für den Austausch von Informationen sei, waren sich die Anwesenden einig, dass in ihr nur noch Mitglieder des Vorstands der KKL und leitende Geistliche vertreten sein sollten und auf die „Einhaltung dieser Verabredung“ geachtet werden müsse. Demnach sollten die Einladungen zu den Treffen der Beratergruppe einer Prüfung unterzogen werden, um die Gesprächsteilnahme eines festen Kreises zu gewährleisten und Sorge zu tragen, dass die „Zusammensetzung nicht all zu zufällig“ sei.13 Am 16. März 1983 unterrichtete Demke die Mitglieder des Vorstands der KKL über die Existenz eines „Initiativ-Antrags“ in der EKD14, mit dem eine Änderung der EKD-Grundordnung gefordert werde, die die „besondere Gemeinschaft“ berühre. Angesichts des „Gewichts der Materie“ hielt der KKLVorstand es für unerlässlich, dass seitens der EKD eine frühzeitige Abstimmung mit dem Kirchenbund in der DDR erfolgen müsse. Die Anwesenden waren sich nicht nur einig darüber, dass es nicht wünschenswert sei, wenn das Festhalten an der „besonderen Gemeinschaft“ beider Kirchen auch in der Grundordnung 13

Protokoll (Forck) o. D., S. 4f. (EZA, 101/3099). Vermutlich waren hier der von Radatz auf der EKD-Synode im November des Vorjahres eingebrachte, „verschleppte“ Antrag und der von den Synodalen am 11.11.1982 verabschiedete Beschluss „zur besonderen Gemeinschaft“ gemeint. 14

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der EKD in einem gesonderten Absatz hervorgehoben werde, sondern äußerten sogar ihre „erheblichen Bedenken“.15 Die Mitglieder der Kirchenkonferenz der EKD setzten sich am folgenden Tag ebenfalls mit dem Antrag auseinander. Der zur Behandlung dieser Thematik vom Rat eingesetzte Ad-hoc-Ausschuss hatte bereits eine Formulierung vorgeschlagen, deren Vergleich mit dem entsprechenden Wortlaut in Bundesordnungsartikel 4 (4) unbedingt vorzunehmen sei. Die Anwesenden sahen folgendes Problem: „Wenn statt ‚bekennt‘ (GO 74) ‚„bejaht“ ihre Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft…‘ steht, könnte dies als Distanzierung verstanden werden. Ebenso sei auf die Formulierung ‚der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland‘ besonderes Augenmerk zu richten. Im Artikel 1 Abs. 2 der geltenden GO ist lediglich von der Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit die Rede.“16

So wurde auf der Sitzung der Kirchenkonferenz der Beschluss gefasst, die festgestellten „Bedenken“ und daraus resultierenden Anregungen an den Rat der EKD weiterzugeben, der bei der Tagung der Synode der EKD Ende Oktober/ Anfang November in Worms eine entsprechende Gesetzesvorlage einbringen werde.17 Der Rat der EKD trat am 18. und 19. März zusammen und erörterte den „Entwurf eines Kirchengesetzes zur Änderung der GO der EKD gemäß ‚Beschluß der Synode zur besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland‘“, das die rechtliche Grundlage für eine Änderung der Grundordnung im Sinne der stärkeren Betonung der „besonderen Gemeinschaft“ schaffen sollte.18 Am 4. April richtete sich Demke in dieser Angelegenheit direkt an den Präsidenten der EKD-Kirchenkanzlei, um ihn von den Ergebnissen der Vorstandssitzung am 16. März in Kenntnis zu setzen. Er erwähnte, dass der Initiativantrag den Vertretern des Bundes „durch das Material, das für den Rat der EKD 15 Protokoll (Lewek) über 150. Sitzung des KKL-Vorstands am 16.3.1983 in Berlin, S. 1 (EZA, 101/3081). 16 Im Grundsatz waren diese Überlegungen natürlich sinnvoll und zutreffend. Nur hieß es eben in Art. 3 (3) der gescheiterten Grundordnung von 1974 gerade „bejaht“. Erst in Art. 1 (2) der EKD-GO, die mit dem 14.6.1984 Gültigkeit erlangen sollte, war das „bejaht“ durch das weitaus stärkere „bekennt“ ersetzt. Was die Formulierung „ganze evangelische“ bzw. „deutsche evangelische Christenheit“ anbelangt, wurde in den Fassungen der EKD-GO von 1974 und 1984 von der „ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“ gesprochen, während es in der geltenden GO, nämlich der von 1948, in Art. 1 (2) in einer inhaltlich gänzlich unvergleichbaren Fassung hieß: „In der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit sichtbar“. Die EKD „bejahe“ mit ihren Gliedkirchen die in Barmen getroffenen Entscheidungen. 17 Niederschrift (Hinz) über Sitzung Kirchenkonferenz am 17.3.1983 in Frankfurt/Main, S. 5f. (EZA, 2/01/572). 18 Vorlage („i.V.“ Höner) für die 42. Sitzung des Rates der EKD am 18./19.3.1983 in Frankfurt/ Main, S. 1f. (EZA, 101/3128).

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versandt worden ist, bekannt geworden“ sei und gab zunächst den Dank des Vorstands für die Beteiligung an den entsprechenden Denkprozessen innerhalb der EKD weiter. Demke betonte, dass sich aus der Wichtigkeit dieses Sachverhalts die Notwendigkeit einer „engen Fühlungnahme“ ergebe. Dann stellte er heraus, dass die Vorstandsmitglieder im Blick auf eine spezielle, ausschließlich das „Sachanliegen der besonderen Gemeinschaft“ betreffende Grundordnungsänderung große Vorbehalte geäußert hätten. Mittlerweile habe sich die Beunruhigung jedoch insofern gelegt, als klar geworden sei, dass die westlichen Brüder sich des diesbezüglichen Konfliktpotentials durchaus bewusst seien und eine veränderte Bezugnahme auf die „besondere Gemeinschaft“ lediglich im Rahmen einer umfassenden Änderung der Grundordnung der EKD vorgesehen sei. Demke verdeutlichte nichtsdestotrotz noch einmal die Haltung des Kirchenbundes in der DDR: „Ich möchte Ihnen aber trotzdem die Bedenken des Vorstands zur Kenntnis bringen. Das könnte für die weitere Diskussion der Entwürfe vielleicht nützlich sein. So wichtig es ist, daß unsere Kirchen sich sachlich und theologisch über den Inhalt dessen, was die besondere Gemeinschaft umschließt, klar sind, so wenig erscheint es uns ratsam, diese Frage in einer umfänglichen Aussage zu behandeln. Eine möglichst knappe Verankerung in den Grundordnungen scheint uns wünschenswert. Der Vorstand wäre Ihnen dankbar, wenn Sie uns über die weitere Entwicklung der Textentwürfe bei Ihnen auf dem Laufenden hielten.“19

In der Absicht, diesem Wunsch Rechnung zu tragen, kamen die Ratsmitglieder am 23./24. April überein, in der „Stellungnahme [des Rates der EKD] zu den Initiativanträgen auf Änderung und Ergänzung der GO EKD“ für den letzten von zwei Vorschlägen zu votieren – unter der Voraussetzung, dass seitens des Kirchenbundes keine „erheblichen Bedenken“ zum Ausdruck gebracht würden. Ferner beschloss der Rat, eine endgültige Entscheidung über den der EKDSynode vorzulegenden Wortlaut des Artikels erst – nach Rücksprache mit dem Bund – auf seiner Sitzung im September zu treffen.20 Im bevorzugten zweiten Vorschlag zur Grundordnungsänderung lautete die entscheidende Passage: „Artikel 1 (2) In der evangelischen Kirche in Deutschland wird die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit für den Bereich ihrer Gliedkirchen sichtbar. Die Evangelische Kirche in Deutschland bekennt sich zu ihrer Mitverantwortung für die besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland.“21 19

Schreiben Demke an Hammer vom 4.4.1983 (EZA, 101/3152). Beschluss des Rates der EKD vom 22./23.4.1983 (EZA, 2/01/572). 21 Anlage 2 zur Niederschrift der 43. Sitzung des Rates der EKD am 23./24.4.1983. – Der erste Vorschlag (Anlage 1) war identisch mit dem ersten Satz von Art. 1 (2) der EKD-GO von 1948: „Arti20

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Über diesen Stand im Entscheidungsprozess innerhalb der EKD unterrichtete Lingner am 4. Mai den Leiter des BEK-Sekretariats.22 Offenbar war der Vorstand der KKL bei näherer Auseinandersetzung mit der in der EKD geplanten Grundordnungsänderung zur „besonderen Gemeinschaft“ von seiner einige Wochen zuvor den westlichen Brüdern ans Herz gelegten Anregung, auf eine ausführlichere Formulierung zu verzichten, wieder abgekommen. Am 26. Mai tagten die Vorstandsmitglieder in Dresden und kamen nun überein, dass von ihrer Seite tendenziell eine Aussage in der neuen EKD-Grundordnung bevorzugt werde, „die möglichst nahe an den Text der Bundesordnung heranführt und den Gesichtspunkt der freien Partnerschaft zum Ausdruck bringt“.23 Die Kirchenkonferenz wurde am 2. Juni über die beiden „Alternativvorschläge“ informiert, von denen der Rat der EKD dem zweiten Vorschlag Vorrang zu geben plane, wie bei der Ratssitzung am 22. und 23. April unter dem Vorbehalt beschlossen worden sei, dass seitens des Bundes keine Einwände bestünden.24 Thesen zur „besonderen Gemeinschaft“, Streit um Statement für eine neue Sicherheitspolitik in Europa und der Vorwurf des „Hineinredens“ in den jeweils anderen Bereich Motiviert nicht zuletzt durch das Referat, das der Vizepräsident der EKD-Kirchenkanzlei Löwe im Mai 1982 vor Vertretern der bayerischen Landeskirche gehalten hatte und das kurze Zeit später auch veröffentlicht worden war, hatte Lingner bereits 1982 eine erste Zusammenstellung von „Thesen“ zur besonderen Gemeinschaft ausgearbeitet. In Löwes Vortrag war unter anderem das Verhältnis der beiden Kirchen zueinander thematisiert worden. Allerdings hatte der Vizepräsident das Streben nach der deutschen Einheit als eine der zentralen Aufgaben von Bund und EKD benannt und so Lingners Widerspruch herausgefordert. Die Reaktionen auf die mittlerweile überarbeitete Fassung der Thesen des Leiters der Berliner Stelle zur „besonderen Gemeinschaft“ fielen insgesamt positiv aus, und es wurde durchaus gewürdigt, dass Lingner sich der offenen Frage nach Theorie und Praxis der besonderen Gemeinschaft angenommen hatte. In einigen „Vorbemerkungen“ erläuterte er, dass Löwes Aufsatz ihn zu dieser Thesensammlung kel 1 (2) In der evangelischen Kirche in Deutschland wird die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit sichtbar“ (EZA, 101/3128). 22 Schreiben Lingner an Demke vom 4.5.1983 (EZA, 101/3128). 23 Protokoll (Demke) über 152. Sitzung des KKL-Vorstands am 26.5.1983 in Dresden, S. 1 (EZA, 101/3081). – Der entsprechende Meinungs(um)bildungsprozess im Vorstand lässt sich aus dem Protokoll nicht erschließen. 24 Niederschrift (Nuyken) über Sitzung Kirchenkonferenz am 2.6.1983 in Hannover, S. 5 (EZA, 2/01/572).

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veranlasst habe, mit der nach primär theologischen „Grundsätzen“ gefragt werde, die für die „Gemeinschaft der EKD und des Bundes richtungsweisend sein könnten“. Es sei zu verdeutlichen, dass die „besondere Gemeinschaft“ sich in das normale „Kirche-Sein“ einer jeden Kirche einfüge und somit nichts Einzigartiges, „Außer-theologisches“ oder „Besonderes“ sei. Die „Verpflichtung“ beider Kirchen für ihre Gemeinschaft könne derart nicht nur innerkirchlich, sondern auch gegenüber Staat und Gesellschaft nachgewiesen werden.25 Während Lingner in einem ersten Abschnitt zur grundsätzlichen zwischenkirchlichen und zwischengemeindlichen Gemeinschaft („Ökumenizität des Kirche-Seins“) vier Thesen formulierte, widmete er sich im zweiten Abschnitt (These 5 bis 10) speziell der „besonderen Gemeinschaft“. Angefügt hatte er einen kurzen Absatz zum Aufgabenbereich der Beratergruppe gemäß den Beschlüssen von Rat und Kirchenkonferenz aus den Jahren 1975 und 1976 sowie je ein Zitat zur „besonderen Gemeinschaft“ aus der DDR (Schönherr) und der Bundesrepublik (Raiser).26 Hammer regte in seinem Schreiben vom 7. Juni lediglich Formulierungsänderungen an, die den Abschnitt 2 zur „besonderen Gemeinschaft“ betrafen. In der fünften These, mit der Lingner erläutert hatte, dass die Existenz der EKD „als ein Bund lutherischer, reformierter und unierter Kirchen beendet“ worden sei, wollte Hammer vor „beendet“ ein „lediglich rechtlich“ eingefügt sehen. Ferner könne die Bemerkung, dass die Synode der EKD sich am 15. Mai 1970 der Erklärung des Rates vom 26.9.1970 angeschlossen habe und dies einen „verfassungändernden Charakter“ gehabt habe, um den die Aussage bestärkenden Hinweis erweitert werden, dass die Erklärung der Synode mit „verfassungsändernder Mehrheit“ verabschiedet worden sei. Mit Lingners sechster These, die auf die rechtsverbindlichen Bekenntnisse von BEK und EKD zur „besonderen Gemeinschaft“ verwies, welche „unstreitig“ machten, „daß Bund und EKD in einer rechtlich festgeschriebenen Gemeinschaft“ stünden, ging Hammer härter ins Gericht. Er habe keine genauere Vorstellung, was Lingner mit dieser Formulierung zum Ausdruck bringen wolle: „Wäre ich ein böser Jurist, der ich nicht bin, würde ich von ‚Theologen-Qualm‘ sprechen. Wahrscheinlich bin ich 25 Allein schon die Tatsache, dass Lingner mit der Suche nach theologischen Motiven für ein Festhalten an der besonderen Gemeinschaft dezidiert ein Gegengewicht zu Löwes politischer Schwerpunktsetzung formulieren wollte, zeigt, dass der Seitenblick auf den (SED-) Staat eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Rolle spielte. Die Bemühungen um die Neutralisierung des „Besonderen“ der „besonderen Gemeinschaft“ und der Willen, „auch“ dem Staat gegenüber die kirchliche „Verpflichtung“ verdeutlichen zu können, verstärken diese Tendenz erheblich. Denn aus dieser Richtung kamen mit den Ängsten vor westdeutschen „ideologischen“ Einflüssen und deutsch-deutscher Annäherung über die Kirchen eben auch die kontinuierlichen Versuche, die „Klammer-verdächtigen“ Kontakte zwischen beiden deutschen Kirchen zu blockieren und wenn möglich ganz zu unterbinden. 26 O. LINGNER: Thesen zur besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland, 2. Fassung 1983 (EZA, 4/91/373).

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aber zu dumm.“ Auch die siebte These, in der in Anlehnung an das Handbuch „Orientierung Ökumene“ die „besondere Gemeinschaft“ zwischen den beiden deutschen Kirchen als – keineswegs besondere – Ausprägung zwischenkirchlicher Beziehungen (von Kirchen unterschiedlicher „nationaler, kultureller und gesellschaftlicher Kontexte“) bezeichnet wurde, fand nicht Hammers Zustimmung: „Wenn es auch manche nicht gern hören, so würde ich doch sehr daran festhalten, daß zwischen BEKDDR und EKD kein national und kulturell unterschiedlicher Kontext besteht. Insofern passen wir eben nicht in die Definition des Handbuches an dieser Stelle. Nur (jedenfalls bisher, meine ich) der gesellschaftliche Kontext ist unterschiedlich. Und weil das so ist, besteht eben zwischen uns doch eine besondere Gemeinschaft: Nation und Kultur sind noch als identisch anzusehen! (Bei der Kultur bröckelt’s – aber wo in welcher Weise am meisten? Für unseren Bereich bin ich da auch nicht so sicher. B.a.w. sollten wir jedenfalls von gemeinsamer Kultur ausgehen!).“27

Lingner setzte nun auch Vizepräsident Löwe vom Verlauf der durch sein (vor nunmehr einem Jahr publiziertes) Referat ausgelösten Debatte in Kenntnis. In einem auf den 13. Juni datierten Vermerk war vom Leiter der Berliner Stelle genau festgehalten worden, welchen Weg Löwes Aufsatz im kirchlichen Bereich genommen und welches Echo er hervorgerufen hatte. Die Diskussion unter den Vertretern aller drei westlichen Dienststellen habe zu dem Ergebnis geführt, die „Sache von amtswegen nicht weiter zu verfolgen“, statt dessen aber „Thesen zu dem Fragenkomplex zu erarbeiten und diese miteinander abzustimmen“. Lingner habe diese Aufgabe übernommen und seine erste Ausarbeitung zunächst mit Vertretern der EKD- und der EKU-Kirchenkanzlei sowie dem lutherischen Kirchenamt der VELKD28 intensiv durchgesprochen, um darauf die Thesen in einer zweiten Fassung erneut vorzulegen. Auch dem Leiter des BEK-Sekretariats, Demke, dem Präsidenten der Kirchenkanzlei der EKU (Bereich DDR), Rogge, sowie dem Leiter des lutherischen Kirchenamtes der VELKDDR, Zeddies, sei Löwes Aufsatz geschickt worden. Über das Arbeitsvorhaben, Thesen zur „besonderen Gemeinschaft“ zu formulieren, habe Lingner die drei östlichen Brüder ebenfalls unterrichtet. Sie hätten ihn nachdrücklich um die überarbeitete Fassung seiner Thesen gebeten und den Wunsch geäußert, diese „zum Gegenstand einer Dienststellenleiterbesprechung zu machen“. Lingner habe Demke und Zeddies am 3. Februar die 2. Fassung übersandt. Man sei dann überein gekommen, sie bei einer Dienststellenleiterbesprechung zu erörtern. Am 2. Juni habe Lingner sich unter anderem mit einem Schreiben an den Präsidenten und den Vizeprä27 Schreiben Hammer an Lingner vom 7.6.1983, S. 1f. (Nur erste Hervorhebung durch A. S.) (EZA, 4/91/373). 28 Rohde, Burgsmüller, Schmale.

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sidenten der EKD-Kirchenkanzlei gewandt und die Thesen mit dem Hinweis beigelegt, dass die „Ausarbeitung ‚privaten‘ Charakter“ habe. Lingner berichtete auch von Hammers Antwortschreiben und einer Beratung mit ihm in Hannover am 9. Juni, in der das weitere Vorgehen bestimmt worden sei: Die Dienststellenleiter sollten bei ihrer gemeinsamen Besprechung über Lingners Thesen zu einer Einigung auf eine Textfassung, eventuell auch zu einem Alternativtext, kommen. Hammer habe den Wunsch geäußert, an einer Abschlussbesprechung über den vereinbarten Wortlaut der Thesen, der danach noch von der Konsultationsgruppe beraten werden sollte, beteiligt zu werden. Die Ost-West-Konsultationsgruppe müsse ihrerseits ein Votum zu den fertigen Thesen formulieren, damit beides dann dem Rat der EKD und der KKL vorgestellt werden könne. Als „Arbeitsziel der Thesen“ habe Hammer „eine mehr oder weniger lockere ‚Sprachregelung‘ bei der Beschreibung der Bedeutung und der Funktionen der ‚besonderen Gemeinschaft‘“ benannt.29 Die Beratergruppe von Bund und EKD setzte sich auf ihrer Zusammenkunft am 16. Juni mit dem „Statement“ auseinander, das von sieben Kirchenvertretern aus der DDR 30 formuliert worden und als Resolution „Für eine neue Sicherheitspolitik in Europa“ auf dem 20. Deutschen Evangelischen Kirchentag vom 8. bis zum 12. Juni in Hannover von etwa 8.000 von insgesamt über 100.000 Teilnehmern unterstützt worden war.31 Darin waren unter Betonung der besonderen Verantwortung beider deutscher Staaten für den Frieden und der für eine Sicherheitspartnerschaft zwischen West- und Osteuropa nötigen Unterstützung von BEK und EKD „alle Christen, die in Kirche und Gesellschaft ihre Friedensverantwortung wahrnehmen“, dazu aufgerufen worden, „nach ihren Möglichkeiten dazu beizutragen“, das Konzept der gemeinsamen Sicherheit in praktische Friedenspolitik zu überführen. Bischof Hempel wies die Anwesenden auf einen „Formfehler“ hin, der beim Umgang mit dem Statement unterlaufen sei und einer Aufklärung bedürfe.32 Zugleich stellte er fest, dass mit der eigentlichen 29

Vermerk Lingner vom 13.6.1983 [Stempel Berliner Stelle], S. 1f. (EZA, 4/91/373). Es handelte sich um: H. Falcke, G. Krusche, A. Schönherr, G. Jacob, E. Adler, W. Romberg und C. Ziemer. Abgedruckt ist der Aufruf vom Juni 1983 in: EPD DOKUMENTATION 30/83, S. 83f. Dort fehlt unter den Erstunterzeichnern E. Adler. Mittlerweile waren folgende Unterschriften aus der Bundesrepublik hinzugekommen: Kurt Scharf (West-Berlin), Günter Brakelmann (Bochum), Helmut Simon (Karlsruhe), Brigitte und Helmut Gollwitzer (West-Berlin), Volkmar Deile (West-Berlin), Erhard Eppler (Dornstetten), Wolfgang Huber (Marburg), Jörg Calließ (Rehburg-Loccum). 31 Die 8.000 Personen gehörten der Arbeitsgruppe „Frieden stiften“ an, vor der am 11.6.1983 die Erklärung bekannt gegeben worden war. Da es sich bei dem Papier um eine Resolution des Kirchentages handelte, wurde es nicht verteilt. 32 Aus Lingners Vermerk geht nicht hervor, um welchen „Formfehler“ es ging, doch aus der weiteren Debatte lässt sich der Schluss ziehen, dass Hempel die Entwicklung meinte, die dieser nicht kirchenoffizielle Aufruf aus der DDR durch seine erstmalige Veröffentlichung in der BRD bis zur Resolution des Kirchentages nahm. Eine entsprechend kontroverse Diskussion, v. a. auch zur Studie der ThSA beim 30

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Sachfrage der „Umfang“ des politischen Mandats der Kirche berührt werde, wie also „konkret […] aus dem Glauben in eine politische Situation hineingeredet werden“ könne. Er konstatierte, dass der Inhalt des Statements in etwa dem entspreche, was von den Kirchen in der DDR wiederholt zum Ausdruck gebracht worden sei. Die Reaktionen der westlichen Beratergruppenmitglieder fielen allerdings sehr unterschiedlich aus. Der Präses der EKD-Synode, von Heyl, vertrat beispielsweise die Ansicht, dass das „Miteinander der Kirchen in der besonderen Gemeinschaft ein ‚Hineinreden‘“ in den jeweils anderen Bereich nicht nur legitimiere, sondern sogar auferlege und das „Prinzip der ‚Nicht-Einmischung‘“ nicht zur Richtlinie für die Beziehungen zwischen Bund und EKD werden dürfe. Dem wurde von anderen Kirchenvertretern aus der EKD entgegengesetzt, dass ein wechselseitiges „‚Hineinreden‘ nur auf geordneter Basis und in behutsamer Weise“33 geschehen und die gegenseitige Einmischung zur Verstärkung oder Abschwächung einer vorherrschenden Stimmung führen könne. Die Brüder aus der DDR machten auf die Tatsache aufmerksam, dass in der DDR eine wachsende Anzahl von Gemeindegliedern der Überzeugung sei, dass die vom Kirchenbund in der Friedensfrage vertretenen Positionen eine größere Plausibilität hätten als die Argumentation der EKD zu dem gleichen Problembereich. Der Dresdner Bischof hob hervor, dass sich aus der politischem Lage für die beiden Kirchen die Notwendigkeit ergebe, ihre Kontakte für die nächsten „etwa sechs bis acht MoBund, „Sicherheitspartnerschaft und Frieden in Europa – Aufgabe der deutschen Staaten, Verantwortung der deutschen Kirchen“, wurde in der Konsultationsgruppe (22.–24.6.1983) geführt. Vgl. Teil II, 6. Kapitel. – Die KKL kam auf ihrer Sitzung Anfang September auf die Resolution zu sprechen. Bei der Klausurtagung des BEK-Ausschusses Kirche und Gesellschaft am 27./28.8.1983 sei gleichfalls die „Form“ der Erklärung kritisiert und Bedauern geäußert worden, dass der Ausschuss nicht vor dem Kirchentag über das Papier in Kenntnis gesetzt worden sei. Die Mitglieder des Ausschusses hätten jedoch ausdrücklich betont, dass der „Inhalt der Sicherheitspartnerschaft“ unbedingt in der Berater- oder der Konsultationsgruppe beraten werden müsse, da in dieser Richtung weiter nachzudenken und eine gemeinsame Aktivität mit der EKD „wünschenswert“ sei. Nach Kramers Hinweis, „daß diese Sachfrage nicht auf der angekündigten Tagesordnung stand“ und eine „schriftliche Vorlage“ vonnöten sei, bekräftigte Domsch die Notwendigkeit, sich zur Vorbereitung eines Gesprächs mit der EKD mit dem Thema auseinander zu setzen. So wurde von der Konferenz mit einer Gegenstimme und sieben Enthaltungen beschlossen, auf einer der kommenden Tagungen die Sachfrage „eigenständig“ zu behandeln (Protokoll [Günther] der 88. KKL-Tagung am 2./3.9.1983 in Berlin, S. 9 [EZA, 101/3064]). 33 In diesem Kontext wurde auch der an die Gliedkirchen der EKD gerichtete Brief der Synode der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (Ost) vom April 1983 kritisch erwähnt. Die östliche Regionalsynode hatte auf ihrer Tagung vom 8.–12.4.1983 in einer Entschließung die für 1983 angekündigte Aufstellung neuer atomarer Mittelstreckenraketen in Westeuropa beklagt. Die Synodalen hatten den im KKL-Bericht getroffenen Aussagen ihre ausdrückliche Zustimmung gegeben, dass die Friedensfrage eine „Herausforderung zu aktuellem Bekennen“ und die Entscheidung gegen den Wehrdienst bzw. den Dienst an der Waffe das „deutlichere Zeichen für den Frieden“ sei. In dem Schreiben an die Synoden der West-Berliner, der westfälischen, der rheinischen und der badischen evangelischen Kirche hieß es: „Wir sind dankbar für jedes Zeichen der Ermutigung für unsere Arbeit, für jedes Zeichen der Gemeinsamkeit in der Verantwortung“ (Vgl. dazu auch KiSo 3/1983, S. 72).

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nate […] ‚auf relativ hoher Ebene‘“ zu verstärken: Das entspreche der besonderen Verantwortung, die den Kirchen im politischem Bereich zugewachsen sei.34 Die ernsthafte Verstimmung, die die von kirchlichen Persönlichkeiten aus der DDR und der Bundesrepublik unterzeichnete und auf dem Kirchentag in Hannover präsentierte Erklärung „Für eine neue Sicherheitspolitik in Europa“ in den Beziehungen zwischen Bund und EKD ausgelöst hatte, wurde auch auf der Vorstandssitzung der KKL am 20. Juni thematisiert. Während der Berlinbrandenburgische Konsistorialpräsident Stolpe den Vorgang aus seiner Perspektive als Leiter der DDR-Delegation auf dem Kirchentag schilderte35, informierte der stellvertretende KKL-Vorsitzende, Bischof Gienke, über die entsprechenden Reaktionen im Konvent der Bischöfe. Die Mitglieder des Vorstands brachten ihr außerordentliches Bedauern zum Ausdruck, dass in diesem Fall der „ökumenische Grundsatz, vor öffentlichen Äußerungen über Angelegenheiten, die andere Kirchen betreffen, mit diesen eine direkte Verständigung zu suchen“, gebrochen worden sei und fassten den Beschluss, ihren Vorsitzenden um die Formulierung eines Briefes an die Unterzeichner der Erklärung zu bitten. Darin sollte das Missfallen an der Vorgehensweise „verbunden mit dem Inhalt der Erklärung“ deutlich gemacht werden. Vom Leiter der Theologischen Studienabteilung beim Bund müsse ein Bericht angefordert werden, um zu klären, auf welchem Weg es zur Präsentation der Erklärung auf dem Kirchentag kommen konnte.36

34 Vermerk Lingner vom 16.8.1983, S. 2 (EZA, 4/92/15). – Über diesen Disput, den die östlichen und westlichen Kirchenvertreter wegen der Erklärung zur Sicherheitspolitik und der gegen den NATODoppelbeschluss gerichteten Erklärung der Berlin-brandenburgischen Synode ausgetragen hatten, erfuhr Carl Ordnung, Sekretär des CFK-Regionalausschusses in der DDR, vom Leiter des Konsistoriums in Greifswald, Siegfried Plath, und gab die Information sowie den Wortlaut der Erklärung (allerdings mit dem falschen Titel „Für eine neue Sicherheitspartnerschaft in Europa“) am 28.6.1983 in Form eines Aktenvermerks an die ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen weiter. Plath habe erwähnt, dass es sich bei dem Treffen von KKL-Mitgliedern mit „führenden Vertretern der EKD“ offenbar um eine „turnusmäßig durchgeführte“ Zusammenkunft gehandelt habe. Die Erklärungen hätten das Verhältnis beider Kirchen zueinander „sehr stark“ belastet, da seitens der EKD derartige Äußerungen „als Angriff auf politische Positionen der Bundesregierung“ empfunden worden seien, „die Kirchen in der DDR nicht zustünden“ (SAPMO-BArch, DY 30/IV B 2/14/200, Bl. 73ff.; hier Bl. 73). 35 Stolpe selbst hatte auf dem Kirchentag bei einer KEK-Veranstaltung am 10.6.1983 eine „Erklärung“ abgegeben, in der er erläutert hatte, dass die Kirchen in der DDR das „Wissen um die Mitverantwortung für den Frieden“ als eine „Frage des Glaubensgehorsams“ betrachteten: „Die Friedensfrage ist auch eine Nagelprobe unserer [der Kirchen in Europa] Gemeinschaft. Werden wir uns auseinanderreden oder gelingt es unseren Kirchen, eine gemeinsame Rahmenposition zu beschreiben? Eine Rahmenposition zur kirchlichen Friedensverantwortung, die das Ideale fordert und das noch Mögliche nennt, damit wir nicht den Streit vergrößern mit unserem eigenen Streit, sondern mit einer Stimme wirkungsvoll werden. Eine Verpflichtung, die in ganz besonderer Weise die Kirchen in den deutschen Staaten trifft“ (Vgl. EPD DOKUMENTATION 30/83, S. 75f.; hier S. 76). 36 Protokoll (Demke) über 153. Sitzung des KKL-Vorstands am 20.6.1983 in Berlin, S. 2 (EZA, 101/3081).

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Der Vizepräsident der EKD-Kirchenkanzlei schickte Lingner am 6. Juli eine Stellungnahme zu dessen Thesen über die „besondere Gemeinschaft“, die er „insgesamt zu defensiv und zu wenig mutig“ fand. Die von Löwe vorgebrachten kritischen Einwände entzogen Lingners Versuch die Grundlage, die „besondere Gemeinschaft“ als etwas im Rahmen des „Kirche-Seins“ völlig Selbstverständliches darzustellen, das sich aus der Verpflichtung kirchlichen Agierens zur Ökumenizität ergebe. Löwe konstatierte: „Der Ansatzpunkt für die nach wie vor bestehende Gemeinschaft kann m. E. nicht im Feld ‚ökumenischer‘ Kontakte gewonnen werden. Kirchliche Gemeinschaft wird durch politisch erzwungene Trennungen nicht aufgehoben, sondern bestenfalls rechtlich modifiziert. Das gemeinsame Erbe, die gemeinsame Schuld, die gemeinsame Frömmigkeits- und kirchliche Verfassungsgeschichte, die gemeinsame vom Evangelium bestimmte Kultur sind die Basis unserer Gemeinsamkeit, die noch einmal anders als durch das Stichwort ‚Ökumene‘ zu definieren ist.“

Bemerkenswert ist, dass er Lingners Vorbemerkung, Löwe habe in seinem Artikel das „Streben nach der Einheit Deutschlands“ als „bleibende Aufgabe“ von EKD und Bund bezeichnet und damit mittelbar den Anstoß gegeben, sich innerkirchlich über die theologischen Grundlagen der „besonderen Gemeinschaft“ klar zu werden, korrigierte, zumal es sich ja um seine eigene Formulierung handelte. Statt von einem „Streben nach der Einheit Deutschlands“ müsse vielmehr von der „Faktizität einer auch weiter bestehenden Zusammengehörigkeit“ gesprochen werden. Ebenso wie bereits Hammer äußerte Löwe sein Missfallen an der Aussage, die Bildung des Bundes habe den bestehenden rechtlichen Zusammenschluss in der EKD beendet, da dieser seiner Ansicht nach „nur modifiziert, aber nicht beendet“ worden sei. Den in der siebten These verdeutlichten Ansatz, die „besondere Gemeinschaft“ sei eine der „möglichen und gebotenen Formen“ zwischenkirchlicher ökumenischer Gemeinschaft, lehnte Löwe als „unzureichende“ Hilfskonstruktion ganz ab und verwies auf das Schönherr-Zitat, welches einer Grundbestimmung der „besonderen Gemeinschaft“ näher komme. Aus diesem Grund regte er auch an, in der neunten These nicht von „ökumenischer“, sondern wie in der darauffolgenden These von „besonderer“ Gemeinschaft zu sprechen. Vizepräsident Löwe räumte ein, dass seine Vorschläge vermutlich eher zu einer weiteren Komplizierung beitragen würden, doch sei das Bemühen um eine eindeutige Wortwahl immanent wichtig, „damit nicht verloren geht oder nivelliert wird, was wir bislang noch besitzen“. So sei er besonders interessiert an der Weiterentwicklung von Lingners Thesen.37 Der Ratsbevollmächtigte der EKD brachte in seinem Votum zum Ausdruck, dass er der von Lingner eingangs zitierten Aussage Löwes im Blick auf das „Stre37

Schreiben Löwe an Lingner vom 6.7.1983, S. 1f. (EZA, 4/91/373).

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ben nach der Einheit Deutschlands“ als gemeinsame Aufgabe von Bund und EKD nicht zustimmen könne. Denn ein Engagement für die deutsche Einheit sei doch „mehr als eine patriotische Pflicht“, das in einer Rangfolge nach dem Bemühen um die Sicherung des Weltfriedens komme und zudem keine spezifisch kirchliche Aufgabe sei. Binder empfände das BEK und EKD gemeinsame „kirchengeschichtliche“ Erbe, aus dem „möglicherweise Konvergenzen bei der Frage nach der politischen Verantwortung der Christen in der Gegenwart“ ergeben könnten, als ausreichend. Lingners in seiner vierten These zumindest im Ansatz skizzierte theologische Argumentation für das Festhalten an einer „bestehenden zwischenkirchlichen“ Gemeinschaft bedürfe – so der Ratsbevollmächtigte – allerdings einer genaueren Ausarbeitung. Abschließend wurde Binders Skepsis am Sinn einer solchen Thesensammlung zur „besonderen Gemeinschaft“ deutlich: „Nun, meine Aufgabe ist es nicht, solche Papiere zu schreiben. Aber wenn es den Brüdern nützlich erscheint, will ich auch niemanden daran hindern.“38 Im Mittelpunkt der Verhandlungen der Beratergruppe standen am 8. September dann der Bericht über den Verlauf der VI. Vollversammlung des ÖRK im kanadischen Vancouver sowie das Schreiben39, da der EKD-Ratsvorsitzende und der Vorsitzende der KKL von dort aus am 10. August an Bundeskanzler Kohl und den DDR-Staatsratsvorsitzenden geschickt hatten.40 Von Keler wandte sich einige Tage nach der Zusammenkunft an Lingner und brachte gleich zwei Kritikpunkte vor: Zum Ersten unterschieden sich die Tagesordnungen, die im Vorfeld der Sitzungen an die westlichen und östlichen Mitglieder versendet würden. Dann sei es beschwerlich, dass das Interesse einiger Gruppenvertreter sich in erster Linie auf einen frühzeitigen Abschluss der gemeinsamen Treffen richte und ihr Engagement nur als „unzureichend“ bezeichnet werden könne.41 In seiner prompten Antwort beschränkte Lingner sich darauf zu erläutern, dass er gegenüber den Mitgliedern aus der DDR absichtlich die zu verhandelnden Themen nur knapp skizziere, weil im Ost-Bereich nun mal nicht alle Beratungsinhalte „unverblümt bekanntgegeben“ werden könnten.42 Bruch im Staat-Kirche-Verhältnis: Gysi spricht BEK „Wächteramt“ sowie „partnerschaftliches Mitspracherecht“ ab und fordert Disziplinierung der Opposition In der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen kam es am 15. September zu einer Besprechung unter anderem über die Delegation des kirchlichen 38

Schreiben Binder an Lingner vom 12.7.1983, S. 1f. (EZA, 4/91/373). Vgl. die ausführlichere Darstellung in Teil II, 6. Kapitel. 40 Vermerk Lingner über Sitzung der Beratergruppe am 8.9.1983 (EZA, 8/91/1246). 41 Schreiben von Keler an Lingner vom 12.9.1983 (EZA, 4/92/15). 42 Schreiben Lingner an von Keler vom 13.9.1983, S. 1 (EZA, 4/92/15). 39

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Lutherkomitees, die den Bund bei der zentralen Lutherfeier der EKD, mit der gleichzeitig die Synodaltagung der EKD eröffnet werden würde, in Worms vertreten sollte. Hauptabteilungsleiter Peter Heinrich, der bei diesem Teil des Gesprächs eigens zugegen war, brachte das Erstaunen zum Ausdruck, mit dem er der ihm übergebenen Liste der Festredner entnommen habe, dass der KKL-Vorsitzende Hempel unter den acht dort aufgeführten Personen sei. Der Dienststelle sei lediglich mitgeteilt worden, dass Hempel auf der Tagung der EKD-Synode predigen und Bischof Krusche ein Referat halten werde. Nun stünde man vor einer „neuen Situation, die gewisse Probleme mit sich brächte, und man werde darüber zu sprechen haben“.43 Bereits Ende Juli hatte Demke in der Dienststelle bekanntgegeben, dass die EKD zu ihrer Luther-Festveranstaltung am 30. Oktober eingeladen habe und eine entsprechende Liste mit 30 Namen übergeben, von denen fünf auch an der Synodaltagung der EKD teilnehmen sollten. Heinrich hatte einerseits erklärt, dass die Beteiligung von BEK-Vertretern an der Lutherfeier als „selbstverständlich“ erachtet werde, auf der anderen Seite jedoch verhalten geäußert, dass der Umfang der Liste als „überraschend“ angesehen werde.44 Mitte September machten sich die Mitglieder der Kirchenkonferenz in Hannover wiederum Gedanken um die – die „besondere Gemeinschaft“ betreffende – Änderung der EKD-Grundordnung. Mittlerweile sei nach einer Beratung mit Vertretern des Bundes ein umformulierter Entwurf entstanden, dem nun Zustimmung erteilt werden müsse, um ihn von Rat und Kirchenkonferenz der Synode vorlegen lassen zu können.45 Im Rahmen ihrer Debatte über diese aktuelle Fassung wurde in der Kirchenkonferenz angefragt, „ob nicht in absehbarer Zeit eine Änderung des Namens ‚Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR‘ zu erwarten sei“. Dieser vor dem Hintergrund der in der Planung befindlichen Gründung der VEK in der DDR angestellten Überlegung wurde entgegengesetzt, dass man „von den Gegebenheiten auszugehen“ habe und im Übrigen – sollte eine Namensänderung erfolgen – dies in einer „Fußnote“ vermerken könne. Die zweimal verwendete Bestimmung „für den/ihren Bereich“ wurde als ebenso „unschön“ wie überflüssig empfunden. Die Anwesenden kamen überein, dass im ersten Satz die sachliche Notwendigkeit gegeben sei, während man 43

Vermerk Franke vom 16.9.1983, S. 1 (EZA, 101/4714). Vermerk Demke vom 26.7.1983, S. 3 (EZA, 101/4714). 45 Der Rat hatte der folgenden Fassung des vorgesehenen Art. 1 (2) bereits auf seiner Sitzung am 8.7.1983 zugestimmt: „In der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit für den Bereich ihrer Gliedkirchen sichtbar. Die Evangelische Kirche in Deutschland bekennt sich zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. In der Mitverantwortung für diese Gemeinschaft nimmt sie die Aufgaben, die sich daraus ergeben, für ihren Bereich in freier Partnerschaft mit dem Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik wahr“ (Vorlage [Höner, 24.8.1983] für die Sitzung der Kirchenkonferenz am 15.9.1983, S. 4. Hervorhebung im Original [EZA, 2/01/573]). 44

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vor der Synodaltagung der EKD in Worms mit dem Bund abstimmen könne, ob diese Einschränkung im letzten Satz nicht doch „ersatzlos gestrichen“ werden könne. Nach der Aussprache erstattete der Bevollmächtigte Binder seinen Bonner Bericht. Die deutschlandpolitische Linie der sozial-liberalen Koalition sei von der CDU-Regierung weitergeführt worden; „die Kontinuität werde auch von der SPD anerkannt“. Die Vermittlung „wichtiger Kontakte zwischen Repräsentanten beider deutscher Staaten“, wie beispielsweise die private Besuchsreise von Altbundeskanzler Schmidt46 und das Luther-Symposium der Evangelischen Akademie Arnoldshain und der SPD in Bonn47, an dem unter anderem die Bischöfe Demke und Leich sowie Staatssekretär Gysi teilgenommen hatten, sei von der Kirche geleistet worden.48 An Ziegler, der seine Funktion als neuer Leiter des BEK-Sekretariats Anfang Oktober übernehmen sollte, wandte sich Lingner am 23. September mit Bezug auf die Tagesordnung des Beratergruppentreffens vom 8. September und schlug vor, dieses „Raster“49 bei den kommenden Sitzungen auch jeweils „inhaltlich auszufüllen“. Er erläuterte, wie Demke und er bei den Einladungen der Mitglieder in der Vergangenheit „grundsätzlich“ immer vorgegangen seien: Zunächst hätten sie sich miteinander über die einzelnen Tagesordnungspunkte abgestimmt. Vom zukünftigen Bischof der Kirchenprovinz Sachsen sei die Tagesordnung dem KKL-Vorstand vorgelegt und von ihm „abgesegnet“ worden, während Lingner seinerseits Rücksprache mit von Keler oder Hammer gehalten habe. Die Einladungen zu den Sitzungen seien an die östlichen und westlichen Teilnehmer separat mit unterschiedlichem Wortlaut von Demke und Lingner verschickt worden. Die verschiedenen Einladungstexte resultierten aus den Vorbehalten, die der noch amtierende Leiter des Sekretariats des Bundes gehabt habe, sich in den Anschreiben so „ausführlich“ kommentierend oder erklärend zu einzelnen Tagesordnungspunkten zu äußern wie Lingner. Beizeiten seien allerdings die zur Beratung vorgesehenen Themen von einer gewissen Brisanz gewesen, so dass sie 46 Schmidt hatte am 4./5.9.1983 vor Mitarbeitern der Berlin-brandenburgischen Kirche (Ostbereich) ein Referat zu Rüstungsfragen gehalten. – Über die Veranstaltung am 4.9.1983 nahm OibE „Norbert“ für die HA XX/4 von IMB „Heino“ einen detaillierten Bericht v. a. über Schmidts Ausführungen entgegen. Als Grundaussage wurde in der MfS-Information vom 7.9.1983 festgehalten, dass der Bundeskanzler die von seiner Regierung unterstützten Stationierungen von US-Mittelstreckenraketen in Westeuropa als „nicht die erste Gefahr“ bezeichnete. Er stünde hinter einer Politik der „Stärke und des Gleichgewichts“ (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-3423, Bl. 1–5; hier Bl. 5). 47 Die Konferenz zum Thema „Luthers aktuelle Bedeutung für das Verhältnis von Arbeiterbewegung und Protestantismus“ hatte am 13./14.9.1983 stattgefunden. 48 Niederschrift (Lang) über Sitzung Kirchenkonferenz am 15.9.1983 in Hannover, S. 5, 12 (EZA, 2/01/573). 49 a) Hauptthema, b) Berichte aus den Kirchen, BEK und EKD c) Bericht aus einer LK d) Verschiedenes.

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im Ostbereich nicht unbedingt „übermäßig publik“ gemacht werden sollten. Der Leiter der Berliner Stelle erwähnte dann von Kelers kritischen Hinweis, dass der unterschiedliche Kenntnisstand der Beratergruppenmitglieder über die Tagesordnung bei den Sitzungen selbst zuweilen zu „Verunsicherungen“ führten. Lingner vertrat die Ansicht, dass dieses Problem durch eine vorherige Verständigung zwischen Ziegler und ihm zu vermeiden sei. Er informierte Ziegler über die interne Regelung der Gruppe, aus dem Kreis ihrer Mitglieder für die Vertreter des Bundes und die der EKD jeweils einen „Sprecher“ zu wählen. Diese Funktion habe für die östlichen Mitglieder der KKL-Vorsitzende, für die westlichen der württembergische Landesbischof von Keler übernommen.50 Ein sehr ernsthaftes Gespräch führte Staatssekretär Gysi am Abend des 10. Oktober mit Bischof Hempel im Beisein von Wilke auf staatlicher und Ziegler auf kirchlicher Seite. Gysi zog zunächst eine positive Bilanz aus dem Verlauf des Lutherjahres und der sechs51 in der DDR veranstalteten Kirchentage. Bewährt habe sich dabei die „Zusammenarbeit“ von Staat und Kirche, es hätten „Störversuche“ abgewendet werden können und das „Kirchenvolk“ sei mit den Kirchenleitungen und staatlichen Organen gleichermaßen zufrieden gewesen. Das „Aber“ folgte allerdings sogleich: Gysi bemängelte, dass in der Aussprache über den an sich „sehr nüchternen“ Bericht der KKL an die Bundessynode52 „provokatorische Töne“ aufgekommen seien, die beim Kirchentag in Wittenberg53 ihre Fortsetzung gefunden hätten. Für den von ihm konstatierten „Bruch“ im Staat-Kirche-Verhältnis machte der Staatssekretär jedoch Hempels Rede auf der Synodaltagung des BEK verantwortlich, in der er auf „verallgemeinernde“ Art und Weise über die DDR-Gesellschaft geurteilt und damit in den Westmedien einen „Riesenerfolg“ erzielt habe. Für den Staat sei die Grenze der Zumutbarkeit überschritten worden, zumal einige Gedanken und Formulierungen auch noch Eingang in den Beschluss der Synode zum Bericht der KKL54 gefunden hätten. Hempel habe die Ablehnung der DDR-Wirtschafts-, Wissenschaftsund Schulpolitik zum Ausdruck gebracht und die staatliche Informationspolitik kritisiert. Er habe sich zum „Sprecher“ der Bürger und der jungen Generation in der DDR aufgeschwungen und die „sozialistische Lebensweise“ als Verursacher

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Schreiben Lingner an Ziegler vom 23.9.1983 (EZA, 101/3132). Insgesamt hatten sieben Kirchentage stattgefunden. Vgl. den kurzen Überblick in der 1. Lieferung des KJ 1983 (110. Jg.), S. 183–193. 52 Die 3. Tagung der 4. Synode des Bundes tagte vom 16.–20.9.1983 in Potsdam-Hermannswerder. 53 Der Kirchentag fand vom 22.–25.9.1983 unter dem Motto „Vertrauen wagen – damit wir leben können“ statt. 54 Vgl. Beschluss der Bundessynode in Potsdam zum Bericht der KKL vom 19.9.1983. In: M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 142–148. Im Anschluss ist die Erklärung der BEK-Synode vom 20.9.9183 „zur Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen“ abgedruckt (S. 149f.). 51

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einer „Überhöhung der Lebensansprüche“ in Zweifel gezogen. Mit Bezug auf die ÖRK-Vollversammlung in Vancouver sei von Hempel die alte Forderung nach einem „Sozialen Friedensdienst“ wiederbelebt worden „mit Ausdrücken, die in einer westlichen Fernsehendung gerade von einem unverbesserlichen Nazikreisgerichtsrat verwandt wurden (‚Exekution von Verweigerern‘)“. Da er nicht nur KKL-Vorsitzender, sondern auch einer der sieben Präsidenten des ÖRK sei, habe seine Rede einen durchaus „zeichensetzenden“ Wert.55 Nun stünde, so setzte Gysi fort, eine „grundlegende Tendenzwende“ an, mit der sich erneut die Frage nach der Wichtigkeit einer Trennung von Staat und Kirche stelle. Der Staatssekretär konstatierte unmissverständlich: „Die Kirche habe kein Wächteramt, noch könne sie partnerschaftliches Mitspracherecht in Anspruch nehmen. Sie sei auch kein gesellschaftliches Korrektiv. ‚Wir haben in der Kirche keinen gleichwertigen Partner, der dem Staat gegenüber steht.‘ Vielmehr unterliege die Kirche der Verfassung und den Gesetzen. Die Kirche vertrete und repräsentiere auch nicht gegenüber dem Staat ‚die Bürger‘ oder ‚viele Bürger‘ oder ‚die Mehrheit der Bürger‘. Der zu begrüßende Wunsch der Kirche nach konstruktiver Mitwirkung dürfe nicht ausarten zu dem Versuch negativer oder gar feindlicher Behandlung gesellschaftlicher Fragen. Es gebe eben Dinge, die allein Sache des Staates sind. Die Kirche gerate in die Gefahr, zur politischen Opposition zu werden oder wenigstens politischer Opposition Raum zu schaffen. Das zeige sich auch darin, daß kirchliche Räume für alles mögliche zur Verfügung gestellt würden. Das ließe sich nicht begründen mit missionarischer Offenheit, wie Landesbischof Dr. Leich das dankenswerterweise auch richtiggestellt habe. Es sei an der Zeit, daß die Kirche bei sich selbst für Ordnung sorge. Die Entwicklung stelle erneut vor die prinzipielle Frage nach der Rolle der Kirche in der Gesellschaft nach vollzogener Trennung von Kirche und Staat.“

In der grundlegenden Menschheitsfrage, den Bemühungen um die Friedenssicherung, könne keine neutrale Position zwischen den Großmächten eingenommen werden. Aus diesem Grund werde sowohl von der UdSSR als auch von der DDR „Gleichheit und gleiche Sicherheit“ gefordert und „ideologische Koexistenz“ geübt, während die USA im Glauben an einen „entscheidendenden Erstschlag“ den „begrenzten“ Atomkrieg ermöglichen wollten. Auffällig sei, dass die Kirche in der DDR sich besorgt gegen den Eindruck zu wehren versuche, als „Staatsknecht“ bewertet zu werden, sich jedoch in der Bundesrepublik, wo der Antikommunismus in neuer Gestalt erwache, völlig anders verhalte. Kirchenpräsident Natho habe auf dem Kirchentag in Wittenberg diese „deutsch-deutsche Phraseologie“ benutzt „(Wir brauchen keine Wiedervereinigung, wir sind schon wiedervereinigt!)“ und damit „gefährliche Illusionen“ genährt. Für die Kirchen 55 Von diesem Punkt an verwendete Gysi, wie Ziegler in Klammern vermerkte, eine „maschinenschriftliche Ausarbeitung“.

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bestünde ebenso wenig Anlass zu einer „gesamtdeutschen Euphorie“ wie für den Staat. Gysi regte an, sich darüber zu verständigen, was die Aufgaben der Kirche seien und wie sie sie erfüllen könne [!] und zu überlegen, wie zwischen Staat und Kirche beispielsweise im Blick auf die Veranstaltungsverordnung und kirchliche Druckgenehmigungen „exakte Festlegungen“ getroffen werden könnten. Hempel habe mit seiner Rede vor der Bundessynode eine „große Gefahr heraufbeschworen“, wie sich auch im Synodenbeschluss zum KKL-Bericht zeige: Die Kirche wolle mit demonstrativen Aktivitäten wie „Fastenaktionen, Kerzenumzügen und dergleichen“ ins Licht der Öffentlichkeit treten, während Gebete erstaunlicherweise völlig in den Hintergrund träten. Der Staatssekretär kritisierte darauf noch die ungute Rolle der Westmedien, die nur daran interessiert seien, der DDR „etwas auszuwischen“, ohne dass die Kirche dagegen einschreite. Die Kirche werde so zum Sammelbecken oder sogar zum Fürsprecher der Opposition. Demgegenüber zeige der Staatsratsvorsitzende Honecker sein ernsthaftes Bemühen und werde auch zum gemeinsamen Brief Hempels und Lohses noch mit einer „Rückäußerung“ Stellung nehmen. Zuletzt kam Gysi auf die – bereits von Hauptabteilungsleiter Heinrich mit Skepsis betrachtete – anstehende Reise Hempels zur zentralen Lutherfeier der EKD am 30. Oktober nach Worms zu sprechen, bei der dem Bischof die exponierte Funktion des Festredners zukommen sollte. Er betonte, dass seitens des Staates trotz dieser „kleinen Programmumstellung“ die DDR-Delegation nach Worms fahren könne, doch sei er gespannt, wie Hempel nach seinem „Erfolg in der Westpresse“ „aus dieser dort vorgesehenen Verbindung“ „heil herauskommen“ wolle. Der Staatssekretär warnte, die Kirche möge sich über den „äußersten Ernst der Situation“ Klarheit verschaffen.56 Bischof Hempel räumte in seiner Antwort ein, die Zusammenhänge in dieser Weise nicht gesehen zu haben und zeigte große Betroffenheit. Er selbst habe um die Programmänderung in Worms gebeten. Zu zwei Kritikpunkten nahm er ausführlicher Stellung. Insgesamt sei das Lutherjahr durchaus positiv zu würdigen, doch müsse gesehen werden, dass die Bürger in der DDR eben auch „negative Erfahrungen“ machten und viele von ihnen nach gescheiterten Versuchen, sich mit den staatlichen Organen auseinander zu setzen, in der Hoffnung auf ein Forum zur Lösung ihrer Probleme den Kontakt zur Kirche suchten. Mit die56 Bei einer 70minütigen Unterredung Honeckers mit Gysi und Verner am 28.9.1983 war der Staatssekretär in eben dieser Weise instruiert worden, mit Hempel ein „individuelles“ Gespräch zu führen. Ferner sollte Gysi seinen Honecker erstatteten kirchenpolitischen Bericht, bei dem er sich nach eigener Aussage im wesentlichen auf MfS-Informationen stützte, am 14.10.1983 vor dem Politbüro wiederholen, damit dessen Mitglieder Gysis schriftlich vorzulegende „Schlußfolgerungen“ beraten und beschließen könnten. Der Staatsratsvorsitzende legte u. a. fest, dass Hempels „vorgesehener Reise“ nach Worms zugestimmt werden solle, weitere Ausreisen in das „NSW“ im kommenden Jahr jedoch „einzeln geprüft“ werden müssten (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-836, Bl. 82–85; hier Bl. 84f.).

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ser Äußerung verdeutlichte Hempel indirekt, dass die Strategie des Staates, die Kirchen zur Disziplinierung der unter ihrem Dach aufbegehrenden Menschen zu zwingen, nicht der richtige Weg sein konnte, sondern der Staat selbst sich der Konfrontation stellen und eine Ebene zur Konfliktlösung schaffen müsse. Dann wehrte er sich gegen den „Vorwurf der Verallgemeinerung“, da unmöglich geleugnet werden könne, dass die „positiven und negativen Erfahrungen, die Christen machten“, mit denen vieler DDR-Bürger übereinstimmten. Die Kirche sei nicht das erste Mal mit dem Argument der Einmischung in die Politik dafür kritisiert worden, dass sie sich für „Probleme ‚der Menschen‘“ einsetze. Die vom Staatssekretär als Kernfrage benannte „Stellung und Aufgabe der Kirche nach erfolgter Trennung von Kirche und Staat“ sei unbedingt zu klären, allerdings zu einem anderen Zeitpunkt. Abschließend fasste Gysi die Gesprächsergebnisse zusammen und kam zu dem Schluss, dass Hempels Rede vor der Bundessynode für ihn nichtsdestotrotz „eine große persönliche Enttäuschung“ gewesen sei. Auch wenn der Bischof vielleicht nicht seine Ablehnung des Staates habe zum Ausdruck bringen wollen, sondern in einer brisanten Situation ein klares Wort sprechen wollte, müsse er stets die Interpretationsmöglichkeiten berücksichtigen, durch die seine Äußerungen von unterschiedlichen Seiten als staatsfeindlich ausgelegt werden könnten. Eine vage Zusage machte Gysi im Blick auf Hempels Anregung nach einem Grundsatzgespräch mit mehreren Mitgliedern des KKLVorstands. Der sächsische Landesbischof wies darauf hin, dass eine solche Unterredung vermutlich keine „prinzipiellen Gegensätze“ zwischen staatlicher und kirchlicher Haltung zutage bringen werde, auch wenn es sicherlich schwierig sei, sich in Detailfragen zu einigen.57 Die Mitglieder der Beratergruppe setzten sich am 2. Dezember mit der wichtigen Frage auseinander, wie groß die Stabilität der Kirche einzuschätzen sei. Die Annäherung an diesen Themenkomplex erfolgte über die gegenseitige Darlegung der kirchlichen Positionen zur Problematik des „status confessionis“, die im vergangenen Jahr durch die Erklärung des reformierten Moderamens an Aktualität gewonnen hatte.58 Für die Westseite referierte zunächst OKR Schloz, und in der Debatte wurde herausgestellt, dass trotz gewisser zeitlicher Verschiebungen und verschiedener Schwerpunktsetzungen eine auffällige Parallelität in der Entwicklung in Ost und West auszumachen sei. Die Gemeinsamkeiten im „Erscheinungsbild“ der Kirchen des BEK und der EKD bewerteten die Anwesenden auch als „Herausforderung“ an ihre „besondere Gemeinschaft“, die für beide Kirchen ein Impuls sein müsse, die Suche nach „geeigneten Formen der Zusammenarbeit“ fortzusetzen und ihrer Verantwortung nicht nur im Blick 57 58

Vermerk Ziegler vom 12.10.1983, S. 1–4 (EZA, 101/4714). Vermerk Lingner o. D. (EZA, 8/91/1246).

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auf die Friedenssicherung gemeinsam gerecht zu werden. Nachdem von Heyl einen kurzen Bericht über die EKD-Synode in Worms und den Festakt zum Lutherjubiläum erstattet hatte, informierte Ziegler, wie der Verlauf und die Beschlüsse der Synode des Bundes aufgenommen worden seien. Seitens des Staates habe man die im September in Potsdam-Hermannswerder getroffenen Entscheidungen der Synodalen „anfangs“ als „Bruch“ im bislang guten Verhältnis zwischen Kirche und Staat bewertet. Kritisiert worden sei, dass die Kirchen in der DDR auch in ihrem Engagement für den Frieden nicht mehr in der Lage seien zu unterscheiden, was sie „tun können“ und was sie „nicht tun können“. Richtig sei, dass die Debatten über den „status confessionis“ innerhalb des Bundes noch nicht beendet seien. Hinsichtlich der Unterschriftensammlung, mit der der Staat die Zustimmung der DDR-Bürger zur Stationierung neuer Raketenkomplexe in der DDR mehr oder weniger habe erzwingen wollen, hätten mit einem „vertraulichen“, diese Aktion kritisierenden Brief 59, den die KKL an den Staatratsvorsitzenden geschickt habe, die Divergenzen zwischen Kirche und Staat in der Friedensfrage nicht aufgelöst werden können: „Die Standpunkte sind unverändert und in der Sache nicht neu.“60 Der KKL-Vorsitzende Hempel wandte sich Anfang Februar 1984 direkt mit einem Problem an den Ratsvorsitzenden der EKD, das sich hinsichtlich der Reisen kirchlicher Mitarbeiter in die Bundesrepublik herauszubilden drohte. In unterschiedlichen Gremien des Bundes sei aktuell wieder darüber verhandelt worden, wie am besten mit Einladungen umzugehen sei, die von den EKDGliedkirchen an Kirchenvertreter aus der DDR gerichtet würden. Hempel verdeutlichte Lohse, dass in der Regel – „dankenswerter Weise“ den in der Vergangenheit seitens des Bundes geäußerten Wünschen entsprechend – von einer „kirchlichen Instanz aus der EKiD eine Einladung zu irgendeiner Tagung mit Angabe des Ortes, der Zeit, der Thematik usw. – ohne Namensangabe des Einzuladenden“ ausgesprochen worden sei. Häufiger werde nun jedoch derartigen Einladungsschreiben ein „Zweitbogen“ beigelegt, auf dem bereits eine konkrete Person eingetragen sei, und es habe sich erwiesen, dass die genannte Person schon in Kenntnis dieser Planung sei. Der KKL-Vorsitzende räumte ein, dass tatsächlich vor längerer Zeit BEK-intern einmal in Erwägung gezogen, aber wieder verworfen worden sei, nach dieser „Zweitbogen“-Regelung zu verfahren. Um nicht den Eindruck zu erwecken, die Brüder in der Bundesrepublik sollten mit diesem Schreiben kritisiert oder gar gemaßregelt werden, fügte Hempel noch hinzu, die verantwortlichen Stellen im Bund gingen davon aus, dass die indirekt 59 Schreiben der KKL an Honecker vom 29.10.1983. Abdruck bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 152f. 60 Vermerk Lingner o. D., S. 2 (EZA, 4/92/15).

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personengebundenen Einladungen auf die Initiative „von unseren Reise-Interessierten“ zurückgingen und „nur deren Impulsen“ entsprächen. Zudem habe man völliges Verständnis für den unter kirchlichen Mitarbeitern aus der DDR verbreiteten Wunsch, einmal in das „sogenannte ‚Kapitalistische Ausland‘“ zu fahren. Die Schwierigkeit ergebe sich schlicht aus der Tatsache, dass einige von ihnen eben „pfiffiger“ seien als andere und dies unter den weniger Geschickten Unmut und Verbitterung auslöse, weil sie nie die Gelegenheit zu einer Westreise bekämen. So bat Hempel den Ratsvorsitzenden, „daß Sie den Bischöfen bei Gelegenheit doch einmal mitteilen, daß wir aus den angedeuteten Gründen es für notwendig halten, daß – im Normalfall – der ‚Zweitbogen‘ entfällt, so daß die Leitungsorgane die echte Möglichkeit haben zu entscheiden, wer fährt. Das soll nicht gesetzlich mißverstanden werden. Es gibt echte Fälle, in denen ein Namensvorschlag angebracht ist. Aber das sollte die Ausnahme sein“.61

Erneutes Nachdenken über Umstrukturierung, Arbeitsaufträge und Mandat der Berater- und der Konsultationsgruppe Zum Tagesordnungspunkt „Berater- und Konsultationsgruppe“ informierte Hammer am 6. Februar im Kirchenamt der EKD die Mitglieder des Kollegiums knapp über die Ursprünge und die daraus resultierende, etwas schwierige Konstellation beider Gruppen. Auch der BEK habe nun in Aussicht genommen, das Mandat der primär zur Beschäftigung mit der Friedensthematik gebildeten Konsultationsgruppe auszudehnen und ebenfalls die personelle Besetzung der dem wechselseitigen Informationsaustausch dienenden Beratergruppe derart zu erweitern, dass nach Möglichkeit alle Gliedkirchen in ihr vertreten seien. Zusätzlich sei vom Bund angeregt worden, zwischen seinem Ausschuss Kirche und Gesellschaft sowie der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung eine „konstante Gesprächsgruppe“ zu installieren. Die Mitglieder des Kollegiums stellten in der Diskussion dieser Vorschläge des BEK im Blick auf die Beratergruppe als problematisch fest, dass analog zu ihrer Vergrößerung auf dann elf DDR-Vertreter die EKD etwa siebzehn bis achtzehn Teilnehmer entsenden müsse. Wenn tatsächlich dem Wunsch des Bundes nach der Entstehung eines solchen Forums für einen umfassenderen „Informationskontakt“ zugestimmt würde, könne dies nur unter der Voraussetzung geschehen, dass unter allen Umständen Fragen von 61 Schreiben Hempel an Lohse vom 3.2.1984, S. 1f. Hervorhebungen im Original (EZA, 101/3152). – Auf der Sitzung der Kirchenkonferenz Mitte März wurde im Kontext eines Berichts über die Ausreisewelle aus der DDR Hempels Wunsch weitergegeben mit dem Hinweis, der Kirchenbund wolle über seine Entsendungen selbst entscheiden (Niederschrift [Linnewedel] über Sitzung Kirchenkonferenz am 15.3.1984 in Hannover, S. 4 [EZA, 2/01/577]).

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besonderer politischer Brisanz ausschließlich im Rahmen der kleinen Konsultationsgruppe zur Verhandlung kämen. Zu überlegen sei, ob die Beratung mancher Sachthemen auch vom Sekretariat des Bundes und dem Kirchenamt der EKD übernommen werden könne. Insgesamt sprachen sich die Anwesenden für die Umstrukturierung der Konsultationsgruppe aus, konnten allerdings der dauerhaften gemeinsamen Arbeit des BEK-Ausschusses und der EKD-Kammer mit möglicher Konzentration auf die Fragen des Friedens nur begrenzt etwas abgewinnen. Über die konkrete Aufgabenstellung und Besetzung der Beratergruppe müsse noch genauer nachgedacht werden.62 Wegen eben des Teils des KKL-Beschlusses vom 7. Januar, in dem der recht dringende Wunsch nach der Installation einer „konstanten Gesprächsgruppe“ zwischen dem BEK-Ausschuss Kirche und Gesellschaft und der Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD zu Grundfragen der gemeinsamen Verantwortung beider Kirchen für den Frieden zum Ausdruck gebracht worden war, wandte sich Löwe am 27. Februar persönlich an Ziegler. Er konstatierte, dass diese Anregung des Kirchenbundes „uns in der EKD in einige Schwierigkeiten“ bringe, zumal die Kammern und Ausschüsse der EKD nicht eingerichtet worden seien, um über spezielle Sachfragen zu beraten, sondern um Zuarbeit für die EKD-Organe zu leisten. Damit wolle Löwe keineswegs in Abrede stellen, dass ein regelmäßiger Arbeitskontakt zwischen der EKD-Kammer und dem Ausschuss des Bundes sowohl erwünscht als auch sinnvoll sei. Die Mitglieder beider Gremien sollten sich sogar persönlich bekannt sein und sich über „aktuelle Fragen“ verständigen, doch sei es seitens der Kammer für öffentliche Verantwortung kaum möglich, eine „eigene gemeinsame Arbeitsgruppe zu ‚Grundfragen der Friedensverantwortung‘“ mit dem BEK-Ausschuss zu bilden. Löwe schlug vor, gemeinsam nach einem Weg zu suchen, wie der Vorschlag der Konferenz mit den „Gegebenheiten in der EKD zum Nutzen beider“ in Einklang gebracht werden könne.63 Lingner hatte Mitte Februar seinerseits mit dem Betreff Konsultationsgruppe mit „Arbeitsauftrag der Beratergruppe und Arbeitsauftrag des KirchenamtesEKD – Berliner Stelle“ an Ziegler geschrieben. Neben einigen Erläuterungen zu dem übersandten Material – Schreiben, Ratsvorlagen und Beschlüsse des Rates der EKD zu obigem Betreff – fügte er in eigener Sache die Bitte hinzu, der Leiter des BEK-Sekretariats möge sich nicht auf die von ihm geschickte Zusammenstellung von Unterlagen berufen. Seinen Wunsch, auf keinen Fall in den Verdacht zu geraten, „in irgendeiner Weise ‚Kirchenpolitik‘“ betreiben zu wollen, werde 62 Niederschrift (Hammer) über Sitzung des Kollegiums des Kirchenamtes der EKD am 6.2.1984 in Hannover, S. 2f. (EZA, 2/01/1018). 63 Schreiben Löwe an Ziegler vom 27.2.1984 (EZA, 101/3138).

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Ziegler sicher nachvollziehen können. Lingner betonte, dass er völlig unabhängig von seinen eigenen Vorstellungen, wie eine „geordnete Partnerschaft“ zwischen Bund und EKD aussehen solle, keinerlei „persönliches Eigeninteresse“ verfolge, „die Ordnung so oder so zu gestalten“.64 Auf der Zusammenkunft der Beratergruppe am 7. März hielt der leitende Bischof der VELKD, Karlheinz Stoll, ein Referat zum Thema „VELKD als lutherische Bekenntniskirche – ihr kirchenpolitischer und theologischer Standort in der EKD“. Hammer erstattete einen Kurzbericht über den Neubau des Kirchenamtes (ab 1983 die neue Bezeichnung für die Kirchenkanzlei) der EKD und die „geplante bzw. beschlossene Änderung“ der EKD-Grundordnung. Aus der DDR wurde im Blick auf die VEK-Gründung darüber informiert, dass die endgültige Entscheidung der Berlin-brandenburgischen Kirche, ob sie dem Konzept für einen Zusammenschluss doch zustimmen könne, im April fallen werde.65 Zu diesem Tagesordnungspunkt hatte Lingner bereits in Vorbereitung der Beratergruppensitzung den westlichen Mitgliedern erläutert, dass die „Gemeinsame Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft“ bislang noch nicht habe in Kraft treten können, weil sich die Synode der Kirche in Berlin-Brandenburg im Jahr 1981 nicht mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit dafür ausgesprochen habe. Das Zustimmungsverfahren werde nun auf ihrer Tagung im Frühjahr erneut durchgeführt. Prinzipiell erwarte man einen positiven Ausgang, doch unabhängig davon, zu welchem Ergebnis die Synodalen kämen, werde dies in jedem Fall Auswirkungen auf die lutherischen Kirchen und die VELKDDR sowie die unierten Kirchen und die EKU haben und ihr künftiges Selbstverständnis und ihr Verhältnis zum Bund nicht unbeeinflusst lassen. Da Lingner der Ansicht war, dass ebenso mit Rückwirkungen auf die EKD-Gliedkirchen, die VELKD und die EKU (West) zu rechnen sei, schätzte er dieses Thema als gleichermaßen interessant für die Vertreter beider Kirchen ein.66 Auch die in Aussicht genommene Neustrukturierung des eigenen Kreises wurde auf dem Treffen angesprochen. Da die Beratergruppe selbst allerdings nicht am Entscheidungsprozess beteiligt war, sondern nur die Beschlüsse der Leitungsgremien von Bund und EKD zur Kenntnis nehmen konnte, handelte es sich hier lediglich um die Bekanntgabe des Sachstands durch Hammer.67 Hammers Ausführungen veranlassten ein westliches Mitglied der Beratergruppe, den theologischen Vizepräsident der westfälischen Kirche, Begemann, 64

Schreiben Lingner an Ziegler vom 15.2.1984 (EZA, 101/3138). Vermerk Lingner o. D., S. 3f. (EZA, 101/3133). 66 Schreiben Lingner an die Mitglieder der Beratergruppe vom 14.2.1984 (EZA, 101/3133). 67 Vermerk Lingner o. D., S. 5 (EZA, 101/3133). 65

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sich zwei Tage nach der Sitzung mit einigen Nachfragen an Lingner zu wenden. Dieses Schreiben gab der Leiter der Berliner Stelle am 13. März an Hammer weiter, der seinerseits einige handschriftliche Bemerkungen einfügte: „Präsident Hammer hat in der letzten Sitzung der Beratergruppe die Frage gestellt, wie in Zukunft die Zusammensetzung aussehen soll. Er hat auch von einer Konsultationsgruppe gesprochen. Dabei fiel die Bemerkung, daß in der Konsultationsgruppe wirklich offene Gespräch geführt werden könnten. [Hammer: „Nein – kleinere Gruppe, vertrautere persönliche Besprechungen (und ohne epd, was ich nicht sagen konnte!) ergeben natürlicherweise (!) auch vertrautere Gesprächsmöglichkeiten!“] Ich hoffe, daß dies auch in der Beratergruppe möglich war und in Zukunft möglich sein wird. Ich persönlich würde es außerordentlich bedauern, wenn die Beratergruppe in ihrer Existenz infrage gestellt wäre [Hammer: „Das kann doch nicht so mißverstanden worden sein und war nicht gemeint!“] Manche haben die Bemerkungen von Präsident Hammer in dieser Richtung verstanden. […] Ich persönlich würde es begrüßen, wenn die Beratergruppe an einem Thema etwas gründlicher arbeiten würde, vielleicht doch mit dem Ziel, ein bestimmtes Ergebnis zu formulieren und zu verabschieden“ [Hammer hat „verabschieden“ in Anführungszeichen gesetzt, unterstrichen, mit einem Fragezeichen versehen und „(Qualität???)“ geschrieben].68

Natürlich beantwortete Lingner Begemanns Brief – trotz des Hinweises, dass seine Zeilen nur „Informationswert“, nicht jedoch „amtlichen Charakter“ hätten, da er für die „Policy“ der Beratergruppe nicht zuständig sei – persönlich und ausführlich. Sein Schreiben bietet allerdings weit mehr Aufschluss über die Praxis der „besonderen Gemeinschaft“ als der Großteil der kirchlichen Überlieferung. Zunächst räumte er ein, dass die Erfahrungen mit den grenzübergreifenden Zusammentreffen und die Tatsache, dass der wechselseitige Austausch von Informationen auch über andere kirchliche Gremien erfolgen könnte, tatsächlich in der Vergangenheit zu der Frage geführt habe, ob die Beratergruppe dazu geeignet sei, gemeinsame Aufgaben im Sinne von Art. 4 (4) wahrzunehmen oder ob sie nicht aufgelöst werden könne. Man habe sich letztlich für ihre Weiterexistenz mit veränderter personeller Besetzung entschieden, was allerdings nicht die kritischen Stimmen zum Verstummen gebracht habe, die nach wie vor die Tätigkeit und Effektivität der Gruppe für unzureichend hielten. Jedoch gehöre der Präsident des Kirchenamtes nicht zu diesem Kreis, sondern habe gerade jüngst Lingner gegenüber den Nutzen der Beratergruppe „als Beratungsgremium“ herausgestellt. Was nun die kleinere Konsultationsgruppe anbelange, habe auch diese ihre Vor- und Nachteile. Zu den Positiva zähle gewiss eine offenere Gesprächsatmosphäre, zumal Lingner selbst unzählige Beispiele für „Abschottungen“ in der Beratergruppe nennen könne: „Es wurden Informationen 68

Schreiben Begemann an Lingner vom 9.3.1984 (EZA, 4/92/15).

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vorenthalten, fertige Ausarbeitungen oder Stellungnahmen seitens des Bundes verschwiegen, Argumente hin und her nicht in Offenheit vorgetragen usw. Warum – wieso – weshalb – das sind Fragen, auf die ich selbst keine befriedigende Antwort habe. Ich kann nur feststellen, daß es so war und wohl auch noch so ist.“ Doch bringe die schmalere Besetzung der Konsultationsgruppe den Nachteil mit sich, dass eben auch das insgesamt in EKD und Bund vorhandene breite Meinungsspektrum nicht sichtbar werde. Dadurch könne es vor allem bei kirchenpolitischen Fragestellungen von besonderer Brisanz leichter zu einer Verlagerung des Schwerpunkts auf einzelne Positionen kommen, während alternative Denk- oder Bewertungsmuster untergingen oder überhaupt keine Berücksichtigung fänden. Dennoch bekräftigte Lingner, dass aus seiner Sicht auf keine der beiden Gruppen verzichtet werden könne und solle. Dass er in diesem Kontext das anlässlich des 40. Jahrestages des Beginns des Zweiten Weltkriegs von Bund und EKD 1979 gemeinsam veröffentlichte „Wort zum Frieden“ nannte, um die „wichtige Funktion“ der 1980 gebildeten Konsultationsgruppe zu veranschaulichen, mutet auf den ersten Blick etwas verquer an und kann angesichts des zuvor skizzierten „Nachteils“ des kleineren Kreises nicht wirklich überzeugen: „Das gemeinsame Wort […] wurde von einer Reihe von Vertretern aus Ost und West erarbeitet (vom Westen war u. a. ich selbst dabei). Die Arbeiten konnten bis zu einem bestimmten Punkt vorangetrieben werden. Es blieb ein Rest an Unstimmigkeit, der von uns nicht ausgeräumt werden konnte. Eine ‚Konsultationsgruppe‘ gab es damals noch nicht. Der Rat der EKD bevollmächtigte nach einem entgegenkommenden Bericht die Herren v. Keler und v. Heyl, in Verhandlungen mit den Brüdern zu entscheiden. Für mich war s.Zt. überzeugend, was dann passierte. Die Herren v. Keler und v. Heyl ‚kamen, sahen und siegten‘; sie stimmten bestimmten Kompromißformulierungen zu, die wir hartnäckig verweigert hatten. Ich meine, daß eine kleine Gruppe als Instrument der Zusammenarbeit der Kirchen in Ost und West – evt. mit ausreichenden Vollmachten der Leitungsorgane – durchaus sinnvoll sein kann.“

Wie dabei gewährleistet werden könne, dass dieser kleine Kreis die entsprechenden Denk- und Entwicklungsprozesse seiner Arbeit nicht unter Verschluss halte, müsse überlegt werden. Ferner stelle sich die Frage, auf welchem Wege Verhandlungsmaterial in die Gruppe hineingetragen werden könnte. Lingner konstatierte, dass er diese Fragen keineswegs für unlösbar halte. Dann kam er wieder auf die Beratergruppe zu sprechen und erklärte die dort zuweilen spürbare vorsichtige „Zurückhaltung“ mit der Tatsache, dass die Gesprächsinhalte eben weder auf den „Raum“ noch auf den „Personenkreis“ beschränkt blieben. Begemanns Anregung, sich in der Beratergruppe stärker auf spezielle Themen zu konzentrieren, bezeichnete der Leiter der Berliner Stelle in einer abgewandelten Form als praktikabel und auch ansatzweise erprobt: Man könne eine separate Fachgruppe mit der Vorbereitung eines Einzelthemas beauftragen und

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die Ergebnisse dann im Kreise der Berater diskutieren. Lingner wies nochmals ausdrücklich darauf hin, dass die Beratergruppe, wie ihr Name bereits erkennen lasse, keinerlei Mandat habe, was bei ihrer Bildung auch eine klare Vorgabe gewesen sei, um im Blick auf die staatlichen Organe der DDR nicht in den Verdacht zu geraten, „durch einen Trick wieder ein gemeinsames Leitungsorgan“ geschaffen zu haben. Abschließend bekräftigte Lingner, dass er es für angeraten halte, die Entscheidungen der leitenden Gremien von Bund und EKD über die Beratergruppe abzuwarten. Die Gruppe als solche solle sich in Zurückhaltung üben.69 Bei einer Unterredung in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen am 4. Juni bemühte Ziegler sich, zwei unterschiedliche „Westreise“-Vorhaben derart anzukündigen, dass sie nicht auf die Vorbehalte der Staatsvertreter stießen. Gegen die Absicht, drei BEK-Vertreter zur Feier von Hammers sechzigsten Geburtstags zu entsenden, hatte Hauptabteilungsleiter Heinrich keinerlei Einwände vorzubringen. Etwas schwieriger gestaltete sich der zweite Fall. Ziegler setzte Heinrich über den Plan des Bundes in Kenntnis, vom 14. bis zum 17. August in der Bundesrepublik mit Vertretern der EKD zu einer Konsultation über die kirchliche Friedenverantwortung zusammenzukommen. Auch wenn es bereits das vierte Mal war, dass eine mehrtägige Sitzung der Konsultationsgruppe im westlichen Teil Deutschland stattfinden sollte, fragte Heinrich sofort nach, ob es sich um eine „rein innerkirchliche Klärungsbesprechung“ handele oder ob in Aussicht genommen werde, im Nachgang der Tagung ein „pressewirksames“ Kommuniqué zu formulieren beziehungsweise sich anderweitig öffentlich zu äußern. Falls etwas Derartiges geplant sei, bestünden seitens des Staates „erhebliche Bedenken“. Der Hauptabteilungsleiter erhob im weiteren Verlauf des Gesprächs die Forderung, die Kirchen in der DDR müssten ihre „Reisetätigkeit“ einschränken, da im August 1984 schon eine so große Anzahl von Ausreiseanträgen vorläge wie im gesamten vergangenen Jahr. Wenn die Kirche nicht für eine sorgfältigere Regulierung ihrer Reisetätigkeit Sorge trage, könne dies „einschneidende Maßnahmen von staatlichen Instanzen, etwa dem Finanzministerium“, zur Folge haben. Es bestünde die Gefahr, dass es zu einer Vorgabe fester Reisekriterien komme, die zu einer erheblichen Behinderung der bisherigen Genehmigungspraxis führen könne. So sei es für die Kirche selbst von Interesse, ihren Umgang mit Reiseanträgen maßvoller zu gestalten.70 Der Rat der EKD hatte sich auf seiner Sitzung am 18. und 19. Mai mit der Frage der Neuordnung der Beratergruppe befasst und dem Bund einen Vorschlag unterbreitet, über den Ziegler am 4. Juni den Vorstand der KKL informierte. So 69 70

Schreiben Lingner an Begemann vom 19.3.1984, S. 1ff. (EZA, 4/92/15). Vermerk Ziegler vom 4.6.1984, S. 2f. (EZA, 101/4715).

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habe der Rat die in seinem Beschluss vom 25./26. Juni 197671 für die Beratergruppe formulierte Aufgabenstellung als „nach wie vor für zutreffend“ bewertet und ergänzend beschlossen, dass sowohl BEK als auch EKD jeweils zwölf Personen in das gemeinsame Gremium entsenden sollten. Demnach käme man auf eine Gesamtzahl von 24 Mitgliedern zuzüglich ihrer Stellvertreter. Mit von Keler, Hanselmann, von Heyl, Kraske, Binder und Hammer hatte der Rat zunächst die sechs Mitglieder der Konsultationsgruppe in das Beratergremium berufen, während die sechs weiteren, EKD-seitigen Plätze erst vergeben und ihre sechs Stellvertreter benannt werden sollten, wenn der Bund diesem Beschlussvorschlag des Rates der EKD seine Zustimmung erteilt habe. Durch den Vorschlag, bei der Verhinderung einer der ersten sechs Teilnehmer (die auch der Konsultationsgruppe angehörten) auf die sechs Stellvertreter der noch zu kooptierenden Mitglieder zurückzugreifen, war vermieden worden, für alle 24 Teilnehmer eine komplette „Ersatzbesetzung“ bereithalten zu müssen. Den Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden von KKL und Rat sollte eine Teilnahme an den Sitzungen „jederzeit“ möglich sein – mit der Option, sich durch eine von ihnen selbst bestimmte Person vertreten zu lassen. Mit der Geschäftsführung wurde der Referent des EKD-Kirchenamtes in dessen Berliner Stelle betraut. Ferner sollte die Möglichkeit bestehen, zu einzelnen Tagesordnungspunkten „im gegenseitigen Einvernehmen beider Seiten Sachverständige und Vortragende“ hinzuzuziehen.72 Nach Zieglers erläuterndem Bericht fasste der KKL-Vorstand seinerseits den einstimmigen Beschluss, der KKL die Annahme des EKD-Vorschlags zu empfehlen. In der darauffolgenden Sitzung werde der Vorstand der Konferenz „Nominierungsvorschläge und einen Modus für eine zeitlich befristete Berufung der nominierten Mitglieder“ unterbreiten.73 Für die Sitzung der Beratergruppe am 13. Juni hatte Lingner den Präsidenten der EKU-Kirchenkanzlei (West) gebeten, analog zu den Ausführungen, die Stoll Anfang März über die VELKD und ihren kirchenpolitischen sowie theologischen Standort in der EKD vorgetragen hatte, über die EKU zu referieren. Er sei jedoch der Ansicht, dass die Situation sich angesichts der gescheiterten Bildung einer VEK in der DDR 74 für den Kirchenbund direkt und für die EKD 71 In diesem Beschluss war von gegenseitiger Berichterstattung über die kirchliche Arbeit, Anregung theologischer Gespräche über wichtige kirchliche Themen und letztlich einem Beitrag zur Wahrnehmung der „besonderen Gemeinschaft“ (Erörterung beide Kirchen betreffende Fragen und partnerschaftliche Arbeit) die Rede. 72 Der Beschluss des Rates wurde auch zur Vorlage der Beratergruppensitzung am 13.6.1984 gemacht und in die Anlage zu Lingners Vermerk über das Treffen genommen (EZA, 8/91/1246). 73 Protokoll (Kupas) über 163. Sitzung des KKL-Vorstands am 4.6.1984 in Berlin, S. 6 (EZA, 101/3082). 74 Auf ihrer Frühjahrstagung im April hatte die Berlin-brandenburgische Synode sich zum zweiten Mal und endgültig gegen die „Gemeinsame Entschließung“ ausgesprochen. Vgl. zu diesem Themenkomplex P. BEIER, „Kirchwerdung“.

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indirekt verändert habe. Offenbar mit dem Anliegen, der „besonderen Gemeinschaft“ einen Dienst zu erweisen, äußerte der Leiter der Berliner Stelle folgende Bitte: „Können Sie (oder Bruder Rogge) deutlich machen, daß die EKU trotz ihrer Weigerung, sich selbst aufzulösen, die Gemeinschaft des Bundes und der EKD stärkt? Das scheint mit die ‚Gretchenfrage‘ zu sein – die aber doch beantwortbar ist (oder?).“75 Diesem Wunsch Folge leistend, bemühte sich Kraske am 13. Juni, den Standort der EKU innerhalb der EKD und des Kirchenbundes zu erläutern. Aus dem Westbereich berichtete von Heyl im Anschluss, auf der Herbsttagung der EKD-Synode in Lübeck-Travemünde könne vermutlich die Mitteilung gemacht werden, dass die Kirchenkonferenz der auf der letzten Tagung der Synode beschlossenen Änderung der Grundordnung der EKD ihre Zustimmung gegeben habe. Von Heyl konstatierte, dass diese Grundordnungsänderung von größerer Bedeutung sei „als sie zu sein scheint“, da sie „ein Stück gewachsener Gemeinschaft der EKD in der Verfassung zum Ausdruck“ bringen könne. Hempel informierte die Anwesenden, dass mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen über die umstrittene Formel „Kirche im Sozialismus“ gesprochen worden sei und bekräftigte in diesem Zusammenhang, dass die Beziehungen des BEK zur EKD ein „Ausdruck bestehender Gemeinschaft [seien], die aus geistlichen Gründen nicht aufgebbar ist“. Dabei stünde für die Kirchen in der DDR das Bemühen um die Sicherung des Friedens im Mittelpunkt. Die kirchliche Friedensarbeit sei und bleibe eine unabhängige und eigenprofilierte, so dass sie nicht in die staatliche Politik und dessen Aktivitäten eingebunden werden könne. Die Mitglieder der Beratergruppe erhielten darauf die Vorlage mit dem Beschluss des Rates der EKD zur Neuordnung ihres Kreises, mit dem der KKLVorstand sich am 4. Juni ausführlich befasst hatte. In der Erörterung kamen sie überein, dass allein die Konferenz und der Rat der EKD für die konkrete Beschlussfassung zuständig seien und es der Beratergruppe nicht zukäme, selbst Einfluss auf die entsprechenden Entscheidungsprozesse zu nehmen.76 Während der EKD-Ratsbevollmächtigte Binder auf der Sitzung der Kirchenkonferenz am 14. Juni hervorhob, dass die Ende Mai vorgenommenen personellen Veränderungen im SED-Politbüro als Zeichen einer Stärkung der Position Honeckers gedeutet würden und die DDR offenbar mehr Spielraum für eigenständiges politisches Handeln gewonnen habe77, berichtete er an den beiden folgenden Tagen den Ratsmitgliedern über verschiedene Unterredungen mit Vertretern des Kirchenbundes. Dabei sei deutlich geworden, dass die Brüder aus der DDR die 75

Schreiben Lingner an Kraske vom 28.5.1984 (EZA, 8/91/1246). Vermerk Lingner o. D., S. 3ff. (EZA, 101/3133). 77 Niederschrift (Grütter) über Sitzung Kirchenkonferenz am 14.6.1984 in Hannover (EZA, 2/01/578). 76

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„gesellschaftliche Sonderrolle“, die die Kirche in der Bundesrepublik einnehme, mit „spürbarem Unbehagen“ betrachteten. Gleiches gelte für die Frage, ob und in welcher Form Christen auch politische Verantwortung wahrzunehmen hätten. Nach einer ausführlichen Debatte verständigte sich der Rat darauf, dass jedwede Kontaktmöglichkeiten zwischen Bund und EKD „sorgfältig wahrgenommen“ werden sollten und eine Aussprache über den Problemkomplex geführt werden müsse, „ob und wie man in den jeweils anderen Bereich hineinrede“.78 Die beidseitigen Bemühungen um eine Umstrukturierung der Ost-WestBeratergruppe hatten offensichtlich einiges Interesse ausgelöst. Der Präsident des lutherischen Kirchenamtes der VELKD, Friedrich-Otto Scharbau, richtete am 5. Juli eine Anfrage an den EKD-Ratsvorsitzenden und übermittelte seinen Wunsch nach Mitwirkung in dem Gremium. Stellvertretend antwortete ihm Hammer, dass in erster Linie vom Bund angeregt worden sei, die Beratergruppe auch mit dem Ziel einer konstanteren Besetzung personell zu straffen, damit die gemeinsamen Gespräche an Effektivität und Verbindlichkeit gewönnen. Mit dem Vorschlag des Rates der EKD, die Zusammensetzung auf 24 Teilnehmer festzulegen, zu denen noch zwei Geschäftsführer sowie die Vorsitzenden des Rates der EKD und der KKL hinzukämen, sei der „für ein gedeihliches Gespräch noch gerade erträgliche Rahmen“ allerdings „voll ausgeschöpft“: „Wir wollen ja keine mittlere Synode konstituieren“. Hammer erläuterte, dass innerhalb des Rates der Verhandlungsprozess über die Neugestaltung sowohl der Berater- als auch der Konsultationsgruppe noch andauere, versprach jedoch, sich beizeiten für eine Teilnahme Scharbaus in der Beratergruppe auszusprechen und brachte seine Zuversicht zum Ausdruck, dass das Angebot des Präsidenten, sich mit dem nötigen Zeitaufwand an den Ost-West-Gesprächen zu beteiligen, sicher auf uneingeschränkte Zustimmung stoßen werde.79 Auch die KKL verhandelte am 6./7. Juli über die Vorlage zur Neuordnung der Beratergruppe80 und beschloss in spiegelbildlicher Anlehnung an den Ratsbeschluss über Umfang und Zusammensetzung des gemeinsamen Gremiums. Der Vorstand wurde beauftragt, diesen Beschluss in der Intention des Konferenzbeschlusses vom 15.3.1981 zu handhaben und den Rat der EKD um eine entsprechende Praxis zu bitten. Die Berufung der DDR-Vertreter sollte zeitlich auf die Legislaturperiode der KKL begrenzt werden. Zuletzt erhielt der Vorstand der KKL noch den Auftrag, der Konferenz zur nächsten Tagung einen 78

Auszug aus Protokoll der 54. Ratssitzung am 15./16.6.1984 (EZA, 2/01/1414). Schreiben Hammer an Scharbau o. D., S. 1 (EZA, 2/01/1429). – Am 8.10.1984 wiederholte das Kirchenamt der VELKD seine Bitte, regelmäßig auch Referenten der EKU und der VELKD an den Zusammenkünften der Beratergruppe zu beteiligen (Schreiben VELKD-Kirchenamt an Hammer vom 8.10.1984, S. 1 [EZA, 2/01/1429]). 80 Vorlage Nr. 8, 93. KKL-Tagung am 6./7.7.9184, betr. Neuordnung der BG (EZA, 101/3133). 79

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konkreten Nominierungsvorschlag für die Zusammensetzung der Beratergruppe vorzulegen.81 Somit war eine verbindliche und endgültige Lösung für die Weiterarbeit der Beratergruppe gefunden worden, die den Vorstellungen der EKD und denen des Bundes gleichermaßen gerecht zu werden schien und die Möglichkeit eröffnete, sich mit den frei werdenden Kapazitäten wieder in Gänze den gemeinsamen Aufgaben und dem Inhaltlichen zuzuwenden.

4.1 „Grundvertrauen“ oder „Äquidistanz“ zum Staat? – Divergierendes Rollenverständnis von Bund und EKD als Gefahr für ihre Gemeinschaft Die Beratergruppe widmete sich Anfang September dem jüngst vom Rat der EKD für verhandlungsbedürftig erklärten Thema „Das öffentliche Reden kirchlicher Vertreter bei Reisen zu anderen Kirchen und bei anderen Gelegenheiten“, in das EKD-Synodenpräses von Heyl mit einem längeren Referat einführte.82 Von Heyl vertrat, wie er es bereits ein Jahr zuvor bei der Auseinandersetzung über die Erklärung der DDR-Kirchenvertreter für eine europäische Sicherheitspolitik auf dem Kirchentag in Hannover getan hatte, die Überzeugung, dass das Verhältnis der Kirchen zueinander durch die „geistliche Dimension ihres Eins-Seins in Christus“ vorgegeben sei. Somit seien sie weder völlig selbständige noch „voneinander unabhängige Subjekte“, und das Hineinsprechen in den jeweils anderen Bereich im Sinne der kritischen Erinnerung und Mahnung sei Teil der brüderlichen Partnerschaft. Das Prinzip der Nichteinmischung sei ein völkerrechtliches Prinzip und könne für eine christliche Kirche keinesfalls gelten. Eine Ausnahme bestünde, wenn es sich um „unweises, unkluges oder gar falsches ‚Hineinreden‘“ handele, das weder der Gemeinschaft noch dem gemeinsamen Zeugnis und Dienst diene. Die Kirchen müssten die jeweilige eigene Verantwortung des Zeugnisses und des Dienstes des kirchlichen Partners sehen und respektieren. Vermieden werden müsse, als „Außenstehender“ zu strittigen Fragen im anderen Bereich die Rolle des Schiedsrichters zu übernehmen oder sich in diese hineinmanövrieren und instrumentalisieren zu lassen. Im Blick auf die „besondere Gemeinschaft“ 81 Protokoll (Radke) der 93. KKL-Tagung am 6./7.7.1984 in Berlin, S. 6 (EZA, 101/3065). – Der dem KKL-Beschluss entsprechende Berufungsvorschlag wurde erst zwei Monate später vorgelegt: Domsch, Jaeger, Leich, Wahrmann aus der Konsultationsgruppe; Forck, Kramer, Natho, Stier, Wollstadt, Lewek, Rogge, Zeddies (Vorlage Nr. 5 für 94. KKL-Tagung am 7./8.9.1984 betr. Neuordnung der BG) [EZA, 101/3133]). 82 Cornelius von Heyl: Beratergruppe BEK/EKD 6.9.1984 „Zur Problematik des Redens im jeweils anderen Bereich“. Diese überarbeitete Fassung seines Vortrags schickte von Heyl am 6.1.1985 an Lingner (EZA, 4/92/16). – In KiSo 2/1985 (11. Jg.), S. 48ff., erschien von Heyls Beitrag unter dem Titel „Einmischung in innere Angelegenheiten?“

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sei ebenso die Einbindung von BEK und EKD in unterschiedliche politische und gesellschaftliche Systeme zu beachten und erfordere die Fähigkeit zum „situationsbedingten Hören“. Der Präses der EKD-Synode hatte zur Verdeutlichung seiner Überlegungen und Hinweise über das Reden im anderen Bereich sieben „Merkpunkte“ formuliert, die gleichermaßen als Anregung und Hilfestellung zu verstehen seien. Der Bischof der Ostregion der Berlin-brandenburgischen Kirche und EKU-Ratsvorsitzende Forck übernahm es, von Heyls Referat aus der Perspektive des Bundes zu ergänzen. Er brachte seine ungeteilte Zustimmung zum Ausdruck und stellte noch einmal deutlich heraus, dass für das unabdingbare wechselseitige Stellungnehmen zu kirchlichen Entscheidungen vor allem auch ein sehr guter Informationsaustausch zwischen beiden Kirchen vonnöten sei. Forck betonte ebenfalls, das ein Hineinreden im Sinne der Nach- oder Rückfrage zu erfolgen habe und zwischen brüderlicher Beratung und öffentlichem Auftreten unterschieden werden müsse. Zuletzt teilte er den Vertretern der EKD seinen Eindruck mit, dass sie bei ihren Äußerungen in oder über die DDR und ihre Kirchen wesentlich mehr Zurückhaltung zeigten. Zumeist werde als Begründung vorgebracht, die Brüder in der DDR hätten es schon „schwer genug“. Seiner Ansicht nach sei es für die „Herstellung normaler Beziehungen“ von großer Bedeutung, auf besondere Rücksichtnahmen zu verzichten.83 In der folgenden regen Aussprache zeigte sich, dass das beratendende brüderliche „Hineinreden“ als völlig selbstverständlich, hingegen die öffentliche oder gar publizierte Stellungnahme als durchaus komplikationsträchtig angesehen wurde. Die Anwesenden einigten sich auf „Behutsamkeit“, die aber „kein Schweigen“ gebiete. Zum zweiten Tagesordnungspunkt, „Berichte aus den Kirchen“, wies Lohse unter anderem darauf hin, dass für eine Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten der Dialog zwischen „Spitzenpolitikern“ nicht abreißen dürfe. Seitens des BEK wurde über einige vom Staat organisierte Veranstaltungen berichtet, bei denen es den Kirchenvertretern zumeist gelungen sei, ihre spezifischen Standpunkte (eigenständige Friedensarbeit und kirchliche Vorstellung eines zivilen Wehrersatzdienstes) zum Ausdruck zu bringen. In verschiedenen Staat-Kirche-Gesprächen wiederum sei der Bund für die „kirchlichen Aktivitäten zum Umweltthema“ kritisiert und „davor gewarnt [worden], das Thema zu polarisieren“. Die staatlichen Äußerungen und Drohungen erklärten sich aus der geplanten Beschäftigung der Synode, die vom 21. bis 25. September in Greifswald stattfinden werde, mit der Umweltproblematik.84 83 Diese letzte Anmerkung Forcks stammt aus den Notizen, die Groscurth für die Mitglieder des Kollegiums der EKU-Bereichsräte angefertigt hatte, weil auch dort das Thema zur Diskussion stand (Notizen Groscurth vom 10.9.1984, S. 1 [EZA, 643/94/12]). 84 Vermerk Lingner o. D., S. 2f. (EZA, 4/92/15).

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Forck und Gienke informierten die übrigen Mitglieder des Bischofskonvents auf der Zusammenkunft Mitte September über mehrere Gespräche, die sie mit dem EKD-Ratsbevollmächtigten Binder, der im kommenden Jahr zusätzlich im Nebenamt die Funktion des Militärbischofs übernehmen sollte, über die Möglichkeiten geführt hatten, an den gelegentlichen Begegnungen des Bischofskonvents mit dem früheren Militärbischof und Bevollmächtigten des Rates der EKD, Kunst, auch in Zukunft festzuhalten. Als Ergebnis ihrer Debatte hielten die Anwesenden fest, dass an dem bereits in Aussicht genommenen Treffen mit den beiden EKD-Vertretern im Dezember festgehalten werden solle, während die Frage, wie man im Jahr 1985 vorgehen könne, „positiv offen gelassen“ wurde. Hempel sollte Binder über diesen Entschluss in Kenntnis setzen und das BEK-Sekretariat die Vermittlung der Begegnung übernehmen.85 Auftragsgemäß besprach Hempel die Angelegenheit am 1. November mit Binder, der sich bereit erklärte, sich auch über das Dezembertreffen hinaus gemeinsam mit Bischof Kunst so lange ab und an mit den Mitgliedern des Bischofskonvents zu beraten, „wie es eben von der Natur der Dinge her möglich sein wird“. Binder betonte, dass er sich „niemals“ dagegen ausgesprochen habe, die Gespräche „zusammen mit Kunst“ weiterzuführen, räumte jedoch ein, dass er „die äußeren Modalitäten“ nicht fortführen könne und wolle, „wenn Herr Bischof Kunst einmal nicht mehr daran teilnehmen wird“. Dabei sei ihm durchaus bewusst geworden, dass dem Bischofskonvent der „Sache, d. h. der Aussprachemöglichkeit der Bischöfe mit einem kundigen und autorisierten Vertreter der EKiD“, einen großen Wert beimesse. Abschließend kamen unter den Stichworten „Grundvertrauen“ und „Äquidistanz“ verschiedene Äußerungen des Bundes zur Sprache, die im Rat der EKD diskutiert worden seien. Hempel bot nicht nur an, zur näheren Erläuterung dieser Begriffe an einer Ratssitzung teilzunehmen, sondern sagte auf Anfrage Binders auch zu, „mit Bundeskanzler Kohl noch einmal zusammenzutreffen, wenn der Rat der EKiD und Prälat Binder es wünschen“.86 Auf der Basis der von Ziegler erläuterten Vorlage verhandelte die Konferenz auf ihrer Tagung am 9. und 10. November nun über die DDR-seitige Zusam85 Protokoll (Demke) über die Tagung des Bischofskonvents am 17.9.1984 in Berlin, S. 1 (EZA, 688/111). 86 Gesprächsprotokoll Hempel vom 2.11.1984, „D. f. Herrn Ziegler Vertraulich“ (EZA 688/111). – Im KKL-Bericht vom 21.9.1984 an die Bundessynode war mit Bezug auf das Staat-Kirche-Verhältnis in der DDR u. a. von „Grundvertrauen“ gesprochen worden, dass sich seit dem Spitzengespräch am 6.3.1978 entwickelt habe. Die Synode des Bundes wollte sich allerdings nicht dazu entschließen, diesen Begriff in ihre Beschlüsse aufzunehmen, zumal die spontane Assoziation mit „Urvertrauen“ angesichts der realen Lebenserfahrungen in der DDR nicht einlösbar sei. Vielleicht spielte hier im Hintergrund auch noch eine Rolle, dass Hempels umstrittenes Grußwort an die EKD-Synode in Worms im vergangenen Jahr beim Bundeskanzler auf besonderes Missfallen gestoßen war. Vgl. zur Debatte auf der Greifswalder Synode um das „Grundvertrauen“ die EPD DOKUMENTATION 43/84.

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mensetzung der Beratergruppe. Mit vier Gegenstimmen und vier Enthaltungen wurde beschlossen, die Vorlage „zur Überarbeitung“ an den KKL-Vorstand zurückzuverweisen. Folgende Vorgaben habe der Vorstand bei seiner Arbeit zu berücksichtigen: Die Stellvertreterregelungen müssten so formuliert werden, dass die Teilnahme wenigstens jeweils eines Vertreters der Gliedkirchen gewährleistet sei. Ferner solle so oft wie möglich ein Mitglied der Herrnhuter Brüder-Unität bei den Sitzungen der Ost-West-Gruppe anwesend sein. Sowohl die Bundessynode als auch das Sekretariat müssten in angemessener Weise ebenso dort vertreten sein. Zuletzt sei auf die „Stimmigkeit mit dem Beschluß der Konferenz vom 6./7.7.1984“ zu achten oder dieser zu ändern. Einig waren sich die Konferenzmitglieder nicht im Blick auf die Teilnahmeberechtigung des Direktors des Diakonischen Werks, wie es von den Mitgliedern der Konsultationsgruppe vorgeschlagen worden sei.87 Ziegler unterrichte den Vorstand der KKL auf seiner Sitzung über diese Beratung der Konferenz und schlug in diesem Sinne für die Beratergruppe eine andere Besetzung vor, mit der die genannten Forderungen der KKL erfüllt werden könnten. Der Vorstand nahm diese Anregungen zunächst nur zur Kenntnis, um sie auf seiner Sitzung Mitte Dezember gründlich zu beraten und ein entsprechendes Votum für die KKL zu formulieren.88 Am 12. Dezember lautete das Hauptverhandlungsthema der Beratergruppe, zu dem wie üblich ein Einführungsreferat gehalten und zudem ein Bericht über eine Reise durch unterschiedliche Länder des Mittleren Ostens erstattet wurde, „Die Kirchen im religiösen und politischen Spannungsfeld des Vorderen Orients“. In der Debatte hoben beide Referenten hervor, dass die Kirchen in dieser Region, in der vor allem der Islam ein Problem bleibe, äußerst begrenzte Möglichkeiten hätten, einen friedensfördernden Beitrag zu leisten. Ziegler setzte die beinahe vierzig Anwesenden darüber in Kenntnis, dass mittlerweile ein dritter Entwurf für ein gemeinsames Wort von Bund und EKD zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs89 den Leitungsgremien beider Kirchen zur Beschlussfassung präsentiert werde. Seitens des Bundes seien in diesem Zusammenhang zwischen dem 8. und dem 10. Mai einige Veranstaltungen geplant, an denen auch ökumenische Gäste aus vom Zweiten Weltkrieg betroffenen Ländern teilnehmen sollten. Am Jahrestag selbst werde ein Gottesdienst abgehalten, den Tag darauf werde in der Stadt Brandenburg ein Seminar stattfinden, am 10. Mai sollten „einige Gedenkstät87

Protokoll (Doyé) der 95. KKL-Tagung am 9./10.11.1984 in Berlin, S. 7 (EZA, 101/3066). Protokoll (Kupas) über 168. Sitzung des KKL-Vorstands am 19.11.1984 in Berlin, S. 3 (EZA, 101/3082). 89 Mit dem „Wort zum Frieden“ von 1979 hatten sich Bund und EKD erstmals nach der Bundesgründung in gemeinsamer Verantwortung öffentlich geäußert. Während damals der 40. Jahrestag des Kriegsbeginns der Anlass war, sollte dieses 2. „Wort zum Frieden“ dem 40jährigen Gedenken an sein Ende gewidmet sein. 88

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ten“ besucht werden. Wenngleich allen Mitglieder der Beratergruppe der genaue Wortlaut der 3. Textfassung unbekannt war, befanden sie, „daß einem solchen gemeinsamen Wort aus Anlaß des 40. Jahrestages für die ‚Besondere Gemeinschaft‘ zwischen den Kirchen in der DDR und den Kirchen in der Bundesrepublik eine besondere Bedeutung“ zukäme. Aus diesem Grund sei es nötig, dass Rat und KKL bei ihren weiteren Beratungen dieser grenzübergreifenden Gemeinsamkeit sogar vor speziellen Aspekten des Erinnerns an das Ende des Kriegs Priorität einräumten: „Von dem gemeinsamen Stuttgarter Schuldbekenntnis herkommend sind die Kirchen auch in Erinnerung an Schuld, an Gericht und Gnade und an die Fügung Gottes gehalten, das Gemeinsame von 1945 durchzuhalten.“ Der Ratsvorsitzende Lohse stellte dar, dass die kirchliche Friedensdiskussion von der Öffentlichkeit in der Bundesrepublik nicht nur aufmerksam, sondern zuweilen recht kritisch verfolgt werde. Als verantwortlich für die Mobilisierung des Kritikpotentials benannte Lohse in diesem Kontext gerade Beispiele, die eindeutig der Haltung des Bundes in der Friedensfrage, wie sie mittels seiner Synode mehrfach öffentlich zum Ausdruck gebracht worden war, zuzuordnen waren: „Es gibt besondere ‚Reizworte‘, die zum Widerspruch herausfordern und wenig geeignet sind, die Diskussion auf einer angemessenen sachlichen Ebene zu führen. Dazu gehören Begriffe wie ‚deutlicheres Zeichen‘, ‚Absage an Geist und Logik der Abschreckung‘ u. a. Herr Lohse meint, die Begriffe helfen nicht immer, etwas deutlich zu machen.“

Bemerkenswerterweise wurde diese Feststellung im Verlauf der Sitzung nicht wieder aufgegriffen und nicht einmal von einem der BEK-Vertreter im Sinne einer Nachfrage erkennbar registriert. Ziegler skizzierte später die Phase der Reflektion, in die der Kirchenbund im Zuge der Rückbesinnung auf Barmen eingetreten sei und die im Blick auf den „Weg des Bundes“ ergeben habe, dass das „Scheitern der VEK“ seine Spuren hinterlassen habe und die zweifellos bedeutungsvolle kirchliche Friedensarbeit „kein bestimmtes und konkretes Ziel“ verfolge. Ziegler fügte dieser traurigen Bilanz hinzu, dass die Kirchen in der DDR zu unterschiedlichsten Anlässen – ebenso zum 35. Jahrestag der DDR wie zur vierzigjährigen Wiederkehr des Endes des Zweiten Weltkriegs – immer wieder über ihr „Selbstverständnis“ nachdächten: „Es ergeben sich Nötigungen, auf politische Fragen vom kirchlichen Standpunkt aus einzugehen und sie zu beantworten: Zwei Staaten – zwei Kirchen, die Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR als ‚Nahtstelle‘ zwischen den beiden Machtblöcken u. a.“ Wie auch im Bericht der KKL90 an die Bundessynode in Greifswald konstatiert worden sei, habe die Trennung von Staat und Kirche sich bewährt, sei jedoch nicht 90 Vgl. den entsprechenden Auszug aus dem KKL-Bericht vom 21.9.1984 bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 173f. Auf S. 170–173 ist auch der Synodenbeschluss zum Bericht abgedruckt.

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gleichbedeutend mit „Beziehungslosigkeit“. Demnach sei die Formel „Kirche im Sozialismus“ mehr als eine rein geographische Bestimmung, sondern deute auch auf die Entwicklung hin, die Kirche und Staat zu einer wechselseitigen „Verständigungsbereitschaft“ geführt habe: „In diesem Sinne wurde der Begriff vom ‚Grundvertrauen‘ gebraucht und in diesem Sinne wurde eine ‚Äquidistanz‘ (im Sinne einer völligen Neutralität nach allen Seiten hin) als für die Kirchen in der DDR nicht gegeben gedeutet. Erfahrungen in den Kirchen sind je nach Ort und Lage und je nach kirchlicher Ebene sehr unterschiedlich. Wichtig ist, daß man erkennt, daß der vielbeschworene Abstand zwischen Basis und Leitung in der Kirche eigentlich nicht so besteht, wie er dargestellt wird.“

An diesen Ausführungen wiederum entfachte sich eine tiefgehende Debatte, die primär um die Bezeichnungen „Grundvertrauen“ und „Äquidistanz“ kreiste. Die Christen in der DDR hätten die Zweiteilung Deutschlands nach dem Krieg und das damit verbundene Gefühl der Verletzung zu verarbeiten und zu lernen, „das ihnen mit dem Ende des Weltkrieges auferlegte Schicksal als Gericht Gottes und Gnade oder als Fügung und Führung Gottes hinzunehmen“. Das zu vermitteln, gelinge den Kirchen nur schwerlich. Die östlichen Beratergruppenmitglieder gestanden ein, dass das Wort „Äquidistanz“ sich einer eindeutigen Interpretation leicht entziehe. Demgegenüber brachten die Vertreter der EKD zum Ausdruck, sich durchaus des „Mangels an Betroffenheit in der Bevölkerung über das Leiden des Volkes in der UdSSR“ im Zweiten Weltkrieg bewusst zu sein, jedoch der Begriff der „Äquidistanz“ nicht klarstelle, wie das Bewusstsein dafür geweckt und dieses Defizit beseitigt werden könne. Die Anwesenden machten einen aus der unterschiedlichen staatlichen Einbindung resultierenden Unterschied zwischen Bund und EKD aus: „Die Kirchen in der DDR sehen sich mehr als die Kirchen in der Bundesrepublik genötigt, in (auslegungsfähigen und -bedürftigen) Formeln zu sagen, was sie in etwa meinen. Sie stehen ‚unter dem Druck eines Befragt-Werdens‘. Die staatlichen Partner wollen bei Gesprächen immer wieder wissen: Wo steht die Kirche? Wen meint sie, wen spricht sie an, wenn sie z. B. zum Frieden aufruft und sich gegen Raketenaufstellungen wendet? Will die Kirche eine neutrale Position im Streit der Mächte einnehmen?“

Der Berlin-brandenburgische Bischof Kruse wies darauf hin, dass sich die beiden Kirchen mit ihrem Wort zu 8. Mai 1945 nicht auf einen Rückblick beschränken dürften, sondern in ihre Stellungnahme eine zukunftsweisende Aussage aufgenommen werden müsse. Die abschließende Frage, was Bund und EKD „im Blick auf die Zukunft“ sagen könnten und sollten, blieb unbeantwortet im Raum stehen.91 91

Vermerk über die Sitzung der Beratergruppe am 12.12.1984, S. 2ff., 6f. (EZA, 673/91/31).

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Dem Vorstand der KKL präsentierte Ziegler am folgenden Tag eine neue Vorlage zur Zusammensetzung der Beratergruppe, die den Versuch darstellte, nicht nur die erneuten Forderungen der KKL (vom 9./10.11.), sondern gleichermaßen die Vorgaben aus dem KKL-Beschluss vom 15. März 1981 sowie natürlich die Ansprüche der EKD miteinander in Einklang zu bringen. Dazu sei es tatsächlich vonnöten, im Blick auf die Berufung persönlicher Stellvertreter Ziffer 2 b) des Beschlusses der KKL vom 6./7. Juli 1984 nach Rücksprache mit der EKD abzuändern. Auch müsse unter den „ordentlichen Mitgliedern“ entweder ein Name gestrichen oder mit der EKD über Aufhebung der zahlenmäßigen Begrenzung verhandelt werden. Das Bemühen um eine „angemessene synodale Vertretung“ könnte möglicherweise die ursprüngliche Zielstellung ad absurdum führen, einen Austausch mit den einzelnen Gliedkirchen sicherzustellen. Es stelle sich beispielsweise die Frage, wie der Synodale Joachim Jaeger aus dem Kirchenkreis Nordhausen das Konsistorium und die Kirchenleitung in Magdeburg in adäquater Weise informieren solle. Hinsichtlich der Friedensthematik werde es schwierig werden, die Berater- und die Konsultationsgruppe mit der Tätigkeit des BEK-Ausschusses Kirche und Gesellschaft zu verklammern, wenn abgesehen von Ziegler, der zur Zeit die Geschäftsführung erledige, die Referentin des Ausschusses, Lewek, nur sporadisch an den Sitzungen der Beratergruppe teilnehmen könne. Zuletzt gehöre zwar zumindest nach EKU-Recht deren Kirchenkanzlei zu den Leitungsgremien der kirchlichen Zusammenschlüsse, doch sei eine Vertretung des lutherischen Kirchenamtes der VELKDDR „von der Sache her“ ebenso nötig.92 Nach einer längeren Aussprache einigte sich der KKL-Vorstand auf folgenden Vorschlag zur Besetzung der Gruppe seitens des Kirchenbundes, in den die Vorgaben und Wünsche der KKL eingeflossen waren: 1. Anhalt: Ltd. Geistlicher Natho (ordentliches Mitglied [o. M.]), Präsident Beel (Stellv.) 2. Berlin-Brandenburg: Präsident Stolpe (außerordentliches Mitglied [a. M.]), Ltd. Geistlicher Forck, Synodaler Domke (o. M.) 3. Görlitz: Ltd. Geistlicher Wollstadt, Präsident Völz (Stellv.) 4. Greifswald: Ltd. Geistlicher Gienke (a. M.), Präs. Plath (Stellv.) 5. Kirchenprovinz Sachsen: Synodaler/Konsultationsgruppe Jaeger, Präsident Kramer (o. M.), Ltd. Geistlicher Demke (Stellv.) 92 Diese Vorlage Nr. 6 war für die 96. KKL-Tagung am 11./12.1.1985 bestimmt (Zitat von S. 1). Auf S. 2 befand sich eine Namensliste mit Vorschlägen für die Zusammensetzung der Beratergruppe. Dort ist hsl. vermerkt: „15 Ja, 7 Nein, 1 Enth. (2 EKD Nein und 13 Ja)“. Die hsl. Eintragungen wurden nach der Sitzung der KKL Mitte Januar 1985 vorgenommen, wie sich aus der Tatsache schließen lässt, dass das Abstimmungsverhältnis (für den BEK) mit dem der entscheidenden 96. KKL-Sitzung übereinstimmt (EZA, 101/3133).

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6. Mecklenburg: Synodaler/Konsultationsgruppe Wahrmann (o. M.), Ltd. Geistlicher Stier (Stellv.) 7. Sachsen: Ltd. Geistlicher Hempel (a. M.), Präsident/Konsultationsgruppe Domsch (o. M.) 8. Thüringen: Ltd. Geistlicher/Konsultationsgruppe Leich (o. M.), Synodale Schultheiß (Stellv.) 9. Herrnhut: Müller (o. M.) 10. Bund: Geschäftsführer Ziegler (a. M.), Lewek (o. M.) 11. EKU: Dienststellenleiter Rogge (o. M.) 12. VELK: Dienststellenleiter Zeddies (o. M.) 13. Diakonisches Werk: Berater Petzold (a. M.).93 Am 11. und 12. Januar 1985 wurde an die Konferenzmitglieder zunächst die Information aus dem Vorstand weitergegeben, dass es bei den gemeinsamen Bemühungen um ein „Wort“ beider Kirchen zum 40. Jahrestag des Kriegsendes offenbar noch nicht gelungen sei, eine endgültige „vorlagereife“ Textfassung zu erarbeiten, dies aber vermutlich Mitte Januar der Fall sein werde. Die Vorlage Nr. 6 zur personellen Besetzung der Beratergruppe, die Ziegler bereits im Vorfeld der KKL-Tagung an alle Teilnehmer verschickt hatte, wurde in einer kontroversen Diskussion auf ihre Tauglichkeit geprüft. Die Konferenzmitglieder einigten sich darauf, in der aktuellen Sitzung zu einer Entscheidung über die Vorlage kommen zu wollen und lehnten bei drei Stimmenthaltungen die Installation einer Arbeitsgruppe zur erneuten Überarbeitung des Vorschlag für die Zusammensetzung des Ost-West-Kreises ab. Eine sondierende Vorabstimmung (12/7/2) ergab, dass die Zahl der außerordentlichen Mitglieder und der Stellvertreter auf insgesamt dreizehn erhöht werden sollte. Darüber müsse allerdings zunächst mit der EKD verhandelt werden. In der Vorlage selber tauschten die Mitglieder der Konferenz drei Namen aus: S. Schulze für Beel; Völz für Wollstadt; Winde für Völz. In der abschließenden „geheimen Zettelabstimmung“ stellte die KKL die personelle Besetzung entsprechend der leicht veränderten Vorlage Nr. 6 mit fünfzehn Ja-, sieben Gegenstimmen und einer Enthaltung „bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode“ fest.94 Der EKD-Ratsbevollmächtigte Binder bedankte sich Mitte Januar beim KKLVorsitzenden für dessen Glückwunschschreiben anlässlich seiner Berufung zum Militärbischof und räumte sogleich ein, dass er „auf die neue Aufgabe nicht nur 93 Protokoll (Lewek) über 169. Sitzung des KKL-Vorstands am 13.12.1984 in Berlin, S. 4, und Anlage 1 zum Protokoll (EZA, 101/3082). 94 Protokoll (R. Schulze) der 96. KKL-Tagung am 11./12.1.1985 in Berlin, S. 7, 10 (EZA, 101/3066).

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mit christlicher Fröhlichkeit, sondern zugleich schweren Herzens“ zugehe. Im Kontext seiner zurückliegenden Tätigkeit in Bonn sei ihm „nichts so wichtig geworden wie das Gespräch mit Ihnen und Ihren Brüdern und Schwestern“ im Kirchenbund in der DDR. Binder bemühte sich, seine Entscheidung zur Übernahme dieses Amtes zu erläutern und gleichzeitig zum Ausdruck zu bringen, dass er sich über die der Aufgabe innewohnende Problematik durchaus bewusst sei: „Jetzt soll ich der Bischof für unsere Militärpfarrer und Soldaten werden, die in das militärische Bündnis des Westens eingebunden sind, während viele Ihrer jungen Gemeindeglieder in einer Armee des anderen Bündnissystems dienen. Das liegt mir auf der Seele. Meine Einsichten in die Situation der EKD und ihrer Militärseelsorge haben mich zu meiner Zusage gebracht. Als Pastor will ich die Pflicht erfüllen, die sich aus diesen Einsichten ergibt. Aber natürlich sehe ich die Last, die darin besteht, daß die Christenheit ihren Weg immer nur unter den Bedingungen ihrer Zeit suchen kann und darum mit vielen Grenzen und Trennungen zwischen Menschen leben muß. An meiner Gesinnung ändert sich nichts. Ich werde weiter mit Fleiß danach trachten, Sie und Ihre Freunde zu verstehen und richtig zu interpretieren. Ich werde weiter für meine Überzeugung eintreten, daß Spannungen zwischen den Staaten den Menschen schaden, während ihnen gute oder auch nur normale nachbarschaftliche Beziehungen nützen. Ich werde auch nicht vergessen, daß die Kirchen eine gemeinsame Verantwortung für den Frieden tragen. Möge Gott uns helfen, die geistliche Gemeinschaft zwischen uns unversehrt zu bewahren.“95

Hempel wandte sich am 18. Januar mit kritischen Worten an den SPD-Politiker Erhard Eppler. Anlass war ein Interview, das am 27. Dezember 1984 in den Evangelischen Kommentaren erschienen war. Eppler hatte geäußert, dass die evangelischen Kirchen in der DDR sich mit einer „beträchtlichen Geschwindigkeit“ von ihren Westbindungen wegbewegten. Sie setzten „kein“ Vertrauen in die amerikanische Politik, „wenig“ Vertrauen in die Regierung der Bundesrepublik und „nur begrenztes“ Vertrauen in die Kirchenkanzlei, den Rat und die Synode der EKD. Während unter den Christen in der DDR ehemals das Gefühl verbreitet gewesen sei, in Bonn werde für sie mitgedacht und es gebe dort „hellhörige, verständnisvolle Gesprächspartner“, verträten heute offenbar nur noch wenige diese Ansicht. Die Kirchen in der DDR näherten sich statt dessen „mit einiger Reserve und dem festen Willen, ihre Eigenständigkeit zu wahren“, ihrer eigenen Regierung an. Dabei zögen sie deren „intensiven Friedenswillen“ nicht in Zweifel, ließen sich jedoch auch nicht von ihr ge- oder missbrauchen.96 Der KKLVorsitzende widersprach der von Eppler vorgenommenen Einschätzung mit dem Argument, dass unterschiedliche Positionen in „Sachfragen“ keineswegs ein Zeichen für „begrenztes Vertrauen“ seien. Mit der Bemerkung, dass er zwar kein 95 96

Schreiben Binder an Hempel vom 15.1.1985, S. 1f. (EZA, 101/3130). Zitiert nach KiSo Nr. 1/1985 [Februar], S. 38.

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Interesse an einer Dramatisierung der Angelegenheit habe, doch die „gegebene Korrektur“ für notwendig „hielt und halte“, legte er zur Kenntnisnahme sein Schreiben in dieser Sache an den EKD-Ratsvorsitzenden Lohse bei.97 Diesem gegenüber hatte Hempel geschildert, dass Eppler seine Wertungen hinsichtlich des mangelnden Vertrauens der Kirchen und Christen auch in die Organe der EKD auf Grund seiner Eindrücke bei einem Besuch in Kirchengemeinden und Pfarrergruppen in der DDR gewonnen habe – wie er in dem Interview erwähnte hatte. Der KKL-Vorsitzende erläuterte Lohse, dass er Epplers Äußerungen nicht unwidersprochen hinnehmen könne und auch einverstanden sei, wenn der Rat der EKD über den Inhalt seines Schreiben informiert werde, falls der Ratsvorsitzende es für „angemessen“ halte. Vor allem stoße er sich an Epplers Verwendung des Wortes „Vertrauen“, weil es „der Kategorie nach unpassend“ sei. Hempel wiederholte die bereits in seinem Brief an Eppler vertretene Meinung, dass Divergenzen in Sachfragen und entsprechende Meinungsverschiedenheiten kein Ausdruck für ein gestörtes Vertrauensverhältnis seien.98 Haftungsgemeinschaft der Kirchen für die deutsche Geschichte und Mitverantwortung für den Weg des Vaterlands in beiden deutschen Staaten Am 4. Februar schickte der ehemalige Leiter des Berlin-brandenburgischen Konsistoriums der Westregion, Flor, der Mitglied der Beratergruppe war, Lingner „Stichworte zur Besonderen Gemeinschaft“, die er Ende Januar anlässlich seiner „Verabschiedung durch die Kirchenleitung der anderen Region“ vorgetragen habe und die vermutlich auf Lingners Interesse stoßen würden.99 Die Intention seiner insgesamt zwölf Stichpunkte sei es, zur Klärung der „Irritationen“ beizutragen, denen die „besondere Gemeinschaft“ derzeit ausgesetzt sei. Der Ausgangspunkt, das theoretische (Ideal-)Verständnis von „besonderer Gemeinschaft“, auf den sich die übrigen „Stichworte“ bezogen, war unter 1. formuliert: „Besondere Gemeinschaft heißt Freigabe ohne Loslassen, verbindet Nähe und Distanz, meidet fragwürdige Abhängigkeiten und erspart falsche Rücksichtnahmen.“ Flor interpretierte die Bedeutung von „Freigabe“ vor allem im Hinblick auf das zwischen den Vertretern beider Kirchen in der Tat ausgesprochen kontrovers gehandelte Reden im jeweils anderen Bereich und merkte dazu an, dass die Freiheit zur „gegenseitigen Befragung“ und zum „kritischen Dialog“, wahrgenommen mit dem nötigen Respekt, einer angemessenen Behutsamkeit und ohne den Anspruch, gültige Wahrheiten zu verkünden, durchaus Ausdruck der grenzübergreifenden Zusammengehörigkeit 97

Schreiben Hempel an Eppler vom 18.1.1985 (EZA, 101/3130). Schreiben Hempel an Lohse vom 18.1.1985 (EZA, 101/3130). 99 Schreiben Flor an Lingner vom 4.2.1985 (EZA, 4/92/16). 98

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sei. Da das kirchliche Leben in das Weltgeschehen eingebunden sei, führten die Schwierigkeiten bei der Praktizierung der „besonderen Gemeinschaft“ die Kirchen zu den „Grundfragen deutsch-deutscher Existenz“. Die Debatten um die „Offenheit der deutschen Frage und die kirchliche Teilhabe daran“ bezeichnete Flor als ebenso redundant wie „schädlich“, da Geschichte ein Prozess und somit immer nach vorne hin offen sei. Die Kirchen verbinde eine Haftungsgemeinschaft für die deutsche Geschichte und eine Mitverantwortung „für den weiteren Weg des Vaterlandes in beiden deutschen Staaten“. Dass es über den richtigen Weg zuweilen Meinungsverschiedenheiten gebe, sei normal und keine Gefährdung für die „besondere Gemeinschaft“, denn was die Kirchen in Ost und West verbinde, sei „weitaus stärker als alle Dissense im politischen und kirchenpolitischen Kalkül“. Daraus ergebe sich für ihn, dass der gemeinsame Weg in eine offene Zukunft im Vertrauen auf Gott „getrost“ beschritten werden müsse.100 Über die Entscheidungen, die die Leitungsgremien im Blick auf die Besetzung der Beratergruppe gefällt hatten, informierte der Präsident des Kirchenamtes der EKD Anfang Februar die westlichen Mitglieder der Konsultationsgruppe und den Leiter der Berliner Stelle. Er legte zur Veranschaulichung der vorausgegangenen Entwicklung, über die die Vertreter der Konsultationsgruppe bei ihren Treffen nur ansatzweise in Kenntnis gesetzt worden waren, ein Schreiben Zieglers mit dem Betreff „Beratergruppe“ vom 22. Januar bei. In der DDR habe sich ein „merkwürdiger Vorfall“ abgespielt, den Hammer sehr treffend schilderte: „Nachdem in den vergangenen Jahren die Wut zur Teilnahme unterschiedlich ausgeprägt war, hat sich nun, da alles etwas geordnet werden sollte, ein hitziger Kampf um die Plätze abgespielt: Jeder wollte dort ‚vertreten‘ sein (Ob dabei das sachliche Interesse oder auch Status-Fragen eine überwiegende Rolle gespielt haben, mag unerörtert bleiben). Jedenfalls kamen die Brüder angesichts unseres Vorschlages (Kern: Konsultation; dazu: sechs weitere Mitglieder mit Vertretern…) ganz schön ins Schwitzen, denn auf jeden Fall wollte jede Kirche, dann jede gliedkirchliche Vereinigung und, und, und… vertreten sein. Eine parallele Konstruktion auf unserer Seite wurde damit unmöglich, denn dann müßten wir in mittlerer Zugstärke anrücken (17 Gliedkirchen statt 8 in der DDR!). Und wir wollten ja gerade eine gesprächsfähigere Runde erreichen! Nun hat man also drüben die im anliegenden Schreiben dargestellte Konstruktion und die dort genannten Personen gewählt. Unter diesen Umständen meine ich, daß wir unsere bisherigen ‚Konstruktionsmerkmale‘ so nicht mehr aufrechterhalten können. Wir sollten von einer paritätischen Besetzung ausgehen, also von 13 (!) Teilnehmern auf jeder Seite. Wie wir unsere Bank besetzen, sollten wir nun frei entscheiden. Auch Bruder Ziegler meint, daß dieses jetzt der gewiesene Weg sei. Dabei können wir unsere Grundintention (Kern-Konsultation) durchaus beibehalten.“101 100 101

G. Flor, 30.1.1985: „Stichworte zur Besonderen Gemeinschaft“, S. 1f. (EZA, 4/92/16). Schreiben Hammer vom 6.2.1985, S. 1f. Hervorhebung im Original (EZA, 4/92/16).

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Bei der Sitzung des KKL-Vorstands am 11. Februar berichtete Hempel vom Inhalt der Stellungnahme, die er zu dem in den Evangelischen Kommentaren mit Eppler abgedruckten Interview gegenüber dem EKD-Ratsvorsitzenden abgegeben hatte. Vom Rat der EKD, speziell von Lohse und von Keler, sei sein Widerspruch zu Epplers Behauptung, die Kirchen in der DDR setzten „nur begrenztes Vertrauen“ in die Kirchen in der Bundesrepublik, mit Dankbarkeit aufgenommen worden. Hempel und Ziegler hätten nun vor, Mitte März für eine Unterredung mit dem Rat und der Kommission des Rates nach Bielefeld zu reisen. Diesem Plan erteilten die Mitglieder des Vorstands ihre Zustimmung. Was allerdings die für den 23. Mai vorgesehene „Begegnung“ des Vorstands der KKL mit der Kommission des Rates der EKD anbelangte, wurde der Vorstand über die „Bedenken“ in Kenntnis gesetzt, die von der EKD im Blick auf den Termin zum Ausdruck gebracht worden seien: Die Legislaturperiode des Rates laufe aus und es sei der letzte Verhandlungstag der EKD-Synode.102 Die Vorstandsmitglieder sprachen sich dafür aus, in diesem Fall die Begegnung ausfallen zu lassen und sich um einen neuen Termin nach der Neukonstituierung des Rates der EKD zu bemühen.103 Nur aus dem Bericht von Kelers auf der Sitzung des Rates der EKD am 22./23. Februar geht ansatzweise hervor, was bei der Zusammenkunft der Beratergruppe am 11. Februar besprochen worden war. Der Leiter des BEK-Sekretariats habe dort die Unterredung zwischen Honecker und Hempel, die vor der Sitzung stattgefunden hatte und bei der er ebenfalls zugegen war, als im „Ergebnis sehr positiv“ bezeichnet.104 Hinsichtlich der im Umfeld des 8. Mai vom Bund geplanten Gedenkveranstaltungen wies von Keler die Ratsmitglieder darauf hin, dass die Kirchen in der DDR sich auf „wenige Gottesdienste konzentrieren“ wollten. Er betonte ferner, dass im Bewusstsein sowohl der DDRBürger als auch der Vertreter der Kirchen eine „atmosphärische Verschiebung“ auszumachen sei: Die Anzahl derjenigen, die mit der „Vorstellung der nationalen Einheit“ Deutschlands großgeworden seien, sei im Abnehmen begriffen. Letztlich fasste der Rat nun auch einen Beschluss zur EKD-seitigen Besetzung der Beratergruppe.105 Darüber unterrichtete Hammer den Leiter der Berliner Stelle mit einem ausführlichen Schreiben. Nachdem der Kirchenbund in der DDR endlich „unter Berücksichtigung der ihm wesentlichen Gesichtspunkte 102 Vom 21.–24.5.1985 sollte die 1. Tagung der 7. Synode der EKD in Berlin-Spandau stattfinden, an der im übrigen kein Vertreter des BEK teilnahm. 103 Protokoll (Lewek) über 171. Sitzung des KKL-Vorstands am 11.2.1985 in Berlin, S. 2, 10 (EZA, 101/3083). 104 Die von Hempel gehaltene Ansprache ist abgedruckt bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 181ff. 105 Auszug aus Protokoll der 60. Ratssitzung am 22./23.2.1985 (EZA, 2/01/1414).

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eine Teilnehmerliste von 13 Personen aufgestellt und beschlossen“ habe, sei man im Rat der EKD überein gekommen, mit dem Ziel einer ausgeglichenen Besetzung ebenfalls dreizehn Mitglieder in die Gruppe zu berufen. Zusätzlich zu dem „Kern“ den an der Konsultationsgruppe beteiligten Vertreter der EKD werde für jedes Treffen ein Personenkreis „in einer Weise“ eingeladen, die „nach Möglichkeit“ die Anwesenheit von insgesamt dreizehn EKD-Mitgliedern gewährleiste. Siebzehn Personen seien demnach berufen worden, die Liste könne jedoch später noch erweitert werden: Von Keler, Hanselmann, von Heyl, Kraske, Binder, Hammer, Kruse, Neukamm, Heckel, Begemann, Schmale, Heidingsfeld und Lingner als dreizehn Einzuladende sowie Groscurth und Wildner als Vertreter für Kraske und Kruse sowie Becker und Spengler als Vertreter für andere verhinderte Teilnehmer. Der Vorsitzende des Rates der EKD oder ein von ihm bezeichneter Stellvertreter könnten sich nach eigenem Wunsch „außerplanmäßig“ an den Sitzungen der Beratergruppe beteiligen. Um sicherzustellen, dass mit dieser Regelung tatsächlich stets eine Zahl von dreizehn EKD-Vertretern bei den Ost-West-Treffen erreicht werde, schlug Hammer Lingner folgende „Einladungspraxis“ vor: Sehr frühzeitig sollten die Einladungen an die dreizehn Erstgenannten versendet werden mit der Bitte, das Anmeldeformular binnen einer Frist von etwa einem Monat vor dem vereinbarten Sitzungstermin zurückzuschicken, damit im Verhinderungsfall die Vertreter rechtzeitig angeschrieben werden könnten. Hammer bat Lingner, die vom Rat Berufenen über ihre Benennung und die Teilnahmeregelung mit dem Hinweis zu informieren, dass die Reihenfolge der Liste keinerlei Wertung beinhalte, sondern sich lediglich aus der Notwendigkeit einer „zahlenmäßigen Begrenzung in Verbindung mit den sonstigen Gegebenheiten (u. a. Beteiligung der in diesem ‚Geschäft‘ Erfahrenen, Beteiligten, Bewährten und Treuen)“ ergeben habe.106 Auf der Sitzung des Vorstands des KKL am 20. März erstatteten Hempel und Ziegler einen Bericht über ihr Gespräch mit den Mitgliedern des Rates der EKD am 15. und 16. März in Bielefeld, bei dem „in atmosphärisch guter Beratung“ primär das von Eppler konstatierte „schwindende Vertrauen“ der Kirchen in der DDR in die EKD, die Beziehungen zwischen Bund und EKD, das Verhältnis 106 Schreiben Hammer an Lingner vom 25.2.1985, S. 1f. Hammer fügte ganz zum Schluss die Bemerkung an: „Hoffentlich haben wir damit diese Kuh für einige Zeit vom Eis!“ (EZA, 101/3134). – Am 7.3.1985 unterrichtete Lingner auftragsgemäß u. a. Spengler und Wildner und erläuterte: „Lange schon waren Überlegungen angestellt, ob und wie eine Straffung der Gespräche durch kontinuierliche und paritätische Teilnahme u. a. erreicht werden kann. Mit Rücksicht auf die geplante Neuordnung des Bundes (‚Verbindliche Gemeinschaft‘), die auch Funktion und Zusammensetzung der Beratergruppe regeln soll, wurde die Neuordnung zunächst zurückgestellt“ (Schreiben Lingner an Spengler/Wildner vom 7.3.1985, S. 2 [EZA, 4/92/16]).

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des BEK zur DDR-Gesellschaft sowie die Beziehungen von evangelischer und katholischer Kirche in der DDR thematisiert worden seien. Der KKL-Vorstand nahm die Informationen ebenso mit Dank zur Kenntnis wie den entsprechenden Einsatz der beiden Vertreter des Bundes und bat darum, zu prüfen, ob der Rat der EKD unter Umständen einmal im Jahr die Möglichkeit zu einem derartigen „Gedankenaustausch“ eröffnen könne. Der Leiter des Sekretariats teilte den Anwesenden mit, dass nach der KKL nun der Rat der EKD eine Entscheidung über die personelle Besetzung der Beratergruppe getroffen und diese bekannt gegeben habe. Der Vorstand der KKL konstatierte, dass der BEK sich derzeit nicht veranlasst sehe, „auf der Bundesseite eine Änderung herbeizuführen“.107 Von Keler wandte sich am 21. März an den jüngst aus dem Amt geschiedenen braunschweigischen Bischof Heintze, der nicht nur zu den Gründungsmitgliedern der Berater- und Konsultationsgruppe gehört, sondern auch gewissenhaft immer an den Sitzungen teilgenommen hatte. Der württembergische Landesbischof berichtete über die langwierigen Verhandlungen um eine Neubesetzung des gemeinsamen Beratergremiums, das sich künftig aus je dreizehn Vertretern von Bund und EKD zusammensetzen werde, da seitens des BEK der Wunsch bestünde, jede seiner Gliedkirchen zu beteiligen. Von Keler bedankte sich bei Heintze für dessen langjährige Teilnahme und betonte, dass ihm die Diskussionen über die Besetzung der Beratergruppe „etwas gespenstisch“ erscheine, „weil wir über jeden westlichen Teilnehmer froh waren und stets das Dilemma verspürten, dass bei einer grundsätzlichen Abklärung bei uns Plätze reserviert werden mußten, die im faktischen Vollzug schon nach wenigen Monaten nur mühsam zu halten waren. Sie wissen ja selbst, welche Mühe mit jedem Besuch Ostberlins verbunden ist“.108 Altbischof Heintze reagierte – ziemlich gekränkt – mit einem Brief an den Leiter der Berliner Stelle und teilte ihm mit, dass er von Kelers Schreiben als Ausladung interpretiert habe und sich nun seine eigenen Kontakte suchen werde, da ihm die Verbindung zu den Brüdern in der DDR „nach wie vor sehr wichtig“ seien. In diesem Sinne bat er Lingner auch, den Beratergruppenmitgliedern aus der DDR in angemessener Weise zu verdeutlichen, „daß mein künftiges Fernbleiben nicht auf meine eigene Initiative zurückgeht“.109 Vor dem Bereichsrat (West) der EKU hielt der Kirchenjournalist Henkys am 23. April einen instruktiven Vortrag über die „besondere Gemeinschaft“.110 Er 107 Protokoll (Kupas) über 172. Sitzung des KKL-Vorstands am 20.3.1985 in Berlin, S. 1, 6 (EZA, 101/3083). 108 Schreiben von Keler an Heintze vom 21.3.1985, S. 2 (EZA, 4/92/16). 109 Schreiben Heintze an Lingner 3.4.1985 (EZA, 4/92/16). 110 Bereits am 27.3.1985 hatte Henkys auf einer Tagung zum Thema „Westliche Medien und DDR-Kirchen“ referiert und dabei die „partnerschaftlich zu praktizierende ‚besondere Gemein-

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beschrieb sie als „Verfassungsgrundsatz“ von BEK und EKD, der in Gestalt der „geistlichen Gemeinschaft“ auf vielfältige Weise weitgehend unproblematisch praktiziert werde, während im „technischen Bereich“ Schwierigkeiten aufträten. Beide Kirchenbünde seien im Laufe der Jahre „so sehr auf ihre Aufgaben, auf situationelle Herausforderungen im jeweils eigenen Bereich fixiert“, dass darüber zuweilen die wechselseitige Konsultation und Kooperation in Vergessenheit gerate. Grundsätzlich unterliege die in der „besonderen Gemeinschaft“ enthaltene besondere Kirchengemeinschaft keiner Beschränkung auf die deutsch-deutschen Kirchenbeziehungen, sondern gelte für jedwede ökumenische Verbindung. Die Spezifik der „besonderen Gemeinschaft“ ergebe sich erst aus der Hinzunahme des „deutsch-deutschen politischen Aspekts“, was auch bei der Formulierung von Art. 4 (4) mitgedacht worden und der Grund für das tiefe Misstrauen der SEDRegierung gewesen sei. Die ängstliche Fixierung der Staats- und Parteiführung auf den gesamtdeutschen Aspekt wiederum habe verhindert, diesen in der ersten Dekade nach der Bundesgründung „besonders herauszustellen“. Erstmals habe Stolpe 1984 mit seinem Vortrag „Anmerkungen zur besonderen Gemeinschaft“111 in der Evangelischen Akademie in Tutzing die „besondere Gemeinschaft“ unter dem Gesichtspunkt „Verantwortungsraum Deutschland“ öffentlich thematisiert. In diesem Kontext wies Henkys auf seine eigene, stets in dem „Materialdienst Kirche im Sozialismus“ dokumentierte Beschäftigung mit dieser Fragestellung hin. Er erwähnte auch das „Wort zum Frieden“ von 1979, mit der Bund und EKD die gemeinsame Verantwortung der Kirchen für den Frieden zum Ausdruck brachten, den im Folgejahr erstmalig grenzübergreifend abgehaltenen Bittgottesdienst für den Frieden, die bilateralen Konsultationen zur Friedensthematik sowie den Arbeitsbericht der Konsultationsgruppe, das gemeinsame Schreiben des EKD-Ratsvorsitzenden und des Vorsitzenden der KKL an Honecker und Kohl und nicht zuletzt die – ausgelöst durch die unterschiedlichen Positionen beider Kirchen in der Friedensfrage – nun seitens der EKD vorgebrachten Vorwürfe der „Einmischung“ in ihre Angelegenheiten. Henkys referierte zur Verdeutlichung, unter Rückgriff auf Originalzitate aus Beschlüssen und Stellungnahmen des BEK, über die „friedenspolitische Position des DDR-Kirchenbundes“ und fasste seine Bewertung in Form von sechs Thesen zusammen. Dann wandte er sich dem „Verhältnis zur staatlichen Friedenspolitik“ zu, erläuterte in diesem Zusammenhang die kontroverse Debatte der Bundessynode in Greifswald 1984 um schaft‘“ ausführlich beschrieben und gewürdigt. Abschrift in: BStU (ZA Berlin), MfS HA XX/4-861, Bl. 131–143. 111 M. Stolpe: Anmerkungen zur besonderen Gemeinschaft in der Bundesrepublik, Berlin West und in der DDR. Vortrag in der Ev. Akademie Tutzing am 24.3.1984. Abdruck in: KiSo 2/1984 (10. Jg.), S. 15–24. Eine Kopie des Referats fand sich auch in den Beständen des Staatssekretärs für Kirchenfragen (BArch BERLIN, DO 4 STS f. Kirchenfragen Nr. 1361).

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den Begriff des „Grundvertrauens“ und kam, da diese Diskussion auch Eingang in die Verhandlungen der Berater- und der Konsultationsgruppe gefunden hatte, zuletzt nochmals auf die zur Friedensthematik primär in Ost-West-Richtung erfolgten „Akte der Einmischung“ zu sprechen. Das Streben des Kirchenbundes in der DDR nach einem öffentlichen Dialog mit der EKD, so schloss Henkys, könne nicht nur Probleme mit sich bringen, sondern auch Chancen eröffnen, sei allerdings angesichts der divergierenden „Kommunikationsbedingungen“ der Bundesrepublik und der DDR vermutlich schwer umzusetzen, wie vor allem von der EKD eingewandt werde. Doch sei es seiner Meinung nach denkbar, dass BEK und EKD beispielsweise eine „gemeinsame Denkschrift zum Thema die deutschen Staaten, die Kirche und der Friede“ erarbeiteten und darin die „gemeinsamen Positionen, die Unterschiede und die zu leistenden Verständigungsaufgaben beschrieben“. Unabdingbare Voraussetzung für ein solches Projekt sei jedoch, dass beide Kirchen sich gegenseitig „ihre unterschiedliche gesellschaftliche Position, ihre jeweiligen Chancen und Grenzen“ offen legten.112 Bei der Sitzung der Arbeitsgruppe Koordinierung des Sekretariats des Kirchenbundes Mitte Mai machte Ziegler darauf aufmerksam, dass in der Vergangenheit häufiger Unterredungen zwischen einzelnen BEK-Referenten mit Mitarbeitern der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen stattgefunden hätten, über die vorab keine hinreichende Abstimmung „innerhalb des Sekretariats“ erfolgt sei. Nach einer intensiven Aussprache wurde zur künftigen Vermeidung von unkontrollierten Gesprächen mit Staatsvertretern einige Vorgaben verabredet: „1. Gespräche von Referenten sind beim Leiter des Sekretariats anzumelden, dabei wird die weitere Verfahrensweise festgelegt (Einzelgespräch, Zweiergespräch etc.). 2. Über jedes in der Dienststelle des Staatssekretariats [sic] für Kirchenfragen geführte Gespräch ist anschließend ein Vermerk anzufertigen. 3. Grundsätzliche Gespräche über Sachfragen sind nur in Übereinstimmung mit dem Vorstand zu führen.“113

Derart sollte versucht werden, eine verbindlichere Struktur für die Gestaltung der Staat-Kirche Beziehungen aufzubauen, um die potentiellen, sowieso schwer kalkulierbaren Verhandlungs- und Einflussmöglichkeiten des Bundes und seiner führenden Vertreter in der DDR-Gesellschaft nicht durch unnötige Pannen zusätzlich zu gefährden. 112 R. Henkys: Die besondere Gemeinschaft – Chancen und Probleme in den Beziehungen der evangelischen Kirchen in den beiden deutschen Staaten, S. 1f., 5, 12, 15, 19 (EZA, 643/94/7,1). – Im Blick auf seinen Vorschlag für die gemeinsame Denkschrift verwies Henkys auf seinen in KiSo 5/1984 (S. 12–15) erschienenen Aufsatz „Dialog-Gemeinschaft. Chancen und Probleme in den Beziehungen der evangelischen Kirchen in beiden deutschen Staaten“. 113 Protokoll (Kürschner) der 497. Sitzung der AGK am14.5.1985, S. 1 (EZA, 688/116).

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Arbeitsbeginn der „neuen“ Beratergruppe: Auswertung des gemeinsamen Wortes zum Frieden – Irritationen über ein „Ja“ der EKD zur Demokratie und einen Artikel in der Frankfurter Rundschau Am 19. Juni trat die Beratergruppe erstmalig in ihrer neuen Besetzung114 zusammen und ließ sich zunächst aus diesem Grund und anlässlich des bevorstehenden 15. Jahrestags des Ost-West-Kreises vom Leiter der Berliner Stelle seine Ausarbeitung zu „Geschichte, Aufgabe und Arbeitsweise der Beratergruppe“ vortragen. Lingners Referat hatte eher den Charakter einer persönlichen Erinnerung aus der Perspektive des damaligen „Geschäftsführers“, und so setzte die „Erzählung“ auch mit seinem Vermerk vom 11. Oktober 1969 ein, in dem er Stolpes Bitte festgehalten hatte, Lingner möge für eine erste Zusammenkunft der Vertreter von Bund und EKD eine Tagesordnung erstellen. Er untergliederte seine Ausführungen in die drei prosaisch getitelten Abschnitte „Erinnerung“, „Bilanz“ und „Nörgeleien“, wobei Teil 1 nur eine Seite, die anderen beiden Abschnitte jeweils drei Seiten umfassten. Lingner erinnerte an die Probleme, mit denen die Gründungsmitglieder aus der EKD zuweilen beim Grenzübergang in die DDR umzugehen hatten und die zusätzliche und Neuberufungen nötig machte. Da als positive Auswirkung der Grundlagenverträge von 1972 auch den Mitglieder des Rates der EKD die Einreise nach Ost-Berlin gestattet wurde, sei die Beratergruppe im Jahr 1974 neu besetzt worden und habe westseitig bis 1979/1980 Bestand gehabt. Der dann berufene Personenkreis habe bis zur kürzlich erfolgten Umstrukturierung die Sitzungen mit den BEK-Vertretern bestritten. Unter dem Punkt „Bilanz“ schilderte Lingner auch den Versuch Hammers, im Jahr 1978/1979 eine Neuordnung der Beratergruppe durchzusetzen und eine zusätzliche, kleinere Gruppe zu bilden, in der mehr Vertraulichkeit sichergestellt sei, womit der Präsident der EKD-Kirchenkanzlei im Grunde die Gründung der Konsultationsgruppe antizipiert habe. Dieses Vorhaben sei gescheitert, so dass bis heute die von der Konferenz formulierte und auch vom Rat Ende 1975 beschlossene Aufgabenbestimmung der Beratergruppe gelte. Lingner konstatierte, dass allerdings die dort benannte Anregung theologischer Gespräche mit einer beziehungsweise zwei Ausnahmen115 nie umgesetzt worden sei und zählte dann die Schwerpunktthemen auf, die im Laufe der Jahre in der Beratergruppe 114 Seitens des Bundes waren – wie einer auf den 9.6.1985 datierten Liste zu entnehmen ist – noch drei Veränderungen vorgenommen worden: Demke, ursprünglich als Stellvertreter für die Mitglieder der KPS berufen, war offenbar nicht an den Gesprächen des Gremiums beteiligt. Der Direktor des Diakonischen Werks der DDR, Petzold, wurde als ordentliches Mitglied aufgeführt, und Schultheiß war nicht mehr als Stellvertretung für Leich, sondern für Lewek vorgesehen (EZA, 101/3134). 115 Er nannte hier Beratung über Gewalt und Gewaltanwendung sowie die Beteiligung von Kraske, Schmale und Lingner an der Untergruppe IV der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, die in der DDR im Zuge der „Eisenacher Empfehlungen“ gebildet worden war.

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verhandelt worden waren. Die Gesamtbilanz bezeichnete Lingner als „imponierend“, relativierte jedoch die beeindruckende Themenvielfalt durch die im dritten Abschnitt skizzierten Differenzen, gegenseitigen Verletzungen innerhalb des kirchlichen Ost-West-Gesprächskreises und die faktische Uneffektivität, die der Beratergruppe im Blick auf ihre Außenwirkung als Impulsgeber anzulasten sei. Die letzte „Nörgelei“, die in Lingners Vortrag zur Sprache kam, war die auch in Henkys Referat thematisierte „Einmischungsfrage“. Der Leiter der Berliner Stelle erinnerte in diesem Kontext an die Pressemitteilung der EKD zur Selbstverbrennung des Pfarrers Brüsewitz im Jahr 1976, die die Kritik des Bundes hervorgerufen hatte und die erst jüngst anlässlich verschiedener Äußerungen des BEK zur Friedensfrage – unter umgekehrten Vorzeichen – wieder aufgenommene Debatte um das Reden im jeweils anderen Bereich.116 Abschließend betonte Lingner, dass die Durchsicht aller Akten der Beratergruppe den Vorteil mit sich gebracht habe, dass „die negativ oder positiv besetzten Erinnerungen […] ein gewisses Korrektiv“ erhalten hätten. Sicher sei, dass die Kritiker mit ihren „Nörgeleien“ eine ihnen wichtige Angelegenheit „gerne verbessern aber ganz sicher nicht vom Tisch fegen wollten“. Die knappe persönliche Bilanz Lingners soll an dieser Stelle ungekürzt wiedergegeben werden: „Der Geschäftsführer (West) – der war ich ja nun seit 1969 – hat mit fröhlicher Unbefangenheit in Briefen und Vermerken niedergeschrieben, was den Nachgeborenen – wenn denn die Akten zur Prüfung und Forschung freigegeben werden – einiges Kopfschütteln abnötigen wird. Ich bin aber sicher, daß mir in diesem Kreise Nachsicht und – wenn nötig – auch Vergebung zugesprochen wird, so daß ich über mich selbst urteilend feststellen kann: Im Dienst der B’Gr in Ehren ergraut.“117

In der anschließenden Aussprache versuchten die neuen Mitglieder der Beratergruppe, sich über den „Stellenwert“ klar zu werden, den die Zusammenkünfte für die Teilnehmer habe. Sie waren sich einig, dass die Beteiligten „für ihre Beiträge inhaltlich kein durch kirchenleitende Beschlüsse begrenztes Mandat“ hätten und somit ohne Bindung an jedwede „Vorgaben“ ihre eigenen Ansichten vertreten könnten. Während die Mitglieder aus dem EKD-Bereich feststellten, dass für sie die „Interpretationen“ einzelner Vorgänge weitaus wichtiger seien als die im Regelfall bereits bekannten „Informationen“ als solche, machten die östlichen Teilnehmer mit ihren Wortmeldungen deutlich, dass sie die in dieser Weise neustrukturierte Beratergruppe als ideales Forum des Dialogs zwischen 116 C. von Heyls bei der Sitzung der Beratergruppe am 6.9.1984 vorgetragenes Referat zu diesem Thema wurde in KiSo 2/1985 (11. Jg.), S. 48–50, mit dem Titel „Einmischung in innere Angelegenheiten?“ veröffentlicht. 117 O. Lingner: Ausarbeitung zu Geschichte, Aufgabe und Arbeitsweise der Beratergruppe vom 19.6.1985, S. 1, 8 (EZA, 4/92/16).

