Traktate über die Goldschmiedekunst und die Bildhauerei: Auf der Grundlage der Übersetzung von Ruth und Max Fröhlich als Werkstattbuch kommentiert und herausgegeben von Erhard Brepohl 9783412336325, 3412247057, 9783412247058

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Traktate über die Goldschmiedekunst und die Bildhauerei: Auf der Grundlage der Übersetzung von Ruth und Max Fröhlich als Werkstattbuch kommentiert und herausgegeben von Erhard Brepohl
 9783412336325, 3412247057, 9783412247058

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BENVENUTO CELLINI TRAKTATE ÜBER DIE GOLDSCHMIEDEKUNST UND DIE BILDHAUEREI

Benvenuto Cellini Kupferstich von Raphael Morghen nach einem Gemälde von Giorgio Vasari

BENVENUTO CELLINI Traktate über die Goldschmiedekunst und die Bildhauerei

I TRATTATI DELL' OREFICERIA E D E L L A SCULTURA DI B E N V E N U T O C E L L L I N I

Auf der Grundlage der Übersetzung von Ruth und Max Fröhlich

als Werkstattbuch kommentiert und herausgegeben von Erhard Brepohl

§

2005

B Ü H L A U VERLAG K Ö L N WEIMAR WIEN

Danksagung Herausgeber und Verlag bedanken sich bei folgenden Unternehmen und Personen, ohne deren großzügige Unterstützung diese Edition nicht möglich gewesen wäre: Firma Karl Fischer, Pforzheim Firma C. Hafner, Pforzheim Firma Paul Peter Schula, Lübeck Ilse + Horst Ebert, Hameln Prof. Dr. Ellen Hickmann, Hannover Gebr. Niessing GmbH und C o K G , Vreden

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Portrait des Benvenuto Cellini, Kupferstich nach einem zeitgenössischen Gemälde © akg-images Salzfaß, sog. »Saliera« (1540-1543) © Kunsthistorisches Museum, Wien © 2005 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Ursulaplatz I,D-5O668 Köln Tel. (0221) 91390-0, Fax (0221) 91390-11 [email protected] Alle Rechte vorbehalten Satz: Greiner & Reichel GmbH, Köln Druck und Bindung: Freiburger Graphische Betriebe GmbH & Co. K G , Freiburg Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier. Printed in Germany ISBN 3-412-24705-7

Inhaltsverzeichnis

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Vorwort Werk und Persönlichkeit des Benvenuto Cellini Cellini - ein Handwerker und Künstler Der Buchautor Benvenuto Cellini Benvenuto Cellini und seine Zeit Bedeutung der Traktate über Goldschmiedekunst und Bildhauerei Manuskripte, Veröffentlichungen und Ubersetzungen der Trattati Maßsysteme

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Die Traktate über die Goldschmiedekunst und über die Bildhauerei Einführung Anmerkungen zu Cellinis Einführung

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Erste Abhandlung Über die Goldschmiedekunst

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Kapitel I Von der Kunst des Niello Kommentar zu Kapitel I: Schwarze Zeichnung auf Silber 47 Kapitel II Die Drahtarbeit 50 Kommentar zu Kapitel II: Filigranbelötung und Fensteremail 5 3 Kapitel III Von der Kunst des Emaillierens 5 8 Kommentar zu Kapitel I I I : Florentiner Emailkunst 59 Kapitel I V Juwelenarbeit 61 Kapitel V Wie ein Rubin zu fassen ist 62 Kapitel V I Wie man den Smaragd und den Saphir fassen muß 65 Kapitel V I I Wie die Folien für alle Arten durchsichtiger Steine bereitet werden 67 Kapitel V I I I Wie man einen Diamanten zurichtet 70 Kapitel I X Wie man die Farbtinktur für Diamanten zubereitet 74 Kapitel X Wie man den Spiegel für Diamanten macht

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Kapitel X I Von weißen Rubinen und Karfunkeln Kommentar zu den Kapiteln I V - X I : Bearbeiten und Fassen der edlen Steine Kapitel X I I Minuteriearbeit Kommentar zu Kapitel X I I : Vom Flachrelief bis zur Vollplastik Kapitel X I I I Von den Kardinalssiegeln Kommentar zu Kapitel X I I I : Sandguß und Wachsausschmelzverfahren Kapitel X I V Die Methode, Matrizen für Stahlstempel zu machen, um Münzen zu prägen Kapitel X V Von den Medaillen Kapitel X V I Wie man besagte Medaillen prägt Kapitel X V I I Eine andere Art der Medaillenprägung, nämlich mit der Schraube

Kommentar zu den Kapiteln X I V - X V I I : Prägen von Münzen und Medaillen 122 Kapitel X V I I I Über all die Herstellungsverfahren und Gestaltungsmöglichkeiten goldener und silberner Ziergeräte 12 2 Kapitel X I X Der Modus, wie man ein Gefäß beginnt 124 Kapitel X X Ein anderes, besseres Schmelzverfahren 125 Kapitel X X I Noch ein anderer Ofen, wie ich ihn während der Plünderung Roms in der Engelsburg baute 125 Kommentar zu den Kapiteln X I X - X X I : Drei Ofen zum Erschmelzen von Silber und Gold 128 Kapitel X X I I Wie man Ziergegenstände aus Gold und Silber herstellt, sowohl Figuren, als auch Gefäße und all das, was genauso angefertigt und als Korpusware bezeichnet wird 134 Kommentar zu Kapitel X X I I : Anfertigung einer prächtigen Silberkanne. 139 Kapitel X X I I I Eine andere Gießmethode für derartige Teile aus Silber und Gold 139 Kommentar zu Kapitel X X I I I : Einbettmasse aus Ziegelmehl und Gips

40 Kapitel X X I V Ein weiteres Verfahren für derartige Stücke 40 Kommentar zu Kapitel X X I V : Arbeitsmodelle aus Blei 41 Kapitel X X V Von überlebensgroßen Figuren, die aus Silber gefertigt werden 44 Kommentar zu Kapitel X X V : Ein Meisterwerk der Silberschmiedekunst 47 Kap. X X V I Wie vergoldet wird 48 Kommentar zu Kapitel X X V I : Feuervergoldung bei Cellini und Theophilus 5 3 Kapitel X X V I I Rezept zur Herstellung von Färbemittellösungen zum Einfärben der Vergoldungsschicht 54 Kapitel X X V I I I Rezept zur Herstellung eines anderen Färbemittels 5 4 Kapitel X X I X Ein Färbemittel für besonders dicke Vergoldungen 5 5 Kapitel X X X Das Verfahren der Wachsherstellung für die Vergoldung 5 5 Kapitel X X X I Wie man noch ein anderes Färbemittel zubereitet 5 6 Kapitel X X X I I Die Methode, das oben genannte Färbemittel aufzutragen 56 Kommentar zu den Kapiteln X X V I I - X X X I I : Nachbehandlung der Vergoldungsschicht 59 Kapitel X X X I I I Will man das Silber an bestimmten Stellen weiß lassen 59 Kommentar zu Kapitel X X X I I I : Gipsleim und Mehlkleister 60 Kapitel X X X I V Über die Herstellung der beiden Arten des »aqua forte« zum Scheiden und zum Ätzen 60 Kommentar zu Kapitel X X X I V : Kupferradierung 61 Kapitel X X X V Über die Herstellung des »Wassers zum Scheiden« 61 Kommentar zu Kapitel X X X V : Gold-SilberScheidung 62 Kapitel X X X V I Über die Herstellung des »königlichen Zementes«

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Kommentar zu Kapitel X X X V I : Läutern des Goldes durch Zementation Cettinis Abschlussbemerkung zur Chemie am Arbeitsplatz Zweite Abhandlung Über die Bildhauerei Kapitel I Über die Kunst des Bronzegusses Kommentar zu Kapitel I: Die Tonfigur als Kern der Gußform Kapitel II Wie diese Formerde zubereitet wird Kommentar zu Kapitel II: Der Scherwolle-Ton Kapitel III Ein anderes Verfahren, lebensgroße oder noch etwas größere Bronzefiguren zu gießen Originaltext des III. Kapitels Kommentar zu Kapitel 111: Von der Tonfigur zur Bronzeplastik Kapitel IV Wie man Ofen zum Schmelzen von Bronze konstruiert, sowohl für Figuren, als auch für die Artillerie und für andere derartige Dinge Kommentar zu Kapitel IV: Schmelzofen nach dem Kaminprinzip Kapitel V Über die Ausarbeitung von Figuren, Relief-Ornamenten und anderer Motive, wie etwa verschiedener Tiere, in Marmor und anderen Steinen Kapitel V I Von den Carrara-Marmoren Kommentar zu den Kapiteln V und VI: Marmor und Steinbearbeitung Kapitel VII Betrachtungen über mittelgroße und große Kolossalstatuen Kapitel VIII Das Geheimnis, große Kolosse zu errichten Kommentar zu den Kapiteln V I I und VIII: »Mars«, der Entwurf für eine Großplastik Literatur- und Bildquellenverzeichnis Sachwortverzeichnis

Vorwort

Ein systematisch gegliedertes, fein säuberlich aufgeschriebenes Lehrbuch war Cellinis Sache nicht. Er war kein Fachbuchautor, sondern ein Erzähler mit der lebendigen Kraft der altflorentiner Sprache. Also setzte er den Lehrling in eine Ecke der Werkstatt, gab ihm Papier, Tinte und Gänsekiel, und während er selbst kräftig und temperamentvoll weiterarbeitete, diktierte und erzählte er diesem jungen Mann von all den Arbeiten, die er im Laufe seines Lebens für die Medici in Florenz, die Päpste in Rom und König Franz I. in Paris, für all die Kardinäle, Bischöfe, Fürsten ausgeführt hatte. Er erinnerte sich an die Nielloarbeiten seiner Jugendzeit, an den sensationellen Erfolg der Pluvialschließe, an die vertrauensvollen Gespräche mit dem Papst, an den Neid der Kollegen, und beschrieb dabei genau, wie er Gottvater und die kleinen Engel aus dem Goldblech herausmodelliert hatte. Da konnte es leicht passieren, daß ein Ofen, der gerade in Betrieb war und den damals jeder Goldschmied kannte, nicht genau genug beschrieben wurde, so daß wir nach 450 Jahre Schwierigkeiten mit der Rekonstruktion bekamen. Bei der vorliegenden Bearbeitung konnten aber derartige »Dunkelstellen« aufgeklärt werden. Beim Erzählen fielen ihm natürlich mancherlei Episoden, Betrachtungen und viele persönliche Erlebnisse ein, die der Schreiber einfügen mußte. Aus dieser Mischung ist ein spannendes Werkstattbuch für Goldschmiede, Ziseleure, Emailleure, Edelsteinfasser, Edelmetallgießer, Stahlgraveure, Silberschmiede, Bronzegießer, Steinmetze etc. geworden, in dem einer der bedeutendsten Meister all dieser Gewerke in seinem siebenten Lebensjahrzehnt die eigenen Erfahrungen absolut zuverlässig, mit äußerster Sachkenntnis und leicht verständlich seinen Kollegen mitteilt, um deren berufliche Qualifikation zu fördern, ohne auf den eigenen Vorteil zu sehen. Das Werk ist ein absolutes Unikat, denn zwischen der Anfang des 12. Jahrhunderts entstandenen Schrift des Theophilus »DE DIVERSIS ARTIBUS« und der im 18. Jahrhundert beginnenden Goldschmiedeliteratur gibt es nur diese um 15 66 fertiggestellten Trattati Cellinis, die für uns ein wichtiges Werkstattbuch des Kunsthand-

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werks und ein bedeutendes Zeitzeugnis der italienischen Spätrenaissance sind. In den beiden Gesamtausgaben von Cellinis Schriften [ F E R R E R O 1980; A V E R Y 1981] sind selbstverständlich auch die Trattati enthalten; dennoch sind sie sogar in Italien ziemlich unbekannt geblieben. Der fast 450 Jahre alte florentiner Fachtext ist vom heutigen Italienisch weit entfernt und trotz einiger erklärender Fußnoten nur schwer zu verstehen. In den deutschsprachigen Ländern brachte die kleine Auflage der schweizer Ausgabe [ F R Ö H L I C H 1974] auch nicht den großen Erfolg, erstmalig wurde aber gezeigt, wie ein solches Werkstattbuch lesbar gemacht werden kann. Nicht Romanistik-Professoren, sondern drei kluge Frauen fanden sich zusammen, um die Trattati zu übersetzen: Ruth Fröhlich, Elena Fischli und Jenny Losiner-Ferri. Sie hatten das richtige Gespür für Cellinis Ausdrucksweise und gestalteten einen gut lesbaren deutschen Text. Max Fröhlich, selbst ein hervorragender Gold- und Silberschmied, sorgte für die fachliche Qualität, brachte seine Berufserfahrung ein und machte Anmerkungen zu problematischen Textstellen; Werkzeuge, Arbeits Vorrichtungen und Arbeitsprozesse erläuterte er mit Hilfe von Zeichnungen; einige der im Text beschriebenen Arbeiten Cellinis sind als Fotos eingefügt worden. Ich hatte Fröhlichs Methode für meine TheophilusAusgabe übernommen [ T H E O P H I L U S 1999], und so konnte ich den mittellateinischen Text den Fachleuten und vielen interessierten Laien erschließen. Im Oktober 1974 schickte mir Prof. Max Fröhlich aus Zürich die »Abhandlung über Goldschmiedekunst und Bildhauerei« [ F R Ö H L I C H ] . In der Einleitung erzählt er, wie seine Ausgabe zustandekam: »Es war in den frühen fünfziger Jahren, als ich darauf aufmerksam gemacht wurde, die >Trattati dell'Oreficeria e della Scultura di Benvenuto Cellini< seien in der originalen italienischen Fassung an einer Auktion in Como zu ersteigern. So erstand ich mir die Ausgabe von Carlo Milanesi [ M I L A N E -

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si], bei Feiice Le Monnier in Florenz 1857 neu gedruckt, nach der Originalhandschrift des Codice Marciano, um endlich, an die Sache heranzukommen, womit dann die Ubersetzungsarbeit begann.« [ F R Ö H L I C H , S. 7] Er benutzte außerdem die englische Ausgabe von Ashbee aus dem Jahre 1898 [ A S H B E E ] , Die deutsche Übersetzung von Justus Brinckmann aus dem Jahre 1867 [ B R I N C K M A N N ] bekam er erst, nachdem sein Buch schon fertig war. Wie jeder, der sich mit Cellini beschäftigt, hat sich auch Max Fröhlich seine Meinung über ihn und sein Werk gebildet: »Was vermag uns denn an ihm zu fesseln, daß wir uns so weit mit ihm beschäftigen? Ich sagte es schon oder deutete es doch an: Cellini als Kunsthandwerker und als Vermittler seiner Kenntnisse und Erfahrungen aus seinen Tätigkeitsgebieten. Wir erfahren, wie zu seiner Zeit gearbeitet wurde, was die Auftraggeber verlangten und wer da außer ihm an namhaften Leuten auf den verschiedensten Gebieten tätig war. Bei aller oftmals übertriebenen Selbstbespiegelung läßt er die großen Zeitgenossen guter Qualitäten neidlos gelten. Es mögen ihm Hunderte von abendländischen Künstlern des Cinquecento in nichts nachgestanden haben, die anonym geblieben sind. Er kann das Verdienst für sich buchen, über sein Leben, Werken und Werk berichtet zu haben, daß uns ein lebensvolles Bild der Zeit und des Berufsstands und ihrer Künstler geblieben ist.« [ F R Ö H L I C H , S. 8] Schließlich erklärt der engagierte Lehrer, warum er die große Mühe auf sich genommen hat: »Es war von Anbeginn der Ubersetzungsarbeit an unser Wunsch gewesen, es möchten die Abhandlungen vornehmlich denjenigen zugute kommen, die von Berufes wegen mit den darin behandelten Dingen zu tun haben, und unter diesen den Jungen.« [ F R Ö H L I C H , S. 9] Als strebsamer Junggoldschmied hatte ich vor mehr als 50 Jahren natürlich auch die Lebensgeschichte meines italienischen Kollegen gelesen, von den Trattati wußte ich nichts, und so schloß ich mich der allgemeinen Meinung an: Der Goldschmied Cellini ist besonders durch seine Vita bekannt geworden, ansonsten war er ein groß-

sprecherischer, selbstgefälliger Abenteurer. Aber nun lernte ich mit Max Fröhlichs Buch eine der wichtigsten Quellen zur Geschichte der Goldschmiedekunst kennen, und mir wurde klar, wie sehr ich mich damals geirrt hatte. Nach der Wiedervereinigung traf ich mehrfach mit Prof. Fröhlich und seiner Frau zusammen, es entwickelte sich zwischen uns rasch eine herzliche Zuneigung, und so forderte ich ihn auf, das längst vergriffene CelliniBuch erneut herauszubringen. »Sie wissen wohl nicht, wie alt ich bin,« sagte er - »Machen Sie es doch!« Ein Jahr später starb er im hohen Alter von fast 90 Jahren. Einige Aktualisierungen, Ergänzungen und Veränderungen hielt ich für angemessen, dachte aber nur an eine »überarbeitete 2. Auflage«. Nachdem ich es gründlich durchgearbeitet hatte, wurde mir klar, daß ich damit den Fröhlichs und den Lesern keinen Gefallen getan, sondern ihnen mehr geschadet als genützt hätte, denn zu viel hatte sich seit 1974 verändert. So entschloß ich mich zur umfassenden Aufbereitung von Cellinis Werkstattbuch durch ausführliche Kommentierungen und Erläuterungen, denn ein Fachbuch, das vor etwa 450 Jahren für die damaligen Goldschmiede, Plastiker und Kunsthandwerker geschrieben worden war, kann man heute nicht genauso durchlesen wie ein modernes Fachbuch. Erst durch die in der Einleitung enthaltenen Grundinformationen über Cellini und seine Zeit, bis hin zum damals üblichen Maßsystem, wird man auf dieses Werkstattbuch gebührend vorbereitet. Manche Kapitel der Abhandlungen bestehen nur aus einem Satz, andere sind 20 Seiten lang. Um sie leichter lesbar zu machen, habe ich Zwischenüberschriften erfunden, mit denen ich die oft sehr langen Kapitel untergliedert habe. Fröhlich hatte nur einige besonders schwierige Textstellen durch Anmerkungen erläutert, ich habe jedes Kapitel ausführlich kommentiert und den Kommentar direkt an das Kapitel angefügt, damit man nicht bei jeder Fußnote zum Anmerkungsteil zurückblättern muß. Die Zeichnungen habe ich aus Fröhlichs Erstausgabe übernommen, einige eigene Zeichnungen sind noch hinzugekommen. Die bisherigen Fotos wur-

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den beibehalten und mit zahlreichen neuen Aufnahmen ergänzt. Ich erkannte sehr bald, daß es sich bei diesen Aufzeichnungen keineswegs nur um eine wissenschaftliche Quelle für einen begrenzten Kreis von Kunsthistorikern handelt, daß sie kein verstaubtes Manuskript aus längst vergangenen Zeiten sind, sondern daß Cellini ein sehr zuverlässiges Werkstattbuch für Goldschmiede und Kunsthandwerker verfaßt hat, aus dem wir ganz genau erfahren, wie damals gearbeitet wurde; viele Erfahrungen und Informationen sind auch heute noch für den Goldschmied und Kunsthandwerker wichtig und nützlich. Die Bearbeitung der Trattati ist deshalb so angelegt, daß - der Goldschmied, der an historischen Arbeitstechniken interessiert ist, kompetente Anleitung bekommt und dazu angeregt wird, die beschriebenen Verfahren selbst auszuprobieren, - jeder Goldschmied, der mit Freude und Enthusiasmus an seinem Werkbrett sitzt, in seinem Berufsethos bestärkt wird und möglicherweise dazu angeregt wird, die rund 450 Jahre alten und immer noch aktuellen Verfahren mit seinem Schmuckdesign zu verbinden, - aber auch jeder Laie, der an historischen Goldschmiedearbeiten interessiert ist, sich hier aus erster Hand über die damals üblichen Arbeitstechniken informieren kann, ohne Goldschmiedemeister oder Metallplastiker zu sein. - jeder allgemeingebildete Leser demnach das Buch mit Hilfe der Kommentare und Erläuterungen genußvoll lesen kann, und mit Hilfe dieser authentischen Schrift einen ganz neuen Zugang zur italienischen Renaissance, den Handwerkern, Künstlern und deren Werken bekommen wird. Zur Ergänzung des vorliegenden Buches ist unbedingt die Lektüre der Autobiographie Cellinis zu empfehlen, möglichst nicht in der Version Goethes, sondern als zuverlässigere, vollständige Übersetzung [ C O N R A D ] . Immer dann, wenn es sich ergibt, habe ich die Trattati

mit dem Goldschmiedelehrbuch des Mönchs Theophilus vergleichend betrachtet. Deshalb möchte ich schon jetzt empfehlen, daß man zur Ergänzung dieser Cellini-Ausgabe meine Bearbeitung dieser Schrift [ T H E O P H I L U S 1999] mit heranzieht. Uber Cellini und sein Lebenswerk gibt es seit dem 19. Jahrhundert eine Fülle von Veröffentlichungen. Ich habe mich mit diesen Schriften intensiv beschäftigt und deren Ergebnisse in meine Bearbeitung einbezogen. Eine wissenschaftliche Auswertung all dieser oft sehr widersprüchlichen Meinungen ist nicht beabsichtigt und paßt auch nicht zur Zielsetzung dieses Buches. Cellini war etwa 6 5 Jahre alt, als diese Aufzeichnungen entstanden, im Alter von 15 Jahren begann er seine Ausbildung - die ersten Nielloarbeiten stammen aus dieser Zeit. Seine 50jährige Berufserfahrung steckt in diesen Trattati, und das alles diktierte er, sicherlich durch einige Notizen unterstützt, aber doch weitestgehend aus dem Gedächtnis. Beim Salzfaß und bei der Nymphe von Fontainebleau sind wir in der bequemen Situation, seine Objektbeschreibung und die Information über das Herstellungsverfahren mit den heute noch nachprüfbaren Originalen vergleichen zu können. Für ihn lagen mindestens zwei Jahrzehnte und die Distanz Paris - Florenz zwischen Anfertigung und Niederschrift, und trotzdem können wir bestätigen, daß er sich bis ins Detail erinnert hat und daß seine Angaben exakt mit den überlieferten Kunstwerken übereinstimmen. Daraus ergibt sich die bemerkenswerte Schlußfolgerung: Wenn die Angaben über die nachprüfbaren Objekte so zuverlässig sind, können wir uns auch auf die sehr anschaulichen Beschreibungen der inzwischen verlorengegangenen Schmuckstücke und Kunstwerke genauso sicher verlassen. Der Herausgeber ist vielen Museen, Institutionen und Fachkollegen zu Dank verpflichtet, die dieses Vorhaben in großzügiger Weise durch Rat und Tat unterstützten und freundlicherweise die erforderlichen Bilder zur Verfügung stellten. Besonders ist Frau Regine Kracht, Frei-

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bürg (Breisgau) für die mühsame Beschaffung der Bilder aus den Museen von Florenz zu danken. In den italienischen Ausgaben und in allen bisherigen Übersetzungen wurden die lateinischen Inschriften der

Schmuckstücke, Münzen und Medaillen nur zitiert - nie übersetzt! Frau Ulrike Wagner-Holzhausen, Universität Erlangen-Nürnberg, hat nun endlich dankenswerterweise die Rätsel gelöst!

Erhard Brepohl: Werk und Persönlichkeit des Benvenuto Cellini

Cellini - ein Handwerker und Künstler Ein bedeutender Meister der Goldschmiedekunst. Ein außerordentlich vielseitiger Goldschmied, den der Vater eigentlich zum Stadtpfeifer bestimmt hatte, ein hochgelobter Medaillenschneider, ein Bildhauer, der seine Metallplastiken selbst gießen konnte, ein arroganter, jähzorniger Mensch, der mit den Großen verkehrte, von ihnen verehrt und gehaßt wurde, Hof juwelier der Päpste und Gefangener in der Engelsburg war, und der schließlich aufschrieb, wie es einem unbequemen Künstler in einer turbulenten Zeit ergangen ist. Bei der Bewertung und Beurteilung seiner vielfältigen Werke und der Auseinandersetzung mit diesem widersprüchlichen Handwerker, Künstler und Menschen ist besonders seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts eine Fülle von Büchern und Zeitschriftenartikel erschienen, bis in die Gegenwart hält diese Auseinandersetzung an, einen ganzen Schrank könnte man damit füllen. Die Einschätzungen von Werk und Persönlichkeit liegen zwischen »Genie« und »arrogantem Schwätzer« weit auseinander. In seiner Einführung erwähnt er zahlreiche bedeutende Renaissance-Künstler, die ihren Weg als Goldschmied begonnen hatten, dann aber diesen Beruf hinter sich ließen und als Maler oder Bildhauer in die Kunstgeschichte eingegangen sind. In Deutschland ist Albrecht Dürer das Beispiel dafür. Cellini ist aber sein ganzes Leben lang Goldschmied geblieben! Trotz seiner beachtlichen Leistungen als Bildhauer war er immer stolz darauf, ein Goldschmied zu sein. In dieser Einführung schwärmt er von der Zeit, als Cosimo »il Vecchio« de Medici den Baumeister Brunellesco und die Bildhauer Donatello und Ghiberti förderte und in Florenz »den Anfang machte, alle die Künste wiedererstehen zu lassen, die die leiblichen Schwestern der meinen sind.« [FRÖHLICH, S. 12]

Dieser Satz ist der Schlüssel zum Verständnis der Künstlerpersönlichkeit Cellinv. Goldschmiedekunst, Bildhauerei, Malerei und Architektur waren demnach zu seiner Zeit gleichwertige, gleichrangige Formen des künstlerischen Schaffens - die einander glichen, wie sich

nur »leibliche Schwestern« gleichen konnten. Demnach müssen wir begreifen, daß er als Goldschmied in gleicher Reihe mit all den großen Künstlerpersönlichkeiten der italienischen Renaissance stand. Sie alle waren zugleich Handwerker und Künstler, ganz im Sinne der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs »arte«, der Harmonie von Handwerk und Kunst. Erst im 19. Jahrhundert kam es zu der Trennung, in deren Folge sich die Freien Künste über das Handwerk erhoben, das dann als Angewandte Kunst oder gar Kunstgewerbe abgewertet wurde. Er war gerade 27 Jahre alt, als der mächtigste Mann der damaligen Welt, Papst Clemens VII., ihm den 30.000 Skudi teuren Diamanten übergab und ihn mit der Anfertigung der berühmten Pluvialschließe beauftragte. Der Goldschmied war ein universeller Handwerker und Gestalter, für alles zuständig, was aus Gold und Silber angefertigt wurde. Mit acht Haupttechniken, über die wir noch sprechen werden, wird das Profil des Goldschmiedeberufs bestimmmt. Mit Hochachtung spricht Cellini von Goldschmiedekollegen, die eine, maximal zwei dieser Haupttechniken beherrschen. Nach gründlicher Auswertung der Trattati und der wenigen, bis heute erhalten gebliebenen Goldschmiedearbeiten steht fest, daß er alles, was in den 36 Kapiteln steht, selbst praktiziert und ausprobiert hat. Er war der perfekte Meister aller »otto principali arti dell'oreficeria«, also aller »acht Haupttechniken der Goldschmiedekunst«. Er war Goldschmied, Silberschmied, Graveur, Edelsteinfasser, Emailleur, Ziseleur, Vergolder und Metallgießer und fertigte - Juwelenschmuck mit außerordentlich teuren Schmucksteinen, - Hutagraffen, Broschen und Anhänger, Pluvialschließen, Gürtelschnallen in Filigran oder Ziselierung, verziert mit Niello und Email, - prunkvolle Kardinalssiegel, aber auch Münzen und Medaillen, - das berühmte Salzfaß, - edle, reich verzierte Silbergefäße

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- und die aus Silberblech getriebene, fast lebensgroße Figur des Jupiter, um nur einige Beispiele zu nennen. Von all den Goldschmiedearbeiten, die aus seiner Werkstatt hervorgegangen sind, haben nur sehr wenige die Zeiten bis heute überlebt. Fast alle dieser GoldschmiedePrachtstücke sind irgendwann und irgendwo im Feuer eines Schmelzofens »recycled« worden, denn Gold und Silber brauchte man für jeden neuen Krieg, da gab es keinen Respekt vor der künstlerischen Leistung, die extrem wertvollen Edelsteine erhöhten die Begehrlichkeit. Die Edelsteine gibt es noch. Sie wurden herausgebrochen, mit einen neuen Schliff veredelt und so verändert, daß wir heute dem funkelnden Edelstein in einem modernen Schmuckstück nicht mehr ansehen, daß vor 450 Jahren ein italienischer Edelmann mit diesem Stein seinen Hut verzierte. Es sind aber nicht alle Werke verloren gegangen. Einige Kardinalssiegel, Münzen, Medaillen und deren Prägestöcke haben wegen des geringen Materialwerts die Zeiten überdauert. Wir können diese wenigen, heute noch existierenden Originalarbeiten durch eine ganze Kollektion »Virtueller Schmuckstücke« ergänzen, wenn wir nämlich die Beschreibungen seiner Arbeiten in den Trattati und in der Vita mit einbeziehen. Da wir gleichzeitig erfahren, wie diese Schmuckstücke hergestellt wurden, wissen wir kurioserweise über Cellinis verlorengegangene Schmuckstücke mehr als über die wenigen, heute noch existierenden Goldschmiedearbeiten aus der gleichen Zeit, von denen wir meist nicht einmal den Namen des Herstellers kennen. Der Goldschmied als Plastiker. Ein hervorragender Goldschmied zu sein, genügte ihm nicht. Es drängte ihn zum größeren Format, und so schuf er in der zweiten Hälfte seines Lebens einige bedeutende Metallplastiken. Selbstverständlich gestaltete er wie jeder Plastiker seine Figuren zunächst aus Ton. Tonmodell, Gießform, Bronzeguß, Nacharbeit des Gußstücks, Endgestaltung der Bronzefigur - alles machte er selbst. So entstand Qualität in der Einheit von Handwerk und Kunst in Perfektion.

»Der Ruhm Benvenuto Cellinis beruht vor allem auf der großen Bronzeplastik des Perseus an der Piazza della Signoria in Florenz. Diese Figur wurde schon damals überschwänglich gelobt und stammt aus der Reifezeit des Bildhauers, der mit dieser Arbeit ganz bewußt sein absolutes Meisterwerk schaffen wollte.« [ S C A L I N I , S. 3] Mit den Methoden des Silberschmieds, also mit Hammer und Amboß, gestaltete er im Auftrag Franz I., König von Frankreich, den lebensgroßen Jupiter aus Silberblech. Später hat er sogar dem Wortsinn entsprechend als Bildhauer große Plastiken aus Marmorblöcken herausgearbeitet, wie etwa den fast lebensgroßen »Christus am Kreuz« - aber nach Stil und Denkweise ist er auch als Plastiker immer Goldschmied geblieben.

Der Buchautor Benvenuto Cellini Cellini und Goethe. Goethe wollte seinen Freund Schiller bei der Herausgabe der Literaturzeitschrift »Die Hören« unterstützen und zufällig kam ihm Cellinis Lebensgeschichte in die Hände. Noch ganz unter den Eindrücken seiner Italienreise stehend, machte er daraus eine zugkräftige Geschichte, auf deren Fortsetzung - und damit auf das Erscheinen des nächsten Heftes - die elitäre Lesergemeinde in den Jahren 1796 bis 1797 neugierig wartete. Weil das Originalmanuskript erst 182 5 in Florenz, 30 Jahre nach Goethes Bearbeitung, wieder auftauchte, hatte er nur die 1728 vonCoccHi herausgegebene unvollständige und fehlerhafte italienische Ausgabe zur Verfügung. Das hatte aber wenig Bedeutung, denn er veränderte und kürzte ohnedies nach Belieben, ganze Passagen ließ er einfach weg, wichtig war nur die spannende Geschichte. Die Lebensgeschichte des Florentiner Goldschmieds wurde dem Zeitgeschmack entsprechend umgeformt, und dergestalt in »Goethes gesammelte Werke« eingereiht. Diese spannende Lebensbeichte liest sich gut, Benvenuto Cellini wurde zu einer der populärsten Persönlichkeit der italienischen Renaissance, zum Idealtypus des italienischen Renaissance-Künstlers, wenn auch beim Leser eher ein negativ geprägtes Persönlichkeitsprofil von Cellini entstand. Seiner Genialität wurden Charak-

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terschwächen gegenüberstellt, die man aus der Vita herausgelesen hatte: Unbescheiden, angeberisch, überheblich, rechthaberisch, jähzornig, streitsüchtig. Um zu erfahren, was Cellini wirklich aufgeschrieben hat, braucht man eine zuverlässige deutsche Fassung, wie etwa die bereits 1908 erschienene Ausgabe von Heinrich Conrad, in der noch die Ursprünglichkeit des Florentiner Originals zu spüren ist. Die im Jahre 1994 von Michael Mathias Prechtl veröffentlichte Neuausgabe [ C O N R A D ] wird im Folgenden als Quelle der Vita benutzt. Bedeutung der Vita. Allein die Existenz einer so detaillierten 450 Jahre alten Autobioraphie ist ein Phänomen: Von sehr vielen bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit, also aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, kennen wir kaum mehr als Name, Todesdatum und ungefähres Geburtsdatum. Vielleicht wird er noch in einer Urkunde oder in den Aufzeichnungen eines Stadtschreibers erwähnt. Mühsam versuchen die Historiker, daraus einen Lebensweg zu rekonstruieren. Ganz anders ist es bei Cellini, der vor etwas mehr als 500 Jahren geboren wurde. Er ist wohl der Renaissance-Künstler, über dessen Leben und Werk wir am besten Bescheid wissen. Von keinem bildenden Künstler seiner Zeit, in Italien oder in anderen europäischen Ländern, gibt es eine vergleichbare detaillierte Lebensbilanz. Fast genauso abenteuerlich ist die Geschichte des Originalmanuskripts, das lange Zeit als verschollen galt, weil es jahrhundertelang durch verschiedene Hände ging, 1805 wieder auftauchte, bis es schließlich 1825 in die »Biblioteca Medicea Laurenziana« zu Florenz gelangte und so erstmalig 1829 in Florenz veröffentlicht werden konnte [ T A S S I ] . Im Jahre 1950 hatte Wilhelm Fred eine Einschätzung dieser Autobiographie gegeben, mit der Werk und Person Cellinis so genau getroffen wurden, daß man diesen Text einfach nur zitieren kann: »Kein bisher veröffentlichtes (autobiographisches) Werk kann für jedermanns Auffassung ein so breites und buntes Bild einer bewegten und vielfältigen Epoche geben als dieses >Leben des Benvenuto Cellini - von ihm selbst aufgezeichnet und ist

seit vielen Jahrhunderten eine berühmte und außerordentlich unterhaltsame Quelle für die Renaissancekunde. Er ist der berühmteste Goldschmied und einer der gepriesensten Bildhauer aller Zeiten gewesen, wenn auch von seinen Werken viel weniger Menschen wissen als von seinem Leben. Er hat in Florenz dem Cosimo gedient, in Rom den Päpsten und ist am Hof Franz /., des großen französischen Königs und Vaters der Künste, in die galanten Fährlichkeiten einer regsamen und sonderlichen Welt verwickelt gewesen. Er hat viele große Künstler gekannt und ist als bezahlter Soldat auf den Wällen gestanden. Er hat mit Jünglingen und Frauen von mancherlei Natur leidenschaftliche und schmerzhafte Beziehungen gehabt, hat gemordet und ist im Kerker gelegen, war am französischen und anderen Übeln krank, hat Geister beschworen und sich Taubenblut durch die Augen fließen lassen, er hat Steine geschnitten, Bronze gegossen, Marmor gebosselt und Traktate so gut wie Sonette aufgezeichnet. Nichts Menschliches seiner Zeit war ihm fremd, und wir atmen die ruhelose Luft des 16. Jahrhunderts mit ihm, wenn - nach dem klugen Wort des Oscar Wilde - >dieser prachtvolle Renaissance-Verbrecher die Geschichte seines Glanzes und seiner Schande aufrollte « [ F R E D , S. 2] Dieses Buch ist spannend und unterhaltsam geschrieben, man erfährt viel über diese bedeutende Zeit und seine Menschen, über Cellini, seine Arbeiten und seinen Charakter. Geradezu unterwürfig nähert er sich seinen Auftraggebern, wenn er aber seine Meinung bei ihnen durchsetzen will, vergißt er alle Rücksichten, widerspricht energisch den Päpsten und Fürsten. Er verfeindet sich mit einflußreichen Höflingen, die ihn dann beim gemeinsamen Herrn anschwärzen. Es kommt zum Zerwürfnis, wütend verläßt er die Stadt und wendet sich dem nächsten Herrscher zu. Dort geht es genauso weiter, und so wandert er in den Jahren zwischen Rom und Florenz hin und her, hinzu kommen Abstecher nach Pisa, Venedig, Siena und schließlich die längerfristigen Aufenthalte in Paris. In seinem Alltagsleben geht es genauso wechselhaft

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und turbulent zu. Einmal hat er eine Werkstatt mit zehn Gehilfen, dann ist er mit einem Lehrling allein. Im Umgang mit Freunden, Nachbarn und Kollegen kennt er nur liebevolle Zuneigung oder tödlichen Haß. Degen und Dolch hat er immer bei sich; er benutzt sie oft und mit großer Geschicklichkeit. Völlig abrupt endet die niedergeschriebene Lebensgeschichte mit dem Jahre 1562. Man vermutet, daß sie noch ein Stück weiter ging, daß er aber die letzten Blätter vernichtet hatte, weil er darin wohl sein Verhältnis zu Cosimo und den Medici in gefährlicher Offenheit dargestellt hatte. Zwei Traktate über die Goldschmiedekunst und die Bildhauerei. Wenn Ruth und Max Fröhlich nicht zufällig die italienische Ausgabe der Trattati antiquarisch erworben hätten, wüßten wir wahrscheinlich bis heute nicht, daß es dieses so wichtige Goldschmiede-Lehrbuch überhaupt gibt, denn Brinckmanns Übersetzung von 1867 war eine elitäre Quellenschrift, die von den ganz normalen Goldschmieden gar nicht wahrgenommen wurde [BRINCKMANN].

Nach Vollendung des 60. Lebensjahres hat er seine Werkstatterfahrungen als Goldschmied und Bildhauer aufgeschrieben, und diese »Trattati über die Goldschmiedekunst und die Bildhauerei« sind vielleicht noch wesentlich wichtiger, mit Sicherheit aber bisher viel unbekannter als die spektakuläre Autobiographie. Benvenuto Cellini und seine Zeit Es gibt wohl kaum eine Persönlichkeit der italienischen Renaissance, deren Lebensgeschichte wir besser kennen als die des Benvenuto Cellini. Keiner hat seine Lebensgeschichte so detailliert aufgeschrieben, keiner hat die Entstehung seiner Werke so präzise erläutert wie er. Aber er konnte nie wirklich seßhaft werden. Ehrenvolle Berufungen, ausgedehnte Reisen, enttäuschte Hoffnungen, mehrfach auch hastige Flucht bedeuteten immer wieder Ortswechsel und Neuanfang. Sein Leben ist mit der europäischen Zeitgeschichte des 16. Jahrhunderts eng verbunden ist. So entstand die Idee, mit Hilfe einer synchronoptischen Ubersicht die Lebensdaten Cellinis in

den Zusammenhang des italienischen Cinquecento und der europäischen Zeitgeschichte zu stellen. In der Spalte Cellini ist mit seinem Geburtsdatum der Anfang der Zeitübersicht klar definiert: 3. November 1500. Jede der übrigen Spalten hat bis zu diesem markanten Datum eine Vorgeschichte, die zum Verständnis der historischen Zusammenhänge wichtig ist und die deshalb hier zunächst zusammengestellt werden soll. Florenz, die Heimatstadt Cellinis. Die Geschicke des Stadtstaates wurden zu seiner Zeit von der Familie der Medici bestimmt. Lorenzo il Magnifico, »der Prächtig e ^ 1449-1492) regierte zunächst gemeinsam mit seinem Bruder Giuliano /., bis dieser 1478 von Verschwörern ermordet wurde. Lorenzo war ein kluger, vielseitig gebildeter Herrscher, der Florenz zum Zentrum von Kultur und Wissenschaft machte. Sein Sohn, Pietro II., strebte ehrgeizig den Rang eines Fürsten an, das Volk haßte ihn, 1494 wurde er gestürzt. 1494-1498 wurde Florenz durch die Theokratie des Mönchs Savonarola bestimmt. Nach dessen Sturz und einer chaotischen Volksherrschaft übernahmen die Medici im Jahre 1512 wieder die Regierung. Päpste. Cellinis Leben und Arbeiten wurden maßgeblich von den jeweiligen Päpsten bestimmt. Wenn ein Papst starb, blieben ihm unvollendete Arbeiten, unbezahlte Rechnungen, also große finanzielle Verluste. Wann und wie, ja ob überhaupt, der Nachfolger an seinen Diensten interessiert war, blieb fraglich, und weil den alten Herren nur wenige Jahre für die Ausübung ihres Amtes verblieben, mußte Cellini mehrere solcher Amtswechsel durchstehen. Seit 1492 war der Spanier Alexander VI. Pontifex maximus. Frankreich. Wegen seiner engen Bindung an Franz I. ist Frankreich mit dem französischen Hof für Cellini so wichtig gewesen, aber auch die politischen Beziehungen der Päpste und der Medici zu Frankreich hatten Auswirkungen auf seine Arbeit. Seit 1498 war Ludwig II. König von Frankreich. Deutschland. Die deutschen Kaiser und ihre Italienpolitik berührten indirekt sein Leben. Maximilian I. (1459-1519) war seit 1493 deutscher Kaiser.

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Benvenuto Cellini und sein J a h r h u n d e r t Jahreszahl

Florenz

Päpste

Frankreich

Deutschland

Cellini 3.11. in Florenz geboren

1500 1501 1502 1503

Alexander VI. gest. Pius 7/7. gewählt; im gleichen Jahr gest. Julius II. gewählt

1504-1510 Julius II.\ Allianz gegen Frankreich

1511 1512

Ende der Volksherrschaft. Giuliano II. dankt ab. Nachfolger Lorenzo II. (geb. 1492)

Niederlage Frankreichs

Julius II. gest. Leo X. gewählt

IM3 1514

Lehre bei Michelangelo da Viviano Ludwig II. gest. Franzi. (1494-1547) König von Frankreich

1515

1516

Lehre bei Antonio di Sandro

Lorenzo II. wird Herzog von Urbino

Rauferei, Verbannung. Lehre bei Francesco Castoro in Siena

1517

Kurze Zeit Florenz, dann nach Siena, Bologna, Pisa

1518

Rückkehr nach Florenz. Zur Weiterbildung nach Rom.

1519

Lorenzo II. gest. Giulio übernimmt Regierung

Maximilian I. gest. Karl V. (1500-1558) wird Deutscher Kaiser

1520

Wieder nach Florenz

1521

Leo X. gest.

1522

Hadrian VI. gewählt

I

2

5 3

1524

Alessandro (1511-1537) übernimmt Regierung

Hadrian VI. gest. Giulio Medici wird Clemens VII.

Rauferei, Flucht nach Rom. Eigene Werkstatt Pest in Rom

16

Jahreszahl

Florenz

Päpste

Frankreich Franz I. gefangen genommen

1525

Deutschland

Cellini

Karl V. bricht franz. Vorherrschaft in Italien

1526 1527

Alessandro aus Florenz vertrieben

Bourbonische Truppen erobern und plündern Rom

1528

Rückkehr nach Florenz, dann Mantua

1529 1530

I

Karl V. wird Herr über Italien Alessandro-, Herzog von Florenz

Goldschmied beim Herzog von Mantua Wieder nach Rom, Pluvialschließe. Stempelschneider in päpstl. Münze. Cellinis Bruder bei Rauferei getötet

Papst krönt Karl V. zum Kaiser

»Päpstl. Leibtrabant«

53I

Augenleiden, Streit mit Papst. Rauferei, Flucht nach Neapel

1532

T

Cellini als Kanonier auf der Engelsburg. Tötet Herzog v. Bourbon, Prinz v. Oranien.

533 Clemens VII. gest. Paul III. gewählt

1534 1535 1536

Alessandro ermordet.

1537

Cosimo (1519-1574) Herzog von Florenz

Cellini rehabilitiert. Münzen für neuen Papst Karl V. verliert Mailand an Spanien

Nach Venedig u. Florenz. Arbeit für den Herzog.

Karl V. in Rom

Wieder Rom. Bucheinband als Geschenk vom Papst an den Kaiser. Einladung von Franz /., Reise nach Paris

1538

Krank, zurück nach Rom. Gefangen auf der Engelsburg

1539

Wieder frei

1540

2. Reise nach Paris. Große Aufträge, gute Bezahlung

1541

Intrigen der Madame d'Estamps

1542 1543

Salzfaß, silberner Jupiter

17

Jahreszahl

Florenz

Päpste

Frankreich

Deutschland Krieg Frankreich Deutschland

1544

Cellini Differenzen mit dem König Nach Florenz. Einladung Cosimos

1545

Verschiedene Plastiken aus Bronze und Stein

1546

Franz I. gest. Heinrieb II. Franz. König

1547

OO

1549

Paul III. gest.

1550

Julius III. gewählt

Guß des Perseus

I55I

1553 r

April: Perseus in der Loggia aufgestellt

554

1555

Florenz erobert Siena

Julius III. gest. Marcellus I. Gewählt, im gleichen Jahr gest. Paul IV. gewählt Karl V. dankt ab, Ferdinand I. Dt. Kaiser

1556

1557 Cellini nimmt die Tonsur; Beginn der Niederschrift der Vita

1558

r

Paul IV. gest. Pius IV. gewählt.

5 59

Heinrich II. gest. Karl IX. ( 1 5 5 0 - 1 5 7 4 ) franz. König

1560

Cellini vom Gelübde entbunden

1561

Ende des Lebensberichts in der Vita

1562

1563

Cosimo I. dankt ab, dann Sohn Francesco I. (1541-1587).

1564

Ferdinand I. gest., Sohn Maximilian II. ( 1 5 2 7 - 1 5 7 6 ) Dt. Kaiser

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Jahreszahl 1565

Florenz Francesco heiratet Johanna, Schwester des Dt. Kaisers

1566

Päpste Pius IV. gest.

Frankreich

Deutschland

Cellini »Traktat über Goldschmiedekunst« dem Herzog gewidmet. Cellini heiratet bisherige Haushälterin, noch 2 Kinder.

Pius V. gewählt

1567

»Traktat über Bildhauerkunst« beendet

1568

Erstveröffentlichung der Trattati

1569

Cosimo I.

Finanzielle Probleme

Großherzog 1570 1571

Benvenuto und seine prominenten Künstlerkollegen. Die Kunst der Renaissance wurde von selbstbewußten Einzelpersönlichkeiten geprägt: Nicht mehr anonyme Mönche, die demütig und bescheiden in der Klosterwerkstatt zur Ehre Gottes die großartigen mittelalterlichen Kunstwerke schufen, sondern freie Bürger, eigenständige Unternehmer, die sich ihres Wertes durchaus bewußt waren, trotzdem aber vom Wohlwollen der herrschaftlichen Auftraggeber abhängig waren, die für ihr Geld massiven Einfluß auf Entwurf und Ausführung des Werkes beanspruchten. In der geistlichen Hierarchie waren es die Päpste, Kardinäle, Bischöfe bis zum Klosterabt und Gemeindepfarrer; im weltlichen Bereich die adligen Herrscher, also Kaiser, Könige, Fürsten und auch einflußreiche, weil vermögende Patrizier, Bankiers und Unternehmer. Im harten Wettbewerb mussten sich die Künstler um die Aufträge bemühen. Da ging es nicht nur um Leistung und Qualität; einflußreiche Fürsprecher konnten durchaus nützlich sein, und mit einer geschickt lancierten Intrige wurde der Konkurrent dem eigenen Vorteil geopfert. Sowohl in den Trattati (Kapitel XII) als auch in der Vita schildert er solche Situationen, wie er etwa als ganz junger Goldschmied, erst kurze Zeit in

14-Februar in Florenz gest.

Rom ansässig, zusammen mit erfahrenen Spezialisten dem Papst seine Entwürfe vorlegen mußte. Benvenuto bekam den Auftrag, wurde hoch gelobt und den alten Meistern als Vorbild empfohlen. Das sind solche Passagen, aus denen man Cellinis Überheblichkeit ableitete. Diese Zusammenhänge muß man berücksichtigen, um zu verstehen, wie wichtig ihm beispielsweise die Goldschmiede-Kollegen und die Künstler der verschiedensten Bereiche waren. Einige von ihnen hat er in der Einführung zu den Trattati charakterisiert. Sogar einige deutsche Maler werden erwähnt. Immer wieder spricht er in den Trattati über Kollegen und deren Arbeiten, noch mehr erfahren wir über sie in der Vita. Da gab es: - Vorbilder, die er bewunderte, - Nichtskönner und Scharlatane, die er verachtete, - Freunde, denen er herzlich zugetan war und - viele Neider, die bei den hohen Auftraggebern gegen ihn intrigierten. Wenn man sich an den Kunstgeschichtsunterricht erinnert, denkt man bei der italienischen Renaissance sofort an Giorgione, Leonardo da Vinci, Raffael, Michangelo und Tizian. In dem folgenden Diagramm kann man recht gut deren

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Italienische Kollegen Cellini und seine

Lebenszeit der Künstler

berühmten Zeitgenossen

1400 Cellini, Benvenuto (1500-1571) Donatello (1386-1466) Brunelleschi (Brunellesco) Filippo (1377-1446) Ghiberti, Lorenz (1381-1455) Poliamolo, Antonio (Antonio di Jacopo d'Antonio Benci) (1431-1498) Verrocchio, Andrea (1436-1488) Mantegna, Andrea (1431-1506) Leonardo da Vinci (1452-1519) Fra Bartolommeo (Bartolommeo di' Pagolo del Fattorino) ( 1 4 7 2 - 1 5 1 7 ) Michelangelo Buonarroti (Michelagniolo) (1475-1564) Tizian (Tiziano Vecellio) (1476-1576) Giorgione (Giorgio da Castelfranco) (1477-1510) Peruzzi, Baldassare (1481-1536) Raffael (Raffaello Santi) (1483-1520) Andrea del Sarto (1486-1531) Correggio (Antonio Allegri) (1489-1534)

1420

1440

1460

1480

1500

1520

1540

1560

1580

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Deutsche Kollegen Cellini und seine berühmten Zeitgenossen

Lebenszeit der Künstler

1400

1420

1440

1460

1480

1500

1520

1540

1560

1580

Cellini, Benvenuto (1500-1571) Stoss, Veit (1448-1533) Riemenschneider, Tilman (1460-1561) Holbein, Hans d . Ä . (1465-1524) Dürer, Albrecht (1471-1528) Cranach, Lucas d . Ä . (1472-1553) Grünewald (Mathis Neidhart) (1480-1528) Baidung, Hans (genannt: Grien) (1485-1545) Holbein, Hans d.J. (1497-1543) Cranach, Lucas d.J. (1515-1586)

Chronologie vergleichen und die Lebensdaten Cellinis Biographie zuordnen. Dabei fällt zunächst auf, daß alle hier erwähnten Künstler mindestens 10 Jahre älter sind als er. Wenn wir annehmen, daß er 15 20, im Alter von 20 Jahren, seine künstlerische Laufbahn begann, stellte sich ihm die künstlerische Elite in den italienischen Städten so dar: - Donatello hatte vor mehr als 50 Jahren seine Werke geschaffen. - Giorgione war seit 10 Jahren tot.

- Leonardo starb ein Jahr zuvor. - Raffael verstarb gerade in dem Jahr. - Michelangelo und Tizian waren zu der Zeit 45 bzw. 44 Jahre alt. So wird mit dieser Ubersicht anschaulich gemacht, daß Cellinis Schaffensperiode der späten Renaissance, dem »Manierismus«, zuzuordnen ist, mit dem sich schon das Barock ankündigte. In Deutschland vollzog sich der Ubergang von der Gotik zur Renaissance erst gegen 1500, die bedeutenden Künstler waren älter als Cellini, um 1520 waren sie aber alle noch aktiv tätig.

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Bedeutung der »Traktate über Goldschmiedekunst und Bildhauerei« Aus der kulturhistorisch so bedeutenden Zeit der Renaissance haben wir in ganz Europa nur dieses eine Fachbuch der Goldschmiedekunst und Metallgestaltung. Generell gilt für dieses Werk: - Der Text des Lehrbuchs ist völlig zuverlässig. - Wir haben an manchen Stellen deshalb Schwierigkeiten, weil Alltagserfahrungen vorausgesetzt werden, die für Cellinis Zeitgenossen selbstverständlich waren, die wir aber heute mühsam herausfinden müssen. - Die als Anwendungsbeispiele ausgewählten Schmuckstücke werden so genau beschrieben, daß man sich deren Beschaffenheit recht gut vorstellen kann. - Cellini beschreibt die Arbeitsverfahren an besonders schwierigen Beispielen und überläßt es dem Leser, eine den eigenen Fähigkeiten angepaßte Lösung zu finden. - Die plastische Gestaltung der Figuren aus der flachen Goldplatte (Hutschmuck, Kap. X I I ) ist so schwierig, daß es heute wohl nur wenige Experten geben dürfte, die das Verfahren nachvollziehen können. Wir wollen zwei Meinungen einander gegenüberstellen: - Goethe hat die Traktate im Zusammenhang mit seiner Bearbeitung der Vita [ G O E T H E ] nur flüchtig betrachtet und trotzdem als erster deren große Bedeutung erkannt. - Sealini hat die neueste Veröffentlichung über Cellini verfaßt [ S C A L I N I ] und darin die Trattati nicht einmal erwähnt. Goethes Einschätzung. Nur das Salzfaß hatte er im Original gesehen, den Perseus hatte er bei seinem Kurzaufenthalt in Florenz gar nicht beachtet, und erst als er sich dann später mit der Ubersetzung beschäftigte, schrieb er am 3.3.1796 an seinen Freund, den Kunsthistoriker und Italienkenner Johann Heinrich Meyer. »Haben Sie den Perseus in Florenz näher gesehen? Und was ist davon zu halten? Vielleicht, da es gewiß auch Sammlungen neuerer Münzen in Rom gibt, kommt Ihnen von Cellinischen

Münzen etwas unter die Augen. Außer einigen größeren Stücken hat er auch die gewöhnlichen Münzen für Clemens VII. meist geschnitten. Es sind auch Münzen von Herzog Alexander von Florenz von ihm da.« Nachdem er sich eine Ausgabe der Trattati beschafft hatte, gibt er im Anhang seiner Vita eine bemerkenswerte Inhaltsübersicht und sagt über den Handwerker Cellini: »Das allgemeine technische Talent, das unserem Benvenuto angeboren war, konnte bei der Goldschmiedezunft, die sich nach allen Seiten hin verbreiten durfte und sehr viel Geschicklichkeit und Anstrengung von ihren Gesellen fordert, genügsamen Anlaß zur Tätigkeit finden und sich stufenweise durch vielfältige Praktik zu der Höhe der Bildhauerei, auf der er unter seinen Zeitgenossen einen bedeutenden Platz einnimmt, hinaufbilden.« [ G O E T H E 1 9 8 1 , S. 4 7 9 ]

Er sagt dann weiter: »Musik und bildende Kunst streiten sich um ihn, und die erste, ob er sie gleich anfangs verabscheut, behauptet in fröhlichen und gefühlvollen Zeiten über ihn ihr Recht. Auffallend ist seine Fähigkeit zu allem Mechanischen. Er bestimmt sich früh zum Goldschmied und trifft glücklicherweise den Punkt, von wo er auszugehen hatte, um mit technischen, handwerksmäßigen Fertigkeiten ausgestattet, sich dem Höchsten der Kunst zu nähern... Schon waren die trefflichsten florentinischen Bildhauer und Baumeister, Donato, Brunellesco, Ghiberti, Verocchio, Pollaiuolo, aus der Werkstatt der Goldschmiede ausgegangen.« [ G O E T H E 1981, S. 501 f.] Scalinis Monographie [ S C A L I N I ] , Mario Scalini veröffentlichte 1995 ein beachtliches Buch über Leben und Werk Benvenuto Cellinis. Er war zu dieser Zeit in leitender Position am Museo degli Argenti in Florenz tätig, und gerade deshalb ist es völlig unverständlich, daß die Trattati niemals erwähnt werden - nicht einmal im Literaturverzeichnis . Scalini ist kein Einzelfall, sondern nur eine Bestätigung dafür, daß bis in unsere Zeit das großartige Lehrbuch Cellinis kaum wahrgenommen wurde, obgleich es seit dem 19. Jahrhundert einige gedruckte Ausgaben des italienischen Textes und französischer, englischer und deut-

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scher Übersetzungen gibt, die ausreichen müßten, um das Werk zumindest in Fachkreisen bekannt zu machen. Die Ursachen dafür sind leicht gefunden: - Vor rund 450 Jahren wollte Cellini den Goldschmiedekollegen seiner Umgebung, den Metallhandwerker ganz allgemein, seine Werkstatterfahrungen vermitteln. Alle verstanden seinen Florentiner Dialekt, benutzten die gleichen Werkstoffe und Werkzeuge, und alle waren dankbar für das, was sie von dem weitgereisten, prominenten Kollegen erfuhren. - Heutzutage haben die italienischen Kollegen Schwierigkeiten mit dem florentiner Dialekt, Werkstattausrüstung und Technologie haben sich in den letzten 450 Jahren verändert. Ohne fachgerechte Erläuterungen ist auch für die italienischen Goldschmiede der Text nicht lesbar. - Wenn zwischen Autor und Leser ein Ubersetzer eingeschaltet werden muß, der von den Handwerkstechniken keine Ahnung hat, wird es noch schwieriger. - Bis 1974 wurden sowohl die italienischen Ausgaben als auch die Übersetzungen der Trattati nur von Philologen bearbeitet, übersetzt und herausgebracht, und deshalb gab es keinerlei Erläuterungen und Kommentare zum fachlichen Inhalt der Texte. - Es mußten fast vier Jahrhunderte vergehen, bis das Werk endlich von einem erfahrenen Goldschmied mit erläuternden Texten, Zeichnungen und Fotos kommentiert wurden, nämlich in der von Ruth und Max Fröhlich 1974 herausgegebenen Übersetzung [ F R Ö H L I C H ] . Eine kommentierte italienische Ausgabe gibt es bis heute nicht. Manuskripte, Veröffentlichungen und Übersetzungen der Trattati

Chronologie der Quellen und Veröffentlichungen. 1565 Abschluß der Vita und des Traktats über die Goldschmiedekunst. Erste handschriftliche Fassung des Traktats über die Goldschmiedekunst als Hochzeitsgeschenk für Franz von Medici und Johanna von Osterreich.

1567 1568 1731 1811

Abschluß des Traktats über die Bildhauerei. Erste gedruckte Ausgabe beider Traktate. Zweite Auflage dieser Ausgabe beider Traktate. Nachdruck der 1731 veröffentlichten Ausgabe durch die »Società di Classici«. 1843 Nochmaliger Nachdruck der Ausgabe von 1731 durch die »Società Editrice Fiorentina«. 1 8 5 7 M I L A N E S I veröffentlicht die authentische Version der Trattati nach einem Manuskript, das kurze Zeit vorher in der Biblioteca Nazionale Marciana (Venedig) entdeckt worden war und dort als »cod. 5134« registriert ist. Alle späteren Ausgaben und auch die deutschen Übersetzungen stützen sich auf M I L A N E S I . »Marciana cod. 5134« - die Urfassung der Trattati. Das Originalmanuskript der Trattati gibt es nicht mehr. Aber nach dem heutigen Stand der Wissenschaft können wir sicher sein, daß mit dem »Codex Marciana« eine sehr zuverlässige Abschrift des ursprünglichen Textes entdeckt und überliefert worden ist. Cellini kannte die stilistischen und grammatischen Schwächen dieser Aufzeichnungen und gab deshalb die Texte zur Überarbeitung an geeignete Experten. Der Historiker Benedetto Varchi begutachtete die Vita, und hatte das richtige Gespür: Er war sich darüber klar, daß die Spontaneität und Ursprünglichkeit der Erzählung erhalten bleiben sollte und verzichtete deshalb auf alle Eingriffe in diesen Text zugunsten der Originalfassung. Gherardo Spini, ein Literaturwissenschaftler der Florentiner Akademie, überarbeitete die Trattati mit großem Eifer und unternahm - sehr zum Schaden des Originals - eine völlige Umgestaltung des Textes. »In dieser abgeschwächten, kastrierten Form wurden die Trattati erstmalig 1568, also drei Jahre vor Benvenutos Tod, als sehr schön gestaltetes Buch gedruckt. 300 Jahre lang gab es keine andere als diese, 1843 noch einmal nachgedruckte Ausgabe der Trattati [nach A S H B E E S. XII-XIII]. Erst im Jahre 1857 konnte Carlo Milanesi der Welt die Trattati in der ursprünglichen, vom Meister selbst diktierten Fassung, vorstellen, weil Francesco Tassi

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die mehrfach erwähnte Abschrift als »cod. 5134« in der Biblioteca Nazionale Marciana (Venedig) entdeckt hatte. Alle späteren italienischen Ausgaben und alle deutschen Übersetzungen stützen sich auf MILANESI. Cellinis Hochzeitsgeschenk. Aus Cellinis Vita wissen wir, wie eng sein Leben mit seiner Heimatstadt Florenz und der Familie der Medici verbunden war. Da war zuerst Alessandro de Medici, 11 Jahre jünger als er, der 1536, also im Alter von nur 2 5 Jahren, von seinem Vetter Lorenzino ermordet worden war. Ihm folgte Herzog Cosimo I. ( 1 5 1 9 - 1 5 7 4 ) , der die künstlerische und kulturelle Entwicklung in Florenz maßgeblich geprägt hat und bereits 1563 die Herrschaft an seinen Sohn, Francesco de Medici ( 1 5 4 1 - 1 5 8 7 ) übertrug. Alessandro, Cosimo I. und Francesco I. haben als Auftraggeber und Mäzene Leben und Werk Benvenutos maßgeblich beeinflußt. Als der junge Francesco 1565 Johanna von Österreich, die Schwester Kaiser Maximilians II., heiratete, übergab Benvenuto seinem Herrn eine erste, handgeschriebene Ausgabe des Traktats über die Goldschmiedekunst, die heute nicht mehr existiert und die aus folgenden Gründen mit den uns bekannten Fassungen (»Codex Marciana« und der gedruckten Ausgabe von 15 67) nicht identisch sein kann: - Die Abhandlung über die Bildhauerei wurde erst zwei Jahre später fertig ( 1 5 6 7 ) . Das gewidmete Exemplar kann also nur das erste Traktat enthalten. - In dem umfangreichen 12. Kapitel des »Codex Marciana« schweift er von der Minuteriearbeit ab und berichtet über die Differenzen mit Herzog Cosimo, kurz nachdem der Perseus (1549) fertiggestellt war. Er schreibt mit erstaunlicher Offenheit, »daß all dies Ungemach von jenen himmlischen Einflüssen stammte, die uns hiernieden beherrschen ...«, und »... wie große Fürsten es übel vermelden können, wenn einer ihrer Diener sich beschwerend die Wahrheit über ihr Benehmen äußert!« [B. C. Abhandlung Goldschmiedekunst, XII. Kapitel] Diese Meinung über Cosimo /., also über den Vater des Bräutigams, wird er doch wohl nicht in das Hochzeitsgeschenk geschrieben haben!

Das Manuskript ist also irgendwann verloren gegangen, aber kurioserweise hat der zugehörige Widmungsbrief die Zeiten überdauert. MILANESI stellte ihn an den Anfang seiner Ausgabe der Trattati, obgleich er wußte, daß beide nicht zusammengehören, denn er sagt in einer Anmerkung: »Auf Grund der Zusammenhänge steht fest, daß dieser Brief im Jahre 1565 an den Herzog Franz von Medici anläßlich seiner Hochzeit mit Johanna von Österreich gerichtet worden ist. Aber die erste gedruckte Ausgabe der Trattati dell' Oreficeria e della Scultura (Firenze e Peri, 1568) ist nicht dem Herzog Francesco, sondern dem Kardinal Ferdinando, seinem Bruder, gewidmet.« [MILANESI, S. 4]

Deshalb ist in der vorliegenden Ausgabe der Widmungsbrief aus dem eigentlichen Text herausgenommen und zur Information hier eingefügt worden.

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D e r Hochzeitsbrief [FRÖHLICH, S. I I ] .

Gewidmet dem regierenden Fürsten von Florenz und Siena, Francesco di Medici, anläßlich dessen Hochzeit mit Johanna von Österreich zu Florenz im Jahre 1565. Dem hochwohlgehorenen und vortrefflichen Herrn, regierenden Fürsten von Florenz und Siena. Glorreicher und glücklicher Herr, da das Schicksal mich durch meine Unpäßlichkeit daran hindert, für das herrliche Fest der Vermählung Eurer illustren Excellenz mit Ihrer Hoheit eine Arbeit anzufertigen und ich deshalb so recht unzufrieden mit mir war, kam mir plötzlich ein neuer, wunderlicher Einfall: Anstatt etwas in Ton oder Holz zu gestalten, griff ich zur Feder und schrieb, wie mir die Erinnerung eines nach dem anderen zureichte, all die großen Bemühungen auf, deren ich mich seit meiner Jugend in vielen, von einander verschiedenen Künsten unterzogen hatte. Bei einer jeden führte ich einige nennenswerte Werke an, die nach mannigfachen, bedeutenden Prinzipien von meinen eigenen Händen angefertigt worden waren. Und da noch niemals andere dergleichen geschrieben haben, glaube ich, daß es vielen nützlich sein wird, von den schönen Geheimnissen jener Künste zu erfahren und daß es für die Anderen außerhalb des Gewerbes ergötzlich sein wird. Dies, so dachte ich, betreffe Eure hochwohlgeborene Excellenz, weil diese mehr als irgend ein anderer großer Fürst daran Gefallen findet und sie liebt. Geruht also, meinen guten Willen entgegenzunehmen, der allein dahin geht, Euch zu gefallen, indem ich Gott bitte, Euch langes Wohlergehen zu erhalten.

Erstausgabe der beiden Traktate von 1568.

DVE TRATTATI V N O I N T O R N O A L L E OTTO PRICIPALE ARTI DELL'OREFICERIA. L' altro in materia dell' Arte della Scultura; doue si veggono infiniti segreti nel la uorar le Figure di Marmo, & nel gettarle di Bronzo. C O M P O S T I DA M. B E N V E N U T O C E L L I N I SCVLTORE FIORENTINO

IN FIORENZA Per Valente Panizzij & Marco Peri. M D L X V I I I Zwei Traktate. Das eine über die acht Haupttechniken der Goldschmiedekunst, das andere über die Kunst der Bildhauerei, mit ihren unzähligen Geheimnissen der Marmorbearbeitung und des Bronzegusses. Verfaßt von Benvenuto Cellini, Bildhauer aus Florenz. (Gedruckt) in Florenz von Valente Panizzij und Marco Peri 1568.

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Er war fast schon am Ende seines Lebens angelangt, als 1568 in Florenz sein großes Lehrbuch der Goldschmiedekunst und Bildhauerei erschien. In der Kunstbibliothek Berlin ist sogar noch ein Original-Exemplar vorhanden. Besonders die Ankündigung, daß die »otto principale arti dell'oreficeria«, also die »acht Haupttechniken der Goldschmiedekunst«, behandelt werden, ist wichtig. Weil nicht mehr genau nachzuvollziehen ist, was damit gemeint war, wird dies in diesem Buch in einem gesonderten Kapitel behandelt. Man kann annehmen, daß das Traktat über die Goldschmiedekunst mit dem verloren gegangenen Manuskript des Hochzeitsgeschenks weitgehend übereinstimmt, für den Druck aber wohl doch noch verbessert und überarbeitet worden ist. Jedenfalls ist das Buch nicht mehr dem »regierenden Fürsten«, sondern dem Kardinal Ferdinando di Medici gewidmet [MILANESI, S. 4]. Nachfolgende Ausgaben. Die 1568 gedruckte Ausgabe der Trattati wurde, wenn auch in langen Zeitabständen, dreimal nachgedruckt: - Erst im Jahre 1731 erschien bei Tartini & Franchi in Florenz eine zweite Auflage mit einem Vorwort von Rosso Martini. - 1811 brachte die »Società dei Classici« und - 1843 die »Società Editrice Fiorentina« Bearbeitungen der Ausgabe von 1731 heraus. Die acht Haupttechniken der Goldschmiedekunst. Wir hatten ja bereits erläutert, daß »arte« als Oberbegriff »handwerkliches Geschick und gestalterische Phantasie« vereint, und daß die »otto principale arti del'oreficeria« im 16. Jahrhundert in den kulturellen Zentren Italiens als die »acht Haupttechniken der Goldschmiedekunst« galten. Es sind die Spezialisierungsrichtungen der Edelmetallbearbeitungen, die sich in jener Zeit aus der Wechselwirkung von Wünschen, Geschmack und Ansprüchen der Auftraggeber zu handwerklich-gestalterischen Möglichkeiten der Handwerker entwickelt haben. Diese Haupttechniken bilden den »roten Faden«, der sich durch das ganze Buch des Goldschmiede-Traktats

zieht. Es sind die acht Kapitel des Buches, deren Überschrift jeweils mit den Worten »DELL'ARTE ...« beginnen. Zur Zeit der Erstausgabe von 1568 umfaßte das Berufsbild des Goldschmieds folgende Hauptarbeitstechniken: Kapitel

Inhalt

I

Edelsteinverarbeitung

II

Nieliieren

III

Drahtarbeit

IV

Emaillieren

V

Ziselieren

VI

Anfertigung der Kardinalssiegel

VII

Ausarbeitung der Münzstempel

Vili

Korpusarbeiten

Die diesbezüglichen Kapitelüberschriften haben folgenden Wortlaut: DELL'ARTE DEL

GIOIELARE

Della natura delle Gioie fine, & delle Pietre finte: Delle loro legature & foglie; Della tinta de Diamanti; Del modo di far lo Specchietto, & di molt'altre particolari avertenze intorno à dette Gioie. DELL'ARTE DEL NIELLARE & del modo si fare il Niello DELL'ARTE DEL L A V O R A R E di Filo, del modo di far la Granaglia, & de Saldare DELL'ARTE D E L L O SMALTARE in Oro; & in Argento & della natura d'alcuni Smalti DELL'ARTE DEL CESELLARE, del Rammaginare, Saldare, Arrenare, Camosciare, Brunire, Sgraffiare, & colorirei la uori di Piastra d'Oro & d'Argento.

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DELL'ARTE DEL LAVORARE In Cavo, d'Oro & d'Argento, & di Rame, nella quale si contiene il modo di fare i Suggeli de'Cardinali, & d'altri Principi. D E L L ' A R T E DI L A V O R A R E de Cavo in Acciaio le Stampe delle Monete, dove si tratta del far le Pille, e Torselli, & le Madri; ò Punzoni per incavar dette stampe & della difficultä che in ciò hebberogl' antichi non havendo trovato l'invenzione che i moderni hanno intorno ä dett'arte D E L L ' A R T E DI L A V O R A R E di groseria d'Oro & d'Argento Figure & Vasi, & del modo di fondere a vento, a mortaio, ä mortaio e à Tazza, & del far le staffe da gettar le piastre de detti Metalli. Im »Codex Marciana« und folglich auch im vorliegenden Text sind alle diese Haupttechniken ausführlich enthalten, sie sind aber nicht so deutlich kenntlich gemacht und in der Reihenfolge leicht verschoben. Die Kapitel Niello, Filigran und Email sind vorgezogen worden, dann erst wird die Edelsteinverarbeitung behandelt. Aus der vergleichenden Übersicht kann man diese Beziehungen deutlich ablesen. Erstausgabe: Florenz 1568

Marciana, cod. $134

Über die Kunst der Edelsteinverarbeitung. Uber die Natur der Edelsteine und über die Steinimitationen

Kapitel: I V - X I

Über die Kunst des Niellierens und über das Verfahren der Nielloherstellung

Kapitel: I

Über die Kunst der Drahtarbeit, über das Verfahren der Herstellung von Granalien und über das Löten

Kapitel: I I

Über die Kunst des Emaillierens auf Gold und Silber und über die Natur einiger Emails

Kapitel: I I I

Über die Kunst des Ziselierens; über das Glühen, Löten, Schleifen, Polieren usw.

Kapitel: X I I

Über die Kunst der Ausarbeitung von Negativreliefs in Gold, Silber und Kupfer, der Technik, mit der die Siegel für Kardinäle und andere hochstehende Persönlichkeiten hergestellt werden.

Kapitel: X I I I

Über die Kunst der Ausarbeitung von Negativreliefs in Stahl als Münzstempel

Kapitel: X I V - X V I I

Über die Kunst der Korpusarbeit in Gold und Silber, von Figuren und Gefäßen

Kapitel: X V I I I - X X V

Übereinstimmend geht es - zunächst um die Schmuckherstellung, also die Goldschmiedekunst im engeren Sinne, - dann folgen die Negativreliefs von Petschaft und Prägestempel, - schließlich die Korpusarbeiten des Silberschmieds. Zur Zeit Cellinis erwartete man beispielsweise von dem Meister, der sich rühmte, die Kunst des Niellierens zu beherrschen, daß er - eine schöne Entwurfszeichnung vorlegen, - das Motiv perfekt in das Grundmetall einarbeiten, - von der Herstellung der Niellomischung über das Eintragen und Brennen bis zum Polieren alles perfekt ausführen konnte. In seiner Einführung erklärt Cellini, wie schwierig es zu seiner Zeit war, die hohen Erwartungen der anspruchsvollen Auftraggeber zu erfüllen: »Vielleicht hat es bis heute noch nie, oder nur so selten, daß man es jetzt nicht mehr weiß, jemand gegeben, der in mehr als einer, höchstens in zwei Sparten aus den acht verschiedenen unseres schönen Berufs Experte war, und wer das auch gewesen sein mag, war er in der Lage, damit etwas Gutes zu gestalten?« [B. C. Einführung] Neidlos, oft bewundernd, erklärt er dem Leser, in welcher dieser Haupttechniken sich der jeweilige Kollege besonders ausgezeichnet hat. Theophilus und Cellini. Zwischen Römischer Kaiserzeit und unserer Neuzeit, also etwa dem Anfang des 17. Jahrhunderts, gibt es über die Arbeitsweise der Goldschmiede und Metallhandwerker nur drei zuverlässigen Informationsquellen:

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- j 6 n . C h r . : C . P L I N I U S SECUNDI: N A T U R A L I S H I S T O RIAE

(Naturkunde), X X X I I I . Buch, »Metallurgie«.

- 1 1 2 $ : T H E O P H I L U S P R E S B Y T E R : D E DIVERSIS A R T I B U S

(Über die verschiedenen Künste und Handwerkstechniken), 3. Buch, »Die mittelalterliche Goldschmidekunst und Metallgestaltung«. -

1 $65: BENVENUTO CELLINI: »TRATTATI« DELL'OREFI-

(Abhandlungen über die Goldschmiedekunst und über die Bildhauerei). Zwischen diesen Goldschmiede-Büchern liegen erhebliche zeitliche und territoriale Distanzen: - Plinius schrieb seine Naturkunde vor knappp zwei Jahrtausenden in Italien. - Etwa 1000 Jahre später entstand in Deutschland die Schrift des Theophilus. - 450 Jahre liegen zwischen Theophilus und Cellini. - die gleiche Zeitspanne trennt uns von Cellini. Der Benediktinermönch Theophilus verfaßte etwa in den Jahren 1100-1125 sein Werk, in dem er wichtige Arbeitstechniken der Klosterwerkstätten seiner Zeit beschrieb: Theophilus Presbyter. »DE DIVERSIS ARTIBUS« (Über die verschiedenen Künste und HandwerkstechniCERIA E DELLA SCULTURA

ken) [THEOPHILUS].

1. Buch: Malerei und Malfarben 2. Buch: Glasherstellung und Kirchenglasfenster 3. Buch: Goldschmiedekunst und Metallgestaltung Theophilus und Cellini lebten zu unterschiedlichen Zeiten in ganz unterschiedlicher Umgebung, es waren ganz unterschiedliche Charaktere, und doch gibt es erstaunliche Parallelen: - Beide sind ungewöhnlich talentierte, vielseitige Goldschmiede. - Beide können ihre Erfahrungen klar und zuverlässig aufschreiben. - Beide offenbaren ihre Kenntnisse und Fertigkeiten ohne Vorbehalt. - Beide verstehen es, ohne Zeichnungen technische Sachverhalte gut verständlich darzustellen. - Beide arbeiten offensichtlich für die prominentesten Auftraggeber ihrer Zeit.

- Der technische Fortschritt vollzog sich in jenen Zeiten so langsam, daß sich Cellini durchaus in der Werkstatt des Theophilus zurechtgefunden haben könnte - und umgekehrt. Bei der Auswertung der Trattati ergeben sich interessante Vergleiche mit der Schrift des Theophilus. Manche Verfahren waren schon im Mittelalter so ausgereift, daß wir sie bei Cellini unverändert wiederfinden. Bei anderen ist es interessant zu verfolgen, wie sie im Laufe der Zeit modifiziert wurden. Bereits in der Ausgabe von Ruth und Max Fröhlich wurden die Parallelstellen Cellini - Theophilus verglichen. Das erste und deshalb älteste Lehrbuch der Schmuckherstellung (Kap. I-XII). Die ersten 12 Kapitel von Cellinis Traktat über die Goldschmiedekunst bilden das erste, also älteste systematische Lehrbuch zur Herstellung von Schmuckstücken. Etwa 1500 Jahre vor Cellini erwähnt Plinius einiges über Schmuck und Schmuckherstellung in der Römischen Kaiserzeit, aber das hat mit einem systematischen Lehrbuch nichts zu tun. Als der Mönch Theophilus sein Goldschmiedelehrbuch schrieb, ging es um Altargeräte aus Edelmetall, also um das, was wir heute als Korpusware bezeichnen und dem Silberschmiedehandwerk zuordnen. Für Edelmetallschmuck gab es in den Klöstern keinen Bedarf. Aber im Zeitalter der Renaissance bekommt der Schmuck in den Städten Italiens eine bis dahin nicht gekannte Bedeutung. Hohe Geistlichkeit und Adel, Patrizier und Bürger waren die Auftraggeber. Cellini war der beliebteste SchmuckKünstler der Mächtigen und Reichen. Sie übergaben dem jungen Goldschmied die wertvollsten Edelsteine und bezahlten für seine Schmuckstücke riesige Summen. Als er dann Jahrzehnte später seine Abhandlung über die Goldschmiedekunst aufschreiben ließ, faßte er in den ersten 12 Kapiteln die zu seiner Zeit üblichen Arbeitstechniken der Schmuckherstellung zusammen, die wichtigsten Grund- und die damals üblichen Sondertechniken. Die Verfahren sind den heutigen durchaus ähnlich, die Prioritäten der Arbeitstechniken sind aber - dem Zeitgeist folgend - anders verteilt. So hatten Blechzise-

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lieren, Filigranbelötung, Emaillieren und Niellieren viel größere Bedeutung als heute. Inhalt der ersten 12 Kapitel. Wenn man die folgenden Kapitelüberschriften betrachtet, bekommt man zwar eine Ubersicht der Themen, aber erst durch die eingefügten Zwischenüberschriften erschließt sich die ganze Fülle der Informationen, die in diesen Texten enthalten sind. Kapitel I und III: Niello und Email sind so wichtig, daß sie vollwertig den Goldschmiedetechniken zugeordnet werden. Kapitel II: Mit dem manufakturellen Filigranschmuck wird das Schmuckbedürfnis des Mittelstandes angesprochen. Kapitel IV bis XI: Drei Viertel des Textes, widmet Cellini dem Juwelenschmuck. Bei diesen Aufträgen hat der Goldschmied nur dafür zu sorgen, daß die ihm von den Päpsten, Kardinälen, Bischöfen, Königen und Fürsten anvertrauten großen, wertvollen Edelsteine möglichst wirkungsvoll zur Geltung gebracht werden, beispielsweise durch hinterlegte Folien. An künstlerischer Metallgestaltung war man nicht interessiert; der Goldschmied hatte für eine sinnvolle, unauffällige Konstruktion zur Befestigung des Steins am Finger bzw. am Gewand zu sorgen, z.B. durch Fassungen zum Befestigen der Edelsteine und Funktionselemente zur Befestigung des Schmuckstücks am Körper bzw. an der Kleidung, wie etwa Ringschiene oder Broschierung. Kapitel XII: Das Kapitel über die Minuteriearbeit ist das umfangreichste und vielseitigste in dieser Reihe und bildet den Abschluß der Abhandlungen über die Schmuckfertigung. Es geht vorrangig um Schmuckstükke mit figürlichen Blechziselierungen in Gold, aber in diesem Zusammenhang werden von der Materialvorbereitung über das Löten bis zum Polieren alle wesentlichen Grundtechniken der Schmuckgestaltung behandelt. Maßsysteme

Es ist zum Verständnis der Traktate nützlich, wenn man die verwendeten Maßangaben deuten kann. Deshalb wird hier der Versuch unternommen, die Verhältnisse

der Maßeinheiten innerhalb des Systems darzustellen und die damaligen Einheiten mit unseren heutigen zu vergleichen. Bekanntlich gibt es bei diesen historischen Maßeinheiten erhebliche territoriale und zeitliche Toleranzen. So war beispielsweise die Masse von einem Pfund auf dem Territorium des heutigen Deutschlands von Land zu Land, ja sogar von Stadt zu Stadt unterschiedlich groß und änderte sich auch noch im Laufe der Jahre. In Italien war es nicht anders. Trotzdem können wir davon ausgehen, daß die folgenden Angaben für den Römischen Kirchenstaat in der Mitte des 16. Jahrhunderts mit hinreichender Genauigkeit zutreffend sind. Längenmaße Die Elle. Abgeleitet von der Länge des Unterarms vom Ellbogen bis zu den Fingerspitzen ist »Ii braccio« (wörtlich: »der Arm«, die Armlänge) ebenso wie in Deutschland die Grundeinheit der Längenmaße. Dieses Längenmaß kommt in den Trattati häufig vor und ist deshalb zum Verständnis der Erläuterungen sehr wichtig. Aus den konkreten Zusammenhängen können wir folgende Beziehung erkennen: 1 Elle = 50 cm. Cellini erzählt von der Vorbereitung der Perseus-Statue: »Mit großem Vergnügen machte ich mich so schnell wie nur möglich daran, ein kleines Modell in der Höhe von ungefähr einer Elle zu modellieren« (s. Kapitel XII). Im Nationalmuseum Bargello in Florenz sind ein Wachsmodell und der Bronzeabguß eines solchen Modells heute noch vorhanden. Die Figur ist 58 cm hoch. Die silbernen Götterfiguren für Franz I. sollten »... genau von der Größe Seiner Majestät sein, die nicht viel weniger als vier Ellen betrug.« (Kapitel XIV). Der König war von einer damals ungewöhnlich großen Statur-etwa 1,90 m. Vom goldenen Salzfaß sagt er, daß es »von ovaler Form, ungefähr % Ellen lang« sei (Kapitel XII). Hier stimmt das Maßverhältnis ganz genau, denn der Sockel ist 33,5 cm lang. Im Kapitel I beschreibt er als Beispiel »eine Lunette von etwa 8 Ellen für das Tor von Fontaine-

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bleau«. Das Original befindet sich heute im Louvre; man kann es nachmessen: 408 cm. Der Fuß. Ursprünglich war damit wirklich die Länge eines Fußes gemeint. Die Größe des davon abgeleiteten Längenmaßes kann aus folgendem Zusammenhang ermittelt werden: Für einen Brunnen im Park des Schlosses Fontainebleau hatte Cellini eine Kolossalstatue des Kriegsgottes Mars vorgesehen, die 40 Ellen, also etwa 20 m, hoch sein sollte (Kapitel VII). In der Vita ( C O N R A D , S . 328) zitiert er das diesbezügliche Gespräch mit dem König und erklärt ihm, daß die Figur 54 Fuß hoch sein solle. Demnach gilt die Beziehung: 40 Ellen = 54 Fuß = 20 m. Die Maß Verhältnisse sind demnach: 1 Elle = 1 Vi Fuß = 50 cm; bzw. 1 Fuß = E l l e = 37,6 cm. Weitere Längenmaße: - Die Spanne, die von der gespreizten Hand abgeleitet ist, - das Zoll, das ursprünglich die Länge des DaumenVordergliedes bezeichnete, - und die Fingerbreite kommen bei Cellini ziemlich häufig vor. Statt Fuß und Spanne benutzt er oft die Bruchteile der Elle: K bzw. X Elle. Demnach ergeben sich folgende Beziehungen: Braccio Elle

Krämer-, Apotheker-, Münzgewichte bildeten ganz unterschiedliche Systeme. Im Kirchenstaat galt das folgende Grundsystem: Libbra

Scudo

Oncia

Denaro

Grano

Pfund

Scudo

Unze

Dinar

Korn, Grän

g, etwa

12

288

6912

339. 2

8

190

4562

223,9

1

24

5/6

28,3

1

24

1,2

1

0,05

1

i'A i

Für die Edelmetalle wurde ein etwas abweichendes System benutzt, in dem das Karat als markante MasseEinheit enthalten ist. Um Verwechslungen vorzubeugen, muß klargestellt werden, daß in Deutschland ein anderes System benutzt wurde, von dem bis in die Gegenwart der Feingoldgehalt der Legierungen abgeleitet wird. Die Grundeinheit war hier 1 kölnische Mark ('Ä Pfund) = 233,856 g. Diese Mark wurde auf folgende Weise unterteilt: 1 Mark = 24 Karat = 288 Grän; 1 Karat = 1 2 Grän. Wenn auch im italienischen System gleiche Bezeichnungen verwendet wurden, bezogen sich Pfund, Karat und Grän auf ganz andere Edelmetallmengen; die Begriffe hatten ganz andere Bedeutung. Masse-Einheiten für Edelmetalle:

Piede

Palmo

Pollice

Dito

Fuß

Spanne

Daumen (Zoll)

Fingerbreite

cm, etwa

Libbra

Oncia

Ducat

Carato

2

16

24



Pfund

Unze

Dukaten

Karat

g, etwa

i'A

12

18

38

1

12

96

1728

339,2.

1

8

12

25

1

8

144

28,3

1

i'A

3

1

18

3,5

1

2

1

0,2

i

Masse-Einheiten Die Maßangaben für die Masse, die in der Umgangssprache immer noch »Gewicht« heißt, waren vor Einführung des einheitlichen Kilogramm-Systems sehr verwirrend.

Münzen Ecu d'Or. (franz.: goldener Schild) 1266-1653 Ludwig IX. (1226-1270) bis Ludwig XIV. (1643-1715). Erste franz. Goldmünze, ca. 3,4 g.

Scudo d'Or. Italienische Nachprägung der franz. Münze, ebenfalls 3,4 g. Ducat, Dukaten. Verbreitetste europäische goldene Handelsmünze, 3,54 g. Erstmalig 1284 in Venedig herausgegeben, 1556 Goldmünzeneinheit des Deutschen Reiches, bis ins 19. Jahrhundert in Umlauf. Als »Fiorino di Camera«, »Camera-Dukat« und »Kammergülden« die Goldmünze des Papstes. Soldo. Italienische Silbermünze seit dem Hochmittelalter; 1 soldo (Schilling) = 1 2 denari (Pfennige). Barile. Florentinische Silbermünze; 1 barile =12% soldi.Barile galt auch als Flüssigkeitsmaß für die Menge Wein (40-601) oder Ol, deren Preis 1 baril betrug. Carlino. Silberne Groschenmünze des Kirchenstaates vom 15. bis ins 18. Jahrhundert. Kurant, eine Münze, deren tatsächliche Edelmetallgehalt mit dem Zahlungswert übereinstimmt; die Scheidemünze enthält weniger Edelmetall.

Einführung

Motivation des »schreibenden Goldschmieds«. Die Erkenntnis, daß sich ganz allgemein die Menschen darüber freuen, etwas Neues zu erfahren, das war der erste Grund zu schreiben. Zum Zweiten - und das fällt schwerer ins Gewicht - belasteten mich die unangenehmen Dinge, die mir im Laufe meines Lebens begegneten und meinen Geist beschwerten. Von solchen Begebenheiten werde ich in der folgenden Abhandlung (Kapitel 12) in gebührender Bescheidenheit berichten, aus der Uberzeugung, daß diese die Leser zu großem Mitleid und nicht geringem Verdruß bewegen werden. Man kann tatsächlich von den Ursachen sagen, daß es gerade die unglücklichen sind, die Anlaß zu großem Guten geben, denn wären mir solche widrigen Umstände nicht begegnet, ich hätte mich nie ans Schreiben und somit an das Niederschreiben so nützlicher Dinge gemacht, als - was ich damit unternehme, was noch niemand vor mir getan - von den schönen Geheimnissen und wundersamen Verfahren der großen Kunst der Goldschmiederei zu berichten; etwas, das weder einer eurer Philosophen, noch irgend ein anderer, der nicht vom Handwerk ist, zu schreiben sich anmaßen kann. Weil aber diejenigen vom Fach meistens besser arbeiten als reden können, verfallen sie in den Fehler des Schweigens. Diese Unterlassung wenigstens nicht zu begehen, setze ich mich kräftig ins Werk. Goldarbeiter und Goldschmiedemeister. Vielleicht hat es bis heute noch nie, oder nur so selten, daß man es jetzt nicht mehr weiß, jemand gegeben, der in mehr als einer, höchstens in zwei Sparten aus den acht verschiedenen unseres schönen Berufes Experte war, und wer das auch gewesen sein mag, war er in der Lage, damit etwas Gutes zu gestalten? Ich habe keineswegs die Absicht, von jenen Pfuschern zu reden, die sich stümperhaft in allen acht Teilgebieten umtun, unterstützt und beschäftigt von jenen, die nicht zu beurteilen vermögen, ob eine Arbeit gut oder schlecht sei. Männer, die eine solche Bezeichnung verdienen, so scheint mir, sind wie gewisse Krämer, die in den Armenvierteln und den Randgebieten der Städte auftreten, bald

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einmal mit Backwaren, dann mit Spezereien, Arzneien oder allgemeinem Ramsch handeln, also von allem etwas, im Einzelnen aber nichts Solides. Von diesen habe ich also nicht die Absicht zu reden, sondern allein von denen, die, in dem was sie geschaffen, sich besonders hervortaten und von der richtigen, handwerklichen Weise es zu tun. Bedeutende Goldschmiede in Florenz. Nun rufe ich mir ins Gedächtnis, wie man in der Stadt Florenz den Anfang machte, alle die Künste wiedererstehen zu lassen, die die leiblichen Schwestern der meinen sind und daß ihnen der erste Lichtschein und die wahre Hilfe vom erhabenen Cosimo de Medici kam und wie unter diesem der Bildhauer Donatello, der große Baumeister Pippo di ser Brunelesco aufblühten und der wunderbare Lorenzo Ghiberti, zu dieser Zeit die schönen Türen für den seinerzeitigen Tempel des Mars schuf, der heute unserem Schutzpatron St. Johannes dem Täufer dient. Lorenzo Ghiberti war im besten Sinne des Wortes Goldschmied, nicht nur der Schönheit seiner ihm eigenen Manier, sondern auch seiner unendlichen Sauberkeit und großen Geschicklichkeit wegen. Dieser Mann, der zu den bewunderungswürdigsten Goldschmieden gehört, machte alles selbst. Er setzte seinen Genius im besonderen zum Gießen kleinformatiger Werke ein. Wenn er auch gelegentlich größere Stücke schuf, so ist doch offensichtlich, daß ihm im Grunde das Kleine lag und wir ihn hierin als Meister der Gußtechnik anerkennen müssen. Er leistete da in Wahrheit Hervorragendes, daß wir ihn auch heute noch als von niemandem erreicht betrachten. Antonio, so wurde er immer genannt, Sohn eines Hühnerhändlers, war Goldschmied und Zeichner von soviel Geschick, daß nicht nur alle Goldschmiede sich seiner ausgezeichneten Entwürfe bedienten, sondern auch Bildhauer und Maler, und ich betone: die besten ihrer Zunft. Und sie bekamen dadurch nicht wenig Anerkennung. Dieser Mann machte kaum noch etwas anderes, außer daß er mit rastlosem Fleiß diese Entwürfe anfertigte. Maso Finiguerra betrieb ausschließlich die Kunst des

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Niellierens, darin kam ihm keiner gleich. Auch er bediente sich stets der Zeichnungen des oben erwähnten Antonio. Amerigo emaillierte und war auf diesem Gebiet der erste und beste Künstler, sowohl vor wie nach ihm. Auch dieser große Mann benutzte die Entwürfe des erwähnten Antonio del Pollaiuolo. Michelangiolo, Goldschmied von Pinzidimonte, war ein sehr geschickter Mann auf den verschiedensten Gebieten, besonders aber als Juwelenfasser. Er arbeitete in Niello, in Email, verstand sich aufs Ziselieren und dies alles nach ordentlichen Entwürfen, und wenn er auch nicht ganz an die vordem erwähnten großen Männer heranreicht, so verdient er doch viel Lob. Er war der Vater des Baccino, den Papst Clemens zum Ritter des Hl. Jacob erhob und der sich den Namen Bandinelli zulegte. Da er weder Stand noch Wappen besaß, nahm er das Wahrzeichen, das er kraft seiner Ritterwürde trug, ins Wappen auf. Von diesem Manne werde ich später noch mehr als genug zu erzählen haben. Bastiano di Bernadetto Cennini war seines Zeichens Goldschmied und ein Könner auf vielen Gebieten. Schon seine Vorfahren, ebenso wie er selbst, schnitten die Prägestempel für die Münzen der Stadt Florenz bis zu der Zeit, als Alexander von Medici, Neffe des Papstes Clemens, Herzog wurde. Dieser Bastiano fertigte in seiner Jugend wunderbare, große Treibarbeiten und Ziselierungen. Er war ein geschickter und erfahrener Handwerker. Obgleich ich eingangs gesagt hatte, daß ich diejenigen nicht erwähnen wollte, die nur ausführende Handwerker sind, scheint es mir doch notwendig zu sein, zwischen denjenigen zu unterscheiden, die bloße Stümper sind und jenen, die ihr Handwerk gut verstehen, denn ihnen gebührt es, daß man sie lobt. Pierre, Giovanni und Romulo sind die Söhne des Goro Tavolacchino. Diese drei Brüder waren Goldschmiede, die gute Arbeit und gute Entwürfe machten. Unter anderem waren sie berühmt im Fassen von Steinen in Anhänger und Ringe, was sie in so geschmackvoller Weise taten,

daß sich in jenen Jahren um 1518 nicht ihresgleichen fanden. Sie machten auch anständige Einlege-, Flachreliefund Ziselierarbeiten. Stefano Salteregli, auch ein Goldschmied - und ein sehr guter in jenen Tagen - war, wie schon gesagt, ein versierter Mann. Er starb in jungen Jahren. Zanobi, Sohn des Meo del Lavacchio, war gleichfalls Goldschmied, hatte eine charmante Art zu arbeiten und zeichnete wunderbar. Er starb, kaum daß sein Bart zu sprießen begann, im Alter von vielleicht 20 Jahren. Tatsächlich gab es damals zu meiner Zeit gar manche vielversprechende junge Leute, aber die meisten von ihnen raffte der Tod dahin, und die restlichen hielten in ihrer Handwerksarbeit nicht durch oder verbrauchten ihre Kräfte derartig, daß sie sich nicht mehr weiterentwickeln konnten. Wenn ich über all diese ausgezeichneten Männer rede, fühle ich mich versucht, immer nur von der jeweils reizvollsten Technik zu sprechen, so daß ich eine vernachlässigen könnte, weil sie nicht so vergnüglich auszuführen ist, nämlich diejenige, die wir mit Filigranarbeit bezeichnen, die mit genauso viel Aufmerksamkeit und Witz ausgeführt werden muß wie alle übrigen Arbeitstechniken. Piero di Nino war ein Goldschmied, der ausschließlich Filigranarbeiten machte. Das ist eine Kunst, die sehr reizvoll ist, bei deren Ausführung es aber auch viele Schwierigkeiten gibt. Er beherrschte sie besser als irgendein anderer. Obgleich damals die Bürger der Städte sehr reich waren, kauften besonders die Bauern des umgebenden Landes für ihre Ehefrauen gern Gürtel aus Samt, die mit zahlreichen Spangen verziert und mit einer Schließe in der Größe einer halben Elle geschlossen wurden. Die Schließe und die Schnallen waren aus Silberfiligran von guter Legierung mit großer Sorgfalt gefertigt worden, und wenn ich im folgenden Text erläutern werde, wie man solche Arbeiten macht, glaube ich bestimmt, daß man sie als herausragende Leistungen bewundern wird. Ich kannte den Piero di Nino als alten Mann von 90

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Jahren. Er starb teils aus Angst zu verhungern, teils eines Schreckens wegen, der ihm nachts widerfuhr. Was den befürchteten Hungertod anbelangt, verhielt es sich so: Es wurde in der Stadt ein Edikt herausgegeben, daß weder Bauern noch Bürger zukünftig solche Gürtel tragen dürften. Der alte Mann nun, der nichts anderes machen konnte, war voller Kummer und verfluchte diejenigen von ganzem Herzen, die das Gesetz gemacht hatten. Er wohnte in der Nähe eines Tuchhändlers, wo auch ein übermütiger Bursche zu Hause war, Sohn eines jener Männer, die das fatale Gesetz gemacht hatten. Als der Geselle hörte, wie der Alte seinen Vater immerfort verfluchte, sagte er zu ihm: »O Piero, wenn du so weiterfluchst, wird eines Tages der Teufel kommen und dich mit Haut und Knochen abschleppen.« Nun eines Samstagabends, als der alte Mann noch bis Mitternacht an seiner Arbeit saß, um sie fertigzustellen und nach Bologna zu liefern, nahm sich der Bursche vor, ihm einen Streich zu spielen und einen gehörigen Schrecken einzujagen. So paßte er ihn auf dem Heimweg ab. Piero schloß seinen Laden, nahm die Laterne zur Hand und, die Kapuze seines Mantels über den Kopf gezogen, kam er langsam daher, einsam wie ein Geist, heimwärts nach seinem Hause in der Via Mozza. Und wie er um die Ecke des alten Marktes bog, sprang jener Bube flugs an ihn heran, ausstaffiert vorne und hinten mit allerlei schwefligen Lichtern und solcher Teufeleien mehr und fiel über den armen Alten her. Der erschrak dermaßen, daß er seine Sinne verlor. Als der Bursche die heftige Wirkung sah und erkannte, was er ihm Schlechtes angetan hatte, führte er den Alten heim, so gut es eben ging und übergab ihn der Obhut seiner Enkel, deren einer Meino Kurier war und später der Häscher von Arezzo wurde. Genug, der Schrecken war so groß gewesen, daß der gute Greis gar bald darauf verschied. Diese Geschichte wird als die eigentliche Ursache von Pieros Tod betrachtet - ich habe es oft erzählen hören. Antonio di Salvi war auch einer unserer Florentiner Silberschmiede. Dieser Mann war ein Spezialist für große Silberschmiedearbeiten, er starb hochbetagt.