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BEK und EKD betrachteten. Sie hoben hervor, dass gerade die Möglichkeit geschätzt werde, „mit einer größeren Gruppe aus verschiedenen Landeskirchen und Bereichen der EKD Erfahrungen und Meinungen auszutauschen“. Einen vergleichbaren Eindruck von dem Meinungspluralismus innerhalb der EKD könnten sie sich in Unterredungen mit einzelnen westlichen Kirchenvertretern oder in kleinen „homogenen Gruppen“ nicht verschaffen. Auch die Parallelität und teilweise sogar übereinstimmende personelle Besetzung von Treffen der „Beratergruppe“, der beiden EKU-Bereichsräte und Kirchenleitungen von VELKD und VELKDDR werde nicht als „bloße Wiederholung“ empfunden, denn der Ost-West-Gesprächskreis sei „etwas eigenes und besonderes“ und könne nicht „‚ersetzt‘ werden durch das, was auf anderen Ebenen kirchlicher Gemeinsamkeit praktiziert“ werde. Dass keine eindeutige Klärung des Verhältnisses des Beratungsgremiums zur Konsultationsgruppe118 erfolgt sei, wurde von den Anwesenden nicht als problematisch angesehen, zumal die Antworten auf die Fragen, welche Aufgaben die eine oder die andere Gruppe habe und wie die wechselseitigen Beziehungen zu beurteilen seien, sich bei der praktischen Arbeit eher von selbst ergeben würden als infolge einer theoretischen Festlegung. Entscheidend sei der von allen geteilte Wunsch nach wechselseitiger Information. Hinsichtlich der Strukturierung der Zusammenkünfte sollte an der regelmäßigen Behandlung eines Schwerpunktthemas festgehalten werde. Als zusätzliche feste Tagesordnungspunkte wurde der in den Anfängen der Beratergruppe immer von Kramer gegebene Überblick über Meldungen in den DDR-Zeitungen sowie ein Bericht des EKD-Ratsbevollmächtigten oder seines Vertreters über den „politischen Kontext kirchlicher Arbeit“ angeregt. Wie bereits auf der Konsultation am 13. Mai mitgeteilt worden war, berichtete Hempel den Anwesenden bei einem Rückblick auf die Veranstaltungen zum 8. Mai 1945 und das Echo auf das gemeinsame „Wort zum Frieden“, dass der Meinungsaustausch in den einzelnen Gemeinden gleichermaßen kontrovers wie diffus verlaufen sei, das „Wort“ von Bund und EKD allerdings „keine große Resonanz im Kirchenvolk ausgelöst (vielleicht ‚Langzeitwirkung‘?)“ habe. Hingegen sei man in der DDR „fasziniert und gelegentlich auch konsterniert“ gewesen, wie „lebhaft“ die Reaktionen in der Bundesrepublik ausgefallen seien. Da er als Vertreter der EKD an den Veranstaltungen der Kirchen zum 8. Mai in der DDR teilgenommen hatte, gab Hild, seit kurzem Vorsitzender des GEP, seinen Eindruck wieder, dass es möglich sei, in einer Gemeinschaft von Christen die Vergangenheit aufzuarbeiten. Hild bewertete dies als Zeichen der Hoffnung auch für die „Friedensdiskussion 118 Ausgesprochen interessant war dabei, welche beiden Möglichkeiten in Betracht gezogen wurden: „‚Konsultationsgruppe‘ = Kern der Beratergruppe (sozusagen das Eigentliche) oder ‚Konsultationsgruppe‘ = Arbeitsgremium der Beratergruppe mit speziellem Auftrag“.

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zwischen den Kirchen“. Hinsichtlich der dem gemeinsamen „Wort zum Frieden“ zustimmenden Äußerungen in der Öffentlichkeit und von Politikern gab Hammer zu bedenken, dass dies „(auch) ein Zeichen des Mißverständnisses“ sei, zumal das „seelsorgerliche Wort“ der Kirchen letztlich als „politisches Wort zum Tage“ verstanden werde. Hammer betonte, dass die EKD „immer und immer wieder“ mit diesem Problem konfrontiert werde.119 Am 8. Juli fand sich der Leiter des BEK-Sekretariats wieder einmal in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen ein, um über die Druckgenehmigung für das kirchliche Material zu verhandeln, dass bei der im November zum fünften Mal in der DDR zu veranstaltenden Friedensdekade verwendet werden sollte. Hauptabteilungsleiter Heinrich stellte die Forderung, „das Symbol ‚Schwerter zu Pflugscharen‘ solle auf dem Plakat und auf dem Leporello weggelassen werden, wenigstens müßte die Umschrift wegfallen. Das sei auch im vorigen Jahr so gewesen“. Ziegler widersprach, dass das Symbol 1984 zumindest auf den Plakaten abgebildet worden sei und fügte selbstbewusst hinzu, mittlerweile müsse doch deutlich sein, dass die Kirchen nicht auf ihr Zeichen der Friedensdekade verzichten könnten.120 Heinrich wiederholte darauf seinen Verdacht, es werde auf eine „Internationalisierung der Friedensdekade“ hingearbeitet. Dem setzte Ziegler entgegen, dass alljährlich Gäste aus der Ökumene zu den Friedensdekaden in die DDR eingeladen würden, der BEK mit den Kirchen dieser Länder in kontinuierlichem Kontakt stünde und vor allem auch Gespräche zur Friedensthematik führe. Zwar erhob Heinrich keinen Einspruch, konstatierte jedoch, dass grundsätzlich zu den zehntägigen Friedensveranstaltungen keine ausländischen Referenten eingeladen werden sollten und der Staat ihnen die Genehmigung einer Einreise verweigern werde: „Auch bei den ökumenischen Gästen aus den Ländern, mit denen der Bund ständige Beziehungen hat, sollte angegeben werden, wenn ein Grußwort oder ein Beitrag von den Gästen erwartet wird.“ Der Leiter des Sekretariats stellte in Aussicht, Heinrich in Kürze „Vorabinformationen“ über die Heimatkirchen der einzuladenden Gäste auszuhändigen, woraufhin der Staatsvertreter einräumte, im Falle einer vorherigen klaren Absprache „könnte man auch bei den sonst einzuhaltenden Fristen großzügiger sein“. Anschließend legte Heinrich Ziegler eine dpa-Meldung vom 27. Juni vor, aus der hervorging, dass der Ende Mai zum Präses der EKD-Synode gewählte Jürgen Schmude in einem Interview [idea] für „eine grenzübergreifende Kirche“ plädiert habe. Mit derartigen Stellungnahmen fiele man „zurück in längst

119

Vermerk Lingner o. D., S. 2ff. (EZA, 4/92/16). Zu den grundlegenden Auseinandersetzungen um das Symbol zwischen 1980 und 1983 vgl. A. SILOMON, „Schwerter“. 120

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vergangene Zeiten“ und der Kirche solle sich „nicht wundern“, wenn der Staat möglicherweise „zu restriktiven Maßnahmen“ greife.121 Wie aus einem staatlichen Vermerk hervorgeht, kam Präses Schmude, nachdem er sich zu Beginn des von ihm gewünschten „Antrittsbesuchs“ bei Staatssekretär Gysi am 28. August als Politiker charakterisiert hatte, der zugleich immer ein Mann der Kirche gewesen sei122, von selbst auf seine „sehr unvorsichtige“ Bemerkung zu sprechen, dass „Staatsgrenzen doch nicht unbedingt auch Grenzen kirchlicher Strukturen bleiben müßten“. Leider sei seine Äußerung sogleich in Bezug zur Tagespolitik gesetzt worden, wie auch das Interview überhaupt „außerordentlich unglücklich“ gewesen sei. Daraus ergebe sich für ihn die Konsequenz, mit der Redaktion von idea nicht mehr zusammenzuarbeiten. Schmude nahm gleichfalls Abstand von seiner „Erklärung z. B. zur Wiedervereinigung, die ja viel Staub aufgewirbelt hat“ und bekräftigte, man kenne ihn ja in der DDR gut genug, um zu wissen, „daß er um Gottes willen nicht einer Wiedervereinigung der Kirchen das Wort geredet“ habe. Der Bund habe seine Haltung in dieser Angelegenheit dem Staat gegenüber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, und innerhalb der EKD werde grundsätzlich der gleiche Standpunkt eingenommen: „Die Kirchen lehnten eine solche Möglichkeit völlig ab.“ Gysi wies auf die 1969 mit der BEK-Gründung getroffene „klare“ Vereinbarung hin, dass die Organisationsmöglichkeiten der Kirchen an der Staatgrenze endeten, und betonte, der Kirchenbund wisse um diese „Selbstverständlichkeiten“ und wolle sie auch nicht ändern. Schmude gab dem Staatssekretär nicht nur recht, sondern fügte hinzu: „Niemals könne es Aufgabe der Kirche sein, zum Beispiel eine eigene deutsche Nation zu erhalten oder zusammenzuhalten. Sie dürfe sich auch für solche ‚aufgesetzten Bestrebungen‘ nicht mißbrauchen lassen. Ebensowenig könne die Kirche ein Vehikel für die Deutschlandpolitik sein, weder unmittelbar noch mittelbar. Der kirchliche Bereich bilde kein Feld für solche Bestrebungen. Ebensowenig könne die Kirche eine Klammerfunktion ausüben. Das sei ihrem Wesen nach keine kirchliche Aufgabe. Sie solle Christen und Gemeinden zusammenhalten und nicht Bürger verschiedener Staaten. Grenzen seien kein Gegenstand der Diskussion. Wer diskutieren wolle, der destabilisiere die Lage. Wer das tue, würde auch noch das verlieren, was an Gemeinsamkeiten erhalten ist. Die Kirche müsse vor allem ihre eigene Identität wahren.“ 121

Vermerk Ziegler vom 10.7.1985, S. 1 (EZA, 101/4715). Schmude erläuterte Gysi, dass einige Kirchenmitglieder es offenbar als „gewissen Schock“ empfunden hätten, dass ein „prominenter SPD-Politiker“ nun Präses der EKD-Synode sei. Seine Wahl habe sogar vereinzelte Austritte aus der Kirche zur Folge gehabt. Ehemalige CDU-Mitglieder hingegen wären in dieser Funktion „stets selbstverständlich akzeptiert worden“. Zuletzt war Schmude stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Vors. des Arbeitskreises II (Inneres, Bildung, Sport) gewesen, hatte jedoch mit der Wahl zum Präses der Synode der EKD auf diese Funktionen verzichtet. 122

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An diese der staatlichen Erwartungshaltung sicherlich mehr als entgegenkommende Stellungnahme knüpfte Gysi sogleich die Frage an, ob Schmude präziser definieren könne, welche zu bewahrenden Gemeinsamkeiten zwischen BEK und EKD bestünden. Die Antwort des Präses, beide Kirchen seien um die Pflege der „religiösen Spezifik“, der „Traditionen“ sowie der „Besonderheiten im Rahmen des kirchlichen Bereichs“ bemüht, wertete der Staatssekretär, wie im Gesprächsvermerk festgehalten ist, wenig zufrieden als „Reduktion“. In diesem Kontext habe Schmude nochmals bekräftigt, keinesfalls die Haltung „jener Pfarrer“ gutheißen zu können, die die Politik anstelle der ureigenen kirchlichen Aufgaben, der Evangeliumsverkündigung und der seelsorgerlichen Tätigkeit, setzen wollten. Da die Kirchen in der DDR ihre Standpunkte gegenüber den Kirchen in der Bundesrepublik „immer klar formuliert und sehr entschieden vertreten“ hätten, seien sie „zu einer ständigen Herausforderung“ für die EKD geworden. Ausschließlich deswegen sei es zum „gemeinsamen Wort“ zum 8. Mai 1945 gekommen.123 Den Mitgliedern der Beratergruppe präsentierte Heidingsfeld auf ihrer Zusammenkunft am 18. September einige Überlegungen zu der Möglichkeit, ein ökumenisch angelegtes „Konzil des Friedens“ der Kirchen zu veranstalten. Auf dem Düsseldorfer Kirchentag Anfang Juni war dazu aufgerufen und diese Anregung bereits mit positiver Tendenz auch in den Synoden von BEK und EKD diskutiert worden, während sie mit größerer Zurückhaltung noch in den Konsultationen thematisiert werden sollte. Den dann folgenden Tagesordnungspunkt, die Denkschrift der EKD „Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie“124, hatten die Mitglieder der Konsultationsgruppe bereits auf ihrer Klausurtagung Ende Juli behandelt. Den Teilnehmern der Beratergruppe gab Schmude einen Einblick in Inhalt und Intention der Denkschrift, setzte dabei allerdings andere Schwerpunkte als gegenüber der Konsultationsgruppe, wo er vor allem betont hatte, dass sich die Schrift allein mit der Situation in der Bundesrepublik befasse und auf jegliche Vergleiche oder kritischen Verweise auf andere Staaten verzichtet worden sei. Vor diesem Gremium wies er ausdrücklich darauf hin, dass das „Ja“ der EKD zur demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik nicht als „Ja“ zur Bundesregierung zu missdeuten sei. Es komme ebenfalls einer Fehlinterpretation gleich, wenn man der Denkschrift „unterstellen“ würde, sie wolle eine „christliche Staatstheorie“ vorstellen. Sehr kritisch äußerte sich sogleich Domsch. 123 Vermerk (o. A.) vom 30.8.1985, mit Paraphe „EH 30.8.85“, S. 1f. (SAPMO-BArch, DY 30/vorl. SED 35483). 124 Die zu diesem Thema schon lange geplante und von der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung erarbeitete Denkschrift „Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie. Der Staat des Grundgesetzes als Angebot und Aufgabe“ (1.10.1985) wurde am 17.10.1985 in der Bundeshauptstadt der Öffentlichkeit vorgestellt. Vgl. auch die 2. Lieferung des KJ 1985 (112. Jg.), S. 144–162.

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Allein die Tatsache, dass die EKD ihre Haltung zur Demokratie in dieser Form öffentlich kundgetan habe, setze die Kirchen in der DDR unter Zugzwang, ihr „Verhältnis zur sozialistischen Ordnung der DDR in einer solchen Stellungnahme [zu] bestimmen“. Domsch erkundigte sich nach dem „Stellenwert“ derart „hochrangiger Äußerungen“ der EKD zu bestimmten Fragen. Es könne „der Eindruck entstehen, dass die Denkschrift mehr das politisch Vernünftige als das vom Glauben her Gebotene formuliert hat“. Dem Votum von Domsch schloss sich eine hitzige Debatte an, in der die östlichen Mitglieder der Beratergruppe die „Spannung“ ausmachten, die zwischen den „‚Vorbehaltsklauseln‘ der Denkschrift“, also der Beschränkung der Aussagen auf das Verhältnis der bundesdeutschen Christen zur demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik und den „(scheinbar) viel grundsätzlicheren Ausführungen im Text selbst“ bestünde. Die Begrenzung auf die Bundesrepublik sei dadurch nicht mehr klar erkennbar, dass von der Demokratie „als solcher“ und der Kirche „als solche“ gesprochen werde.125 Der Vorstand der KKL musste sich auf seiner Sitzung Anfang Oktober mit einem weiteren Problem befassen, das die Beziehungen zwischen den beiden Kirchen unmittelbar betraf. Der Ost-Berliner Korrespondent der westdeutschen Tageszeitung Frankfurter Rundschau hatte in seinem Artikel „Die Besserwisser aus dem Westen. Das Verhältnis der Kirchenführer in der DDR zu Bonn ist gespannt“, der am 26. September abgedruckt worden war, einige interne innerkirchliche Auseinandersetzungen zum Thema „Einmischung“ geschildert, die mit Hempels Grußwort auf der EKD-Synode in Worms 1983 ihren Anfang genommen hätten. Ein KKL-Mitglied habe bei einer gemeinsamen Sitzung von Bund und EKD im Oktober 1984126 mitgeteilt, dass er es „endgültig leid“ sei, dass die Kirchen in der Bundesrepublik wahrlich „keine Gelegenheit ausließen, dem Kirchenbund regelrecht einen Sündenkatalog über sein Verhalten vorzuhalten“, woraufhin es „doll gerumst“ habe. Der Journalist Karl-Heinz Baum war zu der Einschätzung gelangt, dass seitdem zwischen den Leitungsgremien von BEK und EKD der „Haussegen schief hängt“, dies jedoch nicht öffentlich thematisiert werde, weil die DDR-Kirchenvertreter um ihre finanzielle Unterstützung durch die EKD fürchteten. Ein Mitglied der KKL aus Dresden habe bemängelt, dass die „westdeutschen Kirchenführer hier der Entfremdung Vorschub leisteten“ und die „altgewohnte Herzlichkeit“ dahin sei. Baum erläuterte, dass die Kirchen in der DDR sich „als so etwas wie das Gewissen im zweiten deutschen Staat“ empfänden und in der Vergangenheit für ihre Anstrengungen, die Sorgen 125

Vermerk Lingner vom o. D., S. 2f. (EZA, 4/92/16). Möglicherweise war die Tagung der Konsultationsgruppe am 29.10.1984 gemeint, bei der über den Begriff „Grundvertrauen“ recht kontrovers debattiert worden war. Jedoch schreibt Baum von einem Treffen der „Vertreter der Verwaltungen“ in der Auguststraße. 126

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der „einfachen Menschen öffentlich zu Gehör“ zu bringen, häufig von den SEDMachthabern gerügt worden seien. „Nun haben sie aber den Eindruck, daß ihnen der Westen bei ihrem schwierigen Balanceakt in den Rücken gefallen ist. Die ‚besondere Gemeinschaft‘, zu der sich die Kirchen in Deutschland Ost und West offiziell bekennen, werde […] in Grußworten beschworen, aber der Tag sei offenbar nicht mehr fern, wo diese Gemeinschaft nur noch auf dem Papier stehen könnte.“

Mit dem Einmischungsvorwurf, so habe ein „DDR-Kirchenführer in Dresden im Privatgespräch“ geäußert, könnte die EKD den Bund zu einer stärkeren Annäherung an die SED-Regierung veranlassen. Das sei doch sicher nicht im Sinne des Westens, aber möglicherweise bliebe den Kirchenvertretern in der DDR keine andere Wahl. Baum verdeutlichte dann, dass innerhalb des BEK auch die Ansicht vertreten werde, die EKD habe im Jahr 1982 beim Wechsel von der sozial-liberalen Koalition zur CDU/CSU-Regierung „problemlos die ‚Wende‘ vollzogen“, identifiziere sich ihrerseits in hohem Maße mit den Bonnern und nehme besonders viel Rücksicht auf staatliche Empfindlichkeiten. Während sich die Vertreter der Regierungen Brandt und Schmidt auf dem Wege offizieller Kontakte zu den Kirchen in der DDR stets um einen Einblick in die Beschwernisse und Wünsche der DDR-Bürger bemüht hätten, blieben die gelegentlichen Gespräche mit Mitgliedern der CDU/CSU-Regierung zumeist ergebnislos, weil diese bereits vorher alles zu wissen meinten und sich verhielten „wie der große Onkel aus Amerika“. Ziegler hatte den Artikel unter den Vorstandsmitgliedern verteilt, und diese kamen nach einer längeren Debatte zu dem einhelligen Urteil, dass eine grundsätzliche Distanzierung von „Inhalt und Stil des Artikels“ unerläßlich sei. Der Vorsitzende wurde gebeten, Lohse, von Keler, Hammer und Binder über den Standpunkt des Vorstands zu informieren.127 Am gleichen Tag noch schrieb Hempel an die vier EKD-Vertreter, um ihnen dies mitzuteilen. Er fügte hinzu, dass die Mitglieder des KKL-Vorstands annähmen, dass Baum, der ihm im Übrigen persönlich nicht bekannt sei, „mit diesem Artikel zu unseren Lasten [habe] der CDU-Regierung ‚eins auswischen‘“ wollen: „Insofern sehen wir uns mißbraucht.“ Falls es seitens der EKD erwünscht werde und sinnvoll erscheine, wolle der Vorstand ferner seine Bereitschaft zum Ausdruck bringen, „mit Vertretern der CDU-Regierung in Kontakt zu treten“.128 Als Erster reagierte am 16. Oktober der Ratsvorsitzende der EKD, Lohse, um Hempel mit großer Gelassenheit zu erläutern, dass die Beunruhigung des Kirchenbundes gänzlich unnötig sei: 127 Protokoll (Kupas/Lewek) über 178. Sitzung des KKL-Vorstands am 9.10.1985 in Berlin, S. 2 (EZA, 101/3083). 128 Schreiben Hempel an Lohse/Hammer/von Keler/Binder vom 9.10.1985 (EZA, 101/3083).

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„Wir müssen in unserer offenen Gesellschaft damit leben, daß in der Presse mancherlei Spekulationen und gelegentlich deutlich erkennbarer Unsinn veröffentlicht werden. Uns beunruhigen derlei Erscheinungen nicht gar so leicht – besonders dann nicht, wenn wir mit Ihnen im Bund der evangelischen Kirchen in der DDR im ständigen freundschaftlichen Gedankenaustausch stehen. Daß dieser Gedankenaustausch selbstverständlich einschließen muß, über schwierige Fragen in aller Offenheit miteinander zu reden, versteht sich“.

Um sich darüber zu verständigen, wie die Kirchen sich gegen solche „unvertretbaren“ Presseveröffentlichungen zur Wehr setzen könne, bot Lohse Hempel ein gemeinsames Gespräch an.129 Ganz ähnlich äußerte sich der Ratsbevollmächtigte und nebenamtliche Militärbischof Binder Ende Oktober. Er schickte voraus, dass er angesichts der zahlreichen Unterredungen mit Vertretern des Bundes und den Treffen der gemeinsamen Konsultationsgruppe nicht die geringsten Zweifel daran gehabt habe, dass die östlichen Brüder Baums Schilderungen entschieden widersprechen würden: „Unser Gedankenaustausch ist ganz und gar vertrauensvoll und brüderlich. Gerade darum brauchen wir gegenseitig es an der Offenheit nicht fehlen zu lassen.“ Bedauerlich sei für ihn allerdings, dass ihm gegenüber Baum, den er ebensowenig persönlich kenne, als ein im Blick auf die DDR-Berichterstattung „recht einfühlsamer Journalist“ charakterisiert worden sei. Da es tatsächlich nur wenige in dieser Hinsicht kompetente bundesdeutsche Pressevertreter gebe, sei es um so betrüblicher, dass der Korrespondent der Frankfurter Rundschau einen auf „Stammtischgerede“ basierenden Artikel verfasse, der beim „normalen Leser“ Irritationen hervorrufen müsse. Baum habe sich in Ermangelung eigener Kenntnisse über das wirkliche Verhältnis von Bund und EKD auf zweifelhafte „Quellen“ gestützt: „Er hätte besser geschwiegen. Aber das erzählen Sie einmal einem westlichen Journalisten. So ist das nun einmal. Bei Ihnen wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Bei uns schreibt man flott daher. Und beeinträchtigt dabei – vermutlich ohne bösen Willen – die Verantwortungsgemeinschaft, in der wir tatsächlich stehen. Die Engländer sagen: Take ist easy. Bei uns ist die Tageszeitung von gestern Makulatur. Sie wissen, daß ich mir – um meinen Vorgänger zu zitieren – eine ‚Hundemühe‘ gebe, Ihre Auffassungen und Argumente so gerecht und genau wie möglich in Bonn zu interpretieren. Daran wird sich bestimmt nichts ändern.“130

Die KKL wurde am 8./9. November gleichfalls über die Angelegenheit und über die bereits von Hempel versandten Briefe unterrichtet. Bei einer Aussprache über die Bundessynode, die vom 20. bis zum 24. September in Dresden getagt hat129 130

Schreiben Lohse an Hempel vom 16.10.1985, S. 1 (EZA, 101/3083). Schreiben Binder an Hempel vom 29.10.1985, S. 1f. (EZA, 101/3083).

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te, wurde wiederum die – auf dieser Tagung allerdings vom Staat untersagte – westliche Presseberichterstattung thematisiert. Das Verbot habe zur Folge gehabt, dass vor allem die Journalisten aus der Bundesrepublik, die keine Zulassung erhalten hatten, „polemische und unzutreffende“ Berichte verfasst hätten. Hinsichtlich der Berichterstattung durch das Fernsehen wurde konstatiert, die Synode der EKD in Trier131 habe gezeigt, dass hier die Situation für die Kirchen in der Bundesrepublik und der DDR keine relevanten Unterschiede aufweise, zumal das Fernsehen an limitierte Sendezeiten gebunden sei und die Berichte noch schneller fertiggestellt werden müssten, so dass es zwangsläufig zu starken Verkürzungen und einer grundsätzlich unausgeglichenen Schwerpunktsetzung auf spezielle Gesichtspunkte komme. Es müsse auch den Vertretern des Staates verdeutlicht werden, dass durch diese Vorgehensweise bei der Medienberichterstattung manchen auf der Synodaltagung getroffenen Aussagen ein Stellenwert verliehen werde, den sie im Gesamtkontext nicht hatten.132 Die SED behindert, Hempel und Leich schätzen, von Keler skizziert und Kraske deutet die „besondere Gemeinschaft“ der evangelischen Kirchen In einem Gespräch Zieglers mit Heinrich in der Dienstelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen ging es am 11. November wiederum um die Berichterstattung und die Teilnahme von Gästen an der DDR-weiten Friedensdekade, die unter dem Motto „Frieden wächst aus Gerechtigkeit“ am Tag zuvor begonnen hatte. Der Leiter des Sekretariats des Bundes kritisierte die staatliche Entscheidung, WestBerliner Altbischof Scharf und Paul Oestreicher, dem Leiter des Außenamtes des Britischen Kirchenrates, keine Einreisegenehmigung zu erteilen, als „Beeinträchtigung der ökumenischen Arbeit“ des BEK. Er wies zudem darauf hin, dass es gleichermaßen schwer nachvollziehbar wie vermittelbar sei, nach welchen Kriterien der Staat die Einreise ökumenischer Gäste in die DDR verweigere oder ihr zustimme. Als Demke noch das BEK-Sekretariat geleitet habe, sei man zwar der staatlichen Forderung nachgekommen, „zu den Eröffnungsveranstaltungen keine spektakulären Redner aus dem Ausland“ einzuladen, doch habe der Kirchenbund immer darauf bestanden, dass Gäste aus der Ökumene die Möglichkeit zur Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen eingeräumt werde. Seitens des Staates sei dieser unausgesprochenen Regelung auch niemals ausdrücklich widersprochen worden. Hauptabteilungsleiter Heinrich betonte, dass die Einreiseverweigerungen nicht mit der Person Scharfs oder Oestreichers, sondern vielmehr mit der derzei131

2. Tagung der 7. Synode der EKD vom 3.–8.11.1985 in Trier. Protokoll (Ziegler/Kürschner) der 101. KKL-Tagung am 8./9.11.1985 in Berlin, S. 4 (EZA, 101/3068). 132

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tigen Situation und den jüngsten „provokativen Berichterstattungen der Westmedien“ im Zusammenhang stünden. Der Altbischof und der anglikanische Priester könnten unmittelbar nach Abschluss der Friedensdekade in die DDR einreisen, und Staatssekretär Gysi werde sie gerne zu einer Aussprache bei sich empfangen. Abschließend befragte Heinrich – offenbar zum wiederholten Mal – Ziegler nach dem Einfluss und dem Stellenwert der kirchlichen Synoden. „Es sei die alte Frage, wer eigentlich in den ev. Kirchen das Sagen habe“, so der Staatsvertreter. Geduldig erklärte ihm der Leiter des Sekretariats die „Strukturen und Zuständigkeiten in den ev. Kirchen“ und verdeutlichte, dass es innerhalb der acht Gliedkirchen des Bundes so manche Unterschiede gebe.133 Zu dem Tagesordnungspunkt „Verhältnis zwischen EKD und BEKDDR“ informierte Schmude die Mitglieder des Rates der EKD auf ihrer Sitzung Mitte Dezember über die Zusammenkünfte der Berater- und der Konsultationsgruppe am 4. Dezember. Während im erstgenannten Gremium die Frage „Was gilt in der Kirche?“ im Mittelpunkt der Verhandlungen gestanden habe und nur kurz über den Umgang mit Waffendienst- und Totalverweigerern in der DDR beraten worden sei, habe die Konsultationsgruppe sich mit mäßigem Erfolg um die Ausarbeitung eines „schriftlichen Zwischenberichts nach Neubildung der kirchenleitenden Gremien“ bemüht. Die Vertreter von Bund und EKD seien bezüglich eines gemeinsamen Wortes nach Abschluss der Verhandlungen zwischen Ronald Reagan und Michail Gorbatschow in Genf überein gekommen, das „Wort“ beider Kirchen unter den Leitgedanken der „Versöhnung“ zu stellen. Einige grundsätzliche Anmerkungen zu den Beziehungen von BEK und EKD machte von Keler, unter anderem wies er auf die vielen differenzierten Kontakte zwischen den Kirchen hin, die das ganze breite Spektrum kirchlicher Aktivitäten und Denkweisen zeigten. Spannungen sollten nicht überbetont und könnten offen besprochen werden. Trotz der Schwierigkeiten der Staat-Kirche-Beziehungen im Blick auf das Bildungswesen, für den der Staat das Monopol beanspruche, herrsche insgesamt der Eindruck, der Staat wolle Ruhe im Verhältnis zu den Kirchen. „Pragmatiker bestimmen die Politik in der DDR.“ Die EKD müsse alle Kontaktmöglichkeiten nutzen, um einer weiteren Entfremdung entgegenzuwirken. Die „besondere Gemeinschaft“ solle – unter Berücksichtigung des europäischen Kontextes – weitergeführt und ausgebaut werden.134 Der KKL-Vorstand ließ sich am 19. Februar 1986 von Ziegler die Aufgabenstellung und Tätigkeit der Beratergruppe erläutern und über die bisherige Besetzung in Kenntnis setzen. Da sich nach Ablauf der Legislaturperiode einige 133

Vermerk Ziegler vom 15.11.1985, S. 1f. (EZA, 101/4716). Auszug Niederschrift über die 2. Sitzung des Rates der EKD am 13./14.12.1985 in Hannover (EZA, 673/91/31). 134

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personelle Veränderungen in Vorstand und Konferenz ergeben hatten, berieten die Vorstandsmitglieder eingehend über eine Neuberufung auch des Beratergremiums, um der KKL den entsprechenden Vorschlag zur Beschlussfassung vorlegen zu können: An die Stelle Wahrmanns sollte der neue Präses der Bundessynode, Rainer Gaebler, treten, und Jaeger durch den stellvertretenden KKLVorsitzenden Gienke ersetzt werden. Leich werde nur noch außerordentliches Mitglied sein, der „frei werdende Platz“ von der mecklenburgischen Landeskirche besetzt werden sowie Demke vom Status des Stellvertreters zum zukünftig außerordentlichen Mitglied wechseln.135 So beschloss die KKL auf ihrer Tagung Anfang März über folgende Zusammensetzung der Beratergruppe: Natho, Forck, Domke, Völz, Gienke, Kramer, Gaebler, Hempel, Stier, Ch. Müller, Lewek, Grengel, Zeddies, Petzold; außerordentliche Mitglieder: Leich, Demke, Stolpe, Domsch, Ziegler; Stellvertreter, die nur bei Ausfall eines Mitglieds eingeladen werden: S. Schulze (für Natho), Rogge (für Völz), Plath (für Gienke), Demke (für Kramer), P. Müller (für Stier), Mitzenheim (für Leich).136 Der Ost-West-Gesprächskreis trat am 19. März zusammen, und unter anderem erstattete Hempel einen Bericht über die Tagung der sächsischen Landessynode, die am gleichen Tag erst in Dresden zu Ende gegangen war. Seit dem endgültigen Scheitern der VEK-Bildung in der DDR im Jahr 1984 bemühten sich sowohl die VELKDDR als auch die EKU um eine engere Zusammenarbeit innerhalb des Kirchenbundes. Während die EKU die Übertragung nur einiger Aufgaben an den Bund in Aussicht genommen hatte, wollte die VELKDDR die restlichen, nach Bundesgründung noch bei ihr verbliebenen Aufgaben an den BEK übertragen. Der sächsische Landesbischof teilte nun mit, dass die entsprechende Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen Bund und VELK, die von Thüringen und Mecklenburg bereits bestätigt worden war, in Dresden in der ersten Lesung mit 35, in der zweiten mit 34 Gegenstimmen abgelehnt worden sei: „Womit diese Vereinbarung total hinfällig ist.“ Auf diese Information reagierten zumindest die BEK-Vertreter mit „erheblicher Unruhe“ und „spontanen Zwischenfragen“. Hempel erläuterte, dass auf der Synodaltagung ein Antrag eingebracht worden sei, mit dem die VELKDDR-Generalsynode gebeten wurde, einen „Verfahrensweg“ zur sofortigen Auflösung der VELKDDR zu erarbeiten.137 Der Bischof habe diesen sächsischen Sonderweg mit folgender 135 Protokoll (Kupas) vom 3.3.1986 über 182. Sitzung des KKL-Vorstands am 19.2.1986 in Berlin, S. 1 (EZA, 101/3084). 136 Konferenzbeschluss der 104. Tagung der KKL vom 7.–9.3.1986 in Bad Saarow und Ergänzung Juli 1986 (EZA, 101/3135). 137 Tatsächlich fasste die Generalsynode der VELKDDR auf ihrer Tagung vom 18.–21.6.1987 den entsprechenden Beschluss zur Selbstauflösung. Zum letzten Mal tagte die Generalsynode vom 2.–5.6.1988, die Existenz der VELKDDR war mit dem 1.1.1989 beendet.

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Bemerkung bewertet: „Es gibt namhafte Christen in Sachsen, die das Erbe der Väter nicht kennen und deswegen cool damit umgehen. Sie reden von ‚einfacher Kirche‘! Nun ist die Sache vorbei.“ Offenbar war dem gegen die eilige Selbstauflösung der VELKDDR pragmatisch argumentierenden Hempel vorgeworfen worden, er sei „vernagelt“. Die Diskussion in der Sitzung der Beratergruppe zu diesem Thema wurde ausschließlich von den östlichen Mitgliedern bestritten. Der auf der Bundessynode Ende Januar, Anfang Februar in Berlin zum neuen Präses gewählte Gaebler kommentierte trocken: „Ihre Reaktion in der Beratergruppe beweist, was man den sächsischen Synodalen vorausgesagt hatte: Sie machen sich lächerlich. Natho fragt an, ob wir denn nun noch in Pflicht seien, die Sache weiterzuverfolgen. Leichs Meinung: Das ist vom Tisch. Kramer beklagt die Hilflosigkeit. Natho: Wir können uns als Leitungsgremium nicht mehr verständlich machen. Hempel noch einmal: Für die jüngeren Mitglieder der Leitungsgremien ist das Leben einfacher; daß das Leben doch komplizierter werden kann, ist noch nicht bekannt. Relativ zurückhaltend Rogge: Bisher hieß es immer, die EKU sei im Bremserhäuschen – und das gilt jetzt nicht mehr so. Immerhin: Wir sind in der DDR auch nicht besser als die EKD!“ Zuletzt betonten die DDR-Vertreter noch, dass das für den 21. März angesetzte Gespräch des KKL-Vorstands und des Präsidiums der Bundessynode mit Staatssekretär Gysi nicht die Art von Unterredung sein werde, die seitens des Bundes erbeten worden sei.138 Gemäß der von Hammer angefertigten Tischvorlage beschloss der Rat der EKD auf seiner Sitzung am 21. und 22. März für die Beratergruppe eine Regelung, die im Wesentlichen der vom Rat „nach langen Schwierigkeiten im Bereich des BEKDDR am 23.2.1985 für die EKD“ getroffenen entspreche. Demnach verkörpere die Beratergruppe eine „weitere institutionalisierte Ebene zur Praktizierung der ‚besonderen Gemeinschaft‘ zwischen EKD und BEKDDR“, in die nun zusätzliche, insbesondere gliedkirchliche Vertreter einbezogen worden seien. Der Arbeitsschwerpunkt des gemeinsamen Beratergremiums liege auf dem wechselseitigen Austausch von Informationen und Erfahrungen. Demgegenüber sollten in der Konsultationsgruppe von Bund und EKD „schon eher“ kirchenleitendes Handeln vorbereitende Absprachen getroffen werden.139 Beide Kirchen sollten zur Verwirklichung des Anspruchs auf Parität jeweils fünfzehn Personen in die Beratergruppe entsenden, deren „Kern“ die Mitglieder der Konsultationsgruppe seien. Um die EKD-seitige regelmäßige Anwesenheit von fünfzehn Teilnehmern zu sichern, sollten die weiteren Vertreter zu jeder einzelnen Sitzung eingeladen werden. Der Rat berief aus diesem Grund zwanzig Personen, die die 138 139

Kurzbericht Groscurth vom 20.3.1986 (EZA, 643/94/12). Tischvorlage Hammer vom 20.3.1986 für die 5. Ratssitzung, S. 2 (EZA, 2/01/1429).

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EKD in der Beratergruppe vertreten könnten. Als „selbstverständlich“ wurde die für den Ratsvorsitzenden und einen von ihm benannten Stellvertreter einzuräumende Option der „außerplanmäßigen“ Beteiligung an den Sitzungen bezeichnet. Diese Möglichkeit sollte gleichermaßen für den Vorsitzenden der KKL und einen Vertreter gegeben sein.140 Am 2. April schrieb Hammer alle alten und neu berufenen Mitglieder der Beratergruppe an, um sie über die im Ratsbeschluss formulierte Definition und Aufgabenstellung ihrer Tätigkeit zu unterrichten. Er fügte hinzu, dass das Beratergremium zwar kein kirchliches Organ sei, das die Ermächtigung zur Beschlussfassung besitze, diese Tatsache jedoch in keiner Weise seine bewährte und wichtige Funktion als „Element des wechselseitigen Miteinanders“ im Sinne der „besonderen Gemeinschaft“ mit den Kirchen des Bundes schmälere. Hammer wies auch auf die absolute Vertraulichkeit der in der Beratergruppe geführten Gespräche hin und betonte, dass dort ausgetauschte Informationen nicht einmal „innerkirchlich“ weitergegeben werden dürften, um den „vertrauensvoll-offenen“ Charakter der Unterredungen nicht zu gefährden.141 Wie vorgesehen, waren der neugewählte KKL-Vorsitzende Leich sowie Ziegler bei der Sitzung des Rates Ende Mai zu Gast.142 Leich brachte gegenüber den Ratsmitgliedern die Dankbarkeit über den „guten Stand“ des Verhältnisses zwischen Bund und EKD zum Ausdruck und sprach dann zunächst über die Möglichkeiten, die sich durch das Wachstum der „weltweiten ökumenischen Gemeinschaft“ für die Kirchen ergäben, aufeinander zuzugehen und ihre Verantwortung für Frieden und Versöhnung wahrzunehmen. Die Bemühungen der Kirchen müssten sich verstärkt darauf richten, den „konziliaren Prozeß im gesamtökumenischen Rahmen“ zu fördern. Die „besondere Gemeinschaft“ von BEK und EKD gewinne vor allem in der gemeinsamen Lösung „praktischer Aufgaben“ Gestalt.143 Der Vorsitzende der KKL unterrichtete den Vorstand am 4. Juni über seine Teilnahme an der Ratssitzung in Frankfurt. Nach seinem Bericht über die kirchliche Lage in der DDR hätten Ziegler und er die Verhandlungen des Rates verfolgen können, bei denen die Südafrika-Thematik im Mittelpunkt gestanden habe. Im zeitlichen Umfeld der Ratstagung habe der ehemalige hessen-nassauische Kirchenpräsident Hild seinen 65. Geburtstag ge140 Auszug aus Protokoll der 5. Ratssitzung am 21./22.3.1986. Hervorhebung im Original (EZA, 2/01/1429). 141 Schreiben Hammer vom 2.4.1986, S. 2 (EZA, 2/01/1429). 142 Auf der Klausurtagung der KKL im März war mitgeteilt worden, dass Leich als neuer Vorsitzender zusammen mit Ziegler dem Rat einen Antrittsbesuch abstatten solle und im Gegenzug der EKDRatsvorsitzende eine Einladung vom Vorstand erhalten habe (Protokoll [Herrbruck/Doyé] der 104. KKL-Tagung [Klausurtagung] vom 7.–9.3.1986 in Bad Saarow [EZA, 101/3068]). 143 Auszug aus Protokoll 7. Ratssitzung am 23./24.5.1986 (EZA, 2/01/1418).

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feiert.144 Gut drei Wochen später trat der KKL-Vorstand wieder zusammen und formulierte hinsichtlich der personellen Zusammensetzung der Beratergruppe einen weiteren Änderungsvorschlag, der der KKL vorgelegt werden sollte: Rogge sollte die Vertretung von Völz übernehmen, Winde ganz aus dem Kreis der Mitglieder gestrichen und der neue Präsident der EKU-Kirchenkanzlei (Ost), Friedrich Winter, zum 1. September 1986 als ordentliches Mitglied der Beratergruppe angehören.145 Nachdem die Mitglieder der KKL auf ihrer Sitzung am 4. und 5. Juli ebenfalls über Leichs und Zieglers Teilnahme an der Ratssitzung und die Einladung von zwei „leitenden Repräsentanten“ zum 22. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Frankfurt am Main informiert worden waren, wurde die vom Vorstand angetragene Änderung in der Besetzung des Beratergremiums mit einem einstimmigen Beschluss angenommen.146

4.2 EKD: Gestaltung des Christseins und BEK: Gesellschaftliche Mitverantwortung – Was können die Kirchen „noch“ gemeinsam sagen? Das Präsidium der Bundessynode traf sich am 5. September in Ost-Berlin und beriet über die Frage, wer zur Synode der EKD Anfang November in BadSalzuflen entsandt werden sollte. An Präses Gaebler wurde die Bitte gerichtet, die Einladung der EKD für das BEK-Synodenpräsidium anzunehmen, während der Saalfelder Superintendent Ludwig Große auf den Vorschlag des KKL-Vorstands hin die Konferenz dort vertreten werde. Zur inhaltlichen Planung einer gemeinsamen Sitzung der Präsidien beider Synoden im Januar 1987 wurden zwei Themen vorgeschlagen: Der vom Ad-hoc-Ausschuss für die kommende Bundessynode in Erfurt erarbeitete Bericht zum „Gemeinsamen Bekennen in der Friedensfrage“ und die „Demokratiedenkschrift“ der EKD. Eine Beratung dieser beiden Themenkomplexe könne unter Berücksichtigung des Aspekts stattfinden, welche Aussagen von Bund und EKD „noch“ gemeinsam zu vertreten seien. Zur Vorbereitung sollte Gaebler den Präsidenten des sächsischen Landeskirchenamtes um seine Rezension der EKD-Denkschrift bitten.147 Der EKD-Ratsvorsitzende Kruse nahm in Begleitung seines persönlichen Referenten Kurt Rudolf Briest und Heidingsfeld an der Tagung der KKL Anfang September teil und erstattete einen skizzenartigen Bericht über „Aufgaben und 144 Protokoll (Lewek) über 185. Sitzung des KKL-Vorstands am 4.6.1986 in Berlin (EZA, 101/3085). 145 Protokoll (Lewek) über 186. Sitzung des KKL-Vorstands am 23.6.1986 in Berlin, S. 7 (EZA, 101/3085). 146 Protokoll (Riese) der 106. KKL-Tagung am 4./5.7.1986 in Berlin, S. 9 (EZA, 101/3069). 147 Protokoll (Riese) über Präsidiumssitzung am 5.9.1986 in Berlin, S. 5 (EZA, 101/2955).

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Erreichtes der EKD“. Für ihn sei es am wichtigsten, das kirchliche Selbstverständnis der EKD darzustellen, also das „christliche ABC neu zu lehren, zu lernen und zu leben“. Die Gestaltung des Christseins148 sei der missionarischdiakonische Auftrag der Kirche als „Langzeitprogramm“. Kruse zählte als „Erreichtes“ die Abendmahlsvereinbarung mit den Altkatholiken, die Lehrgespräche mit der Orthodoxie und die Gespräche mit den Anglikanern auf. Er informierte die Konferenzmitglieder über den Plan der EKD, sich auf ihrer Synode in Bad Salzuflen dem Schwerpunktthema „Entwicklungsdienst als Herausforderung und Chance für die EKD und ihre Werke“ zu widmen und kam noch auf die Lage in Südafrika, das Asyl-Papier der EKD und ihre Studie „Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung“149 zu sprechen. Ganz zum Schluss thematisierte Bischof Kruse den Briefwechsel, den er zwischen 18. Mai und 26. Juni anlässlich des 25. Jahrestags des Mauerbaus mit dem Berlin-brandenburgischen Bischof der Ostregion, Forck, geführt hatte und der am 23. Juli der Öffentlichkeit bekannt worden war. Der Ratsvorsitzende bedankte sich für die „Form der Begegnung und ihre Wahrnehmung“ und fügte hinzu: „Die Instrumente müssen klar bleiben und genutzt werden um der Kirche und der Welt willen.“150 Der Vorstand kam auf seiner Sitzung am 19. September zu dem Ergebnis, dass Kruses Teilnahme an der Tagung der Konferenz zu sehr in der Tagesordnung untergegangen sei. Es wurde die Überlegung angestellt, ob man nicht häufiger Mitglieder des Rates der EKD zu den Sitzungen einladen solle. Offenbar konnte der Vorstand sich jedoch nicht dazu entschließen, der Konferenz einen entsprechende Vorschlag zu unterbreiten.151 Leich fertigte während der Tagung der Konferenz vom 6. bis zum 8. März 1987 einen Entwurf für eine Presseinformation an, mit der die Öffentlichkeit vom vorläufigen Ergebnis der Beratungen der KKL über die Frage der gesellschaftlichen Mitverantwortung der evangelischen Kirchen in der DDR in 148 Eine Studien- und Planungsgruppe im Kirchenamt der EKD hatte im Februar ihre Überlegungen zum Thema „Christ sein gestalten. Gemeindeaufbau jenseits der Traditionslenkung oder: Zur Vermittlung von Kirchenbild und Lebenswelt“ abgeschlossen und im Juni veröffentlicht. 149 U. a. mit „Überlegungen und Vorschlägen zu Möglichkeiten politischer und wirtschaftlicher Einflußnahme in Südafrika“ hatte sich die EKD am 30.7.1986 öffentlich zu Wort gemeldet. Die Beurteilung der Bundesregierung zu dieser Ausarbeitung über gezielte und kalkulierte Sanktionen reagierte die Bundesregierung fiel zurückhaltend aus. Am 25.7.1986 hatte der Rat der EKD Stellungnahmen zur „Initiative für ein ‚Konzil des Friedens‘ und zum ‚konziliaren Prozeß‘ gegenseitiger Verpflichtung für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung“ (Veröffentlichung: 4.9.1986) sowie zur „Aufnahme von Asylsuchenden“ beschlossen. 150 Protokoll (Ritter) der 107. KKL-Tagung am 5./6.9.1986 in Berlin, S. 7 (EZA, 101/3070). – Am 6.5.1986 hatte Kruse dem Bund bereits seinen Antrittsbesuch erstattet und sich mit dem KKL-Vorsitzenden Leich und Staatssekretär Gysi zu Gesprächen getroffen. 151 Protokoll (Lewek) über 189. Sitzung des KKL-Vorstands am 19.9.1986 in Berlin (EZA, 101/3085).

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Kenntnis gesetzt werden könne. Die Verhandlungen in der Konferenz hatten zu einem Beschluss „zur gesellschaftlichen Mitverantwortung“ geführt, dessen Inhalt in der Presseinformation des Bundes vom 10. März wiedergegeben wurde. In ihrem Beschluss wies die KKL darauf hin, dass das „im Evangelium begründete“ kirchliche Handeln sich ebenso auf „politische Sachverhalte“ beziehe. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, sich innerkirchlich immer wieder über die gesellschaftliche Mitverantwortung der Kirchen zu verständigen. Die zur Beschreibung der Kirchen in der DDR verwendete allgemeine Formel „Kirche im Sozialismus“ müsse weiterhin der jeweiligen Situation entsprechend ausgelegt werden. Das sogenannte Spitzengespräch, dass der KKL-Vorstand im März 1978 mit dem Staatsratsvorsitzenden Honecker geführt habe, sei nach wie vor eine gute Basis für die Entwicklung der Staat-Kirche-Beziehungen. Der Dialog müsse weitergeführt werden. Wichtig sei, dass bei allen Stellungnahmen der Kirchen zu „gesellschaftlichen und politischen Fragen“ unbedingt die Bindung ans Evangelium „deutlich erkennbar“ werde. Betont wurde auch, dass die KKL bei der Erwägung ihrer Teilnahme an staatlichen oder gesellschaftlichen Veranstaltungen stets überprüfen müsse, „ob deren öffentliche Wirkung der eigentlichen Absicht einer kirchlichen Beteiligung“ entspreche.152 Mit den in diesem Beschluss skizzierten Vorgaben für die kirchliche Wahrnehmung gesellschaftlicher Mitverantwortung hatte die Konferenz gleichermaßen die Standortbestimmung der Kirchen in der DDR modifiziert und dabei bewusst einen gewissen Interpretationsspielraum gelassen.153 Mittlerweile hatte Heidingsfeld die Nachfolge von Lingner als Leiter der Berliner Stelle angetreten. In seinem Kurzbericht vom 3. Mai, den er dem Kolle152

Beschluss der KKL „zur gesellschaftlichen Mitverantwortung“ vom 6./7.3.1987. Vgl. M. FAL(Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 253f. – Presseinformation des Bundes vom 10.3.1987 (EZA, 688/168). 153 Der DDR-Staatssicherheitsdienst registrierte diese Veränderungen durchaus: „Insgesamt ist erkennbar, daß die Zielstellung der evangelischen Kirchen in der DDR darauf ausgerichtet ist, ihren Handlungsrahmen voll auszuschöpfen und zu erweitern, um gesellschaftlichen Einfluß zu erlangen.“ Dennoch kamen weder Zweifel an der „Sachlichkeit, Kontinuität und Wirksamkeit“ der staatlichen Kirchenpolitik noch an den „konstruktiven und verfassunggerechten“ Staat-Kirche-Beziehungen auf. Beunruhigung lösten vielmehr die kirchlichen Basisgruppen, ihre Forderungen nach „Neuem Denken“, die zahlreichen Eingaben zu Fragen der Umwelt, Atomenergie, Volksbildung, Reisefreiheit, Verteidigungspolitik und Wehrpflicht sowie die vermeintliche Unterstützung aus dem Westen aus. Auch wenn dieses Misstrauen u. a. der „Überbetonung des kirchlichen Standpunktes der ‚besonderen Gemeinschaft‘“ und den sich weiter ausweitenden Kontakten zwischen Bürgern beider deutscher Staaten galt, erlangte die Kirche in der DDR bei dieser Gemengelage (in Ermangelung von Alternativen) den Status eines potentiellen Mitkämpfers (Information der HA XX/4 vom 6.4.1987. In: BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1234, Bl. 200–206; hier Bl. 200, 202). Doch bemühte sich z. B. die MfS-BV Dresden um die „Organisation einer effektiven Koordinierung des politisch-operativen Zusammenwirkens auf der Linie Kirchen/Religionsgemeinschaften“, wie eine Anweisung an die Leiter aller Diensteinheiten vom 14.7.1987 überschrieben ist (BStU [ASt Dresden], MfS BV DDN-BdL/Dok. Nr. 885, Bl. 1–7).

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gium des Kirchenamtes der EKD über die Situation im Bereich des Bundes erstattete, machte er auf einen Artikel des Präsidenten der EKD-Kirchenkanzlei (Westbereich) aufmerksam, der kürzlich im Materialdienst „Kirche im Sozialismus“154 erschienen war. Dieser Beitrag, in dem Kraske sich um eine Definition der „besonderen Gemeinschaft“ zwischen Bund und EKD bemüht hatte, habe bei den Vertretern der drei in der Ost-Berliner Auguststraße ansässigen Dienststellen „Erstaunen, ja Irritation“ ausgelöst. Heidingsfeld betonte, dass die „Thesenreihe“ zur „besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“, auf die der Präsident Bezug genommen habe – auch wenn sie Lingners „Handschrift“ trüge, nicht von diesem allein erarbeitet, sondern nur von ihm angestoßen worden. Letztlich hervorgegangen sei dieses Papier „aus langen, auch langwierigen Beratungen im Kreis der Dienststellenleiter“. Den Brüdern aus der Auguststraße sei unverständlich, wie Kraske eine solche interne Ausarbeitung „öffentlich“ zitieren könne, ohne wenigstens vorab diejenigen darüber in Kenntnis zu setzen, die an der Entstehung der Thesenreihe maßgeblich beteiligt gewesen seien. Zum Zweiten hätten die Mitarbeiter der Dienststellen kritisiert, dass der Präsident bei seinem Versuch, die Bund und EKD in Verantwortung für die „besondere Gemeinschaft“ betreffenden gemeinsamen Aufgaben zu präzisieren, nicht nur die Berater- und die Konsultationsgruppe genannt, sondern sie „in ihren wesentlichen Funktionen charakterisiert“ habe. Heidingsfeld ließ nicht unerwähnt, dass Kraske die im Titel seines Beitrags formulierte Frage nicht beantwortet habe. Vielmehr sei er zu dem Schluss gekommen, „daß wir jedem Versuch einer genaueren Definition möglichst widerstehen sollten“. Der Leiter der Berliner Stelle wies das Kollegium darauf hin, dass der Artikel in KiSo fast im Wortlaut mit dem Referat übereinstimmte, das Kraske Ende Mai 1986 in der Stephanus-Stiftung in Ost-Berlin im Rahmen der Tagung der Bibelwochen-Leiter gehalten habe.155 Der Präses der Bundessynode, Gaebler, teilte den Präsidiumsmitgliedern am 6. Mai mit, dass das Präsidium der EKD-Synode in Aussicht genommen habe, das gesamte BEK-Sekretariat zu seinen Synodaltagungen einzuladen. Aus diesem Grund wurde auf der Sitzung der Entschluss gefasst, seitens des Bundes zukünftig immer drei Einladungen auszusprechen, und zwar an den Rat der EKD, die Kirchenkanzlei sowie das Präsidium der EKD-Synode. Gaebler wurde gebeten, die Konferenz von dieser Neuerung zu unterrichten.156 154 P. Kraske: Was ist die „besondere Gemeinschaft“? Versuch einer Begriffsklärung. In: KiSo 2/1987 (13. Jg.), S. 49–52). 155 9. Kurzbericht (Heidingsfeld) aus dem Bereich BEKDDR vom 3.5.1987, S. 3 (EZA, 673/91/45). – Heidingsfeld Beobachtung ist in Gänze zutreffend. Vgl. zum Inhalt dieses Vortrags von Kraske die Darstellung oben. 156 Protokoll (Riese) über Präsidiumssitzung am 6.5.1987 in Berlin, S. 5 (EZA, 101/2956).

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Am 20. November berichtete Heidingsfeld von dem im Blick auf die unterschiedlichen Positionen von Bund und EKD zur Frage eines gangbaren Weges zur Friedenssicherung für den EKD-Bereich recht heiklen Beschluss, den die Synode des Kirchenbundes auf ihrer Tagung Ende September in Görlitz getroffen hatte. Er erläuterte, dass die „eigentlich brisante und strittige Aussage in Teil II“ des Synodenbeschlusses „Bekennen in der Friedensfrage“157 enthalten sei. Die BEK-Synode habe sich angesichts „einer Welt mit Massenvernichtungsmitteln“ nochmals ausdrücklich für eine „gewaltfreie Förderung und Sicherung des Friedens“ ausgesprochen und nun als entsprechende Konsequenz formuliert: „Jeder Christ, der vor die Frage des Wehrdienstes gestellt ist, muß prüfen, ob seine Entscheidung mit dem Evangelium des Friedens zu vereinbaren ist. Wer heute als Christ das Wagnis eingeht, in einer Armee Dienst mit der Waffe zu tun, muß bedenken, ob und wie er damit der Verringerung oder Verhinderung der Gewalt und dem Aufbau einer internationalen Ordnung des Friedens und der Gerechtigkeit dient. Die Kirche sieht in der Entscheidung von Christen, den Waffendienst oder Wehrdienst überhaupt zu verweigern, einen Ausdruck des Glaubensgehorsams, der auf den Weg des Friedens führt.“

Der Leiter der Berliner Stelle konstatierte, dass diese Textpassage – unabhängig von der Betonung „einen Ausdruck des Glaubensgehorsams“ oder „einen Ausdruck des Glaubensgehorsam“ –, nur auf eine Weise zu interpretieren sei. Wehrdienstleistende müssten ihr Gewissen wegen dieser Entscheidung einer kritischen Prüfung unterziehen, während die Verweigerer des Dienstes an der Waffe oder des Wehrdienstes überhaupt davon entbunden seien. Zunächst verwies Heidingsfeld auf die negativen Folgen dieses Beschlusses für das Verhältnis von Staat und Kirche in der DDR. Auf beginnende Konflikte deute bereits die Tatsache hin, dass die staatlichen Organe die im Zuge der Synodaltagung erzielten Ergebnisse in den „DDR-offiziösen Medien“ totgeschwiegen habe. Dann kam er jedoch auf die Konsequenzen zu sprechen, die „Bekennen in der Friedensfrage“ gleichfalls für die innerhalb der EKD durchaus nicht unumstrittene Haltung in der Friedensfrage haben könne: „Diejenigen, die die EKD auf den ‚Verweigerungskurs‘ bringen möchten, werden den Görlitzer Synoden-Beschluß dazu verwenden. Es wäre gut, nicht nur unsere andere Situation als Argument zu verwenden, sondern auch zu verdeutlichen, wie anders die Lage in der DDR ist (Fehlen einer Verweigerungsmöglichkeit im umfassenden Sinn).“158 Auch die Beratergruppe setzte sich auf ihrem Treffen am 10. Dezember mit genau diesem Punkt auseinander, und von Keler skizzierte, mit welchen Resultaten die EKD157 Vgl. zu der Vorgeschichte und den Auswirkungen dieses „Bekenntnisses“ die ausführliche Darstellung von A. SILOMON, Synode. 158 13. Kurzbericht (Heidingsfeld) aus dem Bereich BEKDDR vom 20.11.1987, S. 2 (EZA, 673/91/46).

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Kammer für öffentliche Verantwortung und ebenso der Rat über die Formel vom „deutlicheren Zeichen“ beraten hätten, mit der die KKL die Waffendienstund Totalverweigerung erstmals 1965 mit ihrer „Handreichung zur Seelsorge an Wehrpflichtigen“159 offiziell gebilligt und somit gegenüber der Entscheidung für den Wehrdienst den Vorzug gegeben hatte. Diese Priorisierung war mit dem Beschluss „Bekennen in der Friedensfrage“ eindeutig bekräftigt worden.160 Anfang März 1988 informierte Binder die Mitglieder der Beratergruppe im Rahmen der Lageberichte aus den Kirchen, dass das von Bund und EKD Ende Januar publizierte gemeinsame Wort an die Gemeinden zur „Versöhnung und Verständigung“ mit der Sowjetunion zumindest in der Bundesrepublik nicht gerade ein „übermäßig starkes“ Echo gehabt habe.161 Bedingt durch die Ereignisse in der DDR162 sei eine gewisse „Nachrichtenaufgeregtheit“ zu verzeichnen, die das „Wort“ von Bund und EKD habe in den Hintergrund treten lassen. Ähnlich schwache Reaktionen habe es im Bereich der DDR gegeben, wie Gienke berichtete. Die gemeinsame Äußerung sei allerdings in der „Kirchengebietspresse“ in positiver Weise gewürdigt worden. Die Anwesenden kamen – wie sie schon in den Jahren zuvor optimistisch von einer Langzeitwirkung ihrer Stellungnahmen ausgegangen waren – übereinstimmend zu der Überzeugung, „daß dieser Text gewiß eine Weiterwirkung entfalten“ werde.163 Mit einer Stellungnahme informierte die KKL die kirchliche Öffentlichkeit am 14. März über Inhalt und Ergebnisse ihrer Klausurtagung in Buckow. Im Vordergrund gestanden hätten zahlreiche Berichte aus den Gliedkirchen in der DDR über Konsequenzen, die sich nach den staatlichen Übergriffen im Rahmen der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration ergeben hatten und diverse Unterredungen, die zwischen Vertretern von Staat und Kirche seit dem 19. Februar164 159 In der „Handreichung zur Seelsorge an Wehrpflichtigen“ für die Landeskirchen in der DDR vom November 1965 unter dem Titel „Zum Friedensdienst der Kirche“ war vom „deutlicheren Zeugnis“ bzw. „kleinen prophetischen Zeichen“ die Rede gewesen (Abdruck in: KJ 1966 [93. Jg.], S. 249–261). – Erst im Juli 1989 legte die EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung unter dem Titel „Wehrdienst oder Kriegsdienstverweigerung? Anmerkungen zur Situation des Christen im Atomzeitalter“ eine Stellungnahme vor, mit der die Frage der Bewertung der Entscheidungsmöglichkeiten von Christen in der Wehrdienstfrage wieder aufgegriffen wurde. 160 Vermerk über die Zusammenkunft der Beratergruppe am 10.12.1987, S. 7 (EZA, 673/91/32). 161 Die Kirchenleitung der EKHN hatte bereits am 2.2. einen Brief an die Vorsitzenden beider Leitungsgremien geschrieben, sich ein solches „Wort“ schon länger gewünscht zu haben und es als „hilfreich“ auch für die Zukunft (Abdruck bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 216f. 162 Über 100 Teilnehmer waren in Ost-Berlin im Zuge der offiziellen Luxemburg-LiebknechtDemonstration am 17.1.988 festgenommen, teilweise auch ausgewiesen worden. Dabei handelte es sich zumeist um Mitglieder von Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen. 163 Vermerk über die Zusammenkunft der Beratergruppe am 2.3.1988, S. 5 (EZA, 673/91/32). 164 Zu diesem Termin waren der Vorsitzende der KKL, Leich, sowie der Leiter des BEK-Sekretariats, Ziegler, von dem u. a. für Kirchenfragen zuständigen PB-Mitglied Werner Jarowinsky zur Entgegen-

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nahezu DDR-weit auf allen Ebenen geführt worden seien. Natürlich sei auch über den Verlauf des Gesprächs zwischen Leich und Honecker am 3. März beraten worden. Mit einigen Fragen habe sich die Konferenz intensiv auseinandergesetzt: „– Wie ist vom Auftrag der Kirche her die Trennung von Staat und Kirche zu bestimmen und aktuell durchzuhalten? – Wie erfahren und beurteilen Gemeindeglieder die Entwicklungs- und Veränderungschancen in unserer Gesellschaft? – Wie können Kirchen an solcher Veränderung mitarbeiten? – Wie sollen sich Kirchen und Gemeinden zu denen verhalten, die Anträge auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft stellen? – Wie ist die Stellung zu geltendem Recht zu bestimmen, wenn dieses als veränderungsbedürftig anerkannt wird? – Welche Maßstäbe kann es für den Umgang mit Gruppen für Gemeinden und Kirche geben?“

Als Resultat hatte die KKL bekräftigt, dass die Basis für jedwede Überlegungen stets das Bezeugen des Evangeliums sein müsse. Als dankenswert hob sie hervor, dass der erstmals von Honecker im Spitzengespräch mit der Kirche am 6. März 1978 versicherte „Grundsatz der Gleichberechtigung und Gleichachtung des Bürgers mit christlichem Bekenntnis“ vom Staatsratsvorsitzenden immer wieder für gültig erklärt worden sei. Hinsichtlich der Ausreiseproblematik bat die Konferenz die Gemeindemitglieder um ihr Bleiben in der DDR. Das eigentlich als Schwerpunkt der Klausurtagung vorgesehene Thema „Zum Verhältnis zwischen Kirche und Gruppen“ sei zwar durchaus behandelt worden, doch habe die Fülle der wichtigen aktuellen Fragestellungen eine klare Bestimmung der Beziehungen zwischen den Gruppen und der Kirche verhindert, so dass dies erst auf einer der kommenden KKL-Tagungen erfolgen werde.165 Eine Woche nach Abschluss der Tagung der BEK-Synode in Dessau166 vermerkte Heidingsfeld, dass sowohl die „besondere Gemeinschaft“ als auch die EKD als solche bei den Beratungen der Synode häufiger Erwähnung gefunden habe. In ihrem Bericht an die Bundessynode habe die KKL einen ganzen Abschnitt den beiden gemeinsam von Kirchenbund und EKD im Jahr 1988 verantworteten „Worten“ gewidmet. Der Leiter der Berliner Stelle zitierte aus den letzten Absätzen des Synodenbeschlusses, der mit Bezug auf Abrüstung und nahme einer Erklärung „Zu prinzipiellen Fragen der Beziehungen zwischen Staat und Kirche“ vom 18.2.1988 eingeladen worden. 165 Vgl. M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 292–295. Dort ist auf S. 286–291 auch die Ansprache abgedruckt, die der KKL-Vorsitzende bei seinem Gespräch am 3.3.1988 mit Honecker gehalten hatte. 166 16.–20.9.1988.

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vertrauensbildende Maßnahmen gefasst worden war und in dem verschiedene Anregungen formuliert worden waren, wie dieser Prozess weiter vorangetrieben werden könne: „Die Synode bittet die KKL, die Vorschläge in das Gespräch mit der EKD einzubeziehen. Die Synode bittet das Präsidium, mit dem Präsidium der Synode der EKD Verbindung aufzunehmen, um Möglichkeiten zu prüfen, wie wir als Christen zur Fortsetzung der Abrüstungsbemühungen durch unsere Synoden beitragen können.“167. Heidingsfeld benannte die nächste Synodaltagung der EKD Anfang November als geeigneten Zeitpunkt, um darüber mit BEK-Vertretern ins Gespräch zu kommen.168 Ferner gab er wieder, in welcher Weise sich die Bundessynode in ihrem Beschluss „zu Fragen des innergesellschaftlichen Dialogs“169 zu den Stellungnahmen beider Kirchen „Versöhnung und Verständigung“ und „Zum 50. Jahrestag des Pogroms im November 1938“ bekannt hatte: „Die Synode nimmt dankbar auf, was der Rat der EKD und die KKL in der DDR gemeinsam zur 50. Wiederkehr des Tages der Reichspogromnacht ausgesprochen haben: ‚50 Jahre nach dem Tag der Zerstörung der Synagogen bitten wir Gott, daß Juden und Christen unter seiner Güte ihren Weg in die Zukunft gemeinsam gehen können. Er erfülle an uns allen – Juden und Christen – seine Verheißung.‘ Die Synode ist ebenso dankbar für das gemeinsame Wort anläßlich des Millenniums der Taufe Rußlands. Sie sieht darin die Erfahrung bestätigt: ‚Vertrauen in Gottes Vergebung schenkt Kraft zur wahrhaftigen Erinnerung, zur Umkehr, zum neuen Anfang. Die Kraft der Vergebung verändert das Leben, auch das Miteinander der Generationen in geschichtlicher Verantwortung.‘“

Der Leiter der Berliner Stelle des Kirchenamtes regte an, dass sich die Synode der EKD auf ihrer Tagung in Bad Wildungen möglicherweise „in ähnlicher Weise dazu äußern“ könne.170 Die Konferenz setzte sich auf ihrer Tagung am 11. und 12. November zunächst mit der innerkirchlichen Lage in der DDR auseinander. So habe der Vorstand der KKL unter anderem berichtet, dass die Unterredung zwischen Kirchenvertretern und dem neuen Staatssekretär für Kirchenfragen, Kurt Löffler sowie dem Leiter des DDR-Presseamtes, Kurt Blecha, am 13. Oktober „keine Annäherung der Standpunkte“ erbracht habe. Seine im Verlauf der vergangenen 167 Als Ausgangspunkt war der Beschluss der BEK-Synode aus dem vergangenen Jahr, „Bekennen in der Friedensfrage“, genommen worden. Vgl. M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 311f. 168 An dieser Stelle war (vermutlich von Heidingfeld selbst) nachgetragen worden: „So etwas geht nicht ohne Einschaltung der Leitungsgremien, also Rat und KKL.“ 169 Abdruck des Beschlusses vom 20.9.1988 bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 313–316. 170 21. Kurzbericht (Heidingsfeld) aus dem Bereich BEKDDR vom 28.9.1988, S. 1f. (EZA, 673/91/47).

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Wochen mit unterschiedlichen Staatsvertretern geführten Gespräche bilanzierte Stolpe darauf folgendermaßen: „1. In Grundsatzfragen hat es noch nie eine solche Offenheit gegeben wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt. 2. In praktischen Fragen ist die Lage so kompliziert wie etwa 1968. 3. Auf den Kreis- und Bezirksebenen gibt es jedoch konstruktive Gespräche.“ Demke stimmte dieser Einschätzung zu und fügte hinzu, dass seitens der Wissenschaftler der Dialog sorgfältig vorbereitet werde. Er wies darauf hin, dass die in der Sowjetunion unter dem Stichwort „Perestroika“ eingeleiteten politischen Umstrukturierungen „auch einen harten Gang für die Kirchen“ bedeuten würden.171 Ferner wurde die KKL von einem im Vorstand verhandeltes Problem in Kenntnis gesetzt, das den „vertraulichen Vermerk“ betraf, der über die Unterredung mit dem PolitbüroMitglied Werner Jarowinsky am 19. Februar angefertigt worden war. Diese Notiz sei von Mitgliedern des Leipziger „Nikolaikreises“ auf der Straße verteilt und dann vom epd „mit der Firmierung ‚unbekannter Herausgeber‘“ dokumentiert worden. Gleiches sei mit einem weiteren „vertraulichen Vermerk“ geschehen. Die Konferenz reagierte auf diesen Bericht zwar ebenso betroffen wie der Vorstand, doch wurde an Ziegler die Bitte ausgesprochen, die Informationspraxis mittels Vermerken weiterhin beizubehalten. Im Blick auf die geplante Publikation der gemeinsamen Worte von BEK und EKD hatte, wie dann mitgeteilt wurde, die Konsultationsgruppe vorgeschlagen, dies unter dem Titel „Gemeinsames Sprechen in besonderer Gemeinschaft“ zu tun. Nachdem der Rat sich Mitte Oktober mit der Veröffentlichung der Stellungnahmen beider Kirchen zwischen 1979 und 1988 einverstanden erklärt hatte, habe der Vorstand die Empfehlung an die KKL gerichtet, dem Vorhaben ebenfalls zuzustimmen. Die Anwesenden sprachen sich ohne Gegenstimmen dafür aus.172 Am 14. Dezember trat das Präsidium der Bundessynode zusammen und ließ sich von Vizepräses Rosemarie Cynkiewicz einige Eindrücke von ihrer erstmaligen gastweisen Beteiligung an der EKD-Synode in Bad Wildungen173 vermit171 In einer undatierten [etwa Ende 1988] MfS-„Information über Erscheinungen der zunehmenden Behandlung gesellschaftspolitischer Themen und daraus abgeleiteter Forderungen gegenüber dem Staat durch die evangelischen Kirchen in der DDR“ wurde moniert, dass die Kirche sich mit steigender Intensität um ihre Etablierung als „gesellschaftliche Kraft“ bemühe, um „mit dem Staat in einen Dialog zu treten über Ziele und Inhalte der politischen Machtausübung“ sowie „Einfluß auf entsprechende staatliche Entscheidungen zu erlangen“. In der Anlage befand sich eine bemerkenswert detaillierte, nach einzelnen Themengebieten untergliederte Aufstellung über „Inhalte der seitens der evangelischen Kirchen in der DDR getroffenen gesellschaftspolitischen Aussagen mit Forderungscharakter gegenüber dem Staat“ (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/AKG-124, Bl. 15–21, 22–34 [Anlage]; hier Bl. 15). 172 Protokoll (Karpinski) der 120. KKL-Tagung am 11./12.11.1988 in Berlin, S. 7, 10f. (EZA, 101/3074). 173 An der 5. Tagung der 7. Synode der EKD vom 6.–10.11.1988 hatten außer Cynkiewicz noch Leich und Pfarrer Volker Riese teilgenommen.

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teln. Cynkiewicz stellte die Beobachtungen in den Vordergrund, die ihr im Vergleich zu den Tagungen der Bundessynode besonders ins Auge gefallen waren: So hätten einige „staatliche Repräsentanten“ der Bundesrepublik als Christen an der Synodaltagung teilgenommen. Dabei sei durchaus spürbar gewesen, dass zwischen ihrem Mandat als Synodale der EKD und ihrer Funktion als „politische Verantwortungsträger“ ein gewisses Spannungsverhältnis bestünde. Die Sitzungen und Aussprachen im Plenum hätten sich durch eine große Disziplin ausgezeichnet. Zur Kenntnis genommen habe sie zudem, dass der Frauenanteil unter den 120 EKD-Synodalen mit siebzehn recht gering sei. Zu folgenden Stichworten äußerte sich Cynkiewicz noch: „Bericht des Militärbischofs“, „Beobachtungen in den synodalen Arbeitsgemeinschaften“, „Kommunikative Begegnung der Synodalen“, „Beschluß der Synode zur Bildung einer Kammer für Glaubensfragen und Theologie in der EKD“.174 Der Leiter des BEK-Sekretariats teilte dem stellvertretenden KKL-Vorsitzenden Demke Ende Januar 1989 seine Besorgnis mit, wie der Bund mit den Gedenktagen im neuen Jahr umgehen solle, hoffte jedoch auf entsprechende Resultate, die die Beratergruppe bei ihrer Zusammenkunft am 2. Februar erzielen könnte.175 Der Vorstand der KKL hatte sich mit dieser Fragestellung bereits zwei Wochen zuvor erstmals auseinandergesetzt, und Ziegler hatte dort zum Beispiel den 40. Jahrestag der DDR-Gründung sowie den Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1.9.1939 als anstehende Jubiläen genannt, anlässlich derer die EKD sich zu äußern plane. Nachdem die Vorstandsmitglieder erörtert hatten, in welcher Weise man zu diesen Anlässen in den vergangenen Jahren aktiv geworden war, wurde zunächst die Publikation eines „gemeinsamen Wortes“ mit der EKD zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vor 50. Jahren in Erwägung gezogen. Im Zuge einer intensiven Aussprache kam der Vorstand jedoch zu der Ansicht, dass der Konferenz eine gemeinsame Stellungnahme des Kirchenbundes mit der Schwesterkirche zu diesem Jubiläum nicht zu empfehlen sei. Die Weiterverhandlung des Themas „Jubiläen 1989“ wurde für die Februar-Sitzung angesetzt und das BEK-Sekretariat mit der genauen Recherche nach „Aktivitäten zu vergleichbaren früheren Anlässen“ beauftragt.176 Ziegler berichtete am 23. Februar, welche Anregungen sich aus dem Nachdenken im Sekretariat ergeben hatten und wies darauf hin, dass von der Aktion Sühnezeichen verschiedene Aktionen zum 50. Jahrestag des Kriegsbeginns geplant seien. Der Vorstand der KKL beschloss, dass eine gemeinsame Äußerung mit der EKD nur dann ausgearbeitet werden 174

Protokoll (Riese) über Präsidiumssitzung am 14.12.1988 in Berlin, S. 5 (EZA, 101/2959). Schreiben Ziegler an Demke vom 31.1.1989 (EZA, 101/3090). 176 Protokoll (Kupas) über 218. Sitzung des KKL-Vorstands am 19.1.1989 in Berlin, S. 2 (EZA, 101/3090). 175

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solle, wenn auch die Katholische Kirche sich daran beteilige. Die Anwesenden sprachen sich jedoch dagegen aus, am 1. September 1989 ein morgendliches Läuten aller Kirchenglocken zu organisieren. Zustimmung wurde einer Entsendung von Vertretern des Kirchenbundes Mitte Dezember zu einer Klausurtagung der Evangelischen Akademie in Loccum erteilt, bei der die „‚besondere Gemeinschaft‘ unter den Auswirkungen des 2. Weltkrieges bedacht“ werden solle. Im Blick auf den ruhenden Dialog zwischen Vertretern des Staates und denen der Kirche in der DDR erkundigte sich Stolpe, ob es nicht an der Zeit sei, „neue Impulse zur Wiederbelebung der Gesprächssituation mit staatlichen Stellen“ zu geben. Die Mitglieder des Vorstands verständigten sich über potentielle Möglichkeiten und stellten fest, dass grundsätzlich Interesse an einer Wiederaufnahme de Kontakte bestünde. So wurde Ziegler darum gebeten zu sondieren, inwieweit es nützlich und durchführbar sei, sich um ein „Grundsatzgespräch“ noch vor Beginn der Synode des Bundes zu bemühen.177 Ende Mai erinnerte Ziegler den KKL-Vorstand daran, dass für den 27. Januar 1990 bereits ein Zusammentreffen der leitenden Geistlichen fest vereinbart worden sei. Er erkundigte sich, an welchem Ort das Treffen stattfinden solle und ob es Pläne für zu beratende Themen gebe. Hinsichtlich des Tagungsortes wurden dem Leiter des BEK-Sekretariats drei Wünsche zur Prüfung genannt, über einen derzeit aktuellen Verhandlungsschwerpunkt bestand sofort Konsens: Die „besondere Gemeinschaft“. Vorgeschlagen wurde, sich speziell mit der Frage zu befassen, was die Gemeinschaft zwischen Bund und EKD „ausgetragen“ habe und ob sie auch unter dem Aspekt „Europa 1992“ weitergeführt werden könne. Ziegler wurde um eine Rückkopplung mit der EKD gebeten. Eine positive Entwicklung zeichnete sich für die Teilnahme einer Sondergruppe aus der DDR am 23. Deutschen Evangelischen Kirchentag178 ab, wie Ziegler mitteilen konnte. Der Grund für die etwa 300 „zusätzlichen“ Personen eröffnete Möglichkeit, am 10. Juni zumindest für diesen einen Tag nach West-Berlin zu reisen, sei ein Schreiben, das Altbischof Schönherr an Honecker gerichtet habe. Wenngleich die Vorstandsmitglieder sicherlich über den Erfolg des Briefes nicht unglück177 Protokoll (Doyé) der 219. Sitzung des KKL-Vorstands am 23.2.1989 in Berlin, S. 3f. (EZA, 688/62). 178 Am Kirchentag, der vom 7.–11.6.1989 in West-Berlin stattfand, konnten sich dann 160 offizielle Delegierte und etwa 2.500 Teilnehmer aus der DDR beteiligen. Dort hielt Altbischof Krusche am 10.6. einen ausgesprochen interessanten und sehr politischen Vortrag zum Thema „Die Zukunft der Kirche in der Mitte Europas“, in den er auch einen Rückblick auf die Trennung beider Kirchen und ihre „besondere Gemeinschaft“ einbaute und einige zukünftige Aufgabenbereiche der evangelischen Kirchen skizzierte, die bisher nicht in befriedigender Weise bewältigt worden seien: „1. Das für die Kirchen in der Mitte Europas spezifische Problem der Aussiedler aus der DDR“; „2. Das Problem der Wiedervereinigung Deutschlands und der offenen deutschen Frage“; „3. Das Problem der Friedenssicherung“; „4. Das Problem der Systemeinbindung“ sowie das „Problem der Menschenrechte“.

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lich waren, äußerten sie doch ihr Bedauern, dass Schönherr initiativ geworden war, ohne die leitenden BEK-Vertreter zu informieren, und konstatierten, dass sie dieses eigenmächtige Handeln als „Belastung des Verhältnisses der Kirchen innerhalb des Bundes und auch hinsichtlich des Verhältnisses zur Gesellschaft“ betrachteten. Über den Umgang mit einem gemeinsam von der EKD-Kammer für kirchlichen Entwicklungsdienst und dem Facharbeitskreis Ökumenische Diakonie des Kirchenbundes erarbeiteten Papiers über in der Bundesrepublik und der DDR sich bietende Möglichkeiten, einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit im Nord-Süd-Verhältnis beizutragen, beriet der Vorstand im Anschluss. Ziegler wies auf die ursprüngliche Planung hin, die Ergebnisse dieser gemeinsamen Ost-West-Arbeit als „Informationspapier“ freizugeben. Allerdings habe sich der Rat der EKD aufgrund unterschiedlicher Erwägungen nicht dazu entschließen können, die „Vorlage in gleicher Weise weiterzugeben“. So fragte der Leiter des BEK-Sekretariats an, wie die Vorlage nun in die Konferenz einzubringen sei, die ja die endgültige Entscheidung über das Verfahren mit dem Papier zu treffen habe. Einstimmig fassten die Anwesenden folgende Beschlüsse: „1. Bericht über den Sachstand und Stellungnahme des Rates der EKD bei der Konferenztagung 2. Vorschlag an die KKL, die Freigabe als Diskussionspapier179 – wie bisher votiert – vorzusehen. 3. Vor der Durchführung der Freigabe ist eine vorherige Verständigung mit dem Rat der EKD herbeizuführen.“180 20 Jahre Kirchenbund in der DDR, Ausreisewelle, gesellschaftliche Umbrüche und Enttäuschung über die EKD Sein 20jähriges Bestehen feierte der Kirchenbund in der DDR am 2. Juni lediglich mit einem Gottesdienst in der Ost-Berliner Sophienkirche. Der einzige, zu diesem Anlass aus dem Westbereich angereiste Vertreter der EKD war Heidingsfeld. Er hielt seine Eindrücke in einem „Kurzbericht“ fest, aus dem eine gewisse Enttäuschung über die kleine Feier sowie die verhaltene und gleichzeitig spannungsgeladene Atmosphäre herauszulesen ist. Die durchwachsene Stimmung führte Heidingsfeld auf drei Ereignisse zurück: Den Alleingang des Greifswalder Bischofs Gienke, der ohne jegliche Abstimmung mit seinen Amtsbrüdern zur Wiedereinweihung des Greifswalder Doms den Staatsratsvorsitzenden eingeladen hatte181, Stolpes und Schönherrs ebenfalls eigenmächtig realisierte Bemü179 Die Veröffentlichung als Diskussionspapier erfolgte am 4.9.1989 unter dem veränderten Titel: „Ost und West – herausgefordert zu mehr Gerechtigkeit in der Weltwirtschaft“. 180 Protokoll (Kupas) der 222. Sitzung des KKL-Vorstands am 24.5.1989 in Berlin, S. 4, 6, 8f. (EZA, 101/3090). 181 Die Wiedereinweihung nach erfolgten Restaurierungsarbeiten fand unter Teilnahme Honeckers am 11.6.1989 statt. Vgl. zum „Fall Gienke“ z. B. die 2. Lieferung des KJ 1989 (116. Jg.), S. 135–141.

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hungen um die eintägige Teilnahme von 300 DDR-Christen am Kirchentag in West-Berlin und nicht zuletzt die Frage, in welcher Schärfe die KKL auf Manipulationen der Kommunalwahlen reagieren solle182 . In kurzen Reden hätten der thüringische Landesbischof Leich und Altbischof Braecklein „in aller Deutlichkeit und mit aussagekräftigen Worten der ‚besonderen Gemeinschaft‘“ gedacht. Leich habe diese in seiner Predigt angeführt und mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass es den Kirchen in der DDR in den vergangenen zwanzig Jahren nicht gelungen sei, zu einer (Vereinigten) Evangelischen Kirche in der DDR zusammenzuwachsen. Heidingsfeld spekulierte, dass Leich mit dieser Formulierung und der Tatsache, dass er „die nach wie vor gültige Standortbestimmung ‚Kirche im Sozialismus‘“ nicht einmal erwähnt habe, vermutlich „erneut die Staatsvertreter verdrossen und verunsichert“ haben dürfte. Vom SED-Staat werde jeder Versuch, sich von der Formel „Kirche im Sozialismus“ zu lösen, als eine „Art ‚Kriegserklärung‘“ und Aufkündigung des bisherigen Staat-KircheVerhältnisses interpretiert. Heidingsfelds resümierte entsprechend ambivalent: „Insgesamt muß das Ganze (Abendessen und Gottesdienst) – im Blick auf den äußeren Rahmen wie auf die inhaltlichen Akzente – eher glanzlos genannt werden. Eine richtige Feierstimmung wollte nicht aufkommen, kein Wunder unter den obwaltenden Umständen. Eine zu positive Bilanz wurde nicht gezogen. Die Fragezeichen waren unüberhörbar: Halten die Kirchen des Bundes wirklich einmütig zusammen? Stehen sie nicht in der Gefahr, mehr scheinen zu wollen, als sie tatsächlich sind? Wie verhält es sich mit der missionarischen Ausstrahlungskraft hinein in die Gesellschaft, die entweder gleichgültig oder marxistisch-leninistisch geprägt ist?“183

Bei der Sitzung der Beratergruppe am 22. Juni informierte von Keler die Anwesenden, dass dies das letzte Zusammentreffen sei, an dem er selbst und Präsident Hammer teilnähmen. Die Praktizierung der „besonderen Gemeinschaft“ zwischen Bund und EKD habe er die vielen Jahre hindurch niemals als ausgesprochen mühevoll wahrgenommen, sondern vielmehr als „ein besonderes Geschenk“ empfunden.184 182

Am 7.5.1989 hatten nach SED-Angaben 98,85% der wahlberechtigten DDR-Bürger für die Kandidaten der Einheitsliste der Kommunalwahlen gestimmt. Oppositionelle hatten vielerorts Wahlfälschungen bekannt gemacht, und die KKL fasste am 2./3.6.1989 den Beschluss „Meinungsbildung zu Anfragen im Zusammenhang mit der Kommunalwahl am 7. Mai 1989“, in dem die Staatsführung öffentlich gebeten wurde, die Eingaben und Beschwerden der DDR-Bürger nicht zu übergehen und sich um eine Neugestaltung künftiger Wahlen zu bemühen, mit denen den Bürgern die Möglichkeit einer „aktiven Auswahlentscheidung“ eröffnet würde. Gleichzeitig wurde an die Kirchenglieder die Bitte formuliert, bei ihren Einsprüchen Sachlichkeit und Umsicht zu wahren (Vgl. M. FALKENAU [Hg.], Kundgebungen, Bd. 2, S. 329f.). – Vgl. auch die 2. Lieferung des KJ 1989 (116. Jg.), S. 122ff. 183 28. Kurzbericht (Heidingsfeld) aus dem Bereich BEKDDR vom 21.6.1989, S. 1f. (EZA, 673/91/47). 184 Vermerk über die Zusammenkunft der Beratergruppe am 22.6.1989, S. 9 (EZA, 673/91/32).

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Im Mittelpunkt der Tagung der Konferenz Ende Juni standen Berichte über die diversen Ereignisse, die zu einer zunehmenden Belastung der Gliedkirchen in der DDR und des Kirchenbundes führten. Es gab immer häufiger Auseinandersetzungen mit den Gruppen, deren Mitglieder nicht nur die im Rahmen des Konziliaren Prozesses aufgestellten Forderungen nach „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ immer umfassender auch für die eigene Gesellschaft formulierten, sondern sich auch mit zahlreicher werdenden Initiativen gegen die permanente Entmündigung durch den Staat wehrten und mehr Offenheit, Demokratie und Reisefreiheit verlangten. Waren zum Beispiel die Fälschungen bei den Kommunalwahlen und der rigide Umgang der staatlichen Organe gegen aufbegehrende Bürger ein innenpolitisches Problem der DDR, so war im Blick auf die blutige Niederschlagung der Studenten- und Demokratiebewegung durch die chinesische Armee Anfang Juni185 eine klare Trennung von den in den Ansätzen ähnlichen Vorkommnissen in der DDR nicht ohne weiteres möglich. Jedoch hatte die DDR-Volkskammer in ihrer Stellungnahme vom 8. Juni das Massaker auf dem „Platz des himmlischen Friedens“ in Peking als „Niederschlagung der Konterrevolution“ bezeichnet und einstimmig zur inneren Angelegenheit der VR China erklärt. Der chinesische Außenminister bedankte sich am 12. Juni für den „Internationalismus“ der DDR. Auf der anderen Seite war der Dialog der Kirchen mit dem Staat seit der Bundessynode in Görlitz 1987 nicht mehr richtig in Gang gekommen.186 Verschiedene Anläufe seitens des BEK, zumindest für einzelne Konflikte Lösungen zu suchen, scheiterten an der Verweigerungs- und Abgrenzungshaltung der staatlichen Organe, da die in nahezu allen Zusammenhängen drohende Thematisierung von „Grundsatzfragen“ konsequent vermieden wurde. Die KKL stellte nun fest: „Die Kirche lebt mitten in diesen Spannungen in ihrer unvermeidbaren und unvertretbaren Vermittlerrolle. Zu fragen bleibt dabei, ob sie in dieser Rolle und mit der Methode der Vermittlung die zukünftigen Aufgaben bewältigen kann.“ Auf diese Frage konnten die Mitglieder der Konferenz auf ihrer Tagung keine Antwort finden. Im Rahmen eines Berichts über die letzten Sitzungen des Vorstands wurde mitgeteilt, dass der Vorschlag der Konsultationsgruppe aufgenommen und in die Tat umgesetzt worden sei, einen „gemeinsamen Brief“187 von Bund und EKD an die Gemeinden zu richten, in dem sie dazu aufgerufen worden waren, aus Anlass des 50. Jahrestags des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs am 1. September Got-

185 Zwischen dem 2. und 4.6.1989 hatte die KP Chinas den Ausnahmezustand verhängen lassen und ihre Armee-Einheiten auf die Demonstrierenden angesetzt. Die Entscheidung für das brutale Vorgehen wurde später als „Chinesische Lösung“ bezeichnet. 186 Vgl. A. SILOMON, Synode, v. a. S. 176–213. 187 Abdruck des Schreibens vom 3.7.1989 bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 332f.

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tesdienste abzuhalten.188 Wie Heidingsfeld aus dem DDR-Bereich informierte, habe Die Kirche in ihrer Ausgabe 16. Juli ihr Bedauern über dieses „eher unpolitische“ Schreiben der Bischöfe Leich und Kruse zum Ausdruck gebracht und betont, dass es nützlich und sinnvoll gewesen sei, wenn Kirchenbund und EKD ein gemeinsames „Wort“ veröffentlicht und damit „aus evangelischer Verantwortung konkret zu neonazistischen und deutsch-nationalistischen Tendenzen Stellung“ bezogen hätten.189 Der Vorstand der KKL befasste sich am 24. August mit der inhaltlichen Vorbereitung der für Ende Januar 1990 anberaumten Zusammenkunft der leitenden Geistlichen, für die die Vorstandsmitglieder sich bereits Ende Mai auf das Schwerpunktthema „besondere Gemeinschaft“ geeinigt hatten, die sowohl mit einem bilanzierenden Rückblick als auch unter dem Gesichtspunkt ihrer Fortsetzung in einem Europa 1992/1993 mit einem europäischen Markt betrachtet werden sollte. An Stolpe und Demke wurde die Bitte gerichtet, sich über die Begrüßung der Teilnehmer und eine geeignete Gesprächseinführung abzustimmen. Ferner müsse geklärt werden, wer einen kurzen Lagebericht zur Situation der Kirchen erstatten könne. Hinsichtlich der schon geplanten, nun aber auf Mitte Januar 1990 terminierten, zusammen mit der EKD zu veranstaltenden Konsultation in Loccum versuchten die Vorstandsmitglieder, Kriterien für die Zusammensetzung der Delegation des BEK festzulegen. Ziegler wies auf das Problem hin, dass wegen der auf insgesamt 25 Personen limitierten Teilnehmerzahl lediglich sechs zusätzliche Vertreter des Bundes benannt werden könnten, wenn alle Mitglieder der Konsultationsgruppe ihre Beteiligung zusagen würden. Nach einer längeren Aussprache einigte sich der KKL-Vorstand auf folgende Auswahlkriterien: Die von der KKL beauftragten Mitglieder der Konsultationsgruppe sollten den Kern der BEK-Vertreter bei der Loccumer Tagung bilden. Dann könnten diejenigen „historischen Persönlichkeiten“ Berücksichtigung finden, die ehemals kirchenleitende Funktionen innegehabt hätten. An letzter Stelle wollte man auf „jüngere, an den Sachfragen engagierte (‚Vordenker‘)“ zurückgreifen.190 Ende August unterrichtete der Präses der Bundessynode das Präsidium über die Vorbereitungen, die von der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfra188

Protokoll (Riese) der 125. KKL-Tagung am 30.6./1.7.1989 in Berlin, S. 4, 10 (EZA, 101/3075). 29. Kurzbericht (Heidingsfeld) aus dem Bereich BEKDDR o. D. [etwa August 1989], S. 1 (EZA, 673/91/47). – R. Henkys hingegen wertete, dass BEK und EKD sich die politische Zurückhaltung gerade deswegen erlauben könnten, weil sie in der Vergangenheit sowohl mit ihrer eigenständigen Friedensarbeit als auch mit ihren gemeinsamen Stellungnahmen zum Frieden einen wichtigen Beitrag zu einem Grundkonsens in der Friedens- und Entspannungspolitik geleistet hätten (R. HENKYS : Der Friede wurde vorgedacht. Der gemeinsame Aufruf der deutschen Kirchen zum 1. September. In: EPDZA Nr. 126 vom 4.7.1989, S. 7f.). 190 Protokoll (Kupas) über 225. Sitzung KKL-Vorstand am 24.8.1989 in Potsdam, S. 5 (EZA, 101/3090). 189

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gen bereits im Blick auf die kommende Synodaltagung getroffen wurden. Der Leiter des BEK-Sekretariats, Ziegler, habe sich auf Wunsch von Staatssekretär Löffler am 1. September zu einem Gespräch einzufinden, während Abteilungsleiter Wilke schon Anfang August angefragt habe, ob ein Begegnung Löfflers mit allen Bundessynodalen am vorletzten Verhandlungstag der Synode, dem 18. September, organisiert werden könne. Die Mitglieder des Präsidiums waren sich einig, dass alternativ ein Treffen zwischen Präsidium, einigen BEK-Synodalen sowie Gästen aus der Ökumene mit dem Staatssekretär zu bevorzugen sei. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die Begegnung mit einer Mitteilung an die Presse für die Öffentlichkeit dokumentiert werde. Nach einer langen Debatte kam das Präsidium jedoch zu einem ganz anderen Ergebnis. Die Mehrheit der Anwesenden vertrat die Ansicht, dass weder ein Empfang des Staatssekretärs noch ein Zusammentreffen im Rahmen der Tagung der Bundessynode veranstaltet werden könne, nicht zuletzt angesichts der aktuellen „kirchenpolitischen Situation“: Die Synode des Bundes habe vor vier Jahren die Zusage für außerordentlich wichtige „Sachgespräche“191 mit Vertretern des Staates erhalten. Bis heute warte man auf die Einlösung dieser Zusage. Ferner sei – trotz der ausdrücklichen Bitten des Kirchenbundes – auf die zahlreichen Eingaben zu den Wahlfälschungen bei den Kommunalwahlen im Mai nicht geantwortet worden. Insofern sahen die Präsidiumsmitglieder die Voraussetzungen als nicht gegeben an, dem Wunsch Löfflers nachzukommen. Der Präses wurde gebeten, dem Staatssekretär diese Entscheidung bei der Unterredung am folgenden Tag mitzuteilen.192 Der Vorsitzende der KKL wandte sich am 4. September an den EKD-Ratsvorsitzenden Kruse, um ihn über die Aktivitäten zu unterrichten, die der Kirchenbund in der DDR hinsichtlich der weiter anwachsenden Zahl von Ausreise-Antragstellern, über die ungarisch-österreichische Grenze Flüchtenden und durch unterschiedliche Aktionen ihre Ausreise Erzwingenden unternommen hatte. Am gleichen Tag hatte Leich im Namen der KKL einen Brief an die Gemeinden in der DDR „zur Ausreiseproblematik“ veröffentlicht, mit dem diese wiederum über den Inhalt des Schreibens der Konferenz vom 2.9.1989 an Honecker informiert wurden. Gegenüber dem Staatsratsvorsitzenden hatte die KKL nicht nur ihre Beunruhigung über die Ausreisewelle und ihre Ratlosigkeit im Blick auf eine Problemlösung zum Ausdruck gebracht, sondern klar und nachdrücklich um innenpolitische Veränderungen gebeten, die „die mündige Beteiligung der Bürger an der Gestaltung unseres gesellschaftlichen Lebens und eine produktive Diskussion der anstehenden Aufgaben in der Öffentlichkeit sichern 191 192

Vgl. R. MAU, Eingebunden, S. 26–34, sowie A. SILOMON, Synode, v. a. S. 60f., 152–162, 176–213. Protokoll (Riese) der Präsidiumssitzung am 31.8.1989 in Berlin, S. 6 (EZA, 101/2959).

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und Vertrauen zur Arbeit der staatlichen Organe“ ermöglichen. Gleichwohl war der Appell an die Gemeindemitglieder bekräftigt worden, das Land nicht zu verlassen, sondern sich an dem erwünschten Öffnungs- und Demokratisierungsprozess zu beteiligen.193 Den Brief an die Gemeinden hatte Leich seinem Anschreiben an Kruse beigelegt und hinzugefügt: „Sie ersehen aus dem Brief, was wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt für dringlich halten. Darüber hinaus bitten wir Sie, Ihren Einfluß bei der Bundesregierung und in der Öffentlichkeit geltend zu machen, daß durch politische Erklärungen und Handlungsweisen das Druck-Sog-Gefälle zwischen den beiden deutschen Staaten nicht verstärkt, sondern abgebaut wird.“194 Zu Beginn der Synodaltagung des Bundes in Eisenach setzte Gaebler den Vorstand der KKL über die vom Präsidium getroffene Entscheidung in Kenntnis, das Konferenzmitglied Renate Salinger mit dem Sprechen eines Grußwortes auf der EKD-Synode, die vom 5. bis zum 10. November in Bad Krozingen zum Thema „Die Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Kirche“ tagen wollte, zu betrauen. Gaebler berichtete dem KKL-Vorstand auch von der Absicht, das Treffen der Präsidien der EKD- und der Bundessynode im Gegensatz zu allen vorangegangenen Begegnungen in der DDR diesmal in West-Berlin durchzuführen. Eine entsprechende Einladung habe der EKD-Ratsvorsitzende und Bischof der Berlin-brandenburgischen Kirche, Kruse, ausgesprochen und den Vorstand der KKL um seine Zustimmung gebeten. Dazu erläuterte Ziegler, dass eine Vorverständigung über die „Modalitäten“ mit den Mitarbeitern der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen erfolgt sei.195 Auf der Kirchenbundsynode vom 15. bis zum 19. September in Eisenach spielten die Ausreiseproblematik und die dahinterstehenden politischen und gesellschaftlichen Missstände in der DDR naturgemäß eine große Rolle. Im Bericht der KKL wurden die Probleme ebenso zur Sprache gebracht wie im Grußwort des EKD-Synodenpräses Schmude und in den Plenumsdebatten. Sie fanden gleichfalls Eingang in die Beschlüsse der Bundessynode.196 Der böse Kommentar, der am 21. September 193

Sowohl das Schreiben an Kruse als auch der Brief an die Gemeinden ist abgedruckt bei M. FAL(Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 336–338; hier S. 336. Schreiben Leich an Kruse vom 4.9.1989 (EZA, 101/3131). 195 Protokoll (Kupas) der 226. Sitzung des KKL-Vorstands am 15.9.1989 in Eisenach, S. 2 (EZA, 688/62). – Wie immer ausgesprochen zeitig hatte Ziegler HAL Heinrich bereits Ende April mitgeteilt, dass die beiden Synodenpräsidien sich am 19./20.1.1990 zu einem Gedankenaustausch in West-Berlin treffen wollten. Heinrich wies auf den staatlicherseits nach wie vor als äußerst problematisch empfundenen Tagungsort hin, versprach jedoch eine Prüfung des Wunsches. Er fügte hinzu, dass es eine „Erleichterung“ sein könne, wenn der EKD-Ratsvorsitzende die Einladungen zu einer „Arbeitsbesprechung“ aussprechen würde (Vermerk Ziegler vom 18.5.1989 [EZA BERLIN, 101/4719]). 196 Vgl. zur BEK-Synode die 2. Lieferung des KJ 1989 (116. Jg.), v. a. S. 151–160. Die Beschlüsse finden sich bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 339–358.

KENAU 194

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im Neuen Deutschland unter dem Titel „Großdeutsche Ladenhüter auf der Kirchenversammlung“ abgedruckt wurde, zeigt, wie unangenehm der Staats- und Parteiführung eine öffentliche Verhandlung der innenpolitischen Probleme und Defizite war. So wurde konstatiert, dass die Anzahl von Bundessynodalen in etwa mit der von westlichen Journalisten übereingestimmt habe. Die Pressevertreter interessierten sich, wie das ND schrieb, selbstredend nicht ein bisschen für religiöse Fragestellungen und Schwierigkeiten der Kirchen, sondern wollten lediglich der eher einer „großdeutschen Stabsversammlung“ als einer Kirchenversammlung ähnelnden Synode beiwohnen, um ihre Kampagne gegen den Sozialismus und die DDR weiterzuführen. In der DDR sollten „kapitalistische Verhältnisse“ hergestellt werden, um sie für eine „‚Wiedervereinigung‘ sturmreif zu machen“. Beraten worden seien demnach alte Hüte aus dem Kalten Krieg, „Ladenhüter“, die die Staats- und Parteiführung nicht im Geringsten berührten. Der Artikel endete mit einem Katalog von Fragen: „Was hat denn das mit Kirchenangelegenheiten zu tun? Vor allem: Was haben solche abenteuerlichen, völlig unrealistischen Parolen noch mit Kirche im Sozialismus zu tun? Wäre es nicht besser, bei den vernünftigen und nützlichen Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche aus dem Jahr 1978 zu bleiben, die jüngst bei der Einweihung des Doms in Greifswald bekräftigt wurden?“

Jürgen Bergmann, Superintendent des Kirchenbezirks Dresden-Nord, widersprach in einem Beschwerdeschreiben an die Redaktion des ND eingangs der bilanzierenden Formulierung, die Synode habe „alten Quark […] als Frischkäse angeboten“ und konterte sehr treffend: „Wenn die Bundessynode als oberstes Organ der im Bund der Evangelischen Kirchen zusammengeschlossenen Kirchen sich zu gesellschaftlichen Problemen äußert, kann man sich damit sachlich auseinandersetzen. Ein Journalismus jedoch, der sich in der angezeigten Weise in geschmackloser Polemik ergeht, disqualifiziert sich selber als unseriös und gesprächsunfähig. Ich bedaure, daß Ihre Zeitung, die ja kein beliebiges Presseerzeugnis darstellt, sondern den Anspruch erhebt, Organ des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zu sein, derartigen Entgleisungen Raum gibt und die im Gespräch vom 6. März 1978 bekräftigten Grundlagen des Verhältnisses von Staat und Kirche verläßt.“197

In einem seiner „Kurzberichte aus dem Bereich BEKDDR“ hatte Heidingsfeld wiederum die während der Bundessynode getroffenen Stellungnahmen und Voten zusammengestellt, in denen ausdrücklich auf die EKD Bezug genommen worden war. In der Plenumsausprache zum Bericht des KKL-Vorsitzenden habe der Erfurter Probst Falcke auf die politischen Konsequenzen der Ausreisewelle 197

Schreiben Bergmann an ND-Redaktion vom 25.9.1989 (EZA, 101/2959).

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hingewiesen und den Prozess der Entspannung unter diesem Gesichtspunkt als gefährlich bezeichnet.198 Unmittelbar an die Vertreter der EKD adressiert sei seine Feststellung gewesen, in der aktuellen Situation bedeute „Mitverantwortung“, nicht von der Wiedervereinigung zu sprechen, sondern vielmehr die Zweistaatlichkeit „deutlicher zu bejahen und zu unterstreichen“. Ein Offenhalten der deutschen Frage im Sinne des Blicks auf die staatliche Vereinigung führe nur dazu, dass die Grenzen „dichter“ würden. Ferner sei es derzeit für die Förderung des Vertrauens von großer Wichtigkeit, dass in der Bundesrepublik „deutliche und energische Abrüstungsschritte“ unternommen würden. Den Beitrag des thüringischen Oberkirchenrates Große interpretierte Heidingsfeld mehr oder weniger als Angriff auf die EKD: „Sehr viel schärfer, streckenweise recht polemisch und somit noch medienwirksamer, hat OKR Große […] in unserer Richtung gesprochen (z. B. ‚Alibi-Demokratie‘, die in der Bundesrepublik bestehe“). Allerdings hatte der Leiter der Berliner Stelle hier gleichfalls nur die Passage zitiert, die direkt die EKD betraf, und damit den nicht korrekten Eindruck erweckt, Große habe sich schwerpunktmäßig der Kritik an der Bundesrepublik beziehungsweise der EKD gewidmet.199 Insgesamt, so bilanzierte Heidingsfeld, habe die BEKSynode „staatstragend“ argumentiert, unter anderem mit dem Statement, die Wiedervereinigung sei „weder aktuell noch perspektivisch“ ein Thema.200 Die Konferenz beschäftigte sich Anfang Oktober mit der Frage, inwieweit die Möglichkeit bestünde, den 9. November als kirchlichen „Gedenk- und Fürbittentag zum Verhältnis von Christen und Juden“ einzuführen. Sie sprach die Empfehlung aus, dass darüber zusammen mit der EKD nachgedacht werden solle, zumal der Kirchenbund mit der Schwesterkirche „in gemeinsamer Tradition von Schuld und gemeinsamer Pflicht vor Neubesinnung“ stünde. Wünschenswert sei es, wenn „in angemessenem Rahmen“ auch eine Beteiligung der RömischKatholische Kirche an diesen Überlegungen in die Wege geleitet werden könne. Aus den vergangenen Sitzungen des Vorstands wurde neben einem kirchlichen Lagebericht auch die Information weitergegeben, dass die Vorstandsmitglieder bei ihrer nächsten Beratung die Teilnehmer des Bundes an der gemeinsamen Konsultation mit der EKD in Loccum nominieren würden.201 Am 18. Oktober 198

Zur Verdeutlichung: Falcke hatte auch gesagt, dass die „Fixierung auf die Frage des Bleibens oder Gehens […] von den entscheidenden Fragen des neuen Denkens“ ablenke. Die EKD dürfe sich nicht dem „Trend“ anschließen, „die Ausreisewelle als eine Selbstrechtfertigung des Kapitalismus zu werten. Aussprüche wie ‚Marx ist tot, Jesus lebt‘ machten alle Ansätze zu einem Dialog kaputt“ (Zitiert nach KJ 1989 [116. Jg.], S. 155). 199 U. a. hatte Große auch einen grundsätzlichen Verzicht auf die Teilnahme an den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR gefordert (Vgl. KJ 1989 [116. Jg.], S. 156). 200 30. Kurzbericht (Heidingsfeld) aus dem Bereich BEKDDR vom 6.10.1989, S. 3 (EZA, 673/91/47) 201 Protokoll (Ritter) der 127. KKL-Tagung am 6./7.10.1989 in Berlin, S. 3 (EZA, 101/3076).

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stimmte der KKL-Vorstand nach einer längeren Aussprache bei vier Stimmenthaltungen dem Vorschlag zu, den Ziegler auf der Basis der vorausgegangenen Erwägungen in Vorstand und Konsultationsgruppe für die BEK-seitige personelle Zusammensetzung der Klausurtagungsteilnehmer vorgelegt hatte. Der Kirchenbund sollte demnach Mitte Januar 1990 in Loccum durch folgende Personen vertreten sein: „Leich, Demke, Stolpe, Schönherr (oder W. Krusche), Kramer, Noack, Petzold, Hempel, Gaebler, Domke, Stier, Domsch (?), Ziegler, Hohmann sowie Ersatzkandidaten Natho und Zeddies.“202 Erst am 21. Oktober beantwortete der EKD-Ratsvorsitzende das Schreiben, welches Leich in seiner Funktion als Vorsitzender der KKL zusammen mit dem Brief an die Gemeinden beziehungsweise den Staatsratsvorsitzenden Anfang September an ihn gerichtet hatte: „Lieber Bruder Leich, in diesen bewegten Zeiten Ihnen zu schreiben, ist ganz einfach und doch ein schwieriges Unterfangen. Was jetzt, beim Niederschreiben, noch stimmen mag, kann, wenn Sie es lesen, bereits überholt sein. Im Rat der EKD und weit darüber hinaus in unseren Kirchen und in unserer Gesellschaft haben wir Ihren Brief vom 4. September und das mitübersandte Schreiben an die Gemeinden Text mit Respekt zur Kenntnis genommen. Er hat uns in der Auffassung bestärkt, daß die evangelischen Kirchen in der DDR keinen fremden Mund benötigen, um zu sprechen und daß sie die Fragen sehr genau kennen und benennen, die die Menschen in Ihrem Lande umtreiben. Wir haben in der heutigen Ratssitzung versucht, uns gemeinsam ein Bild zu machen und nach unserer Verantwortung zu fragen. […] Wir begleiten diesen Prozeß [gesamtgesellschaftlicher Dialog] mit Aufmerksamkeit, mit Anteilnahme und unserer Fürbitte. […] Diese stellen sich eine schwere Aufgabe, die ihnen viel Kraft abverlangen und zu einer ständigen Gratwanderung nötigen. Vor gelegentlichen Mißverständnissen und Mißdeutungen ihrer Absichten werden sie dabei nicht geschützt sein. […] Ihren Wunsch, daß bei uns ‚durch politische Erklärungen und Handlungsweisen das DruckSog-Gefälle zwischen den beiden deutschen Staaten nicht verstärkt, sondern abgebaut wird‘, nehmen wir sehr ernst. Was wir tun können, damit diese geschieht, wollen wir weiterhin gern tun. Anregungen wie konkrete Schritte nehmen wir gern auf. Mit Ihnen halten wir für wichtig, daß in der DDR die mündige Beteiligung der Bürger an der Gestaltung ihres gesellschaftlichen Lebens ermöglicht wird, wie Sie es in Ihrem Brief an die Gemeinden gefordert haben. Das würde in erheblichem Maße zum Abbau des ‚Druck-Sog-Gefälles‘ beitragen.“203

Leich wandte sich am 7. November mit einem „persönlichen“ Schreiben an den Ratsvorsitzenden der EKD, um die auch in dessen Bericht204 an die noch laufen202 Protokoll (Zeddies) der 227. Sitzung des KKL-Vorstand am 18.10.1989 in Berlin, S. 3 (EZA, 101/3091). 203 Schreiben Kruse an Leich vom 21.10.1989, S. 1f. In der Anlage befand sich Kruses Brief an die Gemeinden in Berlin-West vom 11.10.1989 (EZA, 101/3131). 204 Vgl. den Auszug in der 2. Lieferung des KJ 1989 (116. Jg.), S. 186f.

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de Synode und in der anschließenden Aussprache zum Ausdruck gekommene „so abgewogene“ „Doppelstrategie“ zu kritisieren, die von der EKD-Synode im Blick auf die Ausreiseproblematik in der DDR vertreten worden sei. Einerseits sei denen die Anerkennung ausgesprochen worden, die die DDR nicht verließen und sich den „schweren Aufgaben“ stellten, auf der anderen Seite sei an die Synodalen und Kirchengemeinden appelliert worden, die in die Bundesrepublik Ausreisenden „menschlich zu umgeben und aufzunehmen“. Zwar sei es zweifellos eine Christenpflicht, diejenigen, für die ein Bleiben in der DDR nicht in Frage komme, hilfreich Willkommen zu heißen. Jedoch frage Leich sich, ob es in der derzeitigen Lage nicht sinnvoller gewesen sei, wenn die Synode der EKD sich „aufgerafft und deutlich gesagt hätte, daß jetzt die Stunde gekommen ist, um innerhalb der DDR einen neuen Anfang zu suchen? Anstelle einer solchen klaren Aussage, die uns geholfen hätte, hat es wieder eine wohlabgewogene diplomatische Doppelaussage gegeben. Ich will Ihnen das überhaupt nicht persönlich zur Last legen. Ich weiß, daß die Interessen der Parteien durch verschiedene Synodale in der Synode der EKD mit vertreten werden“.

Trotz Leichs nachdrücklicher Versicherung, er spreche diese offenen und persönlichen Worte in dem Bewusstsein, dass Kruse und er sich „gut kennen“, hatte er nicht nur seine Enttäuschung über diese Haltung der Synode (und des Ratsvorsitzenden) gezeigt, sondern mit dem Hinweis auf die nicht nur positiven Auswirkungen einer Vermischung von kirchlicher und (partei-) politischer Verantwortung im bundesdeutschen System doch tiefergehende Kritik geübt.205

205 Schreiben Leich an Kruse vom 7.11.1989, S. 1 (EZA, 101/3131). – Am 9.11.1989 äußerte sich die EKD-Synode zur Entwicklung in der DDR mit der gleichen, von Leich kritisierten Ausgewogenheit, ohne natürlich wissen bzw. vermutlich auch ahnen zu können, dass noch in der Nacht die Mauer fallen sollte. Vgl. den Wortlaut in der 2. Lieferung des KJ 1989 (116. Jg.), S. 192f. Dort ist auf S. 193f. Kruses Stellungnahme vom 10.11.1989, dem letzten Verhandlungstag der EKD-Synode, zur Grenzöffnung abgedruckt.

Resümee Die Bildung eines Gremiums, in welchem Vertreter des Kirchenbundes mit denen der EKD zusammentreffen sollten, um die in Art. 4 (4) der Bundesordnung fixierte „besondere Gemeinschaft“ trotz und wegen der deutschen Teilung zu praktizieren, ist auf Anregung der ostdeutschen Kirchen erfolgt. So zeigte der BEK auch sein ernsthaftes Interesse an dem grenzübergreifenden Dialog, indem er seine maßgeblichen Repräsentanten für diese Aufgabe bestimmte. Dass die evangelische Kirche in der Bundesrepublik zunächst zögerte, ihrerseits hochrangige Vertreter der EKD für verbindliche Gespräche in die DDR zu entsenden, ergab sich vollkommen selbstverständlich aus der Tatsache, dass die SED die Einreise von bundesdeutschen Ratsmitgliedern aus politisch-ideologischen Gründen nicht gestattete. Doch die kontinuierliche Weigerung der EKD, ihre Abgesandten mit auch nur den geringsten Vollmachten geschweige denn einem weitergehenden Mandat auszustatten, irritierte die Brüder im Osten verständlicherweise. Die Anfänge der Beratergruppe wurden dominiert vom Nachdenken und von Debatten um eine angemessene Bezeichnung des Gremiums, dessen Zusammensetzung, Aufgabenbestimmung und Stellenwert sowie sein Funktionieren als Instrument einer in die Praxis umgesetzten „besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“. Überlegungen dieser Art wiederholten sich mit einer gewissen Stetigkeit und wurden zu keinem Zeitpunkt durch tragfähige Beschlüsse der kirchlichen Leitungsgremien in Ost- und Westdeutschland nachhaltig geklärt und abgeschlossen. Eine Auflösung der Gruppe wurde zwar sowohl innerhalb der EKD als des Bundes erwogen, doch letztlich hielten beide Seiten über jedwede Konfliktphasen hinweg an dieser Einrichtung fest, weil sie nicht nur ein wichtiges Band war, das das Festhalten an der grenzübergreifenden kirchlichen Gemeinschaft symbolisierte, sondern auch faktisch den Zweck erfüllte, das Wissen um den unterschiedlichen Weg von BEK und EKD im geteilten Deutschland und den Dialog als solchen nicht abreißen zu lassen. Der Ost-West-Gesprächskreis beider Kirchen war als dankbar angenommenes Forum des wechselseitigen Informationsaustauschs im Gegensatz zur über zehn Jahre später gegründeten Konsultationsgruppe eine Art „Mädchen für alles“, wurde jedoch zugleich von den evangelischen Kirchen in der DDR und in der Bundesrepublik mitunter recht gezielt übergangen, wenn es um heikle oder solche Belange ging, die nicht unmittelbar mit der Schwesterkirche besprochen werden mussten oder aber sollten. Dass die deut-

Resümee

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schen Staaten nach und nach Beziehungen zueinander aufbauten, entsprechende vertragliche Regelungen getroffen wurden und sich die Bundesrepublik und die DDR als selbständige Gebilde im internationalen Gefüge platzierten, hatte für beide Kirchen ambivalente Konsequenzen: Zumindest die SED pflegte in den Phasen außenpolitischer Entspannung in ihrer Innen- und Kirchenpolitik die Zügel anzuziehen. Eine ähnliche Dynamik entwickelten die EKD und ebenso der Bund in der DDR insofern, als ihre Protagonisten immer wieder ins Grübeln gerieten, inwieweit sie ihren mühsam erarbeiteten Status quo beziehungsweise ihre Beheimatung in der Bundesrepublik und im Ostteil Deutschlands für das aktive Zusammengehen mit den Kirchen im jeweils anderen Bereich „opfern“ sollten. Im Grunde glichen die „besondere Gemeinschaft“ und die beidseitigen kirchlichen Verhaltensmuster, wie sie in der Beratergruppe zutage traten, einer nicht mehr ganz jungen Liebesbeziehung – mit allen Höhen und Tiefen: Drohte ein Partner sich zurückzuziehen, zeigte der andere verstärkte Bemühungen um Nähe, kritische Äußerungen lösten Verletzungen und Gegenvorwürfe aus. Anlässe gab es ausreichend: Grundsatzfragen wie die nach dem Ausmaß der Trennung von Kirche und Staat, der Existenz eines politischen Mandats der Kirchen, ihres Selbstverständnisses und ihrer Aufgaben in der Gesellschaft sowie spezielle Fragen nach der kirchlichen Position zu Demokratie und Sozialismus, zur Friedensfrage, zu Menschenrechten und Toleranz.

Teil II: Die „besondere Gemeinschaft“ in der Wirklichkeit – Die Konsultationsgruppe und die gemeinsame Friedensverantwortung der evangelischen Kirchen (1980–1991)

5. Kapitel: Entstehung und Ziele der Konsultationsgruppe (1980–1983)

Wenige Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte der vorläufige Rat der EKD mit seiner Stuttgarter Erklärung1 die Mitschuld der evangelischen Kirche am Krieg bekannt und mit diesem Basisdokument zugleich die besondere kirchliche Friedensverantwortung zum Ausdruck gebracht. Von da an hat sich die EKD immer wieder zum Thema Frieden und den Möglichkeiten seiner dauerhaften Sicherung geäußert.2 Derartige Stellungnahmen waren von der grundsätzlichen Haltung der Kirche zum Staat und der damit eng verknüpften Frage nach dem richtigen Verhältnis von Glauben und Politik beeinflusst. Beides war innerkirchlich stets umstritten und führte zu gegebenen Anlässen immer wieder zu kontroversen Debatten, bei denen das oft vergebliche Bemühen um einen Meinungskonsens deutlich zutage trat. Ferner spielte zumindest bis zum Bau der Mauer im Jahr 1961, wenn nicht unterschwellig – jedoch immer stärker der Frage der kirchlichen Einheit untergeordnet – sogar bis zur organisatorischen Trennung beider evangelischer Kirchen mit der Bundesgründung, die nationale Frage, die Option eines geeinten Deutschlands eine besondere Rolle. Die deutsche Frage und die kirchliche Verantwortung für den Frieden blieben auch nach 1969 unauflösbar miteinander verbunden. Allerdings wurde der Friedensverantwortung Schritt für Schritt klare Priorität eingeräumt und sie wurde im Kontext der BEK und EKD gemeinsam betreffenden Aufgaben zu einem dominierenden Aspekt der Praktizierung der „besonderen Gemeinschaft“ der evangelischen Kirchen in Ost und West.3 1

KJ 1945–48 (72–75. Jg.), S. 26f. Zu den einzelnen Stellungnahmen des Bundes und der EKD zur kirchlichen Friedensverantwortung vgl. u. a. A. SILOMON, Verantwortung. 3 Im Ausblick des Bandes „Schuld“ konstatiert der Herausgeber M. GRESCHAT: „Heute kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass die nachdrücklichsten Anstöße zur Besinnung auch auf die Stuttgarter Schulderklärung sowie besonders konkrete Vorschläge zu ihrer Aktualisierung jedenfalls in der evangelischen Kirche innerhalb des Bereichs der DDR entstehen. Aus dem Bewußtsein der gemeinsamen Schuld der Deutschen und damit eben auch der deutschen evangelischen Christen in der Vergangenheit resultiert hier nicht zuletzt die ‚besondere Gemeinschaft […]‘, die allerdings nur festgehalten werden kann, wenn die Christen in Ost und West es als ihre besondere Verpflichtung begreifen, alles daranzusetzen, dass die Irrwege der Vergangenheit verlassen werden; wenn also die evangelischen Christen im Osten wie im Westen Deutschlands sich in besonderem Maße dafür verantwortlich wissen, alles 2

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

Mitte April 1979 konstatierte der Rat der EKD auf seiner Sitzung, dass es „angesichts der außenpolitischen Lage“ einige Themen gebe, die für die EKD von besonderer Wichtigkeit seien. Da der Frieden „hauchdünn“ sei, stünden die Kirchen vor der Aufgabe, „im Rahmen ihres Auftrages die politischen Bemühungen um die Erhaltung des Friedens zu unterstützen“.4 Einen ersten Schritt in dieser Richtung, der für die EKD und den Kirchenbund in der DDR selbst gewissermaßen spektakulär war, weil es sich um die erste offizielle, gemeinsame Stellungnahme seit elf Jahren5 handelte, mit der auch noch das Bekenntnis zur bilateralen kirchlichen Friedensverantwortung bekräftigt wurde, unternahmen die beiden deutschen Kirchen mit der Veröffentlichung eines „Wortes zum Frieden“6 anlässlich des Beginns des Zweiten Weltkriegs am 1. September vor vierzig Jahren. Zudem hatte das „Wort“ eine besondere Bedeutung, weil sich zwei Kirchen zu einem hochbrisanten Thema äußerten, die, wie sie selbst hervorhoben, in „unterschiedliche politische, wirtschaftliche und militärische Weltsysteme hineingestellt“ waren.7 Es sollte jedoch nicht bei dieser einmaligen verbalen Initiative bleiben. In einem „persönlichen“ Schreiben teilte Olav Lingner am 13. November dem Präsidenten der EKD-Kirchenkanzlei in Hannover, Walter Hammer, mit, dass Christoph Demke, stellvertretender Leiter des BEK-Sekretariats, am Vortag nochmals das ungebrochene Interesse des Bundes an einer gemeinsamen in ihrer Macht Stehende für die Schaffung und Erhaltung des Friedens im umfassenden Sinn zu tun“ (S. 316). 4 Niederschrift (Lingner) über die 82. Sitzung des Rates der EKD vom 19.–21.4.1979, S. 3 (EZA, 2/93/875). 5 Zuletzt war am 1.3.1968 von ost- und westdeutschen Mitgliedern der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung die Studie „Die Friedensaufgaben der Deutschen“ publiziert worden. Abdruck in: K IRCHENKANZLEI DER EKD (Hg.), Denkschriften, Bd. 1/2, S. 15–33. 6 Abdruck des Wortes zum 40. Jahrestag des Kriegsbeginns vom 24.8.1979 u. a. in: M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 305ff. 7 Uwe-Peter Heidingsfeld referierte 1992 zum Thema „besondere Gemeinschaft“. Ausgehend von der Tatsache, dass die Kirchen mit ihrer Grundeinschätzung, der Sozialismus sei „entwicklungsfähig und reformierbar“, einem Irrtum unterlegen seien, beschrieb der zeitweilige Leiter der Berliner Stelle der EKD zunächst die gemeinsamen kirchlichen Gremien, die zur Aufrechterhaltung der „besonderen Gemeinschaft“ eingerichtet worden waren. Seiner Ansicht nach existierte die „besondere Gemeinschaft“ nicht nur als Formel. Vielmehr habe es Konkretionen „reichlich und überzeugend gegeben. Und sie waren teils kontinuierlicher, teils gelegentlicher Art“. Für beachtenswert hielt er dabei nicht nur die „gemeinsamen Worte“ von BEK und EKD, sondern ebenfalls die bei gegenseitigen Synodenbesuchen gesprochenen Grußworte und nicht zuletzt die finanziellen und materiellen Transferleistungen von West- nach Ostdeutschland. Zusammenfassend kam Heidingsfeld zu dem Schluss, dass mit diesem ersten gemeinsamen öffentlichen Wort von BEK und EKD zum Frieden eine „gewisse Veränderung in der Qualität“ und eine Art von Ritualisierung der „besonderen Gemeinschaft“ eingetreten sei. Konkrete (historische) Anlässe für gemeinsame Äußerungen seien notwendig gewesen: „Es wurde dann natürlich schwierig, weil man sich an andere Fragen – etwa deutsch-deutsches kirchliches Miteinander – nicht gewagt hat“ (U.-P. HEIDINGSFELD, Gemeinschaft, S. 80, 88, 120).

Entstehung und Ziele der Konsultationsgruppe (1980–1983)

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Konsultation mit der EKD „zu Fragen des Beitrags der Kirchen zum Friedensdienst/Abrüstung u. a.“ übermittelt habe.8 Diese Anregung habe Lingner bereits wie abgesprochen an den Vizepräsidenten der Kirchenkanzlei der EKD, Erwin Wilkens, weitergegeben. Demke habe versichert, dass es nicht zu einer „Überschneidung“ mit den vage geplanten Beratungen zwischen dem Vorsitzenden der KKL, dem EKD-Ratsvorsitzenden und bundesdeutschen Politikern kommen werde.9 Dennoch habe Lingner den Eindruck, dass diesem „Vorhaben“ zumindest von Albrecht Schönherr und Manfred Stolpe „Vorrang“ gegeben werde. Daher habe er bei Demke nachgehakt, wie das „Interesse“ des Kirchenbundes an einer Konsultation zur Friedensfrage zu interpretieren sei. Dieser habe präzisiert, dass „Interesse“ sei im Sinne einer an die EKD gerichteten „Anregung“ und „Bitte“ zu verstehen. Lingner und Demke hätten sodann die Vereinbarung getroffen, auf der Ebene der EKD-Kanzlei bzw. des BEK-Sekretariats10 ein „Vorgespräch“ zu führen, um eine „inhaltliche Konzeption für eine Konsultation (m. E. nicht ganz einfach!) zu entwerfen“. Der Leiter der Berliner Stelle schrieb Hammer, er werde sowohl Wilkens als auch EKD Ratsmitglied Hans von Keler und OKR Herbert Claessen im Kirchenamt der EKD kontinuierlich über den Gang der Entwicklung auf dem Laufenden halten.11 Mit der Einladung des BEK-Sekretariats zur Sitzung der Beratergruppe am 17. Dezember informierte Lingner die westlichen Mitglieder über diesen Plan, da er zu diesem Zeitpunkt mittelbar ebenso den Ost-West-Gesprächskreis betraf: Zur Weiterarbeit an der Abrüstungsthematik solle eine aus Vertretern des Bundes und der EKD zusammengesetzte „kleine Konsultationsgruppe“ Überlegungen zur Friedensfrage anstellen und entweder der Beratergruppe oder den kirchlichen Leitungsgremien beider Kirchen entsprechende Vorschläge antragen. Am 15. Dezember würden die Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD 8

Dieser Wunsch war indirekt in dem Beschluss der Bundessynode „zur Frage der Stationierung der Mittelstreckenraketen in Europa“ (vom 25.9.1979) mit der Bitte der Synode an die KKL zum Ausdruck gekommen, hinsichtlich der gemeinsamen kirchlichen Friedensverantwortung mit dem Rat der EKD Kontakt aufzunehmen (Abdruck des Beschlusses bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 308). 9 Schönherr hat im Rahmen einer Reise in die Bundesrepublik dann am 24.11.1979 im Beisein von Hammer tatsächlich ein Gespräch mit Lohse geführt, wie es die Bundessynode 1979 in Dessau in ihrem Beschluss vom 25.9.1979 im Sinne eines Schrittes zum gemeinsamen Bemühen beider Kirchen um die Sicherung des Friedens erbeten hatte. Wenn im Nachhinein in den kirchlichen Gremien praktisch keine Informationen über dieses Treffen gegeben wurden, so fiel die zwei Tage später stattfindende Unterredung zwischen Schönherr und dem SPD-Vorsitzenden Brandt, der auch Binder beigewohnt hatte, völlig unter den Tisch. 10 Teilnehmen sollten außer Demke und Lingner noch Christa Lewek, Helmut Zeddies, eventuell auch Joachim Rogge und Karlheinz Schmale. 11 Schreiben Lingner an Hammer vom 13.11.1979, Vermerk „Persönlich“, S. 3 (EZA, 672/AZ 80-5-4, Bd. 2).

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

und der Ausschuss Kirche und Gesellschaft des Kirchenbundes in Ost-Berlin zu einer „Begegnungstagung“ zusammenkommen und bei dieser Gelegenheit gleichfalls über den weiteren Umgang mit der Frage der Abrüstung beraten. An die Beratergruppe würden „möglicherweise“ Empfehlungen ausgesprochen, wie diese Thematik von einer gemeinsamen „Konsultationsgruppe“ vertieft werden könnten.12 Die östlichen und westlichen Kammer- und Ausschussmitglieder verhandelten am 15. Dezember zwar ausführlich die Bedeutung des drei Tage zuvor von den Außen- und Verteidigungsministern der NATO gefassten „NATO-Doppelbeschlusses“ über die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa bis zum Jahr 1983, doch nahmen sie hinsichtlich möglicher gemeinsamer Konsultationen zur Friedensfrage keinerlei konkrete Aktivitäten in den Blick. Die Vertreter des Bundes wiesen lediglich mit großem Nachdruck darauf hin, dass alles daran gesetzt werden müsse, den Rüstungswettlauf zu stoppen.13 Konkret wurden die Mitglieder der KKL jedoch auf ihrer Sitzung am 11. und 12. Januar 1980. Der Leiter des BEK-Sekretariats Stolpe unterrichtete die Anwesenden von der Ausführung des Dessauer Synodenbeschlusses14 vom vergangenen Jahr im Blick „auf die Kontakte mit der EKD“ und nahm eine Bewertung der Entwicklung der Friedenspolitik sowie der sich daraus für die Kirchen möglicherweise ergebenden Aufgaben vor. Sein Stellvertreter Demke stellte ergänzend die derzeitige Gesprächssituation „in der EKD zur Frage der Friedenssicherung und Abrüstung“ dar. Die KKL beschloss nach einer intensiven Debatte unter anderem, ihren Vorsitzenden Schönherr mit der Kontaktaufnahme zum EKD-Ratsvorsitzenden Eduard Lohse zu beauftragen. Er solle dem Rat unter Bezug auf die „gegenwärtige Gefährdung der Entspannung“ die Installation einer kleinen gemeinsamen Konsultationsgruppe zum Problem der Sicherung des Friedens vorschlagen. Die Vertreter des Bundes und der EKD könnten sich im Austausch miteinander über die Problemlage Klarheit verschaffen und mögliche „Vorhaben der Kirchen“ erörtern. An den Vorstand der KKL wurde die Bitte gerichtet, etwa sechs Mitglieder der Konferenz für diese Konsultation zu nominieren, was offenbar ad-hoc erfolgte, da die KKL „für den Fall, dass der Rat der EKD den Konsultationen“ seine Zustimmung erteilen würde, folgenden Beschluss fasste: „Die Konferenz wird vertreten durch Schönherr, Gienke, Falcke, Große, Domsch, Stolpe. Der Vorstand wird beauftragt, erforderlichenfalls Vertreter zu bestimmen; dabei sollten auch Laien einbezogen werden (3 Enthaltungen).“ Einstimmig beschlossen die Anwesenden zuletzt, Schönherr 12

Schreiben Lingner vom 10.12.1979, S. 2 (EZA, 688/1). „Vertraulicher Vermerk“ Claessen vom 16.1.1980 (EZA, 672/AZ 323, Bd. 1). 14 Der Beschluss der BEK-Synode zur Stationierung von Mittelstreckenraketen vom 25.9.1979, in dem u. a. eine Fühlungnahme mit der EKD in der Friedensfrage gewünscht worden war, ist abgedruckt in: KJ 1979 (106. Jg.), S. 402f. 13

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und den Vorstand der KKL mit der Sondierung und Wahrnehmung von „Gesprächsmöglichkeiten auf hoher staatlicher Ebene“ zu beauftragen, um dem Staat die Haltung der Kirche zu vermitteln und um im Gegenzug um Informationen zur Sachlage zu bitten.15 Friedensfrage: Schönherr sucht das Gespräch mit der EKD auf der Leitungsebene Der Vorsitzende der KKL ergriff dann am 24. Januar mit einem förmlichen Schreiben an den Ratsvorsitzenden Lohse die Initiative. Schönherr erinnerte eingangs an die im „vielbeachteten Wort“ zum 40. Jahrestag des Kriegsbeginns – ebenso wie die Eigenständigkeit in der Evangeliumsverkündigung im jeweiligen Bereich – gemeinsam bekannte besondere Verantwortung der deutschen Kirchen „an der Nahtstelle dieser Weltsysteme“ für den Frieden. Die politische Lage habe sich mittlerweile weiter zugespitzt: „Wir beobachten eine Eskalation des Mißtrauens und der Angst. Wir sehen die Entspannungspolitik in Europa ernsthaft gefährdet. Wir können nur wollen, dass sie im Geist von Helsinki fortgeführt werden kann. Deshalb treten wir für eine konstruktive Nachfolgekonferenz in Madrid und für Spitzengespräche verantwortlicher Politiker in Ost und West, auch zwischen den deutschen Staaten ein. Wir wollen im Interesse der Menschen und des Dienstes der Kirche keinen kalten und erst recht keinen heißen Krieg und sehen eine Aufgabe der Kirche darin, nach allen nur denkbaren Möglichkeiten zu suchen, für Vertrauen und Verhandlungen zu wirken und so zur Entspannung beizutragen.“

Angesicht der verschärften Lage sei die KKL zu dem Schluss gelangt, dass die Kirchen nun in die Pflicht genommen seien, unabhängig von der „Verantwortung der Regierungen“ mit „eigenverantwortlichen Überlegungen“ aktiv zu werden. Daher schlage die Konferenz dem Rat die Durchführung „bilateraler, vertraulicher Konsultationen zur Aufgabe der Kirchen für die Sicherung des Friedens, gegen das Wettrüsten und für die Fortführung der Entspannungspolitik“ vor. Möglich sei, dass sich im Zuge dieser Konsultationen Initiativen des BEK und der EKD in ihrem jeweiligen Bereich „– vielleicht auch gemeinsam –“ ergeben könnten. Aufgrund der besonderen Wichtigkeit der Friedensthematik, so fügte Schönherr hinzu, halte die KKL es für angebracht, Kirchenvertreter der „Leitungsebene“ zusammentreten zu lassen. Seitens des Bundes würden unter 15 Protokoll (Demke) der 65. KKL-Tagung am 11./12.1.1980, S. 2f. (EZA, 101/107). – In einer Information der HA XX/4 vom 15.1.1980 werden nicht nur einzelne Diskussionsbeiträge, sondern auch die bundesseitig in Aussicht genommene personelle Besetzung der Konsultationsgruppe wörtlich wiedergegeben. Ferner wird detailliert über eine „Begegnungstagung“ von westlichen und östlichen leitenden Geistlichen am 13.1.1980 in Ost-Berlin berichtet. Auch der Inhalt einiger „Einzelgespräche“ wird zumindest in der Gesamttendenz festgehalten (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-31, Bl. 13–18).

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

Einschluss seiner eigenen Person sechs Konferenzmitglieder mit dieser Aufgabe betraut werden. Der Rat möge die Anregung „ernsthaft prüfen“ und den Brüdern in der DDR seine Entscheidung zur Kenntnis geben.16 Einen Tag vor Beginn der 2. Tagung der 6. Synode der EKD, die vom 27. Januar bis 1. Februar in Garmisch-Partenkirchen stattfand, trat der Rat der EKD bereits am Tagungsort zusammen und wurde von seinem Vorsitzenden Lohse über das Schreiben Schönherrs und die Anregung des Bundes zu bilateralen Friedenskonsultationen informiert. Die Anwesenden kamen überein, zu diesem Vorschlag „später“ einen Beschluss zu fassen.17 Die Kommission des Rates der EKD befasste sich jedoch am gleichen Tag noch mit dem ihr vom Rat erteilten Auftrag, eine Empfehlung für die personelle Besetzung eines „‚Kontaktkreises‘, der den Kirchenleitungen des BEKDDR und der EKD angesichts der gegenwärtigen weltpolitischen Situation Vorschläge für kirchenleitendes Handeln machen soll“, auszusprechen. Folgende Vertreter aus dem Bereich der EKD schlugen die Kommissionsmitglieder vor: Bischof von Keler für den Rat der EKD, Präses Cornelius von Heyl für die EKD-Synode, den leitenden Bischof der VELKD Gerhard Heintze und den Präsidenten der Kirchenkanzlei der EKU Peter Kraske für die beiden konfessionellen Zusammenschlüsse sowie für die Amts- und Dienststellen den Bevollmächtigten des Rates der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland, Heinz-Georg Binder, und den Präsidenten der EKD-Kirchenkanzlei Hammer.18 Auf der Ratssitzung am 30. Januar wurden die Anregungen der Kommission zur Zusammensetzung und Aufgabenstellung des „Kontaktkreises“ debattiert und beschlossen, die entsprechenden Personen um ihre Mitarbeit zu bitten. Was die konkrete Aufgabenstellung der zu bildenden Konsultationsgruppe anbelangte, sollten die Mitglieder des „Kontaktkreises“ selbst bei ihrer ersten Zusammenkunft „nähere Überlegungen anstellen“. Grundsätzlich werde jedoch „an einen verbindlicheren und konstanteren Kontakt, an den Austausch und die Anregung von Überlegungen, an Vorschläge für kirchenleitendes Handeln für die Leitungen der EKD und des BEKDDR gedacht. Dabei ist die jeweilige weltpolitische Situation nicht ausgeschlossen, doch wird das Angebot bilateraler vertraulicher Konsultationen, wie es im Schreiben vom 24.1.1980 gemacht ist, in einem weiteren Sinne als in der Beschränkung auf die dort genannten Punkte angenommen. Der Ratsvorsitzende wird den Brief beantworten“.

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Schreiben Schönherr an Lohse vom 24.1.1980, S. 1f. (EZA, 688/2). Niederschrift (Echternach) über die 7. Sitzung des Rates der EKD am 26.1.1980, S. 2 (EZA, 2/93/882). 18 Niederschrift (Hammer) über die 6. Sitzung der Kommission des Rates der EKD am 26.1.1980, S. 2 (EZA, 2/93/883). 17

Entstehung und Ziele der Konsultationsgruppe (1980–1983)

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Die Mitglieder des Rates der EKD stellten in Aussicht, dass im Rahmen der Bestimmung konkreter Aufgaben für den „Kontaktkreis […] sodann auch die Aufgabenstellung der Beratergruppe neu zu bedenken und zu bestimmen sein“ werde.19 Wie der Evangelische Nachrichtendienst in der DDR, ENA, am 30. Januar über die noch laufende Synodaltagung der EKD in Garmisch-Partenkirchen mitteilte, habe der Ratsvorsitzende erklärt, dass das Bemühen um den Frieden eine „christliche Verpflichtung“ bleibe. Lohse habe nachdrücklich die Aussagen des gemeinsamen „Wortes zum Frieden“ bekräftigt, dessen „Ruf“ „in den beiden deutschen Staaten und darüber hinaus gehört“ worden sei und weithin Beachtung und Zustimmung gefunden habe. So müssten „aus der Einsicht in die von Schuld und Versagen belastete Vergangenheit“ entsprechende Konsequenzen für die Gegenwart und Zukunft gezogen werden. Der EKD-Ratsvorsitzende habe die Notwendigkeit einer „konsequenten Erziehung zum Frieden“ hervorgehoben und betont, dass im Sinne der christlichen Friedensverantwortung die Zusammenarbeit des Rates mit der KKL in der DDR in bewährter Weise fortgesetzt worden sei und das „gegenseitige Vertrauen auch in den letzten Monaten, Wochen und Tagen zu keinem Augenblick gefährdet oder getrübt worden sei, sondern vielmehr eine Festigung erfahren habe“.20 Selbst der Vertreter der Bundesregierung hatte in seinem Grußwort an die Synode auf das „Wort zum Frieden“ von Bund und EKD Bezug genommen und es – wenn auch in wenig verbindlicher Weise21 – gewürdigt: „Ich habe mit großem Engagement noch auf dem Flug hierher die gemeinsame Erklärung gelesen, die der Bund […] und die EKD – kurz vor Weihnachten muß es wohl gewesen sein – gemeinsam veröffentlicht haben. Und ich denke, diese Erklärung hat heute auch noch Gültigkeit. Insbesondere dann, wenn wir sie auf den zentralen Punkt zurückführen, der ja so in dieser Erklärung nicht steht, aber der zentrale Punkt ist: Vertrauensbildung. Worauf es ankommt in dieser Phase ist, mehr voneinander zu wissen, rationaler die Zukunft der Menschheit zu sehen und zu entwickeln, die Gesprächsmöglichkeiten, die es gibt, nicht abreißen zu lassen.“22 19 Niederschrift (Hammer) über die 8. Sitzung des Rates der EKD am 30.1.1980, S. 2 (EZA, 2/93/882). 20 ENA XXXIII/5 vom 30.1.1980, S. 1 (EZA, 672/AZ 80-5-4, Bd. 2). 21 Immerhin war Hans Apel offenbar nicht klar, zu welchem Anlass das „Wort“ veröffentlicht worden war, da er sonst vermutlich keine Schwierigkeiten mit der zeitlichen Einordnung gehabt hätte, und zum Zweiten hatten die Kirchen zumindest im Zusammenhang mit der ökumenischen Gemeinschaft sogar wörtlich von der „Chance“ gesprochen, „Vertrauen zu bilden und wirksam werden zu lassen“. 22 „Unredigierte Niederschrift des Grußwortes des Vertreters der Bundesregierung, Bundesminister Dr. Hans Apel“, S. 5 (EZA, 672/AZ 80-5-4, Bd. 2). – Der tatsächliche Wortlaut von Apels Ansprache am 29.1.1980 weicht zwar etwas von der hier zitierten Passage ab, doch stimmt der Inhalt überein. Vollständiger Abdruck in: KJ 1980 (107. Jg.), S. 114ff.; hier S. 115.

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

Die Synode der EKD beschloss Ende Januar eine Kundgebung „zur Friedenssicherung“, mit der sie nachdrücklich den Bemühungen des Rates um einen „kirchlichen Beitrag“ zur Sicherung des Friedens ihre Unterstützung zusagte. Der Rat wurde bestärkt, insbesondere die Gespräche mit dem DDR-Kirchenbund weiterzuführen, die Friedensarbeit in der Ökumene weiter zu fördern sowie die Politiker zu ermutigen, „die Konsultationen auf allen Ebenen in Ost und West zu verstärken und die Abrüstungsverhandlungen nicht abreißen zu lassen“. Auch wurden die Landeskirchen in der Bundesrepublik gebeten, auf der Ebene ihrer Gemeinden den Einsatz für den Frieden zu erhöhen, damit nicht nur die Komplexität der Gesamtproblematik deutlicher zum Ausdruck käme, sondern auch das Bewusstsein dafür gestärkt werde, dass jeder Einzelne einen Teil der Verantwortung für den Frieden zu übernehmen und zu tragen habe.23 Am 5. Februar brachte der Vorsitzende des Rates der EKD das Antwortschreiben an Schönherr auf den Weg. Er berichtete, dass der Rat den Vorschlag des Bundes, eine gemeinsame Kommission zur Durchführung vertraulicher deutsch-deutscher Konsultationen zu bilden, auf seiner Sitzung in GarmischPartenkirchen befürwortet habe. Die Mitglieder des Rates teilten die Meinung ihrer Brüder in der DDR, dass die derzeitige „weltpolitische“ Lage einen „engeren Prozeß der Beratung und Konsultation“ zwischen den Kirchenleitungen in Ost- und Westdeutschland notwendig mache. Lohse wiederholte zwar in seinem Brief die auf der Ratssitzung am 30. Januar für den „Kontaktkreis“ skizzierte Aufgabenstellung, erwähnte allerdings nicht, dass die Mitglieder des Rates die Konsultationen sogar in einem weiteren Sinne zu nutzen planten, als Schönherr es in seinem Schreiben formuliert hatte. Sodann nannte Lohse die sechs von der EKD für die bilateralen Gespräche bestimmten Personen und bat Schönherr, mit dem „Sprecher unserer Gruppe“, dem württembergischen Landesbischof von Keler, zur Vereinbarung eines ersten Sitzungstermins Kontakt aufzunehmen sowie die entsprechenden Einladungen zu versenden.24 Er fügte den Wunsch des Rates an, dass die Kommission bei dieser Zusammenkunft „die Bestimmung ihrer Aufgabe besprechen und deutlicher fixieren [solle], damit dann die beiden entsendenden Kirchenleitungen über den weiteren Fortgang der Beratungen informiert werden können und den Auftrag der Kommission verbindlich feststellen“. Bei dieser Gelegenheit – so bat Lohse – solle der Kontaktkreis sein „Verhältnis zur Beratergruppe“ erörtern. Die Mitglieder des Rates seien der Ansicht, dass die Beratergruppe sich auch zukünftig treffen solle, um einen „allgemeinen 23 „Kundgebung zur Friedenssicherung“ der EKD-Synode vom 31.1.1980 (EZA, 2/93/278). – Abdruck auch in: KJ 1980 (107. Jg.), S. 116. 24 Das erste Zusammentreffen der Konsultationsgruppe wurde für den 13.3.1980, einen Tag nach der Sitzung der Beratergruppe, anberaumt.

Entstehung und Ziele der Konsultationsgruppe (1980–1983)

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Erfahrungsaustausch“ vornehmen zu können. Um so wichtiger sei es jedoch, das gegenseitige Verhältnis der neu zu berufenden Kommission zu der Beratergruppe zu klären. Abschließend brachte Lohse seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die gemeinsame Konsultationsgruppe die „bisher schon bewährte brüderliche Zusammenarbeit“ stärken und festigen werde.25 Auf der Sitzung des Rates der EKD am 22. und 23. Februar wurden im Rahmen des Lageberichts des Ratsvorsitzenden Lohse die Erklärung der KKL zur gegenwärtigen weltpolitischen Situation vom 22. Januar26 sowie das Schreiben des Bischofs der Kirchenprovinz Sachsen an alle Pfarrer seiner Kirche vom 28. Januar 198027 zur Kenntnis genommen. Angesichts dieser erneuten Ansätze aus dem Bereich des Bundes, einen kirchlichen Beitrag zur Entspannung der politischen Lage zu leisten und sich mit den zur Verfügung stehenden Mitteln um den Weltfrieden zu bemühen, sah sich der Rat veranlasst, nochmals die Wichtigkeit des Kontaktes und der laufenden Verständigung mit dem Kirchenbund zu betonen. Die Anwesenden erwogen, ob es anzustreben sei, zusammen mit dem Bund ein Fürbittengebet abzuhalten. Berichtet wurde auf der Ratstagung ferner, dass seitens des BEK eine Einladung an Lohse ausgesprochen worden sei, die DDR zu besuchen und bei dieser Gelegenheit auch offiziellen Kontakt zu staatlichen Organen aufzunehmen.28 Der Bevollmächtigte des Rates, Binder, stellte den Handlungsspielraum der bundesdeutschen Regierung in der „weltpolitischen Krisensituation“ als so eingeschränkt dar, dass derzeit vermutlich von den Politikern „kirchliche Kundgebungen oder deklamatorische Stellungnahmen zu politischen Einzelfragen als weniger hilfreich empfunden [würden] als eine Ermutigung von Seiten der Kirche zum Handeln auch in schwieriger Situation. In Wahrnehmung ihres seelsorgerlichen und diakonischen Auftrags könnte es Sache der Kirche sein, Hysterien entgegenzuwirken, die Fortsetzung von Gesprächskontakten zu fördern, dem Aufbau von Feindbildern entgegenzuwirken und eigene ‚Kommunikationsdrähte‘ zu nutzen und auszubauen“.29

25

Schreiben Lohse an Schönherr vom 5.2.1980. Abdruck als Dok. 7 bei W. H AMMER /U.-P. HEIKonsultationen, S. 347f. Vgl. Teil I, Kapitel 3.2. 27 Krusche hatte die Gemeinden in einem Rundschreiben dazu aufgefordert, gemeinsam für den Frieden zu beten. 28 Am 17.3.1980 kam es dann tatsächlich beim Staatssekretär für Kirchenfragen, Klaus Gysi, in Ost-Berlin zu einem Empfang des Ratsvorsitzenden Lohse und des KKL-Vorsitzenden Schönherr. Im Anschluss an diese Unterredung empfing der Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik, Günter Gaus, Gysi und die beiden Kirchenvertreter in seiner Dienststelle. 29 Niederschrift (Claessen) über die 9. Sitzung des Rates der EKD am 22./23.2.1980, S. 19f. (EZA, 2/93/883).

DINGSFELD, 26

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

Die KKL wurde auf ihrer Klausurtagung Anfang März über die Durchführung der ersten Schritte des Bundes zur Friedenssicherung, wie sie auf der Sitzung am 11. und 12. Januar ins Auge gefasst worden waren, in Kenntnis gesetzt. Dem ÖRK-Generalsekretär sei während der Konsultation mit Mitgliedskirchen aus sozialistischen Ländern Europas in Budapest Ende Januar die KKL-Erklärung zur weltpolitischen Lage übergeben worden. Mit der EKD sei mit Blick auf gemeinsame Beratungen zur Friedensfrage mittels eines Schreibens Kontakt aufgenommen worden, das Schönherr am 24. Januar an den Ratsvorsitzenden der EKD gerichtet habe. Dass der Rat bereits in positiver Weise auf diese Anregung reagiert hatte und nicht nur im Bund und der EKD über die personelle Besetzung entschieden, sondern auch ein Termin für eine erste Konsultation fixiert worden war, wurde erstaunlicherweise nicht berichtet – zumindest fand es in der Sitzungsniederschrift keine Erwähnung.30 Die erste Konsultation zwischen je sechs Vertretern des Bundes und der EKD31 fand am 13. März 1980, einen Tag nach dem Treffen der Beratergruppe, in Ost-Berlin statt. Die Anwesenden einigten sich zunächst darauf, dass der Vorsitz der Beratungen grundsätzlich im Wechsel von Schönherr und von Keler übernommen werden solle. Nach der Leitung der ersten Hälfte durch Schönherr werde von Keler ihn ablösen. Auch über den Arbeitsauftrag der bilateralen Gespräche, wie er bereits in dem Briefwechsel von Schönherr und Lohse vorformuliert worden war, herrschte Übereinstimmung: „Veranlaßt durch die Sorge um die Sicherung des Friedens treten Bund […] und EKD zu Konsultationen zusammen, die einen Austausch von Überlegungen und Anregungen zu aktuellen Fragen ermöglichen, um gegebenenfalls beiden Seiten Vorschläge für kirchenleitendes Handeln zu unterbreiten. Die Beauftragten des Bundes und der EKD sind jeweils gegenüber ihren Leitungen berichtspflichtig.“

Sodann folgte eine Debatte über die derzeitige politische Lage, bei der sich die westlichen und östlichen Brüder gegenseitig ihre Positionen erläuterten. Die Erklärung der KKL „zur gegenwärtigen weltpolitischen Situation“32 vom 22. Januar 1980, die bei der Konsultation des ÖRK der Kirchen und Mitgliedskirchen aus sozialistischen Ländern Europas Ende Januar von der DDR-Delegation vorgelegt worden war, wurde in diesem Rahmen diskutiert. Auch wenn die Anwesenden feststellten, dass in „Einzelfragen“ durchaus unterschiedliche Standpunkte vertreten wurden, waren sie sich einig, dass die bilateralen Konsul30

Protokoll (Winkel) der 66. KKL-Tagung (Klausurtagung) am 7.–9.3.1980, S. 4 (EZA, 101/108). BEK: Schönherr, Falcke, Große, Stolpe [Gienke und Domsch waren „aus zwingenden Gründen verhindert“]; EKD: Von Keler, Heintze, Binder, Kraske, von Heyl und Hammer. Diese Besetzung, so betonten die Anwesenden, solle „konstant“ sein, Vertretungen seien „nicht vorgesehen“. 32 Abdruck bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 330–333. 31

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tationen Fortsetzung finden müssten. Denn die Gesprächspartner aus Rat der EKD und KKL-Vorstand teilten ohne jeden Zweifel ihre Befürchtungen um den Erhalt des Friedens und das Stocken des Prozesses politischer Entspannung und sahen ihre Kirchen – nicht zuletzt im Blick auf die besondere geopolitische Lage Deutschlands – in der Pflicht, „sich mit ihren Mitteln und Möglichkeiten in ihren jeweiligen Gesellschaftssystemen“ für Abrüstung, Friedenssicherung und Verständigung zwischen den Staaten einzusetzen. Für die nächste Konsultation vereinbarten die Anwesenden eine Tagesordnung: „1. Einschätzung der Lage, 2. Möglichkeit und Notwendigkeit vertrauensbildender Maßnahmen und Überwindung des Mißtrauens (von Heyl), 3. Koexistenz als Grundprinzip des Zusammenlebens (D. Schönherr), 4. Die Bedeutung von Helsinki heute (Stolpe), 5. Möglichkeit eines Fürbittengebets (Große)“. Zugleich wurden für das laufende Jahr fünf Termine ausgemacht unter dem Vorbehalt, dass höchstens drei Teilnehmer bei den einzelnen Gesprächen fehlen dürften. Abschließend verständigten sich die Vertreter beider Kirchen auf eine Pressemeldung, die am 14. März publiziert werden sollte. Die Veröffentlichung war knapp gehalten und gab nur die Tatsache preis, dass diese erste Konsultation zur Friedensfrage unter dem Vorsitz Schönherrs und von Kelers stattgefunden habe und in Gestalt weiterer Gespräche, deren Ergebnisse den Leitungsgremien von Bund und EKD „zur weiteren Erwägung vorgelegt“ würden, fortgesetzt werde. Möglich sei es, bei Nachfragen die Namen aller Teilnehmer mitzuteilen, während weitergehende Informationen nicht herauszugeben seien.33 Offenbar hatte die Meldung, die das Sekretariat des Bundes und die EKDKirchenkanzlei unmittelbar am Tag nach der Konsultation an die Öffentlichkeit geben sollten, ihren Zweck (noch) nicht34 oder nur partiell erfüllt. Der Leiter der Berliner Stelle des Lutherischen Kirchenamtes der VELKD in Hannover, Karlheinz Schmale, hatte sich mit der Anfrage an Lingner gewandt, was aus den geplanten Gesprächen zwischen Kirchenbund und EKD über Friedenfragen geworden sei. Lingner gab ihm am 18. März die erstaunliche Auskunft, er selbst sei über diesen „Vorgang“ nicht in Kenntnis gesetzt worden und daher „schuldlos“ an der Desinformation Schmales. Bedauerlicherweise werde seine Dienststelle „häufiger“ nicht über gemeinsame Vorhaben von EKD und Kirchenbund unterrichtet. Lingner erläuterte, dass der Kontakt in diesen Fällen zwischen Hammer und Stolpe laufe: „Sie werden mir zubilligen, dass ich nur solche Informationen weitergeben kann, die mir zuvor gegeben worden sind.“35 33 Vermerk [Stolpe] über die erste Konsultation zwischen BEK und EKD am 13.3.1980, S. 1f. (EZA, 688/2). 34 Zumindest in der DDR erschien diese Pressemeldung erst am 19.3.1980 im kirchlichen Nachrichtendienst ENA (ENA XXXIII/12 vom 19.3.1980. Auch in: EZA, 672/AZ 80-5-4, Bd. 2). 35 Schreiben Lingner an Schmale vom 18.3.1980, S. 1 (EZA, 4/92/11).