Salvatore Pilli war gleichfalls ein begabter Mann, der sehr alt wurde. Er besaß keine eigene Werkstatt, sondern arbeitete stets bei anderen. Salvatore Guasconti war ein Alleskönner, speziell in kleinen Formaten. Seine Niello- und Emailarbeiten verdienen großes Lob. Bedeutende Florentiner Künstler; die als Goldschmiede begonnen hatten. Man kann sagen, daß es noch unendlich viele andere Florentiner gab, die als Goldschmiede begonnen hatten, und wenn sie sich später auch anderen Künsten zuwandten, wie Bildhauerei, Architektur, hatten sie doch die Anregungen aus unserem Handwerk empfangen. Donatello zum Beispiel, der größte Bildhauer, der je lebte - ich werde noch von ihm zu reden haben - war Goldschmied bis in seine Jünglings jähre. Pippo di ser Brunellesco, der erste, der der großen Architektur neue Impulse zu erwecken verstand, widmete viele Jahre dem Goldschmiedehandwerk. Lorenzo dalla Golpaia, auch ein Goldschmied, der sich aber lebenslang dieser Kunst verschrieben hatte. Dieser großartige Mann war ein wahres Wunder der Natur. Er machte sich daran, Uhren herzustellen und, angetrieben durch besondere Neigung und Verstand, stellte dieser Meister die Geheimnisse des Himmels und der Sterne so wunderbar dar, daß es den Anschein machte, als hätte er die längste Zeit dort oben im Himmel geweilt. Sein großes Geschick bewies er unter anderem an einer Uhr, die er für den erhabenen Lorenzo de Medici angefertigt hatte. In diesem Werke waren die sieben Planeten mit den Zeichen der Medici dargestellt, die wandernd sich drehten wie diejenigen am Himmel. Diese Uhr ist noch vorhanden, doch ist sie nicht mehr, was sie war, sie ist ganz verkommen. Andrea del Verrocchio, Bildhauer, arbeitete als Goldschmied bis in sein Mannesalter. Er war der Lehrer des großen Leonardo da Vinci, des Malers, Bildhauers, Baumeisters, Philisophen und Musikers. Ein fleischgewordener Engel, von dem ich zu seiner Zeit, wann immer ich ihm in meiner Erinnerung begegne, noch viel zu erzählen haben werde.

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Desiderio war ebenfalls Goldschmied, bis er ein Mann geworden war, dann wandte er sich der Bildhauerei zu und wurde in solcher Kunst ein großer Meister. Es ist unmöglich, alle Florentiner der Reihe nach in Erinnerung zu rufen, die sich in unserer Kunst bewährten. Ich muß mich bei der Aufzählung auf eine gewisse Auswahl beschränken, nämlich auf diejenigen, die zu hohem Ruhm gelangt sind. Kupferstecher und Niello-Künstler. Doch werde ich jetzt einige Namen von Ausländern nennen, und ich beginne mit jenen, die das Niello betrieben. Martino war ein Goldschmied von jenseits der Alpen, aus einer deutschen Stadt. Er war ein großer Könner im Zeichnen, Gravieren und Kupferstechen nach ihrer dortigen Manier. Zur gleichen Zeit ging der Name unseres Maso Finiguerra durch die Welt, der so herrliche Arbeiten mit Niello machte. Von seiner Hand stammt eine »Pax«, ein »Kußtäfelchen«, in Silber, mit einem schönen Kruzifix, flankiert von den beiden Räubern, und diese umgeben von reichen Darstellungen mit Pferden und anderen Motiven. Der Entwurf dazu stammt von dem schon erwähnten Antonio del Pollaiulo, das Niello von Maso. Nun denn, dieser talentierte Deutsche, mit Namen Martino, macht sich mit viel Geschick und großer Disziplin daran, die Kunst des Niellierens zu praktizieren, wobei einige vorzügliche Werke entstanden sind. Weil er aber richtig erkannt hatte, daß er die Qualität und das Können Finiguerras nie erreichen würde, beschloß er, als tugendvoller Mann, der er war, sein Können auf etwas zu verwenden, das dem Menschengeschlecht auf andere Weise nützlich sein könnte. So begann er mit dem Stichel - so nennt man das kleine Werkzeug aus Stahl, mit dem man graviert - , Kupferplatten zu stechen, und in solcher Weise entstanden dann Stiche von schönen Geschichten, sehr gut komponiert, die Lichter und Schatten fein beobachtet und dargestellt, und alles in ihrer deutschen Manier von größter Schönheit. Alberto Duro. Auch er war unbefriedigt von den

Resultaten seiner Nielloarbeiten, und so versuchte er sich mit noch mehr Erfolg als Martino im Stechen, und er tat das so gut, daß es ihm keiner nachmachen konnte. Auch er war Goldschmied, machte gute Entwürfe nicht nur für seine Stiche - entschied sich dann aber für die Malerei und leistete Vorzügliches. Etwas Ahnliches wie seine Stiche habe ich nie zu Gesicht bekommen. Andrea Mantegna, einer unserer großen italienischen Maler, der einst auch graviert hatte, sich dessen aber nicht rühmt. Antonio Pollaiuolo ging es genauso. Beide gaben sich damit nicht zufrieden, und deshalb wollen wir nicht weiter darüber reden, wir betonen nur noch einmal: Mantegna war ein ausgezeichneter Maler, Pollaiuolo ein ebenso guter Zeichner. Antonio da Bologna und Marcoda Ravenna müssen beide zu den Goldschmieden gezählt werden. Antonio war der erste, der in der Art Alberto Duros zu gravieren begann Er studierte die Werke des großen Malers Raffaello da Urbino, aber auch die Art und Manier der alten Griechen, die mehr konnten als viele andere, und er erzählte wunderbar in der guten, wahren italienischen Weise. Manch anderer versuchte es auch, aber keiner erreichte den großen Alberto Duro und nur wenige unseren Landsmann Antonio da Bologna, weshalb ich sie gar nicht erwähne, aber auch, weil es uns zu weit von dem wegführen würde, das wir uns zu behandeln vorgenommen haben, nämlich: Die schöne Kunst des Niellierens und die damit verbundenen vergnüglichen Hindernisse, die wir überwinden müssen. Als ich im 15. Jahr unseres Jahrhunderts, 15 Jahre alt, meine Lehre als Goldschmied begann, war die Kunst des Niellierens gänzlich im Verfall. Einige gute Gesellen, die noch lebten, wußten nichts Besseres zu tun, als nur von der Schönheit dieser Kunst zu schwätzen und sich der Meister zu erinnern, die sie noch beherrschten, besonders an den Meister Finiguerra. Weil ich nun einmal zu lernen besessen war, machte ich mich mit Eifer daran, der Sache auf den Grund zu kommen, und anhand der vorzüglichen Beispiele dieses Finiguerra konnte ich all-

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mählich eine eigene künstlerische Form finden. Einige Schwierigkeiten bereitete es mir dann, herauszufinden nachdem ich die Gruben gemacht hatte wie man das Niello herstellt, das ich einbringen wollte. Es gelang mir nicht nur die großen Schwierigkeiten der Niellotechnik zu überwinden, sondern ich lernte das Niello zuzubereiten, und dann war es leichter, Werke in dieser Technik anzufertigen. Das besagte Niello wird auf folgende Weise gemacht. Anmerkungen zu Cellinis Einführung Goethe hatte schon Recht: Als Florentiner besaß Benvenuto ein natürliches Schreibtalent, und das Schreiben machte ihm Spaß. Das dicke Buch seiner »Gesammelten Werke« enthält außer der Vita und den Trattati zahlreiche Artikel, Gedichte, Briefe - und dazu kommen noch all die Schriften, die inzwischen verloren gegangen sind. Zum Schreiben ist er gekommen, weil er seine Erkenntnisse und Erfahrungen mitteilen und dadurch seinen Verdruß und Ärger überwinden wollte. Schreibkundige Gelehrte hätten ihm die Arbeit nicht abnehmen können, weil sie »nicht vom Handwerk« sind. Fürstendiener. Uber die unangenehmen Dinge, die er sich von der Seele schreiben und über die er »in der folgenden Abhandlung in gebührender Bescheidenheit berichten« wollte, informiert er uns im Kapitel X I I (»Benvenutos Selbstbekenntnisse«). Es war die Zeit des Absolutismus, von Demokratie keine Spur. Als Hofgoldschmied der Medici, der Päpste, des französischen Königs, der Fürsten, Herzöge, Kardinäle und Bischöfe hatte Cellini eine privilegierte Position, er war aber auch der Gunst seiner Auftraggeber völlig ausgeliefert: - Er mußte die Aufträge vorfinanzieren und die Termine einhalten. - Der hochwohlgeborene Auftraggeber konnte jederzeit die Bestellung zurückziehen. - Wann und ob er überhaupt bezahlte, war von der herrschaftlichen Gnade abhängig. Der Bericht über die Höhen und Tiefen seines Aufenthalts am Hofe Franz I. in Paris illustriert diese Situation.

Als heftige Kriege wüteten, Benvenuto endlich nach Florenz reisen durfte, verlor er ein beachtliches Vermögen, bestehend aus zurückgelassenen Werken und noch offenen Rechnungen - es findet sich aber kein Wort der Verbitterung gegen den König von Frankreich. Vom Herzog Cosimo I. wurde er 1545 in seiner alten Heimat sehr herzlich aufgenommen, er bekam großartige Aufträge, besonders ging es um die Bronzeplastik des Perseus. Vier Jahre später, der Guß der Figur war gelungen, genehmigte ihm der Herzog gnädig einige Tage Urlaub für eine Pilgerreise, und als er zurückkam, war der Herzog abweisend und verstimmt. Benvenuto war sich keiner Schuld bewußt und erfuhr nicht »die Ursache dieses großen Mißgeschicks« (Kapitel XII). Man muß sich die Situation einmal ganz praktisch vorstellen. Sein »glorreicher Herr«, der Herzog Cosimo, war ein junger, 3ojähriger Mann, überaus reich und mächtig - Benvenuto, fast 5 oj ährig, ein in Paris und Rom angesehener Hofgoldschmied mit Florentiner Selbstbewußtsein, dem gerade jetzt allen Skeptikern zum Trotz der Bronzeguß des von ihm selbst modellierten Perseus gelungen war. Da wäre es schon möglich, daß dem leidenschaftlichen Benvenuto das Temperament durchging, und daß er diesem jungen Mann heftig widersprochen haben könnte. Noch schlimmer und gefährlicher waren die Differenzen mit der Herzogin, die mit den für die Sockel der Plastik bestimmten Figürchen gern ihren Palast schmücken wollte. Der Herzog handelte daraufhin den Arbeitslohn herunter, neidische Kollegen heizten die Stimmung gegen Benvenuto weiter an. Wegen all dieser widrigen Umstände konnte er erst im April 1554 die Figur zusammen mit dem reich verzierten Sockel in der Loggia dei Lanzi aufstellen. So machte er die bittere Erfahrung, daß »große Fürsten es übel vermerken können, wenn einer ihrer Diener sich beschwerend die Wahrheit über ihr Benehmen äußert« (Kapitel XII). Worum es wirklich ging, erfahren wir nicht. Es müssen aber ernste Differenzen gewesen sein, denn die Auswirkungen waren jedenfalls für Benvenuto existenzbedrohend:

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- Er bekam keinen Urlaub, mußte also in Florenz bleiben. - Er bekam keine neuen Aufträge und - durfte aber auch keine Fremdaufträge annehmen. Es war ein Zustand, den wir heute als »Berufsverbot« bezeichnen würden. Um trotzdem etwas Nützliches zu tun, folgte er seiner Neigung und begann sein Leben von Anfang an aufzuschreiben. Als er in diesem Lebensbericht zu der Zeit kam, in der er »dem Herzog Cosimo in voller Hingabe gedient hatte«, bekam er Angst vor der eigenen Courage, unter Tränen verbrannte er die diesbezüglichen aufrührerischen Blätter »und faßte den Vorsatz, nie wieder etwas zu schreiben«. Deshalb endet die Lebensgeschichte völlig abrupt mit dem Jahre 1562. Er war immer noch arbeitslos; um trotzdem »der Welt nützlich zu sein« machte er sich wieder daran, »es doch wieder zu tun«. Und was schrieb er? Er sagt es nicht, aber weil diese Bemerkung hier in den Trattati steht, können wir sicher sein, daß er gerade diese Schrift gemeint hat. Von der politisch gefährlichen Lebensgeschichte wich er auf das neutrale Gebiet seiner handwerklichen Tätigkeit aus, möglicherweise hatte er schon Jahre vorher mit ersten Aufzeichnungen für die Trattati begonnen. So ergibt sich folgender Zeitablauf: - In derZeit des »Berufsverbots« schreibt er bis 1565 an seinem Lebensbericht. - Parallel dazu entsteht die »Abhandlung über die Goldschmiedekunst«, die gleichzeitig mit der Vita abgeschlossen wird. - Bis 15 67 schreibt er dann noch das »Traktat über die Bildhauerei«. Wir verdanken also die beiden so bedeutenden Schriften der mißlichen Lebenssituation jener Jahre. Die Schrift des Theophilus. Er konnte es nicht wissen, aber rund 450 Jahre vor seiner Zeit hatte der Mönch Theophilus bereits »von den schönen Geheimnissen und wundersamen Verfahren der großen Kunst der Goldschmiederei« berichtet. Gut, daß Cellini es nicht wußte, möglicherweise hätte er sich nicht »an das Niederschrei-

ben so nützlicher Dinge gemacht«. Wir werden immer wieder Gelegenheit haben, beide Schriften miteinander zu vergleichen. Cellinis Goldschmiedekollegen in Florenz. Die acht Haupttechniken, über die wir schon ausführlich gesprochen haben, waren für Cellini wichtige Kriterien bei der Beurteilung seiner Kollegen. Mit Hochachtung spricht er von den Spezialisten, die sich auf eine oder auch zwei Sparten konzentriert haben, aber solche, die sich auf allen Gebieten versuchen und dabei auf keinem etwas Rechtes leisten konnten, sind für ihn Stümper und Pfuscher. Wenn man Benvenutos Einführung liest, bekommt man den Eindruck, daß er seine Heimatstadt nie verlassen hätte; Rom, Venedig, Siena, Pisa und Paris kommen nicht vor - er spricht nur von den Kollegen in Florenz. Zunächst bringt er einige Persönlichkeiten in Erinnerung, die vor seiner Zeit in Florenz gewirkt hatten, also zur Zeit von Cosimo dem Älteren (1389-1464) und Lorenzo il Magnifico (1449-1492), die beide die kulturelle Bedeutung von Florenz wesentlich bestimmt hatten. Einige Künstler jener Zeit werden besonders herausgehoben. Pippo di ser Brunelesco, also Filippo Bruneleschi (1377— 1446) war zuerst Goldschmied, dann Bildhauer und Architekt. Einige seiner berühmtesten Werke sind die Kirchen S. Lorenzo, S. Spirito, Findelhaus (Waisenhaus) und besonders die Kuppel des Doms von Florenz. Lorenzo Ghiberti (1378-1455) begann auch als Goldschmied, entwickelte sich aber dann zum Bildhauer. Er schuf für das Baptisterium von Florenz die Nordtüren mit 20 und die Osttüren mit 10 Reliefs. Sein Stil kommt aus der gotischen Tradition, seine Werke zeichnen sich durch Anmut und Harmonie aus. Antonio »del Pollaiuolo«, also Antonio di Jacopo d'Antonio Bend (1431-1498), war einer der vielseitigsten und einflußreichsten Florentiner Künstler: Goldschmied, Bildhauer, Maler, Kupferstecher. Seine Niello-Entwürfe wurden von Maso Finiguerra und seine Emailentwürfe von Amerigo Amerighi realisiert. Er war nicht der Sohn eines Hühnerhändlers (Pollaiulo), sondern sein Vater,

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Iacopo di Antonio, hieß mit Familiennamen »del Pollaiuolo«. Michelangelo stammte nicht von Pizidimonte, sondern von Cajuolo (Chianti). Sein Sohn Baccio war ein Bildhauer, der seinen Beinamen Bandini in »Bandinelli« änderte. Baccio Bandinelli (1493-1560) besaß in Pinzidimonte eine Villa und Ländereien. Er war Bildhauer - seine Kolossalfiguren sind manieristisch übersteigert und ohne inneren Ausdruck. Stilistisch lehnte er sich an Michel-

angelo an, ohne ihn zu erreichen. Voller Zorn und Verachtung wird er mehrfach von Cellini in seiner Vita erwähnt. Donatello di Nicolo di Betto Bardi (138 6-1466), Andrea del Verrocchio (1436-1488), ^»¿/rea Mantegni, »Mantegna« (1431-1506) müssen nicht näher erläutert werden. Es werden sogar zwei deutsche Künstler erwähnt: Matino, Martin Schön, genannt »Schongauer« (144 5-1519) und Alberto Duro, Albrecht Dürer (1471-1528).

ERSTE A B H A N D L U N G ÜBER DIE G O L D S C H M I E D E K U N S T

Kapitel I

Von der Kunst des Niello Herstellung der Niellomasse I Vorbereitung des Werkstücks I Auftragen des Niellos I Nachbehandlung des Niellos

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besteht, wieder in einem Tiegel auf gutem Feuer mit ein wenig Borax geschmolzen. Das wiederholst du zweioder dreimal, wobei du es jedesmal zerstößt, um die Körnigkeit zu kontrollieren und um zu beobachten, ob die Legierung ganz dicht und gut ist, dann wird das Niello die richtige Qualität haben.

Herstellung der Niellomasse N u n nimmt man - i Unze feinsten Silbers, - 2 Unzen reinsten Kupfers und - 3 Unzen Blei, so rein und so sauber wie nur möglich. Dann nimmt man einen Goldschmiedetiegel, der groß genug ist, um die drei Metalle darin zu schmelzen. Zuerst nimmst du die Unze Silber und die zwei Unzen Kupfer, gibst sie in den Tiegel und stellst diesen ins Gebläse, wie wir Goldschmiede es benutzen. Wenn Silber und Kupfer gut vermischt sind, setze das Blei zu und nimm den Tiegel sofort vom Feuer. Mit einem Holzkohlestückchen, das du mit der Zange hältst, mische alles gut zusammen. Wenn das Blei auf der Schmelze Schaum bildet, schöpfst du mit dem Kohlestück soviel wie möglich davon ab, damit sich die drei Metalle innig legieren können. Halte eine faustgroße Tonflasche bereit, deren Ö f f nung nicht weiter ist, als daß du einen Finger hineinstecken kannst. Diese Flasche füllst du zur Hälfte mit feingestoßenem Schwefel. Sobald deine Metalle gut geschmolzen sind, gieße sie, noch heiß wie sie sind, in die erwähnte Flasche, verschließe sie sofort mit feuchtem Ton, umwickle sie mit einem festen Leinenlappen, sagen wir zum Beispiel mit einem alten Sack, nimm sie in die Hand und schüttele sie so lange, bis sie erkaltet ist. Man schüttelt die Metalle im Schwefel, damit sie sich so gut wie möglich mit ihm verbinden. Wenn sie kalt geworden sind, befreist du sie aus der Flasche, indem du sie einfach zerschlägst, und du wirst sehen, daß die Masse, die sich daraus löst, dank des Schwefels schwarz geworden ist. Achte darauf, daß du den schwärzesten Schwefel benutzt, den du bekommen kannst, die Flasche besorge dir bei denen, die Gold und Silber scheiden. N u n wird das so entstandene Niello, das aus Körnern

Vorbereitung des Werkstücks Zunächst werde ich noch etwas über die gravierte Platte sagen, die aus Silber oder Gold sein kann - andere Metalle kann man nicht nieliieren - dann sollst du erfahren, wie die Niellomasse bei der Niellotechnik verwendet wird. Damit das Niello sehr schön gleichmäßig und porenfrei wird, mußt du eine Aschenlauge aus viel sehr sauberer Asche - es soll Eichenholzasche sein - und Wasser ansetzen, und darin sollst du dein fertig graviertes Werk kochen. Nachdem das Werkstück darin eine Viertelstunde lang gekocht hat, nimm es heraus, lege es in ein Gefäß mit klarem, frischem Wasser und bürste es mit feinen, sauberen Bürstchen so aus, daß es von jedwelchen Unsauberkeiten gereinigt ist. Dann legst du es auf eine Eisenplatte, die lang genug ist, um das Werkstück ins Feuer halten zu können. Die Länge soll etwa drei Handbreit entsprechen - mehr oder weniger natürlich - je nach Größe des Stückes. Achte darauf, daß die Eisenplatte, auf die du dein Werk legst, weder zu dick noch zu dünn ist; sie muß so beschaffen sein, daß die Hitze des Feuers sich gleichmäßig verteilt, denn es wäre schlecht, wenn sich entweder das Eisen oder das Werk zuerst allein erhitzen. Also paß' gut auf!

Auftragen des Niellos Jetzt zerstoße dein vorher beschriebenes Niello auf einem Amboß oder einem Porphyrstein oder gib es in ein Kupferrohr, damit es beim Zerkleinern nicht wegspritzt (Bild i . i ) . Achte darauf, daß es zerstoßen und nicht zermahlen wird: Es soll gleichmäßig körnig in der Art von Hirse- oder Fenchelkörnern ausfallen, nicht feiner.

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Gehen wir noch einmal zurück, ehe wir fortfahren. Ich sage dir: Wenn du dein Werk im Feuer hast und das Niello zu schmelzen beginnt, brauchst du einen ziemlich dikken Stahldraht, der am vorderen Ende flachgeschmiedet ist. Dieses Ende legst du ins Feuer. Wenn das Niello zu schmelzen anfängt, nimm schnell deinen warmen Eisendraht und streiche damit das Niello vorsichtig aus, so daß die Gravur überall gut ausgefüllt wird. Weil beide Teile heiß sind, kann man sie verstreichen wie Wachs.

O

/./: Schlagmörser zum Zerkleinern von Niello- oder Emailbrocken.

Nun schüttest du das zerstoßene Niello in kleine Ton- oder Glasschalen, um es mit sauberem, frischem Wasser auszuwaschen, damit es von Staub und anderem Schmutz befreit werde, der beim Zerkleinern untergemischt worden ist. Ist das getan, nimm einen kleinen Spatel aus Messing oder Kupfer und trage eine Nielloschicht von Tafelmesserdicke auf die Gravur, streue etwas gut zerstoßenen Borax darüber, achte darauf, daß es nicht zuviel ist. Ist alles so weit vorbereitet, lege etwas Holz auf einige Holzkohlen und fache das Feuer an. Jetzt näherst du dein Werk ganz langsam dem Holzkohlenfeuer und wärmst es, bis du das Niello schmelzen siehst. Beachte, daß es sich nicht zu stark erhitzt, denn sobald das Niello zu warm oder gar glühend wird, verliert es seine natürliche Beschaffenheit, es wird weich, und weil der größte Teil des Niellos Blei ist, frißt es das Silber oder Gold deiner Arbeit an. Alle Mühe wäre umsonst gewesen. Beachte diesen Rat, er ist fast so wichtig wie das gute Gravieren.

Nachbehandlung des Niellos Ist dein Werk erkaltet, feilst du mit einer feinen Feile so viel vom Niello weg, daß die Gravur noch nicht ganz zum Vorschein kommt. Danach legst du die Arbeit nochmals auf die heiße Asche oder besser noch auf die heiße Glut, bis sie warm genug geworden ist, daß du sie mit der Hand nicht mehr anfassen kannst, oder noch ein wenig heißer. Dann nimm den vorgewärmten Polierstahl und etwas Ol und verreibe dein Niello mit mehr oder weniger starkem Druck, je nach Gutdünken und Notwendigkeit. Dieses Einwalken dient dazu, die kleinen Poren zuzudrücken, die manchmal beim Niellieren entstehen. Wer Geduld und einige Erfahrungen hat, kann auf diese Weise alle Poren meisterhaft verreiben. Danach legst du die Zeichnung endgültig mit einem Schaber frei (Bild 1.2).

Bild 1.2: Dreikantschaber, Ziehschaber mit unterschiedlich geformten Schneiden, Polierstahl.

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Mit einem Schilfrohr, das bis zum Mark aufgeschnitten ist, und etwas Tripelerde, Holzkohlenpulver und Wasser wirst du nun dein Werk so lange schleifen, bis es schön eben und glatt geworden ist. Geschätzter Leser, wundere dich nicht, wenn ich das alles so ausführlich aufgeschrieben habe, denn du mußt wissen, daß ich noch nicht die Hälfte von dem gesagt

habe, was in dieser Kunst wichtig ist, die den ganzen Einsatz eines Menschen verlangt, so daß er keine andere künstlerische Tätigkeit nebenher ausüben kann. In meiner Jugend, mit fünfzehn bis achtzehn, arbeitete ich viel in der Kunst des Niellos, tat es stets nach meinen eigenen Entwürfen - und meine Kunst wurde sehr gelobt (Tafel I).

Kommentar zu Kapitel I: Schwarze Zeichnung auf Silber Aus eigener Erfahrung und nach Auskunft erfahrener Kollegen ist festzustellen, daß wir hier eine absolut zuverlässige Anleitung zu dieser schönen, wirkungsvollen Goldschmiedetechnik haben. Schade, daß das Niello bei der modernen Schmuckgestaltung so vernachlässigt wird! Niello bei Theophilus. Schon in den Vorbemerkungen wurde angekündigt, daß die etwa 450 Jahre ältere Schrift zum Vergleich herangezogen werden soll. Theophilus hat sich ausführlich mit der Nielloarbeit beschäftigt. Im 3. Buch sind es folgende Kapitel:

aufgetragen. Als Flußmittel empfiehlt er ein Gummiharz, das er »parahas« bzw. »barabas« nennt, dessen Bedeutung aber unklar ist. Da er in anderem Zusammenhang »Gummi« richtig als »eine Substanz, die aus den Bäumen fließt« bezeichnet, könnte ein organisches Klebemittel, wie Tragant oder gummi arabicum gemeint sein. Einige Bearbeiter deuten »barabas« = »Borax« - aber wenn er Borax gekannt hätte, dann hätte er bestimmt auch damit gelötet. Für besonders feine Gravuren empfiehlt Theophilus ein sehr interessantes Verfahren. Das Niello wird als dünner Stab gegossen. Nur der gravierte Gegenstand wird erwärmt, und wenn man mit dem Niellostab darüberstreicht, beginnt das Niello zu schmelzen, und so schiebt es sich in die gravierten Linien ein. Nach dem Schaben wird die Fläche mit einem Schieferstab und etwas Speichel geschliffen, »mit Geduld und Spucke«. Mit dem Abrieb, also dem Schiefer-SpeichelBrei, und einem Lindenholz wird nachgeschliffen. Ohrenschmalz, mit einem Lederläppchen aufgerieben, ergibt schließlich den Seidenglanz. So weit das Verfahren nach Theophilus; und nun kommen wir wieder auf Cellini zurück. Herstellung der Niellomasse. Wenn gesagt wird, daß »das Blei auf der Schmelze Schaum bildet«, so ist damit die »Bleiglätte« (Bleioxid, PbO), gemeint, die wegen ihrer geringen Dichte auf der Schmelze schwimmt und leicht abgezogen werden kann. Schwefel ist »schwefelgelb«, bei dem »schwärzesten Schwefel« geht es um dessen Wirkung, daß er nämlich die Metalle möglichst intensiv schwarz färbt.

Kapitel

Inhalt

XXVIII

Vom Niello

XXIX

Vom Einbringen des Niellos

XXXII

Nochmals vom Einbringen des Niellos

XL

Vom Polieren des Niellos

Von Theophilus wird ein entgegengesetztes Mengenverhältnis von Silber und Kupfer empfohlen: Metall

Cellini

Theophilus

Silber

16,7%

57,i %

Kupfer

33,3 %

28,6%

Blei

50,0%

14,3 %

Trotz der recht unterschiedlichen Zusammensetzung kann aus eigener Erfahrung bestätigt werden, daß beide Nielloarten gut zu verwenden sind, das Niello des Cellini ist etwas dunkler als das des Theophilus. Bei Theophilus wird die Masse auf ähnliche Weise hergestellt und

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In der Keramikflasche erstarrt die Nielloschmelze als kompakte Masse, Körner würden entstehen, wenn man die Schmelze in Wasser gegossen hätte. Wichtig ist die Erfahrung, daß Email möglichst fein, Niello möglichst grob im Mörser zerstoßen und zermahlen werden soll, deshalb der Vergleich mit den Hirse- und Fenchelkörnern. Wer heute niellieren will, soll sich die fertige Niellomasse von einer Scheideanstalt, beispielsweise »Wieland Edelmetalle KG, Pforzheim« besorgen. Vorbereitung des Werkstücks. Aus eigener Erfahrung kann bestätigt werden, daß nur Silber, Gold und deren Legierungen nieliiert werden können. Auf Kupfer und deren Legierungen, wie Messing und Neusilber wird das Niello porös wie ein »Bienenstich-Kuchen«. Die Gravur muß so flach wie möglich sein, nicht tiefer als 0,2 mm, das Blech kann 0,3-0,5 mm dick sein. Man soll nie Angst haben, daß die Gravur zu flach ist; zu tiefe Gruben verursachen erhebliche Schwierigkeiten. Ebenso wie beim Email kann man die Gruben auch als verbödete Sägearbeit herstellen, man kann aber auch Stege auflöten und die Zellen mit Niello füllen. Der Anfänger soll kleine, schmale, flache Gruben vorbereiten, denn mit der Größe wächst das Risiko der gefürchteten Porenbildung in der erstarrenden Niellomasse. Auftragen des Niellos. Borax ist als Flußmittel ungeeignet, weil das Niello bei maximal 600 °C schmilzt und demnach der höherschmelzende Borax noch gar nicht wirksam werden kann. Es hat sich bewährt, das Niellopulver mit einer gesättigten wäßrigen Lösung von Salmiak (Ammoniumchlorid N H 4 C l ) zu einem Brei anzurühren und so aufzutragen. Ungünstig ist es, über das fertig aufgetragene Niello das Salmiakpulver einfach nur aufzustreuen, denn dadurch bildet sich eine spröde, poröse Kruste auf dem Niello. Brennen des Niellos. Wenn die gravierte Platte mit Hilfe der heißen Stahlplatte indirekt erwärmt wird, bekommt man eine gleichmäßige Wärmeverteilung, die direkt im Holzkohlenfeuer nicht zu erreichen wäre. Heute können wir natürlich viel bequemer im Elektro-

ofen bei 600 °C das Niellopulver erschmelzen, kleinere Schmuckstücke kann man auch recht gut mit einer wärmeisolierten Pinzette über eine weiche Gasflamme halten. Man kann und soll das Niello genauso wie Email in mehreren Arbeitsgängen auftragen - brennen und wieder auftragen - brennen, zweckmäßig ist es, zwischendurch das Werkstück kurz in konzentrierte Salzsäure zu tauchen, um Verkrustungen der Oberfläche zu lösen. Nachbehandlung des Niellos. Normalerweise ist nach dem Aufschmelzen die ganze Silberfläche mit Niello überschwemmt. Zuerst muß mit der Feile das Niello grob abgetragen werden, die Zeichnung ist noch nicht sichtbar. Dann kommt für jeden, der sich mit dem Niello versucht, das große Problem: Poren im geschmolzenen Niello. Es gibt kein sicheres prophylaktisches Verfahren - die Poren sind einfach da. Cellini weiß aber, wie man sie beseitigen kann. Die sehr komplizierte Mischung aus Metallen, Metallsulfiden und intermetallischen Verbindungen ist in festem Zustand glashart und spröde; bei mäßiger Temperatur, wenn die freien Bleiteile zu schmelzen beginnen, wird die Niellomasse weich und bildsam. Dieser Zustand wird genutzt. Das Werkstück wird vorgewärmt, und mit dem Polierstahl wird die erweichte Niellomasse so massiert und verschoben, daß die Poren einfach zugedrückt werden. Ein ganz wichtiger Hinweis! Mit verschiedenen Schabern wird die mit Niello gefüllte Gravur schließlich freigelegt. Bei der letzten Nacharbeit ist es ganz gleichgültig, ob man nach Theophilus Schiefer-Speichel-Brei mit Lindenholz oder nach Cellini Schilfrohr mit Tripel und Holzkohle verwendet. Es geht um einen seidenmatten Glanz, mit dem die schwarze Zeichnung auf silbernem Grund am besten zur Geltung kommt.

Kapitel II

Die Drahtarbeit Bedeutung der Drahtbearbeitung für die Goldschmiedearbeit I Arbeitsvorbereitung I Auflöten des Drahtornaments I Benvenuto erklärt Franz /., König von Frankreich, wie mit »Email a jour« ein Becher angefertigt wird Bedeutung der Drahtbearbeitung für die Goldschmiedearbeit Die Technik der Drahtarbeit ist eine besonders schöne Art künstlerischer Gestaltung. Zwar habe ich nicht viele Werke dieser Art geschaffen, aber es sind doch einige, und sie zählen zu den schwierigsten und schönsten Arbeiten auf diesem Gebiet, und deshalb spreche ich darüber. Und wenn sie ordentlich ausgeführt und gut gestaltet werden, sind diese Werke genauso gefällig anzuschauen wie die irgendeines anderen Zweiges der Goldschmiedekunst. Weil man die Drähte so leicht biegen kann, arbeiten die meisten ohne Zeichenvorlage. Aber diejenigen, die in dieser Technik alle anderen übertrafen, waren Leute mit hohem Talent im Zeichnen von Blättern und Ajourarbeiten, weil alles, was man mit den Drähten gestalten will, zuerst als Zeichnung festgelegt werden soll. Nun wirst du die Arbeitstechnik dieser Kunst erfahren. Es gibt viele Möglichkeiten, deren sich die Menschen bei der Drahtgestaltung bedienen können. Laßt uns mit den üblichen, für den alltäglichen Gebrauch erforderlichen beginnen, um dann zu denen zu kommen, durch die die Leute in Staunen versetzt werden. Die üblichen Drahtarbeiten sind Schnallen und Schließen für Gürtel, wie ich sie schon am Anfang meines Buches erwähnt habe. Dann kleine Kreuze, allerlei Arten von Anhängern, Döschen und Knöpfe, verschiedene mandelförmige Medaillons, viele unterschiedliche Amulette, Kapseln, die man mit Moschus füllt, außerdem Armbänder und unendliche viele andere Dinge (Tafel XVII).

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Arbeitsvorbereitung Für jedes auszuführende Stück wird zuerst ein Silberoder Goldblech vorbereitet, das in Form und Größe deinen Absichten entspricht. Nachdem das fertig ist und du einen schönen Entwurf gemacht hast, mußt du alle Drahtstärken vorbereiten, die du für erforderlich hältst: grobe, feine und mittelstarke oder sogar vier verschiedene, gleichmäßig abgestufte Sorten. Danach sollst du auch die Granalien herstellen. Sie werden auf folgende Weise gemacht: Das Metall wird gut durchgeschmolzen und dann in ein mit Holzkohlepulver gefülltes Gefäß gegossen. Auf diese Weise bekommst du die unterschiedlichsten Korngrößen. Des weiteren muß du das Lot herstellen, das »DrittelLot«, das so heißt, weil es aus zwei Unzen Silber und einer Unze Kupfer besteht. Viele verwenden als Zusatz auch Messing, aber Kupfer ist besser und weniger riskant. Dieses Lot wird fein gefeilt, dann drei Teile Lotpulver mit einem Teil gut gemahlenem Borax gemischt, und das Ganze wird in einer Streuboraxbüchse, wie sie beim Goldschmied üblich ist, aufbewahrt (Bild 2.1). Ferner brauchst du noch Tragant, eine Gummisorte, die man in jeder Apotheke bekommt. In einem Schüsselchen oder Fläschchen, was dir gerade in die Hände kommt, löst du ihn in Wasser auf.

Bild 2.1: Boraxbüchse für Streulot- und Boraxpulver. Der Fingernagel streicht über den Kamm des Rohres, durch die Vibration wird das Pulver gleichmäßig ausgestreut.

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Bild 2.2: Kleine Zangen zum Biegen von Drähten und Stegen. Flach-, Spitzflach- und Rundzange.

Wenn du alle diese Dinge beisammen hast, brauchst du noch zwei kräftige Zangen (Bild 2.2) und außerdem einen kleinen Meißel mit fingernagelförmiger Schneide, wie ihn die Holzschnitzer verwenden, der in einem Stichelheft steckt. Diesen Meißel brauchst du, um die Drähte an der Stelle abzuschneiden, die sich nach deinem Entwurf und der Form der Biegung ergibt. Schließlich sollte man noch eine ziemlich dicke, glattgeschliffene Kupferplatte, so groß wie eine Handfläche, haben. Auflöten des Drahtornaments Sind alle Drähte deinem Entwurf entsprechend gebogen, so lege sie auf das Grundblech, nimm einen Pinsel, tauche ihn in das Tragantwasser und befeuchte sie damit. Auf diese Weise ordnest du nach und nach die Drähte und die großen und kleinen Kügelchen dem Entwurf entsprechend zu Blättern oder anderen Formen zusammen. Mit dem Tragant werden sie so fest angeklebt, daß sie nicht mehr verrutschen. Achte aber darauf, daß du nach dem Zusammenstellen einer Partie deines Blattornaments aus der Streubüchse die erforderliche Lotmenge darauf streust, noch ehe das Tragantwasser angetrocknet ist. Damit dein Werk schön und sauber wird, verwende nur genau so viel Lot, wie unbedingt nötig ist - ja nicht mehr - , damit die fertige

Arbeit anmutig und zierlich wirkt, zuviel davon würde sie häßlich machen. Wenn es nun ans Löten geht, sollst du einen kleinen Ofen aufbauen, wie man ihn auch zum Emaillieren benutzt. Bedenke aber, daß es ein großer Unterschied ist, ob man Email schmilzt oder Drähte auflötet: Zum Löten brauchst du ein weniger heißes Feuer. Jetzt legst du das zu lötende Stück auf eine Eisenplatte, aber so, daß es nicht fest aufliegt, und so näherst du es langsam dem Feuer, bis der Borax getrieben hat. Durch zu rasches Erhitzen würden alle deine wohlgeordneten Drähte durcheinander kommen, darum ist größte Sorgfalt erforderlich. Man kann das schriftlich gar nicht recht erklären, besser wäre mündlich, am besten aber ist es, eigene Erfahrungen zu machen. Doch fahren wir fort. Nun gib acht: Wenn du das Lot im Ofen zum Fließen bringen willst, lege einige Späne trockenen Kleinholzes darunter, die du mit dem Blasebalg je nach Bedarf anfachst, auch grobe Kleie kann benutzt werden, richtig angewandt kann sie sehr nützlich sein. Aber Übung und Erfahrung - verbunden mit deiner Klugheit - sind die besten Lehrmeister. Ist dein silbernes Werkstück gleich beim ersten Arbeitsgang einwandfrei durchgelötet, wird es in einer wäßrigen Lösung von gleichviel Weinstein und Kochsalz gekocht, um allen Borax abzulösen, was nach ungefähr einer Viertelstunde geschehen ist. Ist es indessen aus Gold gearbeitet, legst du es einen Tag und eine Nacht lang in starken Essig, bis sich etwas Salz darauf bildet. Jetzt kannst du die Rosetten, die deinem Entwurf entsprechend in deiner Arbeit verteilt sind, durchbohren und durchbrechen, wie ich dergleichen gesehen habe und wie ich es selbst zur Verfeinerung der Drahtbelötung gemacht habe. Benvenuto erklärt Franz /., König von Frankreich, wie mit »Email a jour« ein Becher angefertigt wird Im Zusammenhang mit dieser schönen Kunst möchte ich es nicht unterlassen, von einem wundersamen Werk zu erzählen, welches mir in Frankreich, in der so überaus

Tafel I Anwendungsbeispiel: Pace (Kußtafel). Madonna mit Kind. Silber, graviert. Gravur und Hintergrund mit Niello ausgefüllt. Rahmen ziseliert (Kapitel XII). Florenz, Ende / j . Jahrhundert (Museo Nazionale del Bargello, Florenz).

Tafel II Anwendungsbeispiel: Vortrage kreuz (Detail). Silberplatte mit Tiefschnittemail. An den ausgeplatzten Stellen ist die Graviertechnik gut zu erkennen. Antonio del Pollaiolo, um 1500 (Museo Nazionale del Bargello, Florenz).

Tafel III Anwendungsbeispiel: Siegel mit Himmelfahrt Mariae und dem Wappen des Herzogs von Mantua, Ercole (Herkules) Gonzaga, 1528. Das Petschaft, aus Wachs modelliert und in Bronze gegossen, existiert nicht mehr, trotzdem erkennt man die Kunstfertigkeit des unbekannten Meisters auch noch an diesem Siegelabdruck. (Curia Archivescovile, Mantua).

Tafel IV Benvenuto Cellini: Medaille Clemens VII. (Museo Nazionale del Bargello, Florenz). Avers (Vorderseite): Porträt des Papstes im Profil. Umschrift: »CLEMENS VII. PONT. MAX. AN. XI. MDXXXIII« (1533): a) Prägeblock, b) geprägte Medaille (Bronze, 38 mm Durchmesser).

Tafel V Benvenuto Cellini: Medaille Clemens VII. i. Revers (Rückseite): Moses in der Wüste, Wasser aus dem Felsen schlagend. Umschrift: »UT BIBAT POPVLVS«. Der von Papst Clemens 1534 angeordnete Bau des Brunnens »Pozzo« von Orvietto war Anlaß zur Prägung dieser zweiten Rückseite: a) Prägeblock, b) geprägte Medaille.

Tafel V I Benvenuto Cellini: Medaille Clemens VII. 2. Revers (Rückseite): Symbolische Darstellung des Friedens. Umschrift: »CLAVDVNTVR . BELLI. PORTAE«. Rechts vom Tempel die Signatur: BENVENUTUS. F.: a) Prägeblock, b) geprägte Medaille.

Tafel VII Benvenuto Cellini: Medaillen, die vom Münzmeister Cellini geschaffen, im Text seines Traktats aber nicht erwähnt worden sind (Museo Nazionale del Bargello, Florenz). a) Franz I., König von Frankreich (Bronze, j 8 mm Durchmesser) Avers: Portrait des Königs mit Zepter, im Profil. Umschrift:»»FRANCISCUS I. FRANCORUM REX« (Franz I., König der Franzosen) Revers: Eine Reiterfigur, die eine liegende nackte Frau [FORTUNA] schlägt. Umschrift: »FORTVNAM. VIRTVTE. DEVICIT« (Mit seiner Tapferkeit hat er FORTUNA [die launische Glücksgöttin] bezwungen) und horizontal unter der Figur die Signatur: »BENVENV. F.« b) Alexander Medici, Herzog von Florenz (Silber, Durchmesser 40 mm) Avers: Porträt des Herzogs im Profil. Umschrift: »ALEXANDER. MED. FLORETIAE. DUX. P.« (Alexander Medici, Herzog von Florenz) Revers: Schrift in Eichenlaubkranz: »SOLATIA LVCTVS EXIGVA INGENTIS« (Ein schwacher Trost für eine so große Trauer) [Zitat aus Vergils Aeneis 11, 62f] c) Bindo Altoviti (Bronze, Durchmesser 43 mm). Avers: Porträt des Kardinals im Profil. Umschrift: »BIND. ALTOV.« Revers: Stehende Frauenfigur, die eine Säule umfaßt; keine Umschrift.

Tafel VIII Anwendungsbeispiel: Wasserkannne, Silber vergoldet. So ähnlich sah auch Cellinis eiförmige Kanne aus, aber keines seiner Pmnkgefäße hat die Zeiten überdauert. Paul Hübner; Augsburg um 1580: a) Gesamtansicht, b) Detail (Museo degli Argenti, Florenz).

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schönen und reichen Stadt Paris gezeigt wurde (dem Paris, das von den Franzosen »Paris simpari« genannt wird, was soviel wie »unvergleichliches Paris« bedeuten will). Es war zur Zeit meines Dienstes bei König Franz im Jahre 1541. Dieser hochgeachtete, wunderbare König hielt mich vier Jahre lang dort und schenkte mir freigiebig ein Schloß in der Stadt, das »Petite Nelles« hieß. An gegebener Stelle werde ich im weiteren dann von den großen Werken erzählen, die ich für diesen .würdigsten König ausgeführt hatte. Ich will nun aber weiter über die Drahtarbeit berichten und ein seltenes, vielleicht einmaliges Werk besprechen, welches ich, wie gesagt, in dieser Stadt Paris zu sehen bekam. Als der König an einem feierlichen Festtage zur Vesper in seine Sainte Chapelle ging, ließ er mir ausrichten, ich möchte mich dort einfinden, weil er mir einige schöne Gegenstände zeigen wolle. Nachdem die Vesper beendet war, ließ mich seine Majestät durch seinen Constabler, welcher des Königs Vertreter ist, abholen. Dieser Herr kam, nahm mich bei der Hand und führte mich vor den König, der mir mit großer Gunst und Güte einige sehr schöne Kleinodien zu zeigen begann, ohne mich darüber auszufragen, dann noch viele antike Gemmen, größer als eine Handfläche, über die er mich um mein Urteil ersuchte. Der erwähnte König sowie sein Schwa-

ger, der König von Navarra, die Königin von Navarra und alle der Krone nächststehenden Vornehmen hatten mich in die Mitte gestellt, und so zeigte mir seine Majestät viele schöne und wertvolle Dinge, über die man ausführlich und zu seinem Vergnügen diskutierte. Endlich zeigte er mir eine fußlose Trinkschale von handlicher Größe, in Stegarbeit, mit viel Blattwerk und dazu passenden Ornamenten, in geschickter Komposition gestaltet. Und nun paß' auf: Alle Zwischenräume der Blätter und Dekorationen der ganzen Stegarbeit waren ausgefüllt mit wunderschönstem Email in den verschiedensten Farben, und wenn man die Trinkschale gegen Licht hielt, wirkten die Emails so durchsichtig, daß es einem un-

wahrscheinlich vorkam, daß so etwas überhaupt gemacht werden könnte (Tafel X V I I I ) . Das war auch des Königs Ansicht, weshalb er mich gar freundlich fragte, ob ich mir vorzustellen vermöge, wie man derartige Künste zuwege bringe, umso mehr, als ich das Stück hoch gelobt hatte. Auf seine Frage antwortete ich: »Heilige Majestät, ich werde Ihnen die Herstellungsweise dieses Werkes so erklären, daß Sie, ein Mann von seltenem Geiste, das Verfahren so gut kennenlernen werden, wie der Meister selbst es kannte, der das seltene Kunstwerk schuf - nur läßt sich das nicht in ein paar wenigen Worten tun.« Hierauf drängte sich der Kreis des hohen Adels, der sich dort bei der Majestät befand, enger um mich zusammen, und der König sprach, daß er nichts Bestaunenswerteres kenne als diese Arbeit, welche ich ihm nun auf so leichte Weise zu erklären versprach. Da sagte ich: »Wenn man eine solche Arbeit machen will, muß man zuerst eine gleiche Schale aus ganz dünnem Eisenblech herstellen, aber um eines Messers Dicke größer als das gewünschte Werkstück. Dann nimmt man die also gefertigte Eisenschale und bestreicht sie inwendig mittels eines Pinsels mit einer dünnen Lehmpaste. Diese Paste besteht aus sehr gut gemahlenem Ton, Tripel erde und Scherwolle. Dann nimmt man gezogenen Golddraht von der Dicke, die der kluge Meister bestimmt, so daß er der Wandung der fertigen Schale entspreche. Dieser Draht soll so berechnet sein, daß er durch Flachschlagen auf einem fein polierten Amboß zu einem Band von etwa zwei Messerrücken Breite und so dünn wie ein Papier wird. Dieses Ausschmieden muß ganz gleichmäßig geschehen. Dann wird der Draht geglüht, damit er sich mit einer Pinzette leicht biegen läßt. Und jetzt beginnt man, seinen schönen Entwurf vor sich, aus diesen flachen Streifchen auf der Innenseite der Eisenschale die ersten Motive der verschiedenen Partien festzulegen und sie nacheinander mit Tragantleim auf die Lehmpaste zu kleben. Wenn so die wichtigsten Motive fixiert sind, werden nach und nach alle Einzelteile des Entwurfs, Blatt für Blatt, fein säuberlich in der gleichen

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Art eingeordnet. Ist das getan, müssen die verschiedenen farbigen Emails fein zerstoßen und gewaschen bereit sein. Nun ließe sich das Werk vor dem Emaillieren auch noch löten (wie ich es vordem beim Filigranlöten beschrieben habe), es geht aber nach beiden Methoden: gelötet und nicht gelötet. Wenn all diese Vorbereitungen mit Fleiß abgeschlossen sind, füllt man die Zellen der Trinkschale mit den Emailfarben auf, stellt sie in den Ofen und läßt das Email im kleinen Feuer schmelzen. Dann füllt man reichlich Email nach, macht ein kräftiges Feuer und, nachdem man kontrolliert hat, ob stellenweise noch Email nachgetragen werden muß, macht man ein besonders heißes Feuer, wie es das Werk und das Email eben noch erträgt. Jetzt kann das Werk leicht aus der Eisenschale gelöst

werden, weil die Lehmschicht das Anhaften des Emails verhindert hat. Mit speziellen Sandsteinen und Wasser wird das Email dann geschliffen, innen und außen, bis alles gleichmäßig glatt und so dünnwandig ist, wie man es als schön und gut empfindet. Anschließend poliert man mit anderen, viel feineren Steinen und zuletzt noch mit Tripelerde und einem Schilfrohr (wie beim Niello schon beschrieben), bis alles sich auf sauberste darbietet.« Als der herrliche König Franz das vernommen hatte, sagte er, daß, wer eine Sache so beschreiben könne, sie auch gut auszuführen in der Lage wäre, und daß ihm das, was er für unmöglich gehalten, so vortrefflich expliziert worden sei, daß er meine, es nun wirklich selbst tun zu können, und er überhäufte mich mit so großem Wohlwollen, wie man es sich überhaupt nur vorstellen kann.

Kommentar zu Kapitel II: Filigranbelötung und Fensteremail

»Die Drahtarbeit« ist also eine treffliche Überschrift, um Filigranbelötung und Fensteremail unter ein gemeinsames Dach zu bringen. Filigranarbeit. Zu Cellinis Zeiten war silberner Filigranschmuck besonders auf dem Lande fester Bestandteil der festlichen Kleidung, und diese Tradition hat sich nicht nur in Italien, sondern auch auf dem Balkan und sogar in Deutschland bis ins 19. Jahrhundert fortgesetzt. Er zählt eine Reihe von Anwendungsbeispielen auf, die zu seiner Zeit üblich waren. Wir können davon ausgehen, daß die Filigranornamente generell auf ein Grundblech gelötet wurden, gelegentlich wurde das Blech zwischen den Filigranornamenten durchbrochen, das Ä-jour-Filigran als reines Drahtgitter war noch nicht üblich. Es gab zahlreiche Spezialisten, die sich ganz auf diese dritte Haupttechnik des Goldschmiedehandwerks festgelegt hatten und die von ihm nicht belehrt werden mußten. Er wendet sich an gestandene Goldschmiede, die - so wie er selbst - nur gelegentlich damit zu tun haben, um sie durch die Vermittlung seiner eigenen Erfahrungen weiterzubilden. Für seine Leser war es selbstverständlich, daß solche Arbeiten aus Feinsilber oder doch sehr reinem

In der gedruckten Ausgabe von 1568 ist es die dritte der acht Haupttechniken, und er überschreibt das diesbezügliche Kapitel »DELL'ARTE DEL LAVORARE di Filo, del modo di far la Granaglia & de Saldare« - Uber die Kunst der Drahtarbeit, über das Verfahren der Herstellung von Granalien und über das Löten. Jetzt heißt es einfach nur »U lavorar di filo«. Fröhlich machte daraus »In Filigran zu arbeiten«. Das ist aber nicht korrekt, denn im italienischen Originaltext des ganzen Kapitels kommt der Begriff »filigrana« - den wir aus dem Italienischen übernommen haben, und der so viel heißt wie »gekörnter Draht« - niemals vor. Das Kapitel besteht aus zwei Teilen: - Daß es im ersten um Filigranbelötungen geht, mußte er seinen Fachkollegen nicht erklären, das war selbstverständlich. - Beim anschließenden Fensteremail konnte man nur glatte Stege ohne Körner benutzen, denn diese Stege wurden ja zum Schluß zusammen mit dem Email glattgeschliffen.

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Silber gemacht, die Ornamente aus flachgeschlagenem Korndraht gebogen und auf das Grundblech aufgelötet wurden. Sie wußten alle, wie man aus Runddrähten Perldrähte macht und wie man diese dann zu Filigrandrähten flachschlägt, deshalb sagt er darüber nichts. Wichtig erschien ihm der Hinweis, daß man ein Sortiment von Drähten unterschiedlicher Dicke braucht. Herstellung von Perldrähten nach Theophilus (j. Buch; Kapitel IX und X). Bei Theophilus finden wir die genaue Beschreibung des Herstellungsverfahren solcher Perldrähte, die zu Schnörkeln und anderen Ornamentformen gebogen und zwischen die Steinfassungen aufgelötet wurden. Besonders dünne Runddrähte werden mit der »Feile mit der unteren Rille« (Kapitel X) bearbeitet, indem man den Draht auf ein Holzbrett legt und quer dazu mit leichtem Druck das Werkzeug darüber rollt. In den weichen Feingold- oder Feinsilberdraht schneiden die beiden scharfen Kanten des Werkzeugs ein, während gleichzeitig mit der dazwischen liegenden Rille die Perlform eingewalzt wird. Ein solcher Perldraht wird dann flachgeschlagen, so daß ein schmaler, dünner Metallstreifen mit gekörnter Kante entsteht, der »Filigrandraht«. Für dickere Drähte empfiehlt Theophilus das »Organarium« (Kapitel IX), ein Prägewerkzeug, mit dem die Perlen in den Runddraht eingeschlagen werden. Erforderliche Werkstoffe und Werkzeuge. Bleche. Das klingt so einfach »... wird zuerst ein Silber- oder Goldblech vorbereitet ...«(Kapitel IX). Er konnte nicht einfach bei der Scheideanstalt ein passendes Blech bestellen, er konnte ja nicht einmal den gegossenen Planschen in der Blechwalze auswalzen. Er war wirklich noch Goldschmied, denn er mußte den gegossenen Rohling auf dem Amboß bis zur erforderlichen Blechdicke ausschmieden und dann planieren. In den Kapiteln V I I und X X I I beschreibt er, wie das gemacht wurde. Drähte. Die von ihm geforderten vier verschiedenen Drahtsorten unterschiedlicher Dicke kann man sich so vorstellen, daß die dünnen Drähte für die eigentlichen Filigranornamente benutzt werden, die dickeren für die

Vierkantdrähte der Rahmen, in die die Filigranornamente eingelegt werden und mit denen die Gesamtgestaltung gegliedert wird. Granalien. So wie er es beschreibt, kann man sie nicht herstellen, es würde in dem Holzkohlepulver nur ein massiver Metalklumpen erstarren. Nach dem auch heute noch üblichen Verfahren werden kleine Blech- oder Drahtabschnitte in Holzkohlepulver eingebettet, bis zur Schmelztemperatur erhitzt, so daß sie sich, durch das Pulver fein getrennt, zu einzelnen Kügelchen zusammenziehen. Gröbere Granalien bekommt man, wenn die Schmelze aus dem Tiegel durch einen Reisigbesen in Wasser gegossen wird. Möglicherweise sind beide Verfahren durcheinander geraten. Drittellot. Es wird das »Drittellot« verwendet, bestehend aus Silber und % Kupfer, und damit bekommen wir die erste Information über die Löttechnik. Es ist die Legierung Ag 667, ohne weitere Zusätze, die sehr dicht beim eutektischen Minimum Ag 720 liegt. Mit dem erwähnten Messing-Zusatz käme Zink in das Lot, die Arbeitstemperatur des Lotes, aber auch die Festigkeit der Verbindung würden deutlich verringert. Es ist anzunehmen, daß für die Drahtbelötungen die gleiche Legierung benutzt wird, die für die lebensgroße Figur (Kapitel X X V ) empfohlen wird: Ag 958. Alle Arbeitslegierungen, die weniger als 910 Tausendteile Silber enthalten, beginnen - ebenso wie die Lotlegierung Ag 667 - bei eutektischer Temperatur (779 °C) zu erschmelzen und können deshalb nicht mit dem Drittellot gelötet werden. Theophilus (3. Buch; Kap. X X X I ) beschreibt die gleiche Silber-Kupfer-Legierung Ag 667 als Lot für die Montage der Henkel an den Kelch; zu seiner Zeit wurde das Silber noch in fast reiner Form verwendet. Weil hier erstmalig eine Metallegierung erwähnt wird, fügen wir hier eine Ubersicht aller von (Zellini beschriebenen Gold- und Silberlegierungen ein. Technologie der Belötung. Drähte und Granalien werden mit Tragantwasser aufgelegt und festgeklebt. Dieser organische Kleber hält die Teile bis zur Belötung fest, in der Hitze zerfällt er dann ohne Rückstände. Als Lötmit-

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Kapitel

Bezeichnung

Zusammmensetzung

Feingehalt in Karat bzw. L o t

Feingehalt in Tausendteilen

Schmelzbereich

12

Gold-Arbeits-Legierung

22 Vi Karat Au; 1 Vi Karat Zusatz

12 Vi Karat

938

1050-1030

12

Goldlot

6 Karat Au; i'Ä Karat Ag; 1 Vi Karat Cu

16 Karat

667

900-870

25

Silber-Arbeits-Legierung

11 Vi Lot Ag; X Lot Cu

958

930-900

2

5

Achtellot

% Unze Cu; 1 Unze Ag

14

889

870-779

25

Fünftellot

V Unze Cu; 1 Unze Ag

13

OO

830-779

2

Drittellot

i UnzeCu; 2 Unzen Ag

ioY,

667

810-779

tel wird Borax verwendet, von dem jeweils ein Teil mit drei Teilen Lotfeilung vermischt wird. Die von Cellini erwähnte Streulotbüchse ist die Weiterentwicklung der schräg angeschnittenen Gänsefeder, mit der Theophilus das Lotpulver auftrug. Zum Löten soll der gleiche Ofen benutzt werden wie beim Emaillieren, wir erfahren aber weder hier noch dort, wie der Ofen wirklich beschaffen ist. Vermutlich handelt es sich um eine liegende Tonmuffel, die ringsum in glühende Holzkohlen eingebettet worden ist. In der Muffel wird das Werkstück vor Schmutz und Ascheteilchen geschützt. Wenn die Belötung abgeschlossen ist, wird abgebeizt. Das weiße Feinsilber hat sich in der Hitze nicht verändert, nur das Lot hat Oxyde gebildet, Borax muß abgelöst werden. Als Beizlösung genügt deshalb die wäßrige Lösung von Weinstein (Kaliumhydrogentartrat) und Kochsalz (Natriumchlorid) im Verhältnis 1:1. Für Gold wird unverdünnter Essig empfohlen. Trinkschale aus Fensteremail. Cellini lockert seine technischen Berichte mit dieser wirkungsvollen Erzählung auf, in der er sich gut in Positur setzen kann, denn obgleich er diese Arbeit gar nicht selbst gemacht hat, wird er vom König bewundert und gelobt. Tatsächlich ist seine Beschreibung des Herstellungsprozesses so an-

schaulich und absolut zuverlässig, daß man sich das Verfahren gut vorstellen kann. Die Form des Gefäßes beschreibt Cellini mit folgenden Worten: »... una tazza senza piede da bere ed era di una certa ragionevole grandezza.« Unsere übliche Kaffetasse mit Henkel ist tatsächlich von der italienischen »tazza« als Lehnwort übernommen worden, das war aber lange nach Benvenutos Vortrag über das Email ä jour. Zu seiner Zeit war die tazza, eine schlichte fußlose Schale, aus der beim höfischen Festmahl der Wein getrunken wurde. Für die Trinkschale braucht man zunächst als Hilfskonstruktion eine entsprechende Schale aus Stahlblech, die etwas größer sein muß, damit zur Isolierung auf deren Innenseite eine Paste aus Ton, Tripel und Scherwolle aufgestrichen werden kann. Scherwolle oder andere organische Stoffe werden dem Ton zugesetzt, damit er in der Hitze nicht reißt. Bis in die Gegenwart werden Arbeiten aus Fensteremail - das auch als Email-ä-jour bezeichnet wird - wegen der faszinierenden Lichtwirkung des durchsichtigen, farbintensiven Emails hoch geschätzt. Für den praktischen Gebrauch sind sie viel zu empfindlich, es sind reine Ziergegenstände.

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Kapitel III

Von der Kunst des Emaillierens Emailzentrum Florenz I Gestaltung des Metallreliefs I Transparentes rotes Email I Zerreiben des Emails \ Caradosso I Aufbewahrung des Emails I Uberprüfen des Emails I Auftragen des Emails I Brennen des Emails I Nachbehandlung der Emailarbeit I Emails auf ziselierten Blechreliefs Emailzentrum

Florenz

Laßt uns nunmehr von der schönen Kunst des Emaillierens reden und uns dabei der tüchtigen Männer erinnern, die sie am vollkommensten beherrschten. Anhand der Erfahrung ihres Schaffens wird sodann gezeigt, wie schön, aber auch wie schwierig sie auszuüben ist und welche Unterschiede zwischen einer wirklich guten und einer weniger guten Arbeit bestehen. Wie ich schon am Anfang meines Buches sagte, wurde die Kunst des Emaillierens vor allem in Florenz gepflegt und beherrscht, und ich bin nach wie vor der Meinung, daß in allen Ländern, in denen sie ebenfalls und in der richtigen Art betrieben wird, wie in Frankreich und in Flandern, sie diese von uns Florentinern gelernt haben. Weil sie aber wußten, wie schwierig diese ursprüngliche Technik ist und daß sie sie kaum je selber erreichen würden, suchten sie nach einer weniger mühsamen Art und Weise und übten sich darin so lange, bis sie beim Volk als gute Emailleure anerkannt worden waren. Wie es denn wahr ist, daß fleißiges Üben einer Sache dem Menschen Sicherheit in seiner Kunst verleiht, ihn darin auch zur Theorie hinführen kann, trifft dies eben auf viele von jenseits der Alpen zu.

Gestaltung des Metallreliefs Die ursprüngliche und schöne Art der Emailarbeit, von der nun berichtet werden soll, entsteht auf folgende Weise (Tafel II und Tafel X I X ) . Zuerst wird eine goldene oder silberne Platte vorbereitet, die in Größe und Form dem geplanten Werk angepaßt ist. Dann macht man einen Kitt aus bestem griechischen Pech, feinstem Zie-

gelmehl und Wachs. Je nach Jahreszeit nimmt man im Winter mehr, im Sommer weniger Wachs. Diesen Kitt streicht man auf ein Brett, das deinem Werk entsprechend größer oder kleiner ist. Die Platte erhitzt man, drückt sie fest auf den Kitt und reißt mit dem Zirkel ringsum einen Rand von der Breite eines Messerrückens an. Ist das so weit vorbereitet, vertieft man mit dem Flachstichel die ganze Fläche der Platte um soviel, wie man zum Einfüllen des Emails braucht. Auf den Boden dieser Grube wird alles, was man gravieren möchte, eingezeichnet, sei es eine Figur, ein Tier oder ein Motiv mit mehreren Figuren, und dann wird mit größtmöglicher Sorgfalt das Motiv als Flachrelief geschnitten, etwa zwei Blattdicken gewöhnlichen Papiers tief. Dieses Flachrelief muß mit feinsten Werkzeugen graviert werden, besonders die Konturen, und falls es sich um Figuren mit drapierten Gewändern handelt, achte man darauf, daß die feinen Stoffe durch reichen Faltenwurf so recht zur Geltung kommen. Um Damaststoff darzustellen, legt man viele Falten und graviert die Stoffmuster mit Blumen und anderen Motiven. Man muß sehr sorgfältig arbeiten, um das Reißen und Abspringen des Emails nach dem Brennen zu verhüten und um das Werk durch feine Gravur zu verschönern. Man beachte, daß das Werk niemals mit Punzen und Hammer bearbeitet werden darf, weil das Email darauf nicht haftet oder doch stumpf und trübe wird. Während des Gravierens wird die bearbeitete Fläche zwischendurch mit Holzkohle vom Weidenbaum oder vom Haselnußstrauch zusammen mit Wasser oder Speichel abgerieben, um die Gravur besser beurteilen zu können, weil der Glanz, der durch die Werkzeuge auf dem Metall entsteht, die genaue Kontrolle behindert. Während der Bearbeitung wird die Arbeit ziemlich schmierig und schmutzig werden. Deshalb muß man sie, so bald sie beendet ist, in einer Aschenlauge kochen, genauso, wie ich es beim Niellieren schon beschrieben habe.

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Transparentes rotes Email Nehmen wir an, daß du dein Werk auf Gold emaillieren willst - und ich will zuerst davon reden, nicht vom Emaillieren auf Silber - so gibt es einen kleinen Unterschied, auch wenn du beide, Gold und Silber, mit gleicher Sauberkeit vorbereitet hast: Rotes durchsichtiges Email läßt sich auf Silber nicht verwenden, weil es darauf nicht haftet. Zu erklären, warum das so ist, würde zu weit führen und auch nichts nützen, deshalb geben wir uns nur mit solchen Dingen ab, die unserem Zweck dienen. Ich will auch nicht vom Herstellungsverfahren der roten Emails sprechen, die schon in der Antike benutzt wurden und damals schon von tüchtigen Fachleuten entwikkelt worden sind. Mit Sicherheit weiß man, daß die Alten jene feine Sorte des roten Emails noch nicht kannten, sondern daß es von einem Alchimisten, der auch Goldschmied war, entdeckt worden ist. Es wird erzählt, daß dieser Alchimist beim Versuch, aus einer bestimmten Mischung Gold zu machen, als Ergebnis seiner Arbeit im Tiegel neben dem Metall eine herrliche rote Glasschlacke vorfand, so schön, wie es vorher noch nie ein Glas gegeben hatte, so daß er, im Ergebnis dieser Erfahrungen durch Mischen mit anderen Gläsern - und nach Überwindung großer Schwierigkeiten und nach vielen Versuchen - endlich die Methode zur Herstellung dieses Glases fand. Dieses unübertroffen schöne Email heißt bei den Goldschmieden »smalto roggio«, in Frankreich »rogia chlero«, was so viel sagen will, wie »rot und klar«, also durchsichtig. Es gibt noch eine ganz andere Art von rotem Email, die nicht durchsichtig ist und keine so schöne Farbe hat. Dieses Email wird auf Silber angewandt, was bei dem anderen nicht möglich ist. Ich habe mit beiden schon viele Versuche gemacht und kann dies mit Gewißheit bestätigen. Das durchsichtige Email haftet deshalb so gut auf dem Gold, weil es bei dem Versuch, aus den verschiedenen Mineralmischungen Gold zu machen, entstanden ist. Doch kehren wir zur Kunst des Emaillierens zurück.

Zerreiben des Emails Emaillieren ist wie Malen, denn die Emails gibt es in allen dem Menschen bekannten Farben. Will man emaillieren, sollen die Emails zunächst ordentlich vorbereitet werden, indem man sie vor allem gut zerstößt. Es gibt einen Spruch in unserem Beruf: »Smalto sottile e niello grosso«, das heißt »Email muß feinkörnig, Niello grobkörnig sein«, und so ist es denn auch in der Praxis. Gemacht wird dies nun auf folgende Weise: Man legt die Emailstücke in eine runde Schale aus gut gehärtetem Stahl von der Größe einer hohlen Hand und zerstößt in ganz sauberem Wasser mit einem speziell und in der richtigen Größe für diesen Zweck geformten, kleinen Stahlstößel. Es gibt Künstler, die ihr Email auf Porphyr oder Serpentinstein - die beide sehr hart sind - ohne Wasser reiben (Bild 3.1).

Es im genannten Stahlmörser zu tun, ist aber der größeren Sauberkeit wegen vorzuziehen. Es ließen sich noch andere Gründe für meine Ansicht anführen, um aber kurz zu sein und unnötige Schwierigkeiten und zwecklose Auseinandersetzungen zu vermeiden, tue ich euch jedoch noch zu wissen, daß besagte Mörser in Mailand hergestellt werden. Caradosso Viele vortreffliche Meister stammen aus dieser Stadt und ihrem Gebiet. Einen ihrer besten, mit dem Spitznamen Caradosso, kannte ich persönlich. Er wollte nicht, daß

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man ihn anders nannte. Diesen Spitznamen gab ihm einst ein Spanier. Der Meister hatte diesem versprochen, eine Arbeit auf einen bestimmten Tag auszuliefern. Als der Spanier sie dann aber zur gewünschten Zeit nicht erhielt, sondern noch länger darauf warten mußte, geriet er in Wut und zeigte Lust, ihm irgend etwas Übles anzutun. Caradosso, erschrocken von solchem Zorn, entschuldigte sich im Ton seines ungehobelten Mailänder Dialekts so gut er konnte, so daß der stolze Spanier ihn laut auslachte und ihm zurief: »Hai cara d'osso«, was so viel heißen sollte, wie: »Du hast ja ein Gesicht wie dein Hintern.« Der Tonfall der Worte gefiel Caradosso so sehr, daß er nie mehr auf einen anderen Namen hören wollte. Als er später dann erfuhr, was er in Wahrheit besagte, wäre er ihn gern wieder losgeworden, aber natürlich ohne Erfolg. Als ich ihn in Rom kennenlernte, war er schon bald achtzig Jahre alt, doch hörte ich nie, daß er mit anderem Namen genannt wurde als eben Caradosso. Dieser Mann war ein großer Könner in der Goldschmiedekunst, ganz besonders in der Kunst des Emaillierens. Wir werden später noch von ihm reden. Aufbewahrung des Emails Fahren wir nun aber in der schönen Kunst des Emaillierens fort. Wie ich oben schon erwähnte, ist es besser, das Email mit Wasser in besagtem Stahlmörser zu reiben. Eigene Erfahrung lehrte mich, das Email, sobald es fein gerieben ist, des Wassers zu entledigen, das Gemahlene in eine kleine Glasschale umzugießen und mit Scheidewasser bündig zu bedecken, um es darin während einer Achtelstunde zu belassen. Ist das gemacht, wäscht man das Email in einer kleinen Glasschale mit viel sauberem, frischem Wasser aus, bis keine Verunreinigungen mehr darin sind. Wisse, daß jenes Scheidewasser das Email von jedem Fett reinigt, das Wasser aber von jeder Erde. Jeder solcherart mit Sorgfalt gereinigte Farbton wird nun in einer kleinen Flasche aus Glas oder glasiertem Ton aufbewahrt. Man achte darauf, daß das Wasser nicht

verdunste, weil durch das Zugießen von neuem Wasser das Email verdorben würde. Überprüfen des Emails Nun höre gut zu! Wenn du willst, daß die Emailarbeit schön werde, nimm ein Stück ganz sauberes Papier und zerkaue es zwischen deinen Zähnen, was ich leider nicht machen kann, weil ich keine mehr habe. Wer es nicht kauen will, soll es einweichen und dann mit einem Holzoder Steinstößel nach Gutdünken zerquetschen. Dies gemacht, spülst du die Papiermasse gründlich aus, drückst alles Wasser heraus und verwendest sie wie einen Schwamm, indem du dein aufgetragenes Email damit von Zeit zu Zeit betupfst. Beachte: Je mehr dies dadurch trocknet - desto schöner wird es. Ich will nicht unterlassen, dir auch noch eine andere, wichtige Erfahrung weiterzugeben, wovon das gute oder schlechte Gelingen deiner Arbeit abhängt, noch bevor du mit dem Brennen deines Werkes beginnst. Nimm eine kleine goldene oder silberne Platte, die der zum Emaillieren vorbereiteten Arbeit entspricht. Auf diese Platte sagen wir, sie sei aus Gold - kommen alle Farbemails, die du verwenden willst. So viele verschiedene Emails es sind, so viele kleine Gruben gravierst du in diese Platte. In jede Grube füllst du jeweils eines der Emails, um eine Arbeitsprobe zu brennen, wie es die Kunst des Emaillierens verlangt, um zu erfahren, wann jedes Email schmilzt. Sie müssen alle gleichzeitig schmelzen! Wenn nämlich eines eher fließt, ein anderes aber später, so schaden sie sich gegenseitig, und das würde zu nichts Gutem führen. Auftragen der Emails Nachdem du dies alles vorbereitest hast, kannst du mit dem Emaillieren beginnen, indem du von den geschlämmten, sauberen Farben etwas auf das gravierte Relief aufträgst, wie wenn du malen würdest. Dabei mußt du immer darauf achten, daß deine Emails im Vorratsgefäß vom Wasser bedeckt bleiben, und daß du nur gerade

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soviel aus dem Gefäß herausnimmst, wie für die erste Beschichtung gebraucht wird. Üblicherweise fertigt man sich zu diesem Zweck noch ein Hilfsmittel an, das wir Palettenhalter nennen (Bild 3.2). Es besteht aus fünf bis sechs fingerlangen und etwa fingerbreiten, aus dünnem Kupferblech ausgeschnittenen Schäufelchen. Dazu gehört ein Bleisockel in Form einer Birne mit einem Stiel aus Eisendraht, und nachdem wir in jedes Schäufelchen ein Loch gebohrt haben, stekken wir sie übereinander auf den Stiel und stellen das Ganze vor uns hin.

Von diesen kleinen Palettchen, die wie Finger sind, fächert man so viele auf, wie man braucht, um die verschiedenen Emails eines nach dem anderen mit Sorgfalt in sie einzufüllen. Wirklich klug zu arbeiten, kann man nicht durch Worte erlernen, aber man kann von solchen Belehrungen ausgehend Erfahrungen sammeln und daraus lernen. Das Emaillieren gleicht, wie schon gesagt, dem Malen, nur daß man bei den üblichen Malverfahren die Farben mit Wasser oder Öl anrührt, während das Email dagegen im Feuer aufgeschmolzen wird. N u n nimmst du einen kleinen Kupferspatel und trägst von all den Farbemailsorten sorgfältig eine dünne Schicht auf das Flachrelief auf: Inkarnat, Grün, Rot, Violett, Gelbbraun, Blau, Grau und »Mönchskapuze« (so heißt dieser Farbton). Ich

erwähne weder Gelb, Weiß oder Türkisblau, weil sie nicht auf Gold verwendet werden. Ein Email habe ich noch vergessen, Aquamarin, eine herrliche Farbe, die man sowohl auf Gold als auch auf Silber verwendet. Wenn du jetzt all die verschiedenen Farben aufträgst, achte darauf, daß dieser erste Emailbelag ganz dünn ausfällt und daß du jede einzelne Farbe mit größter Sorgfalt genau an ihren Platz bringst, als handle es sich um eine Miniaturmalerei.

Brennen des Emails Ist das gemacht, muß dein Holzkohlenfeuer bereits angezündet sein. Von den vielen Öfen, die man verwendet, werde ich dir später denjenigen beschreiben, der der beste ist, auch wie er gebaut werden soll. Wenden wir uns wieder dem Ofen zu. Das Feuer muß dem Werk angepaßt sein. Sobald es gut brennt, legst du deine goldene Arbeit auf eine Eisenplatte, die ringsum soviel größer ist, daß man sie noch mit der Zange anfassen kann. Du ergreifst die Eisenplatte also mit der Zange, näherst dich langsam dem Ofenloch, so nahe, daß sie anfängt, warm zu werden. Dann schiebst du sie nach und nach weiter hinein, und wenn sie recht heiß ist, stellst du sie mitten im Ofen ab. Jetzt Vorsicht! Sobald das Email sich zu »bewegen« beginnt, das heißt, daß es gerade anfängt zu schmelzen, du sollst es nicht glatt zerfließen lassen - ziehst du es aus dem Ofen, aber langsam, damit es nicht zu rasch abkühlt. Nachdem es ganz kalt geworden ist, trägst du die zweite Emailschicht auf, mit der gleichen Sorgfalt wie vorhin, stellst es in der eben beschriebenen Weise wieder in den Ofen, diesmal bei stärkerer Hitze, nimmst es nochmals heraus und prüfst, ob es stellenweise, etwa in den Ecken, noch mehr Email benötigt, soviel wie es die Sache verlangt und dich Erfahrung und Einsicht lehren. Schütte frische Holzkohlen auf und fache ein helles Feuer an. Ist es so weit, setze dein Werk erneut in die Glut und erhitze es so stark, wie es Gold und Silber gerade noch vertragen. Ziehe es rasch heraus. Es soll ein Lehrling dabeistehen, der, sobald du dein Werk aus dem Ofen genommen hast, mit einem kleinen

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Blasebalg darauf bläst, um es möglichst schnell abzukühlen. Dies tue des vorher angeführten roten Emails wegen, dem »smalto roggio«, das die Eigenschaft hat, im zweiten großen Brand, wenn alle Emails fließen, nicht nur zu schmelzen, sondern zugleich anstatt rot gelb zu werden, so gelb, daß man es vom Gold gar nicht mehr unterscheiden kann, was man in der Fachsprache »aprire«, »öffnen«, nennt. Wenn dann das Stück abgekühlt ist, nimmt man es wieder auf und legt es erneut in den Ofen, diesmal, im Gegensatz zu vorher, bei ganz schwachem Feuer. Du wirst nun merken, daß das Gelb wieder zu Rot wird. Beobachte aber scharf, denn in dem Moment, wenn die gewünschte schöne Farbe erreicht ist, muß es sofort aus der Hitze genommen und mit dem erwähnten Blasebalg abgekühlt werden. Mehr Wärme ließe die Farbe so nachdunkeln, daß sie schwarz würde. Nachbehandlung der Emailarbeit Wenn du alles nach Wunsch bis hierhin gebracht hast, nimmst du die Schleifsteine - das sind die Sandsteine, von denen ich im Zusammenhang mit dem Gefäß aus äjour-email in der Unterhaltung mit dem französischen König Franz I. gesprochen hatte - und beginnst mit diesen Schleifsteinen von deiner Arbeit soviel abzunehmen, wie für eine befriedigende Transparenz und für die angestrebte Schönheit des Flachreliefs erforderlich ist. Zuletzt wird es noch mit Tripelerde poliert, wie ich ebenfalls an jener Trinkschale beschrieben hatte, weil es die sicherste und beste Methode ist, um eine solche Emailarbeit von Hand fertigzustellen. Man kann den Glanz des Emails auch auf folgende Weise wiederherstellen: Nachdem du dein Email mit den Schleifsteinen abgeschliffen und mit frischem Wasser so gut ausgewaschen hast, daß es völlig schmutzfrei geworden ist, stellst du es wieder auf die Eisenplatte, heizt den Ofen erneut mit frischen Holzkohlen auf und schiebst dein Werkstück ganz langsam hinein, damit es nicht zu rasch heiß wird. Laß es so lange im Ofen, bis du siehst, daß alles Email glatt und sauber schmilzt.

Diese Methode ist zwar viel rascher als die andere, wisse aber, daß dein Werk auf diese Weise nie so glatt wird, wie wenn es von Hand poliert worden wäre, weil alle Schmelzen die Eigenschaft haben, sich im Feuer zusammenzuziehen, und das ist nicht bei allen Emails gleich, wie ich eben im Zusammenhang mit dem roten Email, »rogia clero«, erläutert habe. Beachte auch, daß dort, wo kein solches Rot an dem Werkstück verwendet wurde - zum Beispiel bei Emails auf Silber - und du deine Emailarbeit zum Glanzbrennen in den Ofen stellst, beim Herausnehmen genau das Gegenteil des raschen Abkühlen des roten Emails gemacht werden muß, nämlich langsam aus dem Feuer herausziehen und dann von selbst abkühlen lassen. Email auf ziselierten Blechreliefs Es gibt viele Dinge, die man emailliert: Ornamentteile von Anhängern, Verzierungen von Juwelen und vieles andere mehr, die man nicht mit dem Schleifstein glätten kann, wie etwa ziselierte Reliefs von Früchten, Blättern, kleinen Tieren und Masken, die mit feingeriebenen, sorgfältig gewaschenen Emails belegt werden. Weil man ziemlich lange Zeit braucht, um mit Geduld und Sorgfalt diese Farben aufzutragen, kann es geschehen, daß sie austrocknen und dann beim Drehen und Wenden abfallen. Um das zu vermeiden, nimmt man gesunde Quittenkerne und legt sie über Nacht in ein Glas mit wenig Wasser ein. Größte Sauberkeit ist erforderlich! Wenn du mit dem Emailauftrag beginnen willst und in die Schäufelchen des Palettenträgers die Emailportionen verteilt hast, gib je einen Tropfen des Quittensafts in jedes Email, und erst dann trage es auf. Dieser Quittensaft wirkt als Kleber, so daß das Emailpulver nicht mehr abfallen kann. Es gibt keinen anderen Kleber, der damit vergleichbar wäre. Für alles andere halte dich gewissenhaft an die beschriebenen Methoden. Was das Emaillieren betrifft, finde ich zwischen Gold und Silber keinen anderen Unterschied als das Verhalten des eben erwähnten roten Emails.

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Kommentar zu Kapitel III: Florentiner Emailkunst

Cellini informiert uns sehr genau über die wichtigsten Emailtechniken seiner Zeit. Aus eigener Erfahrung kann bestätigt werden, daß alle Verfahrensbeschreibungen so klar und verständlich sind, daß keine weiteren Erläuterungen nötig sind. Das durchsichtige rote Email auf Goldgrund gilt auch heute noch als die Krönung edler Emailgestaltung und bereitet den Emailleuren immer noch Schwierigkeiten. Interessant ist der Hinweis auf das undurchsichtige Rot und damit auf die ersten Anfänge des Emails in altrömischer Zeit. In dem erwähnten Stahlmörser wurde das Email grob zerstoßen, auf dem Stein dann fein zerrieben. Wir behandeln auch heute noch die durchsichtigen Emails mit etwas Salpetersäure, um deren Leuchtkraft zu erhöhen. Das vorbereitete Email unter Wasser aufzubewahren, hat sich bis heute bewährt. Im vorigen Kapitel wurde gesagt, daß für die Filigranbelötung der Emailofen benutzt wird, der in diesem Kapitel beschrieben werden soll. Es ist bei der Absicht geblieben. Nur indirekt erfahren wir etwas über den Ofen: Das Eisenblech mit der Emailarbeit wird mit der Zange gehalten, am Ofenloch vorgewärmt, langsam hineingeschoben und abgestellt; nach dem Brand »ziehst du es aus dem Ofen«. In waagerechter Bewegung wird das Werkstück also in den Ofen hineingeschoben und wieder herausgeholt. Theophilus bedeckte die Emailplatte mit einer durchlochten Eisenglocke und häufte ringsum die Holzkohlen an ( T H E O P H I L U S 3 / 5 4 ) , hier - bei Cellini - könnte es sich um eine rohrförmige Tonmuffel handeln, um die ringsherum glühende Holzkohlen angehäuft wurden. In der Umgangssprache schiebt ja heute noch die Hausfrau den Kuchen »ins Rohr« und meint damit den Backofen des Elektroherds. Folgende Emailtechniken werden beschrieben: - Fensteremail (email-ä-jour) wurde bereits im vorigen Kapitel im Gespräch mit dem französischen König behandelt.

- Tiefschnittemail. Es ist das wichtigste der damals üblichen Verfahren, deshalb ist es auch der Hauptgegenstand des Kapitels. - Emaillierte Reliefziselierung. Farbige Schmuckstücke waren sehr beliebt. Die Farbigkeit der Edelsteine wurde mit den Emails ergänzt. Tiefschnittemail. Seit dem 14. Jahrhundert wurde auch in Deutschland gotisches Kirchengerät mit derartigen silbernen Email-Medaillons verziert. Wie das gemacht wurde, erfahren wir nun von Cellini. Das Verfahren beruht auf folgendem Prinzip: Ein graviertes Flachrelief wird mit leicht farbigem, durchsichtigem Email überschmolzen. In Abhängigkeit von der Emaildicke erscheint dieses Email heller oder dunkler, und so wird die Plastizität des Reliefs noch unterstützt. Das glanzgeschnittene Silber ist ein idealer Reflektor für das durchsichtige Email. Aber, und das ist der eigentliche Nachteil des Verfahrens, das Email hat auf Silber nur eine geringe Haftfähigkeit, es platzt also leicht ab, und es gibt nur noch wenige historische Stücke mit unbeschädigtem Emailüberzug. Cellini behandelt das Tiefschnittemail anhand gravierter Medaillons aus Feingold, seine Kunden konnten sich das leisten. Gegenüber dem Silber hat das Gold einige bedeutende Vorzüge: Das Email haftet auf dem Gold wesentlich zuverlässiger. Der warme Gelbton veredelt die Farbwirkung der durchsichtigen Emails. Das durchsichtige Rot leuchtet besonders brillant. Feingold ist der ideale Rezipient für alle Emails, es ist aber auch die Ursache für die Vernichtung fast aller dieser Emailarbeiten, die in den folgenden Jahrhunderten der Gier nach Gold zum Opfer fielen und im Schmelztiegel endeten. Emaillierte Reliefziselierung. Am Ende des Kapitels geht Cellini auf eine Spezialität des RenaissanceSchmucks ein. Besonders bei Anhängern waren emaillierte Figürchen, Tiermotive, Pflanzen und Blüten, alle möglichen Ornamentformen sehr beliebt, die zusammen mit den Farbsteinen die Polychromie dieser Schmuckstücke bestimmten. Die Schmelztemperatur der Emails

Kapitel IV

ist höher als die Arbeitstemperatur der Lote, im Brennofen würde ein montiertes Schmuckstück zerfallen. Deshalb werden die emaillierten Zierteile mit Hilfe von Stiften auf einer gemeinsamen Grundplatte befestigt, wobei durch unterschiedliche Stiftlängen eine beachtliche Räumlichkeit der Gesamtkomposition erreicht werden kann. Das Risiko des Emailbrandes beschränkte sich dadurch immer nur auf eines der zahlreichen Kleinteile. Wichtig war dem Autor der Quittensaft als Haftmittel, denn nur damit konnte man das Emailpulver bis zum Brand an der gewölbten Metallfläche festhalten.

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Juwelenarbeit Die wahren Edelsteine I Der Rubin, Stein des Feuers I Juweliere, Edelsteine und Schmucksteine I Nochmals vom Rubin Die wahren Edelsteine Jetzt wollen wir von der Juwelenarbeit reden und über die Eigenschaften der verschiedenen Edelsteine. Es sind deren nur vier erschaffen, entsprechend den vier Elementen, nämlich - der Rubin für das Feuer, - der Saphir scheint wirklich die Luft darzustellen, - der Smaragd die Erde und - der Diamant das Wasser. Dort, wo es sich ergibt, werden wir auf deren Eigenschaften näher eingehen, aber jetzt wollen wir zunächst das behandeln, was mit dem Fassen der genannten Edelsteine zusammenhängt, nämlich in Anhänger, Armbänder, Ringe oder in die päpstlichen Tiaren und in die Herrscherkronen. Von den Diamanten reden wir zuletzt, weil diese von allen Edelsteinen am schwierigsten zu behandeln sind. Der Grund dafür ist folgender: Jeder andere Stein, in Gold gefaßt, bekommt seine Folie, wie wir noch erfahren werden; jeder Diamant aber, je nach seiner Bestimmung, eine besonders hergestellte und angemessene Farbtinktur, von der wir zu gegebener Zeit die wundersamsten Dinge zu erzählen haben werden.

Der Rubin, Stein des Feuers Beginnen wir, uns über die verschiedenen Arten und Eigenschaften der Rubine zu unterhalten. Der beste ist der orientalische Rubin, der im Morgenland gefunden wird. Wir sind in Italien, nennen den Osten, den Westen, den Norden und den Süden so, von diesem unserem Standort aus. Aus dem Osten stammen die besseren und schöneren Edelsteine als aus allen anderen Gegenden. Die dortigen Rubine zeigen eine reiche, voll und prächtig glühende Farbe.

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Diejenigen aus dem Westen, wenngleich sie auch rot sind, neigen zum Violett und sind kühl und herb, diejenigen aus dem Norden in ihrer Weise noch kälter und schärfer als die aus dem Westen. Diejenigen aus dem Süden sind wieder ganz anders und sind so rar, daß man sie nur sehr selten zu Gesicht bekommt; eine solche Rarität, daß ich nur von einem einzigen zu berichten weiß, nicht mehr. Sie zeigen eine nicht so satte Farbe wie die aus dem Osten, sondern gleichen mehr einem »balascio« (Balasrubin). Obschon sie, wie gesagt, nicht die schöne, tiefe Färbung besitzen, sind sie in ihren Eigenschaften doch so kräftig, daß sie bei Tage zu funkeln scheinen, nachts aber strahlen sie ein Licht aus, wie das der Johanniskäfer oder der im Dunklen leuchtenden Würmchen. Doch ist es nicht so, daß alle Rubine aus dem Süden diese wundersame Eigenschaft besitzen, dennoch sind sie alle so lieblich anzuschauen, daß gute Juweliere sie von anderen Arten zu unterscheiden vermögen. Jene aber, die bei Nacht strahlen, sind die einzigen, die »Karfunkelstein« genannt zu werden verdienen. Juweliere, Edelsteine und Schmucksteine Sobald wir die nach eigener Erfahrung und anderer Ansicht beste Art des Fassens von Edelsteinen nach bestem Wissen beschrieben haben, werden wir uns wieder den Eigenschaften der Edelsteine zuwenden. Ich möchte zwar gewisse Leute, die sich den Titel eines Juweliers zugelegt haben, nicht verärgern, deren wahrer Beruf eigentlich Trödler, Tuchhändler, Pfandleiher oder Spezereier ist. Solche Wunderknaben habe ich in Rom mehr als genug gesehen, deren man in unseren Tagen immer noch etliche von großem Ansehen und wenig Verstand antreffen kann. Ich behaupte, daß der wahren Edelsteine nur vier sind, mögen diese Dummköpfe daran Anstoß nehmen und sich in ihrer Anmaßung gegen mich erheben und beteuern, daß auch der Chrysopras und der Hyazinth und der Spinell und der Aquamarin, vielleicht sogar der Granat und dazu auch der böhmische, der Prasem und der Amethyst Edelsteine seien und, hol's der

Teufel, behaupten, die Perle gehöre auch dazu, wobei doch klar ist, daß diese nur der Knochen eines Meerestieres ist. Einerlei. Wenn ich also von jenen, wahrlich hohlen Strohköpfen rede, so geht es mir nicht nur um diese, sondern um viele ähnliche mehr. Sie sind nicht allein schuld an diesem Zustand, es sind vielmehr die Fürsten, die ihnen ganz und gar vertrauen. Dabei schneiden sie sich ins eigene Fleisch und entmutigen und erniedrigen dazu auch noch diejenigen, welche in tugendsamer Kunst sich auszeichnen und in der Materie auskennen. Nochmals vom Rubin Lassen wir diese kleine Abschweifung und wenden wir uns zurück zu dem, was über die herrlichen und werten Edelsteine noch zu berichten ist. Weil ich nun einmal nicht riskieren möchte, daß jene Ignoranten sich darüber aufhalten, daß ich bisher weder vom Balas noch vom Topas etwas erwähnt habe, so sage ich jetzt: Der Balas ist ein Rubin von blasser Farbe. Im Westen nennt man ihn »Rubin balascia«, als wäre er weiblich, doch ist er von genau gleicher Härte wie der Rubin, ist ein solcher und somit ein Edelstein. Der einzige Unterschied ist der des Preises. Auch der Topas ist ein Edelstein, weil ihm die Härte des Saphirs eigen ist, wenngleich er eine andere Farbe hat. Er gehört genauso zum Saphir wie der Balas zum Rubin, und was sein Feuer angelangt, ist es doch so, daß es mit der Sonne verglichen werden kann. Wenn demnach, wie ich vorschlage, nur von vier Edelsteinen die Rede sein kann, das heißt von Rubin, Saphir, Smaragd und Diamant, muß man wissen, daß der Rubin weitaus der kostbarste von allen ist, kostet doch ein Rubin im Gewicht von 5 Grän von denkbar bester Qualität ungefähr 800 Gold-Scudi, währenddessen ein Smaragd gleicher Größe, gleichen Gewichts und bester Qualität ungefähr 400 Gold-Scudi, ein Diamant, ebenfalls von gleichem Gewicht und bester Qualität, ungefähr 100 Gold-Scudi, und nicht mehr wert sein wird, ein Saphir von ebensolchem Gewicht und Qualität aber nur noch zirka 10 Gold-Scudi.

Kapitel V

Ich bringe diese paar Gedanken zum Ausdruck, weil sie wißbegierigen Jünglingen, die sich in der schönen Kunst des Goldschmiedens zu üben gewillt sind, zu großem Nutzen gereichen können. Man sollte sich von Kindesbeinen an mit ihr befassen und jede Gelegenheit ausnutzen, bei großen, angesehenen Meistern zu arbeiten, sei es in Rom, Venedig oder Paris, wie ich es tat. In jeder der drei Städte habe ich lange gelebt, und in jeder sieht man viele dieser wertvollen Steine, wenn sie einem durch die Finger gehen.

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Wie ein Rubin zu fassen ist Nehmen wir unser Gespräch über die Art, wie ein Rubin zu fassen ist, wieder auf. Es ist ratsam, ihn in das goldene Kästchen, in dem er gehalten wird, genau einzupassen. Es wird in unserem Beruf gewöhnlich Fassung genannt, ob es sich um einen Anhänger oder einen Ring handeln mag. Für letzteren also: Ringfassung. Uberall dort, wo man diesen Kästchen begegnet, genügt es, einfach von Fassungen zu sprechen. Es ist nur darauf Bedacht zu nehmen, daß der Stein nicht zu tief in der Fassung liegt, damit seine Schönheit nicht beeinträchtigt wird, und nicht zu hoch, damit er nicht wie ein isoliertes Stück, losgelöst von den umgebenden Verzierungen wirkt. Ich sage dies, weil ich den einen wie den anderen Fehler beobachten konnte. Ich bin aber überzeugt davon, daß denjenigen, die die Kunst des Goldschmiedens beherrschen und über guten Geschmack verfügen, solche Ungeschicklichkeiten nicht passieren werden. Setzen wir also unseren schönen Rubin in seine Fassung, um ihn, wie man sagt, zu fassen. Zuvor aber versehen wir uns noch mit vier oder fünf verschiedener Arten von Rubinfolien. Diese Folien bereitet man sich für gewöhnlich in sehr ausgeprägter, intensiver, betont dunkler Farbe, nach und nach in hellere Tönungen übergehend, an welchen sich nur noch ein schwacher Anflug von Röte zeigt. Mit diesen Folien vor sich, nimmt man den Rubin, drückt ihn an einer Ecke auf ein spitzes Stückchen harten, schwarzen Wachses, worauf der erfahrene Goldschmied ihn einmal auf die eine oder andere Folie hält, bis er mit sicherem Urteil diejenige ausfindig gemacht hat, die sich seinem Rubin am vorteilhaftesten anpaßt. Wenn er dabei prüfend den Rubin einmal weiter von der Folie entfernt hält, um ihn dann wieder nahe daranzuhalten, kann ihm das viel nützen, wenngleich die Luft, die sich zwischen der Folie und dem Stein befindet, eine andere Wirkung ergibt als nachher in der Fassung, wo die Luft nicht vorhanden ist. Darum legt der kluge Meister danach die zugeschnittene, fein angepaßte Folie in die

Kapitel V I

Fassung und kontrolliert durch Annähern und Entfernen des Rubins nochmals. Und weil jetzt nur noch drei Möglichkeiten gegeben sind, deren dritte sich zwischen dem Zunah oder Zuentfernt befindet, wird der, der all diese Punkte gebührend zu berücksichtigen weiß, den Edelstein mit Sorgfalt, Geschick und Sauberkeit so zu fassen wissen, wie es sich für einen tüchtigen Mann seines Fachs gehört.

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Wie man den Smaragd und den Saphir fassen muß Aufbereitung eines wertvollen Rubins I Aufbereitung unterschiedlicher Edelsteine I Dublierte Steine Aufbereitung eines wertvollen Rubins Wenn wir jetzt über Smaragd und Saphir sprechen, muß man mit den Farbfolien genauso sorgfältig umgehen wie beim Rubin. Und weil ich glaube, daß in aller Wissenschaft zuerst die Praxis, dann erst die Theorie und zur Praxis noch die Regel kommt, daß es klugen Sinn braucht, sie auch durchzuführen, wie man das bei den Kundigen der schönen Künste feststellt, kann ich nicht umhin, eine Begebenheit zu erzählen, die sich mit einem Rubin von ungefähr 3000 Scudi Wert zutrug, den ich zu fassen hatte. Dieser Rubin war schon mehrere Male von den besten damals bekannten Juwelieren gefaßt worden, bevor man ihn mir brachte. Nachdem ich mich mit aller erdenklichen Sorgfalt nach bewährtem Rezept um ihn bemüht hatte, aber zu keinem mich befriedigendem Ergebnis gelangte, schloß ich mich heimlich ein, nicht etwa, weil ich besonderen Wert auf mein Geheimnis gelegt hätte, sondern weil ich mich ganz einfach schämte, daß jemand sehen könnte, welch unwürdigen Versuch ich an so einem wertvollen und wunderbaren Edelstein zu verbringen im Sinne hatte. Ich nahm einen Strang mit Scharlachbeeren gefärbter Seide und zerschnitt diese mit einer Schere zu feinsten Schnippelchen. Vorher hatte ich etwas schwarzen Treibkitt in meine Fassung gestrichen. Mit der Rückseite eines dünnen Punzens preßte ich die Seide nun fest und gleichmäßig auf den Kitt. Dann legte ich meinen Rubin hinein. Er sah so schön aus, gewann soviel an Wirkung gegenüber vorher, daß die Goldschmiede, die ihn nachher sahen, mich verdächtigten, ihn (mit Farbtinktur) gefärbt zu haben, eine in unserem Beruf verbotene Sache, außer bei Diamanten, von denen wir später noch reden werden. Unseren Rubin betreffend wurde ich nun durch die

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Juweliere befragt, was für eine Folie ich unterlegt habe, und ich erwiderte, daß sich keine solche unter dem Stein befindet, worauf ein Goldschmied, der zusammen mit dem Besitzer des Rubins bei mir weilte, sagte: »Wenn ihm keine Folie unterlegt ist, dann besteht nur noch die Möglichkeit, daß du ihn gefärbt oder sonst etwas ähnlich Verbotenes mit ihm angestellt hast.« Ich erwiderte auch jetzt wieder, daß ich weder eine Folie verwendet noch eine verbotene Prozedur mit dem Rubin unternommen habe. Als der Goldschmied mich mit einigen zornigen und harten Ausdrücken bedachte, wandte sich der Besitzer des Rubins mit folgenden Worten an mich: »Benvenuto, ich bitte dich, sei so gut, ihn mir nochmals auszufassen ich entschädige Dich dafür - und mir allein zu zeigen, wie Du das gemacht hast, und ich verspreche Dir, Dein Geheimnis niemals preiszugeben.« Ich antwortete dem ehrenwerten Herrn, daß ich einige Tage an dieser Arbeit verwendet hätte, daß ich von meinen Bemühungen leben müsse, darum die Bezahlung der Fassung gern annehme und mir eine Ehre daraus machen werde, den Rubin in beider Gegenwart auszufassen, um dabei die zu belehren, die welche einst meine Lehrmeister gewesen waren. Und während ich also redete, legte ich den Rubin frei und nahm ihn in Anwesenheit der beiden Herren heraus. Beide blieben mir in Freundschaft verbunden, und ich wurde gut bezahlt. Dieser Rubin, von dem hier die Rede ist, war trotz seiner Dicke derart rein durchsichtig und leuchtend, daß jede Folie, die man ihm unterlegte, ihn so glitzernd machte wie einem Sonnenstein oder ein Katzenauge, zwei Steinarten, die von jenen Erzdummköpfen womöglich auch als Edelsteine angesehen werden. Aufbereitung unterschiedlicher Edelsteine Um nun auf die Smaragde und Saphire zu kommen, möchte ich sagen, daß bei beiden die gleichen Eigenschaften und Schwierigkeiten anzutreffen sind wie bei den Rubinen, sonst weiß ich von ihnen nichts zu sagen, als einiges über die Nachahmungen, die man an ihnen unternimmt, und ich möchte damit diejenigen ermah-

nen, welche mit Steinen Umgang pflegen, sei es, daß sie sie kaufen, um sie zu besitzen. Es gibt indische Rubine von denkbar schwacher Farbe. Einen solchen sah ich, dessen Grund von einem Fälscher mit »Drachenblut« bestrichen war, einem Kitt, der sich im Feuer verflüssigt und bei fast jedem Drogisten in Florenz und Rom käuflich ist. Wenn ein solcher indischer Rubin vom Fälscher derart mit Drachenblut gefärbt und nachher gefaßt wird, sieht er so gut aus, daß er leicht mit 100 Gold-Scudi gehandelt werden könnte, wobei er an sich, ohne den Farbbelag, nicht 10 Gold-Scudi wert wäre. Mehr noch: Auch nachdem jener Stein aus der Fassung genommen war, hätte einer, der nicht so aufmerksam ist, kaum gemerkt, daß es sich um eine Fälschung handelte, so gut und mit solcher Raffinesse war die besagte Farbe aufgetragen worden. Weil ich in Gegenwart dreier alter Goldschmiede meine Zweifel vorgebracht hatte, warteten sie, bis ich den erwähnten Rubin ausgefaßt hatte. Gespannt schauten sie mir auf die Finger und nahmen ihn mir, kaum daß er freigelegt war, weg, mich meiner Naseweisheit auslachend und tadelnd und mich ermahnend, ein andermal die Augen besser offen zu halten, da dieser Rubin von einem angesehenen Meister gefaßt worden sei, der eine solche Sache zu verfertigen sich niemals erlaubt hätte, wie man nun klar und sicher feststellen könne. Diese Worte vernehmend, streckte ich meine Hand aus und bat, mich doch den Beweis meiner Ungeschicklichkeit einmal betrachten zu lassen, denn, hätten mich meine guten Augen diesmal getäuscht und ich mich zu sehr auf sie verlassen, sie mich ein andermal nicht mehr trügen dürften. Kaum hielt ich den Rubin in Händen, sah ich, was ihrer Kurzsichtigkeit entgangen war. Ich nahm ein kleines Werkzeug und nachdem ich die Rückseite des Rubins etwas angeschabt hatte, erging ihm, was der Krähe geschieht, wenn sie sich mit Pfauenfedern schmückt! Ich händigte ihnen den Stein wieder aus und sagte, sie möchten sich doch Augengläser kaufen, mit denen sie besser sähen als mit den jetzigen. Ich konnte nicht widerstehen, diese Bemerkung zu machen, weil alle drei die

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Brille auf der Nase hatten. Betreten schauten sie sich gegenseitig an, zuckten die Schultern und verzogen sich in Gottes Namen. Gleiche Umstände und Widerwärtigkeiten können auch bei Smaragden und Saphiren vorkommen, doch übergehe ich sie, weil mir noch anderes von großer Wichtigkeit zu berichten bleibt.