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Über das kirchlicherseits in Aussicht genommene Gespräch, zu dem der EKD-Ratsvorsitzende Lohse und der Vorsitzende der Konferenz, Schönherr, am 17. März von Staatssekretär Klaus Gysi in dessen Dienststelle empfangen wurden, informierte Gysi schriftlich Erich Honecker sowie die Mitglieder des Politbüros der SED. Hauptthema der Unterredung, die seitens der Kirche überwiegend von Lohse bestritten worden sei, sei die „internationale Lage“ gewesen. Nach den üblichen einführenden Äußerungen Gysis habe der Ratsvorsitzende zunächst der „Entwicklung der [DDR-] Kirchenpolitik“ in den vergangenen zehn Jahren seine Anerkennung gezollt, um dann zu „internationalen Fragen“ Stellung zu nehmen. Lohse habe auf die Bemühungen der leitenden Kirchenvertreter in der Bundesrepublik hingewiesen, das kirchliche Engagement für die Friedenssicherung „verstärkt fortzusetzen“ und betont, dass vorrangig die Umsetzung der Brüsseler NATO-Beschlüsse zur Raketenstationierung verhindert werden müsse. Dabei sei seiner Ansicht nach der Großteil der „‚vernünftigen‘ Politiker“ vor allem aus der SPD sowie die überwiegende Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung gegen die Realisierung des NATO-Doppelbeschlusses und hoffe auf einen günstigen Verlauf der Abrüstungsgespräche. Lohse habe eingeräumt, dass viele Menschen sich angesichts der aktuellen Situation, auf deren Entwicklung sie kaum Einfluss hätten, sehr hilflos fühlten. In seinem Vermerk bewertete der Staatssekretär die Lageeinschätzung des EKD-Ratsvorsitzenden als zutreffend. Dieser sei darauf zum „eigentlichen Punkt“ seines Besuchs bei Gysi gekommen, der Schilderung seiner kurzen Unterredung mit Bundeskanzler Helmut Schmidt. Der Kanzler habe ihm unter vier Augen mitgeteilt, dass er „nach wie vor von sich aus entschlossen sei, das Treffen mit Genossen Honecker zu haben, sobald die Umstände und Termine das möglich machten“.36 Zuletzt habe Lohse angefragt, ob er den Staatssekretär bei Gelegenheit eines seiner Besuche in Ost-Berlin „wieder aufsuchen dürfe“. Gysi hatte ein erneutes Gespräch mit dem Ratsvorsitzenden nicht grundsätzlich abgelehnt, jedoch zugleich verdeutlicht, dass daraus keinerlei Schlüsse im Blick auf eine offizielle Kontaktaufnahme seiner Regierung mit der EKD gezogen werden könnten: „Ja, falls die Umstände es erforderten und erlaubten und ich zeitlich disponibel sei, könne das evtl. möglich sein, obwohl wir an sich geschäftsmäßig miteinander nichts zu schaffen hätten.“ Am Abend habe Gysi zusammen mit Lohse und Schönherr noch eine Einladung des Leiters der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik 36 Am 13.12.1979 hatte Honecker bekannt gegeben, dass eine Vereinbarung über ein Zusammentreffen im Januar 1980 getroffen worden sei. Am 30.1.1980 meldete die DDR-Nachrichtenagentur dann, das Arbeitsgespräch sei verschoben worden. Der Auslöser für die Absage war der sowjetische Einmarsch in Afghanistan Ende Dezember 1979. Letztlich sollte das Treffen zwischen Honecker und Schmidt erst Mitte Dezember 1981 zustande kommen. Vgl. die Dokumentation bei D. NAKATH / G.-R. STEPHAN, Hubertusstock, v. a. S. 43–75 (Dok. 1–6).

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in der DDR, Günter Gaus, wahrgenommen. Dieses Treffen war insofern ebenfalls zufriedenstellend verlaufen, als die beiden Kirchenvertreter die „gleiche vernünftige“ Position gegen die NATO-Beschlüsse eingenommen hätten, ohne dass Gaus oder ein anderer Botschaftsvertreter widersprochen habe.37 Der Vizepräsident der EKD-Kirchenkanzlei, Wilkens, fügte bei der Übersendung der Tagesordnung für die Sitzung des Rates der EKD Mitte April eine Bemerkung für den stellvertretenden Ratsvorsitzenden Helmut Hild hinzu. Er erläuterte, dass Hilds Name hinter dem für den geschlossenen Sitzungsteil am 18. April vorgesehenen Punkt „Friedensfragen“ „zweierlei“ zu bedeuten habe: Die Ratsmitglieder sollten sich in Bonn mit dem Auftrag und den Möglichkeiten kirchlichen Handelns in der Friedensfrage „etwas gründlicher“ auseinandersetzen. Da bei der letzten Ratssitzung mitgeteilt worden sei, Hild habe sein Interesse zum Ausdruck gebracht, einen Bericht über die „bekannte Tagung in Arnoldshain“38 zu erstatten, könne das in diesem Rahmen geschehen. Ferner sei eine Teilnahme Bischof Schönherrs an der geschlossenen Sitzung mit eben diesem Verhandlungspunkt vorgesehen.39 Am 27. März schrieb Wilkens gleichfalls an Lohse, um anzuregen, den ganzen Vormittag für die geschlossene Sitzung des Rates zu veranschlagen, da „einige größere Komplexe“ zur Verhandlung anstünden und die Vertreter der EKD-Amtsstellen, die an diesem Sitzungsteil nicht teilnähmen, so erst zum Nachmittag anreisen müssten. Ferner spreche für diese Planung, dass „wegen des bekannten Besuches“ am Freitagmorgen „ohnehin ein geschlossener Sitzungsteil zu halten ist“.40 Der BEK als treibende Kraft kirchlichen Friedensengagements: Was will und kann die EKD für die Sicherung des Friedens tun? Bereits am 6. März, also vor der ersten Konsultation zwischen Bund und EKD, hatten die Redakteure Eberhard Stammler und Hans Norbert Janowski mit dem Vorsitzenden des Rates der EKD ein Interview zur Friedensthematik geführt, das allerdings erst in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift Evangelische Kommentare veröffentlicht wurde. Die Journalisten sprachen die „starken Impulse zur Friedenspolitik und Friedenserziehung“ an, die in jüngster Zeit von den Kirchen des Bundes in der DDR ausgegangen und von der Synode der EKD bei ihrer Ta37 Vermerk Gysi vom 19.3.1980, S. 1f. (SAPMO-BArch, DY 30/IV B 2/14/40, Bl. 39f.). – Vgl. dazu: KJ 1980 (107. Jg.), S. 347f. 38 Ende September des Vorjahres hatten Vertreter der EKD, ihrer Mitgliedskirchen, des Bundes und evangelikaler Gruppierungen über die Divergenzen mit dem ÖRK debattiert. 39 Schreiben Wilkens an Hild vom 27.3.1980 (EZA, 2/93/885). 40 Schreiben Wilkens an Lohse vom 27.3.1980, S. 1 (EZA, 2/93/885). – Wilkens vermied es, Schönherrs Namen zu nennen.

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gung in Garmisch-Partenkirchen auch aufgenommen worden seien.41 All diese „Ansätze und Anregungen“ würden jedoch offenbar lediglich mit ziemlich begrenztem Engagement von den EKD-Gliedkirchen übernommen. Lohse lenkte mit dem Hinweis auf den „sehr engen und ständigen Konsultationsprozeß“, in dem man sich mit dem BEK befinde, von dieser Beobachtung ab. Er bezeichnete das gemeinsame „Wort zum Frieden“ vom September 1979 als sichtbares Ergebnis des Zusammengehens mit dem Kirchenbund in der Friedensfrage. Zudem seien jüngst Beratungen zwischen den Kirchen in Ost- und Westdeutschland in Angriff genommen worden mit dem Ziel, einen gangbaren Weg zu finden, wie Bund und EKD ihren Beitrag für eine „konsequente Erziehung zum Frieden und ein Handeln im Geiste des Friedens“ leisten könnten. Gemeinsam stelle man ferner Überlegungen an, wann die Kirchen in der Bundesrepublik und die in der DDR „noch einmal mit einer öffentlichen Erklärung hervortreten sollten“. Dabei räumte der Ratsvorsitzende ein, dass seiner Ansicht nach in der Äußerung von Bund und EKD zum 40. Jahrestag des Kriegsausbruchs noch reichlich inhaltliches Potential ruhe, das bislang in nur unzureichender Weise „ausgewertet“ worden sei. Die Redakteure konstatierten, es erwecke dennoch den Anschein, als ob Friedenserziehung für die evangelischen Kirchen im Westen Deutschlands kein Schwerpunktthema sei. Dieser unterschwellig kritische Vergleich mit dem in seinen Friedensbemühungen aktiveren BEK veranlasste Lohse zu einer sehr aufschlussreichen Erläuterung der grundsätzlichen Unterschiede, die sich aus der Einbindung in gegensätzliche politische und gesellschaftliche Systeme für das Wirken der Kirchen in beiden deutschen Staaten ergäben. In dem Bewusstsein, sich auf nicht ungefährliches Terrain zu begeben, schickte der Vorsitzende des Rates der EKD voraus, dass er natürlich (mit der hier zitierten Äußerung) „Mißverständnisse riskiere“: „In politischer Hinsicht ist die Kirche in der DDR in einer grundsätzlich anderen Lage als wir. Sie ist vollständig getrennt vom Staat; sie hat keine politischen Einwirkungsmöglichkeiten. Sie ist also nicht in gleicher Weise in eine Mithaftung und gesamtgesellschaftliche Mitverantwortung hineingenommen wie wir. In der Bundesrepublik müssen wir der pluralistischen Gesellschaftsstruktur, in der wir leben, Rechnung tragen und können nicht in der klar erscheinenden Alternative von Ja und Nein reden. Hier sind wir gezwungen, im Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung und im Kontakt mit den politischen Parteien in eine differenzierte Beurteilung der Lage einzutreten. So halte ich es zum Beispiel nicht für möglich, dass die EKD den politischen Parteien oder der Bundesregierung gegenüber eine dezidierte Meinung darüber vertritt, was die NATO tun oder lassen soll. Die Kirche kann nur sagen, dass sie jeden politischen

41 Gemeint ist die oben zitierte „Kundgebung“ der EKD-Synode „zur Friedenssicherung“ vom 31.1.1980.

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Schritt daraufhin zu bedenken und zu prüfen bittet, inwieweit der Wege zum Frieden öffnet. Aber sie kann den Politikern nicht ihre Entscheidung abnehmen oder gar vorschreiben. Angesichts dessen kann leicht der Eindruck entstehen, als ob die Botschaft vom Frieden im westlichen Bereich weniger deutlich als im östlichen angesprochen wird. Eine gewisse Unterschiedlichkeit hat aber nicht im Verständnis des Evangeliums vom Frieden, was uns gemeinsam ist, ihre Ursache, sondern in unseren unterschiedlichen gesellschaftlichen Strukturen.“42

Damit hatte Lohse, dessen Wortmeldungen als Vorsitzender des Rates der EKD nicht nur besonderes Gewicht zugemessen, sondern als Äußerung der gesamten EKD verstanden wurden, öffentlich in aller Deutlichkeit zu einem auch (oder gerade) im Gespräch zwischen Bund und EKD weitgehend43 ausgeklammerten, wenn nicht tabuisierten Thema eindeutig Stellung bezogen: Er hatte die unterschiedlichen Handlungsspielräume und Einflussmöglichkeiten beider Kirchen benannt und dabei zu verstehen gegeben, dass die EKD nicht nur – ebenso wie der BEK – faktisch keine „politischen Einwirkungsmöglichkeiten“ hatte, sondern sich zudem lediglich zurückhaltend und ausgewogen öffentlich äußern konnte. Lohse hatte angedeutet, dass die evangelischen Christen in der DDR eben keine parteipolitischen Ämter übernehmen und somit nicht verantwortlich an der Durchsetzung ihrer ins Politische reichenden Forderungen beteiligt werden konnten. Auch wenn er schließlich betont hatte, dass die verschiedenen Ausprägungen christlichen Engagements für den Weltfrieden in der Bundesrepublik und in der DDR nicht gleichbedeutend mit Divergenzen im Verständnis des Evangeliums, sondern lediglich durch äußere Faktoren bestimmt seien – die Kernaussage Lohses erschwerte die Vorstellung erheblich, dass gemeinsame Friedensbemühungen beider deutscher Kirchen möglich geschweige denn wirkungsvoll sein könnten. Der Rat der EKD beschäftigte sich auf seiner Klausurtagung vom 8. bis zum 10. Mai in Kloster Loccum mit eben der Frage, was die „Kirche wirksam für den Frieden tun“ könne. Zunächst wurde jedoch über ein Interview berichtet, das der nach seinem Eintritt in den Ruhestand in die Bundesrepublik ausgereiste ehemalige Görlitzer Bischof Hans-Joachim Fränkel dem Spiegel gegeben hatte. Er habe sich in „leicht“ missverständlicher Weise auch zur deutsch-deutschen 42 „Zum Frieden erziehen. Gespräch mit dem EKD-Ratsvorsitzenden D. Eduard Lohse“. In: EK Nr. 5 (13. Jg.), Mai 1980, S. 279–282; hier S. 279. 43 Bei der Sitzung der Beratergruppe am 10.12.1980 wurden die „Thesen zur gesellschaftsbezogenen Urteilsbildung der Kirchen“ diskutiert. Bei der Ausarbeitung seiner Thesen hatte der Leiter der ThSA beim Bund, Götz Planer-Friedrich, auch eine Debatte ausgewertet, die die östlichen und westlichen Vertreter der Beratergruppe am 11.6.1980 führten. In dieser Offenheit war die jeweilige Einbindung der Kirchen und ihrer Mitglieder in unterschiedliche gesellschaftliche Systeme – und v. a. die möglicherweise daraus erwachsende Identifikation oder sogar Anpassung – nie zuvor angesprochen worden.

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Grenze geäußert, was möglicherweise Folgen für die Kirchen in der DDR haben könnte.44 Im Verlauf der Debatte über das weitere Vorgehen der Kirchen im Blick auf die Friedensfrage konstatierten die Ratsmitglieder dann, dass eine „neue Phase kirchlichen Friedenshandelns“ eingesetzt habe, was einerseits an den engeren Verbindungen mit dem BEK, auf der anderen Seite an einem zunehmenden Interesse von Politikern, mit der Kirche in den Dialog zu treten, festgemacht wurde. Wie der Ratsvorsitzende gegenüber Evangelische Kommentare durchaus zutreffend skizziert hatte, stellten die Anwesenden fest, dass die Kirche sich im Blick auf ihre Handlungsmöglichkeiten in dem Dilemma befinde, „einerseits eine Politik der Macht zu akzeptieren und zum anderen die Rolle einer ‚Friedenskirche‘ anzustreben“. Ausgehend von der Rolle der EKD als „Volkskirche“ versuchten die Mitglieder des Rates abzustecken, welche Mittel und Wege der Kirche konkret zur Verfügung stünden und wo die „politischen Grenzen“ lägen: „Was ist wirklich durchzustehen und wo werden Illusionen genährt?“. Es herrschte Einigkeit hinsichtlich der Notwendigkeit, sowohl die Position der Kirchen in der DDR als auch die Kontakte zum Bund zu stärken. Dies setze allerdings eine sorgfältige Vorbereitung, detaillierte Sachkenntnisse, fundierte „politische Analyse“ sowie die Bestimmung der „eigenen politischen Positionen, die in der Tagespolitik vage bleiben“, voraus. Übereinstimmend kamen die Ratsmitglieder auch zu dem Ergebnis, dass eine Stellungnahme der Kirche, beispielsweise analog zur sogenannten Ostdenkschrift, angesichts des derzeitigen Standes der Diskussion und des „feststellbaren Mangels an Offenheit und Klarheit“ zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht denkbar sei.45 Außerdem kam nun die grund44 Niederschrift (Conring) über die 12. Sitzung des Rates der EKD vom 8.–10.5.1980, S. 3, 6 (EZA, 2/93/886). – Verglichen mit der unerbittlichen Haltung, die Fränkel als DDR-Bürger noch eingenommen und dadurch häufig Staat-Kirche-Konflikte ausgelöst hatte, sind seine Antworten auf die zum Teil provozierenden Fragen als ausgesprochen zurückhaltend zu bewerten. Befragt nach dem Grund für das Schweigen der Kirche zur Forderung vieler Bürger nach mehr Freizügigkeit und dem Schießbefehl an der Grenze antwortete der Altbischof: „Das, was Sie den Schießbefehl nennen, kann man von der Frage der Freizügigkeit nicht trennen. Wenn ein Staat im Verständnis der Menschenrechte dem sozialen Raum und damit der Gemeinschaft den Vorrang gibt, wird er sich vorbehalten müssen, wann er Freizügigkeit begrenzen muß, und dafür auch gesetzliche Regelungen treffen, deren Einhaltung er notfalls mit Gewalt erzwingt. Nur dann, wenn die Kirche uneingeschränkte Freizügigkeit vom Evangelium her als geboten erachten würde, müßte sie auch gesetzlichen Begrenzungen dieser Freiheit und damit verbundenen Maßnahmen widersprechen.“ Auf das Nachhaken des Spiegel, dass es sich doch schließlich um die Legitimierung von Mord handele, und ob die Kirche Angst vor der Machtfrage habe, bezeichnete Fränkel die Vokabel „Mord“ als unpassend und fügte die offenbar nach Ansicht des Rates missverständliche Aussage an: „Wohl aber wird die Kirche unbeirrt dafür eintreten, dass die Beziehungen der beiden deutschen Staaten zueinander sich so bessern, dass die notvolle Situation an der Grenze überwunden wird“ (DER SPIEGEL Nr. 13 vom 24.3.1980 [34. Jg.], S. 86–92; hier S. 91f.). 45 Mit der Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn“ aus dem Jahr 1965 hatte die EKD versucht, die kirchlichen Friedens-

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sätzliche Frage auf, ob überhaupt die nötigen Arbeitskapazitäten zur Verfügung stünden, da die „Leistungsgrenzen“ der zuständigen Kammern und Beratungsgremien mit Rücksicht auf Besetzung, Tagungshäufigkeit und Arbeitsweise zu beachten seien. Die Anwesenden erwogen verschiedene Möglichkeiten, die zu einer Entlastung der EKD-Gremien beitragen könnten: Beispielsweise könne die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) Heidelberg um Unterstützung gebeten werden, wobei zunächst vorgeklärt werden müsse, auf welche Erfahrungen man dabei zurückgreifen könne und welche Erwartungen beidseitig gestellt werden könnten. Alternativ sei vorstellbar, „verstärkte Vorbereitungs- und Entwurfsarbeit“ in den EKD-Amtsstellen leisten zu lassen. Zuletzt verständigten sich die Mitglieder des Rates über das Pro und Contra eines „Ratsbeauftragten für Friedensfragen“. Die Überlegungen zur Analyse der Weltpolitik, dem hohen Stellenwert der bilateralen Konsultationsgruppe, den zu klärenden organisatorischen, konzeptionellen und personellen Fragen im Blick auf Sachkompetenz und Arbeitskapazität, die auch die Kirchenkanzlei berührten und Konsequenzen für den EKD-Haushalt und die bislang in der kirchlichen Arbeit gesetzten Prioritäten bedeuteten, kamen jedoch im Verlauf der Sitzung nicht über den Status des vagen Vordenkens hinaus. So bildete der Rat eine „Arbeitsgruppe“, der der Ratsbevollmächtigte Binder, der Vizepräsident der EKD-Kirchenkanzlei Wilkens sowie der Leiter der Hauptabteilung Theologie und öffentliche Verantwortung im Kirchenamt der EKD in Hannover, Hartmut Löwe, angehörten. Die Gruppe erhielt den Auftrag, „die angesprochenen Fragen (Infrastruktur, Verfahren bei der weiteren Behandlung der Friedensfrage)“ zusammen mit Carl Friedrich von Weizsäcker zu klären und bezüglich der finanziellen Aspekte auf Ratsmitglied Werner Hofmann zuzugehen. Ebenso offen blieb zunächst, inwieweit die „kirchliche Öffentlichkeit“ über die vom Rat angestellten Überlegungen zur Friedensfrage informiert werden sollte, um zu vermeiden, dass es zu „Verzerrungen und Verschärfungen in der Diskussion“

bemühungen in Bezug zu den aktuellen politischen Konflikten zu setzen. Sie warb um Versöhnung und stellte den engen Zusammenhang von der Lösung der Friedensfrage und der Überwindung der deutschen Teilung heraus, betonte jedoch im Vorwort, sich nicht in die Position der handelnden Politiker begeben zu wollen (Abdruck in: K IRCHENKANZLEI DER EKD [Hg.], Denkschriften, Bd. 1/1, S. 77–126). – Die Ratsmitglieder konstatierten auf dieser Sitzung, dass die derzeitige Lage eher der Phase entspreche, in der das Tübinger Memorandum entstanden sei. Die acht Verfasser hatten es am 6.11.1961 unterzeichnet und ihm am 24.2.1962 einen zusätzlichen Absatz vorangestellt. In der Schrift waren unterschiedliche Bereiche betreffende politische Aufgaben und Ziele (für die Bundesrepublik) skizziert. Das Memorandum, das ursprünglich als Diskussionsgrundlage für interne Unterredungen mit Bundestagsabgeordneten aller Parteien angelegt war, gelangte durch eine Indiskretion an die Öffentlichkeit und wurde daher, zusammen mit einer „Feststellung des Rates der EKD“ vom 10.5.1962, publiziert (Abdruck in: J. E. CHRISTOPH [Hg.], Kundgebungen, Bd. 2, S. 98–102).

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käme.46 In diesem Kontext verwies der Rat auf den der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung erteilten „Arbeitsauftrag“.47 Am 5. Juni trat die Kommission des Rates zusammen, um die von der Arbeitsgruppe erzielten Ergebnisse zu erörtern. Es stellte sich dabei heraus, dass es am sinnvollsten sei, wenn der Rat der EKD sich in zwei gesonderten, jeweils in geschlossener Sitzung erfolgenden Gesprächsgängen mit den Arbeitsergebnissen auseinandersetze.48 Auch müsse der Rat in Einvernehmen mit dem Präses der EKD-Synode entscheiden, wer als Vertreter der EKD zur Synode des Bundes vom 19. bis zum 23. September in Leipzig entsandt werden solle.49 Bei der Sitzung des Rates am folgenden Tag trug Karl Immer, der rheinische Präses und EKD-Beauftragte für Fragen der Kriegsdienstverweigerung und für Seelsorge an deutschen Kriegsverurteilten im ausländischen Gewahrsam, vorab zwei „Ergänzungsvorschläge zur Tagesordnung“ vor: Erstens sei zu erwägen, ob an einem Sonntag im November „in allen evangelischen Gemeinden in der DDR und der BRD Fürbittengottesdienste für den Frieden in der Welt gehalten werden“ solle. Ferner könne der im Nebenamt als Militärbischof tätige Sigo Lehming gebeten werden, „in geschlossener Sitzung darzulegen, wie er derzeit sein Amt“ verstünde.50 Hinsichtlich der Entsendung eines EKD-Vertreters zur Leipziger 46 Wilkens wurde auf der Sitzung der Kommission des Rates der EKD am 10.7.1980 mit der Beantwortung zweier Briefe vom Versöhnungsbund und der „Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden“ (einem Zusammenschluss aus 17 evangelischen Friedensorganisationen) beauftragt mit folgender Vorgabe: „Hier wie auch in ähnlichen Fällen ist auf Gesprächsbitten, die an den Rat gerichtet werden, darauf hinzuweisen, dass sich der Rat gerade gegenwärtig stark mit den Friedensfragen beschäftigt. Für die Besprechung dieser Thematik ist deshalb ein späterer Termin eher tunlich. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Pluralität innerhalb der EKD zur Bildung einer Fülle von Gruppierungen geführt hat, deren Gesprächsbitten die nebenamtlich tätigen Ratsmitglieder bei bestem Bemühen nicht zu entsprechen in der Lage sind“ (Niederschrift [Hammer] über 12. Sitzung der Kommission des Rates der EKD am 10.7.1980, S. 3. Hervorhebung im Original [EZA, 2/93/888]). 47 Vermerk Claessen o. D. [Klausurtagung Rat, Anlage III], S. 1, 3f. (EZA, 2/93/886). 48 Die Beratungen der geschlossenen Sitzungsabschnitte wurden in der Regel nicht in die Protokolle aufgenommen. In diesem Fall geht jedoch ansatzweise aus Hammers Bericht auf der Referentenbesprechung in der Kirchenkanzlei der EKD am 10.6.1980 hervor, dass zur Weiterbehandlung des „Gesamtkomplexes ‚Was kann die Kirche wirksam für den Frieden tun?‘“ die Kirchenkanzlei einen Vorschlag für den Rat erarbeiten solle, „in dem die bisherigen Aktivitäten aufgelistet und mögliche Modelle und Alternativen der weiteren Behandlung dar- und zusammengestellt werden“. Hammer regte die Bildung einer Arbeitsgruppe „(Abt. 6 – Federführung – Löwe, Schloz)“ an. Das für diese Arbeit „maßgebende Beratungsergebnis der geschlossenen Sitzung“ werde er noch vorlegen (Auszug aus Niederschrift über die Referentenbesprechung der Kirchenkanzlei am 10.6.1980 [EZA, 2/93/886]). 49 Niederschrift (Hammer) über die 11. Sitzung der Kommission des Rates der EKD am 5.6.1980 (EZA, 2/93/886). 50 Bei der Sitzung des Rates am 12./13.9.1980 erstattete der Vorsitzende des Beirats für Ev. Militärseelsorge, Hans-Gernot Jung, Bericht über das „23. Jahresgespräch mit der Ev. Militärseelsorge“ und brachte seine „Betroffenheit über die Unruhe im Beirat“ zum Ausdruck. Der Beirat bitte den Rat, sich in der Öffentlichkeit verbindlich dazu zu äußern, „ob von Friedensdienst mit der Waffe gesprochen

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Bundessynode entschloss der Rat, dass nicht wie im Jahr zuvor ein Mitglied des Rates, sondern des Präsidiums der EKD-Synode teilnehmen solle. Präses Immer klärte dann die Anwesenden über die Hintergründe des gemeinsam mit dem Kirchenbund in der DDR in Aussicht gestellten Fürbittengottesdienstes für den Weltfrieden auf. Da unterschiedliche kirchliche Gruppen, wie z. B. die Aktion Sühnezeichen und die Christliche Friedenskonferenz (CFK) ihren Plan bekannt gegeben hätten, am Buß- und Bettag bzw. am Volkstrauertag das Thema Frieden unter den unterschiedlichsten Aspekten in den Mittelpunkt von Veranstaltungen und Gottesdiensten zu stellen, wolle man diesen nicht die alleinige „Initiative“ überlassen. Daher sei in den westlichen und östlichen EKU-Gliedkirchen51 die Anregung diskutiert worden, in der Bundesrepublik und in der DDR die Gottesdienste an einem Sonntag im November dem Friedensgebet zu widmen. Zu diesem Zweck solle eine gemeinsame Liturgie ausgearbeitet und eine Erklärung formuliert werden. Immer schlug ein Aufgreifen dieser Idee vor und regte an, den Sprecher der Berater- und der Konsultationsgruppe darum zu bitten „diese Angelegenheit in der kommenden Sitzung der Beratergruppe52 abzusprechen“. In der sich anschließenden Aussprache verständigten sich die Mitglieder des Rates, die dem Vorschlag grundsätzlich zustimmten, in erster Linie über die Frage, welcher Novembersonntag oder Feiertag in diesem Monat am geeignetsten für einen Fürbittengottesdienst sei. Aufgrund der Tatsache, dass dieser am Buß- und Bettag nicht in beiden Teilen Deutschlands abgehalten werden könne, weil er in der DDR kein Feiertag war, und der Volkstrauertag „für diesen Zweck angesichts seiner Thematik seelsorgerliche Schwierigkeiten und im Blick auf die DDR möglicherweise auch Schwierigkeiten für eine gemeinsame Erklärung beinhalten könnte“53, legten sich die Ratsmitglieder auf den 9. November werden darf. Ziel ist die erneute Bestätigung der Heidelberger Thesen“ (Niederschrift [Bromm] über die 15. Sitzung des Rates der EKD am 12./13.9.1980, S. 11f. [EZA, 2/93/889]). 51 Als erste hatte die EKU-Synode (Bereich DDR) am 18.5.1980 einen entsprechenden Beschluss gefasst. Wie EKU-Synodenpräses (West) Christoph Karzig dem Bund mitteilte, hatte der Ratsvorsitzende der EKU sich am 13.6.1980 in seinem Bericht an die Synode ebenfalls zur Friedensfrage geäußert. Daraufhin habe die EKU-Synode am 15.7.1980 einen Beschluss zum Frieden gefasst. Auch das gemeinsame „Wort“ von BEK und EKD zum Frieden sei gewürdigt worden (Schreiben Karzig an BEK vom 16.7.1980 [EZA, 101/307]). 52 Am 11.6.1980 beschäftigte sich die Beratergruppe bereits mit einem ersten Entwurf (des Saalfelder Superintendenten Ludwig Große) für ein Fürbittengebet. Auch die Konsultationsgruppe nahm den Entwurf auf ihrem zweiten Treffen entgegen und plante, darüber bei der 3. Konsultation am 12.6.1980 zu beraten. Dort wurden Große und Falcke mit der Ausarbeitung einer Liturgie für den Gottesdienst beauftragt. 53 Seit 1952 wird in der Bundesrepublik der „Volkstrauertag“ – am vorletzten Sonntag vor dem 1. Advent (also am Sonntag vor dem Buß- und Bettag) – als nationaler Gedenktag (nicht als kirchlicher Feiertag, sondern initiiert vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge) für die Toten beider Weltkriege und die Opfer des Nationalsozialismus begangen. 1934 hatten die Nationalsozialisten den

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

fest. Es wurde beschlossen, dem Kirchenbund diesen Termin vorzuschlagen und die Bearbeitung einer gemeinsamen Liturgie und Erklärung in Angriff zu nehmen. Während von Keler die Anregung in die Beratergruppe tragen sollte, müsse gleichfalls die Kirchenkonferenz54 in Kenntnis gesetzt werden.55 Am 11. und 12. Juli unterrichtete von Keler wiederum den Rat über den Verlauf der letzten Konsultation mit Vertretern des Bundes, die „von großer Tiefe, Klarheit und Redlichkeit der Aussprache“ getragen war. Wie der Rat der EKD es bereits nach einer Aussprache auf seiner Klausurtagung Anfang Mai entschieden hatte, seien auch die Mitglieder der Konsultationsgruppe zu dem Ergebnis gekommen, dass zum derzeitigen Zeitpunkt das Abhalten eines Bittgottesdienstes für den Frieden in allen Gemeinden beider Kirchen eine bessere Lösung sei als ein gemeinsam erarbeitetes Wort zur Friedensfrage.56 Der zweite Teil des KKL-Berichts, den Propst Heino Falcke der vom 19. bis zum 23. September in Leipzig tagenden Bundessynode vortrug, galt eigens der „Verantwortung für den Frieden“. In dem Unterabschnitt „Aufgaben in der weltpolitischen Spannungssituation“ wurde auch die sowjetische Intervention in Afghanistan von Ende Dezember 1979 kritisch thematisiert. In diesem Kontext hob der Bericht die kirchliche Friedensverantwortung besonders hervor und brachte dabei das Zusammenwirken von Bund und EKD mit dem für den 9. November geplanten Gottesdienst zur Sprache: „Der Wille, Vertrauen gerade an der Nahtstelle zwischen den beiden großen Weltsystemen in besonderer Weise zu fördern und so auch eine besondere Verantwortung für Frieden und Entspannung57 wahrzunehmen, liegt den Konsultationen zwischen Bund Tag in einen „Heldengedenktag“ umgewandelt und die Bezeichnung „Volkstrauertag“ als „pazifistisch infiziert“ verboten. 54 Die Mitglieder der Kirchenkonferenz erfuhren auf ihrer Sitzung vom EKD-Ratsvorsitzenden von den intensivierten Bemühungen des Rates um einen kirchlichen Beitrag zur Lösung der Friedensfrage, die sich v. a. auf die Fortsetzung der Konsultationen sowie eine verstärkte Zusammenarbeit und einen kontinuierlichen Austausch mit dem Kirchenbund in der DDR richteten (Niederschrift [Claessen] über die Sitzung der Kirchenkonferenz der EKD am 10.7.1980, S. 4 [EZA, 2/93/726]). 55 Niederschrift (Höner) über die 13. Sitzung des Rates der EKD am 6.6.1980, S. 2, 7f. (EZA, 2/93/886). – Vgl. zu diesem Themenkomplex A. SILOMON, „Schwerter“, v. a. S. 35–48. Dort wird detailliert dargestellt, wie es im Zuge dieser Überlegungen zur Installation der sogenannten Friedensdekaden kam, die von 1980 an in der DDR jeweils zwischen dem drittletzten Sonntag im Kirchenjahr („Bittgottesdienst für den Frieden“) und dem als „Abrüstungstag“ begangenen Buß- und Bettag veranstaltet wurden. 56 Niederschrift (Kirchhoff) über die 14. Sitzung des Rates der EKD am 11./12.7.1980, S. 11 (EZA, 2/93/887). 57 Wie im ND vom 21./22.6.1980 abgedruckt wurde, hatte der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker genau dies – bezogen auf die Ebene der beiden Regierungen – geäußert: „Heute mehr denn je tragen die beiden deutschen Staaten besondere Verantwortung für die Erhaltung des Friedens in Europa.“ Im Rahmen der Trauerfeier für den verstorbenen jugoslawischen Staatspräsidenten Anfang Mai waren Honecker und Bundeskanzler Schmidt bei einer Unterredung zu dem gleichen Ergebnis gekommen.

Entstehung und Ziele der Konsultationsgruppe (1980–1983)

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und EKD zugrunde, die, ebenfalls einer Initiative der Bundessynode folgend, seit März 1980 in regelmäßigen Abständen stattfinden. Eine Frucht solcher Konsultationen wird der ‚Bittgottesdienst für den gefährdeten Weltfrieden‘ sein, zu dem Bund und EKD die Gemeinden für den drittletzten Sonntag des Kirchenjahres 1980 aufgerufen haben. In der Liturgie dieses Gottesdienstes wird Raum sein für das Bekenntnis unseres Versagens, für die Erkenntnis unserer Aufgabe und für die Vergewisserung unserer Hoffnung auf den Vertrauen schaffenden Herrn der Kirche“.58

Der folgende Abschnitt des Konferenzberichts widmete sich einem weiteren Konfliktthema zwischen Staat und Kirche in der DDR, der „Erziehung zum Frieden“. Verwiesen wurde auf das von der KKL im Juli 1978 beschlossene Studien- und Aktionsprogramm zum Frieden und das dazugehörige, von der Ad-hoc-Gruppe „Friedenserziehung“ im BEK-Sekretariat im Auftrag der KKL als Orientierung für die kirchliche Arbeit in den Gemeinden konzipierte „Rahmenkonzept“.59 In ihrem Beschluss „zum Arbeitsbericht des Bundes und zum Bericht des Diakonischen Werkes – Innere Mission“ vom 23. September60 unterstrich die Synode die Aussagen des zweiten Teils des KKL-Berichts nicht nur ausdrücklich, sondern präzisierte sogar einzelne Punkte. Die westlichen Medien setzten bei ihrer Berichterstattung über die Bundessynode in Leipzig den Schwerpunkt auf solche „politischen“ Äußerungen.61 Im BEK-Mitteilungsblatt war wie üblich der Bericht der KKL abgedruckt, nur fehlten eben die beiden Teile, in denen es um die „Aufgaben in der weltpolitischen Spannungssituation“ und die „Erziehung zum Frieden“ ging. Ferner wurde vom Staat die Entscheidung gefällt, die Verteilung der 39. Ausgabe des ENA, in der sowohl über den KKL-Bericht als auch den Beschluss der BEK-Synode teils sinngemäß, teils im Wortlaut informiert worden war, über den Postweg zu untersagen. Auch einige Kirchenzeitungen wurden eingestampft. Wie Schönherr bereits für die 3. BEK-EKD-Konsultation am 12. Juni einige „Gesichtspunkte“ zum Begriff der friedlichen Koexistenz und seiner Interpretation aus Sicht der DDR vorgelegt hatte, übernahm es von Heyl auf dem vierten Treffen am 10. Oktober, eine Zusammenstellung vorzustellen, wie das NebenHonecker hatte das Gespräch für „sehr nützlich für beide Länder und im Interesse des Friedens“ bezeichnet, wie das ND am 9.5.1980 gemeldet hatte. 58 Entwurf KKL-Bericht für 4. Tagung der III. Synode des Bundes, S. 16f. (EZA, 101/109). 59 Auf ihrer 69. Tagung am 12./13.9.1980 hatte die KKL das Papier „zustimmend zur Kenntnis genommen und […] für die Arbeit in den Gemeinden und mit am Thema Friedenserziehung interessierten Gruppen“ freigegeben, wie Stolpe den Empfängern des Rahmenkonzepts in seinem Begleitschreiben vom 17.9.1980 mitteilte (EZA, 101/74). – Abdruck bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 361–369. 60 Abdruck bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 1, S. 370–374. Für weitere Texte und Beschlüsse vgl. EPD DOKUMENTATION 46–47/80. 61 Vgl. zur Presseberichterstattung in der Bundesrepublik EPD DOKUMENTATION 8/81, S. 20–29.

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einanderbestehen unterschiedlicher Gesellschaftssysteme aus der Perspektive der Bundesrepublik betrachtet werden könne. Schönherrs mittlerweile überarbeitete Ausarbeitung war den Sitzungsteilnehmern vorab zugeschickt worden, so dass auf der Basis beider Papiere eine angeregte Diskussion zustande kam. Die Anwesenden stimmten einhellig von Heyls zusammenfassenden Schlussfolgerungen zu, „dass die Gemeinsamkeiten im Verständnis des Prinzips der friedlichen Koexistenz zwar ausreichen, um die Gefahr kriegerischer Verwicklungen zwischen den beiden Lagern zu mindern, dass sie diese aber nicht aufheben und auch den Antagonismus der beiden Lager nicht relativieren. Die friedensstabilisierende Funktion des Prinzips ist jedoch ausreichende Begründung für die Kirchen, es zu stützen und vor einer Diskreditierung zu warnen“.62

Hinsichtlich des „Bittgottesdienstes für den gefährdeten Frieden“ waren die westlichen und östlichen Brüder sich ebenso einig, dass es sich bei diesem Vorhaben um einen kirchlichen Beitrag zur Sicherung des Friedens handele, der dem Auftrag der Kirchen entspreche und somit in jeder Hinsicht legitimiert sei. Für eine der kommenden Konsultationen wurde unter anderem vereinbart, sich mit dem Thema „Freiheit und Bindung der Kirche in ihrem jeweiligen System“ auseinander zu setzen. Die Vorbereitung sollten der Saalfelder Superintendent Ludwig Große für den Bund und der württembergische Landesbischof von Keler für die EKD übernehmen. Im Vorfeld der für den 11. Dezember angesetzten bilateralen Konsultation zur Friedensfrage wandte sich der Referent für Friedensfragen in der Theologischen Studienabteilung beim Bund (ThSA), Joachim Garstecki, an Schönherr. Er legte eine elfseitige Ausarbeitung mit dem Titel „Zum Friedensgespräch in den Kirchen“ bei, in der er „verschiedene Beobachtungen und Gedanken zu einigen Aspekten der Gesprächssituation im Friedensdialog zwischen EKD und Bund“ zusammengetragen habe. Garstecki bat darum, seinen Text zur Kenntnis zu nehmen und fügte hinzu, dass er Götz Planer-Friedrich, den Leiter der ThSA, über sein Schreiben an Schönherr und die damit verbundene Anregung unterrichtet habe.63 Offenbar hat Garsteckis Papier zumindest keinen direkten Eingang in das Ost-West-Gespräch zur Friedensproblematik gefunden, doch wurde vom BEK-Sekretariat vorgeschlagen, schwerpunktmäßig über „Fragen der theologischen Grundlegung der Friedensverantwortung der Kirche, der nötigen Unterscheidung von Zeugnis und Dienst, der aktuellen Ausrichtung des Zeugnisses und ihres prophetischen Charakters“ zu verhandeln. Demke, stell62 C. von Heyl: „Anmerkungen zum Begriff der friedlichen Koexistenz aus westlicher Sicht“, S. 7 (EZA, 687/52). 63 Schreiben Garstecki an Schönherr vom 9.12.1980 (EZA, 687/52).

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vertretender Leiter des Sekretariats, wollte für die nächste Konsultation eine Einführung in diesen Themenkomplex vorbereiten. Die Erfahrungen mit dem gemeinsam organisierten und am 9. November in der DDR und der Bundesrepublik durchgeführten Bittgottesdienst, der in diesem Kontext auf dem letzten Treffen als der Kirche „legitimste Handlungsweise“64 bezeichnet worden war, wurden ausgetauscht und festgestellt, dass die Liturgie durchaus „im akuten Fall wieder verwendungsfähig“ sei. Eine Anregung, angesichts der zunehmend sich verschärfenden weltpolitischen Lage ein „seelsorgerlich-pastorales“ Wort an die Gemeinden zu richten, kam von der Projektgruppe Abrüstung der ThSA beim Bund. Die dazugehörige schriftliche Skizze, in welcher Form den Gemeinden in ihrer Angst und Verunsicherung eine sachliche Orientierung geboten werden könne, gaben die Mitglieder der Konsultationsgruppe zur Bearbeitung in den „zuständigen Beratungsgremien“ weiter. Binder unterrichtete die Anwesenden von dem Vorhaben der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung, eine Denkschrift zur kirchlichen Friedensverantwortung zu erstellen. Von einer Beteiligung des Kirchenbundes in der DDR oder einer Verhandlung durch die Vertreter der Konsultationsgruppe war dabei nicht die Rede.65

5.1 Systembindung der evangelischen Kirchen als Hindernis gemeinsamer Friedensaktivitäten Eine kleine atmosphärische Störung, die nur ansatzweise einem Schreiben des Ratsvorsitzenden der EKD an den KKL-Vorsitzenden Schönherr zu entnehmen ist und in keiner der beiden Ost-West-Gruppen oder den jeweiligen Leitungsgremien von EKD und Bund Erwähnung findet, weist darauf hin, wie kompliziert sich ein gemeinsames Vorgehen beider Kirchenbünde in ihrem Bemühen um die Erhaltung des Friedens in der Realität gestaltete. Im Grunde hatte Lohse bereits in dem – offenbar ebenfalls an keiner Stelle innerkirchlich diskutierten – Interview vom Mai 1980 klargestellt, dass die Kirchen sich bei ihren Aktivitäten nie völlig unabhängig von ihrer jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Einbindung verhalten oder artikulieren konnten. Schönherr war Mitte Dezember von einem Pfarrer angeschrieben worden, der dem Vorstand der in West-Berlin ansässigen Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt angehörte. Dieser hatte ihn 64

Vermerk Stolpe o. D. über die 4. Konsultation, S. 2 (EZA, 687/53). Vermerk Stolpe o. D., S. 2 (EZA, 101/653). – Bei der erwähnten Kammer-Ausarbeitung handelt es sich um die 1981 erschienene Denkschrift „Frieden wahren, fördern und erneuern“, auf die später ausführlicher einzugehen ist, zumal sie einmal mehr die unterschiedlichen Positionsbestimmungen von Bund und EKD in der Friedensfrage verdeutlicht. 65

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darauf hingewiesen, dass Lohse die unter anderem als Motto der DDR-weit begangenen Friedensdekade verwendete Formel „Frieden schaffen ohne Waffen“66 als „politisch sehr naiv“ bezeichnet habe. Möglicherweise hatte der Pfarrer sich in dieser Angelegenheit auch an den EKD-Ratsvorsitzenden gewandt, denn Lohse teilte dem KKL-Vorsitzenden am 6. Januar 1981 mit: „Wie ich höre, sind offenbar bruchstückhafte Informationen über meine Äußerungen [am 26.11.1980] zur Friedensfrage vor unserer [hannoverschen] Landessynode an Sie gelangt. Deshalb schicke ich Ihnen sowohl meinen Bericht wie auch den Auszug aus dem Wortprotokoll, der mein Schlußwort nach der Debatte enthält.“67 Von größerer Öffentlichkeitswirkung waren sicherlich Lohses Äußerungen sowohl zur Friedensfrage als auch zur kirchlichen Diskussion darüber auf der Synodaltagung der EKD vom 2. bis zum 7. November in Osnabrück gewesen. Unter Verweis auf die im gemeinsamen „Wort zum Frieden“ von Bund und EKD betonte Notwendigkeit einer Erziehung zum Frieden hatte der Ratsvorsitzende dort das Eintreten der EKD einerseits für die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen, andererseits für das Verständnis des Dienstes in der Bundeswehr als „Friedensdienst“ hervorgehoben: „Zu prüfen ist, ob die Formel, die von einem Friedensdienst mit und ohne Waffen sprach [Heidelberger Thesen von 1959], heute noch hinreichend zu umschreiben mag, welche ethische Entscheidung von jedem einzelnen Christen im Blick auf die Erfüllung oder aber Versagung des Wehrdienstes zu treffen ist.“ Dies werde auf der Grundlage einer Analyse erfolgen, die die Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD demnächst abschließe. Lohse hatte dann gemahnt: „Es ist nicht zu billigen, wenn in einigen Äußerungen aus jüngster Zeit der Eindruck erweckt wird, als ob allein die Versagung des Dienstes mit der Waffe verantwortlichem Handeln des Christen entspricht.“ Nach einer intensiven Debatte unter den Synodalen der EKD war der Ratsvorsitzende auf die Tauglichkeit der Übertragung von Bibelworten auf die praktische Politik zu sprechen gekommen und hatte konstatiert: „Vom staatlichen Handeln spricht die Bibel, dass die staatliche Gewalt das Schwert nicht umsonst trägt, und die reformatorische Theologie hat in ihrer Lehre von der staatlichen Gewalt und von der Aufgabe der Kirche in ihrer Unterscheidung von Gesetz 66

Zu dieser Formel gehörte jedoch gleichfalls das alttestamentliche Prophetenwort „Schwerter zu Pflugscharen“, das der BEK als Text und als Abbildung auf alle kirchlichen Materialien der Friedensdekade drucken ließ. Die Abbildung entsprach der Skulptur des sowjetischen Bildhauers Jewgeni W. Wutschetitsch und war von der SU als Zeichen ihres Wunsches nach einem Ende des Wettrüstens 1959 der UNO als Geschenk übergeben worden. Dennoch führte die Verwendung dieses v. a. von Jugendlichen mit Begeisterung aufgenommenen und als Aufnäher getragenen Zeichens zu schwersten Staat-KircheKonflikten in der DDR (Vgl. dazu A. SILOMON, „Schwerter“). Auch im Rahmen der in etwa parallel zur DDR-Friedendekade im November 1980 stattfindenden Friedenswoche war „Frieden schaffen ohne Waffen“ das Leitmotiv gewesen – allerdings nicht kirchenoffiziell von der EKD verantwortet. 67 Schreiben Lohse an Schönherr vom 6.1.1981 (EZA, 687/53).

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und Evangelium auf diese Differenzierung hingewiesen. Es ist nicht möglich, Sätze, die von der Kirche gelten, zur Maxime staatlichen Handelns zu machen, und wir wären schlecht beraten, wenn wir Maximen staatlichen Handelns als Regeln unseres kirchlichen Lebens verwenden wollten.“

Abschließend hatte Lohse nochmals ausdrücklich im Namen des Rates der von einigen Synodalen vorgebrachten Einschätzung widersprochen, er habe in seinem Bericht an die Synode stärker für die eine oder andere Haltung zum Wehrdienst votiert.68 Seitens des Bundes hingegen war die Orientierung in Richtung einer Bewertung des waffenlosen Dienstes und der Totalverweigerung als „deutlicheres Zeugnis“ des Friedens bereits zum Ausdruck gebracht worden, hatte die BEK-Synode doch auf ihrer Leipziger Tagung im September das Rahmenkonzept „Erziehung zum Frieden“ angenommen, in das diese Position eingeflossen war. Die unterschiedlichen theologischen Grundhaltungen und die daraus resultierenden politischen Urteile der Kirchen in Ost- und Westdeutschland – und innerhalb beider Kirchen – traten auch bei der Sitzung des Rates der EKD am 13. und 14. Februar zutage. Im Bericht zur Lage ging es um das „Problem des Waffenexports [von Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien] und der dazu angeregten Äußerung des Rates“. Abgesehen davon, dass der Export von Waffen grundsätzlich fragwürdig sei, müsse vor einer „Inflation kirchlicher Worte“ gewarnt werden. Der Problemkomplex, so planten die Mitglieder des Rates, könne im Kommuniqué des Rates „kurz“ erwähnt werden.69 Der NATO-Doppelbeschluss und der sowjetische Einmarsch in Afghanistan Ende des Jahres 1979 hatten in der Bundesrepublik zu einer Zunahme auch kirchlicher oder kirchennaher pazifistischer Gruppen geführt, die sich im Kontext der Friedensfrage ebenso mit Waffenexporten und der Wehrdienstproblematik auseinander setzten. Von Seiten der Bischöfe, Kirchenleitungen, Synoden bzw. des Rates der EKD wurden verbindliche und vor allem grundsätzlich klärende Stellungnahmen erwartet.70 68 Auszüge beider Stellungnahmen vom 3.11.1980 sind abgedruckt in: KJ 1980 (107. Jg.), S. 127f. und 128ff. 69 Im Namen der EKD wurde unter Verweis auf die Lage und die Geschichte Deutschlands eine sorgfältige und zurückhaltende Prüfung ausländischer Anfragen nach Waffenlieferungen angemahnt. Solches Kriegsgut im Zeichen einer Belebung der (deutschen) Wirtschaft zu exportieren, sei moralisch nicht vertretbar. 70 So hatte die radikal-pazifistische christliche Initiative „Ohne Rüstung leben“ schon 1978 einen gleichlautenden Aufruf veröffentlicht und bereits den Besitz und nicht erst den Gebrauch militärischer Gewaltmittel als Schutz- oder Sicherheitskonzept rigoros abgelehnt. Der Leitspruch, unter der die erste, an niederländischem Vorbild orientierte bundesdeutsche Friedenswoche im November 1980 an etwa 350 Orten in der BRD und allen Bezirken West-Berlins stattfand, „Frieden schaffen ohne Waffen“, folgte aus diesem Aufruf. Nach dem Einmarsch in Afghanistan hatten diese ökumenisch gesinnten Christen die EKD und ihre Gliedkirchen aufgefordert, sich offiziell gegen den Krieg auszusprechen und sich zur damit verbundenen Konsequenz zu bekennen, dass jegliche militärische Rüstung beendet und der Kriegsdienst verweigert werden müsse.

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Doch konnte und wollte der Rat der EKD, wenn er schon keine eindeutige Bevorzugung der Wehrdienstverweigerung aussprechen wollte, so schon erst recht keine pazifistische Position kirchenoffiziell vertreten.71 Allerdings setzten sich die Ratsmitglieder auf ihrer Februarsitzung nochmals mit dem Thema „Volkstrauertag/Friedensonntag – Friedenswoche/Friedensdekade“ auseinander, zu dem OKR Horst Echternach aus der Kirchenkanzlei in Hannover referierte und eine entsprechende Vorlage erarbeitet worden war.72 Dabei ging es um den Termin, an dem im vergangenen Jahr der gemeinsame Bittgottesdienst für den Frieden abgehalten worden war, den drittletzten Sonntag im Kirchenjahr. Die Erfahrung mit diesem Sonntag habe gezeigt, dass besonders die zeitliche Nähe zum Volkstrauertag und dem Buß- und Bettag insofern problematisch sei, als diese Tage „eine nur schwer zu unterscheidende Thematik“ hätten. Wie ja bereits bei der Planung im Jahr 1980 bedacht worden war, werde der Volkstrauertag in der DDR nicht gefeiert und der Bundesrepublik vorgeworfen, sie trage mit dem nationalen Gedenken an die Toten des ersten und zweiten Weltkriegs und die Opfer des Nationalsozialismus zur „Wiederbelebung des nationalsozialistischen Heldengedenktages“ bei. Tatsächlich biete der Volkstrauertag „nach wie vor auch Anknüpfungspunkte“ für derartige Interpretationen, wie zum Beispiel „Kameradschaftstreffen etc.“. In jedem Fall laufe der BEK Gefahr, dem Staat gewisse Verdachtsmomente zu bieten, wenn er mit der EKD gemeinsam im Gebet für den Frieden an diesen Tag anknüpfe. Derzeit werde das Friedensengagement in den Kirchengemeinden folgendermaßen umgesetzt: „a) Friedenssonntag (drittletzter oder zweitletzter Sonntag?). b) Friedenswoche (wann Beginn? wann Ende? Einschluß oder Ausschluß des Volkstrauertages?). c) Friedensdekade (in der DDR praktiziert: vom drittletzten Sonntag bis zum Buß- und Bettag [= 11 Tage])“.73 Eine Arbeitsgruppe in der EKD-Kirchenkanzlei hatte nun den 71

Vgl. zu diesem Dilemma den instruktiven Artikel des FAZ-Redakteurs Karl Alfred Odin, „Zwischen Macht und Sehnsucht nach Frieden. Die Auseinandersetzung im deutschen Protestantismus über Rüstung und Wehrdienst“, der am 18.2.1981 in der FAZ erschien und in dem auch die Haltung des Kirchenbundes in der DDR dargestellt wird (Abdruck in: KJ 1981/82 [108./109. Jg.], S. 90–93). 72 Niederschrift (Hammer) über die 21. Sitzung des Rates der EKD am 13./14.2.1981, S. 5 (EZA, 2/93/895). 73 Der zweitletzte Sonntag wäre der Volkstrauertag, der Ausgangspunkt für die bundesdeutsche Friedenswoche (veranstaltet von der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste; Mitwirkung von weiteren Mitgliedsorganisationen der 1968 gebildeten „Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden“, nur einigen EKD-Landeskirchen in der Bundesrepublik sowie katholischen Christen, Gewerkschaften, DritteWelt-Gruppen und parteigebundenen Friedensorganisationen) vom 16. bis 22.11.1980 war, während die Friedensdekade in der DDR – offiziell vom Bund mitverantwortet – am drittletzten Sonntag im Kirchenjahr, dem 9.11.1980 mit dem Fürbittengottesdienst für den gefährdeten Weltfrieden, an dem sich die EKD beteiligt hatte, angefangen und mit dem Buß- und Bettag/Abrüstungstag (19.11.1980) beendet worden war. So hätte eine Verlegung des gemeinsamen Friedenssonntags auf den zweitletzten Sonntag im Kirchenjahr in der Tat bedeutet, dass damit der Volkstrauertag in diesem Sinne begangen

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Vorschlag unterbreitet, gleichzeitig mit der nächsten Friedensdekade des Kirchenbundes in der DDR auch in der Bundesrepublik eine Friedensdekade vom drittletzten Sonntag im Kirchenjahr bis zum Buß- und Bettag durchzuführen. Dabei könnten sich EKD und BEK „vorläufig gegenseitig frei[geben]“, den Sonntag auszuwählen, der ausdrücklich dem Friedensgebet gewidmet werden solle. Für den Kirchenbund in der DDR biete sich demnach der drittletzte Sonntag im Kirchenjahr an, während für den Bereich der EKD eine bewusste Verbindung mit dem Volkstrauertag, die sogenannte Schrägstrich-Lösung „Volkstrauertag/ Friedenssonntag“, aus folgendem Grund naheliegender sei: „Das Thema ‚Volkstrauer‘ braucht als umgreifenden Horizont das Thema ‚Frieden‘, vom Frieden sollte nicht ohne den Rückblick in unsere jüngste Geschichte gehandelt werden. Dieser Vorschlag gibt u.E. in der Dekade für Gestaltungs- und Lernprozesse sowie den Religionsunterricht einerseits eine weitgehende Gemeinsamkeit – andererseits für die Festlegung des Friedenssonntags genügend Spielraum. Auf längere Sicht ist auch im Bereich der DDR-Kirchen der vorletzte Sonntag im Kirchenjahr als ‚Friedenssonntag‘ nicht undenkbar.“74

Nachdem Echternach den Ratsmitgliedern die Vorlage erläutert hatte, wurde der Beschluss gefasst, die Angelegenheit bei der nächsten gemeinsamen Konsultation mit dem Bund im Rahmen eines Erfahrungs- und Meinungsaustausches zu beraten.75 Die in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen angesiedelte „Abteilung K Internationale Beziehungen“ fertigte am 4. März eine ausführliche „Information über die ökumenischen Beziehungen“ zwischen BEK und EKD an. Primär wurde die „besondere Gemeinschaft“ beider Kirchen in den Blick genommen, die – wie sich an den trotz der 1969 vollzogenen organisatorischen und rechtlichen Trennung ständig erweiterten Kontakten zwischen den kirchlichen Gremien und Einrichtungen erweise – „über die Grenzen hinweg nicht nur konserviert, sondern in immer größerem Umfang ausgebaut“ worden sei. Auch im Rahmen der internationalen ökumenischen Arbeit bemühten sich der Kirchenbund und die EKD „zielstrebig und hartnäckig um beiderseitige Zusammenarbeit, um einen ausgeprägten und ständig in Erweiterung begriffenen Beworden wäre. Der Friedenssonntag von Bund und EKD war demnach im Jahr 1980 nicht in die Friedenswoche in der Bundesrepublik integriert. Die Friedensdekade in der DDR hatte für den BEK viele Spannungen und Konflikte mit dem Staat gebracht, doch war der Volkstrauertag, der zwar mitten in dem Zeitraum lag, aber bei den Aktivitäten des Bundes für den Frieden nicht ausdrücklich hervorgehoben worden war, dabei kein Thema gewesen. 74 Hammer, 2.2.1981 „Vorlage“ für die 21. Sitzung des Rates der EKD am 13./14.2.1981, S. 3 (EZA, 2/93/895). 75 Niederschrift (Hammer) über die 21. Sitzung des Rates der EKD am 13./14.2.1981, S. 6 (EZA, 2/93/895).

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suchs- und Reiseverkehr, um Vortragstätigkeit sowie den Erfahrungsaustausch“. Seitens des BEK werde die Beziehung zur EKD nicht, wie vom Staat gefordert, wie die zu anderen Kirchen in der Ökumene angesehen, sondern in spezieller Weise bewertet. Gemeinsame Aktivitäten würden in Kirchenleitungsberichten von Bund, seinen Gliedkirchen, der EKU und der VELKDDR genannt – und zwar „nicht unter dem Punkt ‚Ökumene‘, sondern als eigenständiges Problem [sic!]“. Ferner würden Kirchenleitungsbeschlüsse und Konzeptionen für Synodaltagungen mit „Gästen“ von der EKD, die an Sitzungen der KKL, ihres Vorstands und einzelner Kirchenleitungen teilnähmen, durchgesprochen und abgestimmt. An dem „gesamtdeutschen Konzept“ werde also in jeder Hinsicht festgehalten, was insofern für die DDR eine unmittelbare Gefahr darstelle, als über die Kirchen die vor allem ideologische Abgrenzung zur Bundesrepublik aufgeweicht werde: „Wenn man auch einschätzen muß, dass sich in Kreisen der EKD – bis hinauf in die Führungsspitze – wachsender politischer Realismus mit einem unumstrittenen Einfluß abzeichnet, so wird die EKD-Politik in ihren Grundzügen bestimmt von der Politik der SPD/FDP-Regierung gegenüber der DDR. Sie ist in die politisch-ideologische Gesamtstrategie des Imperialismus gegen die sozialistische Staatengemeinschaft (insbesondere die DDR) einbezogen und wird dieser Funktion auch gerecht.“

Diese Einschätzung habe selbst der Vorsitzende der SPD, Willy Brandt, etwa ein Jahr zuvor gegenüber dem evangelischen Pressedienst epd mit der Äußerung bestätigt, das entscheidende Element für die Gestaltung des innerdeutschen Dialogs seien die Beziehungen der evangelischen Kirchen in der DDR und in der BRD, und eine solche Chance auf Entspannung dürfe „nicht ungenutzt bleiben“. Die „strategische Aufgabe“ der EKD sei somit ganz klar die „Unterwanderung“ des Konzepts einer „Kirche nicht neben, sondern im Sozialismus“ sowie die Beförderung eines von Konfrontation dominierten Staat-Kirche-Verhältnisses. Durch die Beeinflussung der EKD würden die „reaktionären Kräfte“ unter den Kirchenvertretern in der DDR bestärkt in ihrer Selbstwahrnehmung als kritisches Korrektiv des Staates und sähen sich in der Rolle einer „moralischen Instanz“, die ein „Wächteramt“ wahrzunehmen habe, um dann die „konsequente Friedenspolitik“, den Wehrkundeunterricht, das sozialistische Bildungswesen, die „sozialistische Demokratie“ und das „sozialistische Leistungsprinzip“ anzugreifen. Hinsichtlich der Zusammenarbeit von BEK und EKD zeigten sich jedoch auch positive Aspekte. Auf der einen Seite seien zwar die bilateralen kirchlichen Kontakte mit der Bezeichnung „Partnerschaftsbeziehungen“ statt bisher „Patenschaftsbeziehungen“ qualitativ neu definiert worden, jedoch zeige die EKD eine gewisse Bereitschaft, vom Kirchenbund „zu lernen“, was vor allem in der Haltung zur Friedensfrage deutlich werde. Bestimmte Kreise in der EKD hätten es im Sinne eines „Stachels

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in der EKD“ wahrgenommen, dass der Kirchenbund eine sehr viel eindeutigere Position im Blick auf die Verweigerung des Wehrdienstes bezogen habe. Der Verantwortung beider deutscher Kirchen für die Wahrung des Weltfriedens versuchten die Kirchen in einer eigens dafür gebildeten gemeinsamen Kommission – damit war die Konsultationsgruppe gemeint – gerecht zu werden. Allerdings zeige sich hier erneut, dass die EKD die Rolle eines „‚Brückenkopfes‘ des innerdeutschen Dialogs“ übernommen habe. In der Friedensfrage arbeite sie daran, den BEK in eine „systemneutrale Position“ und in eine distanzierte Haltung zum Staat zu drängen. Als Beispiel für erste Erfolge in dieser Richtung wurde das gemeinsame „Wort zum Frieden“ aus dem Jahr 1979 angeführt, merkwürdigerweise mit folgender Schlussfolgerung: Es „wurde deutlich, dass er [der Kirchenbund] sich damit auf die Position einer Kirche begibt, die nach wie vor Staatsdisziplin und militärische Verteidigungsbereitschaft (Bundeswehr hat für die Gewährleistung des Friedens ihre notwendige Berechtigung) von ihren Gemeindegliedern fordert“. Wenn der BEK sich tatsächlich hätte dahingehend beeinflussen lassen, nicht mehr den Dienst ohne Waffe und die Wehrdienstverweigerung als dem Christsein angemessenere Handlungsweise zu bewerten, müsste die Staats- und Parteiführung der DDR an sich hochzufrieden gewesen sein. Während diese „Linie“ – wie es in der Ausarbeitung weiter hieß – gleichfalls mit dem Bittgottesdienst von Bund und EKD für den gefährdeten Weltfrieden und den Friedensdekaden weiter verfolgt werde, zeigten sich bei der Arbeit beider Kirchen in der Ökumene zunehmend inhaltliche Differenzen, sogar Kontroversen, die dem Kirchenbund für seine Eigenprofilierung und den Erweis seiner Unabhängigkeit von Nutzen seien. Nach wie vor in nur unbefriedigender Weise gelöst sei die weitere kirchliche Entwicklung der EKU und der VELKDDR, deren Bindungen an ihre Westbereiche immer noch zu eng seien.76 Die Vertreter der Konsultationsgruppe verständigten sich am 12. März darüber, dass die gemeinsamen Friedensaktivitäten beider Kirchen auch im Jahr 1981 weitergeführt werden sollten, allerdings mit der Bitte an die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), sich daran zu beteiligen. Sie nahmen in Aussicht, die Mitglieder der Ost-West-Beratergruppe zu dem Vorhaben zu befragen und beim nächsten Treffen die Debatte nochmals aufzunehmen. Wie auf der letzten Konsultation ins Auge gefasst, widmeten sich die Anwesenden dann dem Schwerpunkt „Friedensauftrag der Kirche“, für den Demke wie erbeten einen Gesprächseinstieg vorbereitet hatte. Seiner Ausarbeitung setzte Demke voraus, dass bei der Wahrnehmung dieses kirchlichen Auftrags „praktisch-theologisch […] zwischen Zeugnis [Wort Gottes] und Dienst [Gehorsam]“ zu unterschei76 „Information“ o. A. vom 4.3.1981, S. 1–6 (BArch BERLIN, DO 4 STS f. Kirchenfragen Nr. 4877).

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den sei. Während das Zeugnis ausreichender Deutlichkeit bedürfe, um auf den Herrn verweisen zu können, für den es Zeugnis ablege, müsse der Dienst ganz auf den Nächsten ausgerichtet sein. Zeugnis und Dienst könnten demnach „nur in Ausnahmesituationen […] gleichzeitig ausgerichtet werden“, so dass von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der Effizienz und der Konsequenzen erkannt werden müsse, „was jeweils mehr an der Zeit“ sei: „Politische Praktikabilität“ dürfe nicht in undifferenzierter Weise als Kriterium für kirchliches Reden und Handeln geltend gemacht werden. Demke bemängelte, dass die Kirche ihren Friedensauftrag bislang primär unter den „Fragestellungen des Friedensdienstes“ betrachtet habe, während die „aktuelle Ausrichtung des Zeugnisses“ dem einzelnen Christen oder dem Gemeindepfarrer in seiner Predigt „überlassen“ worden sei. Die mangelnde Trennung von Zeugnis und Dienst könne zu „Absurditäten und Peinlichkeiten“ führen, und die Kirche müsse eine klare Entscheidung treffen, ob in der derzeitigen Situation ihr Friedensdienst oder ihr Friedenszeugnis mehr „an der Zeit“ sei. Bei seinen weiteren thesenartigen theologischen Überlegungen nannte Demke dafür zwei Beispiele: „Es ist z. B. absurd, den Dienst ohne Waffe als ‚deutlicheres Zeichen‘77 zu bezeichnen, als wenn der Dienst mit der Waffe ein deutliches Zeichen für den Frieden Christi wäre. […] Es ist peinlich, wenn z. B. H. Wilkens [sic] konzediert, der Dienst ohne Waffe als ‚das aufgerichtete Zeichen und als das mahnende Zeugnis des Gewissens‘ gelten [sic], müsse sich aber, wenn er ‚mehr‘ sein wolle, allein daran messen lassen, ob er wirkungsvoll zur dauerhaften Sicherung des Weltfriedens beitrage (Referat zur IV. Ökumenischen Konferenz für Stabsoffiziere etc., Bossey).“

Es bedürfe keiner „Theologie des Friedens“, um kirchliche Dienste für den Frieden zu bestätigen, sondern vielmehr des gemeinsamen Engagements „für ein heute treffendes Zeugnis von dem Frieden, der alle Vernunft übertrifft“. Dieses Zeugnis könne durchaus „mancher Vernunft unvernünftig“ erscheinen. Wie Demkes Bemühungen, mit einer theologischen Argumentation zur Klärung des Verhältnisses von biblischer Friedensverheißung und politischer Realität beizutragen und auf diese Weise die Möglichkeiten der Kirche zu skizzieren, ihren Friedensauftrag wahrzunehmen, im Einzelnen von den Anwesenden aufgenommen und bewertet worden sind, geht aus dem Vermerk über die Zusammenkunft nicht hervor. Doch planten die Anwesenden, auch diese Debatte bei der Konsultation am 20. Mai weiterzuführen. Diesmal wurden Falcke und von Keler gebeten, eine Auseinandersetzung mit dem Problemkomplex vorzubereiten.78 77 Sowohl in der „Handreichung zur Seelsorge an Wehrpflichtigen“ von 1965 als auch im Rahmenkonzept „Erziehung zum Frieden“ von 1980 hieß es „deutlicheres Zeugnis“. 78 Vermerk Stolpe vom 18.3.1981 mit Anlage Material (Demke) für die Konsultation am 12.3.1981, S. 1f. Hervorhebung im Original (EZA, 101/653).

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Die Kirchenkonferenz ließ sich am 19. März zunächst auf den neuesten Stand der kirchlichen Diskussion zur Friedensfrage und die laufenden Überlegungen und Bemühungen im Bereich der EKD bringen. Ihre Mitglieder wurden dabei auch über die derzeitigen Beratungen in der Kammer für öffentliche Verantwortung und den Plan, eine Denkschrift zu Friedensfragen zu erstellen, informiert. Auf der Grundlage der zum „Friedenssonntag“ verteilten Tischvorlage79 setzten sie sich dann wie vorgesehen mit diesem Thema auseinander. Der Präsident der EKD-Kirchenkanzlei, Hammer, erläuterte die Zielstellung der EKD, angesichts der zahlreichen verschiedenen kirchlichen Friedensaktivitäten in der Bundesrepublik zu einer so weit wie möglich „einheitlichen Regelung“ zu kommen, idealerweise ebenfalls hinsichtlich des gemeinsamen Vorgehens mit dem Kirchenbund. Mit dessen Vertretern sei bereits Kontakt aufgenommen worden. Die Mitglieder der Kirchenkonferenz einigten sich darauf, den Rat dazu anzuregen, im Sinne des vorliegenden Beschluss-Vorschlags folgende Empfehlungen auszusprechen: Die Gliedkirchen der EKD und im EKD-Bereich „mit Friedensfragen befaßte Einrichtungen“ sollten in einem Zeitraum von 10 Tagen, vom drittletzten Sonntag im Kirchenjahr bis zum Buß- und Bettag (8.–18.11.1981) Friedensveranstaltungen abhalten, wobei entweder der 8. oder der 15. November80 als besonderer Friedenssonntag begangen werden könne. Die EKD erkläre ihre Bereitschaft, an einer Verbesserung der „liturgischen Ausgestaltung“ dieses Tags mitzuwirken und bringe ihren Wunsch zum Ausdruck, dass auch Kirchen außerhalb der EKD die „gemeinsamen Bitten um Frieden in der Friedensdekade“ übernähmen. Dabei sei es erstrebenswert, wenn während der Dekade nicht nur die Beendigung von Kriegen zwischen einzelnen Völkern und die Sicherung des Weltfriedens im Blick stünden, sondern „auch die Gefährdungen des inneren Friedens in unserem Volk (etwa Anti-Atomkraftdemonstrationen und Hausbesetzungen)“ Berücksichtigung finden können.81 Hammer informierte die Mitglieder des Rates der EKD am folgenden Tag über die Erträge der Sitzung Kirchenkonferenz, während Echternach konkret auf die Vorschläge einging, die dort für das Vorhaben „Friedenssonntag“ formuliert worden waren, und dem Rat nahe legte, die „geäußerten Anregungen und Hinweise aufzunehmen“. Der darauf gefasste Ratsbeschluss entsprach im Wesentlichen den Vorüberlegungen der Kirchenkonferenz. Nicht explizit erwähnt wurde darin die vorgeschlagene Parallelität zur Friedensdekade in der DDR oder überhaupt die Tatsache, dass im BEK-Bereich wie im Vorjahr Veranstaltungen 79 Hammer, 17.3.1981 „Tischvorlage“ für Sitzung der Kirchenkonferenz am 19.3.1981 in Hannover (EZA, 2/93/729). – Diese Vorlage entsprach der auf der Ratssitzung vorgetragenen. 80 Also der drittletzte Sonntag des Kirchenjahres bzw. der Volkstrauertag. 81 Niederschrift (Echternach) über die Sitzung der Kirchenkonferenz der EKD am 19.3.1981, S. 6 (EZA, 2/93/729).

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für den Frieden für einen Zeitraum von 10 Tagen vorgesehen waren. Der Zusatz, die „Gefährdungen des inneren Friedens in unserem Volk“ in die Aktivitäten thematisch mit einzubeziehen, sollte als erläuternder Hinweis zusammen mit anderen notwendigen Erläuterungen den Leitungen der Gliedkirchen mitgeteilt werden. Der Kirchenkonferenz wurde der Auftrag erteilt, die gliedkirchlichen Leitungen von den „Empfehlungen“ in Kenntnis zu setzen.82 Gysi gestattet Ausreise kirchlicher Delegation zur bilateralen Konsultation in die Bundesrepublik – Aufschlussreiche Debatten über Frieden, Freiheit und Bindung Ein in gewisser Hinsicht vielversprechendes Gespräch führte Schönherr am 7. April mit Gysi, dem Staatssekretär für Kirchenfragen. Dieser sei plötzlich auf die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR zu sprechen gekommen und habe seinen Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass trotz des „Knatsches“ doch die Friedensbemühungen nicht aufgegeben werden dürften. Er teilte mit, dass er einen „sehr positiven“ Eindruck von dem EKD-Ratsvorsitzenden Lohse habe.83 Der Ratsbevollmächtigte Binder, so fügte Gysi hinzu, habe bei einem Besuch in der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn einen Bericht über die Reise des Rates der EKD in die USA erstattet. Schönherr ergriff in dieser guten Gesprächsatmosphäre die Gelegenheit, um den Staatssekretär über die von den westdeutschen Kirchen ausgehenden Vorschläge zu unterrichten, wie im Vorjahr wiederum einen gemeinsamen Friedenssonntag im November abzuhalten und diesen „vielleicht in einem noch weiteren Rahmen“ einzubinden. Auch habe die kirchliche Jugend in der DDR vor, „wieder so etwas wie die Friedensdekade“ zu veranstalten. Der KKL-Vorsitzende informierte Gysi sogar noch über die bilateralen Konsultationen, zu denen Vertreter des Bundes und der EKD seit Anfang 1980 zusammenkämen. Es sei ins Auge gefasst worden, sich zum nächsten gemeinsamen Gespräch über Fragen des Friedens in Württemberg zu treffen. Die erforderlichen Ausreiseanträge würden der Dienststelle in Kürze übergeben werden.84 Am 5. Mai schickte Schönherr dem Staatssekretär mit einem persönlichen Anschreiben die Anträge für Domsch, Falcke, Große und ihn selbst, um ihre Reise nach Schwäbisch Hall vom 19. bis 21. Mai zur EKDBEK-Friedenskonsultation zu ermöglichen. Dabei hob er nochmals die „besondere Verantwortung“ gerade der beiden Kirchen in Deutschland für die „für

82 Niederschrift (Claessen) über die 22. Sitzung des Rates der EKD am 20.3.1981, S. 7f. (EZA, 2/93/896). 83 Am 17.3.1980 waren Lohse und Schönherr von Gysi in Ost-Berlin empfangen worden. Vgl. dazu: KJ 1980 (107. Jg.), S. 347f. 84 Vermerk Schönherr o. D., „Vertraulich!“, S. 2 (EZA, 687/31).

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die ganze Menschheit so wichtigen Frage“ hervor.85 In einem zehnminütigen Gespräch am 6. Mai erteilte Gysi dem Vorsitzenden der KKL die Zustimmung zur Ausreise der vier Vertreter des Kirchenbundes in die Bundesrepublik, die er allerdings an drei einzuhaltende Vorgaben knüpfte: 1. Über die kirchliche Konsultation dürfe weder ein „gesamtdeutsches Kommuniqué“ noch jegliche gemeinsamen „Festlegungen“ veröffentlicht werden. Akzeptabel sei maximal eine kurze Notiz in der Presse, aus der allerdings nur die Tatsache eines Treffens zwischen Bund und EKD hervorgehen dürfe. Schönherr habe ihm sofort versichert, dass auch in der Vergangenheit keinerlei Kommuniqués an die Presse gegeben worden seien und er vermutlich sogar eine Notiz in den Medien verhindern könne. 2. Die BEK-Vertreter müssten eindeutig gegen die vom Ratsvorsitzenden der EKD öffentlich eingenommene „NATO-Position“ Stellung nehmen. Dieser Forderung könne der Bund ebenfalls nachkommen, zumal, wie Schönherr mitgeteilt habe, der württembergische Landesbischof von Keler, der die Einladung ausgesprochen habe, eine andere Haltung vertrete und sich bislang gegen Lohse „meist abgegrenzt“ habe. 3. Auch der von Gysi vorgebrachten staatlichen Erwartungshaltung, dass die kirchliche „Delegation“ sich sowohl die Vorschläge der DDR zur Friedenspolitik gemäß dem X. SED-Parteitag als auch die von Breschnew auf dem XXVI. Parteitag der KPdSU vorgetragenen Vorschläge zu eigen mache, könne laut Schönherr entsprochen werden. Die Anregung des Staatssekretärs, zur näheren Erläuterung der drei Punkte die „Gesamtdelegation“ in seine Dienststelle einzuladen, habe Schönherr mit der Begründung abgewehrt, er sei durchaus imstande, Domsch, Falcke und Große über die Voraussetzungen für ihre Ausreise aufzuklären. Gysi deutete die Ablehnung des KKL-Vorsitzenden so: „Ich glaube, dass er den Anschein einer Vergatterung der Delegation vermeiden wollte, und es ihm lieber war, als ihr Leiter sie selbst auf diese Punkte festzulegen.“ Obwohl Schönherr keiner der Forderungen auch nur ansatzweise widersprochen hatte, vermerkte Gysi, dass er „sicherheitshalber“ eine weitere Unterredung mit ihm für den 18. Mai vereinbart habe, für den Fall, dass sich „irgend etwas Neues oder Zusätzliches“ ergebe.86 Zwischenzeitlich kam Stolpe im Rahmen eines Gesprächs mit dem Leiter der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen am 11. Mai gleichfalls auf die geplante bilaterale Konsultation zu sprechen. Seiner Einschätzung nach habe sich bei der bisherigen Arbeit der Gruppe erwiesen, wie begrenzt das „Maß der Gemeinsamkeiten“ doch sei. Daher sei er beauftragt worden, in Schwäbisch Hall den Antrag zu stellen, dass die Konsultationsgruppe zukünftig nicht mehr – wie es bislang gehandhabt worden sei – alle 85

Schreiben Schönherr an Gysi vom 5.5.1981 (SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2.036/38, Bl. 66). Information Gysi vom 8.5.1981 zum Beschluss des ZK-Sekretariats vom 6.5.1981, S. 1f. (SAPMOBArch, DY 30/IV 2/2.036/38, Bl. 67f.). 86

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zwei bis drei Monate, sondern in größeren Abständen zusammentrete. Ferner wolle man seitens des Bundes „weg von gemeinsamen Aktionen“ mit der EKD: „Auch während der Friedensdekade im November 1981 sollen ‚gesamtdeutsche Aktionen‘ unterbleiben. Stolpe meinte, man versuche, von Aktionen überhaupt herunter zu kommen.“87 Wenngleich der Leiter des BEK-Sekretariats zweifellos treffend einschätzte, dass gerade im Blick auf einen den Kirchen angemessenen Beitrag zur Sicherung des Weltfriedens innerhalb des Kirchenbundes und der EKD recht unterschiedliche Positionen vertreten wurden, stellt sich doch die Frage, was ihn zu der Mitteilung veranlasst haben könnte, dass von gemeinsamen kirchlichen Aktivitäten abgesehen werden sollte. Wie der Staatssekretär für Kirchenfragen angekündigt hatte, wiederholte er in einer Unterredung mit Schönherr am 18. Mai nochmals die staatliche Erwartungshaltung, die den Konsultationsgruppenmitgliedern aus der DDR für ihre Reise in die Bundesrepublik vermittelt worden war. Nun war es Schönherr, der darauf hinwies, dass „nach Lohses Festlegung auf den NATO-Beschluß“ der Dialog mit den EKD-Vertretern vermutlich problematischer sein werde. In der Tat zeige sich mit zunehmender Deutlichkeit, wie der KKL-Vorsitzende in nahezu wörtlicher Übereinstimmung mit Stolpe erklärte, „dass das Maß an Gemeinsamkeit sehr beschränkt sei und noch schrumpfe“. Aus diesem Grund sei die Stimmung unter den DDR-Mitgliedern der Konsultationsgruppe „realistisch und resignativ“. Schönherr teilte Gysi mit, dass sein Eintritt in den Ruhestand sowie die Einführung seines Nachfolgers Werner Krusche, des Bischofs der Kirchenprovinz Sachsen, in das Amt des KKLVorsitzenden, am 14. November in Güstrow stattfinden werde. Da bei seiner eigenen Amtseinführung Staatssekretär Seigewasser zugegen gewesen sei, hoffe er auf Gysis Anwesenheit. Gysi sagte dies zu.88 Schönherr hatte bei seiner ersten Unterredung mit Gysi am 7. April in der Tat die Gunst der Stunde genutzt, denn die 7. Konsultation fand am 20. Mai in vollständiger Besetzung in Schwäbisch-Hall und damit zum ersten Mal in der Bundesrepublik statt. Zunächst brachten Falcke und von Heyl, wie auf dem letzten Treffen nach Demkes Präsentation einer Gedankensammlung zum Friedensauftrag der Kirche beschlossen, ihre Bemerkungen in die Debatte um den „christli87

Gesprächsniederschrift Bellmann vom 13.5.1981, S. 3. Stolpe kündigte ferner an, dass der Bund „Vorentscheidungen“ über die anstehende Nachfolge Schönherrs und seiner eigenen Person getroffen habe. Neuer KKL-Vorsitzender solle W. Krusche werden, als künftigen Leiter des Sekretariats denke man an Demke. In diesem Zusammenhang wiederholte er seine bereits Mitte Februar vorgetragene Bitte, den Führungswechsel zum Anlass zu nehmen, im September das beiderseitige Festhalten an der Linie des 6.3.1978 mit einem „kirchenpolitischen Höhepunkt“, einem Gespräch der Leitung des BEK mit dem Vorsitzenden des Staatsrates, zu bekräftigen. Bellmanns Reaktion fiel verhalten aus (EBD., S. 5) (SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2.036/45, Bl. 111–115). 88 Information Gysi vom 22.5.1981, S. 1f. Verteiler: Verner, Bellmann (SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2.036/45, Bl. 123f.).

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chen Friedensauftrag“ ein. Falcke konstatierte, dass das System der gegenseitigen Abschreckung durch Aufrüstung höchstens zur „Regulierung der Friedlosigkeit“ tauge, doch keinesfalls als Friedenspolitik zu bezeichnen sei. Diese Lage zwinge die Kirchen im Blick auf ihr Zeugnis für den Frieden zu einer theologischen Neubesinnung. Das theologische Grundproblem, stellte Falcke fest, „liege in der Frage, wie die eschatologische Friedenswirklichkeit Gottes in Jesus Christus und die Verwirklichung des Friedens als geschichtliche Lebensbedingung aufeinander bezogen sind“. Dabei gehe es nicht um „moralische Rigorismen“ des Pazifismus, sondern vielmehr um die Entwicklung politischer Konzepte. Aufgabe der Kirchen sei es, eine „Theorie kirchlichen Friedenshandelns“ zu entwerfen. Die Funktion der Kirche in der Gesellschaft, die Falcke in einem Spannungsverhältnis zwischen „sozialisierend-stabilisierend“ und „emanzipatorischerneuernd“ sah, müsse „aufgeklärt und verkraftet“ werden. Auch wenn die öffentliche Erwartungshaltung an Bund und EKD aufgrund ihrer unterschiedlichen Positionen in den beiden deutschen Staaten nicht die gleiche sei, hätten beide Kirchen doch eine ähnliche Aufgabe zu bewältigen und könnten sich gegenseitig unterstützen, was ihrem jeweiligen Friedenszeugnis dienlich sei. Angesichts der nach wie vor im Sinne der Heidelberger Thesen von 1959 an der Komplementaritätsthese festhaltenden offiziellen Grundhaltung der EKD kam von Heyl in seinen Ausführungen zu einem bemerkenswerten Schluss. Er betonte, dass sich seiner Ansicht nach die „ethischen Fragestellungen“ im Kontext der Debatte um die Sicherung des Friedens und die Gefahren der atomaren Rüstung verlagert hätten, so dass die „Heidelberger Thesen nur noch teilweise anwendbar“ seien. Für die Wehrdienstfrage bedeute dies, dass neben den (innerhalb der EKD) als gleichrangig bewerteten Möglichkeiten, den Dienst mit oder ohne Waffe zu leisten, die „verantwortungsethische Verweigerung“ als „dritte“ Position „in den Vordergrund“ rücke. Dass eine derartige Einschätzung89 – die EKD hat niemals die Totalverweigerung als vertretbare Option in ihre Überlegungen einbezogen – von einem Vertreter der EKD in diesem Kreis zumindest vorgebracht wurde, ist ebenso erstaunlich wie die Tatsache, dass in der nun folgenden Diskussion eher Falckes Überlegungen auf dem Prüfstand standen. Die Anwesenden wiesen darauf hin, dass eine gradualistische Vorleistung beim derzeitigen Stand der Rüstung eine einseitige Benachteiligung des Westens bedeute und richteten an den Erfurter Propst Falcke die Frage, ob er den „Frieden Gottes und den Frieden der Welt nicht zu nahe beieinander stelle“. Die Wirkungsmöglichkeiten 89 Möglicherweise wollte von Heyl mit seiner Äußerung, die „verantwortungsethische Verweigerung […] [trete] als dritte Haltung zur Wehrdienstfrage in den Vordergrund“, keinen direkten Bezug zu den beiden ersten möglichen Positionen, Dienst mit und ohne Waffe, herstellen, sondern lediglich ausdrücken, dass in der aktuellen politischen Situation zu erwarten sei, dass mehr Christen sich für einen Dienst ohne Waffe entscheiden würden.

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der Kirche seien doch beschränkter, da man „Gottes Willen mit der Welt“ nicht kenne. Das Ziel, den Weltfrieden zu erreichen, drohe im Streit um den richtigen Weg aus dem Blickfeld zu geraten. Eine Entsprechung von Weg und Ziel gehöre „auch mit“ zum „Wesen des Christentums“, dessen Ideologisierung über der Friedensfrage verhindert werden müsse. Von Heyls Reflexionen wurden dahingehend relativiert, dass es zwar Aufgabe der Kirche sei, mögliche Wege zum Frieden zu prüfen, doch sich die Frage stelle, welche „Orientierung“ man heute geben könne: „Muß nicht doch bis zu neuer Erkenntnis das Nebeneinander der Haltungen zum Wehrdienst festgehalten werden? Die Kirchen müssen sich bemühen, hier eine Zwischenorientierung zu geben.“ Die Mitglieder der Konsultationsgruppe befanden, dass größeres Augenmerk auf die „Veränderung der Einstellung“ der verantwortlichen Politiker gerichtet werden müsse und die Kirchen sich einmütig für die Förderung von „Versachlichung, Gesprächen, Verständnis, Zuverlässigkeit, Berechenbarkeit, Vertrauen“ einsetzten sollten, „bevor sie rüstungstechnischen Dilettantismus entwickelten“. Bei ihrem nächsten Treffen wollten die Anwesenden diese Debatte um den „Gesamtzusammenhang von theologischer Grundlegung und konkreter Friedensverantwortung der Kirchen“ wieder aufnehmen und baten Falcke, Große, von Heyl und Binder, jeweils ein „Problempapier“ vorzubereiten.90 Hinsichtlich des „Friedenssonntags“ wurden folgende Empfehlungen für die Leitungsgremien von Bund91 und EKD formuliert: Spezielle Veranstaltungen für den Frieden sollten zwischen dem drittletzten Sonntag im Kirchenjahr und dem Buß- und Bettag (8.–18.11.) abgehalten werden. Für den Friedenssonntag wurde der 8. November vorgeschlagen, für dessen – verbesserte – liturgische Ausgestaltung das zuständige Gremium mit der Arbeit beginnen könne. Die Einbeziehung der KEK und „einzelner befreundeter Kirchen“ sei vorzubereiten und das „Friedensmittagsgebet sollte in Erinnerung gebracht werden“.92 Stolpe erläuterte daraufhin, dass der Beschluss zur Neuordnung der Beratergruppe, den die KKL im Rahmen ihrer Klausurtagung 90

Vermerk Stolpe o. D., S. 2f. (EZA, 101/653). Der Vorstand hatte auf seiner Sitzung Anfang Mai um eine Vorklärung unter den Mitgliedern der Konsultationsgruppe gebeten (Protokoll [Stolpe] über 126. Sitzung des KKL-Vorstands am 8.5.1981, S. 2 [EZA, 101/120]). 92 Im Rahmen der ersten DDR-Friedensdekade war eine landesweite Friedensminute am Buß- und Bettag organisiert worden, die aus zwei Gründen zu einigen Konflikten mit dem Staat geführt hatte: Erstens sollten gleichzeitig mit dem staatlichen Probealarm alle Kirchenglocken geläutet werden und zweitens war vorgesehen, für diese Minute die Arbeit ruhen zu lassen, um dem Frieden zu gedenken. Der staatliche Einspruch richtete sich gegen die provozierende Überschneidung von Friedensläuten und Probealarm, die einer öffentlichen Demonstration gegen die Landesverteidigung gleichkomme, und den Sicherheit, Ordnung und Wirtschaft schädigenden Aufruf zur Arbeitsniederlegung an einem Werktag. Zudem konnte seitens des Staates eine gemeinsame Aktion in beiden deutschen Staaten – verstanden als Vertuschung der Tatsache, dass es sich um zwei gegensätzliche Systeme mit verschiedenen politischen Zielstellungen handele – nicht akzeptiert werden. Als Kompromiss wurde das Läuten der 91

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Mitte März gefasst hatte, lediglich für die östlichen Mitglieder bindend und für die westlichen nur als „Anregung“ zu verstehen sei. Zum künftigen Verhältnis zwischen beiden Gruppen machte Stolpe einige interessante Anmerkungen: Mit den für die Beratergruppe vorgesehenen Änderungen werde die Tätigkeit der Konsultationen „strukturell“ nicht berührt. Während die Beratergruppe den „umfassenden Auftrag“ habe, die Verbindung zwischen Bund und EKD zu sichern, sei die Konsultationsgruppe speziell für die Arbeit an der Friedensfrage zuständig. Möglich sei, dass sie mit „weiteren Spezialaufträgen“ betraut werde. Das BEK-Sekretariat und die Kirchenkanzlei der EKD müssten „verstärkt die Arbeitsplanung“ beider Gruppen „so gestalten, dass es keine Störung bzw. Überschneidung“ gebe. Sollte es, wie von der KKL beschlossen, zur Bildung eines eigenen geschäftsführenden Ausschusses für die Vor- und Nachbereitung der Sitzungen der Beratergruppe kommen, sei eine „personelle Verzahnung mit den Konsultationen angemessen“, doch erscheine ein solcher Ausschuss „in der Größe der Konsultationen nicht sinnvoll“. Das bereits seit längerem als Schwerpunkt für eine der bilateralen Friedensgespräche anvisierte und von Große und von Keler vorbereitete Thema „Freiheit und Bindung der Kirche in ihren jeweiligen gesellschaftlichen Systemen“ wurde nun erstmals angesprochen. Für den Bund erläuterte Große dessen „Freiheit und Bindung“ an der Entwicklung der Formel „Kirche im Sozialismus“. Aufgrund des stetigen Wandels sowohl von Kirche als auch von Gesellschaft sei keine konkrete Standortbestimmung oder „Kursfestlegung“, sondern „allenfalls eine navigatorische Bestimmung“ möglich. Eine Konkretisierung müsse jedoch immer wieder angestrebt werden, um einer „mißbrauchsgefährdeten Leerformel“ entgegenzuwirken. Große kam dabei zu dem Ergebnis, dass die alleinige Bindung an Gott als Herrn die „Freiheit für das jeweilige gesellschaftliche System“ eröffne: „Die Freiheit von einem bestimmten System für das Trachten nach dem Reich Gottes ermöglicht, für das Bessere einzutreten. Die Bewährungsfelder solcher Freiheit liegen in einer unbefangenen Sprache, in der Verantwortung für Gemeinschaft auf allen Ebenen, in der Relativierung absolut gesetzter gesellschaftlicher Werte und in der Auswahl und Handhabung der letztlich am Endgültigen zu messenden Mittel.“

Im Gegensatz dazu skizzierte von Keler, dass die Kirche in der pluralistischen Gesellschaft der Bundesrepublik eben „nicht das einzige unabhängige Gegenüber des Staates“ sei und es „zwischen den Kirchen und dem jeweiligen gesellschaftlichen System, in dem sie leben, […] eine tiefe Affinität“ gebe. In der Bundesrepublik sei es beispielsweise möglich, Politiker auf „ihre Kirchenzugehö-

Kirchenglocken entsprechend verschoben, blieb jedoch als gelungene Idee des gemeinsamen Innehaltens weiter Bestandteil der Friedensdekaden.

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rigkeit und evangelische Gewissensbindung“ anzusprechen. Ein Mitwirken der Kirche in der Gesellschaft ergebe sich aus dem faktischen Mitspracherecht in der öffentlichen Meinungsdiskussion, bei der im übrigen „ein kirchlicher Beitrag nicht durch das kirchliche Etikett an Gewicht gewinnt, sondern durch seine inhaltliche Qualität“. Das kapitalistische Wirtschaftssystem, betonte von Keler, basiere auf der „Eigenverantwortung – ‚liberty and competition‘“. „Letztlich reformatorisch ist auch die Überzeugung von der Sündhaftigkeit des Menschen: Dem Menschen muß Kultur abgerungen werden, es muß angereizt werden. Im Sozialismus sind christliche Zielvorstellungen lebendig: der Vorrang des Gemeinwohls, die Hoffnung auf eine brüderliche Welt.“ Der württembergische Landesbischof folgerte daraus, dass die östlichen und westlichen Brüder erst im Spiegel des Gegenübers sich selbst genauer kennen lernten und sich bei „Konfliktfällen“ der Unterschiede bewusst würden. Nach dieser rundum sehr positiven Bewertung des bundesdeutschen Systems nannte von Keler doch einige Bereiche, in denen der „Widerspruch nötig“ werde: So in Bezug auf die „überzogene Rüstung“, die „übertriebene Toleranz“, die trotz ihres humanistischen Anspruchs „letztlich unmenschlich“ wirke, den „unverantwortlichen Gebrauch des Reichtums“ sowie die „unsichere Beurteilung der Technik“, die entweder überschätzt oder „angstvoll verdammt“ werde. Aus philosophischer Perspektive müsse ferner der „Stellenwert Europas für die Menschheit“ Berücksichtigung finden. Mit seiner Aufbruchsenergie und Zielorientierung habe Europa „Weltgeschichte“ gemacht. Von Kelers Fazit im Blick auf „Freiheit und Bindung“ von EKD und BEK lautete: „Tiefer betrachtet sitzen Ost und West in einem Boot.“93 Am Ende ihrer Sitzung vereinbarten die Mitglieder der Gruppe, dass über ihr Gespräch eine Pressemeldung veröffentlicht werden solle, wie es seit der 1. Konsultation am 13. März 1980 nicht mehr geschehen war. Bekannt gegeben werden sollte, dass Vertreter von Bund und EKD sich unter der Leitung von Schönherr und von Keler auf der Basis theologischer Erwägungen bei ihrer bereits 7. Konsultation insbesondere mit der Frage befasst hätten, wie sie als Kirchen – eingebunden in verschiedene gesellschaftliche Systeme – ihren jeweils eigenen Beitrag dazu leisten könnten, sich an der Grenze zwischen Warschauer Pakt und NATO für die Sicherung des Weltfriedens einzusetzen.94 93 Wie W. Hammer und U.-P. Heidingsfeld in ihrer Dokumentation der Konsultationen bemerken, habe von Keler den Protokollanten Stolpe in einem Schreiben vom 4.6.1981 gebeten, seine Stellungnahme in einigen Passagen zu korrigieren. Stolpe habe die von von Keler „mitübersandte Fassung wortwörtlich“ in seinen Vermerk übernommen. Vgl. „Entwurf des Vermerks über die 7. Konsultation, Auszug“ bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 380. 94 EBD., S. 6f., 5f. – In der Pressemeldung war angegeben, die Konsultation habe vom 19. bis 21.5.1981 im Diakoniewerk Schwäbisch-Hall stattgefunden, während in Stolpes Vermerk nur der 20.5.1981 als Sitzungstag genannt ist. – Selbstverständlich nicht allein wegen der Pressemeldung war die Kirchen-

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Zu ihrem nächsten Treffen kamen die Mitglieder der Konsultationsgruppe am 9. Oktober wieder in Ost-Berlin zusammen. Stolpe gab zunächst einen von der KKL Mitte September gefassten Beschluss zu Auftrag und Zusammensetzung der Gruppe wieder. Der Nachfolger Schönherrs als KKL-Vorsitzender, der provinzsächsische Bischof Krusche, sollte dessen Platz in der Konsultationsgruppe einnehmen. Ebenso sollte Demke als neuer Leiter des BEK-Sekretariats Stolpe ersetzen, der zum 1. Januar 1982 sein neues Amt als Berlin-brandenburgischer Konsistorialpräsident antreten würde, und Christa Lewek, stellvertretende Leiterin des Sekretariats des Bundes und Referentin seines Ausschusses Kirche und Gesellschaft, sollte zusätzlich am Friedensthema mitarbeiten.95 Bei dieser und der folgenden 9. Konsultation, so vereinbarten die Anwesenden eingangs, müsse eine „Zwischenbilanz der bisherigen Arbeit“ gezogen werden, die den zuständigen Organen beider Kirchen vorzulegen sei. Aus diesem Grund sei eine „gastweise“ Teilnahme Schönherrs und Stolpes an der nächsten Zusammenkunft wünschenswert.96 In Weiterführung der Diskussion über „Fragen zur theologischen Grundlegung und konkreten Friedensverantwortung“ trug wiederum von Heyl fünfzehn Thesen vor. Ausgehend von der Feststellung, dass es keine Gesellschaft gebe, die vollkommen frei von Gewalt sei, ein potentieller Krieg jedoch angesichts des technischen Fortschritts nichts mehr zu tun habe mit dem abteilung des MfS über Existenz und Tätigkeit der gesamtkirchlichen Konsultationsgruppe informiert und ordnete sie den „Aktivitäten zum Unterlaufen des Abgrenzungsprozesses zwischen den beiden deutschen Staaten“ zu. Mit der gleichen negativen Bewertung wurden auch „als Privatbesuche abgedeckte Einreisen kirchenleitender“ EKD-Vertreter in die DDR zu „Sitzungen, Konferenzen, Synoden, Kirchentagungen“, die ausgeweitete „Reisetätigkeit“ von Kirchenleitenden aus der DDR in die Bundesrepublik und „andere nichtsozialistische Staaten“, „verschiedentlich verbunden mit der Abfassung gemeinsamer Erklärungen zu gesellschaftspolitischen Ereignissen (z. B. 40. Jahrestag der Kristallnacht und des Beginns des 2. Weltkrieges), die „Versuche der Isolierung progressiver kirchlicher Personen in der DDR durch Verleumdung, Entstellung politisch positiver Äußerungen, innerkirchliche disziplinarische Maßnahmen“ sowie die „innerkirchlichen Auseinandersetzungen mit dem Ziel der Neu- bzw. Umbesetzung leitender Kirchenpositionen durch Personen mit prowestlichen und antisozialistischen Haltungen“ belegt (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-615, S.74–78; hier Bl. 74ff.). 95 Die KKL hatte mit drei Enthaltungen entschieden, dass die personellen Veränderungen bereits mit dem 1.10.1981 Gültigkeit haben sollten, zumal Bischof Schönherr am 30.9. in den Ruhestand verabschiedet wurde und auch Demke seine neue Funktion zum 1.10. übernahm (Protokoll [Lewek] der 75. KKL-Tagung am 11./12.9.1981 [EZA, 101/111]). – Jedoch erfolgte der Wechsel erst mit der 9. Konsultation am 17.12.1981, an der auch Schönherr auf Bitte der Mitglieder noch als Gast teilnahm, während Stolpe der im Laufe der Oktober-Konsultation noch formulierten Anfrage nicht nachkam. Zu der anvisierten Mitarbeit Leweks kam es hingegen nicht. 96 Vermerk Stolpe o. D., S. 2 (EZA, 101/653). – Der Vorstand der KKL wurde am 11.11.1981 sowohl über die von der Konsultationsgruppe in Angriff genommene „Zwischenbilanz“ als auch über die Bitte um eine nochmalige Teilnahme von Schönherr und Stolpe unterrichtet. Der Vorstand beschloss, die Anfrage offiziell zu bekräftigen. Ferner müsse die „Aufgabe der Konsultation […] bis Ende Januar neu bedacht werden“ (Protokoll [Demke] über 133. Sitzung des KKL-Vorstands am 11.11.1981, S. 1 [EZA, 101/121]).

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Ausleben von Gewalt durch Kriegführung, konstatierte von Heyl, dass mit der Abwendung eines Kriegs lediglich eine „Katastrophe“ verhindert, nicht jedoch eine „bessere Welt“ geschaffen werde. Dennoch sei es „jede Anstrengung wert“, einen Krieg zu vermeiden und sich um Frieden zu bemühen. Er skizzierte das „positive und negative“ Spannungsverhältnis zwischen Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit, um zu erläutern, dass der derzeitige „relative Frieden“ (im Sinne eines Nicht-Kriegs) häufig „erkauft“ werden müsse durch einen Verzicht auf umfassende Verwirklichung von Freiheit und Gerechtigkeit. An einem Beispiel veranschaulichte er, dass das Prinzip der Friedenssicherung durch Abschreckung nicht nur jederzeit scheitern könne, sondern zudem in ein „ethisches Dilemma“ führe. Sollte die Suche nach anderen Wegen zur Verhinderung eines Kriegs, die Teil des christlichen Friedensauftrags sei, scheitern, müssten Christen sich für einen notfalls auch einseitigen Ausstieg aus der Abschreckungsspirale einsetzen. Nur müsse dafür der richtige Zeitpunkt unter Abwägung aller Risiken genau geprüft werden. In der jetzigen Situation kämen Christen bei dieser Prüfung zu unterschiedlichen Ergebnissen.97 Trotz der Ernsthaftigkeit der Diskussion müssten Andersdenkende sich gegenseitig Respekt zollen. Die zwölfte These enthielt vier Aussagen, denen von Heyls Ansicht nach die „meisten evangelischen Christen in Deutschland“ zustimmten: „– Christen tragen Verantwortung für den Frieden; – die Abwendung des Krieges ist die konkrete und vordringliche Aufgabe; – der Kreislauf von Drohung und Gegendrohung muß durchbrochen werden; – wir müssen eine Friedensordnung finden, die nicht auf dem Gleichgewicht von Drohung und Gegendrohung mit furchtbaren Vernichtungswaffen aufgebaut ist.“ In der letzten These wurde dann letztlich der Auftrag der „Kirche als Gemeinschaft der Christen“ formuliert: „– die Verkündigung der Hoffnung auf eine Welt des Friedens und der Gerechtigkeit, die in Gottes Zusage gegründet ist, – das Gebet für den Frieden, das unter der Verheißung steht, die Welt verändern zu können, 97

Von Heyl nannte hier zuerst die Christen, die „ohne Rüstung leben“ wollten und „im Waffenverzicht ein deutliches Zeichen für den Friedensauftrag der Christen“ sähen. Andere wiederum könnten das System der Abschreckung für eine „längere Übergangszeit“ (entsprechend der 8. Heidelberger These) akzeptieren, und zuletzt gebe es solche, die zumindest „begrenzte einseitige Schritte zur Abrüstung und defensiven Umrüstung“ forderten. Der Versuch, von Heyls Beschreibung der Haltung von Christen zur Abschreckung durch Gleich- bzw. Aufrüstung auf die möglichen Positionen von Christen in der Wehrdienstfrage zu übertragen, ist zugegebenermaßen problematisch, könnte jedoch für die erstgenannte Gruppe bedeuten: Wenn nicht unbedingt Totalverweigerung, so doch wenigstens Verweigerung des Dienstes an der Waffe. Dabei ist zu beachten, dass der Autor der Thesen nur beschreibt und nicht bewertet. Allerdings fügt er in These 13 hinzu, dass die von Christen „persönlich zu treffende Entscheidung, ob sie den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigern wollen, […] noch keine Änderung der Politik und der Bedrohung, unter der wir stehen“, bewirke.

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– die Erinnerung an Gottes Gebot, das uns lehrt, auch den Feind zu lieben und den Frieden nicht nur um unserwillen, sondern auch um seinetwillen zu wünschen, – der helfende Dienst für alle, die in Not und Bedrängnis sind. Wo immer die Kirche diesen Auftrag erfüllt, macht sie es möglich, dass die Gefühle von Ungeduld, Ohnmacht und Angst überwunden und umgewandelt werden zu einem kräftigen Impuls für unsere Suche nach neuen Wegen zum Frieden.“98

In der Aussprache über die Thesenreihe wurden einige interessante Hinweise und Ergänzungswünsche angemeldet: Eine dauerhafte Sicherung des Friedens bedeute langfristig „voraussichtlich Freiheitseinschränkung“. Die Minimierung der Waffensysteme führe zu einem Anwachsen der Kriegsgefahr, „weil sie den ‚kleinen‘ Krieg unter Vermeidung der großen Vernichtung möglich erscheinen lasse“. Verdeutlicht werden müsse in den Thesen, dass die christliche Friedensethik sich mit dem Abrücken von der Lehre des „gerechten Krieges“ gewandelt habe. Der Begriff „Freiheit“ habe eine Relativierung erfahren, da er heute eher „Gesinnung und Haltung“ als „äußere Umstände“ meine. Wie sich aus der Diskussion schließen lasse, wiesen die „theologischen Prämissen“ innerhalb des Bundes eine größere Nähe zur Position des ÖRK auf als innerhalb der EKD, was in der Friedensfrage kumuliere. Jedoch dürften die unterschiedlichen Grundauffassungen nicht durch allgemeines Reden vom Frieden verwischt werden, damit die kirchlichen Stellungnahmen nicht unkonkret und damit „sinnlos, ja schädlich“ würden. Ziel der Weiterarbeit an der Friedensfrage sei es keinesfalls, einen Konsens zu erzwingen, sondern vielmehr unter Berücksichtigung des historischen Hintergrundes zu einer „Präzisierung, auch der Unterschiede“, zu kommen. Frieden könne nur „durch Vertrauen und Wahrheit“ gesichert werden: „Nötig sei eigentlich ein gegenseitiges Respektierungsabkommen zwischen den beiden deutschen Staaten, das für 20 Jahre geschlossen [werden müsse] und die Anerkennung der Standpunkte und Sorgen der jeweils anderen Seite beinhalte“. Die Vertreter von BEK und EKD kamen überein, dass von Heyl, Große und Falcke noch vor der kommenden Konsultation die Thesen überarbeitet und allen Mitgliedern der Gruppe zugesandt haben sollten. Dabei solle „versucht werden, in den Thesen eine Zwischenbilanz der Konsultation zu erstellen“. Während abschließend Binder mitteilte, dass in Bonn eine große Demonstration für den Frieden99 anstünde, setzte Kurt Domsch, Präsident des sächsischen Landeskirchenamtes und stellvertretender KKL-Vorsitzender, die Anwesenden über die aus Sachsen kommende 98 C. v. Heyl, 8.10.1981: Thesenreihe: Unsere Friedensaufgabe: Verhütung des Krieges (Anlage zum Vermerk Stolpes. Abdruck bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 67–71.) 99 Am 10.10.1981 kam es zur ersten gemeinsamen Demonstration zahlreicher Bewegungen in Bonn, an der sich mehrere Hunderttausend Menschen beteiligten. Initiiert und organisiert worden war diese Demonstration von christlichen Friedensgruppen, insbesondere der „Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste“ und der „Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden“.

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

Initiative in Kenntnis, die die Regierung der DDR zur Einrichtung eines „Sozialen Friedensdienstes“ aufgefordert hatte.100 Stolpe und Hammer berichteten, dass EKD und Kirchenbund sich nun über die Durchführung eines „Bittgottesdienstes für den gefährdeten Frieden“ am 8. November verständigt hätten.101

5.2 EKD-Denkschrift, Synodaltagung und Ost-West-Gespräche konturieren unterschiedliche friedensethische Positionen Die Schwierigkeiten, die verschiedenen Vorstellungen von politischer Ethik zu vereinbaren, zeigten sich nicht zuletzt an den innerkirchlichen und öffentlichen Diskussionen102 um die umfangreiche Denkschrift, die die EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung im Oktober 1981 fertiggestellt hatte und die vom Rat der EKD unter dem Titel „Frieden wahren, fördern und erneuern“ während der EKD-Synode vom 2. bis zum 6. November in Fellbach bei Stuttgart veröffentlicht wurde.103 Die endgültige Fassung wurde zunächst jedoch auf der Sitzung des Rates der EKD am 23. und 24. Oktober vorgestellt, von seinen Mitgliedern beraten und angenommen.104 Bereits Mitte Juni hatte der Rat im Rahmen der Präsentation der Gliederung der Kammer-Studie nachgefragt, inwieweit die EKD ihre Haltung in der Friedensfrage publizieren könne, ohne dabei auch den Blick auf den Kirchenbund in der DDR zu richten. Jedoch waren die Notwendigkeit und die friedensfördernde Bedeutung des besonderen Verhältnisses zwischen EKD und Bund zumindest in den Gesamtkontext eingebunden worden. Es heißt im Kapitel „Gemeinschaft praktizieren“ „In und zwischen den Bündnissystemen“, ein Element weiträumiger Kooperation zwischen den großen Machtblöcken könne auch die Pflege und Vertiefung direkter Beziehungen zwischen den Kirchen und Christen in Ost und West sein. Dabei spiele das Verhältnis der EKD zum BEK eine besondere Rolle, da die bestehenden „engen geschichtlichen und sozialen Berührungen auf vielen Ebenen“ der Verständigung und Entspannung zwischen Ost und West zugute kommen könnten. Die gemeinsame Erklärung zum 40. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs vom 1. September 1979 und der gemeinsame Bittgottesdienst für den Frieden in der Welt seien Beispiele für Möglichkeiten, die aus dieser Beziehung erwüchsen.105 100

Vgl. Teil I, 3.3. Vermerk Stolpe o. D., S. 1f. (EZA, 101/653). 102 Zum Gesamtkomplex Friedensfrage und den Debatten auch über die EKD-Denkschrift vgl. den Beitrag von E. WILKENS in der 2. Lieferung des KJ 1983 (110. Jg.), S. 217–368. 103 Das Schwerpunktthema der Tagung hieß „Erneuerung aus der Bibel“. 104 Niederschrift (von Nordheim) über die 27. Sitzung des Rates der EKD am 23./24.10.1981 (EZA, 2/93/900). 105 K IRCHENKANZLEI DER EKD (Hg.), „Frieden“, S. 74. 101

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Der als Vertreter des Bundes an der EKD-Synode teilnehmende Domsch bezeichnete in seinem Grußwort, in dessen Mittelpunkt die Frage stand, wie die Kirchen das Evangelium für die Menschen „übersetzen“ könnten, um einen Beitrag zu Versöhnung und Frieden zu leisten, den „Umgang mit der Bibel“ und das „Dolmetschen des Wortes Gottes“ als eine „gemeinsame Aufgabe [der Christen beider deutscher Staaten], in der uns niemand vertreten kann“. In seinem mündlichen Bericht an die Synode nahm der Ratsvorsitzende Lohse grundsätzlich zur politischen Verantwortung der Kirche Stellung. „Unumstößlich“ anerkannt sei die Tatsache, dass Krieg „nicht sein“ dürfe; ebenso widersprächen die Aussagen „Frieden schaffen ohne Waffen – Ohne Rüstung leben“ keinesfalls der biblischen Friedensbotschaft, deren Verbreitung, aber eben auch adäquate „Ausrichtung“ Sache der Kirchen sei. Hingegen komme es allein der demokratisch gewählten Regierung zu, zu entscheiden, auf welchem Weg Gemeinwohl, Gesellschaft, Recht und Frieden geschützt werden könnten. Christen dürften bei ihren Äußerungen zu politischen Fragen nie aus dem Blick verlieren, dass „politische Urteile nicht mit dem Anspruch auf absolute Gültigkeit abgegeben werden können, sondern notwendigerweise der kritischen Prüfung durch die öffentliche Diskussion unterliegen“. Die EKD habe es sich bei der Wahrnehmung ihrer politischen Verantwortung immer zum Ziel gesetzt, in ihren Denkschriften, Studien und öffentlichen Erklärungen sachkundige und sachdienliche Beiträge zu leisten, „deren Motivation aus der erneuernden Kraft der Bibel erwuchs, deren Argumentation aber kritischer Prüfung würdig und fähig sein sollte“. Gegen die landeskirchlichen Leitungen und den Rat würde häufiger der Vorwurf erhoben, zu sehr auf Ausgleich und Ausgewogenheit bedacht zu sein. Lohse hob hervor, dass der Rat sich sowohl seiner Friedensverantwortung als auch der Komplexität der Friedenthematik vollauf bewusst sei und sich im steten Dialog mit „Mitgliedern der Bundesregierung sowie Politikern der im Bundestag vertretenen Parteien“ befinde. Was die Forderung anbelange, die Bibel auf Weisungen für die politische Verantwortung der Kirche zu überprüfen und hinsichtlich der Friedensfrage die Bergpredigt in praktisches Handeln umzusetzen, bedeutete der Ratsvorsitzende, dass es offenbar Zeit sei, die Bergpredigt, die sich ihrer Verwendung als „Schlagwort“ widersetze, „wirklich“ zu lesen. Er kritisierte, dass das darin enthaltene „Verbot der Wiedervergeltung und das Gebot der Feindesliebe“ aufmerksam zur Kenntnis genommen werde, nicht jedoch die „scharfen Worte über Ehebruch und Ehescheidung“. Der Rat der EKD setze sich dafür ein, „unserer demokratischen Ordnung die ihr geschuldete Achtung zu erweisen“. Lohse kam dann direkt auf die Denkschrift zu sprechen und erläuterte, dass die der Kammer für öffentliche Verantwortung angehörenden Autoren durchaus unterschiedliche „politische Ansichten“ verträten, jedoch in ihrer Friedensverantwortung als Christen „einig“ seien. Von der Denkschrift könne selbstverständlich

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keine komplette Problemlösung erwartet werden, doch sei mit ihrer Veröffentlichung die Hoffnung verbunden, einen „gewichtigen Beitrag“ zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, der der Komplexität der Zusammenhänge gerecht werde und zugleich einer Verbreiterung des Konsens „unter uns“ dienlich sei. Zum weiteren Verfahren erläuterte der Ratsvorsitzende, dass die Denkschrift noch am gleichen Tag [2.11.1981] zunächst den Mitgliedern des Ausschusses für Kirche, Gesellschaft und Staat „zur vertraulichen Kenntnisnahme“ zugeleitet werde, um dann am Vormittag des 5. November mit einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit präsentiert zu werden. Die Synodalen sollten im Rahmen ihrer ersten Ausschusssitzungen bereits am 4. November den Text erhalten: „Ich halte es nicht für eine Erschwerung, sondern vielmehr für eine Chance, dass die Bibelthematik und die Friedensverantwortung der Christen in diesen Tagen zusammentreffen. Ich glaube, dass wir gemeinsam in der Lage sind, die Verantwortung eines kirchenleitenden Organs unserer evangelischen Kirche hier in rechter Weise wahrzunehmen, der Bibel ihre Priorität in unserer Kirche eindeutig zuzuweisen, zugleich aber die uns alle bedrängende Friedensthematik im Lichte der Bibel so anzugehen, dass wir auch die politische Verantwortung der Kirche in das rechte Verhältnis zum Lesen und Hören der Bibel setzen.“

Dieses Verfahren solle der EKD-Synode die Möglichkeit eröffnen, die Denkschrift zur Kenntnis zu nehmen und sich ein Urteil zu bilden. Im Kontext der kirchlichen Friedensverantwortung erwähnte er die gemeinsam mit dem Bund weitergeführten Konsultationen und versicherte den Anwesenden, dass die Ergebnisse der Beratungen innerhalb der DDR über ein engeres Zusammenrücken ihrer acht Landeskirchen, wie immer sie auch ausfallen sollten, die brüderliche Gemeinschaft mit der EKD auf keinen Fall beeinträchtigen würden.106 Letztlich verhinderten der straffe Zeitplan und die doch viel zu kurzfristige Aushändigung der Denkschrift an die Synodalen, dass es in Fellbach zu einer ausführlichen Auseinandersetzung mit dem Text kam. Jedoch floss die Friedensfrage an einigen Stellen in die Verhandlungen des Plenums ein, und in zum Teil hitzigen Debatten zeigte sich, wie groß das Meinungsspektrum und wie schwer vereinbar die Vorstellungen allein unter den Mitgliedern der EKD-Synode waren. Beschlossen wurde am 6. November eine „Kundgebung“ „zur Veröffentlichung der Denkschrift ‚Frieden wahren, fördern und erneuern‘“, mit der wiederum die Denkschrift in Bezug zum Schwerpunktthema der Synodaltagung gesetzt wurde. So habe die Synode festgestellt, dass die „Erneuerung aus der Bibel“ in das Gebet für den gefährdeten Weltfrieden führe und zur Friedensarbeit befähige. Sicher sei, dass sowohl die Christen, die sich für einen Friedensdienst ohne 106 BERICHT 72–75.

ÜBER DIE VIERTE

TAGUNG

DER SECHSTEN

SYNODE

DER

EKD vom 2.–6.11.1981, S. 67f.,

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Waffen entschieden, wie auch diejenigen Christen, die die Notwendigkeit einer Sicherung des Friedens mit Waffen bejahten, gleichermaßen von der Sorge um den Frieden bewegt seien. Ebenso spreche die vom Rat veröffentlichte Denkschrift „von den unterschiedlichen, z.T. gegensätzlichen Bemühungen um den Frieden in der Welt“. Die Synode hoffe, dass die Denkschrift „eine Hilfe zur Urteilsbildung und Weiterentwicklung der Friedensbemühungen“ sein könne. Auch bei gegensätzlichen Auffassungen darüber, wie „Frieden gewahrt, gefördert und erneuert“ werden könne, ließen sich „Christen im Einsatz für den Frieden unter dem Wort Gottes nicht trennen“.107 Was in der Denkschrift nicht geleistet wurde, nämlich Christen hinsichtlich ihres Einsatzes für den Frieden eine klare Handlungsanweisung zu geben, konnte auch die Synode der EKD nicht tun. Weiterhin wurde bei der Wehrdienstfrage an der Komplementaritätsthese festgehalten; eine zumindest immer wieder angedachte Differenzierung der VIII. Heidelberger These [„Die Kirche muß die Beteiligung an dem Versuch, durch das Dasein von Atomwaffen einen Frieden in Freiheit zu sichern, als eine heute noch mögliche christliche Handlungsweise anerkennen.“] fand nicht statt. Auffällig an dem Wortlaut der Kundgebung ist die Ähnlichkeit mit einer Formulierung, die die EKD-Synode in Berlin-Spandau 1958 in einen Beschluss aufgenommen hatte, in dem sie zwar um allgemeine Abrüstung, die Gewährleistung der Glaubens- und Gewissensfreiheit, das Bemühen um Frieden und die Verhinderung einer atomaren Bewaffnung deutscher Streitkräfte bat, aber zugleich auf die „unter uns bestehenden Gegensätze in der Beurteilung der atomaren Waffen“ hinwies, und die gemeinhin als „Ohnmachtsformel“ bezeichnet worden war: „Wir bleiben unter dem Evangelium zusammen und mühen uns um die Überwindung dieser Gegensätze. Wir bitten Gott, er wolle uns durch sein Wort zu gemeinsamer Erkenntnis und Entscheidung führen“.108 In einem ähnlichen Dilemma befanden sich die evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik und der DDR im Blick auf die Wehrdienstfrage. 107

„Kundgebung“ der EKD-Synode vom 6.11.1981. In: EBD., S. 521. BERICHT ÜBER DIE DRITTE TAGUNG DER ZWEITEN SYNODE DER EKD vom 26.–30.4.1958, hg. im Auftrag des Rates von der Kirchenkanzlei der EKD, Berlin o.J., 455 f. – In einem Referat skizzierte der Vorsitzende der Kammer für öffentliche Verantwortung, Trutz Rendtorff, 1983 u. a. die theologische und politische Position der Denkschrift und kritisierte, dass gerade innerhalb der „sogenannten Friedensbewegung“ die Auseinandersetzung mit der Ausarbeitung sich darauf beschränke zu prüfen, „ob und wie die berühmte achte Heidelberger These von der Denkschrift beurteilt“ worden sei. Im Blick auf das Verständnis des politischen Amtes und der damit verbundenen Verantwortung sei eine „wichtige und weitreichende Korrektur“ vorgenommen worden, indem dem „Friedensgebot […] alle politischen Aufgaben zugeordnet“ würden und damit die politische Verantwortung „von diesem so qualifizierten Auftrag her auch kritisch beurteilt“ werden müsse. Es werde vorgeschlagen, die „Aufgaben der politischen Zukunft im Lichte schon gelungener Konfliktbewältigung und schon erreichter politischer Lösungen zu sehen“. Ferner nenne die Denkschrift die „Parole ‚Ohne Rüstung leben‘ nicht schlechtweg eine Utopie, sondern einen gangbaren Weg“ (Zitiert nach Lieferung 2 des KJ 1983 [110. Jg.], S. 226ff.). 108

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

Die 9. Konsultation am 17. Dezember war ausschließlich der Diskussion über die Thesen zum Friedensauftrag der Kirchen gewidmet. Der am 9. Oktober den Vertretern von Bund und EKD vorgelegte und erörterte Thesenreihe von Heyls folgten nun Thesen, die Große auf Grund der Vorberatungen mit Falcke und von Heyl zugleich als „Versuch einer gemeinsamen Bilanz EKD – BEK“109 ausgearbeitet hatte und hier erläuterte. In der Debatte darüber wurde eingangs festgestellt, dass die EKD-Friedensdenkschrift die Formulierung der Thesen in keiner Weise beeinflusst habe. Sie sei von großem Wert für die „Versachlichung der Diskussion, die Erhellung der Probleme und Vertiefung der Sicht“, enthalte zwar keinen „Handlungskonsens“, jedoch einen „Konsens über die Grundlegung und ethische Fragen, über mögliche Optionen, nicht aber über eine Option“. Vermieden worden sei darzustellen, welche Gefahren von der „östlichen Ideologie“ ausgingen. Die Publikation der Denkschrift mache es um so notwendiger zu präzisieren, welche Funktion den Thesen zukomme. Die Zielgruppe der Thesen müssten die jeweiligen kirchlichen Leitungsgremien sein. Es handele sich einerseits um eine Bilanz der Tätigkeit der Konsultationsgruppe, andererseits würden auch „Empfehlungen“ ausgesprochen, was bei der Weiterbehandlung der Friedensfrage zu bedenken sei und welche Möglichkeiten bestünden, zukünftig vorzugehen, „z. B. Problem der sog. ‚ideologischen Koexistenz‘ im jeweiligen Bereich, ethische Reflexion der jeweiligen Wirtschaftssysteme, die grenzüberschreitende Kraft des Evangeliums, Bemühen um einen gemeinsamen ökumenischen Kurs, Bereitschaft, sich gegenseitig Kritik auszusetzen, Festhalten an einem gemeinsamen Bittgottesdienst für den Frieden“. Die „Sachdiskussion“ in der Gruppe solle zunächst fortgeführt werden mit der Zielstellung, beim nächsten Zusammentreffen eine komprimierte Bilanz vorlegen zu können. An Großes Ausarbeitung, die in sechs Abschnitte unterteilt war, wurden einige spezielle Anfragen gerichtet. Während für die ersten vier, „Grundlagen – Konsens“, „Voraussetzungen des Friedenshandelns“, „Zum Problem der Gewaltanwendung“ und „Friedenswille und Abschreckung“ in erster Linie die Präzisierung und die Verdeutlichung einzelner Passagen und Formulierungen angeregt wurde, bemerkten die Mitglieder der Konsultationsgruppe zu dem Teil „Die Absage an die Drohung mit dem Massenmord“ – in dem auch einige der praktischen Möglichkeiten des einzelnen Christen, sein Bekenntnis zum Frieden Christi auszudrücken, als „Zeichenhandlungen“110 bewertet wurden – Folgendes:

109 L. Große: Thesen zum Friedensauftrag der Kirche. Versuch einer gemeinsamen Bilanz EKD – BEK (Anlage 1 zu Vermerk Demke). Abdruck bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 74–83. 110 In 5.2 hieß es, dass der „bekennenden Absage des Glaubens an das Abschreckungssystem [aus 5.1.] […] ein kommentierendes Tun entsprechen“ müsse. Genannt wurden: Wehrdienstverweigerung,

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„Generell wird angefragt, ob hier eine ethische Frage mit Recht als Bekenntnisfrage entfaltet werden kann. Die Thesen dieses Abschnitts können nur als Ausgangspunkt für weitere Überlegungen gelten. Der Abschnitt 5.1 [‚Das Bekenntnis zum Frieden Christi schließt in dieser Situation die Absage an Geist, Praxis und Folgewirkungen des Abschreckungssystems ein, auch wenn einzelne Christen im Stadium des Übergangs zu einer neuen Konzeption Elemente des AS für zunächst unvermeidbar halten.‘] hat deutlich die Tendenz, diejenigen, die sich der Wehrpflicht unterziehen, mindestens in den Vorraum der Kirche zu verweisen.“

Keine Kritik wurde zur in Punkt 6 skizzierten „politischen Aufgabe“ geäußert, jedoch wurde Große gebeten, seinen Text unter stärkerem Rückgriff auf Falckes Thesen zu überarbeiten. Für die nächste Konsultation im April wurden Binder und Demke mit der gesonderten Ausarbeitung von „Gesprächsthesen zur jeweiligen Systembindung der Kirchen (‚Wie sehen wir unsere Systemeinbindung, positiv und negativ?‘)“ beauftragt.111 In der – allerdings nach der Konsultation im Dezember nochmals überarbeiteten – Textfassung hatte Falcke die aus der speziellen gemeinsamen Friedensverantwortung resultierende Aufgabenstellung des aus Vertretern beider Kirchen zusammengesetzten Gremiums beschrieben. Die Konsultationsgruppe solle nach der „konkreten Gestalt“ fragen, die diese Verantwortung sowohl für Bund und EKD im einzelnen, als auch „für beide Kirchen gemeinsam gewinnen kann und soll“. Unstrittig sei für die östlichen und westlichen Mitglieder das Zeugnis vom Christusfrieden und das Friedensgebet die „erste und ständige Aufgabe von Christen und Kirchen“, was angesichts des alle Lebensbereiche umspannenden christlichen Wirkens keinesfalls gleichbedeutend mit politischer Abstinenz sei. Vielmehr müssten sich Christen und Kirchen für das Abrücken vom System der gegenseitigen Abschreckung durch Aufrüstung, für die Umsetzung einer Friedensordnung, Vertrauensbildung und die Schaffung alternativer Sicherheitssysteme einsetzen, jedoch gleichermaßen für Friedensliebe und Gewaltverzicht innerhalb der Gesellschaft Sorge tragen. Die kirchliche Friedensverantwortung müsse „in kritischer Partizipation“ wahrgenommen werden. Dafür seien offene Gespräche und der Austausch zwischen Bund und EKD notwendig und hilfreich. Zum Dienst an der Waffe hieß es bei Falcke: „Wehrdienstverweigerung und alternativer Friedensdienst sind ein Ausdruck dafür, dass das Abschreckungssystem nicht mehr tragfähig und tragbar ist und neue Wege zur Kriegsverhütung und Friedenssicherung gegangen werden müsse. Insofern ist diese

Wehrersatzdienst als Bausoldat, Wehrersatzdienst im sozialen Bereich, Verständigungs- und Versöhnungsanstrengungen zwischen Völkern, intensive Entwicklungshilfe. 111 Vermerk Demke o. D., S. 1f., 3. Hervorhebung im Original (EZA, 101/653).

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

Entscheidung eine wichtige und unentbehrliche Unterstreichung der Friedensverantwortung, die der ganzen Kirche aufgegeben ist.“

Weil die Kirchen ihrer „gemeinsamen“ Verantwortung für den Frieden aufgrund der deutschen Zweistaatlichkeit „nur arbeitsteilig“ entsprechen könnten, müssten sie sich gegenseitig die Freiheit und Unabhängigkeit ihres jeweiligen Handelns zugestehen und sich jeder Vereinnahmung enthalten. Falcke schloss mit der interessanten Feststellung, dass es augenscheinlich eine „gesamtdeutsche Szene für das politische Zeugnis der Kirche“ gebe, da einzelne Äußerungen des Bundes oder der EKD ebenso wie ihre Nichtäußerungen den beiden Kirchen „vorgehalten“ würden: „Offenbar wird das Zeugnis unserer Kirchen weithin (noch? oder wieder?) stereo gehört, auch wenn die Bilanz nicht ausgewogen ist. In dieser ‚Szene‘ kann das Wort der einen Kirche nur mit dem Wort der anderen Kirche zusammen ‚ausgewogen‘ sein.“ Auch dies mache den weitergehenden Beratungsprozess zwischen beiden Kirchen nötig.112 Mit Blick auf die für den 20. bis 23. April im württembergischen Urach angesetzte Sitzung kündigte Hammer am 16. März 1982 den westlichen Mitgliedern der Konsultationsgruppe an, dass die Vertreter aus der DDR bis etwa zum 20. März eine „grundsätzliche Stellungnahme des Staatssekretariats für Kirchenfragen zu ihren Reiseabsichten“ in die Bundesrepublik erwarteten. Seinem Schreiben legte Hammer den Vermerk über die Dezember-Sitzung und eine weitere Ausarbeitung zu, die von Keler als „vorläufiges, gemeinsames Fazit“ der bisherigen Treffen formuliert hatte. Von Keler hatte seine Bilanz in acht Punkte untergliedert und dabei wiederum andere Schwerpunkte gesetzt. Die kirchlichen Friedensbemühungen dürften sich nicht auf eine „bloße Unterstützung der sogenannten ‚friedlichen Koexistenz‘“ beschränken, sondern müssten die „ideologische Koexistenz“ fordern. Zur Erläuterung skizzierte der württembergische Landesbischof die Grundlagen einer friedlichen Koexistenz aus DDR-Perspektive: 1. Vermeidung eines Atomkriegs, Abbau internationaler Spannungen unterhalb der nuklearen Schwelle. 2. Normalität von wirtschaftlichen und „nicht-militärischen Auseinandersetzungen“ als eine Ausprägung des „Klassenkampfes“. 3. Nur der „weltweite Sieg des Sozialismus“ könnte das Ende ideologischer Konfrontation bedeuten. Von Keler brachte hier die Beobachtung ein, dass allerdings in der DDR mittlerweile eine Unterscheidung zwischen „Nichtkommunisten“ innerhalb und außerhalb des eigenen gesellschaftlichen Systems vorgenommen werde. Christen würden im Ostteil Deutschlands nicht mehr als „Klassenfeind“ 112 H. Falcke: Versuch einer Bilanz der gemeinsamen Beratungen der Konsultationsgruppe zur Friedensverantwortung (nach der Dezembersitzung 1981 überarbeitete Fassung vom Februar 1982) (Anlage 2 zu Vermerk Demke). Hervorhebungen im Original. Abdruck bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 83–86.

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bezeichnet, zu ihnen bestünde lediglich ein „bloßer, aber kein antagonistischer Gegensatz“. 4. Auch die Koexistenz sei eine Variante des Klassenkampfes, „Klassenkampf und Friedenssicherung sind eine dialektische Einheit, die den Kampf zwischen Ideen einschließt, aber einen Krieg ausschließt. ‚Sozialismus‘ wird mit ‚Frieden‘ gleichgesetzt.“ So müsse seitens der Kirchen dieses (SED-)Verständnis von Koexistenz „nüchtern und beharrlich“ um den Aspekt der Ideologie erweitert werden, was nicht als Verzicht auf Überzeugungen, sondern als Absage an „militärische oder auch quasi-militärische Auseinandersetzung zwischen Ideologien“ gemeint sei. Daraus ergebe sich notwendigerweise der Einsatz der Kirchen für die „geistige“ Abrüstung. Ferner sei eine ethische Reflexion der unterschiedlichen Wirtschaftssysteme wichtig. Die Kirchen dürften sich mit „keinem System identifizieren“, jedoch diese durchaus unterschiedlich bewerten und dabei die Tragfähigkeit eigener Zielvorstellungen kritisch hinterfragen. Letztlich müssten die „gemeinsamen Prinzipien evangelischer Ideologie-Kritik doch zu einem gemeinsamen Handeln führen, weil der gleiche Geist Gottes am Werke ist“. Die Verbindung durch den einen Glauben solle sich besonders im Blick auf die Situation der beiden Kirchen in den unterschiedlichen Systemen bewähren und bei Differenzen als Herausforderung zur wechselseitigen Reflexion angenommen werden.113 Auch von Keler hob in diesem Zusammenhang die Bedeutung der gemeinsamen Bittgottesdienste hervor. Eine Weiterarbeit der bilateralen Konsultationsgruppe, deren „Klammerfunktion“ bei entsprechender „Rückkoppelung“ mit KKL und Rat nützlich sei, regte er an, wenn auch lediglich ein bis zwei Mal pro Jahr und mit einer Auftragsbefristung auf etwa drei Jahre. Wie bislang sollten Informationen sowohl über gemeinsame Aktivitäten als gleichfalls über die voneinander unabhängigen Bemühungen von Bund und EKD114 für die Sicherung des Friedens ausgetauscht werden. Von großer Bedeutung sei ferner die gemeinsame theologische Reflexion über die dem Evangelium innewohnende „besondere Friedensbotschaft“. Differenziert werden müsse „zwischen dem allgemein heute geforderten Friedensverhalten und den Weisungen Jesu in der Bergpredigt“. Über die personelle Besetzung der Konsultationsgruppe, an deren geringer Mitgliederzahl nichts verändert werden solle, müssten – wenngleich auf der Basis bestimmter, von Rat der EKD und KKL abzusprechender „Auswahlkriterien“ – die Kirchen in Ost und West selbständig entscheiden. Schließlich bekräftigte von Keler, dass die „publizistische Enthaltsamkeit“ sich in der Vergangenheit bewährt habe und der Sache dienlich sei.115 113 An dieser Stelle betonte von Keler, dass eine „Gemeinsamkeit in Grundzügen zweier verschiedener deutscher Delegationen“ bei internationalen Konferenzen bzw. in der Ökumene erstrebenswert sei. 114 Von Keler schlug hier die Rezeption der Friedensdenkschrift der EKD vor. 115 Schreiben Hammer vom 16.3.1982 mit Anlage H. von Keler: Konsultation, S. 1ff. (EZA, 672/AZ 323-1, Bd. 1).

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Erste Arbeitsbilanz und schwerwiegende Aufgabenstellung der Konsultationsgruppe als „Vordenker“ der kirchlichen Leitungsgremien Nun lagen den Vertretern der Konsultationsgruppe aus Bund und EKD bei ihrer April-Zusammenkunft in Urach zur endgültigen Formulierung einer Zwischenbilanz für ihre Leitungsgremien drei, zum Teil bereits überarbeitete und miteinander abgestimmte Ausarbeitungen von Große, Falcke und von Keler vor. Auf der Basis der Thesen von Große wurde unter Einbeziehung der Überlegungen Falckes und von Kelers eine Aussprache geführt. Die einzelnen Thesen wurden darauf zur erneuten Bearbeitung an verschiedene Mitglieder der Gruppe verteilt, so dass in einem zweiten Arbeitsgang dann die Neufassungen im Plenum ausführlich diskutiert und schließlich zu einem Text verschmolzen werden konnten, der den schlichten Titel „Arbeitsbericht“ erhielt. Er setzte sich aus sieben Abschnitten zusammen, denen eine kurze Beschreibung des Auftrags der Konsultationsgruppe vorangestellt war. Die wichtigste Aufgabe sei das Bezeugen des Friedens Gottes, der wegen seiner lebensumspannenden Bedeutung den Ausgangspunkt jeglichen kirchlichen Friedensengagements bilde. Beispielhaft hätten BEK und EKD dies mit dem gemeinsamen Bittgottesdienst für den Weltfrieden zum Ausdruck gebracht, für den die Konsultationsgruppe eine Liturgie erarbeitet habe und um deren Fortsetzung sie bitte. Dass Zeugnis und Gebet in die Wahrnehmung der politischen Friedensverantwortung hineinführten, wurde im Arbeitsbericht verdeutlicht. Unter Punkt 2 war aufgeführt, warum sich die beiden Kirchen insbesondere zur Bewahrung des Friedens herausgefordert sahen – abgesehen von der angespannten weltpolitischen Lage wurde auch die „vorgegebene besondere geistliche Gemeinschaft“ [sic] zwischen EKD und BEK genannt. Nicht lediglich zur Verhinderung eines Kriegs, sondern auch zum Einsatz für „internationale Gerechtigkeit“ seien sie aufgerufen. Hervorgehoben war an dieser Stelle, dass die Kirchen definitiv von der „Lehre des gerechten Krieges“ abgerückt waren. Jedoch wurde eingeräumt, dass man sich hinsichtlich der „Folgerungen aus dem unerhörten Widerspruch“ nicht einig sei: „Die Verteidigung vernichtet aller Wahrscheinlichkeit nach alles, was verteidigt werden soll. Gemeinsam sind wir überzeugt: diese lebensbedrohlich Aporie muß überwunden werden.“ Konkreter konnten Bund und EKD in einer gemeinsam verantworteten Stellungnahme für KKL und Rat ganz offensichtlich nicht werden. Unter viertens betonten sie daher, dass beide Kirchen ihre Verantwortung in ihrem gesellschaftlichen Kontext eigenständig wahrnehmen und sich bemühen wollten, „sich ganz auf diese Auftragssituation einzulassen“, allerdings ohne dabei ihre Vereinnahmung „in den Antagonismus der Systeme“ zuzulassen, da sie von ihrem Auftrag her den „Brückendienst der Versöhnung“ zu leisten hätten. Als entsprechende Aufgabe wurde die Vertiefung und Verbreiterung der „Kooperati-

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on“ zwischen BEK und EKD bezeichnet und aufgezählt, auf welchen Ebenen sie ihre vielfältigen Beziehungen im Sinne der „besonderen Gemeinschaft“ miteinander unterhielten, darunter ebenfalls die „gegenseitigen (auch wirtschaftlichen) [sic] Hilfsmaßnahmen, die keine Zwänge und Abhängigkeiten schaffen und damit Gegenbeispiele zu Selbstbehauptung und Abgrenzung bieten können“.116 Die bilateralen Konsultationen schärften zudem den Blick auf die eigene Position und Funktion in der Gesellschaft inklusive der „programmatischen Selbstdarstellung der Staaten“. Bund und EKD käme es zu, für eine „sachgerechte“ und nicht propagandistisch verzerrte Darstellung der jeweiligen gesellschaftlichen Realität einzutreten. Gespräche, die Kirchenvertretern mit verantwortlichen Politikern führten, könnten der Vertrauensbildung und Entspannung zwischen Nachbarstaaten mit verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Systemen dienen. Dabei gehöre es zu den Aufgaben beider Kirchen, „ihre gegenseitigen Verbindungen uneigennützig für die Aufrechterhaltung und Fortentwicklung der Beziehungen zwischen ihren Staaten zur Verfügung zu stellen, wenn dieses geboten scheint“. Im 7. Abschnitt wurde schließlich die Dringlichkeit bekräftigt, das System der militärischen Abschreckung durch eine für alle Seiten tragbare politische Konzeption abzulösen, die zu einer dauerhaften Sicherung des Friedens führen könne. Ihrem kirchlichen Auftrag entsprechend müssten Bund und EKD sowohl das Bewusstsein und die Verantwortung für den Frieden fördern, als auch im Sinne der „politischen Diakonie“ kritisch und entschieden das Wort ergreifen. Dieser einstimmig verabschiedeten Bilanz der Arbeit des Gremiums zur Wahrnehmung der kirchlichen Friedensverantwortung sollte ein Anhang mit einer Zusammenstellung der „Aufgaben künftiger Konsultationen“ angefügt werden.117 Bereits am 26. April erhielt Hammer vom württembergischen Landesbischof von Keler eine zweiseitige Ausarbeitung, in der dieser den zukünftigen Aufgabenbereich in acht Arbeitsschwerpunkten skizziert hatte: 1. Gemeinsames Nachdenken über „Freiheit und Bindung der Kirchen in ihren jeweiligen gesellschaftlichen Systemen“; 2. Beurteilung der „friedenspolitischen Schritte der Großmächte“; 3. Erfahrungsaustausch über die Friedensbewegungen, wechselseitige Verständigung über deren Bewertung; 4. Vorbereitung 116 Genau dieser aus der Aufzählung der grenzübergreifenden kirchlichen Ost-West-Beziehungen zitierte Teil taucht – wie auch der Hinweis auf die Notwendigkeit des Ausbaus von Kontakten auf Gemeindeebene und die bessere Abstimmung von kirchlichen Teilnehmern an internationalen Tagungen (vorab und währenddessen) zwecks möglicher Kooperation – als einzige Veränderung des Textes in der veröffentlichten Fassung nicht auf! 117 Vermerk Demke o. D., S. 4 (EZA, 101/653). – Der dem Vermerk beigelegte „Arbeitsbericht“ ist mit dem Datum 19.8.1982 (11. Konsultation) abgedruckt bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 87–91, sowie undatiert bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 90–94.

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der Bittgottesdienste; 5. Theologische Rückbesinnung auf biblische Friedensbotschaft und gemeinsame Reflexion über Wirksamwerden in der heutigen Zeit; 6. Gegenseitige Unterstützung bei der Benennung von „Zwängen“, in die Menschen in Ost und West durch das System der Abschreckung geraten; 7. „Fülle von Einzelfragen“; 8. Organisation gemeinsamer Friedensaktivitäten im ökumenischen Kontext, vor allem mit der KEK. „Leitungsgremien sollen beraten werden, wie sie gezielter ihren Friedensauftrag gegenüber der eigenen Regierung und der Öffentlichkeit wahrnehmen können.“ In Zukunft sollte die Konsultationsgruppe etwa dreimal pro Jahr tagen. Der Aufgabenstellung war ein – wegen der neutralen Aussageform – etwas zusammenhangslos wirkender Satz angefügt, der nur indirekt eine Forderung für die Weiterarbeit des Gremiums beinhaltete: „Die bisherige Gruppe hat die Rückkoppelung ihrer Überlegungen zu den jeweiligen Instanzen strikt eingehalten und sich jeder publizistischen Öffentlichkeit enthalten.“ Von Keler sei nach der „Lektüre des Gesamten eher angenehm überrascht“, zumal der Bericht über die Tätigkeit der Konsultationsgruppe „etwas recht Respektables“ sei, dessen sich die Mitglieder „nicht zu schämen“ brauchten. So regte er an, das Papier möglichst bald in den Rat der EKD einzubringen und entgegennehmen zu lassen. Hammer könne gemeinsam mit Demke über eine „gewisse Kurzfassung für ein Kommuniqué zwischen Rat und Kirchenbund“ beraten. Der Präsident der EKD-Kirchenkanzlei gab das Schreiben am 28. April an den Leiter des Sekretariats des Bundes weiter mit folgendem handschriftlichen Vermerk: „Lieber Bruder Demke! Haben wir nicht einen fleißigen ‚Sprecher‘? (Man sollte ihn künftig ‚Sprech-Schreiber‘ nennen!) Gehen wir also, dies mein Vorschlag, von diesem Text aus! Lassen Sie mich wissen, was Sie anders haben möchten. Und wie denkt man bei Euch zum Thema ‚Kommuniqué‘?“118 Der KKL-Vorstand kam auf seiner Sitzung am 27. Mai hinsichtlich des Arbeitsberichts der Konsultationsgruppe überein, dem Wunsch der EKD nach einem gemeinsamen Kommuniqué insofern nachzukommen, als im Zusammenhang mit einer Pressemeldung über die Konferenz im Juli eine „entsprechende Veröffentlichung“ vorzunehmen sei.119 Mitte Juni nahm der Vorstand erst einen ausführlicheren Bericht Demkes über die Arbeitsbilanz entgegen, die nach ihrer endgültigen Fertigstellung nun allen Konferenzmitgliedern mit einem Vertraulichkeitsvermerk zugeschickt werde. Sie könne auf der kommenden KKL-Tagung beraten werden; das Sekretariat des Bundes arbeite an der Vorbereitung 118 Schreiben von Keler an Hammer vom 26.4.1982 mit Anlage „Künftige Aufgaben einer Konsultationsgruppe“ (EZA, 672/AZ 323-1, Bd.1). – Die Zusammenstellung wurde von Kelers wurde unverändert unter dem Titel „Aufgaben für weitere Konsultationen“ übernommen. Abdruck bei W. H AMMER / U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 384f. (Dok. 20). 119 Protokoll (Lewek) über 139. Sitzung des KKL-Vorstands am 18.5.1982, S. 2 (EZA, 101/121).

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einer Beschlussfassung. Da derzeit „unterschiedliche Konzeptionen“120 bestünden und eine „verbindliche Meinungsbildung über Charakter, Funktion und Weiterführung der Konsultationen sowie die Zusammensetzung der Teilnehmer“ noch ausstünde, solle sich die Konsultationsgruppe bis Jahresende in der jetzigen Besetzung mit „Überhangthemen aus der Friedensproblematik“ auseinandersetzen.121 Bei ihrer 11. Konsultation am 30. Juni sprachen die Anwesenden erst am Ende der Sitzung über ihre mögliche Aufgabenbestimmung. In Anlehnung an die Vorstandsentscheidung, die Beauftragung der Vertreter des Bundes in der Gruppe bis Ende 1982 zu bestätigen und erst dann über eine Neubesetzung zu befinden, wiesen die Mitglieder darauf hin, dass auch das Verhältnis der Konsultationsgruppe zur Beratergruppe geklärt, eine Entscheidung allerdings von den beiden Leitungsgremien getroffen werden müsse. Im Blick auf den Arbeitsbericht informierten sich die Brüder wechselseitig über die Aussprachen in Rat und Vorstand. Der vorliegende Text wurde verabschiedet und seine Publikation „als Dokument im Nachrichtendienst auf beiden Seiten verabredet“. Die zuständigen Dienststellen in Bund und EKD sollten sich über die Frage eines „Vorspanntextes“ und die Datierung einigen.122 Bei dem Zusammentreffen referierten Demke123 und Binder zur „gesellschaftlichen Einbindung der Kirchen“. Demke konstatierte, dass die Kirchen in der DDR innerhalb der Gesellschaft eine „Sonderstellung“ einnähmen und nannte drei Möglichkeiten des Umgangs mit dieser Fremdkörperrolle: Die „theologische Deutung und ideologische Überhöhung“, die politische Anpassung und die „kritische Solidarität“. Risiken berge die kirchliche Außenseiterposition in sich, weil das Anstreben von partnerschaftsähnlichen Beziehungen zum Staat zu einer „Überschätzung der Kräfte“ führen könne. Gerade manche „ethischen Fragen oder Konzepte“, die in der Gesellschaft auf nur geringe Akzeptanz stießen, könnten rasch als „spezifisch christlich“ abgetan werden, wie zum Beispiel die „Erziehung zum Frieden“. Ferner kämen kirchliche Mitarbeiter einerseits in den Genuss etwa von Reiseprivilegien, andererseits habe der Pfarrerberuf einen geringen sozialen Status. Dem120 Angesichts der Tatsache, dass von Keler ja bereits kurz nach der 10. Konsultation Ende April Hammer eine Zusammenstellung der zukünftigen Aufgabenstellung des Gremiums übergeben hatte, die Demke nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern offenbar dagegen auch keine Einwände vorgebracht hatte, muss offen bleiben, um welche anderen Konzeptionen es sich gehandelt hat. 121 Protokoll (Lewek) über 140. Sitzung des KKL-Vorstands am 15.6.1982, S. 2 (EZA, 101/121). 122 Konzept Vermerk Demke o. D., S. 3 (EZA, 101/653). – Der Bericht wurde seinerzeit im BEKMitteilungsblatt (1-2/1983) sowie in der EPD DOKUMENTATION (38/82) mit dem Datum 19.8.1982 veröffentlicht. 123 C. Demke: Gesprächsthesen. Die gesellschaftliche Einbindung der evangelischen Kirchen in der DDR (EZA, 101/3138). Abdruck bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 392f., als Dok. 22.