Dublierte Steine Ich erinnere mich, dublierte Rubine und Smaragde gesehen zu haben, zweiteilige Steine aus Kristall und Rubin oder Smaragd zusammengesetzt, die man Dubletten nennen muß. Solche falschen Steine werden in Mailand hergestellt und in Silber gefaßt. Erfinderisch sind sie für die armen Bauern und das Bettelvolk der Stadt gemacht, die ihren Frauen zur Hochzeit den zu einer solchen Feier angemessenen Schmuck nicht kaufen können und sich statt dessen diese kleine Täuschung erlauben, um ihren armen Weibern eine Freude zu bereiten, die zwischen dem Echten und dem Falschen ja ohnehin nicht unterscheiden können. Einige von Habsucht getriebene Leute haben aus dem teils aus Notwendigkeit, teils aus gutgemeinter Absicht entstandenen Gewerbe schlau eines zu schlechtem Zwecke gemacht. Sie nehmen den Splitter eines guten indischen Rubins, schleifen dazu ein Unterteil aus Kristall, welches dann in der Fassung versteckt liegt, färben es, fügen die Teile zusammen, und so wird der Stein schön und kunstvoll in Gold gefaßt und als gut und echt verkauft. Und weil ich nie etwas sagen will, was ich nicht durch ein Beispiel belegen kann: Es geschah zu seiner Zeit, daß ein Mailänder Juwelier in der beschriebenen Weise einen Smaragd so hervorragend fälschte, daß er ihn als echt für gute 9000 Gold-Scudi verkaufte. Dies war nur deshalb möglich, weil derjenige, der ihn kaufte, dem Meister absolut vertraute - es war der König von England! So blieb der Betrug lange Jahre unentdeckt. Es werden Smaragde und Saphire auch aus einem Stück nachgemacht, und das so gut, daß man sie kaum von ech-

ten unterscheiden könnte, wäre ihre Härte nicht so gering, daß ein guter Goldschmied, wenn er ein bißchen Verstand besäße, sie leicht als Fälschungen erkennen sollte, so geschickt sie auch imitiert worden seien. Noch vieles ließe sich über all diese Dinge erzählen, doch möge dieses für den Augenblick genügen, damit wir jetzt von anderen bedeutenden und nutzbringenden Gegebenheiten berichten können.

Kapitel VII

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Wie die Folien für alle Arten durchsichtiger Steine bereitet werden Ein Meister der Edelsteinfolien I Zusammensetzung der farbigen Goldlegierungen \ Zentraldiamant der Pluvialschließe für Papst Clemens I Farbsteine rings um diesen Diamanten Ein Meister der Edelsteinfolien Um wirklich schöne Edelsteinfolien herzustellen, bereitet man sich zuerst alle dafür erforderlichen Werkzeuge vor. Diese müssen schön und gut sein, aus feinstem Stahl und aufs Beste poliert, und um eine so wichtige Sache auszuführen, braucht man unendliche Sorgfalt, große Geduld und äußerste Genauigkeit. Zu meiner Zeit, als ich noch jung war, trat ich mit fünfzehn Jahren die Lehre als Silberschmied an. Damals gab es in der Folienbereitung einen Meister, der hieß Salvestro del Lavacchio. Dieser befaßte sich mit nichts anderem als Steine zu fassen und für alle Arten von Edelsteinen die speziellen Folien selbst herzustellen. Gewöhnliche gelbe Folie

Rote Folie

Seine Folien waren wesentlich dicker als alle anderen, und wenn diese Dicke beim Fassen auch erheblich mehr Schwierigkeiten verursachte als die normalerweise erhältlichen Folien, so ergab es sich letztlich, daß deren Qualität den Edelsteinen so zuträglich war, daß, sobald sie nur bekannt geworden, er Edelsteinfolien in alle Welt zu liefern hatte und er seine Tätigkeit fortan fast allein auf deren Herstellung beschränken mußte. Es vermag diese Tätigkeit tatsächlich einen Mann voll in Anspruch zu nehmen, weshalb es mir schwerfällt, denjenigen, der Lust hat, sich in dieser Handfertigkeit zu versuchen, in befriedigender Weise darüber zu informieren. Zusammensetzung der farbigen Goldlegierungen Die erste Folie, die man die gewöhnliche Folie nennt, hat einen gelben Ton. Man verwendet sie für die verschiedensten Juwelen und für verschiedene andere durchsichtige Steine. Zunächst muß ich aber noch erklären, wie groß das Gewicht eines Karats ist: Es entspricht dem Gewicht von vier Grän.

Blaue Folie

Grüne Folie

9 Karat feines Gold

9%

20 Karat feines Gold

37 %

4 Karat feines Gold

30%

1 Karat feines Gold

6%

18 Karat feines Silber

18%

16 Karat feines Silber

30 %

2 Karat feines Silber

9%

6 Karat feines Silber

35%

72 Karat feines Kupfer

73%

18 Karat feines Kupfer

33%

16 Karat feines Kupfer

73%

10 Karat feines Kupfer

59%

Schmilz zuerst das Kupfer, füge dann die beiden anderen Metalle zu, und wenn alles gut vermischt ist, gieße es in eine längliche, nicht zu schmale Form, damit dein Barren nicht zu dick wird. Laß ihn abkühlen; feile ihn danach gründlich und schmiede ihn sachte mit dem flachen Hammer. Glühe öfters, schrecke nie in Wasser ab, blase auch nicht darüber, sondern laß ihn von selbst abkühlen. Und so machst du es immer wieder, bis er so dünn wie zwei Messerrücken ist. Jetzt schabe das Stück beidseitig mit einem gerundeten, kräftigen Schaber, damit es einwandfrei sauber wird und feile die Ränder, bis alle Risse verschwunden sind. Wenn

du nun weiterschmiedest, beachte, daß beide, Hammer und Amboß, glatt, sauber und poliert sind, und so strekke das Metall etwa zwei Finger breit rechteckig in die Länge, so dünn, wie es die Masse der drei legierten Metalle erlaubt, und wie es deine Arbeit am Ende verlangt. Bilden sich beim Strecken und Planieren Risse, schneide sie weg und verfahre auf diese Weise bis zum gewünschten Maß. Die so entstandenen Stücke kochst du in der gewöhnlichen Silbersud-Lösung ab, die aus Weinstein, Salz und Wasser besteht, und wäschst es, leicht reibend, in klarem Wasser ab.

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Jetzt legst du sie auf ein großes, glattes und ganz sauberes Kupferrohr und schabst die eine Seite mit einem aufs feinste geschliffenen Silberschmiede-Schaber mit aller erdenklichen Vorsicht, damit ja keine Kerben entstehen. Mit einem sauberen, weißen Lappen nimmst du das Stück und legst es nun auf einen mit dem Oistein geschliffenen Schmiedeamboß, der frei von Fett und Schmutz sein soll, und polierst es an einem vollständig staubfreien Ort. Verwende hierfür einen schwarzen Blutstein, wie ihn die Schwertfeger beim Vergolden gebrauchen. Nachdem du nach allen Regeln der Kunst poliert hast, kannst du dein Stück Folie nun am Feuer färben, indem du, die polierte Seite gegen das mäßige, saubere Feuer haltend, die sich allmählich bildende Anlauffarbe beobachtest. Merke dir, daß mit dem mehr oder weniger starken Erhitzen der Folie je nach Wunsch hellere oder dunklere Farbtöne dem Bedürfnis und dem Verwendungszweck deiner Steine entsprechend, erreicht werden müssen. Zentraldiamant der Pluvialschließe für Papst Clemens Papst Clemens beauftragte mich, die Schließe für sein Pluvial anzufertigen. Sie sollte aus Gold gearbeitet und so groß wie ein üblicher Teller sein. Später, wenn von der schönen Technik des Ziselierens und den damit verbundenen Problemen die Rede sein wird, - denn sie war vollständig mit Figuren ausgestattet - werde ich mehr davon erzählen, jetzt aber reden wir nur von den Edelsteinen. In die Mitte dieser Gewandschließe faßte ich einen nach der Spitze hin facettierten Diamanten, den Papst Julius II. für 36.000 Camera-Dukaten gekauft hatte. Ich faßte ihn ganz frei zwischen vier Krappen, weil er auf diese Weise am besten zur Geltung kam. Ich hatte mir die Sache lange überlegt. Der Diamant war nämlich von solch hoher Qualität und Schönheit, daß ich mir um ihn nicht so viel Mühe zu machen hatte wie für gewöhnlich um Steine solchen Wertes. Einige Juweliere vertraten allerdings die Meinung, es sollte die ganze Rückseite des Steins mitsamt den Pavillons gefärbt werden. Ich aber veranschaulichte ihnen mit

dem erzielten Resultat, daß er in der ausgeführten Weise viel besser wirkte. Farbsteine rings um diesen Diamanten Rings um diesen Diamanten waren noch zwei große Balasrubine, zwei große, herrliche Saphire und vier Smaragde von erheblichem Ausmaß angebracht. An all diese Steine wurde die größte Sorgfalt verwandt, wie wir oben besprochen, so daß wir mit unserer Arbeit sowohl Papst wie Künstler zu befriedigen vermochten. Bei diesem besonderen Stück mit dem Diamanten beginnend, dann zu den anderen, schwer zu behandelnden Edelsteinen kommend, versuchten mich einige Altmeister der Zunft, teils aus Neid, teils mit einer gewissen Berechtigung, einzuschüchtern, indem sie bemerkten: »Wir sehen, daß du sowohl was die Zeichnung als auch die Ziselierarbeit betrifft, bis dahin ein sehr gutes Werk geschaffen hast. Wenn du nun aber zum Färben und Fassen dieser Steine von so großem Wert kommst, wird dich von Kopf bis Fuß das Schlottern befallen.« Obgleich mich nicht so rasch etwas in der Welt erschreckt, so machte mich ihr wunderliches Gehabe doch etwas nachdenklich. Da besann ich mich der Gaben, die uns Gott ohne unser Zutun verliehen hat, nämlich Schönheit, Kraft und Geschicklichkeit, und es erschien mir, als erfülle Gott meine Seele mit herzlicher Zuversicht, so daß ich, über solches Geschwätz lachend, mich der Geschichte von Phöbus erinnerte, der seinen Sohn Phaeton auch abzuhalten versuchte, den Sonnenwagen zu führen. Mir erging es dann am Ende allerdings besser als diesem Phaeton, der sich den Hals dabei brach, während ich mit viel Ehre und reichem Lohn aus der Sache kam.

Kapitel VIII

Wie man einen Diamanten zurichtet Ungewöhnliche Diamanten I Schleifen der Diamanten I Der Diamant, den Karl V. dem Papst Paul III. schenkte I Cellini empfiehlt dem Papst ein Kruzifix als Geschenk für den Kaiser I Marienbrevier statt Kruzifix I Nun weiter vom Diamantgeschenk des Kaisers an Paul III. Ungewöhnliche Diamanten Nachdem wir die drei Edelsteine Rubin, Saphir und Smaragd ausführlich genug besprochen haben, werden wir uns nun des längeren über den Diamanten unterhalten müssen. Obgleich man sagt, der Diamant gleiche dem Wasser, so denkt doch niemand, daß dieser so farblos sei, wie man es von gutem Wasser verlangt. Frisches Wasser soll ohne Farbe, Geschmack und Geruch sein, und so wie es auch welches mit Farbe, Geschmack und Geruch gibt, so ist es beim Diamanten ähnlich. Zwar haben diese weder Geschmack noch Geruch, aber sie kommen in der Natur in allen möglichen Farben vor. Ich erwähne zwei, die aber so unglaublich schön waren, daß man sich kaum eine Vorstellung von ihrer Schönheit machen kann. Der eine begegnete mir im päpstlichen Schatz während der Regierungszeit von Papst Clemens, und wahrlich, er war von zarter Fleischfarbe, klar und rein. Er glänzte wie ein Stern und war so prächtig anzuschauen, so daß reinste, farblose Diamanten neben ihm völlig bedeutungslos erschienen. Den anderen sah ich in Mantua. Der war grün, ein Grün wie von einem blassen Smaragd, hatte aber die speziellen Eigenschaften des Diamanten, in sich zu glänzen, was es beim Smaragd nie gibt, so daß er zwar wie ein Smaragd aussah und doch alle Smaragde an Schönheit übertraf. Wenngleich ich viele Diamanten verschiedener Farben gesehen habe, halte ich nur diese beiden für wichtig genug, um darüber zu berichten.

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Schleifen der Diamanten Von der Art, wie man sie zurichtet, das heißt, wie man sie aus ihrer natürlichen Gestalt in ihre endgültige verwandelt, sei nun die Rede, als tafelförmige, facettierte oder als Rosen. Diesen Edelstein, den Diamanten, kann man niemals für sich allein schleifen, man braucht immer zwei davon. Da er von solch wunderbarer Härte ist und es nichts Härteres gibt als ihn, müssen zwei Diamanten so lange in der Weise aneinander gerieben werden, bis die vom Schleifer gewünschte Gesamtform erreicht ist (Bild 8.1).

Bild 8.1: »Diamant-Reiben«. Durch gegenseitigen Abrieb werden beide Steine gleichzeitig geformt, denn jeder ist aktives Werkzeug und passives Werkstück zur gleichen Zeit.

Das Pulver, das während des Aneinanderreibens von beiden Diamanten abfällt, benutzt man später, um den Steinen die endgültige Form zu geben. Zu diesem Zweck befestigt man die Diamanten mit Blei und Zinn in speziellen Halterungen und drückt sie gegen eine Stahlscheibe, auf der das erwähnte Diamantpulver mit Ol gemischt aufgetragen ist (Bild 8.2). Eine solche Stahlscheibe, die zur letzten Veredlung des Diamanten gebraucht wird, wird etwa einen Finger dick und eine Spanne breit aus bestem, gehärtetem Stahl gemacht und von einer Wassermühle angetrieben, so daß sich die Scheibe mit großer Geschwindigkeit dreht. Es werden gleichzeitig mehrere Diamanten aufgelegt, das heißt vier bis fünf oder sechs (Bild 8.2). Die Zangen, in denen die Steine befestigt sind, werden mit einem Gewicht beschwert, damit der Diamant fest

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eingeschmolzen, daß der zu bearbeitende Bereich herausragt. Diese Doppe wird in die »Zange«, bestehend aus der »Klemme« und einem massiven »Fuß« eingespannt. Mit dieser Haltevorrichtung wird der Stein zuverlässig und präzise während des Schleifprozesses auf der Schleifscheibe gehalten.

gegen die Schleifscheibe gedrückt wird, so daß das Pulver effektiv angreifen kann; auf diese Weise bekommen sie ihre endgültige Gestalt. Ich könnte das ganze Verfahren auf das Genaueste beschreiben, weil es sich aber nicht um mein eigentliches Handwerk handelt, will ich mich damit nicht weiter abmühen und nur gerade soviel von der Sache gesagt haben, wie mir zu meinem Vorhaben dienlich erscheint. So komme ich zurück zur schönsten Art des Färbens der Diamanten, die in Gold gefaßt werden sollen. Wenn sie wie gesagt durchaus sehr unterschiedliche Farbnuancen haben können, schließt das nicht aus, daß die extreme Härte bei allen gleich ist oder doch nur unerheblich variiert, so daß sie dennoch alle in gleicher Weise behandelt werden können. Ich werde mit größtmöglicher Genauigkeit beschreiben, wie ich solche Farben herstelle und zum Vergleich einige Beispiele von merkwürdigen Erlebnissen schildern, die mir im Zusammenhang mit bedeutsamen Diamanten begegnet sind. Auf Grund solcher Erfahrungen können dann die großen Schwierigkeiten verstanden werden, die mit außergewöhnlichen Diamanten zu überwinden sind, will man sie zu jenem Grad der Vollkommenheit bringen, die sie verdienen.

Der Diamant, den Karl V. dem Papst Paul III. schenkte Ich beginne mit der Begebenheit, wie Papst Paul III. aus dem Hause Farnese von Kaiser Karl V. einen Diamant geschenkt bekam, als dieser nach der Einnahme von Tunis nach Rom kam, um den Papst zu besuchen. Dieser Diamant, von Beauftragten des Kaisers in Venedig für 12.000 Scudi gekauft, saß in einer einfachen Kastenfassung mit einem kurzen Stiel daran. Bei der Begrüßung, so hörte ich, überreichte der Kaiser diesen Diamanten in diesem Zustand eigenhändig dem Papst als ein Zeichen der Liebe und Freundschaft, welcher ihn in Artigkeit entgegennahm. Nun hatte der Papst schon einen Monat vor Ankunft des Kaisers ein sowohl des Gebers wie des Empfängers würdiges Geschenk beschlossen, das mit vielen ausgiebig beraten und besprochen worden war, zu welcher Besprechung auch ich zu vertraulichem Rate zugezogen wurde. Cellini empfiehlt dem Papst ein Kruzifix als Geschenk für den Kaiser Vom Papst um meine Meinung befragt, gab ich ihm ohne zu zaudern folgende Auskunft: »Da der Papst das wahre Oberhaupt des christlichen Glaubens und der wahrhaftige Stellvertreter Christi auf Erden sei, schiene es mir angebracht, daß er dem Kaiser einen schönen, goldenen Christus schenke, der auf ein Kreuz aus Lapislázuli montiert wäre. (Welches ein blauer Stein ist, aus dem die Ultramarinfarbe bereitet wird). Der Fuß des Kreuzes sollte aus reichlich verziertem Golde sein, mit Edelsteinen besetzt, Seine Heiligkeit soll deren Wert bestimmen.« Da ich bereits mit großem Fleiß drei goldene Figuren angefertigt hatte, die auf den Kreuzfuß gepaßt hätten und für diesen sehr geeignet gewesen wären, weil sie den Glauben, die Hoffnung und die Barmherzigkeit versinnbildlichten, zeigte sich der Papst sehr befriedigt von meinem Vorschlag und verlangte raschestens ein Modell meines Entwurfs zu sehen, worauf ich einen Tag verstreichen ließ und es Seiner Heiligkeit am darauffolgenden unterbreitete. Wenn ihm mein Rat schon sehr gefallen

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hatte, so befriedigte ihn mein Modell hundertmal mehr als alle Worte, so daß er den Handel mit mir sogleich beschließen wollte und wir in artigster Weise mit weniger als zwanzig Worten einig wurden, worauf er mir sofort das Handgeld aushändigen ließ und mich bat, mich zu beeilen. Ich bemühte mich in der folgenden Zeit so sehr ich nur konnte, diese schöne Arbeit zu vollbringen. Aber ehe es noch dazu kam, wurde ich von einigen jener Bestien, die des Papstes Gehör besaßen, daran gehindert. Wie das so oft bei Fürsten der Fall ist, steht ihnen der Übelste des ganzen Hofstaats am nächsten, und sie glauben ihm auch dann, wenn er gar nicht weiß, wovon gesprochen wird. Marienbrevier statt Kruzifix Dem guten Papst verstand einer der Ohrenbläser in boshafter Absicht einzugeben, es wäre viel besser, dem Kaiser ein kleines Marienbrevier mit Miniaturen zu überreichen, das Kardinal Hypolith von Medici als Geschenk für die Signora Julia von Gonzaga hatte machen lassen. Man könnte es mit Feingold-Buchdeckeln verzieren, geschmückt mit Edelsteinen, wie es seiner Heiligkeit beliebe. Ein solches Buch wäre dem Kaiser viel wohlgefälliger, weil er es als Angebinde der Kaiserin, seiner Gemahlin, überbringen könnte. Hinters Licht geführt von solch niederträchtigen Einflüsterungen wandte sich der Papst von der Idee des Kreuzes ab und befahl mir, das kleine Buch zu machen was ich dann auch tat. Als nun der Kaiser nach Rom kam, hatte ich das Büchlein noch nicht fertiggestellt, weil man säumig im Entschluß gewesen war. Trotzdem konnte es sich sehen lassen, weil sich alles, mitsamt den vielen darauf angeordneten Edelsteinen, soweit zusammenbauen ließ, daß es sich als ein sehr schönes Werk präsentierte. Der Papst ließ mir mitteilen, ich müsse es innerhalb von drei oder vier Tagen so weit in Ordnung bringen, daß es in diesem Zustand dann zu überreichen sei, er werde mich damit entschuldigen, ich hätte es einer langen Krankheit wegen nicht ganz zu Ende führen können,

wovon wir gelegentlich noch ausführlich berichten werden. Nun weiter vom Diamantgescbenk des Kaisers an Paul III. Alsdann händigte mir der Papst den obengenannten, vom Kaiser erhaltenen Diamanten persönlich aus, beauftragte mich, das Maß seines Zeigefingers zu nehmen und ihm so schnell wie möglich einen Ring zu fertigen. Unverzüglich lief ich in die Werkstatt, allwo ich in großer Emsigkeit, in der Spanne von nur zwei Tagen, einen so reich verzierten Ring zustande brachte, wie man noch nie einen gesehen hatte. Da aber Papst Paul eine erhebliche Anzahl von Mailändern in seinen Diensten hatte, die ihrerseits einen gewissen Gaio, Juwelier aus Mailand, favorisierten, wagte dieser Gaio, als er in der Folge einmal vor dem Papst war, ohne gefragt worden zu sein, sich mit folgenden Worten zu äußern: »Heiliger Vater, Ihre Heiligkeit dürften wissen, daß ich von Beruf Goldschmied bin, und ich glaube sagen zu dürfen, daß keiner je geboren wurde, der so viel von den Dingen versteht wie ich. Wenn Ihre Heiligkeit dem Benvenuto einen Diamanten zu fassen gegeben hat, der Diamant aber in sich in jedem Fall einer der schwierigsten Steine der Welt zu fassen ist, und dieser besondere Diamant seiner Größe, Schönheit und seines Wertes wegen noch schwieriger als irgendein anderer, und besonders zart behandelt werden muß, weil er ein wenig dünner ist als er eigentlich sein sollte, und weil Benvenuto noch sehr jung ist, wenngleich begeistert in seiner Kunst und trefflich in seiner Arbeit, so scheint mir doch eine Sache wie das Färben eines so wertvollen Steins ein zu harter Knochen für so zarte Zähne zu sein. Mir würde scheinen, ihre Heiligkeit täte gut daran, zwei oder drei bewährte alte Goldschmiede zu beauftragen, den Benvenuto aufzusuchen und ihn mit ihrem guten Rat zu unterstützen. Dieser Diamant, so wie Ihre Heiligkeit ihn bekommen hatte, wurde von einem Juwelier der großen Stadt Venedig namens Targhetta, gefärbt und gefaßt. Der ist ein alter Mann, und nie hat man gehört,

Kapitel I X

daß ein anderer es besser verstanden hätte, den Edelsteinen Folie und Farbe anzupassen.« Überdrüssig dieses Schwätzers, antwortete ihm der Papst, er möge verschwinden und tun was ihm beliebt. Daraufhin suchte dieser die Florentiner Raffaelo del Moro und Guaspari Romanesco auf. Diese beiden waren damals in Rom die besten Edelsteinkenner. Zusammen mit diesen beiden kam er im Auftrag des Papstes in meine Werkstatt. Hier begann er alsbald so übel zu schwätzen, daß ich kaum an mich halten konnte. Auch die beiden anderen sprachen zu mir, aber in sehr höflicher Weise. Zu diesen beiden wandte ich mich, ihnen in gefälliger Weise meine Ansicht darzutun, man möge mir zwei Tage Zeit geben, verschiedene Farben vorzubereiten, um sie an diesem schönen Diamant auszuprobieren, was der Angelegenheit förderlich wäre: Zum Ersten würde ich selbst, entsprechend der Schwierigkeit, die Farbe zu finden, die dieser Diamant verdiene, soviel lernen, daß auch andere, die sich dafür interessieren, davon profitieren, und des weiteren würde der Diamant durch meine Bemühungen soviel an Wert gewinnen, daß sie daran Gefallen fänden, dem Papst ein Dienst erwiesen würde und mir keine geringe Ehre entstünde. Während ich diese meine Meinung vorbrachte, hielt sich das unverschämte Biest von Gaio nie still, weder seine Füße noch seinen Kopf noch seine Hände, stets mißfällige Äußerungen vorbringend, so daß große Gefahr bestand, daß ich mich seinetwegen böse erzürnte. Die anderen aber, vernünftige Männer, brachten es zuwege, daß mir die gewünschte Frist zuerkannt wurde. Sobald sie mich verlassen hatten, machte ich mich mit aller Sorgfalt daran, die Farbe zu bereiten, was wie folgt vor sich geht.

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Wie man die Farbtinktur für Diamanten zubereitet Bestandteile der schwarzen Diamantfarbtinktur I Zusammenschmelzen der Farbtinktur I Jeder Diamant braucht seine spezielle Farbtinktur I Nochmals von dem Diamant für Papst Paul Bestandteile der schwarzen Diamantfarbtinktur Ruß. Nimm eine saubere Lampe mit einem Baumwolldocht, der so weiß wie möglich sein muß, und Lampenöl, das alt, süß und klar ist. Diese Lampe stelle auf den Boden oder, wenn es dir beliebt, zwischen zwei Backsteine. Uber diese lege ein poliertes, sauberes Kupfernäpfchen, derart mit der hohlen Seite nach unten gekehrt, daß die Flamme der Öllampe im letzten Drittel ihrer Höhe zurückgebrochen wird. Beachte, daß nur wenig Ruß auf einmal entsteht. Wenn sich zu viel Ruß ansetzt, kann er Feuer fangen und wäre damit verdorben. Darum auch löse ihn von Zeit zu Zeit, während die Flamme raucht, mit einem sauberen Papierchen vom Kupferschälchen ab und bewahre ihn in einem reinen Gefäß auf. Wisse, daß der Ruß nicht zum Brennen kommt, wenn er eine Schicht ansetzt, die nicht dicker als zwei Messerrücken ist, so daß man die Schicht ohne Bedenken bis zur Dicke eines Messerrückens anwachsen lassen kann. Mastix. Ferner nimmt man Mastix, eine Art Gummi, den jeder Drogist verkauft. Beachte: Er darf nicht jung sein, was man daran erkennt, daß er eine gewisse Blässe zeigt und weich ist; aber auch nicht zu alt, was man daran erkennt, daß er in besonderer Art gelb wirkt, hart ist und wenig Substanz hat. Nachdem die gewünschte Qualität weder zu frisch noch zu alt gewählt ist, suche man des weiteren nur saubere, runde Körnchen dieses Harzes heraus. Tropft es nämlich vom Baum, ist es oft mit Erde und anderem Schmutz behaftet. Hat man genügend solcher besseren, schönen Stücke zur Verfügung, stellt man ein kleines Kohlebecken auf die Werkbank, und in dessen Mitte brennt eine Kerze. Man nimmt ein Werkzeug, ähnlich

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einer Ahle, erhitzt dessen Spitze gerade so, daß man eines der dicken Harzkörner anstechen kann, aber nicht tiefer als bis in die Mitte des Korns, um es dann über dem Feuer langsam zu drehen und zu wenden, bis man sieht, daß es zu schmelzen beginnt. In diesem Augenblick befeuchtest du deine Finger mit Speichel und drückst rasch das erwärmte Korn zusammen, ehe es wieder kalt wird. Dabei wird ihm eine Träne entquellen, so klar und hell, wie man sich nur denken kann. Diese schneidest du mit einer kleinen Schere vom verbleibenden, schmutzigen Teil ab und bewahrst sie an einem sauberen Ort auf. Und dies wiederholt man so oft, bis soviel beisammen ist, wie man für eine bestimmte Arbeit braucht. Kornöl. Nun muß man auf folgende Weise noch Kornöl zubereiten: Aus den Samen sucht man sich nur die reinen Körner aus. Sie müssen sauber und zart, weder von Würmern angefressen noch zu dürr sein. Von diesen nimmt man soviel auf einmal, wie eine hohle Hand fassen kann und breitet sie auf einem Porphyrstein aus oder, wenn man keinen solchen Stein hat, auf einem feingeglätteten Kupfer- oder Eisenblech. Außerdem brauchst du noch eine Eisenplatte, einen Finger dick und fünf Finger im Geviert. Sie wird ins Feuer gelegt und so weit erhitzt, daß man damit ein Papier ansengen kann, aber nicht mehr. Dann nimmt man sie, legt sie auf die Körner und drückt mit einem schweren Hammer so darauf, daß das Ol herausquillt. Es ist sehr wichtig, daß die Platte die richtige Wärme hat. Ist sie zu kalt, wird kein Ol herausgequetscht, ist sie zu heiß, verbrennt und verdirbt das Ol. Wenn Temperatur und Gewicht stimmen, geht es sehr gut. Alle verbliebenen Samenreste werden entfernt, und dann hebt man das Ol mit einem sauberen Messerchen ab. Aufgepaßt! Beim Pressen tritt zuerst Wasser aus; man erkennt es daran, daß es sofort bis an den Rand wegfließt, das wahre, gute Öl aber bleibt in der Mitte. In einem möglichst sauberen Glasfläschchen wird es aufbewahrt. Mandel- oder Olivenöl. Außerdem benötigt man das

Öl von süßen Mandeln. Einige benutzen auch Olivenöl, das klar und süß, höchstens zwei Jahre alt sein soll. Zusammenschmelzen der Farbtinktur Hierauf verschafft man sich einen großen Schmelzlöffel, der einen gewöhnlichen Eßlöffel viermal an Größe übertrifft, und ein kleines Kohlebecken mit Feuer darin. - Mit einem Silber- oder Kupferspatel legt man einige Tränen des Mastixharzes in den Löffel und schmilzt sie bei mäßigem Feuer. - Sobald sie schmelzen, wird etwas von jenem Kornöl dazugegeben, etwa ein Sechstel der Menge des Harzes. - Sind diese beiden gut vermengt, gibt man Olivenoder Mandelöl zu. - Wenn das alles innig vermischt ist, folgt noch etwas Terpentin. - Zum Schluß fügt man den anfangs zubereiteten Lampenruß bei. Jeder Diamant braucht seine spezielle Farbtinktur Von dem Ruß nimmt man gerade so viel, daß er das Gemisch richtig färbt, nicht mehr und nicht weniger, weil beim Färben der verschiedenen Qualitäten von Diamanten diese manchmal eine dunklere und manchmal eine weniger dunkle Farbe verlangen. Eine große Rolle spielt auch noch, ob der Farbton härter oder weicher gewählt werden soll, weil die unterschiedlichen Diamantsorten verschieden auf harte oder weiche Farbe ansprechen. Darum ist es notwendig, daß man die Farbe jedesmal für den jeweils zu fassenden Diamanten, insofern es sich um ein wichtiges Stück handelt, neu herstellt und sie auf dem Stein ausprobiert: Härter oder weicher - dunkler oder heller - je nach der Qualität des Steins und dem Urteil des erfahrenen Juweliers. Es gibt Fachleute, die verwenden für gewisse gelbe Diamanten nur wenig Ruß, mischen dafür ihre Tinktur mit Indigo, diese blaue Farbsubstanz, die jeder Maler kennt. Oder sie benutzen für eine bestimmte Art von Diamanten, die gelb wie echter Topas ist, anstelle von Ruß überhaupt nur Indigo. Die Ursache für diese Verfahrens-

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weise war die Erkenntnis, daß dieser dunkelblaue Farbton das Gelb sehr vorteilhaft beeinflußt: Wenn man die beiden Farbtöne Blau und Gelb nimmt und gut vermischt, entsteht Grün. Demzufolge bekam der gelbe Diamant durch das Blau einen sehr angenehmen »Wassereffekt«. Wenn es gut gemacht wurde, entsteht ein neuer Farbton, der nicht mehr dem ursprünglichen Gelb und nicht dem Blau der aufgestrichenen Farbtinktur entsprach, sondern in verschiedenen Farbtönen spielend sehr schön anzusehen war. Auf diese Weise entwickelt sich durch viel Übung nach und nach jene Geschicklichkeit, die eines Meisters Ehre ausmacht und die die so unterschiedliche Art und Qualität der Edelsteine verlangt, all die Eigenheiten zu meistern, die sich aus dieser Vielfalt ergeben. Nochmals von dem Diamant für Papst Paul Um nun zu einem hervorragenden Beispiel zu kommen, greife ich zurück auf jenen großen Diamanten, den ich für Papst Paul faßte, welche ich, weil der Ring schon fertig vorlag, nur noch färben mußte. Ich hatte Rafaello, Guaspari und Gaio um zwei Tage Aufschub gebeten, während denen ich mich dann mit der genannten Farbtinktur so leidenschaftlich beschäftigte, wie wohl kein anderer zuvor, so daß ich durch viele Experimente eine Mischung erfand, die weit besser zu jenem Diamanten paßte als die von Meister Targhetta verwendete. Als ich dann sicher war, diesen so wundersamen Meister übertroffen zu haben, setzte ich mir in den Kopf, zu versuchen, auch mich selbst noch zu schlagen, weil es sich, wie vorhin erwähnt, um einen Stein handelte, der unvorstellbar schwierig zu behandeln war, weil er derartig dünn war. Für den Juwelier bestand das Problem darin, den Effekt nur mit Farbtinkturen, nicht etwa mit einem Spiegel zu erreichen, über den zu seiner Zeit noch zu reden sein wird. Von meinen Vorbereitungen endlich befriedigt, bat ich die drei alten Juweliere, wiederzukommen, und hatte zu ihrem Erscheinen alle meine Farbtinkturen fein säuberlich aufgestellt.

Wie sie nun in meine Werkstatt kamen und die vielen Vorbereitungen sahen, die ich getroffen hatte, um den Diamant in ihrer Gegenwart zu färben, fing dieser eingebildete Gaio, der als erster eingetreten war, unter heftigem Kopfschütteln und Gestikulieren auch sofort als erster zu schwatzen an und sagte: »Benvenuto, dies hier sind alles Possen und leeres Gewäsch. Finde du die Farbtinktur des Meisters Miliano wieder und färbe den Stein ungesäumt damit, denn wir sind knapp an Zeit, das Viele, das der Papst uns aufgetragen hat, zu erledigen.« Raffaello, als der ältere - und zudem ein besonnener Mann - als er sah, daß mich eine schreckliche Wut überkam, begann nun in wohlgesetzten, schönen Worten zu reden, Worte solch werten Inhalts, daß man sie nicht wiedergeben kann, so daß es ihm zuzuschreiben ist, daß sich meine Wut legte. Auch der andere, Meister Guasparri Romanesco, um dies Biest Gaio zu mäßigen, wandte sich mit allerlei Worten an mich, wenngleich nicht mit so gediegenen, weil ihm keine so schöne Form zu sprechen gegeben war. Und ich, derweil ich merkte, wie nah ich einem bösen Wutausbruch gewesen war, wandte mich mit folgenden Worten an die drei Herren: »Der Herr der Schöpfung gab dem Menschen vier verschiedene Möglichkeiten des sprachlichen Ausdrucks, welche folgende sind: - Die erste ist das >RäsonierenSprechenPlaudernSchwatzengesprochenf Unze

Borax

Erläuterungen zu den Reagenzien Schwefel: Gelbes Schwefelpulver, »Schwefelblüte«. Weinstein (ital.: gromma): Ablagerung in Weinfässern, Kaliumbitartrat C 4 H 5 0 6 K , zerfällt in der Hitze zu Kaliumcarbonat. Kochsalz: Natriumchlorid NaCl Curcum wurde bereits erläutert. Rötel: Oxydisches Eisenerz (Roteisenstein, Eisenglanz, Hämatit) F e 2 0 3 - Wegen des hohen Tonanteils wird der weiche Toneisenstein Rötel auch als Zeichenstift benutzt. Grünspan: Giftiges Kupferacetat ( C H 3 C O O ) 2 C u Salpeter: Natrium- bzw. Kaliumnitrat N a N 0 3 ; K N O ? Vitriol: Eisen(III)-sulfat F e 2 ( S 0 4 ) 3 Ammoniaksalz: Salmiak, Ammoniumchlorid NH 4 C1 Wachs: frisches Bienenwachs Feretto d'Ispagna: Gemisch aus Kupferoyxden und -Sulfiden Borax: Natriumborat N a 2 B 4 0 7 , Lötmittel Anwendung der Farblösungen Wenn der Überzug mattgelb ohne Flecken und Unebenheiten aufgebracht ist, wird der Gegenstand mit der Messingbürste gekratzt. Um den reinen, warmen Goldton,

das Hochgold, zu erreichen, müssen die in der Überzugsschicht enthaltenen Quecksilberreste und die aus dem Grundmetall diffundierten Metall-Ionen herausgelöst werden. Cellini empfiehlt dazu verschiedene Verfahren, die auf die Beschaffenheit der Vergoldungsschicht abgestimmt sind. Erste Methode (KapitelXXVII). Weil die Goldschicht nur dünn ist, muß die Ware besonders vorsichtig behandelt werden, deshalb wird sie nur kurz in die heiße Lösung getaucht. Die Ionen von Kupfer, Silber, Quecksilber und anderer Metalle sollen vom Schwefel und den Säureresten der beiden Salze gebunden werden. Zweite Methode (Kapitel XXVIII). Die Chemikalien werden als wäßriger Brei aufgetragen, unterstützt durch die Hitze des Holzkohlenfeuers werden die Reaktionen intensiviert. Dritte Methode (Kapitel XXIX und XXX). Es ist die bis ins 19. Jahrhundert übliche Behandlung der Goldschicht mit »Glühwachs«. Wenn das Wachs verbrennt wirkt es als Schutzgas, und außerdem reduziert der freigesetzte Kohlenstoff die Metallverbindungen der Salze, so daß die unerwünschten Metall-Ionen noch leichter aus der Goldschicht herausgelöst werden können. Nachdem die Wachsbehandlung abgeschlossen ist, »kannst du dem Werk die Färbung geben, die jetzt folgt«, heißt es am Ende des Kapitels. Demnach gehören diese und die folgende Methode zusammen. Vierte Methode (Kapitel XXXI und XXXII). Hierbei werden besonders starke Salze benutzt, die in der Hitze sehr intensiv auf die Beschichtung einwirken. Deswegen kann man nur sehr dicke, fest haftende Goldschichten damit behandeln.

Kapitel X X X I I I

Will man das Silber an bestimmten Stellen weiß lassen Nachdem du die Stellen, von denen du nicht willst, daß sie vergoldet werden, gesäubert hast, nimm Mehlstaub, wie man ihn überall an den Wänden und in den Ecken der Mühlen findet. In Florenz nennt man ihn »fuscello«. Dieses Staubmehl rührt man mit Wasser zu einem feinen Brei an und trägt ihn dann mit einem feinen Fehhaar-Pinselchen ordentlich dick dort auf, wo, wie gesagt, kein Gold hinkommen soll. Dann läßt man ihn über einem schwachen Feuer trocknen. Dann kann man bedenkenlos vergolden. Wenn man nicht gewohnt ist, mit dem Mehlstaub zu arbeiten, gibt es noch eine andere Möglichkeit, daß du dir nämlich einen Gipsbrocken besorgst, wie ihn der Schuster benutzt. Du mußt ihn zerstoßen und mit Hirschleim, besser noch ist Fischleim, zu einer Paste anrühren.

Kommentar zu Kapitel X X X I I I : Gipsleim und Mehlkleister

In diesem Fall soll ein Silbergegenstand nur partiell vergoldet werden, um beispielsweise Ornamente oder figürliche Darstellungen besonders hervorzuheben. Man kann zwar das Goldamalgam formgenau auftragen, mit zunehmender Erwärmung fließt es aber unkontrolliert über das Silberblech und auf der gewölbten Fläche eines Gefäßes ist es nicht aufzuhalten. Nur mit einer zuverlässigen Abdeckung kann man das Amalgam zurückhalten. Das mit organischem Leim angerührte Gipspulver versprödet bei Erwärmung, deshalb favorisiert er den altbewährten Mehlkleister. Theophilus ( T H E O P H I L U S , 3. Buch, Kapitel LH) benutzte ihn schon, um Filigranschnörkel und Zargenfassungen beim Belöten an der richtigen Stelle zu fixieren. Cellini hat das Verfahren der Feuervergoldung in den Kapiteln X X V I - X X X I I I sehr ausführlich und detailliert beschrieben, obgleich wir erwarten müßten, daß zu seiner Zeit jeder Goldschmied ständig damit zu tun hat-

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Du mußt darauf achten, daß sowohl der eine wie der andere Leim mit genügend Wasser verdünnt wird, damit er nicht zu steif wird. Weil ich nichts verschweigen will, was zu sagen ist, merke dir folgendes: Ich habe oft gesehen, wie man Gips für die Teilvergoldung benutzt, und ich habe es selbst auch getan. Wenn ich aber nach der vorhin erwähnten Methode vergolden wollte, benutzte ich stets den Mehlstaub aus der Mühle. Das dürfte über dieses Verfahren genügen. Alles in allem genommen ist es in jeder Kunst und jedem Handwerk besonders wichtig, daß man das Metier selbst sicher beherrscht. Trotzdem muß ich jetzt aber anmerken, daß es besser wäre, das Vergolden den Spezialisten zu überlassen, weil es, wie ich schon sagte, der Gesundheit sehr schadet. Der Meister begnüge sich damit, das Verfahren zu kennen und damit basta.

te. Aber in den letzten Sätzen erfahren wir von einer bemerkenswerten Arbeitsteilung: Die etablierten Goldschmiedemeister waren zu schade für diese lebensverkürzende Tätigkeit, es genügte, wenn sie ungefähr wußten, wie es gemacht wurde, und »weil es der Gesundheit sehr schadet« empfiehlt Benvenuto, daß der Umgang mit dem hochgiftigen Quecksilber den einfachen (weniger wertvollen) Spezialisten, also den »Vergoldern«, überlassen werden soll - »und damit basta!«.

Kapitel X X X I V

Über die Herstellung der beiden Arten des »aqua forte« zum Scheiden und zum Ätzen Lösung zum Ätzen des Kupfers I Abdeckmittel Lösung zum Atzen des Kupfers Ich spreche zuerst von derjenigen, mit der man Kupferplatten ätzt, anstatt sie mit Sticheln zu gravieren, denn damit ist eine einfache und sehr schöne Methode gefunden worden. Die Atzlösung bereitet man sich auf folgende Weise: Nimm - eine halbe Unze Sublimat, - eine Unze Vitriol, - eine halbe Unze Steinalaun, - eine halbe Unze Grünspan und - sechs Zitronen. In den Saft der Zitronen rührst du die erwähnten Substanzen, nachdem du sie sorgfältig pulverisiert hast. Auf gutem Feuer bringst du sie zum Kochen, doch nicht zu lange, damit sie nicht eindampfen. Beachte, daß der Topf innen glasiert ist, und wenn du keine Zitronen hast, kannst du auch starken Essig nehmen, was auf das gleiche herauskommt.

Kommentar zu Kapitel X X X I V : Kupferradierung Nun erfahren wir, wie die Radierung auf einer Kupferplatte ausgearbeitet wird. Modernes Verfahren. Eine glatte Kupferplatte wird mit dem »Ätzgrund«, einer säurebeständigen Mischung aus Asphalt, Kolophonium und Wachs eingestrichen. Mit der Radiernadel wird die Zeichnung in diese Deckschicht eingeritzt, dadurch kann dann verdünnte Salpetersäure an den freigelegten Stellen mit dem Kupfer reagieren, Kupfernitrate bilden und so an den freigelegten Stellen die Kupferteilchen aus der Platte herauslösen. Der Ritzzeichnung entsprechend entstehen im Kupfer-

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Abdeckmittel Wenn deine Kupferplatte gut geschliffen ist, nimm den ganz gewöhnlichen Firnis, mit dem man auch Schwertgriffe und andere Eisengegenstände abdeckt, erwärme ihn auf kleinem Feuer und schmilz noch etwas Wachs dazu, denn dadurch splittert er nicht, wenn man ihn bearbeitet. Beachte beim Auftragen auf das Kupfer, daß du ihn nicht zu sehr erhitzt. Nachdem du dann das Atzmotiv eingeritzt hast, forme ringsum einen Rand aus Wachs und schütte die Atzflüssigkeit hinein. Lasse sie nicht länger als eine halbe Stunde lang einwirken und falls dir die Atzung dann noch nicht tief genug erscheint, gieße noch etwas frische Atzlösung zu. Dann schütte die Atzlösung weg und reinige das Ganze mit einem Schwamm. Gezeichnet wird durch den Decklack hindurch mit einer scharfen, spitzen, gehärteten Stahlnadel, die von den Künstlern »stilus« genannt wird Damit die Radierung nicht verdorben wird, löse den Decklack vorsichtig mit heißem Öl und Schwamm von der Platte ab, die man jetzt als Druckplatte verwendet, um Abzüge auf Papier zu machen, genauso wie diejenigen, die mit dem Stichel graviert wurden. Obgleich das Verfahren verhältnismäßig einfach ist, muß wahrheitsgemäß doch gesagt werden, daß von diesen Platten nicht annähernd so viele Abzüge möglich sind wie von den gravierten.

blech Furchen, die mit Druckerschwärze gefüllt auf dem aufgedrückten Papier eine lineare Zeichnung entstehen lassen. Ätzflüssigkeit. Man verwendete also folgende Mischung: A Unze

Sublimat

i Unze

Vitriol

'/, Unze

Alaun

A Unze

Grünspan

6 Stück

Zitronen

Kapitel X X X V

Nach unserem Verständnis handelt es sich um folgende Substanzen: Sublimat: Quecksilber(II)-chlorid HgCl 2 Vitriol: Eisen(III)-sulfat Fe 2 (S0 4 ) 3 Alaun: Kalium-Aluminium-Sulfat KA1(S0 4 ) 2 • 12 H 2 O Grünspan: Giftiges Kupferacetat (CH 3 COO) 2 Cu Abdeckmittel. Es besteht immer, auch bei den modernen Abdeckmitteln, die Gefahr, daß sie während der Ätzung an den Furchen ausplatzen oder von der Kupferfläche abblättern. Ob das Gemisch von Firnis und Wachs besser haftet als unser heutiger Asphaltlack ist noch nicht überprüft worden.

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Über die Herstellung des »Wassers zum Scheiden« Scheidewasser wird auf folgende Weise hergestellt: Man nimmt - acht Pfund gebrannten Steinalaun und - gleichviel sehr guten Salpeter, dazu - vier Pfund römisches Vitriol und gibt alles in einen Destillierkolben und fügt nach Gutdünken schon gebrauchtes Scheidewasser dazu. Um deinem Gefäß einen Schutzmantel zu geben, nimm - Pferdemist, - Eisenspäne und - Schamotte in gleichen Mengen, vermischt mit - Eigelb, und bestreiche deinen Kolben so dick damit, wie es dein Herd erlaubt. Dann stelle ihn auf ein kleines, dem Zweck angepaßtes Feuer.

Kommentar zu Kapitel XXXV: Gold-SilberScheidung Das »Wasser«, mit dem Gold und Silber von einander geschieden werden, ist also diese Mischung von Chemikalien: 8 Pfund (ein Teil)

Alaun

8 Pfund (ein Teil)

Salpeter

4 Pfund (1/2 Teil)

Vitriol

Cellini hatte die Mischung mit der Gesamtmenge von fast 7 kg wohl für die Scheidung einer recht großen Metallmasse vorgesehen. Alaun: Kalium-Aluminium-Sulfat KA1(S04)2* 1 2 H 2 0 Salpeter: Natrium- bzw. Kaliumnitrat N a N 0 3 ; KNO ? Vitriol: Eisen(III)-sulfat Fe 2 (S0 4 ) 3

Kapitel XXXVI

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Über die Herstellung des »königlichen Zementes« Vorbereitung Konstruktion

des Goldes I Herstellung des Ofens

des Zements I

Vorbereitung des Goldes Das Gold, das du läutern willst, schlägst du zu dünnen Plättchen aus und schneidest sie zu Stückchen von der Größe und Dicke eines Scudo. Gelegentlich wurden sogar Goldscudi direkt in diesem Zement verfeinert, denn seine läuternde Kraft ist so wirksam, daß er ihnen alle Zusatzmetalle entziehen kann, ohne daß das Prägebild zerstört wird, es wird also nur das gelöst, was unedel ist.

Kommentar zu Kapitel XXXVI: Läutern des Goldes durch Zementation Wirkungsweise der Zementation Erst im 18. Jahrhundert wurde es möglich, die Metalle mit Hilfe von Säuren chemisch zu lösen und zu Salzen umzusetzen. Bis dahin war die Zementation das allgemein übliche Verfahren, um den für die Feuervergoldung erforderlichen Reinheitsgrad des Feingolds zu erreichen. Deshalb gehört auch dieses Kapitel noch zum Thema »Feuervergoldung«. Das Prinzip der Zementation beruht darauf, daß Chlor-Ionen freigesetzt werden, die sich mit den an der Goldoberfläche freiliegenden Silberteilchen verbinden, weitere Silber-Ionen wandern nach und nach an die Oberfläche und werden ebenfalls umgesetzt, so daß schließlich das vom Silber befreite geläuterte Feingold übrig bleibt. Verfahren nach Theophilus (THEOPHILUS, j. Buch; Kapitel XXXIII j Als Zement werden K Ziegelmehl und % Kochsalz, mit etwas Urin zu einem Brei angerührt. In Tiegeln, die später luftdicht verschlossen werden, schichtet man im Wechsel

Herstellung des Zements Den Zement macht man auf folgende Weise: Nimm Weinstein und Ziegelmehl und mische sie zu einer dünnen Paste zusammen. Konstruktion des Ofens Dann baue einen runden Ofen. Streiche in die Fugen dieses Ofens, zwischen die einzelnen Backsteine die erwähnte Paste, stecke deine Goldplättchen oder Goldscudi in den Zement und bedecke sie damit vollständig. Beheize den Ofen vierundzwanzig Stunden lang, und das Gold wird sich auf 24 Karat geläutert haben.

dünne Goldbleche und Zement übereinander. 24 Stunden lang werden die Tiegel bei mäßiger Hitze gehalten. Im abgeschlossenen Raum zerfällt das Kochsalz, die freigesetzten Chlor-Ionen reagieren mit den Silber- und Kupferteilen des Goldes zu Chloriden, die sich am Ziegelmehl ablagern. Durch Diffusion kommen all die Ionen der Fremdmetalle aus den tieferen Schichten an die Goldoberfläche und werden genauso chemisch gebunden. Cellinis Verfahrensbeschreibung Er baut einen Ziegelofen; in die Fugen füllt er die Zementmischung, steckt die Goldplättchen hinein, so daß die Chemikalien unter Luftabschluß auf das Goldblech einwirken können. Die Mischung wird genauso wie der Mörtel (lat.: »caementum«) zwischen die Ziegelsteine gefüllt. Hat das Verfahren daher seinen Namen bekommen? Aber nur mit Weinstein und Ziegelmehl - wie es Cellini angibt - kann das Verfahren nicht funktionieren, möglicherweise ist die angegebene Rezeptur unvollständig. Weinstein (Tartarus), Kaliumbitartrat C 4 H s 0 6 K setzt sich beim Lagern des Weins an der Innenseite der Fässer ab. Beim Erhitzen wird daraus Kaliumcarbonat K 2 C 0 3 , also ein übliches Löt- und Schmelzmittel.

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Ziegelmehl ist der Füllstoff, an dem sich die Reaktionsprodukte ablagern. Es fehlt das Kochsalz, dessen Chlor-Ionen üblicherweise die Umsetzung des Silbers bewirken. War das für Benvenuto - und seine Zeitgenossen - so selbstverständlich, daß er vergaß, es zu erwähnen? Wir wissen es nicht. Mit dem in der Nachbemerkung erwähnten abschließenden Beispiel wird diese Vermutung bestätigt. Die goldene Figur war also mit Bleioxid PbO (Bleiglätte) bedeckt. Daß dieser Belag unter der Zementschicht aufgelöst wurde, ist dadurch zu erklären, daß Chlor-Ionen unter Luftabschluß das Oxyd in Blei(II)chlorid PbCl 2 umgesetzt haben, das in warmem Wasser leicht löslich ist. Arbeits- und Gesundheitsschutz Am Ende des letzten Kapitels in der Reihe der chemischen Verfahrensbeschreibungen von der Feuervergoldung (Kapitel X X V I ) bis zum Scheidewasser (Kapitel X X X I V und X X X V ) und den Bleiverbindungen in Kapitel X X X V I muß der Kommentator eindringlich und nachdrücklich auf die extreme Gesundheitsgefährdung durch all diese Verfahren hinweisen. Man knetete das Quecksilber mit den Fingern, atmete die braunen Dämpfe der Salpetersäure ungeschützt ein, es gab keine Schutzkleidung, keine Atemmasken und keinen Abzug. Es ist schon makaber, daß man die großen Gesundheitsrisiken sehr genau kannte (Ende Kapitel X X V ) ! Wenn man heute die Rezepturen nachvollziehen will was durchaus interessant sein kann - muß man vorher all die Bedingungen schaffen, mit denen jedes Gesundheitsrisiko ausgeschlossen wird. Nach dieser eindringlichen Ermahnung hören wir noch, was uns Cellini am Ende des letzten Kapitels zu sagen hat, und mit diesen Worten beendet er seine Abhandlung über die Goldschmiedekunst - aber da fiel ihm doch noch etwas ein:

Cellinis Abschlußbemerkungen zur Chemie am Arbeitsplatz Lieber Leser, beachte, daß die Aufzeichnungen über die Ätz- und Scheidewässer nicht für diejenigen geschrieben worden sind, deren Gewerbe die Scheidekunst ist. Genauso ist es mit dem, was ich über den echten Zement schreibe. Es wird aber dem Goldschmied als Information nützlich sein. Als ich für König Franz einige goldene Figuren, eine halbe Elle hoch, zu machen hatte, passierte mir folgendes. Ich glühte die fertigen Figuren noch einmal aus, und dabei beschlugen sie plötzlich mit Bleidampf. Hätte ich sie nicht mit dem erwähnten Zement bestrichen, wären sie zerborsten wie Glas. Aber ich glühte sie, bedeckt mit dieser Zementschicht sechs Stunden lang bei mäßiger Hitze und löste auf diese Weise die Bleischicht.

ZWEITE ABHANDLUNG ÜBER DIE BILDHAUEREI

Kapitel I

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Über die Kunst des Bronzegusses Die Nymphe von Fontainebleau Gußmodell

I Die Nymphe als

Die Nymphe von Fontainebleau Ebenso wie ich es schon anderenorts getan habe, will ich einmal mehr dem, der dies liest, um ihm die vermehrte Gewißheit und Vertrauen zu vermitteln, Beispiele großer Werke in Bronze beschreiben, wie ich sie damals in der herrlichen Stadt Paris für König Franz ausgeführt hatte. Einige dieser Bronzearbeiten führte ich zu Ende, andere blieben unvollendet. Eine dieser ausgeführten Arbeiten war eine Lunette von etwa acht Ellen für das Tor von Fontainebleau (Tafel IX). In ihrem Halbbogen formte ich eine liegende Figur von sieben Ellen, eher größer, als Halbrelief »die Quelle« personifizierend. Unter ihrem linken Arm Krüge, aus denen das Wasser quoll. Ihr rechter Arm ruht auf einem vom Halse an vollplastischen Hirschkopf. Auf der einen Seite des Halbrunds brachte ich mehrere Hunde an, will sagen Spürhunde und Windspiele, auf der anderen Rehe und etliche Wildschweine. Über den Bogen stellte ich zwei Engel als Siegeszeichen, Fackeln in den Händen tragend, und über allem das Emblem des Königs: sein Salamander, umgeben von reichem Rankenwerk und für die Pilaster des Portals zwei Satyrn. Einzig letztere wurden nicht mehr in Bronze gegossen, doch standen sie zum Gießen bereit. Die Nymphe als Gußmodell Der oben beschriebene Halbbogen wurde aus verschiedenen Gußteilen zusammengesetzt. Das erste und größte Stück war die »Quelle von Fontainebleau« selbst, das heißt besagte weibliche Figur, deren Kopf und verschiedene andere Teile des Körpers, die im Vollrelief erscheinen, das übrige im Halbrelief.

Ich machte die Figur aus Ton in der genauen Größe des fertigen Werkes, doch beim Nachmessen stellte sich heraus, daß sie um eine Fingerdicke geschrumpft war. So überarbeitete ich sie, aufs sorgfältigste messend und korrigierend, wie es eine solche Kunst verlangt. Darauf brannte ich sie tüchtig und, nachdem sie also durchgeglüht war, überzog ich das Ganze mit einer gleichmäßigen Wachsschicht von etwas weniger als Fingerdicke, dort etwas Wachs zugebend, wo ich es für notwendig hielt, nie aber von der ersten, vorher aufgetragenen Schicht wegnehmend, oder nur wenig. Auf diese Weise verfuhr ich bis zum Ende, bis ich die Statue mit allem mir möglichen Fleiß und größtem Eifer wieder auf ihr ursprüngliches Maß gebracht hatte. Nachdem sie also beendigt war, zerrieb ich Widderhorn, das heißt, das Mark gebrannter Widderhörner. Dieses Mark ist wie ein Schwamm, verbrennt leicht, und es gibt kein besseres Bein in der Welt als dieses. Ich zerrieb dieses Mark zusammen mit einer Hälfte Tripel und einem Viertel Eisenhammerschlag und vermischte dies alles innig miteinander. Darauf mischte ich dazu noch Ochsenmist und Pferdemist - die ich mit Wasser durch ein feines Sieb passierte, bis das Wasser die Farbe des Dungs angenommen hatte - zu einer breiigen Masse, die ich mit dem Pinsel aus Schweinsborsten auf mein Modell auftrug, die weichen, vorderen Spitzen der Borsten benutzend, weil es sich damit zarter arbeiten ließ. Auf diese Weise bedeckte ich die ganze Wachsschicht der Statue mit einer gleichmäßigen Schicht dieser Mischung, ließ sie trocknen, und in gleicher Weise noch zwei Lagen. Jede dieser Schichten hatte die Dicke des Rückens eines gewöhnlichen Tafelmessers. Schließlich legte ich eine Lage Formerde von einem halben Finger darüber, ließ auch diese trocknen, dann eine weitere von Fingerdicke, und wenn sie getrocknet war, eine dritte, gleichfalls einen Finger dick.

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Kommentar zu Kapitel I: Die Tonfigur als Kern der Gußform Auftrag und Endprodukt. Im Januar 1542 besuchte der König zusammen mit vielen Edelleuten seines Hofes die Werkstatt des Meisters. »Er war sehr verwundert, daß ich so viele Werke in Arbeit hatte, und daß sie schon so weit waren. Seine Madame d'Estampes war bei ihm und sie begannen von Fontainebleau zu sprechen. Daraufhin beauftragte mich der König, »ein Modell für eine >schöne Quelle< anzufertigen und dabei die reichsten Erfindungen anzubringen, die ich nur ersinnen könne« [ C O N R A D , S. 326]. »Fontaine-bell-eau« (franz.) bedeutet nämlich: »Die schöne Quelle«. Der König war von den Entwürfen begeistert, trotzdem wurde nur das Bogenfeld mit der Nymphe ausgeführt, aber dann nicht mehr in Fontainebleau aufgestellt. Nach dem Tode Franz I. schenkte sein Sohn, Heinrich II., das Werk seiner Geliebten, Diana von Poitiers, die es über dem Tor ihres Chateau d'Anet anbringen ließ. Während der Revolution wurde es abgebaut und befindet sich seit 1797 im Louvre [MR 1706]. Für uns hat diese Lunette besondere Bedeutung. Dieses überdimensionale Bronzerelief ist eines der wichtigsten Werke des Bildhauers Cellini, das die 450 Jahre gut überstanden hat, und das wir deshalb bei einem Besuch des Louvre im Originalzustand bewundern können. Wir können den Text des vorliegenden Kapitels und den noch ausführlicheren der Vita ( C O N R A D , S. 327) mit dem Originalwerk vergleichen. 20 Jahre liegen zwischen der Herstellung des Reliefs und dieser Niederschrift, Cellini kam nie wieder nach Frankreich, konnte sein Werk zwischendurch nie wieder sehen, trotzdem ist seine Beschreibung in allen Details korrekt, die beschriebene Technologie völlig überzeugend, sogar die Maßangaben stimmen. Das ist eine beachtliche Gedächtnisleistung. Daraus ergibt sich eine interessante Schlußfolgerung: Wenn bei diesem nachprüfbaren Beispiel die Beschreibung derartig zuverlässig ist, dann können wir uns

genauso auf all die Texte verlassen, zu denen es keine Originalwerke mehr gibt. In den Trattati und in der Via beschreibt er zahlreiche seiner Werke so genau, daß sich daraus eine Sammlung »virtueller Kunstwerke« ergibt, mit der unsere Kenntnisse über Cellinis Gesamtwerk wesentlich bereichert wird. Vom Modell zur Gußform. Es handelt sich um das, seit der Antike bekannte Verfahren, das in gebildeten Kreisen »Cire perdue« (franz.: »Verlorenes Wachs«) heißt, also das Wachsausschmelzverfahren. Weil die Gußform bei Entnahme des Gußstücks zerstört werden muß, ist es ein »Guß in verlorene Form«. Um die Masse des Bronzereliefs zu reduzieren wird der Hohlguß angewandt mit folgendem Aufbau der Gußform: Auf den Tonkern, der dem Hohlraum der Figur bzw. des Reliefs entspricht, wird eine knapp zwei cm dicke Wachsschicht aufgetragen, die der späteren Wandung der Bronzeplastik entspricht. Mit dem Tonmantel wird die Wachsschicht umhüllt. Die Wachsschicht zwischen Kern und Mantel wird beim Brennen des Tons herausgeschmolzen, und dieser Hohlraum wird dann beim späteren Guß mit der flüssigen Bronze ausgefüllt. Der technologische Ablauf ist durchaus korrekt beschrieben worden. Weil das Verfahren so wichtig ist und um es auch dem Laien verständlich zu machen, gehen wir die Arbeitsschritte noch einmal durch. Das Modell - Relief, Halbplastik oder Vollplastik wird zunächst in Originalgröße aus Ton modelliert. Wenn der Ton dann allmählich trocknet, die Feuchtigkeit also langsam verdunstet, schrumpft das Modell allseitig um etwa Fingerdicke und wird dann als Kern der Gußform verwendet. Diese Differenz wird mit einer etwa gleichdicken Wachsschicht aufgefüllt, die genau der späteren Wandung der fertigen Bronzeplastik entspricht. Die Wachsoberfläche muß sehr fein ausgearbeitet werden, denn sie ergibt die Oberfläche der fertigen Bronzefigur. Würde man das Wachs nur mit Formerde einbetten, könnte man diese Feinheiten nicht übertragen, und man bekäme eine grobkörnige Oberfläche.

Kapitel II

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Wie diese Formerde zubereitet wird Auswahl der richtigen Sorte I Aufbereitung

der Formerde

Auswahl der richtigen Sorte Die zum Einbetten geeignete Erde wird auf folgende Weise zubereitet. Du nimmst solche, die auch der Kanonengießer gebraucht. Man findet sie in verschiedenen Gegenden, bisweilen in Flußnähe, dort ist sie sandhaltig, doch sie sollte nicht zu sandig sein - es genügt, wenn sie mager ist. Fettige Tonerde ist weich und schmierig, sie eignet sich zwar für kleine Figuren, Gefäße und Schüsseln, ist aber hier nicht brauchbar. Die für unseren Zweck brauchbare Erde findet man an gewissen Hügeln und in Höhlen, besonders bei Rom und Florenz, auch in Paris in Frankreich, und diese ist die beste, die ich auf der Welt kenne. Im allgemeinen übertrifft diejenige aus den Höhlen solche, die an den Flüssen gegraben wird. Aufbereitung der Formerde Um ein gutes Ergebnis zu erhalten, mußt du sie zuerst trocknen lassen, und wenn sie trocken ist, siebst du sie

Kommentar zu Kapitel II: Der Scherwolle-Ton Formsand-Formerde. »Fett« und »mager« sind die Tone natürlich nur im übertragenem Sinne. In der Sprache der Keramiker wird die Masse etwa mit dem Zustand von Quark verglichen. Die Konsistenz der reinen Tonerde ähnelt dem gut streichfähigen fetten Quark; mit zunehmendem Sandgehalt wird der Ton immer spröder, ähnelt dann immer mehr dem krümligen fettarmen mageren Quark. Die Kardinalssiegel (Kapitel X I I I ) wurden in tonhaltigen Sand eingebettet, der in den Formrahmen fest eingestampft werden mußte, und mit dem die feinen Details des vergleichsweise kleinformatigen Reliefs gut reproduziert werden konnten. Jetzt braucht man also mageren Ton mit geringem Sandgehalt, und wir erfahren sogar, wo man ihn damals gefunden hat.

durch ein ziemlich grobes Sieb, um sie von kleinen Steinen, Wurzeln und Glasscherben zu säubern. Nun vermische diese Erde mit Scherwolle, von der du fast halb so viel beigeben kannst, wie du Ton hast. Merke dir, ich verrate dir ein wunderbares Geheimnis, welches vor mir niemand kannte, es ist folgendes: Vermenge Erde und Wolle kräftig mit Wasser, so daß sie wie Brotteig werden und klopfe sie gründlich mit einem zweifingerdicken Eisenstab durch. Das Geheimnis besteht nun darin: Laß' diesen Teig mindestens vier Monate lang ruhen, auch länger - je länger, desto besser. Weil die Scherwolle verfault, wird der Lehm geschmeidig wie eine Salbe. Diejenigen, die dieses Verfahren nicht kennen, wird er zu fett erscheinen, doch verhindert diese Art der Speckigkeit keineswegs den Kontakt mit dem Metall, im Gegenteil, dieser Lehm hält unvergleichlich besser, hundertmal fester zusammen, als wenn er nicht gefault wäre. Ich habe ihn an manchem schwierigen Werk, von dem ich dir am geeigneten Ort noch erzählen werde, ausprobiert.

Das Geheimnis der aufbereiteten Formerde. Ähnliche organische Zusätze hatte auch Theophilus als vorteilhaft erkannt, und er empfahl für die Kerne seines gegossenen Weihrauchgefäßes: »Nimm mit Pferdemist gemengten und gut durchgekneteten Ton, laß ihn in der Sonne trocknen, zerkleinere ihn nach dem Trocknen und siebe ihn sorgfältig« [ T H E O P H I L U S , Bd. 3; Kapitel L X I ] . Beim Glockenguß ist es heute noch üblich, daß der Ton mit Rinderhaaren versetzt wird. Hier geht man aber noch einen Schritt weiter: Mit der verfaulten Schafwolle »wird der Ton geschmeidig wie eine Salbe« und paßt sich allen Feinheiten des Modells an. Der eigentliche Vorteil solcher organischer Zusätze erweist sich beim Brennen der Form, denn die Volumenverminderung des Tons, die Schrumpfung, wird im Mikrobereich durch diese Einlagerungen ausgeglichen.

Kapitel III

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Ein anderes Verfahren, lebensgroße oder noch etwas größere Bronzefiguren zu gießen Kommentierende Kommentar

Einführung - Originaltext -

Brepohl: Kommentierende Einführung zu diesem langen und schwierigen Kapitel Um dem Leser den Zugang zu Cellinis Text zu erleichtern, beginnen wir mit einer kurzen einführenden Wegweisung. Originaltext und zugehöriger Kommentar folgen dann in gewohnter Weise. Kulturhistorische Bedeutung. Dieses Kapitel ist nicht nur sehr lang, es hat auch eine besondere kulturhistorische Bedeutung, denn gegossene Metallplastiken kennen wir seit der Antike, aber nun erfahren wir zum ersten Mal ganz genau, wie solche Werke gemacht wurden. Einerseits können wir diese Verfahrensbeschreibung durchaus auf die altrömischen Bronzeplastiken beziehen, andererseits gilt diese Technologie prinzipiell auch heute noch. Wir schmelzen heute das Metall in computergesteuerten Elektroofen, die Einbettmasse ist zuverlässiger, aber nach wie vor hängt der Erfolg vom Geschick und von der Erfahrung des Gießmeisters ab. Es ist eine glückliche Fügung, daß nicht irgend jemand, sondern einer der bedeutendsten Kunsthandwerker, aus eigener Erfahrung aufgeschrieben hat, wie er seine Plastik in Ton modelliert, mit Einbettmasse abgeformt, in Bronze gegossen und schließlich bis zum Endzustand überarbeitet hat. Modell und Gußform. Cellini unterscheidet bei der Gestaltung des Gußkerns zwei Möglichkeiten: Das Original-Tonmodell bildet den Kern der Gußform. Die »Nymphe von Fontainebleau« (Kapitel I) wurde aus Ton modelliert, und dann als Tonkern in die Gußform eingesetzt. Die Originalplastik bildete den Hohlraum der Bronzefigur und wurde beim Guß zerstört. Genauso ging auch die Original-Tonplastik beim Guß des »Perseus« verloren. Das Original-Tonmodell wird durch einen neuen Ton-

kern ersetzt. Jetzt beschreibt er ein Verfahren, bei dem die Original-Tonfigur durch einen neuen Tonkern ersetzt wird, so daß die Tonplastik nach dem Guß unverändert erhalten bleibt. In diesen Trattati will Cellini seine vielseitigen Erfahrungen an alle die Kollegen weitergeben, die nicht - so wie er - das Glück und das Talent hatten, sich im Dienst der Reichen und Mächtigen dieser Welt an solchen Superaufträgen entwickeln zu können. Weil er bei diesen Kollegen solide handwerkliche Fertigkeiten und Grundkenntnisse voraussetzen konnte, übergeht er manche elementaren Arbeitsschritte. Wie immer erläutert er die Arbeitsverfahren anhand konkreter Beispiele. Im Kapitel I war es die »Nymphe von Fontainebleau«, jetzt, im III. Kapitel erfahren wir ganz am Ende und fast beiläufig: »Wir haben die Technik des Formens und Gießens behandelt, und ich habe sie an einer drei Ellen hohen Statue erprobt.« Eine nicht näher beschriebene, aus Ton modellierte Originalplastik also, etwa drei Ellen hoch wurde nach der Methode »Wachsausschmelzverfahren in verlorener Form« als vollplastische Bronzefigur reproduziert, ohne selbst dabei als Gußkern in der Form zu verbleiben, weil er diese Original-Tonplastik durch einen neu zu schaffenden Tonkern ersetzt hat. Zum Schluß stehen also Original-Tonplastik und gegossene Bronzefigur nebeneinander in der Bildhauerwerkstatt, wodurch die Nacharbeit des Gusses wesentlich erleichtert wird. Schmelzen und Gießen der Bronze. In diesem so umfangreichen III. Kapitel wird sehr ausführlich beschrieben, wie es mit der Gußform weitergeht, wie sie in die Erdgrube eingesetzt wird, wie das Metall geschmolzen und schließlich in die Form gegossen wird. Der Guß des Perseus. Bei seinem spektakulärsten Bronzeguß benutzte er tatsächlich die Original-Tonplastik als Gußkern, deshalb gehört diese Technologie eigentlich in das I. Kapitel, aber Cellini war kein dogmatischer Systematiker. Diese Arbeit war ihm so wichtig, daß er sie mehrfach und sehr ausführlich nun in dieses III. Kapitel einfügt.

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Um die Kontinuität der eigentlichen Gußtechnologie der »Drei-Ellen-Figur« nicht zu stören und um den Leser nicht zu verwirren, ist das, was sich auf den »Perseus« bezieht kursiv gesetzt worden. Seit April 1554 steht die Figur des Perseus in der Loggia dei Lanzi zu Florenz, und wir können hier, in diesem Kapitel, miterleben, wie diese Bronzeplastik vor rund 450 Jahren gemacht wurde. (Tafeln X - X I I I ) Das Werk war für den Goldschmied Cellini der Durchbruch von der Angewandten zur Freien Kunst. Eine so große Metallmenge zu erschmelzen und dann in eine, so komplizierte

Form zu gießen ging weit über das zu seiner Zeit Übliche hinaus. Er holt uns in sein Haus, wir sind dabei, wie der erschöpfte, vom Fieber geplagte Meister die Arbeit organisiert, wir erfahren viel über den leidenschaftlichen, jähzornigen, großartigen Meister, seine schwitzenden, bis zur Erschöpfung kämpfenden Helfer, und gemeinsam das Werk trotz aller Hindernisse schließlich zu einem guten Ende bringen. Und dann sitzen sie zusammen, glücklich, gelöst, erschöpft, essen und trinken, reden über all das, was sie gemeinsam geleistet haben.

Originaltext des III. Kapitels

Schmelzen, worauf du diese siedendheiße Salbe mit einem Pinsel aus Schweinsborsten auf deine Tonfigur sehr vorsichtig aufträgst, um ja keinen Muskel, keine Vene oder andere Feinheiten zu verderben. Staniol-Umhüllung. Hernach legst du dann das Staniol sorgfältig darüber. Dieses Staniol muß in dünnste Blätter ausgeschlagen sein; sie sind in aller Welt genugsam bekannt, werden sie doch von den Malern vielerorts, zum Beispiel auf Leinwände aufgelegt, um Rüstungen darzustellen. Du bedeckst deine Figur damit, weil du darüber einen Gipsmantel auftragen mußt. Um dies zu bewerkstelligen, sollst du die ganze Figur jetzt auch noch gut einölen. Wenn nämlich das Staniol nicht wäre, wäre sie gar schlecht gegen die Feuchtigkeit und die Kraft des Gipses geschützt; so aber, belegt mit der Folie, ist sie es aufs Beste. Diese Arbeitsweise bringt dir große Vorteile, denn: Ist die Figur in Bronze gegossen, hast du immer noch dein untadliges Originalmodell vor dir, und manche junge und andere Handwerksleute können dir behilflich sein, die Figur in Bronze zu verputzen. Besäßest du kein Modell mehr, danach zu arbeiten, wäre das Nachbearbeiten eine langwierige und ganz und gar unvergnügliche Sache für den bedauernswerten Meister, würde viel Zeit erfordern und müßte zu einem kläglichen Resultat führen.

Vorbereitung der Originalplastik zum Abformen I Einbetten der Tonplastik in die Gipsform I Gestaltung des Tonkerns I Herstellung der Wachsschicht I Tonmantel und Anlegen der Luftabzüge I Erwärmen der Gußform I Absenken der Gußform in die Grube I Einbetten der Gußform im Boden I Vorbereitung des Gußkanals I Die schmelzende Bronze fließt in die Form I So wurde die Bronzefigur des »Perseus« gegossen I Nachtrag zur Nymphe von Fontainebleau I Gußform mit einem Kern aus Gips-Einbettmasse Vorbereitung der Originalplastik zum Abformen Originalplastik aus Ton. Modelliere die Figur, die du auszuführen gedenkst, mit jenem Ton, dem du in oben beschriebener Weise die Scherwolle beigibst, weil er sich so, wie erwähnt, viel besser bearbeiten läßt. Bringe damit dein Modell, wie es eines Meisters Entwurf und Absicht entspricht, in wohlgewogenen Verhältnissen zu schönster Vollendung. Wenn die Figur also fertiggestellt ist, teils im frischen, dann auch im angetrockneten Ton, wie es sich gehört und wie du sie in Bronze gießen willst, bedecke sie mit einem Uberzug aus Malerstaniol. Isolierung der Tonplastik. Um später das Staniol auf der Figur befestigen zu können, nimmst du zunächst gleichviel Wachs und Terpentinöl und bringst sie zum

Das ist Italienische Renaissance »zum Anfassen!«

Das Tonmodell als Formkern beim »Perseus«. Solches widerfuhr mir nämlich mit dem Perseus, den ich für den illustren Fürsten Cosimo machte, und noch heute kann

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diese Figur auf der Piazza seiner Exzellenz betrachtet werden. Diese mehr als fünf Ellen hohe Figur wurde nach der ersten der beschriebenen Methoden gemacht, das heißt, es wurde das um eine Fingerdicke geschwundene Tonmodell gebrannt und eine Wachsschicht darüber modelliert, wie im Falle der Quelle von Fontainebleau, worauf man sie in einem Stück goß. Um den inneren Kern entfernen zu können, damit die Figur leichter werde, brachte ich durch den Wachsmantel einige Löcher auf die Flanken, Schultern und Beine an, allwo ich es für richtig und notwendig erachtete, und auch deshalb, damit die Kernform an ihrem Platz verharre. Nun bestrich ich das Wachs mit jener breiigen Mischung, die ich anläßlich der Fertigung der »Nymphe von Fontainebleau« erwähnte, und darüber zwei oder drei Lagen Ton, armiert mit Eisen, wovon ich noch sprechen werde, und dann wurde gegossen. Dieser Guß war seiner Größe wegen der schwierigste, den ich je getätigt hatte. Weil ich aber vom Gießen kleinerer Figuren sprach, möchte ich im Augenblick nicht allzusehr vom Thema abweichen. Später werde ich nicht versäumen, eine kleine Abhandlung über meinen Perseus an den Mann zu bringen. Kleister für die Staniol- Blätter. Nun muß ich aber noch nachholen, daß die Tonfigur mit einem ganz speziellen Kleister bedeckt werden muß, welcher mit einem weichen Pinsel aufzutragen ist. Auf diese werden dann eines neben das andere die erwähnten Folienstückchen aufgeklebt. Dieser Kleister wird aus Mehlstaub hergestellt und genauso zubereitet, wie es die Schuster oder Mützenmacher tun, wenn sie Barette, Börsen oder andere Dinge herstellen. Beachte, daß er fein sämig sei und dünn aufgetragen wird. Wenn du die Staniolfolie dann in kleinen Blättchen über die ganze Figur ausgelegt und sie damit säuberlich bedeckt hast, kannst du deine Gipsform machen. Einbetten der Tonplastik in die Gipsform Teilformen aus Gips. Nun läßt sich die Plastik auf verschiedene Weise in Gips abformen. Die schönste aber,

die mir vorgekommen ist und der ich mich stets selbst bediente, ist diejenige, die aus vielen kleinen Teilen besteht, die, zusammengesetzt, einen ganzen Menschen ergeben, mitsamt seinen Füßen, Händen und dem Kopf, wo überall bekanntlich mächtige Unterschnitte vorkommen. Diese kleinen Teilstücke müssen sehr sorgfältig hergestellt werden und, noch während der Gips weich ist, mit einem doppelten Eisendraht versehen sein, der im aus dem Gips hervorstehenden Teil eine Öse bildet, die mit einem Bindfaden versehen werden kann (Bild III.i). Jegliche dieser kleinen Teilformen, wenn du sie fertiggestellt hast, sollst du prüfen, ob besagter Teil gut abzuheben sei. Wenn du dich auch noch vergewissert hast, daß durch das Abformen nichts von der am Modell verwandten Sorgfalt gelitten hat, legst du das Stück wieder an seinen angestammten Platz, beachtend, daß niemals ein Zwischenraum entstehe, der dein Werk fehlerhaft werden ließe, und machst dich mit meisterlicher Aufmerksamkeit an das nächste Stück. So fährst du fort, Stück um

Bild III. i: Abformen der OriginalTonplastik. Teilformen aus Gips werden an die Tonplastik angelegt und vom Gipsmantel umhüllt. Mit Faden und Holzknebel wird jede Teilform einzeln mit dem Gipsmantel verbunden, beispielsweise die Teilform der Wade. (Schematische Darstellung).

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Stück, all die kleinen Teilformen setzend, nicht nur für alle Unterschnitte, sondern auch noch an vielen anderen Stellen, dazu, nach deinem Gutdünken am Kopf, den Händen und den Füßen. Auf diese Weise unterteilst du die eine Hälfte deiner Figur, das heißt der Länge nach über die Brust, hinunter zum Bauch, zu den Hüften und weiter bis zu der Hälfte der Fersen hinab. Beachte aber, daß du mit diesen kleinen Teilformen nicht die ganze Oberfläche des Modells bedeckst. Der Gipsmantel. Laß einen Teil der Brust, des Körpers, größere Partien der Schenkel und der Beine frei, halte dich aber daran, daß die Teilformen so angelegt sind, daß sie ein zusammengehöriges Ganzes bilden, das seinerseits keine Unterschnitte aufweisen darf, weil über die ganze Figurenhälfte ein zusammenhängender Gipsmantel von zwei Fingern Dicke gegossen wird. Bevor du nun diesen Mantel machst, mußt du die Eisenschlingen, die ich dich in die Teilformstückchen eingipsen ließ, mit einem Tonklümpchen bedecken, so daß sie, wenn du die Deckschicht aufgetragen hast, das Abheben nicht behindern. Nunmehr bestreichst du, was die Decke umfassen soll, mittels eines Pinsels mit Olivenöl, damit diese sich nach Erhärtung des Gipses leicht abheben läßt. Wenn du dann mit einem Teilstück die Probe gemacht hast, ob es sich aus der Schale des Mantels herausnehmen läßt, paßt du es zurück an seinen Ort und machst im folgenden die andere, das heißt die hintere Figurenhälfte in gleicher Weise, wie ich dich für die vordere gelehrt habe. Mit der alsdann beendeten Form verfahre sehr behutsam. Nimm einen starken Strick und umwickle die ganze Figur von Kopf bis Fuß fest mit vielen Schlingen, unterlege die Stricke mit kleinen Holzstückchen, daß sie nicht einschneiden und dies alles, damit der Gips sich nicht verzieht und krumm wird. Um solchem Risiko zu entgehen, befolge das Gesagte und laß die Figur solcherart umbunden, bis der Gips einen großen Teil seiner Feuchtigkeit verloren hat, denn diese ist es, die das Verziehen der Gipsform verursacht. Das Öffnen des Gipsmantels. Wenn du dann siehst, daß sie trocken geworden ist, löse die Verschnürung und öff-

ne die Form, welche als die äußere Form (Mantel) gilt, die bei kleineren Gebilden aus zwei Teilen bestehen kann. Unter kleineren Gebilden verstehe ich lebensgroße Figuren und kleinere. Diese können, wie gesagt, in zwei Stükken gemacht werden, wenn sie größer sind, in vier Teilen, das heißt je ein Formteil vorne und hinten bis auf die Höhe des Geschlechts und je eines vom Geschlecht bis zum Fuß der Figur. Damit diese Stücke sich richtig zusammenfügen, müssen sie auf einer Breite von zwei Fingern überlappen. Ist alles mit Sorgfalt so weit gediehen, öffnest du, wie gesagt, die Form und legst sie umgekehrt auf den Boden, das heißt die konkave Seite nach oben, lösest die kleinen Teilformen, die an der Figur sitzen, heraus und legst sie in die Vertiefung zurück, die sie in der Außenschale hinterlassen haben. Gleichzeitig entfernst du die kleinen Tonplätzchen, die du an den Eisenösen angebracht hattest, und überall dort, wo der Ton Abdrücke hinterließ, bohrst du ein Loch mit dem Vorbohrer durch die Schale und schlaufst in jede Ose ein Endchen starker Schnur. Diese Schnüre ziehst du dann durch die Löcher der Schale und fixierst auf diese Weise jedes Teilformstück an einem außen querliegenden Holzsplint. Anlegen der »Lasagne«-Schicht. Sind alle deine Unterschnitt-Teilformen in der Schale solcherart befestigt, fettest du die ganze Innenoberfläche mit rohem, weichem, dünn geschnittenem Speck ein. Jetzt machst du, was wir in der Kunst »Lasagne« nennen, eine etwas mehr als messerdicke Schicht aus einer der folgenden Massen: Lehm, Wachs oder Teig. Verfahre zu diesem Zwecke wie folgt: Du nimmst ein Stück Holz und schnitzt mit einem Stecheisen eine quadratische Vertiefung in der Größe etwa einer Handfläche und der Dicke eines dicken Messerrückens hinein, tiefer oder flacher, je nach der Wanddicke, die deine Figur bekommen soll. In diese Holzform drückst du den Teig Stück um Stück und legst ihn in die Gipsmulde deiner Figur so, daß jeder dieser Lappen den anderen berührt.

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Gestaltung des Tonkerns Aufbau des Tonkerns. Sind dann die Formen von oben bis unten gefüllt, legst du sie Seite an Seite ausgestreckt zu Boden und fertigst eine Armierung aus Eisen als Gerippe deiner Figur an. Diese Armierung soll je nach der Richtung der Beine, Arme, des Torsos und Kopfes deines Modells gebogen sein. Dies gemacht, nimmst du den mit Scherwolle gemischten Ton, feinen, mageren Ton von dem, den ich vordem erwähnt hatte, und legst ihn nach und nach um das Gerippe, ihn mit Weile geduldig trocknen lassend oder auch vors Feuer haltend, bis die ganze Form ausgefüllt ist. Prüfe die Arbeit, indem du immer wieder die beiden Formhälften sorgfältig aufeinanderlegst. Wenn nun Eisengerüst und Ton, also das, was wir Kern nennen, die Form gebührend ausfüllt, indem es die »Lasagna« überall berührt, nimmst du ihn heraus, umwikkelst ihn von Kopf bis Fuß mit dünnem Eisendraht und erhitzt ihn, bis er gut gebrannt ist. Jetzt bestreichst du ihn noch mit einer Mischung aus pulverisierten Knochen, fein zerriebenem Ziegelmehl, vermengt mit etwas Ton und Scherwolle und brennst ihn in einem eher schwachen Feuer nochmals, so daß auch diese Schicht gebrannt sei; und jetzt entnimmst du der Form den Teig. Ich muß dich noch auf etwas aufmerksam machen: Laß an mindestens vier Stellen Enden des Eisengerüsts vom Kern vorstehen, die diesen zu tragen vermögen und verhindern, daß er sich verschiebt und die so angelegt sind, daß sie auf der Außenform aufliegen. Danach entferne die Teigschicht, fette die Formhälften erneut mit rohem, weichen Schweinespeck ein, den du anwärmst, weil er sich so besser in den Gips einzieht. Herstellung der Wachsschicht Das Gießen der Wachsschicht. Jetzt mache die Eingußlöcher für das Wachs, fixiere den Kern in der Form und stelle diese senkrecht auf und versieh sie noch mit mindestens vier Luftlöchern, zwei an den Füßen, zwei an den Händen. Je mehr du anbringst, umso sicherer bist du, deine Form mit Wachs füllen zu können.

Diese Luftlöcher machst du auf folgende Weise: Die zwei ersten am untersten Ende der Füße; dazu ist es angebracht, die Figur auf ein Podest zu stellen, damit du sie leicht bewerkstelligen kannst. Nimm einen großen Vorbohrer und bohre damit sorgfältig und tunlichst schräg nach unten und darauf achtend, daß keinerlei Schmutz in die Figur gerät. Wenn du diese Löcher gemacht hast, so nimm eine Anzahl von Schilfrohren, die du nach Bedarf behutsam biegst und mit Geschick so ineinandersteckst, daß sie sich, bei den untersten Offnungen beginnend der Figur entlang aufwärts winden, ein Rohr in das andere fügend und dann alle zusammen in eines, gegen den Kopf der Figur hin. Gehe sehr vorsichtig zu Werke, die Rohrstücke bündig dicht zu machen und dort, wo sie in die Löcher einmünden, verschmierst du sie mit etwas Tonschlick, um das Aussikkern des Wachses zu vermeiden. Nach alledem kannst du jetzt kühn zu Werke gehen, dein gut geschmolzenes heißes Wachs einzugießen und du kannst sicher sein, daß auch die heikelste Haltung deiner Figur, dank der angegebenen Vorkehrungen — insbesondere wenn du den Luftlöchern der Basis alle Acht geschenkt hast — sich mit Leichtigkeit gänzlich füllen wird. Nachdem du sie mit Wachs gefüllt hast, laß sie einen Tag lang auskühlen, im Sommer zwei. Nun löse das Gebundene mit aller Sorgfalt, auch die kleinen Splinte der inneren Teilform, die für die Unterschnitte bestimmt waren, wie ich es dir früher eingehend erläutert habe. Versuche nun mit Liebe eine der Schalenhälften, sei es vorn oder hinten, abzulösen. Ich mache dich auf die Tatsache aufmerksam, daß das Wachs, das du je nach Jahreszeit ein oder zwei Tage hast stehen lassen, ein leichtes Schrumpfen von der Dicke eines Pferdehaars erfuhr, so daß du die äußere erste Formhülle mit Leichtigkeit von der Figur abheben kannst. Ablösen der Gipsform (Schalenhälften und Teilformen). Lege sie auf den Boden und löse die zweite. Du wirst gut daran tun, beide auf niedrige Böcke zu legen, um mit den Händen daruntergreifen zu können. Fort-

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fahrend ziehst du jetzt eines nach dem anderen die mit den Schnurenden durch die Eisenösen befestigt gewesenen Teilformstückchen mit aller Behutsamkeit ab und entfernst und ebnest die scharfen Gußnähte, die durch das Zusammenfügen der Einzelteile entstanden sind, und so offenbart sich dir deine Figur wieder aufs Schönste. Tonmantel und Anlegen der Luftabzüge Wenn du diese Arbeit verrichtend deinem Werk noch mehr Perfektion geben möchtest, magst du dies jetzt tun. Nach wohlüberlegtem Entschluß forme dann alle deine Luftabzüge aus Wachs an deine Figur, bevor du den Mantel aus Ton zum Gießen in Bronze herstellst. Achte darauf, daß sie alle nach unten laufen, später, wenn die Figur ihre letzte Hülle erhält, können diese Abzüge dann in Ton nach oben gewendet werden. Diese Sache werde ich dir später genau erklären, sobald ich das Auftragen der verschiedenen Schichten, von der ersten bis zur letzten erläutere, das Armieren der Form und das Ausschmelzen des Wachses. Erwärmen der Gußform Merke dir wohl, daß alle Luftabzüge nach unten gerichtet sein sollen, weil so angelegt, das Wachs mit größter Leichtigkeit ausfließt; wäre dies aber nicht der Fall, müßtest du die ganze Form beim Ausschmelzenlassen um und um drehen, was allerlei Ungelegenheiten verursachen könnte und du sie dabei leicht verdürbest. Wenn du aber meinen Rat befolgst, setzest du dich keinerlei Gefahren aus. Beachte weiterhin - und dies ist von großer Wichtigkeit - daß du beim Erhitzen des Wachses das Feuer so zügelst, daß das Wachs nicht zum Sieden kommt, sondern gemächlich fließt. Ist dann alles Wachs heraus, wärme die Form nochmals so stark, daß ihr der letzte Rest von Wachs entschwunden. Hernach brenne sie, indem du sie mit einem Mantel aus Backsteinen umgibst, einen auf den anderen geschichtet, im Abstand von drei Fingern von der Form. Und das Feuer, das du entfachst, soll mit weichem Holz gespeist werden, wie

etwa Erle, Hagebutte, Buchs, Rebholz und ähnliche. Hüte dich vor Zirneiche und Eiche, benutze keine Kohle, weil diese den Ton sintert, daß er wie Glas wird. Es gibt Tonerden, die nicht sintern; diese werden für Glasund Bronzeöfen verwendet. Ich werde nicht versäumen, zu gegebener Zeit diese zu nennen, doch jetzt laßt mich weitererzählen, wie unsere Form zum Eingießen der Bronze vorbereitet wird. Absenken der Gußform in die Grube Grabe nahe deiner Schmelzofenmündung eine Grube. Diese Grube soll so tief sein, daß sie nicht nur eben deine Figur aufnehmen kann; sie muß eine halbe Elle tiefer sein, um das nötige Gefälle zu erhalten. Auch sollte die Eingußöffnung mindestens eine Viertelelle über dem Kopf deiner Figur sein. Wenn du die Grube in der Tiefe nach genanntem Maß ausgehoben hast und in der Breite eine halbe Elle weiter als die Gußform, nimmst du diese aus dem Backofen, in dem du sie gebrannt hast, läßt sie auskühlen und umwindest sie mit einem dicken Seil, an dem du sie aufzuheben vermagst. Nun befestigst du eine Rolle an einem Dachsparren, durch die du das Seil ziehst und dieses dann an einer Winde, welche stark genug ist, deine Figur zu heben. Weil ich nicht die geringste Einzelheit auslassen will, die ich durch Erfahrung lernte, mag als Beispiel jener Perseus gelten. Für ihn benötigte ich zwei Winden, um ihn in die Grube zu senken, welche beide mit mehr als zweitausend Pfund belastet waren. Für eine kleine Figur von drei Ellen genügt aber eine einzige Winde. Ich gebe zu, daß du mit einer drei Ellen großen Figur auch ohne Winde auskommen magst, was aber sehr riskant ist, weil sich der Kern in der Form verschieben könnte, das heißt die Seele im Inneren, und daß auch die äußere Hülle durch Anstoßen Schaden leiden möchte. Wenn du aber die Winde benutzt, fallen alle diese Gefahren weg. So hebst du denn sorgfältig an, sachte, sachte deine Figur zu lupfen und führst sie über die Grube, wo du sie mit derselben Sorgfalt, die Winde ablaufen lassend, auf den Grund der Grube senkst.

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Ist die Form dann schön gerade abgestellt, das heißt der Mund, durch den das Metall einfließen soll, in gerader Linie mit der Ofenmündung, ist das erste, was du jetzt zu machen hast, in die Luftlöcher, die sich zuunterst befinden, jene Röhren aus gebranntem Ton einzupassen, welche für die Wasserleitung gebraucht werden. Ich bediente mich deren immer gern, weil ich sie in Florenz stets in Massen fand. Es gab welche, die gebogen waren, diese benutzte ich zuunterst, das heißt, überall dort, wo die Luftlöcher aus der Form nach unten austraten. Indem ich dann ein Röhrchen in das andere steckte, brachte ich alle in gerader Linie aufwärts. Einbetten der Gußform im Boden Dies in genannter Weise gemacht, nimmst du nun von der Erde, die du aus der Grube geschaufelt hast; diese siebst du und vermischst sie mit Sand, der nicht zu fein sein sollte. Mit dieser also gut vermengten Erde beginnst du die Grube zu füllen. Diese Erde, die ich dich hieß mit Sand zu mischen, beachte, nur etwa eine Viertel Elle dick um die Figur zu betten, für die restliche Viertelelle benutzt du die aus der Grube geschaufelte ungesiebt. Hast du die Erde eine Drittelelle hoch eingefüllt, steigst du mit zwei Holzstößeln, die je eine Elle lang und am unteren Ende eine Viertelelle dick sind, in die Grube hinunter. Mit diesen Stößeln stampfst du nun die Erde, bis sie fest zusammengepackt ist. Gib aber Obacht, daß du nicht gegen die Form stößt; es genügt, wenn du an die vier Finger Abstand an sie herankommst. Dann wechselst du die Stößel gegen deine eigenen Füße aus und stampfst, behutsam darauf achtend, daß die Form in keiner Weise beschädigt wird. Dieses Feststampfen wiederholst du jedesmal, wenn du wieder eine Drittelelle hoch Erde in die Grube geschaufelt hast. Bei jedem Male nun, wenn die Erde bis zur Höhe der Öffnung eines Luftabzugs gelangt ist, nimmst du ein tönernes Rohr, steckst es in das untere und stopfst die obere Öffnung mit sauberem Werg zu, um das Eindringen der Erde in die Abzüge zu vermeiden, was sonst den Luftdurchzug verhindern würde und damit auch das »Kommen« der Figur. Auf

diese Weise beim Auffüllen auf die Luftkanäle achtend, verfährst du von der Basis an hinauf zu den Beinen, von den Beinen zu den Hüften, von den Hüften zu den Armen, bis du endlich ganz oben am Rand der Grube angelangt bist, die damit auf das Sorgfältigste vollständig ausgefüllt worden ist. Vorbereitung des Gußkanals Nachdem dies vollendet ist, mußt du den Gußkanal anlegen, durch den die Bronze zu fließen hat. Etwas nun, das die größte Aufmerksamkeit verlangt, ist folgendes: Zur selben Zeit, wenn die Form in die Grube gesenkt wird, muß der Schmelzofen mit Bronze gefüllt sein, und mit Beginn des Feststampfens in der feuchten Erde setze das Holz in Brand, damit — durch längeres Verbleiben — die Form nicht zuviel Feuchtigkeit aufnehme. Alle diese Dinge, wenn sie nicht genau befolgt werden, sind oft Gründe dafür, das Volllaufen deiner Form unmöglich zu machen. Ist die Grube solchermaßen bis bündig mit dem Haupteingußloch, in das die Bronze einfließen soll, gefüllt und das Gefälle vom Zapfloch aus, das heißt, der Austritt des Metalls aus dem Ofen, dabei gebührend berücksichtigt, die Luftabzüge alle an die Oberfläche hinaufgelangt, wie ich dich gelehrt, so verschließe diese und gleichermaßen den Haupteinguß zur Figur sorgfältig mit etwas Werg. Dann nimmst du gebrannte Backsteine und legst mit Aussparung der Luftabzüge einen Boden aus, welcher, da deine Figur möglicherweise mehr als einen Haupteinguß aufweisen wird, durch den das Metall einfließt, bis genau an die Mündungen aller Eingänge der Bronze reicht. Alsdann müssen harte, trockene Ziegelsteine zu Stücken von etwa drei Fingern Breite oder mehr, je nach Gutdünken und eines Meisters Erfahrung - gespalten werden. Diese Steine vermauert man mit der Kelle mittels jenem Scherwolle-Ton-Gemischs anstatt Mörtel, aber so breiig, über den obigen Backsteinboden in der richtigen Neigung, deren es für den Lauf der Bronze bedarf, von der Ofenwand aus um die Eintrittsöffnung deiner Figur herum. Mit gebrannten oder ungebrannten Backsteinen - letztere eignen sich

Tafel IX Benvenuto Cellini: Supraporte. Nymphe von Fontainebleau. Bronzeguß, 409 x 205 cm. Im Auftrag des französischen Königs Franz /., 1542 (Louvre, Paris).