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ke benannte demgegenüber den durch die Distanz geschärften Blick wie auch einen Vertrauensvorschuss als „Chancen der Sonderstellung“. Zuletzt schilderte er, wie die „geistige Umwelt“ wiederum auf Christen wirke: Das Phänomen der „Revolution“ werde tendenziell als historische Notwendigkeit unter bestimmten gesellschaftlichen Konstellationen begriffen. Der „Persönlichkeit“ komme in der Geschichte die Rolle eines „Exponenten“ historischer Entwicklungen zu. Das Solidaritätsempfinden für unterdrückte und unterprivilegierte Völker sei „alltäglich präsent“ und das allseits praktizierte Modell des „Kollektivs“ trage zur Stärkung des Verantwortungsgefühls bei. Binder beschrieb demgegenüber die Lage der Kirchen in der Bundesrepublik als „Spätphase der Volkskirche“, die ihre Gesprächsfähigkeit für alle Gesellschaftsschichten erweisen müsse. Die Einbindung in das System stelle sich durch die Entscheidungsprozesse einzelner Christen dar, die „politische Verantwortung übernehmen“.124 Eine herausragende Bedeutung ergebe sich somit für die „seelsorgerliche Begleitung“ durch die Kirche. Die Kirche, so erklärte Binder, fände sich in diese Rolle ein und nähme das „verständige Gespräch als bevorzugtes Mittel politischen Wirksamwerdens“ auf. Für die westlichen Kirchen lägen die Gefahrenpunkte im Verlust ihrer Stärke im Blick auf Mission und Verkündigung des Evangeliums und der Einschränkung ihres Vermögens, für die „Deklassierten einzutreten“. Die Debatte über die Ausführungen Demkes und Binders richtete sich besonders auf die Frage des Verhältnisses von „Prophetie und Seelsorge“, also der Unterscheidung des Verhaltens im persönlichen Gespräch oder in der politischen Diskussion und bei der kirchlichen Seelsorge „in der Sache des Auftrages“. Kritisch angefragt wurde auch, ob sich in den in den „politischen Strukturen“ des „parlamentarischen Systems“ heutzutage noch „politische Vernunft“ realisieren lasse. Die aus dem Spannungsverhältnis zwischen der von den Kirchen für sich in Anspruch genommenen „politischen Urteilskompetenz“ und dem gleichzeitigen Mangel an Durchsetzungskraft resultierende kirchliche „Machtlosigkeit“ wurde im positiven Sinne als ein Moment von Freiheit angesehen. Nach ihrer Aussprache kamen die Vertreter der Konsultationsgruppe zu dem Ergebnis, dass es einer Objektivierung der Einschätzung der eigenen Position dienlich sei, sich einer solchen gegenseitigen Befragung zu stellen.125 124 Auch in diesem Kontext wurde nicht diskutiert, dass eben diese Möglichkeit, politische Verantwortung zu übernehmen, den DDR-Kirchenvertretern im atheistischen Einparteienstaat verschlossen war. 125 Konzept Vermerk Demke o. D., S. 1f. (EZA, 101/653). – Auf S. 1 war hsl. vermerkt: „Wird am 1.12.1982 verteilt“. Wie schon Hammer/Heidingsfeld bei der Herausgabe der Konsultationen feststellten, existiert keine Reinschrift des Vermerks. In der Annahme, auch der Entwurf sei nicht an die Mitglieder der Gruppe weitergegeben worden, schrieb Hammer auf der Basis seiner persönlichen Notizen einen anders gewichtenden und ausführlicheren „Ersatzvermerk“, der in der Dokumentation

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Demke informierte die Mitglieder der KKL bei ihrer Tagung am 2. und 3. Juli über Verlauf und Inhalt dieser 11. Konsultation sowie den Wortlaut des vorgelegten Arbeitsberichts der Gruppe. Die Konferenz zeigte sich mit dem Text einverstanden und lobte die Zwischenbilanz der gemeinsamen Verständigung von Bund und EKD zur Wahrnehmung der kirchlichen Verantwortung für den Frieden in ihrem einstimmig gefassten Beschluss als „eine Hilfe zur Konkretisierung der Friedensverantwortung, zu der sich die Kirchen im ‚Wort zum Frieden‘ zum 40. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges gemeinsam bekannt haben“. Auch sprachen sich die KKL-Mitglieder – wie vom Vorstand angeregt – für die Beauftragungsverlängerung der derzeitigen BEK-Vertreter in der Konsultationsgruppe bis Ende 1982 aus. Weitere Konsultationen sollten „im Zusammenhang mit der Arbeit der Beratergruppe“ in Aussicht genommen werden. Die Konferenz erklärte ihre Bereitschaft, „dafür zu gegebener Zeit ihre Vertreter zu benennen“.126 Beschlossen wurde ferner – allerdings mit zwei Gegenstimmen – den Arbeitsbericht zu veröffentlichen, bevorzugt in den beiden evangelischen Pressediensten in der DDR und der Bundesrepublik, ENA und epd. Eine Festlegung der Sperrfrist bis zur Publikation, von der die Mitglieder der Konferenz in Kenntnis gesetzt werden müssten, werde noch getroffen. Gleichermaßen müsse die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen informiert werden.127 Hammer unterrichtete die Mitglieder des Rates am 9. und 10. Juli zunächst über die wenige Tage zuvor bei der Beratergruppensitzung geführten Gespräche. Dann wurde der bilanzierende „Arbeitsbericht“ auch vom Rat dankbar entgegengenommen. Eine Fortsetzung der bilateralen Konsultationen sei vorgesehen.128 Am 15. Juli fand sich Demke zu einer vertraulichen Unterredung mit Staatssekretär Gysi und dessen persönlichem Referenten und Büroleiter Horst Dohle in der Dienststelle ein. Hauptgesprächsgegenstand war die Friedensdekade, die im November zum dritten Mal veranstaltet werden sollte. Der Leiter des BEKSekretariats übergab Gysi bei dieser Gelegenheit den Arbeitsbericht der gesamtdeutsch besetzten Konsultationsgruppe und kündigte die Veröffentlichung der Ausarbeitung „in der Form von Dokumentation von Texten“ für Mitte August an. Demke erläuterte, dass mittels dieser Publikationsweise einerseits einer „unauf S. 386–390 (Dok. 21) abgedruckt ist. Hammer benannte das Ergebnis der Debatte über die beiden Referate folgendermaßen: „Weiterarbeit als ‚fröhlicher Sisyphos‘!“ 126 Von dieser Beschlussfassung der KKL erfuhr der Vorstand erst auf seiner Sitzung am 8.12.1982. So sei nicht nur das Mandat der BEK-Vertreter in der Gruppe verlängert worden, sondern im Kontext der Befürwortung weiterer Konsultationen „ausdrücklich auf die Verbindung zur Beratergruppe hingewiesen“ worden. Der KKL-Vorstand plante, dies zum Gegenstand seiner kommenden Zusammenkunft zu machen (Protokoll [Lewek] über 147. Sitzung des KKL-Vorstands am 8.12.1982, S. 4 [EZA, 101/121]). 127 Protokoll (Radke) der 81. KKL-Tagung am 2./3.7.1982, S. 4 (EZA, 101/112). 128 Auszug aus Protokoll der 35. Ratssitzung am 9./10.7.1982 (EZA, 2/01/1428).

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

angemessenen spektakulären Aufmerksamkeit“ Vorschub geleistet, auf der anderen Seite jedoch ebenfalls ein Bekanntwerden des Arbeitsberichts „auf einem ungesteuerten Wege“ vermieden werden solle. Der Staatssekretär habe beim Überfliegen des Textes „mit deutlichem Zeichen von Skepsis“ reagiert.129 Nachdem die Mitarbeiter von Gysis Dienststelle zu dem Arbeitsbericht, der selbstverständlich auch dem für Kirchenfragen zuständigen ZK-Sekretär Paul Verner übergeben worden war130, unter Berücksichtigung von dessen „Hinweisen“ eine Stellungnahme erarbeitet hatten, wurde das staatliche Votum Demke mündlich vorgetragen. Der Leiter des Sekretariats des Bundes habe, wie Gysis Hauptabteilungsleiter Peter Heinrich dem Politbüro-Mitglied Verner mitteilte, die „kritischen“ Einwände „akzeptiert“, doch seinerseits einige Punkte verdeutlicht: Der von Bund und EKD über die Ergebnisse ihrer Konsultationen zur Friedensfrage formulierte Bericht sei kein „Positionspapier“, sondern lediglich eine an KKL und Rat der EKD gerichtete „Empfehlung“, die unter Beachtung der „konkreten gesellschaftlichen und politischen Bedingungen“ in beiden deutschen Staaten inhaltlich „ausgestaltet“ werden müsse. Im Arbeitsbericht habe die gemeinsame Arbeit eine „gewisse Abrechnung“ erfahren. Das Resultat sei ein „Kompromißvorschlag“, der nach Demkes Ansicht den „rechten Kräften“ in der EKD habe „abgerungen“ werden müssen. Besonders die im 7. Abschnitt zum Ausdruck gebrachte Ablehnung der kontinuierlichen militärischen Aufrüstung und die Befürwortung eines politisch vernünftigen Konzepts zur Sicherung des Friedens habe trotz des Widerstands dieser EKDVertreter Eingang in das Papier gefunden. Die Synode des Kirchenbundes werde auf ihrer Tagung Ende September in Halle vorrangig über die kirchliche Friedensverantwortung, speziell über die Themen „christlicher Pazifismus“ und „Wehrpflicht“, beraten. Im Sinne einer „Nacharbeit“ zum Arbeitsbericht wolle der Bund in Halle „und darüber hinaus“ zu einer eindeutigen „Positionsbestimmung“ in „politischen Fragen“ kommen. Die von der Sowjetunion und den sozialistischen Ländern vorgebrachten Vorschläge, wie der grundsätzliche Verzicht auf einen atomaren Erstschlag, die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone sowie ein Moratorium über die Raketenstationierung, bildeten dabei einen Orientierungspunkt. Zuletzt habe Demke nochmals hervorgehoben, dass der Arbeitsbericht von BEK und EKD als „kleinster gemeinsamer Nenner“ der Kirchen zu verstehen sei, mit dem sie die beidseitig geteilte Einschätzung öffentlich kundtun wollten, dass das Engagement für den Frieden unbedingt notwendig sei. Der Kompromisscharakter des Papiers 129

„Vertraulicher“ Vermerk Demke vom 16.7.1982, S. 2 (EZA, 101/121). Schreiben Heinrich an Verner vom 26.7.1982 mit Anlage „Arbeitsbericht“ (SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2.036/38, Bl. 90). 130

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habe zu der Entscheidung geführt, der Publikation bei ENA und epd eine „redaktionelle Vorbemerkung“ voranzustellen.131 Der EKD-Ratsvorsitzende lobte auf der Sitzung der Kirchenkonferenz im Rahmen eines Berichts über die letzte Zusammenkunft der Konsultationsgruppe ganz grundsätzlich die gemeinsame Arbeit von Bund und EKD an der Friedensthematik. Lohse betonte, dass das beidseitig zum Ausdruck gebrachte Engagement außerordentlich sei und seiner Überzeugung nach „solche Bemühungen der einen Kirche in der geteilten Welt für das Weiterdenken über den Frieden besonders wertvoll sei“. BEK und EKD stünden in der Verantwortung, ihre Überlegungen fortzuführen.132 Auch Schönherr bezeichnete in einem Referat über den Friedensauftrag der Kirchen in der DDR, das er am 5. Oktober in der Evangelischen Akademie in Bad Boll hielt, nicht nur die Mitarbeit des Bundes an der Friedenssicherung in ökumenischen Gremien und „bilaterale Gespräche mit anderen Kirchen“ als „fruchtbar“, sondern räumte dabei „selbstverständlich“ dem Dialog mit der EKD den ersten Rang ein. Die Konsultationen zwischen Bund und EKD, so erläuterte der ehemalige KKL-Vorsitzende, fänden bereits seit dem Jahr 1980 statt und verliehen dem gemeinsamen Wirken für den Weltfrieden „offiziellen Ausdruck“. Der Arbeitsbericht, den die Gruppe den sie beauftragenden Leitungsgremien beider Kirchen übergeben habe, enthalte einige Überlegungen, für die er in seinem Vortrag eingetreten sei. Schönherr wies ferner darauf hin, dass beispielsweise der Vorschlag, alljährlich gemeinsame Bittgottesdienste für den Frieden abzuhalten, von Mitgliedern der Konsultationsgruppe gemacht worden sei. Schönherr vermied es auch nicht, im Kontext eines Berichts über die in der DDR veranstalteten Friedensdekaden die Auseinandersetzungen mit staatlichen Organen um das Symbol „Schwerter zu Pflugscharen“ zu erwähnen und thematisierte gleichfalls die Dresdner Initiative zur Einrichtung eines „Sozialen Friedensdienstes“ sowie den sogenannten Berliner Appell, den der OstBerliner Pfarrer Rainer Eppelmann initiiert hatte.133

131 Schreiben Heinrich an Verner vom 28.7.1982, S. 1f. (SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2.036/38, Bl. 95f.). 132 Niederschrift (Hammer) über Sitzung Kirchenkonferenz am 16.9.1982 in Berlin, S. 9 (EZA, 2/01/568). 133 A. Schönherr, 5.10.1982: „Der Friedensauftrag der ev. Kirchen in der DDR“, S. 10 (EZA, 687/44).

6. Kapitel: Die kritische Phase: Zwei Kirchen im geteilten Deutschland (1983–1985)?

Am 5. November trat die Kammer der EKD für öffentliche Verantwortung zu einer Sitzung zusammen und befasste sich eingehend mit der „Friedensfrage“. Ihr Vorsitzender Rendtorff informierte, dass der Rat der EKD – angeregt durch die Konsultationen – einen kleinen Kreis von Professoren damit beauftragt habe, das Friedensgutachten zu erstellen, dessen Erarbeitung in der EKDDenkschrift „Frieden wahren, fördern und erneuern“ empfohlen worden war. Die Heidelberger Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft biete dafür die organisatorische Infrastruktur, durch Gäste könne eine „zusätzliche Expertise (z. B. für militärtechnologische Fragen)“ eingebracht werden, und der Physiker und Philosoph von Weizsäcker habe zugesagt, die beratende Begleitung zu übernehmen. Von Erhard Eppler kam die Anregung, bei der Ausarbeitung des Friedensgutachtens zu untersuchen, „ob durch neue Akzente in der amerikanischen Verteidigungspolitik nicht die Grundlagen erschüttert sind, auf denen die kirchlichen Verlautbarungen von den Heidelberger Thesen über die Denkschrift ‚Frieden wahren, fördern und erneuern‘ bis zur Erklärung des Moderamens des Reformierten Bundes gemeinsam stehen, dass nämlich Atomwaffen nicht angewendet werden dürfen“.1 Eppler zitierte aus einem offiziellen Dokument der US-amerikanischen Regierung, in dem tatsächlich nicht nur von der Führbarkeit, sondern auch von der Gewinnbarkeit eines Kriegs mit konventionellen oder nuklearen Waffen gesprochen wurde. Er verdeutlichte, dass die – wenngleich im Kontext des Systems der gegenseitigen Abschreckung – „offen ausgesprochene Kriegsoption“ die Abschreckungsdoktrin aushöhle und 1 Weder in den Heidelberger Thesen noch in der Friedensdenkschrift ist explizit davon die Rede, dass nukleare Waffen nicht zur Anwendung kommen dürfen. Allerdings unterschieden die Verfasser der Thesen durchaus zwischen der Bereithaltung und dem Einsatz von Atomwaffen. Und: Es bestand nicht nur unter einer Mehrheit der Protestanten ein Konsens, was die Ablehnung eines Erstschlags anbelangte. Zudem wurde vorausgesetzt, dass ein Krieg im Zeitalter der Hochtechnologie und schon gar ein Atomkrieg nicht zu gewinnen sei. In beiden Papieren wird die Sicherung des Friedens mit Atomwaffen zumindest als vorläufige Möglichkeit eingeräumt und die Wehrdienstleistenden, die potentiellen Soldaten, werden sogar auf die Konsequenzen hingewiesen, die sie im Fall des Versagens dieses Abschreckungssystems tragen müssten, nämlich atomare Waffen auch zu benutzen. Lediglich die Erklärung des Moderamens des reformierten Bundes forderte die klare Absage an atomare Waffensysteme und erklärte die Friedensfrage sogar zur Bekenntnisfrage. Vgl. Teil I, 4. Kapitel.

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„seiner Zustimmung zur bedingten Fortgeltung der achten Heidelberger These die Grundlage entzogen“ habe. Dieser Stellungnahme folgte eine Debatte, in deren Verlauf die Anwesenden sich nur insofern einig waren, als das „noch“ in der von Eppler genannten These, welches auch in die EKD-Denkschrift übernommen worden war, zumindest „von Zeit zu Zeit“ auf seinen Kontext hin überprüft werden müsse. Konsens bestand lediglich hinsichtlich der Notwendigkeit, „dass das Abschreckungssystem auf mittlere Sicht nicht verantwortbar sei und wir davon wegmüssen“. Eppler versuchte daraufhin seine Beobachtung auch im Blick auf die künftige Tätigkeit der Kammer zu konkretisieren: „Der Gedanke, einen Atomkrieg gewinnbar zu machen, widerspricht dem Gleichgewichts-Axiom, denn nur Überlegenheit macht ihn gewinnbar. Eine Politik des Gleichgewichts ist nur im Rahmen des Gedankens glaubwürdig, dass keiner einen Krieg gewinnen könnte, beide ihn verlieren würden. Als in der Kammer seinerzeit vom ‚Führbarwerden‘ atomarer Kriege gesprochen wurde, lautete der Einwand nicht, das sei kein neuer Gedanke, sondern das sei nicht die offizielle Position; es handele sich um unverbindliche Wahlkampfaussagen und Gedankenspiele. Jetzt finde er sich in regierungsamtlichen Texten. Er wolle nicht von der gemeinsamen Verantwortung für die Denkschrift zurücktreten, sondern diese gerade dadurch wahrnehmen, dass er feststelle: als ihr Fazit ist in der Perzeption eigentlich nur das ‚Ja‘, wenn auch als bedingtes, zur atomaren Abschreckung herausgekommen. Das in der Denkschrift enthaltene ‚Nein‘ ist weithin überhört und unterschlagen worden. Angesichts der neueren Entwicklungen müßte dieses ein Jahr nach ihrem Erscheinen viel deutlicher gesagt werden als damals.“

Die Mitglieder der Kammer für öffentliche Verantwortung beschlossen, zu ihrer nächsten Zusammenkunft einen Experten einzuladen, der bei der „weiteren Klärung dieser Fragen“ behilflich sein könnte.2 Bei der 13. Konsultation am 1. und 2. Dezember berieten die Vertreter beider Kirchen wiederum, in welcher Form sie ihre gemeinsame Arbeit fortführen könnten. Mit der Fragestellung, welchen speziellen Beitrag die Kirchen zur Friedensförderung leisten könnten, wurde die weltpolitische Lage unter unterschiedlichen Gesichtspunkten erörtert und die Beurteilung des politischen Vorgehens der Großmächte ausgetauscht. Die Anwesenden hoben hervor, dass „innerer und äußerer Frieden“ eng miteinander verbunden seien und kamen darüber zu einer Debatte über die Zwei-Reiche-Lehre, die als „Modell für die Erfassung der Weltwirklichkeit“ begriffen und verwendet werden könne. Im Blick auf die Weiterarbeit der Gruppe stimmten sie sich über mögliche Themen ab, die bei den kommenden – in Zukunft etwa drei Mal im Jahr3 stattfindenden – Treffen verhandelt werden sollten: 2 3

Niederschrift (o. A.) o. D., S. 2ff. (EZA, 672/AZ 323-1, Bd. 2). Jährlich sollte eine mehrtägige Konsultation in der Bundesrepublik abgehalten werden.

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„– Vorschläge zum Verhältnis der beiden deutschen Staaten – Offene Fragen des Arbeitsberichtes – Friedensbewegungen (Stellungnahme der entsendenden Gremien) – Bewertung friedenspolitischer Schritte der Großmächte – Bewertung und Begleitung kirchlicher Erklärungen und ihrer Entwicklung.“

Eine Beratung über die Beziehungen zwischen Bundesrepublik und DDR aus der östlichen und der westlichen Perspektive wurde sogleich für die nächste Konsultation ins Auge gefasst. Während Binder für die EKD und Domsch für den Kirchenbund die Darstellung der „Gesamtsicht“ übernehmen wollten, stellte von Heyl eine Einführung zur Staatsbürgerschaftsfrage in Aussicht. Bei einer Aussprache über die Reaktionen, die der Arbeitsbericht über die bilateralen Konsultationen hervorgerufen hatte, wurde für den bundesdeutschen Bereich festgestellt, dass das Echo auf die Publikation trotz des zeitlichen Zusammenfallens mit der Veröffentlichung der Erklärung des reformierten Moderamens „größer als erwartet“ gewesen sei. Auf den Veranstaltungen der in der Bundesrepublik durchgeführten Friedenswochen habe der Bericht, der ursprünglich nur den Leitungsgremien von Bund und EKD als Information dienen sollte und vom Vorsitzenden des Rates der EKD als „Weiterführung“ der Friedensdenkschrift bezeichnet worden sei, sogar fortwirken können. Die im Arbeitsbericht getroffene Feststellung, dass es „keinen Grund gäbe, der die Auslösung eines Krieges rechtfertigen würde“, sei „am häufigsten zitiert“ worden. Die Mitglieder der Konsultationsgruppe setzten sich davon ausgehend mit der Frage auseinander, ob dieser Grundsatz auch für die „Anwendung von Massenvernichtungswaffen im Verteidigungsfall“ gelte und ob er die Forderung nach einem „Verzicht auf eine Erstschlag-Kapazität“ einschließe. Die Diskussion, wie das unterschiedliche Handeln der Großmächte hinsichtlich der Rüstungs- und Friedenspolitik zu bewerten sei, führte zur Erörterung der „Rolle des Antikommunismus“. Ein wiederholt gegen die Friedensdenkschrift der EKD vorgebrachter Kritikpunkt sei, dass darin das „antikommunistische Weltbild deutlich“ zurückgenommen worden sei. Die Vertreter beider Kirchen überlegten, welcher Stellenwert der Tatsache zukomme, dass die sozialistischen Staaten das Modell der „ideologischen Koexistenz“ ablehnten und welche Bedeutung dies für die Friedensfrage habe. Im Rahmen eines Informationsaustausches über die Vorbereitungen der Veranstaltungen zum Lutherjahr 1983 wurde neben der „Beteiligung hoher staatlicher Vertreter“ in der DDR auch über den Wunsch des dortigen kirchlichen Lutherkomitees nach einer gemeinsamen Stellungnahme von Bund und EKD zu diesem Anlass gesprochen und „bedauert, dass dies nicht mehr erreichbar war“. Andererseits sei eine Äußerung beider Kirchen angesichts der „sehr unterschiedlichen“ Voraussetzungen möglicherweise schwierig gewesen. Es sollte zumindest frühzeitig sondiert werden, ob Kirchenbund und EKD sich gemeinsam zum

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November zu Wort melden könnten. Auch bei der sich anschließenden Beratung eines Entwurfs für ein Ratswort zum 30. Januar 19334 mussten die Beratergruppenmitglieder feststellen, dass die „Situationsunterschiede“ so erheblich waren, dass eine „gemeinsame Aktualisierung“ der Vorlage – zumal ohne intensives und zeitaufwendiges Nachdenken – zweifelhaft sei. Gegenüber den beiden Leitungsgremien sollte die Empfehlung ausgesprochen werden, von einer gemeinsamen Stellungnahme abzusehen, statt dessen jedoch zu überlegen, ob die Möglichkeit bestünde, zum Abschluss des Lutherjahrs ein Wort von Bund und EKD zu veröffentlichen.5 Zuletzt kamen die Anwesenden noch einmal auf die „Aufgabe der Konsultationen“ zurück und betonten, dass es für den Austausch und die Beratung vertraulicher Informationen eines „streng gebundenen Kreises“ bedürfe. Überraschenderweise konstatierten die Gruppenmitglieder, dass eine „Eingrenzung auf die Friedensproblematik […] nicht Platz greifen“ solle. Die damit verbundene weiter verstärkte Konkurrenz zur bilateralen Beratergruppe fand keine Erwähnung.6 Die Mitglieder der KKL erfuhren auf ihrer Tagung am 7. und 8. Januar 1983, dass der Rat der EKD anlässlich des 50. Jahrestags der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten ein „eigenes Wort“ entworfen habe, das bei der Formulierung der Konsequenzen, die aus den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus für die heutige und die zukünftige Zeit gezogen werden müssten, „sehr spezifisch“ auf die Situation in der Bundesrepublik zugeschnitten sei. Auch die Debatte über den Entwurf des Wortes in der Konsultationsgruppe habe zu dem Ergebnis geführt, dass eine gemeinsame Stellungnahme der Kirchen zum 30. Januar 1933 diese „situationsgerechte Profilierung verwischen würde, so dass darauf verzichtet werden soll“. Daher habe der Vorstand der KKL den Ausschuss „Kirche und Gesellschaft“ des Bundes beauftragt, bei seiner Tätigkeit „speziell auch im Rahmen des Kongresses ‚Die Zukunft des Friedens‘“7 den Termin im Blick zu behalten und entsprechende Denkanstöße für die Kirchen zur Besinnung auf das Jahr 1933 zu erarbeiten. Ferner wurde mitgeteilt, dass der Rat der 4

Abdruck als Dok. 23 bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 394f. In der geschlossenen Sitzung des Rates der EKD berichtete von Keler sowohl von der Sitzung der Berater- als auch der Konsultationsgruppe und gab dabei den Wunsch nach einem gemeinsamen Wort der Kirchen gegen Ende des Lutherjahrs weiter (Auszug aus Niederschrift der geschlossenen Ratssitzung am 10.12.1982 [EZA, 2/01/1428]). 6 Vermerk Demke o. D., S. 1ff. (EZA, 101/3138). – Die für Ende September angesetzt 12. Konsultation fand nicht statt, wurde jedoch dennoch mitgezählt. 7 Der Kongress, der vom Ausschuss „Kirche und Gesellschaft“ vorbereitet und durchgeführt worden war, fand vom 28. bis 30.1.1983 in Potsdam-Hermannswerder statt. Ziel dieser Veranstaltung war eine „Zusammenführung verschiedener kirchlicher Ebenen“ sowie „Begegnung verschiedener ethischer Positionen in der Friedensfrage“. Vgl. den Beschluss der KKL zum Kongress „Die Zukunft des Friedens“ vom 13.3.1983. Abdruck bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 128f.; hier 128. 5

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EKD bereits den Text für die Jahreslosung 1984 bestimmt und die Bitte an den Bund gerichtet habe, diese „Entscheidung mitzutragen“. Die Konferenz kam dem zwar mit einem etwas wackligen Beschluss (4 Gegenstimmen, 5 Enthaltungen) nach, brachte jedoch den Wunsch zum Ausdruck, in Zukunft „rechtzeitig“ informiert zu werden, um nicht auf die Möglichkeit einer Abstimmung mit der EKD verzichten zu müssen.8 Folgendes Modell für die künftige Aufgabenstellung der Konsultationen von BEK und EKD entwickelte der KKL-Vorstand auf seiner Sitzung am 1. Februar: „Zuordnung zur Beratergruppe (‚Geschäftsführender Ausschuß‘), Beratung und Planung langfristiger Aufgaben einschließlich Friedensproblematik. Aufnahme aktueller brennender Probleme (‚Feuerwehr‘). Personelle Besetzung: Dr. Demke, Domsch, Dr. Gienke, Kramer, Leich (Dr. Rathke), Wahrmann (Schultheiß).“ Ferner wurde ins Auge gefasst, die Begegnungen zwischen dem Vorstand der KKL mit der Ratskommission wieder aufzunehmen. Etwa einmal pro Jahr sollten die entsprechenden Vertreter beider Gremien „unter obligater Beteiligung der beiden Vorsitzenden“ zusammenkommen. Eine Vorlage, die zusammen von einer Vorbereitungsgruppe des Bundes und einer Kommission des Rates für das Gedenken anlässlich des 50. Jahrestags der Barmer Theologischen Erklärung ausgearbeitet worden war, präsentierte OKR Rudolf Schulze. Wie der Vorstand beschloss, sollte der Entwurf zunächst allen KKL-Mitgliedern mit der Bitte um eine gründliche Prüfung des Wortlauts rechtzeitig zugeschickt werden, damit auf der Klausurtagung der KKL im März darüber entschieden werden könne, ob er die Zustimmung der Konferenz fände und somit als „Grundlage für eine gemeinsame Aussage mit der EKD bestätigt“ werden könne. Ferner sollten die Mitglieder der KKL über die Problematik im Zusammenhang mit der möglichen Weiterarbeit der bilateralen Konsultationsgruppe und den Vorschlag informiert werden, im Jahr 1984 eine gemeinsame Barmen-Synodaltagung des Bundes, der EKU und der VELKDDR durchzuführen.9 Der Vorstand der KKL setzte sich am 26. April wiederum damit auseinander, wie ergebnislos die Frage der Ost-West-Konsultationen auf der Klausurtagung (11.–13.3.) behandelt worden war und fasste den Beschluss, seinen Vorschlag für ein künftiges Modell nochmals zur Verhandlung in die Konferenz zu geben. Demke erhielt den Auftrag, die Sachlage vor der KKL darzustellen. Ein weiterer Tagesordnungspunkt, mit dem der KKL-Vorstand sich befassen musste, betraf etliche an den Bund gerichtete Eingaben zur kirchlichen Friedensverantwortung. Dabei ging es zumeist um die drohenden weiteren Raketenstationierungen im Westen Europas, und es wurde die Forderung an die EKD ausgesprochen, 8 9

Protokoll (Kupas) der 84. KKL-Tagung am 7./8.1.1983, S. 5 (EZA, 101/112). Protokoll (Lewek) über 149. Sitzung des KKL-Vorstands am 1.2.1983, S. 2 (EZA, 101/3081).

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sich vehementer und klarer mit dieser Problematik zu befassen. Der Vorstand beschloss, die westlichen Brüder über das BEK-Sekretariat davon in Kenntnis zu setzen und die Eingaben mit einer Erklärung über die unterschiedlichen Friedensaktivitäten des Kirchenbundes in der DDR zu beantworten. Hinsichtlich eines Vorschlags, den der Sekretär des DDR-Regionalausschusses der CFK, Carl Ordnung für die „Behandlung der Friedensverantwortung in Vancouver“10 vorgebracht hatte, entschied der Vorstand, dass dieser bei der Vollversammlung des ÖRK von den Initiatoren selbst und nicht von den Delegierten des Bundes eingebracht werden solle.11 Wie geplant thematisierte die KKL auf ihrer Tagung am 29. und 30. April erneut die Konsultationen mit der EKD und beschloss, dass der Vorsitzende der KKL in einer Unterredung mit dem EKD-Ratsvorsitzenden über die Weiterführung der bilateralen Gespräche zur kirchlichen Friedensverantwortung beraten sollte. Mit immerhin neun Enthaltungen wurde der Beschluss gefasst, die 14. Konsultation in der derzeitigen Zusammensetzung abzuhalten. Bekannt gegeben wurde den Anwesenden zuletzt, wie weit die Pläne vorangeschritten waren, zum Gedenken an die Barmer theologische Erklärung im Jahr 1984 eine „gemeinsame Veranstaltung von BEK, EKU und VELK“ durchzuführen.12 Partnerschaftliche Krise wegen „Einmischung“ der Kirchen in der DDR und ein Brief Hempels und Lohses an die deutschen Regierungen Vom 22. bis zum 24. Juni kamen die Vertreter des Bundes und der EKD also wiederum auf dem Gebiet der württembergischen Landeskirche in Herrenberg zusammen, um sich in alter Besetzung über die Friedensfrage auszutauschen.13 Während der Greifswalder Bischof Horst Gienke in seinem Bericht über die Lage und zahlreiche Aktivitäten der Kirchen des Bundes in der DDR auch die „durch eine Reihe von Mißverständnissen“ angespannte Situation zwischen BEK und EKD ansprach, sparte von Keler – obwohl er die im Rahmen des Kirchen10

In Vancouver sollte vom 24.7. bis 10.8.1983 die ÖRK-Vollversammlung stattfinden. Protokoll (Demke) über 151. Sitzung des KKL-Vorstands am 26.4.1983, S. 4, 3 (EZA, 101/3081). 12 Protokoll (Küntscher) der 86. KKL-Tagung am 29./30.4.1983, S. 5f., 13 (EZA, 101/3063). 13 Für diese Konsultation hatte der Bund bereits am 31.5.1983 Reiseanträge bei der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen eingereicht, über die nach Abstimmung mit der ZK-Arbeitgruppe Kirchenfragen ein positiver Bescheid erging. Die Dienststelle fertigte am 2.6.1983 eine Vorlage für das ZK-Sekretariat an, auf der wiederum eine Information des MfS basierte: „Diese Klausurkonsultation soll dem nicht öffentlichen Gedankenaustausch zu Fragen der Sicherheitspartnerschaft, angewandt auf das Verhältnis der beiden deutschen Staaten und einem möglichen Beitrag von den evangelischen Kirchen in der BRD einerseits und denen in der DDR andererseits dienen; dabei sollen die staatsrechtlichen Probleme im Vordergrund stehen“ (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-3163, Bl. 7f.). 11

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tags14 in Hannover aufgekommene Frage nach dessen „kirchenleitender Funktion“ thematisierte – die Entwicklung des Verhältnisses beider Kirchen zueinander aus. Mit der dann folgenden Skizze Hammers über die kontroversen Reaktionen, die die Ausarbeitung „Sicherheitspartnerschaft und Frieden in Europa – Aufgabe der deutschen Staaten, Verantwortung der deutschen Kirchen“15 im EKD-Bereich ausgelöst hatte, waren die Brüder aus der DDR und der Bundesrepublik allerdings bei einer Ursache ihrer „partnerschaftlichen Krise“ angelangt. Nachdem Demke kurz die Entstehungsgeschichte dieser Studie dargelegt hatte, wurde von den westlichen Konsultationsgruppenmitgliedern erläutert, dass sie die Ausarbeitung im Kontext „einer Reihe von Vorgängen“ sähen, nämlich der „Erklärung“ der sieben DDR-Kirchenvertreter in Hannover und der Briefe16, die die Berlin-brandenburgische Synode an die unierten Gliedkirchen in der Bundesrepublik gerichtet habe. Diese „Vorgänge“ seien Teil einer Entwicklung, die 14

Eine von sieben DDR-Kirchenvertretern eigenverantwortlich formulierte „Erklärung“ „Für eine neue Sicherheitspolitik in Europa“ war auf dem 20. DEKT (8.–12.6.1983) in Hannover von ca. 8.000 Teilnehmern unterstützt worden (Abdruck des Aufrufs vom 11.6.1983 in: EPD DOKUMENTATION 30/83, S. 83f.). 15 Studie der ThSA beim BEK vom März 1983: „Sicherheitspartnerschaft und Frieden in Europa – Aufgabe der deutschen Staaten, Verantwortung der deutschen Kirchen“. In: EPD DOKUMENTATION 19/83 vom 29.4.1983, S. 3–23 (Vorbemerkung J. Garstecki S. 1f.). Garstecki hatte darin eingangs auf den Bericht der Palme-Kommission vom April 1982 hingewiesen, der im Blick auf die Abrüstung dem Denkansatz der „Gemeinsamen Sicherheit“ folge, der wiederum von den Kirchen des Bundes ausdrücklich unterstützt werde. Die Studie der ThSA sei als „Beitrag zur politischen Konkretisierung des Ansatzes der Sicherheitspartnerschaft gedacht“. Auch die Konsultationen von Bund und EKD zur Verantwortung der Kirchen für den Frieden böten einen Bezugspunkt. Allein die Durchführung solcher bilateraler Konsultationen brächten das Bemühen um „gemeinsame Sicherheit“ zum Ausdruck, die „letztlich nur dauerhaft“ erreicht werden könne, wenn die „Existenz der anderen Seite und die Koexistenz mit ihr glaubhaft bejaht“ werde (S. 1f.). Die Kirchen könnten das „europäische Gespräch“ nur fördern, „wenn jede der beiden Kirchen, jede für sich, ihren Dialog mit der eigenen Geschichte und insbesondere mit der jüngsten Geschichte so aufgenommen hat, dass sie – getragen vom Dialog mit der eigenen Geschichte und geprägt durch die Antworten auf die eigene Situation – zum autonomen und authentischen Partner für die Kirche im anderen deutschen Staat geworden ist. […] [Die Kirchen] stehen an einem Punkt, wo sich Schuld für Auschwitz und die Möglichkeit der nuklearen Katastrophe kreuzen“ (S. 20). – Auch der Polnische Ökumenische Rat kritisierte, dass Polen in der an sich wichtigen Studie „faktisch zum Objekt gemacht und in fatale Nähe zur Dritten Welt gerückt“ werde (Auszugsweiser Abdruck des Protokolls der 2. Tagung des Kontaktausschusses zwischen Polnischem Ökumenischen Rat und BEK vom 27. bis 28.7.1983 in Ost-Berlin bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 397f., Dok. 25). 16 Bei der Sitzung der Beratergruppe am 16.6.1983 war bereits unter dem Stichwort des „Hineinredens“ bemängelt worden, dass die Synode der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (Ost) sich mit der auf ihrer Tagung vom 8. bis 12.4.1983 gefassten Entschließung gegen die Aufstellung neuer atomarer Mittelstreckenraketen in Westeuropa und der Feststellung, dass die Waffen- bzw. Wehrdienstverweigerung das „deutlichere Zeichen für den Frieden“ sei, an die Synoden der West-Berliner, der westfälischen, der rheinischen und der badischen evangelischen Kirche gerichtet hatte mit dem Zusatz: „Wir sind dankbar für jedes Zeichen der Ermutigung für unsere Arbeit, für jedes Zeichen der Gemeinsamkeit in der Verantwortung“ (Vgl. dazu auch KiSo 3/1983, S. 72).

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zu einer unguten Veränderung des „bisherigen Konsultationsprozesses“ führe. Die EKD störe sich primär daran, dass auf einem Umweg „über die Öffentlichkeit“ Druck ausgeübt werde, was eine Instrumentalisierung der Kirchen in der „Auseinandersetzung zwischen den politischen Blöcken“ zur Folge haben könne. In ihrer Debatte beschlossen die Anwesenden einmütig, nicht mehr von „Einmischung“ sprechen zu wollen, weil mit dieser Vokabel bereits von einem „Konfrontationsverhältnis“ ausgegangen werde, das der zweifellos nötigen wechselseitigen „Mahnung“ der Kirchen im Wege stünde. Nicht nur im Blick auf die beide Seiten gleichermaßen betreffende Friedensproblematik müsse jedoch stärker dafür Sorge getragen werden, öffentliche Meinungsäußerungen in einem laufenden Diskussionsprozess vor Missbrauch zu schützen, damit diese nicht als „Parteinahme“ instrumentalisiert würden. Die Brüder aus der DDR verdeutlichten nochmals, dass sie ihren Verstoß gegen die „ökumenische Grundregel“ bedauerten, ohne Rücksprache mit der betroffenen Kirche öffentlich zu politischen Sachfragen Stellung zu nehmen. In diesem Kontext kam auch die Frage auf, inwieweit die Kirchen in ihren Verlautbarungen „politische Begriffe und Kurzformeln“ verwenden sollten. Die sowohl in der „Erklärung“ als auch im Titel der ThSA-Studie enthaltene Bezeichnung „Sicherheitspartnerschaft“ bewerteten die EKD-Vertreter als problematisch, weil die ihr zugrundeliegenden Gegensätze verharmlost werden könnten. Ferner müsse darauf geachtet werden, dass die Kirchen mit der Übernahme derartiger politischer Formeln Gefahr liefen, zwangsläufig auch „politische Einzelentscheidungen und Konzepte“ unter ihre Autorität zu nehmen. Nach wie vor ungeklärt, konstatierten die Anwesenden, sei die Frage des Umgangs mit dem wachsenden Meinungspluralismus in der Kirche. Kaum noch zu vermitteln sei, dass die Kirche durch ihre Organe rede. Das Recht, eine öffentliche Äußerung zu tun, könne nicht auf die kirchlichen Leitungsgremien beschränkt werden. Demke berichtete darauf über den Antrag17, den die für 17 Es kam zu keiner Aufnahme des Antrags, der die Forderung nach einem Konzil des Friedens enthielt, in die offiziellen Versammlungstexte der ÖRK-Vollversammlung. Dennoch hat er in der Ökumene und in der DDR eine große Wirkung erzielt (Abdruck des Wortlauts in: GEMEINSAM, S. 264–268). Aufschlussreich ist in diesem Kontext folgender Rückblick H. Falckes: „Das Erfolgserlebnis bei diesen Konsultationen war für mich das 1982 formulierte Zwischenergebnis. Das darauf folgende Jahr war dann allerdings fast so etwas wie ein Krisenjahr der besonderen Gemeinschaft. Es ist mir in ‚besonderer‘ Erinnerung, weil ich mich sogar dreifach der Sünde der Einmischung schuldig machte. Beim hannoverschen Kirchentag mit meinem Auftritt bei der Friedensversammlung (zusammen mit Kurt Scharf und Biermann!), dann in Vancouver mit unserem Antrag zum Friedenskonzil, dessen Öffentlichkeitswirkung in der Anfangsphase der Vollversammlung durch das bis heute unaufgeklärte Telegramm aus der Auguststr. gestoppt wurde, und schließlich durch meine Rede im Herbst bei der Demo im Bonner Hofgarten [am 22.10.1983]“. Von westlicher Seite wurde Falckes Rede tendenziell eher als Ausdruck seiner politischen Einbindung in die DDR interpretiert. Dem widersprach Wilkens im KJ, indem er auf den festen theologischen und ethischen Unterbau von Falckes Beitrag und die Tatsache hinwies, dass der Bund trotz der Aussage, dass die Verweigerung des Wehrdienstes das

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die ÖRK-Vollversammlung in Vancouver Delegierten aus der DDR eigenverantwortlich stellen wollten. Die leitenden Gremien seien lediglich über diese Tatsache und über den Inhalt des Antrags nur in groben Zügen unterrichtet worden. Der nächste Tagesordnungspunkt war das in beiden deutschen Staaten unterschiedlich ausgeprägte Rechtsverständnis. Von Heyl hob in seinem Gesprächseinstieg über die Frage der Staatsangehörigkeit hervor, dass die Regelung der Staatsbürgerschaft „im Einklang mit dem Völkerrecht“ eine rein innerstaatliche Angelegenheit sei. Die DDR verbinde mit ihrer kontinuierlichen Forderung nach der Einführung einer eigenen Staatsbürgerschaft in der Bundesrepublik praktisch unerfüllbare Erwartungen. In der sich anschließenden Debatte wurde deutlich, dass mit dem „Selbstverständnis der Bundesrepublik als Provisorium“ der DDR automatisch ebenfalls der Status der Vorläufigkeit zugeschrieben werde, gleichwohl diese Auffassung von der DDR keineswegs geteilt werde. Eine endgültige rechtliche Klärung der Frage der Staatsbürgerschaft könne nur auf der Basis eines Friedensvertrags erfolgen, so dass letztlich angestrebt werden müsse, dass die jeweiligen Regelungen in der Bundesrepublik und der DDR wechselseitig respektiert würden und es weder zu „Diskriminierungen“ noch zu „Bevormundungen“ komme. Welche Auswirkungen die staatliche Rechtsauffassung in der DDR auf die deutsch-deutschen Beziehungen zeige, veranschaulichte Domsch anhand der DDR-Verfassung. Die Grundrechte der Bürger seien durchweg „bezogen und dadurch begrenzt auf die Grundsätze und Ziele der Verfassung“. Dies habe insofern Konsequenzen für die Kirche, als sie nicht als Organisation, sondern lediglich im Kontext der Grundrechte Erwähnung finde. Die DDR-Bürger reagierten auf die Rechtsauffassung in ihrem Land mit abneh-

„deutlichere Zeugnis des gegenwärtigen Friedensgebots unseres Herrn“ sei, die Totalverweigerung niemals zur „verbindlichen Bekenntnisentscheidung“ erklärt habe (Auszugsweiser Abdruck in der 2. Lieferung des KJ 1983 [110. Jg.], S. 320f.). – Als Ziegler bei einem Gespräch mit Wilke in der Dienststelle des Staatssekretärs am 20.12.1983 betonte, dass die Ablehnung einer Reise Falckes nach Genf am 8.1.1984 „schwerwiegende Folgen“ haben könne, entgegnete Wilke, es ginge nicht um Ablehnung, sondern den Wunsch Gysis, vor der Reise mit Falcke zu sprechen u. a. „über seine Äußerungen bei der Friedensversammlung in Bonn“ (Vermerk Ziegler vom 22.12.1983, S. 2 [EZA, 101/4714])]. Ich habe die Öffentlichkeiten der beiden deutschen Staaten in der Friedensfrage damals nicht als eine gegeneinander abschottbare Gesamtscene erlebt und das auch öffentlich ausgesprochen. Die Kirchen konnten nicht verhindern, dass ihnen das Reden der jeweils anderen Kirche in polemischer Absicht vorgehalten wurde. Einmischungsverbote waren kein geeignetes Instrument, um damit umzugehen. Übrigens hat Ihre Kurzdarstellung des Jahres 1983 [auf der Abschlusstagung des EKD-Forschungsprojekts „Die Rolle der Ev. Kirche im geteilten Deutschland“ vom 22. bis 24.11.2001 in Berlin] in mir die alte Vermutung bestärkt, dass das Maulkorbtelegramm im Anfang von Vancouver auf eine Intervention des hannoverschen Kirchenamtes bei der Auguststr. zurückgeht. Heidingsfeld bekam in den neunziger Jahren von Otto von Campenhausen den Auftrag, die Sache mit Christa Lewek aufzuklären. Dass dies ohne Ergebnis blieb, ist vielleicht sogar eine Bestärkung meiner Vermutung“ (Schreiben Falcke an A. S. vom 10.12.2001, S. 1). – Der Sachverhalt konnte bis heute nicht aufgeklärt werden.

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mender Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen oder selbst die Initiative zu ergreifen. Im Zusammenhang mit Domsch‘ abschließenden Hinweis auf die sich verbreitende Angst vor einer Umsetzung des NATO-Doppelbeschlusses und die Notwendigkeit, gemeinsam an dieser Problematik weiterzuarbeiten, fand ein Gedankenaustausch über mögliche „Wege aus der Sackgasse nuklearer Abschreckung“ statt. Darüber kamen die Mitglieder der Konsultationsgruppe nochmals auf ihren gemeinsamen Arbeitsbericht vom vergangenen Jahr, der innerhalb der EKD eine positive Aufnahme gefunden habe und weithin als Fortsetzung der EKD-Friedensdenkschrift bewertet werde, wie von Keler mitteilte. Es wurde erwogen, ob es nicht an der Zeit sei, dass die Kirchen ein „orientierendes Wort“ sprächen. Die Anwesenden empfanden es als äußerst problematisch, dafür den richtigen Zeitpunkt zu bestimmen und vor allem den „Zusammenhang von Inhalt und Zeitpunkt“ zu klären. Einerseits könne man die Resultate der Vollversammlung des ÖRK in Vancouver abwarten, auf der anderen Seite müssten sich die Kirchen auch im Falle einer neuen „Eiszeit“ zwischen den Staaten und Machtblöcken zu Wort melden. Eine Stellungnahme müsse zudem sehr zielgerichtet formuliert und adressiert werden, um nicht zum Allgemeinplatz zu werden. Die östlichen und westlichen Kirchenvertreter kamen überein, ihren Leitungsgremien folgenden Vorschlag zu unterbreiten: In der ersten Septemberhälfte sollten der Ratsvorsitzende der EKD und der Vorsitzende der KKL sich „im Blick auf die Genfer Verhandlungen“ an beide Regierungen wenden und „die Entschlossenheit für die Verhandlungen sowie die Sorgen um die Folgen des Mißlingens der Verhandlungen“ unterstreichen. Auch müsse „dafür eingetreten werden, dass die Regierungen an den vielfältigen Äußerungen der Friedenssehnsucht und des Friedenswillens, vor allem junger Menschen, nicht vorbeigehen können und sie schon gar nicht diffamieren sollten“. Ein solches Schreiben könne unter dem Vorbehalt, dass den beiden Vorsitzenden Eduard Lohse und Johannes Hempel die Entscheidung über „die Ausführung eines gegebenenfalls von den Leitungsgremien beschlossenen Auftrages“ zukomme, in den „beiden Konsultationsgruppen bzw. Dienststellen“ vorbereit werden. Die Mitglieder der Konsultationsgruppe mussten sich am Ende ihrer Tagung eingestehen, dass die Frage der Fortsetzung des Nachdenkens, wie dem „Vorrang der Politik vor militärischen Entwicklungen“ Geltung verschafft werden könne, nach wie vor unbeantwortet geblieben sei.18 Nachdem am 1. und 2. Juli bei der Sitzung der KKL über den wieder in Aussicht genommenen Bittgottesdienst für den Frieden und die Veranstaltung einer Studientagung für Synodale zum Gedenken an den 50. Jahrestag der Barmer 18 Vermerk Demke o. D., S. 1–4 (EZA, 101/3138). – Dieser Termin wurde allerdings wieder abgesagt, und die nächste Konsultation fand erst am 1./2.12.1983 statt.

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Erklärung beraten worden war, erstattete Demke einen Bericht über den Verlauf der Konsultation und die Anregung der Gruppe, ein gemeinsames Schreiben der Vorsitzenden von Rat und KKL an die Regierung der DDR und die Bundesregierung zu richten. Die Anwesenden beschlossen einstimmig, diesem Vorschlag in jeder Hinsicht zu folgen, erteilten BEK-Sekretariat und den Mitgliedern der Konsultationsgruppe den Auftrag, einen Brief vorzubereiten und autorisierten ihren Vorsitzenden Hempel, „im Benehmen mit dem Ratsvorsitzenden der EKD über die Ausführung des Beschlusses zu entscheiden“. An den Vorstand der KKL war die Bitte gerichtet, im Blick auf die Weiterführung der Konsultationen mit der EKD einen Vorschlag zur Besetzung des Gremiums zu machen. Die derzeitigen Mitglieder blieben im Besitz ihres Mandats. Mit einem Sachstandsbericht über das Arbeitsmaterial, das zur kommenden Friedensdekade vorgelegt worden war, beendete die KKL ihre Tagung.19 Der Wunsch der KKL nach Unterstützung bei der Neuzusammensetzung der Konsultationsgruppe wurde vom Vorstand am 27. Juli zur Kenntnis genommen, die Beratung dieses Themas allerdings auf Mitte Oktober verschoben.20 Früher als in Aussicht genommen, nämlich bereits von der VI. ÖRK-Vollversammlung im kanadischen Vancouver aus, sandten der Ratsvorsitzende der EKD und der KKL-Vorsitzende am 10. August dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker und Bundeskanzler Helmut Kohl einen Brief zu. Das kurze Schreiben bestand aus drei Abschnitten. Im ersten erläuterten Hempel und Lohse, dass das „starke Verlangen der Völker und Kirchen nach Frieden und Gerechtigkeit“ während der Vollversammlung für sie unmittelbar zu spüren gewesen sei und ihr Bewusstsein um die besondere, aus der Geschichte und der „geographischen und politischen Situation“ resultierende Verantwortung beider deutscher Staaten für die Friedenssicherung weiter gewachsen sei. So baten die Kirchenvorsitzenden die beiden Regierungsverantwortung tragenden Politiker mit großem Nachdruck, sich innerhalb ihrer Bündnissysteme für den Erfolg der anstehenden Genfer Verhandlungen einzusetzen. Zuletzt regten Hempel und Lohse in Fürsprache für die Dritte-Welt-Staaten eine Umwidmung der „durch Abrüstung freiwerdenden Mittel und Kräfte in West und Ost“ für die Hilfe gegen den Hunger an. Sie wiesen auf ihre eigenen Bemühungen hin, den Dialog zwischen den Kirchen, in den Gemeinden und die Gespräche von Bund und EKD mit ihren jeweiligen Regierungen weiterzuführen und zu intensivieren.21 19

Protokoll (Radke) der 87. KKL-Tagung am 1./2.7.1983, S. 6 (EZA, 101/3063). Protokoll (Ziegler) über 154. Sitzung des KKL-Vorstands am 27.7.1983, S. 2 (EZA, 101/3081). 21 Abdruck des Schreibens bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 134f. Zum Entstehungsprozess, der aus den einschlägigen Akten nicht weiter hervorgeht, vgl. das Schreiben Demke an Hammer vom 14.7.1983 sowie die Zusammenstellung einiger Formulierungsvorschläge von Kelers 20

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Die Mitglieder des KKL-Vorstands erfuhren am 22. August von Lewek, dass die Vorsitzenden des Rates der EKD und der KKL schon in Vancouver die Entscheidung getroffen hätten, das von der Konsultationsgruppe angeregte Schreiben an beide deutsche Regierungen „unter dem Eindruck“ der ÖRK-Vollversammlung zu formulieren und abzusenden, bevor die Genfer Verhandlungen über die Stationierung weiterer Mittelstreckenraketen in Westeuropa in die „entscheidende Phase“ einträten. Das von der Konferenz vorgeschlagene Vorgehen hätte demgegenüber „zu viel Zeit gekostet“. Staatssekretär Gysi habe den Brief bereits am 20. August erhalten. Der Vorstand sprach in seinem darauf gefassten Beschluss – offensichtlich ohne jede Verstimmung über den „kurzen Entscheidungsweg“ – dem Vorsitzenden seinen Dank aus und schloss sich der Ansicht Hempels und Lohses an, dass nun möglichst unverzüglich die Kirchengemeinden informiert werden müssten. Es wurde die Verabredung getroffen, das Schreiben in der Ausgabe des ENA vom 1. September abzudrucken und gleichzeitig eine sogenannte Schnellinformation des Sekretariats des BEK auf den Weg zu bringen, während auf eine „eigene Presseinformation des Bundes“ verzichtet werde. Der Bundesregierung sei der Brief schon übergeben worden, eine vorzeitige Veröffentlichung im EKD-Bereich müsse „von dort durch entsprechenden Sperrvermerk“ 1. September abgesichert werden. Sollte das Schreiben allerdings seitens der Regierung der DDR vor diesem Datum bekannt gegeben werden, könne der Sperrvermerk entfallen. Über diesen Beschluss des Vorstands müsse die EKD unterrichtet werden. Da die „Aufgabe erledigt“ sei, könne die für den 1. September angesetzte Konsultation zwischen den Vertretern beider Kirchen ausfallen.22 Lohse informierte die Mitglieder des Rates auf ihrer Sitzung am 16. und 17. September, dass Hempel und er bewusst Vancouver als Absendeort ausgewählt hätten. Die Anwesenden brachten zum Ausdruck, dass sie das gemeinsame Schreiben der Vorsitzenden beider Kirchenbünde als „sehr hilfreich“ empfänden.23 Bundeskanzler Kohl reagierte am 19. September auf das gesamtdeutsche Schreiben der Kirchen. Er bestätigte, dass „alle Deutschen“ sich den Frieden wünschten und konstatierte, „wir alle“ seien „eine gemeinsame große Friedensbewegung“. Die Aussage beider Kirchenführer, „von deutschem Boden [dürfe] nie wieder Krieg ausgehen“, interpretiere er als „konkrete Aufforderung, für den Frieden und seine Festigung mit aller Kraft und aller Leidenschaft zu arbeiten“. In diesem Kontext nannte Kohl die zahlreichen Aktivitäten und Anregungen, vom 27.7.1983. Als Dok. 26 und 27 abgedruckt in: W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 389f. und 400–403. 22 Protokoll (Ziegler) über die 155. Sitzung des KKL-Vorstands am 22.8.1983, S. 1f. (EZA, 101/3081). 23 Auszug aus Niederschrift über die 46. Sitzung des Rates der EKD am 16./17.9.1983. Zitiert nach W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 403, Dok. 28.

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die die Bundesrepublik in die internationalen Friedensverhandlungen eingebracht habe, sowie die deutsch-deutschen Gespräche über Abrüstungsfragen und Rüstungskontrolle, die demnächst in Bonn fortgesetzt werden sollten. Diese Politik der Bundesregierung resultiere aus der „tiefen Überzeugung“, dass der Waffeneinsatz und die Ausübung von Gewalt nicht mehr Mittel zur Umsetzung politischer Zielstellungen sein dürften. Der in unterschiedlichen Vertragswerken, auch im Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR festgeschriebene Grundsatz des Gewaltverzichts sei ihm daher ein „persönliches Anliegen“, und die „entsetzliche“ Tatsache, dass eine südkoreanische Passagiermaschine von sowjetischen Militärflugzeugen abgeschossen worden sei24, verstärke nur die Notwendigkeit, „auf diesem Grundsatz zu bestehen“. Der Bundeskanzler fügte hinzu, dass es ein Irrtum sei zu glauben, „deklaratorische Gesten“ könnten ausreichen. So werde er sich „mit ebensolcher Leidenschaft“ für den Erfolg der amerikanisch-sowjetischen Verhandlungen in Genf engagieren, doch müsse er im Blick auf die von beiden Kirchen geforderte „spürbare Verringerung der beiderseitigen Waffensysteme“ und dem Verzicht auf Nachrüstung darauf hinweisen, dass die deutliche und nach wie vor forcierte Aufrüstung seitens der Sowjetunion Auslöser für den NATO-Doppelbeschluss gewesen sei, während die USA bereits 1979 ihre Rüstungsanstrengungen eingestellt und die Sowjetunion „beharrlich“ zur „Korrektur ihrer politischen und militärischen Fehlentscheidung zu bewegen“ versucht hätten. Die Anregung, die für die militärische Rüstung notwendigen immensen Summen im „Kampf gegen Hunger und Not“ vor allem in der „Dritten Welt“ zu verwenden, verstünde er als „doppelte“ Mahnung, „endlich Frieden zu schaffen mit weniger Waffen“.25 Lohse nahm auf der 6. Tagung der 6. Synode der EKD in Worms, die mit einer Festveranstaltung des Rates der EKD zur Lutherehrung am 30. Oktober eröffnet wurde, zu Kohls Schreiben Stellung: „Der Brief, den Bischof Hempel und ich geschrieben haben, ist durch den Bundeskanzler mit einer öffentlichen Antwort versehen worden, die er seinerseits publiziert hat. Wichtiger als diese Antwort, die eine Darlegung seiner Position enthält, ist mir aber, dass die mündlichen Kontakte weitergehen. Der Staatsratsvorsitzende der DDR hat nicht schriftlich geantwortet – das wird er sich gut überlegt haben –, aber er hat mich wissen lassen, und ich habe das auch in einem Gespräch mit einem Regierungsmitglied der DDR kürzlich bestätigt bekommen, dass er das Gespräch mit den Kirchen weiterführen will. Wir sollten uns bemühen, diese zarten Fäden der Gesprächskontakte nach 24 Die Verhandlungen über mögliche Konsequenzen dieses Vorfalls vom 1.9.1983 waren frühzeitig abgebrochen worden. 25 Schreiben Kohl an Hempel und Lohse vom 19.9.1983 (Vgl. 2. Lieferung des KJ 1983 [110. Jg.], S. 272–274). Seinerzeit veröffentlicht im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 103 vom 5.10.1983, S. 945f.

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beiden Seiten weiterzuspinnen. Von Ergebnissen kann ich dabei leider nicht berichten, aber wir werden dranzubleiben bestrebt sein.“26

Divergierende Vorstellungen über die Zielstellung der Konsultationen und den „richtigen“ Weg zum Frieden Wie geplant setzte sich der Vorstand der KKL am 13. Oktober wieder mit der Weiterarbeit und personellen Besetzung der Konsultationsgruppe auseinander. Den Hintergrund dieses offensichtlich problematischen Prozesses erhellte Lewek mit der Information, dass die Vorstellungen, die in Bund und EKD über den Arbeitsauftrag der Gruppe bestünden, keineswegs übereinstimmten. Während vom BEK die Konsultationsgruppe als „Arbeitsgruppe für Friedensfragen“ verstanden werde, wolle die EKD ihr die Funktion eines „geschäftsführenden Ausschusses“ der Beratergruppe zuschreiben. Die Mitglieder des Vorstands entschieden, dass zunächst mit der Unterstützung von Demke eine „Dokumentation über die bisherige Geschichte und Aufgabenstellung der Konsultationsgruppe“ erarbeitet werden solle. Wichtig sei zur Klärung des Sachverhalts, in wessen Verantwortung das bilaterale Gremium eingesetzt worden sei und ob tatsächlich die Synode des Bundes den Auftrag zu ihrer Installation erteilt habe, wie der Saalfelder Superintendent Große konstatierte. Wenn diese Vorklärung erfolgt sei, könne man sich mit der EKD über den Arbeitsauftrag und die Zielstellung der Gruppe verständigen und zuletzt auch Personen zur Nominierung vorschlagen. Allerdings räumte der Vorstand ein, dass es dem BEK-Sekretariat überlassen bleibe, bereits mit einer Sammlung der Namen derjenigen zu beginnen, die für die Mitarbeit in der Konsultationsgruppe in Frage kämen.27 Einen Monat später richtete der Nachfolger Demkes als Leiter des Sekretariats, OKR Martin Ziegler, ein Schreiben an die bisherigen Vertreter des Bundes in dem Gremium, um sie über den Beschluss der KKL vom 1. und 2. Juli zu informieren, dass ihr Mandat solange bestehen bleibe, bis der KKL-Vorstand in der Lage sei, neue Nominierungsvorschläge für die Konsultationsgruppe vorzulegen. Eine entsprechende Liste sei in Vorbereitung. Ziegler wies darauf hin, dass eine verbindliche Abstimmung über Aufgaben und künftige Weiterarbeit der Konsultationsgruppe ebenfalls noch ausstünde. Die derzeitigen Mitglieder müssten bei den Konsultationen „vor allem die Entwicklungen der letzten Monate und das Verhältnis zwischen 26 Erklärung Lohses vor der EKD-Synode (30.10.–4.11.1983) in Worms (Abdruck in der 2. Lieferung des KJ 1983 [110. Jg.], S. 274). Als Gäste aus der DDR nahmen teil: R.-D. Günther, J. Hempel, H. Schirmacher, S. Wahrmann, M. Ziegler. 27 Protokoll (Ziegler [Teil 1 und 2]/Lewek [Teil 3]) über 156. Sitzung des KKL-Vorstands am 13.10.1983, S. 6 (EZA, 101/3081).

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EKD und Bund in den gegenwärtigen Problemen“ beraten.28 Der Vorstand der KKL entnahm auf seiner Sitzung am 16. November dem Bericht Zieglers, was die angeforderte Dokumentation zur Genese der Konsultationsgruppe ergeben hatte: Tatsächlich gehe ihre 1980 erfolgte Gründung ohne jegliche Beteiligung der Bundessynode auf einen KKL-Beschluss zurück. Die Anwesenden kamen in der nachfolgenden Debatte überein, dass es angeraten sei, nicht in eine erneute Diskussion über die Aufgabenstellung der Konsultationsgruppe einzutreten, sondern einfach davon auszugehen, dass dort weiterhin die Friedensthematik verhandelt werde, diese allerdings nicht der einzige Beratungsgegenstand sein könne. Für die personelle Besetzung kämen ausschließlich Konferenzmitglieder in Frage. Für eine Nominierung schlug der Vorstand der KKL demnach den Greifswalder Bischof und stellvertretenden KKL-Vorsitzenden Horst Gienke, den thüringischen Landesbischof Werner Leich, den BEK-Synodenpräses Siegfried Wahrmann, den Superintendenten des Kirchenkreises Nordhausen-Ilfeld, Johannes Jaeger, den Präsidenten des sächsischen Landeskirchenamtes, Kurt Domsch, sowie OKR Martin Ziegler vor. Mit diesen Entscheidungen für eine künftige Weiterarbeit des bilateralen Gremiums fänden die von der EKD ausgesprochenen Wünsche nach einer Auftragserweiterung der Konsultationsgruppe gleichermaßen Berücksichtigung.29 Die Konsultationsgruppe trat am 1. und 2. Dezember zusammen. Eingangs berichtete von Heyl über die positiven Reaktionen, die das Schreiben Hempels und Lohses innerhalb der EKD ausgelöst habe. Dann wies er darauf hin, dass in das „Wort“ des Rates der EKD „zur Friedensdiskussion im Herbst 1983“ die Erträge der gemeinsamen Konsultationen eingeflossen seien und konstatierte, dass der Rat mit diesem Wort erstmals nicht nur die möglichen Haltungen in der Friedensfrage wiedergegeben, sondern selbst „konkret Stellung genommen“ habe. Bei der Tagung der EKD-Synode in Worms sei es der „einigende Nenner“ gewesen, auf den sich die Synode habe verständigen können. Zur Raketenstationierung in beiden deutschen Staaten sei jedoch nichts Konkretes gesagt worden. Binder erläuterte, dass die EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung die Vorarbeiten für das Ratswort geleistet habe, das sowohl von der SPD als auch der Mehrheit der CDU gewürdigt worden sei. Dezente Kritik hätten die „politischen Konkretionen, besonders der Gedanke der einseitigen Vorleistung“, hervorgerufen.30 Demgegen28

Schreiben Ziegler vom 14.11.1983 (EZA, 101/3138). Protokoll (Ziegler) über 157. Sitzung des KKL-Vorstands am 16.11.1983, S. 4 (EZA, 101/3081). 30 Abdruck des Wortes vom 20.9.1983 in: KJ 1983 (110. Jg.), 2. Lieferung, S. 259–264. Dass der Rat mit seinem Wort die in der Friedensdenkschrift von 1981 formulierte These konkretisieren wollte, dass das Politische gegenüber den Fragen von Rüstung und Militärstrategie Priorität haben müsse, war offenbar in den öffentlichen Debatten missverstanden und als Distanzierung von der EKD-Denkschrift interpretiert worden, so dass der Präsident des Kirchenamtes der EKD sich sogleich mit einer Erklärung 29

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über sei die „Erklärung zu Frieden und Gerechtigkeit“31, die die Vollversammlung des ÖRK in Vancouver abgegeben habe, besonders wegen der darin als Verbrechen gegen die Menschheit bewerteten atomaren Waffen heftiger angegriffen worden. Binder fügte hinzu, dass derzeit noch keine Aussage zu den Konsequenzen gemacht werden könnten, die der am 22. November durch die Billigung des Bundestags32 verwirklichte NATO-Doppelbeschluss über die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen nach sich ziehen werde. Als dann die Sprache auf das „Grußwort“ kam, in dem der KKL-Vorsitzende Hempel vor der EKD-Synode in Worms sich zur aktuellen politischen Situation geäußert hatte33, kam es erstmals seit der Bildung der Konsultationsgruppe nahezu zur Eskalation. Zunächst war lediglich vorgebracht worden, dass das Grußwort in der EKD „kritisches Nachdenken“ ausgelöst habe, „kritisch“ sei besonders nachgefragt worden, warum Hempel „mit keinem Wort auf die Aufstellung von Raketen seit 1977 eingegangen sei“. Auf Bischof Krusches Frage, was denn von Hempel erwartet worden sei, habe Hammer erläutert, dass man mit einem „geistlichen Schlußwort“ gerechnet habe und es auch angesichts der direkten Betroffenheit beider deutscher Staaten nicht nötig sei, „an jeder Stelle von den Raketen“ zu sprechen. Von Heyl fügte hinzu, dass es „weder um Einmischung [sic!] noch um Verletzung des Gastrechtes gehe“, doch sei der Eindruck entstanden, dass der KKL-Vorsitzende kein ausreichendes Einfühlungsvermögen besitze, um die zu Wort meldete (EBD., S. 263f.). Der Staatsminister im Auswärtigen Amt äußerte sich am gleichen Tag zum Ratswort (S. 264f.), desgleichen der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag (S. 265f.). 31 Auszugsweiser Abdruck der „Erklärung“ vom 10.8.1983 sowie eine Dokumentation kirchlicher Stellungnahmen dazu in der 2. Lieferung des KJ 1983 (110. Jg.), S. 325–330. 32 Mit 286 gegen 225 namentliche Stimmen sowie einer Enthaltung. 33 Hempel hatte sich für ein System der gemeinsamen Sicherheit ausgesprochen und u. a. gesagt: „Wir – d. h. die Christen in der DDR – glauben nicht, dass weitere Raketen in Europa uns dem Frieden näherbringen oder den Abrüstungsverhandlungen in Genf zum Erfolg verhelfen. […] Wir glauben, dass angesichts des gegenwärtigen Maßes an vorhandener Bewaffnung nur noch die harte Arbeit risikofähiger Verhandlungen – trotz Ermüdung und Enttäuschungen – dem Bewahren des Friedens dient. […] Viele Christen bei uns – ich auch – fürchten, dass die Stationierung weiterer Raketen in Europa die Menschen in den beiden deutschen Staaten weiter auseinanderbringen und in unserem Land die Lage vieler Menschen, unabhängig von ihrer Weltanschauung, seelisch und materiell belasten wird. Wir sprechen darüber mit unserer Regierung. In uns ist die Überzeugung, dass unsere Regierung die Wahrung ihrer Integrität, einigermaßen gleiche Sicherheit und tatsächlich Frieden will. […] Mit mir glauben viele Christen in unserem Land, dass dennoch unser Herr seine bewahrenden Hände um uns hält und dass allen Gebeten in ihren Kirchen und in den unseren um Vernunft und Frieden Gottes Verheißungen gelten“ (Vgl. den Bericht von E. Lohse für die Enquete-Kommission zum Verhältnis der beiden deutschen Kirchen. In: M ATERIALIEN, Bd. VI,2, S. 997–1025; hier S. 1017). – Vgl. dort auch die ausführliche Schilderung Lohses von der empörten Reaktion des neben ihm sitzenden Bundeskanzlers und die darauf folgende Zurechtweisung Hempels, die seitens der EKD-Vertreter mit den Stichworten der „massiven Einmischung in innenpolitische Auseinandersetzungen innerhalb der Bundesrepublik“ und dem „Widerspruch gegen die zwischen unseren Kirchen geltende Absprache“ vorgenommen worden war.

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Angst der Bundesdeutschen vor den Raketen der Sowjetunion nachzuvollziehen. Diese Bemerkung ließ Superintendent Große seine Zweifel zum Ausdruck bringen, „ob die Konsultationen überhaupt etwas ausgetragen hätten, denn die EKD hätte sich so aus dem Feuer herausgehalten, dass die Kirchen in der DDR sich im Stich gelassen fühlen könnten. Mit dieser Haltung sei die bisherige Übereinstimmung verlassen worden, dass jeder weitere Schritt der Aufrüstung ein Schritt in die falsche Richtung sei“. Der Erfurter Propst Falcke gab zu bedenken, dass westdeutsche Politiker über das Medium Fernsehen „ständig“ in die DDR-Situation „hineinsprächen“ und es daher von vielen als „befreiend“ empfunden worden sei, dass Bischof Hempel die „Ängste beim Namen genannt“ habe. Nun wies Binder auf die Divergenzen hin, die allein unter den Mitgliedern der Konsultationsgruppe im Blick auf „theologische Ansätze“ und die daraus resultierenden völlig unterschiedlichen Haltungen gegeben seien. „Einseitige Äußerungen“ aus dem Bereich des Bundes könnten zur Folge haben, dass dem Misstrauen unter den Bundesbürgern, in der DDR existiere eine „gleichgeschaltete Kirche“, nichts mehr entgegenzusetzen sei. Von Heyl betonte, dass angesichts des großen Meinungspluralismus auch innerhalb der Bundesrepublik nicht gesagt werden könne, „an dieser Frage [werde] die ganze Trennung zwischen EKD und Bund offenbar“. Er konstatierte, dass die Kirchenvertreter aus der DDR nun einmal keinerlei Erfahrungen mit Christen hätten, „die unmittelbare politische Verantwortung auf höchster Ebene trügen“. Hinsichtlich der zahllosen Gefahrenpunkte in dieser Welt sei eine Fixierung auf die Frage der Raketen unangemessen. Krusche brachte sein Bedauern darüber zum Ausdruck, dass auf der Wormser Tagung der EKD-Synode weder eine Auseinandersetzung mit dem „durchaus politischen Handeln Luthers“ stattgefunden habe noch Stellung gegen die „Kreuzzugs-Ideologie gegen den Kommunismus“ genommen worden sei. Während Demke und Große die Ansicht vertraten, dass die Raketenstationierung nicht die „Sicherheit, sondern nur die Ängste vergrößert“ habe, beklagte Hammer, dass die Worte und sogar die Gespräche der Kirche offensichtlich wirkungslos seien. Von Heyl rechtfertigte auf der einen Seite die jüngste Raketenstationierung als Abwehrreaktion gegen den Einsatz der seit 1977 gegen die Bundesrepublik aufgestellten sowjetischen SS-20, räumte andererseits jedoch ein, dass die aktuelle Diskussion vielen Menschen die „Aporie der Verteidigungspolitik“ bewusst gemacht habe. Gegen Ende dieser Debatte hatte sich die Gesprächssituation in der Konsultationsgruppe wieder beruhigt, und die östlichen Brüder berichteten von der Tagung der Bundessynode im September, auf der die Friedensthematik im Mittelpunkt gestanden habe.34 Gienke erwähnte in diesem 34 Die BEK-Synode hatte vom 16. bis 20.9.1983 in Potsdam-Hermannswerder getagt. Im ihrem Beschluss zum KKL-Bericht vom 19.9.1983 war nochmals dezidiert zum Friedenszeugnis der evange-

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Zusammenhang den vertraulichen Brief der KKL an Honecker und dessen mündliche Antwort.35 Die Verhandlung des Tagesordnungspunkts „Das Verhältnis von EKD und Bund auf dem Hintergrund der gegenwärtigen Entwicklungen“ ergab, wie von Heyl zusammenfasste, dass die „Unterschiede zwischen Bund und EKD nicht größer, sondern kleiner geworden seien“. Die nach wie vor bestehenden Differenzen im Blick auf die Haltung zu den Fragen des Friedens ergäben sich „auch“ durch die „Verschiedenheit der gesellschaftlichen Verhältnisse“. So scheine der BEK eine klarere und eindeutigere Linie zu verfolgen und nehme hinsichtlich der Einführung neuer Waffensysteme entsprechend „verhältnismäßig konkret“ Stellung. Dass „eine Ächtung der Kernwaffen im völkerrechtlichen Sinne sofortige Konsequenzen nach sich ziehen müsse, auch für das Grundgesetz“, gab von Heyl zu bedenken. Logische Folge einer solchen grundsätzlichen Ächtung müsse der „sofortige Abbau“ aller atomarer Waffen sei, da ein „schrittweiser Abbau“ nicht in Frage komme. Diese Radikallösung führe jedoch zur Destabilisierung. Die von den östlichen und westlichen Vertretern der Konsultationsgruppe darauf angestellten Überlegungen, welche kirchlichen Aufgaben sich aus der derzeitigen Situation ergäben, führten Domsch zur Formulierung der Verhandlungsthemen für die nächsten Zusammentreffen: „1. Das Mandat von Kirche und Staat; 2. Der Dialog nach beiden Seiten; 3. Wodurch ist das Abschreckungssystem zu überwinden?“ Binder fügte hinzu: „Internationale Friedensordnung als Ziel neuer Möglichkeiten der Entspannung“ und „Die Aufgaben der Kirchen zur Eindämmung des kalten Krieges“. Der Forderung Großes, die „besondere Verantwortung“ der Deutschen zu thematisieren, wurde von Binder entgegengesetzt, dass andere Völker große Befürchtungen im Blick auf die „Unsicherheit“ der Deutschen hegten. Falckes Hinweis, dass trotz der Bindung beider deutscher Staaten an unterschiedliche Bündnissysteme das Bestehen von Einzelinteressen der den Blöcken zugehörigen Staaten „nicht zu übersehen“ sei. Dadurch ergebe sich für die Bundesrepublik und die DDR „auch Handlungsspielraum“. Zum Abschluss ihrer Konsultation kamen die Kirchenvertreter auf die Aufgabenstellung ihrer eigenen Gruppe zu sprechen. Gienke erläuterte die Vorstellungen des KKL-Vorstands: „a) Vertrauliche Gespräche über die politischen Verhältnisse in den beiden deutschen Staaten; b) Die Behandlung der Friedensfrage zwischen dem Ausschuß für Kirche und Gesellschaft lischen Kirchen Stellung genommen worden. Ferner hatte die Synode am 20.9.1983 eine Erklärung „zur Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen“ abgegeben (Abdruck beider Dokumente bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 142–148; 149f.). 35 Das Schreiben vom 29.10.1983 war vom Staatsratsvorsitzenden über Staatssekretär Gysi am 3.11.1983 mündlich beantwortet worden. Vgl. zu diesem Vorgang die Information des BEK-Sekretariats über Honeckers Antwort sowie den Brief der KKL: M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 151ff.

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und der Kammer für Öffentliche Verantwortung“. Demnach gehörte nicht nur die Beratung der Friedensthematik zum Aufgabenbereich der Konsultationsgruppe, wie die Anwesenden feststellten. Für die kommende Sitzung wurde von Heyl mit der Vorbereitung eines Gesprächseinstiegs über die Möglichkeiten zur Überwindung des Systems der Abschreckung beauftragt, während Binder und Domsch um eine Einführung zur besonderen Beziehung der Bundesrepublik und der DDR unter der Themenstellung „Die Friedensaufgaben der Deutschen“ gebeten wurden.36 Am 6. Januar 1984 merkte der KKL-Vorsitzende Hempel auf der außerordentlichen Vorstandssitzung nochmals an, dass es nötig sei, bei der leicht veränderten Aufgabenstellung der Konsultationsgruppe den Bezug zu den KKL-Beschlüssen vom 15. März 1981 herzustellen, was wiederum mit Schwierigkeiten verbunden sei.37 Helmut Zeddies, Leiter des lutherischen Kirchenamtes der VELKDDDR, erklärte, dass sowohl die VELKD als auch der West-Bereich der EKU den Beschlüssen der KKL bereits ihre Zustimmung erteilt hätten. Es sei vielmehr die EKD, deren Entscheidung ausstünde, die Beratergruppe gemäß den Anregungen der KKL einer Neuordnung und Neubesetzung zu unterziehen. Wenn nun, der Vorstellung der EKD entsprechend, die Konsultationsgruppe die Funktion eines geschäftsführenden Ausschusses für die Beratergruppe übernähme, würden die gesamten Bemühungen um die Umstrukturierung und Beauftragung beider Ost-West-Gruppen erneut ins Stocken geraten. Daher müsse eine Aussprache zwischen Bund und EKD über die Zukunft der Beratergruppe an erster Stelle stehen, während danach beschlossen werden könne, ob ein geschäftsführender Ausschuss gebildet werden solle, welche Aufgaben ihm zu übertragen seien, ob die Konsultationsgruppe für die Ausübung dieser Funktion in Frage käme oder „ob sie auf eine spezielle andere Aufgabenstellung festzulegen sei“. Nach der Debatte fassten die Mitglieder des Vorstands den Beschluss, ihren „Personalvorschlag in der vorliegenden Form in die Konferenz einzubringen, dabei aber zu erklären, dass es sich um eine provisorische Lösung in Fortführung der bisherigen Regelung handele und die jetzige Neubildung nicht als Vorgriff auf die im Beschluß der Konferenz vom 15.3.1981 ins Auge gefaßte Neuordnung der Beratergruppe zu verstehen sei. Ziegler soll die Vorlage in die Konferenz einbringen“.38

36 Entwurf Vermerk Ziegler vom 19.1.1984, S. 2–5 (EZA, 101/3138). – Vgl. auch das Teil-Protokoll, das Domsch über den zweiten Beratungstag der Konsultationsgruppe angefertigt hat (Abdruck als Dok. 31 bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 407–409). 37 Dieser Beschluss hatte für eine Neuordnung der Beratergruppe die potentielle Bildung einer VEK in der DDR, also die Beteiligung von EKU und VELK, berücksichtigt. 38 Protokoll (Ziegler) über außerordentliche Sitzung des KKL-Vorstands am 6.1.1984, S. 1 (EZA, 101/3082).

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Genau im Sinne der Vorschläge des KKL-Vorstands entschieden die Konferenzmitglieder auf ihrer Sitzung am 6. und 7. Januar, nachdem Ziegler auftragsgemäß die mit der Neubildung der Konsultationsgruppe verbundene Problematik dargelegt hatte und ausführlich besonders „die Frage des inhaltlichen Auftrags der Konsultationsgruppe und die Struktur der zwischen Bund und EKD gebildeten Gruppen“ erörtert worden war: Wie bisher sollten in den Konsultationen die Fragen des Friedens im Mittelpunkt stehen 39, jedoch – in Anlehnung an die Aufgabenbestimmung, die die Gruppenmitglieder bei ihrer ersten Zusammenkunft am 13. März 1980 vorgenommen hatten – seien gleichermaßen „aktuelle Fragen“ gemeinsam zu verhandeln40. Die Konsultationsgruppe erhielt von der KKL den Auftrag, „mit der EKD die künftige Durchführung des Beschlusses vom 15.3.1981 zu verhandeln und bis spätestens Ende 1984 zu berichten. (10 Ja-Stimmen, 3 Gegenstimmen, 6 Enthaltungen). Die Konferenz geht gleichzeitig davon aus, dass eine konstante Gesprächsgruppe zwischen dem Ausschuß Kirche und Gesellschaft und der Kammer für öffentliche Verantwortung zu Grundfragen der Friedensverantwortung zwischen Bund und EKD verabredet wird. Die Konferenz bittet den Vorstand, entsprechende Gespräche mit der EKD einzuleiten. (10 Ja-Stimmen, 7 Gegenstimmen, 3 Enthaltungen)“.

Auch der Anregung des Vorstands vom 16. November hinsichtlich der personellen Neubesetzung der Konsultationsgruppe von Bundesseite erteilte die Konferenz ihre Zustimmung. Lediglich bei der Nominierung Gienkes enthielten sich fünf, bei Ziegler sechs der Anwesenden ihrer Stimme.41 Ziegler legte am 10. Januar dem Vorstand einen ersten Entwurf für ein gemeinsames Wort mit der EKD an die Gemeinden zum Barmen-Gedenken vor, den eine Vorbereitungsgruppe des Bundes ausgearbeitet hatte. Er wies darauf hin, dass dieser mit EKD-Vertretern „abgestimmt“ worden sei. Die Mitglieder des Vorstands kritisierten, dass kein konkreter Bezug zur jeweils unterschiedlichen aktuellen Situation hergestellt worden sei, aus der heraus Bund und EKD heutzutage der 1934 mit der Barmer Erklärung getroffenen Entscheidung gedächten: Weder fänden die in der „50-jährigen Geschichte vollzogenen Änderungen“ Berücksichtigung noch klängen die „Schuld und die Belastungen dieser Geschichte“ in irgendeiner Weise an. Zu bemängeln sei ferner „eine Reihe von höchst mißverständlichen Formulierungen, wie z. B. ‚Allzuständigkeit des Staates‘ oder ‚aus allen Teilen Deutschlands‘ statt aus allen ‚Landeskirchen Deutschlands‘“.42 Auf der Kollegiumssitzung des Kirchenamtes der EKD war es Löwe, 39

12 Ja-Stimmen, 1 Gegenstimme, 5 Enthaltungen. 13 Ja-Stimmen, 1 Gegenstimme, 5 Enthaltungen. 41 Protokoll (Grengel) der 90. KKL-Tagung am 6./7.1.1984, S. 8 (EZA, 101/3064). 42 Protokoll (Ziegler) über 159. Sitzung des KKL-Vorstands am 10.1.1984, S. 4 (EZA, 101/3082). 40

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der im Zuge der Vorbereitung der Ratskommission und der Ratssitzung Ende Januar die Vorlage präsentierte. Mit nur einer Gegenstimme beschlossen die Mitglieder des Kollegiums, diese Fassung für ein Wort von Bund und EKD in unverändertem Wortlaut in den Rat zu geben. Für den Fall, dass der Rat sich für einzelne Formulierungsänderungen aussprechen würde, sollten zwei oder drei seiner Mitglieder es übernehmen, sich in einer Beratung mit dem Vorsitzenden der KKL darüber zu verständigen.43 Fast erlöst richtete der Leiter des BEK-Sekretariats am 27. Januar ein Schreiben an Hammer, um ihm die endgültigen Entscheidungen bekannt zu geben, die die Konferenz auf ihrer Sitzung knapp drei Wochen zuvor nach langem Überlegen über die Neubildung der Konsultationsgruppe getroffen hatte. Ziegler schilderte die Hintergründe und den Hergang der Debatten, die die KKL zu ihrem Beschluss geführt hatten und gab ihn vollständig wieder. Darin war – abgesehen von der BEK-seitigen personellen Neubesetzung der Konsultationsgruppe – gleichfalls festgehalten, wie Ziegler extra anmerkte, „welche Frage wir möglichst bald miteinander vorbesprechen und dann in den entsprechenden Gremien klären müssen“. Den grundlegenden Konferenzbeschluss vom 15. März 1981 fügte er mit dem Hinweis hinzu, dass dort bereits im Blick auf die geplante VEK-Bildung die Forderung nach einer Umstrukturierung der Beratergruppe ausgesprochen worden sei. Da allerdings seinerzeit nur die Leitungsgremien der VELKD und der EKU und nicht der Rat der EKD ihre formale Zustimmung erteilt hätten, sei der Beschluss nicht umgesetzt worden. Mit der Entscheidung der KKL vom 7. Januar habe die neugebildete Konsultationsgruppe den Auftrag erhalten, mit der EKD über die „künftige Durchführung des Beschlusses vom 15.3.1981 zu verhandeln“. Was die gemeinsame Konsultation Anfang Dezember betraf, legte Ziegler den Entwurf eines auf der Basis der Notizen von Domsch und ihm angefertigten „ausführlichen Vermerks“ bei, der ausschließlich für die Ablage im Kirchenamt und im Sekretariat des Bundes bestimmt sei, wie Domsch angeraten habe. Die Vertreter der Konsultationsgruppe sollten hingegen eine lediglich die „wesentlichen Aussagen“ der Unterredung zusammenfassende Version erhalten.44 Das Kollegium des Kirchenamtes der EKD erhielt am 6. Februar von Hammer einige Informationen zum Stand des Entscheidungsfindungsprozesses hinsichtlich der beiden gesamtdeutsch besetzten Gruppen, deren Gründungsgeschichte er kurz erläuterte, und der damit verbundenen Problemkonstellation. Seitens des Bundes habe man sich nun auch für eine Mandatserweiterung der im 43 Niederschrift (Hammer) über Sitzung des Kollegiums des Kirchenamtes der EKD vom 11. bis 13.1.1984, S. 6 (EZA, 2/01/1018). 44 Schreiben Ziegler an Hammer vom 27.1.1984, S. 1f. (EZA, 101/3138).

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Jahr 1980 ursprünglich zur schwerpunktmäßigen Verhandlung der Friedensfrage gebildeten Konsultationsgruppe ausgesprochen. Die „Sechsergruppe aus der EKD“ finde in der vom BEK veränderten personellen Zusammensetzung eine genauere Entsprechung. Für die Beratergruppe, in der seit 1969 in erster Linie Erfahrungen und Informationen über den jeweils anderen Bereich ausgetauscht würden, wünschten sich die östlichen Brüder eine Beteiligung möglichst aller Gliedkirchen. Ferner habe der Bund angeregt, zwischen der Kammer der EKD für öffentliche Verantwortung und dem BEK-Ausschuss Kirche und Gesellschaft ebenfalls eine Gruppe für regelmäßige Gespräche zu bilden. Bei ihrer Debatte kamen die Mitglieder des Kollegiums in Hannover zu dem Schluss, dass die EKD um der Ausgewogenheit willen mit siebzehn oder achtzehn Personen in der Beratergruppe vertreten sein müsste, wenn der Kirchenbund seine Mitgliederzahl auf elf DDR-Vertreter erhöhte. Damit werde zwar ein „breiterer Informationskontakt“ hergestellt, doch angesichts der dann erheblichen Größe der Beratergruppe, so befanden die Anwesenden, sei unbedingt zu gewährleisten, dass „brisante politische Fragen im kleinen Kreise“ der Konsultationsgruppe blieben. Möglicherweise könnte man doch die Verhandlung einiger Angelegenheiten auf der Ebene des BEK-Sekretariats bzw. Kirchenamtes der EKD führen lassen. Das Kollegium beurteilte insgesamt die Neuordnung der Konsultationsgruppe als begrüßenswert, während eine ständige „Zusammenarbeit und insbesondere deren Zuspitzung auf die Friedensfrage“ zwischen EKD-Kammer und Ausschuss für Kirche und Gesellschaft beim Bund nicht zu empfehlen sei. Hinsichtlich einer genauen Auftragsbestimmung und der personellen Besetzung der Beratergruppe sei eine konkrete Klärung noch vorzunehmen. Zum Tagesordnungspunkt „Schicksal des Barmen-Wortes in der KKL des BEKDDR“ informierte Löwe, dass der Rat sich auf seiner letzten Sitzung mit dem veränderten Entwurf für ein gemeinsames Wort befasst habe, dem neuen Wortlaut aber lediglich „mit Bedenken und Rücksicht auf den Ursprung in der DDR“ seine Zustimmung erteilen wollte. Bei einer Begegnungstagung mit Vertretern des Bundes habe sich paradoxerweise herausgestellt, dass mittlerweile innerhalb der Konferenz ebenfalls Zweifel aufgekommen seien und sie ihrerseits dem Entwurf nur „mit Rücksicht auf den Rat“ habe zustimmen wollen. So sei man überein gekommen, die DDR-Gruppe um die Ausarbeitung eines neuen Entwurfs für ein „Wort“ zu bitten. Der EKD-Ratsvorsitzende werde dieses gemeinsam mit dem Kirchenamt prüfen und die Entscheidung treffen, ob eine einvernehmliche Übernahme denkbar sei. Bei der Absprache wurde betont, dass an dem Ziel festgehalten werde, ein „gemeinsames Wort“ zu publizieren.45 45 Niederschrift (Hammer) über Sitzung des Kollegiums des Kirchenamtes der EKD am 6.2.1984, S. 2f. (EZA, 2/01/1018).

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Gleich zu Beginn ihrer gemeinsamen Konsultation am 28. Februar kamen die Vertreter des Bundes und der EKD auf ihre eigene Aufgabenstellung zu sprechen. Nachdem Ziegler den Beschluss der KKL zu dieser Frage von Anfang Januar skizziert hatte, berieten die Anwesenden über die unterschiedlichen darin im Blick auf die zukünftige Tätigkeit der Konsultationsgruppe enthaltenen Aspekte und stimmten miteinander ab, dass zunächst der Rat der EKD mit einem entsprechenden Vorschlag für die in etwa auf 24 Mitglieder zu reduzierende Beratergruppe aufwarten solle. Im Anschluss könnte konkret über die Aufgaben der Konsultationen verhandelt werden. Die Beratungen zwischen der Kammer für öffentliche Verantwortung und dem Ausschuss Kirche und Gesellschaft zur Friedensfrage sollten – gleichwohl die bestehenden Kontakte eine „geeignete“ Ebene für „aktuelle Gespräche“ über diese Thematik seien – keine Institutionalisierung erfahren. Einigen Lageberichten aus den Kirchen schloss von Heyl seine Überlegungen über Möglichkeiten zur Überwindung des Systems der Abschreckung an, die eine rege Debatte auslösten, in der neue Fragen zum Beispiel nach der Gültigkeit der Unterscheidung von konventionellen und nuklearen sowie dem Angriff oder der Verteidigung dienenden Waffen aufgeworfen wurden. Es folgte ein Vortrag Domschs zum Thema „besondere Friedensaufgaben der Deutschen“, bei dem der Präsident des sächsischen Kirchenamtes von der interessanten These ausging, dass die wirtschaftlichen Probleme, die in beiden deutschen Staaten vorrangig zu lösen seien, um die Legitimation der Regierungen zu bekräftigen und die Akzeptanz der Bevölkerungen für jedwede politische Entscheidung zu erlangen, den europäischen Frieden in stärkerem Maße gefährdeten als die aktuelle Hochrüstung. Als spezielle Aufgaben der Kirchen in der Bundesrepublik und der DDR für die Friedenssicherung benannte Domsch unter anderem die Verkündigung des biblischen Menschenbildes mit dem Ziel einer letztlich moralischen „Zurüstung und Stärkung des einzelnen Menschen“.46 Das letzte Referat hatte Binder über „Special relationship der beiden deutschen Staaten“47 ausgearbeitet. In der Diskussion über die Ausführungen von Domsch und Binder kamen einige grundlegende Fragen nach dem Verhältnis von der Sicherung des Weltfriedens und dem Wunsch nach der nationalen Einheit Deutschlands auf, mit denen die evangelische Kirche sich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der wenige Jahre darauf erfolgten Gründung der EKD sowie der Bildung zweier deutscher Staaten immer wieder auseinandergesetzt hatte, ohne sie je in befriedigender Weise beantworten zu können: Müsse die deutsche Wiedervereinigung ablehnen, wer für die Erhaltung des Friedens sei? Sei das Zurückstellen einer aktiven Wiedervereinigungspolitik das Opfer, das die Deutschen gegenwärtig 46 47

Abdruck bei W. HAMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 414–419; hier S. 419 (Dok. 33). Der Wortlaut des Referats bzw. eine Zusammenfassung lag dem Sitzungsvermerk nicht bei.

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für den Frieden zu bringen hätten? Könne sich eine Friedensordnung, die auf Akzeptanz beruhe, mit der Teilung Deutschlands abfinden? Was beinhalte der Begriff ‚besondere Gemeinschaft‘ und was trage sie aus für die Erhaltung des Friedens? So wie innerkirchlich in den fünfziger und sechziger Jahren eine Akzentverschiebung von dem Bemühen um die Wiedererlangung der deutschen Einheit zur Wahrung der kirchlichen Einheit stattgefunden hatte, war letztlich die gemeinsame Verantwortung der Kirchen für den Frieden ins Zentrum ihrer „besonderen Gemeinschaft“ gerückt. Für die Konsultation im Mai verabredeten die Gruppenmitglieder, sich mit der Frage nach dem „Mandat von Kirche und Staat“ zu befassen, das nicht nur im engen Zusammenhang mit diesen ungelösten Fragen stand, sondern zudem den Bogen zur aktuellen Situation und den (gemeinsamen) Handlungsmöglichkeiten der Kirchen zu spannen vermochte.48 Auf der Klausurtagung der KKL Anfang März legte R. Schulze den Text vor, den eine Vorbereitungsgruppe des Kirchenbundes für ein Wort beider Kirchen an die Gemeinden zum Barmen-Gedenken 1984 ausgearbeitet hatte. Er wies darauf hin, dass über diese neue Fassung bereits eine Abstimmung mit EKDVertretern erfolgt sei. Die Konferenzmitglieder stellten bei ihrer Erörterung über das vorliegende Wort fest, dass die Bewertung doch recht unterschiedlich ausfiel und debattierten verschiedene Varianten, wie die gemeinsame Verlautbarung in den Gemeinden bekannt gegeben werden könnte. Schließlich wurde mit einer Gegenstimme und einer Enthaltung beschlossen, der Veröffentlichung des Entwurfs als gemeinsames Wort von EKD und Kirchenbund zuzustimmen und die einzelnen Gliedkirchen damit zu beauftragen, es in „geeigneter“ Form den Gemeinden zur Kenntnis zu bringen. Die übliche Sperrfrist wurde bis zum Publikationstermin, dem 3. Mai, festgelegt.49 Der Vorstand der KKL hingegen setzte sich weiter mit der Frage auseinander, in welcher Form die Konsultationen Fortsetzung finden sollten. Ziegler informierte über einen Brief 50, den die Vertreter der EKD in der Sache an den BEK gerichtet hatten, und die Mitglieder des Vorstands führten eine Aussprache über inhaltliche und Verfahrensfragen. Sie kamen dabei zu der Feststellung, dass innerhalb des Bundes die Verantwortung für die Friedensthematik eindeutig dem Ausschuss Kirche und Gesellschaft zugeordnet sei und dort die Beschäftigung mit der Friedensfrage auch weiter intensiviert werden solle. Ausschlaggebend für die zukünftige Tätigkeit werde der „Vorschlag der EKD sein, wie mit der Beratergruppe und der Konsulta48

Vermerk Ziegler o. D., S. 2f. (EZA, 101/3139). Protokoll (Herrbruck/v. Rabenau) der 91. KKL-Tagung (Klausurtagung) vom 9. bis 11.3.1984, S. 5 (EZA, 101/3065). – Das „Wort an die Gemeinden zum Barmen-Gedenken 1984“ vom 3.5.1984 ist u. a. abgedruckt bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 160f. 50 Schreiben nicht ermittelt. 49

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tionsgruppe künftig zu verfahren“ sei.51 Da bei der Sitzung der KKL am 11. und 12. Mai seitens der EKD noch keine Rückmeldung für die Weiterarbeit der Konsultationsgruppe erfolgt war, konnte die Konferenz nur feststellen, dass deren Tätigkeit fortgesetzt werde und vor September eine „klare Entscheidung“ getroffen werden müsse.52 Nach den üblichen Lageberichten aus Bund und EKD kam bei der Konsultation am 21. Mai das Gespräch auf die in den westlichen und östlichen Leitungsgremien verhandelte Frage nach der Arbeitsbestimmung und Zusammensetzung der Beratergruppe sowie der Weiterarbeit der Konsultationsgruppe. Der Rat der EKD, so informierte hier nun der Präsident des Kirchenamtes der EKD, halte im Blick auf die Beratergruppe an der Gültigkeit seiner „Aufgabenbeschreibung vom 27.9.1975“53 fest. Hammer regte an, aus Bund und EKD zukünftig je zwölf Mitglieder in das Beratungsgremium zu entsenden und teilte mit, dass der Rat seinerseits die sechs Vertreter in den Konsultationen und sechs zusätzliche Teilnehmer mit „persönlichen Stellvertretern“ zu berufen gedenke. Ferner werde die optionale Beteiligung des Ratsvorsitzenden, seines persönlichen Referenten sowie Lingners als Geschäftsführer in Aussicht genommen. Für den BEK müssten nun der KKL-Vorstand und die Konferenz diesen Vorschlag prüfen und ihn billigen. Ziegler fügte hinzu, dass der Vorstand der KKL den Wunsch nach einer Intensivierung der sowieso stattfindenden Beratungen zwischen EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung und dem Ausschuss des Bundes Kirche und Gesellschaft über die Friedensthematik geäußert habe. Sowohl die westlichen als auch die östlichen Mitglieder der Konsultationsgruppe waren sich einig, dass „kirchenleitende Initiativen und Verantwortung bei der Konsultationsgruppe bzw. bei den beiden zuständigen Leitungsgremien bleiben müssen“. Es bestand gleichfalls ein Konsens darüber, dass die Konsultationsgruppe selbst ihre beratende Tätigkeit für die Leitungsgremien – trotz dieser für ihre Gründung ausschlaggebenden Funktionsbestimmung – über die Friedensfrage hinaus erweitern solle und nicht die Rolle eines geschäftsführenden Ausschusses für die Beratergruppe zugeteilt bekommen wolle. Demnach formulierten die elf Anwesenden die Zuständigkeiten ihrer eigenen Gruppe folgendermaßen: „Sie dient der vertraulichen Beratung aller Fragen, die sich aus Artikel 4 (4) der Bundesordnung und aus der Einbindung der Kirchen in unterschiedliche gesellschaftliche Systeme ergeben. Ihre Beratungen bereiten verbindliche Absprachen auf der Ebene des Rates der EKD und der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen vor.

51

Protokoll (Kupas) über 162. Sitzung des KKL-Vorstands am 2.4.1984, S. 3 (EZA, 101/3082). Protokoll (Dorgerloh/Radke) der 92. KKL-Tagung am 11./12.5.1984, S. 6 (EZA, 101/3065). 53 Vgl. dazu Teil I, 2.2 vorliegender Darstellung. 52

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Die Beratergruppe dient dagegen dem Austausch unter den Gliedkirchen des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR und der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Pflege der Verbindungen gemäß Artikel 4 (4) der Bundesordnung.“

Damit war die Beratergruppe insofern in eine Statistenrolle zurückgedrängt worden, als sie mit dieser ebenso breiten wie unkonkreten Aufgabenbeschreibung ohne Mandat oder klar umrissene Zielstellung ein Forum für den allgemeinen Informationsaustausch zur „Pflege“ der grenzübergreifenden Kontakte bieten sollte. Die Konsultationsgruppe hatte sich demgegenüber – abgesehen von ihrer durch die Zuarbeit für die Leitungsgremien gegebenen verantwortlichen Position – die Verhandlung des breiten Spektrums aller relevanten BEK und EKD betreffenden Themen und Problemstellungen zur Aufgabe gemacht. Unterschiedliches Verständnis vom kirchlichen und staatlichen Mandat und Bilanz der deutschen Nachkriegsentwicklung: Zwei Staaten, zwei Kirchen – Ist eine Konsenserklärung möglich? Zum Schwerpunktthema „Das Mandat von Kirche und Staat“ referierte Bischof Leich, dass es sowohl für die Kirche ein „direktes“ als auch für den Staat ein „indirektes“ auf die Zeitspanne „vom Sündenfall des Menschen bis zur Wiederkunft Christi“ begrenztes Mandat gebe. Beide seien zwar unterschiedlich – die Kirche besitze nur das Wort zur „Verkündigung“, könne also ihr Mandat nur gewaltlos erfüllen, während dem Staat die Aufgabe zukäme, die Menschengemeinschaft vor der Selbstzerstörung zu schützen, was „nach dem Sündenfall“ nicht ohne Gewalt möglich sei –, jedoch nicht vollkommen voneinander isoliert. Die Kirche sei nicht in der Lage, direkt „durch Aufrufe zum Glauben“ zur Verbesserung der irdischen Welt beizutragen, weil dort keine „vollkommene Weltordnung“ möglich sei. Die „Anordnung des Staates“ sei hingegen eine „Notordnung“, deren Aufrechterhaltung allein dem Mandat des Staates unterliege bzw. das Wirken in ihr Aufgabe der Politiker sei. Daraus ergebe sich – so Leich – dass die Kirche bereits dann, wenn sie zum Beispiel die Verweigerung des Wehrdienstes empfehle oder „scheinbar nur ethische Weisungen“ gebe, in das Mandat des Staates eingreife. In der Diskussion wurde eingeworfen, dass in einem demokratischen Staatsgebilde nicht nur diejenigen, die im Besitz der Regierungsmacht seien, sondern ebenso die einzelnen Staatsbürger „Mandatsträger“ seien. Bei einem Festhalten an der alten Vorstellung von „Obrigkeit“ müsse auch die „Opposition“ mitgedacht werden. Zu berücksichtigen sei ferner, dass der Staat – zumindest in der Bundesrepublik – eine der „schwächsten Institutionen“ sei, was auch erkläre, warum die Stellungnahmen der Kirche zur Friedensthematik in der DDR und in der Bundesrepublik verschiedene Wirkungen zeigten. Es wurde festgestellt, dass das unterschiedliche Verständnis der Mandate von Kirche und Staat

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„heute in den Kirchen an die Grenze einer Kirchenspaltung“ führe. Bedacht werden müsse, dass das staatliche Mandat „unabhängig vom Bewußtsein des Mandatsträgers“ bestünde, so dass die Träger des Mandats berechtigterweise stets darauf angesprochen werden sollten. Hinsichtlich der Gewaltanwendung sei die Frage aufgetaucht, inwieweit sie zur Erhaltung des Lebens beitrage. Die Kirchen selbst müssten sich fragen, welches Potential zur positiven Veränderung das Evangelium in sich berge. Im übrigen sei das Wort Gottes auch eine Gewalt, und die Vertreter der Kirchen dürften sich „die Freude an relativen Fortschritten zum besseren nicht vergällen lassen“. Diese Aussprache konnte angesichts unterschiedlicher Lebenserfahrungen und protestantischer Prägungen selbst in einer überschaubaren Gruppe nicht zu einem Konsens führen und war mit Sicherheit auch nicht darauf ausgelegt.54 Am 1. Juni kündigte der Leiter des BEK-Sekretariats in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen an, dass Mitte August eine Konsultation zwischen Bund und EKD zur kirchlichen Verantwortung für den Frieden geplant sei, die in der Bundesrepublik stattfinden sollte. Hauptabteilungsleiter Heinrich stellte – obwohl seit der Bildung der Konsultationsgruppe stets einmal im Jahr eine mehrtägige Zusammenkunft von Vertretern beider Kirchen zur Friedensthematik außerhalb der DDR vom Staat genehmigt worden war – prompt die Rückfrage, ob es sich um eine „rein innerkirchliche“ Beratung handele oder etwa vorgesehen sei, sich mit einer Presseverlautbarung an die Öffentlichkeit zu wenden. Gegen eine mögliche Stellungnahme in den Medien würden die Staatsvertreter ihren Einspruch geltend machen.55 Offenbar hatte Ziegler derartige Bedenken ausgeräumt, denn die Konsultation fand vom 14. bis zum 17. August in Schwäbisch-Hall statt. Nach Hammers Bericht über die positiven Reaktionen auf den Kongress „Gottes Friede den Völkern“, der Mitte Juni in Kiel durchgeführt worden war, fragte der Leiter des Sekretariats, wie der Vortrag von Altbischof Krusche56 aufgenommen worden sei. Daraufhin brachten die westlichen Mitglieder zum Ausdruck, dass sie sich durch den Vortrag „nicht verstanden fühlten“ und er „dringend der Aufarbeitung“ bedürfe. Eine solche Aussprache wurde für die nächste Sitzung vereinbart, bei der auch eine Beratung über den Entwurf für ein gemeinsames Wort von Bund und EKD zum 40. Jahrestag des 54

Vermerk Ziegler o. D., S. 2ff. (EZA, 101/3139). Vermerk Ziegler vom 4.6.1984, S. 2 (EZA, 101/4715). 56 Am 19.6.1984 hatte [W.] Krusche bei diesem anlässlich der Kieler Woche von der EKD und der nordelbischen Kirche veranstalteten wissenschaftlichen Kongress (17.–19.6.1984) in Kiel, an dem etwa 160 Fachleute verschiedener Disziplinen teilnahmen, ein Referat mit dem Titel „Schuld und Vergebung – der Grund christlichen Friedenshandelns“ (Abdruck in: GOTTES, S. 76–102) gehalten und dabei u. a. die Verdrängung der deutschen Schuld gegenüber der DDR und den Antikommunismus kritisiert. Darüber fand auch in der Beratergruppe Anfang September eine Aussprache statt. 55

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Kriegsendes im Jahr 198557 geführt werden sollte. Die östlichen und westlichen Vertreter der Gruppe sollten jeweils eine Vorlage ausarbeiten, wie sie sich den Aufbau eines „Wortes zum Frieden“ vorstellten.58 Zum Tagesordnungspunkt „Folgen des Umbruchs nach 1945 für die beiden deutschen Staaten“ referierten nacheinander von Heyl und Domsch. Aus der Perspektive des Westbürgers beschrieb von Heyl die sich nach 1945 abzeichnende deutsche Teilung nicht als direktes Resultat des verlorenen Zweiten Weltkriegs, sondern als Folge des „Kalten Kriegs“ und bedauerte das „Fehlen mitreißender Zielkonzeptionen“ sowie das „mangelnde ‚Wir-Bewußtsein‘ im Westen“. Er frage sich, wohin diese Bewusstseinslage in der Bundesrepublik führen solle und konstatierte: „Wir stehen in einer Nation, die keine Forderungen an die Weltgeschichte richten kann, nicht die Selbstbestimmung einzuklagen vermag.“ So müsse man sich auf das Hoffen beschränken und dafür Sorge tragen, dass der Sicherung des Friedens unbedingte Priorität eingeräumt werde, denn der Weg zu einem konfrontationsfreien, geeinten Europa könne auch für Deutschland neue Wege „aufzeigen“. Demgegenüber betonte Domsch, dass sich den beiden deutschen Staaten nach dem Krieg für einen Neubeginn sehr „unterschiedliche Chancen“ geboten hätten. Nach dem „radikalen“ Austausch von Personen habe die Phase des „Aufbaus des Sozialismus“ in der DDR den absoluten „Führungsanspruch der Partei der Arbeiterklasse“ und die enge Bindung an den großen Bruder Sowjetunion als dominierende Zielstellungen mit sich gebracht. Domsch erläuterte im Einzelnen die Konsequenzen dieser Entwicklung und die Position einer „Kirche im Sozialismus“, die „ihre Aufgaben im eigenständigen Handeln und in selbstständigen Einrichtungen“ wahrzunehmen habe. In der folgenden Debatte wurde auf die „passiven Faktoren bei der Staatsfindung nach 1945 in beiden Teilen Deutschlands“, ihre unterschiedliche Blockbindung sowie die daraus resultierenden verschiedenen Möglichkeiten der Kirchen hingewiesen, ihren Dienst zu tun. In diesem Kontext kamen die „begrenzten Chancen“ für Kirchenbund und EKD zur Sprache, sich gemeinsam öffentlich zu äußern. Ziegler verdeutlichte die Gesamtproblematik am Beispiel des gemeinsamen „Wortes an die Gemeinden zum Barmen-Gedenken 1984“ vom 3. Mai und zog daraus den Schluss, dass „Ereignisse gemeinsamer Geschichte“ nicht mehr zwangsläufig zum Anlass für gemeinsame Stellungnahmen genommen werden könnten, dass „gemeinsame Beratung und gegenseitige Befragung mit der brüderlichen Freigabe des Redens im jeweils eigenen

57 1979 hatten BEK und EKD erstmalig nach ihrer Trennung mit einem gemeinsamen „Wort zum Frieden“ öffentlich Stellung genommen. Während der Anlass dieses ersten Wortes der 40. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs war, sollte nun ein Äußerung zum 40jährigen Gedenken an sein Ende getan werden. 58 Niederschrift Ziegler o. D., S. 1 (EZA, 101/3139).

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

Bereich“ zu verbinden seien, dass „gegenseitige öffentliche Befragung ein Ausdruck brüderlicher Verantwortung füreinander“ sein könne, dass „Reden in den Bereich des anderen hinein aber in den gemeinsamen Beratungsprozeß eingebunden sein müsse und den anderen nicht ‚überfallen‘ dürfe“.

Die Mitglieder der Konsultationsgruppe verglichen in ihrer Diskussion die für beide Kirchen „sehr unterschiedlichen publizistischen Bedingungen“ und fragten sich im Blick auf die zuweilen „unbewußten Parteinahmen in innerkirchlichen Auseinandersetzungen des anderen Bereichs“, ob die von Ziegler positiv bewertete „‚gegenseitige öffentliche Befragung‘ nicht nur nach intensiver interner Beratung und nur in ganz gravierenden Fällen des Widerspruchs zum Evangelium gerechtfertigt“ sei oder ob „bereits schwerwiegende ethische Differenzen“ dazu Anlass geben dürften. In diesem Punkt kamen die Anwesenden zu keinem Konsens, sprachen allerdings nochmals grundsätzlich darüber, ob Bund und EKD versuchen sollten, zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges und des Stuttgarter Schuldbekenntnisses im Jahr 1985 ein gemeinsames Wort zu verfassen. Es herrschte Übereinstimmung, dass der Versuch unternommen werden sollte, bei der Formulierung eines solchen Wortes jedoch von der gemeinsamen kirchlichen Stuttgarter Schulderklärung auszugehen sei, um auf dieser Basis auch zu schildern, wie das Ende des Kriegs erlebt wurde, welche Aufgaben die Kirche nach 1945 für sich neu gesehen habe und welche „typischen Entwicklungen“ („Atheismus unserer Tage, Machbarkeits-Euphorie“) sich für die Kirchen in der DDR und in der Bundesrepublik ergeben hätten.59 Am letzten Tag der Konsultation berichtete Gienke bereits dem Vorstand der KKL, welches Vorgehen die Mitglieder der Konsultationsgruppe für die Formulierung eines Wortes an die Gemeinden von BEK und EKD abgesprochen hatten. Wenn die jeweiligen Leitungsgremien ihr Einverständnis zeigten und eine Klärung der „organisatorischen Voraussetzungen“ vorgenommen hätten, sei die Gruppe bereit, die Ausarbeitung der gemeinsamen Äußerung zur 40. Wiederkehr der Beendigung des Zweiten Weltkriegs und des Stuttgarter Schuldbekenntnisses zu übernehmen. Der KKL-Vorstand befürwortete dieses Vorhaben grundsätzlich und fasste den einstimmigen Beschluss, die Anregung mit der Bitte um eine Entscheidung an die Konferenz weiterzugeben.60 Derweil erschien am 5. September ein Artikel in der Ausgabe des epd für die kirchliche Presse, der sich unter dem bereits vielsagenden Titel „Die Kluft zwischen Theorie und Praxis. Bleibt die Zusammenarbeit der EKD und dem DDRKirchenbund Verschlußsache?“ äußerst kritisch mit der nach Ansicht des Verfassers zweifelhaften Tätigkeit der Konsultationsgruppe auseinander setzte. Aus 59 60

Vermerk („ergänzende Teilniederschrift“) Hammer o. D., S. 2f. (EZA, 101/3139). Protokoll (Kupas) über 165. Sitzung des KKL-Vorstands am 17.8.1984, S. 4 (EZA, 101/3082).

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deren „Arbeitsbericht“ sei hervorgegangen, dass ein Krieg grundsätzlich nicht zu rechtfertigen sei und das politische Konzept der Sicherheitspartnerschaft durch praktische kirchliche Friedensarbeit gefördert werden müsse. Derartige Vorstellungen, sich grundsätzlich gegen eine weitere Raketenrüstung und für das Modell der Friedenssicherung durch Abrüstung und gegenseitiges Vertrauen auszusprechen, seien „nicht originell“, sondern entsprächen sogar der Ansicht vieler Politiker. Jedoch zeige sich am „faktischen Vorgehen beider Blöcke und zumindest eines Teils der Politiker auch in der Bundesrepublik“, dass sie „keinesfalls Gemeingut“ seien.61 Vielmehr habe offenbar auch die bilaterale Konsultationsgruppe zur kirchlichen Friedensverantwortung Probleme, „Übereinstimmung für seine praktische Anwendung zu gewinnen“. Seit der Veröffentlichung des Arbeitsberichts habe man von der 1980 feierlich eingesetzten Konsultationsgruppe nichts mehr gehört. Es sei sogar unklar, ob sie mit diesem Auftrag noch bestünde oder „unter der Hand zu einem Treffen geworden ist, in dem sich EKD und Kirchenbund über die ganze Breite ihrer Aktivitäten und Vorstellungen unterrichten und abstimmen“. Zumindest in der Friedensfrage habe es seit geraumer Zeit kein „erkennbar abgestimmtes Verhalten“ mehr gegeben. Zwar habe der BEK in der DDR die EKD gebeten, angesichts der Entscheidung des Bundestags für die Stationierung neuer US-amerikanischer Mittelstreckenraketen ebenfalls deutlich die Raketenrüstung abzulehnen, doch hülle sich diese in Schweigen. Prinzipiell müssten die kirchlichen Konsultationen zur Verantwortung für den Frieden keine Konsenserklärungen zum Ziel haben, da der Dialog als solcher schon einen Sinn in sich trage, „wenn er ernsthaft und sorgfältig geführt“ werde: „Allerdings wird auch der Dialog steril und bleibt folgenlos, wenn er nur hinter verschlossenen Türen geführt wird, falls das überhaupt geschieht.“ Vielmehr müsse die Öffentlichkeit der Gemeinden und möglichst auch der Gesellschaft erreicht werden. „Und die Voraussetzung dafür ist Information ohne Empfindlichkeit. Solange allerdings fraglich ist, ob EKD und DDR-Kirchenbund zur Fortführung des internen Dialogs ohne Empfindlichkeiten fähig sind, wird sich der öffentliche Dialog, wo er zustande kommt, auf den Austausch zwischen gleichgesinnten Gruppen beschränken und kirchenleitende Reserven ihm gegenüber eher verstärken als auflösen. Deshalb wäre es gut, nun doch bald einmal positive Nachricht über Existenz und Arbeit der Konsultationsgruppe zur Friedensverantwortung der Kirchen in beiden deutschen Staaten zu erhalten.“62

61 Am 22.11.1983 hatte der Deutsche Bundestag die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen und damit die Umsetzung des NATO-Doppelbeschlusses gebilligt (286 gegen 225 namentliche Stimmen, 1 Enthaltung). 62 epd-Ausgabe für kirchliche Presse Nr. 36 vom 5.9.1984, S. 12f.: „Die Kluft zwischen Theorie und Praxis. Bleibt die Zusammenarbeit der EKD und dem DDR-Kirchenbund Verschlußsache?“ (EZA, 101/3139).

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

Die KKL befasste sich am 7. und 8. September mit dem von ihrem Vorstand übermittelten Vorschlag der Konsultationsgruppe, zusammen mit der EKD die Veröffentlichung eines an die Gemeinden gerichteten gemeinsamen Wortes zum Kriegsende sowie zur Stuttgarter Schulderklärung in der Karwoche des kommenden Jahres anzustreben und den Mitgliedern der Gruppe den Auftrag zur Ausarbeitung zu erteilen. Mit ihrem Beschluss sprachen die Konferenzmitglieder eine entsprechende Empfehlung an den Rat der EKD aus. Bei der Formulierung des Wortes sollten zwei Aspekte Berücksichtigung finden: Die inhaltliche Konkretisierung des Stuttgarter Schuldbekenntnisses durch den Vortrag von Krusche in Kiel „Schuld und Vergebung – der Grund christlichen Friedenshandelns“ sowie Gesichtspunkte des Ausschusses Kirche und Gesellschaft anlässlich des Begehens des 30. Jahrestages der DDR. Die weitere Beschäftigung mit der neuen Zusammensetzung der Beratergruppe wurde „vertagt“.63 Der Präses der Bundessynode, Wahrmann, informierte auf der Konsultation am 29. Oktober über den Verlauf der Synodaltagung Ende September in Greifswald. In den Verhandlungen des Plenums sei sehr kontrovers über den im Bericht der KKL mit Bezug auf die Entwicklung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche verwendeten Begriff des „Grundvertrauens“ debattiert worden, den die Synodalen sich letztlich nicht zu eigen machen konnten, weil sie ihn mehrheitlich mit Urvertrauen assoziierten, was mit ihren Realerfahrungen nicht kompatibel sei.64 Die westlichen Mitglieder stellten in der nachfolgenden Erörterung über den Bericht des BEK-Synodenpräses die Frage, ob mit der Bezeichnung „Grundvertrauen“ eine stärkere Bindung der Kirche in der DDR an ihren Staat zum Ausdruck gebracht werden solle als zehn Jahre zuvor. In diesem Fall sei es „verwunderlich“, dass die EKD von den Kirchen des Bundes für ihre zu große Nähe zum Staat kritisiert werde. Seinen Widerspruch formulierte Ziegler, indem er es „als Zeichen der Normalisierung“ bewertete, „dass die Kirchen in der DDR ihr Verhältnis zum Staat mit Ja und Nein charakterisierten und nicht mehr nur, wie anscheinend von ihnen manchmal erwartet, nur ein Nein zu sagen hätten“. Wie auf der letzten Konsultation abgesprochen, konnten sich die Anwesenden bei der beginnenden Arbeit an einem gemeinsamen Wort von Bund und EKD zum 40. Jahrestag des Kriegsendes auf drei Skizzen stützen, die von Ziegler, Hempel und Binder vorbereitet worden waren.65 Primär auf 63

Protokoll (Küntscher) der 94. KKL-Tagung am 7./8.9.1984, S. 4f. (EZA, 101/3066). Vgl. dazu EPD DOKUMENTATION 43/84. 65 M. Ziegler: Raster für ein gemeinsames Wort zum Kriegsende vor 40 Jahren; J. Hempel: Stichpunkte für ‚gemeinsames Wort‘ EKD-Bund zum 8. Mai 1985“; H.-G. Binder: Materialsammlung für den ersten Entwurf eines Wortes der evangelischen Kirchen zum 40. Jahrestag des Kriegsendes (EZA, 101/3139). Alle drei Ausarbeitungen sind abgedruckt in: K IRCHENKANZLEI DER EKD (Hg.), „Frieden“. 64

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der Basis von Binders Materialsammlung wurde versucht, sich erst einmal über „einige Grundpositionen“ zu verständigen. Dabei beurteilten die Gruppenmitglieder die von Binder gewählte Form von „konkreten Bitten, die die reale Situation widerspiegeln“, als gelungen, da es wesentlich einfacher sei, gemeinsame Bitten zu formulieren als sich auf konsensfähige Feststellungen zu einigen. Eine Gefahr bestünde wiederum darin, dass die Kirchen ob „vollmundig“ klingender und „weithin nach außen gerichteter“ Bitten verdächtigt werden könnten, sich mit ihrem Wort an die Anderen zu richten, anstatt „uns selbst zu verpflichten“. Im Blick auf den Inhalt des „Wortes“ und die Problematik einer beiden Seiten angemessenen Wortwahl wurden in der Aussprache verschiedene Überlegungen angestellt: Die „Fragen nach der eigenen Schuld und der geistlichen Bewältigung der Folgen“ müssten stärker in den Mittelpunkt treten. Sei das Stuttgarter Schuldbekenntnis wirklich konkret durchgehalten worden? Zu den Folgen gehöre auch die „gegenwärtige Angst vor einem geeinten Deutschland und das bestehende Mißtrauen“. Wie könne man von „Schuld“ sprechen, „ohne dass es gegenüber den Vätern pharisäisch“ klinge und von „Schuldverhaftung […] im Blick auf die nachgewachsenen Generationen? „Wie sollen wir reden zu zwei brisanten Punkten wie ‚Vertreibung‘ und ‚Frieden hat Priorität vor der Einheit‘? Ist 1945 zu sehen als ‚Ende eines Irrwegs‘ oder als ‚Befreiung‘? Das Wort dürfte nicht allein im Schuldbekenntnis aufgehen, sondern müsste Öffnung für die Zukunft anstreben. […] Können wir die Entstehung zweier deutscher Staaten annehmen als Folge, als Gericht und Gnade? Zur Einheit angesichts der Trennung müsste das Wort etwas aussagen. Allerdings könnte das wohl nur geschehen unter dem Gesichtspunkt, dass wir in besonderer Weise verpflichtet sind, zur Erhaltung des Friedens beizutragen.“ Die Vertreter von BEK und EKD einigten sich darauf, sich die Erarbeitung eines Textes zum Ziel zu setzen, der in Gottesdiensten verlesen werden könnte, da dies die beste Absicherung gegen jeglichen „Mißbrauch“ des Wortes sei. Eine Veröffentlichung in der Karwoche des kommenden Jahres mache eine stärkere Betonung des „durch das Osterfest gesetzten Aspekts der Hoffnung“ nötig, als es in Binders Entwurf der Fall sei. Binder und Ziegler erhielten den Auftrag, die vorliegende Textfassung unter Berücksichtigung der drei Skizzen und der Diskussionsergebnisse zu überarbeiten und den neuen Entwurf am 13. Dezember dem KKL-Vorstand sowie am 15. Dezember dem Rat der EKD vorzulegen. Die Mitglieder der Konsultationsgruppe wollten ihre Arbeit am „Wort“ bei ihrem Treffen am 17. Januar 1985 fortsetzen. Die Anwesenden wandten sich dann wie geplant dem umstrittenen Kieler Vortrag von Altbischof Krusche „Schuld und Vergebung – Der Grund christlichen Friedenshandelns“ zu. Kritisiert wurde vor allem, dass Krusche sich nicht um einen historischen Überblick bemüht habe,

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

sondern Partei für eine „ganz bestimmte Richtung unter den Friedensgruppen“ ergriffen und zudem indirekt auch ihre Bejahung gefordert habe. Praktisch würden diejenigen verurteilt, die in der Friedensfrage eine andere Haltung einnähmen, und damit unterschwellig eine „politische Einschätzung zur nota ecclesiae“ gemacht. Es erstaune daher nicht, dass „Krusche von der kirchlichen Opposition gefeiert“ werde. Auch kam der Hinweis, dass das Darmstädter Wort des Bruderrates von 1947 seinerzeit nicht offiziell von der EKD akzeptiert worden sei. Ferner müsse die „gelobte Denkschrift“ aus dem Jahr 196566 auf ihren tatsächlichen Inhalt überprüft werden. Spezielle Nachfragen im Blick auf Details und einzelne Formulierungen konnten ohne die direkte Aussprachemöglichkeit mit dem Referenten Krusche nicht geklärt werden. Zuletzt wurde zur personellen Besetzung der Beratergruppe von EKD und BEK der Vorschlag gemacht, zwei Plätze für den Präsidenten und den Direktor der Diakonischen Werke zur Verfügung zu stellen.67 Der Ratsvorsitzende Lohse teilte den Mitgliedern der Kirchenkonferenz am 13. Dezember in Hannover mit, dass der Versuch in Angriff genommen werde, gemeinsam mit dem Kirchenbund in der DDR Wort „zum Jahrestag der deutschen Kapitulation am 8.5.“ zu verfassen und zu publizieren. Lohse brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass das Vorhaben gelingen werde.68 Am gleichen Tag tagte auch der KKL-Vorstand und beriet beim Tagesordnungspunkt „Wort zum 40. Jahrestag des Kriegsendes“ bereits den dritten Entwurf des so bezeichneten „gemeinsamen Wortes von Bund der Evangelischen Kirchen und EKD zum 40. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus“ von Binder und Ziegler. In ihrer Aussprache brachten die Vorstandsmitglieder „weitere Gesichtspunkte“ ein und stellten in Aussicht, dass die Verhandlungen über das Wort auf der kommenden Konsultation zwischen EKD und BEK am Mitte Januar 1985 fortgesetzt würden.69 Diese Konsultation war ausschließlich der Arbeit am gemeinsamen Wort gewidmet. Neben dem auftragsgemäß gemeinsam von Binder und Ziegler überarbeiteten dritten Entwurf legte Gienke den Anwesenden noch einen vierten vor, den er persönlich und eigenverantwortlich im Nachgang der Beratungen im KKL-Vorstand formuliert hatte. Diese beiden Fassungen wurden miteinander verglichen und – nachdem Binder die Konsultationsgruppe über die vom des Rat der EKD vorgebrachten Wünsche nach Änderungen unterrichtet hatte – 66 Das ist die sog. Ostdenkschrift der EKD „Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn“. Abdruck in: K IRCHENKANZLEI DER EKD (Hg.), Denkschriften, Bd. 1/2, S. 77–126. 67 Vermerk Ziegler o. D., S. 1ff. (EZA, 101/3139). 68 Niederschrift (Höner) über Sitzung Kirchenkonferenz am 13.12.1984, S. 11 (EZA, 2/01/582). 69 Protokoll (Lewek) über 169. Sitzung des KKL-Vorstands am 13.12.1984, S. 2 (EZA, 101/3082).

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entschieden, dass der endgültige Wortlaut nun auf der Basis von Gienkes Vorlage erarbeitet werde. Hinsichtlich des Titels und der Unterschriften der Vorsitzenden des Rates der EKD und der KKL wurde vereinbart, sich genau an das „Wort zum Frieden“ von 1979 zum 40. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs zu halten und so eine Verbindung herzustellen.70 Am Ende der etwa fünfstündigen Sitzung lag dann ein fünfter Entwurf vor, der die Billigung aller Anwesenden fand. Um die Herstellung der „endgültigen Textfassung“ wurde Ziegler gebeten, der sie sogleich Hammer übergeben sollte, damit der Präsident des Kirchenamtes der EKD die „Abweichungen notieren“ könne.71 Bis zum 18. März, dem in Aussicht genommenen Veröffentlichungstermin, könne auf beiden Seiten über die Arbeit an einem gemeinsamen Wort von Bund und EKD berichtet werden, ohne jedoch vorab den Inhalt preiszugeben.72 Wie der Vorstand der KKL auf seiner Sitzung am 11. Februar vom Leiter des BEK-Sekretariats erfuhr, hatte der Rat der EKD in der Tat bereits Ende Januar auf seiner Klausurtagung den Beschluss gefasst, dem fünften Entwurf des „Wortes“ seine Zustimmung zu erteilen – unter der Voraussetzung, dass der Kirchenbund in der DDR keine Formulierungsänderungen mehr beantrage. Die Mitglieder des Vorstands kamen in einer Aussprache zu dem Schluss, dass diesem „echten Kompromißangebot“ des Rates, am Text keinerlei Veränderungen mehr vorzunehmen, gefolgt werden solle. Sie entschieden, den vorliegenden Entwurf gleich am ersten Verhandlungstag der KKL-Klausurtagung zu verteilen, so dass am 9. März eine Beschlussfassung erfolgen könne. Im Blick auf „gewisse Mißstimmungen“, die im Bereich der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (AGCK) durch den „Alleingang“ des BEK ausgelöst worden waren, sprach der KKL-Vorstand die zusätzliche Empfehlung aus, das „Wort“ nach der Entscheidung der Konferenz sogleich „vertraulich“ den Leitungen der übrigen Mitgliedskirchen der AGCK zu übergeben, damit sie ihn sich eventuell zu eigen machen könnten.73 Ihrer Tagesordnung folgend, beriet die KKL bei der Klausurtagung 70 Tatsächlich wurde bei der Erwähnung der „Worte zum Frieden“ von 1979 und 1985 zumindest in Klammern immer ein „I“ und „II“ mitgenannt. 71 Bereits am 20. Januar wandte sich Hammer an Lingner und bat ihn, mit Ziegler das in der Anlage befindliche „Wort“ auf den genauen Wortlaut hin zu prüfen, „damit wir von identischen Fassungen ausgehen. (Im Zweifel ist natürlich meine Fassung richtig!!!)“. Auf der Anlage hatte Hammer kurz skizziert, dass der Text auf der Grundlage des Entwurfs von Gienke entstanden sei, der wiederum wichtige Anregung aus dem Vorstand der KKL bei dessen Beratung der 3., von der Konsultationsgruppe erarbeiteten Fassung, einbezogen habe (Schreiben/Vermerk Hammer vom 19. bzw. 20.1.1985 an Lingner [EZA, 672/AZ 323-1, Bd. 3]). 72 Vermerk Ziegler vom 21.1.1985, S. 2. In der Anlage der 5. Entwurf vom 17.1.1985, der mit der im März veröffentlichten Fassung übereinstimmt (EZA, 101/3139). – Abdruck des Wortes zum Frieden (II) u. a. bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 185–188. 73 Protokoll (Lewek) über 171. Sitzung des KKL-Vorstands am 11.2.1985, S. 2 (EZA, 101/3083).

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

in Buckow zunächst über den „Bittgottesdienst für den Frieden“, der auch in diesem Jahr wieder gemeinsam mit der EKD abgehalten werden sollte. Darauf wurde mitgeteilt, dass die EKD den Kirchenbund zur Feier ihres 40. Jahrestags vom 20. bis zum 22. Juni nach Treysa eingeladen habe. Über die Ratsentscheidung zum gemeinsamen „Wort zum Frieden“ und die Empfehlung des Vorstands der KKL, dem Votum des Rates zu folgen und keine Textänderungen mehr zu verlangen, informierte Ziegler die Konferenz. Es kam zu einer ausführlichen Debatte über inhaltliche, redaktionelle und Veröffentlichungs-Fragen. Ebenfalls thematisiert wurde, wie hinsichtlich einer Auswertung des gemeinsamen Wortes und einer Fortsetzung der Arbeit an der Friedensthematik vorzugehen sei. Letztlich stimmten die Mitglieder der Konferenz dem fünften Entwurf des „Wortes“ bei einer Enthaltung zu. An die Konsultationsgruppe wurde die Bitte gerichtet, einige Vorschläge zum Umgang mit potentiellen Stellungnahmen, Rückfragen und Hinweisen zum „Gemeinsamen Wort“ vorzulegen. Den Ausschuss Kirche und Gesellschaft bat die KKL, ihr bis zum November ein Konzept für die langfristige Weiterarbeit an der „durch den 8.5. aufgeworfenen Problematik“ zu übergeben. Bei diesem Entschluss enthielten sich fünf Konferenzmitglieder. Zur Veröffentlichung des „Wortes zum Frieden“ beschloss die KKL, dieses einige Tage vor Ablauf der Sperrfrist (19.3.1985) an alle Gemeinden zu versenden. Der Anregung des Vorstands, auch den AGCK-Mitgliedskirchen den Text vor dem 19. März zu übergeben, um ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, sich ihm anzuschließen, gab die Konferenz ihre Zustimmung.74

74 Protokoll (Kupas/Dorgerloh) der 97. KKL-Tagung (Klausurtagung) vom 8.–10.3.1985, S. 6, 9f. (EZA, 101/3067).

7. Kapitel: Konsensfindung für Gemeinsame Worte und eine Bilanz (1985–1989)

Auszüge des gemeinsamen „Wortes zum Frieden“ von Bund und EKD wurden in einigen westdeutschen Tageszeitungen abgedruckt und – mit ganz unterschiedlichen Wertungen – kommentiert. Während ein Journalist die kirchliche Kritik an der Rüstungsspirale lobte und betonte, dass die Mehrzahl aller Deutschen dem Wort zweifellos zustimmte, warf ein anderer den Kirchen vor, ebenso schwer verständlich wie unverbindlich gesprochen zu haben und bemängelte: „Offenbar sind solche Erklärungen nur um den Preis einer die Unterschiede und Konflikte verschleifenden Äquidistanz, eines gleichen Abstands jeweils zu Staat, Gesellschaft, Parteien, Kirchenleitungen und außenpolitischen Bündnispartnern und Vormächten zu haben… Solche Texte haben etwas zutiefst Frustrierendes an sich. Aber sind die Kirchen daran schuld, dass die Wirklichkeit härter ist als die christliche Friedensbotschaft? So gesehen und im Lichte unserer Geschichte ist es immerhin ein schwacher Trost, dass die deutschen Kirchen wirklich nichts als den Frieden predigen.“1

Noch schärfer fiel die Kritik aus, die der rechtskonservative Verleger Axel Springer am 24. März in der Welt am Sonntag veröffentlichte. Er polemisierte, die beiden Kirchen hätten gegen das im Grundgesetz fixierte Gebot der Wiedervereinigung verstoßen und „in politischer Kameraderie mit der DDR-Führung, den Grünen und Teilen der SPD das Offensein der deutschen Frage“ geleugnet. Die EKD habe es zugelassen, dass die „Botschaft Jesu durch geistliche Politologen und ideologische Quacksalber“ umgeformt werde.2 In der gleichen SpringerZeitung wies der Ratsvorsitzende Lohse Ende März diese Vorwürfe zurück und betonte, dass die Kirche unverwechselbar bei ihrem ureigenen Auftrag bleibe. Die Vertreter aller großen Parteien in der Bundesrepublik sowie die bundesdeutsche Regierung stimmten dem „Wort“ zu und bewerteten es als Ausdruck gesamtdeutscher Identität, als wichtigen Friedensbeitrag und Ermutigung für 1

R. LEICHT: Fromme deutsch-deutsche Kirchenworte. In: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vom 20.3.1985,

S. 4. 2 Die Arbeitsgruppe Kirchenfragen des ZK der SED paraphrasierte und zitierte aus dem Artikel, den sie als Teil der „teilweise zügellosen Kampagne“ der bundesdeutschen „Rechtspresse“ gegen das Treffen Honeckers und Hempels am 11.2.1985 bezeichnete, folgende Passage: „Wenn man dem Treiben der Oberhirten zusehe, könne man oft glauben, ‚nicht Gott, sondern der Teufel sei in ihnen lebendig‘“ (SAPMO-BArch, DY 30/IV B 2/14/84, Bl. 19f.; hier S. 19).

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

die Fortführung der Entspannungspolitik.3 Gemeinsam mit der AGCK führte der Kirchenbund in der DDR zwischen dem 8. und dem 10. Mai in Berlin und Brandenburg unterschiedliche Veranstaltungen zum 40. Jahrestag des Kriegsendes durch, zu deren Höhepunkt am 8. Mai auch die EKD eingeladen worden war. Auf ihrer Tagung am 10. und 11. Mai stellte die Konferenz fest, dass über das zentrale Gedenken zum 8. Mai und das „Wort zum Frieden“ im Rahmen ihrer Sitzung im Juli noch einmal eine Aussprache stattfinden müsse, da die entsprechenden Reaktionen aus den Gemeinden bislang noch nicht zu übersehen seien. Derweil wurden lediglich einige Beobachtungen zusammengetragen: So habe der „Resonanzboden für dieses Wort“ offenbar stärker in der Bundesrepublik als in der DDR gelegen, wo viele Aussagen des „gemeinsamen Wortes“ als „selbstverständlich“ aufgenommen worden seien, während es in der Bundesrepublik zu einer „stärkeren Polarisierung“ geführt habe. Aus den einzelnen Landeskirchen in der DDR sei ein positives Echo gemeldet worden, wobei das zuvor in Verantwortung der Aktion Sühnezeichen publizierte Wort in manchen Gemeinden stärker rezipiert worden sei. Bedauert wurde, dass die Aktion Sühnezeichen das Sekretariat des BEK nicht mit einer Vorabinformation über ihr Vorhaben unterrichtet habe.4 Am 13. Mai beschäftigte sich die Konsultationsgruppe zunächst ebenfalls mit den auf „ihr“ „Wort zum Frieden“ bekannt gewordenen Reaktionen. Grundsätzlich begrüßt worden sei, dass BEK und EKD überhaupt gemeinsam eine Stellungnahme formuliert hätten. Die Anwesenden konstatierten selbstkritisch, dass sowohl die Länge als auch der Stil des „Wortes“ der Umsetzung ihres ursprünglichen Anliegens, einen in den Gottesdiensten verlesbaren Text zu erarbeiten, entgegengestanden habe, was jedoch kein Grund sei, an einer „Langzeitwirkung“ des „Wortes“ zu zweifeln. Seitens der Regierungen beider Staaten sei ein „allgemein positives“ Urteil gefällt worden5, während die Reaktionen unter den Politi3

Vgl. die 2. Lieferung des KJ 1985 (112. Jg.), S. 113f. Protokoll (v. Rabenau/Günther) der 98. KKL-Tagung am 10./11.5.1985, S. 6 (EZA, 101/3067). 5 Von der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen wurde das Wort, „in dem weitgehend unsere Positionen vertreten wurden“, wohlwollend zur Kenntnis genommen. Zurückgeführt wurde die im Kontext des „40. Jahrestages der Befreiung“ erfolgte „Übernahme“ und „positive Umsetzung“ der staatlichen Position in „politischen Grundfragen“ auf das Gespräch zwischen Honecker und Hempel am 11.2.1985 (SAPMO-BArch, DY 30/IV B 2/14/84, Bl. 19f.; hier Bl. 20). – Vgl. auch den Wortlaut der Ansprache Hempels beim Treffen mit dem Staatsratsvorsitzenden bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 181ff. – In einem 1985 vom MfS angefertigten „Entwurf“ über „Ergebnisse, Erfahrungen und Schlußfolgerungen bei der Durchsetzung der Staatspolitik in Kirchenfragen seit dem X. Parteitag der SED – Bilanz und Ausblick“ hieß es: „Einerseits vollzieht sich nach wie vor die Tendenz der ständigen Erweiterung der Kontakte zwischen BEK und EKD sowie ihrer Einrichtungen, andererseits bietet der inhaltlich-konstruktive Ausbau der Kontakte die Möglichkeit, die Kräfte in der EKD zu stärken, die eine realistische und eindeutige Haltung der BRD-Kirchen zur Frage der Erhaltung des Friedens, zur Politik der Entspannung und zur historisch determinierten Existenz zweier deutscher Staaten fordern 4

Konsensfindung für Gemeinsame Worte (1985–1989)

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kern analog zu ihrer politischen Grundeinstellung befürwortend oder ablehnend ausgefallen seien. Das „Wort“ sei sogar in einigen Nachbarstaaten zur Kenntnis genommen und gewürdigt worden. Die Vertreter von BEK und EKD stellten ebenso wie die Konferenz fest, dass der Text in der Bundesrepublik eine deutlich polarisierendere Wirkung gezeigt habe als in der DDR, und führten diese unterschiedliche Wahrnehmung gleichermaßen darauf zurück, dass die inhaltlichen Aussagen aus der Perspektive der DDR-Bürger „kaum über das allgemein Anerkannte und Akzeptierte“ hinausreichten und insgesamt in keiner Weise den deutsch-deutschen Verträgen widersprächen. Durch die Thematisierung einiger „Tabus“ sei dennoch der Prozess der Aufarbeitung angestoßen worden. Die Anwesenden teilten die Überzeugung, dass gerade an bestimmten Tabus, „wie z. B. dem Verhältnis zu den russischen Soldaten und der Frage der Leiden, die nach 1945 entstanden“, weiter gearbeitet werden müsse. Im Sinne einer Bilanz wurde verabredet: „Festzuhalten und weiterzuführen ist vor allen Dingen das, was in den abschließenden Bitten ausgesprochen worden ist. Festzuhalten ist ferner die Beobachtung, dass seelsorgerliches Reden auch in politischen Fragen angenommen wird, wenn der Versuch unterbleibt, politische Rezepte zu verteilen.“ Im Blick auf die im zeitlichen Umfeld des 8. Mai durchgeführten Veranstaltungen wurde als „auffällig“ beschrieben, dass „gerade der 40. Jahrestag des Kriegsendes zu einer Welle der Rückbesinnung“ geführt habe. Diese katalytische Funktion weise auf die zahlreichen, bislang unterdrückten und unaufgearbeiteten Themen hin, von denen einige im Rahmen der Veranstaltungen erstmals hätten angesprochen werden können. Die Mitglieder der Konsultationsgruppe verständigten sich über die Beobachtung, dass die junge Generation mit dem „Wort von der Versöhnung“ nur wenig anfangen könnte, weil es ihr keine Erklärung dafür bieten könne, „warum sie in die durch den 2. Weltkrieg geschaffenen Verhältnisse hineingeboren wurde und sie mitzutragen“ habe. Die Beschäftigung mit diesen und anderen Fragen müsse – ohne die Fixierung auf das Umfeld des 8. Mai 1945 – möglicherweise bei Gelegenheit der Klausurtagung der Gruppe fortgesetzt werden. Über die Vorbereitung von weiteren Verhandlungsthemen für die Klausur wurde Folgendes abgestimmt: „‚Weltraumbewaffnung‘ (SDI)“, zu bearbeiten von Binder; „Friedensexpertisen der EKD“ (von Heyl und Kraske); „Auswertung der Gedenkveranstaltungen zum 40. Jahrestag des Kriegsendes und Themensammlung zur weiteren Bearbeitung“; „Gesichtspunkte für einen neuen Arbeitsbericht der Konsultationsgruppe“. Zuletzt vereinbarten die Anwesenden mit Blick auf die Vertreter aus der

und mittragen. Mit dem ‚Gemeinsamen Wort zum Frieden‘ von BEK und EKD zum 40. Jahrestag der Befreiung ist es dem BEK erstmals gelungen, seine realistischen Positionen zur historisch richtigen Bewertung des 8. Mai 1945 und seiner aktuellen Bedeutung durchzusetzen“ (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-385, Bl. 225–246; hier Bl. 235f.).

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DDR, dass die Genehmigung der Ausreise zur Tagung in München „einheitlich“ für den Zeitraum 31. Juli bis 5. August 1985 beantragt werden solle. Zu diesem Zweck wurde Ziegler gebeten, Vorschläge für eine adäquate Formulierung der Anträge bei der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen zu machen.6 Bereits am 23. April 1985 hatte Ziegler Hauptabteilungsleiter Heinrich angekündigt, dass wie im Vorjahr eine Konsultation in der Bundesrepublik, diesmal vom 31. Juli bis zum 4. August 1985 in München, angesetzt sei. Dabei wolle man vor allem die Reaktionen auf das „Gemeinsame Wort“ auswerten. Heinrich hatte die Information ohne jeden Widerspruch entgegengenommen.7 Der Leiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen im ZK der SED verfasste jedoch am 27. Juni eine Vorlage für eine Unterredung mit Staatssekretär Gysi, die er dem Nachfolger Verners als für Kirchenfragen verantwortliches Politbüro-Mitglied, Werner Jarowinsky, übergab. Rudi Bellmann berichtete eingangs, aus einem „Reisevorgang“ sei zu erschließen, dass der bayerische Landesbischof Johannes Hanselmann eine kirchliche DDR-Delegation zu einer Friedenskonsultation mit EKD-Vertretern in die Landeshauptstadt eingeladen habe. Gemeinsam wolle man sich dort speziell der „Aufarbeitung des Echos auf das bekannte gemeinsame ‚Wort zum Frieden‘“ widmen. Er wies darauf hin, dass das „Wort“ in der Bundesrepublik sowohl in kirchlichen Kreisen als auch in der Öffentlichkeit „beachtliche“ Reaktionen hervorgerufen habe. Während die SPD-Opposition den Text genutzt habe, um ihre kritische Haltung zur christdemokratischen Regierung in Bonn zu untermauern, sei das „Wort“ seitens der CDU/CSU scharf angegriffen worden. An die Spitze dieser „Kampagne“ habe sich der Zeitungsverleger Springer gestellt. Eine „bemerkenswerte politische Bedeutung“ komme der bilateralen Konsultation allein aufgrund der Tatsache zu, dass die EKD und die SPD sich einander in jüngster Vergangenheit deutlich annäherten. So sei der vormalige stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Jürgen Schmude, zum neuen Präses der Synode der EKD gewählt worden. Auch hätten BEK-Vertreter wiederholt von einer „Brückenfunktion“ gesprochen, die Kirchenbund und EKD im Blick auf die Friedensfrage zwischen der DDR und der Bundesrepublik einnähmen. Bellmann zählte die sechs Teilnehmer8 auf, die den Bund bei der Beratung über dieses politisch brisante Thema vertreten sollten und legte Jarowinsky nahe, unbedingt dafür zu sorgen, dass Staatssekretär Gysi diesen Personen „rechtzeitig“ vor ihrer Ausreise nach München eine „politische Orientierung für ihr Auftreten“ in der Bundesrepublik gebe.9 6

Vermerk Ziegler vom 3.6.1985, S. 2f. (EZA, 101/3139). Auszug aus Vermerk Ziegler vom 25.4.1985 (EZA, 101/3152). 8 Domsch, Gienke, Jaeger, Leich, Wahrmann und Ziegler. 9 Vermerk Bellmann vom 27.6.1985, S. 1f. (SAPMO-BArch, DY 30/IV B 2/14/200, Bl. 126f.). 7

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Bei ihrer Klausurtagung, die nur vom 31. Juli bis zum 3. August in München stattfand, hatten die Vertreter von Bund und EKD eine breite Palette von Themen zu beraten. Im Anschluss an die kirchlichen Situationsberichte versuchten die Teilnehmer, sich auf der Basis einer von Binder vorbereiteten Skizze ein Bild über die politischen Motive und Zielstellungen, die technische Funktionsweise sowie eine mögliche friedenssichernde Wirksamkeit des amerikanischen SDIProjekts zu machen. Dass es sich um eine „echte Verteidigungsmaßnahme“ zur Verhinderung eines Angriffs handele, müsse für die ethische Beurteilung berücksichtigt werden. Durch dieses neue System verschwimme auch die Argumentation gegen atomare Waffen, wobei wiederum im Blick behalten werden müsse, dass SDI nur wirksam sein könne, wenn diese Weltraumwaffen „allen zur Verfügung stehen und billiger sind als die angreifenden Waffen“. Da von beidem nicht auszugehen sei, werde das Projekt vermutlich zu einer Destabilisierung der Situation führen und sei somit tendenziell abzulehnen. Die Mitglieder der Konsultationsgruppe kamen bei ihrer Aussprache wieder zu der Folgerung, dass der Schwachpunkt bei allen Bemühungen um eine Sicherung des Friedens in dem „Mangel an wechselseitigem Vertrauen“ liege und die „Voraussetzungen des Vertrauens“ formuliert und eine entsprechende Basis geschaffen werden müsste. Während in der DDR eine eindeutige und breite Ablehnung des SDI-Programms festzustellen sei, seien in der Bundesrepublik unterschiedliche Haltungen auszumachen. Es sei damit zu rechnen, dass auch von den beiden Kirchen divergierende Äußerungen abgegeben werden könnten. Der auf der konstituierenden Synode der EKD im Mai in Berlin-Spandau zum Präses gewählte Schmude informierte über die im Entwurf vorliegende EKD-Denkschrift „Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie. Der Staat des Grundgesetzes als Angebot und Aufgabe“10, über deren endgültige Fassung und Veröffentlichung der Rat der EKD voraussichtlich im September entscheiden werde. Schmude wies darauf hin, dass sich die Denkschrift ausschließlich mit der Bundesrepublik befasse und bewusst keinerlei „grenzüberschreitende Aussagen und indirekte Verurteilungen anderer Staaten“ vorgenommen worden seien. Der „evangelische Christ als Staatsbürger“ solle ermutigt werden, die Denkschrift wolle anregen zum Nachdenken und Diskutieren.11 In der folgenden Aussprache verständigten 10 Die zu diesem Thema schon lange geplante und von der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung erarbeitete Denkschrift vom 1.10.1985 wurde am 17.10.1985 von dem Ratsvorsitzenden Lohse und dem Kammer-Vorsitzenden Rendtorff in Bonn auf einer Pressekonferenz präsentiert. Zur Entstehung und Aufnahme der Demokratie-Denkschrift vgl. u. a. die 2. Lieferung des KJ 1985 (112. Jg.), S. 144–162. Dort finden sich auch Textauszüge. 11 Bereits am 29.10.1985 lag eine „Einschätzung“ der HA XX/4 vor, in der konstatiert wurde, dass es sich dabei um eine „innenpolitische Angelegenheit der BRD“ handele. Doch „in der Betonung dieser Selbstverständlichkeit wie in dem Hinweis auf die ‚besondere Gemeinschaft‘ der Kirche, in der die

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sich die östlichen und westlichen Mitglieder „insbesondere auch über das angemessene Verhalten kirchlicher Amtsträger in und gegenüber diesem Staat“. Hinsichtlich der von Wilkens schriftlich festgehaltenen Idee, die Ausarbeitung eines weiteren gemeinsamen Wortes zum Themenkomplex „Gerechtigkeit und Frieden“ in Angriff zu nehmen, kamen die Anwesenden zu dem Ergebnis, dass ein wechselseitiger Austausch darüber zwar begrüßenswert sei, doch „nicht mit dem Ziel einer gemeinsamen Äußerung“12 von BEK und EKD.13 Die EKD-Vertreter berichteten über die Arbeitsergebnisse einer vom Rat der EKD zur praktischen Konkretisierung und Ausfüllung der mit der Friedensdenkschrift der EKD von 198114 formulierten Anstöße zu Möglichkeiten der politischen Friedensförderung eingesetzten Expertengruppe. Da die sechs „Gutachter“ sich nicht auf ein einheitliches Votum hätten einigen können, würden die sehr unterschiedlichen Stellungnahmen nun als „Sechs Expertenbeiträge für die Evangelische Kirche in Deutschland“ veröffentlicht. Dabei sei hoffentlich zu vermeiden, dass die durchaus kritischen Voten zur Denkschrift als Abrücken des Rates von seinen „im Friedenswort von 198315 gegebenen Richtungsimpulsen“ missverstanden werde. Nach einer knappen Skizze des Inhalts und der Mängel der sechs Beiträge debattierte die Konsultationsgruppe kurz über die Durchführung der gemeinsamen Bittgottesdienste für den Frieden und kam überein, zukünftig an der Erarbeitung der Fürbittengebetstexte mitzuwirken. Der folgende Tagesordnungspunkt war die von verschiedenen Seiten, erstmals im Juni auf dem Düsseldorfer Kirchentag angeregte Veranstaltung eines „Konzils für den Frieden“. Die Anwesenden verständigten sich über die dem Begriff innewohnende Problematik, hielten es aber durchaus für bedenkenswert, unter Umständen von Bund und EKD gemeinsam ausgehend eine Beratung mit anderen Kirchen anzuberaumen, um evangelischen Christen der BRD und der DDR miteinander verbunden seien, zeigt sich nach wie vor ein unterschwelliges Festhalten an der These von der Einheit der Nation und dem Alleinvertretungsanspruch von BRD-Organen“. Besonders relevant sei die einleitende Feststellung, die Christen bestimmten „ihren Weg und ihre Aufgaben als Staatsbürger […] in ihrer Kirche als einer eigenständigen gesellschaftlichen Kraft für sich selbst, so wie wir es hier für uns tun“. Daran zeige sich die „faktische Ignorierung“ der DDR und ihrer Gesetze, die „weit hinter dem Selbstverständnis der Kirchenrepräsentanten unserer Republik“ zurückbleibe (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1550, Bl. 52–57; hier Bl. 53). 12 Wie aus einem weiteren Vermerk hervorgeht, rief Lewek Wilkens am 2.8.1985 bei Gelegenheit eines Aufenthalts in West-Berlin an „und wollte noch einmal darum bitten, dass trotz aller Zweifel und auch Widerstände das Treffen am 16. Sept. doch stattfinden möge, auch wenn nicht gleich ein gemeinsames ‚Wort‘ dabei herauskäme. Der Gedankenaustausch sei wichtig – und vielleicht käme doch etwas heraus…!?“. Hervorhebungen im Original (Hsl. Vermerk Wilkens [?] vom 6.8.1985 [EZA, 2/01/973]). 13 Vermerk (Teilniederschrift) Hammer vom 9.8.1985, S. 2–4. (EZA, 101/3139). 14 K IRCHENKANZLEI DER EKD (Hg.), „Frieden“. 15 Abdruck des Ratswortes „zur Friedensdiskussion im Herbst 1983“in: K IRCHENAMT DER EKD (Hg.), Denkschriften, Bd. 1/3, S. 119–127.

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Möglichkeiten eines solchen Konzils zu durchdenken.16 Anschließend tauschten die Kirchenvertreter nochmals ihre Erfahrungen hinsichtlich der in beiden Bereichen durchgeführten Veranstaltungen zum Gedenken an den 8. Mai 1945 aus. Sie beschlossen, auf die Ausarbeitung einer schriftlichen Bilanz zu verzichten, da damit vermutlich die in Gang gesetzten Aufarbeitungsprozesse nicht wesentlich befördert werden könnten, statt dessen jedoch dazu anzuregen, dass anlässlich der Friedensdekade Ende des Jahres nochmals eine Auseinandersetzung mit dem gemeinsamen „Wort zum Frieden“ stattfände. Bei der Konsultation im Mai war vereinbart worden, Überlegungen anzustellen, ob es bereits an der Zeit sei, in Anlehnung an den ersten „Arbeitsbericht“ der Konsultationsgruppe von 1982 wieder öffentlich Rechenschaft über die gemeinsame Tätigkeit abzulegen oder ob es zugunsten der Kontinuität der eigenen Arbeit nicht eher geboten sei, der „nächsten Konsultationsgruppe eine Zusammenstellung der erarbeiteten Ergebnisse und der weiter zu verhandelnden Probleme und Fragen zu übergeben“. Immerhin sei mit dem „Wort zum Frieden“ ein Arbeitsresultat vorgelegt worden, das im Sinne eines „Zwischenberichtes für die Öffentlichkeit“ derzeit nicht zu übertreffen sei. Die Anwesenden einigten sich darauf, für die nachfolgende Konsultationsgruppe ein „Zwischenergebnis“ zu formulieren und danach zu entscheiden, ob sich daraus die Gestaltung eines neuen, zu publizierenden „Arbeitsberichtes“ ergeben könnte. Die Leiter der Dienststellen wurden mit der stichwortartigen Zusammenstellung der seit 1982 verhandelten Themen und Ergebnisse beauftragt.17 Kirchlicher Auftrag der Versöhnung und die „Hoffnung auf Frieden“ von Bund und EKD: Ein Wort an die Gemeinden mit offensichtlichem Kompromisscharakter Am 4. Dezember trat die Konsultationsgruppe wieder in Ost-Berlin zusammen und kam gleich am Anfang auf den „Zwischenbericht II“ zu sprechen, zu dem wie vereinbart nun sechs Entwürfe zu einzelnen, von der Gruppe beratenen The16

Die Kirchenabteilung des MfS hatte Folgendes erfahren: „Inoffiziell wurde zu einer Tagung der ‚Konsultationsgruppe‘ der EKD und des BEK Ende Juli in München bekannt, dass der Dt. Evgl. Kirchentags-Präsident Huber bezogen auf das ‚Friedenskonzil‘ […] dessen Zielstellung dahingehend formuliert habe, dass als Ergebnis eine weltweite Wehrdienstverweigerung der Christen erreicht werden sollte. Weiterhin sei auf dieser Zusammenkunft von EKD-Seite aus vorgeschlagen worden, dass die EKD und der BEK als gemeinsame Veranstalter dieses ‚Friedenskonzils‘ auftreten sollten. Dies sei von den DDRVertretern abgelehnt worden. Durch C. F. Weizsäcker [sic] sei inzwischen über das ‚Friedenskonzil‘ in einer Audienz beim Papst gesprochen worden. Die Kathol. Kirche halte sich bisher noch zurück“ (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1820, S. 322; Hervorhebung im Original). 17 Vgl. die drei, von Hammer, Ziegler und von Keler vorgelegten „Zwischenberichte“, die als Dok. 37–39 bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, auf den S. 427–434 abgedruckt sind. – Vermerk (Teilniederschrift) Ziegler vom 27.8.1985, S. 1ff. (EZA, 101/3139).

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menkomplexen vorlagen.18 Es entspann sich erneut eine Diskussion über Sinn, Zielsetzung und Effekt eines neuen Berichts, zumal die Aussagen der Arbeitsbilanz von 1982 noch gültig seien und man erst vor kurzem das „Wort zum Frieden“ präsentiert habe. Es sei viel wichtiger, sich zu aktuellen Fragestellungen – eingebunden in einen größeren Kontext und vom kirchlichen Versöhnungsauftrag ausgehend – zu Wort zu melden. Für einen mündlichen Bericht an die beiden Leitungsgremien sei „eine etwas ausführlichere Zusammenstellung der Protokollhinweise“ ausreichend. Die Anwesenden beschlossen, die sechs Einzelentwürfe, die dem Ratsvorsitzenden und dem Vorsitzenden der KKL bei ihrer Berichterstattung hilfreich sein könnten, Hammer und Ziegler zu übergeben. Bei dieser Aussprache entstand der Plan, die Formulierung eines gemeinsamen „Versöhnungswortes“ in Angriff zu nehmen. Möglicherweise habe das Ergebnis des Gipfeltreffens in Genf, die sowjetisch-amerikanische Erklärung19 über einen Verzicht auf militärische Überlegenheit, zu einer „gedanklichen Wende“ geführt, die BEK und EKD als Ansatzpunkt nutzen könnten, sich von ihrem „Versöhnungsauftrag“ her zu „SDI, zur Nord-Süd-Verpflichtung und zur Toleranzfrage, zur Verwirklichung der Menschenrechte“ zu äußern. Dabei müssten die Dimensionen der Innen- und Außenpolitik verknüpft bleiben. Zielstellung eines kirchlichen Wortes solle die Betonung der „Vernünftigkeit von Versöhnung“ und die Ermutigung zur umfassenden Kooperation sein, wobei die Aussagen einen Dialog befördern und nicht einengen sollten. Wie mit dem „Wort zum Frieden“ sollten auch mit dem Versöhnungswort die Gemeinden angesprochen werden. Die Mitglieder der Konsultationsgruppe wollten diesmal verstärkt darauf achten, dass der im Umfang keinesfalls zwei Seiten überschreitende Text zur Verlesung geeignet sei. LWB-Vizepräsident Johannes Hanselmann brachte seine Bereitschaft zum Ausdruck, bis zum Jahresende einen Entwurf vorzulegen, dessen Überarbeitung Schmude übernehmen werde. Es wurde vereinbart, sich auf der Konsultation am 10. Januar 1986 über die Vorlage zu verständigen. Für die weitere Terminplanung formulierten die Anwesenden den Wunsch nach einer Veröffentlichung des „Versöhnungswortes“ zu Ostern, vor dem XI. SED-Parteitag. Um allerdings auf jeden Fall eine Verabschiedung unter Zeitdruck zu vermeiden, könne alternativ Pfingsten 1986 als möglicher Publikationstermin in Frage kom-

18 Die Beiträge sind alle veröffentlicht bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 435–447, als Dok. 40 (W. Hammer: Der besondere kirchliche Beitrag zum deutsch-deutschen Verhältnis), 41 (M. Ziegler: Probleme kirchlicher Verlautbarungen), 42 (P. Kraske: Zur Erinnerung an den 8.5.1945), 43 (J. Jaeger: Gesamtkirchliche Probleme im ökumenischen Kontext), 44 (P. Kraske: Bittgottesdienst für den Frieden) und 45 (J. Jaeger: Problem des Friedenskonzils). 19 Die Beratung zwischen der SU und den USA vom 19. bis 21.11.1985 in Genf hatte zur Verabschiedung der Erklärung durch M. Gorbatschow und R. Reagan geführt.

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men.20 Zuletzt wurde berichtet, dass mittlerweile die Synode des Bundes und die Synoden im Bereich der EKD der Veranstaltung eines Friedenskonzils positiv gegenüberstünden, allerdings ihre Zweifel an der Bezeichnung „Konzil des Friedens“ angemeldet hätten. Offen sei die Frage, wer die Organisation übernehmen solle, doch herrsche Konsens, dass BEK und EKD „nicht zu sehr als treibende Kraft“ in Erscheinung treten sollten.21 Seinen Vorschlag für Neuberufungen in die Konsultationsgruppe diskutierte der Vorstand der KKL am 19. Februar 1986 ausführlich, nachdem Ziegler die Anwesenden über die bisherige Aufgabenstellung und personelle Zusammensetzung des Gremiums informiert hatte. Folgende, vom gesamten Vorstand einhellig befürwortete Namensliste sollte der Konferenz zur Beschlussfassung vorgelegt werden: Werner Leich, Horst Gienke, Martin Ziegler, Kurt Domsch, Helmut Domke, Rainer Gaebler. Der Leiter des BEK-Sekretariats wurde damit beauftragt, bei Domke, der bislang noch kein Mitglied gewesen war und auch nicht mit einer Berufung „qua Amt“ zu rechnen hatte, möglichst rasch anzufragen, ob er für eine Kandidatur zur Verfügung stünde.22 Die Konsultationsgruppe trat am 26. Februar in ihrer alten Besetzung zusammen und befasste sich ihrerseits mit der Neuzusammensetzung der Berater- und der Konsultationsgruppe. Der Leiter des BEK-Sekretariats informierte die Anwesenden über die Überlegungen, die im Vorstand im Blick auf beide Gremien angestellt worden waren. Da Jaeger nun Probst des Sprengels Südharz war und Wahrmanns Amtszeit als Präses der Bundessynode beendet war, werde die Konferenz auf ihrer Klausurtagung Anfang März über entsprechende Neuberufungen in die Konsultationsgruppe 20 Lewek informierte den Vorstand der KKL am 13.12.1985 über die in Aussicht genommene „streng vertrauliche“ Arbeit der gemeinsamen Konsultationsgruppe an einer Stellungnahme von BEK und EKD zum Thema „Versöhnung aktuell“ (Protokoll [Lewek] über 180. Sitzung des KKL-Vorstands am 13.12.1985, S. 1 [EZA, 101/3084]). 21 Vermerk Ziegler o. D., S. 1f. (EZA, 101/3139). – Vgl. die Information der HA XX vom 27.1.1986 über eine „Zusammenkunft von leitenden kirchlichen Amtsträgern des […] (BEK) in der DDR mit leitenden kirchlichen Amtsträgern der […] (EKD) am 25.1.1986 in der Hauptstadt der DDR, Berlin. Aus einer internen Unterhaltung zwischen den Bischöfen Hempel und Kruse wurde bekannt, dass zur Problematik ‚Friedenskonzil der Kirchen‘ von beiden die Auffassung verbreitet wurde, dass der BEK und die EKD hierbei nicht voreilig handeln sollten, sondern in Verbindung mit dem ÖRK und der Konferenz der Europäischen Kirchen (KEK) auf das Jahr 1990 zur Durchführung des ‚Friedenskonzils‘ unter dem Thema ‚Frieden, Gerechtigkeit, Schöpfung‘ orientieren sollten. Nach Auffassung beider Amtsträger gehe es darum, die begonnenen Gespräche des ÖRK mit dem Vatikan weiterzuführen, um die Katholische Kirche und andere christliche Kirchen für das geplante Friedenskonzil zu gewinnen. Hempel verwies auf die im Juli 1986 in Potsdam-Hermannswerder geplante Tagung des ÖRK (Abt. Evangelisation und Weltmission), die sich u. a. auch mit Fragen des Friedens, der Gerechtigkeit und des Rassismus beschäftigen soll und als Unterstützung der Initiativen des ÖRK anzusehen ist“ (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1820, Bl. 222). 22 Protokoll (Kupas) vom 3.3.1986 über 182. Sitzung des KKL-Vorstands am 19.2.1986, S. 1 (EZA, 101/3084).

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entscheiden. Erst dann werde man beraten, wie die Beratergruppe seitens des Kirchenbundes zu besetzen sei. Hammer berichtete von den personellen Veränderungen, die die EKD-Vertreter in dem Ost-West-Gesprächskreis betrafen. Die Mitglieder der Konsultationsgruppe stimmten miteinander ab, dass Bund und EKD jeweils 15 Personen in die Beratergruppe entsenden sollten, so dass ausreichend Spielraum vorhanden sei, „berechtigte Wünsche zu berücksichtigen“. Zum Tagesordnungspunkt „Bittgottesdienst für den Frieden 1986“ waren Hermann Barth, der Leiter des Referats für öffentliche Verantwortung im Kirchenamt der EKD, sowie der Sekretär der Kommission für Kirchliche Jugendarbeit des Bundes, Fritz Dorgerloh, eingeladen worden, um den geplanten Aufbau und die bereits vorliegenden Textentwürfe vorzustellen. Die Konsultationsgruppe legte den zeitlichen Rahmen fest, innerhalb dessen die Texte den Leitungsgremien beider Kirchen zur Begutachtung und Beschlussfassung vorgelegt werden sollten. Das Schwerpunktthema der 24. Konsultation war das gemeinsame „Versöhnungswort“ von Bund und EKD, zu dessen Erarbeitung die Gruppenmitglieder sich bei ihrer Sitzung Anfang Dezember des vergangenen Jahres entschlossen hatten. Für den damals abwesenden von Keler skizzierte Gienke kurz, welche Überlegungen zu dem gemeinsam von Hanselmann und Schmude angefertigten Textentwurf geführt hätten und legte auch gleich einige von ihm niedergeschriebene „Ergänzungsvorschläge“ vor.23 Aus einer Diskussion ergab sich die Bitte an von Keler und Leich, den ersten Entwurf für den Text zu überarbeiten, und die beiden zogen sich zu diesem Zweck von der Sitzung zurück, so dass die Arbeit an dem gemeinsamen Wort später auf der Basis des umformulierten Textes weitergeführt werden konnte. Gienkes Ergänzungen waren zum Teil eingearbeitet worden, nur seine Anregung, ausdrücklich die sowjetischen Abrüstungsvorschläge vom Januar 198624 zu würdigen, hatten von Keler und Leich nicht exklusiv aufgenommen, sondern auf die „wechselseitigen Vorschläge der Weltmächte vom Januar/Februar 1986“ verwiesen. Nachdem im Rahmen einer Aussprache einige kleinere Änderungen beraten worden waren, wurde Hammer und Ziegler der Auftrag erteilt, „eine Reinschrift des beschlossenen Textes anzufertigen und den Entscheidungsgremien vorzulegen“. Zum weiteren Verfahren legte die Konsultationsgruppe fest, das gemeinsame Versöhnungswort unter dem Titel „Hoffnung auf Frieden“ zu veröffentlichen und die KKL „mit Rücksicht auf ihre Möglichkeiten“ den Publikationstermin bestimmen zu lassen. Erwünscht sei allerdings, dass dieser Zeitpunkt noch vor Ostern liege. Eine Textstelle mit Bezug auf das 23 Der 1. Entwurf Hanselmanns und Schmudes ist als Dok. 46 (S. 448f.), Gienkes Ergänzungen zu diesem als Dok. 47 (S. 450) abgedruckt bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen. Zwei weitere, im Verlauf der Konsultation entstandene Entwürfe finden sich ebenfalls dort (S. 451–455; Dok. 48f.). 24 Generalsekretär Gorbatschow hatte einen Drei-Stufen-Abrüstungsplan vorgelegt.

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US-amerikanische SDI-Projekt hatte den endgültigen Wortlaut: „Wir zweifeln daran, dass durch die Entwicklung weltraumgestützter Abwehrwaffen ein Mehr an Sicherheit erreicht wird. Wir fürchten, dass dadurch das Wettrüsten mit allen seinen Nachteilen und Gefahren fortgesetzt wird.“ Die KKL sollte darauf hingewiesen werden, dass die Konsultationsgruppe noch eine Alternativ-Fassung dieser Passage anzubieten habe, falls die Konferenz der eben zitierten nicht ihre Zustimmung erteilen könne.25 Die Konferenz befasste sich auf ihrer Klausurtagung vom 7. bis zum 9. März intensiv mit dem „Wort an die Gemeinden“, das von der bilateralen Gruppe „in Aufnahme des Beschlusses der 1. Tagung der 5. Synode des Bundes“26 erarbeitet worden sei. Jedoch kam die KKL überein, dass dieser Auftrag der Bundessynode mit dem gemeinsamen Wort „Hoffnung auf Frieden“ „nicht erfüllt“ worden sei und daher separat verhandelt werden müsse.27 Nach einer langen Beratung über das von der Konsultationsgruppe vorgelegte „Wort“ beschlossen die Mitglieder der Konferenz, den Rat der EKD „auf geeignete Weise für seine Entscheidungsfindung“ über den Stand der Meinungsbildung in der KKL zu unterrichten. Als frühestmöglicher Publikationstermin, über den sich das BEK-Sekretariat und das Kirchenamt der EKD konkret abstimmen sollten, wurde der 27. März genannt. Den Wortlaut der gemeinsamen Stellungnahme „Hoffnung auf Frieden“ gab die Konferenz mit sofortiger Wirkung für die „vertrauliche Behandlung in den Kirchenleitungen der Gliedkirchen“ frei. Im Kontext der nächsten Sitzung der Beratergruppe am 19. März könne über die Verteilungsmodalitäten des „Wortes“ von Bund und EKD befunden werden. Für den Fall, dass der Rat der EKD sich 25 Die KKL hatte ganz offensichtlich keine Einwände, so dass nicht auf die ersatzweise etwas schwächer und umständlicher formulierte Fassung zurückgegriffen wurde: „Wir können leider die Erwartung nicht teilen, durch die Entwicklung weltraumgestützter Abwehrwaffen ein Mehr an Sicherheit zu erreichen. Unserer Ansicht nach würde dadurch das Wettrüsten mit allen seinen Nachteilen und Gefahren fortgesetzt werden.“ [Allerdings erschließt sich der Verfasserin weder, warum die KKL an der Passage hätte Anstoß nehmen können noch, welcher relevante Unterschied mit der alternativen Formulierung gegeben sein sollte.] – Vermerk Ziegler o. D., S. 3 (EZA, 101/3139). 26 In ihrem Beschluss vom 2.2.1986 hatte sich die BEK-Synode „in der Kontinuität“ zu der von den Synoden 1980, 1982 und 1983 „beschriebenen Aufgabe der Kirchen, das ihr Mögliche für die Bewahrung des Friedens in der Welt zu tun und sich dem Geist, der Logik und der Praxis der Abschreckung, dem Wettrüsten und dem Mißtrauen entgegenzustellen“. Sie sehe, dass mit den Ergebnissen des Genfer Gipfeltreffens (1985) und Gorbatschows Vorschlägen (1986) „hoffnungsvolle Zeichen“ gesetzt worden seien, die eine „neue Denkweise in Abrüstungsfragen und ein geschärftes Verantwortungsbewußtsein für die Gefahr der nuklearen Bedrohung“ ankündigten. So bat die Bundessynode KKL und Sekretariat, im Namen des BEK eine „Stellungnahme zu erarbeiten“, in der dies deutlich werde und die die Gemeinden ermutige, den Prozess mit Gebeten und Friedensarbeit zu unterstützen (Abdruck bei M. FALKENAU [Hg.], Kundgebungen, Bd. 2, S. 209). 27 Mit der Aufgabe beauftragte die Konferenz den Ausschuss Kirche und Gesellschaft, der unter dem Titel „Neues Denken im Atomzeitalter“ ein Arbeitspapier für die Friedensarbeit in den Gemeinden vorlegte.

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nicht zur Annahme des „Wortes“ entschließen wolle, sollte vom Kirchenbund auf „jegliche weitere Behandlung“ verzichtet werden. In einer geheimen Abstimmung brachten dreizehn KKL-Mitglieder ihre Zustimmung für das gemeinsame Wort zum Ausdruck, während acht sich dagegen aussprachen und zwei sich ihrer Stimme enthielten.28 Wie der EKD-Ratsvorsitzende Martin Kruse dem Vorsitzenden der KKL am 25. März schriftlich mitteilte, sei „Hoffnung auf Frieden“ von den Ratsmitgliedern in einer intensiven Aussprache „lebhaft“ diskutiert worden. Man sei zu dem Ergebnis gekommen, dass es wie vereinbart am Gründonnerstag der Öffentlichkeit präsentiert werden solle. Fast als wolle er auf das Entgegenkommen der EKD hinweisen, fügte Kruse hinzu: „Dieser Termin erschien unter verschiedenen Gesichtspunkten als nicht besonders geeignet, weil die direkten inhaltlichen Bezüge zu Karfreitag und Ostern fehlen. Aber es geht ja auch nicht um ein Wort für den Tag, d. h. zum Verlesen im Gottesdienst.“29 Mit ähnlicher Tendenz äußerte sich Hammer am gleichen Tag in einer Referentenbesprechung im Kirchenamt der EKD in Hannover. Er kündigte an, dass am 27. März in der Presse eine gemeinsame Stellungnahme von Kirchenbund und EKD zum Frieden veröffentlicht werde, deren „Kompromißcharakter offensichtlich“ sei. Der Präsident des Kirchenamtes vertrat die Ansicht, dass es in naher Zukunft vermutlich zu keinem weiteren „Wort“ beider Kirchen kommen werde, begründete seine Einschätzung jedoch mit der personellen Neuzusammensetzung sowohl der Berater- als auch der Konsultationsgruppe.30 Ziegler fand sich am 21. April zu einer Unterredung mit Heinrich in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen ein und erkundigte sich ausdrücklich, wie der Staat das gemeinsame „Wort“ der Kirchen beurteile. Der Hauptabteilungsleiter gab Ziegler zu verstehen, dass die Stellungnahme von BEK und EKD „bei freundlichster Betrachtung“ als „Kompromißpapier“ anzusehen sei, das den neuen Vorsitzenden von Rat und KKL „möglichst bald nach ihrer Wahl“ die Möglichkeit einer gemeinsamen Äußerung eröffnet habe. Heinrichs Gesamturteil fiel weniger neutral aus. Er kritisierte die unklare Sprache von „Hoffnung auf Frieden“ und konstatierte, dass das „Wort“ inhaltlich „weit hinter“ den bisherigen Erklärungen des Kirchenbundes zurückbleibe. So gewinne man den Eindruck, die Kirchen in der DDR ließen sich mit derartigen Stellungnahmen „immer mehr in die Denkweise der Bundesregierung hineinziehen“. Da der Staat nicht an einer Konfrontation interessiert sei, habe er auf 28 Protokoll (Herrbruck/Doyé) der 104. KKL-Tagung (Klausurtagung) vom 7. bis 9.3.1986, S. 10 (EZA, 101/3068). – Am 21.3.1986 schickte Ziegler das gemeinsame Wort von BEK und EKD an Staatssekretär Gysi. 29 Schreiben Kruse an Leich vom 25.3.1986, S. 1f. (EZA, 2/01/1418). 30 Niederschrift (Hammer) über die Referentenbesprechung der Hauptabteilungen I und II des Kirchenamtes der EKD am 25.3.1986, S. 1 (EZA, 2/01/1030).

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jedwede öffentliche Reaktion verzichtet, „aber ebenso auf ein direktes Gespräch in dieser Sache mit dem Vorsitzenden“. Der Leiter des Sekretariats des Bundes machte Heinrich mehrfach auf die besondere Bedeutung der „gemeinsamen Ablehnung“ des SDI-Programms der USA durch beide Kirchen aufmerksam, doch der Staatsvertreter akzeptierte diese Hinweise als nicht gewichtig genug, um die staatliche Bewertung zu revidieren. Zuletzt berichtete Ziegler von der Absicht der bilateralen Konsultationsgruppe, ihre Klausurtagung Ende Mai in Friedewald durchzuführen und betonte, dass die Vertreter des Kirchenbundes sich an die in der Vergangenheit erfolgte Absprache halten würden, weder Interviews zu geben noch die Presse einzubeziehen.31 Über eine Unterredung zwischen dem EKD-Ratsvorsitzenden Kruse und dem Vorsitzenden der KKL, die Anfang Mai im Rahmen des Antrittsbesuchs Kruses beim Bund stattgefunden hatte, gab der Pressesprecher der EKD, Rolf Koppe, am 7. Mai eine Information heraus. Die beiden Kirchenvertreter hätten sich vor allem intensiv über die – in der DDR und der Bundesrepublik unterschiedlich ausgefallenen – Reaktionen auf das Wort „Hoffnung auf Frieden“ verständigt. Ziel der von BEK und EKD in gemeinsamer Verantwortung veröffentlichten Stellungnahme sei es gewesen, ganz „bewußt zwischen den Fronten politischer Meinungsbildung Verbindung und Versöhnung“ zu ermöglichen. Die Kirchen wollten auch zukünftig mittels weiterer „gemeinsamer Worte“, die auf die jeweils spezifische Situation bezogen seien und „aus dem gemeinsamen Hören auf die Heilige Schrift“ erwüchsen, ihre Funktion als „Brücke“ zwischen den beiden deutschen Staaten wahrnehmen. Kruse und Leich hätten sich ferner mit dem seit Anfang des Jahres mit zunehmender Konkretion verfolgten Plan der Durchführung eines „Konzils des Friedens“ auseinandergesetzt, zu dem bereits im Sommer 1985 während des 21. Kirchentags in Düsseldorf aufgerufen worden war, und festgestellt, dass sie als Kirchen, die „aus dem gemeinsamen Erbe der Reformation leben“, dazu verpflichtete seien, ihren Einsatz für den Frieden, die Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung im größeren ökumenischen Kontext zu leisten. Die durch den Kernschmelzunfall am 26. April im sowjetischen Tschernobyl32 ausgelösten Ängste und Besorgnisse bestätigten nur die Dringlichkeit, in den Bemühungen um gemeinsame Sicherheit keinesfalls nachzulassen.33 Auf der Sitzung der Konferenz am 9. und 10. Mai im Rüstzeitenheim Schönburg bei Naumburg wurde nach einer kurzen Aussprache über den im November im Rahmen der Friedensdekade in der DDR wieder abzuhaltenden gemein31

Vermerk Ziegler vom 23.4.1986, S. 1 (EZA, 101/4716). Vgl. die eigens diesem Thema gewidmete 2. Lieferung des KJ 1986 (113. Jg.): „Energiepolitik und Gefahren der Kernenergie – Kirchliche Stellungnahmen“. 33 EKD-Information (Koppe) vom 7.5.1986, S. 1f. (EZA, 2/01/1414). 32

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samen Bittgottesdienst für den Frieden die Empfehlung des KKL-Vorstands34 weitergegeben, seitens des Bundes dem Greifswalder Bischof Gienke den Vorsitz der Konsultationsgruppe zu übertragen. Nachdem von den Konferenzmitgliedern angeregt worden war, den neuen Präses der Bundessynode Gaebler ebenfalls zur Wahl zu stellen, sprachen sie sich in geheimer Wahl mit neun Ja-, acht Gegenstimmen und drei Enthaltungen für den Präses aus. Lediglich eine sehr kurze Verständigung erforderte die Anfrage des mittlerweile in die Bundesrepublik übersiedelten ehemaligen Görlitzer Bischof Hans-Joachim Fränkel, sich seitens der Kirche für die Freilassung von Rudolf Heß35 einzusetzen. Die Mitglieder des Vorstands waren sich einig, dass derartige Bemühungen der EKD „überlassen“ werden sollten. Mitgeteilt wurde den Anwesenden ebenfalls, dass bereits jetzt „erste Vorüberlegungen“ über ein Gedenken an den 50. Jahrestag der sogenannten Reichskristallnacht am 9. November 1988 eingeleitet worden seien. Abschließend fand eine „Nacharbeit“ zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs statt, dessen sich der Kirchenbund mit unterschiedlichen Veranstaltungen im vergangenen Jahr erinnert sowie mit der EKD zusammen das „Wort zum Frieden“ veröffentlicht hatte. Lewek präsentierte eine Vorlage36 zur Verabschiedung, mit der hinsichtlich des „8.5.1945/85“ vereinbart wurde, „2. In die Programme der Friedensdialoge mit Kirchen in der Ökumene ständig auch Kontakte auf Gemeindeebene einzubeziehen; die durch den 8.5.1945 für die Menschen in beiden deutschen Staaten aufgeworfenen Fragen sollten insbesondere kontinuierlich (nicht nur punktuell angesichts besonderer Jahrestage) in die Partnerbeziehungen zwischen Gemeinden in der DDR und der BRD einbezogen werden. […] 4. Die Konsultationsgruppe EKD/Bund zu bitten, Gesichtspunkte zur Bedeutung der Aussage von der ‚besonderen Gemeinschaft‘ der ev. Christenheit in den beiden deutschen Staaten im Blick auf ihre ‚besondere Friedensverantwortung‘, ‚friedenspolitische Lerngemeinschaft‘, zu erarbeiten.“37

34 Der Vorstand hatte diesen Vorschlag schon Ende März formuliert (Protokoll [Lewek] über 183. Sitzung des KKL-Vorstands am 26.3.1986 in Leipzig [EZA, 101/3084]). 35 Bei den Nürnberger Prozessen war der „Stellvertreter des Führers“ 1946 wegen Verschwörung gegen den Frieden und Planung eines Angriffskriegs zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er saß bis zu seinem Tod im Jahre 1987 im Kriegsverbrechergefängnis der Alliierten in Berlin-Spandau ein. 36 Diese Anlage 1 zum Protokoll ist abgedruckt als Dok. 50 bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 465f. 37 Protokoll (von Rabenau) der 105. KKL-Tagung am 9./10.5.1986, S. 7, 11 (EZA, 101/3069).

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Nachdenken über ein Konzil des Friedens, Vorbereitung eines Wortes der Versöhnung und Verständigung mit der Sowjetunion sowie einer kirchlichen Äußerung zur „Reichskristallnacht“ Die erste Konsultation in neuer Zusammensetzung fand wie geplant vom 28. bis zum 31. Mai in Friedewald statt. Nachdem sich die Beteiligten miteinander bekannt gemacht und über Tagesordnung und Verlauf der Sitzung abgestimmt hatten, wurden wechselseitig Berichte aus den Kirchen des Bundes und denen der EKD ausgetauscht. Die östlichen Vertreter informierten unter anderem über die ins Stocken geratenen Anstrengungen um die „Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR“38 und den Stillstand in der Entwicklung der StaatKirche-Beziehungen, der hoffentlich nicht als „Rückschritt“ zu deuten sei. Aus dem EKD-Bereich wurde über die zum Teil „erhebliche Verärgerung“ in den Gemeinden wegen eines „vermeintlichen ‚Links-Rucks‘ in der Kirche“ berichtet. Präses Schmude, der am gleichen Tag bei einer Unterredung zwischen dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Honecker und dem Führer der SPD-Bundestagsfraktion anwesend gewesen war, gab einige Eindrücke wieder, und die Konsultationsgruppe diskutierte kontrovers über die „Entwicklung kirchlicher Doppelstrukturen und die damit verbundenen Implikationen auf Regierungsebene“. In der nachfolgenden Gesamtaussprache debattierten die Anwesenden dann primär über die „Möglichkeiten kirchlicher öffentlicher Äußerungen, ihre Zielrichtung, Grenzen der Konkretion, Gefahren der Vereinnahmung in Propaganda-Strukturen, das Behaften von Politikern bei ihrem Wort (insbesondere, wenn sie jetzt äußern, was die Kirche schon früher gefordert hat), das Eingehen auf die realen Ängste der Menschen, den hilfreichen Rückgriff auf frühere kirchliche Äußerungen, die Verträglichkeit unterschiedlicher Äußerungen in beiden Bereichen“.

Der mecklenburgische Landesbischof Christoph Stier und Bischof von Keler wurden gebeten, die wichtigsten der thematisierten Probleme und Fragestellungen zu sammeln und sie in der kommenden Konsultation erneut zur Aussprache zu stellen. Die Konsultationsgruppe setzte sich mit dem Entwurf für den Bittgottesdienst für den Frieden auseinander, der im Rat und der KKL bereits verhandelt worden war, erklärte ihn „aufgrund der ihr insoweit erteilten Er38 Die Versuche, die VEK zu bilden, waren bereits im April 1984 endgültig gescheitert, so dass es lediglich noch um die Übertragung einiger Aufgaben von VELKDDR und EKU auf den BEK ging. Vermutlich wollten die Vertreter des Bundes nur ein Stichwort nennen, um den Brüdern die inhaltliche Einordnung zu erleichtern. Berichtet wurde: Da die Entwicklung innerhalb der EKU (Ost) und der VELKDDR nicht abzusehen sei, stelle sich nach wie vor die Frage, „wie die Fülle der Leitungsaufgaben in befriedigender Weise künftig verantwortungsvoll wahrgenommen“ werden könne, da „bloße Verfahrensregelungen“ auf lange Sicht nicht ausreichten.

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mächtigung“ zur endgültigen Fassung und war sich einig, dass ihre Beteiligung an der Erarbeitung der Texte für diese Gottesdienste auch in Zukunft erwünscht sei.39 Zum Tagesordnungspunkt „Konzil für den Frieden“ informierte von Keler über die Arbeitsgruppe, die der Rat der EKD eingesetzt habe, während Domke einige Erläuterungen zum KKL-Beschluss von Anfang Mai gab. Die Vertreter aus Bund und EKD konstatierten gewisse Ähnlichkeiten zwischen den Entscheidungen von Rat und KKL, was die „Verfahrensweise“ anbelange, doch läge bislang kein inhaltliches Konzept für die Durchführung eines Friedenskonzils vor. Sie beschlossen, zunächst einschlägige Stellungnahmen der unterschiedlichen kirchlichen Gremien, „auch der katholischen Bischofskonferenz“, auf inhaltliche Übereinstimmungen zu prüfen. Im Auge zu behalten sei, dass die Veranstaltung eines Konzils für den Frieden dazu führen könne, dass spezielle Auffassungen vom Frieden „verbindlich“ gemacht würden und dies „Kirchenspaltungen“ zur Folge haben könne. Zur weiteren Tätigkeit der Beratergruppe sprach sich die Konsultationsgruppe dafür aus, am Ablauf der Treffen keine Veränderungen vorzunehmen, doch müsse dafür Sorge getragen werden, dass bei den üblichen Lageberichten auch die Gliedkirchen Berücksichtigung fänden, die nicht direkt in dem Gremium vertreten seien. Fast doch in der Rolle eines „geschäftsführenden Ausschusses“ stellten die Anwesenden eine Reihe von Themen zusammen, die im Beratergremium zur Verhandlung kommen könnten. Der Vorschlag, in den Zusammenkünften des Ost-West-Gesprächskreises auch Beratungsergebnisse der Konsultationsgruppe bekannt zu geben, wurde mit dem Argument, dass eine Vereinbarung über die „strikte Vertraulichkeit“ der Konsultationen getroffen worden sei, mehr oder weniger zurückgewiesen. Allerdings wurde eingeräumt, dass die „Umsetzung von Informationen aus der Beratergruppe in die Leitungsgremien und in die Gliedkirchen nicht zufriedenstellend“ sei. Dieser Mangel müsse innerhalb der Beratergruppe zur Sprache gebracht werden. Hinsichtlich der ebenfalls Anfang Mai von der KKL im Kontext der „Nacharbeit am 8.5.1945/1985“ getroffenen Entscheidungen informierte der Leiter des BEKSekretariats über die umfassende schriftliche Auswertung40, die der Ausschuss „Kirche und Gesellschaft“ des Bundes für die Konferenz vorgenommen hatte. Darin waren die unterschiedlichen Wahrnehmungsmuster sowie das in der Regel positive Echo auf das „Wort zum Frieden“ von Bund und EKD seitens der östlichen Nachbarkirchen, der DDR-Gemeinden, des SED-Staates, der bundesdeutschen und der DDR-Medien etwas genauer geschildert worden. Ferner 39

Vermerk (Teilniederschrift) Hammer vom Juli 1986, S. 2–5 (EZA, 101/3139). U. SIEBERT: „Der 8. Mai in unseren Kirchen. Gedanken zu Erklärungen, Ereignissen, Kommentaren. Was hat der 8. Mai 1985 gebracht, angestoßen, bewirkt?“ (Vollständig abgedruckt als Dok. 51 bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 458–464.) 40

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hatte der BEK-Ausschuss in den Blick genommen, welche Konsequenzen sich daraus für die „besondere Gemeinschaft“ ergeben könnten. Die Tatsache, dass das „Wort“ von „beiden Regierungen der beiden deutschen Staaten“ gewürdigt worden sei, habe die „Frage nach der besonderen gemeinsamen Aufgabe der Kirchen in beiden deutschen Staaten erneut laut werden lassen“. Jedoch sei schwer zu beurteilen, welcher „Stellenwert“ dieser Frage innerhalb der Gemeinden in der DDR zukäme: „Wenn die Medien der BRD die Meinungen wiedergeben, die auch in unserem Lande vertreten werden, so scheint von den Kirchen in beiden deutschen Staaten ein für die gesamte Nation stellvertretendes Reden erwartet zu werden. Wenn dies zutrifft, macht sich ein gründliches theologisches Nachdenken über den besonderen Verantwortungsbereich der Kirchen in beiden deutschen Staaten und über ihre (Mit-) Verantwortung für die ‚deutsche Frage‘ notwendig.“41

Domke und Gaebler skizzierten die inhaltlichen Schwerpunkte der von der Konferenz am 9./10. Mai verabschiedeten Beschluss-Vorlage und verwiesen besonders auf die darin an letzter Stelle benannte „weitergehende Aufgabe“, das „Verhältnis zur Sowjetunion zu klären und unter Anerkennung der deutschen Schuld gegenüber den Völkern der Sowjetunion Aussöhnung zu suchen“. Die Mitglieder der Konsultationsgruppe debattierten vor allem über diesen Punkt und waren sich einig, dass „weitergehende Schritte und Erklärungen in Richtung Sowjetunion jedoch auf Widerstand stoßen würden, weil sofort die Frage nach dem Unrecht, das nach 1945 geschehen ist, aufbrechen würde. Außerdem bestehe nur geringe Neigung, das Gedenken an den 8.5.1945 auf Dauer fortzusetzen, die Stuttgarter Schulderklärung in die Gegenwart zu verlängern. […] Es ist auch zu fragen, ob Schulderklärungen nationale Feindschaften aufheben können, oder ob sie vielleicht nur Anstoß zu Forderungen geben“.

Trotz dieser Problematik sollte weiter über die Möglichkeit diskutiert werden, mit Blick auf die Sowjetunion ein Wort der Versöhnung zu formulieren, für das eventuell das Jahr 1988 einen passenden Anlass bieten könne. Geklärt werden müsse allerdings zunächst, wer der „Ansprechpartner“ eines Versöhnungswortes sein solle. Die Anwesenden zogen die Russische Orthodoxe Kirche in Betracht und stimmten in der Ansicht überein, dass das „Wort“ „unbedingt“ von Bund und EKD gemeinsam gesprochen werden müsse, weil so die gemeinsame Verantwortung beider Kirchen für den Frieden bezeugt und Art. 4 (4) der Ordnung des Kirchenbundes gefüllt werden könne. An Domke und Schmude wurde die Bitte gerichtet, für eine Fortsetzung der Aussprache einige Aspekte der geführten Debatte zusammenzutragen. Da die Leitungsgremien keinen Auftrag für die Er41

EBD., S. 463. Hervorhebung im Original.

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arbeitung einer Stellungnahme erteilt hätten und die Konsultationsgruppe sich in ihrer neuen Zusammensetzung noch in einer „Erkundungsphase“ befände, wurde absolutes Stillschweigen vereinbart. Der letzte Tagesordnungspunkt war die jüngst veröffentlichte gemeinsame Äußerung „Hoffnung auf Frieden“. Die Gruppenmitglieder stellten nun fest, dass sowohl der Rat der EKD als auch die KKL „ernüchternd“ bereits auf die Vorlage des Entwurfs reagiert hätten. Mit mehr Sorgfalt sei in Zukunft auch hinsichtlich der „Verfahrensweise“ und der „Veröffentlichungszeit“ vorzugehen. Insgesamt sei das „Echo“ auf das „Wort“ in der Bundesrepublik größer gewesen sei, es habe aber offenbar zumindest im Bereich des Kirchenbundes in der DDR keine „tiefergehende Wirkung“ gehabt. Wiederum hoffte die Konsultationsgruppe auf eine „Langzeitwirkung“, die durch möglichst häufiges Zitieren und Anknüpfen an dort getroffene „wichtige Aussagen“ befördert werden sollte.42 Am 20. Oktober berichtete Präses Gaebler den Mitgliedern der Konsultationsgruppe vom Verlauf der Synode des Bundes, den dort gefassten Beschlüssen43 sowie dem Empfang, den der Staatsratsvorsitzende Honecker am Weltfriedenstag, dem 1. September, für den Friedensrat der DDR gegeben habe. Gaebler und Lewek hatten als Vertreter des BEK daran teilgenommen und im Anschluss an die Veranstaltung die Gelegenheit zu Einzelgesprächen genutzt.44 Gaebler erwähnte in diesem Kontext nochmals die Problematik der „Eigenständigkeit der Kirche“. Wie es in der Vergangenheit schon häufiger der Fall gewesen war, wurde die westliche Medienberichterstattung über die Bundessynode als „einseitig“ bemängelt. Binder wies darauf hin, dass in dieser Hinsicht der Eindruck erweckt worden sei, „dass die Kirchen in der DDR zunehmend im Einvernehmen mit dem Staat bestrebt seien, die Presse auszuschließen“. Auch wenn der Kirchenbund oft unter der verzerrenden und inkompetenten Berichterstattung zu leiden habe, widersprach Ziegler, so habe man niemals die Forderung nach einem Ausschluss der Presse ausgesprochen. Präses Schmude wurde gebeten, die Pressevertreter über die Konsequenzen aufzuklären, die ihre Berichte über die Kirchen in der DDR und kirchliche Veranstaltungen hätten. Die Sorgen, die sowohl in der Konferenz als auch in der Bundessynode im Blick auf eine „Vereinnahmung“ zum Ausdruck gebracht worden waren, seien in der westlichen Presse nicht erwähnt worden. Ziegler setzte die Anwesenden über die stocken42

Vermerk (Teilniederschrift) Ziegler vom August 1986, S. 1, 3f. (EZA, 101/3139). In Erfurt hatte die Bundessynode vom 19. bis 23.9.1986 getagt und Beschlüsse zu Massenvernichtungswaffen, Frieden und Umweltverantwortung gefasst. Die Beschlüsse z. B. zum Bericht des Ad-hocAusschusses „Bekennen in der Friedensfrage“, zum Friedenskonzil, zum verantwortlichen Umgang mit Atomenergie sind abgedruckt bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 231–249. 44 Vgl. die „Schnellinformation“ des BEK-Sekretariats zu dem Empfang in: M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 226–230. 43

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den Bemühungen des Bundes in Kenntnis, in Zusammenarbeit mit der noch zögerlichen katholischen Kirche und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der DDR eine Ökumenische Versammlung in der DDR vorzubereiten, während Stier aus seinen Erfahrungen bei einer kirchlichen Tagung den Schluss zog, dass die Kirchen angesichts des Problems „Pazifismus“ oder wenigstens „Nuklearpazifismus“ auseinander zu brechen drohten. Die Mitglieder der Konsultationsgruppe konstatierten, dass zwar die Friedensfrage „reif“ für ein Konzil sei, die Kirchen jedoch offenbar nicht „konzilsfähig“. Um sich der grundsätzlichen Frage anzunähern, welcher Weg zum Frieden zwischen „zwei konträren Gesellschaftssystemen“ führen könne, und zu klären, welche Ergebnisse mit einem Konzil des Friedens überhaupt erzielt werden könnten, wurde beschlossen, auf der gemeinsamen Klausurtagung im Mai kommenden Jahres zunächst die Positionen beider Kirchen in der Friedensfrage näher zu bestimmen und wechselseitig zu erläutern. Wie auf der letzten Konsultation verabredet, legten Domke und Schmude zum Tagesordnungspunkt „Versöhnung mit der Sowjetunion“ jeweils Ausarbeitungen45 vor, in denen sie unterschiedliche inhaltliche Aspekte zusammengetragen hatten, die berücksichtigt werden müssten, und zugleich Überlegungen angestellt hatten, in welcher Form, mit welchem Adressaten und zu welchem Zeitpunkt ein kirchlicher Schritt zur Versöhnung vorzunehmen sei. Domke hatte eingangs die Legitimation einer gemeinsamen Äußerung von BEK und EKD zu diesem Thema aus ihrer im Arbeitsbericht der Konsultationsgruppe von 1982 beschriebenen Aufgabe hergeleitet, „von ihrem Auftrag her den Brückendienst der Versöhnung zu tun“. Einen zweiten Abschnitt wollte er dem Benennen der Schuld widmen, in einem dritten den Umgang mit dieser Schuld und die „Aufarbeitung der gestörten Beziehungen zwischen den Völkern“ darstellen. Dabei war Domke sehr ausführlich auf das nach wie vor existente und verbreitete „antikommunistische Feindbild“ eingegangen. In einer weiteren Textpassage beschrieb er – ausgehend von der Grundvoraussetzung, dass Sicherheit heute nur noch in gemeinsamer Sicherheit liegen könne, wie beide Kirchen 1985 in ihrem „Wort zum Frieden“ festgestellt hatten – mögliche politische „Schritte gelebter Versöhnung“. Zuletzt skizzierte er unterschiedliche Ausdrucksformen, nannte für die Jahre 1987 bis 1990 verschiedene (historische) Anlässe, die die Kirchen nutzen könnten, um gemeinsam oder auch separat einen solchen Prozess der Versöhnung in Gang zu setzen. Schmude hatte demgegenüber seinen Überlegungen den Hinweis vorangestellt, dass vor einer wie im45 Anlage 1 zum Vermerk: H. Domke: Gesichtspunkte zur Frage gelebter Versöhnung mit den Menschen in der Sowjetunion; Anlage 2 zum Vermerk: J. Schmude: Überlegungen zum Thema „Versöhnung mit den Völkern der Sowjetunion“. Gesichtspunkte einer Gliederung (Abdruck beider Anlagen bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 174–180).

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mer gearteten Stellungnahme der Kirche erst gründlich geprüft werden müsse, ob die entsprechenden Voraussetzungen vorlägen. Seinem Gliederungsvorschlag nach sollte in dem Wort zu Beginn die Notwendigkeit herausgestellt werden, zur dauerhaften Friedenssicherung in Mitteleuropa von der Bundesrepublik aus einen Schritt der „Versöhnung und Freundschaft“ in Richtung der Sowjetunion zu gehen. Rückblickend sei dann das durch den – von den Nationalsozialisten ausgelösten – Krieg verursachte Leid und die Opfer der „Völker der Sowjetunion“ „nüchtern und anschaulich“ darzustellen. Die Schuld der deutschen evangelischen Christen sei „weniger in Form des persönlichen Verschuldens als auf der Grundlage der Haftung für das damals Geschehene“ zu bekennen und dabei unter anderem zu betonen, dass das „schuldhafte Verhalten anderer, auch der sowjetischen Führung“ diese nicht mindere. Hingewiesen werden müsse auf gute Erfahrungen mit der Sowjetunion nach Kriegsende und die in der derzeitigen politischen Lage liegende Chance, einen Neuanfang zu machen und die „unselige Vergangenheit“ als abgeschlossen anzusehen. Ferner sei die besondere christliche Verantwortung für Frieden und Versöhnung hervorzuheben und es müssten „auf der Grundlage und möglicherweise in Weiterentwicklung bisher schon vorliegender Friedensworte“ politische Schritte zur Erhaltung des Friedens genannt werden. Abschließend könne, so Schmude, ein spezieller Appell an die Christen in der Sowjetunion gerichtet werden, was sich vor allem anbiete, wenn Bund und EKD sich im Jahr 1988, also zur Taufe Rußlands vor 1000 Jahren, äußerten. In der folgenden Debatte wurde problematisiert, dass jegliche Aussagen von Kirchenbund und EKD „in den im Gang befindlichen Propagandakrieg einbezogen“ würden. Es sei in der aktuellen politischen Situation äußerst schwierig, „unmißverständlich und wahrhaftig“ zu sprechen, und es müsse vorab die Frage beantwortet werden, „ob eine Verlautbarung der gegenwärtig richtige und leistbare Schritt zu ‚gelebter Versöhnung‘“ sein könne. Auch werde die EKDKammer für öffentliche Verantwortung vermutlich 1988 eine Stellungnahme zu dieser Thematik veröffentlichen, doch liege dort bislang kein Arbeitsergebnis vor. Die Konsultationsgruppe legte fest, dass auf ihrer Klausurtagung im Mai 1987 eine klare Entscheidung gefällt werden müsse, welche Empfehlung sie den Leitungsgremien beider Kirchen geben sollte.46 Auf der Sitzung des Vorstands der KKL am 14. Januar 1987 trug Helmut Tschoerner, theologischer Referent im lutherischen Kirchenamt der VELKDDR, einige Vorüberlegungen für ein „offizielles Wort an die jüdischen Gemeinden“ anlässlich des 1988 anstehenden 50. Jahrestags des großen Judenpogroms der Nationalsozialisten vor. Die Anwesenden diskutierten darüber, ob eine solche Stellungnahme unter Umständen gemeinsam mit der EKD abzugeben sei und 46

Vermerk Ziegler vom 26.11.1986, S. 1, 3f. (EZA, 101/3139).

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beschlossen, dass die Vertreter von BEK und EKD sich bei der nächsten Konsultation über diese Möglichkeit verständigen sollten.47 Der Konsultationsgruppe berichtete Ziegler von diesem Vorhaben, als sie am 28. Januar in der Ost-Berliner Auguststraße tagte, und gab die Zusatzinformation, die Arbeitsgemeinschaft „Kirche und Judentum“ habe den KKL-Vorstand darauf hingewiesen, dass eine „offizielle kirchliche Verlautbarung von jüdischer Seite erwartet werde“. Allerdings bestünden unter den Mitgliedern des Vorstands Zweifel, ob ein gemeinsames Reden mit der EKD zu dieser Thematik möglich sei. Dies sei einerseits abhängig von dem „Adressaten der Verlautbarung“, andererseits ebenfalls von den doch unterschiedlichen Beziehungen zwischen Christen und Juden in der DDR und in der Bundesrepublik. Wichtig sei in jedem Fall, möglichst rasch zu einer „Meinungsbildung“ zu kommen. Die Vertreter von Kirchenbund und EKD sprachen sich grundsätzlich für eine gemeinsame Stellungnahme aus. Es wurde erwogen, unter Umständen auch nur ein „Teilstück“ eines solchen Wortes unter der Verantwortung beider Kirchen zu publizieren und den Rest des Textes jeweils separat und auf die spezifische Situation in beiden deutschen Staaten bezogen zu formulieren. Die westlichen Mitglieder der Gruppe sagten zu, dass der Rat der EKD sich auf seiner Sitzung im Februar oder im März mit dem Vorhaben auseinandersetzen werde und die Konsultationsgruppe ihrerseits sich auf der Klausurtagung im Mai um eine „verbindliche Meinungsbildung“ bemühen müsse. Im Rahmen des Berichts aus der EKD fragte Domsch an, ob im Westen an die Publikation einer „neuen ‚Ostdenkschrift‘“ gedacht werde. Ihm wurde erläutert, dass „große Zurückhaltung in dieser Sache bestehe, dass es wahrscheinlich zu einem Brief im Zusammenhang mit dem ‚Jubiläum der Taufe Rußlands‘ kommen werde“. Eine Entscheidung, ob BEK und EKD zu diesem Anlass mit einem gemeinsamen „Wort“ an die Öffentlichkeit treten wollten, sei bislang nicht getroffen worden. Darüber solle die Konsultationsgruppe ebenfalls bei ihrer Klausurtagung nochmals beraten. Wie im Vorjahr nahmen Barth und Dorgerloh an der Verhandlung des Tagesordnungspunkts „Bittgottesdienst für den Frieden 1987“ teil und legten einen entsprechenden Entwurf48 für den Gottesdienst vor, dem die Vertreter beider Kirchen zustimmten. Der Text sollte den Leitungsgremien von BEK und EKD zur Beurteilung zugeleitet werden. Ziegler informierte die Anwesenden darauf über den Planungsstand zum „Konzil des Friedens“. Mittlerweile habe die katholische Kirche in der DDR entschieden, sich lediglich im „Beobachterstatus“ zu beteiligen und damit „unterschiedliche“ Reaktionen ausgelöst. Da die einzelnen Gemeinden und Gruppen mit einer ausgesprochen hohen Erwartungshaltung auf ein Friedenskonzil blickten, hob 47 48

Protokoll (Lewek) über 193. Sitzung des KKL-Vorstands am 14.1.1987, S. 5 (EZA, 101/3086). Vgl. Dok. 52 bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 465–470.

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Schmude die Notwendigkeit hervor, sich auf kirchenleitender Ebene um absolute „Durchsichtigkeit“ aller Überlegungen und Planungsschritte zu bemühen. Die Mitglieder der Konsultation waren sich zwar einig, dass eine „Stagnation“ „nicht mehr lange durchzuhalten“ sei, trafen jedoch keine konkreten Vereinbarungen, wie weiter verfahren werden könnte. Im Blick auf die vom 24. bis zum 27. Mai in Fischbach am Bodensee geplante Klausurtagung der Gruppe informierte Ziegler über die Anfrage von Staatssekretär Gysi, ob eine solche Tagung nicht einmal in der DDR abgehalten werden könne. Die Anwesenden sprachen sich unter der Voraussetzung dafür aus, dass dennoch nach wie vor einmal pro Jahr eine Klausurtagung in der Bundesrepublik stattfände.49 Am 10. April besprach die Konsultationsgruppe die für ihre Klausurtagung anvisierten Tagesordnungspunkte. Stier und von Keler sollten jeweils für den BEK und die EKD darstellen, welche Vorstellungen beide Seiten von kirchlichen Äußerungen zu politischen Fragen hätten. Ziel einer Erläuterungen der vermutlich divergierenden Auffassungen könne eine „wechselseitige Sensibilisierung“ sein. Die von Schmude und Domke auf der vorletzten Konsultation vorgetragenen Überlegungen zu einem möglichen Schritt der Versöhnung mit der Sowjetunion sollten ebenso beraten werden wie die Textvorlage für den gemeinsamen Bittgottesdienst für den Frieden im November. Hinsichtlich des kirchlichen Gedenkens an die „Reichskristallnacht“ wollten sich die Vertreter von Bund und EKD gegenseitig über den bislang erreichten Stand ihrer Planungen informieren und Vorschläge sammeln, wie eine „kleine Formulierungsgruppe“ besetzt werden könne. Ein ähnlicher Gedankenaustausch solle zum Stichwort Konziliarer Prozess erfolgen. Die östlichen Gruppenmitglieder berichteten von einem Schreiben50, dass der DDR-Friedensrat an den Vorsitzenden der KKL gerichtet hatte, um den Bund um die Entsendung eines Teilnehmers in ein Nationales Vorbereitungskomitee zur Organisation des sogenannten Olof-Palme-Friedensmarsches zu bitten. Diese von einer bundesdeutschen Initiative angeregte Veranstaltung solle den Vorschlägen zur Beseitigung der Mittelstreckenraketen in Europa und der Schaffung eines atomwaffenfreien Korridors in Europa öffentlich Nachdruck verleihen und vom 1. bis zum 19. September des Jahres parallel zu Aktionen in der Bundesrepublik, in der ČSSR, in Österreich und in Schweden durchgeführt werden. Aus dem EKD-Bereich wurde noch darauf 49 Vermerk Ziegler vom 4.3.1987, S. 4, 2f. (EZA, 101/3140). – Tatsächlich teilte Ziegler am 10.9.1987 Wilke mit, dass die Konsultationsgruppe im Jahr 1988 zwei Klausurtagungen abzuhalten beabsichtige. Während die erste vom 1. bis 4.5. im Rheinland stattfinden solle, sei die zweite für den 25. bis 28.9. in Meißen geplant. Daher bitte er darum, nicht nur den Mitgliedern des BEK die Ausreise in die Bundesrepublik, sondern auch den Vertretern der EKD die Einreise in die DDR zu gestatten. Eine „Klärung zu gegebener Zeit“ sagte Wilke ihm zu (Vermerk Ziegler vom 17.9.1987, S. 3 [EZA, 101/4717]). 50 Vgl. W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 471f. (Dok. 53).

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hingewiesen, dass der 9. November 1988, der Gedenktag an den Judenpogrom vor 50 Jahren, genau in die Tagungszeit der Synode der EKD in Bad Wildungen falle. Für die Bildung einer Gruppe von etwa vier Personen, die einen Textentwurf für ein „Wort“ beider Kirchen erarbeiten solle, wolle man von der EKD den Theologieprofessor Joachim Mehlhausen und OKR Ernst Lippold aus dem Kirchenamt der EKD anfragen. Debattiert wurde über die „praktisch kaum vorstellbare“ Einbeziehung auch der römisch-katholischen Kirche beziehungsweise der ACK/AGCK, wobei allerdings der Schwerpunkt auf der gemeinsamen Arbeit von Bund und EKD liegen solle.51 Die BEK-Vertreter setzten die übrigen Mitglieder der Konsultationsgruppe zuletzt über das grundlegende Gespräch in Kenntnis, dass die KKL auf ihrer Klausurtagung Anfang März über die Frage der gesellschaftlichen Mitverantwortung der evangelischen Kirchen in der DDR geführt hatte. Das Ergebnis der Aussprache, ein Konferenz-Beschluss52, war über die Presse bekannt gegeben worden.53

7.1 Politischer Kontext kirchlicher Stellungnahmen: Die besondere thematische Brisanz der beiden geplanten gemeinsamen Worte Lange vor der Klausurtagung der Konsultationsgruppe, nämlich bereits am 9. März, hatte Ziegler Hauptabteilungsleiter Heinrich den genauen Termin sowie den Tagungsort der Klausur von BEK und EKD in der Bundesrepublik mitgeteilt und ihn um die „wohlwollende Behandlung“ der von den Vertretern des Kirchenbundes gestellten Ausreiseanträge gebeten. Der Staatsvertreter hatte betont, dass „die Kirche in der jetzigen Situation manches flankieren könne, was beide deutsche Staaten beträfe. Zum Beispiel könnte in der Forderung des Raketenabbaus eine kirchliche Äußerung förderlich sein“.54 Trotz der von Heinrich verwendeten allgemeinen Bezeichnung „die Kirche“ ist nicht zu vermuten, dass der Hauptabteilungsleiter zu einem gemeinsamen Wort beider Kirchen ermuntern wollte. In 51

Erst auf der Tagung der Konferenz Anfang Mai wurde über den Bericht des Arbeitskreises „Juden und Christen“ informiert und einstimmig beschlossen, dass eine vierköpfige, paritätisch besetzte Gruppe mit der Formulierung eines gemeinsamen Wortes beider Kirchen zum „50. Jahrestag des Pogroms im November 1938“ beauftragt werden solle. Konferenz und Rat der EKD müsse der Entwurf zur Prüfung und Beschlussfassung vorgelegt werden. Mit der AGCK in der DDR „solle Fühlung gehalten“ werden (Protokoll [v. Rabenau] der 111. KKL-Tagung am 8./9.5.1987, S. 3 [EZA, 101/3072]). 52 Beschluss der KKL „zur gesellschaftlichen Mitverantwortung“ vom 6./7.3.1987. Vgl. M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 253f. Presseinformation des Bundes vom 10.3.1987 (EZA, 688/168). 53 Vermerk Hammer vom 12.4.1987, S. 2 (EZA, 101/3140). 54 Vermerk Ziegler vom 7.5.1987, S. 2. Ziegler schreibt allerdings fälschlich „Friedrichshafen am Bodensee“ (EZA, 101/4717).

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vollständiger Besetzung konnten die Mitglieder der Konsultationsgruppe ihre Tagung vom 24. bis zum 27. Mai in Fischbach am Bodensee abhalten. Im Rahmen der wechselseitigen Lageberichte informierten die östlichen Mitglieder, die an einem lange geplanten, jedoch mehrfach verschobenen Gespräch mit Staatssekretär Gysi am 21. Mai teilgenommen hatten, über Verlauf und Atmosphäre dieser Unterredung, über die das BEK-Sekretariat auch die Kirchenleitenden in der DDR mittels einer „Schnellinformation“55 unterrichtet hatte. Stier berichtete vom Fortgang der langwierigen Bemühungen, nach dem Scheitern einer VEK in der DDR zumindest bestimmte Aufgaben der VELKDDR und der EKU an den Bund zu übertragen. Ein ausführlicher Austausch über die beidseitigen Planungen und Anstrengungen hinsichtlich des „Konziliaren Prozesses“ ergab, dass für eine Umsetzung im ökumenischen Raum immer noch erhebliche Hindernisse überwunden werden müssten und man sich zur Zeit eher in einer „Phase des retardierenden Bedenkens“ befinde. Da es nicht ausreichend sei, auf rein „technische Abkommen“ zwischen den Staaten zu drängen, müsse die Suche nach gangbaren Wegen, wechselseitiges Vertrauen zu erzeugen, fortgesetzt werden. Dabei kamen die Gruppenmitglieder auf die von der Bundessynode 1983 um das „Nein“ zur „Praxis der Abschreckung“ erweiterte „Absage an Geist, Logik und Praxis der Abschreckung“, an der von westlicher Seite bemängelt wurde, dass Politik nicht durch „Bekenntnisse“ zu ersetzen sei. Es folgte die Anfrage, ob denn nicht gerade die Abschreckung „zu den jetzt erkennbar werdenden positiven Ansätzen“ geführt habe. Die BEK-Vertreter versuchten daraufhin zu verdeutlichen, welche Haltung hinter der „Absage“ stünde, und die Anwesenden warfen diese grundsätzliche Frage auf: „Haben angesichts der weiterentwickelten politischen Lage die bisherigen kirchlichen Formeln ‚ihre Zeit gehabt‘, muß jetzt neu vorausgedacht werden?“ Mit den Überlegungen der Konsultationsgruppe, welchen Beitrag sie in diesem Kontext leisten könne, wurde der vor zwei Jahren verworfene Gedanke, einen zweiten Arbeitsbericht zu erstellen, wieder aufgegriffen. Möglicherweise könne ein solcher Bericht es den Kirchenleitungen erleichtern, im Blick auf den 55

Abdruck der „streng vertraulichen“ „Schnellinformation“ vom 22.5.1987 als Dok. 54 bei W. H AMHEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 473–477. – Wie das MfS in Erfahrung gebracht hatte, hatte Ziegler auf einer Chefbesprechung Folgendes über das Gespräch des KKL-Vorstands mit Gysi am 21.5.1987 berichtet: Inzwischen sei „durch HAL Heinrich auf jede der am 21.5. gestellten Fragen zumindest insoweit eine befriedigende Antwort erteilt worden ist, als ein Zwischenbericht gegeben wurde. Die große Enttäuschung vom 21.5. war ja die Tatsache, dass trotz langfristiger Vorbereitung Staatssekretär Gysi zu keiner einzigen Sachfrage auch nur irgendeine Stellung genommen hatte, sondern sich vielmehr anderthalb Stunden in Allgemeinplätzen ergangen hatte. Dies hatte bei der Kirche bzw. den Kirchenleitungen zu einer außerordentlichen Frustration geführt und hätte, wenn diese Linie so fortgesetzt worden wäre, zur Bundessynode in Görlitz im September ganz sicherlich zu einem außerordentlichen Eklat geführt“ (Abt. XX Gera, 8.7.87; Tonbandabschrift, Info Nr. 246/87, Bericht vom 6.7.1987 über Chefbesprechung am 2.7.1987 in Berlin. In: BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1451, S. 52f.).

MER /U.-P.

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„Konziliaren Prozeß“ auch inhaltliche Stellungnahmen zu formulieren, wenn darin die bislang verwendeten Begriffe wie „Absage“, „Sicherheitspartnerschaft“ und „deutlicheres Friedenszeugnis“ auf ihre möglicherweise analog zum Wandel der politischen Konstellation veränderte Bedeutung hin überprüft würden. Die Gruppe vereinbarte, dass ein zweiter Arbeitsbericht bis zur Mitte des kommenden Jahres in eine für die Leitungsgremien beider Kirchen „vorlagereife“ Form gebracht werden müsse. Über den Textentwurf für den diesjährigen „Bittgottesdienst für den Frieden“ hatten sich mittlerweile der Rat der EKD und die Konferenz ein Urteil gebildet, so dass die Konsultationsgruppe nach einer kurzen Beratung den gültigen Text zur Bekanntgabe in EKD und Bund freigeben konnte. Zum TOP „Gedenken am 9. November 1988“ wurde die Zustimmung der KKL zur Bildung einer vierköpfigen Formulierungsgruppe bekannt gegeben.56 Bei ihrer folgenden Ideensammlung hielten die Anwesenden fest, dass das von der Konferenz zum 40. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ publizierte Wort ebenso Berücksichtigung finden müsse wie die Predigt, die der Tübinger Theologe Eberhard Jüngel bei dem zu diesem Anlass von der EKD-Synode veranstalteten Gottesdienst gehalten habe. Im Zweifel war sich die Konsultationsgruppe, ob der inhaltliche Bezug ausschließlich zum Jahr 1938 oder auch zum „heutigen Staat Israel“ hergestellt werden solle. In der DDR könne kein „spürbarer Antisemitismus“ wahrgenommen werden, vielmehr sei partiell in der Bundesrepublik und in der DDR die Entwicklung von Beziehungen zwischen „evang. Gemeinden und jüdischen Mitbürgern in Gang gekommen“. Problematisch sei die Formulierung eines gemeinsamen Wortes vor allem angesichts der „hohen, oft hart reagierenden Sensibilität auf jüdischer Seite“. Es sei keinesfalls ausreichend, lediglich die „Betroffenheit“ beider Kirchen zum Ausdruck zu bringen, doch stelle sich die Frage, was ein „etwaiges Wort bewirken“ und „welche Konsequenzen“ es für Bund und EKD haben solle. Bedacht werden müsse ferner, dass für viele Juden die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 als weitaus traumatisierender empfunden worden sei. Die Mitglieder der Gruppe überlegten, ob das Wort über das „historische Datum“ und das Verhältnis zwischen Juden und Christen hinaus gleichfalls den „allgemeineren Wurzelboden von Diskriminierung und das Problem der Toleranz im weiteren Sinne“ thematisieren solle. Bei einer Einbindung in einen größeren Zusammenhang bestünde allerdings wiederum die Gefahr, dass Bund und EKD unterstellt werden könnte, mit ihrer gemeinsamen Äußerung einen Beitrag zur Relativierung des Völkermordes geleistet zu haben. Der 1986 innerhalb der Bundesrepublik ausgelöste und überwiegend in den Printmedien ausgetragene „Historiker-Streit“, den letztlich ein West-Berliner Historiker mit 56 Wie von der EKD bereits vorgeschlagen, sollten Mehlhausen und Lippold darin vertreten sein, während der BEK Altbischof Werner Krusche und Stefan Schreiber benannt hatte.

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seiner These auf die Spitze getrieben hatte, der Nationalsozialismus sei eine zwar extreme, doch verständliche Reaktion auf die russische Oktoberrevolution und die bolschewistische Bedrohung, der Genozid an den Juden in Konzentrationslagern im Grunde nur eine Antwort auf den Archipel GULag57, müsse ebenfalls einbezogen und „seiner verharmlosenden Variante widersprochen“ werden. Die Mitglieder der Gruppe berieten darüber, ob ein gemeinsames Wort christlicher Kirchen von „Schuld“ sprechen könne, „ohne auch die Vergebung in diesen Kontext einzuführen“ und stellten fest, dass ihr „Wort“ an die Gemeinden so formuliert werden müsse, „dass es die Juden mithören können“.58 Aus der Perspektive von Bund und EKD äußerten sich darauf Stier und von Keler zum „politischen Kontext kirchlicher Äußerungen“. Während Stier mit einer kurzen Ausführung der Stichworte „Erwartungen – Anlaß – Absender – Empfänger – Filter – Wirkungen – gemeinsame Worte“ die Ostsicht skizzierte, hatte von Keler für beide Seiten „Gemeinsamkeiten – unterschiedliche Aufgaben – gewichtige Unterschiede im Kontext“ und verschiedene Betrachtungsweisen herausgearbeitet und konstatierte, dass durch die anders gearteten „Koordinatensysteme“ in der Bundesrepublik und in der DDR auch die Wirkung jeglicher Stellungnahmen unterschiedlich sei. Die Vertreter der Gruppe debattierten vor allem über das Für und Wider des „offenen Umgangs“ mit Medien und Pressevertretern und beschlossen, diese Diskussion auf einer der nächsten Zusammenkünfte weiterzuführen. Die Auseinandersetzung mit einem möglichen „Wort“ der Versöhnung mit der Sowjetunion, für dessen Ausgestaltung Schmude und Domke den Anwesenden bereits auf dem Treffen am 20. Oktober einige Vorschläge unterbreitet hatten, wurde wieder aufgenommen. Schmude plädierte dafür, ein „eigenständiges kirchliches Wort“ an die Stuttgarter Schulderklärung anzubinden und Bezug auf die Ostdenkschrift und die gemeinsamen Äußerungen von BEK und EKD zu nehmen. Mit dem „Wort“ müssten unmissverständlich „das andern zugefügte Leid und an ihnen verübte Verbrechen“ ebenso ausgesprochen werden wie „Schuld“ und „Versäumnisse“. Auch die Schuld der Sowjetunion müsse benannt werden, allerdings ohne dabei eigenes Verschulden zu relativieren. Der Präses bezeichnete ein solches, in gemeinsamer Verantwortung beider deutscher Kirchen gesprochenes Wort als „große Chance“. Nur sprach er sich für einen Veröffentlichungszeitpunkt vor der Millenniumsfeier und die Gemeinden als Adressaten aus, damit deutlich werde, dass es Bund und EKD um alle Christen in der Sowjetunion und nicht nur um die Russische Orthodoxe Kirche ginge. Domke stimmte prinzipiell mit Schmude überein, was die Gemeinden in der DDR und in der Bundesrepublik als Ansprechpartner anbelangte. Doch gab er zu bedenken, dass der ganze Problem57 58

Vgl. die Dokumentation und kritische Darstellung von R. KÜHNL (Hg.), Vergangenheit. Vermerk (Teilniederschrift) Hammer vom 1.6.1987, S. 4f. (EZA, 101/3140).

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komplex auch in der Sowjetunion nicht wirklich aufgearbeitet worden sei und die „Aufnahmefähigkeit auf russischer Seite“ richtig eingeschätzt werden müsse. Zu diesem Zweck könne im Kontext des „konziliaren Prozesses“ die Durchführung einer Konsultation zwischen EKD, Bund und russischen Christen zum Thema „Frieden und Gerechtigkeit als Aufgabe der Christen auf dem Hintergrund der Geschichte ihrer Völker“ in den Blick genommen werden. Als spätesten Publikationstermin nannte Domke den Mai des kommenden Jahres. In ihrer Debatte konstatierten die Anwesenden, dass angesichts des breiten Meinungsspektrums in dieser Frage eine „deutliche Äußerung“ der kirchlichen Leitungsgremien eine Hilfe wäre. Es wurde überlegt, ob ein gemeinsamer Gottesdienst nicht einer schriftlichen Stellungnahme von BEK und EKD vorzuziehen sei. Ein „Wort“ der Versöhnung an das Stuttgarter Schuldbekenntnis anzuknüpfen, fand keine ungeteilte Zustimmung. Einige Mitglieder der Konsultationsgruppe vertraten die Ansicht, dass die ständige Wiederholung von Schuldbekenntnissen weder weiterführe noch als Ausgangspunkt für einen Schritt zur Versöhnung unbedingt nötig sei. Andere wandten ein, dass der Wunsch nach Versöhnung zu einer Neubesinnung der sowjetischen Partner führen könne und der unverwechselbare kirchliche Beitrag darin bestünde, auszusprechen, was andere sich nicht auszusprechen trauten. Einig waren sich alle Anwesenden, dass bei jeder wie immer gearteten Stellungnahme die „gegenwärtigen politischen Implikationen“ berücksichtigt werden müssten, damit nicht der Eindruck entstünde, die beiden Kirchen wollten sich die derzeitige Situation des Umbruchs in der Sowjetunion zunutze machen. Keinesfalls solle mit einer Äußerung bis zum Jahr 1989 gewartet werden, da sich sonst die Notwendigkeit ergebe, wiederum den Hitler-Stalin-Pakt ausführlicher zu erwähnen. Den Auftrag, bis zur Konsultation Ende September einen „Rohentwurf“ auszuarbeiten, erhielten Domke, Schmude, Stier und Ziegler. Der Präses der Bundessynode gab die Anfrage des KKL-Vorstands wieder, ob es nicht eine angemessene und unterstützende Maßnahme sei, wenn Bund und EKD sich gemeinsam zu den sowjetischen Abrüstungsvorschlägen äußerten. Wie von Keler berichtete, habe auch die EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung dies bereits in Erwägung gezogen. Der Hinweis, dass der Rat der EKD in seinem Kommuniqué zur sogenannten doppelten Null-Lösung Stellung genommen habe, wurde insofern nicht als Gegenargument betrachtet, als dessen Bewertung eher zwiespältig ausfiel. So wurde angeregt, den Vorsitzenden der KKL und den Ratsvorsitzenden um eine gemeinsame Äußerung zu bitten, sobald sich durch neue Entwicklungen die „Unterstützung der doppelten Null-Lösung als ein Schritt in einer weiterführenden Aufgabe“ verstehen lasse. Dies könne am besten in Form eines Schreibens an den Staatsratsvorsitzenden und den Bundeskanzler geschehen.59 59

Vermerk (Teilniederschrift) Ziegler vom 18.6.1987, S. 1ff. (EZA, 101/3140).

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Beim nächsten Treffen der Konsultationsgruppe am 24. September legte Schmude einen eigenen Entwurf60 für ein Versöhnungswort vor. Die Anwesenden bemängelten daran in erster Linie den Umfang, aber ebenfalls einige inhaltliche Aussagen, die entweder in der Bundesrepublik oder in der DDR Unwillen auslösen würden, das „Wort anzunehmen“. Unklar sei ferner, ob Schmudes Ausarbeitung an die Gemeinden oder die Bürger der Sowjetunion gerichtet sei. Die Rede von den „Völkern der Sowjetunion“ sei missverständlich im Sinne einer Einmischung in die dortige, äußerst problematische innenpolitische Situation. Der mecklenburgische Landesbischof Stier trug anschließend die Gedankensammlung vor, die er zusammen mit Domke und Ziegler erarbeitet hatte. Eingang in das „Wort“ müssten die entsprechenden Überlegungen finden, die jüngst auf den Kirchentagen in der DDR zu dem Thema formuliert worden seien, während das Millennium Russlands „kein eigenes Gewicht“ bekommen dürfe. Dass die Versöhnungsaufgabe mit dieser gemeinsamen kirchlichen Stellungnahme nicht umfassend aufgearbeitet werden könne, müsse deutlich werden. Statt der Völker und der Kirchen in der Sowjetunion sollten nach Ansicht der DDRArbeitsgruppe die westdeutschen und ostdeutschen Gemeinden angesprochen werden, und zwar mit einem „verlesbaren Wort von höchstens zwei Seiten“. Zielstellung einer solchen Äußerung sei es, einen Beitrag zur Versöhnung zu leisten, nicht aber diesen Prozess abzuschließen, so dass das „Wort“ vorwärtsgewandt Aufgaben benennen müsse, die im Blick auf die Versöhnung zu bewältigen seien. Wichtig sei, referierte Stier, dass die Ausarbeitung sich auf wenige Aspekte und Eckpunkte beschränke. Dabei müssten thematisiert werden: „a) Anknüpfung an Millennium der Taufe Rußlands. Warum so lange geschwiegen? b) Es war ein Vernichtungskrieg von Anfang an, der von deutschem Boden ausging. Schuldverhaftung der Deutschen einschließlich der Generationsproblematik. c) Die Bedeutung des Zusammenbruchs als Befreiung mit Ansprache der dazugehörigen Leidenserfahrung von Russen und Deutschen. d) Der verhinderte und schwer in Gang gekommene Versöhnungsprozeß trotz der vorhandenen Ansätze. Es blieb trotz aller Versuche bisher ungesagt, was an Schuld gegenüber den Völkern der Sowjetunion besteht. e) Geistliche Begründung müsse gegeben werden, die Versöhnungsbotschaft und Schuldvergebung ist anzusprechen. f) Versöhnungsbitte als Schwerpunkt im Blick auf Menschen in der Sowjetunion und in unseren Gemeinden. g) Die Versöhnungsaufgabe für unsere Gemeinden. Sie könnte unterschiedlich sein in der DDR und in der BRD.

60

J. Schmude: Entwurf „Wort zur Versöhnung“ vom 17.7.1987. Abdruck als Dok. 55 bei W. H AMHEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 477–482.

MER /U.-P.

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h) Schluß – Friedensverantwortung beider deutscher Staaten. Frieden und Versöhnung soll von deutschem Boden ausgehen (positive Formulierung statt negative Formulierung).“

In der sich anschließenden grundsätzlichen Aussprache wurde unter anderem die Frage gestellt, inwieweit es sich tatsächlich von Anfang an um einen Vernichtungskrieg gehandelt habe und ob nicht zumindest die Perspektive der Soldaten, die sicher eine andere gewesen sei, berücksichtigt werden müsse. Die in dem Entwurf angesprochenen „Täter“ seien „weithin auch unsere Gemeindeglieder“. Unbedingt müsse sich die Konsultationsgruppe – obwohl das „Wort“ an die Gemeinden adressiert sei – vorab um eine Einschätzung bemühen, in welcher Weise die Stellungnahme seitens der Politiker ge- oder missbraucht werden könne. Demnach sei auch klarzustellen, „was wir nicht meinen“. Insgesamt wurde es als problematisch empfunden, dass jede zusätzliche Differenzierung einzelner Aussagen die Notwendigkeit einer noch ausführlicheren Darstellung nach sich ziehe. Als Auslöser sowie Anlass für das gemeinsame Wort beider Kirchen wurde weniger die 1000. Jahrestag der Taufe Russlands als vielmehr die immer noch vorhandenen „Aversionen gegenüber der Sowjetunion in der deutschen Bevölkerung“ gesehen. Durch die jüngste sowjetische Abrüstungsinitiative seien jedoch neue Ansätze zur Vertrauensbildung erkennbar geworden. Diese Beobachtung brachte die Anwesenden zu der entscheidenden Frage, ob eine kirchliche Äußerung, die auch auf die Aufarbeitung der Geschichte gerichtet sei, nicht diese Entwicklung eher behindere als fördere. Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR bestünde auf der anderen Seite ein politischer Bedarf zu einem solchem Wort. Die Gruppenmitglieder kamen überein, dass bei einem Verzicht auf eine gemeinsame Stellungnahme von Bund und EKD vermutlich „viele einzelne etwas sagen“ würden: „Das würde zu großer Differenzierung führen und berge die Gefahr in sich, dass einzelne Kirchen und Gruppierungen gegeneinander ausgespielt werden.“ Nachdem der von Schmude vorgelegte Entwurf nochmals genau durchgesehen worden war, vereinbarte die Konsultationsgruppe, dass Binder und Ziegler 61 bis zum 3. November einen neuen Entwurf vorlegen sollten, 61 Die 31. Konsultation am 4.11.1987 war ausschließlich dem Versöhnungswort gewidmet. Ein Vermerk wurde nicht angefertigt. Die debattierten Vorlagen von Ziegler, Hammer und Binder sind abgedruckt bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, als Dok. 57–59, S. 487–493. Weitere Varianten für einzelne Absätze finden sich EBD., S. 495–497 (Dok. 61–63). – Im Nachgang der Sitzung richtete Hammer ein Schreiben an die westlichen Mitglieder der Konsultationsgruppe und fügte den am 4.11. gemeinsam festgestellten Wortlaut bei. Er berichtete von seinem Besuch in der Auguststraße, bei dem man ihn „über das dortige Schicksal dieses Entwurfs“ informiert habe, und gab die in der KKL geführte „sehr intensive Debatte“ stichwortartig wieder, da die Konferenz sie unter Beachtung absoluter Vertraulichkeit nicht in der Sitzungsniederschrift erwähnt und den verteilten Entwurf des Wortes wieder eingesammelt habe. Entsprechende Änderungswünsche werde die KKL dem Rat der EKD zugänglich machen, der seinerseits in der „geschlossenen Sitzung am 4. Dezember“ ebenso ver-

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der bei der Zusammenkunft am 4. November zur Grundlage genommen werden könne, um gemeinsam einen „Grobentwurf“62 fertig zu stellen.63 Die KKL führte auf ihrer Tagung am 6. und 7. November eine Aussprache über den von der Konsultationsgruppe erarbeiteten Entwurf für ein gemeinsames Wort mit der EKD. Auch wenn im offiziellen Protokoll – wie Hammer mitgeteilt worden war – die Debatte absichtlich unerwähnt geblieben war, hatte Ziegler einen „vertraulichen Vermerk“ über den zweiten Sitzungstag der Konferenz angefertigt. Einleitend hatte er selbst auf der Tagung vier Fragen an die Konferenzmitglieder gestellt: „1) Soll überhaupt zu diesem Anlaß etwas gesagt werden? 2) Soll es gemeinsam mit der EKD gesagt werden? 3) Wird der Grundtendenz des vorliegenden Entwurfs zugestimmt? 4) Welche Äußerungen werden gefordert?“

Die KKL trat in eine Diskussion ein, in deren Verlauf Argumente für und gegen das gemeinsame Wort gesammelt, Alternativen vorgeschlagen und letztlich Mindestanforderungen formuliert wurden. Für die Verabschiedung eines Versöhnungswortes von Bund und EKD spreche zunächst die Unabänderlichkeit der „gemeinsamen Geschichte“. Trotz unterschiedlicher Akzentuierung in der DDR und der BRD seien alle angeschnittenen Fragen „auch unsere Probleme“, und es sei nach dem 8. Mai 1985 ein weiterer Schritt im Versöhnungsprozess nötig. Auch sei das Darmstädter Wort „gegenüber der Sowjetunion noch nicht eingelöst“. Und es wurde von den Mitgliedern der KKL die Ansicht vertreten, dass eine solche gemeinsame Äußerung gleichfalls für die Kirchen in der Bundesrepublik „ein Dienst“ sei, denn für die EKD sei es „ein mutiges Wort“. Gegen eine Stellungnahme beider Kirchen und den vorliegenden Entwurf wurden zahlreiche und nicht weniger gewichtige Gründe angeführt: Die unterschiedliche „Situation und Entwicklung“ in beiden deutschen Staaten stünde einer gemeinsamen Äußerung zu diesem Thema entgegen. Weder die Lage der Gemeinden in der DDR noch ihre spezifischen Erfahrungen seien in ausreichender Konkretion berücksichtigt worden. Nach dem zweiten „Wort zum Frieden“ von BEK und EKD aus dem Jahr 1985 bestünde in der DDR „im Grunde kein Handlungsbedarf“, und im übrigen bleibe der vorgelegte Entwurf hinter dem zurück, was der Bund im Blick auf die

traulich vorgehen müsse. Die Beratungsergebnisse der Leitungsgremien würden auf der Konsultation am 10.12. ausgetauscht werden (Schreiben Hammer vom 12.11.1987 (EBD. [Dok. 56], S. 483–486). 62 Der Entwurf, der als Ergebnis der Konsultation am 4.11.1987 festgestellt wurde, befindet sich in den Handakten Ziegler (EZA, 688/15), stimmt mit keinem der am 4.11.1987 vorgelegten Entwürfe überein und unterscheidet sich auch in einigen Passagen von dem letztlich veröffentlichten Wort „Versöhnung und Verständigung“. 63 Vermerk Ziegler vom 26.10.1987, S. 1–4 (EZA, 101/3140).

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Versöhnung mit der Sowjetunion bereits erreicht habe. Aufgaben und Perspektiven, wie dieser Prozess weitergeführt werden könne, seien allenfalls angedeutet worden. In der derzeitigen Lage in der Sowjetunion könne die dortige Entwicklung eher behindert werden. Ausdrücklichen Widerspruch brachten einige Konferenzmitglieder gegen den vergleichsweise früh im Text und wenig dezent formulierten Hinweis auf das „unsägliche“ Leiden auch deutscher Menschen vor. Statt eines gemeinsamen Wortes, so wurde angeregt, könnten BEK und EKD jeweils „für sich ihre Gemeinden in ihrer jeweiligen Situation“ ansprechen und sich dabei gegenseitig die Unterstützung ihrer Schritte versichern. Möglich sei ferner, eine „gemeinsame Grußadresse“ zur Tausendjahrfeier Russlands auszuarbeiten. Die Konferenz kam zu einem Konsens, was ihre Minimalforderungen hinsichtlich nötiger Textänderungen anbelangte: Im gesamten Entwurf müsse deutlich gemacht werden, dass das Wort von den beiden deutschen Kirchen gesprochen und an die Gemeinden in der DDR und in der Bundesrepublik gerichtet sei. Sowohl der Absatz, in denen das den Deutschen angetane „Leid und Unrecht“ Erwähnung finde, als auch die Passage, in der „zukunftsweisende Schritte“ genannt würden, müssten ohne jeden Zweifel überarbeitet werden. Konsistorialpräsident Stolpe stellte den Antrag, angesichts der zum 8. Mai 1985 erfolgten Stellungnahmen und des Briefs der KKL vom 6. März zum Millennium64 auf ein gemeinsames Wortes von BEK und EKD zur Versöhnung zu verzichten und tatsächlich lediglich eine Grußadresse beider Kirchen zu formulieren. Mit neun Ja-, zehn Gegen-Stimmen und einer Enthaltung wurde Stolpes Antrag knapp abgelehnt. Über drei der eingangs gestellten prinzipiellen Fragen wurde zum Ende der Tagung abgestimmt: Für die Verabschiedung eines Wortes an die Gemeinden zur Versöhnung mit der Sowjetunion sprachen sich dreizehn Konferenzmitglieder aus, während sechs dagegen stimmten und eines sich enthielt. Die Abstimmung über die Frage, ob eine Äußerung gemeinsam mit der EKD erfolgen solle, fiel mit zehn Ja-, acht Gegenstimmen und zwei Enthaltungen schon deutlich wackliger aus. Der „Grundtendenz“ des vorliegenden Entwurfs stimmen elf der Anwesenden zu, während sechs auch diese ablehnten und drei sich ganz enthielten. Nach dieser sehr eigenständigen und an der EKD vorbeigeführten Debatte erhielt die Konsultationsgruppe letztlich doch den entsprechenden Auftrag, vorbehaltlich der Zustimmung des Rates der EKD eine Überarbeitung des „Wortes“ vorzunehmen.65

64 Brief der KKL „an die Pfarrer und Pastorinnen in den Gliedkirchen“ des Bundes. Abdruck bei C. DEMKE /M. FALKENAU /H. ZEDDIES (Hg.), Anpassung, S. 434–436. 65 „Vertraulicher Vermerk“ Ziegler vom 14.12.1987, S. 1–3 (EZA, 101/3072, 688/15). – Aus der Niederschrift der geschlossenen Ratssitzung am 4.12.1987 geht Folgendes hervor: „Es soll an dem Text weitergearbeitet und möglichst erreicht werden, dass es zu einem gemeinsamen Wort kommt. Der Rat ist sich darüber im klaren, dass er in seiner nächsten Sitzung nach Lage der Dinge ohne die Möglich-

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Auf der Tagesordnung der Konsultation am 10. Dezember standen lediglich das „Gemeinsame Wort“ zur Versöhnung und das „Wort zum 9. November 1988“. Nachdem Ziegler die Anwesenden über die Aussprache zum Versöhnungswort in der KKL und von Keler66 über die Ergebnisse der Debatte im Rat unterrichtet hatte, wurde der Entwurf unter Berücksichtigung der vorgebrachten Einwände und Anregungen überarbeitet und eine endgültige Fassung festgestellt. Die Konsultationsgruppe beschloss, den neuen Text den Leitungsgremien von Bund und EKD auf ihren Sitzungen im Januar 1988 zur Beratung und Beschlussfassung vorzulegen. Falls sich die Mitglieder der Konferenz und des Rates der EKD nicht mehrheitlich für diese Textfassung aussprechen könnten, müsse der „Versuch eines gemeinsamen Wortes mit Bedauern als gescheitert angesehen“ werden. Mitgeteilt wurde, dass der Rat der EKD dann möglicherweise ein eigenes Wort an seine Gemeinden richten werde. Den Entwurf 67 für eine Stellungnahme von BEK und EKD zum 50. Jahrestag des Judenpogroms am 9. November 1938, der von einer fünfköpfigen Gruppe ausgearbeitet worden war, präsentierten Lippold und Tschoerner. Bemängelt wurde die Darstellung der Schuldfrage und die Bewertung des Staates Israel. Verdeutlicht werden müsse, dass die Zerstörungen und Ermordungen in der „Reichskristallnacht“ nicht gegen den jüdischen Glauben, sondern gegen die jüdische „Rasse“ gerichtet gewesen sei. Da das in diesem „Wort“ zum Ausdruck gebrachte Verständnis von Schuld unbedingt mit dem Schuldverständnis im Versöhnungswort übereinstimmen müsse, solle die Überarbeitung des Textes zum 9. November erst vorgenommen werden, wenn das „Wort zur Verständigung mit der Sowjetunion“ von den Leitungsgremien verabschiedet worden sei. Als Publikationstermin für die gemeinsame Äußerung zum Pogrom wurde Mitte September 1988 in Aussicht genommen.68 Am 16. Dezember berichtete Ziegler dem Vorstand der KKL vom Stand der Arbeit der Konsultationsgruppe an dem „Gemeinsamen Wort zur Verständigung mit der Sowjetunion“ und händigte den Anwesenden einen vertraulichen Vermerk zum festgestellten Textentwurf aus. Es wurde festgelegt, den Konferenzmitgliedern den Wortlaut bereits am Abend ihres ersten Sitzungstags Anfang Januar zu übergeben, so dass sie am zweiten Tag zu einem Beschluss kommen könnten. Der Vorsitzende der KKL und des Bischofskonvents, Leich, informierkeit weiteren Feilens an dem Wortlaut vor der Frage der Annahme oder der Ablehnung stehen wird“ (Auszugsweiser Abdruck bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, als Dok. 60, S. 494). 66 Von Keler berichtete gleichfalls, dass der Rat der EKD zum 13.3.1988 eine eigene Grußadresse zur Tausendjahrfeier der Taufe Russlands verabschiedet habe. 67 Dieser vermutlich 3. Entwurf trägt das Datum 1.12.1987 und ist bei W. HAMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, als Dok. 66, S. 502–504, abgedruckt. 68 Vermerk Ziegler vom 14.12.1987, S. 1f. (EZA, 101/3140).

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te über das Votum des Konvents der Bischöfe. Keinesfalls solle der Anlass des „Wortes“, die Tausendjahrfeier der Taufe Russlands, mit dem Inhalt vermischt werden. Die Bischöfe hätten ebenfalls darauf hingewiesen, dass die „Leidenserfahrung der Deutschen […] auch nicht dem Anschein nach als Verrechungsinhalt erscheinen“ dürften. Ziegler berichtete noch über die bei der Konsultation hinsichtlich des „Wortes zum 9. November 1988“ erzielte Übereinstimmung, vor einer Beschlussfassung die Entscheidung der beiden Leitungsgremien über das Versöhnungswort abzuwarten.69 Ziegler und Gaebler erläuterten der KKL Anfang Januar 1988 zunächst den Entwurf des Versöhnungswortes beider Kirchen an ihre Gemeinden. Nach einer eingehenden Debatte stimmten zwanzig der Konferenzmitglieder dem vorliegenden Text zu, während nur eines sich dagegen aussprach. Die KKL formulierte zwei Anregungen zur Überarbeitung des „Wortes“, die jedoch ausdrücklich nicht als „Bedingung“ für eine gemeinsam verantwortete Veröffentlichung der Stellungnahme an den Rat weitergegeben werden sollten. Statt der Feststellung, dass jeder Besucher der Sowjetunion auf die „Spuren des Krieges“ stoße, weil „seine Wunden nicht verheilt“ seien, solle von „den Wunden“ gesprochen werden. Dies war im später publizierten Text auch berücksichtigt worden. Der zweite Änderungswunsch betraf den gesamten fünften Absatz und war weniger marginal, weil an dieser Stelle auch die Einbindung von Bund und EKD in unterschiedliche Staaten und Machtblöcke deutlich ausgesprochen werden sollte. Am 10.12.1987 war in der Konsultationsgruppe abgestimmt worden: „Die von den Deutschen den Menschen in der Sowjetunion angetanen Frevel sind bis dahin unvorstellbar gewesen. Mit der Haftung für ihre Folgen sind wir alle belastet, auch wenn sich die meisten von uns heute wegen ihres Lebensalters oder wegen ihrer damaligen Einflußlosigkeit keine persönliche Schuld zurechnen müssen. Auch wurde damals jeder Widerstand im Keime erstickt.“

Die Konferenz plädierte für folgende erweiterte Fassung: „Mit der Haftung für ihre Folgen sind wir alle belastet, auch wenn Widerstand damals lebensgefährlich war, auch wenn sich die meisten von uns heute wegen ihres Lebensalters oder wegen ihrer damaligen Einflußlosigkeit keine persönliche Schuld zurechnen müssen. Dies sprechen wir gemeinsam aus, ob wir als Christen in der mit der Sowjetunion verbündeten DDR oder in der dem westdeutschen Bündnis verpflichteten BRD leben.“

69 Protokoll (Lewek) über 205. Sitzung des KKL-Vorstands am 16.12.1987, S. 3f. (EZA, 101/3088).

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

In das gemeinsame Wort „Versöhnung und Verständigung“ sollte dann zwar der Änderungsvorschlag der KKL später im Grundsatz übernommen werden – allerdings nicht der letzte Satz, der dann schlicht und unauffällig lautete: „Dies sprechen wir als Christen gemeinsam aus, ob wir in der Deutschen Demokratischen Republik oder in der Bundesrepublik Deutschland leben.“70

Die Konferenz kam überein, die Entscheidung über eventuell seitens des Rates der EKD noch angetragene Formulierungsänderungen ihrem Vorstand zu überlassen – jedoch müsse sichergestellt sein, dass kein Eingriff in „Geist und Logik des Textes“ mehr stattfinde. Ziegler wurde damit beauftragt, sich darum zu kümmern, dass die leitenden Geistlichen die endgültige Textfassung, die mit der üblichen Sperrfrist versehen werden müsse, nach einer letzten Beratung am 23. Januar erhielten. Die kirchlichen Zeitungen in der DDR sollten das „Wort“ schnellstmöglich bekommen, während wiederum eine Veröffentlichung vor dem vereinbarten Termin durch die Westmedien verhindert werden müsse. Die Mitglieder der KKL hielten als Ergebnis ihrer Aussprache kritisch fest, dass aus ihrer Sicht die Konsultationsgruppe mit diesem Versöhnungswort „hinter bereits einmal erreichte Positionen zurückgegangen ist (Arbeitsbericht!)“. Wie ein solches Zurückfallen hinter gemeinsam „festgeschriebene Positionen“ zukünftig zu vermeiden sei, solle in der Gruppe beraten werden.71 Bei der Fortsetzung der Debatte unter den Konferenzmitgliedern kam der Vorschlag auf – vermutlich im Sinne einer Schadensbegrenzung –, den Gemeinden in einem Begleitschreiben noch Anlass und Hintergrund des Gemeinsamen Wortes zu erläutern.72 Bei der entsprechenden Diskussion des KKL-Vorstands am 22. Januar berichtete Ziegler von den Anregungen, die der Rat der EKD „für eine geringfügige Textänderung“ übermittelt habe. Einstimmig wurde beschlossen, der offenbar tatsächlich als marginal73 empfundenen Umformulierung der einen Passage des Textes zuzustimmen, und als Publikationstermin wurde der 28. Januar benannt. Ziegler 70

Vgl. dazu den Auszug aus der Niederschrift über die geschlossene Sitzung des Rates der EKD am 21./22.1.1988, der bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, auf S. 500f. (Dok. 65) abgedruckt ist: „Während die erste Änderung ohne weitere Aussprache akzeptiert wird, ergibt sich bei der zweiten Änderungsbitte eine umfangreiche Aussprache, in deren Verlauf letztlich unklar bleibt, was durch diesen Einschub ausgesagt werden soll. […] Es wird mitgeteilt, der von der KKL vorgeschlagene Einschub habe lediglich – in der Mitte des Wortes – noch einmal der Verdeutlichung dessen dienen sollen, dass hier BEK DDR und EKD gemeinsam sprechen.“ So schlug der Rat dann diese „entschärfte“ Fassung vor (EBD.). 71 Diese Einschätzung hielt Ziegler in einem separaten „vertraulichen Ergebnisprotokoll“ über die Verhandlungen um den Entwurf des Gemeinsamen Wortes in der KKL am 9.1.1988 ausdrücklich fest (EZA, 688/15). 72 Protokoll (Küntscher) der 115. KKL-Tagung am 8./9.1.1988, S. 6f. (EZA, 101/3072). 73 Andererseits hatte die Konferenz die von ihr festgestellten „Mängel“ am „Gemeinsamen Wort“ nicht nur intern im Protokoll festschreiben lassen, sondern auch für die Weiterarbeit der Konsultations-

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teilte noch mit, dass vom Rat der EKD nach einer Möglichkeit gefragt worden sei, die Russische Orthodoxe Kirche bereits vorab vom Wortlaut in Kenntnis zu setzen und die Übertragung dieser Aufgabe an das Sekretariat des Bundes vorgeschlagen. Dem gab der KKL-Vorstand ebenfalls seine Zustimmung und legte fest, dass der Text 25. Januar der ROK mit einem Anschreiben übergeben werden solle.74 Beim Zusammentreffen der Konsultationsgruppe am 2. März wurden weder erste Reaktionen oder Wertungen oder gar die kritische Anmerkung der Konferenz zum mittlerweile unter dem Titel „Versöhnung und Verständigung“ veröffentlichten Wort beider Kirchen thematisiert, jedoch angekündigt, dass eine Auseinandersetzung in der im Anschluss tagenden Beratergruppe stattfinden werde. Tschoerner präsentierte den von ihm gemeinsam mit Lippold überarbeiteten fünften Entwurf eines „Wortes zum 9. November“, bei dessen Beratung75 nun vor allem auf die Stimmigkeit mit dem Versöhnungswort geachtet wurde. Hinsichtlich eines passenden Titels wurden mehrere Vorschläge gesammelt, und die Mitglieder der Konsultationsgruppe einigten sich vorläufig auf „Kirchliches Wort zum 9. November 1988“. Für einen Publikationstermin wurde die Empfehlung ausgesprochen, Pfingsten oder „notfalls“ Anfang Juni in Aussicht zu nehmen. Zum Prozedere kam man überein, der Konferenz den Text am 13. Mai, dem Rat der EKD am 22./23. April oder – falls noch Wünsche zu Textänderungen geäußert würden – am 26./28. Mai vorzulegen. Hammer berichtete, dass der Rat Überlegungen angestellt habe, welche Personen als Ersatz für Hanselmann und Kraske in die Gruppe berufen werden sollten. Den wie in den Vorjahren von ihnen erarbeiteten Entwurf für den Bittgottesdienst für den Frieden stellten Barth und Dorgerloh zur Diskussion und wurden darauf hingewiesen, dass bei der Überarbeitung der Inhalt des „Wortes“ beider Kirchen zum Judenpogrom berücksichtigt werden müsse. Im Blick auf die anstehenden Gedenktage zur Gründung der DDR und der Bundesrepublik informierte Binder über den Stand der Planung innerhalb der EKD. Da jedoch Ziegler „entschiedene Bedenken“ zum Ausdruck brachte, konnte die Konsultationsgruppe sich nicht auf eine gemeinsame Empfehlung einigen, und die Verhandlung über mögliche kirchliche Aktivitäten zu den beiden Staatsgründungen wurde auf die Klausur Anfang Mai verschoben. Dort wollte man sich ebenfalls mit einem Konzept für gruppe formuliert, so dass sie vermutlich diesen Kompromiss einging, um die gemeinsame Äußerung mit der EKD nicht doch noch scheitern zu lassen. 74 Konzept Protokoll (Kupas) über 206. Sitzung des KKL-Vorstands am 22.1.1988, S. 5 (EZA, 101/3088). 75 Vgl. das bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, auf S. 313–315 abgedruckte Faksimile des Entwurfs, in denen die hsl. Änderungen den Arbeitsprozess der Gruppenmitglieder widerspiegeln.

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einen zweiten Arbeitsbericht der Gruppe befassen und sich auf der Grundlage der gemeinsamen Erfahrungen dem Thema widmen, in welcher Form Bund und EKD der Verantwortung füreinander gerecht werden könnten76 Ein neuer Arbeitsbericht oder die „besondere Gemeinschaft“ im Druck? Mitverantwortung der Bundesrepublik für die Ausreiseproblematik und die Frage der „Einmischung“ Die Konsultationsgruppe hielt ihre Klausurtagung vom 1. bis zum 4. Mai in Kaub am Rhein ab. Im Rahmen der Berichte aus den Kirchen wurde die besorgniserregend ansteigende Zahl von Ausreisen aus der DDR ebenso angesprochen wie die Probleme, mit denen die dortige kirchliche Publizistik – verursacht durch Zensurmaßnahmen des Staates – zu kämpfen hatte, während aus dem EKD-Bereich in erster Linie über einzelne Aspekte der politischen Lage und die Beziehungen der Parteien in der Bundesrepublik informiert wurde. Ein überarbeiteter Entwurf für den „Bittgottesdienst“ im November hatte mittlerweile die Leitungsgremien von Bund und EKD mehr oder weniger unbeanstandet durchlaufen und wurde mit dem Hinweis, dass in Zukunft Meditation und Gebet klarer voneinander getrennt werden sollten, nun von den Anwesenden nahezu unverändert als endgültige Fassung festgestellt. Auch das „Wort zum 9. November 1988“ war vom Rat der EKD und vom Vorstand der KKL beraten worden. Die Konsultationsgruppe verständigte sich auf einen von allen akzeptierten Wortlaut77 und gab diesen zur Publikation als gemeinsame Äußerung für den 26. Mai frei, sofern die Konferenz Mitte Mai auf ihrer Sitzung nicht zu einer abschlägigen Bewertung komme und der Text bei schwerwiegenden Einwänden noch einmal im Rat debattiert werden müsse. Präses Schmude regte an, einen kleinen Band herauszugeben, in dem alle von Bund und EKD gemeinsam verantworteten Stellungnahmen seit 1979 versammelt seien. Da dieser Vorschlag auf allgemeine Zustimmung stieß, sagten Hammer und Ziegler eine Prüfung zu, welche Verlautbarungen in ein solches Heft aufzunehmen wären und wie das Vorhaben verwirklicht werden könnte.78 Wie anschließend festgestellt wurde, hatte die Äußerung beider Kirchen zur „Versöhnung und Verständigung“ mit der Sowjetunion weder in der DDR noch in der Bundesrepublik eine große Öffentlichkeitswirkung gezeigt, auch wenn sie im Großen und Ganzen positiv gewürdigt worden sei. Mit Unverständnis sei darauf reagiert worden, dass das „Wort“ an die Gemeinden in beiden deutschen Staaten gerichtet gewesen sei. Einige kritische Stimmen hätten einen 76

Vermerk Hammer vom 5.3.1988, S. 2 (EZA, 101/3140). Abdruck bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 226–229. 78 Vermerk (Teil I) Hammer vom 16.5.1988 (EZA, 101/3140).

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Mangel darin gesehen, dass weder die „Verbrechen der Stalinzeit“ noch die Interventionen der Sowjetunion, zuletzt in Afghanistan, Erwähnung gefunden hätten. Die Benennung der deutschen Haftungsgemeinschaft im Blick auf die Kriegsfolgen und die schuldhafte Beteiligung am Nationalsozialismus sei partiell als Wiedereinführung der Kollektivschuldthese „durch die Hintertür“ interpretiert – ähnlich wie es beim „Stuttgarter Schuldbekenntnis“ geschehen war – und abgelehnt worden. Die Vertreter des BEK wurden gebeten, sich um eine Übersetzung des Versöhnungswortes ins Russische zu bemühen, die auch der EKD übergeben werden solle.79 Zur Konzeption eines zweiten „Arbeitsberichts“ wurden drei unterschiedliche Vorschläge gemacht. Binder hielt es angesichts der Tatsache, dass bei den Konsultationen im Gegensatz zur ausschließlichen Beschäftigung mit der Friedensfrage in den ersten zwei Jahren, deren Ergebnisse auch in den inhaltlich homogenen Bericht der Gruppe von 1982 aufgenommen werden konnten, seitdem sehr unterschiedliche Themenfelder bearbeitet worden seien, für geboten, diesmal von „drei Fragestellungen“ auszugehen: Erstens sollten zur kirchlichen Friedensverantwortung positive und zukunftsweisende Entwicklungen benannt werden. Dann könnten auf der Basis der regelmäßig erstatten wechselseitigen Situationsberichte die Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten dargestellt und zuletzt eine Einschätzung des Redens der Kirche in der Öffentlichkeit abgegeben werden. Gienke sprach sich zwar gleichfalls für eine Dreiteilung des „Arbeitsberichts“ aus, meinte aber, dass darin neue Motivationen und Zielstellungen skizziert werden müssten. Er stellte als Eckpunkte drei mit der Friedensfrage verbundene Aspekte heraus: 1. Eine Bilanz der „Entwicklung zum Frieden in Europa und der Dienst der Kirchen“. 2. „Nächste Schritte auf dem Weg zum Frieden in Europa – Fragen, Ängste, Aufgaben“ sowie 3. „Das Ziel eines weltweiten Friedens im Zeugnis und Dienst der Kirche“. Demgegenüber betonte von Keler, dass die Aufgabe der Konsultationsgruppe „im wesentlichen“ auf eine Zuarbeit für die Leitungsgremien von Bund und EKD beschränkt gewesen sei, so dass in einem Tätigkeitsbericht nicht die geleistete Arbeit bilanziert werden solle, sondern vielmehr „eine Reihe von Einsichten“, die die Gruppe gewonnen habe, für die Auftraggeber in Form von Thesen zusammengestellt werden müsse. Er schlug als Themen vor: Die Staatsbürgerschaftsfrage, die „Stabilisierung der Bleibenden“80, die Bewertung von Abschreckung, die Vertrauensbildung, die „Weltwirtschaftsordnung“, das „öffentliche Reden der Kirche“, die Frage der „Einheit der Nation 79 Vgl. zum Themenkomplex „Versöhnung mit der Sowjetunion“ die zweite Lieferung des KJ 1988 (115. Jg.), S. 218–229, sowie als direkte Reaktion auf das „gemeinsame Wort“ den insgesamt positiv wertenden Redaktionsartikel (verfasst von Hans Norbert Janowski) „Zwischen Kreuz und Sowjetstern. Tausend Jahre orthodoxe Kirche in Rußland“. In: EK Nr. 5 (19. Jg.), S. 316–319. 80 Damit waren diejenigen DDR-Bürger gemeint, die sich (bislang) nicht um eine Ausreise in die Bundesrepublik bemühten.

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in zwei deutschen Staaten“, die Kirche in unterschiedlichen Systemen, die Kirche und die Gruppen. In der folgenden Debatte wurde gerade im Blick auf von Kelers Konzept betont, dass es einige kirchliche Gremien gebe, die sich mit den von ihm aufgezählten Fragestellungen auseinander setzten, so dass es zu unnötiger „Doppelarbeit“ kommen könne. Auch sei eine nochmalige Äußerung der Gruppe zur kirchlichen Friedensverantwortung überflüssig. Die Anwesenden befürworteten allerdings eine erneute Beratung über kirchliche Stellungnahmen in der Öffentlichkeit sowie eine Neuinterpretation der Vokabel „friedliche Koexistenz“ im Kontext der antagonistischen politischen Systeme. Sie vereinbarten, Schmudes Anregung folgend ihre „Gemeinsamen Worte“ – versehen mit einer kommentierenden Einleitung – in einer kleinen Druckschrift zu publizieren und kamen überein, sich in der nächsten Zeit besser dem von von Keler genannten, aktuellen Thema „Die Stabilisierung der Bleibenden“ zuzuwenden, anstatt ihre Kapazitäten für die Erarbeitung eines Tätigkeitsberichts zu nutzen. Eine endgültige Entscheidung auf der Grundlage zweier von Ziegler und von Keler anzufertigender Vorlagen wurde für die Konsultation am 9. Juni in anvisiert. Zum Tagesordnungspunkt „Verantwortung wahrnehmen füreinander“ diskutierten die Mitglieder der Konsultationsgruppe zunächst über das Vorgehen der staatlichen Organe in der DDR während und in Folge der offiziellen Luxemburg-Liebknecht-Demonstration in Ost-Berlin gegen Hunderte Teilnehmer81 und den Beschluss der Synode der Berlin-brandenburgischen Kirche zur „Ausreiseproblematik“82. Denn im Kontext der zahlreichen Ausreisewilligen und Ausgereisten war in dem Synodenbeschluss von einer „indirekten Mitverantwortung“ der Bundesrepublik „für die Ausbürgerungsproblematik“83 gesprochen worden. Wenngleich die öffentlichen Stellungnahmen zur Ausreiseproblematik beidseitig als ebenso bedauerlich wie „sehr beschwerlich“ bezeichnet wurden und sich die Vertreter des Bundes und der EKD einig waren, dass die Debatte um eine Quotenregelung schnellstmöglich „durch Stillschweigen 81 Am 17.1. waren über 100 Beteiligte der Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen (Transparente: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“) festgenommen und z.T. aus der DDR ausgewiesen worden. (Vgl. zu den Vorfällen und der Vorgeschichte u. a. W. RÜDDENKLAU, Störenfried, S. 171–177 sowie 203–223 [Dokumente]). 82 Bereits am 8.2.1988 hatte wegen zu großen Andrangs das Büro der Berliner ev. Kirche zur seelsorgerlichen Betreuung Ausreisewilliger geschlossen werden müssen. Die Berlin-brandenburgische Synode hatte dann am 12.4.1988 diesen Beschluss gefasst. Vgl. EPD DOKUMENTATION 21/88, S. 73 bzw. M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 306f. 83 Am 25.5.1988 verhandelte der Vorstand der KKL über den letzten Absatz des Beschlusses, in dem an den Bund die Bitte ausgesprochen worden war, „die EKD an ihre indirekte Mitverantwortung zu erinnern“. Ziegler informierte über die Reaktionen in der Konsultationsgruppe, und der Vorstand entschied: „Weitere Behandlung in der Beratergruppe am 9.6. – Erläuterung des Beschlusses durch einen Vertreter von Berlin-Brandenburg – Sachbeitrag aus der Konsultationsgruppe – Diskussionsbeitrag aus dem Vorstand. An die EKD kann erst nach der Julisitzung der Konferenz geschrieben werden“ (Protokoll [Lewek] über 210. Sitzung des KKL-Vorstands am 25.5.1988, S. 3 [EZA, 101/3088]).

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beendet“ werden müsse, kam die Frage auf, ob nicht die Möglichkeit bestünde, im Blick auf die Staatsbürgerschaft Regelungen zu treffen, durch die eine Ausreise aus der DDR an Anziehungskraft verlöre. Von Seiten der EKD wurde dies mit dem Argument abgewehrt, dass die Staatsbürgerschaftsfrage sowohl eng mit dem – unantastbaren – Grundgesetz als auch mit der Frage der Europäischen Gemeinschaft – die der DDR zweifellos Vorteile bringe – verknüpft sei. Sicher werde die Regierung der DDR nicht auf diese Vorteile verzichten wollen, und es sei gleichermaßen undenkbar, dass die Bundesrepublik mit einer getrennten Staatsbürgerschaft für beide deutsche Staaten „die große Abschreibung der Deutschen in der DDR“ vollzöge. Im übrigen zeigten die westlichen Mitglieder der Beratergruppe sich überzeugt, dass mit einer veränderten Staatsbürgerschaftsregelung nicht der erwünschte Effekt erzielt werden könne und ebenso wenig die Hoffnung bestünde, dass „wirtschaftliche Attraktivitätsgefälle“ zwischen Bundesrepublik und DDR in absehbarer Zeit zu ändern. Es müssten Wege gefunden werden, die Bleibewilligen zu stärken und die Unentschlossenen von der Notwendigkeit ihres Bleibens in der DDR zu überzeugen. Generell sei es die Aufgabe der DDR-Regierung, in ihrem Land Verhältnisse zu schaffen, die den Wunsch nach einer Ausreise in den Westen nicht erst aufkommen ließen. Die Bundesrepublik könne nur unterstützend tätig sein, in dem sie beispielsweise die Bundesbürger ermutige, die menschlichen Kontakte in die DDR zu halten und über weitere Hilfen für die „Überlebensfähigkeit der DDR“ nachdenke. In der Bundesrepublik müsse das Bewusstsein dafür gestärkt werden, dass „der Schade des anderen immer auch der eigene Schade sei“. Eine Destabilisierung der DDR könne nicht in ihrem Sinne sein. Ein Zeichen könnte möglicherweise mit einer „Regelung der Elbegrenze“ gesetzt werden, während die SED-Regierung den reisewilligen Bürgern Umtauschmöglichkeiten in angemessener Höhe gewähren müsse. Die Anwesenden vereinbarten, das Thema auf ihrer 35. Konsultation Anfang Juni unter dem Aspekt „Stabilisierung der Bleibenden“ weiter zu verhandeln. Schmude und Stier wurden mit der Ausarbeitung eines Gesprächseinstiegs beauftragt. Schmude erkundigte sich bei den östlichen Brüdern, wie das „Verhalten“ der bundesdeutschen Kirchenvertreter seit der mit den „Ereignissen im November 1987“84 verschärften kirchenpolitischen Entwicklung in der DDR bewertet werde. Ihm wurde versichert, „dass es dankenswert sei, dass sie weithin geschwiegen oder nur sehr vorsichtig geredet“ hätten und auch in den Gemeinden und Gliedkirchen in der DDR hinsichtlich der Beurteilung der Geschehnisse kein Konsens bestünde.85 84 Nach Durchsuchung der Räumlichkeiten der Ost-Berliner Zionskirchgemeinde am 25.11.1987 durch MfS und Staatsanwaltschaft waren mehrere Gemeindemitglieder aus Friedens- und Umweltgruppen in der Umweltbibliothek der Zionskirche verhaftet worden. 85 Dass das MfS über das breite Meinungsspektrum innerhalb der Bundesrepublik außerordentlich gut unterrichtet war, zeigt die Ausarbeitung „Positionen politischer und kirchlicher Kreise der BRD

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Angesichts der erneut sehr angespannten Staat-Kirche-Beziehungen schien der im Kontext der unterschiedlichen kirchlichen Positionen zur Friedensfrage in West-Ost-Richtung verkehrte Vorwurf der Einmischung wieder seine alten Vorzeichen zu erhalten. In diesem Zusammenhang sollte auch die anschließende Beratung der Konsultationsgruppe über die „kirchliche Begleitung“ staatlicher Gedenktage gesehen werden. Die EKD-Vertreter erläuterten auf Anfrage, dass in der Bundesrepublik üblicherweise zum Beginn einer neuen Legislaturperiode, ebenso wie bei der Bundesversammlung, Gottesdienste abgehalten würden. Bei der EKD habe man sich nun entsprechend erkundigt, was die Kirchen anlässlich des 40. Jahrestags der Gründung der Bundesrepublik zu tun gedächten. In Erwägung gezogen worden sei ein Ökumenischer Gottesdienst am 23. Mai 1989. Die östlichen Brüder hakten nach, ob die Staatsgründung Anlass für einen Gottesdienst sei, und verdeutlichten die Nachfrage mit ihren Bedenken, dass die Kirchen in der DDR in diesem Fall unter Zugzwang geraten könnten, in ähnlicher Weise zum 40. Jahrestag der DDR-Gründung aktiv zu werden. Nur sei es aus ihrer Sicht kaum denkbar, dieses Jubiläum mit einem Gottesdienst zu würdigen. Es wurde festgestellt, dass die „Unterschiede der Situation“ hier nicht zu übersehen seien. Seitens der EKD-Vertreter wurde zu bedenken gegeben, dass in der Bundesrepublik „sehr viele Christen in politischer Verantwortung“ stünden und die „katholische Kirche sehr bereit sein werde, einen Gottesdienst zu halten“. Die Mitglieder der Konsultationsgruppe konstatierten, dass über die anstehenden Fragen – auch separat innerhalb des Kirchenbundes – gründlich nachgedacht werden müsse. Zuletzt wurde das Thema „Beratergruppe“ angesprochen und bemängelt, dass die Zusammentreffen in diesem Gremium „vieles zu wünschen übrig“ ließen, vor allem im Blick auf die Beteiligung.86 Dies könne zum einen daran liegen, dass in der Konsultationsgruppe bereits die wichtigsten Informationen ausgetauscht würden und die „eigentlichen Entscheidungen nicht mehr in der Beratergruppe“, sondern bei den Konsultationen getroffen würden. Möglich sei ferner, dass dieser Missstand auf die Themenstellung zurückzuführen sei, auf die die Konsultationsgruppe dann mehr Einfluss nehmen müsse. Die Anwesenden kamen überein, dass sie im Blick auf den „Informationsaustausch“

und Westberlins zur Entwicklung des Verhältnisses Staat – Kirche in der DDR“ vom 2.6.1988. Darin werden nicht nur einzelne Lageeinschätzungen aus dem Umfeld der EKD, sondern ebenso aus der Katholischen Kirche sowie den bundesdeutschen Parteien skizziert (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/41479, Bl. 166–170). 86 In seinem Einladungsschreiben für die nächste Sitzung der Beratergruppe gab Ziegler die kritische Anmerkung weiter, dass das häufige Fehlen oder die nur „teilweise“ Beteiligung einiger Gruppenmitglieder an den Treffen der „Intensität der Beratungen“ abschlägig sei. Er mahnte: „Im Interesse unserer Gemeinsamkeit wäre hier Änderung wünschenswert“ (Schreiben Ziegler vom 11.5.1988 [EZA, 673/91/32]).

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dem Beratergremium nichts vorwegnehmen dürften und der Beratergruppe regelmäßige Berichte über ihre Tätigkeit erstatten sollten.87 Wie vorgesehen, präsentierte Tschoerner Mitte Mai nun noch der KKL den „Wort“-Entwurf zur „Reichskristallnacht“, und alle Mitglieder der Konferenz sprachen sich nach einer kurzen Beratung für eine gemeinsame Veröffentlichung aus. Wie schon beim Versöhnungswort von Bund und EKD gehandhabt, werde der Wortlaut mit einem Begleitschreiben vor Ablauf der Sperrfrist der Jüdischen Gemeinde, den AGCK-Mitgliedskirchen sowie der ROK zugänglich gemacht. Es wurde darauf hingewiesen, dass im KKL-Bericht an die Bundessynode auch die gemeinsam mit der EKD formulierten „Worte“ Erwähnung fänden.88 Am 9. Juni stellte von Keler den übrigen Mitgliedern der Konsultationsgruppe sein Konzept für einen neuen Arbeitsbericht vor. Er vertrat die Ansicht, dass der Schwerpunkt eines solchen Berichts auf den von Vertretern beider Kirchen gemeinsam gegebenen „geistlichen Beitrag“ „zu einer Frage“ zu legen sei und die Inhalte entsprechend ausgewählt werden müssten. Das gemeinsame Reden von Bund und EKD habe dabei seine „eigene besondere Bedeutung“. Von Keler schlug vor – da seiner Meinung nach in dem Arbeitsbericht nicht allein die Abrüstungs- und die Friedensthematik behandelt werden könnten –, sich in den Konsultationen über folgende vier Themenbereiche zu verständigen, damit dann Ende 1989 dazu eine gemeinsame Aussage formuliert werden könne: „1) Stellung zur Nation (Staatsbürgerschaftsfrage; relatives Recht auf Heimat; Vaterlandsverständnis in unserer Zeit; Einheit der Nation); Vorbereitung durch Stier, Schmude, Binder. 2) Leben in verschiedenen Systemen und der Beitrag der Christen (Grenze veröffentlichter Rede; Vertrauen zum Staat und Vertrauen zueinander); Vorbereitung: Domke, Ziegler, Binder, Hammer. 3) Kirche und ihre Gruppierungen (Umgang mit Gruppen; Demokratie in der Kirche); Vorbereitung durch Domke und Hirschler. 4) Kirche in der Ökumene (Gespräche mit Anglikanern; was heißt ökumenisches Reden? Umgang mit der Orthodoxie; Einschätzung der Wirtschaftsflüchtlinge; Stellungnahmen zu den Pfingstbotschaften des Ökumenischen Rates); Vorbereitung durch Gienke und Linnemann.“

Zieglers Vorschlag basierte auf der bereits angedachten Publikation aller gemeinsam von Bund und EKD formulierten „Worte“. Für die Veröffentlichung müsse ein einleitender Kommentar verfasst werden, in dem die „Praktizierung der be-

87

Vermerk (Teil II) Ziegler vom 2.6.1988, S. 1–4 (EZA, 101/3140). Protokoll (von Rabenau) der 117. KKL-Tagung am 13./14.5.1988, S. 8 (EZA, 101/3073). – Vgl. die von der HA XX/4 am 27.5.1988 erarbeitete „Information“ über diese KKL-Tagung (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1479, Bl. 179–186). 88

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sonderen Gemeinschaft“ hervorzuheben sei. In Ergänzung zu den bislang erarbeiteten „Worten“ beider Kirchen regte Ziegler die Bearbeitung zweier weiterer Themen durch die Konsultationsgruppe an: 1. „Unsere Geschichte holt uns ein. Zur Staatsbürgerschaft der Deutschen. Ein Gespräch zwischen Bund und EKD“ und 2. 40 Jahre Kirche in der Bundesrepublik – 40 Jahre Kirche in der DDR. „Zum Verhältnis von Staat und Kirche in beiden deutschen Staaten“. Bei ihrer Debatte über beide Konzepte stellten die Anwesenden fest, dass die unter 1) und 2) in von Kelers Entwurf als beratungsbedürftig genannten Gebiete von Ziegler ebenfalls angeführt worden waren und „dringend bearbeitet“ werden müssten. Gleichwohl befanden sie, dass die Publikation der „gemeinsamen Worte“ im Sinne einer Bilanz der geleisteten Arbeit und die Beschäftigung mit den beiden von Ziegler und von Keler benannten Themenbereichen voneinander zu trennen sei. Eine Auseinandersetzung mit den Schwerpunkten Kirche und Gruppen sowie Kirche in der Ökumene wurde als „Langzeitprogramm“ bezeichnet, welches im Moment für die Konsultationsgruppe eine Überforderung darstelle. Die Kirchenvertreter aus Bund und EKD betonten, dass das Schreiben Hempels und Lohses aus Vancouver an beide deutsche Regierungen (1983) in die Publikation aufgenommen und die Themen der gemeinsamen Bittgottesdienste zumindest erwähnt werden sollten. Als Resultat dieser Überlegungen wurde Folgendes beschlossen: Der von Hammer zusammengestellte und mit einem Vorwort versehene Text der gemeinsamen Worte sollte allen Mitgliedern der Konsultationsgruppe vor der Klausur in Meißen zugestellt werden. Ein Entwurf für eine Äußerung zum Thema „Nation“ – zur Staatsbürgerschaftsfrage der Deutschen – werde von Stier und Schmude erarbeitet, während Binder und Ziegler das Thema „(40 Jahre) Kirche in der Bundesrepublik Deutschland – (40 Jahre) Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik“ vorbereiten sollten. Bei der Veröffentlichung der Stellungnahme von Bund und EKD zur Pogromnacht hatte es – wie darauf berichtet wurde – zwar keinerlei Schwierigkeiten gegeben, allerdings seien die Reaktionen auf das „Wort“ bisher nicht nennenswert. Aus der östlichen Perspektive trug Stier zum TOP „Verantwortung wahrnehmen füreinander“ vor, dass er kaum Möglichkeiten sehe, die Ausreisewelle aus der DDR zu stoppen. Da dabei sehr grundlegende Fragen berührt würden, sei das Problem durch (kirchliche) „Appelle“ nicht zu lösen. Die durch die Nachkriegsentwicklung bedingte unterschiedliche Anziehungskraft der Bundesrepublik und der DDR sei in naher Zukunft nicht einmal andeutungsweise auszugleichen, so dass die DDR die Öffnung nicht durchhalten könne. „Inneres und äußeres Emigrationsbestreben“ seien untrennbar. Doch müssten der Bund und die EKD in dieser Situation ihr Mandat als Kirche neu bedenken. Ohne Zweifel gehöre dazu das Eintreten für alle notleidenden Menschen, nicht jedoch „für alle ihre

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Motive“. Sehr realistisch konstatierte Stier, dass weder die Kirchen noch die Bundesregierung mehr tun könnten, als zum Dialog anzuregen und manche Forderungen aufzustellen, was allerdings nicht zu einer substantiellen Veränderung der Verhältnisse führen werde. Es läge allein an der DDR, diese Veränderungen zur Problemlösung vorzunehmen, was nicht ausschließlich auf der materiellen Ebene zu bewerkstelligen sei. Stier betonte, dass die Kirche „Hilfe nur aus Glauben geben“ könne und sich darauf auch konzentrieren müsse. Die von Schmude zusammengestellten Überlegungen gingen in eine ähnliche Richtung. Er wies auf die Wichtigkeit des Gesprächs und des Ausbaus von Kontakten auf menschlicher Ebene hin, plädierte dabei aber für eine Eröffnung von Reisemöglichkeiten für alle DDR-Bürger (nicht nur Verwandtenbesuche) in den Westen, die von der Bundesrepublik durch eine großzügige Bereitstellung auch öffentlicher finanzieller Mittel zu realisieren, zu unterstützen und zu fördern seien.89 Einig waren sich die Mitglieder der Konsultationsgruppe, dass die Ausreiseproblematik keinesfalls zum Anlass für eine gemeinsame Stellungnahme der Kirchen in Ost und West genommen werden dürfe, da das, was in der DDR passieren müsse, und das, was seitens der Bundesrepublik an Hilfe geleistet werden könne, klar zu unterscheiden sei. Die Anwesenden nahmen sich vor, bei der Klausurtagung Ende September in Meißen die einzelnen Problembereiche herauszuarbeiten, die „erst einmal ins Bewußtsein gehoben und dadurch gesprächsfähig gemacht“ werden müssten. An Schmudes Entwurf wurde vorsichtig bemängelt, dass die darin versammelten Anregungen unter Umständen gerade zu einer Verstärkung des „nichtgewünschten Ansaugeffekts“ führen würden. Dennoch müsse für eine Ausweitung des wissenschaftlichen Austauschs und des Tourismus gesorgt werden. In diesem Kontext kamen die Kirchenvertreter noch einmal auf die im Beschluss der Berlin-brandenburgischen Synode vom 12. April zur Ausreiseproblematik erwünschte gesprächsweise Verständigung zwischen EKD und Bund und fragten sich, was in einer solchen Unterredung eigentlich besprochen werden solle. Die westlichen Brüder warnten davor, „überhaupt das Stichwort Staatsbürgerschaft in der Bitte der KKL an den Rat“ zu verwenden, da eine Verhandlung der Staatsbürgerschaftsfrage „aussichtslos“ sei. Vielmehr müssten die Gespräche zwischen beiden Kirchen unter den Gesichtspunkten „Verantwortung füreinander wahrnehmen“ oder „wechselseitig die Lage des Anderen bedenken“ geführt werden. Am sinnvollsten sei es, dieses Problem gleich an die Konsultationsgruppe zu verweisen, da es nicht ratsam erscheine, es mit dem gesamten Rat zu verhandeln. Eine kleine Unstimmigkeit kam gegen Ende der Konsultation auf. Dem ehemaligen Ökumene-Referenten Walter Pabst sei, wie Ziegler berichtete, aufgefallen, 89

Schmudes schriftliche Ausarbeitung ist abgedruckt als Dok. 67 bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSKonsultationen, S. 505–507.

FELD,

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„dass in den Berichterstattungen sowohl der EKD als auch des Bundes die ‚Besondere Gemeinschaft‘ nur vorsichtig und verschämt erwähnt werde. Von Keler weist darauf hin, dass der Ärger über solche verschämte Zurückhaltung auch bei Grundsteinlegungen von [seitens] der BRD finanzierter Gebäude und dergleichen schon lange groß ist. Die EKD wäre an einer breiteren Berichterstattung interessiert, habe sich aber mit Rücksicht auf die Kirchen in der DDR immer zurückgehalten. Es sollte versucht werden, dass die in diesem Jahr erschienenen beiden Gemeinsamen Worte dazu benutzt werden, um etwas offensiver zu berichten und über die ‚Besondere Gemeinschaft‘ zu reden. Wir sollten uns aber davor hüten, diesen Versuch sogleich zu überziehen“.

Zuletzt informiert Ziegler die Mitglieder der Konsultationsgruppe über die Anfrage der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der DDR, ob Bund und EKD ein gemeinsames Wort zum 50. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs zu veröffentlichen gedächten. Die AGCK habe kritisiert, dass der Kirchenbund in der DDR einer gemeinsame Stellungnahmen mit der EKD den Vorrang gebe, anstatt „zuerst die Gemeinsamkeit mit den Mitgliedskirchen der AGCK in der DDR zu suchen“. Zu diesem Vorwurf habe der Vorstand der Konferenz geäußert, „dass die Entscheidung, mit wem gemeinsam geredet werden soll, jeweils von der anstehenden Frage abhängig gemacht werden müsse“. Wenn es sich um die „besondere Gemeinschaft“ beider deutscher Kirchen handele, müsse diese und damit die EKD den Vorrang haben.90 Nicht nur die stets angestrebte Stärkung der kirchlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR, sondern auch die zunehmenden Kontakte bundesdeutscher Politiker – vor allem der SPD – zu Gremien und Vertretern des Kirchenbundes wurden von der Hauptabteilung Kirchenfragen des MfS genau beobachtet und mit Unwillen zur Kenntnis genommen. Wie aus einer „Information“ vom 20. September hervorgeht, seien in der Zeit vom „1. Januar 1987 bis August 1988 insgesamt 73 führende politische Kräfte aus der BRD und Westberlin einmal oder mehrfach mit dem angegebenen Grund in die DDR ein[gereist], an kirchlichen Veranstaltungen teilnehmen bzw. kirchliche Amtsträger besuchen zu wollen“. Dabei habe es sich um 48 SPD-, 21 CDU/CSU-, 3 FDP-Mitglieder sowie 24 Vertreter der Grünen gehandelt. Die reale Zahl solcher 90

Vermerk Ziegler vom 21.6.1988, S. 1–4 (EZA, 101/3140). – Auch der Konferenz wurde auf ihrer Sitzung Anfang Juli die Einschätzung ihres Vorstands weitergegeben, „dass sich solche Gemeinsamen Worte mit der AGCK an gemeinsamen Themen orientieren müssen und immer so, dass Artikel 4,4 – die besondere Gemeinschaft mit der EKD – nicht in Frage gestellt werden“ (Protokoll [Ziegler/Riese] der 118. KKL-Tagung am 1./2.7.1988, S. 14 [EZA, 101/3073]). Vgl. „Information über die 118. Tagung“ der KKL o. D., in der hingegen der Schwerpunkt auf der Vorbereitung des Konferenzberichts für die Dessauer Tagung der BEK-Synode liegt. Allerdings sollten in dem KKL-Bericht wiederum die „besondere Gemeinschaft“, das Staat-Kirche-Verhältnis (v. a. auch die rigide staatliche Zensur kirchlicher Informationsarbeit) sowie die gesellschaftlich-politische Situation in der DDR zur Sprache gebracht werden (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-124, Bl. 83–91).

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Einreisen sei angesichts der seitens der DDR eingeräumten „großzügigen Aufenthaltsmöglichkeiten“ zweifellos als weitaus höher einzuschätzen. Im Blick auf bundesdeutsche Kirchenleitende, die in die DDR eingereist seien, müsse für den gleichen Zeitraum sogar die Ziffer 250 genannt werden. Besorgniserregender als die Intensivierung der Treffen und die gemeinsame – auch der Öffentlichkeit preisgegebene – Standpunkt- und Positionsfindung der Kirchen vor allem zur Deutschlandpolitik und zur Friedensfrage – sei die starke Politisierung der kirchlichen Tätigkeit: „Die den evangelischen Kirchen beider Staaten als ideologische Basis dienende Plattform ist dabei ihr vorgegebenes Selbstverständnis von der ‚Einheit Deutschlands‘, der Notwendigkeit, die Grenzen zu überwinden, der Notwendigkeit der ‚inneren Öffnung der DDR‘ und des Dialogs mit Andersdenkenden sowie der Notwendigkeit und ‚Berechtigung der Kritik‘ am jeweiligen System. Deutlich werden dabei gewisse Bestrebungen gegnerischer politischer Kräfte, die evangelischen Kirchen in der DDR in das nationalistische Grundkonzept der BRD-Regierung einzubinden. Dem entsprechen Äußerungen Bonner Regierungskreise, wonach die evangelischen Kirchen in der DDR beharrlich und behutsam danach streben, zunehmend eine sogenannte Brückenfunktion zwischen Ost und West auszuüben. Die BRD-Regierung gewinne den Eindruck, die evangelische Kirche in der DDR übernehme mit Billigung von Partei und Staat die Rolle einer ‚kontrollierenden Opposition‘, um eine ‚notwendige Ventilfunktion‘ zu erfüllen. Daher sei die BRD-Regierung auch an verstärkten Kontakten zwischen der evangelischen Kirche in Ost und West interessiert.“

Wenn das MfS sicher mit der vermuteten potentiellen, vom Westen aus bewusst organisierten und gesteuerten Kampagne gegen die DDR einer Fehleinschätzung unterlag, so war die Sichtweise insofern zutreffend, als der Kirchenbund in der DDR seine Handlungsfreiräume durchaus zu nutzen gewillt war. Ferner gewann er tatsächlich als Schutzraum für kirchliche und nichtkirchliche, auch oppositionelle Gruppen an Bedeutung – allerdings nicht zuletzt durch den staatlichen Druck, mit dem die evangelische Kirche in die Rolle als „Ventil“ für das politische Unvermögen der Regierung im Umgang Andersdenkenden, die pauschal mit der Formel „antisozialistischen Kräfte“ kriminalisiert wurden, manövriert wurde. Dass die Kirchen in der DDR gegenüber ihren Brüdern und Schwestern aus der Bundesrepublik sehr wohl mit wachsendem Selbstbewusstsein eigenständige Positionen einnahmen, blieb dem MfS bzw. der SED-Regierung entweder verschlossen oder wurde schlicht ignoriert.91 91 BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1479, Bl. 23–37; hier Bl. 23, 26f. – Vgl. auch die MfS-Information „über „einige aktuelle Aspekte der Lage in den evangelischen Kirchen in der DDR im Zusammenhang mit der Entwicklung des Verhältnisses Staat-Kirche“ vom 13.9.1988 mit ähnlicher Tendenz: „Die Führungsorgane der evangelischen Kirchen (KKL, Synoden) beziehen dazu [Haltung zu kirchlichen Basisgruppen und alternativen Gruppierungen] äußerst widersprüchliche Positionen

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7.2 Bilanz von 40 Jahren Kirche im geteilten Deutschland: Debatten über gemeinsame Identität, Nation und Verantwortung Auf der Klausurtagung der Konsultationsgruppe vom 25. bis zum 28. September in Meißen wurden einige Themen von außerordentlicher Bedeutung behandelt und dabei erste Orientierungspunkte markiert. Für eine Publikation der „gemeinsamen Worte“ stellte Hammer ein von ihm ausgearbeitetes mögliches Vorwort92 vor. Seine Frage, ob die von beiden Kirchen durchgeführten Bittgottesdienste für den Frieden gleichfalls in einer Form Eingang in die Veröffentlichung finden sollten, wurde bejaht und in Aussicht genommen, Barth und Dorgerloh zu bitten, bis zum Januar 1989 einen maximal zweiseitigen, „zusammenfassenden Beitrag“ vorzulegen. Im Herbst müssten der Rat und die Konferenz um ihr grundsätzliches Einverständnis zu der Publikation, für die das Kirchenamt der EKD und das BEK-Sekretariat als gemeinsamer Herausgeber fungieren könnten, angefragt werden. Schmude und Gienke wurden mit einer Überarbeitung von Hammers Vorwort bis Jahresende beauftragt. Die Konsultationsgruppe sprach die Empfehlung aus, unmittelbar vor dem Vorwort Art. 4 (4) der Bundesordnung sowie Art. 1 (2) der EKD-Grundordnung abzudrucken. Zu „Identität der Deutschen in Ost und West. Nation und Staatsbürgerschaft“ referierte darauf Stier über das seiner Ansicht nach bereits seit mehr als 50 Jahren „gestörte Verhältnis“ der Deutschen zu ihrer Nation. Der für die mörderischen Ziele der Nationalsozialisten missbrauchte Begriff existiere für die DDR-Bürger seit der Teilung Deutschlands nicht mehr im Sinne eines „zusammenfassenden“ Nationalitätenbegriffs. Frühere Symbole für eine einzige deutsche Nation seien nicht mehr zu verwenden, Nation sei nur noch ein „geistiger“, jedoch kein juristischer Tatbestand mehr. Stier konstatierte, dass über einen theologisch und verzögern fortgesetzt eine Grundsatzdebatte sowie die Herausgabe handhabbarer Richtlinien. Als wesentliche Ursachen hierfür zeichnen sich ab – bestimmte Eigeninteressen der Kirchen (Zwang nach Erweiterung der kirchlichen Basis und der Einflussmöglichkeiten), ständig erfolgende Einflussnahme von außen (politische Führungskräfte der BRD und EKD) in Richtung Politisierung der evangelischen Kirchen in der DDR“. „Hervorgehoben wird von einem Teil kirchenleitender Amtsträger, die evangelische Kirche in der DDR verstehe sich als ‚Kirche im Sozialismus‘ und wolle auf ihre Weise und nach ihrem Verständnis eine ‚mündige Mitbeteiligung‘ der christlichen Bürger für die Gestaltung des gesamten gesellschaftlichen Lebens in der DDR erreichen. Zum Teil wird die Meinung vertreten, mit der Festlegung ‚KiS‘ erfolge eine einseitige Auslegung durch den Staat, und es sei eine Vereinnahmung durch den Staat zu befürchten. (Internen Hinweisen zufolge hat die vom Dozenten im Sprachenkonvikt Berlin, Schröder, in der in Westberlin erscheinenden Zeitschrift ‚KiS‘ aufgestellte These, die Formulierung ‚KiS‘ könnte zutreffender durch die Bezeichnung ‚Kirche in der DDR‘ ersetzt werden, bei kirchenleitenden Amtsträgern Interesse ausgelöst. Standpunkte dazu wurden bisher nicht bekannt)“ (EBD., Bl. 38–58; hier Bl. 41, 48). 92 Abdruck seines zweiten Entwurfs als Dok. 68 bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 508–510.

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verantwortbaren Umgang mit dem durch Missbrauch gefährdeten Begriff Nation unter drei Aspekten nachgedacht werden müsse: „Haftungsgemeinschaft – Verantwortungsgemeinschaft – Solidargemeinschaft“. Der Wert von Nation bestünde nicht in ihr selbst, auch von der „deutschen Nation“ müsse eingebettet in den europäischen Kontext gesprochen werden, und gerade die Kirchen müssten dabei die „Gemeinschaft im Leibe Christi“ in den Vordergrund stellen. Im Anschluss wurde Schmudes Ausarbeitung „Besondere Gemeinschaft, besondere Verantwortung“93 diskutiert. Grundsätzliche Zweifel bestanden im Blick auf Sinn und Angemessenheit einer öffentlichen Äußerung von Bund und EKD zur Frage der Nation. Allerdings betonten die Vertreter beider Kirchen, dass zumindest eine interne Klärung der angeschnittenen Problematik „hilfreich und nützlich“ sei und man sich über eine gemeinsame Stellungnahme in der Öffentlichkeit noch verständigen könne. Von Keler und Stier sollten die Überarbeitung von Schmudes Entwurf übernehmen. Zum Thema „(40 Jahre) Kirche in der Bundesrepublik und in der DDR“ trugen erst Ziegler94, dann Binder ihre Thesen vor. Während Ziegler das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat in der DDR anhand eines historischen Überblicks erläuterte, hob Binder für die Kirchen in der Bundesrepublik hervor, dass ihnen vom Staat der Status einer „sinnstiftenden Institution“ verliehen werde, den sie auch für sich in Anspruch nähmen. Dennoch habe es niemals eine einheitliche Stellung der evangelischen Kirchen zur Bundesrepublik gegeben, gesellschaftliches Engagement sowie die „Bejahung des Staates“ stünden neben „starker Staatskritik“. Seitens des Staates werde die „besondere Gemeinschaft“ zwischen EKD und DDR-Kirchenbund „nicht ideologisch, sondern pragmatisch“ behandelt. Als „öffentliche Stellungnahme“ der Kirchen zur Bundesrepublik sei die EKD-Denkschrift „Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie“ aus dem Jahr 1985 zu verstehen. Bei ihrer nachfolgenden Debatte stellten die Anwesenden fest, dass beide Thesenpapiere die jeweils eigene Situation ohne eine vergleichende Sicht auf die andere Seite beleuchteten. Hinsichtlich der Frage, ob dieses Thema tatsächlich gemeinsam beraten werden könne, wurde der Wert auch separater Darstellungen für das wechselseitige Verständnis herausgestellt. Die Konsultationsgruppe vereinbarte, die Aussprache auf der Basis einer gegenseitigen Befragung Binders und Zieglers nach „Entwicklungstendenzen und Gefahren“ bei ihrer Klausurtagung im April kommenden Jahres wieder aufzunehmen. Den Tagesordnungspunkt „Verantwortung füreinander wahrnehmen“ leitete Gaebler mit der Erläuterung ein, welche Fragen sich aus dem Beschluss der Konferenz vom 2. September95 für Bund 93

Abdruck EBD., S. 511–516 (Dok. 69). Als Dok. 70 (S. 517–520) EBD. 95 Vgl. Protokoll (Günther) der 119. KKL-Tagung am 2./3.9.1988 (EZA, 101/3074).

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und EKD ergäben. Wie könne der „besonderen Gemeinschaft“ in Fragen der Ausbürgerungsproblematik so Rechnung getragen werden, dass sie zur Entspannung beitrage? Was könnten EKD und Bund tun, um einer Verstärkung des „einlinigen Soggefälles“ entgegenzuwirken? Wie könne das Bewusstsein für die Verantwortung beider deutscher Staaten in dieser Frage bis in die Gemeinden hinein getragen werden? Eine sachliche Darstellung der Lage in der DDR und in der Bundesrepublik und eine entsprechende Einflussnahme auf die Medienberichterstattung hielten die Mitglieder der Konsultationsgruppe für unabdingbar. Bei der Thematisierung der Ausreiseproblematik dürfe unter keinen Umständen die Menschenrechtsfrage gegen die DDR instrumentalisiert werden, sondern die Bundesrepublik müsse sich ebenfalls selbstkritisch mit den Menschenrechten auseinandersetzen. Ziegler berichtete darauf, dass der KKL-Vorstand plane, Ende 1988 oder Anfang 1989 eine Akademietagung zum Thema „Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“96 durchzuführen, zu der Einladungen an Vertreter der SPD, der SED und der EKD ausgesprochen werden sollten. Die westlichen Mitglieder der Konsultationsgruppe erläuterten, dass bei einer „langfristigen und sorgsamen Vorbereitung“ nichts dagegen einzuwenden sei, wenn Vertreter der EKD zu der Tagung eingeladen würden, doch könne die EKD „nicht als Mitveranstalter“ auftreten. Um einen ausreichenden organisatorischen Vorlauf zu gewährleisten, sei als Termin für die Veranstaltung eher der Sommer 1989 in Aussicht zu nehmen. Der Präses der Bundessynode Gaebler erklärte den Synodenbeschluss, der in Dessau zur Frage der Abrüstung gefasst worden war.97 Die BEK-Synode hatte darin die KKL gebeten, die im Beschluss formulierten Vorschläge in den Dialog mit der EKD einfließen zu lassen und auch gegenüber deren Synodenpräsidium zur Sprache zu bringen. In der Debatte wurde die Aufnahme von Verhandlungen von Synode zu Synode als „äußerst ungewöhnlich“ bezeichnet und verdeutlicht, dass der Weg üblicherweise über den Rat der EKD führen müsse. Gleichwohl das Grundanliegen der Bundessynode in den Abrüstungsfragen durchaus von der EKD mitgetragen werden könne, so sei bei einer konkreteren Behandlung dieses Komplexes sicherlich mit divergierenden Positionen beider Kirchen zu rechnen. Die Konsultationsgruppe einigte sich auf folgendes Vorgehen: Ziegler möge dem Kirchenamt der EKD bereits vor der KKL-Tagung den Synodenbeschluss des Bundes offiziell zur Kenntnis geben. Das würde die Möglichkeit er-

96 Am 27.8.1987 hatten die SPD-Grundwertekommission und die Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED ihr gemeinsam erarbeitetes Papier „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“ veröffentlicht. 97 Darin war unmittelbar an den Beschluss der Görlitzer Bundessynode „Bekennen in der Friedensfrage“ vom 20.9.1987 angeknüpft worden. Vgl. M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 311f.

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öffnen, ihn „auf welchem Wege immer“ während der Tagung der EKD-Synode Berücksichtigung finden zu lassen.98 Am 19. Januar 1989 setzte sich der Vorstand der KKL mit der Frage auseinander, ob und in welcher Weise der Kirchenbund sich zu den unterschiedlichen „Gedenkanlässen 1989“ äußern solle. Ziegler wies auf den 40. Jahrestag der DDR-Gründung sowie den 50. Jahrestag des Überfalls auf Polen und Ausbruch des Zeiten Weltkriegs hin. Er unterrichtet über entsprechende Pläne im EKDBereich. Im Rahmen der darauf folgenden Debatte versuchten die Mitglieder des Vorstands, anhand früherer Stellungnahmen zu gleichartigen Jubiläen zu einer Orientierung zu kommen und erwogen die Veröffentlichung eines „gemeinsamen Wortes“ mit der EKD zum Kriegsbeginn am 1. September. Doch kam der Vorstand nach einer eingehenden Beratung wieder davon ab, der Konferenz gegenüber eine solche Empfehlung auszusprechen. Die Beratung über das Thema sollte auf der Basis einer genauen Prüfung der „Aktivitäten des BEK zu vergleichbaren früheren Anlässen“, mit der das Sekretariat des Bundes betraut wurde, im Februar wieder aufgenommen werden.99 Am 23. Februar entschied der KKL-Vorstand, die Arbeit an einem „gemeinsamen Wort“ mit der EKD nur für den Fall in Angriff zu nehmen, dass die Katholische Kirche ihre Beteiligung zusage. Auf ein Läuten aller Kirchenglocken am 1. September sollte verzichtet werden. Hingegen sprach man sich dafür aus, Vertreter des Kirchenbundes für den 13. bis 15. Dezember zu einer gemeinsamen Klausurtagung des Rates der EKD und der Konferenz bei der Evangelischen Akademie in Loccum zu entsenden. In diesem Rahmen solle über die „besondere Gemeinschaft“ beider Kirchen „unter den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs“ beraten werden.100 Das erste Mal im neuen Jahr trafen die Mitglieder der Konsultationsgruppe am 27. Januar in der Evangelischen Akademie in Mülheim an der Ruhr beim Abendessen zusammen und stimmten sich lediglich über die inhaltliche Planung ihrer nächsten regulären Tagung ab, die für den 2. Februar angesetzt worden war. Es wurde vereinbart, dass allen Teilnehmern vor diesem Termin die vorliegende Zusammenstellung aller für die Veröffentlichung eines kleinen Drucks der „gemeinsamen Worte“ vorgesehenen Texte zugeschickt werden sollte, die auch hilfreich für die Ausarbeitung neuer Stellungnahmen von Bund und EKD sein könnte.101 Barth legte auf der Konsultation Anfang Februar den Entwurf für den „Bittgottesdienst für den Frieden 1989“ von BEK und EKD vor, zu dem einige kritische Hinweise gegeben und der Wunsch geäußert wurde, das Gedenken an 98

Vermerk Ziegler vom 17.11.1988, S. 2–5 (EZA, 101/3140). Protokoll (Kupas) über 218. Sitzung des KKL-Vorstands am 19.1.1989, S. 2 (EZA, 101/3090). 100 Protokoll (Doyé) der 219. Sitzung des KKL-Vorstands am 23.2.1989, S. 3f. (EZA, 688/62). 101 Vermerk Hammer vom 29.1.1989 (EZA 101/3141). 99

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

den 50. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs stärker in den Bittgottesdienst zu integrieren. Barth und Dorgerloh hatten ferner einen Beitrag zu den zwischen 1980 und 1988 abgehaltenen Bittgottesdiensten für die Publikation aller „gemeinsamen Worte“ ausgearbeitet, den Barth der Gruppe nun vorstellte.102 Einzelne Passagen des Textes wurden als missverständlich bemängelt und kritisch angefragt, ob der „politische Frieden und der Frieden mit Gott“ nicht zu eng miteinander verbunden dargestellt würden.103 Die Entwürfe, die Schmude und Gienke für ein Vorwort erarbeitet hatten104, wurden diskutiert, Textstellen aus beiden Vorlagen miteinander kombiniert und Schmude gebeten, den entsprechenden neuen Entwurf am 9. April zu präsentieren. Hinsichtlich der „Gedenktage 1989“, vor allem den 40. Jahrestagen der Gründung beider deutscher Staaten und dem 50. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs, konnten die Mitglieder der Konsultationsgruppe sich auf kein konkretes Vorhaben einigen. Seitens der BEK-Leitungsgremien stünde man der Anregung der EKD, zum 1. September 1989 ein „gemeinsames Wort“ auch mit der Katholischen Kirche zu verfassen, doch zurückhaltend gegenüber. Damit Bund und EKD sich nicht in regelmäßigen Abständen in Wiederholungen ergingen, müsse der inhaltliche Schwerpunkt zumindest auf den deutschen Überfall auf Polen gesetzt werden. Vor allem dürfe man, falls eine solche Stellungnahme „auf breiter Ebene“ zustande käme, die Einbeziehung der AGCK diesmal nicht vergessen.105 Auf der Sitzung des Vorstands der KKL am 22. März wurde ein Konzept106 für die Beteiligung von Vertretern des Bundes an einem „Konsultativtreffen“ mit der EKD Mitte Dezember in Loccum über die besonderen Beziehungen der evangelischen Kirchen in beiden deutschen Staaten vorgestellt. Während Leich sich um eine Vorverständigung mit Kruse bemühen sollte, wurden Gaebler und Ziegler gebeten, in der Konsultationsgruppe vorzufühlen, inwieweit der Rat der EKD an einer solchen Begegnung interessiert sei. Der Vorstand traf folgende Übereinkunft: Sollte es sich ergeben, dass eine Tagung „über den Rahmen einer Akademieveranstaltung hinaus sinnvoll erscheint und eine entsprechende repräsentative Beteiligung wünschenswert“ sei, müsse angesichts zu erwartender Terminschwierigkeiten Ort und Zeitpunkt der Veranstaltung neu überlegt wer102

Abdruck als Dok. 71 bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 521ff. Im Entwurf hieß es: „Gerade im Gottesdienst kommen die hier genannten Dimensionen des geschenkten und des aufgetragenen Friedens in ihrer Einheit und in ihrem Zusammenhang zur Sprache.“ Im Druck erschien eine Formulierung, die offenbar weniger den Verdacht erwecken sollte, die Kirchen verstünden den christlichen Auftrag zugleich als politisches Mandat: „Gerade im Gottesdienst kommen die hier genannten Dimensionen des im Glauben geschenkten und des aufgetragenen Friedens in ihrem Zusammenhang und in ihrer Spannung zur Sprache.“ 104 Vgl. W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, Dok. 72f., S. 524–527. 105 Vermerk Ziegler vom 22.2.1989, S. 1f. (EZA 101/3141). 106 Abdruck als Dok. 75 bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 530–533. 103

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den.107 Bei ihrer Klausurtagung vom 9. bis zum 12. April auf der Nordseeinsel Borkum108 debattierten die Anwesenden das Vorhaben ausführlich und kamen zu einem positiven und konkreten Ergebnis: „1) Termin: 15. bis 17. Januar 1990 2) Thema: Die ‚besondere Gemeinschaft‘ in den letzten 40 Jahren – und wie soll es weitergehen? 3) Charakter: Klausurtagung im begrenzten Teilnehmerkreis: a) Kleiner Kreis von Kundigen (30 sind schon zuviel): Träger langjähriger Erfahrungen und neue sowie potentiell künftige Verantwortungsträger auf diesem Gebiet zusammenbringen. b) Akademie als uneigennütziger Veranstalter und Gastgeber. c) Leitung: Vorsitzender der KKL und Vorsitzender des Rates.“

Trotz gewisser Absprachen und Abstimmungen mit dem Leiter der Evangelischen Akademie sollte für die inhaltliche Gestaltung allein die Konsultationsgruppe zuständig sein, während der Präsident des EKD-Kirchenamtes und der Leiter des Sekretariats des Bundes die organisatorische Planung übernehmen sollten. Im Rahmen einer noch anstehenden Konkretisierung des Themas müssten geeignete Referenten bestimmt werden. Eine „denkbare Teilnehmerliste“ stellten die Mitglieder der Konsultationsgruppe zusammen und einigten sich darauf, dass der Kirchenbund und die EKD mit insgesamt etwa 20 bis 25 Personen vertreten sein sollten, von denen zwölf durch die Beteiligung der Gruppenmitglieder selbst bereits feststünden. Aus dem BEK-Bereich wurde berichtet, dass anlässlich des 20. Jahrestags des Inkrafttretens der Bundesordnung am 10. Juni 1989 einige Veranstaltungen geplant seien und eine Festschrift109 veröffentlicht werden solle. Im Blick auf das 40jährige Gründungsjubiläum der DDR habe man sich überlegt, dass der Vorsitzende der KKL während der Tagung der Bundessynode Mitte September darauf „gedenkend eingehen“ werde. Auf die Anfrage des Bundes nach der Möglichkeit einer gemeinsamen Äußerung der EKD, des BEK, der Katholischen Kirchen und der AGKC zum 1. Septem107

Protokoll (Zeddies) der 220. Sitzung des KKL-Vorstands am 22.3.1989, S. 4 (EZA, 688/62). Diese Klausurtagung und die Klausur, die vom 24. bis 27.9.1989 auf Hiddensee in der DDR stattfinden sollte, hatte Ziegler in der Dienststelle des Staatssekretärs bereits am 20.12.1988 angemeldet, um frühzeitig um die nötigen Aus- und Einreisegenehmigungen zu bitten. HAL Heinrich hatte die Befürwortung der Anträge als problemlos bezeichnet, sofern sich die Kirchen an die übliche Vorgabe hielten, „keine Presseverlautbarungen“ herauszugeben (Vermerk Ziegler o. D., S. 2 [EZA, 101/4719]). 109 W. Hammer/U.-P. Heidingsfeld merken in den „Konsultationen“ auf S. 261 an, dass es sich bei dieser Festschrift um die Dokumentation GEMEINSAM UNTERWEGS handele, die, „als Folgeband von ‚Kirche als Lerngemeinschaft‘ [1981] konzipiert, erst im Mai 1990“ habe erscheinen können. Allerdings war der Redaktionsschluss des in der 1. Auflage bereits 1989 veröffentlichten Dokumentenbandes schon der 1.11.1987. 108

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

ber 1989 habe die katholische Kirche in der DDR ihre Beteiligung mit der Begründung abgelehnt, sie werde keine öffentliche Stellungnahme „zusammen mit anderen nicht-katholischen Kirchen“ abgegeben. Nun denke die AGCK in der DDR darüber nach, ob zumindest ein gemeinsamer Gottesdienst abgehalten werden könne. Wie weiter informiert wurde, habe sich in den Staat-KircheBeziehungen auf der Ebene des Bundes „praktisch ein Stillstand ergeben“. Die bei der 1. und 2. Ökumenischen Versammlung für „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ in Dresden und Magdeburg im vergangenen Jahr geäußerte Kritik auch an den Verhältnissen in der DDR solle keine Verbreitung bei der Europäischen Ökumenischen Versammlung vom 15. bis zum 21. Mai in Basel finden. Nach Abschluss der 3. Versammlung in Dresden Ende April110 würden – wie die Konferenz beschlossen habe – die „Ergebnisse an die Kirchen zur weiteren Bearbeitung (zurück) gegeben werden, dass also dieser Weg vorerst beendet wird“. Die Vertreter der EKD berichteten ihrerseits über den Stand der Planung zum „konziliaren Prozess“ in der Bundesrepublik. Bemängelt wurde in diesem Kontext die „bedrückende Heuchelei“ in der Debatte, „die sich lediglich auf den richtigen Weg zu dem von allen erstrebten Frieden beziehen kann, es wird auf die Schwärmerei verwiesen, es könne tatsächlich ein ‚Wort, das die Welt nicht überhören kann‘, gesprochen werden. Über der ständigen Suche nach neuen Betätigungsfeldern für Werkgerechtigkeit wird die Rückkoppelung in den Gemeinden und die eigentliche Friedensarbeit weithin versäumt“.