Tafel X Benvenuto Cellini: Bronzeplastik. Persern mit dem Haupt der Medusa. Die 320 cm hohe Figurengruppe, Bronze gegossen, steht auf einem Sockel aus weißem Marmor (199 cm hoch), in dessen Nischen vier Götterfiguren angeordnet sind. Das Schwert, Teile der Reliefplatte und das Band auf dem Körper des Perseus von der rechten Schulter bis zum linken Schenkel verläuft, sind blatteergoldet. Auf dem Band die Inschrift: BENVENVTVS CELLINVS CIVIS FLOR. / FACIEBAT MDLIII (Benvenuto Cellini, Bürger von Florenz, hat es im Jahre hergestellt). Im Jahre 1554 wurde die Statue in Florenz, in der Loggia dei Lanzi an der Piazza della Signoria aufgestellt - und dort steht sie noch heute.

Tafel XI Perseus mit dem Haupt der Medusa. Gesamtansicht von hinten.

Tafeln XII und XIII Perseus mit dem Haupt der Medusa. Gegossene Bronzefiguren aus den Nischen des Sockels: a) Minerva, b) Merkur, c) Kopf des Merkur, d) Jupiter, e) Danae, Mutter des Perseus.

Tafel XIV Portrait-Büste des Bindo d'Antonio Altoviti, Bronze, gegossen. Höhe io},; cm, entstanden um 1550 in Florenz (GardnerMuseum, Boston).

Tafel X V Portrait-Büste Cosimo I., entstanden 1^48 in Florenz; Höhe 110 cm (Museo Nazionale del Bargello,

Tafel X V I Benvenuto Cellini: Marmorplastik. Christus am Kreuz. Körper aus weißem Marmor (145 cm hoch). Kreuz aus schwarzem Marmor. Florenz 1564 (Escorial, Kloster San Lorenzo el Real, Spanien).

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besser, doch ist da kein großer Unterschied - baust du jetzt die Kanalwände zur richtigen Höhe auf; als Wanddicke wird die Dicke eines Backsteins genügen. So legst du Stein an Stein, sie also um den Kanal ordnend. Sind alle Teile, durch die das Metall fließen wird, auf die richtige Höhe zusammengefügt und die Fugen gut mit frischem Ton, anstatt des Mörtels, verstrichen, wenn dies alles, wie gesagt, mit Acht vollendet ist, dann entferne den Werg aus den Eingüssen für die Bronze und mache an Stelle des Wergs Zapfen aus Ton auf solche Art, daß du sie leicht wieder herausnehmen kannst, weil du jetzt sogleich glühende Kohlen in deinen Kanal bringen sollst und mit diesen alle Teile, die mit feuchtem Ton gemauert wurden, zudecken mußt, bis sie vollständig ausgetrocknet sind. Dieses Feuer wirst du verschiedene Male erneuern, bis das Ganze nicht nur trocken, sondern gebrannt ist. Die schmelzende Bronze fließt in die Form Sobald dies alles ausgeführt und dein Metall inzwischen gut geschmolzen ist, reinigst zu mit einem Blasebalg alles peinlichst von Asche und Kohleresten, damit nichts den Durchgang deines Metalls behindere. Dann entfernst du das Werg, das die Luftlöcher abschloß, gleicherweise die tönernen Pfropfen dort, wo die geschmolzene Bronze einströmen soll, und legst zwei, drei Talgkerzen von etwas weniger als einem Pfund Gewicht in den Kanal. Jetzt eile zur Öffnung deines Ofens und frische ihn mit einer Zugabe neuen Zinns auf, indem du deiner Legierung, die du bis jetzt in Zubereitung hast, ungefähr ein halbes Pfund auf Hundert mehr zufügst, als sie eigentlich benötigt. Dies eilends vollzogen, gib beständig mehr Feuer frischen Holzes in deinen Ofen, dann stößt du beherzt mit deiner Kruke, so nennt man das Eisen, mit dem man den Zapfen eindrückt, auf diesen und läßt die Bronze sittsam fließen, indem du das Ende des Instruments in die Öffnung hältst, um eine bestimmte Menge Metalls herausfließen zu lassen, bis das erste Ungestüm vorüber ist. Wenn du das nicht machst, kann bisweilen der Fall eintreten, daß deine Form durch Luft verstopft

wird. Jetzt kannst du die Kruke von der Öffnung deines Ofens wegnehmen und die Bronze ungehindert fließen lassen, bis der Ofen leer ist. Zu diesem Behufe stelle an jede Ofentür einen Mann auf, mit einem Scharreisen ausgerüstet, wie es für diesen Zweck gebraucht wird, damit sie mit diesen die Bronze gegen den Ausguß treiben und also den Ofen gänzlich entleeren. Das ausfließende, überschüssige Metall dämmst du mit einer Schaufel Erde ein, sobald deine Form gefüllt ist, mit jener Erde, die du aus der Grube entnommen hast. Und damit ist der Guß beendet. So wurde die Bronzefigur des »Perseus« gegossen Es ist immer lehrreich, aus der Erfahrung anderer Nutzen zu ziehen, denn es ist nicht zu übersehen, wie immer wieder die schrecklichsten Mißgeschicke eines armen Meisters größte Mühe zuschanden machen. Oftmals rufen die Figurengießer die Meister der Stückgießerei zu Hilfe, wobei gräßliche Dinge geschehen können, weil diese Meister der Artillerie keine speziellen Erfahrungen und auch nicht die erforderliche Sorgfalt haben, alles Gründe, weshalb eine Arbeit mißraten kann. So etwas hätte mir widerfahren können, als ich den Perseus gießen wollte, denn als ich einige jener (Kanonengießer) zu Hilfe bat, fand ich sie sonder Verstand, ja, in ihrer Stupidität behaupteten sie noch, meine Form sei rettungslos verloren — und dies nur wegen dem Durcheinander, das sie mit meinem Metall angerichtet hatten. Die Statue war mehr als fünf Ellen hoch und ihre Stellung war besonders kompliziert: In der linken Hand hielt sie das Medusenhaupt empor, das mit reichem Ornament von Haaren und Schlangen versehen war, die Rechte in kraftvoller Haltung nach hinten ausgestreckt und das linke Bein hielt sie stark gebogen. Alle diese Verschiedenheiten der Stellung ihrer Glieder gestaltete das Gießen sehr schwierig, und gerade deshalb war ich sehr begierig, die Sache gut zu machen, auch weil es sich um das erste große Werk handelte, das ich in Italien, meinem Vaterlande, der eigentlichen Schule aller Künste, ausführte. Dies alles verpflichtete mich zu noch größerer Mühewal-

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tung und Sorgfalt als sonst, meine Figur makellos auszuführen. Aus dieser Sicht machte ich Luftabzüge in großer Zahl und viele Gußkanäle, die alle in einem einzigen mündeten, welcher am Rücken der Figur, von der Höhe des Hauptes bis hinunter zu beiden Fersen der Füße reichte, auch an der Wade ansetzte, wie es die Kunst verlangt und wie mich die mannigfache Erfahrung mit großen Werken in Frankreich lehrte. Weil ich fast alles mit eigener Hand ausführen mußte, warf mich der großen körperlichen Müdigkeit wegen, die mich befallen, ein böses Fieber auf den Rücken. Ich kämpfte viele Stunden lang dagegen an, doch legte es mich schließlich dennoch ins Bett. Da ich aber zu dieser Zeit so viele Stück- und Figurengießer bei mir in Arbeit hatte, erklärte ich ihnen vor dem Zubettgehen den ganzen im Werden begriffenen Arbeitsgang und wie verständlich und leicht sich alles ergebe, um so mehr, als meine Figur schon mehr als über die Hälfte eingegraben war und demnach der größte Teil der Schwierigkeiten überwunden sei. Alles was sie zu tun hatten war, meine Instruktionen im Einzelnen zu befolgen, was mir ganz einfach schien, und da ich absolut unfähig war, weiter auszuhalten, legte ich mich, wie schon gesagt, gerne zu Bett. Unterdessen arbeiteten diese Männer an meinem Ofen, den ich ach so gut vorbereitet hatte und in dem meine Bronze schon fast am Schmelzen war. Sechs Stunden lang sollte man sie noch gut durchschmelzen lassen. Diese Zeit war ohnehin notwendig, um all die ihnen gegebenen Anweisungen in der richtigen Reihenfolge pünktlich nach meiner Methode, die von der ihren verschieden war, die sie noch nie gesehen hatten und darum auch nicht über die Sicherheit in solcher Technik verfügten, zu befolgen. Anstatt das zu tun, was sie sollten, trieben sie Allotria, vernachlässigten den Ofen, und das Metall gerann. Sie kannten aber keinen Ausweg, um diesen Fehler zu beheben, den sie in ihrem Jargon »un migliaccio« (»ein Fladenbrot«) nannten, ein Begriff, der in ihrem Handwerk hierfür gebräuchlich ist. Wie gesagt, keiner wußte, was man gegen dieser Misere machen konnte, die davon herrührte, daß in einem runden Ofen wie diesem

die Wirkung des Feuers auf das Metall von oben kommt. Es wäre, wie ich zugebe, einfacher gewesen, das geronnene Metall wieder zu schmelzen, wenn man es von unten erhitzt hätte; so aber wußte keiner Rat. Wie ich nun mit Fieber darniederlag, kam einer, zu dem ich noch am meisten Vertrauen hatte, zu mir, sprach sanft und sagte: »Benvenuto, wappne dich in Geduld, dein Ofen ist nicht in Ordnung,; es hat sich ein migliaccio (Kuchen) gebildet.« Da wand ich mich an ihn, rief alle anderen, zu denen ich einiges Zutrauen besaß, herbei und fragte sie, ob sie wüßten, was man dagegen machen könnte. Darauf antworteten diese Wunderknaben, daß sie keine Abhilfe wüßten, als den Ofen abzubrechen und — wenn dies auch sogleich geschähe — könnten sie sich doch nicht vorstellen, daß damit die Form noch gerettet würde, die ja sechs Ellen tief im Boden vergraben sei. Auch wenn ich versucht hätte, alle Erde die rings um meine Form festgestampft war, auszuschaufeln, so waren an meiner Figur so viele Gußkanäle und Luftabzüge angebracht, daß ich sie todsicher vollständig verdorben hätte. Sie aber sahen auf der lieben Welt keine andere Lösung. Nun, geneigter Leser, stelle dir meine Lage vor. In allem Elend und Krankheit dies neue Malheur! Es erdrückte mich, ich riskierte meine Ehre. Mich zerwühlte der größte Schmerz, den sich je ein Mensch auf Erden vorstellen kann. Jetzt aber war keine Weile, sich den Schmerzen hinzugeben. Schlagartig überkam mich mein angeborener, maßloser Zorn, den man sich nicht anlernen kann, den hat man oder man hat ihn nicht. Wütend sprang ich von meinem Lager auf, verscheuchte das unbändige Fieber und brüllte diese Meister mit folgenden Worten an: »Oh, ihr elenden Nichtsnutze, da ihr nicht imstande gewesen seid, richtig zu handeln, statt dessen auch noch meine mühevolle Arbeit verpfuscht habt, hämmert es euch in eure Schädel ein, daß ihr nur mir zu gehorchen habt. Denn das sage ich euch: Wenn bloß mein Körper der Krankheit, die in mir steckt, zu trotzen vermag, bin ich fähig, das wieder zum Leben zu erwecken, was ihr blöden Hunde für tot erachtet.«

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Und so rannte ich wütend schimpfend in die Werkstatt, sie hinter mir drein, und so befahl ich sechsen von ihnen in einem Atemzug die verschiedensten Dinge: Einem, mir ein Klafter trockenen Eichenholzes zu holen, das gegenüber dem Hause Caprettas, des Fleischers, lag, und sobald er mit der ersten Fracht eintraf, begann ich es ins Feuer zu werfen, gleich mehrere Scheite auf einmal. Wie ich früher schon sagte, weil es so wichtig ist, will ich es wiederholen: Für Bronzeöfen sollst du nur Erlen-, Weiden- und Pinienholz verwenden, welches weiche Hölzer sind; jetzt aber nahm ich die Eiche, weil ich das stärkstmögliche Feuer haben wollte. Dank der Feuerkraft dieses Holzes fing das Metall sofort wieder zu schmelzen an. Zwei anderen befahl ich, mit langen Eisenstangen durch die Feuerlöcher zu stochern, weil ein fürchterlicher Wind heulte, es vom Himmel goß, was er nur je herzugeben vermochte, und Wind und Regen in meinen Ofen bliesen. Mit diesem Kunstgriff vermochten wir Wind und Regen zu steuern. Weiteren zweien gab ich den Auftrag, dem Feuer zu wehren, das einen Teil meiner Werkstatt ergriffen hatte, weil die Hitze meiner Feuerung übermäßig geworden war. Einige große Holzfenster brannten wie die Hölle, und mich packte der Schrekken, mein Dachgebälk könnte Feuer fangen, wenn es nicht gelänge, den Brand zu bändigen, so groß war der Zorn des Feuers.

das Metall bei Gott zu fließen begann und sich rings um den Ofen ausbreitete, befahl ich wieder zweien, sofort in mein Haus zu laufen und mir zweihundert Pfund Platten und Schüsseln aus Zinn zu bringen, von denen ich umgehend einen Teil hineinwarf, wobei ein Mann mit einer Eisenstange den Zapfen der Ofenmündung herausschlagen mußte, der teuflisch hart geworden war, und gleich auch noch den anderen, weil ich deren zwei angebracht hatte. Und wie das Metall dann durch die Kanäle schoß, warf ich die restlichen Zinnteller einen nach dem anderen noch hinein; denn weil das Metall so gewaltig heiß war, verband es sich in einem Zuge mit dem Zinn, so daß sich meine Form in kürzester Zeit auf beste füllte. Beobachtend, daß das Metall ohne Blasen aufs sittsamste floß, schloß ich, daß meine Luftabzüge richtig funktionierten. Das überschüssige Metall entsprach genau dem Quantum des extra zugegebenen, so daß die Form ganz ausgefüllt sein mußte und nichts fehlte. Dies festgestellt, dankte ich Gott, drehte mich meinen Leuten zu und sagte: »Da seht ihr nun, wie jedes Ding seine Abhilfe hat.« Trotz all meiner Pein war meine Freude groß, daß ich keinerlei Müdigkeit mehr verspürte und mich das Fieber, so wahr als Gott lebt, augenblicklich verließ. Und so setzte ich mich, aß und trank leichten Herzens mit allen zusammen, und jedermann war hoch beglückt.

Mit allen übrigen, es waren deren noch viele, begann ich die Kanäle zu säubern, durch die das Metall fließen sollte, legte die Luftlöcher frei und öffnete die Eingußmünder. Kaum hatte ich alles so weit vorbereitet, plötzlich, verursacht durch die gewaltige Hitze des Eichenholzes, hob sich die Kuppel meines Ofens, und das Metall ergoß sich nach allen Seiten. Wieder sah ich sie alle bestürzt stehen, alle, die mir mit Gehorsam und Furcht bisher gedient hatten, und waren voll des größten Staunens, daß ich den migliaccio gerettet und wieder flüssig gemacht hatte. Da aber das Feuer den ganzen Zinnzusatz der Legierung aufgezehrt hatte, befahl ich, diese mit einem großen Klumpen Zinn, der noch vorhanden war, wieder aufzufrischen. Doch weil ich es auch damit nicht schaffte und

Nachtrag zur Nymphe von Fontainebleau Einmal, es war in Frankreich und ich noch im Dienste des König Franz, als ich eine halbkreisförmige Lunette von sechs Ellen Durchmesser mit vielen Figuren, als Tiere und andere Dinge, darauf gießen sollte, widerfuhr mir das nämlich durch ebendiesen Fehler derer, die mir beigestanden hatten. Obgleich die Gießer in diesen Gegenden, besonders in und um Lutezia, erfahrener in der Technik ihres Gewerbes sind als jegliche andere der Welt, weil sie mehr Bronzesachen fabrizieren als es sonst irgendwo geschieht, verlieren auch sie den Kopf und sind verzweifelt, wenn etwas Außergewöhnliches an sie herankommt. Auch sie besitzen die wahrhaft grundlegenden Kenntnisse des Gießens nicht, trotz aller Erfahrung.

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So sah ich ein großes Mißgeschick, gewissermaßen dem eben mit dem Perseus beschriebenen gleich, voraus. Obschon der Umstände halber von dem Genannten in einigen Sachen sehr verschieden, entstand es, weil es außerhalb der üblichen Praxis lag. Alle meine Leute waren völlig verzweifelt und ich sehr beunruhigt, sie so entgeistert zu sehen. Mit meiner gewohnten Angriffigkeit aber, gepaart mit meinem fundamentalen Wissen um die Kunst war ich auch hier imstande, einen Toten zum Leben zu erwecken, gleich wie ich es im vorigen erzählte. Es beglückwünschten diese alten Meister ihrer Zunft den Tag und die Stunde, da sie mit mir bekannt geworden, und ich wußte wohl, daß ich den größten Teil dessen, das sie an mir lobten, von ihnen gelernt hatte. Sie folgten einer ununterbrochenen Tradition, ich aber lernte aus ihrer Erfahrung und zog daraus die ihr zugrunde liegenden Gesetze. So habe ich es stets gehalten und gebe es also gerne auch weiter. Gußform mit einem Kern aus Gips-Einbettmasse Doch kehren wir, den angesponnen Faden nicht zu verlieren, wieder zurück. Sollten wir etwas aus der Sache gekommen sein, so sind wir doch nicht so weit von der Ordnung unserer Kunst abgeschweift, daß wir sie nicht wieder aufnehmen könnten. Wir haben die Art des Formens und Gießens geschildert, und ich habe sie an einer drei Ellen hohen Statue erprobt. Nun gibt es aber noch eine andere Arbeitsweise, die viel einfacher, aber nicht so sicher und so zuverlässig wie die obenerwähnte ist, und die wäre folgende: Der Unterschied besteht darin, anstatt den Gußkern aus Ton aufzubauen machst du ihn aus Gips, gemischt mit gebrannten Knochen und zerstoßenem Backstein. Trifft es sich, daß du Gips von der rechten Sorte zur Verfügung hast, erweist sich diese Art des Kernaufbaus als die viel einfachere als jene, weil man anstatt den Ton Schicht um Schicht aufzutragen, den mit besagten Zugaben von gleichen Teilen Gips, Knochen- und Ziegelmehl mittels Wasser angerührten Brei sofort über die »lasagna« gießt, der dort alsogleich erstarrt.

Wenn du die Formteile in der vordem beschriebenen Weise wieder abgenommen hast, verfestigst du den Kern rundherum mit Eisendraht, den du dann aufs Sorgfältigste mit dem gleichen, aber eher etwas flüssigeren Brei der gleichen Mischung überstreichst. Dies gemacht, wird auch dieser Kern wie der tönerne gebrannt und dann das Wachs in aller schon beschriebenen Behutsamkeit in der Gipsform aufgegossen. Ist letztere dann wieder abgenommen, das Wachs, das jetzt deine Figur darstellt, aufs Beste verputzt und sind die Luftabzüge nach gelernter Art angeordnet, machst du den Mantel über das Wachs in gleicher Art und mit derselben Gipsmischung. Hat dieser Uberwurf eine Dicke von zweieinhalb Fingern erreicht, so armiere ihn mit jenen zwei Finger breiten Bändern aus Eisen und überdecke neuerlich auch diese Armierung wieder mit deinem Gips. Jetzt wird die Figur in einen aus Backsteinen gebauten Ofen gestellt und so eingerichtet, daß, wenn das Feuer zu wirken beginnt, das Wachs in einen Kessel fließen kann, den du in die Grube darunter stellst. Die Luftabzüge sollen in erwähnter Weise so angeordnet sein, daß jetzt das Wachs durch diese abfließen kann. Ist es vollends ausgelaufen, so steigere dein Feuer aus Holz und Kohle so, daß der ganze Mantel deiner Gipsform gut durchgebacken wird. Merke dir aber, daß der Gips ein Feuer benötigt, das weniger als die Hälfte so stark sein darf als für die tönerne Form. Es stimmt schon, wenn ich sage, daß der Gips aus unserer Gegend der Toskana zu solcher Verrichtung nicht so gut geeignet ist wie derjenige von Mantua, Mailand und Frankreich, die vorzüglich sind. Es ist keine Mär, daß wiederholt begabte Künstler, die für Ihre Hoheit, den Herzog von Florenz, arbeiteten, nicht nur einmal, sondern hintereinander zu dreien Malen betrogen waren, indem sie meinten, die zuletzt beschriebene Art, unseren Gips zu bereiten, sei die einzig wahre. Der sehr verständnisvolle Fürst, der ein wahrer Liebhaber solcher Kunst ist, übte Geduld, doch blieb jener erwähnte junge Mann geprellt, benutzte er doch stets die gleiche Methode, denn er kannte den Unterschied zwischen diesem und jenem Gips nicht.

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Daraus ist zu ersehen, falls ein Meister ein solches Werk unternehmen will, er zuerst seine Erden, Gipse und alle anderen Dinge, die ihm hierzu dienen sollen, ausprobieren muß. Nur wenn er durch solche Übung deren Natur kennengelernt hat, kann er, aber auch sein Werk mit der Ehre des Gelingens rechnen. Falls er glaubt, es anders machen zu können, wird ihm das Gegenteil widerfahren. So möchte ich nicht versäumen, in Erwähnung solcher Zusammenhänge auf das Beispiel des Kalkes hinzuwei-

sen, wie ich ihn in Rom, in Frankreich und in anderen Orten angetroffen habe. Es gibt Kalke, die, je länger sie gelöscht liegen bleiben, desto besser werden und binden sie. Die unseren aber, aus der Umgebung von Florenz, wollen gelöscht sofort verarbeitet sein und sind dann die besten von der Welt und binden wie der Teufel. Läßt man sie aber stehen, verlieren sie ihre Kraft, im Gegensatz, wie gesagt, zu den anderen, die, je länger sie stehen, deren mehr gewinnen.

Kommentar zu Kapitel III: Von der Tonfigur zur Bronzeplastik

Wachs-Terpentin-Mischung getränkt werden, um die Oberfläche zu glätten und zu verdichten, damit der Mehlkleister nicht in den Poren des Tons verschwinden kann. Der Mehlkleister kann immer nur auf eine begrenzte Partie aufgetragen werden, weil er noch feucht sein muß, wenn die Zinnfolie aufgelegt wird. Sorgfältig wird die Folie angedrückt, damit alle Feinheiten der Oberfläche erhalten bleiben. Zum Schluß wird die Staniol-Oberfläche noch eingeölt, damit der Gips nicht anhaften kann. Teilformen für die Unter schnitte. Die Originalplastik, inzwischen mit Staniolblättern bedeckt, wird nun in Gips abgeformt. Wenn beispielsweise ein Ohr ringsum eingegipst worden wäre, würde es beim Ablösen der Gipsform von der Tonplastik abgerissen werden, denn »es geht unter sich«, deshalb müssen ringsum einige lösbare Teilformen angelegt werden. Auf Bild III.i wird gezeigt, wie ein Bein abgeformt wird. Auf die Stanioloberfläche des Tonmodells werden die Teilformen aus Gips aufgelegt. Die Teilformen müssen genau zusammenpassen. Man erkennt die eingelegten Drahtbügel. Einige Partien des Beins bleiben unbedeckt, damit die Teilformen im Gipsmantel sicher fixiert werden können. Sie müssen im durchgehenden Gipsmantel sicher zu fixieren sein. Beim Entformen des Modells müssen sie sich leicht abnehmen lassen. In jede Teilform wird deshalb ein Drahtbügel eingelassen. Genau an dieser Stelle wird der Gipsmantel durchbohrt. Eine Schnur wird durch die Drahtschlinge des Bügels gezo-

Originalplastik. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: Die aus Ton modellierte Originalplastik kann direkt als Gußkern in die Form eingesetzt werden, wie beispielsweise die »Nymphe von Fontainblau« (Kapitell) und der »Perseus« mit der Medusa (in diesem Kapitel III,). Nach dem Guß ist die Tonplastik zerstört! Jetzt wird die drei Ellen große Originaltonplastik abgeformt und dann durch einen neuen Tonkern ersetzt. Die Originalplastik steht zum Schluß neben der fertigen Bronzeplastik. Altrömischer Kopierguß. Ohne daß es ausdrücklich erwähnt wird, ist hier, im Kapitel III, wohl das Verfahren nachvollzogen worden, mit dem in altrömischer Zeit die griechischen Steinplastiken in Bronze nachgegossen worden sind, denn auch die Original-Steinfigur sollte zum Schluß unbeschädigt neben der Bronzeplastik stehen. Vorbereitung der Originalplastik zur Abformung. Die inzwischen angetrocknete Tonplastik soll nicht mit dem feuchten Gips zusammenkommen, wie ein Schwamm würde der Ton das Wasser aus dem Gips heraussaugen, deshalb wird sie mit der Zinnfolie umhüllt. Die von Cellini angegebene Reihenfolge der Arbeitsgänge müssen wir Sortierern: Zunächst muß die Oberfläche der Figur mit der heißen

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gen, beide Enden durch das Loch gesteckt und auf der Außenseite des Gipsmantels um einen kleinen Holzknebel festgeknotet (Bild III.i). Zwischen den Teilformen müssen an Rumpf und Gliedmaßen möglichst große, zusammenhängende Partien der Originalplastik frei bleiben, damit der Gipsmantel genügend Kontakt mit dem Modell hat; nur so können die Teilformen sicher festgehalten werden. Der äußere Gipsmantel. Es wird nicht ganz klar, wo die Längsfuge der Gipshälften verläuft - seine Leser wußten das - wir finden die Antwort im Text, denn es heißt wörtlich, daß »... über die ganze Figurenhälfte ein zusammenhängender Gipsmantel von zwei Fingern Dicke gegossen wird.« Dann sagt er »... und machst im folgenden die andere, das heißt die hintere Figurenhälfte in gleicher Weise, wie ich dich für die vordere gelehrt habe.« Für die drei Ellen große Figur wird also der Gipsmantel aus einer vorderen und einer hinteren Schale aufgebaut, deren Fuge seitlich ringsherum verläuft - so ähnlich wie beim Sarkophag einer ägyptischen Mumie. Damit man die Originalplastik unbeschädigt aus der Gipsform entnehmen kann, soll der Gipsmantel bis zur Lebensgröße aus zwei Hälften bestehen, für größere Figuren sollen die Schalen »in der Höhe des Geschlechts« noch einmal geteilt werden. Entformen der Originalplastik. In umgekehrter Reihenfolge werden jetzt zuerst die Knoten mit den Holzknebeln gelöst, vorsichtig der Gipsmantel abgenommen, dann erst können die Teilformen von den unterschnittenen Partien der Originalplastik gelöst, sogleich aber wieder im Gipsmantel befestigt werden., denn sie werden ja noch für den Tonkern gebraucht. Der Tonkern. Wenn die beiden Schalen des Gipsmantels nebeneinander auf dem Boden liegen, alle Teilformen plaziert und festgebunden sind, hat die Originalplastik ihren Zweck erfüllt und kann beiseite gestellt und durch den neuen Kern aus dem Scherwolle-Ton ersetzt werden. Zur Isolierung werden nach der »Lasagne-Technik« die Gipsschalen mit dünnen Platten aus einer Mischung von Lehm mit Wachs oder von Lehm mit Teig belegt. Damit

die Platten gleichmäßig dick werden, verwendet man das Holzbrett mit der messerrückendicken, handgroßen Vertiefung als Schablone. Um ein Stahlgerüst wird eine neue Tonfigur geformt, und dabei wird mit den Gipsschalen die Form des Kerns immer wieder kontrolliert. An einigen Stellen müssen die Stahlstäbe bis an die Gipsmantelformen reichen, damit der Kern während des Gusses zuverlässig in der Gußform gehalten wird. Am Ende muß der Tonkern genau den Hohlraum der Gipsform ausfüllen. Der Tonkern wird gebrannt, die Lasagne-Schicht wird nicht mehr gebraucht, wird also vom Gipsmantel abgelöst, und so ergibt deren Dicke zusammen mit der Schrupfung des Tons das richtige Maß für die Dicke der Wachsschicht und damit der Wandung der fertigen Bronzeplastik. Wachsschicht. In den so entstandenen Hohlraum zwischen Tonkern und Gipsmantel wird das Wachs unter Berücksichtigung aller im Text enthaltenen Vorkehrungen hineingegossen. Der Vorgang ist so genau beschrieben, daß es keines weiteren Kommentars bedarf. Im sonnigen Italien mußte man geduldig warten, bis das Wachs fest genug war, um den Gipsmantel entfernen zu können. Der Gipsmantel muß genauso sorgfältig abgelöst werden, wie es vorhin schon einmal beschrieben worden ist. Jeder Strick der Teilformen muß gelöst werden, ganz behutsam wird die äußere Gipsschale gelockert und abgehoben, die Teilformen müssen dabei noch mit dem Wachs verbunden bleiben. Dann löst man vorsichtig die Teilformen aus den Unterschnitten heraus. Nun steht die Figur vor uns: Mit Stahlgerüst armiert, auf den gebrannten Tonkern als Wachsschicht aufgebracht, genau der erwünschten Bronzeplastik entsprechend. Die folgenden Arbeitsschritte ähneln den im Kapitel I. beschriebenen Verfahren. Tonmantel. Dünne Tonschichten, eine über die andere gelegt, zwischendurch sorgfältig und sehr geduldig getrocknet, so baut sich allmählich der umhüllende Mantel um das Wachsmodell auf. »Diese Sache werde ich dir später erklären ...«, versprach er, aber er setzte diese Ar-

Kapitel I V

beit wohl doch wieder als bekannt voraus und sagt nichts dazu. Wichtig war ihm, daß die späteren Luftabzüge zunächst als Abflußkanäle für das flüssige Wachs genutzt und deshalb zunächst nach unten gerichtet sein sollen. Später, wenn die Gußform bereits in der Erdgrube steht, erfahren wir, wie diese Offnungen dann doch aus Luftabzügen nach oben geleitet werden sollen. Er steckte kurze konische Tonröhren ineinander, die sonst für Wasserleitungen verwendet werden, und ausführlich erfahren wir, wie Stück für Stück die Erde rings um die Gußform festgestampft und wie immer wieder das nächste Rohrstück aufgesetzt wurde. Von der Gußform bis zur Bronzeplastik. Wenn die vorbereitete Gußform in die Grube abgesenkt wird, beginnt die schwierigste und riskanteste Arbeit an deren Ende mit viel Glück die vollständig ausgeflossene Bronzeplastik ohne Löcher und Fehlstellen steht. Wenn es auf dem Weg von der Originalplastik bis zur perfekten Gußform einiger Erläuterungen bedurfte, ist nun die Beschreibung des Verfahrens so klar und verständlich, daß sich der Kommentator ganz zurückziehen kann, damit der Leser Cellinis Ausführungen konzentriert folgen kann. Die schon erwähnte spannende, so ganz menschliche Schilderung des Perseus-Gusses gehört auch mit dazu. Gußform mit Gipskern. Nach der langen Abschweifung kommt er dann doch noch einmal auf die eigentliche Technologie zurück. Statt des Tons wird jetzt für dem Kern eine Einbettmasse benutzt, die zu gleichen Teilen aus Gips, Knochenmehl und Ziegelmehl besteht und mit Wasser zu einem Brei angerührt wird. Während der Tonkern langsam aus einzelnen Schichten mit langen Trockenzeiten aufgebaut werden mußte, kann man diesen Gipskern zügig und kontinuierlich ausformen. Der Mantel wird aus der gleichen Einbettmasse gemacht. Alle weiteren Informationen kann man mühelos nachlesen. Die beiden Portrait-Büsten »Bindo d'Amtomio Atoviti« und »Cosimo I.« sind schöne Beispiele für die Kunstfertigkeit des Bildhauers und Gießmeisters Cellini (Tafeln X I V und XV).

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Wie man Öfen zum Schmelzen von Bronze konstruiert, sowohl für Figuren, als auch für die Artillerie und für andere derartige Dinge Schmelzofen für die »Nymphe von Fontainebleau« I Gestaltung des Ofenbetts I Ziegelsteine für das Ofenbett I Das Fundament des Ofens I Aufmauern des Ofenbetts I Konstruktion des Gewölbes I Abstich-Öffnung und Schutzmauer I Der Feuerherd I Vorwärmen des Ofens und Risiken beim Guß Schmelzofen für die »Nymphe von Fontainbleau« (Bild IV. i) Um Bronze zu schmelzen sollten die Ofen den besonderen Erfordernissen des einzelnen Werkes angepaßt und vom Meister speziell dafür gebaut werden. So wie ich am Anfang des Buches versprochen habe, bei jeder Gelegenheit über meine eigenen Erfahrungen zu berichten, will ich das auch hier bei den Öfen tun. Als ich für den erlauchten König Franz von Frankreich arbeitete, hatte ich ein großes Bronzeportal zu machen, für welches es mir zweckmäßig erschien, einen speziellen Ofen zu konstruieren. Dies führte ich in meinem Schlosse in Paris aus, das mir von Seiner Majestät mit Patentbriefen geschenkt worden war und wo ich ihr vier Jahre lang treulichst diente. Diese Schenkungsurkunden nahm ich mit nach Florenz, eigentlich nur, um in Italien, meinem Geburtslande, zu zeigen, welch große Schätze man in der Fremde gewinnen kann, und wie wertvoll es sein kann, wenn man in Italien gelernt hat, außerlandes zu gehen, um dann solch ehrenhafte und nützliche Früchte zu ernten. Gestaltung des Ofenbettes Dimensionierung der Bodenfläche. Um dann einen solchen Ofen zu machen, verfuhr ich folgendermaßen: Innen betrug die lichte Weite drei florentinische Ellen im Durchmesser, was zirka 9 Ellen Umfang macht, und die Höhe des Gewölbes dieses Ofens war im Ausmaß und in der Form gleich wie der Radius des Bettes (75cm). Diesem Bette, geneigter Leser, will ich besondere Aufmerk-

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samkeit schenken. Ich beabsichtige, es ohne Zeichnung zu machen, weil ich zu viele Zeichnungen architektonischer Dinge gesehen habe, die man damit verändert und verschlechtert hatte. Ich begnüge mich deshalb des Wortes, um darzutun, was ich meine, und bin der Hoffnung, daß dies genüge (1,2). Abschrägung des Ofenbetts. Bei einem Ofen dieser Art muß das Bett, also der Bereich, wo das Metall, in diesem Fall die Bronze, hinkommt, leicht schräg sein, wie ich es auch bei dem kleinen Ofen gemacht hatte. Die Gesamtneigung zum Grund des Bettes hin sollte bei einem Ofen solchen Ausmaßes ungefähr Vt Elle betragen, und achte

darauf, daß sie so ähnlich ist wie in den Gassen, auf denen man vergnüglich geht: Die haben in ihrer Mitte das, was wir in der Toskana ein »rigagnolo« nennen. Diese Ablaufrinne muß direkt zu der Ausflußöffnung hinführen, durch die das Metall dann ausfließt. Die beiden Flächen neben der Rinne sollen allmählich und weich ansteigen, bis sie schließlich um '/3 Elle angehoben, die beiden Offnungen erreichen, durch welche man die Bronze in den Ofen einfüllt. Diese '/3 Elle kann noch um /.s Elle erhöht oder vermindert werden, je nachdem, ob der Meister eine mehr oder weniger große Tiefe des Ofens für angebracht hält.

Bild IV. 1: Bronze-Schmelzofen: a) Draufsicht, b) Vertikalschnitt (A), c) Vertikalschnitt (B) durch den Schmelzraum und (C) durch den Feuerschacht 1 Fundament und Schutzmauer aus Bruchsteinen 2 Ofenbett, Kuppel und Feuerherd aus Backsteinen 3 Feuerrost 4 Aschenbett 5 Feuerloch, Holzeinwurf 6 Deckel für Feuerloch 7 Öffnungen zum Einfüllen des Schmelzgutes ja Ofentür aus Stein für die Öffnung 7, Gabel zum Abheben der Türen 8 Zapfloch mit Eisenzapfen (schraffiert) 9 Abzüge 10 Eisenbänder

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Beim dritten Eingang, dem du nicht so viel Aufmerksamkeit zu schenken brauchst, weil er nur mehr in indirekter Beziehung zur Bronze steht, tritt die Flamme aus der Feuerung in den Schmelzofen ein; er benötigt lediglich einen kleinen Tondamm von der Höhe von drei Fingern. Ziegelsteine für das Ofenbett Zur Pflasterung des Ofenbettes nimmt man eigens an Ort und Stelle dafür zubereitete, nach jeder Richtung hin zirka'AElle messende Ziegelsteine, die aber an der einen Seite etwas länger als an der anderen sind. Wenn sie auf diese Weise gleichmäßig geformt wurden, sind sie bei weitem den für die Glasöfen üblichen Ziegelsteinen vorzuziehen. Einige haben bei fortschreitender Arbeit ihre Ziegelsteine mit dem Messer laufend zugerichtet. Ich finde aber, nachdem ich die eine und die andere Methode ausprobiert hatte, alle in der gleichen Größe zu machen, ergäbe in jedem Fall das beste Resultat. Laß dir eindringlich raten, keine Tone zu verwenden, die im Feuer schmelzen. In meiner Heimat Florenz benutzt man einen speziellen weißen Ton, der, wie man sagt, vom Monte Carlo kommen soll und aus welchen alle Glasöfen gemacht werden. In Frankreich traf ich auf eine andere Art, eine bessere, die ich mit viel Vorteil zu großen Werken verwandte. Ihre - der Franzosen - Ziegelsteine sind % Elle lang und von gleicher Dicke wie die oben erwähnten; sie werden »ciment« genannt und aus gebrauchten Messing-Tiegeln hergestellt, von denen es dort unbegrenzte Mengen gibt. Diese Tiegel werden zermahlen und daraus werden dann die genannten Ziegelsteine gemacht. So soll sich der Meister in solchen Sachen den Bedingungen des Handwerks jener Orte anpassen, wo er arbeitet. Wenn deine Ziegelsteine aus jenem Ton fertig gemacht und gänzlich ausgetrocknet sind, müssen sie sehr sorgfältig mit eisernen, speziell dafür hergestellten Werkzeugen, die wie Äxte und große Meißel geformt sind, überarbeitet werden, damit sie sich so exakt wie möglich aneinanderfügen.

Das Fundament des Ofens Und jetzt beginnst du damit, bedächtig das Fundament deines Ofens zu legen, welches aus Bruchsteinen eine halbe Elle über das Niveau des Bodens reicht. Diese Steine müssen nicht ganz % Elle dick sein und müssen tadellos zusammengefügt werden. Für das anfangs erwähnte Maß unseres Ofens sollte dieses Fundament aber im Durchmesser % Ellen größer sein, damit die Größe des Innenraums erhalten bleibt. Das Fundament kann mit gewöhnlichem Mörtel vermauert werden, vorausgesetzt, daß er gut ist. Aufmauern des Ofenbetts Jetzt setzt du auf dieses Fundament das eigentliche Bett für die Bronze (2). Wenn nun die Ziegelsteine aus jenem Ton gut zugerichtet sind, bereitest du aus dem gleichen, jetzt gut bewässerten Ton einen Teig als Mörtel zu und beachte, daß er gut durchgeknetet und sauber sei. Mit dem mauerst du jetzt das Ofenbett. Und wie ich schon betonte: Jene Ziegelsteine müssen mit dem Meißel bestens zubereitet und fein geglättet sein, damit sie sich ganz genau aneinanderfügen. Beim Mauern mit diesem breiigen Ton sollst du dich befleißigen, davon so wenig wie möglich zu verwenden. Wird, was aus Nachlässigkeit öfters vorkommt, zu viel Mörtel zwischen die Steine gestrichen, so bilden sich beim Eintrocknen infolge der natürlichen Schrumpfung des Tons feine Risse. So klein und fein sie auch sein mögen, können solche Risse sehr gefährlich werden und großen Schaden anrichten. Wenn nämlich die Bronze so flüssig wie Wasser geworden ist, ist ihr Druck so stark, daß sie in die kleinsten Risse einzudringen vermag. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie ein solches Ofenbett in die Luft gesprengt wurde. Wenn aber all die erforderliche Sorgfalt aufgewendet und mit dem Schlick aufs feinste verfugt worden ist, kann es keine Gelegenheit zur Rißbildung geben, und du magst getrost schmelzen. Ohne jede Gefahr für deinen Ofen wird deine Arbeit aufs beste gelingen.

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Konstruktion des Gewölbes Nachdem das Bett in beschriebener Weise gelegt ist, ziehst du das Gewölbe darüber, mit eben denselben Ziegelsteinen und auf die gleiche Art gefügt (2). Öffnungen zur Beschickung mit Bronze. Erinnere dich des früher gesagten, daß im Gewölbe noch zwei Offnungen zu machen sind, um die Bronze einzuführen (7). Diese Offnungen, nach oben mit einem Halbbogen abgerundet, Vi Ellen breit und 3/4 Ellen hoch zu machen genügt. Öffnung für die Wärmezufuhr. Die dritte Öffnung, durch die die Flammen des Feuers hineinschlagen, soll % Ellen breit und 1 Elle hoch sein, höher als breiter, weil es der Natur des Feuers entspricht, kreisend bis zur höchsten Stelle des Gewölbes aufzusteigen, um dann, der Rundung der Kuppel folgend, sich nach unten zu wenden und dort mit seiner Flammen ungeheurer Kraft das Metall dermaßen zu erhitzen, daß es sich in kürzester Zeit wie Wasser verflüssigt. Luftabzüge. In des Gewölbes oberster Stelle, dort wo es sich zusammenschließt, müssen noch gleichmäßig vier Luftabzüge angebracht werden. Abstich-Öffnung und Schutzmauer Abstich-Öffnung. Durch den genau an der tiefsten Stelle der Abflußrinne (des Ofenbodens) sitzenden Ziegelstein bohrst du ein Loch von der gleichen Weite wie oben bei den vier Luftabzügen, das heiß, so groß, daß man zwei Finger bequem hindurchstecken kann (8). Diese Abstichöffnung, die als Zapfstelle des Metalls dient, muß gleichfalls in der oben erwähnten Weise hergestellt und ohne Fehler sein und sich, genauso wie die übrigen Ziegelsteine, aufs genaueste in die Kuppel einfügen. Präzisierend nennt man diese Öffnung »buco della spina« Mund zum Abfluß des Metalls. Sie soll auf ihrer Innenseite A Finger weiter sein als außen, und noch bevor du dann das Metall in den Ofen gibst, verschließe sie von innen her mit einem eisernen Pfropfen, den du zuvor mit etwas gut zermahlener, feuchter, wie Seife flüssiger Asche beschmiert hast. Und nun nimmst du wieder, was wir einen toten Stein nennen, 'A Elle in jeder Richtung mes-

send, und mitten durch denselben machst du ein Loch von der gleichen Größe wie das Zapfloch im Ziegelstein, nämlich auf der Seite, die an jenen zu liegen kommt. Dieser gegenüber aber muß die Öffnung um das Sechsfache erweitert und speichelglatt versäubert werden. Dieses Stück wird mit dem oben erwähnten Ton den Ofensteinen zugepaßt. Nun, da es unten und an der Außenseite des Ofens sitzt, muß es auch eine Auflage bekommen. Schutzmauer. Diese ihrerseits wird wieder mit gewöhnlichem Mörtel gemauert, und auf gleiche Weise werden Steine, die genauso groß sind wie der erste Stein, rings um die Kuppel senkrecht übereinander gemauert, bis die gleiche Höhe erreicht ist (1). Diese Höhe (der Mauer) muß eingehalten werden, damit, falls der Kuppel ein Mißgeschick widerfährt, was es auch immer sein könnte, diese Kuppel wieder hergerichtet und geflickt werden könnte. Der Feuerherd Vom Feuerherd zum Schmelzofen. Wenn du deinen Ofen rundum in dieser Weise ummauert hast, verwende alle deine Aufmerksamkeit darauf, die Feueröffnung, durch welchen die Flammen in den Schmelzofen eintreten, mit dem Feuerherd zu verbinden (5). Denselben machst du so, daß er % Ellen im Querschnitt und in der Tiefe zwei Ellen, vom unteren Rand des Feuerlochs abwärts, bekommt. Den Grund der Vertiefung belegst du mit einem Rost aus 6-7 Eisenstangen, welche dicker als zwei Finger einer großen Hand und so lang sind, daß sie etwa vier Finger weit auf dem Rand der Bruchsteine und im Abstand von drei Fingern aufliegen (3). Darüber wird der Feuerofen mit denselben Ziegelsteinen und mit demselben Tonschlick - nicht mit Mörtel gemauert wie vordem das Inwendige des Schmelzbettes und der Kuppel. Vom Boden weg soll er etwa bis zur halben Höhe der Öffnung, durch die das Feuer in den Schmelzofen gelangt, hinaufreichen, und von hier ab wird er allseits um'AElle verengt, und durch dieses Ofenloch steckt man von oben die Holzscheite (5 und 6).

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Aschegrube und Luftkanal. Unter dem Feuerrost gräbst du eine Grube i'A Ellen breit, zwei Ellen tief und 5 - 6 Ellen lang in der Richtung, in der der Luftzug durch den Rost des Feuerofens in die Schmelzkammer bläst. Es ist genau zu beachten, daß der Luftzug in einer Richtung, der Tiefe der Grube folgend, von unten bläst. Diese Grube wird von den Gießern »braciaiuola« genannt, weil alle Asche dort hinunterfällt (4). Wenn die Holzscheite abgebrannt sind (weil es schwierig ist, die Dauer genau abzuschätzen, kann es vorkommen, daß der Meister, um sicher zu gehen, länger feuert als die üblichen 4-6 Stunden) kann es vorkommen, sage ich, daß die herunterfallende Asche unter dem Rost zu einem großen Haufen anwächst, der sich auf die Intensität des Windes hemmend auswirkt, so daß die Wirkung des Feuers behindert wird. Sieh dann zu, wenn der Berg zu wachsen beginnt, die Asche herauszuholen; dazu bediene dich einer Krücke, die du auf folgende Weise herstellst: Nimm ein Stück Eisen, A Elle lang,lAElle breit, an dessen oberen Rande du in der Mitte einen Eisenstab von zwei Fingern Dicke und 2 Ellen Länge befestigst, dessen anders Ende du zu einer Zwinge ausarbeitest, in der ein mindestens 4 Ellen langer Stock steckt. Mit diesem Werkzeug, das wir »Harke« nennen, holst du die Asche heraus. Eisenbänder um die Kuppel. Wenn du den Ofen, so wie ich dich unterwiesen habe, mit aller Sorgfalt so weit fertiggestellt hast, denke daran, ihm noch mindestens zwei kräftige Eisenbänder (10) um die Kuppel zu legen, den einen unten über dem Fundament, den anderen K Elle darüber; je dicker und breiter du sie machst, desto besser, weil die Kraft des Feuers eine ungeheure ist, was ich beim Guß des Perseus genugsam erfahren habe. Deckel für das Feuerloch. Das Ofenloch der Feuerung, allwo das Holz hineinkommt, muß verschlossen gehalten sein; den Deckel dazu machst du gleich einer Schaufel aus Eisen so groß, daß er die Öffnung gut bedeckt und deren Griff so lang ist, daß du, sie handhabend, wenn du Holz und anderes mehr einzubringen hast, dir die Finger nicht verbrennst (6).

Du bist gut beraten, wenn du das Metall schon vorher in den Ofen tust, Stück für Stück, aber so geschichtet, daß die Flammen sie bequem umspielen, was bewirkt, daß die Wirkung deines Ofens beschleunigt wird. Vorwärmen des Ofens und Risiken beim Guß Worauf ich dich, geneigter Leser, vergessen habe aufmerksam zu machen, ist, daß du deinen Ofen, wenn er mit aller Sorgfalt vollendet ist, bevor du das Metall hineingibst, 24 Stunden lang heizen mußt, das heißt einen Tag und eine Nacht lang, weil, wenn du ihn nicht vorher tüchtig glühst, dein Metall nie zum Schmelzen kommt, vielmehr erstarrt und gewisse Dämpfe aus der Tonerde aufnimmt, die ihm so hinderlich sind, daß du es acht Tage lang befeuern kannst, ohne es zum Fließen zu bringen. So geschah es mir in Paris. Ich hatte einen kleinen Ofen hergerichtet und all mein Vertrauen im weiteren einem ausgezeichneten alten Manne geschenkt; achtzig Jahre war er alt und der Beste seiner Zunft. Da er aber den Ofen nicht ordentlich vorgewärmt, traten, just als es zum Schmelzen kam, jene Erddämpfe aus und des ganzen Feuers vorstellbar größte Macht war für nichts. Wie der alte Mann sah, daß das Metall jäh gerann, anstatt zu fließen, traf ihn ein solches Entsetzen, daß er, zusammen mit der Ermüdung, die eine so große Schlacht zu schlagen mit sich bringt, sicher tot umgefallen wäre, hätte ich nicht eingegriffen. Ich ließ allsogleich einen Krug vom besten Wein holen. Für mein Werk, es im gegenwärtigen Zustand zu belassen, bestand nicht jene Gefahr, wie seinerzeit im Falle des Perseus. Auch diente ich dem wunderbarsten König der Welt, der von Bagatellen keine Notiz nahm, wie etwa durch Mißgeschick entstehende Kosten, so groß sie ihm auch sein mochten. So schenkte ich dem Alten, der bitterlich weinte, ein großes Glas Wein ein und bat ihn, um der Liebe willen zu trinken, reichte es ihm eigenhändig und sagte: »Trinket, mein Vater, es ist ein Teufel in den Ofen gefahren, der die Sache hintertreibt; lassen wir ihn dort zwei Tage, bis es ihm überdrüssig wird, und er und ich, wir werden es erleben, daß wir binnen dreier Stun-

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den guten Feuers dieses Metall ohne die geringste Mühe schmelzen sehen wie Butter«. Da trank der gute Alte, worauf ich ihm noch einige schmackhafte Dinge zu essen gab. Pastetchen mit feinem Fleisch und Pfeffer und füllte ihm das Glas randvoll noch viermal. E r war ein Mann von ungewöhnlicher Statur und äußerst liebevoll, und unter dem Einfluß meiner Liebenswürdigkeiten und des guten Weins, sah ich ihn jetzt vor Freude weinen, wie er eben noch aus Kummer geweint hatte.