Daher sei es wünschenswert, dass die Erfahrungen in Genf und Seoul möglicherweise eine ernüchternde Wirkung hätten. Zum Tagesordnungspunkt „Herausgabe der gemeinsamen Worte“ widmete sich die Konsultationsgruppe auf der Grundlage des vorliegenden Entwurfs111 der Formulierung eines endgültigen 110

Die breite Wirkung der Ökumenischen Versammlungen wurde auch vom SED-Staat und der Kirchenabteilung seines „Sicherheitsdienstes“ nicht ohne Berechtigung besonders gefürchtet. Der Leiter der HA XX/4 setzte Anfang 1989 alle MfS-BV über den Auftrag der Stellvertreter für Inneres der RdB in Kenntnis, vor der Dresdner Ökumenischen Versammlung mit den Delegierten aus der DDR eindringlich zu sprechen und sie aufzufordern, „politische Angriffe gegen die Politik von Partei und Regierung der DDR zu unterlassen und Diffamierungen der Politik der DDR aus den vorliegenden Beschlußvorlagen zurückzunehmen“. Bei dieser Gelegenheit sollten die RdB auch die „staatliche Erwartungshaltung bezüglich ihres Auftretens“ bei der Europäischen Ökumenischen Versammlung in Basel unmissverständlich erläutern. Die Gesprächsführung werde auf der Basis einer in der Anlage befindlichen „Übersicht“ aus der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen über „politische Angriffsrichtungen und überrealistische Anknüpfungsmöglichkeiten bei Argumentationen aus inhaltlichen Aussagen der Arbeitstexte“ der Magdeburger Session (Oktober 1988) erfolgen (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-539, Bl. 161, 162–167 [Anlage]). – Dass dieses Konzept leider in keiner Hinsicht aufgegangen sei, teilte der stellvertretende Minister für Staatssicherheit auf einer Dienstbesprechung am 20.6.1989 mit (BStU [ZA Berlin], MfS ZAIG-4883, Bl. 1–45; hier v. a. Bl. 16–20). 111 Dok. 74 bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 528f.

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Vorwortes, beriet über Titelblatt und Drucktechnik und legte den gemeinsamen Publikationstermin auf den 3. Juli 1989 fest. Im Verlauf der Tagung konnte wie vorgesehen ebenso eine verbindliche Fassung für den „Bittgottesdienst“ im November festgestellt werden. Angesichts der Frage, welchen Dienst Christen für den Frieden leisten können, die der Kirchenbund mit dem Görlitzer Synodenbeschluss „Bekennen in der Friedensfrage“ mit der Bevorzugung der Waffen- oder Wehrdienstverweigerung als „einen Ausdruck des Glaubensgehorsams, der auf den Weg des Friedens führt“ beantwortet hatte – in der Handreichung der KKL zur Seelsorge an Wehrpflichtigen von 1965 war sogar von einem „deutlicheren“ Zeugnis oder Zeichen gesprochen worden –, traten wieder die Unterschiede in den Positionen beider Kirchen zur Friedenssicherung, speziell zur Wehrdienstfrage zutage. Deutlich wurde bei der Debatte auch, wie sehr die Haltung beider Kirchen durch ihre Verortung in verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Systemen beeinflusst und geprägt war. Die westlichen Brüder erläuterten, „wie und warum es dazu gekommen ist, dass sich die Kammer der EKD für Öffentliche Verantwortung bereits seit längerer Zeit mit diesem Thema beschäftigt und jetzt dem Rat der EKD ein Papier112 vorgelegt hat, zu dessen Inhalt der Rat von der Konsultation ein beratendes Votum erbittet. […] In der Begründung zur Ratsvorlage wird das Ergebnis der Kammerberatung dahin zusammengefaßt, dass das Papier die Aufnahme der Formel [„Das ‚deutlichere‘ Zeichen/Zeugnis“] durch die Kirche nachdrücklich abweist“.

In der anschließenden Aussprache wurde auf die möglichen Konsequenzen einer derartigen Erklärung in der Öffentlichkeit hingewiesen, gleichzeitig jedoch konstatiert, dass im Bereich der EKD die „Interessenlage“ bezüglich des Inhalts und des Zeitpunkts der öffentlichen Stellungnahme keineswegs einheitlich sei. Die BEK-Vertreter verdeutlichten, dass die „wertende, komparativische Fassung ‚deutlicheres Zeugnis‘ in der DDR nicht mehr letzter Stand der Äußerungen kirchlicher Entscheidungsgremien“ sei, „ihr Gebrauch also insoweit hier nicht als ‚seriös‘ bezeichnet werden kann, da die neuere Methode des Messens an bestimmten Kriterien der aktuellen Meinungslage in den Kirchen des BEKDDR entspreche. Es wird hierzu auf die Ergebnisse der Görlitzer Synode (Bekennen in der Friedensfrage) verwiesen. Die 3. Sitzung der ‚Ökumenischen Versammlung‘

112 Im Juli 1989 legte dann die Kammer unter dem Titel „Wehrdienst oder Kriegsdienstverweigerung? Anmerkungen zur Situation des Christen im Atomzeitalter“ eine Stellungnahme vor, in der ausdrücklich betont wurde, dass es die christliche Gemeinschaft gefährde, wenn mit der Formel „deutlicheres“ Glaubenszeugnis bei der Entscheidung in der Wehrdienstfrage der Eindruck erweckt werde, es gehe um eine qualitative Wertung des Christseins (Abdruck in: K IRCHENAMT DER EKD [Hg.], Denkschriften, Bd. 1/3, S. 138–152).

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

gebe die gegenwärtige Meinungs- und Stimmungslage zutreffend wieder. Die Veröffentlichung des vorliegenden Textes durch die EKD würde die Lage der Kirchen in der DDR erschweren, die sich durch ihre besondere Lage herausgefordert sehen, für die Verweigerer ganz besonders einzutreten“.113 So sollten den westlichen Kirchenvertretern die aktuellen einschlägigen Texte aus dem Bereich des Kirchenbundes zugänglich gemacht werden, damit sie anhand der Texte eine Prüfung des Wortlauts des Kammer-Papiers vornehmen könnten.114 Für die Entscheidungsfindung, ob beide evangelischen Kirchen sich zusammen mit der Katholischen Kirche unter Beteiligung der AGCK zum Kriegsbeginn von 50. Jahren öffentlich äußern sollten, wurden drei Entwürfe diskutiert, die von von Keler und Hammer115, Gienke sowie Domke erarbeitet worden waren. Allerdings führten die unterschiedlichen Informationen, die Hammer und Ziegler über Meinungsäußerungen weitergaben, die die Bereitschaft der Katholischen Kirche zu einer gemeinsamen Stellungnahme betrafen, sich an einer gemeinsamen Stellungnahme zu beteiligen, zu grundsätzlicher Unsicherheit. Während Hammer vom Generalsekretär der Deutschen Bischofskonferenz erfahren hatte, die Berliner Bischofskonferenz wolle ein „Gemeinsames Wort mit Deutscher Bischofskonferenz und EKD“ sprechen, hatte der Generalsekretär der Berliner Bischofskonferenz Ziegler zu verstehen gegeben, die Berliner Bischofskonferenz wolle zusammen mit der Deutschen Bischofskonferenz und der Österreichischen Bischofskonferenz ein „Wort“ veröffentlichen, so dass demnach keine Möglichkeit für den Kirchenbund in der DDR bestünde, sich gemeinsam mit der Berliner Bischofskonferenz zu äußern. Der Leiter des BEK-Sekretariats teilte den Anwesenden mit, dass die Konferenz ihre Planung angesichts dieser Absage bereits auf das Abhalten eines „zentralen gemeinsamen Gottesdienstes“ gerichtet habe und sich eine Beteiligung der EKD und der AGCK, möglicherweise auch der Evangelischen Kirche in Österreich vorstelle. Ferner habe das Sekretariat des Kirchenbundes den Auftrag erhalten, zu sondieren, ob zum 1. September 1989 113 Mit dieser Erläuterung handelten sich die östlichen Mitglieder der Konsultationsgruppe letztlich ein, dass in der Erklärung der Kammer für öffentliche Verantwortung relativierend festgestellt wurde, dass der BEK in der DDR „heute so nicht mehr“ von diesem „ethischen Komparativ“ und „kleinen prophetischen Zeichen“ spreche. Die Bundessynode habe im Jahr 1987 mit dem Beschluss „Bekennen in der Friedensfrage“ die Diskussion zu „einem vorläufigen Abschluß“ gebracht. In der Ausarbeitung der Kammer wurde durch den Hinweis auf die neue Formulierung („eines Ausdrucks des Glaubensgehorsams“) impliziert, die DDR-Kirche sei auch inhaltlich von ihrer Position abgewichen und habe sich der von der EKD vertretenen Komplementaritätsthese angenähert. Kritisch merkten die Verfasser zudem an, dass die Bezeichnung der Verweigerung des Waffendienstes als „deutlicher“ bzw. „relativ christlicher“ von bundesdeutschen kirchlichen Gruppen „aus ihrem ursprünglichen Kontext gelöst und in die andersartige Situation der Bundesrepublik Deutschland der 80er Jahre versetzt“ worden sei. 114 Vermerk (I) Hammer vom 15.5.1989, S. 5f., 1ff., 6f. (EZA 101/3141). 115 Vgl. W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, Dok. 76, S. 534f.

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ein „Wort“ von BEK und EKD und unter Umständen auch der österreichischen Kirche gesprochen werden könne. Nach ausführlicher Debatte kamen die Mitglieder der Konsultationsgruppe überein, dass das Gedenken zum 50. Jahrestag des Kriegsbeginns vor allem auf einen zentralen Gottesdienst in Berlin konzentriert werde, an dem die EKD und nach Möglichkeit auch die katholischen Kirchen in der Bundesrepublik und in der DDR mitwirken sollten. Alternativ könnten EKD, BEK und AGCK einen Gedenkgottesdienst feiern, und sollte auch dies nicht umzusetzen sein, käme als Minimallösung die Veranstaltung eines „Gottesdienstes der AGCK, des Bundes oder der Berliner Ortskirche infrage, zu dem alle anderen möglichst breit eingeladen werden“. Es wurde ferner angeregt, anstelle eines „gemeinsamen Wortes“ einen Brief des Ratsvorsitzenden und des Vorsitzenden der KKL an die Gemeinden in Ost und West zu formulieren und für den 1. und 3. September zu speziellen Gottesdiensten aufzurufen. In dem Schreiben könnten „inhaltliche Hinweise“ für die Gestaltung der Gottesdienste gegeben werden, bei der auch das im Juli erscheinende Heft mit den „gemeinsamen Worten“ eine Hilfestellung sein könne. Nachdem Binder116 auf der Basis der vorliegenden schriftlichen Entwürfe einen ersten Formulierungsvorschlag für einen Brief an die Gemeinden von EKD und BEK vorgelegt hatte, wurde angeregt, diesem Bausteine für die Gottesdienste, die Lesungen und die Predigt hinzuzufügen, deren Berücksichtigung bei der Ausgestaltung jedoch den einzelnen Gliedkirchen anheim zu stellen. Wie Anfang Januar erbeten, referierte von Keler über „Volk und Nation“. Für die Deutschen sei aus historischen Gründen die heutzutage zum politischen Kernbegriff avancierte „Nation“ niemals als identisch mit dem deutschen Staat empfunden worden. Eine Art staatlicher „Identität“ habe sich in Deutschland ausgesprochen spät herausgebildet. Als Momente der nationalen Einheit bezeichnete er Sprache, Geschichte und „Heimat“. Volk und Nation würden im heutigen Sprachgebrauch nahezu wie Synonyme verwendet, obwohl im Unterschied zu Volk eine Nation der politischen Einheit bedürfe.117 Die konfessionelle Einheit hingegen sei für eine Nation nicht erforderlich, und von Keler konstatierte in diesem Kontext: „Die enge Bindung an die Nation ist dem deutschen Protestantismus zum Schicksal geworden.“ Die 40-jährige Teilung Deutschlands in Ost und West habe die Einheit der Nation nicht „aufgehoben“, da die Momente der Einheit zu tief verwurzelt seien. Die „besondere Gemeinschaft“ der beiden deutschen evangelischen Kirchen müsse „in jeder Weise“ gefördert werden, da sie 116 Der nach dieser Konsultation angefertigte Briefentwurf von Binder und Leich ist abgedruckt als Dok. 77, S. 536f. bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen. 117 Von Keler merkte an, dass jedoch in der Ökumene und im Ausland die Ost- und Westdeutschen „als eine Einheit angesehen“ würden.

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zur Stabilisierung der Einheit einer zweigeteilten Nation beitrage. Notwendig sei allerdings die wechselseitige „realistische“ Beurteilung, und auch die „rechtliche Frage“ müsse immer wieder gestellt werden, zumal eine „Art Rechtsnachfolge des Deutschen Reiches“ existiere, der sich weder die Bundesrepublik noch die DDR entziehen könne. Von Keler zählte abschließend einige Aspekte auf, die bei einer möglichen Stellungnahme der Kirchen zur Nation Berücksichtigung finden müssten: „– Der lange Weg der Deutschen zur einheitlichen Nation. – Einheit der Nation ist nicht oberster aller Werte, aber eine eingestiftete Selbstverständlichkeit. Das Wissen um die Einheit der Nation wird sich immer wieder durchsetzen, auch ein europäischer Verbund wird nationales Selbstbewußtsein voraussetzen. – Die Einheit der Nation wünscht auch den einheitlichen Staat. Das ist als Ziel unaufgebbar, wenn es auch zur Zeit politisch nicht realisierbar ist. – Die evangelische Kirche hat alle nur denkbaren Fehlverhalten zu ihrer Nation durchlaufen. Aber aus Angst vor dem Mißbrauch darf keine Verunglimpfung der Nation durch die Kirche erfolgen. Die Gefahr erneuter nationaler Überheblichkeit wird sonst nur verstärkt.“

In der nachfolgenden Diskussion über von Kelers Vortrag überlegten die Mitglieder der Konsultationsgruppe, ob der christliche Glauben an den „Herrn dieser Welt“ nicht zur Relativierung des Nationsbegriffs führe, ob die trotz der staatlichen Zweiteilung existierende nationale Einheit sich wirklich auf den einen deutschen Staat hinbewegen müsse und ob zwei deutsche Staaten im Zuge der Überwindung der „Eigenstaatlichkeit“ in Europa überhaupt als Störfaktor wahrgenommen würden. Im Rahmen dieser Entwicklung sei möglicherweise eine viele Staaten umfassende Föderation naheliegender als die deutsche Wiedervereinigung, wenn auch die Vorstellung weit verbreitet sei, ein Verzicht auf die Vereinigung beider deutscher Staaten bedeute ein Abschreiben der DDR-Bürger. Konsens bestand unter den Mitgliedern der Konsultationsgruppe darüber, dass die beiden Kirchen nicht nur ihre eigene, sondern auch die „besondere Gemeinschaft“ der Deutschen „fördern und pflegen“, also ihrer Verpflichtung zum „Brückenbau“ zwischen beiden deutschen Staaten nachkommen und Seelsorge am Volk üben müssten. Bei ihrer nächsten Klausurtagung auf Hiddensee Ende September sollte das Thema mit der Schwerpunktsetzung weiter beraten werden, ob die „‚besondere Gemeinschaft‘ der Deutschen“ tatsächlich eine kirchliche Aufgabe sei, welche Begründung es dafür gebe und wie Bund und EKD mittels ihrer kirchlichen „besonderen Gemeinschaft“ für die „Einheit der Nation ohne die Führerstellung der beiden deutschen Staaten“ eintreten könnten. Der mecklenburgische Landesbischof Stier wurde gebeten, für einen Einstieg in die Debatte aus DDR-Perspektive zu sorgen, während die übrigen Gruppenmitglieder eigene Gedanken in die Aussprache einbringen sollten. Ziegler unterrichtete die

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Anwesenden über die Anregung des Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, zukünftig den 9. November als „gesamtdeutschen Gedenktag“ zu begehen. Demgegenüber habe die Arbeitsgemeinschaft „Kirche und Judentum“ die Begehung dieses Tag als „Bußtag“ empfohlen. Dem Staat solle vorgeschlagen werden, den 9. November zum staatlichen Feiertag zu erklären. Hammer informierte, dass das Nachdenken im Kirchenamt der EKD über diese Frage dazu geführt habe, dass das Kollegium des Rates „dringend“ davon abrate – allerdings müssten die Leitungsgremien beider Kirchen rasch eine Klärung vornehmen, da es sehr schwierig sein werde, dieses Problem öffentlich zu verhandeln und eine Ablehnung des Anliegens zu erläutern. Zu bedenken sei ferner, welche negativen Assoziationen mit diesem historischen Datum noch verbunden seien, wie beispielsweise die „Novemberrevolution“ und der „Marsch zur Feldherrenhalle“118. Da nach Zieglers Ansicht eine Beschäftigung mit den Anfragen „nicht zu umgehen“ sei, wurden alternativ mögliche andere Daten für ein Erinnern an den großen nationalsozialistischen Judenpogrom genannt. Über die wichtigsten in der Aussprache vorgebrachten Aspekte sollte dem Rat der EKD und der KKL Bericht erstattet werden. Wie Ziegler auch weitergab, erwarteten die Teilnehmer an den Beratergruppentreffen „nach wie vor“, über die Inhalte der Konsultationen in Kenntnis gesetzt zu werden. Die Konsultationsgruppenmitglieder trafen die Übereinkunft, auf jeder ihrer Sitzungen von neuem festzulegen, was der Beratergruppe berichtet werde. Dies solle jedoch nicht als „verbindlicher Tagesordnungspunkt“ in die Einladungen aufgenommen werden. Zuletzt brachte Ziegler die innerhalb der DDR bestehende Besorgnis zum Ausdruck, die in der Abrüstungsfrage ebenso durch die einseitigen Angebote der Ostblockstaaten erzielten Fortschritte könnten durch die „mögliche Aufstellung und Modernisierung neuer Raketen in der Bundesrepublik unterlaufen“ werden. Ein Austausch über die Argumente und Motive, die „hinter“ dieser Modernisierungsdebatte stünden, sei sehr erwünscht, zumal die Konferenz die angebotenen Schritte zur Abrüstung begrüßt habe. Ebenso wertete Domke die Diskussion über eine Waffenmodernisierung als „bedenkliches Zeichen“ und konstatierte, dass der Wille zur Abrüstung in der Bundesrepublik eindeutig erkennbar werden müsse. Die westlichen Brüder räumten ein, dass die derzeitige Debatte vermutlich nicht das richtige politische Signal sei, der Rat der EKD allerdings „kaum“ dazu Stellung nehmen werde. Hingewiesen wurde auf die nötige Differenzierung zwischen Modernisierung und der neuen Option für die Raketenwaffen. Gorbatschows Angebote seien – falls er sie tatsächlich wahrmache – im Sinne eines „Einstiegs in eine Defensivstruktur“ nur zu bejahen, doch würden die USA nicht davon abgehen, weiterhin aufzurüsten. Die Vertreter des Bundes betonten mit Nachdruck 118

„Novemberrevolution“ im Jahr 1918 sowie Hitler-Ludendorff-Putschversuch vom 8./9.11.1923.

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die Notwendigkeit, dass nun der Westen positive Zeichen setze, und fragten an, ob es für die EKD nicht vorstellbar sei, sich wenigstens in Anknüpfung an ihre Friedensdenkschrift zu Wort zu melden. Den Einwand, dass die „Fakten nicht klar“ seien, die Abschreckungskonzeption „nicht einheitlich“ bewertet und die Bundesrepublik innerhalb des westlichen Blocks bereits von Engländern und Amerikanern für ihre Position „beargwöhnt“ werde, brachte die BEK-Vertreter offenbar nicht von ihrem Anliegen an die EKD ab, denn die Frage, „ob von seiten des Bundes die vorgetragene Meinung so stark sei, dass die EKD sich überlegen müßte, was sie tun könne“, wurde bejaht. Die Gremien des BEK, so wurde akzentuiert, vermieden jede öffentliche Stellungnahme, mit der die EKD unter Zugzwang geraten könne, doch sei es durchaus wünschenswert, wenn die EKD auf positive politische Zeichen hinarbeiten könnte, „die statt Mißtrauen vertrauensbildend wirkten [sic] und positive Ansätze der östlichen Seite verstärkten“. Über diese Unterredung in der Konsultationsgruppe sollte der Rat in Kenntnis gesetzt werden.119

119

Vermerk (II) Ziegler vom 24.4.1989, S. 1–8 (EZA, 101/3141).

8. Kapitel: Vom 9. November zur Vereinigung (1989–1991)

Dem Vorstand der KKL berichtete Ziegler über die Verabredungen, die von der Konsultationsgruppe hinsichtlich der Veröffentlichung aller „gemeinsamen Worte“ von Kirchenbund und EKD im Juli und eines Schreibens Kruses und Lohses an die Gemeinden zum 1. September 1989 anstelle einer gemeinsamen Äußerung getroffen worden waren. Der Rat der EKD habe einem solchen Brief, in dem für ein Gedenken an den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zum Abhalten von Gottesdiensten aufgefordert werden solle, bereits seine Zustimmung erteilt. Ebenso befürwortete jetzt der KKL-Vorstand dieses Vorgehen einstimmig. Für die nun für Mitte Januar (statt Dezember) angesetzte gemeinsame Konsultation zwischen Bund und EKD in Loccum zum Thema „Die besondere Gemeinschaft nach 40 Jahren in den zwei deutschen Staaten“ sollte das BEK-Sekretariat dem Vorstand der KKL auf seiner Juni-Sitzung Vorschläge zur Nominierung von Vertretern des Bundes vorlegen.1 Die gleichen Informationen gab Ziegler der Konferenz auf ihrer Tagung am 5. und 6. Mai weiter, und auch die KKL nahm die Verabredungen über die Publikation der „Worte“ beider Kirchen aus den letzten zehn Jahren sowie die Formulierung eines gemeinsamen Schreibens der Vorsitzenden von Rat und Konferenz an die ost- und westdeutschen Gemeinden mit einer Gegenstimme befürwortend zur Kenntnis.2 Die Konsultationsgruppe befasste sich am 22. Juni zunächst mit der gemeinsamen Stellungnahme zum 1. September 1989, einem „Wort zum Frieden“ an die Gemeinden3, auf dessen Wortlaut sich die beiden Vorsitzenden Kruse und Leich mittlerweile geeinigt hatten. Die von verschiedenen Mitgliedern der Gruppe erarbeiteten Entwürfe für die beizulegenden Gottesdienst-„Bausteine“ wurden präsentiert und mit kleineren Änderungen angenommen. Die „Bausteine“ sollten den Gliedkirchen zur eigenen Entscheidung über eine mögliche Weitergabe angeboten werden. Als Sperrfrist für die Veröffentlichung von „Wort“ und „Bausteinen“ wurde der 3. Juni benannt. Im Blick auf die Loccumer Tagung wurde vereinbart, die Verhandlungsschwerpunkte und die Referenten für die Einführung in einzelne Themenbereiche bei der Klausur der Konsultations1

Protokoll (Doyé) der 221. Sitzung des KKL-Vorstand am 27.4.1989, S. 6 (EZA, 688/62). Protokoll (Jacob) der 123. KKL-Tagung am 5./6.5.1989, S. 12 (EZA, 101/3075). 3 Abdruck bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 310f. – Die „Bausteine“ für Gottesdienste finden sich EBD., S. 264–267. 2

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gruppe Ende September auf Hiddensee festzulegen. Bund und EKD sollten in Loccum mit je zwölf Teilnehmern vertreten sein, die die Konferenz und der Rat der EKD bestimmen müssten. Hammer und von Keler, die letztmalig an einer Sitzung der Gruppe beteiligt waren, wurden „mit Bedauern“ und Dank für ihre „langjährige, intensive Mitarbeit“ verabschiedet.4 Ziegler informierte den Vorstand der Konferenz über die bei der Konsultation für die Loccumer Tagung definitiv begrenzte Teilnehmerzahl, und die Anwesenden einigten sich auf drei Entsendungskriterien. Nach Möglichkeit sollten die sechs östlichen Konsultationsgruppenmitglieder geschlossen teilnehmen. Zusätzlich eingeladen werden könnten Persönlichkeiten, die ehemals kirchenleitende Funktionen innegehabt hätten. Auch jüngere Kirchenvertreter, die sich in besonderer Weise für einzelne Sachfragen engagierten, seien zu berücksichtigen. An Ziegler wurde die Bitte gerichtet, dem KKL-Vorstand entsprechende Personalvorschläge zu unterbreiten.5 Er setzte die Konferenz Anfang September über die vom Vorstand formulierten Maßgaben in Kenntnis6 und nannte dem Vorstand am 15. September verabredungsgemäß einige in Frage kommende Personen. Dabei betonte Ziegler, dass er angesichts von lediglich sechs für die gemeinsame Loccumer Tagung zu vergebenden Plätzen „sehr geringe“ Gestaltungsmöglichkeiten bei der Zusammenstellung einer Delegation des Bundes habe. Nachdem Renate Salinger zudem darauf hingewiesen hatte, dass eine Teilnahme auch von Frauen an der Veranstaltung von Bund und EKD wünschenswert sei, revidierte der Vorstand seinen Beschluss bezüglich der vollständigen Beteiligung der Mitglieder der Konsultationsgruppe und bat nunmehr die Konsultationsgruppe, drei Mitglieder für das Gespräch zu nominieren. Über die Benennung der übrigen demnach neun Personen werde auf der nächsten Vorstandssitzung weiter beraten werden.7 Zwischen dem 24. und 27. September verhandelte die Konsultationsgruppe auf Hiddensee über vier große Themenbereiche: Den konziliaren Prozess, eine Stellungnahme zu Wirtschaftsfragen, die Kirche in der DDR und die westlichen Medien sowie die Zusammenarbeit der Deutschen als Aufgabe der Kirchen.8 Im Lagebericht aus dem Bereich des Bundes hatten Gaebler und Ziegler Informationen zur Septembertagung der Bundessynode, zur Ausreiseproblematik, zu

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Vermerk Ziegler vom 10.8.1989, S. 1f. (EZA, 101/3141). Protokoll (Kupas) der 225. Sitzung des KKL-Vorstands am 24.8.1989 (EZA, 688/62). 6 Protokoll (Pahnke) der 126. KKL-Tagung am 1./2.9.1989 (EZA, 101/3076). 7 Protokoll (Kupas) der 226. Sitzung des KKL-Vorstands am 15.9.1989, S. 2 (EZA, 688/62). 8 Ende April hatte sich Ziegler bei Heinrich in der Dienststelle des Staatssekretärs versichert, dass dem Abhalten der Tagung auf Hiddensee staatlicherseits keine Hindernisse in den Weg gelegt würden. Von sich aus hatte er dem Staatsvertreter zu verstehen gegeben, dass die Bedingungen dieselben sein würden „wie bei allen bisherigen Klausurtagungen“, woraufhin Heinrich konstatierte, in diesem Falle sehe er „keine Probleme“ (Vermerk Ziegler vom 18.5.1989 [EZA BERLIN, 101/4719]. 5

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den nachhallenden Schwierigkeiten mit den Kommunalwahlen, zu den innerkirchlichen Konflikten um die Einweihung des Greifswalder Doms9 und die staatlicherseits wieder abgesetzte Unterredung mit Regierungsvertretern über die KSZE-Nachfolgekonferenzen gegeben. Daran anknüpfend hatte Präses Schmude gefragt, „ob die Kirchen in der DDR wirklich an der grundsätzlichen Option für den Sozialismus festhalten wollten“, woraufhin einige BEK-Vertreter betonten, dass die Debatte um die Formel „Kirche im Sozialismus“ nicht bis zu einer endgültigen Klärung geführt worden sei. Nachgefragt wurde von den westlichen Brüdern auch, zu welchem Zweck der Bund seinen Wunsch nach bilateralen Gesprächen zur nationalen Frage vorgebracht habe. Sowohl Stier als auch Domke erläuterten, dass dieser überwiegend „aus einer Abwehrhaltung gegenüber dem Gerede von der Wiedervereinigung“ resultiere. Die Vertreter der EKD gaben die Auskunft, dass die Ausreisewelle über Ungarn einige Sorgen bereite, zudem die Vereinigungsdebatte erstarken lasse und eine Politik der kleinen Schritte blockiere. Angemerkt wurde, dass diese Diskussion eher stimmungsabhängig sei und weniger von realen Interessen und politischen Konzepten geleitet werde. Schmude fügte hinzu, dass die über Ungarn in die Bundesrepublik geflüchteten DDR-Bürger zu einem Wandel in der Deutschlandpolitik der SPD geführt hätten. Die Prioritäten der SPD-Dialogpolitik hätten sich zugunsten der Kirchen verschoben. Danach kämen Gespräche mit den Gruppen, mit der SED werde gleichfalls gesprochen.10 Diese Reihenfolge bezeichneten einige der östlichen Mitglieder der Konsultationsgruppe als „sehr gefährlich und unangemessen“. Der Brief, den der Ratsvorsitzende und der Vorsitzende der KKL gemeinsam anlässlich des Jahrestags des Kriegsausbruchs an die Gemeinden gerichtet hatten, sei, wie weiter berichtet wurde, durchaus positiv aufgenommen worden. Zum Tagesordnungspunkt „Was geht uns der konziliare Prozeß an?“ übernahm Domke den Gesprächseinstieg, und die Anwesenden berieten, welche der in der Dresdner Ökumenischen Versammlung ausgesprochenen Empfehlungen und Handlungsanregungen die Kirchen annehmen und umsetzen müssten. Es wurde vereinbart, sich mit dem Thema „nationale Frage“ in der Konsultationsgruppe weiter zu befassen, während sich die Beratergruppe dem Schwerpunkt Ökologie widmen könne. Zur „Kirchlichen Medienarbeit in der DDR“ hatte Schmude

9 Bischof Gienke hatte ohne jegliche Rücksprache Honecker zur Wiedereinweihung des Greifswalder Doms am 11.6.1989 eingeladen. Vgl. dazu z. B. die 2. Lieferung des KJ 1989 (116. Jg.), S. 135–141. 10 Vgl. dazu zwei sehr interessante und inhaltlich ausgesprochen differenzierte „Informationen“ der Berliner MfS-Kirchenabteilung zu „Positionen politischer und kirchlicher Kreise der BRD und Westberlins zur Entwicklung des Verhältnisses Staat-Kirche in der DDR“ (o. D.) und „Einschätzungen des Rates der […] (EKD) zur Lage in der DDR“ (19.10.1989) (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/4-1474, Bl. 248–252, 61ff.).

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eine Ausarbeitung angefertigt.11 In der Aussprache brachten die Vertreter der EKD zum Ausdruck, dass die unbedingte Pflicht bestünde, über kirchliche Ereignisse in der DDR zu informieren und dies nicht allein mittels der „kirchlichen Möglichkeiten“ geschehen dürfe. Mit dem Hinweis, dass die weltliche Presse eher an Themen von „allgemeiner Erheblichkeit“ interessiert und zudem einem „wirtschaftlichen Druck“ ausgesetzt sei, legten sie ihren Brüdern nahe, den Umgang mit Journalisten einzuüben, denn letztlich könne die Presse als „missionarisches Mittel“ genutzt werden und zur „Schadensbegrenzung“ beitragen. Demgegenüber betonten die BEK-Vertreter, dass die Medien in der DDR in einen anderen Kontext eingebunden seien: Presseverlautbarungen würden „als amtliche Meldung der Staatsführung [verstanden]. Die Wirkung der westlichen Berichterstattung auf die Situation in der DDR und in den Kirchen sei darum oft schädlich und müsse von den Vertretern der Bundesrepublik mit bedacht werden.“ Ebenfalls Schmude führte in eine Diskussion über die „Zusammenarbeit der Deutschen als Aufgabe der Kirchen“ ein. Dabei erinnerte er an sein Referat „Besondere Gemeinschaft – besondere Verantwortung“, mit dem sich die Gruppe bereits intensiv auseinandergesetzt hatte und knüpfte an von Kelers ebenfalls bereits beratene Ausführungen zu „Nation und Staatsbürgerschaft“ an. Die Debatte über die Frage, warum die Förderung des „Zusammenhalts der Deutschen in einer Nation“ zu den kirchlichen Aufgaben zu rechnen sei, erbrachte keine neuen Einsichten. Die Konsultationsgruppe beschloss, dass angesichts von in Folge der Ausreisewelle und einer Destabilisierung der DDR drohenden Fehlentwicklungen ein „kirchliches Wort nötig und hilfreich“ sei, in das die „besondere Gemeinschaft der Deutschen“ einfließen könne. Schmude wurde gebeten, bis Mitte Oktober eine Zusammenfassung der einzelnen Diskussionsbeiträge12 vorzulegen, während Ziegler einen Vermerk anfertigen und Stier aus DDR-Perspektive einen Entwurf erarbeiten solle. Nachdem die Anwesenden sich über die Präzisierung des Themas für die Loccumer Tagung im Januar abgestimmt und eine grobe Zeiteinteilung vorgenommen hatten13, stellten sie einige Überlegungen zur zukünftigen Arbeit der Konsultationsgruppe an. Dabei wurde an den ursprünglichen Auftrag der Gruppe erinnert, sich mit beide Kirchen gemeinsam betreffenden Fragen zu beschäftigen und dabei insbesondere die Verantwortung für den Frieden zu berücksichtigen. Ein gewisses Unbehagen wurde in der Aussprache darüber deutlich, dass politische Fragen einen zu deutlichen Schwerpunkt der Konsultationen ausmachten. Einige künftig zu be11

Als Dok. 80 bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 541f. Bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 543ff. (Dok. 81). 13 „Die besondere Gemeinschaft – Rückblick auf 40 Jahre und die Zukunftsperspektiven“. Für Vorträge waren Henkys, Schönherr und von Keler vorgesehen. 12

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arbeitende Themen wurden vorgeschlagen, sollten jedoch nach der anstehenden Neukonstituierung der Gruppe präzisiert werden.14 Das in der 40. Konsultation für die Weiterarbeit der Konsultationsgruppe formulierte Konzept sollte durch die historischen Ereignisse der kommenden Monate hinfällig werden.15 Die Loccumer Klausurtagung hingegen, auf der Vertreter des Bundes und der EKD sich intensiv mit dem Thema „besondere Gemeinschaft“ auseinandersetzen wollten, gewann durch die Wende sogar an Bedeutung. Die Kirchen hatten ihre „besondere Gemeinschaft“ auf verschiedenen Ebenen über die Grenzen eines bereits vierzig Jahre lang geteilten Deutschland praktiziert und standen nun vor der unverhofften Chance, sie mit zusätzlichem Leben zu erfüllen. Die in der Nacht vom 9. auf den 10. November trotz der jüngsten Entwicklungen in der DDR doch überraschend erfolgte Öffnung der Grenze zwischen beiden deutschen Staaten machte es möglich, dass Heidingsfeld der Tagung der Konferenz am 10. und 11. November beiwohnte. Er überbrachte den Mitgliedern der KKL sowohl die Grußworte der Synode der EKD und des Vorsitzenden des Rates als auch den Beschluss der Synode „zur Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik“ vom 9. November, der als „Wort“ an die EKD-Gemeinden gerichtet werden sollte. Heidingsfeld erklärte den Anwesenden, dass aus dem aktuellen Anlass des Mauerfalls und der sich anbahnenden raschen Veränderungen in der DDR die Lage im östlichen Teil Deutschlands in den Mittelpunkt der Synodalverhandlungen in Bad Krozingen gerückt sei. Dabei versicherte er, dass es keinesfalls darum ginge, den Kirchen in der DDR und der DDR-Regierung im Namen der EKD Ratschläge zu erteilen. Doch: „Die Gefahr einer Kippsituation in der Stimmungslage der BRD-Bevölkerung gegenüber den DDR-Flüchtlingen wird akut.“ Daher rufe die Synode der EKD „die eigenen Gemeinden auf, alle Möglichkeiten der Aufnahme von DDR-Bürgern auszuschöpfen“. Mitglieder der Konferenz beschlossen mit knapper Mehrheit, sich in einer Aussprache über das weitere Vorgehen zu verständigen. Heidingsfeld wurde gebeten, die Grüße und den Dank der KKL zu überbringen, und die Konferenz kam überein, ein eigenes Wort an die Gemeinden ausarbeiten zu lassen, gleichwohl vorerst eine „gewisse Unsicherheit“ bestand, welchen Inhalt dieses Wort haben könnte. Für die gemeinsame Klausurtagung, die auf Anregung der Konsultationsgruppe vom 15. bis zum 17. Januar 1990 in Loccum zwischen Vertretern der Leitungsgremien von Bund und EKD zum Thema „40 Jahre besondere Gemeinschaft – was hat sie gebracht? – wie geht sie 14

Vermerk Ziegler vom 7.11.1989, S. 1–5 (EZA, 101/3141). Die Konsultationsgruppe trat noch zweimal zusammen, ehe sie in der mit Vertretern beider Kirchen besetzten „Gemeinsamen Kommission“ aufging, als eigene Institution jedoch aufgelöst wurde. Zu einer allerletzten Konsultation trafen sich die dann ehemaligen Mitglieder der Gruppe 1997 in Eisenach. 15

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weiter?“ stattfinden sollte, wurde die vom Vorstand der KKL am 18. Oktober beschlossene Zusammensetzung der DDR-Delegation bekannt gegeben und von der Konferenz bestätigt, die nun wie folgt aussah: Leich, Demke, Stolpe, Schönherr, Kramer, Noack, Petzold, Hempel, Gaebler, Domke, Domsch, Ziegler, Hohmann, Zeddies. Auch auf den Wortlaut einer Stellungnahme „zu den gesellschaftlichen Veränderungen nach der Öffnung der Grenzen“ konnte sich die KKL letztlich einigen. Darin dankte sie für den gewaltlosen Verlauf der Demonstrationen, sprach sich nochmals mit Nachdruck für freie geheime Wahlen, die „Herstellung verfassungsmäßiger Zustände“ und für „Wahrhaftigkeit in der Information“ aus und bat indirekt um ein Verbleiben in der DDR und den Einsatz für die Erneuerung der Gesellschaft.16 Als ein paar Tage später der Vorstand tagte, machten sich dessen Mitglieder bereits Gedanken über die Weiterarbeit der Geschäftsführung der kirchlichen Leitungsgremien, die zukünftige Öffentlichkeitsarbeit sowie die mögliche Neugestaltung der Verbindungen des Kirchenbundes zu den staatlichen Organen. Bei der Debatte um das Verhältnis zur EKD war der Ratsvorsitzende Kruse anwesend, und zunächst ging es um den Beschluss der EKD-Synode zur Entwicklung in der DDR17, zu dessen Hintergründen und seiner Bedeutung für die Kirchen und Gemeinden in der Bundesrepublik Kruse einige Erläuterungen gab. Es wurde deutlich gemacht, dass die Reaktionen auf den Synodenbeschluss der EKD offenbar sehr unterschiedlich ausgefallen waren und es „auch Dementierungen“ gegeben hatte. Die aktuellen Ost-West-Beziehungen wurden thematisiert, und es entspann sich eine Diskussion über die Frage, wie die Rolle der Kirche im Kontext der derzeitigen politischen Umbrüche in der DDR zu charakterisieren sei und welchen Stellenwert „Gedanken zur Frage der Wiedervereinigung“ einnähmen. Unsicherheit bestand, ob der richtige Zeitpunkt für die Kirchen gekommen sei, die Regierung der DDR und die Bundesregierung „an ihren Auftrag zu erinnern, für Frieden und Gerechtigkeit zu sorgen“. Der EKD-Ratsvorsitzende mahnte an, dass über die Bundesrepublik „differenziert“ gesprochen werden müsse. Die Anwesenden gelangten zu der Überzeugung, dass eine Verständigung zwischen BEK und EKD über die entsprechenden grundsätzlichen Fragen unbedingt notwendig sei und einigten sich darauf, dass das Treffen der Konsultationsgruppe am 7. Dezember für eine solche Grundsatzaussprache genutzt werden solle.18 16 Protokoll (Hohmann) der 128. KKL-Tagung am 10./11.11.1989, S. 2f., 12. Mit Anlage 1: „Stellungnahme“ der KKL vom 11.11.1989 (EZA, 101/3076). – Die Stellungnahme ist abgedruckt bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 362f. 17 Der Synodenbeschluss vom 9.11.1989 ist in der 2. Lieferung des KJ 1989 (116. Jg.), S. 192f., abgedruckt. 18 Protokoll (Doyé) der 228. Sitzung des KKL-Vorstands am 16.11.1989, S. 1 (EZA, 688/62).

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Diese 41. Sitzung der Konsultationsgruppe fand in der Ost-Berliner Auguststraße statt und hatte aufgrund der aktuellen politischen Lage nur zwei Tagesordnungspunkte: „Die deutsch-deutsche Situation“ sowie in Vorbereitung der Tagung in Loccum „Die ‚besondere Gemeinschaft‘ und ihre Aufgaben“. Am Gespräch beteiligt waren mit Kruse, Demke, Leich und Stolpe noch zusätzliche Mitglieder beider kirchlicher Leitungsgremien. Die BEK-Vertreter hoben hervor, dass sich die Veränderungen bisher weitestgehend gewaltfrei entwickelt hätten, jedoch derweil gewisse gegenläufige Tendenzen zu Gewalt und Selbstjustiz zu beobachten seien. Durch den beginnenden Auflösungsprozess der Organe des Staates steuere die DDR auf die Unregierbarkeit zu. Bei den Demonstrationen zeige sich eine steigende Emotionalität, die durch „immer neue Enthüllungen über die Tätigkeit des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes“ noch befördert werde. So stürmten Bürgerkomitees die Objekte des MfS, um Aktenvernichtungen zu verhindern. Auch wenn die derzeitige Regierung unter Hans Modrow „noch eine gewisse Autorität“ genieße, sei die „tiefe Krise“ der SED unübersehbar. Da es an Maßnahmen fehle, die „Mut und Vertrauen“ weckten, müsse damit gerechnet werden, dass weitere DDR-Bürger das Land verließen. Während viele von ihnen schlicht eine „Schlüsselabgabe“ an die Bundesrepublik ansteuerten, sorgten sich andere, ob ihnen im Falle einer Wiedervereinigung Chancengleichheit gewährt werde: „Wenn der Weg zur Wiedervereinigung der deutschen Staaten auch ein langer Weg sein wird, müßte in dieser gegenwärtigen Situation das Ziel doch eindeutig benannt werden, wenn die Menschen noch erreicht werden sollen.“ In der nachfolgenden Diskussion wurde hinsichtlich der angebrochenen Suche nach „Sündenböcken“ auf Parallelen zu den „Entnazifizierungsverfahren früherer Jahre“ hingewiesen. Da beide Kirchen bei Überprüfungsverfahren möglicherweise herangezogen würden, sei die wechselseitige genaue Information besonders wichtig. Die Anwesenden überlegten, welche Handlungsmöglichkeiten der „Runde Tisch“ habe, zu dem die östlichen Kirchen „auf Bitten einer Initiativgruppe“ eingeladen hätten. Der deutsche Außenminister habe es sehr schwer gehabt, Kohls „10-Punkte-Programm“ in der sowjetischen Hauptstadt zu verteidigen. Dass die DDR das „Thema ‚Reparationen‘“ als Grund angeführt habe, warum die Bundesrepublik der DDR Hilfestellung leisten müsse, bezeichneten die Kirchenvertreter als „kontraproduktiv“. Es wurde erwogen, ob der Kirchenbund und die EKD sich gemeinsam „zur Frage der Einheit“ äußern sollten: „Mit rationalen Mitteln wird dem Wiedervereinigungsstreben der Menschen kaum entgegengewirkt werden können. Abzuraten ist, bestimmte deutschlandpolitische Optionen abzugeben. Aber die Stunde dürfe nicht versäumt werden. Es müsse etwas gesagt werden, auch wenn es gegen die Emotionen gehe. Es müsse auch das Positive der Veränderungen dankbar anerkannt werden.“

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Präses Schmude vertrat die Ansicht, dass die Kirche auf ihr kontinuierliches Festhalten an der grenzübergreifenden Gemeinschaft hinweisen müsse, die nun realisierbar sei. Dabei müssten vor allem die „Bewältigung der Not“ sowie das Werben um Verständnis und Vertrauen im Vordergrund stehen. Als Leich anregte, die Konferenz um eine Stellungnahme zur Problematik zu bitten, gab Binder zu bedenken, dass dann der Ratsvorsitzende sich ebenfalls äußern müsse und unter Unständen ein „Bekenntnis zur Wiedervereinigung“ erwartet werde. Schmude brachte den Wunsch zum Ausdruck, dass in einer KKL-Erklärung die „besondere Gemeinschaft“ mit der EKD erwähnt und verdeutlicht werde, dass der Kirchenbund bei seinem Handeln die EKD „mit bedenke“. Letztlich vereinbarten die Anwesenden, dass von einer gemeinsamen kirchlichen Äußerung abzusehen sei. Schmude erkundigte sich, ob die Existenz der Berater- und der Konsultationsgruppe nach wie vor verschwiegen werden müsse, was Leich verneinte.19 Der EKD-Ratsvorsitzende regte darauf die Institutionalisierung beider Gruppen beispielsweise in Gestalt eines „gemeinsamen Ausschusses“ an, um „Nähe und Eigenverantwortlichkeit“ zusammenzubringen. Für die Tagung in Loccum wurden drei Referate von Schönherr, von Keler und Henkys in Aussicht genommen. Während nicht in Erwägung gezogen wurde, nach dem Ende der Zusammenkunft in Loccum einen Bericht oder ein Kommuniqué zu veröffentlichen, sprachen sich die Mitglieder der Konsultationsgruppe dafür aus, eine „Auswertungsgruppe“ zu bilden, über deren Zusammensetzung der KKL-Vorsitzende und der Vorsitzende des Rates der EKD entscheiden sollten. Zuletzt führten die Anwesenden eine Aussprache zur „Seelsorge an der Nation“. Da sie zu keinem fixierbaren Ergebnis kamen, wurde Domsch um die Ausarbeitung einer „Vorlage“ für die Sitzung der Gruppe Mitte Februar gebeten. Berücksichtigen sollte er die nach wie vor klärungsbedürftigen Fragen, ob die „Zusammengehörigkeit der Deutschen in beiden deutschen Staaten“ eine kirchliche Aufgabe sei und ob die Kirche dabei einen seelsorgerlichen Auftrag zu erfüllen habe.20 Wie so oft tagte die Beratergruppe am gleichen Tag wie die Konsultationsgruppe und hörte am 7. Dezember eingangs einen Vortrag des theologischen Direktors der Evangelischen Verlagsanstalt in Ost-Berlin, Siegfried Bräuer, über den Bedeutungsverlust der Thomas-Müntzer-Thematik im Zuge der „Wen19 In der Informationsbroschüre des DDR-Kirchenbundes „Unterwegs“ aus dem Jahr 1981 (hg. von der BEK-„Presse- und Informationsstelle“) war im Übrigen in dem Abschnitt „Im Gespräch mit den Kirchen in aller Welt“ die Konsultationsgruppe sogar kurz genannt worden: „Seit 1980 besteht eine Konsultativgruppe aus Vertretern des Bundes […] und der Evangelischen Kirche in Deutschland. Sie dient dem regelmäßigen Informations- und Gedankenaustausch der kirchenleitenden Gremien zu Fragen der Friedensverantwortung“ (S. 26). 20 Vermerk Ziegler/O. von Campenhausen vom 24.1.1990, S. 1–3 (EZA, 101/3142).

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de“.21 Bräuer erläuterte, dass das Müntzer-Thema insofern eng mit der Politik der SED verbunden gewesen sei, als man die DDR gemeinhin als „Erfüllung der Müntzer-Vision“ gehandelt habe. Bei einer Debatte wurde den Mitgliedern der Beratergruppe deutlich, dass das ebenso traditionelle wie „lieb gewordene Müntzerbild“ nach der Wende und im Zuge der politischen Neuentwicklung korrigiert werden müsse. Es wurde angefragt, welche Zukunftsperspektiven für die „besondere Gemeinschaft“ beider Kirchen bestünden und in welcher Form sie konkretisiert werden könne. Mit diesem Thema solle sich die Klausurtagung in Loccum ausdrücklich auseinandersetzen. Die Zeitungsumschau, die in den letzten Jahren fester Bestandteil der Tagesordnung gewesen war, gestaltete Kramer erstmals in einer modifizierten Weise, zumal sich in den letzten Monaten auch die Presselandschaft in der DDR gewandelt hatte. So habe er beobachtet, dass die Printmedien seit ungefähr zwei Monaten „jeden Tag eine neue Überraschung“ brächten. Sogar an den Zeitungen der SED-Bezirksleitungen und der Blockparteien seien die Veränderungen nicht spurlos vorübergegangen. Kramer nannte beispielsweise die ausnahmslose namentliche Kennzeichnung der Beiträge und Kommentare und wies darauf hin, dass „mehr und mehr recherchiert“ werde und eine Art von „Enthüllungs-Journalismus“ um sich greife. Kritisch bemerkte der Magdeburger Konsistorialpräsident, dass viele Journalisten nun so täten, „als hätten sie bis vor kurzem überhaupt nichts geschrieben, sondern seien nur ‚seelenlose Griffel‘ für andere gewesen“.22 Es soll zusammenwachsen, was (vielleicht) nicht mehr zusammengehört – Große Erwartungen an „Loccum“ Die Frage, wie das Verhältnis und die gemeinsame Arbeit der beiden Kirchen in der Zukunft aussehen sollte, beschäftigte viele kirchliche Gremien von Bund und EKD. Bei der Rüste des Bischofskonvents konstatierten die leitenden Geistlichen Anfang Januar 1990, dass die kirchlichen Strukturen grundsätzlich neu bedacht werden müssten, und ob nicht ein beidseitig besetztes „repräsentatives Instrument“ gebildet werden sollte. Da die Forderung nach einer engeren institutionellen Zusammenarbeit von BEK und EKD wiederholt vorgebracht wurde, sah man der gemeinsamen Tagung in Loccum und vor allem den dort zu erzielenden Resultaten mit großer Spannung und einer besonderen Erwartungshaltung entgegen. Es wurde hervorgehoben, dass eine schnelle Berichterstattung über 21 Anlässlich des 500. Geburtstages des Reformators Thomas Müntzer hatten sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik verschiedene Tagungen zum Gedenken an und in Auseinandersetzung mit Müntzer sowie dem Müntzer-Bild stattgefunden. 22 Vermerk o. A. [Heidingsfeld?] o. D., S. 1f. (EZA, 4/92/22).

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die Klausurtagung von Wert sei, weil an die Beratungsergebnisse angeknüpft werden könne.23 Die KKL erhielt am 12. und 13. Januar durch einen Bericht ihres Vorstands Informationen zum „Themenkreis intensivere Gemeinschaft“. Demnach sah der KKL-Vorstand eine Verständigung über die angestrebte intensive Gemeinschaft in der Berlin-brandenburgischen Kirche, der EKU und zwischen den einzelnen Gliedkirchen in der DDR und in der Bundesrepublik als unerlässlich an. Über ein mögliches Vorgehen sollten die Vertreter beider evangelischen Kirchen sich in Loccum abstimmen. Der Vorstand habe die Entscheidung getroffen, in diese Unterredungen ohne „festgelegte Positionen“ einzutreten: „Wenn auch über Tempo, Intensität und Fragen nach den Erfahrungen des Bundes unterschiedliche Meinungen geäußert werden, wird eine Stärkung der Zusammenarbeit von allen unterstützt“. Was die kirchliche Erwartungshaltung an die Veränderungen in der Gesellschaft betraf, wurde auf der Sitzung der Konferenz angefragt, ob nicht eine Äußerung zu folgenden Aspekten angebracht sei: 1. Beziehungen beider deutscher Staaten zueinander (unter Erwähnung von Art. 4 [4] der Ordnung des Bundes); 2. Verlautbarung zur gegenwärtigen Arbeit der Regierung; 3. Reaktion auf die Störung des inneren Friedens im Lande; 4. Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit und die staatlichen Sicherheitsinteressen. An Hempel wurde die Bitte gerichtet, bis zur Tagung der Konferenz im März einen Entwurf auszuarbeiten, im Übrigen entschied die KKL, dass die gemeinsame Klausurtagung beider Kirchen in Loccum abgewartet werden solle, bevor sie sich selbst zu Wort melde.24 Die Loccumer Konsultation vom 15. bis zum 17. Januar 199025 wurde zwar verabredungsgemäß nicht im Einzelnen dokumentiert, doch die Ergebnisse der Beratungen in Form einer „Gemeinsamen Abschlußerklärung“ zusammengefasst, die später gemeinhin als „Loccumer Erklärung“ bezeichnet wurde. Nach der Begrüßung skizzierte Schönherr in seinem Vortrag die Entwicklung der Kirchen vom ersten Zusammentreten der Konferenz der evangelischen Kirchenleitungen in der DDR im Jahr 1962 über die „Fürstenwalder Erklärung“ von 1967, das 23

Protokoll (Rogge) über Bischofskonventrüste vom 9.–12.1.1990, S. 1 (EZA, 688/111). – Auf der Rüste kam es auch zu einer Unterredung mit Gienke, der aus dem Bischofskonvent verabschiedet wurde. Rogge bot ihm angesichts der „bedrückenden zahlreichen Vakanznöte“ einen Dienst in der Görlitzer Kirche an. 24 Protokoll (Brinkel) über 130. KKL-Tagung am 12./13.1.1990, S. 5 (EZA, 101/3077). 25 Über die Klausurtagung wurde kein offizielles Protokoll angefertigt. Allerdings existiert eine von Hammer verfasste private „Kladde“, die als Dok. 82 (S. 546–553) bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, abgedruckt ist. Dort finden sich auch die Referate von Schönherr (Dok. 82, S. 555–563), von Keler (Dok. 84, S. 564–569) und zwei Entwürfe der Loccumer Erklärung aus den Handakten Henkys’ (Dok. 85f., S. 570–575) sowie ein Entwurf für den dritten Teil der Erklärung und zwei für die Publikation in Aussicht genommene Deckblätter (Dok. 87f., S. 576ff.). Auf den Inhalt der Referate und die einzelnen Entwürfe soll an dieser Stelle nur am Rande eingegangen werden.

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Zerbrechen der organisatorischen Einheit, die Gründung des eigenen Kirchenbundes in der DDR 1969 bis hin zum Bekenntnis zur „besonderen Gemeinschaft“ mit Bundesordnungsartikel 4 (4). Er betonte, dass der Druck des SEDStaates nur eine Ursache für die kirchliche Trennung gewesen sei, denn die Gliedkirchen in der DDR hätten der neuen politischen Situation und ihrer sozialistischen Umgebung Rechnung tragen müssen. Der Altbischof zählte die vielfältigen Ausprägungen auf, in denen die „besondere Gemeinschaft“ zur Zeit der deutschen Teilung in der Praxis Gestalt angenommen habe und fragte letztlich, ob BEK und EKD durch den Vollzug der kirchlichen Wiedervereinigung der vermutlich anstehenden Vereinigung beider deutscher Staaten einen Schritt vorausgehen sollten. Die nach wie vor bestehende „besondere Gemeinschaft“ könne für „das Zusammensein der beiden deutschen Staaten innerhalb einer europäischen Friedenspolitik“ Modellcharakter haben. In dem nachfolgenden Referat zum gleichen Thema sprach von Keler über die Geschichte der gemeinsamen Konsultationen, bei denen man sich an „drei Regeln“ gehalten habe: „a) Anderen zuarbeiten (Rat und KKL): Demut! b) Keine Öffentlichkeit (Nicht selbst nach außen geäußert.) c) Deutliche Aufträge bearbeiten, aber sich nicht darauf beschränken.“ Er benannte neben dem besonderen Wert der Konsultationen vor allem als Forum des wechselseitigen kritischen Austauschs von Gedanken und Beobachtungen ebenfalls die Defizite der fast zwanzig Jahre währenden gemeinsamen Arbeit, wie zum Beispiel das Scheitern des Versuchs, „an die Wurzel entscheidender Unterschiede“ zwischen beiden Kirchen zu gelangen, und das unter den Mitgliedern der Beratergruppe erzeugte Gefühl, übergangen zu werden. Die zeitliche und personelle Verschränkung der Teilnehmer beider Gremien habe sich im Laufe der Jahre bewährt. Von Keler konstatierte im Rahmen einer Bilanz seiner Erfahrungen, dass die „Abhängigkeit der evangelischen Kirche von den jeweiligen Staatsstrukturen“ doch „erschreckend groß“ sei. Wenngleich die Notwendigkeit zur „Nähe“ bestünde, herrsche oft ein „unberechtigtes Ur-Vertrauen“ zu den staatlichen Verantwortungsträgern. Er bezeichnete die evangelische Kirche als „intensivstes Band“ zwischen der Bundesrepublik und der DDR, dass jetzt nicht „verkleinert“ werden dürfe. Denn im Blick auf die frühere Begeisterung für jeden Besucher aus der DDR müsse in der neuen Situation mit einem rauheren Klima gerechnet werden, „engagierte Zurückhaltung“ müsse „Herztöne“ haben. Von Keler griff die von Kruse am 7. Dezember des vergangenen Jahres vorgebrachte Anregung auf, aus Vertretern von Bund und EKD eine zusätzliche kleinere Gruppe zu bilden, die sowohl „große Verantwortung“ tragen als auch engen Kontakt mit „Entscheidungsträgern“ haben solle. Zuletzt wies er darauf hin, dass die „Regel der gegenseitigen Nichteinmischung“ Stärken und Schwächen habe. Die sehr eingehende Diskussion über beide Vorträge eröffnete von Heyl mit der Feststellung, der Auftrag des Kirchenbundes in der

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DDR sei noch nicht erfüllt, doch solle die Kirche nicht den Status eines „Modells für eine staatliche Organisation“ anstreben. Eine organisatorische Wiedereingliederung der DDR-Gliedkirchen täte der EKD gut. Dem setzte Leich entgegen, dass derzeit alles, was die Kirchen täten, als modellhaft angesehen werde. Hempel wies darauf hin, dass die veränderte Lage auch die zwischen EKD und Bund stehenden „unaufgearbeiteten Schwierigkeiten“ sichtbar werden lasse, wie zum Beispiel die Standortbestimmung „Kirche im Sozialismus“. Zudem seien die Führungsstrukturen in beiden Kirchen bis hin zur Frage des sozialen Status ausgesprochen unterschiedlicher Natur, was im Falle der Vereinigung erst zum Tragen kommen werde. Auf die Möglichkeit der Bildung einer kleinen Arbeitsgruppe zwischen Kirchenbund und EKD, die sich über derartige Unterschiede verständigen könne, kam Hirschler zu sprechen. Um einen kritischen Rückblick bemühte sich der EKD-Ratsvorsitzende und fragte an, ob die Kirchen mit der in der Vergangenheit praktizierten „engagierten Zurückhaltung“ nicht eine zu neutrale Haltung eingenommen hätten. Pfarrer Noack gab zu bedenken, dass die Kirchen – wenn sie mit ihren eigenen Strukturen die staatliche Entwicklung nachzeichneten – möglicherweise zugleich „(auch) verkündigen, dass der Kapitalismus über den Sozialismus gesiegt“ habe. Der Ratsbevollmächtigte Binder vertrat die Ansicht, dass die zahlreichen Fragen der Organisation eher zweitrangig seien und nachgedacht werden müsse, ob EKD und BEK nicht ein „gemeinsames Wort an unsere lieben Deutschen“ richten könnten. Verschiedentlich wurde konstatiert, dass der Kirchenbund seine Bereitschaft erhöhen solle, sich auf (vertrauliche) Debatten beispielsweise über problematische Themen wie die „Demokratie-Denkschrift“ der EKD, die „kirchlichen Grenzen“ sowie die wechselseitige „Nicht-Einmischung“ einzulassen. Zeddies erkundigte sich, welche Konsequenzen mit einer Wiedereingliederung der DDR-Gliedkirchen in die EKD verbunden wären und betonte, dass der BEK nicht „alles preisgeben und auch einiges einbringen“ wolle. Die Anwesenden sprachen über mögliche Folgen des sich abzeichnenden wirtschaftlichen Zusammenbruchs sowie des menschlichen Ausverkaufs der DDR und fragten sich, welchen Stellenwert die Kirche in der DDR sowohl aus Sicht der DDR-Bürger als auch aus westdeutscher Perspektive nach dem Verlust ihrer „besonderen Attraktivität“ haben werde. Zwar war die Mehrheit der Kirchenvertreter für die Formulierung eines „gemeinsamen Wortes“ zur aktuellen Lage, doch wurde zunächst keine konkrete Entscheidung getroffen, was den Inhalt einer solchen Stellungnahme betraf. Das am zweiten Tag der Zusammenkunft in Loccum von Henkys gehaltene Referat zur besonderen Gemeinschaft wurde diskutiert, und es kristallisierte sich heraus, dass die Anwesenden im Blick auf die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten eine überwiegend zurückhaltende Position hinsichtlich des Tempos eines solchen Prozesses einnahmen. Nachdem die beiden Leiter der Diakonischen Werke in der Bundes-

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republik und in der DDR über die Entwicklung der Diakonie seit dem Zweiten Weltkrieg berichtet hatten, stellte die mittlerweile für die Ausarbeitung einer gemeinsamen Äußerung von Bund und EKD eingesetzte „Formulierungs-Kommission“, bestehend aus Hirschler, Schmude, Demke und Zeddies, dem Plenum einen ersten Gliederungs-Entwurf vor: „1) ‚Freuden-Brüller‘; 2) Einheit der Kirche und Einheit der Nation; 3) Praktische Herausforderungen“. Im zweiten Abschnitt solle verdeutlicht werden, dass im Zuge der „politischen Einheit“ unter den Deutschen das Gefühl der Zusammengehörigkeit entwickelt werden müsse, damit – mit den nötigen „Zwischenstufen“ – ein wirkliches Zusammenwachsen möglich werde. Im Blick auf die von der politischen Entwicklung unabhängige Einheit der Kirchen müsse entweder die Vereinigung von BEK und EKD zum Ziel erklärt oder überlegt werden, welche „neue Gestalt“ der „besonderen Gemeinschaft“ gegeben werde. Zu Punkt drei merkte Hammer an, dass die Kirchen den Deutschen Mut zusprechen müssten, sich auf die „neuen Lebens- und Wirtschaftsbedingungen“ einzulassen, auch wenn dies vermutlich „z.T. schmerzlich und mühsam“ sein werde. Noch am Abend präsentierte die FormulierungsKommission eine Vorlage, über die die Kirchenvertreter bis spät in die Nacht berieten. Am Morgen des 17. Januar setzte das Plenum diese Arbeit fort, und die Kommission konnte vor dem Mittagessen den fertigen Text einer „Gemeinsamen Abschlußerklärung“ vorlegen. Zeddies erläuterte sein Unbehagen und die daraus resultierende Entscheidung, sich der Stimme zu enthalten, folgendermaßen: „Europäische Frage nicht in fester Verklammerung festgeschrieben. Und genauere Form der angestrebten Kirche hier nicht klar. Praktisch nur Anschluß an die EKD zu denken. ‚Das kann ich so nicht mitvollziehen.‘ Eindruck vermittelt: DDR hat ideologisch, politisch, wirtschaftlich voll abgewirtschaftet, auch kirchlich nichts mitzunehmen. ‚Dem kann ich so nicht zustimmen.‘“

Kramer brachte zum Ausdruck, dass er sich „unter Druck gesetzt“ fühle und im Übrigen Zeddies’ Ansicht teile. So endete die Loccumer Tagung mit der Verabschiedung einer kontrovers debattierten Erklärung, deren Wortlaut – abgesehen von den Enthaltungen Zeddies’ und Kramers – alle Teilnehmer ihre Zustimmung gaben.26 Der Vorstand wertete einen Tag nach Abschluss der Loccumer Verhandlungen die Ergebnisse aus. Zur „Gemeinsamen Abschlußerklärung“ wies der Präses der Bundessynode darauf hin, dass der Verabschiedung des Textes, die „nicht einstimmig“ erfolgt sei, eine ausgesprochen kontrovers geführte Diskussion vorangegangen sei. Kritisch stellte Salinger fest, dass die Erklärung von Loccum nicht mit den bisherigen Stellungnahmen der KKL übereinstimme und schloss 26

W. Hammer „Kladde“ in W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 548ff., 552f.

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die scharfe Frage an, ob die kirchliche Wiedervereinigung die einzige „Priorität“ sei, die BEK und EKD hätten. Diejenigen unter den Vorstandsmitgliedern, die bei den Beratungen in Loccum anwesend gewesen waren, teilten mit, wie sie die gemeinsamen Gespräche wahrgenommen hatten. Der KKL-Vorstand nahm Folgendes in Aussicht: Der Vorsitzende der Konferenz sollte das Ergebnis der Loccumer Klausur und ebenso die durchwachsenen Reaktionen auf die Erklärung in seinen vor der Bundessynode zu erstattenden Bericht aufnehmen und darauf hinweisen, dass die KKL sich weiter damit befassen müsse.27 Die „Gemeinsame Abschlußerklärung“ solle als Schnellinformation Verbreitung finden, für die Zeddies mit der Formulierung einer „kurzen Einführung“ beauftragt werde. Für die in Aussicht genommene Bildung einer gemeinsamen Kommission von BEK und EKD sollte das Sekretariat des Bundes dem KKL-Vorstand auf seiner kommenden Sitzung einen Vorschlag „zur vorläufigen Beratung“ vorlegen.28 Auch der Rat der EKD setzte sich Ende Januar mit der Loccumer Tagung und der dort verabschiedeten Erklärung auseinander. Der Vorsitzende Kruse wies darauf hin, dass eine öffentliche Stellungnahme ursprünglich nicht das Ziel der Zusammenkunft gewesen sei, an der nicht nur die Mitglieder der Konsultationsgruppe teilgenommen hätten. Durch eine vom DDR-Kirchenbund veranstaltete Pressekonferenz sei die Öffentlichkeit erst auf die Tagung in Loccum aufmerksam und gleichermaßen „auf den Geschmack gebracht“ worden, so dass sich der „Druck zur Verlautbarung verstärkt“ habe. Zu Entstehung und Inhalt der Erklärung fasste Kruse zusammen: „Der Text der Erklärung sei ausdiskutiert, auch in ihren Schwerpunkten, und bei zwei Enthaltungen (‚das geht zu schnell‘) angenommen worden. Bei der Veröffentlichung durch die Presse sei untergegangen, dass es ein Nord-Süd-Gefälle in der DDR gäbe [sic] und die kirchliche Stimmung gegenüber der Einigungsbewegung noch unsicher sei. Sobald man jedoch in ein ruhiges Gespräch eintrete, sei man nach zwei Stunden da, wo man in Loccum nach den zwei Tagen gestanden habe. Leichter tue sich vorzugsweise die ältere und die jüngere Generation.“

Synodenpräses Schmude fügte hinzu, die in Loccum Anwesenden seien sich – unabhängig von der Erwartungshaltung der interessierten Öffentlichkeit – durchaus einig darüber gewesen, „dass eine Gemeinschaft bestehe, die in eine deutsche Öffentlichkeit hineingehe“. Es hätten keinerlei Befürchtungen bestanden, dass der Osten gezwungen worden sei, die Vorschriften des Westens lediglich mit zu vollziehen. Schmude nannte die Loccumer Erklärung ein „bedächtig angelegtes 27 Auszugsweiser Abdruck von Leichs Bericht an die Bundessynode vom 25.2.1990 in der 2. Lieferung des KJ 1990/91 (117./118. Jg.), S. 193–197. Der Beschluss der BEK-Synode zum KKL-Bericht befindet sich EBD., S. 199f. 28 Protokoll (Kupas) über 230. Sitzung KKL-Vorstand am 18.1.1990, S. 3 (EZA, 688/63).

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Papier“, mit dem „etwas Gemeinschaftliches“ geschehen sei. Er persönlich sei für die eine Kirche und die Bildung einer sinnvollen Kommission, deren baldigen Arbeitsbeginn er sich wünsche. In der nachfolgenden Debatte wurde trotz dieser auf Verständnis und Zustimmung angelegten Schilderungen Kruses und Schmudes von einigen Ratsmitglieder harsche Kritik vorgebracht, die – ganz im Gegensatz zu den durchweg inhaltlichen Bedenken innerhalb des KKL-Vorstands – in erster Linie das Verfahren betraf, da in der Sache (was aus EKD-Perspektive nicht weiter erstaunt) ein breiter Grundkonsens bestehe. In Zweifel gezogen wurde die Kompetenz der Loccumer Versammlung, ohne Rückversicherung des Einverständnisses des Rates der EKD mit einer so tiefgreifenden Stellungnahme an die Öffentlichkeit zu treten. Dieses Vorgehen komme einem „Handstreich“ gleich, der die Autorität des Rates in Frage stelle. Dieser „Verfahrenverstoß mache es schwer, wenn schon so eine Erklärung zur Einheit komme, dürfe die organisatorische Einheit nicht im Vordergrund stehen; es gehe darum, dass der Glauben wachse und das Evangelium gehört werde“. Einer der Anwesenden warnte vor einem Abgleiten in einen „unkontrollierten Nationalismus“ und bezeichnete die Erklärung von Loccum als zu „völkisch“, stimmte ihr jedoch dennoch zu. Das tat letztlich die Mehrheit der Ratsmitglieder, die zumeist bedauerten, nicht in Loccum dabei gewesen und nicht rasch genug über den Inhalt der Äußerung in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Ein Mitglied des Rates verweigerte die Zustimmung mit der Begründung, dass „das Ganze ein bischöfliches Papier [sei], das mit Autorität von oben gesprochen habe. Das intensive Gespräch mit den Christen in der DDR komme nicht entsprechend vor“. Dadurch entstünde der falsche Eindruck, „als hinge die Kirche von der Organisation ab“. Am 26. Januar wurde bei einer Stimmenthaltung folgender Beschluss gefasst: „Der Rat der EKD begrüßt die Loccumer Erklärung vom 17. Januar 1990 und sieht in ihr einen geeigneten Rahmen, in dem nun gemeinsame Schritte mit dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR getan werden können. Die Loccumer Erklärung ist ein grundlegender Beitrag für den Prozeß wachsender Gemeinschaft mit dem Ziel der Kirche.“29

Bei der Sitzung des Präsidiums der Bundessynode am 2. Februar zogen die Anwesenden zunächst eine Bilanz aus der Zusammenkunft mit dem Präsidium der EKD-Synode in Berlin-Spandau, die – wie andere Begegnungen in dieser Zeit auch – deutlich unter dem Eindruck der Loccumer Erklärung gestanden habe. An das Präsidium der VI. Synode des Kirchenbundes sollten im Sinne einer Empfehlung folgende Informationen weitergeleitet werden: Das nächste 29 Auszug aus Niederschrift über die geschlossene Sitzung des Rates der EKD am 25./26.1.1990, S. 1f., 4f. Abdruck als Dok. 90 bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 581–584.

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Präsidientreffen im Jahr 1991 sei, ohne Festlegung eines Tagungsortes, für den 1. bis 3. Februar vereinbart worden. Das Präsidium der EKD-Synode habe darum gebeten, dass zukünftig „zu den Synodaltagungen des BEK mehr Vertreter aus dem Bereich der EKD (Synode, Rat und Kirchenamt) als bisher – etwa sieben bis zehn –“ eingeladen würden. Des Weiteren sei der Wunsch zum Ausdruck gebracht worden, dass die gastweise an den Tagungen der Synoden des Kirchenbundes beteiligten Vertreter der EKD in den Synodalausschüssen ein Rederecht erhielten und ihnen die Möglichkeit eröffnet werde, in den Sitzungen des Plenums mitzuberaten. Ferner sei vom EKD-Synodenpräsidium angeregt worden, zur Vertiefung der Gemeinschaft auch „gemeinsame Sitzungen der Synodalausschüsse“ durchzuführen. Zum Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ wurde über einen „offenen Brief“ berichtet, der an die gliedkirchlichen Synoden in der DDR und an die Bundessynode gerichtet worden sei. Darin gehe es „sowohl um das Verfahren zur Loccumer Erklärung als auch um den Schutz der spezifischen Glaubens- und Lebenserfahrungen der Kirchen in Ost und West, die nicht noch so legitimen nationalen oder gar wirtschaftlichen Interessen geopfert werden sollten“.30 Es wurde zunehmend deutlicher, dass in den DDR-Gliedkirchen die erste Euphorie über die „Wende“ abgelöst wurde von der Sorge um die in vierzig Jahren erworbene Eigenständigkeit und Stärke und die Angst vor der Vereinnahmung durch die westlichen Brüder und Schwestern. Am 14. Februar fand das letzte reguläre31 Treffen der Konsultationsgruppe in Ost-Berlin statt. Zuerst stellte OKR Barth zwei Textfassungen vor, die für den diesjährigen „Bittgottesdienst für den Frieden“ vorgesehen waren. Dabei wies er auf die Problematik hin, die sich diesmal aufgrund der nicht kalkulierbaren Entwicklung der Situation bis zum November 1990 bei der inhaltlichen Ausarbeitung ergeben habe. Vor allem die Vertreter des Kirchenbundes plädierten für die Übernahme des ihnen als angemessener erscheinenden Alternativ-Entwurfs, in dem „Schwierigkeiten und Probleme nach der Wende“ anklängen, während der erste Text lediglich „auf den Ton des Dankes und der Freude über die vollzogene Wende“ gestimmt sei. So einigten sich die Konsultationsteilnehmer darauf, dass den Gemeinden nur eine Textfassung angeboten und bei der Arbeit am Wortlaut dem Alternativ-Entwurf Vorrang eingeräumt werden solle. Dabei könnten die „Motive des Dankens und der Zuversicht“ in diesen Text aufgenommen werden. Dann wurde berichtet, welches Echo die gemeinsame Loccumer Abschlusserklärung im Bereich des Bundes und der EKD gefunden hatte. Ziegler informier30

Protokoll (Riese) über Präsidiumssitzung am 2.2.1990, S. 1f. (EZA, 101/2960). Zu diesem Zeitpunkt war noch eine Klausurtagung für Ende Mai in Iserlohn geplant, die jedoch im Verlauf der Konsultation zur ersten Sitzung der sog. gemeinsamen Kommission umgewidmet wurde. 31

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te die Anwesenden, dass im Sekretariat des BEK und beim KKL-Vorsitzenden „durchweg kritische“ Schreiben eingegangen seien, deren Verfasser vor allem das „formale Vorgehen“ angegriffen hätten. Ferner sprächen aus diesen Briefen die „Ängste, Erfahrungen und Früchte der vergangenen Jahre zu verlieren“. Demgegenüber teilte Synodenpräses Gaebler mit, dass es auch positive Reaktionen gegeben habe. Innerhalb der Bundesrepublik seien, wie die EKD-Vertreter der Gruppe berichteten, „ähnlich kritische Stimmen“ laut geworden, allerdings stark beeinflusst durch die Medienberichterstattung. Generell habe die Loccumer Erklärung eine positive Aufnahme gefunden. In den negativen Wortmeldungen werde die Befürchtung formuliert, es könnte zu einer „Restauration“ kommen. Diese Einschätzung könne widerlegt werden, wenn sobald wie möglich die „nötigen Schritte auf dem Weg zu einer organisatorischen Gestalt in einer Kirche markiert und Zeitangaben gemacht“ würden. Seitens des BEK müsse „eindeutig und klar“ zum Ausdruck gebracht werden, „was man zu erhalten und einzubringen“ wünsche.32 Die vordringliche Aufgabe sei nun, über die Zusammensetzung der geplanten „gemeinsamen Kommission Bund/EKD“ zu entscheiden und in diesem Kontext über die Weiterarbeit der Berater- und der Konsultationsgruppe nachzudenken. Die Diskussion der westlichen und östlichen Kirchenvertreter ergab, dass ihre eigene Gruppe als Institution aufgelöst und in die neuzubildende Kommission eingehen solle, während das Weiterbestehen der Beratergruppe als Forum des wechselseitigen Austauschs sinnvoll sei. Die Kommission von BEK und EKD sollte eine Teilnehmerzahl von jeweils sieben bis acht Personen aus beiden Bereichen nicht überschreiten. Dabei sei die personelle Besetzung „nach Sachgesichtspunkten, nicht nach gliedkirchlichem Proporz“ vorzunehmen: „Schnelles Handeln ist notwendig, weil der gesellschaftliche Kontext sonst ohne unsere Mitwirkung festgelegt wird.“ Als Primärziel der gemeinsamen Arbeit wurde demnach die Verhandlung über die Aufgaben der neu zu gestaltenden Einheit benannt, und als Termin für die „Aufgabenskizzierung und Markierung der nächsten Schritte“ wurden die Synodaltagungen des Bundes im September und der EKD im November festgelegt. Während im Bereich der DDR eine Verständigung mit den lutherischen Kirchen zu erfolgen habe, müsse in der Bundesrepublik eine Absprache mit der Arnoldshainer Konferenz und der VELKD geführt werden. Da vermutlich „Expertengruppen“ hinzugezogen werden müssten, sei dies bei der Zusammensetzung der Kommission zu berücksichtigen. Diejenigen, die an der Erklärung von Loccum Kritik geübt hätten, könnten ihre Beiträge 32 Offenbar war über die eingehende und ausgesprochen kritische Aussprache in der geschlossenen Sitzung des Rates der EKD am 25./26.1.1990 der Konsultationsgruppe keine Mitteilung gemacht worden. Weniger die gemeinsame Erklärung selbst als vielmehr ihr Entstehungsprozess hatte Verärgerung ausgelöst und war nachdrücklich beanstandet worden.

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besser in entsprechenden Untergruppen einbringen. Insgesamt müsse die gemeinsame Kommission zweifellos auf Vermittlung ausgerichtet sein. Die Anwesenden entschieden, ihre für den 27. bis zum 30. Mai in Aussicht genommene Klausurtagung zur 1. Sitzung der gemeinsamen Kommission umzuwandeln. Zuletzt wurde die auf der Tagung der Konsultationsgruppe Anfang Dezember bereits begonnene Debatte zum Thema „Seelsorge an der Nation“ auf der Basis einer Ausarbeitung von Kelers33 wieder aufgenommen. Von Keler selbst wies darauf hin, dass er eine politische Äußerung zu Einzelproblemen nicht befürworten könne. Es wurde festgestellt, dass die Bezeichnung „Seelsorge“ nicht treffend sei, und Domsch schlug alternativ „politische Diakonie“ vor. Auch wenn die Mitglieder der Konsultationsgruppe grundsätzlich darin übereinstimmten, dass vermutlich eine Denkschrift zum politischen Handeln der Kirche fällig sei, stellten sie in der Diskussion fest, dass es derzeit um mehr gehe als um „politisches Handeln der Kirche“ und auf die Verunsicherung, die die raschen Veränderungen mit sich brächten, mit seelsorgerlichem Beistand reagiert werden müsse. Vor allem im Blick auf die Tätigkeit des MfS in der DDR sei die Kirche gefordert, und einzelne Kirchenvertreter müssten sich bei persönlichen Stellungnahmen darüber im Klaren sein, dass diese leicht als „Stimme der Institution“ interpretiert würden. In diesem Zusammenhang wurde mahnend an die am 7. Dezember formulierte Aufgabenbeschreibung erinnert: „Stellt die Zusammengehörigkeit der Deutschen in beiden deutschen Staaten eine Aufgabe für die Kirchen dar? Hat sie hier eine seelsorgerliche Aufgabe?“ Über diese „begrenzte, aber präzisere“ Aufgabenstellung müssten weitere Überlegungen angestellt werden.34 Im Anschluss an die Konsultationsgruppe tagte am Nachmittag des 14. Februar auch das Beratergremium von BEK und EKD und wurde durch den neuen Präsidenten des Kirchenamtes der EKD, Otto von Campenhausen35, über die Verabredungen in Kenntnis gesetzt, die die Mitglieder der Konsultation im Blick auf die Bildung einer gemeinsamen Kommission zwischen Vertretern beider Kirchen getroffen hatten. So solle dieses neue Gremium, in dem die Konsultationsgruppe aufgehen werde, zugunsten seiner Arbeitsfähigkeit nur eine sehr beschränkte Teilnehmerzahl haben. Demgegenüber werde die Beratergrup-

33

Vgl. Dok. 92 bei W. H AMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 589–594. Vermerk Ziegler vom 17.4.1990, S. 1f. (EZA, 101/3141). 35 In einer bereits am 4.9.1989 von der Berliner Hauptkirchenabteilung des MfS erstellten „Kurzauskunft“ über O. v. Campenhausen heißt es: „Innerkirchlich vertritt Campenhausen theologischkonservative Positionen. In seinen politischen Auffassungen steht er der CDU nahe. Die Evangelischen Kirchen in der DDR und der BRD betrachtet er als Bindeglied der ‚geteilten deutschen Nation‘. Seinen Aussagen nach muß die ‚besondere Gemeinschaft der Kirchen in Ost und West‘ weiter gefördert werden, um ihre strukturelle Trennung allmählich zu überwinden“ (BStU [ZA Berlin], MfS HA XX/41854, Bl. 59f.; hier Bl. 60). 34

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pe nicht aufgelöst, sondern solle ihre Tätigkeit, den wechselseitigen Austausch von Informationen und die Besprechung von in der gemeinsamen Kommission erzielten „Zwischenergebnissen“, zumindest für eine Übergangszeit fortführen. Bei der Auswertung der Klausurtagung in Loccum wurde in der Beratergruppe ebenfalls festgestellt, dass trotz vieler befürwortender Reaktionen auf die dort verabschiedete „Erklärung“ die „Anfragen zum Verfahren“ nicht hinfällig würden. Beim Sekretariat des Bundes gingen allerdings etliche Schreiben ein, deren Verfasser sich über den Inhalt der Loccumer Erklärung beschwerten, weil man sie übergangen habe. Diese Menschen seien größtenteils gegen eine kirchliche Wiedervereinigung und begründeten ihre Haltung in erster Linie mit der Angst vor einem bloßen Anschluss des Bundes an die EKD, bei dem ihre in vierzig Jahren gemachten DDR-Erfahrungen keine Berücksichtigung fänden. Jedoch würden in derartigen Eingaben keine Alternativen zu den in Loccum formulierten Zielvorstellungen benannt, „nicht zuletzt deshalb, weil sich niemand traut, gegen die Vereinigung der beiden Staaten und der beiden Kirchenbünde zu sprechen“. Im Blick auf die Weiterexistenz ihrer eigenen Gruppe wurden unter den Anwesenden Zweifel geäußert, ob sie, wenn die Treffen in der bisherigen Form fortgesetzt würden, der Fülle der anstehenden Aufgaben gerecht werden könnten. Das „unverbindliche Gespräch“ in diesem Gremium sei in der Vergangenheit wichtig und richtig gewesen. „Aber können wir uns diesen Luxus weiter leisten?“ Ein Teilnehmer stellte die Frage, ob es eine Gruppe in der DDR gebe, die sich um eine schriftliche Aufarbeitung des kirchlichen Beitrags zu den Veränderungen im Zuge der sogenannten Wende bemühe. Wenn dies noch nicht der Fall sei, müsse unbedingt ein entsprechender Auftrag bald erteilt werden.36 Bei seiner Sitzung am 21. Februar stellte der Vorstand Überlegungen an, ob eine Zusammenlegung des epd und der ENA eine zweckmäßige Lösung sei. Prinzipiell sei jedoch eine „eigene Nachrichtenagentur“ von Vorteil. Es wurde die einhellige Meinung vertreten, dass diese Frage zum Beratungsgegenstand in der noch zu bildenden „gemeinsamen Kommission“ von BEK und EKD gemacht werden müsse. Gleichzeitig wurde Ziegler gebeten, ebenso das Problem zur Sprache zu bringen, wenn er mit Vertretern des EKD-Kirchenamtes in Kontakt trete. Darauf setzte sich der KKL-Vorstand mit dem kritischen Echo auseinander, dass die Loccumer Erklärung ausgelöst hatte. Ziegler skizzierte, welche Einwände mehrheitlich vorgebracht worden seien: Zum einen sei die „Legitimierung“ der Klausurtagungsteilnehmer für ihr als eigenmächtig empfundenes Vorgehen in Zweifel gezogen worden. Am Inhalt der Erklärung seien die „mangelnde Klar36 Vermerk (Heidingsfeld) über die Zusammenkunft der Beratergruppe am 14.2.1990, S. 1ff. (EZA, 673/91/33). – In der Anlage befand sich die 16seitige Ausarbeitung „Politischer Kontext kirchlicher Arbeit“ (EZA, 101/3137).

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heit der Einbettung in den europäischen Prozeß, die Betonung des nationalen Denkens“ sowie die Unklarheiten zur Frage der einen Kirche bemängelt worden. Die Mitglieder des Vorstands wurden über die „Berliner Erklärung“37 vom 9. Februar informiert und wiesen bei einer kurzen Aussprache besonders auf die Rolle der Medien als „Verstärker bestimmter Absichten“ hin. Die Initiative zur Veröffentlichung dieser Gegen-Erklärung sei – wie mitgeteilt wurde – von den Vertretern der EKD ausgegangen.38 Der Vorstand sprach die Hoffnung aus, dass die Bundessynode die Intention der Berliner Erklärung zumindest in den wichtigsten Punkten, nämlich die Forderungen nach einem „Zusammenwachsen mit der nötigen Zeit im europäischen Rahmen“ sowie einer „grundlegenden Aufarbeitung der unterschiedlichen Entwicklungen in den Kirchen“ aufgreifen werde.39 Ziegler unterrichtete die Mitglieder des Vorstands über die Absprachen in der Konsultation am 14. Februar, die gemeinsame Kommission „im Verhältnis von 7 zu 7 mit je einem Geschäftsführer“ zusammenzusetzen, wobei die Benennung der BEK-Vertreter erst nach der Neukonstituierung der Konferenz erfolgen solle. Der Vorstand erklärte sich mit diesem Vorgehen einverstanden und erteilte Ziegler den Auftrag, „die sich entwickelnden unterschiedlichen Aktivitäten zwischen EKD und Bund möglichst so zu koordinieren, dass in der gemeinsamen Kommission die nötige Bündelung

37 Die Erklärung, die am 15.2.1990 als Antwort auf die Loccumer Erklärung veröffentlicht worden war, ist in der 2. Lieferung des KJ 1990/91 (117./118. Jg.), auf S. 188–192 abgedruckt. Kritisiert wurden Ton, Inhalt und Art der Publizierung der „gemeinsamen Abschlußerklärung“, mit der ohne jegliche vorherige breitere Meinungsbildung auf der Ebene der Synoden, Gemeinden und Mitarbeiterkonvente der „Eindruck einer weittragenden programmatischen Vorentscheidung mit beabsichtigter politischer Wirkung“ erweckt worden sei (S. 188). 38 Vgl. die ausführliche Darstellung von K. KUNTER, Hoffnungen, Kap. IV. – Im BEK-Synodenpräsidium wurde über die kritischen Reaktionen auf einen Artikel des Präsidenten des EKD-Kirchenamtes, Löwe, im DAS vom 2.3.1990 („Denken von Gestern, eine Antwort auf die Berliner Erklärung“) berichtet. Löwe bezeichnete diejenigen Vertreter des Kirchenbundes, die nicht sofort eine Wiedervereinigung wollen, als Gestrige. Diese Äußerung kommentierte wiederum der Präsident des Kirchenausschusses der Bremischen Landeskirche: „In einem Rundumschlag ohne Gleichen, weist er [Löwe] nicht nur dem abgewirtschafteten Staatswesen der DDR, sondern auch den seit der Kirchentrennung 1969 gewachsenen kirchlichen Strukturen in der DDR, den ihnen einzig zukommenden Ort zu, den Müllplatz der Geschichte“ (Protokoll [Riese] über Präsidiumssitzung am 11.4.1990 [EZA, 101/2960]). 39 Der KKL-Vorsitzende Leich nahm in den Bericht, den er bei der konstituierenden Tagung der VI. Bundessynode (23.–25.2.1990 in Berlin-Weißensee) erstattete, ausführlich Bezug auf die Loccumer Erklärung, an deren Zustandekommen er ja selbst beteiligt gewesen war und hinter der er voll und ganz stünde. Auch der Beschluss der Synode zum KKL-Bericht thematisierte die Widerstände gegen die Erklärung von Loccum und nahm tatsächlich die Intention der Berliner Erklärung auf. Das wiederum veranlasste den ehemaligen Vizepräsidenten des Kirchenamtes der EKD zu der Bemerkung, sowohl die Berliner Erklärung als auch die Bundessynode hätten utopische Vorstellungen. Wilkens sprach sich frühzeitig für eine Vereinigung von BEK und EKD aus. Vgl. zu dem ganzen Diskussionsprozess um die Loccumer Erklärung die 2. Lieferung des KJ 1990/91 (117./118. Jg.), v. a. S. 182–205.

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und Abstimmung erfolgen kann. Zu den Herbstsynoden von Bund und EKD müßte ein Gesamtentwurf vorliegen, um den Synoden die Möglichkeit zu geben, ihre Richtlinienkompetenz zu nehmen“.40

Volk, Nation, deutsche Einheit und die Rolle der Kirchen: Viele offene Fragen, Unstimmigkeiten, Hoffnungen und Ängste Die Konferenz kam vom 9. bis zum 11. März zur Klausurtagung zusammen und behandelte in Buckow zwei Schwerpunktthemen, den Umgang der evangelischen Kirche mit ihrer Rolle als Minderheitskirche und „Zur Einheit der Deutschen“. Für die Auseinandersetzung mit dem Komplex „Volk, Nation und deutsche Einheit“ referierte der sächsische Landesbischof Hempel seine Gedankensammlung, der er vier Bemerkungen voranstellte: 1. Die Termini „Volk“ und „Nation“ seien nicht mit einer „präzisen einfachen Definition“ zu fassen; ebenso wenig sei es möglich, dafür „Kriterien“ zu benennen. 2. Die Frage, was Volk hinsichtlich der „Schöpfung“ bedeute, sei für die evangelische Theologie „außerordentlich schwierig“ zu beantworten. 3. Demgegenüber könnten verschiedene „Einzelbeobachtungen“ zusammengestellt werden, die jedoch als Merkmale von Volk auch keine absolute Gültigkeit hätten. 4. Zuletzt sei zwischen Volk und Nation keine Deckungsgleichheit gegeben, vielmehr erscheine Nation eher als „politische Chiffre eine Volkes“. Demke kam nach einem Exkurs über Israel als „Gottesvolk des alten Bundes, des neuen Bundes und die Völker der Bibel“ zu dem Resultat, dass es sich bei Volk und Nation weitgehend um Synonyme handele, die „keine eigene theologische Dignität, keinen eigenen biblischen Topos“ hätten, so dass auch keine Theologie des Volkes existiere. Wer eine solche zu betreiben versuche, befinde sich dicht am Nationalismus. Die Wünsche und Bedürfnisse eines Volkes lägen nah beim „Willen Gottes“. Während Volk und Nation zwar von indirekter, aber realer „Wichtigkeit“ für die Menschen und die Christen seien, gebe es das „Volk als lebendigen Körper Gottes“ nicht. Zur deutschen Einheit betonte Demke, dass dieses „Recht kein allgemeines Menschenrecht“ und keinesfalls „im Namen Gottes einzuklagen“ sei. Ebenso wenig könne „im Namen des Volkes“ gesprochen werden. Legitim sei allerdings der Hinweis auf die Einheit.41 Der Vor40

Protokoll (Doyé) über 231. Sitzung KKL-Vorstand am 21.2.1990, S. 1f. (EZA, 101/3092). Protokoll (Küntscher/Ritter) über 132. KKL-Tagung (Klausurtagung) vom 9. bis 11.3.1990 in Buckow, S. 8f. (EZA, 101/3077). 41

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stand der KKL verhandelte in Buckow in einer außerplanmäßigen Sitzung über die Nominierung von Vertretern des Bundes für die gemeinsam mit der EKD einzusetzende Kommission. Ziegler teilte mit, dass das Kirchenamt der EKD sein Votum, jeweils zehn Personen aus beiden Kirchen und zusätzlich zwei Geschäftsführer für die gemeinsame Kommission zu benennen, mittlerweile dem Rat übermittelt habe. Ein entsprechender Beschluss sei vom Rat nicht gefasst worden, und nun sei zu überlegen, wie viele und welche Personen den Kirchenbund in der Kommission von Bund und EKD vertreten sollten. Dabei müsse der Beschluss der Synode Berücksichtigung finden, der verlange, dass die Hälfte der Mitglieder der gemeinsamen Kommission Synodale sein sollten. Nach einer intensiven Aussprache einigte sich der Vorstand, dass die Konsultationsgruppe aufgelöst werden könnte, falls eine solche Kommission tatsächlich gebildet worden sei. Seitens des Kirchenbundes sollte die Nominierung von acht BEK-Vertretern inklusive eines Geschäftsführers in Aussicht genommen werden. Der KKL werde, wie der Vorstand einstimmig beschloss, folgende personelle Besetzung vorgeschlagen: Die Bundessynodalen Cynkiewicz, Kramer, Kreß und Noack sowie die Konferenzmitglieder Hempel, „Leich (gegebenenfalls Natho)“, Stolpe und Ziegler. Im Anschluss präsentierte der Leiter des Sekretariats des Bundes eine Vorlage des Ausschusses Kirche und Gesellschaft, in der für die Verabschiedung einer „Stellungnahme zur Oder-Neiße-Grenze“ plädiert wurde. Da die Mehrheit der Vorstandsmitglieder der Ansicht war, „dass der EKD in dieser Frage Prioritäten eingeräumt werden müssten (u. a. wegen der seinerzeit herausgegebenen Vertriebenendenkschrift42 ), sollte lediglich folgende Passage aus der Vorlage des Ausschusses als Empfehlung weitergegeben werden: Die Konferenz möge den Vorsitzenden Demke beauftragen, „schnellstmöglichen Kontakt mit dem Vorsitzenden des Rates der EKD aufzunehmen mit dem Vorschlag der Verabschiedung einer gemeinsamen Erklärung zur Oder-Neiße-Grenze“. Zuletzt teilte Ziegler mit, dass die EKU43 um eine Besprechung bitte, „ob und welche“ Vertreter des Staates zukünftig zu den Synoden der EKU eingeladen werden sollten. Der Vorstand traf die einstimmige Entscheidung, dass – wie bereits zur konstituierenden Tagung der BEK-Synode Ende Februar – „gegenwärtig keine Staatsvertreter“ einzuladen seien.44 Heidingsfeld schilderte in seinem „Kurzbericht“ über die Kirchen in der DDR, welche Kritikpunkte bei der konstituierenden Tagung der BEK-Synode vom 23. bis 42 „Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn“ von 1965 ist abgedruckt in: K IRCHENKANZLEI DER EKD (Hg.), Denkschriften, Bd. 1/1, S. 77–133. 43 Auf dem Protokoll hatte Ziegler an dieser Stelle hsl. vermerkt: „Es gibt nur einen Notizzettel, keine schriftliche Anfrage offiziell“. 44 Protokoll (Kupas) über außerplanmäßige Sitzung KKL-Vorstand am 9.3.1990 anlässlich der Klausurtagung der KKL, S. 1f. (EZA, 101/3092).

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25. Februar in der Aussprache zum Bericht des KKL-Vorsitzenden Leich vorgebracht worden waren. Aus seiner Sicht sei dabei weder an der Loccumer Erklärung noch an Leichs positiven Ausführungen zu dieser Anstoß genommen worden, sondern der Bericht insgesamt als „zu glatt formuliert und zu wenig selbstkritisch akzentuiert“ bemängelt worden. Demgegenüber habe Leich vor der Bundessynode im Herbst vergangenen Jahres noch ganz anders gesprochen „– und es fehlt jedes erklärende Wort dazu“. Als übertrieben hätten die Synodalen die Äußerungen des Vorsitzenden der Konferenz zur „bewährten sozialen Marktwirtschaft und zum rechtsstaatlichen freiheitlichen Staatswesen der Bundesrepublik“ empfunden.45 Was Heidingsfeld persönliche Eindrücke vom Verlauf der Synodaltagung anbelangte, sei seine Mitarbeit im Tagungsausschuss insofern nicht entsprechend gewürdigt worden, als er vergeblicht versucht hatte, in eine Vorlage „einen Satz hineinzubringen, der ausdrücklich auch ausspricht, dass die Synode des Kirchenbundes die Loccumer Erklärung akzeptiert – das war nicht möglich“.46 Der Vorstand der KKL bekräftigte am 21. März die bereits in Buckow vorformulierte Entscheidung, dass mit der Bildung der gemeinsamen Kommission aus Vertretern des Bundes und der EKD eine Weiterarbeit der Konsultationsgruppe nicht mehr notwendig sei. Hingegen solle die Beratergruppe nicht aufgelöst werden, sondern zusätzlich zu ihrer Aufgabe, den wechselseitigen Austausch von Informationen zu gewährleisten, die „Rückkopplung“ mit der gemeinsamen Kommission übernehmen. Das bedeutete die vor allem von Lingner lang ersehnte Aufwertung des Ost-West-Gremiums. Die Anwesenden plädierten dafür, dass dem Ost-West-Beratungsgremium abgesehen von jeweils zwei bis drei Kommissionsmitgliedern auch die notwendige Anzahl von Vertretern der Gliedkirchen angehören müsse und erteilte dem Sekretariat des Bundes den Auftrag, für die BEK-seitige Besetzung der Gruppe einen Nominierungsvorschlag vorzulegen.47 Am 6. und 7. April trat die Konferenz zusammen, und hier stand gleichermaßen die Gestaltung des künftigen Verhältnisses von Bund und EKD im Vordergrund. Der ebenfalls anwesende von Campenhausen stellte sich den Konferenzmitgliedern als Präsident des EKD-Kirchenamtes vor und informierte über die Sitzung der Kirchenkonferenz der EKD48, an der als Vertreter des Bundes der 45

In der Aussprache über den KKL-Bericht war zwar die von Heidingsfeld genannte Kritik vorgebracht worden, doch hatten einige Synodale die von Leich als nahezu selbstverständlich dargestellten kirchlichen und staatlichen Vereinigungsabsichten kritisiert, auf die Gefahr der Vereinnahmung des BEK und der DDR hingewiesen und sich für einen langsames Zusammenwachsen beider Kirchen ausgesprochen. 46 34. Kurzbericht (Heidingsfeld) aus dem Bereich BEKDDR vom 14.3.1990, S. 2, 4 (EZA, 673/91/48). 47 Protokoll (Zeddies) über 233. Sitzung KKL-Vorstand am 21.3.1990, S. 3 (EZA, 688/63). 48 Vgl. das Kommuniqué über diese gemeinsame Sitzung am 29.3.1990 in der 2. Lieferung des KJ 1990/91 (117./118. Jg.), S. 239, das als EKD-Information veröffentlicht wurde.

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neue KKL-Vorsitzende Demke, der Leiter des Sekretariats Ziegler, Justitiar Malte Kupas sowie der Präsident des Dresdner Landeskirchenamtes teilgenommen hatten. Angesichts der zu erwartenden Währungsunion sei über „Fragen einer ‚gewissen stillen Unterstützung‘“ der BEK-Gliedkirchen durch die der EKD beraten worden. Verständigt habe man sich untereinander ferner über „Fragen der Berichterstattung von prononcierten Äußerungen in den Medien“ und zuletzt über „Fragen der gemeinsamen Kommission“. Auch die künftige Position der evangelischen Kirchen in einem vereinten Europa sei unter verschiedenen Aspekten beleuchtet worden. Nachdem Demke im Kontext der Aussiedlerproblematik auf den Hilfsplan für 1990 mit einem Volumen von 70 Millionen DM hingewiesen hatte49, konstatierte Ziegler, dass es klug gewesen sei, in der Loccumer Erklärung „die Frage der Einigung der Kirchen nicht direkt an die Frage der Einigung der beiden deutschen Staaten anzukoppeln“. In der anschließenden Diskussion fragte der Dessauer Kirchenpräsident Natho nach der Wirkung von „,kritischen‘ Stimmen“ aus dem Bereich des Bundes in den bundesdeutschen Kirchen. Von Campenhausen beantwortete dies zurückhaltend und indirekt: „Die Frage der ‚Stimmung‘ in der Kirche ist schwer zu erheben. Die Antwort kann daher nur subjektiv sein. Die Kirchen in der BRD sind sich ihres (finanziellen) ‚Reichtums‘ nicht bewußt (er war ihnen selbstverständlich). In der Begegnung mit Christen aus der DDR wird dies nun zum Problem, und es besteht die Gefahr einer undifferenzierten Frontstellung von ‚Geld‘ und ‚Geist‘. Eine Neuaufnahme der Verfassungsdiskussion könnte die Problemstellung in der BRD auch grundlegend verändern, wobei man sich fragen muß, ob dies nur wünschenswert sein kann oder lieber tunlichst vermieden werden sollte.“

Demke ergänzte diese Äußerung mit dem „nachdrücklichen“ Hinweis auf die „durch nichts zu ersetzende Bedeutung konkreter Begegnungen und des persönlichen Erfahrungsaustausches auf allen Ebenen“ und sprach den EKD-Gliedkirchen für ihre „vorausschauende“ finanzielle Hilfestellung seinen Dank aus. Sehr intensiv besprachen dann die Vertreter beider Kirchen die zu installierende gemeinsame Kommission und ihre Aufgaben. Während seitens der EKD tatsächlich zehn Personen und Heidingsfeld als Geschäftsführer benannt worden waren, hatte die Konferenz auf ihrer Klausurtagung in Buckow nur acht Mitglieder bestimmt und hinsichtlich eines Geschäftsführers noch keinen Beschluss gefasst. Die somit ungleiche Besetzungsstärke wurde „kommentarlos“ zur Kenntnis genommen und nochmals betont, dass keine neue Konsultationsgruppe gebildet werde. Der Leiter des BEK-Sekretariats formulierte im Sinne einer ersten Orientierung für die gemeinsamen Beratungen in der Kommission sechs Fragen: 49 Demke hatte ausdrücklich betont, dass mit dem Hilfsplan die Frage einer möglichen Eigenfinanzierung der DDR-Gliedkirchen verknüpft sei.

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1. Was solle aufgrund DDR-spezifischer Aufgaben und Erfahrungen eigenständig weitergearbeitet werden? Wo könne Parallelarbeit zusammengeführt werden? Richteten sich die Vorstellungen über die organisatorische Zusammenarbeit von EKD und BEK auf eine Konföderation, eine vereinigte Kirche oder die Einbringung des Bundes in EKD? Wie solle der „Terminfahrplan“ aussehen? Was erwarte die KKL von der gemeinsamen Kommission bis zu den Tagung von Bundessynode bzw. EKD-Synode im September/November 1990? Welche Zwischenschritte seien wünschenswert „(gastweise Beteiligung von Vertretern in der Leitungsgremien)?“ Es folgte eine angeregte Diskussion, bei der unter anderem bemängelt wurde, dass in vielen Bereichen bereits konkret „gehandelt“ werde, während die Kirchen auf „gehobener Ebene“ „langwierige“ Verhandlungen in Aussicht nähmen. Von Noack kam die Anfrage nach der Bedeutung des organisatorischen Zusammenwachsens von Bund und EKD für die Beziehungen der Gliedkirchen untereinander sowie dem „Bezug zum politischen Umfeld“. Stier brachte seinen nachdrücklichen Wunsch nach der Verwirklichung des im DDR-Bereich gescheiterten Modells einer Vereinigten Kirche vor, auch wenn er seine Erwartungshaltung selbst als „unrealistisch“ und angesichts des bestehenden „Zeitdrucks“ als nicht guten Gewissens empfehlenswert bezeichnete. Hingewiesen wurde auf das unterschiedliche „Kirchenverständnis“ in BEK und EKD, und Zeddies „insistierte auf der Bedeutung der ‚Gemeinsamen Erklärung‘50, durch die sich die Kirchen des Bundes als Kirche“ verstünden. Daraufhin brachte Stier seine Zweifel zum Ausdruck, dass diese Erklärung durchzusetzen sei. Demke verwies auf die Erklärung von Loccum; die „gemeinsame Kommission“ müsse gemeinsame Aufgaben und für beide Kirchen relevante Themen benennen, „einschließlich der Verständigung mit unseren europäischen Nachbarkirchen und der Aufnahme des konziliaren Prozesses“. Dass man sich nicht um eine ehrliche Bestandsaufnahme der Vergangenheit bemühe, beklagte Hammer: „Wir können nicht so tun, als ob wir etwas hätten, was wir in Wahrheit nicht einmal wollen.“ Die DDR-Gliedkirchen müssten verbindlich nach ihren Vorstellungen gefragt werden. Ziegler fügte hinzu, dass diese gleichfalls nach ihrer Erwartungshaltung an den Kirchenbund angefragt werden sollten. Demke sprach die Vermutung aus, dass es derzeit unmöglich sei, der Kommission weitere Vorgaben zu machen, doch müsse für ihre Arbeit ein konkreter Zeitplan formuliert werden. Erste Vorschläge in Gestalt von Vorlagen erwartete der Berlin-brandenburgische Bischof Gottfried Forck für die Herbsttagung der Bundessynode. Von Campenhausen konstatierte, dass die Kommission zumin50 Gemeint ist die „Gemeinsame Erklärung zu den theologischen Grundlagen der Kirche in ihrem Auftrag in Zeugnis und Dienst“ vom 23.5.1985 (Abdruck bei M. FALKENAU [Hg.], Kundgebungen, Bd. 2, S. 189–191/192).

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dest eine klare Aufgabenstellung benötige, „ob man eine organisatorische Zusammenführung will und ob man sie unter neuen Bedingungen will“. Von einigen der Anwesenden wurde Erstaunen geäußert, da der Wunsch nach einer Wiedereingliederung in die EKD „bei Wahrung ihrer besonderen Gemeinsamkeiten“ als selbstverständlich angesehen und von allen acht Gliedkirchen in der DDR geteilt werde. Dem widersprach unter anderem Zeddies mit dem Hinweis, dass insbesondere die lutherischen Kirchen „davon besonders betroffen wären“, in welcher Form die potentielle Eingliederung in eine Gesamt-EKD vorgenommen würde. Auch wenn prinzipiell Einigkeit unter den Anwesenden herrschte, dass das Maß der künftigen Gemeinsamkeit von Bund und EKD von allen Kirchen selbst bestimmt werden und diese dazu befragt werden müssten, sollte Zieglers Fragenkatalog – wie eine Abstimmung ergab – den Gliedkirchen nicht „jetzt offiziell zur Stellungnahme zugeleitet werden“. Da es der Konferenz im Folgenden nicht gelang, für die zukünftige Beratergruppe eine Aufgabenbeschreibung zu formulieren, wurde diese Frage an den KKL-Vorstand zurückverwiesen.51 In seinem Bericht über die Lage in den Kirchen des Bundes zitierte Heidingsfeld unter dem Stichwort „Fundstück“ die Antwort, die ein „prominenter DDRKirchenmann“ vor einigen Wochen einem Journalisten auf die Frage gegeben hatte, ob durch die Zeit der Teilung eine „Kluft“ zur EKD entstanden sei: „…im Ganzen ist die Haltung der Westkirche deutlich konservativer. Die Nähe zur Regierungsmacht ist dort ganz stark. Viel stärker, als sie bei uns je sein konnte. Da waren für uns immer ganz unvorstellbare Vorgänge einer starken Rücksichtnahme auf Regierungskräfte. Es gibt ständige Kontakte. Es sind doch auch zum Teil Glieder der Kirche, die Ministerämter haben, die Generale sind. Darauf muß man ja vielleicht ein bißchen Rücksicht nehmen. In die Versuchung sind wir ja nie gekommen.“

Wie der Leiter der Berliner Stelle anmerkte, handele es sich um eine Äußerung Stolpes, die in einer Extraausgabe des Merian zur DDR abgedruckt worden sei. Heidingsfeld zählte diejenigen östlichen Kirchenvertreter auf, die im neugebildeten Kabinett verantwortungsvolle Positionen eingenommen hatten und fügte hinzu, dass man angesichts dieser veränderten Gemengelage „frei nach Stolpe“ nur sagen könne: „Die Nähe der Regierungsmacht zur Kirche ist in der DDR ganz stark. Viel stärker, als sie bei uns je war.“52 Am 23. April sandte er dem Präsidenten des Kirchenamtes der EKD einen Vermerk zu, um ihn über das Treffen der Kommission des Rates mit dem Vorstand der KKL wenige Tage zuvor zu unterrichten. Dort sei verabredet worden, dass von Bund und EKD für die erste Sitzung der gemeinsamen Kommission Ende Mai in Iserlohn jeweils 51 52

Protokoll (Ziegler/Jacob) über 133. KKL-Tagung am 6./7.4.1990, S. 3–7 (EZA, 101/3077). „35. Kurzbericht“ (Heidingsfeld) vom 16.4.1990, S. 7 (EZA, 673/91/48).

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möglichst konkrete Einleitungsvoten zur Loccumer Tagung und ihren Konsequenzen vorbereitet werden sollten. An Ziegler habe man die Bitte gerichtet, auf der Basis der Sitzung der Ratskommission und des KKL-Vorstands am 18. April und der der KKL am 9. April eine Zusammenstellung der Anregungen und Fragen vorzunehmen, die seitens des BEK in die gemeinsame Kommission gegeben werden sollten, und dieses Papier den Mitgliedern der Kommission vorab zugänglich zu machen. Wie bereits von anderen kirchlichen Gremien angedacht worden war, seien die Vertreter der Kommission des Rates und des KKL-Vorstands ebenfalls übereingekommen, dass die Beratergruppe ihre Aufgabe, für einen wechselseitigen Informationsaustausch zu sorgen, auch zukünftig ausführen müsse. Wichtig sei es dabei, die einzelnen Landeskirchen einzubeziehen, damit deren Vertreter die jeweiligen Leitungsgremien über den Meinungsbildungsprozess und die Stimmung in den Gliedkirchen in Kenntnis setzen könnten. Die Leiter der beiden Amtsstellen von EKD und Kirchenbund sollten zusammen mit zwei weiteren Mitgliedern der gemeinsamen Kommission für die „Verzahnung“ mit der gemeinsamen Kommission Sorge tragen, deren übrige Vertreter jedoch nicht an den Treffen der Beratergruppe teilnehmen, um Terminhäufungen zu vermeiden. Offen sei zunächst, ob der Bund weiterhin fünfzehn Personen in das Beratergremium entsenden werde. Für Anfang 1991 wurde in Aussicht genommen, eine Klausurtagung von Konferenz und Rat zu veranstalten, bei der unter anderem über die Beratergruppe und die gemeinsame Kommission beider Kirchen verhandelt werden sollte. Im Blick auf die gemeinsame Kommission seien sich die Vertreter der Ratskommission und des Vorstands einig gewesen, dass diese die Konsultationsgruppe ersetzen werde. Ziegler habe sein Bedauern zum Ausdruck gebracht, dass die Konferenz bisher keine Vorgaben für die Tätigkeit der gemeinsamen Kommission formuliert habe, obwohl das in ihren Zuständigkeitsbereich als kirchliches Leitungsgremium falle. Bei der nachfolgenden Ideensammlung seien einige potentielle Gesprächsinhalte für die gemeinsame Kommission benannt worden: Wie lange sie arbeiten solle, welche Bereiche vom BEK zumindest vorläufig eigenständig weitergeführt werden sollten und welche „Querverbindungen“ es bereits zwischen Landeskirchen gebe; zu welchen Themen EKD und BEK gemeinsam reden könnten und sollten und in welchen Bereichen der Kontakt zwischen beiden „ohne strukturelle und organisatorische Änderungen“ intensiviert werden könne; wo seien – im Blick auf die Struktur von EKD und BEK – Anschlüsse leicht oder schwer herzustellen. Einige Vorstandsmitglieder hätten betont, zu wenig von der EKD zu wissen. Welchen ekklesiologischen Status, welche Kompetenzen habe sie? Wie gestalte sich ihr Verhältnis zu den Gliedkirchen und zu den konfessionellen Gliederungen? Ferner frage der KKL-Vorstand sich, was der BEK heute sei? „Für das, was uns bevorsteht, gibt es keine Beispiele und keine Erfahrungen: Eine

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Kirche mit ca. 30 Mio. Protestanten, die auf 25 Landeskirchen verteilt sind“. Die EKD-Vertreter äußerten, in dem „einheitlichen deutschen Staat muß die Ev. Kirche Gemeinschaftsaufgaben wahrnehmen und das auch öffentlichkeitswirksam tun. Die Zukunftsgestalt der einen Kirche könnte die regionale Gliederung sein, was freilich gefährlich wäre; dann wäre die konfessionelle Strukturierung vorzuziehen“. Seitens des Vorstands wurde gefragt, ob die EKD sich eigentlich ernsthaft frage, „was auch in ihr verändert werden müßte, um der Gemeinsamkeit mit dem Kirchenbund willen? Fragt man sich in ihr wirklich, was abgestoßen werden könnte, weil (und wie) es der Bund bereits tut? Seitens der EKD wird darauf geantwortet: Was kommt alles ins Rutschen, wenn sich die staatskirchenrechtliche Situation in der Bundesrepublik fundamental ändert? Man fragt sich schon in der EKD, ob es z. B. mit dem Religionsunterricht, der Kirchensteuer u. v. a. immer so weitergehen könne und solle, aber irgendwann kommt man bei diesen Fragen an eine Wand und da geht es nicht weiter. Von Vorstandsmitgliedern wird geäußert: Den Weg der EKD zu beschreiten, hieße für die Kirchen in der DDR, eine Solidarität gegen die eigene Überzeugung und die gemachten Erfahrungen zu praktizieren, was aber nicht bedeutet, dass die Kirchen in der Bundesrepublik – in aller Ambivalenz – nicht eine 40jährige ehrbare Geschichte hinter sich haben. Beide Seiten stimmen darin überein, dass es keine Lösung wäre zu sagen: ‚Euch zuliebe fügen wir uns‘.“ Damit waren für die erste Sitzung der gemeinsamen Kommission sehr grundlegende und schwierige Fragen aufgeworfen worden. Das Gespräch kam noch einmal auf die Beratergruppe zurück, die seitens des Kirchenbundes neu besetzt werden müsste, und die Konferenzmitglieder fragten an, ob es nicht doch sinnvoller sei, sie aufzulösen und gegenseitige Einladungen für die Sitzungen der Leitungsgremien von BEK und EKD auszusprechen. Die Vertreter der EKD sprachen sich demgegenüber für die Weiterarbeit des gemeinsamen Beratergremiums aus, so dass sich die Kommission des Rates der EKD und der KKL-Vorstand letztlich gegen eine Auflösung der Gruppe entschieden.53 Am 19. April tagten die Mitglieder des Vorstands der KKL wieder alleine und stellten fest, dass einerseits für die Kirchen des Bundes nach wie vor die Notwendigkeit bestünde, in unterschiedlichen Sachbereichen ihre Gemeinsamkeit zu wahren, es auf der anderen Seite in diesen Bereichen dringend erforderlich sei, sich Kenntnisse über die Arbeit der EKD anzueignen und die entsprechenden Kontakte zwischen beiden Kirchen herzustellen. Der Vorstand brachte den Wunsch zum Ausdruck, dass die gemeinsame Kommission sich mit dieser am53 Schreiben Heidingsfeld an O. von Campenhausen vom 23.4.1990 mit Vermerk, S. 1, 3–5 (EZA, 4/91/774).

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bivalenten Haltung auseinandersetzen solle. Auch müsse bedacht werden, welche Folgerungen sich aus den künftigen Länderstrukturen für die Gemeinschaft im Kirchenbund ergeben würden, zumal das „Interesse der Kirchen, die in verschiedenen Ländern liegen werden, […] im Blick auf eine verbindliche Gemeinschaft im Bund größer sein“ dürfte als das anderer Kirchen. Eindeutige Vereinbarungen müssten hinsichtlich der „Fragen ökumenischer Beziehungen“, beispielsweise der Neubesetzung der Kommissionen des Ökumenischen Rates der Kirchen, getroffen werden. Dabei wären die unterschiedlichen Positionen des BEK und der EKD „innerhalb ökumenischer Gremien“ gleichfalls zu thematisieren. Für die Neuberufung von Vertretern des Bundes in die Beratergruppe schlug Ziegler vor, dass sowohl Vertreter der einzelnen Gliedkirchen, Synodale, gegebenenfalls Mitglieder der KKL und natürlich der gemeinsamen Kommission in die Gruppe entsandt werden sollten. Zur kommenden Tagung der Konferenz werde, wie der Vorstand befand, das BEK-Sekretariat einen Vorschlag zur personellen Besetzung der Beratergruppe vorlegen. Zumindest ein Vorstandsmitglied sollte regelmäßig an den Zusammenkünften der Beratergruppe teilnehmen.54 In einer Sondersitzung des KKL-Vorstands am 11. Mai erläuterte der Leiter des Sekretariats dann den Besetzungsvorschlag, der der Konferenz zur Beschlussfassung vorgelegt werden sollte. Die Anwesenden kamen ferner überein, dass Demke als Beobachter des Kirchenbundes zur Besprechung des Rates und Synodalen der EKD am 18. und 19. Mai nach Hannover entsandt werden solle, bei der über den Stand der deutsch-deutschen Entwicklungen informiert würde.55 Der Konferenz wurden bei ihrer Tagung am 11. und 12. Mai Berichte über den Stand der Vorbereitung der ersten Sitzung der gemeinsamen Kommission mit der EKD und über die derzeitige Lage erstattet, bevor sie die mittlerweile formulierte Aufgabenstellung und Zusammensetzung der Beratergruppe für die Jahre 1990 bis 1993 mit zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung beschließen konnte.56 Demnach vertraten den Bund je ein Mitglied der acht Gliedkirchen in der DDR, der Herrnhuter Brüder-Unität, des Diakonischen Werks, der EKU, des Sekretariats sowie zwei BEK-Synodale. Ferner waren für die Vollmitglieder insgesamt fünf Stellvertreter und fünf außerordentliche Mitglieder für die Beratergruppe benannt worden.

54 Protokoll (Doyé) über 234. Sitzung KKL-Vorstand am 19.4.1990 in Berlin, S. 1 (EZA, 101/3092). 55 Protokoll (Zeddies) über Sondersitzung KKL-Vorstand am 11.5.1990 in Berlin, S. 2 (EZA, 101/3092). – Kruse hatte sich am 4.5.1990 mit der ausdrücklichen Aufforderung an den Vorstand gewandt, zwei Beobachter des BEK nach Hannover zu schicken: „Mir liegt daran, dass Sie sich durch diese beiden Personen über die zur Zeit laufenden Gesprächsprozesse in der EKD informieren können. Das ist sicher für das weitere Miteinander sehr hilfreich“ (Schreiben Kruse vom 4.5.1990 [EZA, 101/3092]). 56 Protokoll (Ziegler) der 134. KKL-Tagung am 11./12.5.1990 (EZA, 101/3078).

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Aus diesem Personenkreis sollten acht Vertreter des Kirchenbundes zugleich der gemeinsamen Kommission angehören.57 Die neugebildete Kommission von BEK und EKD berät über die Zukunft und die Aufgaben einer Kirche – Der Bund formuliert „Richtlinien“ für eine Vereinigung ohne Substanzverlust Die während der ersten Sitzung der gemeinsamen Kommission von BEK und EKD vom 27. bis zum 30. Mai erzielten Resultate diskutierte der Vorstand der KKL am 31. Mai. Mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die absolute Vertraulichkeit der Verhandlungsniederschriften skizzierte Ziegler die in Iserlohn abgegebenen Erklärungen, Stellungnahmen und Beschlüsse.58 Er merkte an, dass diese erst mit dem Sitzungsprotokoll der gemeinsamen Kommission im endgültigen Wortlaut vorliegen würden. Der sächsische Landesbischof Hempel, außerordentliches Mitglied der Kommission, gab den Vorstandsmitgliedern seinen Gesamteindruck von der Sitzung wieder. Es sei ergebnisorientiert mit der Darlegung persönlicher Grundabsichten gearbeitet und dabei das Ergebnis von Loccum weder überschritten „noch ganz oder teilweise zurückgenommen“ worden. Die getroffenen Absprachen seien in ihren Ergebnissen „aushaltbar“; die eigentliche Arbeit stehe noch bevor. Die innere Situation der Beratungen kennzeichnete Hempel als „Mischung von echter Zugewandtheit zu den Vertretern der DDRKirchen und dem Spürbarwerden von Grenzen des Verstehens“. Hinsichtlich der von der EKD zur Sicherstellung der Personalkosten in Aussicht gestellten finanziellen Unterstützung war der Vorstand der einhelligen Meinung, dass die Verteilung dieser Mittel von einem Gremium der Kirchen in der DDR übernommen werden müsse. Justitiar Kupas wies darauf hin, dass im DDR-Bereich „erhebliche Befürchtungen“ bestünden, dass bei einem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik und damit zum Geltungsbereich des Grundgesetzes gemäß Artikel 23 unter anderem das bundesdeutsche Zivildienstgesetz zur Anwendung käme. Damit würden alle „positiven und fortschrittlichen Regelungen der DDR in Bezug auf Wehrdienstverweigerung, insbesondere den Zivildienst“ hinfällig.59 Auf Kupas’ Vorschlag hin beschlossen die Mitglieder des Vorstands einstimmig, den vorgelegten Entwurf eines Schreibens dem Vor57

Anlage 2 zum Protokoll (EZA, 101/3078). Vorläufige vertrauliche Information Ziegler vom 30.5.1990 für die Mitglieder der KKL betr. „Empfehlungen und Beschlüsse der Gemeinsamen Kommission Bund/EKD 27.–30.5.1990, Iserlohn“ (EZA, 101/3078). 59 Am 20.2.1990 hatte die Regierung Modrow die „Verordnung über den Zivildienst“ eingeführt, der entsprechend für eine Verweigerung des Waffendienstes lediglich eine „Erklärung“ abgegeben werden musste, während eine Gewissensprüfung nicht erforderlich war. 58

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sitzenden des Ministerrates der DDR zuzusenden. In dem Brief wurde darum gebeten, sich bei zukünftigen Verhandlungen mit der Bundesrepublik für die Übernahme der DDR-Regelung einzusetzen.60 Zum Tagesordnungspunkt „Verhältnis zur Regierung“ setzte Ziegler die Anwesenden über eine Unterredung in Kenntnis, die der Präsident der EKU-Kirchenkanzlei Friedrich Winter mit dem Leiter des Amtes für Kirchenfragen, Staatssekretär Hermann Kalb, geführt hatte. Die Beziehungen der Kirche zur DDR-Regierung seien im Verlauf des Gesprächs als „noch klärungswürdig“ bezeichnet worden. In diesem Kontext verwies Ziegler auf das Schreiben an den Vorsitzenden des Ministerrates, in dem „kirchlicherseits relevante Probleme“ angesprochen wurden, und der KKL-Vorstand kam zu dem Schluss, dass im Blick auf die Regierung der DDR derzeit keine zusätzlichen Initiativen ergriffen werden müssten. In ihrer Funktion als Präses der Bundessynode berichtete Rosemarie Cynkiewicz, dass bei einem Treffen mit dem Sprecherrat der Synode der EKD in Erwägung gezogen worden sei, „Begegnungstagungen“ der Synodalen der EKD und denen des Bundes zu veranstalten. Während die erste im EKD-Bereich stattfinden sollte, könnte die zweite im Bereich des Kirchenbundes abgehalten werden. Ferner sei in Aussicht genommen worden, zukünftig gemeinsame Synodaltagungen durchzuführen.61 Der Vorstand gab zu bedenken, dass es angesichts der rechtlichen Problematik möglicherweise angeraten sei, nur thematisch gemeinsam, jedoch mit separater Beschlussfassung zu tagen. Cynkiewicz erkundigte sich nach den „Modalitäten der Unterbreitung von Vorlagen betreffend den gemeinsamen Weg Bund/EKD zur Bundessynode im September 1990“ und erhielt die Auskunft, dass nur solche Beschlussvorlagen aus der gemeinsamen Kommission beider Kirchen kommen könnten, die vorab sowohl vom Vorstand als auch von der KKL beraten worden seien. Hinsichtlich der Mitgliedschaft des langjährigen Kirchenanwalts Wolfgang Schnur im Ausschuss „Kirche und Gesellschaft“, aus dem er nicht offiziell ausgetreten sei, wurde Kramer beauftragt, „ihn zu seinem Austritt zu bewegen. Vor Einleitung weiterer Maßnahmen soll das Ergebnis dieses Gesprächs abge60

Mit einer gemeinsamen Erklärung der Vorsitzenden der KKL und der Berliner Bischofskonferenz vom 15.8.1990 wurde dieses Anliegen bekräftigt. Abdruck bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 409f. 61 Auf der Sitzung des Präsidiums der BEK-Synode am 6.6.1990 informierte Cynkiewicz über die grundsätzlich Zustimmung des Vorstands zur Durchführung zweier Begegnungstagungen [24.–26.8.1990 in Erfurt und im September in der Bundesrepublik] sowie einer gemeinsamen Tagung beider Synoden im Herbst 1991. Sie teilte ferner mit, dass Noack auf der kommenden Bundessynode in Leipzig einen Bericht über die Tätigkeit der gemeinsamen Kommission von BEK und EKD erstatten solle, in den auch die Stellungnahmen der KKL zu den Resultaten und Empfehlungen eingearbeitet werden [Vgl. einen Auszug in der 2. Lieferung des KJ 1990/91 (117./118. Jg.), S. 309f.]. Die 2. Tagung der Kommission sei für Anfang September in Dresden angesetzt (Protokoll [Riese] über 2. Sitzung des Präsidiums am 6.6.1990 [EZA, 101/2960]).

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wartet werden“.62 Zuletzt wurde der Vorstand über das Scheitern des Versuchs informiert, eine ENA-GmbH zu gründen. Da auch die Evangelische Verlagsanstalt zu einer Herausgabe des ENA nicht im Stande sei, werde dieser im August 1990 eingestellt werden. Der westliche Pressedienst epd habe die Gründung eines „epd-Landesdienst Ost“ vorgeschlagen, für den das Gemeinschaftswerk Evangelische Publizistik allerdings lediglich die Anschubfinanzierung übernehmen könne.63 Nachdem Demke über die bundesseitige Neubesetzung der Beratergruppe informiert hatte, erstatteten Ziegler und Heidingsfeld deren Mitgliedern bei ihrer Sitzung am 20. Juni ebenfalls einen Bericht über die erste Zusammenkunft der gemeinsamen Kommission von Kirchenbund und EKD sowie die dort formulierten „Empfehlungen und Beschlüsse“. In ihrer Debatte beschäftigten sich die östlichen und westlichen Gruppenmitglieder vor allem mit der Frage, ob die Erarbeitung einer neuen Kirchenverfassung oder die „Fortschreibung“ der EKD-Grundordnung angestrebt werde. Einige der Anwesenden brachten zum Ausdruck, dass dem „Beitritt“ zur EKD für sie „nichts Schreckliches“ anhafte – vorausgesetzt, ihre in der DDR gemachten Erfahrungen gingen dabei nicht verloren. Andere hingegen befürchteten, dass bei einem Beitritt „ein Verfahren zum Tragen kommt, das in Analogie zum Beitritt nach Art. 23 Grundgesetz zu sehen ist“, also letztlich die Erweiterung des Gültigkeitsbereichs bundesdeutscher Bestimmungen und Gesetze auf das Gebiet der DDR. Tendenziell vertrat jedoch die Mehrheit die Meinung, dass keine grundlegend neue Kirchenverfassung ausgearbeitet werden solle, zumal sich in diesem Fall die einzelnen Gliedkirchen jahrelang mit organisatorischen und strukturellen Fragen befassen müssten und das Ergebnis dieser Bemühungen offen sei. Wichtigste Zielstellung sei nun, „unterhalb der Plakatierungs-Grenze Veränderungen (Wie muß das künftige Leitungsgremium aussehen? So wie der Rat, so wie die Konferenz der Kirchenleitungen?) vorzunehmen, so dass ein zweimaliger Durchgang durch die Synoden der 24 Landeskirchen nicht stattfinden muß“.64 Der KKL-Vorstand setzte sich am 28. Juni, die Konferenz am 29./30. Juni mit den Ergebnissen der ersten Sitzung der gemeinsamen Kommission auseinander. Bei beiden Tagungen wurde eine Beschlussvorlage65 diskutiert, in der zwölf Einzelentscheidungen zur Verabschiedung durch die KKL aufgeführt waren: 62 Schnur hatte als IM für das MfS gearbeitet und besonders intensiv über die Tätigkeit dieses Ausschusses berichtet. 63 Protokoll (Kupas) über 235. Sitzung KKL-Vorstand am 31.5.1990, S. 1, 3, 5f., 16 (EZA, 101/3093). 64 Niederschrift (Heidingsfeld) vom 22.6.1990, S. 4f. (EZA, 673/91/33). 65 Anlage 2 zum Protokoll (Doyé) über 236. Sitzung des KKL-Vorstands am 28.6.1990 (EZA, 101/3093) sowie Vorlage 8 für die 135. Tagung der KKL am 29./30.6.1990 (EZA, 101/3078).

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„1. Die Konferenz nimmt die Beschlüsse und Empfehlungen, die die Gemeinsame Kommission auf ihrer 1. Sitzung getroffen hat, zustimmend zur Kenntnis. 2. Die Konferenz stimmt zu, dass Vorstand und Ratskommission zu einem gemeinsamen Leitungsausschuß zusammentreten, der bis zur Zusammenführung der Kirchen nötige Eilentscheidungen trifft, und Bund und EKD gegenüber den Regierungen vertritt. 3. Die Konferenz stimmt zu, dass ein Vertreter des Rates der EKD an ihren Sitzungen teilnimmt und umgekehrt. 4. Die Konferenz bittet alle Vorsitzenden der Kommissionen und Ausschüsse, jeweils einen Vertreter eines entsprechenden Arbeitsgremiums der EKD zu den Sitzungen einzuladen und auf entsprechende Einladungen hin Vertreter zu deren Sitzungen zu entsenden. 5. Die Konferenz billigt ausdrücklich die in den Ziffern 5, 6, 7 und 17 dargelegten Zielvorstellungen für die Ordnung der künftig zusammengeführten Kirchen. 6. Die Konferenz stimmt der Zielvorstellung in Ziffer 13 zu, dass bei jeder Regierung nur ein Vertreter der Evangelischen Kirchen tätig wird. Sie bestätigt den dem Leiter des Sekretariats erteilten Auftrag, als Ansprechpartner für die Regierung der DDR zur Verfügung zu stehen. Sie beauftragt ihn (oder …) 66 mit dem Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Bundesregierung ständig Kontakt zu halten. 7. Die Konferenz beauftragt das Sekretariat, im Zusammenwirken mit gliedkirchlichen Beauftragten für Wehrdienstfragen und Vertretern der Synode einen Vorschlag zu erarbeiten, in welcher Weise die Seelsorge an Soldaten und Zivildienstleistenden ohne die Übernahme des Militärseelsorgevertrages der EKD gewährleistet werden kann. 8. Die Konferenz beauftragt Vorstand und Sekretariat, weiterhin bei der Regierung dafür einzutreten, dass alle rechtlichen Möglichkeiten für die Kirchen in bezug auf ihren Körperschaftsstatus, die Kirchensteuererhebung und den Religionsunterricht in den Schulen offengehalten werden, ohne dass eine Nötigung besteht, davon sofort oder später Gebrauch zu machen. 9. Die Konferenz beauftragt das Sekretariat, einen Vorschlag dafür zu erarbeiten, wie die Möglichkeiten der Seelsorge im Strafvollzug, in geschlossenen Einrichtungen der Psychiatrie in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen eröffnet und rechtlich gesichert werden kann. 10. Die Konferenz erwartet, dass ihr Stellungnahmen zur Eigentumsfrage und zur Problematik des § 218 vor einer öffentlichen Verlautbarung darüber zur Zustimmung vorgelegt werden. 11. Die Konferenz sagt zu, den Mitarbeitern des Sekretariats spätestens bis zur Sitzung am 31.8/1.9.1990 eine verbindliche Erklärung über die Perspektiven für die Arbeit des Sekretariats zu geben, damit für den Fall, dass eine längerfristige Weiterarbeit nicht beabsichtigt ist, bis Oktober 1990 entweder einen Plan für die Auflösung des Sekretariats und die Überleitung seiner Mitarbeiter in andere kirchliche Arbeitsgebiete oder für eine Umwandlung in eine Außenstelle bzw. Abteilung des EKD-Kirchenamtes vorgelegt werden kann. 66

Das in Klammern gesetzte „oder“ steht lediglich in Vorlage 8 für die KKL-Sitzung.

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12. Die Konferenz ist bereit, am … Oktober67 zu einer gemeinsamen Sitzung mit dem Rat der EKD zusammenzutreten.“

Mit diesen Beschlüssen waren in der Tat alle Bereiche angesprochen worden, in denen der Kirchenbund in der DDR Regelungen und Vereinbarungen schützen wollte, die bei einer schlichten Eingliederung in die EKD verloren wären. Was diese Punkte und ebenso die Sicherung einer Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern des BEK-Sekretariats betraf, hatte die Konferenz natürlich vorerst nur Wünsche geäußert und die Ausarbeitung von Vorschlägen in Auftrag gegeben. Ob diese auch in annehmbarer Weise umgesetzt werden könnten und würden, war damit keineswegs verbindlich festgeschrieben. Einen knappen Monat später unterrichtete Demke den Vorstand über die Sitzung des Rates der EKD vom 13. und 14. Juli und betonte, als wie „wohltuend“ er die Gelegenheit einer solchen Aussprache empfunden habe. Dabei erwähnte der KKL-Vorsitzende vor allem die dort gegebenen Informationen über die Militärseelsorge sowie die Beratungen über Ansiedlungsmöglichkeiten für Rumäniendeutsche in der DDR und die „Verwendung von Mitteln für ökumenische Hilfen“. Er teilte dem Vorstand ferner mit, dass innerhalb der EKD eine vorzeitige Auflösung des Kirchenbundes befürchtet werde und Präses Schmude die Bitte ausgesprochen habe, derartigen Tendenzen nach Möglichkeit „entgegenzuwirken“.68 Bei seiner nächsten Sitzung am 22. August beriet der Vorstand der KKL über die Frage, in welcher Form der Bund bei einer Zusammenführung mit der EKD seine Tätigkeit fortführen sollte. Grundlage der Debatte bildeten die landeskirchlichen Voten, die auf eine Anfrage des BEK-Sekretariats vom 3. Juli eingegangen waren. Ziegler informierte die Anwesenden, dass entsprechende Rückmeldungen der sächsischen, der thüringischen und der mecklenburgischen Kirche zwar noch ausstünden, doch bislang relativ durchgängig folgende Anliegen übermittelt worden seien: Eine baldige Vereinigung von Bund und EKD werde gewünscht. Das Sekretariat des Bundes solle in eine Abteilung des EKDKirchenamtes umgewandelt werden. 3. Für die kommende Zeit müsste zwischen den acht Gliedkirchen in der DDR ein wechselseitiger Informationsaustausch sowie eine planvolle Koordination stattfinden. Dabei sei auf die Rolle zu achten, die EKU und VELK im Kontext der gesamten Entwicklung zukäme. Bewahrt werden solle der „Impuls zur Weiterentwicklung der EKD“. Konsens herrschte unter den Mitgliedern des Vorstands hinsichtlich der Tatsache, dass die Kirchen in der DDR einen Verlust sowohl an „Gewicht“ als auch an „Entscheidungskompetenz“ hinnehmen müssten, wenn sie innerhalb der EKD keine eigenen Entscheidungsgremien hätten. Im Blick auf das BEK-Se67 68

In Anlage 2 des Vorstandsprotokolls heißt es „5./6. Oktober 1990“. Protokoll (Jacob) über 237. Sitzung KKL-Vorstand am 27.7.1990, S. 1 (EZA, 688/63).

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kretariat unterstrich der Vorstand der KKL, dass es abgesehen von der Funktion als „nachgeordnete Instanz von Entscheidungsgremien“ keinerlei Existenzberechtigung besitze. Wenn es also zu seiner Umwandlung in eine Abteilung oder Außenstelle des Kirchenamtes käme, könne es „nicht um eine Integration in die vorhandene Berliner Stelle der EKD gehen“. Bezüglich des von der gemeinsamen Kommission in Aussicht genommenen zeitlichen Ablaufs sahen die Vorstandsmitglieder keine Notwendigkeit, sich für Änderungen der verabredeten Fristen auszusprechen. Dann beschäftigte sich der KKL-Vorstand nochmals mit der bundesseitigen Besetzung der im Mai neu berufenen Beratergruppe. Da Konsistorialpräsident Stolpe, der als Vertreter der Berlin-brandenburgischen Kirche zum Vollmitglied bestellt worden war, nun seinen Rücktritt aus dem Ost-WestGremium bekannt gegeben hatte, sollte nach Meinung der Vorstandsmitglieder sein Stellvertreter Bischof Forck den vakant werdenden Platz einnehmen. Als unklar stellte sich heraus, wie mit Stolpes gleichzeitiger Mitgliedschaft in der gemeinsamen Kommission umzugehen sei. Für den Fall, dass der Konsistorialpräsident auch seine Teilnahme an der nächsten Kommissionssitzung im September absagen sollte, stimmten die Anwesenden mit einer Enthaltung ab, dass der Greifswalder Konsistorialpräsident Hans-Martin Harder an Stolpes Stelle treten könne.69 Wie aus einem Briefwechsel zwischen dem Leiter des BEK-Sekretariats und dem Präsidenten des Kirchenamtes der EKD hervorgeht, verhandelten die Kirchen in der DDR derweil um die Zuordnung eines Regierungsvertreters, über den sie Kontakte zu ihrer Regierung herstellen könnten. Dabei sprach sich der Bund dezidiert gegen einen „Staatsbeauftragten für Kirchenfragen“ aus und plädierte statt dessen für einen nur „untergeordneten Mitarbeiter im Büro der Regierungsspitze“, der für die Vermittlung und Koordination der nötigen Direktkontakte zuständig sein solle. Als Begründung für diesen Wunsch führte der Bund an, dass die ehemalige Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen in der DDR für den Kirchenbund lediglich eine „ständig kontrollierende Schleuse“ gewesen sei, die die kleinen Religionsgemeinschaften, wie beispielsweise die „sogenannte Johannische Kirche“, als Instrument benutzt hätten, um „ihre Gleichberechtigung zu praktizieren“.70 Zu einer Sondersitzung trat der Vorstand am 31. August, unmittelbar vor der Tagung der KKL an diesem und dem folgenden Tag, zusammen. Diskutiert wurde die Frage, ob der Kirchenbund sich im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen am Abend des 2. Oktober an einem Gottesdienst zur Feier der Wiedervereinigung beider deutschen Staaten am 3. Oktober beteiligen solle. Fest stand, dass der BEK anlässlich der deutsch-deutschen Vereinigung „keine Veran69 70

Protokoll (Doyé) über 238. Sitzung KKL-Vorstand am 22.8.1990, S. 2, 5 (EZA, 101/3093). Schreiben Ziegler an von Campenhausen vom 22.8.1990 (EZA, 101/3093).

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lassung für einen eigenen zentralen Gottesdienst“ sehe, doch werde die Durchführung eines von der AGCK getragenen Gottesdienstes zur ersten Sitzung des neu gewählten deutschen Parlaments angeregt. Der Festgottesdienst am 2. Oktober könne unter der Bedingung mitgetragen werden, dass der Bund an dessen „Gestaltung“ teilnehme und dass inhaltlich „neben dem Dank der Anlaß zur Besinnung, Umkehr, Hoffnung“ hervorgehoben werde. Der Vorschlag des Vorstands, mit dem Ende der Eigenstaatlichkeit der DDR am 3. Oktober die Ortsbeschreibung „in der DDR“ aus dem Namen des Bundes der Evangelischen zu streichen, wurde einstimmig formuliert.71 Die Konferenz beriet dann über die Perspektiven der weiteren Tätigkeit des Bundes, Stolpe erklärte offiziell seinen Austritt aus der Beratergruppe, Forck wurde wie vom Vorstand angeregt zu seinem Nachfolger berufen und – was ohne Frage am wichtigsten war –, die KKL fasste nach einer ausführlichen Aussprache über die Resultate der ersten Sitzung der gemeinsamen Kommission einen Beschluss zur „Zusammenführung der Gliedkirchen des Bundes und der Gliedkirchen der EKD“.72 Zwölf Richtlinien waren darin skizziert, die bei den kommenden Verhandlungen mit der EKD zu beachten seien: Grundsätzlich empfahl die Konferenz eine „zügige Herstellung der Mitgliedschaft der Gliedkirchen des Bundes in der EKD“ und formulierte als Zielvorgaben die Vertiefung der „vorgegebenen Gemeinschaft“ beider Kirchen „in Zeugnis und Dienst“, eine engere Zusammenarbeit zwischen allen östlichen und westlichen Gliedkirchen besonders in den Bereichen „Theologie und Gottesdienstgestaltung, Ökumene, missionarisch-diakonischer Gemeindeaufbau, Unterweisung und Bildung, Ausbildung und Dienstrecht“ sowie eine „gegenseitige Durchdringung“ von BEK und EKD bei ihrer Zusammenführung, „durch die jede Seite verändert wird“. Während auf den Gebieten Theologie, Liturgie, Ökumene, Jugendarbeit, Finanzen und Dienstrecht die dringende Notwendigkeit für eine rasche Zusammenarbeit gesehen wurde, sei für die Arbeitsbereiche Kirche und Gesellschaft, spezielle Aufgaben des Gemeindeaufbaus, Ausbildung, Bildungsfragen, Rechtsangleichung und Öffentlichkeitsarbeit eine „längere Anpassungsphase“ einzuräumen. Im Blick auf die „Bildung neuer Leitungsstrukturen“ sprach die KKL die Empfehlung aus, zunächst die Legislaturperiode der VI. Synode des Bundes bis Ende des Jahres 1991 zu verkürzen, bei einer gemeinsamen Synodaltagung von BEK und EKD die entsprechenden Entscheidungen zu treffen, so dass die neuen Leitungsorgane der zusammengeführten Kirchen „spätestens“ mit 71 Protokoll (Doyé) über Sondersitzung KKL-Vorstand am 31.8.1990, S. 1f. Der Beschluss wurde von der Bundessynode am 25.9.1990 bestätigt (EZA, 688/63). 72 Der Beschluss war als Anlage 1 dem Protokoll (Ziegler/Grengel) der 136. KKL-Tagung am 31.8/1.9.1990 (EZA, 101/3078).

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dem Jahr 1992 ihre Arbeit aufnehmen könnten. Dann werde aus den Vertretern der acht gliedkirchlichen Kirchenleitungen in der DDR ein „Kontaktausschuß“ gebildet und für die vereinten Kirchen eine Berliner Dienststelle installiert. Letztere solle sich nicht nur schwerpunktmäßig für die Belange der ehemaligen DDR-Gliedkirchen einsetzen, sondern auch Aufgaben übernehmen, die hinsichtlich der Funktion Berlins als Hauptstadt von Hannover aus schlechter erfüllt werden könnten. Das BEK-Sekretariat sollte zu dieser Dienstelle in Berlin umgewandelt und als „Abteilung“ des Kirchenamtes der EKD dessen Präsidenten zugeordnet werden mit der Option, „Anträge und Vorschläge direkt in die Leitungsgremien einzubringen“. Die beiden speziellen Aufgabenbereiche der Berliner Dienststelle des EKD-Kirchenamtes, die mit ihrer Arbeit Anfang 1992 – gleichzeitig mit den neugebildeten kirchlichen Leitungsgremien – beginnen sollte, wurden in dem Beschluss aufgezählt. Die bisherige Berliner Stelle des Kirchenamtes könne dann aufgelöst und eine Überprüfung der „Aufgabenstellung und Arbeitsweise“ der neuen Berliner Dienststelle nach fünf Jahren erfolgen. Abschließend erteilte die Konferenz dem Sekretariat des BEK den Auftrag, in Kooperation mit dem Kirchenamt der EKD und der gemeinsamen Kommission beider Kirchen „bis Ende 1990 einen detaillierten Fusionsplan“ anzufertigen. Mit diesem Beschluss hatte die KKL einen konkreten Vorstoß gemacht, um die Vorstellungen und Wünsche des Kirchenbundes bezüglich der strukturellen Zusammenführung mit der EKD in einer umsetzbaren Form vorzubringen. Zudem wurde mit der Anregung, das Sekretariat des Bundes in eine neue Dienststelle zu überführen, die den Platz der alten Berliner Stelle einnehmen sollte, eine Möglichkeit eröffnet, den Mitarbeitern des BEK-Sekretariats eine sinnvolle und wichtige Weiterbeschäftigung zu bieten. Am Ende eines schwierigen und schmerzhaften Fusionsprozesses der evangelischen Kirchen in Ost- und Westdeutschland steht wieder eine EKD Die ersten Erfahrungen, die Vertreter von Kirchenbund und EKD auf der Ebene gemeinsamer Gremienarbeit machten, wurden bei der Sitzung des Präsidiums der BEK-Synode am 8. September ausgewertet. Wie geplant, waren die Mitglieder der beiden Synodenpräsidien am 7. und 8. September zu einer Begegnung in Berlin zusammengekommen. Das Präsidium der Bundessynode konstatierte, dass unter den veränderten Vorzeichen „allmählich“ auch ein neuer Umgang miteinander erlernt werde. Man sei „dankbar“, dass hinsichtlich einer Zusammenführung von BEK und EKD ein „Konsens zum Ausblick und den Möglichkeiten“ bestünde, wie im Laufe der gemeinsamen Erwägungen von „konkreten Schritte auf dem Weg der Zusammenführung“ festgestellt werden konnte. Das

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Fazit lautete: „Notwendig und sinnvoll war diese Begegnung in jedem Fall vor allem im Blick auf die bevorstehende Sitzung der gemeinsamen Kommission, aber auch die Begegnungen der Synodalen in Erfurt und Neuendettelsau, die bei der Begegnung der Präsidien ausgewertet wurden“. Im seitens der EKD angefertigten Protokoll über die Sitzung beider Synodenpräsidien hieß es lediglich: „Die Treffen wurden insgesamt als positiv und nützlich angesehen“.73 Über Verlauf und Ergebnisse der letzten „regulären“74 Tagung der VI. Bundessynode vom 21. bis 25. September in Leipzig informierte Heidingsfeld im Rahmen eines seiner Berichte aus dem Bereich der DDR-Kirchen. Atmosphärisch habe er sowohl eine Abschieds- als auch gleichzeitig eine Aufbruchsstimmung unter den Synodalen wahrgenommen, die intensiv vor allem die Vorlage „zum weiteren gemeinsamen Weg von Bund und der EKD“75 beraten hätten. Als Anlagen wären dieser Vorlage der Beschluss der KKL zur Zusammenführung beider Kirchen vom 1. September sowie ein von der gemeinsamen Kommission nach ihrer zweiten Sitzung in Dresden vorgelegter Terminplan beigelegt gewesen. Ferner habe ein Antrag der Konferenz an die Bundessynode dazugehört, dem die Synodalen mit der Annahme der genannten Beschlussvorlage nachgekommen seien: „Die Synode stimmt dem von der Gemeinsamen Kommission vorgeschlagenen Weg der Zusammenführung von Bund und EKD grundsätzlich zu. […] Mit dem Zusammentreten der neuen EKD-Synode endet die Legislaturperiode der VI. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen“. Wie dem Leiter der Berliner Stelle des Kirchenamtes aufgefallen war, sei über die sogleich am ersten Verhandlungstag zur Aussprache gestellte Vorlage vermutlich deswegen mit anfänglichen Zögern diskutiert worden, weil „kaum ein Synodaler von den Ergebnissen der Dresdner Sitzung der Gemeinsamen Kommission zuvor etwas vernommen hatte“. Dass in der Debatte die gegenüber „Tempo und Richtung der Entwicklung“ der DDR kritischen Wortbeiträge dominiert hätten, führte er darauf zurück, dass diejenigen, die derartige Befürchtungen hegten, entweder in der Bundessynode „überrepräsentiert“ seien oder „aber sich überdurchschnittlich häufig zu Wort“ meldeten. Heidingsfeld gab einige dieser Beiträge wieder: „Der Synodale Große fragte: ‚Wieso muß es so schnell gehen?‘ Der Synodale Hertzsch empfand eine bedrängende Parallele zu den politischen Ereignissen. Der Synodale Langer hatte den Eindruck: ‚Wir erhalten von einer finanzstarken Kirche die Vorgaben‘. Der Synodale Falcke riet dazu, ‚den sogenannten Zwängen, vor allem zeitlicher Art, 73

Protokoll (Riese) über Präsidiumssitzung am 8.9.1990, S. 1 (EZA, 101/2960). Für den 15.–17. bzw. 22.–24.2.1991 war noch eine Sondersitzung geplant. Im Mai 1991 sollte dann die erste gemeinsame Tagung der Synoden von Bund und EKD stattfinden. Bei beiden Tagungen sollte in erster Linie über das Kirchengesetz verhandelt werden, das die Grundlage für den Zusammenschluss der Kirchen in Ost und West bildete. 75 Vollständiger Wortlaut abgedruckt bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 422–425. 74

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kritisch zu Leibe zu gehen‘. Der Synodale Stier wünschte sich ‚für den Umgang miteinander menschliches Maß, Behutsamkeit und Umsicht‘.“

Trotz der vielen besorgten Stimmen, konstatierte der Leiter der Berliner Stelle, sei „allen Voten mehr oder minder freudig, mehr oder minder zustimmend“ doch zu entnehmen gewesen, dass man von einem Fortgang der kirchlichen Entwicklung gemäß des von der gemeinsamen Kommission erstellten Zeitplans ausgehe. Am zweiten Sitzungstag hätten die Bundessynodalen ausführlich und kontrovers über die „Empfehlungen“ an die gemeinsame Kommission für den „paritätischen Ausschuß zum Problem des Schwangerschaftsabbruchs“76 beraten, während der dreiteilige Beschluss „zum weiteren gemeinsamen Weg“ beider Kirchen nach einer „relativ kurzen“ Diskussion ohne Gegenstimme und mit einer Stimmenthaltung gefasst worden sei. Heidingsfeld hatte besonders die gleich im ersten Abschnitt des Beschlusses formulierte Erwartungshaltung zur Kenntnis genommen, dass in den Räumlichkeiten des BEK-Sekretariats unter der Leitung eines Mitarbeiters des Bundes eine Dienststelle des EKD-Kirchenamtes eingerichtet werde, die in erster Linie für die die ehemaligen Gliedkirchen in der DDR betreffenden Aufgaben zuständig sein solle. Zwar war in dem Beschluss der Synode nicht einmal – wie im KKL-Beschluss zur „Zusammenführung der Gliedkirchen“ von Bund und EKD vom 1. September – die Rede davon, dass das Sekretariat in eine solche Dienststelle umgewandelt werden und die derzeitige Berliner Stelle des Kirchenamtes, deren Leiter Heidingsfeld war, ihre Tätigkeit dann beenden sollte. Doch kannte Heidingsfeld den Konferenzbeschluss und war sich darüber im Klaren, dass eine Existenz beider Dienststellen zur Redundanz einer der Abteilungen führen könnte, wenn nicht sogar müsste. In Leipzig sei ihm mehrfach versichert worden, dass die Passage des Beschlusses „weniger gegen die jetzige Berliner Stelle des Kirchenamtes der EKD und ihren Leiter“ gerichtet sei. Vielmehr solle sie verdeutlichen, dass Belange der acht östlichen Gliedkirchen nicht „von Außenstehenden, also von solchen, die aus der EKD kommen“, wahrgenommen werden könne. Der Leiter der Berliner Stelle wies darauf hin, dass der Aufgabenkatalog für die neu zu installierende Dienststelle gegenüber der von der Konferenz angefertigten „Auflistung“ um zwei Punkte erweitert worden sei, nämlich das „Mitarbeiterrecht“ einschließlich des Pfarrerdienstrechts sowie die „Besoldung, Vergütung und Versorgung“. Weiterhin werde in dem Beschluss der Bundessynode von dem Zeitplan abgewichen, den die gemeinsame Kommission beider Kirchen erstellt hatte: Die Voten der acht gliedkirchlichen Synoden in der DDR zum Entwurf des Kirchengesetzes sollten bis zum 15. Mai 1991 eingegangen sein, diese bis spätestens Anfang Oktober 1991 über das Kirchengesetz beschließen und die Synodalen für die neue Synode der 76 Abdruck des Beschlusses der Synode vom 25.9.1990 bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 414f.

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EKD wählen. Als bemerkenswert habe Heidingsfeld empfunden, dass in Leipzig nicht über Änderungen der Grundordnung der EKD oder die Neuverteilung der Sitze in der Synode der EKD „(neu) beraten“ worden sei. Ferner seien kaum Überlegungen angestellt worden, „welches Recht des Kirchenbundes (für wie lange) fortgelten und welches Recht der EKD vorerst nicht in Kraft treten sollte“. Jedoch hätten die Synodalen ihre Anstrengungen darauf gerichtet, dass die Bindung des Kirchenbundes an den Görlitzer Synodenbeschluss „Bekennen in der Friedensfrage“ von 1987 in dem Beschluss ebenso betont werde wie die Feststellung, dass der Militärseelsorgevertrag von 1957 bei der Zusammenführung von BEK und EKD nicht für die östlichen Gliedkirchen Gültigkeit erlange. Verglichen mit dem Konferenzbeschluss vom 1. September habe der Beschluss der Bundessynode eine Erweiterung und Konkretion erfahren, was die Anforderungen anbelange, die vom Bund an die inhaltliche Arbeit der gemeinsamen Kommission gestellt würden. Zuletzt merkte der Leiter der Berliner Stelle an, welche Feststellungen des Synodenbeschlusses ihm persönlich als problematisch erschienen: Heidingsfeld sprach sich gegen die Einrichtung einer Berliner Dienststelle für die Wahrnehmung der Interessen der acht Gliedkirchen in der DDR in der bundesseitig erwünschten Form aus, da „Streitiges und Unterschiedliches“ nicht in ein „Reservat“ gehöre, sondern im dafür zuständigen Kirchenamt der EKD in Hannover geklärt werden müsse. Wenn unbedingt notwendig, könne eine Abteilung des Kirchenamtes in Berlin von einem Vertreter des dann ehemaligen Kirchenbundes geführt werden, jedoch nicht ohne die Zusammenarbeit mit einem „gleichberechtigten“ EKD-Mitarbeiter. Denn eine derartige Dienststelle habe nicht nur die Belange der östlichen Gliedkirchen zu regeln und müsse im übrigen so schnell als möglich in das Kirchenamt der EKD eingegliedert werden. Auch ein Weiterbestehen der Theologischen Studienabteilung sei insofern nicht angeraten, als dies keine integrative Wirkung haben, sondern lediglich einen Beitrag dazu liefern werde, „dass das Besondere der acht Gliedkirchen des ehemaligen Bundes besonders lange fortexistiert“ – von den nötigen finanziellen Aufwendungen ganz zu schweigen. Die geforderte „Koordinierungsgruppe“ berge die Gefahr in sich, sich zu einer „Art Nebenrat“ zu etablieren, der dann eine „Neuauflage“ der mittlerweile überflüssigen „Ostkonferenz“ darstelle. Heidingsfeld räumte ein, dass es aus „psychologischen Gründen“ vermutlich doch „so etwas oder etwas ähnliches“ geben müsse. Schwierig sei ferner der Umgang mit speziellen „Sachaussagen des einstigen Kirchenbundes (z. B. ‚Bekennen in der Friedensfrage‘/‚Gemeinsame Erklärung‘77)“. Auch wenn diese höchstwahrscheinlich im EKD-Bereich nicht konsensfähig seien, 77 Die „Gemeinsame Erklärung zu den theologischen Grundlagen der Kirche in ihrem Auftrag in Zeugnis und Dienst“ vom 23.5.1985 ist abgedruckt bei M. FALKENAU [Hg.], Kundgebungen, Bd. 2, S. 189–191/192).

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müssten sie „pfleglich“ behandelt werden, weil „viel Bundes-Herzblut“ an ihnen hänge, ohne dass dabei der Eindruck entstehe, die alte EKD wolle sie tatsächlich übernehmen: „Es muß eine unschädliche Fortgeltung – auf begrenzte Zeit – als partikulares Gut des einstigen Kirchenbundes ermöglicht werden.“ Heidingsfeld schloss seinen „Kurzbericht“ mit einigen Informationen über die KKL-Sitzung vom 5. und 6. Oktober. Der Bund habe vor, den mecklenburgischen Landesbischof Stier und den Präses der BEK-Synode Cynkiewicz zur Tagung der Synode der EKD Anfang November in Travemünde zu entsenden. Was „Ton und Inhalt“ betreffe, sei es irrelevant, wer von den beiden Vertretern des Kirchenbundes das Grußwort sprechen würde, denn zweifellos werde es „gedämpft und bedenkenträchtig“ ausfallen. Eine Sondertagung der Synode des BEK, in deren Mittelpunkt die Verabschiedung des Haushalts 1991 sowie die Beratung über das Kirchengesetz zur Zusammenführung von Bund und EKD stünde, finde vom 22. bis 24. Februar 1991 in Berlin-Weißensee statt. Heidingsfeld teilte mit, dass die Konferenz für die Mitarbeit in der Ad-hoc-Gruppe des Rates der EKD zur Beratung der staatlichen Verfassung folgende Berufungen vorgenommen habe: Den Schweriner Oberkirchenratspräsident Peter Müller, den Pfarrer Axel Noack aus der Kirchenprovinz Sachsen, den Erfurter Propst Heino Falcke sowie den ehemaligen Geschäftsführer der SPD-Fraktion in der Volkskammer, Richard Schröder, Dozent am Berliner Sprachenkonvikt und am Katechetischen Oberseminar in Naumburg. Zu Falcke machte der Leiter des Berliner Stelle in einer Fußnote darauf aufmerksam, dass er verantwortlich sei für die Aufnahme einer bestimmten Formulierung in den Beschluss der Bundessynode zu „Ökumene und Konziliarem Prozeß“78, die offensichtlich zumindest Heidingsfelds Unbehagen geweckt hatte, zumal er die betreffende Passage sogar zitierte: „Auf diese neue geschichtliche Herausforderung müssen wir auch mit einer Fortschreibung der Verfassung und also einer Verfassungsdiskussion antworten. Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten bietet dafür eine Chance, die wir nicht versäumen dürfen. Die Synode fordert daher die gesamtdeutsche Regierung und das gesamtdeutsche Parlament auf, solch eine Diskussion in Gang zu setzen und bis zu einem Volksentscheid über eine veränderte Verfassung zu führen.“79

Wenn dieser von Heidingsfeld verfasste Bericht Vertretern des Kirchenbundes zugänglich gemacht worden wäre, hätte die Lektüre sicherlich großes Befremden hervorgerufen oder sogar zu erheblichen Zweifeln an der von BEK und EKD gleichermaßen immer wieder bekräftigten Gültigkeit und Bedeutung der „besonderen Gemeinschaft“ geführt. 78 Vgl. den Wortlaut des Beschlusses vom 25.9.1990 bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 427–431; hier S. 431 (zur Verfassungsdiskussion). 79 39. Kurzbericht (Heidingsfeld) vom 7.10.1990, S. 1–5 (EZA, 673/91/48).

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Die Konferenz beriet am 9. und 10. November über ein Gespräch zum Thema Soldatenseelsorge, setzte sich mit der Problematik des ehemaligen DDRStaatssicherheitsdienstes sowie dem Zusammenwachsen von Kirchenbund und EKD auseinander. Zur Zusammenführung beider Kirchen wurde berichtet, dass eine große Anzahl von Synodalen der EKD sich für eine Beschleunigung dieses Prozesses ausgesprochen habe. Da die Legislaturperiode der VII. Synode der EKD im Januar 1991 ende, plädierten sie gleichfalls für die Durchführung einer gemeinsamen konstituierenden Synode bereits im Mai 1991. Im Blick auf die ursprünglich in Aussicht genommene Weiterarbeit der Ost-West-Beratergruppe kam die KKL zu dem neuen, von allen ihren Mitgliedern geteilten Schluss, einer Empfehlung ihres Vorstands vom 25. Oktober Folge zu leisten: „In Anbetracht der zahlreicher gewordenen Begegnungen und Tagungen auf der Ebene der Gliedkirchen empfiehlt der Vorstand der Konferenz, der EKD vorzuschlagen, die Arbeit der Beratergruppe zum 10. November 1990 einzustellen.“80 Über diesen Vorschlag der KKL und seine Befürwortung auch durch den Rat der EKD unterrichtete dessen Vorsitzender Kruse am 20. November alle westlichen Mitglieder des Beratergremiums von BEK und EKD. Da es durch die Bildung und Arbeit neuer gesamtkirchlicher Gremien wie der gemeinsamen Kommission, dem gemeinsamen Leitungsausschuss sowie den gemeinsamen Sitzungen von Konferenz und Rat zu einer starken Intensivierung des „Gedankenaustauschs“ zwischen beiden Kirchen gekommen sei, erläuterte Kruse, erscheine eine weitere Tätigkeit der Beratergruppe nunmehr als unnötig und zudem als Belastung der übervollen Terminkalender. Das für den 5. Dezember anberaumte Treffen des Ost-West-Gremiums in Berlin werde demnach entfallen. Der Ratsvorsitzende betonte, sich durchaus darüber im Klaren zu sein, „dass damit eine wichtige Begegnungsform endet, die unmittelbar nach der organisatorisch-rechtlichen Trennung der acht östlichen Landeskirchen von der EKD begonnen hat“. Er sprach denjenigen den besonderen Dank des Rates aus, die viele Jahre lang dazu beigetragen hätten, „die Beziehung zum Kirchenbund auf der Ebene der Beratergruppe in Treue und Beständigkeit“ zu festigen, und fügte hinzu: „Die Übergänge von West nach Ost waren ja nicht immer ohne Beschwer, manche Stunde wurde auf der Reise verbracht um der Wahrnehmung der besonderen Gemeinschaft willen.“ Kruse stellte eine Art bilanzierendes Gespräch in Aussicht, welches im Rahmen der „Sonder-Synodaltagung“ vom 22. bis 24. Februar des kommenden Jahres in Berlin81 stattfinden könnte.82 Bei der Sitzung des KKL-Vorstands am 80

Protokoll (Brinkel) der 138. Tagung der KKL vom 9./10.11.1990, S. 19, 22 (EZA, 101/3079). Beide Synoden tagten in diesem Zeitraum in Berlin-Weißensee und Berlin-Spandau, am 24.2.1990 gemeinsam in Berlin-Spandau. 82 Schreiben Kruse vom 20.11.1990 (EZA, 4/92/24). 81

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22. November fragte der Leiter des Sekretariats an, wie der Konferenzbeschluss vom 9./10. des Monats über die Auflösung der Beratergruppe umgesetzt werden solle. Ziegler berichtete von Heidingsfelds Anregung, allen Gruppenmitgliedern im Rahmen eines „gemeinsamen Essens den Dank auszusprechen“. Offenbar hatte der Vorstand keine Kenntnis von Kruses Brief, denn er konstatierte, dass der Vorsitzende der Konferenz sich im Namen des Bundes „in Abstimmung mit der EKD“ schriftlich bei den Teilnehmern der Beratergruppe für ihre Mitarbeit bedanken müsste. Die Veranstaltung eines gemeinsamen Essens lehnten die Anwesenden aus terminlichen Gründen ab.83 Im Auftrag der Bundessynode wandte sich Präses Cynkiewicz am 12. Dezember an den EKD-Synodenpräses, um ihm den „großen Dank der Synode für die umfangreiche finanzielle Hilfe“ zu übermitteln, die die acht Gliedkirchen des Kirchenbundes von der EKD „erhalten haben und noch erhalten“. Cynkiewicz verband diese spezielle Danksagung für die materielle Unterstützung beim Aufbau der Kirchengemeinden, die kirchliche Ausbildung und den Bau von Kirchengebäuden in der DDR mit dem umfassenden Dank für die Wahrung kontinuierlicher schwesterlicher und brüderlicher Beziehungen in der Zeit der deutschen Teilung und den Brückenbau „über die trennende und schmerzende Grenze“ hinweg: „Dass Sie mit uns im Gespräch waren, an uns und mit uns gedacht und für uns gebetet haben, das hat uns gestärkt und in harten Zeiten entscheidend geholfen! Wenn es auch in dem Prozeß der Zusammenführung von Bund und EKD für Sie manchmal so scheinen mag, als hätten wir dies alles vergessen und seien eher undankbar, so bleibt diese Erfahrung besonderer und tragender Gemeinschaft dennoch wesentlich für uns. Wer solche stärkende Anteilnahme und Teilgabe erfahren hat, weiß sich auch mit seinen schwachen Kräften an andere gewiesen, die solcher Hilfe bedürfen.“

Dies zeige sich beispielsweise in Ansätzen daran, dass nicht nur die Bundessynodalen, sondern auch zahlreiche Gruppen und Kirchengemeinden in der ehemaligen DDR sich ihrerseits um eine finanzielle und materielle Hilfeleistung für die Schwestern und Brüder in östlichen und südlichen Europa bemühten. So brachte Cynkiewicz abschließend ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass die besondere Gemeinschaft zwischen Kirchenbund und EKD und ihren Vertretern „über alle Zerreißproben hinweg“ Bestand haben werde.84 Am 17. Januar 1991 werteten die Mitglieder des Vorstands die Tagung aus, die Konferenz und Rat der EKD am 11. und 12. Januar gemeinsam durchgeführt hatten. Sie kamen dabei überein, dass es nicht in den Zuständigkeitsbereich des 83 Auszug Protokoll der 241. Sitzung des Vorstands der KKL am 22.11.1990. Hsl. war auf dem Protokollauszug vermerkt „Papierkorb?“ und in anderer Schrift: „nein!“ (EZA, 4/92/24). 84 Schreiben Cynkiewicz an Schmude vom 12.12.1990 (EZA, 101/2960).

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

BEK-Sekretariats falle, die „rechtlichen Voraussetzungen“ für die Tätigkeit der zu installierenden Berliner Außenstelle des Kirchenamtes der EKD zu schaffen, sondern die Vorbereitung einer entsprechenden Beschlussfassung durch den Rat und den EKD-Haushaltsausschuss die Aufgabe des Kirchenamtes sei. Hingegen sei ein Vorschlag zur personellen Besetzung der neuen Dienststelle vom Kirchenbund vorzulegen. Was die Auffüllung des Rates der EKD mit vier BEK-Vertretern anbelange, so müsse die Synode des Bundes darüber „im Einvernehmen“ mit der KKL entscheiden. Die Vorstandsmitglieder überlegten lediglich, welche Personen dem Wahlvorbereitungsausschuss der Synode vorgeschlagen werden könnten und einigten sich zunächst darauf, dass zwei der vier zu wählenden Ratsmitglieder „geborene Mitglieder der Konferenz und zwei gewählte Synodale“ sein sollten. Dabei sei es sinnvoll, solche Vertreter des Kirchenbundes zu benennen, „die in die gegenwärtigen Entscheidungsprozesse einbezogen“ seien. Der Vorstand kam nach dieser Diskussion zu dem Ergebnis, folgende Personen für eine Mitgliedschaft im Rat der EKD vorzuschlagen: Cynkiewicz, Harder, Hempel und Noack. Während der Tagung der Bundessynode müsse das „formelle Einvernehmen der Konferenz“ hergestellt werden.85 Seine Zustimmung zur Einstellung der Herausgabe des BEK-Mitteilungsblatts gab der Vorstand am 20. Februar. Dies könne allerdings nur unter der Voraussetzung erfolgen, dass jegliche „bis zum Ende der Arbeit des Bundes noch zu veröffentlichenden Texte und Dokumente“ im Amtsblatt der EKD erscheinen könnten.86 Im Verlauf der Tagung der Bundessynode vom 22. bis 24. Februar in Berlin-Weißensee – zeitgleich trat auch die EKD-Synode in Berlin-Spandau zusammen, beide Synoden tagten am letzten Tag gemeinsam in Spandau87 – erstattete Ziegler einen Sachstandsbericht88 über die Tätigkeit der kirchlichen Leitungsgremien sowie der Ausschüsse und der Kommissionen des BEK-Sekretariats seit der letzten Synodaltagung des Kirchenbundes vor der staatlichen Vereinigung am 3. Oktober 1990, die Ende September vergangenen Jahres in Leipzig stattgefunden hatte. Verabschiedet wurde unter anderem das Kirchengesetz „zur Regelung von Fragen im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit der Evangelischen Kirche in Deutschland“89 sowie der Beschluss „zu Erwartungen an die Gemeinschaft

85

Protokoll (Doyé) der 243. Sitzung des KKL-Vorstands am 17.1.1991, S. 1f. (EZA, 688/63). Protokoll (Doyé) über 244. Sitzung des KKL-Vorstands am 20.2.1991, S. 10 (EZA, 101/3094). 87 Zu einzelnen Berichten, Referaten, Wortbeiträgen und Beschlüssen auf beiden Synodaltagungen vgl. die 2. Lieferung des KJ 1990/91 (117./118. Jg.), S. 309–328. 88 Auszugsweise abgedruckt in der 2. Lieferung des KJ 1990/91 (117./118. Jg.), S. 311f. 89 Das Gesetz wurde in zwei Fassungen – von der EKD mit einer Enthaltung, vom Bund mit acht Gegenstimmen und einer Enthaltung – getrennt am 24.2.1991 in Berlin-Spandau verabschiedet. Vgl. den Wortlaut bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 458–464. EBD. sind auch die am 24.2.1991 gefassten Beschlüsse „Erklärung zum Golfkrieg“ (S. 451–453), „zur Seelsorge an Soldaten“ 86

Vom 9. November zur Vereinigung (1989–1991)

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in der Evangelischen Kirche in Deutschland“. Mit letzterem Beschluss kündigte der Kirchenbund die Beendigung seiner Arbeit zum 30. Juni 1991 an und sprach den Wunsch aus, dass er gemeinsam mit den westlichen Gliedkirchen einen Beitrag „zum Abbau der [im Beschluss] genannten Probleme und Konfliktfelder“ im vereinigten Deutschland leisten könne. Ferner müssten die kirchliche „Verantwortung für das Zusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands“ wahrgenommen und dem „ökumenischen Auftrag“ zum Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung entsprochen werden.90 Auf der Sitzung des KKL-Vorstands am 11. April wurde bekannt gegeben, dass der Ratsbevollmächtigte der EKD die Vereinbarung für ein Gespräch einer kleinen Gruppe von Vertretern des Kirchenbundes und der EKD mit dem Bundeskanzler am Abend des 4. Juni getroffen habe. Die EKD habe eine paritätische Besetzung von je drei Personen aus beiden Kirchen vorgeschlagen. Zwar war der Vorstand nicht ganz zufrieden, da er sich für die „ursprüngliche Absicht seiner Gesprächsbitte einen früheren Termin gewünscht“ hatte, entschied jedoch, sich mit dem Termin für diese Unterredung einverstanden zu erklären. Da die Initiative für ein Gespräch mit dem Bundeskanzler vom Vorstand ausgegangen sei und eine Erörterung der Lage in den neuen Bundesländern im Mittelpunkt stehen sollte, formulierten die Anwesenden die Bitte nach der Teilnahme eines weiteren BEK-Vertreters und einigten sich auf die Entsendung von Cynkiewicz, Demke, Harder und Hempel.91 Über diese Planung wurde die Konferenz am 10. und 11. Mai informiert. Ferner habe der Vorstand angeregt, dass der Kirchenbund in den Bericht des Vorsitzenden des Rates der EKD einbezogen werden solle. Auch sei in Aussicht genommen worden, gemeinsam mit der EKD ein „Wort zum 50. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion“ zu publizieren. Für eine nochmalige Zusammenkunft der Beratergruppe beider Kirchen sei der 6. Juni vereinbart worden. Auf der gleichen Sitzung stellte die KKL die positiven Entscheidungen der Gliedkirchen zum Einigungsgesetz zwischen BEK und EKD fest92 und beriet den Entwurf eines Wortes der Konferenz „zur Beendigung der Arbeit des Bundes“.93 Dem Vorstand präsentierte Zeddies am 16. Mai den (S. 454), „zur Anerkennung kirchlicher Ausbildungen aus dem Bereich des Bundes“ (S. 455 sowie 456), „zur Verwendung von Steuermitteln“ (S. 457) nachzulesen. 90 EBD., S. 449f.; hier 450. 91 Auszug aus Protokoll über 246. Sitzung des KKL-Vorstands am 11.4.1991 (EZA, 101/3095). 92 Vgl. den bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 465f., abgedruckten Brief vom 22.5.1991, mit dem Präses Cynkiewicz dem Ratsvorsitzenden Kruse über die Zustimmung der östlichen Gliedkirchen zum Kirchengesetz informierte und dessen Inkrafttreten für den 27.6.1991 anregte. Kruse teilte am 24.6.1991 mit, dass der Rat sich auf seiner Sitzung am 24./25.5.1991 einverstanden erklärt habe und angesichts der nun gegebenen rechtlichen Voraussetzungen die Einheit der EKD mit dem 27.6.1991 hergestellt sein werde. 93 Protokoll (Küntscher) der 141. KKL-Tagung am 10./11.5.1991, S. 2, 5 (EZA, 101/3080).

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Die Konsultationsgruppe und die Friedensverantwortung

Entwurf eines gemeinsamen Wortes „zum 22. Juni 1941/1991“, räumte jedoch sogleich ein, dass das EKD-Kirchenamt gegenüber dem Rat keine Empfehlung zur Verabschiedung des Wortes aussprechen wolle, da der „Anlaß nicht überzeugend erscheint“. Die Mitglieder des Vorstands hingegen vertraten die Ansicht, dass zwar einige Änderungen vorzunehmen seien – beispielsweise solle die „Bedeutung der Beziehungen zu den Kirchen“ deutlicher herausgestellt werden –, doch im Grundsatz die Veröffentlichung einer Verlautbarung anzustreben sei.94 Am 7. Juni konnte dann die Konferenz einstimmig ihr Wort „zum Ende der Arbeit des Bundes der Evangelischen Kirchen“ verabschieden. Im vorletzten Absatz des gleichermaßen bilanzierenden wie vorwärtsgewandten Textes wurde die Erwartung zum Ausdruck gebracht, „dass wir auch die uns in unserer Geschichte zugewachsenen Einsichten in diese Gemeinschaft [mit der EKD] einbringen können“.95 In der Unterredung mit dem Bundeskanzler am 4. Juni in Bonn, an der mit Cynkiewicz, Harder und Hempel nur drei Vertreter des Bundes, aber sechs Mitglieder der EKD96 teilgenommen hatten, sei unter anderem über die „Frage der Anpassung“ gesprochen und konstatiert worden, „dass die bisher Angepaßten sich schnell in der neuen Situation zurechtfinden, während die Aufrechten wieder zurückgesetzt werden“. Zum Themenkomplex Beziehungen zwischen Staat und Kirche hätten die BEK-Vertreter ihre „bisherige Erfahrung“ einer Kirche begründet, die „Distanz zur Macht übt“. Von der Bundesregierung sei betont worden, dass man durchaus Verständnis dafür habe, „dass erst neue Erfahrungen mit dem anderen Staat zu einer veränderten Einstellung führen können und dass dies Zeit braucht“. Die Erwartungshaltung an die Kirche richte sich demnach nicht auf uneingeschränkte Zustimmung ohne jegliche Kritik, sei jedoch mit der Hoffnung verbunden, dass die Distanz überwunden werden könne. Der bei der KKL-Sitzung anwesende von Keler vermittelte den Konferenzmitgliedern seine persönliche Wahrnehmung des Gesprächs und markierte dabei die Unterschiede zu früheren Unterredungen zwischen Vertretern der Bundesregierung und der EKD. Seinem Eindruck nach habe die Begegnung – „auch durch den Rahmen“ – dazu dienen sollen, „Berührungsängste“ abzubauen und eine vertrauensvolle Basis für das künftige Staat-Kirche-Verhältnis zu schaffen. Harder setzte die Anwesenden über die Anfrage des epd und der Kirche nach einem Interview mit ihm über das Zusammentreffen mit dem Bundeskanzler in Kenntnis. Er sei der Meinung, dass er den Wünschen nachkommen sollte, da bei dieser Gelegenheit auch die Gemeinden über das Gespräch mit der Bundesregierung informiert werden könnten. Die KKL kam im Zuge einer strittigen 94

Protokoll (Rückert) über 247. Sitzung des KKL-Vorstands am 16.5.1991, S. 2 (EZA, 101/3095). Abdruck bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 478–480; hier S. 480. 96 Beteiligt waren Binder, von Campenhausen, Hofmann, Jung, von Keler und Kruse. 95

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Debatte zu der Übereinkunft, in die Mitteilung über ihre Tagung an die Presse eine Information über die Begegnung vom 4. Juni aufzunehmen. Ferner sollten Cynkiewicz und Harder sich den beiden kirchlichen Presseorganen für ein Interview zu Verfügung stellen. Im Blick auf die geplante gemeinsame Stellungnahme von Bund und EKD anlässlich des 50. Jahrestags des Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni 1991 legte die Konferenz fest, dass ein solches gemeinsames Wort, dessen Endredaktion Cynkiewicz, Kruse und Zeddies überantwortet wurde, veröffentlicht werden sollte.97 Der Vorstand der KKL wertete diese Sitzung der Konferenz am 20. Juni aus, und Zeddies erläuterte den Anwesenden, welche Verabredungen und Übereinkünfte mit dem Vorsitzenden des Rates der EKD bezüglich des Wortes beider Kirchen zum 22. Juni98 und der gemeinsamen Erklärung von Rat und KKL zur Debatte um die rechtliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs99 erzielt worden waren.100 Besiegelt durch ihre Zustimmung zu dem Kirchengesetz, das die Fusion von BEK und EKD regelte, gehörten die östlichen Gliedkirchen, die beinahe auf den Tag genau zwölf Jahre lang im Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR zusammengeschlossen waren, vom 27. Juni 1991 an wieder der Evangelischen Kirche in Deutschland an.

97

Protokoll (Riese) der 142. KKL-Tagung am 7.6.1991, S. 3f. (EZA, 101/3080). Das Wort des BEK und der EKD „zum 22. Juni 1941/1991“, das am 17.6.1991 gleichzeitig in Berlin und Hannover veröffentlicht wurde, ist als letztes Dokument bei M. FALKENAU (Hg.), Kundgebungen, Bd. 2, S. 481f., abgedruckt. 99 Die Erklärung wurde am 20.6.1991 gemeinsam publiziert. 100 Protokoll (Doyé) über 248. Sitzung des KKL-Vorstands am 20.6.1991 in Berlin, S. 1 (EZA, 101/3095). 98

Resümee Ebenso wie die Gründung der Beratergruppe ist auch die Installation der bilateralen kirchlichen Konsultationsgruppe auf die Initiative des Kirchenbundes in der DDR zurückzuführen. Die besondere Aktualität der Friedensproblematik im internationalen politischen Kontext wog bei der Entscheidung von BEK und EKD, ihrer kirchlichen Verantwortung für erfolgreiche Abrüstungsverhandlungen der Großmächte und die Sicherung des Weltfriedens gerecht zu werden, weitaus schwerer als der Wunsch, ihre „besondere Gemeinschaft“ in der Praxis mittels eines weiteren, auf der Leitungsebene angesiedelten deutsch-deutschen Gremiums zu realisieren. Die EKD nahm das Gesprächsangebot ohne langes Zögern an und scheute sich diesmal nicht, hochrangige Mitglieder aus ihren Reihen zu nominieren. Ein zwar nicht ausschlaggebender, so doch aufschlussreicher Grund für die Bereitschaft der EKD, mit dem Kirchenbund in einen Dialog über die Friedensfrage einzutreten, mag das große Engagement der DDRKirchen auf diesem Gebiet und die daraus resultierende Kritik an der Passivität der bundesdeutschen Kirche gewesen sein. Dass sowohl die spezielle Aufgabenstellung sowie die Mandatsbestimmung für die Konsultationsgruppe klarer ausfielen als für das Ost-West-Beratergremium, ergab sich aus dem aktuellen politischen Anlass ihrer Konstituierung und der damit schärfer konturierten Beschäftigungsinhalte. Doch die Teilnehmer der Konsultationen waren – und auch an diesem Punkt zeigt sich eine Parallele zur Beratergruppe – dennoch immer wieder gezwungen, Überlegungen über ihre Aufträge, ihr Selbstverständnis, ihre personelle Zusammensetzung und die Struktur ihrer Gruppe anzustellen. Hintergrund dieser Unsicherheiten waren schwerwiegende und ausgesprochen zentrale Fragen, die wegen des Anspruchs an die Konsultationsgruppe als Zuarbeiterin und Beraterin beider kirchlicher Leitungsgremium auf einem Themenfeld, das unzweifelhaft zu den Aufgaben der christlichen Kirche im geteilten Deutschland gehörte, zudem aber von politischer Brisanz und Tragweite war, deutlicher zum Vorschein kamen. Zum einen handelte es sich um Grundsatzfragen, die den Kirchenbund und die EKD separat betrafen und beschäftigen mussten: In welchem Maße waren sie in den beiden Teilen Deutschlands beheimatet und damit deren Systembindung unterworfen? In welchem Verhältnis standen sie zu ihrem Staat und zu ihrer Gesellschaft? Welches Selbstverständnis und welche Aufgabenbestimmung hatten sie als Kirche und welche Rolle wurde ihnen aus Sicht von Regierung und Gesellschaft zuteil? Als Konsequenz aus

Resümee

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diesen Positionsbestimmungen ergab sich die Notwendigkeit, Antworten auf spezifischere Fragen wie zum Beispiel der nach dem politischen Mandat von Kirche, ihren Handlungsspielräumen und Einflussmöglichkeiten zu suchen. In der gemeinsamen Arbeit von EKD und BEK zeigte sich nicht nur, wie unendlich schwierig es war, die „besondere Gemeinschaft“ in der Praxis Gestalt gewinnen zu lassen – etwa in Form von von beiden Kirchen formulierten und verantworteten Stellungnahmen zu geschichtlichen Ereignissen oder aktuellen Anlässen –, sondern es blitzten unabhängig von diesen Versuchen immer wieder die genannten offenen und erst einmal beidseitig innerkirchlich klärungsbedürftigen Fragen auf. Die Verwirklichung der grenzübergreifenden kirchlichen Gemeinschaft hatte somit eine nicht zu unterschätzende katalytische Funktion für die evangelischen Kirchen, sich mit ihrem eigenen Kirchenverständnis und ihrem jeweiligen Auftrag in der Bundesrepublik und in der DDR auseinanderzusetzen. Im Umgang miteinander konfrontiert mit dem gegenseitigen Vorwurf der „Einmischung“ hielten sich Kirchenbund und EKD den Spiegel vor und beförderten den Prozess der Bewusstseinswerdung über die eigene Situation inklusive aller Unterschiede, die sich in über zwanzig Jahren ihrer Existenz in zwei deutschen Staaten herausgebildet hatten.

Fazit

Risiken, Kosten – und der Preis? Eine (kritische) Bewertung von Theorie und Praxis der „besonderen Gemeinschaft“

Im Sommer 1995 nahm der ehemalige Präsident der Kirchenkanzlei der EKD, Walter Hammer, die anstehende Veröffentlichung seiner zusammen mit UwePeter Heidingsfeld erarbeiteten Dokumentation aller Sitzungsniederschriften der Konsultationen zwischen Kirchenbund und EKD zum Anlass, um in einem persönlichen Brief an den langjährigen Leiter des BEK-Sekretariats, Martin Ziegler, nochmals zusammenzufassen, dass auch diese mit zusätzlichem Material angereicherte und sorgfältig kommentierte Dokumentation „nicht alles“ sein und die zahlreichen Facetten der „besonderen Gemeinschaft“ nicht zum Ausdruck bringen könne: „Da war mehr.“ Hammer verwies auf das „Zwischenmenschliche“, das „Brüderliche“, das die Mitglieder dieses „engsten Bindeglieds zwischen den gesamtkirchlichen Leitungen in Ost und West“ zu einer „ganz besonderen Gemeinschaft“ habe zusammenwachsen lassen. Im Anschluss an seine Schilderung der stets belastenden Grenzübergänge nach Ost-Berlin, des überwiegend „unkomplizierten“ Tons und immer „sachlich“ geführten kontroversen Debatten bei den Treffen sowie der besonders positiven Erinnerungen an diverse Klausurtagungen bilanzierte er im Blick auf die 1991 erfolgte kirchliche Wiedervereinigung: Wahrscheinlich habe er auch durch die Arbeit und das Erleben „innerhalb der ‚ganz besonderen Gemeinschaft‘ der Konsultationen“ „die Tiefe und die Breite der gewonnenen und bewahrten kirchlichen Gemeinschaft zwischen Ost und West in Deutschland überschätzt, so dass es zu meiner tiefen Enttäuschung über alles das kam, was sich dann als Hindernisse einer baldigen, fröhlichen, vertrauensvollen und vollen Zusammenführung von BEKDDR und EKD in den Weg stellte und für mich nicht nachvollziehbar war und blieb“.1 Ziegler bestätigte in seinem Antwortschreiben die grundsätzlich positiven Eindrücke und schönen Erinnerungen an die deutsch-deutschen Zusammenkünfte der Kirchen, räumt jedoch ein, dass „unsere Empfindungen aber […] doch wohl recht verschieden“ gewesen seien. Beispielsweise habe ihn Bischof Hans von Kelers Insistieren auf ein „neues und positives“ Nachdenken über 1 Schreiben Hammer an Ziegler von Ende Juli 1995. In: W. HAMMER /U.-P. HEIDINGSFELD, Konsultationen, S. 603–612; hier S. 603, 605, 611f.

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Fazit

die „Bedeutung von Nation“2 erstaunt. Ebenfalls mit Verwunderung reagierte Ziegler auf Hammers „Vermutung“, „der Gedanke an die Rückkehr in die DDR“ habe „all die schönen Eindrücke der Klausur am Bodensee3 überschattet“. Er betonte, in die DDR zurück immer „‚nach Hause‘!“ gefahren zu sein. Das von Hammer beschriebene Gefühl der Enttäuschung in der Wendezeit interpretierte Ziegler in diesem Kontext folgendermaßen: „Vielleicht ist es Ihnen schwergefallen, uns das abzunehmen, wie ich mir stets einen inneren Ruck geben mußte, um zu akzeptieren, wenn Bruder Binder und andere immer wieder einmal deutlich aussprachen: Bei aller Kritik, die Bundesrepublik ist unser Staat, den wir wollen! Bei meinem ersten Besuch in Bonn gab es ein Gespräch, in dem Bruder Kupas und ich nicht nur kritisch über die DDR berichteten, sondern auch einige Positionen der DDR-Regierung vertraten. Das wurde von einigen Gesprächsteilnehmern sehr schnell in wohlwollendem Ton quittiert: ‚Na ja, Sie müssen Zugeständnisse machen, sonst können Sie nicht wieder reisen.‘ Bruder Binder erzählte mir danach, es sei ihm schwergeworden, Teilnehmern dieser Runde klar zu machen, dass wir das, was wir da vertreten hatten, nicht taktisch verstünden, sondern ernst meinten. Ob wir uns das gegenseitig im Grunde nicht zugestanden haben, und ob daraus die Enttäuschungen erwuchsen, von denen Sie am Ende ihres Briefes schreiben?“4

Bei einer Tagung der Gesellschaft für Demokratie- und Zeitgeschichte Sachsen-Anhalt, die am 24. und 25. November 1995 in Naumburg stattfand, stellte Ziegler die Kontaktmöglichkeiten zwischen Bund und EKD für die 70er und 80er Jahre dar. Als problematisch habe sich letztlich erwiesen, dass die „besondere Gemeinschaft“ „als gegeben vorausgesetzt“ worden, ihre genaue Definition jedoch ausgeblieben sei, so dass „Ende der 80iger Jahre immer neue Versuche unternommen wurden, die ‚besondere Gemeinschaft‘, ihre Wurzeln und ihren Inhalt zu beschreiben“.5 Auch sei nicht konkretisiert worden, worin die beide Kirchen betreffenden gemeinsamen „Aufgaben“ bestünden. Zuletzt habe man – zumindest aus der Sicht beispielsweise der Freikirchen – offen gelassen, wer der „ganzen evangelischen Christenheit“ zuzurechnen sei. Ausgehend von dieser Situation sei zunächst die Beratergruppe gebildet worden, um im Sinne von Art. 4 (4) eine „Verständigungsplattform“ zwischen beiden Kirchen zu errichten. Ziegler schilderte, wie kompliziert sich die Tätigkeit des Gremiums gestaltete, weil die Mitgliederzahl immer weiter anwuchs, manche Teilnehmer nur sporadisch zu den Treffen kamen, anderen der Grenzübertritt in die DDR verweigert 2

So von Keler u. a. auf der Klausurtagung Anfang Mai 1988. Ende Mai 1987 in Fischbach am Bodensee. 4 Schreiben Ziegler an Hammer von Anfang August 1995. In: EBD., S. 612–615; hier S. 613f. 5 Die Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung begann bereits mit der Gründung des Bundes und wurde, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, nicht nur in der Berater- und der Konsultationsgruppe, sondern in verschiedenen kirchlichen Gremien in Ost und West kontinuierlich geführt. 3

Fazit

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wurde. So sei die Beratergruppe kaum dazu geeignet gewesen, „Entscheidungsprozesse in den Leitungsgremien“ beider Kirchen „wirklich vorzubereiten“. Auch habe die Gruppe trotz ihrer Besetzung mit Mitgliedern des KKL-Vorstands und des Rates der EKD „ausdrücklich keine Vollmacht“ für „verbindliche Absprachen und Vereinbarungen“ gehabt.6 Dennoch seien bei den gemeinsamen Zusammenkünften nicht nur Informationen ausgetauscht, sondern zuweilen auch aktuelle Probleme besprochen und kontroverse Debatten über Fragen geführt worden, die „nun tatsächlich beide Seiten der evangelischen Christenheit in Deutschland ‚betrafen‘“. Ihr „Verdienst“ beschrieb Ziegler folgendermaßen: „Sie hielt und vertiefte die Verbindung zwischen Leitungsverantwortlichen aus beiden Bereichen, und sie förderte auf Leitungsebene, auch in den Landeskirchen, das Wissen voneinander.“ Resultierend aus der Unzufriedenheit über die Uneffektivität und dem Wunsch, der ersten gemeinsamen Stellungnahme von Bund und EKD, dem „Wort zum Frieden 1979“, weitere folgen zu lassen, hätten die Kirchen 1980 die bilaterale Konsultationsgruppe installiert. Zunächst zur ausschließlichen Behandlung der Friedensfrage, ab 1984 dann mit thematisch erweitertem Auftrag, immer mit dem Ziel, für die kirchlichen Leitungsgremien von Bund und EKD Zuarbeit zu leisten. Als Ergebnis ihrer Tätigkeit seien die gemeinsamen Worte beider Kirchen zu betrachten. Trotz gewisser Pläne, nach der Wende beide Gruppen unter leicht veränderten Vorzeichen zu erhalten, hätten diese sich 1990 aufgelöst, da sich ihre „Verständigungsaufgabe“ nach dem Ende der „Trennungssituation“ erübrigt habe.7 In einer Gesamtbewertung des Beziehungsgeflechts zwischen EKD und Kirchenbund erläuterte Ziegler im Kontext der Enttäuschung über den nicht komplikationslosen kirchlichen Vereinigungsprozess, dass die grenzüberschreitenden Kontakte nicht die Wiederherstellung der Einheit der deutschen evangelischen Kirchen zum Fernziel gehabt hätten, sondern gerade die „eigenständige Wahrnehmung von Verantwortung für die Erfüllung übergreifender Aufgaben in getrennten Staaten und Gesellschaftssystemen ermöglichen“ sollten. Beide Kirchen hätten das „Maß der Einbindung“ in den jeweiligen Staat und das Gesellschaftssystem „unterschätzt“, da das gemeinsame Erleben sich auf „Ausnahmesituationen“ beschränkte, der Alltag jedoch getrennt erlebt wurde. Eine Verständigung über „Themen wie Friedenssicherung, Abrüstung, Sicherheitspartnerschaft, Vertrauensbildung, Aussöhnung zwischen den Völkern“ sei doch „nur partiell“ möglich gewesen. Mit seiner Schlussbemerkung verheimlichte Ziegler nicht die auf östlicher und westlicher Seite unter-

6 Ziegler weist an dieser Stelle darauf hin, dass daher „zu keiner Zeit über ihre Beratungen abgestimmte Protokolle verfaßt“ worden seien. 7 M. ZIEGLER, „Verständigungswege“, S. 1, 3ff.

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Fazit

schiedliche Bewusstseinsbildung und die damit verbundene Problematik, ohne jedoch den Wert der „besonderen Gemeinschaft“ zu mindern: „Das wurde offenbar, als die Wende auf die Vereinigung hinzuführen begann. Offenbar und spürbar wurde das unterschiedliche Kräfteverhältnis. Es ging schließlich nicht mehr, wie vielleicht in Loccum gewollt, um Verständigung über die Gestaltung eines neuen Miteinander, sondern um Gewinnung von Einverständnis, sich einzufügen in ein fertiges, in vier Jahrzehnten ausgebildetes System. Das war aber nicht mehr die EKD von 1948, in die man einfach hätte zurückkehren können, weil – so wurde argumentiert – man ja schon bei der Gründung dabeigewesen sei. Die Bedeutung der Verständigungswege zwischen Bund und EKD darf nicht von den Erfahrungen der Wende und der ‚Zusammenführung‘ her gewertet werden. Ihre Bedeutung liegt in dem, was sie während der Zeit der Trennung geleistet haben. Sie halfen, ‚besondere Gemeinschaft‘ nicht nur zu proklamieren, sondern zu leben.8

In seiner Erklärung zum zehnten Jahrestag der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten am 3. Oktober 2000 schreibt der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock mit durchweg positiver Tendenz, dass die Freude der evangelischen Kirche über die „friedliche Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands“ nach wie vor „ungeteilt“ sei, da mit der Auflösung der politischen Spannungen auch die Kriegsgefahr gebannt sei. Alle Beschwernisse und Belastungen, die zur Zeit der deutschen Teilung bestanden hätten, erschienen „heute nur noch wie ein schlechter Traum“. In diesem Kontext weist der Ratsvorsitzende darauf hin, dass die evangelischen Kirchen in beiden Teilen Deutschlands „in der Zeit der erzwungenen Trennung ihre ‚besondere Gemeinschaft‘ nachhaltig gepflegt“ hätten. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen sei durch „vielfältige Partnerschaften zwischen Kirchengemeinden lebendig“ geblieben, und der Wunsch nach Einheit sei bei derartigen Treffen über all die Jahre hinweg zu spüren gewesen. Von vielen DDR-Gemeinden seien oppositionelle Kritiker des SED-Regimes unterstützt worden und letztlich die in den Kirchen durchgeführten Friedensgebete „zu öffentlichen Bekundungen des Wunsches nach friedlichen Veränderungen“ geworden. Kock kommt abschließend zu der Bitte an alle Deutschen, „weiter Geduld miteinander“ zu haben auf dem Weg zur inneren Einheit. Zwar habe es in Deutschland nie „einheitliche Lebensverhältnisse“ gegeben, doch dürfe nicht hingenommen werden, dass das „Gefälle zwischen West und Ost“ dauerhaft größer bleibe als die Unterschiede innerhalb der alten Bundesländer.9 Die jüngste Stellungnahme, die an dieser Stelle die retrospektive Wahrnehmung und Bewertung der „besonderen Gemeinschaft“ durch die damaligen 8

M. ZIEGLER, „Verständigungswege“, S. 11f. Erklärung des Ratsvorsitzenden der EKD, Manfred Kock, zum 3.10.2000. Mitteilung der Pressestelle der EKD in Hannover vom 28.9.2000. 9

Fazit

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Protagonisten erhellen soll, stammt vom amtierenden Präses der EKD-Synode, Jürgen Schmude, der sich am 16. August 2001 in einem Interview mit idea zum Thema „über zehn Jahre neue Einheit der EKD“ äußerte. Zwar waren nicht die Beziehungen der Kirchen zwischen 1969 und 1990 Inhalt des Gesprächs, doch ergibt sich aus Schmudes Rückblick auf das seitdem vergangene Jahrzehnt ein interessantes Bild, das auch Aufschluss gibt über die praktizierte „besondere“ kirchliche Gemeinschaft: „Wir haben in dieser Zeit gut zueinander gefunden. Die Zusammenarbeit funktioniert und ist erfreulich. Immer offener und vorbehaltloser werden Themen diskutiert und Probleme einvernehmlich gelöst, bei denen es früher Vorbehalte und Verständigungsschwierigkeiten gab. Ich bin mit der Entwicklung sehr zufrieden.“

Was die spannende Frage anbelangt, inwieweit „Erfahrungen“ des ehemaligen Kirchenbundes und seiner Vertreter Eingang in die gesamtdeutsche EKD gefunden hätten, die auch heute noch präsent seien, konstatierte der Synodenpräses, dass bei der Behandlung von Themen, mit denen zur Zeit der Teilung im West- und Ostbereich in unterschiedlicher Weise umgegangen worden sei, eine „gesteigerte Sensibilität in kirchlichen Gremien“ wahrzunehmen sei. Schmude räumte ein, dass das, „was im Westen selbstverständlich war, auch bei der Kirchensteuer, dem Religionsunterricht und der Militärseelsorge, […] nicht gerade verändert, aber gründlich überdacht“ werde. Dies führe zu „manchmal recht bedeutenden“ Akzentsetzungen, besonders im Blick auf eine gründlichere Prüfung von „Geldausgaben für kirchliche Vorhaben“. Der seitens der Öffentlichkeit von der vereinten EKD erwartete „geistliche Ruck“, so stellte der Interviewer fest, sei „ausgeblieben“ und eine Zusammenlegung von durch den zunehmenden Mitgliederschwund „kleiner werdenden“ Landeskirchen in der ehemaligen DDR werde angedacht. Der Präses der EKD-Synode setzte dem entgegen, dass er einen „geistlichen Ruck“ weder erwartet habe noch ihn für vorstellbar halte. Auch wenn mögliche Zusammenschlüsse von ostdeutschen Landeskirchen insofern eine sinnvolle Lösung sein könnten, als klare Strukturen der Handlungsfähigkeit der Kirchen nur dienlich seien, wolle man sich seitens der EKD jeglicher „Bevormundung“ enthalten, zumal „stets berücksichtigt“ und „nicht aufs Spiel gesetzt werden“ dürfe, dass „Menschen in einer bestimmten Kirche ihre Heimat“ hätten. Ferner sei es zwar für die Gliedkirchen „im Westen und Süden Deutschlands“ schwer, nach wie vor die östlichen Landeskirchen finanziell zu unterstützen, doch könne von einer vom idea-Journalisten so bezeichneten „Müdigkeit in der Hilfsbereitschaft“ nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Die Frage, welche „Anstrengungen“ unternommen werden könnten, um einem Zerfall der Volkskirche in den neuen Bundesländern mittels „Bemühungen einer intensiven Evangelisation zu verstärken“, beantwortete Schmude mit dem Hinweis, dass die

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Fazit

Landeskirchen im Bereich der ehemaligen DDR „auf ihre Weise und nach ihrem Urteil […] ihre Chancen für die Verkündigung“ mit beachtlichem Aktivitäten nutzten. „Dass Evangelisationswochen selten sind, wie wir sie im Westen kennen und schätzen, entspricht einer im Osten verbreiteten Zurückhaltung gegenüber dieser Verkündigungsform. Es gibt eben unterschiedliche Wege.“ Die Kirche als Volkskirche sei eine Kirche für alle und werde darum auch in der Zukunft Bestand haben: „Wer sonst, als diese Kirche stünde dafür zur Verfügung; eine andere gibt es nicht. Damit rechnen sogar diejenigen, die normalerweise der Kirche fremd gegenüber stehen.“10 Diese bei genauerem Hinsehen recht unterschiedlichen Voten dreier Vertreter des westlichen und eines des östlichen Kirchenbundes bieten einen guten Einstieg, um die Ergebnisse der Untersuchung von Theorie und Praxis der „besonderen Gemeinschaft“ zusammenzufassen und eine abschließende Wertung vorzunehmen. Als die Evangelische Kirche in Deutschland, der – wie auch der Katholischen Kirche – nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aufgrund ihrer weitgehenden Unverdächtigkeit hinsichtlich einer Beteiligung an den Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes und ihres organisatorischen Intaktseins in einem zerstörten Deutschland eine extrovertierte Vermittlerrolle gegenüber den Alliierten zukam, mit der doppelten Staatsgründung konfrontiert wurde, stand sie vor folgender Herausforderung: Die EKD wurde als letzte Klammer zwischen der Bundesrepublik und der DDR, als Brücke zwischen den getrennten Angehörigen einer deutschen Nation gesehen. Sie übernahm bereitwillig die ihr angetragene Rolle, sich für den Zusammenhalt der Deutschen und eine politische Vereinigung einzusetzen. Mit dieser schwierigen Aufgabe setzten sich die Kirchenvertreter aus Ost- und Westdeutschland intensiv auseinander und versuchten, auch jenseits des seelsorgerlich-begleitenden Auftrags einer christlichen Kirche Einfluss auf die politische Entwicklung zu nehmen. Sehr rasch zeichnete sich dabei ab, dass die kirchlichen Bemühungen um den Erhalt einer deutschen Nation beziehungsweise die Rückgewinnung der Einheit Deutschlands selbst mit Chance nur unter einer Voraussetzung von Erfolg gekrönt sein könnten: Eben diese EKD musste als ein gesamtdeutscher kirchlicher Zusammenschluss bewahrt werden – oder aber zumindest die Möglichkeit zur grenzübergreifenden Zusammenarbeit und Handlungsfähigkeit der ost- und westdeutschen Gliedkirchen gewährleistet sein. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, die vormals „bestehende“ in eine „besondere“ Gemeinschaft umzuwandeln. Was folgte, war ein langwieriger Denk- und Entscheidungsfindungsprozess, an dessen vorläufigem Ende im Jahr 1969 die Gründung eines organisatorisch und rechtlich eigenstän10 Interview mit J. Schmude: „Bei der Hilfe des Westens für den Osten: Von Müdigkeit keine Spur“. In: idea Nr. 93/2001 vom 16.8.2001, S. 16f.

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digen Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR stand, der in seiner Ordnung eben diese „besondere Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“ verankerte – in Gestalt von Art. 4 (4). Dabei handelte es sich um ein zunächst lediglich theoretisches Bekenntnis, dem sich auch die westdeutsche Rest-EKD anschloss. Die „Geburtsfehler“ der „besonderen Gemeinschaft“ hat Ziegler konzis beschrieben: Sie wurde schlicht als gegeben vorausgesetzt und nicht klar definiert, was zugegebenermaßen allein aufgrund der quer durch die EKD verlaufenden theologischen Prägungen und persönlich-menschlichen Erfahrungen ein komplizierter Vorgang gewesen wäre. Zweifellos gab es immer wieder – bis zum Zusammenbruch der DDR – zahlreiche Versuche und vielschichtige Ansätze, zu einer verbindlichen Begriffsbestimmung und damit gleichfalls zu einem Konzept für die praktische Umsetzung der „besonderen Gemeinschaft“ zu kommen. Vorerst wurde im Zuge der Bildung des Kirchenbundes in der DDR sogleich die sogenannte Beratergruppe installiert, um die „besondere Gemeinschaft“ nicht zur Formel verkommen zu lassen, sondern sie mit Leben zu erfüllen. Das hieß, ohne jegliche Überschätzung oder Idealisierung der widrigen realen Gegebenheiten, ein Gremium zu bilden, welches zuständig war für den wechselseitigen Austausch von Informationen, Befindlichkeiten und Entwicklungen der Kirchen in der Bundesrepublik und in der DDR mit dem Ziel, sich nicht aus den Augen zu verlieren sowie das Wissen umeinander wach zu halten. Die „Geburtsfehler“ der „besonderen Gemeinschaft“ wirkten sich auf diesen Gesprächskreis aus. Seine Mitglieder hatten keinerlei Vollmachten, die Fluktuation der Teilnehmer erschwerte die gemeinsame Tätigkeit. Die Risiken, die dieser gesamtdeutschen Konstellation anhafteten, waren nicht wenige: Für den Bund in der DDR wirkte sie sich hemmend auf seine Standortfindung und eine eigenständige Entwicklung als Kirche in einem sozialistischen Staat mit atheistischer Weltanschauung aus. Die SED verweigerte ihm die staatliche Anerkennung mit dem Hauptargument, bleibende Verbindungen zur sogenannten NATO-Kirche, die später mit dem Vorwurf des „Sozialdemokratismus“ belegt wurde, fungierten als ideologisches Einfallstor für die Beeinflussungsversuche der Bundesregierung und der feindlichen imperialistischen Welt mit dem Ziel, die Konsolidierung der DDR und den Aufbau des Sozialismus zu verhindern. Der Kirchenbund stütze die „Alleinvertretungsanmaßung“ der Bundesrepublik für das ehemals Ost und West umfassende Deutschland. Vor allem für die westliche EKD war es abgesehen von den Unannehmlichkeiten der Grenzübertritte in die DDR riskant, beim Transfer von Material und Informationen verschiedenster Art auch Kircheninterna unfreiwillig „fremden Ohren“ preiszugeben – eine Situation, mit der die Vertreter des BEK alltäglich umgehen mussten. Für beide Kirchen gilt, dass sie für ihr Festhalten an der „besonderen Gemeinschaft“ und ihre Eignung und Bereitschaft für Mittlerdienste zwischen beiden deut-

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schen Staaten nicht nur Dankbarkeit, Lob und Freude ernteten. Sie setzten sich gleichzeitig der Kritik aus, sich bei ihrem eigenen und dem jeweils anderen Regime anzubiedern, aus Rücksichtnahme auf den kirchlichen Partner in der Bundesrepublik beziehungsweise der DDR eine schwache oder unklare Position einzunehmen oder gar zu bedeutenden Anlässen ganz zu schweigen. Die EKD musste umgehen mit den kritischen Hinweisen, sie stabilisiere mit materiellen und finanziellen Hilfeleistungen, Familienzusammenführungen und Häftlingsfreikäufen letztlich eine marode DDR und stärke das SED-Regime, während der Bund sich fragen lassen musste, inwieweit er als Gegenleistung für die Unterstützung der Westkirchen zur Loyalität verpflichtet sei. Angriffsfläche boten Kirchenbund und EKD nicht nur für Unverständnis und Misstöne seitens der Regierungsverantwortlichen, der gesellschaftlichen Gruppen und der Medien, sondern ebenfalls der Vorwürfe aus den eigenen Reihen. Die zur spezifischen Wahrnehmung kirchlicher Verantwortung für Abrüstung, Frieden und Sicherheit in Europa im Jahr 1980 gegründete Konsultationsgruppe verstärkte die Risiken für die Kirchen in Ost- und Westdeutschland eher, als dass sie sie vermindert hätte. Denn die „Friedensfrage“ war ein drängendes und hochbrisantes Thema, ihre Lösung ein urchristliches und politisches Anliegen, die – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen und mit divergierenden Zielstellungen – im Interesse der Bundesregierung und der DDR war. So entwickelten sich auf den ersten Blick überraschende Koalitionen: Die SED sah analog zu dem von ihr propagierten Verständnis der DDR als „Friedensstaat“ Anknüpfungsmöglichkeiten an den christlichen Friedensauftrag und spekulierte auf die Unterstützung ihrer „Friedenspolitik“ durch den Kirchenbund. Dieser wiederum preschte vor mit dem Konzept einer „Erziehung zum Frieden“ und Forderungen nach dem Abrücken von der Militarisierung der DDR-Gesellschaft, einem „sozialen Friedensdienst“ an Stelle der Bausoldatenregelung und bevorzugte in seinen Synodenverlautbarungen die Verweigerung des Dienstes an der Waffe oder des Militärdienstes überhaupt als „deutlicheres Zeichen“ für den Willen zum Frieden. Aber auch in der Zusammenarbeit mit der EKD erwies sich diese kompromisslose Haltung als konfliktträchtig, zumal diese hinsichtlich der christlichen Entscheidungen zur Wehrdienstfrage die Totalverweigerung zu keinem Zeitpunkt als in Frage kommende Option benannt hat. Beide Kirchen hatten 1979 das erste „Gemeinsame Wort“ zum Frieden in beidseitiger Verantwortung publiziert und damit ein als starkes Symbol verstandenes Zeugnis der grenzübergreifenden kirchlichen Friedensverantwortung geliefert. Doch zeigte sich nun, wie weit fortgeschritten die Systembindung von Bund und EKD in der Tat war. Die zwangsläufige, für die jeweilige Existenz und Handlungsfähigkeit der Kirchen in den zwei deutschen Staaten notwendige Identifikation mit ihrem staatlichen und gesellschaftlichen Umfeld brachte die „besondere Gemeinschaft“ ins Schwan-

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ken. Der Vorwurf der „Hineinredens“, der „Einmischung“ in innerkirchliche Meinungsbildungsprozesse, spezifisch west- beziehungsweise ostdeutsche Belange und staatliche Zuständigkeiten wurde nicht nur von den „schonungsbedürftigen“ Brüdern und Schwestern in der DDR an die EKD, sondern auch umgekehrt formuliert. Es offenbarte sich, dass sehr grundlegende Fragen unbeantwortet waren: Muss es eine klare Trennung von Kirche und Staat geben? Hat eine Kirche ein politisches Mandat? Was können Bund und EKD wirklich gemeinsam sagen? Diese Grundsatzfragen wurden sowohl in der Berater-, als auch in der Konsultationsgruppe durchaus thematisiert, die evangelischen Kirchen vermieden es nicht, sie einer nachhaltigen Klärung zuzuführen, sondern berieten in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder darüber, weil es für die Definition von Aufgaben- und Zielstellung beider Gremien unabdinglich war. Die sogenannte Wende überholte derartige Überlegungen, denn jetzt galt es, auf der Basis der wie immer gearteten „besondere Gemeinschaft“ zwei Kirchen im geteilten Deutschland zu fusionieren. In diesem Kontext zeigte sich sehr deutlich der Grad ihrer Tragfähigkeit und der Preis, den Bund und EKD für ihr Beharren und ihre Bemühungen um den Zusammenhalt der evangelischen Christenheit gezahlt hatten: Der Zerfall einer deutschen Nation hatte nicht verhindert werden können und die Kirchen hatten sich in zwei unterschiedlichen deutschen Staaten an der„Nahtstelle“ der Systeme etabliert. Doch waren weder der zwischenkirchliche Dialog noch das Wissen um die Positionierung der Kirchen in der Bundesrepublik und in der DDR verloren gegangen. Und davon profitierten viele Menschen in Ost- und Westdeutschland, weil sie nicht vergessen wurden, Verwandte oder Vertraute besuchen konnten, Kontakt hielten. Letztlich „bezahlen“ musste der Bund der Evangelischen Kirchen – Befürchtungen, die „Errungenschaften“ einer „Kirche im Sozialismus“ preisgeben zu müssen, bewahrheiteten sich zum Beispiel an prekären Themen wie der Militärseelsorge und des Schwangerschaftsabbruchs. Die Kosten der EKD beliefen sich auf einen Lernprozess über ihre eigene Stellung innerhalb eines demokratischen und pluralistischen Systems, in das der Kirchenbund nun übernommen werden sollte. Ein wichtiger Prozess mit zweifellos offenem Ende – den evangelischen Kirchen kann es nur nutzen, die grundlegenden Fragestellungen immer wieder zu erörtern.

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III. Zeitzeugengespräche/Interviews (Mitschriften im Besitz der Verfasserin) Uwe-Peter HEIDINGSFELD, 1998 in Berlin. Reinhard HENKYS, am 3.5.2000 in Falkenwalde. Albrecht SCHÖNHERR, am 7.7.1999 in Berlin.

Abkürzungen

AAK ABF Abg. Abt.ltr. ACDP AdK ADN AdW AfG AG AGCJ AGCK AGK AKG AKH APO APW ASR Ass. ASt AWO BArch BDVP BEK BK BL BND BStU BT BV CDU CFK

Ausschuss für die Arbeit der Kommissionen (des BEK) Arbeiter-und-Bauern-Fakultät Abgeordnete/r Abteilungsleiter/in Archiv für Christlich Demokratische Politik Akademie der Künste der DDR (ab 1972, vorher DAK) Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst Akademie der Wissenschaften (bis 1972: DAW) Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (bis 1976: Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED) Arbeitsgruppe, Arbeitsgemeinschaft Arbeitsgemeinschaft Christlicher Jugend in der DDR Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der DDR Arbeitsgruppe Koordinierung des BEK-Sekretariats Auswertungs- und Kontrollgruppe (des MfS) Aktionskreis Halle (1969 gegründet; einzig organisierte polit.-kritische Gruppierung innerhalb der kath. Kirche in der DDR) Außerparlamentarische Opposition Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften in Potsdam-Babelsberg (bis 1973 DASR) Assistent/in Außenstelle (des BStU-Zentralarchivs Berlin) Arbeiterwohlfahrt Bundesarchiv Bezirksdienststelle bzw. Bezirksbehörde der Volkspolizei (außer Berlin) Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR Bekennende Kirche Bezirksleitung Bundesnachrichtendienst Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Bezirkstag Bezirksverband, Bezirksverwaltung Christlich Demokratische Union Christliche Friedenskonferenz

Abkürzungen DA

DAK DASR DAW Dir. Dok. DSF DSV DSTB DVP ehrenamtl. EKD EKiBB EKU em. EMAU Greifswald ENA EOS epd ESG EVA EZA FAK FDGB FDJ FEST FSU Jena FU Berlin GBl. Gen. Genn. GEP Germ. GI GKR GMS GO

703

Deutschland-Archiv. Zeitschrift für das vereinigte Deutschland (bis 1990: Zeitschrift für Fragen der DDR und der Deutschlandpolitik; 1990 zeitweise: Zeitschrift für deutsche Einheit) Deutsche Akademie der Künste (1950–62, 1962–72: Deutsche Akademie der Künste zu Berlin, ab 1972: Akademie der Künste der DDR) Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften in PotsdamBabelsberg (bis 1973, danach ASR) Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin (ab 1972: AdW) Direktor/in Dokument Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (ab 1949, vorher: Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion) Deutscher Schriftstellerverband (1952–73, dann: Schriftstellerverband der DDR) Deutscher Turn- und Sportbund (DDR; gegr. 1975) Deutsche Volkspolizei ehrenamtlich Evangelische Kirche in Deutschland Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg Evangelische Kirche der Union emeritus Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Ev. Nachrichtendienst in der DDR Erweiterte Oberschule Evangelischer Pressedienst (West) Evangelische Studentengemeinde Evangelische Verlagsanstalt Evangelisches Zentralarchiv Facharbeitskreis Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Freie Deutsche Jugend Forschungsstätte der Ev. Studiengemeinschaft in Heidelberg Friedrich-Schiller-Universität Jena Freie Universität Berlin (West) Gesetzblatt (der DDR) Genosse, General Genossin Gemeinschaftswerk Evangelischer Publizistik Germanistik Geheimer Informator Gemeindekirchenrat Gesellschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheit Geschäftsordnung

704 GST GVP HA Habil. HAL hauptamtl. HfÖ Berlin HU Berlin HV idea IFM IM IMB IME IML IMS IMV INF JHS Potsdam Kand. KB

KD KEK KJVD KKJ KKL KL KMU Leipzig KonsR KP KPD KPdSU KPS KSZE KT KVP KZ LA

Abkürzungen Gesellschaft für Sport und Technik Gesamtdeutsche Volkspartei (Selbstauflösung Mai 1957) Hauptabteilung Habilitation Hauptabteilungsleiter hauptamtlich Hochschule für Ökonomie „Bruno Leuschner“ Berlin-Karlshorst Humboldt-Universität zu Berlin (Ost) Hauptverwaltung Informationsdienst der Ev. Allianz Initiative Frieden und Menschenrechte Inoffizieller Mitarbeiter (des MfS) Inoffizieller Mitarbeiter mit „Feindverbindung“ Inoffizieller Mitarbeiter für einen besonderen Einsatz Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED Inoffizieller Mitarbeiter zur polit.-op. Durchdringung und Sicherung des Verantwortungsbereichs (MfS) Inoffizieller Mitarbeiter mit vertraulichen Beziehungen zu im Vorgang bearbeiteten Personen (ab 1979 IMB) Intermediate Range Nuclear Forces (Bezeichnung für mit nuklearen Sprengköpfen versehene Mittelstreckenraketen) Juristische Hochschule des MfS in Potsdam-Eiche Kandidat/in Kulturbund (bis 1958: Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, bis 1972: Deutscher Kulturbund, dann: Kulturbund der DDR) Kreisdienststelle Konferenz Europäischer Kirchen Kommunistischer Jugendverband Deutschlands (1920–25 Kommunistische Jugend Deutschlands) Kommission für Kirchliche Jugendarbeit Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR Kreisleitung Karl-Marx-Universität Leipzig Konsistorialrat/Konsistorialrätin Kirchenprovinz, Kommunistische Partei Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei der Sowjetunion Kirchenprovinz Sachsen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Kreistag Kasernierte Volkspolizei Konzentrationslager Landesarchiv

Abkürzungen LB LHA LK LKA LKR Ltg. Ltr. LWB MBFR MBl MdB MdI MdL MfAA MfS Min. Min.präs. Min.rat Mitgl. MLU Halle mot. msl. nat. NATO ND NDPD nebenamtl. NF NKFD NR NVA ÖJD Ökum. ÖRK ÖV OB OibE OKonsR OKR OLKR OPK ord. Ost-CDU

705

Landesbischof Landeshauptarchiv Landeskirche Landeskirchenamt, Landeskirchenarchiv bzw. Landeskirchliches Archiv Landeskirchenrat Leitung Leiter/in Lutherischer Weltbund Mutual Balanced Forces Reductions (Beiderseitige ausgewogene Truppenreduzierung; seit 1971/73) Mitteilungsblatt des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR Mitglied des Bundestages Ministerium des Innern Mitglied des Landtages Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Ministerium für Staatssicherheit Minister, Ministerium Ministerpräsident Ministerrat Mitglied Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg motorisiert maschinenschriftlich national Nordatlantik-Pakt (North Atlantic Treaty Organisation) vom 4.4.1949 Neues Deutschland Nationaldemokratische Partei Deutschlands nebenamtlich Nationale Front Nationalkomitee Freies Deutschland Nationalrat Nationale Volksarmee Ökumenischer Jugenddienst Ökumene, ökumenisch Ökumenischer Rat der Kirchen Ökumenische Versammlung Oberbürgermeister/in Offizier im besonderen Einsatz (MfS) Oberkonsistorialrat/Oberkonsistorialrätin Oberkirchenrat/Oberkirchenrätin Oberlandeskirchenrat/Oberlandeskirchenrätin Operative Personenkontrolle (MfS) ordentlich Christlich-Demokratische Union (DDR)

706 OSV OV parl. PB PDS pers. PH PHS Berlin Präs. polit. POS RAD RdB RdK RdS Reg. Rep. ROK SAJ SALT SAPMOBArch SBZ SED Sekr. SEW SfS SHV SMAD SoFd sowj. SPD START Stellv. SV Syn. Syst. Teiln. TH

Abkürzungen Ordnungsstrafverfahren Operativer Vorgang (MfS) parlamentarisch Politbüro Partei des Demokratischen Sozialismus persönlich Pädagogische Hochschule Parteihochschule „Karl Marx“ beim ZK der SED in Berlin Präsident/in politisch (Allgemeinbildende) Polytechnische Oberschule Reichsarbeitsdienst Rat des Bezirks Rat des Kreises Rat der Stadt Regierung Repositum, Republik Russische Orthodoxe Kirche Sozialistische Arbeiterjugend Strategic Arms Limitation Talks (Begrenzung strategischer Rüstungen; Gesprächsbeginn: 17.11.1969) Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR (ehemaliges Zentrales Parteiarchiv der SED) im Bundesarchiv Sowjetische Besatzungszone Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sekretariat, Sekretär/in Sozialistische Einheitspartei West-Berlins Staatssekretariat für Staatssicherheit (23.7.1953–24.11.1955), danach wieder MfS (wie 8.2.1950–23.7.1953) Sekretariat des Hauptvorstandes (der Ost-CDU) Sowjetische Militäradministration in Deutschland Sozialer Friedensdienst sowjetisch Sozialdemokratische Partei Deutschlands Strategic Arms Reduction Talks (Reduzierung strategischer Rüstungen; Gesprächsbeginn: 29.6.1982 Stellvertreter/in Schriftstellerverband der DDR (ab 1973, vorher: Deutscher Schriftstellerverband) Synodale/r Systematik, systematisch Teilnahme, Teilnehmer/in Technische Hochschule

Abkürzungen ThSA TU Ufrd. VEB VELKDDR VHS VK Vors. Vorst. VP VPKA WPU Rostock ZA Berlin ZAIG ZK ZKG ZPKK ZR

707

Theologische Studienabteilung (beim BEK) Technische Universität Unionsfreund Volkseigener Betrieb Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik Volkshochschule Volkskammer (DDR) Vorsitzende/r Vorstand Volkspolizei Volkspolizeikreisamt Wilhelm-Pieck-Universität Rostock Zentralarchiv Berlin (des MfS bzw. des BStU) Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe (des MfS) Zentralkomitee Zentrale Koordinierungsgruppe Übersiedlung (des MfS) Zentrale Parteikontrollkommission Zentralrat

Personenregister/Biographische Angaben

A DENAUER, Konrad 53 Geb. 1876, gest. 1967. 1902–04 Gerichtsassessor bei der Staatsanwaltschaft u. Hilfsrichter am Landgericht Köln, 1906 Beigeordneter der Stadt Köln, 1917–33 OB von Köln, 1920–33 Mitglied u. Präs. des Preußischen Staatsrates, 1944 Verhaftung, 1945 OB von Köln, Gründungs- u. Vorstandsmitglied der Christlich-Demokratischen Partei des Rheinlandes, CDU-Vors. des Landesverbandes Rheinland, 1946 Vors. der CDU in der brit. Besatzungszone, 1946 (ernanntes) MdL NRW, CDU-Fraktionsvors., 1947 Vors. der Fraktionsgemeinschaft der CDU/CSU, 1948/49 Präs. des Parlamentarischen Rates, 1949–63 Bundeskanzler, 1950–66 Bundesvors. der CDU. A DLER, Elisabeth 380 Geb. 1926. Germanistikstudium, 1966–86 Akademieleiterin der Ev. Akademie in Berlin-Brandenburg, Vors. des FAK „Ökumenische Dienste“ des BEK. A PEL, Hans 463 Geb. 1932. Volkswirt, 1965–90 MdB, 1972–74 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesmin. des Auswärtigen, 1974–78 Bundesfinanzmin., 1978–82 Bundesverteidigungsmin. BAHR, Egon 192 Geb. 1922. Journalist, 1969–72 Staatssekr. im Bundeskanzleramt, entscheidend beteiligt an den Verhandlungen um den deutsch-sowjetischen Grundvertrag, 1972–90 MdB, 1972–74 Bundesmin. für besondere Aufgaben, 1974–76 Bundesmin. für wirtschaftl. Zusammenarbeit, 1976–81 Bundesgeschäftsführer der SPD, 1984–94 Ltr. des Instituts für Friedensforschung u. Sicherheitspol. in Hamburg. BARTH, Hermann 558, 569, 583, 594, 597f., 622 Geb. 1945. 1970 1. theol. Examen, 1970–77 wiss. Ass. an der Univ. Hamburg (Alttestamentliches Seminar), 1974 Prom. (Dr.theol.), 1977–78 Vikariat in einer Ev.-reformierten Gemeinde in Hamburg, 1978 2. theol. Examen, 1978–85 Pfarrer in Kerzenheim/Pfalz, 1985–93 OKR im Kirchenamt der EKD (Referat öff. Verantwortung der Kirche), 1993–2005 Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD, Mitgl. des Fernsehrates des ZDF, seit 2005 Präsident des Kirchenamtes der EKD. BARTH, Willi 105, 107, 132, 134, 198, 202, 256 Geb. 1899, gest. 1988. 1914–18 Ausbildung zum Tischler, 1917–28 Tischler in Gotha und Erfurt, 1919/20 USPD, 1920 KPD, polit. Ltr. der Ortsgruppe Ingersleben, 1923 Mitgl. und Verbindungsmann der „Proletarischen Hundertschaften“ von Ingersleben, Mitwirkung bei deren Bewaffnung, 1928–31 Instrukteur beim Verband proletarischer Freidenker in Gotha, 1930 stellv. Bürgermeister von Ingersleben, 1931 Rosa-Luxemburg-(Partei-)Schule des ZK der KPD, 1931–33 Bezirkssekr. der „Roten Hilfe“ des Bezirksverbands Thüringen, 1933/34 illegale Tätigkeit für die „Rote Hilfe“ in Hanno-

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Personenregister/Biographische Angaben

ver und Berlin, 1934–36 Emigration nach Prag als Mitgl. der Ltg. der „Roten Hilfe“, 1938–40 Emigration und Internierung in England, 1940–42 Internierung in Kanada, 1942 nach England entlassen, 1942–46 Tischler in Manchester/England, 1946 Mitarb. im Rückwanderungsbüro, 1946 Rückkehr über Jugoslawien nach Deutschland, SED, 1946–49 Referent bzw. Hauptreferent der Abt. staatliche Verwaltung beim ZK der SED, 1948/49 Halbjahreslehrgang an der PHS „Karl Marx“ Berlin, 1949 Ltr. der Abt. Kommunalpolitik beim ZK der SED, ab 1950 stellv. Ltr. der Abt. staatl. Verwaltung beim ZK der SED, 1954–77 Ltr. der AG Kirchenfragen, dann der Abt. Kirchenfragen beim ZK der SED, 1977 Ausscheiden aus Gesundheitsgründen, bis 1988 Parteiveteran und Mitgl. der Zentralen Kommission zur Betreuung alter verdienter Parteigenossen. BASSARAK, Gerhard 62, 176 Geb. 1918. 1934 Mitgl. der BK, 1937–45 RAD und Soldat, 1946–50 Theologiestudium an der MLU Halle-Wittenberg, 1950 Studieninspektor und Vikar in Halle, 1953 Ordination, 1953–55 Reisesekr. der ESGs in der DDR und Studentenpfarrer in Berlin (HU und FU Berlin), 1955 Verhaftung in West-Berlin wg. angeblicher Kontakte zum MfS, 1956–66 erst Studienltr., ab 1961 Ltr. der Ev. Akademie Berlin-Brandenburg, 1958 Mitbegr. und Leitungsmitgl. des WAK, 1963–76 Int. Sekr. der CFK, 1965 Prom. (Dr.theol.) in Prag, 1966–68 Habilitationsaspirantur an der HU Berlin, 1967–69 Prof. für Ökumenik an der Theol. Fak. der MLU Halle-Wittenberg, 1969–83 ord. Prof. für Ökumenik an der HU Berlin, 1978–90 (Austritt) einer der Vizepräs. der CFK; Mitgl. des Präsidiums des Friedensrates und der Liga für die Vereinten Nationen der DDR. Wurde vom MfS als IM „Buss“ geführt. BASSE, Ottokar 171f. Geb. 1924, gest. 1999. 1970–74 Mitgl. des OKR der württembergischen Landeskirche, 1974 vom Rat berufenes Mitglied der EKD-Synode, Ruhestand, Prediger auf Juist. BAUM, Karl-Heinz 423ff. Geb. 1941. 1961–68 Studium der Gesch., Politologie, Soziologie und Publizistik an der FU Berlin und in Mainz, seit 1968 freier Journalist in Rheinland-Pfalz und im Saarland, 1977–90 Korrespondent der FR in Ost-Berlin, seit 1990 Berliner Korrespondent der FR. BECKER, Nikolaus 413 Geb. 1929. Studium der Theol. und Rechtswiss. (Assessor-Examen), Landeskirchenrat, OKR und Mitgl. der Kirchenleitung, jur. Dirigent der Ev. Kirche im Rheinland, Mitgl. des Rates und der Synode der EKU sowie der EKD-Synode. BEGEMANN, Helmut 313f., 394f., 413, Geb. 1928. 1952/1954 1. und 2. theol. Examen, 1954–57 Präsidialvikar, 1957–58 Studentenpfarrer in Bielefeld und Ass. an der Kirchl. Hochschule Bethel, 1960 Prom. (Dr.theol.), 1958–78 Pfarrer in Lübbecke, 1963–78 Sup. des Kirchenkreises Lübbecke, 1970 nebenamtl. Mitgl. der Kirchenleitung der Ev. Kirche von Westfalen, 1978 Theol. Vizepräs. der Ev. Kirche von Westfalen, ab 1987 Pfarrer in Lemgo/Lippe, Mitgl. der EKD-Synode. BEHM, Hans-Jürgen 52, 61ff., 66, 83, 86f., 89, 98, 102, 108, 126, 134, 190, 192, 212, 226f., 231, 234f.

Personenregister/Biographische Angaben

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Geb. 1913, gest. 1994. 1951–69 OKR in der EKD-Kirchenkanzlei in Ost-Berlin, Dir. von „Innere Mission und Hilfswerk der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg“, 1969–78 OKR im Sekr. des BEK. BELLMANN, Rudolf (Rudi) 340, 350, 489f., 552 Geb. 1919. Nach Volksschulbesuch 1934–37 Lehre als Rechtsanwaltsgehilfe, 1937–39 Ang. der Allgemeinen Ortskrankenkasse Marienberg, 1935–39 HJ, 1939–44 Kriegsteiln., 1944–46 sowj. Gefangenschaft, Besuch von Antifa-Schulen in der UdSSR, NKFD, 1946 Presselektor in der Deutschen Verwaltung für Volksbildung, 1946 SED, 1947 Pressereferent am Deutschen Institut für Publizistik Berlin, 1947–49 Abt.ltr. in der Informationsverwaltung der SMAD Berlin, 1949–53 Abt.ltr. im Amt für Lit.- und Verlagswesen Berlin, 1954/1955 Studium an der Verwaltungsschule Weimar, 1955–76 polit. Mitarb. bzw. stellv. Ltr. der AG Kirchenfragen im ZK der SED, nach Phil.-Fernstudium an der FSU Jena 1969 Dipl.-Phil., 1977–88 Ltr. der AG Kirchenfragen im ZK der SED, 1989 Ruhestand. BENGSCH, Alfred 281 Geb. 1921, gest. 1979. 1940–50 Studium der kath. Theol. in Fulda und Neuzelle, 1941–44 Kriegsdienst, 1944–46 in amerik. Gefangenschaft, 1950 Priesterweihe, 1950–54 Kaplan in Ost-Berlin, 1954–56 Studium der kath. Theol. in München und Seminarass. am Phil.-Theol. Studium Erfurt, 1956 Prom. (Dr.theol.), 1957 Doz. für Dogmatik und Homiletik am Priesterseminar Neuzelle, Denunziation wg. angeblicher theol. Irrtümer in Aufsätzen, 1959 Regens des Erfurter Priesterseminars, Mai 1959 Weihbischof in Berlin, Juni 1959 Bischofsweihe, (1960 Entdeckung einer Abhöranlage des MfS in seiner Wohnung,) 16.8.1961 als DDR-Bürger Ernennung zum Bischof von Berlin (inkl. West) durch Papst Johannes XXIII., 21.8.1961 Wahl zum Vors. der Berliner Ordinarienkonferenz, Nov. 1961 Mitgl. der Zentralkommission zur Vorbereitung des II. Vatikanischen Konzils, 1962 pers. Titel eines Erzbischofs, 1962–65 Teiln. am II. Vatikanischen Konzil in Rom, 1967 durch Papst Paul VI. Ernennung zum Kardinal, Mitgl. des vatikanischen Sekr. für die Einheit der Christen, ab 1972 Besuche bei kath. Bischöfen in Polen, der ČSSR und Litauen, 1974 bei Patriarch Pimen in Moskau, 1973–75 Präs. der Pastoralsynode der Jurisdiktionsbezirke in der DDR, 1975 Begegnung mit Kardinal Karol Wojtyła von Kraków in Berlin, 1976 Vors. der neugebildeten Berliner Bischofskonferenz. BENN, Viktor 85f., 155 Geb. 1898, gest. 1990. 1916 Kriegsdienst, 1919–24 Jurastudium, Prom. (Dr.jur.), 1925–30 jur. Hilfsreferent der Ev. Kirche der APU in den Konsistorien Breslau und Königsberg, 1928 KonsR, seit 1930 im Ev. Oberkirchenrat in Berlin, 1934 OKR, 1936–51 OKonsR und Mitgl. des Ev. Oberkirchenrates in Berlin (1935–37) abgestellt zur vorübergehenden Dienstleistung in der Deutschen Ev. Kirche als Ltr. des Büros des Reichskirchenausschusses, 1940–45 Kriegsdienst und Gefangenschaft, Dez. 1945 Stellv. des Ltr. der Berliner Stelle der EKD und Stellv. des Präs. (Vizepräs.) der Kirchenkanzlei der EKD, 1949 beauftragt mit der Leitung der Berliner Stelle, 1952 kurzfristig Präs. des Landeskirchenamtes in Hannover, seit 1953 Justitiar und später Abt.ltr. der Rheinischen Stahlwerke in Essen, 1967–68 kommissarisch jur. Dir. der Kirchenkanzlei der EKU, 1969 jur. nebenamtl. Mitgl. der Kirchenkanzlei der EKD.

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Personenregister/Biographische Angaben

BERGMANN, Jürgen 448 Geb. 1937. Theologiestudium, 1959 1. theol. Examen, 1960–64 Vikariat und Hilfsdienst in Plauen und im Provinzialjugendpfarramt der KPS, 1962 2. theol. Examen, ab 1964 Pfarrer in Kohren-Sahlis, ab 1976 Pfarrer in Chemnitz, ab 1984 OKR, Sup. des Kirchenbezirks Dresden-Nord, 1991–2000 Beauftragter der ev. Kirchen beim Freistaat Sachsen (Verantwortlicher für kirchl. Kontakte zu Landtag, Regierung und Parteien), 2000 Ruhestand. BESTE, Niklot 70, 79, 93, 96, 103, 105, 108, 154 Geb. 1901, gest. 1987. 1920–25 Theologie- und Geschichtsstudium in Marburg, Innsbruck, Breslau und Rostock, 1922/23 Pastor für Volksmission in der mecklenburgischen Kirche, 1924 Prom. (Dr.phil.), 1925 1. theol. Examen, 1925/26 Besuch des Predigerseminars in Schwerin, 1927–32 Vikar und Pfarrer in Benthen (Mecklenburg), 1929 2. theol. Examen, 1932 Pfarrer (der Volksmission) in Schwerin, 1933 Mitgl. der Jungreformatorischen Bewegung und Ltr. des mecklenburgischen Pfarrernotbundes, 1933–45 Pfarrer in Neubukow, ab 1934 Vors. des mecklenburgischen Landesbruderrates der BK, ab 1936 Mitgl. des Reichsbruderrates der BK und des Lutherrates, 1939/40 Wehrmacht, 1945 OKR, 1946–71 Bischof der mecklenburgischen Landeskirche, 1947–57 Mitgl. des Exekutivkomitees des LWB, 1954–69 stellv. Ltd. Bischof der VELKD, 1961–67 Mitgl. des Rates der EKD, 1968–69 Vorsitzender der KKL, 1968–71 Ltd. Bischof der VELKDDR, 1971 Ruhestand. BIERMANN, Wolf 521 Geb. 1936. Gymnasium, 1953 Übersiedlung in die DDR, 1955 Abitur, 1955–57 Studium der Polit. Ökonomie in Berlin, 1957–59 Eleve am Berliner Ensemble, 1959–63 Studium der Phil. u. Mathematik in Berlin, erste eigene Lieder, 1961–63 Aufbau des Berliner Studententheaters b.a.t., Verbot noch vor Eröffnung, 1962/63 Mitwirkung an Lyrikabenden, seit 1963 freischaffend, zeitw. Auftrittsverbot, 1962/63 Kand. der SED, Streichung, 1964 erste Gastspielreise in die Bundesrepublik, Dez. 1965 (im Vorfeld des 11. Plenums des ZK der SED) totales Auftritts- und Publikationsverbot, 1976 Ausbürgerung aus der DDR, lebt seitdem in Hamburg, 1982 einmalige Einreiseerlaubnis in die DDR für letzten Besuch bei R. Havemann. BINDER, Heinz-Georg 264, 270, 284, 298f., 305, 315, 321, 332, 352f., 357, 373, 383f., 386, 398f., 403, 408f., 413, 424f., 436, 459, 462, 465f., 473, 479, 488, 492, 497, 503, 509f., 516, 529f., 532, 536, 544ff., 551, 577, 583, 585, 589f., 595, 603, 614, 618, 651f., 660 Geb. 1929. 1949–54 Theologiestudium in Hamburg, Erlangen und Kiel, 1957 Hilfsgeistlicher im Landesjugendpfarramt Hamburg, 1957–61 Pastor in Hamburg, 1961–66 Pfarrer bei der Arbeitsgemeinschaft der Ev. Jugend Deutschlands in Stuttgart, 1961–63 Vors. des Bundesjugendrings, 1963–67 Vors. des Dt. Nationalkomitees für int. Jugendarbeit, bis 1966 Chefred. der Jungen Stimme Stuttgart, 1966–71 Ltr. des Amtes für Öffentlichkeit der Bremischen Ev. Kirche, 1971–77 Schriftführer des Kirchenausschusses der Bremischen Ev. Kirche, 1974 Vors. der Kammer der EKD für publizistische Arbeit, 1977–92 Bevollmächtigter des Rates der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland, 1985–94 Militärbischof (im Nebenamt), 1994 Ruhestand, bis 2000 im Nebenamt Beauftragter des Rates der EKD für die Seelsorge im Bundesgrenzschutz.

Personenregister/Biographische Angaben

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BISMARCK, Klaus von 287 Geb. 1912, gest. 1997. Lehre als Landwirt, ab 1945 Jugendarbeit in Herford und Vlotho, 1955–67 Mitgl. des Präsidiums des DEKT und der EKD-Synode, 1960–76 Intendant des WDR, ab 1961 Mitgl. im ZA des ÖRK, 1977–79 Präs. des DEKT, 1977–89 Präs. des Goethe-Instituts. BLAKE, Eugene Carson 116, 160 Geb. 1906, gest. 1985. 1928 Theologiedoz. in Lahore (Indien), 1932 presbyterianischer Pfarrer in New York, 1935 in Albany (New York), 1940 in Pasadena (Kalifornien), 1951 Gen.Sekr. der (Vereinigten) Presbyterianischen Kirche in den USA, ab 1954 Mitgl. des Zentralausschusses, des Exekutivausschusses und des Finanzausschusses des ÖRK, aktiver Mitkämpfer Martin Luther Kings, 1966–72 ÖRK-Gen.Sekr., 1969 Einführung des „Programms zur Bekämpfung des Rassismus“ im ÖRK. BLECHA, Kurt 438 Geb. 1923. Sept. 1941 NSDAP, Kriegsdienst, 1943 sowj. Kriegsgefangenschaft, NKFD, Antifa-Schule, Teiln. am 1. Journalistenlehrgang der PHS Berlin, darauf Red. der Schweriner Volkszeitung (Abt. Propaganda), dann Mitarb. des Amtes für Information, ab 1953 stellv. Ltr. des Presseamtes beim Vors. des Min.rates, 1958 dessen Ltr., seit 1953 Mitgl. des Vorst. des VDP, 1959–89 Mitgl. des Präsidiums des Zentralvorst. des VDJ, Nov. 1989 auf eigenen Wunsch von der Funktion des Ltr. des Presseamtes entbunden, Rentner. BOJE, Klaus 109, 112f. Ca. 1967–69 Mitarb. in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, ab 1968 zuständig für Reiseangelegenheiten. BRAECKLEIN, Ingo 49, 65, 70, 110–113, 116, 126, 131, 133, 141, 154, 157, 158, 160, 174, 178, 181, 191f., 196f., 202, 208f., 211, 218, 220, 234f., 257, 260, 264, 443 Geb. 1906, gest. 2001. Abitur, 1927–30 Theologiestudium in Jena, Tübingen und Marburg, 1931 Pfarrer in Esperstedt/Kyffhäuser, 1933 NSDAP und SA, Pfarrer in Allendorf/Schwarzburg (Thüringen), Mitunterzeichner des „Wittenberger Bundes“, der sich in einer Proklamation gegen das nationalsozialistische Deutschchristentum wandte, 1939 freiwillige Meldung zur Wehrmacht, zuletzt Oberleutnant, 1945 Rückkehr aus engl. Kriegsgefangenschaft, 1945 Pfarrer in Allendorf, 1948 in Saalfeld, ab 1950 Mitgl. der thüringischen Landessynode, 1950–59 Sup. in Weimar, ab 1953 Verwaltung der Superintendentur in Blankenhain, 1959–70 OKR der thüringischen Landeskirche (Mitgl. des Landeskirchenrates, Ausbildungsdezernent), 1961–68 Mitgl. der EKDSynode, ab 1963 Stellv. des Bischofs M. Mitzenheim, Mitgl. des „Weimarer Arbeitskreises“, Vors. des Landesausschusses Thüringen des DEKT, 1968–70 Präs. der Generalsynode der VELKDDR, 1968 Mitgl. der Strukturkommission, 1969–73 Präses der 1. BEK-Synode, Mitgl. des KKL-Vorstands, Mitgl. des Exekutivkomitees des LWB, 1970–78 thüringischer Landesbischof, 1971–77 Ltd. Bischof der VELKDDR, 1971 „Vaterländischer Verdienstorden in Gold“, 1978 Ruhestand. Wurde vom MfS als IM „Ingo“ geführt (seit 1959). BRAKELMANN, Günter 380 Geb. 1931. Studium der Theol., Sozialwiss. und Geschichte der Neuzeit, 1958/1960 1. und 2. theol. Examen, 1960 Prom. (Dr.theol.), 1960–62 Studentenpfarrer an der

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Personenregister/Biographische Angaben

Ingenieursschule in Siegen, 1962–67 Dozent für Kirchl. Industrie- und Sozialarbeit an der Ev. Sozialakademie Friedewald, 1967–70 Mitarb. am Institut für Christliche Gesellschaftswiss. der Univ. Münster, 1970–72 Direktor der Ev. Akademie Bad Boll, 1972–96 Prof. für Christl. Sozialethik und Kirchl. Zeitgeschichte an der Univ. Bochum, seit 1984 nebenamtl. Ltr. des Sozialwiss. Instituts der EKD in Bochum, Mitgl. der Sozialkammer der EKD, 1984–94 Mitgl. der Landessynode der Ev. Kirche von Westfalen. BRANDT, Willy 29, 32, 135, 186, 194, 222, 321, 424, 459, 484 Geb. 1913, gest. 1992. Begann politisch in der SAJ und Sozialistischen Arbeiterpartei Mitgl. seit 1931), 1933 Emigration nach Norwegen, 1940 nach Schweden, als polit. Journalist u. in der norwegischen Widerstandsbewegung tätig, nach Kriegsende Rückkehr nach Deutschland als Berichterstatter skandinavischer Zeitungen u. als Presseattaché der norwegischen Militärmission in Berlin, 1948 Wiedereinbürgerung u. Wahl zum Vertreter des SPD-Vorstands in Berlin, 1949–57 MdB, 1950–57 Mitgl., seit 1955 Präsident des (West-)Berliner Abgeordnetenhauses, 1957–66 Regierender Bürgermeister von Berlin (West), 1958–62 auch Vors. der Berliner SPD u. 1964–87 Parteivors. (danach Ehrenvors.) der SPD, 1966 Stellv. von K. G. Kiesinger u. Bundesmin. des Auswärtigen, 1969–74 Bundeskanzler, 1971 Friedensnobelpreis, 1976–92 Präs. der Sozialistischen Internationale, 1977–79 Vors. einer „Unabhängigen Kommission für internationale Entwicklungsfragen“. BRÄUER, Siegfried 614f. Geb. 1930. Theologiestudium in Leipzig, 1959 Ordination, 1959–72 Pfarrer in Leipzig, ab 1967 Mitgl. des Landesausschusses Sachsen des DEKT, 1972–79 Rektor des Pastoralkollegs in Krummenhennersdorf, Mitgl. im Landesausschuss für Kirchentagskongressarbeit, ab 1972 stellv. Vors., 1980–91 theol. Dir. der EVA, dann EKD-Beauftragter für die Aufarbeitung der DDR-Kirchengeschichte, 1995 Ruhestand. BRESCHNEW, Leonid 319, 321, 362, 489 Geb. 1906, gest. 1982. 1938 Gebietssekr. der KPdSU in der Ukraine, 1941–45 Polit. Kommissar in der Roten Armee (zuletzt Generalleutnant), 1950 1. Sekr. der Moldawischen SSR, 1952 Sekr. des ZK, 1952/53 und 1956/57 Kand. und 1957 Mitgl. des Präsidiums der KPdSU, 1957 Mitgl. des PB, 1960–64 und 1977–82 Vors. des Präsidiums des Obersten Sowjets (nominelles Staatsoberhaupt), ab 1964 1. Sekr., ab 1966 Generalsekretär des ZK der KPdSU, 1970 Abschluss des Deutsch-Sowj. Vertrages, 1975 Armeegen., 1976 Marschall der SU. BRIEST, Kurt Rudolf 431, 538 Geb. 1932. Theologiestudium, ab 1966 Gemeindepfarrer in Garbsen/Hannover, ab 1979 Pers. Referent der Landesbischöfe E. Lohse und M. Kruse. BRÜCK, Ulrich von 69, 103, 181, 250, 285f. Geb. 1914, gest. 1999. Theologiestudium, ab 1939 Vikar in Erlangen und im Erzgebirge, 1942/43 zur Wehrmacht eingezogen, 1945 Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft, dann Pfarrer in Dresden, 1950 Ltg. des Landeskirchl. Amtes für Innere Mission und Bevollmächtigter des Hilfswerks der sächsischen Landeskirche, 1965 OKR im sächsischen LKA, Dezernent für Ökumene, 1968–80 OLKR und Mitgl. der Kirchenleitung der sächsischen Landeskirche, bis 1975 Mitgl. des ZA des Weltkirchenrates, 1980 Ruhestand und Übersiedlung nach Mühltal/Darmstadt.

Personenregister/Biographische Angaben

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BRÜSEWITZ, Oskar 249–254, 257f., 261, 285f., 418 Geb. 1929, gest. 1976. 1935–40 Volksschule, 1943 Beginn einer kaufmännischen Ausbildung, ab 1944 Kriegsteiln., nach kurzer russ. Kriegsgefangenschaft 1945–47 Lehre als Schuhmacher und Gesellenprüfung in Burgstädt (Sachsen), Umzug nach Westfalen, dort ein Jahr als Schuhmacher tätig, Ende 1948 selbständig, 1951 SchuhmacherMeisterprüfung in Osnabrück, Umzug nach Hildesheim, 1954 nach Weißenfels (Sachsen-Anhalt), dort Arbeit als Kontrolleur in der Schuhfabrik, 1954 Aufnahme in die Predigerschule in Wittenberg, Abbruch aus gesundheitlichen Gründen, 1955 Tätigkeit im Kirchensteueramt, darauf als Schuhverkäufer in Leipzig, bis 1960 eigene Schuhmacherwerkstatt in Markkleeberg/Leipzig, 1960 Umzug nach Weißensee (Thüringen), dort eigene Schuhmacherwerkstatt, nach deren Umwandlung in PGH 1963 Zweigstellenleiter bis zur Auflösung 1964, 1964–69 Besuch der Erfurter Predigerschule, im Anschluss Hilfspfarrer in Rippicha (Kreis Zeitz), 1970 Ordination, ab 1970 Pfarrer in Rippicha, Engagement in kirchlicher Kinder- und Jugendarbeit sowie im sozialen Bereich, Konflikte mit staatlichen Organen, die auf seine Versetzung drängten, 18.8.1976 öffentliche Selbstverbrennung in Zeitz. BURGSMÜLLER, Alfred 315, 379 Geb. 1914, gest. 1996. 1934–39 Studium der Theol. in Münster, Tübingen und Marburg, Prom. (Dr.theol.), 1947–52 Pfarrer in Ickern, 1952–60 Pfarrer in Essen, 1960–71 Ltr. des Predigerseminars in Essen, 1971–83 Theol. Dirigent der Kirchenkanzlei der EKU (Berlin-West). CAMPENHAUSEN, Axel Freiherr von 35 Geb. 1934. Studium der Rechtswiss., Politik und Theol. in Heidelberg, Göttingen, Köln/Bonn, Paris und London, 1. und 2. jur. Examen, 1960 Prom. (Dr.jur.), 1963–67 Ass. bei R. Smend in Göttingen, 1967 Habil. (Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht), 1969–79 Ord. Prof. für öff. Recht (insbes. Kirchenrecht sowie Staats- und Verwaltungsrecht) an der Univ. München, seit 1970 Ltr. des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD, 1976–69 Staatssekr. im niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, seit 1980 Honorarprof. an der Univ. Göttingen, 1979–99 Präs. der Klosterkammer Hannover, Mithg. des Rheinischen Merkur, 1999 Großes Bundesverdienstkreuz. CAMPENHAUSEN, Otto Freiherr von 522, 599, 624, 629–632, 641, 652 Geb. 1932. Studium der Rechtswiss. und Slawistik in Marburg und Kiel, 1. und 2. Staatsexamen, ab 1957 Beamter des Landes Schleswig-Holstein, 1961 Staatsanwalt, 1962 Regierungsrat, 1965 Amtsrichter, 1971–79 Mitgl. der EKD-Synode, 1972 Amtsgerichtsdir., 1973–79 Mitgl. des Präsidiums der EKD-Synode, 1975 Vizepräs. des Landgerichts, 1979–85 Mitgl. des Rates der EKD, 1980 Landesgerichtspräs., ab 1985 Vors. des Ausschusses „Kirche und Gesellschaft“, 1989–97 Präs. des Kirchenamtes der EKD, 1997 Ruhestand. CARSTENS, Karl 356f. Geb. 1914, gest. 1992. Jurastudium, 1954–66 im Auswärtigen Dienst, seit 1960 als Staatssekr., 1960 Prof. für Staats- und Völkerrecht in Köln, 1967 Staatssekr. im Verteidigungsministerium, 1968/69 im Bundeskanzleramt, 1970–73 Ltr. des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, 1972–79 MdB, 1973–76 Vors. der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 1976–79 Bundestagspräs., 1979–84 Bundespräs.

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Personenregister/Biographische Angaben

CIESLAK, Johannes 110, 345 Geb. 1914. Ofensetzer, 1951–83 Mitgl. der sächsischen Landessynode, 1967–83 Präs. der sächsischen Landessynode, 1967–89 Vors. des Landesausschusses Sachsen des DEKT und seiner Nachfolgegremien, 1969–77 Mitgl. des Präsidiums der BEK-Synode. CLAESSEN, Herbert 459 Geb. 1938. 1968 Prom. (Dr.eccl.jur.) in Colonia, bis 1975 Fachanwalt für Steuerrecht, Vors. der Deutschen Tuchkonvention, seit 1975 OKR im Kirchenamt der EKD in Hannover. CLASS, Helmut 169, 179, 190, 199, 209, 214, 216, 223f., 226f., 232, 234, 239, 249, 251, 255f., 264, 269, 277, 280, 284f., 297 Geb. 1913, gest. 1998. Theologiestudium in Bethel, Marburg und Tübingen, 1936 1. theol. Examen, 1939 2. theol. Examen, 1936–39 Vikar in Esslingen, Schwäbisch Hall, Tiefenbach, Münsingen, 1939 Pfarrer in Heilbronn, Kriegsdienst (Einberufung in die Wehrmacht), 1948 Entlassung aus sowj. Gefangenschaft, 1948–49 Jugendpfarrer in Heilbronn, 1949–58 württembergischer Landesjugendpfarrer, 1959–67 ltd. Pfarrer der Ev. Diakonieschwesternschaft in Herrenberg, 1968–69 Prälat von Stuttgart, 1969–79 Bischof der Ev. Landeskirche in Württemberg, 1973–79 Vors. des Rates der EKD, 1976–86 Vors. der Ev. Mittelost-Kommission, 1972–86 Vors. des Diakonischen Rates, 1979 Ruhestand. COENEN, Lothar 304, 307f., 333, 354 Geb. 1925. Studium der Theol., 1952 1. und 2. theol. Examen, Prom. (Dr.theol.), 1952–54 Red. des epd-Landesdienstes Rheinland, 1954–64 Pfarrer in Neviges, 1965–78 Pfarrer in Wuppertal-Barmen, 1978 Referent im Kirchl. Außenamt der EKD, dort 1980 Ltr. der Ökumene-Abt., OKR. CYNKIEWICZ, Rosemarie 439f., 628, 637, 647, 649–653 Geb. 1936. Lehre als Drogistin und Apothekenhelferin, 1960 Studium der Theol. an den HU Berlin, 1965–67 u.a. Predigerseminar Brandenburg/Havel, 1968 Ordination, 1968 Gemeindepfarrerin in Berlin-Prenzlauer Berg, seit 1977 OKonsR im Berlinbrandenburgischen Konsistorium (Ost), 1978–91 Mitgl. der Bundessynode, ab 1986 Vizepräses und theol. Mitgl. der Berlin-brandenburgischen Konsistoriums, ab 1990 Präses der Bundessynode, 1991 Kodezernentin für den Bereich Arbeitsrecht im Berlinbrandenburgischen Konsistorium, ab 1991 Mitgl. der Synode und des Rates der EKD, 1998 Ruhestand. DEILE, Volkmar 380 Geb. 1943. Theologiestudium, 1975–84 Geschäftsführender Pfarrer der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste Berlin, 1985–86 Forschungsauftrag der FEST in Heidelberg/ Deutscher Ev. Kirchentag, 1987–90 KEK, ÖRK Genf, 1990–99 Generalsekr. der dt. Sektion von amnesty international in Bonn, i. R. DEMKE, Christoph 271, 275, 283, 300f., 303f., 307f., 312f., 314ff., 320, 327, 329ff., 336, 344, 356, 358, 363ff., 374–377, 379, 385f., 407, 417, 426, 428, 439f., 445, 450, 458ff., 478, 485f., 490, 495, 503, 508–512, 518, 520f., 524, 527, 530, 612f., 619, 627f., 630f., 635, 638, 640, 651 Geb. 1935. 1953–58 Theologiestudium an der HU Berlin, 1958–63 Repetent am Berliner Sprachenkonvikt, gleichzeitig Vikar in Sachsenhausen/Oranienburg, Prom.

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(Dr.theol.) an der Kirchl. Hochschule in Berlin (West), 1963 Ordination, 1964–78 Doz. (für NT) am Berliner Sprachenkonvikt in Ost-Berlin, 1975 nebenamtl. und 1978–81 hauptamtl. Sekr. der Theol. Kommission des BEK, ab 1977 stellv. Ltr. und 1981–83 Ltr. des BEK-Sekr., 1980–83 Sekr. des kirchl. Lutherkomitees, 1983–97 Bischof der KPS, 1986–90 stellv. KKL-Vors., 1990/91 Vors. der KKL, 1997 Ruhestand. DIBELIUS, Friedrich Karl Otto 37, 39f., 49, 53, 205, 284 Geb. 1880, gest. 1967. 1899–1904 Theologiestudium in Berlin, 1902 Prom. (Dr.phil.), 1904–06 Predigerseminar, 1906 Prom. (Lic. theol.), 1906 Ordination, 1907–25 Pfarrer in Danzig und Berlin, 1918/19 Geschäftsführer des Vertrauensrates beim preußischen Ev. Oberkirchenrat, ab 1919 polit. aktiv, DNVP, 1925–33 Generalsup. der Kurmark, 21.3.1933 Festpredigt am „Tag von Potsdam“, darauf radikale Abkehr vom NS, Juni 1933 beurlaubt durch den NS-Kirchenkommissar, Okt. 1933 Zwangsversetzung in den Ruhestand, 1934 Tätigkeit im Bruderrat der BK Berlin-Brandenburg, wiederholte Inhaftierung und Belegung mit Auftrittsverboten, 1945 Vors. der brandenburgischen und altpreußischen Kirchenleitung, Mitgl. des vorläufigen Rates der EKD, Mitverf. des „Stuttgarter Schuldbekenntnisses“, 1945–60 Vors. der Ostkirchenkonferenz, 1945–66 Bischof der Berlin-brandenburgischen Kirche, ab 1948 Mitgl. im Zentralausschuss des ÖRK, 1949–61 Vors. des Rates der EKD, CDU, 7.9.1949 Festpredigt zur Eröffnung des Dt. Bundestags in Bonn, 1954–61 erster dt. Präs. des ÖRK, kirchl. Verhandlungsführer mit der Regierung der DDR, wegen der Unterzeichnung des Militärseelsorgevertrags zwischen Bundesregierung und EKD 1957 Einreiseverbot in die DDR, verfasste 1963 seine in beiden Teilen Deutschlands heftige Debatten auslösende Obrigkeitsschrift, 1966 Ruhestand. DIETZFELBINGER, Hermann 21, 48, 66, 68, 79, 97f., 111f., 116f., 144, 168, 186, 199 Geb. 1908, gest. 1984. Theologiestudium, 1933 Stadtvikar in München, 1935 Pfarrer in Rüdenhausen (Unterfranken), 1939 theol. Hilfsreferent im Landeskirchenrat in München, 1940 zugl. Studentenpfarrer und Lazarettseelsorger, 1954 Rektor des Predigerseminars in Nürnberg, 1953 Rektor der Diakonissenanstalt in Neuendettelsau, 1955–75 bayerischer Landesbischof, 1957–77 Mitgl. des Exekutivkomitees des LWB, als Förderer (seit 1957) und Mitbegr. des Luth. Ökumenischen Instituts Straßburg (1965) 1963–78 Kurator der Luth. Stiftung für Ökumenische Forschung, seit 1965 Mitgl. der int. gemeinsamen römisch-kath./ev.-luth. Dialogkommission, 1967–73 EKD-Ratsvorsitzender, Mitgl. der Kirchenleitung und Catholica-Beauftragter der VELKD, ab 1978 Ehrenmitgl. des Exekutivkomitees des LWB. DOHLE, Horst 24ff., 511 Geb. 1935. 1952 SED, 1953 Abitur, 1953–57 Studium der Gesch. in Leipzig, 1957–63 Ass./Oberass. am Institut für Gesellschaftswiss. der TH Dresden, 1963 Prom. (Dr.phil.), 1963–65 wiss. Mitarb. im Referat für Kirchenfragen des RdB Dresden, 1965–69 wiss. Mitarb. des Staatssekr. für Kirchenfragen, 1969–75 Sektorenltr. für Kirchenfragen beim RdB Dresden, 1975–88 pers. Referent des Staatssekr./Ltr. des Büros (1979–88), 1988–90 wiss. Mitarb. des Staatssekr. für Kirchenfragen, 1989 Prom. (B) bzw. Habil., 1990 unter der Regierung de Maizière Pressesprecher des Amtes für Kirchenfragen beim DDR-Ministerrat, Ruhestand, Vors. der Gesellschaft zur Förderung des christlich-marxistischen Dialogs e.V. Wurde vom MfS als IME „Horst“ geführt.

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DOMKE, Helmut 407, 428, 450, 557, 564f., 567, 570, 574ff., 589, 602, 605, 609, 612 Geb. 1943. 1961–66 Studium am Physikalischen Institut der Univ. Rostock (Dipl.Physiker), 1966–90 wiss. Mitarb. am Astrophysikalischen Observatorium Potsdam der AdW, 1967 postgraduales Studium am Astronomischen Observatorium der Staatl. Univ. Leningrad, 1972 Prom. (Dr.rer.nat.) an der Mechanisch-Mathematischen Fak. der Univ. Leningrad, 1982 Habil. (Dr.sc.nat.) an der AdW, 1978–90 Mitgl. der Bundessynode und synodales KKL-Mitgl., 1988–89 Delegierter der Ökum. Versammlungen in Dresden und Basel, ab 2.5.1990 in der Regierung de Maizière Staatssekr. im MfAA, parteilos, 1991–94 Bevollmächtigter des brandenburgischen Min.präs. für Abzug der sowj. Streitkräfte und Konversion, 1992 Delegierter der KEK zur Vollversammlung in Prag, seit 1996 Referatsltr. im Min. für Justiz und Bundes- und Europaangelegenheiten in Potsdam. DOMSCH, Kurt 181, 275, 280, 283, 289, 292f., 311, 332, 343, 346, 360, 381, 401, 408, 423, 428, 450, 460, 466, 488f., 497, 499, 516, 518, 523, 528, 531f., 534, 536, 541, 552, 557, 569, 612, 614, 624, 630 Geb. 1928, gest. 1999. Maurerlehre, Studium an der Ingenieursschule für Bauwesen in Chemnitz (Hochbauing.), 1960–75 in versch. kirchl.-synodalen Diensten tätig (sächsische Landesynode, dann Lutherische Generalsynode), 1970–75 Präs. der VELKGeneralsynode, 1975–89 Präs. des sächsischen Landeskirchenamtes, 1977–82 Stellv. Vors. der KKL, leitete als Bauing. jahrelang elterlichen Baubetrieb und blieb auch nach dessen Umwandlung in den VEB Brücken- und Hochbau Neustadt/Sachsen 1972 zeitweilig dessen Dir., 1989 Ruhestand. DORGERLOH, Fritz 343, 558, 569, 583, 594, 598 Geb. 1932. 1954–59 Theologiestudium an der HU Berlin, 1956/57 Stipendiat in Basel, Vikariat in Potsdam und Predigerseminar in Brandenburg, 2. theol. Examen, 1961 Ordination, 1968 Pfarrer in Potsdam, 1974 Doz. für Qualifikation und Weiterbildung im Bereich Jugendarbeit beim Burckhardt-Haus in Ost-Berlin, 1980 Sekr. der KKJ beim BEK, Vors. des Beirats des ÖJD, 1988–97 Dir. des Burckhardt-Hauses, Ruhestand. ECHTERNACH, Horst 482f., 487 Geb. 1934. Theologiestudium, Vikariat in Hamburg-Hamm, Studium der Volkswirtschaft/Staatswiss., Prom. (Dr.rer.pol.), Studium der Rechtswiss., Prom. (Dr.jur.), Theologiestudium, 1962 1. theol. Examen, 1965 2. theol. Examen, Schulvikar in Hamburg und Vikar im Studentenpfarramt an der Univ. Hamburg, 1965–70 Pastor an St. Nikolai in Hamburg, 1970–99 OKR der EKD, 1970–74 OKR in der Außenstelle der Kirchenkanzlei der EKD in Bonn, ab 1975 OKR in der Kirchenkanzlei bzw. im Kirchenamt der EKD in Hannover, 2. Vors. der Katechismuskommission der VELKD, Vorstandsmitgl. und Geschäftsführer der „Societas Ethica“ (Europäische Forschungsgesellschaft für Ethik), 1988 D. theol. (Ungarn), Ruhestand. EPPELMANN, Rainer 513 Geb. 1943. Bis 1961 Gymnasium in West-Berlin, 1961/62 Dachdeckerhilfsarbeiter, 1962–64 Maurerlehre, dann Arbeit als Maurer, 1966 Verweigerung des Wehrdienstes und des Fahneneids, acht Monate Haft, dann Bausoldat, 1969–75 Theologiestudium in Ost-Berlin, 1975 Ordination, 1974–89 Hilfsprediger bzw. Pfarrer in der Berliner Samaritergemeinde, auch Kreisjugendpfarrer im Kirchenkreis Friedrichshain, 1982 Mit-

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autor des Berliner Appells, 1989 Mitbegr. des Demokratischen Aufbruchs, Okt. dessen Sprecher, Dez. 1989 bis März 1990 Vertreter am Zentralen Runden Tisch, Febr. 1990 Min. ohne Geschäftsbereich in der Regierung H. Modrow, ab März Vors. des DA, Abg. der VK in der CDU/DA-Fraktion, ab Apr. Min. für Abrüstung und Verteidigung in der Regierung de Maizière, seit 1990 CDU und MdB, 1994–2001 Bundesvors. der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). EPPLER, Erhard 380, 409f., 412, 514f. Geb. 1926. 1943–45 Flakhelfer, Studium (Englisch, Deutsch, Gesch.) in Frankfurt/ M., Bern und Tübingen, ab 1950 Mitgl. der EKD-Synode, 1951 Prom., 1952 Mitgl. der GVP, 1953–61 Gymnasiallehrer in Schwenningen am Neckar, 1956 SPD, 1961–76 MdB, 1968–74 Min. für wirtsch. Zusammenarbeit, 1968–84 Mitgl. der Synode der EKD, 1970–91 Mitgl. des SPD-Parteivorst., 1973–81 Landesvors. der SPD BadenWürttemberg 1973–89 Mitgl. des Präsidiums, 1976–82 MdL und (bis 1980) Fraktionsvors. der SPD in Baden Württemberg, 1977–97 Mitgl. des Präsidiums des DEKT, 1981–83 und 1989–91 Präs. des DEKT, 1982 Mitgl. der EKD-Kammer für öff. Verantwortung, 1984–86 Stellv. Vors. der SPD-Programmkommission. FALCKE, Heino 183f., 188f., 190f., 259, 275, 380, 448f., 460, 466, 475f., 486, 488–492, 497, 502ff., 506, 521f., 530f., 644, 647 Geb. 1929. Studium der Theol. in West-Berlin, Göttingen und Basel, 1954 Ordination, 1964–56 Studieninspektor am Predigerseminar Wittenberg, 1956–58 wiss. Ass. an der Univ. Rostock, 1958 Prom. (Dr.theol.), 1958–63 Pfarrer in Wegeleben/Kreis Halberstadt, 1962 Habil., 1963–73 Dir. des EKU-Predigerseminars in Gnadau, 1973–94 Propst zu Erfurt, 1975–87 Vors. des BEK-Ausschusses Kirche und Gesellschaft, 1979 Delegierter des BEK in Boston/USA für die Ökum. Weltkonferenz „Glaube, Wissenschaft und die Zukunft“, 1983 Redner bei der großen Kundgebung der Friedensbewegung in Bonn, 1988/89 stellv. Vors. der Ökum. Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, 1994 Ruhestand. FIGUR, Fritz 49, 87, 96, 114 Geb. 1904, gest. 1991. Theologiestudium, ab 1930 Pfarrer an der Segenskirche in Berlin, 1947–69 Sup. in Berlin-Köpenick, ab 1955 Vizepräses, 1959–70 Präses der Provinzialsynode (Ost) der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg, 1961–63 Vorsitz der regionalen Kirchenleitung der Ostregion, 1965 Vizepräses der EKD-Synode, 1966 Mitgl. im Präsidium des DEKT, 1967/77 Verwalter des Berlin-brandenburgischen Bischofsamtes, gleichzeitig amtierender Vors. der Konferenz der Landesausschüsse des DEKT in der DDR. FISCHER, Oskar 280 Geb. 1923. Nach Schneiderlehre 1941–44 Wehrmacht, 1944–46 sowj. Kriegsgefangenschaft, 1946 SED, 1946–47 Arbeit als Schneider, 1947–48 Vors. des FDJ-Kreisvorst. Spremberg, 1949–50 Vors. des FDJ-Landesvorst. Brandenburg, 1950–51 Abg. des Brandenburgischen LT, 1951–55 Sekr. des ZR der FDJ und Sekr. des Weltbundes der demokratischen Jugend, 1952–55 zugl. Mitgl. des Weltjugendrates, 1955–59 Botschafter in Bulgarien, 1960–62 Sektorenltr. im ZK der SED, 1962–65 Studium an der PHS beim ZK der KPdSU (Dipl.-Gesellschaftswiss.), 1965–73 stellv. Außenmin., 1973–75 Staatssekr. und ständiger Stellv. des Außenmin., 1975 bis März 1990 Min.

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für Auswärtige Angelegenheiten, 1971–89 Mitgl. des ZK der SED, 1976 bis März 1990 Abg. der VK. (SCHUMANN-)FITZNER, Elfriede 142 Geb. 1920. 1939 Rechtsanwaltsgehilfin, 1949 Sachbearbeiterin, 1950–52 Abt.ltr. beim RdK Belzig, Studium der Rechtswiss. (1955 Staatsexamen), SED, 1956 Ass., später Oberass. an der Akademie für Staats- und Rechtswiss. in Potsdam, 1963 Prom., 1966 Abt.ltr. für Rechts- und Grundsatzfragen in der Dienststelle des Staatssekr. für Kirchenfragen. FLEISCHHACK, Heinz 70 Geb. 1913. Theologiestudium, 1950–55 Pfarrer ein Eisleben, 1955–58 Mitgl. des Konsistoriums der KPS, 1956 KonsR, 1958–78 Propst zu Magdeburg und Bischofsstellvertreter. FLINT, Fritz 76, 98, 142, 210f. Geb. 1917. Nach Besuch des Gymnasiums 1933–36 kaufmännische Lehre in Rostock, 1936 Verkäufer, 1937/38 Einkäufer und Korrespondent in einer Großhandlung für Werkzeugmaschinen in Braunschweig, 1948–45 Kriegsdienst, britische Gefangenschaft, 1945/46 Hilfsarbeiter, 1946 CDU, 1946–49 Buchhalter in einer privaten Weberei in Bad Doberan, 1946–51 Stadtverordneter in Bad Doberan und Abg. des KT Rostock-Land, 1949–51 Stadtrat und stellv. Bürgermeister von Bad Doberan, 1951–53 Bürgermeister von Grabow, 1953–57 Stadtverordneter und stellv. OB von Schwerin, 1956 Fernstudium an der DASR Potsdam (Dipl.-Staatswiss.), 1957/58 Vors. des Bezirksverbands Groß-Berlin der CDU, Mitgl. des Präsidiums des HV der CDU, 1958–63 Mitgl. der Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin und Berliner Abg. in der VK, 1960–77 Stellv. des Staatssekr. für Kirchenfragen, 1977 Ruhestand. FLOR, Georg 215, 218f., 243, 295f., 410f. Geb. 1920, gest. 1995. 1945–48 Studium der Rechts- und Staatswiss. in Göttingen, Prom. (Dr.jur.), 1952/53 Ang. im Bundesamt für Verfassungsschutz, 1953 im Bundesinnenmin., 1953 im Bundesverteidigungsmin., 1958 Referent im Bundesmin. für Familien- und Jugendfragen, 1971–85 Ltr. des Konsistoriums der EKiBB (Region West), Mitgl. der EKU-Synode. FOERSTER, Heinrich 241, 243 Geb. 1912, gest. 1992. Studium der Theol. in Rostock und Berlin, 1936 Vikar bzw. Pfarrer der BK in Mecklenburg, 1939 Präfekt des Pfarrwaisenhauses in Windsbach und ab 1943 Pfarrer in Windsbach, 1955–57 Hauptgeschäftsführer und Ltr. der Theol. Abt. im Zentralbüro des Hilfswerks der EKD in Stuttgart, 1958 Pfarrer in Berlin-Charlottenburg, 1965 OKR und 1970–77 Ltr. der Berliner Stelle des Luth. Kirchenamtes der VELKD, 1977 Ruhestand. FORCK, Gottfried 275, 296, 401ff., 407, 428, 432, 631, 641f. Geb. 1923, gest. 1996. Bis 1937 Gelehrtenschule des Johanneums in Hamburg, 1938–42 Internatsschule (Zinzendorf-Pädagogikum) der Brüdergemeine in Niesky (Oberlausitz), 1942 Soldat, Offizier der Kriegsmarine, zuletzt Leutnant zur See, 1945–46 amerik. Kriegsgefangenschaft, 1947–51 Theologiestudium in Bethel, Heidelberg und WestBerlin, 1950 Übersiedlung in die DDR, 1952 1. theol. Examen, 1952–54 Ass. an der Kirchl. Hochschule in West-Berlin, zugl. Predigtauftrag im Kirchenkreis Luckenwalde,

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1954 Besuch des Predigerseminars Brandenburg/Havel, 1954 2. theol. Examen und Ordination, 1954–59 Studentenpfarrer an der HU Berlin, 1956 Prom. (Dr.theol.) an der Univ. Heidelberg, 1954–59 Studentenpfarrer an der HU Berlin, 1959–63 Pfarrer in Lautawerk/Niederlausitz, 1963–72 Ltr. des Predigerseminars in Brandenburg/Havel, ab 1971 Mitgl. der Kirchenleitung der Berlin-brandenburgischen Kirche, ab 1973 Mitgl. der BEK-Synode, Mitgl. im Ausschuss Kirche und Gesellschaft, 1973–81 Generalsup. im Kirchsprengel Cottbus, 1975 Lizenzträger und Gesellschafter der EVA in Berlin, 1981–91 Bischof der Ostregion der EKiBB und KKL-Mitgl., 1977 Wahl zum Vizepräses der Synode des BEK, in den 80er Jahren Engagement für opp. Gruppen im Raum der Kirche, seit 1981 Träger des Abzeichens „Schwerter zu Pflugscharen“, 1984–87 Vors. des Rates der EKU (Bereich DDR), Herbst 1989 Beteiligung an der Untersuchung polizeilicher Übergriffe gegen Demonstranten und Einsatz für Auflösung des MfS, 1990 Ablehnung der ihm vor den Wahlen zur DDR-VK (von Koalition aus DA, DSU, CDU, SPD, FDP) angetragenen Kandidatur als Staatspräs. der DDR, 1990 Karl-Barth-Preis, 1990/91 gemeinsame Ltg. der Landeskirche mit dem Bischof der Westregion (M. Kruse), 1991 Ruhestand, weiterhin Wahrnehmung von Gemeindedienst und gesamtkirchl. Aufgaben, 1992 Mitbegr. des „Komitees für Gerechtigkeit“, 1993 Stadtältester von Berlin. FRÄNKEL, Hans-Joachim 34, 69f., 75, 86, 90, 127f., 134, 141, 205f., 227, 235, 284, 292f., 471f., 562 Geb. 1909, gest. 1996. 1928–33 Theologiestudium in Bethel, Tübingen und Breslau, Mitgl. des Pfarrernotbundes und der BK in Schlesien, 1935/37 Verhaftung durch die Gestapo, 1936 Ordination, darauf verschiedene Pfarrestellen in Breslau, 1940–41 Kriegsdienst, zuletzt Gefreiter (Verwundung), 1943–45 Pfarrstellenverwaltung in Breslau, 1943 Beteiligung an der Breslauer Bekenntnissynode, 1945 Kirchenrat, beteiligt an Verhandlungen mit dem Breslauer Festungskommandanten, um diesen zur kampflosen Übergabe der Stadt an die Sowjet-Armee zu bewegen, 1945 Mitgl. der vorläufigen schlesischen Kirchenleitung, Ausweisung aus dem poln. Teil Schlesiens und 1947 Umsiedlung nach Görlitz, 1947–49 Tätigkeit im Konsistorium in Görlitz und Wahrnehmung der Pfarrstelle Buchholz, 1951 OKonsR in Görlitz, Mitgl. der EKD-Synode, Stellv. und 1964–79 Bischof der Ev. Kirche von Schlesien, 1969–72 Vors. des Rates der EKU, Ablehnung der vollständigen Trennung von der westlichen EKU, 1972 Zustimmung zur Aufteilung in die Bereiche DDR und BRD und West-Berlin, 1972–73 Vors. des Rates der EKU (Bereich DDR), Konflikte mit dem Staat, v.a. wegen des am 8.11.1973 in der Dresdner Annenkirche gehaltenen Vortrags „Was haben wir aus dem Kirchenkampf gelernt?“, auf der Görlitzer Synodaltagung 1978 Plädoyer für aktives gesellschaftspolit. Engagement von Christen, 1979 Ruhestand und Übersiedlung nach Marburg. FUCHS, Emil 136, 139, 143, 171, 330 Geb. 1874, gest. 1971. 1894–97 Studium der Theol. in Gießen, Militärdienst, Vikariat (deutsche Gemeinde in Manchester), 1900 Prom. (Lic. theol.), 1903 Repetent, Mitarb. der Christlichen Welt, 1905 Pfarrer in Rüsselsheim, 1918 in Eisenach, 1921 SPD, Begründer der Gruppe religiöser Sozialisten in Thüringen, 1926–30 Landesvors., Verbindung zu den Quäkern, 1931 Prof. für Religionswiss. in Kiel, 1933 Entlassung, 1935 ein Monat Gefängnis, Berufsverbot, Gelegenheitsarbeiter, 1943 Emigration in die Schweiz, 1945

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Personenregister/Biographische Angaben

aktive Mitarb. in der hessischen SPD, Sammlung der religiösen Sozialisten, 1948/49 Gastvorlesungen in den USA, 1949 Übersiedlung nach Leipzig, 1949–58 Prof. für Syst. Theol. und Religionsphil., Begr. und bis 1958 Ltr. des Religionssoziologischen Instituts, ab 1950 Mitgl. des Friedensrates der DDR und dessen Präsidiums, 1954 CDU-Ehrenmitgl., 1958 em., 1958 Mitbegr. der CFK in Prag und Mitgl. ihres Forschungsausschusses, am 9.2.1961 vom Staatsratsvors. W. Ulbricht zu einem Gespräch empfangen. FÜLLKRUG, Armin 155ff., 159, 171, 190 Geb. 1914, gest. 2001. Bis 1939 Theologie- und Jurastudium in Frankfurt/M., Prom. (Dr.jur.), Kriegsteiln., bis 1960 hess. Justizdienst, Oberlandesgerichtsrat, 1960–80 Vizepräs. des Landeskirchenamtes und weltl. Vertreter des Bischofs der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck in Kassel. GAEBLER, Rainer 428f., 431, 434, 445ff., 450, 557, 562, 565f., 575, 581, 595f., 598, 608, 612, 619, 623 Geb. 1938. 1953–56 Lehre als Chemiefacharbeiter im Kombinat „Otto Grotewohl“ in Böhlen, 1956–59 Studium der Fachrichtung Gaserzeugung an der Ing.-Schule für Gastechnik Markkleeberg/Leipzig (Dipl.-Ing. für Gaserzeugung), 1959 wiss. Mitarb. im Forschungsinstitut für techn. Entwicklung und Wärmetechnik der Metallurgie Leipzig, 1962 Kirchenvorsteher in Leipziger Gemeinde, ab 1965 wiss. Mitarb. im Institut für Energetik Leipzig, 1960–68 Fernstudium an der Bauakademie Freiberg/Sachsen (Fachrichtung Gasfach), 1969 wiss. Mitarb. im Brennstoffinstitut Freiberg, 1970 Prom. (Dr.Ing.), 1972 Mitgl. der sächsischen Landessynode, 1978 deren Kirchenltg., 1983 Präses der sächsischen Landessynode, 1984–86 Vizepräs. der sächsischen Landessynode und Mitgl. der Kirchenleitung der sächsischen Landeskirche, 1986–90 Präses der Bundessynode und Mitgl. des Vorstands der KKL. GARSTECKI, Joachim 270, 356, 478, 520 Geb. 1942. Bis 1965 Studium der kath. Theol. am Phil.-Theol. Studium Erfurt, Theologicum, 1965–70 Referent für Jugendseelsorge im Erzbischöflichen Kommissariat bzw. Bischöflichen Amt Magdeburg, ab 1971 als kath. „Gastarbeiter“ Studienreferent für Friedensfragen im BEK-Sekr., ab 1971 Mitgl. im Aktionskreis Halle (AKH), der (1969 gegründeten) einzig organisierten polit.-kritischen Gruppierung innerhalb der Kath. Kirche in der DDR, 1973–76 Mitgl. des AKH-Sprecherkreises, 1974–90 Referent für Friedensfragen in der ThSA beim BEK, maßgeblich beteiligt an der Formulierung der Positionen des BEK zu Friedensfragen, in den 80er Jahren beratende Mitarb. im Netzwerk kirchl. Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen „Konkret für den Frieden“, 1988/89 Berater der Ökum. Versammlung der Kirchen und Christen in der DDR, Mai 1989 Berater der auf der „Zukunftswerkstatt Europa“ der Europäischen Ökum. Versammlung vertretenen kirchl. Basisgruppen, ab 1990 Mithg. der Zeitschrift Publik-Forum, Generalsekr. der dt. Sektion von Pax Christi. GAUS, Günter 249, 318, 465, 469 Geb. 1929, gest. 2005. Studium der Gesch. und Germ., seit 1953 Journalist, u.a. Red. bei verschiedenen Zeitungen, 1965–69 Programmdir. beim Südwestfunk, 1969–73 Chefred. des Spiegel, 1973 Staatssekr. im Bundeskanzleramt, 1974–81 Ltr. der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in der DDR, 1976 SPD, 1981 Senator für Wiss. und Forschung in Berlin-West, ab 1981 freier Publizist.

Personenregister/Biographische Angaben

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GEISSEL, Ludwig 29, 306 Geb. 1916, gest. 2000. 1934–39 Militär, 1939–45 Kriegsteiln. und Gefangenschaft, 1946–47 Tätigkeit in der Sozialbehörde des Hamburger Senats, 1947 Mitarb. des Hilfswerks der EKD in Stuttgart, ab 1950 Ltr. der Hamburger Außenstelle des Hilfswerks, 1955 Mitgl. des Kuratoriums der Stiftung Hilfswerk Berlin und Hauptgeschäftsführer im Zentralbüro des Hilfswerks in Stuttgart, 1957 Dir. des Diakonischen Werks der EKD, 1958–82 Bevollmächtigter der westdeutschen Landeskirchen bei der DDR-Regierung, CDU, 1972–82 Vizepräs. des Diakonischen Werks/Innere Mission und Hilfswerk der EKD, 1982 Ruhestand. GENSCHER, Hans-Dietrich 613 Geb. 1927. Anwalt, 1965–98 MdB, 1969–74 Bundesinnenmin., seit 1974 Min. des Auswärtigen u. Stellv. des Bundeskanzlers, 1974–85 zugleich FDP-Vors., ab 1982 wieder Außenmin. u. Stellv. des Bundeskanzlers, hatte in dieser Funktion wesentlichen Anteil an der dt.-dt. Vereinigung, 1992 Ausscheiden aus der Regierung auf eigenen Wunsch. GIENKE, Horst 190, 213, 215, 257, 332, 382, 403, 407, 428, 436, 442, 460, 466, 518f., 528, 530f., 533, 542, 546f., 552, 557f., 562, 585, 589, 594, 598, 602, 609, 616 Geb. 1930. 1949–54 Studium der Theol. in Rostock, 1954 Ordination, 1954–60 Pfarrer in Blankenhagen/Rostock, 1960–64 Pfarrer in Rostock, 1964–71 Rektor des Predigerseminars in Schwerin und bis 1972 Mitgl. der mecklenburgischen Landessynode, 1969–89 Mitgl. der Bundessynode, Vors. des Theol. Arbeitsausschusses des BEK, Mitgl. der Kirchenltg. der VELKDDR, KKL-Mitgl., 1972 Landessup. in Schwerin, 1972–89 Bischof der Greifswalder Landeskirche (13.11.1989 Rücktritt), 1973–76 und 1987–89 Vors. des Rates der EKU (Bereich DDR), 1976–81 Vors. der AGCK, 1980–85 Vors. des Nationalkomitees des LWB in der DDR, 1981–86 Stellv. KKL-Vors., 1984–89 Mitgl. des Exekutivkomitees des LWB, 1987–89 Vors. des Bibelwerks in der DDR, Nov. 1989 Rücktritt (nach Vertrauensentzug durch die Synode) als Bischof und Ruhestand, 1990 Übersiedlung nach Lübeck. Wurde vom MfS als IM „Orion“ geführt. GÖTTING, Gerald 89, 139f., 171, 174 Geb. 1923. 1942–45 RAD, Kriegsdienst (Luftnachrichten), 1945 amerik. Kriegsgefangenschaft, 1946 CDU und FDJ, 1946/47 Ang. beim Kriegsschädenamt Halle, 1947–49 Studium der Philol. und Gesch. an der MLU Halle, 1948 Mitgl. des Hauptvorst. der CDU, 1948/49 Mitgl. des Dt. Volksrates, 1949–66 Generalsekr. der CDU, 1949/50 Abg. der Provisorischen VK, 1950 bis März 1990 der VK, 1950–54 deren Vizepräs., 1950–89 Mitgl. des Präsidiums des NR der NF, 1954–58 Stellv. Präs. der VK, ab 1954 Mitgl. des Präsidiums der Liga der Vereinten Nationen, ab 1955 Mitgl. des Präsidiums des Friedensrates und Präs. der DSF, 1958–63 Vors. der CDU-Fraktion in der VK, 1960–69 stellv. Vors. des Ausschusses für Nat. Verteidigung, 1960–89 Stellv. Vors. des Staatsrates, 1963–69 Vors. des VK-Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, ab 1966 CDU-Vors., 1969–76 Präs. der VK, 1976–89 Stellv. Präs., ab 1976 Präs. der Liga für Völkerfreundschaft, ab 1980 Stellv. Präs. der VK, 2.11.1989 Rücktritt als CDUVors., 17.11.1989 Abberufung aus dem Staatsrat, Dez. 1989 bis Febr. 1990 U-Haft, Mai 1991 Ausschluss aus der CDU, Juli 1991 Verurteilung zu 18 Monaten Haft auf Bewährung wegen „fortgesetzter Untreue“.

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Personenregister/Biographische Angaben

GOLLWITZER, Helmut 24, 380 Geb. 1908, gest. 1993. Studium der Theol. in München, Erlangen, Jena, Bonn und Basel, 1933 Schlossprediger und Prinzenerzieher in Ernstbrunn/Wien, 1936 Ausbildungsauftrag für BK-Theologen beim thüringischen und altpreußischen Bruderrat der BK, 1937 Lic. theol., 1937 Ausweisung, Beauftragung mit dem Referat für theol. Nachwuchs beim Bruderrat der APU, 1938 Pfarrer in Berlin-Dahlem, Doz. an der Kirchl. Hochschule in Berlin, 1940 als BK-Mitgl. Reichsredeverbot und Ausweisung aus Berlin, 1941–45 Kriegsdienst (Sanitäter), 1945–49 sowj. Kriegsgefangenschaft, 1950–57 ord. Prof. (Syst. Theol.) an der Univ. Bonn, 1955 Eintreten gegen die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik, 1957–75 Prof. (Syst. Theol.) an der FU Berlin und bis 1971 auch an der Kirchlichen Hochschule Berlin, Engagement für Dialog zwischen Juden, Christen und Marxisten, gegen atomare Aufrüstung und Vietnam-Krieg, für die Studentenbewegung, 1973/74 Buber-Rosenzweig-Medaille, Carl von Ossietzky-Medaille, 1975 em. GORBATSCHOW, Michail 427, 556, 605 Geb. 1931. 1952 KPdSU, Maschinenbaustudium, Jurastudium, 1955–62 Funktionär im Komsomol, 1966–68 Parteivors. der Stadt Stawropol, 1970–78 1. Sekr. des Regionskomitees, ab 1970 Mitgl. des Obersten Sowjet, 1971 ZK der KPdSU, 1978 ZK-Sekr. für Landwirtschaft, 1979 Kandidat, 1980 Mitgl. des PB, 1984 Vors. des Außenpolit. Ausschusses der KPdSU, 1985–1991 Generalsekr. des ZK der KPdSU, 1988–1991 Staatspräs. der Sowjetunion, 1990 Friedensnobelpreis. GRÄSSER, Erich 171f., 190, 199 Geb. 1927. Theologiestudium, 1955 Prom. (Dr.theol.), 1964 Habil., Doz. an der Univ. Marburg, 1965–74 ord. Prof. (NT) an der Univ. Bochum, ab 1974 vom Rat berufenes Mitgl. der EKU-Synode, ab 1979 ord. Prof. an der Univ. Bonn. GREIFENSTEIN, Hermann 169, 199, 214, 313 Geb. 1912. Studium der Theol. in Erlangen und Tübingen, 1936–39 Religionslehrer in München, 1939 Pfarrer in Erlangen-Neustadt, zugl. Studentenseelsorger an der Univ. Erlangen, 1949–52 Vors. der Ev. Studentenpfarrerkonferenz, 1952 Dekan in Regensburg, 1960 KR, 1962–80 OKR und Mitgl. des bayerischen Landeskirchenrates, 1970–80 stellv. Präsidiumsmitgl. und Mitgl. der VELKD-Generalsynode, Mitgl. der Kirchenleitung der VELKD, Vors. der Ev. Landesarbeitsgemeinschaft Bayern für Soldatenbetreuung, 1980 Ruhestand. GRENGEL, Christa 189, 292ff., 428 Geb. 1939. Theologiestudium, 1963–66 Reisesekr. der Ev. Studentengemeinden in der DDR, Vikariat, Predigerseminar, Pastorin in Berlin, seit 1968 in der EKU (Bereich DDR) und im Sekr. des BEK Studienreferentin für Friedensfragen und Gemeindeaufbau, Sekr. des Ausschusses für Zeugnis und Gestalt der Gemeinde und seit 1977 des Ökum. Ausschusses in der gemeinsamen Einrichtung Ökumene des BEK, Mitgl. der EKU-Kirchenkanzlei, Ökum. Kommission (kommissarisch), 1986 Geschäftsführerin des FAK I der ökum. Kommission beim BEK-Sekr., 1991 OKR im Kirchl. Außenamt der EKD (Abt. Übersee, Auslandsarbeit und Ökumene regional). GROSCURTH, Reinhard 212, 233, 243, 250f., 264, 277, 280, 287, 309, 311, 336f., 402, 413 Geb. 1929. 1956 2. theol. Examen, 1950–66 Pfarrer in Recklinghausen-Hochlarmark,

Personenregister/Biographische Angaben

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1966–69 Sekretär der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung beim ÖRK in Genf, 1969–89 Ökumene-Referent der Kirchenkanzlei der EKU (Bereich BRD und West-Berlin). GROSSE, Ludwig 332, 431, 449, 460, 466f., 475, 478, 488f., 492f., 497, 502f., 506, 527, 530f., 644 Geb. 1933. 1951–56 Studium der Theol. an der FSU Jena, danach Vikar in Jena, 1957 Ordination, 1957–70 Pfarrer in Tannroda/Weimar, 1959 Mitgl. der Luth. Bekenntnisgemeinschaft in Thüringen, 1960 Mitgl. im Landesbruderrat, seit 1966 Mitgl. der thüringischen Landessynode, 1970–88 Sup. in Saalfeld, 1973–89 Mitgl. der Bundessynode und der KKL in der DDR, 1977–89 Mitgl. der Kirchenltg. der VELKDDR, 1980 Vors. der Luth. Bekenntnisgemeinschaft, 1988–98 OKR im Landeskirchenamt der Ev.-luth. Kirche in Thüringen, Dezernent für Ausbildung, Erziehung und Schule in Eisenach, 1990 Übergang in die EKD-Synode und Ltr. der Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft in Thüringen (BK), Mitgl. im Beirat des BStU, Mitgl. im Überprüfungsausschuss der thüringischen Kirche, 1991 von der Landessynode zum Stellv. des Bischofs gewählt, seit 1991 Mitgl. der EKD-Synode. GROTEWOHL, Otto 40, 53 Geb. 1894, gest. 1964. 1908–12 Buchdruckerlehre, 1908 SAJ, 1912 SPD, 1912–14 Buchdrucker, Ang., 1914–18 Soldat, 1918 USPD, 1918/19 Vors. eines Arbeiter- und Soldatenrates, 1919–21 Ang. der Ortskrankenkasse Braunschweig, 1920–26 Abg. des braunschweigischen LT, 1921/22 Innen- und Volksbildungsmin. von Braunschweig, 1922 SPD, Sekr. für Betriebsräte im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund, 1923/24 Justizmin., 1924–26 Studium an der Leibniz-Akademie in Hannover, 1926–30 Gasthörer an der Hochschule für Politik, der Handelshochschule und der Univ. Berlin, Mitarb. von sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Zeitungen, 1925–33 Präs. der Landesversicherungsanstalt, Vors. des Landesverbands Braunschweig der SPD, Abg. des Reichstags, 1933 gemaßregelt, bis 1938 selbständiger Kaufmann in Hamburg, Mitgl. einer illegalen sozialdemokratischen Gruppe, 1938 und 1939 U-Haft, 1940–45 Geschäftsführer eines kleinen Berliner Unternehmens, Zusammenarbeit mit der sozialdemokratischen Widerstandsgruppe Heibacko, 1945 Vors. des Zentralausschusses der SPD, Mitbegr. des Blocks antifaschistisch-demokratischer Parteien, 1945/46 Teiln. beider Sechziger Konferenzen und Mitgl. der Studienkommission zur Erarbeitung der „Grundsätze und Ziele“ und des Parteistatuts der SED, ab 1946 Mitgl. des Parteivorstands bzw. des ZK der SED und seines Zentralsekr. bzw. PB, 1946–54 zusammen mit W. Pieck Vors. der SED, 1946–50 Abg. des sächsischen Landtags, 1947 Mitgl. des Ständigen Ausschusses des Deutschen Volkskongresses, 1948/49 des Deutschen Volksrates, Vors. seines Verfassungsausschusses, ab 1949 Mitgl. der Provisorischen VK, 1949–64 Min.präs. bzw. Vors. des Min.rates der DDR, 1960 stellv. Vors. des Staatsrates, kurz darauf wegen schwerer Erkrankung nur noch zeitweilig tätig. GRÜBER, Heinrich 39, 42, 186 Geb. 1891, gest. 1975. 1910–14 Studium der Theol. in Bonn, Berlin und Utrecht, 1914 1. theol. Examen, postgraduales Studium in Utrecht, 1915 bis Nov. 1918 freiwilliger Kriegsdienst, 1919/20 Domkandidatenstift, 1920 Ordination in Berlin, 1920–25 Pfarrer in Dortmund-Brackel, 1923/24 von der französischen Besatzungsmacht wegen

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Personenregister/Biographische Angaben

Teiln. am passiven Widerstand ausgewiesen, 1925/26 Pfarrer an den Düsseldorfer Anstalten, 1926–33 Dir. des kirchl. Erziehungsheims Waldhof in Templin/Uckermark (1933 Entlassung), 1934–45 Pfarrer in Berlin-Kaulsdorf, Mitgl. der BK, 1936 erste Hilfsaktionen besonders für ev. „Nichtarier“, fortgesetzt ab Herbst 1938 als Gründer und Ltr. im „Büro Grüber“, im Herbst 1937 erste Inhaftierung, 1940–43 Haft in den KZ Sachsenhausen und Dachau, Apr./Mai 1945 Bürgermeister von Berlin-Kaulsdorf, dann stellv. Ltr. des Beirates für kirchl. Angelegenheiten beim Magistrat von Groß-Berlin, 1945 Propst zu Berlin und Pfarrer von St. Marien und St. Nicolai, 1945–47 Mitgl. der Berlin-brandenburgischen Kirchenleitung und stellv. Vors. des Beirates für kirchl. Angelegenheiten beim Magistrat von Berlin sowie Bevollmächtigter des Ev. Hilfswerks für die SBZ, Präs. der Bahnhofsmission, stellv. Vors. des VVN, 1949–59 Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der DDR-Regierung, im Mai 1961 einziger deutscher Zeuge im Eichmann-Prozess, 1970 Ehrenbürger von West-Berlin. GÜNTHER, Rolf-Dieter 132, 527 Geb. 1933. Nach Theologiestudium in Berlin 1959 Ordination, Pfarrer im Spreewald, 1962 Landesjugendpfarrer der Mark Brandenburg, 1963 Pfarrer in Brandenburg/Havel, seit 1969 Mitgl. der Bundessynode, 1973 Pfarrer in Michendorf, 1976 Sup. in BeelitzTreuenbrietzen, ab 1980 Ltr. der Presse- und Informationsstelle und Pressereferent im BEK-Sekr., Vors. des Ausschusses für kirchl. Kommunikation, Mitgl. der Kirchenltg. Berlin-Brandenburg (Ost) und der Landessynode, 1991–92 Referent des GEP. Wurde vom MfS als IMB „Wilhelm“ geführt. GYSI, Klaus 319, 335, 340, 343–346, 365, 361, 386–390, 421f., 427, 429, 432, 465, 468, 488ff., 511f., 522, 525, 531, 552, 560, 570, 572 Geb. 1912, gest. 1999. Abitur, 1928 KJVD, 1931 KPD, 1931–35 Studium in Frankfurt/M., Paris, Innsbruck und Berlin (Dipl.-Volkswirt), 1935 Emigration nach Frankreich, 1939/40 interniert, 1940–45 Untergrundtätigkeit in Berlin, 1945 Bezirksbürgermeister Berlin-Zehlendorf, 1946 SED, 1945–48 Chefred. der Zeitschrift Aufbau, 1949–51 Bundessekr. des KB, 1949–54 und 1967 bis März 1990 Abg. der (Prov.) VK, 1952–54 Ltr. der Abt. Dt. Literaturgesch. im Verlag Volk und Wissen, 1957–66 Ltr. des Aufbau-Verlags, 1957–77 Mitgl. des Präsidiums des KB, 1958–62 Stadtverordneter in Berlin, 1966–73 DDR-Kulturmin., 1973–78 Botschafter in Italien und Malta, 1979 bis Juli 1988 Staatssekr. für Kirchenfragen, 1988 Ruhestand. Wurde vom MfS als IM „Kurt“ geführt. HAFA, Herwig Olaf 61 Geb. 1910, gest. 2000. 1938–1940 Studienass. und Internatsleiter der Brüdergemeine, zugleich 1939 Lehrvikar, 1941 Ordination, 1941 Internatsleiter und Hilfsprediger, 1942 Studienrat Hirschberg, 1947 Stadtsynodalpfr. Berlin, 1947 nebenamtl. Bearbeiter von Schulfragen in der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –, 1956 dort nebenamtl. theol. Referent, 1955–1959 Geschäftsführer der Kirchlichen Erziehungskammer der EKD. 1961 Provinzialpfr., 1965–76 Ltr. der Erziehungskammer der Berlin-brandenburgischen Kirche (Ostregion), 1976 Ruhestand. HAMEL, Johannes 127, 205, 244 Geb. 1911, gest. 2002. 1930–35 Theologiestudium in Tübingen, Königsberg und Halle/Saale, Mai 1933 SA, nach einem Jahr Austritt und Anschluss an die BK, dort bis

Personenregister/Biographische Angaben

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Kriegsende illegaler Vikar und Hilfsprediger, 1935–38 Reisesekr. der Dt. Christlichen Studentenvereinigung, 1936 Adjunkt am Auslandsseminar der BK in Ilsenburg/Harz, 1937 Eröffnung eines Verfahrens wg. „Greuelpropaganda“, später Einstellung des Verfahrens, 1938 Ordination, nach der durch die Gestapo erzwungenen Schließung des Auslandsseminars Ilsenburg 1938 Studienamtsltr. der BK Halle/Saale, 1939 Hilfsprediger in Beckwitz, 1940 in Kayna, 1941/42 Verpflichtung zum Arbeitsdienst in die Leuna-Werke durch die Gestapo, 1942 Hilfsprediger in Heuckewalde, 1942–46 Kriegsdienst (Gefreiter und Reserveoffiziersbewerber), 1939 Verwundung, 1945 amerik. Gefangenschaft, bis 1946 Lagerpfarrer in Florenz und Pisa, 1946–55 Studentenpfarrer in Halle, 1951–73 Mitgl. der Synoden der KPS und der EKU, gleichzeitig ständiges beratendes Mitgl. der Kirchenleitung der KPS in Magdeburg, 1953 Verhaftung wg. „Boykotthetze“, nach fünf Monaten Entlassung aufgrund int. Proteste, 1955–76 Doz. für Prakt. Theol. am Katechetischen Oberseminar Naumburg, 1955 Vors. des Ausschusses für öff. Verantwortung der EKU, 1964–73 Mitarb. in mehreren theol. Ausschüssen der KPS, der EKU und der EKD, zeitweise als Vors., 1968 Mitverf. des „Brief aus Lehnin“, 1976 Ruhestand, 1982 Umzug nach Gangloffsömmerda/Sömmerda, dort Predigthelfer, 1985 Ausreise in die Bundesrepublik. HAMMER, Walter 17f., 50ff., 62, 64f., 67f., 71ff., 79ff., 85f., 94, 102f., 114, 120f., 128, 155, 165f., 169, 179, 184ff., 192, 199ff., 203, 205f., 211–215, 223–226, 229ff., 233, 236, 239ff., 244, 248, 264, 269, 273, 277, 282, 284, 288–291, 295, 298, 305ff., 314f., 318f., 320f., 325f., 330, 332, 337ff., 347, 352, 354, 357, 363f., 375, 378ff., 383, 386, 392, 394f., 397f., 400, 411ff., 417, 420, 424, 429f., 443, 458f., 462, 466, 474, 487, 494, 498, 504, 507–511, 520, 528ff., 534, 538, 540, 547, 555f., 558, 560, 577f., 583f., 589f., 594, 602, 605, 608, 616, 619, 631, 659f. Geb. 1924, gest. 2000. Kriegsdienst und brit. Kriegsgefangenschaft, bis 1945 Flugzeugführer, Studium der Rechtswiss. in Kiel, 1. und 2. Staatsexamen, 1954–58 Assessor im Dienst der Bremischen Ev. Kirche, 1958–66 OKonsR (Finanzreferent) in der EKUKirchenkanzlei in Berlin, seit 1964 nebenamtl. Ltr. der Berliner Stelle der EKD-Kirchenkanzlei, OKonsR, 1966–89 Präs. der Kirchenkanzlei (Verfassungsreferent) bzw. des Kirchenamtes (ab 1983) der EKD in Hannover, 1980–89 Mitgl. und westlicher Geschäftsführer der Konsultationsgruppe zwischen BEK und EKD, Aufsichtsratsvors. der Ev. Familienfürsorge. HANSELMANN, Johannes 398, 413, 552, 556, 558, 583 Geb. 1927, gest. 1999. 1944 RAD und Wehrdienst, Abitur, 1946–49 Studium der Theol. in Erlangen, 1949 1. theol. Examen, 1950 Ordination, 1950/51 Stipendiat des LWB am „Wittenberg Theological Seminary“ in Springfield (Ohio) und an der „Hartford University of Religion“ in Hartford (Conneticut), 1950 Magister der Theol., 1951 Vikar in Coburg, 1952 Prom. (Dr.phil.), 1953 Pfarrer in Grub am Forst/Coburg, ab 1962 Mitgl. der bayerischen Landessynode, 1967–73 stellv. Chefred. des Sonntagsblatts Die Kirche (West-Berlin), 1967–73 Mitgl. des Rundfunkverkündigungsteams, 1966 Ltr. des Hauses der Kirche in Berlin (West), 1974 Kreisdekan für den Kirchenkreis Bayreuth, 1975–94 Landesbischof der Ev.-luth. Landeskirche in Bayern, 1978 Vizepräs. des LWB, 1978 stellv. Ltd. Bischof der VELKD, 1984 Vors. der Luth. Stiftung für Ökumenische Forschung in Straßburg, 1987 Präs. des LWB.

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Personenregister/Biographische Angaben

HARDER, Hans-Martin 641, 650–653 Geb. 1942. Zulassung zum Jurastudium abgelehnt, bis 1963 Lehre als Bankkaufmann, 1963–70 Kirchenjuristenausbildung in Naumburg, Konsistorialreferendar, 1967 Referendarexamen, seit 1967 im Ev. Konsistorium Greifswald, Konsistorialassessor, 1970 Assessorexamen, KonsR, OKonsR, 1970–76 jur. Fernstudium an der HU Berlin (Dipl.Jurist), ab 1985 Ltr. des Ev. Konsistoriums Greifswald, seit 1990 Konsistorialpräs., seit 1972 Lehrauftrag für ev. Kirchenrecht an der Univ. Greifswald, ab 1978 beratendes Mitgl. im Rat der EKU, Vors. des Rechtsausschusses der EKU, Stellv. des Finanzausschusses der EKU, ab 1987 Mitgl. der KKL. Wurde vom MfS als IM „Dr. Winzer“ geführt. HECKEL, Martin 413 Geb. 1929. 1947 Abitur, 1948–51 Studium der Rechtswiss. in München, 1952 Referendarexamen, 1955 Prom. (Dr.jur.), 1957 Assessorexamen, 1960 Habil., danach Prof. für Kirchenrecht und öff. Recht an der Jur. Fak. der Univ. Tübingen, 1960–77 Mitgl. der württembergischen Landessynode, 1962 Wahl zum Beisitzer des Schiedsgerichtshofs der EKD, 1970–73 Mitglied der EKD-Synode, 1971–73 Mitglied des Rates der EKD, 1976–97 Präsident des Schiedsgerichtshofs der EKD, ab 1980 kooptiertes Mitgl. der Ev.-theol. Fak. Tübingen. HEIDINGSFELD, Uwe-Peter 17f., 35, 243, 264, 270, 275, 280, 296, 315, 323, 326, 330, 332–337, 344, 354, 357, 372, 413, 422, 431, 433ff., 437f., 442f., 445, 448f., 458, 494, 510, 522, 611, 628ff., 632, 638, 644–647, 649, 659 Geb. 1941. Nach Theologiestudium 1967 1. theol. Examen, 1968–70 wiss. Ass. (NT) in Erlangen, 1970–72 Vikar, 1972 2. theol. Examen, 1972–79 Pfarrer im Ökumenisch-Missionarischen Institut Berlin (West), 1980–86 OKR im Kirchl. Außenamt der EKD, 1986–91 Ltr. der Berliner Stelle des Kirchenamtes der EKD, 1986–90 EKDseitige Geschäftsführung der Beratergruppe zwischen BEK und EKD. HEIDLER, Fritz 181 Geb. 1908, gest. 1988. 1928–32 Theologiestudium in Tübingen, Bonn und Leipzig, 1932 Landesbibliothek in Dresden, 1933–34 Hauslehrer in Kannenberg (Pommern), 1933–36 Predigerkolleg St. Pauli Leipzig, dann Hilfsprediger in Leipzig, 1935–40 Pfarrvikar der BK in Leipzig, 1936 Ordination und Pfarrer (Hilfsdienst) in Kitzscher/ Borna, 1941 Pfarrer in Steinbach/Leipzig, 1941–46 Wehrmacht, sowj. Kriegsgefangenschaft, 1947–49 Pfarrer in Dresden, Landeskirchenrat im Dresdner Landeskirchenamt, Mitgl. der sächsischen Kirchenleitung, 1949 EKD-Beauftragter/Ltr. der Männerarbeit in den östlichen Gliedkirchen der EKD, 1952 Berufung ins Luth. Kirchenamt der VELKD, 1956 OKR in der östlichen Dienststelle des Luth. Kirchenamtes der VELKD, 1961–75 dessen Ltr. (ab 1968 VELKDDR), 1962 Geschäftsführer des Nationalkomitees des LWB, 1975 Ruhestand. Wurde vom MfS als IMV „Friedrich“ geführt. HEINRICH, Peter 385, 397, 420, 426f., 447, 512, 552, 560f., 571f., 599, 608 Geb. 1940. 1954–56 Facharbeiterausbildung (Maschinenschlosser), 1954–66 FDJ, 1964–72 GST, 1964 DSF, 1958 MfS, 1958–61 Wachregiment des MfS in Berlin, 1961–62 Maschinenschlosser, 1962 SED, 1962 Sonderreifeprüfung VHS Leipzig, 1962–66 Studium der Phil. an der KMU Leipzig, 1966–67 Referent in der Kulturabt. des MfAA, 1967–69 Studium des Marxismus-Leninismus (Fachgebiet Staat und

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Kirche) an der KMU Leipzig, 1967–74 Hauptreferent für Kirchenfragen beim RdS Leipzig, 1973 Dipl.-Phil., 1981–90 HAL im Staatssekr. für Kirchenfragen. OibE des MfS in der Dienststelle des Staatssekr. für Kirchenfragen. HEINTZE, Gerhard 85f., 155–157, 166, 168, 171, 182, 190, 199, 214, 313f., 332, 414, 462, 466 Geb. 1912. Ab 1931 Theologiestudium in Tübingen, Göttingen und Manchester, 1935 1. und 1938 2. theol. Examen, 1938 Ordination, 1938–39 Austauschpfarrer in Stuttgart und Besigheim, 1939–40 Pastor in Gifhorn, 1940–41 Studieninspektor in Loccum, 1942 Pastor in Hollern-Twielenfleth, 1946–50 Missionsinspektor in Hermannsburg, 1950–53 Studiendir. des Predigerseminars Erichsburg, 1953 Verlegung des Predigerseminars nach Hildesheim, dort bis 1957 Studiendir., 1957 Prom. (Dr.theol.), 1957–61 Sup. in Hildesheim, 1961–65 Landessup. in Hildesheim, 1965–82 Landesbischof der Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig, 1979–81 Ltd. Bischof der VELKD. HELD, Heinz Joachim 231, 239, 279, 290, 323, 357 Geb. 1928. 1947–51 Theologiestudium in Wuppertal, Göttingen, Heidelberg und Bonn, 1952–56 Ass. an der Kirchl. Hochschule Wuppertal, 1957 Prom. (Dr.theol.), 1957–64 Gemeindepfarrer in Friedrichsfeld/Niederrhein, 1964–68 Prof. für Syst. Theol. an der Facultad Luterana de Teologia in José C. Paz bei Buenos Aires, 1968–74 Kirchenpräs. der Ev. Kirche am La Plata in Buenos Aires, 1968–83 Mitgl. im Zentralausschuss des ÖRK, 1975–93 Präsident des Kirchl. Außenamtes des EKD in Frankfurt/M. und Hannover, 1976–84 Mitgl. im Beratenden Ausschuss der KEK, 1982–88 und 1992–95 Vors. der AGCK in Deutschland, 1983–91 Vors. des Zentralausschusses des ÖRK, 1991–93 Bischof, Ruhestand. HEMPEL, Johannes 181f., 189, 222, 234, 250, 256, 274f., 293, 307, 310f., 323, 331, 361, 380f., 384f., 387–392, 399, 403, 408ff., 412f., 419, 423–426, 428f., 450, 519, 523–530, 532, 544, 549f., 556, 590, 612, 616, 618, 627f., 636, 650ff. Geb. 1929. 1947–49 Studium der Germ., Phil. und Gesch. in Tübingen, 1949–51 Studium der Germ., Phil., Gesch. und Theol. in Heidelberg, 1952 Theologiestudium an der Kirchl. Hochschule Berlin-Zehlendorf, 1. theol. Examen, 1955 Hilfsgeistlicher in Gersdorf/Glauchau, 1956 2. theol. Examen und Ordination, 1956–58 Pfarrer in Sachsen, 1959–63 Pfarrer an der Thomaskirche in Leipzig, zusätzlich Studieninspektor am Predigerkolleg St. Pauli Leipzig, 1960 Prom. (Dr.theol.), 1963–67 Studentenpfarrer in Leipzig, 1968–72 Studiendir. an St. Pauli Leipzig, 1972–94 Sächsischer Landesbischof, 1973–77 stellv. Vors. der KKL, 1975 Mitgl. des Zentralausschusses und des Exekutivausschusses des ÖRK, seit 1977 Mitgl. des LWB, 1981–86 Ltd. Bischof der VELKDDR, 1981–86 Vors. der KKL, 1983–91 einer der sieben Präs. des ÖRK, 1991–97 Stellv. Ratsvors. der EKD. HENKYS, Reinhard 11, 18, 20, 22, 57, 139, 146, 180f., 190, 195, 201, 210, 212, 219, 233, 243, 250f., 259, 264, 272, 280, 285, 293, 295, 304, 316, 331, 334, 414ff., 418, 610, 614, 616, 618 Geb. 1928. Studium der Gesch., Germ. und Wirtschaftswiss., seit 1953 Berufsjournalist, 1953–55 für Der Kurier/Berlin, 1955–60 Red. des epd Rheinland in Düsseldorf, 1960–63 epd-Zentralredaktion in Bethel bei Bielefeld, 1964–71 epd-Zentralredaktion in Berlin, 1968–96 ständiger Mitarb. der Ev. Kommentare, 1972–91 Ltr. des Evangeli-

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schen Publizistischen Zentrums in West-Berlin und Geschäftsführer der Berliner Arbeitsgemeinschaft für Kirchl. Publizistik (1972–90 Gründung und Ltg. der Zeitschrift Kirche im Sozialismus/Übergänge), 1974–91 Ltg. des Berliner Sonntagsblatts, 1992–93 Ev. Studien- und Begegnungsstätte Berlin, 1996 Karl-Barth-Preis, 1999 Bundesverdienstorden für die Berichterstattung der Rolle der Kirchen im dt.-dt. Verhältnis, tätig als freier Publizist. HERTZSCH, Klaus-Peter 644 Geb. 1930. Bis 1957 Theologie- und Germanistikstudium in Jena und Zürich, 1957 Prom., 1957 Ordination, 1957–59 Vikar in Cospeda/Jena, 1959–66 Studentenpfarrer und Ephorus (Studieninspektor) des Theologenkonvikts Jena, 1966–69 Ltr. der Geschäftsstelle der Ev. Studentengemeinden in der DDR in Berlin, 1969 Doz., 1974–95 Prof. für Prakt. Theol. an der Sektion Theologie der FSU Jena, seit 1977 Mitgl. der thüringischen Landessynode und bis 1990 Mitgl. der Bundessynode, 1979–84 Dir. der Sektion Theologie an der Univ. Jena, 1995 em. HERZOG, Roman 264 Geb. 1934. Bis 1957 Jurastudium in München, 1958 Prom. (Dr.jur.), wiss. Ass. an der Univ. München, 1961 2. jur. Staatsprüfung, 1964 Habil., Privatdoz. an der Univ. München, 1966 Prof. (Staatsrecht, Politik) an der FU Berlin, 1969 Prof. (Staatslehre, Politik) an der Hochschule für Verwaltungswiss. Speyer, ab 1969 Mitgl. der EKD-Kammer für öff. Verantwortung, 1970 CDU, 1971–80 Vors. der Kammer für öff. Verantwortung der EKD, 1972–77 Mitgl. der EKD-Synode, 1973 Staatssekr., Bevollmächtigter des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund, 1978 Min. für Kultus und Sport des Landes Baden-Württemberg, 1980 Innenmin. des Landes Baden-Württemberg, 1983 Vizepräs. und 1987–94 Präs. des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, 1994–99 Bundespräs. der Bundesrepublik Deutschland. HEYL, Cornelius Adalbert von 109, 209ff., 288, 297, 313, 332, 347, 381, 391, 396, 398f., 401f., 413, 462, 466f., 477f., 490ff., 495ff., 502, 516, 522, 528–532, 536, 541, 551, 617 Geb. 1933. 1952–56 Studium der Rechtswiss. in Innsbruck, Freiburg und Marburg, Stipendiat des Ev. Studienwerks Villigst, 1956 1. jur. Staatsexamen, 1956–60 Gerichtsreferendar, 1960 2. jur. Staatsexamen, 1961–70 Referent bei der Bonner Vertretung der EKD, Geschäftsführer der Kammer für soziale Ordnung und der Familienrechtskommission der EKD, zuletzt OKR, 1967–73 Präs. der Ev. Aktionsgemeinschaft für Familienfragen (EAF), 1969–79 CDU, seit 1970 Mitgl. der EKD-Synode, 1970–76 Rechtsanwalt in Bonn, 1973–85 Präses der Synode und Mitgl. des Rates der EKD, ab 1976 Referent im Rheinland-pfälzischen Sozialministerium (heute: Ministerium für Soziales und Familie), zunächst Referent für Familienpolitik und Jugendrecht, ab 1977 Ministerialrat, 1978–83 Planungsgruppe für Gesellschaftspolitik, ab 1983 Referat für Jugendrecht und Jugendschutz, seit 1986 Mitgl. der Kammer der EKD für Ehe und Familie. HEYM, Stefan 310f. Geb. 1913, gest. 2001. Studium der Phil., Germ. u. Zeitungswiss. in Berlin, 1933 Emigration in die ĈSR, Journalist, ab 1935 Stipendiat Studium in Chicago, anschl. Prom., danach tellerwäscher, vertreter, Kellner, Verkäufer, Korrektor, 1937–39 Chef-

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red. der Wochenzeitung Deutsches Volksecho in New York, 1943 Soldat US-Army, Red. der Frontpost des Senders Luxemburg, antifaschistische Tätigkeit, 1945 Mitbegr. der Zeitung Neue Zeit in München, wegen „prokommunistischer Haltung“ in die USA zurückversetzt u. aus der Armee entlassen, verließ wegen Bedrohung durch den McCarthy-Aussch. u. dem Beginn des Korea-Kriegs die USA, 1951 über Warschau zunächst nach Prag, Jan. 1952 Übersiedlung in die DDR, 1953 PEN-Zentrum Ost u. West, nach dem 17.6.1953 publizistischer Einsatz für den kritischen gesellschaftl. Dialog, wegen kritischer Aktivitäten fortlaufend vom MfS überwacht, Okt. 1994–95 MdB u. Alterspräs.. HILD, Helmut 169, 199, 214, 229, 239, 253, 269, 313, 338, 419, 430, 469 Geb. 1921, gest. 1999. 1938 freiwillige Meldung zur Wehrmacht, Kriegsgefangenschaft in Italien, Abitur, 1945–51 Studium der Theol. in Marburg, 1951–57 Pfarrer in Westerburg/Westerwald, 1957–69 Pfarrer in Frankfurt/M., 1960–64 Aufbau der ev. Öffentlichkeitsarbeit in Frankfurt, 1964–69 Vors. des Ev. Gemeindeverbandes Frankfurt/M., 1969–85 Hessen-nassauischer Kirchenpräsident, ab 1972 Vors. des Ev. Presseverbandes in Hessen und Nassau, 1973–85 Mitgl. des Rates der EKD und stellv. Ratsvorsitzender, setzte sich frühzeitig für die Aussöhnung mit Polen ein (1971 und 1973 Führung von kirchlichen Delegationen nach Warschau, 1977 Entstehung des evangelischen Hilfswerks „Zeichen der Hoffnung“ auf Hilds Initiative, das bis heute ehemalige KZ-Häftlinge in Polen unterstützt), 1985–88 Vors. des GEP. HILDEBRANDT, Franz-Reinhold 61, 63, 66, 69, 75, 79, 83, 87 Geb. 1906, gest. 1991. Theologiestudium in Königsberg, Tübingen und Berlin, 1932 Ordination, 1933 Pfarrer in Goldap (Ostpreußen), Mitgl. des Rates der ostpreußischen Bekenntnissynode und des Bruderrates der BK der APU, während des Nationalsozialismus mehrfach in Haft, 1946–52 Propst zu Halberstadt und Quedlinburg (KPS), 1952–72 erster Präs. der Kirchenkanzlei der (neukonstituierten) EKU (bis zum Mauerbau mit Sitz in West-Berlin, danach in der neu errichteten Kirchenkanzlei in Ost-Berlin), 1961 Oberdomprediger am Berliner Dom, Vors. des Kuratoriums der Ev. Forschungsakademie der EKU, der Hoffnungstaler Anstalten in Lobetal, der Berliner Domgemeinde. HIRSCHLER, Horst 589, 618f. Geb. 1933. 1951–54 Lehre als Elektriker, 1955 Abitur, Studium der Theol. in Bethel, Tübingen, Heidelberg und Göttingen, 1962 2. theol. Examen, 1962–65 Schülerpfarrer im Landesjugendpfarramt in Hannover, 1965–70 Gemeindepfarrer in Lüneburg und Deutsch-Evern, 1970–77 Konventualstudiendir. im Kloster Loccum, 1978 Landessup. im Sprengel Göttingen, 1977–88 Mitgl. der EKD-Synode, 1988–99 Landesbischof der Ev.-luth. Landeskirche Hannover, ab 1988 Vors. des Rates der Konföderation der Ev. Kirchen in Niedersachsen und Prior des Klosters Loccum, 1991–97 Mitgl. des Rates der EKD, 1990–97 einer der sieben Vizepräs. des LWB, 1993–99 Ltd. Bischof der VELKD, 1999 Ruhestand, bis 2000 Prior des Klosters Loccum und Hg. des Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatts, 2000 Abt zu Loccum. HOFMANN, Werner 214, 473, 652 Geb. 1931. 1949–52 Studium der Rechtswiss. in Göttingen und München, 1952–56 Rechtsreferendar im Vorbereitungsdienst, 1952 1. Staatsexamen, 1954 Prom. (Dr.jur.), 1956 Große Staatsprüfung, im Anschluss Gerichtsassessor in Kempten, 1956–58 Rich-

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ter in Kempten, 1958 Kirchenanwalt im Landeskirchenamt München, 1964 Oberkirchenanwalt, 1965 OKR, ab 1967 Mitgl. der EKD-Synode, 1970 Vorst. der „Weltlichen Abteilung“ des Landeskirchenamtes, 1972–96 Ltr. des Landeskirchenamtes, 1973–97 Mitgl. des Rates der EKD, 1980–85 Vors. des GEP, 1986–96 Vors. des Diakonischen Rates der EKD, seit 1996 Mitgl. des Bayerischen Senats, seit 1999 Vors. der Inneren Mission München – Diakonie in München und Oberbayern. HONECKER, Erich 197, 252, 267f., 272f., 281f., 340f., 346, 353, 362, 389, 391, 399, 412, 415, 433, 437, 441f., 446, 468, 476f., 490, 524, 526, 531, 549f., 563, 566, 609 Geb. 1912, gest. 1994. 1926–28 Landarbeiter, 1928/29 Dachdeckerlehre, 1929 KPD, ab 1930 hauptamtl. Tätigkeit im KJVD, 1930/31 Int. Leninschule in Moskau, 1933–35 Widerstandstätigkeit, 1935–45 inhaftiert im Zuchthaus Brandenburg, 1945/46 Jugendsekr. des ZK der KPD, 1946 Mitbegründer und bis 1955 Vors. der FDJ, seit 1946 Mitgl. des Parteivorst. bzw. ZK der SED, 1950 Kandidat, 1958 Mitgl. des PB, 1958 Sekr. des ZK, 1971 1. Sekr. des ZK der SED, ab 1976 Generalsekr., 1971 Vors. des Nat. Verteidigungsrates, 1971–76 Mitgl., 1976 Vors. des Staatsrates, 18.10.1989 von allen Ämtern zurückgetreten, 3.12.1989 Ausschluss aus der SED, 1991/92 Aufenthalt in Moskau, 1993 Haftverschonung nach Prozess in Berlin, 1993/94 Aufenthalt in Santiago de Chile. HONECKER, Margot 211 Geb. 1927. Nach Volksschulbesuch Lehre als kaufmännische Angestellte, danach Telefonistin, 1945/46 KPD/SED, Tätigkeit als Stenotypistin beim FDGB-Kandesvorst. Sachsen-Anhalt, Mitbegründerin des Antifaschistischen Jugendausschusses in Halle, 1946 Mitgl. des Sekr. des FDJ-Kreisvorst. Halle, 1947 Ltr. der Abt. Kultur und Erziehung, 1948 Sekr. für Kultur und Erziehung im FDJ-Landesvorst. Sachsen-Anhalt, 1948–53 Sekr. des Zentralrats der FDJ und Vors. der Pionierorganisation, 1949/50 Abg. der Provisorischen Volkskammer, 1950–54 und 1967 bis März 1990 Abg. der Volkskammer, 1950 Kand., ab 1963 Mitgl. des ZK der SED, 1953 Heirat mit E. Honecker, 1953/54 Besuch der Hochschule des Komsomol in Moskau, 1955–58 Abt.ltr. in der HA Lehrerbildung im Volksbildungsmin., 1958 stellv. Min., ab 1963 Min. für Volksbildung, 1970–89 Mitgl. der APW, 1974 Dr. h.c., Nov./Dez. 1989 Rücktritt mit der Regierung W. Stoph und dem ZK der SED, 4.2.1990 Austritt aus der SED/PDS, seit 1993 Aufenthalt in Santiago de Chile. HONECKER, Martin 275, 283 Geb. 1934. 1953–57 Studium der Theol. in Tübingen (Ev. Stift) und Basel, 1960 Prom. (Dr.theol.), Ass. und Stiftsrepetent in Tübingen, 1965 Habil., seit 1969 Prof. für Sozialethik und Syst. Theol. an der Univ. Bonn, Mitgl. der Kammer für öff. Verantwortung der EKD, Mitgl. der Ev.-kath. Kommissionen, 1999 em. HUBER, Wolfgang 380 Geb. 1942. 1960–66 Theologiestudium in Heidelberg, Göttingen und Tübingen, 1966 1. theol. Examen und Prom. (Dr.theol.), 1966–68 Pfarrverweser in Reutlingen-Betzingen, 1968 2. theol. Examen, Pfarrer der Landeskirche, 1968–80 Mitarb. und stellv. Ltr. (1973–80) der FEST in Heidelberg, 1968–70 Sekr. der Gemischten Kommission für die Reform der theol. Ausbildung, ab 1969 Mitarb. in Gremien des ÖRK, 1972 Habil. (Syst. Theol.), Privatdoz., ab 1973 Mitgl. der Kammer für öff. Verantwortung

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der EKD, 1975–80 Mitgl. des Theol. Ausschusses der EKU, 1976–83 Mitgl., zeitweise Vors. des Konzils und Mitgl. des Kuratoriums für Friedens- und Konfliktforschung, 1979–95 Mitgl. des Präsidiums des DEKT, 1979 apl. Prof. in Heidelberg, 1980 Prof. für Sozialethik an der Univ. Marburg, 1983–85 Präsident des DEKT, 1984–94 Prof. für Syst. Theol. (Sozialethik) an der Univ. Heidelberg, 1989 Lilly Visiting Professor an der Emory University in Atlanta (USA), seit 1994 Bischof der Ev. Kirche in BerlinBrandenburg und Mitgl. des Rates der EKD, seit 2003 EKD-Ratsvorsitzender. IMMER, Karl 284, 474f. Geb. 1916, gest. 1984. Theologiestudium in Wuppertal und Halle/Saale (unterbrochen durch Militär- und Kriegsdienst), 1941 1. theol. Examen vor dem Bruderrat der rheinischen BK, 1942 Ordination, 1943 2. theol. Examen in der lippischen Landeskirche, 1945 Pfarrer in Duisburg-Neudorf, seit 1958 nebenamtl. Mitgl. der rheinischen Kirchenleitung, 1968 OKR, 1971–81 rheinischer Präses, 1973 Mitgl. des Rates der EKD und dessen Beauftragter für Fragen der Kriegsdienstverweigerung und für Seelsorge an deutschen Kriegsverurteilten im ausländischen Gewahrsam. JACOB, Günter 24, 42, 74, 380 Geb. 1906, gest. 1993. 1924–29 Studium der Theol. in Tübingen, Berlin und Marburg, 1929 Prom. (Dr.theol.), Vikariat und Predigerseminar in Berlin, 1931 Ordination, 1931/32 Hilfsprediger in Körlin (Schlesien), 1932–39 Pfarrer in Noßdorf/Forst (Lausitz), 1933 Mitbegr. des Pfarrernotbundes der BK, Mitgl. des Provinzialbruderrates Berlin-Brandenburg der BK, 1935 Verhaftung, 1937 U- und Gestapohaft in Forst, Rede- und Aufenthaltsverbot, Gerichtsverfahren („Heimtückeverfahren“), 1939–45 Wehrmacht (zuletzt Unteroffizier), kurze Kriegsgefangenschaft, Juli 1945 Pfarrer der Kirchlichen Nothilfe in Marburg, 1946–72 Generalsup. der Neumark (bis 1949) und der Niederlausitz in Lübbenau, Mitgl. der Berlin-brandenburgischen Kirchenleitung, Mitgl. der EKD-Synode, 1949–72 Generalsup. des Sprengels Cottbus, 1952–68 Mitgl. der Kommission für Glauben- und Kirchenverfassung des ÖRK, 1956 Bevollmächtigter für das Hilfswerk, Hauptbüro Berlin-Brandenburg (Ost), Mitgl. der Diakonischen Konferenz und des Diakonischen Rates der EKD, 1963–66 Verwalter des Bischofsamtes in Berlin-Brandenburg (Ostregion), 1972 Ruhestand. JAEGER, Joachim 401, 407, 428, 528, 552, 557 Geb. 1935. Nach mittlerer Reife 1951–53 Lehre als Maschinenschlosser, 1953–56 Ingenieursstudium in Karl-Marx-Stadt, Ass. im Konstruktionsbüro des VEB Wema Zeulenroda, 1957–60 Kirchliches Proseminar in Naumburg, 1961–65 Studium der Theol. in Berlin und Naumburg, 1. und 2. theol. Examen, 1967 Ordination, 1967–73 Pfarrer im Mansfelder Revier, 1973–77 Studentenpfarrer in Halle, 1977–86 Sup. des Kirchenkreises Nordhausen-Ilfeld, 1986–94 Propst des Sprengels Südharz mit Sitz in Nordhausen, 1994–2000 Propst KPS, 2000 Ruhestand. JÄNICKE, Johannes 23, 68ff., 96 Geb. 1900, gest. 1979. Rekrut im 1. WK, Theologiestudium, 1925 Ordination und Stadtvikar in Berlin, 1926 Pfarrer in Luckenwalde, 1929 in Halle, 1934 Mitgl. des Pfarrernotbundes und der BK, 1935–47 Pfarrer in Palmnicken (Ostpreußen), 1940–43 Ltg. des ostpreußischen Bruderrates, 1939–45 Kriegsdienst (Sanitätsunteroffizier der Wehrmacht), 1947 Aussiedlung, dann kommissarischer Pfarrer in Berlin-Schlachten-

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Personenregister/Biographische Angaben

see, 1948 Dir. des Burckhardthauses in Berlin-Dahlem, 1949–55 Propst zu Halle und Merseburg, 1955–68 (Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen) Bischof der KPS. JANOWSKI, Hans Norbert 469f., 585 Geb. 1938. 1957–59 Studium der Phil., Germ. und Gesch. in Bonn und Göttingen, 1960–65 Theologiestudium in Bethel, Tübingen und Heidelberg, 1965 1. theol. Examen, 1967–72 Red. der Evangelischen Kommentare, 1972 2. theol. Examen, 1972–83 Geschäftsführender Red. der EK, 1973–88 Lehrauftrag für Journalistik an der Univ. Hohenheim, 1974–94 Mitgl. des Kuratoriums der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), 1983–93 Chefred. der EK, seit 1986 Vors. des Ausschusses für entwicklungsbezogene Bildung und Publizistik des Kirchlichen Entwicklungsdienstes, 1990–93 Lehrauftrag für Journalistik an der Univ. Stuttgart, seit 1993 Dir. des GEP, 1993–97 Rundfunkbeauftragter der EKD. JAROWINSKY, Werner 436, 439, 552 Geb. 1927, gest. 1990. In den 30er Jahren Übersiedlung nach Deutschland, 1941–43 Lehre als Industriekaufmann, Kriegsdienst, 1945/46 KPD/SED, 1948–51 Studium der Wirtschafts- und Rechtswiss. in Halle und Berlin, 1951–56 Doz. an der HU Berlin, 1956 Prom. (Dr.rer.oec.), 1957/58 Ltr. der Hauptverwaltung und 1959–63 Staatssekr. im Min. für Handel und Versorgung, ab 1963 Mitgl. des ZK der SED, Kandidat des PB und Sekr. des ZK der SED, Ressort Handel und Versorgung, 1963 bis Jan. 1990 Mitgl. der VK, seit 1984 Mitgl. des PB, zusätzlich auch für Kirchenfragen zuständig, November 1989 Stellv. des Volkskammerpräs., Dezember 1989 Rücktritt mit dem PB, Januar 1990 Ausscheiden aus der VK sowie Ausschluss aus der SED/PDS. JARUZELSKI, Wojciech Adalbert Witold 362 Geb. 1923. 1939 Verschleppung in die Sowjetunion, ab 1943 freiwilliger Soldat bei den kommunistischen poln. Truppen in der UdSSR, nach 1945 in der poln. Armee, 1947 Mitgl. der Polnischen Arbeiterpartei (PPR), 1948 der Vereinigten Polnischen Arbeiterpartei (PZPR), ab 1956 General, seit 1961 Parlamentsabg., 1962 stellv. Verteidigungsmin., seit 1964 Mitgl. des ZK der PZPR, 1965 zugleich Chef des Generalstabs, 1968–83 Verteidigungsmin., 1971–89 Mitgl. des PB, 1981–85 Min.-Präs., 1981–89 auch 1. Sekr. des ZK, rief im Dez. 1981 das Kriegsrecht über Polen aus (bis 1983) und unterdrückte die Gewerkschaftsbewegung Solidarność, 1983–90 Oberbefehlshaber der Streikräfte, 1985–90 Staatspräs., 1989 Niederlage der PZPR bei den ersten freien Parlamentswahlen, 1990 Auflösung der Partei, Rückzug aus der Politik. JOHANNES, Kurt 68ff., 86, 89, 181, 190, 211 Geb. 1905, gest. 1931. Jurastudium, Prom. (Dr.jur.), 1933–40 Rechtsanwalt in Pirna, April 1940 Kriegsdienst, 1945–49 Tätigkeit in verschiedenen Wirtschaftsunternehmen, Mai 1949 jur. Referent im sächsischen Landeskirchenamt in Dresden, 1950 Kirchenrat, 1956 Kirchenamtsrat, 1959 OLKR, 1960–75 Präs. des sächsischen Landeskirchenamtes, Mitgl. der KKL. JÜNGEL, Eberhard 573 Geb. 1934. Theologiestudium in Naumburg, Berlin, Basel und Zürich, 1959 1. theol. Examen, Vikariat in Berlin-Karlshorst, 1959–66 Repetent, Ass., Doz. am Sprachenkonvikt in Berlin (Ost) – Kirchliche Hochschule, 1961 Prom. (Dr.theol.) in WestBerlin, 1962 2. theol. Examen, ab 1962 Doz. für Syst. Theol. am Ost-Berliner Spra-

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chenkonvikt, 1965–66 Rektor der Kirchlichen Hochschule, 1966–69 Prof. für Syst. Theol. und Dogmengesch. an der Theol. Fak. der Univ. Zürich, ab 1969 Prof. für Syst. Theol., ab 1972 auch für Religionsphil. der Ev.-theol. Fak. der Univ. Tübingen, Dir. des Instituts für Hermeneutik, 1969–85 Frühprediger in Tübingen, ab 1979 kooptiertes Mitgl. der Phil. Fak. der Univ. Tübingen, Vors. der EKD-Kammer für Theol., Vors. des Theol. Ausschusses der EKU, Mitgl. der EKD-Synode, der Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD, der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, stellv. Richter am Staatsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg, seit 1987 Ephorus des Ev. Stifts Tübingen. JUERGENSOHN, Gerhard 68, 103, 112, 116, 142, 154, 157, 181, 190 Geb. 1911, gest. 1996. Studium der Theol. in Berlin, 1937 Ordination, 1937 Hilfsprediger, 1940 Pfarrer in Reetz/Belzig, 1952 Sup. in Bad Wilsnack/Kirchenkreis Havelberg, 1964–72 leitender theol. OKonsR. im Konsistorium der Ev. Kirche der Schlesischen Oberlausitz bzw. des Görlitzer Kirchengebiets in Görlitz, kommissarischer Ltr. des Diakonischen Werks, 1977 Ruhestand, Übersiedlung nach Hockenheim (Baden). JUNG, Hans-Gernot 474, 652 Geb. 1930, gest. 1991. 1949–54 Studium der Theol. in Marburg und Heidelberg, 1954–55 in Dubuque/Iowa, 1958–62 Pfarrer in Kassel, 1959 Prom. (Dr.theol.), 1962–65 Studentenpfarrer in Marburg, 1965–74 Dir. der Ev. Akademie in Hofgeismar, ab 1972 Mitgl. der Synode der EKD, 1974–78 OLKR im Landeskirchenamt Kassel, ab 1978 Bischof der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck, ab 1979 Vors. des Beirates für Ev. Militärseelsorge, seit 1979 Mitgl. des wiss. Kuratoriums der FEST in Heidelberg, 1982–85 Vors. der Arnoldshainer Konferenz, 1985–91 stellv. Vors. des Rates der EKD, ab 1986 Mitgl. des Präsidiums der KEK, 1988 Vorstandsvors. der FEST, 1991 Mitgl. des Zentralausschusses des ÖRK. K ALB, Hermann 261, 310, 344, 637 Geb. 1924. 1941–45 Kriegsteiln., 1946 Studium der Rechtswiss. in Jena und Frankfurt/M., 1946 CDU, 1947–50 Vors. des CDU-Kreisverbandes Meiningen, 1948–50 staatl. Verwaltung, zuletzt stellv. Landrat des Kreises Meiningen, 1950–52 CDU-Landessekr. in Thüringen und Abg. des Landtags, 1950 bis März 1990 Abg. der VK, 1952–61 Vors. des CDU-Bezirksverbands Erfurt, 1960–89 Mitgl. des Präsidiums des CDU-Hauptvorst., 1961–71 Chefred. der Neuen Zeit, 1966–69 Mitgl. des Präsidiums der VK, 1969–86 Vors. des Eingabenausschusses der VK, 1971–77 Sekr. des CDUHauptvorst., ab 1972 Mitgl. des NR der NF, 1977–89 stellv. Staatssekr. für Kirchenfragen, 1990 Staatssekr. und Ltr. des Amtes für Kirchenfragen. Wurde vom MfS als IM „Hermann“ geführt. K ALINNA, Hermann 231, 357 Geb. 1929. 1949–56 Studium der Theol. und Phil. in Bonn, Tübingen, Paris (Sorbonne und Institut Catholique) und Genf (Ökum. Hochschule), 1956–57 Vikar am kirchl. Bodelschwingh-Gymnasium Herchen/Sieg und Synodalvikar beim Kirchenkreis Essen-Mitte, 1957–61 wiss. Hilfskraft an der Theol. Fak. der Univ. Bonn, gleichzeitig Tutor des Studentenwohnheimes Dietrich-Bonhoeffer-Haus, 1961–62 Pfarrer für ausländische Studenten an der Univ. Seattle/Washington, 1962–66 Pfarrer in Bonn-Bad Godesberg, 1966 OKR beim Bevollmächtigten des Rates der EKD, 1970 Mitgl. des

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Rundfunkrates des Deutschlandfunk, 1974 Mitgl. des Hauptausschusses „Hörfunk und Fernsehen“ im GEP, 1977 Stellv. des Bevollmächtigten des Rates der EKD, 1977–86 Vors. des Hauptausschusses „Hörfunk und Fernsehen“ im GEP, 1981 Mitgl., 1981–85 Vors. des Programmausschusses des Deutschlandfunk, 1984 Mitgl. im Vorstand der Welthungerhilfe. K ARZIG, Christoph 475 Geb. 1934. Theologiestudium in Berlin, Tübingen und Göttingen, ab 1963 Pfarrer in Berlin-Charlottenburg, 1973–79 Mitgl. der West-Berliner Kirchenleitung, 1975–87 Sup. des West-Berliner Kirchenkreises Wilmersdorf, 1978–88 Präses der EKU-Synode (Bereich BRD und West-Berlin), 1987–94 i.A. des Berliner Missionswerks Pfarrer in Tansania, 1994–97 Sup. des Kirchenkreises Neuruppin, 1997 Ruhestand. K AULITZ, Jürgen 214 OLKR, Mitgl. des Landeskirchenamtes der braunschweigischen Landeskirche in Wolfenbüttel, 1974 Mitgl. der EKD-Synode, Mitgl. der VELKD-Generalsynode, Mitgl. der Kirchenleitung der VELKD, Referent für Rechtsangelegenheiten im braunschweigischen Landeskirchenamt. KELER, Hans von 214, 286, 288, 292, 312f., 317, 321, 325, 332, 335–338, 343, 358, 384, 386f., 396, 398, 412ff., 424f., 427, 435, 443, 459, 462, 464, 466f., 476, 478, 486, 489, 493f., 504–509, 517, 519, 523, 555, 558, 563f., 570, 574f., 580, 585f., 589f., 592, 595, 602ff., 608, 610, 614, 616f., 624, 652, 659 Geb. 1925. 1946–50 Theologiestudium in Tübingen, 1. und 2. theol. Examen, 1951–53 Pfarrer der Haingstkirche Stuttgart, 1953–57 in Wildenstein/Crailsheim, 1957–64 Ltr. der ev. Weiblichen Jugendarbeit in Württemberg, 1964–69 Pfarrer in Neuenstein/Öhringen, 1966–71 Stellv. Präs. und ab 1969 Präs. der württembergischen Landessynode, 1967–76 Präsidiumsmitgl. der EKD-Synode, 1969–76 Ltr. der Ev. Diakonieschwesternschaft Herrenberg, 1976–91 Mitgl. des Rates der EKD, 1976–79 Prälat in Ulm, 1976–79 Vors. des Diakonischen Werks Württemberg, 1979–88 Landesbischof der Ev. Landeskirche in Württemberg, 1982 Dr.theol.h.c. der Univ. Tübingen, 1983–89 Mitgl. im Exekutivkomitee des LWB, 1987–94 Beauftragter des Rates der EKD für Heimatvertriebene und Spätaussiedler. K IND, Friedrich 129 Geb. 1928. Volks- und Mittelschule, 1943/44 Mechanikerlehre und Tätigkeit als Mechaniker in Limbach, 1946 FDJ, 1947–49 Arbeitsgebietsltr. und Mitgl. des Kreisvorst. der FDJ, 1948 CDU, 1949 Kreisaußensekr., 1950 Kreissekr. in Hoyerswerda, 1950–52 Landessekr. der CDU in Brandenburg, 1952–90 Vors. des CDU-Bezirksverbands Potsdam, 1952–54 Abg. der VK, 1954–58 Abg. der Länderkammer und des BT Potsdam, ab 1956 Vors. des Bezirksverbands Potsdam der DSF, 1958 bis März 1990 Abg. der VK, 1960 bis Jan. 1990 Mitgl. des Staatsrates, 1960–77 Mitgl. des Präsidiums des Hauptvorstands der CDU, 1966–72 Fernstudium an der Päd. Hochschule Potsdam (Dipl.-Lehrer), 1969–71 Mitgl. des Ausschusses für Nationale Verteidigung der VK, 1982 Prom. (Dr.phil.), 1990 Vertriebs- und Anzeigenltr. der Wochenzeitung Die Märkische. KOCH, Hans 63, 103 Präsident, Magdeburg

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KOCH, Hilmar 333, 354 Geb. 1927. 1957 Assessor im Kirchlichen Außenamt der EKD in Frankfurt/M., 1980–91 Vizepräsident Kirchlichen Außenamtes der EKD, 1991 Ruhestand. KOHL, Helmut 192, 373f., 384, 403, 415, 524ff., 529, 613, 651f. Geb. 1930. Studium der Gesch. u. Rechtswiss., 1958–69 Referent in einem Industrieverband, 1959–76 MdL in Rheinland-Pfalz, 1966–73 CDU-Landesvors., 1969–76 Min.Präs. von Rheinland-Pfalz, 1973–98 CDU-Parteivors., 1976–2002 MdB u. 1976–82 Vors. der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 1982–98 Bundeskanzler, 1998–2000 CDUEhrenvors. KOPPE, Rolf 561 Geb. 1941. Studium der Theol. in Heidelberg, Wien und Göttingen, 1966 1., 1969 2. theol. Examen, 1969–70 Forschungsass. beim LWB in Genf, 1970–73 Pfarrer in Hannover, 1973–78 Studieninspektor am Predigerseminar Rotenburg/Wümme, 1979–84 Ltr. der Presse- und Informationsstelle der LK Hannover, 1984–88 OKR, Pressesprecher und Publizistikreferent im Kirchenamt der EKD, 1988–93 Landessup. des Sprengels Göttingen der Ev.-luth. Landeskirche Hannover, seit 1993 Vizepräs. und Ltr. der Hauptabt. Ökumene und Auslandsarbeit im Kirchenamt der EKD, Auslandsbischof der EKD. K RAMER, Martin 112f., 116, 142, 145, 154, 157, 181, 189f., 218, 222, 254, 260, 271, 381, 401, 407, 419, 428f., 450, 518, 612, 615, 619, 628, 637 Geb. 1933. Facharbeiterprüfung als Industriekaufmann, Theologiestudium in Halle, 1957–60 Studieninspektor am Tholuck-Konvikt in Halle, 1962 Ordination, 1962 Hilfsprediger, 1962–63 pers. Mitarb. des Bischofs sowie Studentenseelsorger in Magdeburg, 1962–70 im Nebenamt Studentenpfarrer in Magdeburg, 1963–80 Pfarrer in Magdeburg, 1964 Mitgl. der Provinzialsynode, ab 1969 Mitgl. der Bundessynode, 1969–90 Mitgl. der KKL (bis 1977 im KKL-Vorst.), 1971–80 Vizepräses der Synode der KP Sachsen, 1974–91 Mitgl. des Ausschusses Kirche und Gesellschaft des BEK (ab 1987 dessen Vors.), 1980–90 Konsistorialpräsident in Magdeburg und Mitgl. des Rates der EKU, 1990–95 Gemeindepfarrer in Magdeburg, 1991–97 Mitgl. der Kammer für öff. Verantwortung der EKD (stellv. Vors.). K RASKE, Peter 275ff., 295, 312, 317, 332, 336, 365f., 398f., 413, 417, 426, 434, 462, 466, 551, 583 Geb. 1923. Theologiestudium, 1. und 2. theol. Examen, 1953 Ordination, 1959–62 nebenamtl. Konsistorialrat in Berlin, 1962 pers. Referent des Bischofs, 1962–69 Pfarrer in Berlin-Frohnau, 1963–85 Mitgl. der Regionalsynode (Berlin-West), 1969–77 Sup. des Kirchenkreises Berlin-Charlottenburg, 1973–79 Präses der Regionalsynode (West) der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg, 1978–88 Präsident der EKU-Kirchenkanzlei (West). K RESS, Volker 628 Geb. 1939 in Dresden. 1969–73 Pfarrer in Stollberg (Erzgebirge), 1973–79 Landesjugendpfarrer und Fachbeauftragter im sächsischen Landeskirchenamt, 1979–89 Sup. in Bautzen, 1989–94 OKR, zuletzt OLKR, seit 1994 sächsischer Landesbischof, seit 1997 stellv. Vors. des Rates der EKD, Vors. des Kuratoriums der Stiftung Frauenkirche Dresden.

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K RUMMACHER, Friedrich-Wilhelm 21, 42f., 47f., 50, 52, 58ff., 62, 65ff., 69, 72–76, 78, 82, 84ff., 89f., 98, 108, 111f., 136, 181 Geb. 1901, gest. 1974. 1919–22 Theologiestudium in Berlin, Tübingen und Greifswald, 1923 1. theol. Examen, 1923/24 Vikar in Neuruppin, 1925 2. theol. Examen und Ordination, 1925/26 Hilfsprediger in Berlin-Wannsee, 1926–28 in der Kurmark, 1927 Prom. (Dr.theol.), 1928–33 Pfarrer in Essen-Werden und Synodalvertreter für soziale Arbeit, 1933 NSDAP, 1933 Berufung in das Deutsche Ev. Kirchenbundesamt nach Berlin, 1934–39 Personalreferent und OKonsR im Kirchl. Außenamt, ab 1939 Lazarett- und Divisionspfarrer, 1943 sowj. Kriegsgefangenschaft, Mitarb. im NKFD (partielle Zusammenarbeit mit dem KGB) und Mitgl. in dessen Arbeitskreis für kirchl. Fragen, 1945 Rückkehr nach Deutschland im Gefolge der „Gruppe Ulbricht“, ab Herbst 1945 Pfarrer der Ev. Kirchengemeinde Berlin-Weißensee, 1945–49 Sup. des Kirchenkreises Berlin-Land, nebenamtl. OKonsR in der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle der EKD, 1946–55 Generalsup. in Berlin, Zusammenarbeit mit O. Dibelius, Unterhändler gegenüber SMAD, 1947–49 Präsidialratsmitgl. des Kulturbunds, 1949 Mitbegr. des Nordisch-Deutschen-Kirchenkonvents, 1955–72 Bischof der Pommerschen Kirche in Greifswald, 1957–70 Mitgl. des Exekutivausschusses des LWB, 1960–68 Vors. der Kirchlichen Ostkonferenz bzw. der KKL in der DDR, 1961–69 Mitgl. des Rates der EKD, Mitarb. in Kommissionen für Int. Angelegenheiten des ÖRK. K RUSCHE, Günter 260, 275, 319, 380 Geb. 1931. 1949–54 Studium der Theol. an der Univ. Leipzig, Predigerseminar in Lükkendorf, 1956 Ordination, 1956–58 Vikar und Pfarrer in Taucha/Leipzig, 1958–66 Studieninspektor am sächs. Predigerseminar in Lückendorf, 1966–69 Referent im Landeskirchenamt Sachsens und Pfarrer in Dresden, 1969–74 Studiendir. am Predigerseminar in Lückendorf, 1970–74 Doz. am Berliner Sprachenkonvikt, 1970–77 Vors. des Ausschusses „Kirche und Gesellschaft“ des BEK, 1970–84 Mitarb., ab 1977 Vors. der Studienkommission des LWB, 1974–83 Doz. für Prakt. Theol. am Sprachenkonvikt in Berlin, 1983–93 Generalsup. des Sprengels Ost-Berlin der Ev. Kirche in BerlinBrandenburg, Mitgl. der Arbeitsgruppe „Menschenrechte“ des BEK, Prom. (Dr.theol.), 1991–98 Mitgl. im Zentralausschusses des ÖRK, 1992 Versetzung in den Ruhestand. Wurde vom MfS als IMS/IMB „Günter“ geführt. K RUSCHE, Werner 27, 96, 134, 141, 172, 176, 227, 250f., 253, 256, 261, 280f., 292f., 321, 336, 385, 441, 450, 465, 490, 495, 529f., 540, 544ff., 573 Geb. 1917. 1940–44 Kriegsdienst, 1943 schwere Verwundung, bis 1949 Studium der Theol. in Leipzig, Heidelberg, Göttingen, Basel und Bethel, 1949–54 wiss. Ass. an der Theol. Fak. der Univ. Heidelberg, dort 1953 Prom. (Dr.theol.), 1954 Ordination und Rückkehr bzw. Übersiedlung nach Sachsen, 1954–58 Pfarrer in Dresden, 1958–66 Studiendir. des sächsischen Predigerseminars in Lückendorf/Zittau, 1966–68 Doz. (Syst. Theol.) am Theol. Seminar der KMU Leipzig, 1968–75 Mitgl. im Präsidium des DEKT (Bereich DDR), 1968–83 Bischof der Kirchenprovinz Sachsen, 1974–86 Mitgl. des Präsidiums der KEK, 1976–79 Vors. des Rates der EKU (Bereich DDR), 1977–81 stellv. Vors. der KKL, 6.3.1978 Teiln. am Spitzengespräch, 1981–82 KKLVors., 1983 Ruhestand.

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K RUSE, Martin 312f., 317f., 325, 406, 413, 430ff., 445ff., 450f., 560f., 575, 598f., 603, 607, 609, 611–614, 617f., 620f., 635, 648f., 651ff. Geb. 1929. 1947–53 Studium der Theol. in Mainz, Heidelberg, Bethel und Göttingen, 1953–55 Vikar in Linz/Donau, 1955–57 Abschluss der theol. Ausbildung im Predigerseminar des Klosters Loccum, 1957 Ordination, 1957–60 Pfarrer und Studienltr. für Jugendsozialarbeit in der Ev. Akademie Loccum, 1960–64 Pfarrer in Loccum, 1964–70 Konventualstudiendir. im Kloster Loccum, 1969 Prom. (Dr.theol.), 1970–76 Landessup. für den Sprengel Stade/Elbe der Ev.-luth. Landeskirche Hannover (während dieser Zeit Mitgl. der EKD-Synode, Vors. des ständigen Ausschusses der EKD-Synode für Diakonie, Mission und Ökumene, gewähltes Mitgl. des Landeselternrates Niedersachsen), 1977–94 Bischof der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg, 1978–81 Vors. des Bereichsrates West der EKU, seit 1979 Mitgl. des Rates der EKD, ab 1981 Mitgl. der Gemeinsamen Ökum. Kommission, 1981–85 Vors. der Ev. Kommission der EKD für das südliche Afrika, ab 1983 Mitgl. des Zentralausschusses des ÖRK, 1985–91 Vors. des Rates der EKD. KUNST, Hermann 100, 139f., 170, 186, 191ff., 221, 243, 254, 270, 403 Geb. 1907, gest. 1999. 1932 Pfarrer in Herford-Marien, 1940 Sup. in Herford-Marien, 1942–43 Vertretung der Anliegen der BK beim Konsistorium in Münster, 1943–45 Militärpfarrer, 1945–49 Mitgl. der westfälischen Kirchenleitung, 1950–77 Bevollmächtigter des Rates der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland, 1953 Prälat (Titel), 1957–72 Ev. Militärbischof. KUPAS, Malte 630, 636, 660 Geb. 1945. Studium der Rechtswiss. in Jena, Richter am Vertragsgericht Potsdam, 1981 Mitarb. im BEK-Sekr., 1984 stellv. Ltr. des BEK-Sekr., Referent im Lutherischen Kirchenamt, Referent des Rechtsausschusses des BEK, Justitiar des Referats Kirchl. Landwirtschaft des BEK. L AHR, Horst 205, 232 Geb. 1913. Theologiestudium, Prom. (Dr.theol.), Pfarrer in Brumby (Kirchenprovinz Sachsen), 1951 Lehrauftrag für Kirchengeschichte und Syst. Theol. am Katechetischen Oberseminar in Naumburg, 1963–79 Generalsup. des Sprengels Potsdam der Berlinbrandenburgischen Kirche. LEHMING, Sigo 474 Geb. 1927. Theologiestudium, 1954 Prom. (Dr.theol.), 1956 Ordination, 1956–66 Pfarrer in Quickborn, ab 1966 Studieninspektor des Predigerseminars Preetz, ab 1967 Propst in Pinneberg, 1970 Mitgl. der VELKD-Generalsynode und Mitgl. der VELKDKirchenleitung, 1972–85 Nachfolger von H. Kunst als nebenamtl. Militärbischof der EKD. LEICH, Werner 31, 335, 386, 388, 401, 408, 417, 426, 428–432, 436f., 439, 443, 445–448, 450f., 518, 528, 539, 552, 557f., 561, 575, 580, 598f., 603, 609, 612ff., 618, 620, 623, 626, 628f. Geb. 1927. Besuch der „Nationalpolitischen Erziehungsanstalt“ in Schulpforta und des Gymnasiums „Ernestinum“ in Gotha, 1942–44 Luftwaffenhelfer, 1944/45 Soldat an der Ostfront, ab 1945 Arbeit im Bergwerk, Schlosserlehre, 1947–51 Theologiestudium in Marburg und Heidelberg, 1951 Ordination, 1951–54 Vikar in Angelroda/Arnstadt,

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Personenregister/Biographische Angaben

1954–68 Pfarrer in Wurzbach (Thüringen), seit 1960 Mitgl., 1967–78 Vizepräs. der thüringischen Landessynode, 1966–77 1. Vors. der „Luth. Bekenntnisgemeinschaft in Thüringen“, als solcher in Gegenposition zu M. Mitzenheim, 1968–78 Sup. in Lobenstein, 1969–78 Mitgl. der Kirchenltg. der VELKDDR, 1978–92 Bischof der thüring. Landeskirche (1991 Verweigerung der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit durch die thüringische Landessynode), 1980–83 Vors. des kirchl. Lutherkomitees, 1984–90 Mitgl. im Exekutivausschuss des LWB, 1984–86 Ltd. Bischof der VELKDDR, 1986–90 Vors. der KKL und des Bischofskonvents in der DDR, 1990 Mitverf. der Loccumer Erklärung, Ruhestand, 1991 Ruhestand. LEWEK, Christa 16, 61, 87, 134, 189, 213, 215, 226, 231, 260, 263, 281ff., 293, 308, 315ff., 365, 401, 407f., 417, 428, 459, 495, 522, 525, 527, 554, 562, 566 Geb. 1927. 1946 Abitur, 1946–51 Studium der Germanistik, Gesch. und Phil. an der Univ. Leipzig, 1951/52 wiss. Ass. an der Univ. Leipzig, CDU, ab 1952 Hauptreferentin in der HA Verbindung zu den Kirchen unter Ltg. des stellv. Min.präs. O. Nuschke, nach Auflösung der HA bis 1957 pers. Referentin O. Nuschkes, 1958 stellv. Cheflektorin der EVA, 1958–69 Kirchen- bzw. OKR in der Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR (überführt in BEK-Sekr.), 1959 Austritt aus der CDU, 1969–88 OKR und stellv. Ltr. des BEK-Sekr., Referentin des Ausschusses „Kirche und Gesellschaft“, Vors. der 1974 gegründeten AG Menschenrechte, Mitgl. der Kommission der Kirchen für Internat. Angelegenheiten und Mitgl. der Entwicklungskommission des ÖRK, 1979–87 Präs. des Menschenrechtsprogramms der Kirchen zur Verwirklichung der Schlussakte von Helsinki, 1988 Ruhestand, 1994 Entlastungszeugin im „Stolpe-Untersuchungsausschuß“ des brandenburgischen Landtags. LILJE, Hanns 186 Geb. 1899, gest. 1977. 1924 Ordination, 1925 Studentenpfarrer in Hannover, 1927–35 Gen.Sekr. der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung (DCSV), 1932–35 Vizepräs. der World Student Christian Federation (Christlicher Studentenweltbund), 1933–36 Hg. der Jungen Kirche, 1934 Mitgl. des Lutherischen Rates, 1934–41 Hg. von Die Furche, 1935 Teiln. am Deutschen Lutherischen Tag, 1935–45 Mitgl. des Rates der Ev.-Luth. Kirche Deutschlands (Lutherrat), Gen.Sekr. des Lutherischen Weltkonvents, 1944 inhaftiert, 1945–47 OLKR in Hannover, 1945–73 Mitgl. des Rates der EKD, 1947 Mitbegr. des LWB, 1947–67 stellv. EKD-Ratsvors., 1947–71 Bischof der hannoverschen Landeskirche, 1948 Gründer des Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatts, 1952 Gründer der Ev. Akademie Loccum, 1952–57 Präs. des LWB, 1955–69 Ltd. Bischof der VELKD, 1968–75 einer der Präs. des ÖRK. LINGNER, Olav 12, 52, 58, 68, 79f., 85f., 102f., 117f., 126, 128, 139f., 154–157, 159–168, 170ff., 174f., 179f., 184ff., 199–203, 205ff., 211–216, 218–221, 225f., 228–231, 233–246, 250, 254f., 258, 262ff., 269–273, 275–280, 283–296, 298, 300–305, 307f., 311f., 314–318, 320–323, 325f., 328ff., 333–337, 339, 343f., 347, 356–359, 361, 365ff., 372, 377–380, 383f., 386f., 393–398, 401, 410, 412ff., 417f., 433f., 458f., 467, 538, 629 Geb. 1924, gest. 1993. 1942–45 Kriegsdienst und Gefangenschaft, ab 1948 Studium der Theol. und Jura, ab 1952 bis zum 2. jur. Examen (1960) Vikar und Hilfstheologe

Personenregister/Biographische Angaben

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in der Hamburger Hauptkirche St. Petri, 1961–65 Pfarrer in St. Johannes HamburgHarvestehude, 1965–70 jur. KonsR in der Kirchenkanzlei der EKU in West-Berlin, Referat für das Oberrechnungsamt, ab 1967 Referent der EKU bei der Berliner Stelle des EKD-Kirchenamtes, 1970 Geschäftsführer des Verfassungsausschusses der EKD, OKR, 1971–86 Ltr. der Berliner Stelle der EKD-Kirchenkanzlei. LINNEMANN, Hans-Martin 589 Geb. 1930. Theologiestudium, 1955/1958 1. und 2. theol. Examen, 1960–65 Studentenpfarrer in Münster, 1965–76 Pfarrer in Dortmund, 1976–85 Sup. in Lünen und Vors. der Vereinigten Kirchenkreise Dortmund, 1985–96 Präs. der Ev. Kirche in Westfalen, ab 1987 Vors. des Rates der EKU (Bereich BRD und West-Berlin), ab 1988 stellv. Vors. der Arnoldshainer Konferenz, 1989–97 Mitgl. des Rates der EKD, 1993 Wahl ins Präsidium der KEK, bis 1997 dort tätig, 1996 Ruhestand. LIPPOLD, Ernst 571, 573, 580, 583 Geb. 1935. Studium der Theol. in Bethel, Heidelberg, Zürich und Erlangen, 1961 1. theol. Examen, 1961–64 Pfarrvikar in Stein/Nürnberg, 1964 2. theol. Examen, 1967–69 Pfarrer in Thuisbrunn (Oberfranken), 1970–80 Doz., dann Rektor am Ev.luth. Missions- und Diaspora-Seminar Neuendettelsau, 1981–2001 als Ltr. der Abt. Verkündigung, kirchliche Dienste und Werke OKR im Kirchenamt der EKD in Hannover, Vizepräs. des Ev. Bundes. LÖFFLER, Kurt 438, 446f. Geb. 1932. 1959 Mitgl. der SED-KL Weimar-Stadt, Anfang der 60er Jahre Ltr. der Abt. Kultur beim RdB Erfurt, Mitarb. und stellv. Ltr. der Abt. Kultur des ZK der SED, 1973–88 Staatssekr. im Min. für Kultur, 1980–83 Sekr. des staatl. Lutherkomitees der DDR, ab 1985 stellv. Vors. u. Sekr. des DDR-Komitees zum 750jährigen Berliner Stadtjubiläum 1987, 1988/89 Staatssekretär für Kirchenfragen. Wurde vom MfS als IM „Hans Gabel“ geführt. LÖWE, Hartmut 338, 357, 364–367, 377ff., 383, 393, 473, 474, 533, 535, 626 Geb. 1935. Studium der Theol. und Phil. in Marburg, Heidelberg und Zürich, 1961 1. theol. Examen, 1962–66 Ass. an der Univ. Heidelberg, 1965 Prom. (Dr.theol.), 1966 2. theol. Examen, 1966–69 Pfarrer in Treisbach (Oberhessen), 1969–72 Ausbilder der Vikare in Bremen, 1972–80 Ausbildungsreferent als OLKR der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck in Kassel, 1980–92 Vizepräs. der EKD-Kanzlei und Präs. (ab 1983), Ltr. der Hauptabt. Theol. und öffentliche Verantwortung im Kirchenamt der EKD in Hannover, 1993–99 Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Gemeinschaft in Bonn, seit 1994 Militärbischof, 1999 Vors. der Ev. Zentralstelle für Entwicklungshilfe (EZE), seit 1998 ev. Vors. des Ökum. Arbeitskreises ev. und kath. Theologen. LOHFF, Wenzel 206, 313f. Geb. 1925. Theologiestudium in Erlangen, 1952–55 Kirchendienst in München, Prom. (Dr.theol., Dr.phil.), ab 1959 Prof. für Religionspädagogik in München, 1963 Prof. (Syst. Theol.) an der Univ. Hamburg, 1971–79 Mitgl. des Rates der EKD, 1972 Prof. (Syst. Theol.) in Göttingen, 1976–80 Hauptpastor an St. Jacobi in Hamburg, 1980–87 Rektor des Luth. Prediger- und Studienseminars in Pullach, Vors. des Theol. Ausschusses der VELKD.

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Personenregister/Biographische Angaben

LOHSE, Eduard 179, 182, 199, 214, 272f., 275, 313, 318, 320f., 327, 330, 338, 352f., 355, 384, 389, 391f., 400, 402, 405, 410, 412, 424f., 459–466, 468–471f., 476, 479ff., 488ff., 499f., 513, 519, 523–526, 528f., 535, 538, 546, 549, 553, 556, 590, 607 Geb. 1924. 1945–49 Studium der Theol. in Bethel und Göttingen, 1949 Prom. (Dr. theol.), 1950–53 Pastor in Hamburg, 1953–56 Privatdoz. (NT) in Mainz, 1956–64 Prof. (NT) in Kiel, 1964–71 Prof. (NT) in Göttingen, seit 1969 Mitgl. der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, 1970–71 Rektor der Univ. Göttingen, 1971–88 Landesbischof der Ev.-luth. Landeskirche Hannover, 1973–85 Mitgl. des Rates der EKD, 1975–78 Ltd. Bischof der VELKD und Präs. des Deutschen National-Komitees im LWB, 1975–87 Vors. des Ev. Bibelwerkes/Präs. der Dt. Bibelgesellschaft, ab 1977 Vors. des Missionsausschusses des Ev.-luth. Missionswerks Niedersachsen, 1977–2000 Abt des Klosters Loccum, 1979–85 Vors. des Rates der EKD, 1986–97 Vors. des Ökum. Arbeitskreises ev. und kath. Theologen, 1988–96 Präs. des Weltbundes der Bibelgesellschaften. LORENZ, Günter 158 Geb. 1927, gest. 2005. Baptist, Beginn der journalistischen Laufbahn beim ADN, dann Die Kirche, Mitte der 50er Jahre ENA, ab 1958 deren Chefred., leitender Redakteur der Monatsschrift des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, Wort und Werk. LOTZ, Gerhard 63, 74f., 103, 133f. Geb. 1911, gest. 1981. Erst Studium der Theol. und Phil., dann Jura in Frankfurt/M., Göttingen, Leipzig und Königsberg, 1934 1. jur. Staatsprüfung, Ass. an der Rechtsund Staatswiss. Fak. der Univ. Königsberg, 1936 2. jur. Staatsprüfung in Berlin, Prom. (Dr.jur.), Assessor, ab 1938 Kirchenjurist in der thüringischen Landeskirche, 1940 Kirchenrat und Ltr. der Rechtsabt. des Landeskirchenrates in Eisenach, 1942 Einberufung, Kriegsdienst und Gefangenschaft, 1946 CDU, 1946–76 OKR (Ltr. der Rechtsabteilung) im thüringischen Landeskirchenrat, 1948 stellv. Vors. des Landeskirchenrates, Stellv. des Landesbischofs, Mitgl. der EKD-Synode, 1956 Mitglied des Hauptvorst. der CDU, 1956–76 Mitgl. der KKL, 1958 Mitgl. des Friedensrates der DDR und des Weltfriedensrates, ab 1958 aktiv in der CFK, Delegierter der Allchristlichen Friedensversammlungen in Prag (1961, 1968, 1971), 1965 Vizepräs. des DDR-Friedensrates, 1967–76 Abg. der VK, ab 1969 Vizepräs. des DDR-Friedensrates, Mitbegründer des Weimarer Arbeitskreises, als Mitarb. von M. Mitzenheim maßgeblicher Einfluss auf „Thüringer Weg“, 1976 Ruhestand. Wurde vom MfS als IM „Karl“ geführt (ab 1955). LOTZ, Rudolf 70 Geb. 1901, gest. 1973. Prom. (Dr.jur.), Rechtsanwalt, ab 1954 Mitgl. der thüringer Synode, 1954–66 thüringischer Synodalpräses. LUNDBECK, Elisabeth 72, 111 Geb. 1926. Ab 1964 Oberin des Diakonischen Mutterhauses und Krankenhauses Stift Bethlehem in Ludwigslust, Mitgl. des Rates der EKD (Ost), 1990 Ruhestand. der Ostregion der Berlin-brandenburgischen Kirche, Mitgl. der Synode der EKiBB. MEHLHAUSEN, Joachim 571, 573 Geb. 1935, gest. 2000. Studium der Theol., Prom. (Dr.theol.), Habil., 1973–76 Gemeindepfarrer in Bonn, ab 1979 Mithg. der TRE, Mitgl. der rheinischen Kirchenleitung, Bonn, ab 1988 ord. Prof. (Kirchenordnung, Kirchengeschichte) an der Univ.

Personenregister/Biographische Angaben

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Tübingen, 1988–2000 Vors. der Ev. Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte, 1990–1996 Vors. der Wiss. Gesellschaft für Theol. MEIER, Hans 21f. Geb. 1931. Seit 1942 Tätigkeit als Organist, 1951 Abitur, dann Studium der Geschichte, Romanistik, Germanistik und Philosophie in Freiburg und München, neben dem Studium u.a. Engagemant in der katholischen Jugendarbeit, 1956 Staatsexamen, 1957 Prom. (Dr.phil.), 1961/62 wiss. Ass. am Seminar für Wissenschaftl. Politik an der Univ. Freiburg, 1962 Habil., ab 1962 Prof. für politische Wiss. an der Univ. München, 1966–70 bayerischer Vertreter im Dt. Bildungsrat (stellv. Vors.), 1970–86 Bayerischer Staatsmin. für Unterricht und Kultus, 1970/71 und 1982 Präs. der Kultusministerkonferenz, 1978–87 Abg. des Bayerischen Landtages für den Stimmkreis Günzburg, 1976–88 Präs. des ZK der deutschen Katholiken, 1988–99 Prof. für christl. Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie an der Univ. München (Guardini Lehrstuhl), 1999–2005 Vors. der Stiftung Bibel und Kultur. MITZENHEIM, Moritz 43, 52, 57, 60, 69, 74, 89, 91, 93, 97, 100, 104, 107, 110, 428 Geb. 1891, gest. 1977. 1911–14 Studium der Theol. in Leipzig, Heidelberg, Berlin und Jena, 1914 Ordination, bis 1916 Vikar in Graba, 1917–29 Pfarrer in Saalfeld, dann Eisenach, 1936 Mitgl. der Bekenntnisgemeinschaft, 1943 Ltr. des Landesbruderrates der BK, 1945–70 thüringischer Landesbischof, Teiln. an der Gründungsversammlung des LWB in Lund und am I. Deutschen Volkskongress in Berlin, 1955–61 Mitgl. des Rates der EKD, nach Abschluss des Militärseelsorgevertrags zwischen EKD und Bundesregierung und Abbruch der Beziehungen zur EKD bevorzugter Gesprächspartner der SED-Regierung und Teiln. an den Verhandlungen, die zum Kommuniqué vom 21.7.1958 führten, Mitgestalter des „Thüringer Wegs“, 1961 Teiln. an der Vollversammlung des ÖRK in Neu-Delhi, 1964 Teiln. an der II. Allchristlichen Friedensversammlung in Prag, 18.8.1964 Treffen mit W. Ulbricht auf der Wartburg, CDU-Ehrenmitglied, 1970 Ruhestand. MOHAUPT, Lutz 275 Geb. 1942. Theologiestudium, Prom. (Dr.theol.), 1970–75 pers. Referent des Bischofs in Hamburg, 1975–80 OKR und Referent für theol. Grundsatzfragen im Luth. Kirchenamt der VELKD in Hannover, ab 1980 Hauptpastor an St. Jacobi in Hamburg. MÜLLER, Christian 408, 428 Geb. 1939. 1974 Vorsteher der Diakonissenanstalt Emmaus in Niesky/Lausitz, Herrnhuter Unitätsdir., beratendes Mitgl. der KKL, 28 Jahre Mitgl. der Kirchenleitung der Herrnhuter Brüdergemeine, 1999 Ruhestand. Wurde vom MfS als IMB „Schiller“ geführt. MÜLLER, Martin 70, 103 Geb. 1903, gest. 1989. 1928 Ordination, 1929 Pfarrer in Dessau, 1933 Ltr. des Pfarrernotbundes in Anhalt und des anhaltischen Landesbruderrates der BK, Amtsenthebung, 1937 Ausbildungsltr. für Vikare der BK, 1943–45 Kriegsdienst als Sanitäter, 1945 geistliches Mitgl. des anhaltischen Landeskirchenrates, 1959 OKR, 1961–70 anhaltischer Kirchenpräsident, zeitweise Vors. des Rates der EKU, 1970 Ruhestand, in den siebziger Jahren Vors. der AGCK in der DDR, bis 1979 Pfarrer an der Johanniskirche in Dessau.

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Personenregister/Biographische Angaben

MÜLLER, Peter 428, 647 Geb. 1939. 1963–67 Lehre als Werkzeugmechaniker, kirchenjur. Ausbildung am Katechetischen Oberseminar in Naumburg, 1967 1. jur. Prüfung, 1967–70 Referendar in Berlin, Neuruppin, Naumburg und Magdeburg, 1970 2. jur. Prüfung, 1970 Konsistorialassessor im Konsistorium Berlin-Brandenburg (Ost), 1972 KonsR, Vors. der KKJ des BEK, Mitgl. der Theol. Kommission beim BEK, 1976–77 jur. OKR in Schwerin, 1977–93 (Rücktritt) Oberkirchenratspräs., ab 1977 Mitgl. der KKL und der Kirchenltg. der VELKDDR, ab 1994 Dir. der Rechtsabteilung des Diakonischen Werks in Stuttgart. MÜNKER, Walter 63 Geb. 1913. Theologiestudium, Pfarrer, 1967–78 Propst zu Halle und Merseburg. NATHO, Eberhard 132, 188, 210f., 213, 215, 309, 374, 401, 407, 428f., 450, 628, 630 Geb. 1932. Mitarb. in der Jungen Gemeinde, Schulverweis, Abitur am Kirchl. Oberseminar in Potsdam-Hermannswerder, 1954–58 Theologiestudium an der EMAU Greifswald, Vikariat in Roßlau, 1959–70 Pfarrer in Güsten, 1960 Ordination, 1961–70 Stadtverordneter in Güsten (zunächst KB, dann CDU), 1970–94 Kirchenpräs. der Ev. Landeskirche Anhalts in Dessau, seit 1971 gleichzeitig Pfarrer in Dessau, Mitgl. der KKL und des Rates der EKU (DDR), 1979–82 Vors. des Rates der EKU, 1982–92 Vors. AGCK in der DDR. NEUKAMM, Karl Heinz 413, 618 Geb. 1929. 1947–51 Theologiestudium in Erlangen und Göttingen, 1951 1. theol. Examen, 1951–56 Vikar und Pfarrer in Traunstein, 1952 Ordination, 1954 2. theol. Examen, 1956–60 Pfarrer in Beerbach (Mittelfranken), 1960–62 2. Pfarrer im Amt des Landesjugendpfarrers in Nürnberg, 1962–67 bayerischer Landesjugendpfarrer, 1967–84 Ltr. der Rummelsburger Anstalten, 1975–87 Präs. des Diakonischen Werks Bayern, 1984–91 Präs. des Diakonischen Werks der EKD in Stuttgart, 1994 Ruhestand, 1995–2000 Beauftragter der evangelischen Kirche für Spätaussiedler und Heimatvertriebene. NIEMEIER, Gottfried 72 Geb. 1906, gest. 1986. Studium der Theol. in Göttingen, Tübingen und München, 1928 Prom. (Dr.phil.), 1930 Prom. (Dr.theol.), 1931 Ordination, Seelsorger in dt. ev. Gemeinde in Rom, 1933–53 Pfarrer in Arnsberg, 1946–53 zugl. Doz. am Katechetischen Seminar der Ev. Kirche in Westfalen, 1939–46 Wehrdienst und Gefangenschaft, ab 1953 theol. Referent (OKR) in der Kirchenkanzlei der EKD in Hannover, 1965–73 Vizepräsident der Kirchenkanzlei der EKD in Hannover. NIEMÖLLER, Martin 24, 53 Geb. 1892, gest. 1984. 1912–18 Marineoffizier, zuletzt U-Boot-Kommandant, 1919 Landwirtschaftslehrer, 1919–24 Studium der Theol., 1924 Ordination und Geschäftsführer des Provinzialverbands der Inneren Mission in Münster, 1931 bis zur Verhaftung (wg. „Kanzelmißbrauch und Widerstand gegen die Staatsgewalt“) am 1.7.1937 Pfarrer in Berlin-Dahlem, 1933 Mitbegründer und Ltr. des Pfarrernotbundes, ab Mai 1934 nebenamtl. Mitgl. des Reichsbruderrates (vorübergehend ausgeschieden Nov. 1934 bis Mai 1935) der BK, Okt. 1934 Mitgl. des Rates der DEK, Dez. 1934 Mitgl. des Rates der APU, 1934, 1935, 1936 Teiln. an den Bekenntnissynoden der DEK, 1937 Verurteilung („Kanzelmißbrauch und Widerstand gegen die Staatsgewalt“), 1938–45 pers.

Personenregister/Biographische Angaben

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Gefangener des Führers des KZ Sachsenhausen und Dachau (1939 freiwillige Meldung zum Krieg aus dem KZ Sachsenhausen), 1945–56 Mitgl. des Rates der EKD u. Ltr. des Kirchlichen Außenamtes der EKD, Mitverf. des Stuttgarter Schuldbekenntnisses, 1947–64 Präs. der Hessen-nassauischen Kirche, 1957 Präs. der Deutschen Friedensgesellschaft, 1961–68 einer der Präsidenten des ÖRK. NIESEL, Wilhelm 186 Geb. 1903, gest. 1988. 1930 Hilfsprediger in Wittenberge (Brandenburg), 1930–34 in Elberfeld (reformierte Gemeinde) u. Studieninspektor im dortigen Predigerseminar, 1934–45 Mitgl. des Bruderrates u. des Rates der APU, Juli bis Nov. 1934 Mitarb. im Präsidium der Bekenntnissynode der DEK in Bad Oeyenhausen, 1935 Doz. (Syst. Theol.) an der Kirchlichen Hochschule Berlin, 1936 Teiln. an der Bekenntnissynode der DEK, 1940 Ausweisung aus Berlin, ab 1941 mehrfach Gestapo-Haft, 1943–46 Hilfsprediger in Breslau, Reichsredeverbot, Pfarrverweser in Reelkirchen/ Lippe, 1946–68 Pfarrer in Schöller und Prof. an der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal, 1946–73 Moderator (1964–70 Präs.) des Reformierten Bundes, 1946–73 Mitgl. des Rates der EKD, 1947–63 Mitgl. des Zentralausschusses des ÖRK, Mitgl. in der ÖRK-Kommission für Glauben und Kirchenverfassung. NOACK, Axel 450, 612, 618, 628, 631, 637, 647, 650 Geb. 1949. 1968 Abitur mit gleichzeitigem Facharbeiterbrief als Betriebsschlosser in Halle/Saale, wg. Wehrdienstverweigerung keine Zulassung zum Mathematikstudium, 1968/69 diakonischer Helfer in den Lobetaler Anstalten, ab 1968 Jugenddelegierter, dann Synodaler der KP Sachsen, 1969–75 Studium der Theol. in Naumburg, 1975–76 Vikariat in Merseburg, 1976–78 Repetent für Kirchengeschichte am Katechetischen Oberseminar Naumburg, 1978–85 Studenten- und Kreisjugendpfarrer in Merseburg, 1985–97 Pfarrer in Wolfen, 1986 Bundessynodaler und KKL-Mitgl., seit 1991 Mitgl. des Rates der EKD, seit 1997 Bischof in Magdeburg. NORDEN, Albert 51, 213, 224 Geb. 1904, gest. 1982. 1919 Freie Sozialistische Jugend, 1920 Abitur, 1920 KVJD, 1921 KPD, 1921–23 Lehre als Schreiner, 1923–30 Volontär, Red. und Chefred. bei KPD-Zeitungen, 1923/24 und 1926 polit. Haftstrafen, 1930 Chefred. des Ruhr-Echo, 1931–33 Red. und stellv. Chefred. der Roten Fahne, ab 1933 in Deutschland und im Exil in Frankreich, ČSR und USA antifaschistische Tätigkeit, 1939–41 in franz. Internierungslagern, 1944 Mitbegründer des „Council for a Democratic Germany“ in den USA, 1946 Rückkehr nach Deutschland, SED, 1947/48 Pressechef der Deutschen Wirtschaftskommission, 1948/49 Chefred. von Deutschlands Stimme, 1949/50 Mitglied des Deutschen Volksrates bzw. Abg. der Provisorischen VK, 1949–52 Ltr. der Presseabt. des Amtes für Information der Regierung, 1952 Prof. (Neuere Geschichte) an der HU Berlin, 1954/55 Sekr. des Ausschusses für Deutsche Einheit, ab 1954 Mitgl. des Präsidiums des NR der NF, 1955–81 Mitgl. und Sekr. des ZK, 1958–81 Abg. der VK, Mitgl. des Präsidiums des Friedensrates der DDR und des Büros des Weltfriedensrates, seit 1977 dessen Vizepräs., 1976–81 Mitgl. des Staatsrates. NOTH, Gottfried 72, 75f., 84, 89, 93, 98, 111f., 116, 142, 154, 157, 160, 181 Geb. 1905, gest. 1971. Theologiestudium, 1930 Ordination, ab 1930 Pfarrer an der Diakonissenanstalt Dresden, ab 1932 Pfarrer in Zethau, ab 1942 Pfarrer in Dresden,

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Personenregister/Biographische Angaben

ab 1945 kommissarischer OLKR, ab 1950 Mitgl. des sächsischen Landeskirchenamtes, 1953–68 Mitgl. des Rates der EKD, 1953–71 sächsischer Landesbischof (Dresden), 1969–71 1. stellv. KKL-Vors. NUYKEN, Wessel 246 Geb. 1925. 1958 gr. jur. Staatsexamen, 1958–60 jur. Referent bei der Kirchenkanzlei der bremischen Kirche, seit 1961 OKR, jur. Referent und Abt.ltr. im Kirchenamt der EKD in Hannover. ODIN, Karl Alfred 482 Geb. 1922, gest. 1992. Kriegsdienst, erst Studium der Phil. und Rechte, dann Theologiestudium (mit Abschlussexamen), journalistische Ausbildung, 1953 Ltr. des epdLandesdienstes Hessen-Nassau, 1961–89 Red. und Reisekorrespondent der FAZ mit Schwerpunkt ev. Kirche, Ltr. der Lehrredaktion. OESTREICHER, Paul 426f. Geb. 1931. 1939 Flucht der Familie aus Thüringen nach Neuseeland, im Anschluss an ein Studium der Politik und deutschen Literatur Rückkehr nach Deutschland, Studium der Theol. in Bonn, 1960 Ordination zum anglikanischen Priester, Vikariat in Rüsselsheim, seit 1964 im Dienst des britischen Kirchenamtes, ab 1968 Pfarrdienst in Süd-London, Arbeit in der Redaktion Kirche und Gesellschaft des BBC in London, Exekutivsekr./Osteuropareferent, 1980 Ltr. des Außenamtes des Britischen Kirchenrates (Abt. Internationale Angelegenheiten), Engagement für Frieden, Menschenrechte, Kontakte in die DDR. ORDNUNG, Carl 51, 382, 519 Geb. 1927. Besuch der Höheren Handelslehranstalt in Reichenbach und der Wirtschaftsoberschule in Plauen, 1944 RAD, 1944/45 Wehrmacht, 1946 Kurs für Neulehrer in Reichenbach, darauf Tätigkeit als Lehrer, SPD/SED, Eintritt in die ev.-methodistische Kirche, 1948–51 Studium der Germ., Gesch., Psych. und Theol. in Leipzig, 1950 Austritt aus der SED, ab 1951 Lehrer in Reichenbach, 1952 CDU, 1957 Kirchenred. des CDU-Organs Neue Zeit in Berlin, ab 1958 Mitarb. beim CDU-Hauptvorst., erst Abt.ltr. für Kirchenfragen, ab 1965 wiss. Mitarb., ab 1958 Mitgl. des Friedensausschusses der ev.-methodistischen Kirche in der DDR, ab 1958 aktiv in der CFK, Teiln. an allen „Allchristlichen Friedensversammlungen“ in Prag, ab 1962 Sekr. des CFKRegionalausschusses in der DDR, 1962 Mitgl. der Mitarbeiterkonferenz der GoßnerMission, ab 1962 Mitgl. des Friedensrates der DDR, 1966 Teiln. an der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf sowie an diversen ökum. Tagungen, 1967 Sekr. der internationalen CFK-Studienkommission „Politik und Ökonomie“, ab 1968 Mitgl. des NR der NF, 1983 Vizepräs. der Freundschaftsgesellschaft DDR – USA, 1988/89 methodistischer Delegierter zur Ökum. Versammlung der Kirchen und Christen in der DDR, April bis Sept. 1990 Referent für Entwicklungsländer der Abt. Außen- und Sicherheitspolitik im Amt des Min.präs., Okt 1990 Vors. von Solidaritätsdienst international e.V. (Nachfolgeorganisation des DDR-Solidaritätskomitees). PABST, Walter 43, 51f., 61, 91, 109, 112f., 118, 137, 139, 178, 190, 192, 196–199, 202, 204, 206–209, 218, 232f., 244, 251, 258, 260ff., 591 Geb. 1912, gest. 1998. 1932 Studium der Theol. in Jena, Wiederaufnahme des Studiums 1933 in Greifswald, Tübingen und Berlin, 1936 Abschluss des Theologiestu-

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diums in Jena, für kurze Zeit Vikar in Altenburg (Thüringen), Predigerseminar, seit 1936 Mitgl. der BK, daher keine Übernahme in den kirchl. Dienst, 1937–41 illegaler Vikar der „Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft in Thüringen“ in Eisenach, später in Neuenhof/Eisenach, mit Kriegsbeginn 1939 Übernahme des Nachbarpfarramtes Herleshausen (Hessen), 1941 Rede- und Amtsausübungsverbot in der thüringischen Landeskirche, Hilfspfarrer, dann Pfarrer in Kleinalmerode (Hessen), 1947 Übersiedlung nach Jena, Studentenpfarrer, 1948–63 Mitgl. der thürinigschen Landessynode, 1953–63 Sup. in Gotha, 1955–64 Vors. der „Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft in Thüringen“, 1964 OKR im Kirchenamt der VELKD in Berlin und ökum. Beauftragter der ev. Bischöfe in der DDR, 1964–78 Referent in der EKD-Kirchenkanzlei für die Gliedkirchen in der DDR bzw. im Sekretariat des BEK, Ltr. des Arbeitsbereichs Ökumene, stellv. Ltr. der KKL-Geschäftstelle, 1970–80 Geschäftsführer der AGCK in der DDR, 1980–91 illegaler Beauftragter des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (Bereich DDR), 1980 Ruhestand, dann Beschäftigungsaufträge im BEK-Sekretariat (bis 1991) bzw. in der Außenstelle des Kirchenamtes der EKD (bis 1993). PETERSEN, Alfred 156, 172, 214, 260, 287ff. Geb. 1909, gest. 2004. Theologiestudium, Hilfsgeistl. in Hamburg-Rahlstedt und Meiendorf, 1939 Pastor in Viöl, dann in Husum, 1940–46 Soldat, 1951 Pastor der Inneren Mission in Rendsburg, 1958 Propst in Husum, 1961–71 Mitgl. der Kirchenleitung der VELKD, 1967–77 Bischof von Schleswig, erster Vors. der nordelbischen Kirchenleitung, 1973–78 EKD-Ratsmitglied, 1978 Ruhestand. PETZOLD, Ernst 408, 417, 428, 450, 612, 618 Geb. 1930. 1948–53 Studium der Theol. in Leipzig, 1958 Pfarrer in Meißen, 1965 Ltg. des Diakonischen Werks der sächsischen Landeskirche, Landeskirchl. Amt für Innere Mission, Mitgl. des Landeskirchenamtes, 1976–91 Dir. des Diakonischen Werks der DDR, ab 1976 KKL-Mitgl. (ständiger Berater), 1981 Prom. (Dr.theol.), 1988 Präs. des Int. Verbandes für Innere Mission und Diakonie, 1991 Vize-Präs. des Diakonischen Werks der EKD in Stuttgart und Vizepräs. der europäischen Vereinigung der Diakonischen Werke, 1993 Mitbegründer der Ev. Partnerhilfe für Ost- und Südeuropa. Wurde vom MfS als IMS „Direktor“ geführt. PLANER-FRIEDRICH, Götz 347f., 365, 471, 478 Geb. 1939. Nach Abitur Praktikum im Bauhandwerk, 1958–63 Theologiestudium an der FSU Jena, Vikar und 1964–75 Pfarrer in Gieber, 1967 Prom. (Dr.theol.), 1975–85 Studienreferent für Sozialethik in der ThSA beim BEK in Berlin (Ost), 1980–85 Ltr. der ThSA, Ltr. des Studienkreises für med. Ethik und Mitgl. der Menschenrechtsgruppe der ev. Kirchen, 1986–91 Studiensekr. für sozialethische Fragen in der Studienabt. des LWB in Genf, beteiligt an der Vorbereitung der Europ. Ökum. Versammlung in Basel (1989) und der Weltversammlung in Seoul (1990), ab 1988 ständiger Mitarb. der Ev. Kommentare (Stuttgart), seit 1995 deren Chefred., 1991–95 Dir. der Ev. Akademie Thüringen, seit 2000 Redaktionsmitgl. von Zeitzeichen. PLATH, Siegfried 382, 407, 428 Geb. 1931. 1950–55 Studium der Theol. in Greifswald, 1956 Studienaufenthalt in Schweden, dann wiss. Ass., Vikar, 1958 2. theol. Examen, Prom. (Dr.theol.), Hilfsprediger und Pfarrer in Semlow (Kirchenkreis Franzburg), 1959 Ordination, 1964 Sup. in

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Grimmen, 1973 KonsR in Greifswald, 1975 dort OKonsR, Mitgl. im Nationalkomitee des LWB, 1975–85 Ltr. des Greifswalder Konsistoriums, Mitgl. der KKL. Wurde vom MfS als IMS (ab 1984 IMB) „Hiller“ geführt. POTTER, Philip Alford 249, 269, 359, 466 Geb. 1921. Ab 1940 Laienprediger, 1944–48 Studium der Theol. in Kingston/Jamaica und London, 1950–54 methodistischer Sup. in Haiti, 1954–61 Ltr. des Jugendreferats des ÖRK, 1960–68 Sekr. des Christlichen Studentenweltbundes, 1961–66 Sekr. der Methodistischen Missionsgesellschaft in London, seit 1967 Dir. der Abt. für Weltmission und Evangelisation des ÖRK in Genf, 1972–84 Gen.Sekr. des ÖRK in Genf, 1985 Studentenpfarrer an der Univ. von Jamaica, ab 1991 im Ruhestand in Stuttgart, seit 2001 in Lübeck. PUTTFARCKEN, Hans 121f., 125f., 164 Geb. 1902, gest. 1971. Studium der Rechtswiss. in Breslau und Frankfurt/M., 1927 Prom. (Dr.jur.), 1946 Ministerialrat, Ministerialdirigent im hessischen Justizministerium in Wiesbaden, Mitgl. der Synode der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, Mitgl. des Synodalvorst. und der Kirchenleitung, Vors. des Landesausschusses des DEKT, Vors. der Gesellschaft Ev. Akademien, 2. Vors. des Konvents der Ev. Akademie Arnoldshain, ab 1955 stellv. Mitgl. der EKD-Synode, ab 1961 Mitgl. der EKD-Synode, 1961–70 Präses der Synode der EKD bzw. der Regionalsynode (West) der EKD. R ABENAU, Konrad von 62, 356 Geb. 1924. 1942–50 Studium der Theol. in Tübingen, Göttingen, Jena und Berlin, 1946–49 Vikariat und Inspektor an der Kirchl. Hochschule Berlin (West), dann Inspektor am Reformierten Konvikt und 1949–56 Ass. an der Theol. Fak. Halle, 1949 Ordination, 1949 nebenamtl., 1956–73 hauptamtl. Doz. (AT) am Katechetischen Oberseminar in Naumburg, 1958 Prom. (Dr.theol.), 1973–89 Referent im BEK-Sekr. (Sekr. der Kommission für Ausbildung), Mitgl. des Kollegiums und OKR in der Kirchenkanzlei der EKU/Bereich DDR, seit 1989 Ruhestand. Wurde vom MfS als IM „Adel“ (nur Vorlauf) geführt. R ADATZ, Werner 371–374 Geb. 1932. Postinspektor, nach Theologiestudium in Berlin und Göttingen 1960 1. theol. Examen, 1961–75 Pfarrer in Berlin-Neukölln, 1962 2. theol. Examen, Vikar in Berlin-Lichtenberg, bis 1975 Pfarrer in Berlin-Neukölln, 1964–70 nebenamtl. dort Kreisjugendpfarrer (in Berlin-Neukölln), seit 1967 Mitgl. der Regionalsynode der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg (West), seit 1973 Mitgl. der EKD-Synode, des Präsidiums und des Haushaltsausschusses, 1975–87 Pfarrer in Berlin-Moabit und Sup. des Kirchenkreises Berlin-Tiergarten-Friedrichswerder, 1985 stellv. Präses der EKD-Synode und Mitgl. der Kirchenltg. der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg (West) und deren Synode, Vors. des Kuratoriums der Berliner Arbeitsgemeinschaft für kirchl. Publizistik, Mitgl. des Aufsichtsrates des Wichern-Verlags Berlin, 1988–95 Ltr. der EKU-Kirchenkanzlei in Berlin (Bereich Bundesrepublik und West-Berlin). R ADKE, Ursula 111 Geb. 1933. 1952–57 Studium der Theol. in Leipzig, 1960 Ordination, 1961–69 Ltr. des Ev. Jungmädchenwerks, 1969–77 Mitglied der BEK-Synode und Beisitzerin im Präsidium der Bundessynode, 1970–78 Doz. und Kursltr. für den Fernunterricht am

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Burckhardthaus in Berlin, 1977–89 Mitgl. der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des ÖRK, 1979–85 Sekr. der Kommission für Zeugnis und Gestalt der Gemeinde des BEK, 1985–93 Pfarrerin in Berlin-Marzahn-Nord. R AISER, Ludwig 126, 138, 163, 186, 191f., 196, 202ff., 206, 287, 378 Geb. 1904, gest. 1980. Studium der Rechtswiss. in München, Genf und Berlin, Prom. (Dr.jur.), 1933 Habil., Lehrverbot aus polit. Gründen, 1937 Rechtsanwalt in Berlin, dann Vorstandsmitgl. verschiedener Versicherungsgesellschaften, 1942 ord. Prof. für bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Handelsrecht an der Univ. Straßburg, 1945 in Göttingen (1948–50 Rektor), 1955 in Tübingen, 1949 Mitgl. und 1970–73 Präses der EKD-Synode, 1962 bis ca. 1970 Vors. der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung, Mitbegr. der Westdeutschen Rektorenkonferenz und der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 1952–55 deren Präs., 1961–65 Vors. des Deutschen Wissenschaftsrates. R ATHKE, Heinrich 181, 236, 331, 518 Geb. 1928. 1944 Marinehelfer, britische Kriegsgefangenschaft, Landarbeiter in Holstein, 1946–48 Gymnasium, Nachholen des Abiturs, 1949–53 Studium der Theol. in Kiel, Erlangen, Tübingen und Mainz, 1. theol. Examen in Amberg, Beginn des Vikariats, 1953 Übersiedlung in die DDR, Besuch des Predigerseminars in Blücher, danach Vikar in Bad Doberan, 1954 Ordination, 1955 Pfarrer in Warnkenhagen (Mecklenburg), 1959 Mitgl. der mecklenburgischen Landessynode, 1960 Prom. (Dr.theol.), ab 1962 Pfarrer der St. Andreas-Gemeinde im Neubaugebiet Rostock-Südstadt, ab 1970 Landespfarrer für Gemeindedienst (Volksmission) in Güstrow, 1971–84 Bischof der mecklenburgischen Landeskirche, ab 1972 wiederholt Betreuung von in Russland und Kasachstan ansässigen dt. luth. Gemeinden, 1977–81 Ltd. Bischof der VELKDDR, in dieser Funktion intensive Kontakte zu Kirchen in der UdSSR, 1978–80 Vors. des Nationalkomitees des LWB in der DDR, seit Anfang der achtziger Jahre verstärktes Engagement in der Friedens- und Menschenrechtsarbeit, 1984–91 Pfarrer in Crivitz/ Schwerin, 1989 Mitbegr. des Neuen Forums in Crivitz und Vertrauensperson bei der Auflösung von MfS-Einrichtungen im Landkreis, 1991 Ruhestand, 1991–93 Amt des Bischöflichen Visitators der luth. Gemeinden in Russland und Kasachstan. R EAGAN, Ronald Wilson 427, 556 Geb. 1911, gest. 2004. Bis 1932 Studium der Soziologie, 1932–37 Sportkommentator beim Rundfunk, 1937–42 Schauspieler, 1941 Mitgl. der Schauspielergewerkschaft, 1942–45 Militärdienst, 1945–57 wieder Filmschauspieler, 1947–52 Präs. der Schauspielergewerkschaft, 1949 Vors. des Rates der Filmindustrie, 1954–65 Schauspieler, Showmaster, Moderator im Fernsehen, 1959/60 Präs. der Gewerkschaft der Filmschaffenden, 1962 Mitgl. der Republikanischen Partei, 1966–75 Gouverneur von Kalifornien, 1976 erfolglose Präsidentschaftskandidatur, wieder Tätigkeit als Fernsehjournalist, 1980/81–88 US-Präsident. RENDTORFF, Trutz 284, 501, 514, 553 Geb. 1931. 1956 1. theol. Examen, 1956 Prom. (Dr.theol.), 1961 2. theol. Examen, 1961 Habil., 1962 Ordination, 1968–99 Prof. (Syst. Theol. und Ethik) in München, 1972–75 Vors. der Gemischten Kommission für die theol. Ausbildung, 1979–84 Mitbegr. und Vors. der Wiss. Gesellschaft für Theologie, ab 1979 Mitgl. der EKD-Synode, 1980–97 Vors. der Kammer der EKD für öff. Verantwortung, 1981–94 Präs. der Ernst-

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Troeltsch-Gesellschaft, ab 1985 Mitgl. der VELKD-Synode, Mitgl. im theol. Ausschuss der VELKD, seit 1993 Mitgl. im Senat der Max-Planck-Gesellschaft. R IEDEL, Heinrich 66, 85f., 155 Geb. 1903, gest. 1989. Theologiestudium, 1926 Ordination, 1930 Pfarrer in Thuisbrunn, 1934–43 Landesjugendpfarrer in Nürnberg, 1943 Dekan in Kulmbach, Organisation der Flüchtlingshilfe, 1947 OKR in der bayerischen Kirchenleitung, bis 1962 Referent für Diakonie, Mission und Liturgie, dann Personalreferent, 1955–67 Ratsmitglied der EKD (West), 1958 Vors. des Diakonischen Rates der EKD, 1962 Vorst. der geistlichen Abt. des bayerischen Landeskirchenrates, Stellv. des Landesbischofs, 1971 Ruhestand, Mitbegr. der Aktion „Brot für die Welt“. R IEFFEL, Joachim 371 Geb. 1940. Theologiestudium, 1965 Ordination, ab 1970 Pfarrer in Klettwitz, 1977–83 Pfarrer an der Ost-Berliner Zionskirche, Mitgl. des Präsidiums der Bundessynode, 1983 Ausreise in die Bundesrepublik. Wurde vom MfS als IMS „Griebe“ geführt. R IESE, Volker 439 Geb. 1948. Studium der Theol., 1978 Ordination und Pfarrer in Velgast (Kreis Stralsund), 1985 Referent im BEK-Sekr. und Sekr. der Kommission für Zeugnis und Gestalt der Gemeinde, in dieser Funktion auch zuständig für das Synodenreferat. R INGHANDT, Siegfried 61, 70, 89, 95, 103, 134, 141f., 172 Geb. 1906, gest. 1991. Studium der Theol., 1934 Ordination, Hilfsprediger der BK in Reichenow/Bad Freienwalde, 1935 Verhaftung, 1936 Hilfsprediger in Netzbruch, 1937 in Illmersdorf, 1937 Verhaftung, 1940 Pfarrer in Betsche (Kreis Meseritz), 1945 Pfarrer in Illmersdorf, 1946 Sup. in Seelow, ab 1950 Mitgl. der Berlin-brandenburgischen Kirchenleitung, 1958–60 Ltr. des Weißenseer Arbeitskreises, 1959 Studentenpfarrer an der HU Berlin, ab 1962 geistl. Abt.ltr. im Konsistorium Berlin-Brandenburg (Ostregion), 1966–71 Propst in Brandenburg, 1971 Ruhestand. RÖDER, Hans-Jürgen 264, 298, 317 Geb. 1946. 1966 Abitur, danach Bundeswehr, 1968–74 Studium der Publizistik, Gesch. und Politik in Göttingen, Hamburg und Berlin, seit 1975 Red. der Zeitschrift Kirche im Sozialismus in Berlin und epd-Reisekorrespondent in der DDR, ab 1979 ständiger Korrespondent des epd in der DDR, seit 1990 Chefred. des epd-Landesdienstes Ost in Berlin. ROEPKE, Claus-Jürgen 243, 258 Geb. 1937. 1957–65 Studium der Theol. in Neuendettelsau, Heidelberg, Göttingen und Erlangen, 1967–74 Pfarrer in München, 1974–80 Medien- und Öffentlichkeitsreferent (OKR) in der EKD-Kirchenkanzlei in Hannover, 1980–91 Dir. der Ev. Akademie Tutzing, ab 1980 Vors. der Kammer für publizistische Arbeit der EKD, seit 1991 im Landeskirchenamt der bayerischen Landeskirche, OKR für Mission, Diakonie und Ökumene, 190[?]–2001 Mitgl. des Rates der EKD, Vors. der EKD-Kommission für Osteuropa, Präs. des Martin-Luther-Bundes, 2001 Ruhestand. ROGGE, Joachim 309, 328, 330, 379, 399, 401, 408, 428f., 431, 459, 616 Geb. 1929, 2000. 1948–53 Studium der Theol. an der Kirchl. Hochschule in WestBerlin und an der HU Berlin, 1953–59 wiss. Ass. an der HU Berlin, 1955 Ordination und Predigtauftrag in Berlin-Biesdorf, 1955 Prom. (Dr.theol.), 1959 Habil., 1959–77

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Doz. für Kirchen- und Dogmengesch. am Sprachenkonvikt Berlin (Ost), 1960 2. Habil., 1961–74 Pfarrer im Nebenamt in Berlin-Lichtenberg, 1972–98 Dir. der Ev. Forschungsakademie, 1974–77 nebenamtl. OKR in der Kirchenkanzlei der EKU (Bereich DDR), 1977–86 Präs. der EKU-Kirchenkanzlei, 1985–90 Honorarprof. an der HU Berlin, 1986–94 Bischof der Ev. Kirche der schlesischen Oberlausitz, 1986–98 Präs. der Ev. Haupt-Bibelgesellschaft, 1986 KKL-Mitgl., 1989–91 Vors. des Ev. Bibelwerks in der DDR, 1989–98 Präs. des Kuratoriums der Fachhochschule Zittau/Görlitz, 1990–93 Vors. des Rates der EKU (zunächst Bereich DDR), 1991–98 Stellv. Vors. der Dt. Bibelgesellschaft, 1995 em. ROHDE, Dieter 207, 379 Geb. 1926. 1954 Dipl.-Volkswirt, 1957 Prom. (Dr.rer.pol.), 1956–58 wiss. Ass. an der Univ. Frankfurt/M., 1958–62 wiss. Mitarb. im Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg, 1962–67 wiss. Mitarb. beim Landesverband der Ortskrankenkassen Niedersachsen in Hannover, 1967–72 Referent für Statistik im LKA der hannoverschen Landeskirche, ab 1972 OKR und Referent für Statistik im Kirchenamt der EKD. ROMBERG, Walter 380 Geb. 1928. 1948–53 Studium der Mathematik und Physik in Rostock und an der HU Berlin, 1954–89 Akademie der Wissenschaften in Ost-Berlin (verschiedene Institute), ab 1976 Mitgl. der ThSA beim BEK (Ad-hoc-Gruppe Abrüstung), 1986–99 Mitgl. der Synode der EKU, Okt. 1989 SDP, 1990 Min. ohne Geschäftsbereich in der Regierung H. Modrow, 1990 Finanzmin., 1991–94 Abg. im Europa-Parlament. ROSSBERG, Klaus 70 Geb. 1937. 1952 FDJ, DSF, 1955 GST, 1956–60 Studium an der Akademie für Staat und Recht in Potsdam (Dipl.-Staatswiss.), 1958 SED, 1960 Arbeiter im VEB CelluloidWerke, seit 1961 MfS, dort 1961 Hilfsarbeiter in der HA V (Staatsapparat, Kunst, Kultur, Untergrund) des MfS in Berlin, 1962 dort Sachbearbeiter, ab 1964 Sachbearbeiter in der HA XX/4 in Berlin, 1966 Hauptsachbearbeiter, dann 1967–77 Referatsltr., ab 1979–89 stellv. Abt.ltr. der Berliner HA XX/4, zuletzt Major (1982 Oberstleutnant), 1990 Entlassung. RUNGE, Jürgen 240 Geb. 1930. Chemiestudium in Halle (Dipl.-Chemiker), Prom. (Dr.rer.nat.), 1969–79 Mitgl. der BEK-Synode, seit 1980 Mitgl. der Synode der KPS, ab 1984 Mitgl. des Präsidiums der Synode der KPS, seit 1994 Präses der Synode der KPS, Mitgl. der Synode und des Rates der EKU. SAFT, Walter 63 Geb. 1923. Theologiestudium, 1953 Pfarrer in Friedelshausen, Hildburghausen und Pfersdorf, ab 1964 Rektor des Predigerseminars in Eisenach, ab 1969 Ltr. des Pastoralkollegs in Eisenach, ab 1975 OKR und Visitator für West-Thüringen, Honorardoz. an der Sektion Theol. der FSU Jena, ab 1976 ord. Prof. an der FSU Jena, 1988 Ruhestand. Wurde vom MfS als IMS „Salzmann“ geführt. SALINGER, Renate 447, 608, 619 Geb. 1933. 1951–52 Predigerseminar St. Pauli in Leipzig, dann bis 1957 Studium der Theol. in Leipzig, Vikarin im Predigerseminar in Lückendorf, 1966 Ordination und Pastorin in Zittau, 1975 Mitgl. der Leitung der Ev. Frauenarbeit in der DDR und Ltr.

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der Frauenarbeit in der Görlitzer Kirche, 1975 Mitgl. der Bundessynode, 1982 Mitgl. der Kirchenltg. der Görlitzer Kirche, 1986–90 synodales Mitgl. der KKL und ihres Vorst. SCHARBAU, Friedrich-Otto 400 Geb. 1935. Theologiestudium in Kiel und Göttingen, 1963 Pfarrer in Kiel, 1963–65 Studieninspektor am Predigerseminar in Preetz, 1965–83 Dezernent (OKR) im Landeskirchenamt/Nordelbisches Kirchenamt in Kiel, 1983–2000 Präs. des Lutherischen Kirchenamtes der VELKD in Hannover, Mitgl. des Exekutivausschusses der Leuenberger Konkordie, Mitgl. des Vorst. der Luther-Akademie in Ratzeburg. SCHARF, Kurt 21, 24, 44, 47, 64, 76, 79, 85, 119, 121ff., 129f., 134, 166ff., 179, 186, 189, 202f., 205, 212, 215, 243, 245, 380, 426f., 521 Geb. 1902, gest. 1990. 1921–25 Theologiestudium in Tübingen, Jena und Halle, 1928 Ordination, 1928–33 Pfarrer in Friesack (Mark), 1933 Mitbegründer und Vizepräses des Pfarrernotbundes, 1933–46 Pfarrer in Sachsenhausen/Oranienburg, 2.8.1934 erste Verhaftung, 1934 Mitwirkung an den Entschlüssen der Barmer und Dahlemer Bekenntnissynoden, 1935 Präses des Bruderrates und der Bekenntnissynode der BK in der Mark Brandenburg, 1938 Vors. der Konferenz der Landesbruderräte der BK in Deutschland, wiederholt in „Schutzhaft“ genommen, Schreib- und Redeverbot, Aufenthaltsverbot für Berlin, 1941–45 Militärdienst, 1945 amerik. Kriegsgefangenschaft in Italien, 1945–66 Präses der Berlin-brandenburgischen Synode und Propst für den Bereich Brandenburg der Berlin-brandenburgischen Kirche, 1951 Übersiedlung nach Berlin-Ost, Pfarrer an der Marienkirche, 1955–57 stellv. Vors., 1957–60 Vors., 1960–66 stellv. Vors. des Rates der EKU, 1961 Bischofsverwalter von Berlin-Brandenburg (Bereich Ost) und Pfarrer in Berlin-Steglitz mit eingeschränktem Seelsorgebezirk (Patmosgemeinde), 1961 Einreiseverbot in die DDR, 1961–67 Vors. des Rates der EKD, 1963–69 Vizepräs. der Vereinigten Weltbibelgesellschaften, 1965 Hg. der „Ostdenkschrift“ der EKD, 1966–76 Bischof der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg (im Ostbereich vertreten durch A. Schönherr), ab Nov. 1972 mit Beschränkung auf WestBerlin, 1968–75 Mitgl. des Zentralausschusses des ÖRK, 1979 Ehrenvors. des Ökum. Rates in West-Berlin, 1980–84 Vors. der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste. SCHEIB, Ludwig 171f. OKR, 1970–74 Mitgl. des Landeskirchenrates der pfälzischen Kirche, zuständig u. a. für Finanz- und Vermögensangelegenheiten, Kirchensteuern, Haushalts-, Rechnungs-, Kassenwesen. SCHEUNER, Ulrich 105, 114–117, 324 Geb. 1903, gest. 1981. Jurastudium, 1925 Prom. (Dr.jur.), 1930–33 Universitätsdoz. in Berlin, ab 1933 ord. Prof. für Öffentliches Recht, Völkerrecht und ev. Kirchenrecht in Jena, 1940 in Göttingen, 1941 in Straßburg, 1950–72 in Bonn, Vors. der Kommission für Int. Angelegenheiten beim Weltrat der Kirchen in Genf, Gutachter und Verf. zahlreicher Veröffentlichungen auf dem Gebiet des Staatskirchenrechts, 1972 em. SCHIRMACHER, Hasso 527 Geb. 1926. Handelsschule, 1942 Dienst in der Reichsfinanzverwaltung, 1947 Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft, 1949 Tätigkeiten in der sächsischen Landeskirche, Finanzausbildung in der kirchl. Verwaltung, Finanzsachverständiger im Landeskirchenamt

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Dresden, Kircheninspektor in Freithal, ab 1976 Verwaltungsltr. der Inneren Mission Leipzig, ab 1981 Mitgl. der BEK-Synode. SCHLAICH, Klaus 275 Geb. 1937. Studium der Rechtswiss., 1961/67 1. und 2. jur. Staatsexamen, 1967 Prom. (Dr.jur.), 1971 Habil., ab 1972 Prof. (öff. Recht und Kirchenrecht) an der Univ. Bonn, 1973–85 Mitgl. der Kammer für öff. Verantwortung der EKD und des Kirchenordnungsausschusses der rheinischen Synode, Mitgl. der EKD-Synode, Mitgl. des Schiedsgerichtshofs der EKD, Vors. der Kommission „Kirchenrecht – Evangelische Theologie“ im Rahmen der FEST in Heidelberg. SCHLOZ, Rüdiger 319, 361, 390, 474 Geb. 1941. Studium der Theol. und Soziologie, Tätigkeit im Dienst der württembergischen Kirche, Forschung an der Univ. Konstanz, Mitgl. der Studien- und Planungsgruppe der EKD, OKR in der Kirchenkanzlei in Hannover. SCHMALE, Karlheinz 275f., 336, 365f., 379, 413, 417, 459, 467 Geb. 1933. 1953–61 Theologiestudium in Hermannsburg und Hamburg, 1961–67 Pfarrer der Evangelical Lutheran Church in Southern Africa, Gemeindepfarrer in Botswana, 1963 Ordination, 1967–77 Gen.Sekr. der Federation of Evangelical Lutheran Churches in Southern Africa, ab 1977–96 KR und Referent, dann Ltr. der Berliner Stelle des Luth. Kirchenamtes der VELKD in Hannover, 1980 OKR. SCHMIDT, Helmut 341f., 353, 356f., 362, 373, 386, 424, 468, 476 Geb. 1918. 1940–45 Soldat, 1945–49 Studium der Volkswirtschaftslehre, 1946 SPD, 1947/48 Vors. des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS), 1949–53 im Hamburger Amt für Wirtschaft und Verkehr, zuletzt dessen Ltr., 1953–62 und 1965–87 MdB, 1961–65 Innensenator von Hamburg, 1967–69 SPD-Fraktionsvors., ab 1968 stellv. Vors. der SPD, 1969–72 Verteidigungsmin., 1972 Wirtschafts- und Finanzmin., 1972–74 Finanzmin., 1974–82 Bundeskanzler, sprach sich 1979/80 aus Sorge um ein strategisches Ungleichgewicht zwischen den Machtblöcken für die Nachrüstung mit Pershing-II-Raketen aus, ab 1983 Mithg. von Die Zeit. SCHMITZ, Otto 155ff., 166, 171, 199 Geb. 1913, gest. 1983. Theologiestudium, Mitgl. der BK, 1944 Pfarrer in Berschweiler, 1948 in Freudenberg, 1953 in Bad Salzuflen, 1961–81 hauptamtl. reformiertes Mitgl. der Kirchenleitung der westfälischen Kirche, Mitgl. des Moderamens des Reformierten Bundes, 1961–81 Mitgl. der Synode und des Rates der EKU. SCHMUDE, Jürgen 420ff., 427, 552f., 556, 558, 563, 565–568, 570, 574–577, 584, 586f., 589ff., 594f., 598, 609f., 614, 619ff., 640, 649, 663 Geb. 1936. Studium der Theaterwiss., Germ. und Jura in Göttingen, Berlin, Bonn und Köln, 1961 1. und 1966 2. Staatsexamen, 1968 Prom. (Dr.jur.), Rechtsanwalt, 1957 SPD, lokale Parteifunktionen, 1964–71 Mitgl. des Rates der Stadt Moers, 1969–94 MdB, 1969–74 Mitgl. im Rechtsausschuss und im Ausschuss für innerdeutsche Beziehungen des Bundestages, Kreisabg. in Moers, 1974–76 Parlamentarischer Staatssekr. beim Bundesinnenminister, dann Vors. des Arbeitskreises I (Außen- und Sicherheitspolitik, innerdeutsche Beziehungen, Europa- und Entwicklungspolitik) der SPD-Bundestagsfraktion, 1978–81 Bundesmin. für Bildung und Wiss., 1981 und 1982 Bundesjustizmin., zeitweise auch Bundesinnenmin., 1983–85 stellv. Vors. der SPD-

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Bundestagsfraktion und Vors. des Arbeitskreises II (Inneres, Bildung, Sport), 1985 mit der Wahl zum Präses der EKD-Synode Verzicht auf diese Funktionen, Mitgl. des Rates der EKD, Vors. des Theol. Ausschusses der EKD. SCHNEIDER, Grete 16, 214, 284 Geb. 1912, gest. 1994. Studium der Theol., Germ. und Gesch. in Marburg, Königsberg und Kiel, ab 1946 Studienrätin, Oberstudienrätin und Oberstudiendir. in Wuppertal, seit 1961 Oberschulrätin im Schulkollegium in Düsseldorf, ab 1969 Ltr. des Schulkollegiums in Münster, 1971–79 Mitgl. des Rates der EKD, 1971–84 Mitgl. der EKDSynode, 1975 Mitorganisatorin gegen die Einführung der „Kooperativen Schule“ in Nordrhein-Westfalen, Vors. im Kuratorium Ev. Sozialpädagogische Ausbildungsstätte in Münster und der „Ev. Elterninitiative“, 1977 Ruhestand. SCHNÜBBE, Otto 190, 214 Geb. 1925, gest. 2000. Studium der Theol. und Phil. in Königsberg und Marburg, Prom. (Dr.theol.), Pfarrer in Hannover, Sup. in Hildesheim, 1965–68 Synodaler der hannoverschen Landeskirche,1969–82 Landessup. für den Sprengel Hannover. SCHNUR, Wolfgang 263 Geb. 1944. 1961 Flucht nach West-Berlin, 1962 Rückkehr in die DDR, FDJ, Tätigkeit in einem Betrieb in Bergen/Rügen, 1964 Mitgl. der KL der FDJ in Bergen, Jugendhochschule, 1967 Abitur nach Besuch der Abendschule, dann bis 1973 Studium der Rechtswiss. (Dipl.-Jurist), Rechtsanwalt in Binz/Rügen, später in Rostock, Rechtsbeistand für Oppositionelle und Kirchenmitgl., Mitgl. der mecklenburgischen Landessynode, 1976–82 Vizepräses der EKU-Synode (DDR), 1988 Mitgl. der BEK-Synode, 29.10.1989 Mitbegründer des Demokratischen Aufbruchs, Dez. 1989 bis März 1990 (Rücktritt, später Ausschluss) Vors. des Demokratischen Aufbruchs, Dez. 1989 bis März 1990 Teiln. am Zentralen Runden Tisch, Febr. 1990 Mitbegründer der „Allianz für Deutschland“, 1993 Entzug der Anwaltslizenz. Wurde vom MfS als GI „Torsten“, IMB „Torsten“ und IMB „Dr. Ralf Schirmer“ geführt. SCHÖNHERR, Albrecht Albrecht 30, 34, 44, 59, 63f., 68ff., 74–79, 82–85, 91ff., 96–100, 104, 109, 112, 115–119, 126–134, 138f., 142–146, 154, 156, 157–161, 166, 169–175, 178f., 181, 187–192, 197f., 202, 205, 207ff., 213, 216ff., 220, 223, 227–230, 234ff., 240, 250, 257, 260ff., 264, 266ff., 272, 274, 280f., 283–289, 292f., 296, 308, 310, 312f., 318, 321, 327, 332f., 335, 340–346, 351f., 378, 380, 383, 441f., 450, 459–462, 464–469, 477–480, 488ff., 494f., 513, 610, 612, 614, 616f. Geb. 1911. 1929–33 Studium der Theol. in Tübingen und Berlin, 1933 1. theol. Examen und bis 1934 Vikariat in Potsdam, 1934 Anschluss an die BK und Arbeit für diese in Potsdam, 1935 Eintritt in das BK-Predigerseminar in Finkenwalde, 1936 2. theol. Examen vor dem BK-Bruderrat und Ordination in Berlin, 1936–37 Pfarrer des Theologiestudentenamts der BK in Greifswald, ab 1937 Pfarrer in Brüssow (Uckermark), 1940–45 Soldat, 1945/46 engl. Kriegsgefangenschaft in Italien, Lagerpfarrer, ab 1947 Dechant des Domkapitels zu Brandenburg, 1947–62 Pfarrer am Dom zu Brandenburg/Havel und Sup., 1951–62 Dir. des von ihm in Brandenburg gegründeten Predigerseminars, 1958 Mitbegründer des Weißenseer Arbeitskreises, Mitarb. in der CFK, 1963–72 Generalsup. des Sprengels Eberswalde in Berlin-Brandenburg, 1964/65 Ltr. des DDR-Regionalausschusses der CFK, ab 1967 Verwalter des Bischofsamtes der Kir-

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che von Berlin-Brandenburg, erhielt 1970 den Bischofstitel, 1972–81 Bischof der Ostregion der Berlin-brandenburgischen Kirche, 1969 Mitbegründer des BEK, 1969–81 Vors. der KKL, 6.3.1978 Ltr. der BEK-Delegation beim Gespräch mit Staatsratsvors. E. Honecker, 1981 Ruhestand. SCHRÖDER, Otto 239, 249 Geb. 1921, gest. 1994. 1941–45 Kriegsdienst, 1945–50 Theologiestudium in Halle, Bethel, Göttingen und Rostock, 1951 Ordination, dann Beauftragung mit der Verwaltung der Pfarre Burow, 1957 Landespfarrer für die Volksmission Güstrow, 1958–66 Mitgl. der mecklenburgischen Landessynode, Vertreter im Landessynodalausschuss, 1966–80 Landessup. in Parchim (Mecklenburg), beauftragt mit der Verwaltung der Pfarre Alt Jabel, 1967–84 Präs. und Vors. der Konferenz der Landesausschüsse der Kirchentagsarbeit in der DDR, 1973–77 Präses der Bundessynode, Mitgl. des KKL-Vorst., 1984 Ruhestand. SCHULTHEISS, Christina 16, 321, 346, 371, 408, 417, 518 Geb. 1918. 1932–35 Lehre als Damenschneiderin in Chemnitz, 1936–37 Fachschule für Mode in München, 1937–44 Arbeit als technische Kraft im elterlichen Betrieb (Hoch-, Tief- und Betonstraßenbau in Chemnitz), 1938–45 NSDAP, 1947–48 Besuch einer Meisterschule für Handwerker in Weimar und Meisterprüfung als Damenschneiderin, 1948 Straßenmeisterin, 1953–84 Oberstraßenmeisterin, Außenstellenleiterin der Bezirksdirektion für Straßenwesen in Gera, ab 1965 Mitgl. der thüringischen Synode, ab 1969 Mitgl. der BEK-Synode, ab 1972 Vizepräs. der thüringer Synode, ab 1972 KKL-Mitgl., 1978–90 Präs. der Synode der Ev.-luth. Kirche in Thüringen, Mitarb. in den Bereichen Finanzen, Forst- und Landwirtschaft, Kirchenbau, seit 1991 Straßenund Tiefbauunternehmen, 1998 Geschäftsaufgabe aus Altersgründen. SCHULTZE, Harald 275, 367f. Geb. 1934. Theologiestudium, 1963 Ordination, 1963–67 Pfarrer in Neundorf, 1964 Prom. (Dr.theol.), 1967–73 Doz. für Syst. Theol. am Katechetischen Oberseminar Naumburg, 1973–86 Mitgl. des Konsistoriums in Magdeburg, 1986–91 Doz. am Sprachenkonvikt Berlin (Ost), Vors. der Kommission für theol. Grundsatzfragen beim BEK, 1990/91 Rektor des Ost-Berliner Sprachenkonvikts, Habil., 1991 OKR, Ltr. des Ev. Büros (Wahrnehmung der Interessen der KPS, der Landeskirche Anhalt und der Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig gegenüber der Landespolitik) in Magdeburg, bis 1999 Beauftragter der Ev. Kirchen beim Landtag und bei der Landesregierung von SachsenAnhalt, 2000–04 stellv. Vors. der Ev. Arbeitsgemeinschaft für Kirchl. Zeitgeschichte. SCHULZE, Rudolf 518, 537 Geb. 1930. Studium der Vermessungstechnik, ab 1950 der Theol. an den Kirchl. Hochschulen in West-Berlin und Naumburg, 1960 Gemeindepfarrer in Rhoden, 1961 Doz. am Sprachenkonvikt in Berlin (Ost), 1964–70 Studentenpfarrer, dann Pfarrer und Vors. des Kreiskirchenrates Halle, ab 1978 OKR in der Kirchenkanzlei der EKU tätig, die ihn 1985 für die Ltg. der ThSA beim BEK-Sekr. (bis 1989) freistellte. SCHULZE, Siegfried 408, 428 Geb. 1931. Theologiestudium, 1958 Ordination, 1959–68 Kreisjugendpfarrer, 1959–76 Pfarrer in versch. Kirchengemeinden Dessaus, 1968–76 Ltr. des kirchl. Presseamtes, 1976–91 Mitgl. der KKL, 1976–94 OKR und stellv. Vors. Kirchenpräs. der Landes-

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kirche Anhalts, 1976–94 Mitgl. der anhaltischen Landessynode, 1986–92 Vors. der Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste (AMD) in der DDR, seit 1991 2. stellv. Vors. des Landesrundfunkausschusses für Sachsen-Anhalt, seit 1991 Stellv. Vors. des Ev. Medienverbandes in der KP Sachsen und der Ev. Landeskirche Anhalts, 1992–97 Stellv. Vors. der AMD in der EKD, 1995 Ruhestand. SCHWERIN, Eckart 226, 231 Geb. 1937. Theologiestudium, 1964–66 Pers. Referent des Bischofs in Greifswald, 1966–70 Pfarrer in Züssow und Ausbildungsltr. am Diakonenhaus, 1970–82 Sekr. der Kommission für Kirchl. Arbeit mit Kindern und Konfirmanden beim BEK, 1983–91 außerord. mecklenburgischer OKR im Oberkirchenrat in Schwerin, 1992 OKR, 1997–2001 amtierender Oberkirchenratspräsident in Schwerin, Prom. (Dr.theol.), 2001 Ruhestand, Honorarprof. für Religionspädagogik an der Theol. Fak. der Univ. Rostock. SEIGEWASSER, Hans 56f., 74f., 85, 89, 91ff., 98ff., 105, 107ff., 111, 113, 117ff., 127, 129f., 133ff., 141f., 144ff., 172–176, 185ff., 188ff., 196ff., 204ff., 210ff., 217f., 224, 228f., 244, 249f., 255, 258f., 261, 274, 280, 299f., 309ff., 318f., 330, 335, 341, 490 Geb. 1905, gest. 1979. 1919 SAJ, 1921–23 Ausbildung zum Bankangestellten, 1921 USPD, Allgemeiner Verband der Bankangestellten, danach Zentralverband der Angestellten, 1922 SPD, 1926–33 Angestellter der Sozialversicherung, 1928 Mitgl. und 1930 Vors. der Reichsleitung der Jungsozialisten, 1931 Mitbegründer der SAP, Mitgl. ihres Parteivorstandes und Vors. der BL Berlin-Brandenburg, 1932 KPD, 1933 Verhaftung, 1934 Verurteilung zu fünf Jahren Zuchthaus, 1934–45 KZ Sachsenhausen und Mauthausen, Mitgl. des illegalen Int. Lagerkomitees, 1945/46 Mitarb. des ZK der KPD, 1946–50 Mitarb. des Parteivorst. bzw. des ZK der SED, ab 1950 Abg. der VK, 1953–59 Vors. des Büros des Präs. des Komitees der Antifaschistischen Widerstandskämpfer, 1953–70 Präsidiumsmitgl. des NR der NF der DDR und 1953–59 Vors. von dessen Büro, 1959/60 1. Sekr. des Berliner Bezirksausschusses und Vizepräs. des NR der NF, 1955–62 Mitgl. des Zentralvorstandes der DSF, 1960–79 Staatssekr. für Kirchenfragen, ab 1965 Mitgl. des Büros des Präs. der Fédération Internationale de Résistants. SIMON, Helmut 380 Geb. 1922. Kriegsdienst in der Marine, Studium der Rechtswiss. und Theol. in Bonn und Basel, 1953–57 Richter am Landgericht Düsseldorf, wiss. Hilfskraft am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, 1960–65 Richter am Patentsenat am Oberlandesgericht in Düsseldorf, 1965–70 Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, 1970–87 Bundesverfassungsrichter (Grundrechtssenat), 1970–96 Mitgl. im Präsidium des DEKT, Mitgl. der Synode der EKD, 1975–77 und 1977–89 Präs. des DEKT, 1993–2000 Präs. der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen in Bremen. SPENGLER, Helmut 413 Geb. 1931. 1951–55 Theologiestudium in Marburg und Bethel, 1960 Pfarrer in Breitenstein (Nordhessen), 1964 Pfarrer in Bad Homburg, 1972 Wechsel in die Darmstädter Kirchenverwaltung, Stellv. des Hessen-nassauischen Kirchenpräs., 1973 OKR, 1985–93 Kirchenpräs. der Ev. Kirche Hessen und Nassau.

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SPRINGER, Axel 549, 552 Geb. 1912, gest. 1985. 1928–32 Lehrling in der väterlichen Druckerei in Hamburg, dann in den Schröderschen Papierfabriken in Hamburg und Leipzig, Volontär der Bergedorfer Zeitung u. einer Nachrichtenagentur, darauf Red. bei den Altonaer Nachrichten, 1934–41 dort stellv. Chefred., 1941–44 Gesellschafter im väterlichen Verlag, 1947 Gründung der „Axel Springer GmbH“, Lizenz für das Hamburger Abendblatt, 1952 1. Ausgabe der Bild-Zeitung, 1956 Beteiligung am Ullstein-Verlag, 1. Ausgabe von Bild am Sonntag, es folgen weitere Zeitungen und Zeitschriften. STAMMLER, Eberhard 469f. Geb. 1915, gest 2004. 1934–38 Studium der Theol. in Tübingen, seit 1938 Pfarrer, 1941–45 Militärdienst, 1947–49 theol. Red. beim Hamburger Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt, 1949 Stadtjugendpfarrer in Stuttgart, Vors. des publ. Ausschusses des DEKT, 1952–64 Chefred. der von ihm mitbegründeten Zeitung Junge Stimme in Stuttgart, Mitgl. des Beirats für Innere Führung der Bundeswehr, 1957–58 Soziologiestudium in Heidelberg, 1964–65 stellv. Chefred. von Christ und Welt (Rheinischer Merkur), Lehrbeauftragter des Instituts für Christliche Gesellschaftslehre der Univ. Tübingen, bis 1974 Pfarrer in Blaubeuren und Stuttgart, 1970–83 Chefred. von Evangelische Kommentare in Stuttgart, Mitbegründer der Christlichen Presseakademie und Mitgl. des Vorst. des GEP in Frankfurt/M. STEINLEIN, Reinhard 205 Geb. 1919. Kurz nach 1939 Soldat, Verwundung, Entlassung, Studium der Theol. in Berlin, 1942 erneute Einberufung, 1943 Ordination während einer längeren Beurlaubungsphase, 1944 franz. Kriegsgefangenschaft, dort Pfarrer im Kriegsgefangenenlager, 1946 Pfarrer in Fürstenwalde, 1951 Berufung zum KonsR als theol. Dezernent im Konsistorium der Berlin-brandenburgischen Kirche durch O. Dibelius, 1951–84 Vors. des „Evangelischen Bundes“, 1956–69 Sup. in Finsterwalde, 1970–84 Sup. in Nauen, trotz heftigster Kritik an der Trennung der DDR-Gliedkirchen von der EKD nach Ausscheiden aus der EKD-Synode 1969 Mitgl. der Synode des BEK, Mitgl. der Synode von Berlin-Brandenburg, 1978 Austritt aus Berlin-brandenburgischer Synode und Kirchenleitung, 1984 Ruhestand. STIER, Christoph 401, 408, 428, 450, 563, 567, 570, 572, 574ff., 587, 589ff., 594f., 604, 609f., 631, 645, 647 Geb. 1941. 1959–64 Theologiestudium an der Univ. Rostock, 1964 1. theol. Examen, 1964–70 wiss. Ass. an der Sektion Theologie der Univ. Rostock, 1968 Vikariat in Rostock, 1969 2. theol. Examen, 1970 Ordination, 1970 Pastor in Lütten-Klein/Rostock, 1976–84 Pastor für Weiterbildung und Akademiearbeit, Mitgl. der Landes- und der Bundessynode, 1981 Vors. des Studienausschusses der ThSA beim BEK, 1981–91 Mitgl. der KKL, 1984–96 mecklenburgischer Landesbischof, 1986–88 Ltd. Bischof der VELKDDR, seit 1990 Mitgl. des Rates des LWB, 1991–97 Mitgl. des Rates der EKD. STOLL, Karlheinz 394 Geb. 1927, gest. 1992. Arbeits- und Kriegsdienst, 1948–52 Theologiestudium in Berlin und Kiel, Stadtvikar in Schwenningen/Neckar, 1955 2. theol. Examen und Ordination, Pfarrer in Rottweil/Neckar, 1957 Schulpfarrer in Lübeck, 1965 Mitgl. der Kirchenregierung, 1967 Pastor in Lübeck, 1970 Senior der Lübecker Kirche, Vertreter des

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Personenregister/Biographische Angaben

Bischofs, 1972 Verwalter des Lübecker Bischofsamtes bis zum Aufgehen der Lübecker Kirche in der nordelbischen ev.-luth. Kirche (1977), 1977 Propst des Kirchenkreises Lübeck, ab 1979 Bischof des Sprengels Schleswig, 1979 Mitgl. der VELK-Kirchenleitung, bis 1986 Vors. der Kirchenleitung der nordelbischen ev.-luth. Kirche, 1981–90 Ltd. Bischof der VELKD, ab 1985 Mitgl. des Rates der EKD, Vors. des Dt. Nationalkomitees des LWB, Mitbegr. des Gemeindekollegs Celle, aktiver Förderer des ökum. Gesprächs, insbesondere mit der anglikanischen Kirche. STOLPE, Manfred 34, 43, 61f., 64, 70f., 76, 78, 93, 96, 98f, 101, 112, 127, 129f., 137f., 141f., 144f., 154, 157, 160, 166, 173, 176, 178, 181, 184, 204f., 207, 212f., 218, 222ff., 227, 230, 232f., 249f., 254f., 262f., 267, 274, 285f., 296, 304, 308f., 312f., 318–321, 327–332, 338, 340, 342f., 346, 350ff., 355, 382, 407, 415, 428, 439, 441f., 445, 450, 459f., 466f., 477, 489f., 492–495, 498, 579, 612f., 628, 632, 641f. Geb. 1936. 1955–59 Studium der Rechtswiss. in Jena und Berlin (West) (Dipl.-Jurist), 1959–62 Vorbereitungsdienst für die höhere kirchl. Verwaltungslaufbahn der EKU, 1962–69 jur. KonsR, Ltr. der Geschäftsstelle der KKL, 1963–66 pers. Referent des Generalsup. G. Jacob, 1969 OKonsR der Berlin-brandenburgischen Kirche (Ostregion), 1969–81 Ltr. des BEK-Sekr., 1970 Dezernent des Konsistoriums für Seelsorge an Wehrpflichtigen, Jugendarbeit und Friedenszeugnis, 1976 Mitarb. in der Menschenrechtskommission des Weltkirchenrates, 1982–90 Konsistorialpräs. der Ostregion der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg, 1982 stellv. Vors. der KKL, 1988 stellv. Vors. der EKU (Bereich DDR), Juni 1990 SPD, ab Okt. 1990 Abg. des Brandenburgischen Landtags, Nov. 1990–02 Min.präs. des Landes Brandenburg, 2002–05 Bundesverkehrsmin. Wurde vom MfS als IM „Sekretär“ geführt. STOPH, Willi 45, 280f., 320, 351 Geb. 1914, gest. 1999. 1928–31 Maurerlehre, danach Tätigkeit als Maurer, Maurerpolier und nach Fernstudium als Bautechniker, 1928 KJVD, dort versch. Funktionen, 1931 KPD, ab 1933 Widerstandstätigkeit, 1935–37 Militärdienst, 1940 bis zur Verwundung 1942 Kriegsdienst, 1945–47 Ltr. der Abt. Baustoffindustrie und Bauwirtschaft, 1947/48 Ltr. der HA Grundstoffindustrie der Dt. Zentralverwaltung der Industrie, 1948–50 Ltr. der Abt. Wirtschaftspolitik beim Parteivorst. der SED, 1950–89 Mitgl. und 1950–53 Sekr. des ZK der SED, 1953–89 Mitgl. des PB, 1950–89 Abg. der VK, 1950–52 Vors. ihres Wirtschaftsausschusses, 1952–55 Min. des Innern, 1954–62 Stellv. Vors. des Min.rates, 1956–60 Min. für Nat. Verteidigung, als solcher einer der Stellv. des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrags, 1956–59 Generaloberst, dann Armeegeneral, 1962–64 1. Stellv. Vors. und 1964–73 Vors. des Min.rates, 1963/64 Mitgl., 1964–73 und 1976–89 Stellv. Vors., 1973–76 Vors. des Staatsrates, 1976–89 Vors. des Min.rates, 7.11.1989 Rücktritt mit seiner Regierung, 17.11.1989 als Mitgl. des Staatsrates abberufen und aus der VK ausgeschieden, 3.12.1989 Parteiausschluss durch das ZK der SED. STRAUSS, Franz-Josef 205, 331 Geb. 1915, gest. 1988. Studium der Philol., 1945 Mitgründer der CSU, seit 1961 deren Vors., 1949–78 MdB, 1953–55 Bundesmin. für besondere Aufgaben, 1955/56 für Atomfragen, 1956–62 Verteidigungsmin., 1966–69 Finanzmin., 1978–88 Min.-Präs. von Bayern.

Personenregister/Biographische Angaben

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THIMME, Hans 169, 284, 300 Geb. 1909, gest. 2006. Theologiestudium in München, Berlin, Marburg, Münster und Princeton/USA, 1934 Hilfsprediger in Bad Oeynhausen, Mitarb. von Präses K. Koch, als dessen Begleiter Teiln. an der Bekenntnissynode 1934 in Barmen, 1935 Ordination, Pfarrer in Spenge, nach 1945 Ltg. der Pfarrerausbildung der westfälischen Kirche, 1947 Ephorus am Predigerseminar Brackwede, später Soest, ab 1957 OKR hauptamtl. Mitglied der westfälischen Kirchenleitung, 1960 Vizepräses der Ev. Kirche von Westfalen, 1969–77 Präses der Ev. Kirche von Westfalen, 1972–75 Vors. des Rates der EKU, 1973–79 Mitgl. des Rates der EKD, 1977 Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern, 1977–81 Vorstandsvors. des GEP in Frankfurt/M.. TIMM, Rüdiger 103 Geb. 1931. 1951–56 Theologiestudium in Rostock und Halle, ab 1957 Pfarrer in Breesen, 1969–76 in Stavenhagen, 1976–96 Landessup. des Kirchenkreises Malchin (1998 aufgelöst), Ruhestand. TREBS, Herbert 51 Geb. 1925. Kriegsdienst, 1947 CDU, 1947–51 Theologiestudium an der MLU Halle (theol. Staatsexamen), 1951–54 wiss. Aspirantur an der KMU Leipzig, 1954 Hauptreferent in der Parteileitung der CDU, 1954–60 Abt.ltr. für Kultur- und Kirchenpolitik in der Redaktion der Neuen Zeit, 1957 Dipl.-Red., seit 1962 Mitgl. des Präsidiums der Deutsch-Französischen Gesellschaft der DDR, seit 1958 Mitgl. des Friedensrates der DDR, 1960–63 wiss. Aspirantur an der KMU Leipzig, 1963 Prom. (Dr.theol.), 1963–67 Berliner Vertreter in der VK, ab 1965 Mitgl. des Präsidiums des Friedensrates der DDR, 1966 Habil., ab 1966 Vizepräs. der Deutsch-Französischen Gesellschaft der DDR, 1967–76 Abg. der VK, Mitgl. des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, ab 1967 Prof. (ökum. Theol.) an der HU Berlin, Mithg. des Standpunkt und des Evangelischen Pfarrerblatts. TSCHOERNER, Helmut 568, 580, 583, 589 Geb. 1931. 1951–56 Theologiestudium KMU Leipzig, 1957–62 Studieninspektor am Theol. Seminar Leipzig, für ein Jahr Verwaltung einer Pfarrstelle in Ganzig, 1963 in den Dienst der Ev.-Luth. Mission berufen, 1972 theol. Referent im Luth. Kirchenamt der VELKDDR in Ost-Berlin. ULBRICHT, Walter 23, 40, 43, 45, 57, 107, 136, 139, 143, 171, 217, 330 Geb. 1893, gest. 1973. 1907–11 Tischlerausbildung, 1908 SAJ, 1912 SPD, 1915–18 Kriegsdienst in Polen, Serbien und Belgien (Gefreiter), Nov. 1918 Mitgl. des Soldatenrates des 19. Armeekorps, Jan. 1919 Mitbegr. der KPD in Leipzig, Mitgl. der BL Mitteldeutschland, 1920/21 der BL Westsachsen, dann bis 1923 polit. Ltr. der BL Großthüringen, ab 1923 Mitgl. der Zentrale bzw. des ZK der KPD, 1925 Mitarb. des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI) in Moskau, 1926–29 Abg. des sächsischen LT, ab 1928 Mitgl. des Dt. Reichstages, 1927 Kand., 1929–46 Mitgl. des PB des ZK der KPD, 1928–43 Kand. des EKKI, 1929–33 polit. Ltr. der KPD-Bezirksorganisation Berlin-Brandenburg-Lausitz-Grenzmark, 1932–46 Mitgl. des Sekr. des ZK, 1933 Verfolgung wegen illegaler Tätigkeit, Emigration, 1933–35 Mitgl. der Pariser Auslandsvertretung der KPD, 1935–38 Ltr. der Operativen Ltg. bzw. des Sekr. des ZK in Prag bzw. Paris, Teiln. am VII. Weltkongress der Kommunisti-

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Personenregister/Biographische Angaben

schen Internationale, 1938–43 Vertreter des ZK der KPD beim EKKI in Moskau, 1943–45 Mitgl. des NKFD und Ltr. operativer Abt., Mitarb. an programmatischen Dokumenten, 30.4.1945 Rückkehr nach Deutschland als Ltr. der KPD-Gruppe für Berlin, 1945/46 Mitgl. des ZK und des Sekr. der KPD, 1946–73 Mitgl. des Parteivorst. bzw. ZK der SED, 1946–50 Mitgl. des Zentralsekr. des Parteivorst. der SED, 1946–51 Abg. des LT von Sachsen-Anhalt, 1946/47 Mitgl. des Rechts- und Verfassungsausschusses, 1948/49 Mitgl. des Präsidiums des Dt. Volksrates, ab 1949 Mitgl. der Provisorischen VK bzw. VK der DDR, 1949–55 Stellv., 1955–60 1. Stellv. des Vors. des Ministerrates, 1949–73 Mitgl. des PB des Parteivorst. bzw. des ZK der SED, 1950–53 Gen.Sekr., 1953–71 1. Sekr. des ZK der SED, 1960–71 Vors. des Nat. Verteidigungsrates, 1960–73 Vors. des Staatsrates, ab 3.5.1971 Vors. der SED. VELLMER, Erich 169 Geb. 1910, gest. 1990. Theologiestudium in Göttingen und Marburg, 1936 Ordination und bis 1955 (unterbrochen durch Kriegsdienst) Pfarrer in Solz (Kirchenkreis Rotenburg), 1955 Pfarrer in Kassel-Wilhelmshöhe, 1957 Prälat im Landeskirchenamt in Kassel, geistl. Stellv. des Landesbischofs, 1963–78 Bischof der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck, anschließend Krankenhausseelsorger in Kassel-Wilhelmshöhe. VERNER, Paul 55, 134, 136, 139f., 143, 171, 174, 198, 202, 255f., 267f., 280, 330, 340ff., 344, 351, 389, 490, 512, 552 Geb. 1911, gest. 1986. Lehre als Maschinenschlosser, 1925 KJVD, 1929 KPD, Red., 1936–39 Leutnant in den Int. Brigaden, Emigration nach Schweden, dort 1939–43 inhaftiert, 1946 Rückkehr nach Deutschland, Mitbegründer der FDJ, 1946–49 Mitgl. des Zentralrates der FDJ, 1948 Mitgl. des Deutschen Volksrates, ab 1950 Mitgl. des ZK der SED, 1950–53 und seit 1958 Sekr. des ZK und Kandidat des PB (verantwortlich u.a. für Kirchenfragen), 1964–84 Mitgl. des PB, 1959–71 1. Sekr. der SED-BL Berlin, seit 1959 Mitgl. des NR der NF, seit 1971 Mitgl. und 1981–84 stellv. Vors. des Staatsrates, 1984 Rücktritt von Partei- und Staatsfunktionen aus gesundheitlichen Gründen. VIERING, Fritz 179, 199, 214, 291f., 294 Geb. 1910, gest. 1984. Theologiestudium, 1. theol. Examen vor der BK im Rheinland, 1936 Ass. in Tübingen und wiss. Hilfsarbeiter beim Ev. Bund in Berlin, 1938 Prom. (Dr.theol.), 1939 2. theol. Examen vor der westfälischen BK, 1939 Hilfsprediger und Pfarrstellenvertreter in Dortmund-Barop, 1941–45 Kriegsdienst, 1943–62 Pfarrer in Hilbeck (Kirchenkreis Hamm), 1947–62 Sup. in Hamm, 1957 Habil., Privatdoz. für Syst. Theol. in Münster und Berlin, 1960–62 Mitgl. der westfälischen Kirchenleitung, 1962–70 OKonsR in der Kirchenkanzlei der EKU in Berlin, 1970–79 Landessup. der Lippischen Landeskirche (Detmold), 1971–73 Ratsmitgl., stellv. Moderator des Reformierten Bundes, Mitgl., 1976 Vors. der Arnoldshainer Konferenz., stellv. Vors. des Ev. Bundes, Geschäftsführer der Gesellschaft für Ev. Theol. VÖLZ, Eberhard 407f., 428, 431 Geb. 1936. Finanzökonom, 1965 Studium als Dipl.-Jurist abgeschlossen, ab 1973 Mitgl. von KKL und BEK-Finanzausschuss, OKonsR im Konsistorium Görlitz (verantwortlich für Recht, Bau und Finanzen), beratendes Mitgl. des Rates der EKU (Bereich DDR).

Personenregister/Biographische Angaben

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WÄTZEL, Paul 69, 72f., 82, 84, 111 Geb. 1916, gest. 1978. Nach Theologiestudium, 1944–53 Pfarrer in Halle, 1953–68 Studiendir. und Ephorus am Predigerseminar der EKU in Wittenberg, Mitgl. der Synode der KPS, der EKU-Synode und 1967–69 Mitgl. des Rates der EKD (Ost), 1972 aus gesundheitlichen Gründen Arbeit als Ausbildungsreferent in der Kirchenkanzlei der EKU und Sekr. der Kommission für Ausbildung im BEK, Pfarrdienst in Gröben. WAHRMANN, Siegfried 111, 297, 343, 401, 408, 428, 518, 527f., 544, 552, 557 Geb. 1918, gest. 1996. 1937 RAD, nach Kaufmannslehre 1945 Eintritt ins elterliche Textilgeschäft, Schneiderlehre, 1949 Facharbeiterprüfung, dann selbständiger Textilkaufmann in Wismar, 1958–87 Mitgl. der mecklenburgischen Landessynode, ab 1965 Mitgl. des Präsidiums der mecklenburgischen Landessynode, erst Stellv., 1970–87 Präses der mecklenburgischen Landessynode, Mitgl. des Landessynodalausschusses und der Diakonischen Konferenz der mecklenburgischen Landeskirche, Tätigkeit im Vorst. des Stiftes Bethlehem in Ludwigslust, 1977–85 Präses der Bundessynode, Mitgl. des KKL-Vorst. und der KKL, Mitgl. der EKD-Synode. Wurde vom MfS als IME „Lorenz“ geführt. WAITZ, Helmut 110, 141f., Geb. 1910, gest. 1993. Rechtsanwalt in Magdeburg, 1964–80 Präses der Synode der KPS, 1964–76 Präses der EKU-Synode (Bereich DDR), ab 1970 Mitgl. im Präsidium der BEK-Synode und der Synode des Bundes, ab 1979 stellv. Vors. des Rates der EKU (Bereich DDR), ab 1980 jur. Mitarb. im Konsistorium in Magdeburg. WEEBER, Rudolf 122f. Geb. 1906, gest. 1988. 1933–34 Gerichtsassessor, 1935–49 Justitiar beim EOK in Stuttgart (bis 1936 Assessor, bis 1944 Kirchenrat, bis 1949 OKR), 1946–54 Mitgl. und bis 1963 Vors. des Luth. Senats des Disziplinarhofs der EKD, 1948–80 Vorsitz im Ev. Presseverband Württemberg, 1949–73 Dir. im EOK und jur. Stellv. des Landesbischofs, zugl. Vors. des Vorst. der Ev. Seminarstiftung (seit 1955 Titel Vizepräs.), 1951–62 stellv. Vors. des Ev. Presseverbandes für Deutschland, 1951–67 Mitgl. (ab 1964 Vors.) des Finanzbeirates der EKD, 1953–70 Vorsitz im Ausschuss für das Hilfswerk der württembergischen Landeskirche, 1953–77 Mitgl. des Exekutivausschusses des LWB, 1955–77 Schatzmeister ebd., zugl. Mitgl. des Deutschen Nationalkomitees des LWB, 1960–70 Vors. des Kuratoriums der Ev. Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, bis 1975 stellv. Vors. und zuletzt Vorstandsvors. der Ev. Studiengemeinschaft in Heidelberg, 1962–77 stellv. Vors. des Dt. Nationalkomitees des LWB, 1963–73 Mitgl. des Diakonischen Rates, ab 1964 Vors. des Ev. Presseverbandes für Deutschland, 1964–70 Vorsitz im Landesausschuss des Landesverbandes der Inneren Mission (zuletzt Fusionierung mit dem Hilfswerk der württembergischen Landeskirche zum Diakonischen Werk der württembergischen Landeskirche), 1967–73 Mitgl. des Rates der EKD, 1970–73 Vors. des Ausschusses Publizistik im Struktur- und Verfassungsausschuss der EKD, 1973–77 Vorstandsvors. des GEP. WEISE, Hans 51, 91, 98, 109f., 112f., 118, 127, 129, 198, 255, 262, 308 Geb. 1917. Bis 1949 Mitarb. der Kriminalpolizei, Abt. K 5, 1952 Landesparteischule, 1953–57 Mitarb. der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen, 1957–82 Hauptabteilungsltr. in der Dienststelle des Staatssekr. für Kirchenfragen.

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Personenregister/Biographische Angaben

WEIZSÄCKER, Carl Friedrich Freiherr von 473, 514, 555 Geb. 1912. Studium der Physik, Astronomie und Mathematik in Berlin, Göttingen und Leipzig, 1933–36 Forschung in Leipzig, dann an den Berliner Kaiser-WilhelmInstituten für Chemie und Physik, 1942–45 Prof. für theoretische Physik in Straßburg, 1946 Abt.ltr. am Max-Planck-Institut für Physik, Mitgl. der sog. Göttinger Achtzehn, den Physikern, die sich in 1957 mit der „Göttinger Erklärung“ gegen den Einsatz von Atomwaffen aussprachen, 1957–69 Prof. für Phil. an der Univ. Hamburg, Mitarb. der Deutschen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung, Mitinitiator und 1970–80 Ltr. eines Max-Planck-Instituts in Starnberg. WEIZSÄCKER, Richard Freiherr von 186, 287 Geb. 1920. 1937/38 Studium in Oxford und Grenoble, 1938–45 Soldat in der Wehrmacht (zuletzt Hauptmann), nach 1945 Jura- und Geschichtsstudium in Göttingen, 1947–49 Ass. von Rechtsanwalt H. Becker, der bei den Nürnberger Prozessen R. v. W. Vater verteidigte, 1950–67 verschiedene Positionen in der Wirtschaft, 1954 CDU und Prom. (Dr.jur.), 1964–70 und 1979–81 Präs. des DEKT, 1966 Präsidiumsmitgl. der CDU, 1969–84 Mitgl. der EKD-Synode, 1970–84 Mitgl. des Rates der EKD und des Zentralausschusses des Weltkirchenrates, 1969–81 MdB, stellv. CDU-Fraktionsvors., 1972–74 Vors. der Grundsatzkommission der CDU, 1972–79 stellv. Fraktionsvors. der CDU, 1975–84 Vorstandsmitgl. der CDU, 1979–81 Vizepräs. des Bundestags, 1979–84 Mitgl. des Berliner Abgeordnetenhauses, 1981–84 Regierender Bürgermeister von Berlin, 1984–94 Bundespräsident. WENDELIN, Gerhart 70 Geb. 1912, gest. 1984. Studium der Theol., Prom. (Dr.theol.), 1936 Pfarrer in Freiberg, ab 1937 Pfarrer in Schmiedefeld, ab 1951 Pfarrer an der Johanneskirche in Dresden, zugl. Landespfarrer für kirchl. Frauenarbeit, 1959–73 Pfarrer an der Dresdner Kreuzkirche und Sup. des Kirchenbezirks Dresden-Stadt, 1967 EKD-Synodaler (Ost). WILDNER, Horstdieter 413 Geb. 1933, gest. 1995. Jurastudium in Berlin und Freiburg, 1957 1. und 1963 2. jur. Staatsprüfung, Tätigkeit am Berliner Landgericht, 1963 im Dienst der Berlin-brandenburgischen Kirche (West), 1963 OKonsR, 1977 Ltr. der Rechtsabt., 1981 Stellv. des Konsistorialpräs., 1985–95 Konsistorialpräs. des Konsistoriums Berlin-Brandenburg (bis 1991 Westregion, danach auch Ostregion), Mitgl. der Kirchenleitung der EKiBB und des Rates der EKU, 1989–94 Mitgl. im Rundfunkrat des SFB, Vors. bzw. Mitarbeit u.a. im Vorst. des GEP, Mithg. der Halbjahreszeitschrift Kirchliche Zeitgeschichte. WILKE, Hans 92, 129, 136f., 141f., 205f., 309, 344, 387, 446, 522, 570 Geb. 1932. Studium der Phil. an der HU Berlin, 1949 FDJ, DSF, 1950 SED, später polit. Mitarb. einer FDJ-KL, in den fünfziger Jahren Engagement für CVJM und ESG, 1958–90 Mitarb., zuletzt Abt.ltr. in der Dienststelle des Staatssekr. für Kirchenfragen (zuständig für Ev. Kirche), 1968 Prom. (Dr.phil.). Wurde vom MfS als GHI „Horst“ (ab 1954) geführt. WILKENS, Erwin 58, 85, 90, 158, 177, 186, 189, 207, 216, 229–232, 236, 239, 243, 264, 273, 275, 277, 279, 295, 303f., 359, 459, 469, 473, 474, 486, 521, 554, 626 Geb. 1914, gest. 2000. Mitgl. der BK, am Ende des 2. Weltkriegs Offizier im Generalstab des Heeres, Studium der Theol. in Münster, Tübingen und Göttingen, 1947

Personenregister/Biographische Angaben

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Pfarrer, 1951 OKR, theol. Referent im Luth. Kirchenamt der VELKD, 1964 Wechsel in die EKD-Kirchenkanzlei in Hannover, dort Öffentlichkeitsreferent, 1974–80 Vizepräsident der EKD-Kirchenkanzlei in Hannover, 1980 Ruhestand. WILM, Ernst 79, 82–86, 89, 155ff., 160ff., 165, 172, 175, 180, 186, 199 Geb. 1901, gest. 1989. 1927 Ordination, 1928 Pfarrer in Bethel, 1929 Pfarrer in Lüdenscheid, 1931 Pfarrer in Mennighüffen/Herford, 1942–45 wg. Protests gegen die „Euthanasieaktion“ im KZ Dachau, 1945 Kriegsdienst in einer „Bewährungskompanie“, 1948–68 Präses der Ev. Kirche von Westfalen, gleichzeitig Vors. der Landessynode, der Kirchenleitung und des Landeskirchenamtes, Mitgl. des westfälischen Bruderrates, Mitgl. des Rates der EKU, 1957–73 Mitgl. des Rates der EKD, in dessen Auftrag Wahrnehmung der Seelsorge für die deutschen Kriegsverurteilten im Ausland, Mitbegr. und Ehrenpräs. der KEK, Mitarb. bei Gründung und Aufbau der Flüchtlingsstadt Espelkamp, Förderung der diakonischen Arbeit des Ludwig-Steil-Hofes. WINTER, Friedrich 431, 637 Geb. 1927. 1947–51 Studium der Theol. in Greifswald, Berlin und Rostock, 1951–54 Vikar und Hilfsprediger in Ferdinandshof (Vorpommern), 1952 Prom. (Dr.theol.), 1953 Ordination, 1954–60 Studentenpfarrer in Greifswald, 1960–64 Sup. in Grimmen, 1964–73 Doz. für Prakt. Theol. am Sprachenkonvikt in Berlin (Ost), 1973–86 Propst im Ev. Konsistorium in Ost-Berlin, 1986–91 Präs. der Kirchenkanzlei der EKU (Bereich DDR), ständiger Gast in der KKL. WISCHMANN, Adolf 176 Geb. 1908, gest. 1983. Theologiestudium in Tübingen, Berlin, Zürich und Göttingen, 1934–35 Ass. an der Univ. Tübingen, 1936 Hilfsprediger in Hannover-Bothfeld und mit Unterbrechungen durch Militärdienst bis 1948 Studenten-, Standort- und Stadtjugendpfarrer in Göttingen, 1945 Mitgl. der hannoverschen Landessynode, ab 1948 der EKD-Synode, 1948–55 Studienltr. und Dir. der Ev. Akademie Hermannsburg und Loccum, 1955–58 Landessup. in Osnabrück, 1956–74 Präs. des Kirchlichen Außenamtes der EKD in Frankfurt/M., ab 1968 Mitgl. des ZA des ÖRK, seit 1974 Vors. des Diakonissen-Mutterhauses in Lötzen. WOELKE, Willy 70, 103 Geb. 1905, gest. 1976. Studium der Rechtswiss. in Königsberg und Jena, bis 1937 im Justizdienst (Amtsgericht Oranienburg), dann Jurist im Kirchendienst (Stettin), nach Kriegsende Konsistorialpräsident im Greifswalder Konsistorium, ständiger Vertreter von Bischof F.-W. Krummacher. WOLLSTADT, Hanns-Joachim 401, 407f. Geb. 1929, gest. 1991. Ab 1947 Studium der Theol. in Berlin, Bethel und Heidelberg, Vikar in Rothenburg (Oberlausitz), 1955 Ordination, 1956 Pfarrer in Jänkendorf/ Ullersdorf (Kirchenkreis Niesky), 1960–65 Provinzialpfarrer für Innere Mission und Ev. Hilfswerk der Görlitzer Kirche, 1965 Prom. (Dr.theol.), 1965–70 Ltr. des Diakonischen Werks im Görlitzer Kirchengebiet und bis 1979 Vors. des Brüder- und Pflegehauses Martinshof in Rothenburg, 1968 Vors. der Brüderhausvorsteherkonferenz, 1970–76 Vizepräses der EKU-Synode (DDR), 1975 Mitgl. des Hauptausschusses des Werks Innere Mission und des Hilfswerks der Ev. Kirche in der DDR, 1979–85 Bischof der Ev. Kirche des Görlitzer Kirchengebiets, ab 1982 Vors.

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Personenregister/Biographische Angaben

des Rates der EKU, 1985 aus gesundheitlichen Gründen Versetzung in den Ruhestand. ZEDDIES, Helmut 190, 197f., 232, 275ff., 283, 298, 308f., 328ff., 365, 367, 379, 401, 408, 428, 450, 459, 532, 612, 618f., 632, 651, 653 Geb. 1935. 1953–58 Theologiestudium in Rostock, 1958–59 Vikar in Güstrow und Predigerseminar, 1959 Pfarrer in Kritzkow/Güstrow, 1965 theol. Referent im Luth. Kirchenamt in Berlin, 1970 BEK, ab 1975 Ltr. des Luth. Kirchenamtes der VELKDDR (OKR) und Geschäftsführer des LWB-Nationalkomitees der DDR, 1976 Prom. (Dr.theol.), 1986 neben der Ltg. des Luth. Kirchenamtes Sekr. der Theol. Kommission des BEK, ständiger Gast in der KKL, 1989 stellv. Ltr. des BEK-Sekr., 1991 Ltr. des BEK-Sekr., 1991–99 Ltr. der EKD-Außenstelle in Berlin, 1999 Ruhestand. ZIEGLER, Martin 386ff., 391, 393f., 397f., 403ff., 407f., 411f., 416, 420, 424, 426ff., 430f., 436, 439–442, 445ff., 450, 522, 527f., 532ff., 536f., 540ff., 544–548, 552, 555–558, 560f., 566, 569–572, 575ff., 580–584, 586, 588–592, 595–599, 602, 604f., 607f., 610, 612, 622, 625f., 628, 630–633, 635–641, 649f., 659ff. Geb. 1931. 1950 Abitur, 1950–55 Studium der Theol. an der HU Berlin, 1955–56 Transportarbeiter in Tangermünde, 1957 Ordination und Pfarrer in Groß-Kayna/Merseburg, 1963–68 Pfarrer in Kötzschen, 1968–74 Sup. in Merseburg, 1975–83 Dir. des Diakonischen Werks „Innere Mission und Hilfswerk der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg“, 1983 OKR und bis 1991 Ltr. des Sekr. des BEK, beratendes KKL-Mitgl., Dez. 1989 bis März 1990 Moderator am Zentralen Runden Tisch, 1991–94 Dir. der Hoffnungstaler Anstalten Lobetal/Berlin, 1994 Ruhestand.