Und noch etwas merke dir: Bei jedem Male, so du neues Metall in den Ofen einfüllst, halte es bei geöffnetem Türchen vor das Ofenloch, bis es rotglühend wird und zu tropfen beginnt, dann erst stoße es vollends zum übrigen Metall hinein. Wenn du es aber kalt einwirfst, riskierst du, daß deine Schmelze erstarrt, was wieder, wie

vorhin erzählt, einen »migliaccio« verursachen kann. Darum lasse größte Umsicht auch in dieser Sache dein Anliegen sein. In Paris sah ich, wie gewisse erfahrene Männer die vorstellbar herrlichsten Dinge herstellten. Ich sah sie aber auch im Verhältnis zu ihrem vorzüglichen Geschick und ihrer großen Übung unglaublich grobe Fehler machen. Dies rührt von dem Umstand her, daß man mit technischem Geschick bis zu einem gewissen Punkt kommen mag, tritt dann aber etwas Unvorhergesehenes ein, fehlt der wahre Kunstverstand, welcher ein tiefes Wissen ist, das jede praktische Erfahrung überragt, was wir vorhin bei jenen Begebenheiten bewiesen haben. Zudem war ich Zeuge eines Gusses von hunderttausend Pfund, die mit solch erstaunlicher Fertigkeit geschmolzen wurden, daß ich von soviel technischem Geschick hochentzückt war. Ein andermal aber, in ebensolchem Tun, bemerkte ich einen Fehler, der leicht hätte verhindert werden können. Ich stand dabei und wartete, ob sie Abhilfe zu schaffen wüßten, und ich sah sie alle ihr Werk verlassen, wie sie ermüdet aufgaben, und dabei viele hundert Gulden verloren. Gerne hätte ich ihnen das Rezept zur Abhilfe gezeigt, doch waren sie in ihrem Dünkel so vermessen, daß sie meinen Rat in die Tat umzusetzen nicht fähig und nur zu gerne bereit gewesen wären, mir die Schuld des großen Ruins in die Schuhe zu schieben. So blieb ich stumm und lernte auf ihre Kosten. Dies gesagt, verehrter Leser, sei es nun genug der Öfen und der Bronze. Wenden wir uns anderen Kunstfertigkeiten zu.

Kommentar zu Kapitel IV: Schmelzofen nach dem Kamin-Prinzip In diesem Ofen wird so viel Bronze erschmolzen, daß man damit eine lebensgroße Plastik oder ein Kanonenrohr gießen kann. Der Ofen arbeitet nach dem Kaminprinzip, der Luftzug wird also ohne Blasebälge direkt durch den Sog des Feuers erzeugt. In einer Erdgrube wird auf einem Rost ein Holzfeuer entfacht, dessen Flammen in den direkt damit verbundenen Schmelzofen

geleitet werden. Die Flammen streichen über das Metall, in der Wölbung der Kuppel entsteht eine Verwirbellung der heißen Luft, wodurch der Schmelzraum noch zusätzlich aufgeheizt wird, so daß die erzeugte Wärme optimal ausgenutzt wird. Schließlich entweichen die Verbrennungsgase durch die Abzüge aus dem Ofen und sorgen dabei für den erforderlichen Sog des Verbrennungsprozesses. Durch die raffinierte Ofenkonstruktion wird die Verbrennungswärme effektiv genutzt, so daß die gro-

A m abgemachten Tag kehrten wir zu unserer Arbeit zurück. Die Dämpfe hatten sich verflüchtigt, der Ofen war bereit und gut vorgewärmt, und in 2 Stunden wurden 1500 Pfund Metall geschmolzen, mit welchen ich die verbliebenen Teile der Lunette der Fontaine von Fontainebleau goß. Es ist nicht ohne Grund, daß ich insistiere, ein Ofen müsse gut vorgeheizt werden. In die zwei Ö f f nungen, durch die man das Metall einfüllt, müssen je ein Türchen aus einem Bruchstein eingepaßt werden (7 a). Diese Türchen versiehst du mit zwei runden Löchern, I'A Finger weit und vier Finger voneinander entfernt. In diese Löcher wird eine eiserne Gabel gesteckt, die man sich dafür extra anfertigt und mit der kann man so oft es nötig ist, die Türchen abheben und wieder hinsetzen.

Kapitel V

ße Bronzemenge auf dem Ofenbett schließlich verflüssigt werden kann. Wenn nun der Zapfen weggeschlagen wird, fließt die Schmelze in die vorbereitete Gußform. Voller Bewunderung müssen wir uns daran erinnern, daß diese geniale Konstruktion vor 450 Jahren üblich war, nicht von Diplom-Ingenieuren, sondern von einfachen Handwerkern erfunden, von einem Goldschmied gebaut und erfolgreich für seine zentnerschweren Bronzeplastiken genutzt worden ist. Cellinis Konstruktionsbeschreibung ist so klar abgefaßt, daß man sie anhand der Rekonstruktionszeichnungen ohne weitere Kommentare verstehen kann.

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Über die Ausarbeitung von Figuren, ReliefOrnamenten und anderer Motive, wie etwa verschiedener Tiere, in Marmor und anderen Steinen Vom weißen Marmor gibt es die verschiedensten Sorten, und weil die griechischen besonders leuchtend, schillernd und schön sind, nenne ich ihn zuerst. Zwanzig Jahre lang lebte ich in der erhabenen Stadt Rom, und wenn meine Haupttätigkeit auch die Kunst des Goldschmiedens war, so hegte ich doch den sehnlichsten Wunsch, einmal etwas Großes in Marmor zu schaffen, arbeitete ich doch unter den besten Bildhauern, die zu jener Zeit lebten, von denen ich den einzigartigen Michelangelo Buonarotti am besten kannte, jenen Florentiner, der wie kein anderer den Marmor zu behandeln verstand, ein Grund, warum ich gegebenen Orts darüber reden werde. Reden wir, wie ich begonnen habe, von der Beschaffenheit der Marmorarten. Ich habe fünf und mehr der verschiedenen Arten kennengelernt, wovon die erste besonders grobkörnig ist und das Korn hat ein ganz spezielles, facettenreiches, gleichmäßiges Lüster. Er ist besonders schwierig zu bearbeiten, weil er der härteste ist. Feine, zarte Details lassen sich nur schwer mit dem Meißel herausarbeiten, ohne daß sie abbröckeln oder einreißen. Ist die Arbeit aber mit aller erdenklichen Mühe und Sorgfalt gelungen, wirkt sie in diesem Marmor besonders gut. Nachdem ich nacheinander alle fünf der obenerwähnten Qualitäten durchprobiert hatte, habe ich mit der Zeit herausgefunden, daß jener Marmor, der ein wenig gegen die Fleischfarbe hinneigt, zum Behauen der dichteste, schönste und angenehmste ist, den es überhaupt gibt.

Kapitel VI

Von den Carrara-Marmoren Die verschiedenen Marmorsorten I Das Kruzifix I Das Arbeitsmodell I Die Werkzeuge I Die Bearbeitung weiterer Steinsorten Die verschiedenen Marmorsorten Auch von diesen Marmoren gibt es unterschiedliche Sorten, einige sind irgendwelche grobkörnige Mischungen mit viel Schmirgel und vielen schwarzen Flecken. Diese lassen sich nur schwer bearbeiten, weil der eingelagerte Schmirgel jedes Werkzeug ruiniert, und man hat wirklich Pech, wenn man an solch einen gespickten Block gerät, der eine wunderschöne Außenschicht haben kann, innen aber voll der ungeahnten Tücken ist. In Carrara und seinen umliegenden Bergen gibt es viele Marmorbrüche, und hierher kam unser Michelangelo persönlich, um unter mancherlei Mühen und großem Zeitaufwand allen Marmor zu jenen prachtvollen Statuen brechen zu lassen, die man von seiner Hand für Papst Clemens geschaffen in der Sakristei von San Lorenzo sieht. Unterhalten wir uns eine Weile über diesen Marmor. Das Kruzifix So wie ich es bei der Beschreibung der verschiedenen Kunstfertigkeiten hielt, von denen wir berichteten, indem ich einige beachtliche Werke meiner eigenen Arbeit behandelte, so will ich es auch hier mit dieser noblen Kunst tun, die mir so wunderbar und schön erscheint. Weil sie mir aber zugleich die leichteste zu sein scheint, war es für mich Grund und Ursache in einem, mir darin die schwierigste Aufgabe zu stellen, wie sie sich keiner vor mir ausgesucht hat. Es war ein Marmorkruzifix, der Gekreuzigte in Lebensgröße und von schöner Gestalt an einem Kreuz aus schwarzem Marmor (Tafel XVI). Dieser kommt gleichfalls von Carrara, ist sehr hart, spröde und splitterig und ungemein schwierig zu bearbeiten. Die so heikle Arbeit hatte ich für mein eigenes Grab bestimmt und entschuldigte mich vor mir selbst dahin,

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daß ich, falls mir die Sache nicht in dem Maße gelingen sollte, wie ich es mir wünschte, ich wenigstens guten Willen gezeigt hätte. Doch war mein Wille zu diesem Werk so stark, daß er, verbunden mit den vielen Vorstudien, all die unerhörten Schwierigkeiten überwand, die solches mit sich bringt - und alle Welt befriedigte. Somit begnüge ich mich damit, diesem kein weiteres Beispiel anzufügen, obschon ich noch manch andere Arbeit in Marmor schuf. Das Arbeitsmodell Will man eine Figur aus Marmor mit Erfolg ausführen, verlangt die Kunst vom klugen Meister, daß er zuerst ein kleines Modell, zwei Handspannen groß macht, in dem die schöne Idee wie auch die gefällige Stellung enthalten sind, sei sie nun bekleidet oder nackt. Danach arbeitet man ein zweites Modell in der Größe, wie die Figur aus Marmor entstehen soll; und wenn er es ganz gut machen will, wird er das große Modell sorgfältiger ausarbeiten als das kleine. Jagt ihn aber die Zeit oder der Wille eines ungeduldigen Auftraggebers, der nicht warten kann, mag er sein großes Modell nur skizzenhaft anlegen, womit er sich viel Zeit zur tüchtigen Bearbeitung im Marmor einspart. Gewiß, es zogen viele vortreffliche Männer vor, nach kleinen Modellen und guten Rissen mit Schwung und ihren Meißeln direkt auf den Marmor loszugehen, waren dann aber endlich von ihrem Stück nicht so befriedigt, als wenn sie ein großes Modell mit Sorgfalt erstellt hätten. Dies widerfuhr sowohl unserem Donatello, einem wahrhaftigen Meister, wie auch dem großen Michelangelo Buonarotti, der beide Methoden benutzt hatte. Doch genügten seinem Genie die kleinen Modellen nicht, und deshalb unterzog er sich von da an mit großer Disziplin dem Modellieren von großen Modellen, genauso gestaltet wie später in Marmor; dies haben wir mit eigenen Augen in der Sakristei von San Lorenzo gesehen. Wenn man mit dem großen Modell zufrieden ist, soll man eine Kohle nehmen und die Hauptansicht der Figur auf den Stein zeichnen; man soll aber zusehen, daß sie

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liert. Für alle, die keine Erfahrung mit der Marmorbearbeitung haben, noch ein Hinweis, den sie beherzigen sollten: Sie werden geneigt sein, mit ihren Meißeln kräftig tief hineinzuschlagen. Die feinen Spitzeisen werden sie aber davor bewahren, direkt in die Tiefe zu gehen, denn sie sind nicht zum Spalten des Marmors, sondern sind dazu da, so leicht wie möglich und nur das Notwendigste abzusplittern, während die Meißel mit den Kerben dazu dienen, dann die Unebenheiten auszuglätten, indem du Die Werkzeuge damit über dein Werk hinfährst, als ob du zu zeichnen Die besten Werkzeuge, um den Stein aus dem Groben zu hättest. Dies ist die Methode die der große Buonarroti hauen, sind schlanke Meißel (Spitzeisen), deren Spitze angewandt hat. sehr fein, deren Schaft aber von der Dicke eines kleinen Fingers sein soll. Damit näherst du dich dem Bilde bis auf Wohl gab es welche, die es anders machen wollten. Sie 'Ä Finger, nämlich bis zur der »penultima pelle« - der vor-begannen hier etwas wegzuhauen und dann dort, rund letzten Haut. um die Figur, und sie dachten, das wäre der kürzeste Weg - doch er war länger und nicht so gut. Sie waren gezwunFür die weitere Arbeit nimmst du einen Meißel mit gen, ihre Figuren nachträglich auszubessern, und bei einigen Kerben (Zahneisen) und bringst damit die Figur allem Flicken und Patzen waren sie doch nicht mehr so weit, daß du sie anschließend nur noch zu befeilen imstande, die Fehler zu beheben, die man heute noch an brauchst. Eine solche Feile heißt Raspel. Es gibt davon vielen Statuen sieht, welche mit verhaltenem, geduldigem verschiedene Sorten: Die Messerfeile und die Halbrunde, Schaffen hätten vermieden werden können. dann solche, die geformt sind wie ein großer Finger, zwei Finger breit, sich fünf- bis sechsmal verkleinernd bis zur Eigentlich wollte ich all die verschiedenen Arten von Dicke eines feinen Federkiels. Meißeln, Eisen, Bohrern und Hämmern der Steinmetze Neben den Feilen werden auch Bohrer verwendet, die beschreiben, welche aus guten Eisen oder feinem Stahl dir helfen, unterschnittene Partien auszuhöhlen. gemacht sind, weil solche aber auf der ganzen Welt wohlAuch wenn deine Figur eine schwierige Stellung einbekannt sind - und ich befinde mich doch in Italien! nimmt, kann dies mit größeren Bohrern bewältigt werbrauche ich davon nicht zu reden. den. Es gibt zwei unterschiedliche Arten von Bohrvorrichtungen: Die Bearbeitung weiterer Steinsorten Ein weißgrauer Stein in Frankreich. Wenn ich in FrankDie eine - der Dreul - dreht sich dank eines kleinen reich wäre, würde ich mich noch über den Stein auslasdurchlochten Querholzes an einem Lederriemen, und sen, der zwar weiß, aber nicht so strahlend weiß wie Mardamit arbeitest du die Feinheiten in Haaren und Kleimor ist, eher von einem schmutzigen Weiß, der aber viel dung aus. leichter zu bearbeiten ist. Dieser Stein, frisch gebrochen, Die andere Sorte - der Brustbohrer - ist viel größer ist so weich, daß die dortigen Meister und auch ich wähund damit wird das ausgearbeitet, was mit der ersten rend meines Aufenthaltes in Paris ihn wie Holz und auch nicht möglich ist. mit Holzbearbeitungswerkzeugen traktierte, nur daß sie Wenn die Statue mit Spitzeisen, Zahneisen, Feilen und die besagten Eisen, mit denen sie über die Flächen fuhBohrern vollständig ausgeformt worden ist, wird sie mit ren, mit einigen Kerben versahen. Mit feingeschliffenen Bimsstein, der weiß, feinkörnig und zart sein soll, postimmt, denn wenn die Zeichnung nicht genau ist, wird man sich beim Hantieren mit den eisernen Werkzeugen betrogen sehen. Das beste Verfahren, das man je gesehen hat, ist jenes, das der große Michelangelo benutzte, indem, wenn die Hauptansicht trassiert ist, man sie von hier aus zu behauen beginnt, als wäre es ein Bildnis im Halbrelief, und langsam vorrückend legt man so die Figur allmählich frei.

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Eisen, Meißeln und Beiteln verschiedenster Art wird der Stein geglättet, und mit der Zeit bekommt er eine Härte wie Marmor, besonders auf der äußeren Haut. Doch traf ich kein Material an, daß so poliert werden konnte wie Marmor. Ein grünlicher Stein in Griechenland. Die Alten, ihr wißt es, fanden viel Freude an solch großem Können und belohnten ihre Bildhauer so freigiebig, daß diese die ungeahntesten Dinge ausprobieren konnten, und so kam es, daß es ihnen gelang, auch jene grünlichen Steine zu behauen, welche man bei uns heute »die Griechischen« nennt, eine Gesteinsart von der Härte eines Achats oder Chalcedons. Ich sah ordentlich große Statuen aus diesem Gestein, konnte mir aber nie vorstellen, wie sie gemacht wurden, denn um sie zu schleifen, braucht man Bleischeiben mit Schmirgel, wie wir es auf Intarsienböden und ähnlichem tun. Aber um derartige Plastiken daraus zu machen, mußten die Meister damaliger Zeiten ein besonderes Geheimnis der Eisenhärtung besessen haben, damit sie mit solcher Leichtigkeit die gewaltige Härte dieser Steine überwinden konnten. Roter Porphyr. Noch andere Steine gibt es, aus denen ich in Rom Figuren gesehen habe, große und viele, in Serpentin und Porphyr, doch mehr in Porphyr, weil dieser irgendwie weicher ist. Bis zur heutigen Zeit fand sich keiner, der ihn bearbeitet hätte, erst in unseren glücklichen Tagen gibt es einen Steinmetz aus Fiesole, genannt Francesco del Tadda. Mit seinem klugen Geist fand er die Methode den Porphyr zu behauen. Ein Mann großer Geduld, er arbeitete mit Hämmern, so spitz wie Meißel und mit anderen Eisen, die er auf seine eigene, besondere Weise zu härten verstand. Dieser Mann schuf einige Köpfe aus oben erwähntem Porphyr, und arbeitete sie so fein nach, wie es die Alten taten. Wäre er in der Lage gewesen die erforderlichen Entwurfszeichnungen zu machen, hätte er sogar überlebensgroße Figuren daraus machen können. Wir begnügen uns damit, ihn als den Erneuerer dieser Kunst zu loben und ihn als Beispiel für

all jene hinzustellen, denen große Werke am Herzen liegen, Fürsten wie Künstler. Grauer Granit. Eine weitere Steinsorte wäre der Granit, welcher weicher ist als der Porphyr. Es gibt zwei Qualitäten, die eine ist rot und stammt aus dem Orient, die andere ist weiß und schwarz und kommt aus den Brüchen der Insel Elba; aus letzteren besteht die Statue in S. Trinità, die aus Rom nach Florenz kam. Dieser Stein ist sehr dauerhaft und schön, trotzdem hat man in unserer Zeit noch keine Bildhauerei daraus gemacht. Steine aus der Toskana. Nicht zu vergessen sind noch einige Gesteinsarten aus der Umgebung von Florenz, so aus Fiesole, Settignano und anderen Orten. Eine davon ist von fahlblauer Farbe, sehr delikat, köstlich sowohl zu bearbeiten wie zu betrachten, von den Einheimischen »pietra serena« (»Himmelsstein«) genannt. Weil sie in mächtigen Massen in den Brüchen anstehen, werden daraus große Säulen und auch Bildhauereien gemacht. Im Freien, der Witterung ausgesetzt, sind sie trotz ihres schönen Aussehens wenig dauerhaft. Eine andere Sorte ist die »pietra morta« (»Bruchstein«) von kastanienbrauner Farbe. Sie läßt sich leicht bearbeiten, wurde auch für Statuen verwendet und ist sehr dauerhaft, widersteht allen Einflüssen von Wind, Wetter und Zeit. Eine weitere Art und wie die vorherige von brauner Farbe wird »pietra forte« (»starker Stein«) genannt, denn er ist wirklich stark und schwer zu bearbeiten. Statuen, Wappen, Masken und noch viele andere Dinge mehr werden daraus verfertigt, doch findest du ihn nicht in so mächtigen Blöcken wie jene vorherigen aus Fiesole und Setignano. Ich erwähne hier nur diese drei Gesteinsarten, weil man sie zu Figuren verwendet hat. Es gibt aber noch weitere schöne Steine um unser Florenz herum: buntgefleckte, harte und weiche - doch kommen sie in der Bildhauerei nicht zur Anwendung, und darum - das sei mir erlaubt - lasse ich sie unerwähnt.

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Kommentar zu den Kapiteln Y und VI: Marmor und Steinbearbeitung Die Uberschriften müßten eigentlich ausgetauscht werden, denn über die »Ausarbeitung von Figuren ... etc ... in Marmor« spricht er erst im Kapitel VI, während es im V. Kapitel nach dem kurzen Hinweis auf den griechischen Marmor, um die, für das nächste Kapitel angekündigte Beschaffenheit der verschiedenen Marmorarten aus Carrara geht. Das Gestein Marmor. Für den Leser, der sich mit dem Goldschmied Cellini beschäftigen möchte, ist der Marmor und seine Bearbeitung ein sehr entferntes Gebiet, deshalb werden hier einige Informationen über das Material nützlich sein.Es ist ein mittel- bis grobkörniges metamorphes Gestein, das durch Umwandlung von Kalkstein in kristallinen Kalkspat entstanden ist. Reiner Marmor enthält bis zu 99% Kalkspat und ist weiß und relativ selten. Aber immer ist Kalkspat (Calcit C a C 0 3 ) der Hauptbestandteil des Marmors. Die groben, bis zuckerartig feinkörnigen Kristalle, sind weiß in allen Nuancen, glänzend, durchscheinend bis kantendurchscheinend und mit Härte 3 so weich, daß man sie leicht mit dem Messer ritzen und schaben kann. Häufig sind farbige Begleitmineralien in das Gefüge eingelagert, die fleckig, geädert, wolkig und sogar bunt verteilt sein können und die typische »Marmorierung« des Gesteins ergeben: Serpentin, ein grünes, dichtes, fasriges Aggregat, Härte 3-4; matt, durchscheinend bis undurchsichtig. Chlorit, ebenfalls grün, bildet derbe Tafeln und Schuppen, Härte 1-2; Perlmuttglanz, durchscheinend. Durch Einwirkung von Metallverbindungen ist der Marmor eingefärbt worden, so ergeben Eisenverbindungen gelben, braunen und roten Marmor; durch Graphit wird er schwarz. Werkstoff des Bildhauers. Für die figürlichen Plastiken wurde schon immer der weiße Marmor bevorzugt, also der calcitreiche, mit möglichst wenig Beimengungen. Zuerst erwähnt Cellini den reinweißen, stark durch-

scheinenden aus Griechenland, dessen beste Qualität der »Greco duro« ist, ein reinweißer, gleichmäßig grobkörniger Marmor mit lebhaftem Glanz von der Insel Paros. Platten von 3 5 mm Dicke sind noch durchscheinend; die Figuren des Parthenon wurden daraus gemacht, und Praxiteles gestaltete daraus seinen Hermes. Cellini benutzte die Marmorblöcke aus Carrara, diesem legendären Vorkommen des hochwertigen weißen Marmors, der schon in der Antike von Bildhauern und Baumeistern so hoch geschätzt wurde. Michelangelo suchte sich dort sein Rohmaterial aus, und heute noch gibt es in der Region 600 Steinbrüche. Es ist ganz klar, daß bei einem so ausgedehnten Vorkommen an den verschiedenen Stellen unterschiedliche Qualitäten anstehen. Am meisten geschätzt ist der »Statuario de Falcovaja« vom Monte Altissimo mit einem nur geringen Aufkommen. Vorherrschend sind der bläulich-weiße »Bianco« und der graublaue »Bardiglio«. Jeder Meister, also auch Benvenuto Cellini, hat sich eine spezielle Sorte ausgewählt, auf deren Bearbeitung er sich eingerichtet hat und deren ästhetische Wirkung seinen Vorstellungen entspricht. Weitere Steinsorten. Nachdem er im VI. Kapitel ausführlich die Steinmetzkunst behandelt hatte, hielt er es für erforderlich, auch noch darüber zu informieren, welche Steine der Bildhauer außer dem Marmor benutzen kann und wie man sie bearbeiten soll. Einige werden nur flüchtig erwähnt, der rote Porphyr war ihm aber besonders wichtig. Porphyr (gr. porphyreos = purpurfarbig; ital. porfido) ist ein Ergußgestein, dessen Grundmasse aus amorphem, kleinkörnigem bis mikrokristallinem Feldspat (meist Plagioklas) besteht, der meist rot bis gelbrot gefärbt ist. Typisch sind die meist dunklen Einsprenglinge anderer Mineralien, wie Hornblende, Biotit, Augit. Das Material ist sehr hart, läßt sich nur schwer polieren, die Bearbeitung ist also viel aufwendiger als beim bequemen Marmor. In der römischen Antike war der »Porfido rosso antico« - »lapis purpureus porphyrites«, der in Ägypten zwischen Nil und Rotem Meer gebrochen wurde, beson-

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ders hoch geschätzt. Die rötlich-braunviolette Grundmasse ist von rosa Einsprenglingen durchsetzt. Besonders in der Römischen Kaiserzeit wurde er für herrschaftliche Bauwerke und für Plastiken des Kaisers benutzt. Mit dem Niedergang des Römischen Reiches geriet der Porphyr in Vergessenheit. Erst die Medici entdeckten die Schönheit - und wohl auch die Machtsymbolik - des purpurfarbenen Materials wieder. Im Quattrocento wurden daraus Sarkophage angefertigt. Die Neubelebung der Porphyr-Plastik ist dem auch von Cellini erwähnten Francesco Ferrucci, genannt »Tadel a« (Francesco Giovanni del Tadda Ferrucci) (14971585), zu verdanken. In Florenz gibt es noch einige seiner Werke: - Vor dem Palazzo Bartolini Salimbeni ließ Cosimo I. zur Erinnerung an den Sieg über Siena eine monolithische Säule errichten, auf der eine Statue der Justitia aus rotem Porphyr steht. - Im Palazzo Veccio befindet sich ein Porphyr-Brunnen. - Es gibt außerdem noch einige Afe^'a'-Porträtbüsten. Später wurden in Florenz vorzugsweise Prunkgefäße (»Vasen«) aus dem Porphyr gefertigt. Man weiß, daß die französischen Kardinäle Richelieu und Mazzarin solche Stücke gesammelt haben. Granit hatte als Material der Bildhauer zu seiner Zeit kaum Bedeutung. Weitere Steinsorten. Die Beschreibungen sind zu ungenau, um die Steine bestimmen zu können. So bearbeitete man den Stein. In langer Schlange stehen heute die Touristen am Eingang der Sakristei von San Lorenzo in Florenz, um einmal die Medici-Grabmäler mit den Plastiken Michelangelos sehen zu können - und hier erzählt ein Zeitzeuge, der dem Meister bei der Arbeit in der Sakristei zusehen durfte, wie Michelangelo selbst die Marmorblöcke in den Steinbrüchen auswählte und wie er nach originalgroßen Tonmodellen die Marmorplastiken gestaltete.

Das Marmorkruzifix. Nachdem über den CarraraMarmor schon im vorigen Kapitel das Wichtigste gesagt worden ist, beginnt er seiner Gewohnheit folgend mit einem eigenen Anwendungsbeispiel, und er hat dazu sein wunderbares Kruzifix ausgewählt. Im Jahre 1557 wurde Cellini der Homosexualität angeklagt, zu vier Jahren Kerker verurteilt, von Cosimo zu Hausarest begnadigt, und diese Zeit nutzte er, um das Werk auszuführen. Er hatte es eigentlich als Zierde seines eigenen Grabes bestimmt, aber daraus wurde nichts, es ging in den Besitz des Herzog über. Nachdem Cosimo 1574 verstorben war, verschenkte es Francesco I. de Medici an Philipp II. von Spanien, und so kam das Werk in den Escorial, und dort hängt der Gekreuzigte, fast lebensgroß aus weißem Marmor schön gestaltet, noch heute am schwarzen Marmorkreuz. Obgleich er sich mit dieser Marmorplastik weit von seinem eigentlichen Metier entfernt hat, ist ihm ein Werk gelungen, mit dem er sich seinem so sehr bewunderten großen Vorbild Michelangelo besonders dicht annähert, ohne ihn nachzuahmen oder gar zu kopieren. Zum letzten Mal haucht Christus den Atem aus, es ist der Moment des Todes. 1539 hatte er während seiner Haft auf der Engelsburg diese Version, und knapp 20 Jahre später entstand dieses ergreifende, ausdrucksstarke Werk, das der Handwerker Cellini anatomisch korrekt und mit dieser zarten »Marmorhaut« realisierte. Der Goldschmied Cellini hat eine der besten Steinplastiken seiner Zeit geschaffen. Und damit nicht genug: Zu welcher Renaissance-Plastik gibt es einen detaillierten Arbeitsbericht? Das Arbeitsmodell. Ausgehend von diesem Werk gibt er einen interessanten Einblick in die Verfahrensweise der Steinbildhauer jener Zeit. Zunächst wird die künstlerische Idee in Form einer skizzenhaften Kleinplastik, etwas mehr als 30 cm groß, realisiert. Es gab Bildhauer, die direkt nach diesem Modell und einigen Skizzenblättern mit der Bearbeitung des Steins begannen, weil es schnell gehen sollte oder weil sie sich für ausreichend

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talentiert hielten. Die Ergebnisse waren unbefriedigend, und deshalb machte sogar Michelangelo für die Figuren der Medici-Gräber originalgroße Tonmodelle. Ausarbeitung der Figur. Selbstverständlich hielt sich Cellini an Michelangelos Methode: - Mit Kohle wird die Hauptansicht der Figur auf den Stein gezeichnet und - mit dem Meißel wird diese Zeichnung fixiert, - dann wird die Figur genauso wie ein Relief freigelegt. Dabei ist darauf zu achten, daß man überall und ringsum etwa acht mm vor der eigentlichen Figur innehält, so daß sie wie von einer »vorletzten Haut« bedeckt erscheint. So wie man eine Apfelsine schält ohne das Fruchtfleisch zu beschädigen soll langsam und vorsichtig die endgültige Gestalt der Plastik freigelegt werden. Das scheint so einfach, aber ein Schlag zu viel, und dieser Steinsplitter geht unter die Haut der Figur. Werkzeuge. Eigentlich wollte er die Steinmetz-Werkzeuge detailliert beschreiben, machte es aber dann doch sehr kurz, weil sie »auf der ganzen Welt wohlbekannt sind« - und in Italien sowieso. Für die weniger vorgebildeten Leser wollen wir aber doch einige Anmerkungen machen. Bei der Gestaltung der Steinplastiken, die wir in den Antikensammlungen der Museen bewundern, wurden die erforderlichen Werkzeuge derartig perfektioniert, daß in den mehr als zwei Jahrtausenden die Materialqualität wesentlich verbessert werden konnte, Form und Anwendung der Werkzeuge ist aber fast unverändert geblieben. Deshalb kann man sagen, daß die von Cellini beschriebene Technologie der Steinbearbeitung prinzipiell mit den Verfahren der altgriechischen Bildhauer, ebenso wie mit denen der heutigen Restauratoren der Frauenkirche zu Dresden übereinstimmt. Technologie der Steinmetzarbeit. Nachdem der Stein grob vorgearbeitet worden ist, nähert man sich der Oberfläche der geplanten Figur bis zur »vorletzten Haut«, also bis lA Fingerdicke, mit dem schlanken Meißel, dem Spitzeisen. Auch wenn solche Werkzeuge im Laufe der Zeit aus

immer besseren Stählen gemacht wurden, ist der Begriff Eisen im Sinne von Werkzeug beibehalten worden. Mit senkrechten Schlägen würde man in den Marmor eindringen, unkontrolliert irgendwelche Stücke abspalten und die Oberfläche zu einer Kraterlandschaft machen. Hält man das Spitzeisen aber schräg, werden flache Schuppen abgesplittert, und so kann eine ebene Fläche vorbereitet werden. Das Zahneisen wirkt mit seiner gezahnten Schneide wie mehrere, nebeneinander angeordnete feine Spitzeisen. Mit ihm werden die Flächen weiter geglättet. Mit dem Schlegel werden die Eisen angetrieben. Das ist der bewährte, ganz einfache Hammer aus einfachem Baustahl, beiderseits mit quadratischen Bahnen. Dem Zweck entsprechend kann er schwerer oder leichter sein, wichtig ist nur, daß er so gut in der Hand liegt, daß man einen ganzen Tag lang damit arbeiten kann. Er besteht aus Gußeisen oder einfachem Baustahl, hat auf beiden Seiten quadratische, flache Bahnen. Dem Zweck entsprechend werden unterschiedlich große Schlegel verwendet. Für weicheren Stein und für die Bearbeitung von Holz benutzt man den Bildhauerknüppel, auch Klöpfel genannt, ein keulenförmiges, rundes Schlagwerkzeug aus Holz.

Kapitel VII

Betrachtungen über mittelgroße und große Kolossalstatuen Ein Beispiel aus der Antike I Auftrag für den 40 Ellen hohen Mars I Das drei Ellen hohe Arbeitsmodell Ein Beispiel aus der Antike Sehr verehrter Leser, meinem Prinzip folgend, immer nur von Dingen zu reden, die ich mit eigenen Arbeiten belegen kann, möchte ich jetzt, allerdings zum besseren Verständnis zunächst vom eigentlichen Gegenstand etwas abweichend, über ein Thema reden, das auszuführen, verglichen mit allem Vorangegangenen, zum Schwierigsten, aber auch zum Schönsten gehört. Es geht um die Herstellung von Kolossalstatuen, nicht unbedingt die ganz großen, sondern die dreimal lebensgroßen, die man auch dazu rechnet. Ich sah davon ziemlich viele, antike und moderne. Von den ganz großen habe ich nur in Rom ein Beispiel gesehen. Die Plastik war in verschiedene Stücke zerbrochen. Ich sah den Kopf und Füße, Teile der Beine, weitere Fragmente der Glieder. Den aufrecht stehenden Kopf hatte ich ausgemessen, ohne Hals reichte er mir bis an die Brustwarzen, was mehr als i'Ä florentinische Ellen ausmacht. Die ganze Statue mußte demnach an die 20 Ellen hoch gewesen sein. Auftrag für den 40 Ellen hohen Mars Als ich im Dienste des großen Königs Franz von Frankreich stand - es wird um das Jahr 1540 gewesen sein - und ihm die verschiedenen schon erwähnten Werke ausgeführt hatte, wissend um sein feinfühliges Gemüt und seine Freude an seltener Geschicklichkeit und auch darum, daß eine solche Sache noch von keinem heute lebenden Künstler unternommen worden ist, schuf ich das Modell für einen Brunnen in Fontainebleau, oder wie man übersetzen könnte »Fontana Belio« - »Brunnen der schönen Wasser«. Dieses Modell hatte eine quadratische Form, und in dessen Mitte war ein ebenfalls quadratischer Sockel, der

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den Wasserspiegel um vier Ellen überragte und dessen Wände reich verziert waren mit allerlei lieblichen Begebenheiten, sowohl in Bezug auf des Königs Taten wie auch der Quellen. Auf diesen Sockel kam ein Standbild, das den Gott Mars vorstellte, und auf die vier Ecken des Brunnenbekkens stellte ich vier Figuren, die sich auf seine Majestät bezogen. Als ich es dem König vorstellte, war es noch von kleinem Maßstab, doch in seiner vollen Größe sollte die Hauptfigur eine Höhe von ungefähr 40 Ellen messen, die Eckfiguren proportional kleiner. Wie nun der König das Modell sah, betrachtete er es eine lange Weile höchst befriedigt, dann befragte er mich über die große Figur. Es sei der Gott des Krieges, sagte ich, und damit seiner Majestät höchst angemessen. Danach verlangte er Bescheid über die anderen Figuren, die ich ihm als die vier Tugenden darstellte, an denen er ja den größten Gefallen finde, zusammen mit der erstgenannten im Zentrum als fünfte. So wie die Mittelfigur für die Tugend der Waffen stünde, so - diese hier, in dieser Ecke für jegliche Kunst des Wortes, - diese für Bildhauerei, Malerei und Architektur, - jene dort für Musik und alle Art musikalischer Harmonie, und endlich - die letzte versinnbildliche die Freigiebigkeit, der Urgrund, die Mutter all der anderen Tugenden und auch deren Ernährerin, denn um die unermeßliche Freigiebigkeit ihrer Majestät wüßte ich Bescheid. Da gab mir seine Herrlichkeit den Auftrag, das Werk sogleich zu beginnen, und angefeuert durch die freundliche Aufnahme der Sache, sowie alle großzügige Unterstützung, die er mir angedeihen ließ, legte ich mich ins Geschirr. König Franz I. und das Modell des Mars-Brunnens [zitiert nach C O N R A D , S. 328]. (In seiner Lebensgeschichte berichtet Benvenuto mit großem Stolz über diesen Werkstattbesuch des Königs von

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Frankreich. Dabei erfahren wir noch etwas mehr über sein Großprojekt, und deshalb fügen wir diesen Text hier ein). »Als ich ihn so fröhlich sah, wie ich es mir nur wünschen konnte, deckte ich das andere Modell auf, das er gewiß nicht erwartete, da er in dem ersten schon Arbeit genug gesehen zu haben glaubte. Dieses Modell war mehr als zwei Ellen hoch; es stellte einen Brunnen in Form eines vollkommenen Vierecks dar; rund herum liefen sehr schöne Treppen, die einander durchschnitten, wie man es niemals in Frankreich und nur sehr selten in Italien gesehen hatte. In der Mitte war ein Sockel, nur wenig höher als der Beckenrand; auf diesem Sockel stand eine nackte Gestalt von hoher Anmut. Sie hielt in der rechten hocherhobenen Hand eine zerbrochene Lanze; die linke lag auf dem Griff eines krummen Säbels von schöner Form; die Figur ruht auf dem linken Fuß, den rechten setzt sie auf einen Helm von der allerreichsten Arbeit. Auf jeder der vier Ecken des Brunnens hatte ich eine aufrechtsitzende Figur dargestellt, eine jede mit den bedeutungsvollsten Symbolen. Der König fragte mich, was denn das für eine schöne Erfindung wäre, die ich ihm gemacht hätte? ... >Wisset, o geheiligte Majestät< - so rief ich - >diese ganz kleine Arbeit, ganz genau nach kleinen Fußmaßen gemessen, wird, wenn sie ausgeführt wird, auch im großen die gleiche angenehme Wirkung ausüben. Die Figur in der Mitte ist 54 Fuß hoch< - hier gab der König ein Zeichen großer Überraschung von sich - >sie soll den Kriegsgott Mars darstellen. Die anderen vier Figuren stellen die Künste dar, an denen Eure Majestät sich ergötzt und die Ihr begünstigt. - Die zur Rechten ist die Wissenschaft aller Wissenschaften; hier seht Ihr ihre Symbole, an denen man die Philosophie und alle sie begleitenden Eigenschaften erkennt. - Diese zweite Figur stellt alle bildenden Künste dar, nämlich Plastik, Malerei und Baukunst. - Die dritte ist die Musik, die sich gern zu diesen anderen Wissenschaften gesellt.

- Die vierte, die so angenehm und gütig aussieht, stellt die Freigiebigkeit vor; denn ohne diese kann keine jener wundersamen Gabe sich kundtun. Die große Statue in der Mitte stellt Eure Majestät selber dar. Ihr seid ein Kriegsgott, denn Ihr seid der einzige Tapfere auf dieser Welt und Eure Tapferkeit wendet Ihr gerecht und fromm zur Verteidigung Eures Ruhmes an.« Das drei Ellen hohe Arbeitsmodell Nachdem ich das kleine Modell unter Aufwand vieler Studien beendet hatte und ich zur Uberzeugung kam, daß es nicht möglich sein werde, nach guter Regel all die schönen Proportionen, die am kleinen Modell zu erkennen waren, auf das riesige Maß des Kolosses zu übertragen, beschloß ich, ein neues, etwa drei Ellen großes zu machen, was der Größe eines lebenden Mannes guter Statur entspricht. So machte ich es dann auch und machte es aus Gips, weil dieser den mancherlei Strapazen des vielen Messens besser widersteht. Nachdem ich erst ein Eisengerüst konstruiert hatte, bedeckte ich es mit Gips und vollendete das Modell noch viel vollkommener in allerlei Einzelstudien als das kleine zuvor. Und wisse, lieber Leser, daß sich alle bedeutenden Meister am lebenden Modell orientiert haben. Dabei ist aber wichtig, daß man ein feines Gespür dafür hat, wie die Vorzüge des Modells in das Werk umzusetzen sind. Man muß immer auf der Suche nach wirklich schönen Menschen sein, unter ihnen die schönsten aussuchen, ja man muß bei ihnen besonders schöne Details erkennen, um aus diesem Gesamteindruck schließlich das eigene Werk als eine Abstraktion des Schönen zu schaffen. Nur so können Werke entstehen, bei denen man die Meisterschaft des Schöpfers erkennt. Solche Meister findet man nur selten. Meine große Begeisterung und die freizügige Unterstützung durch den König Franz bewirkten, daß ich mein drei Ellen großes Modell nicht nur zu meiner, sondern auch aller derjenigen restlosen Zufriedenheit beenden konnte, die etwas von der Sache verstanden.

Kapitel VIII

Wahrlich, die Kunst ist unendlich, und je intensiver du dich mit deinem Werk beschäftigst, umso mehr erkennst du Fehler und Schwächen, aber trotzdem muß man sich auch bei der eigenen Arbeit irgendwann bescheiden: »Halt, jetzt ist es genug!« So entschloß ich mich, das Modell mit geschickten Methoden auf seine wirkliche Größe von 40 Ellen zu übertragen. Dabei verfuhr ich in folgender Weise:

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Das Geheimnis, große Kolosse zu errichten Der Vergleichsmaßstab I Der Maßkasten I Das kleine Armierungsskelett I Das große Armierungsskelett I Das maßgerechte Modell der Kolossalstatue I Königlicher Besuch in Cellinis Werkstatt I Beurlaubung für die Italienreise I Auftrag für die Perseus-Statue in Florenz Der Vergleichsmaßstab Zunächst unterteilte ich das Modell, welches von drei Ellen auf 40 Ellen vergrößert werden mußte, in 40 gleiche Teile, von denen jedes eine Elle des großen Modells entsprach; und jedes der so erhaltenen 40 Teile unterteilte ich noch einmal in 24 Teile. Damit hatte ich jetzt den genauen Maßstab, aber angesichts der Größe, in welcher es ausgeführt werden sollte, konnte dieses übliche Verfahren nicht ausreichen, und so erfand ich ganz aus mir selbst ein anderes, völlig neues, und, großzügig wie ich bin, will ich es jetzt all denen mitteilen, die etwas so großes schaffen wollen. Der Maßkasten Ich benutzte folgendes Arbeitsprinzip: Ich nahm vier schnurgerade, feingehobelte Vierkantleisten von drei Fingern Kantenlänge, so lang wie die Höhe meiner Figur. Diese wurden senkrecht nach dem Lot und so weit vom Modell entfernt in der Erde befestigt, daß sich ein Mann dazwischen bewegen konnte. Mit geraden Brettern wurde um die vier Eckstangen ein Verschlag gebaut, der hinten eine Öffnung hatte, durch die man ihn betreten konnte. Ich übertrug die Maße der Figur auf die Wände des Kastens, und mit deren Hilfe zeichnete ich auf den Boden eines langen Saales das Profil des 40 Ellen großen Kolosses auf und sah, daß mein Prinzip aufs Beste und Genaueste funktionierte. Das kleine Armierungsskelett Nun machte ich ein Armierungsskelett, drei Ellen hoch, genau dem, vom Kasten umschlossenen Modell angepaßt. Ich zimmerte das Skelett ganz aus Holzleisten rings

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um einen senkrechten Stab zusammen, welcher genau durch den linken Fuß ging, also durch das Standbein, auf dem die Figur ruht. Ich nahm die Maße für das Gerippe, indem ich den Abstand von der Kastenwand zur Oberfläche des Modells des Modells maß und soviel dazurechnete, wie dem Fleisch entsprach, mit dem das Gerippe bedeckt war. Das große Armierungsskelett Danach richtete ich in der Mitte meines Schloßhofes einen Baumstamm auf, der von der Basis genau 40 Ellen emporragte. Rund herum stellte ich im gleichen Verhältnis wie bei dem kleinen Modell vier gleichhohe Masten auf, welche ich miteinander durch Bretter genauso sorgfältig verband, wie bei dem kleinen Modell. Jetzt begann ich, genauso das Gerippe im Großen anzulegen, indem ich ständig die Abstände zwischen Bretterwänden und Figur ausmaß, vorn, hinten und ringsum, und so erreichte, daß das Kleine ganz präzise ins Große übertragen wurde. Hätte ich auf die übliche Weise an der kleinen Figur das Maß genommen und dann direkt auf die große übertragen, wären erhebliche Ungenauigkeiten entstanden, die jetzt nicht vorkommen können, weil die Proportionen im großen wie im kleinen gleich sind. Und nun, weil die große Figur auf dem linken Fuß stand und den rechten auf eine Helmzier, besser gesagt auf einen Helm setzte, richtete ich das Gerüst so ein, daß man in den Helm hineingehen und durch den Fuß mit Leichtigkeit bis in den Kopf aufsteigen konnte. Auf das vollendete Gerüst packte ich das Fleisch, also den Gips, was mir mit der erwähnten Methode in kürzester Zeit gelang. Das maßgerechte Modell der Kolossalstatue Nachdem ich die Figur auf diese Weise bis zur vorletzten Überarbeitung gebracht hatte, ließ ich die Vorderfront des Verschlages, in den sie eingehüllt war, öffnen und trat mehr als 40 Ellen zurück, denn so weit gestattete es mir die Größe des Hofes. Ich konnte große Befriedigung bei den Fachleuten bemerken, die gekommen waren, um mein Werk zu sehen, die größte aber empfand ich selbst,

ich, der ich soviel Mühe auf mich genommen, es auszuführen. Was mich aber mit allergrößtem Stolz erfüllte, war, daß nichts zu sehen war, aber auch gar nichts, und wäre es noch so klein gewesen, das nicht genau meinem Entwurf entsprochen hätte. Mit der oben genannten Methode ließ sich der größte Teil der Arbeit zudem durch Männer bewältigen, die nicht die geringsten Kenntnisse im Beruf hatten. Obwohl sie eigentlich Ignoranten der Kunst waren und ohne im Grunde zu wissen, was sie taten, führten sie meine wunderbare Regel, mit Geduld und Sorgfalt angewendet, so aus, daß nicht einmal die Hände eines Michelangelo mehr erreicht hätten. Bei einer Figur solchen Ausmaßes sind die Massen der Muskeln von so ungeheurer Größe, daß sie den Gesichtskreis des einzelnen Arbeiters weit überragen. Derjenige der daran arbeitet, kann kaum eine doppelte Lebensgröße erfassen. Kommst du nämlich auf Armeslänge an solch einen Koloß heran, siehst du gar nichts mehr. Begibst du dich ein wenig weiter weg, siehst du zwar etwas mehr, doch immer noch nicht genug, um Fehler zu vermeiden, die auftreten könnten. Daraus ergibt sich, daß ohne jene Regel anzuwenden, es unmöglich wäre, eine Kolossalstatue zu erstellen, die sich makellos präsentiert. So gewiß es ist, daß schon manche Statue von zehn Ellen geformt wurde, so gewiß ist auch, daß jene alle durch irgendwelche Fehler verunstaltet wurden, und ich glaube nicht, daß von sechs Ellen an aufwärts ohne Anwendung dieser meiner Methode säuberlich gearbeitet werden kann. Mag sein, daß, genauso wie ich eine solche Regel gefunden habe, ein anderer mit größerer Begabung vielleicht noch eine bessere zu finden vermag, doch es ist immer einfach, schon Bestehendem etwas beizufügen. Königlicher Besuch in Cellinis Werkstatt Wenn der König nach Paris kam, ließ er sich immer in dem Schloß nieder, das gegenüber dem meinigen lag, das er mir geschenkt hatte. Die Seine lag dazwischen. Jenes hieß »Logro« (Louvre) und meines trug den Namen »Piccol Nello«, und so überschritt ich den Fluß und machte Seiner Majestät die Aufwartung. Sie war von aus-

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gesuchter Liebenswürdigkeit und fragte mich, ob ich ihm nicht irgend etwas Schönes zu zeigen hätte. Ich erwiderte ihr, daß ich betreffs der Schönheit nicht so ganz sicher sei, daß ich aber einige Arbeiten mit großem Fleiß und jener Hingabe unternommen hätte, wie sie solch noble Kunst verlange und wie sie allein unter großzügigsten, uneingeschränkten Bedingungen zu machen wäre. Er war über meine Worte erfreut und sagte, es entspreche dies wohl den Tatsachen - und am nächsten Tag kam er in mein Haus. Nachdem ich ihm eine Menge verschiedenster Arbeiten gezeigt hatte, veranlaßte ich ihn, hinaus in meinen Hof zu treten und führte ihn dorthin, von wo aus sich die beste Sicht auf meine Statue bot. Mit Geduld und mit edler Nachsicht war er mir gefolgt, und ich gestehe, nie sah ich einen Fürsten - derweil, wie manchem Hohen habe ich gedient! - der ein verständnisvollerer Liebhaber der schönen Künste gewesen wäre als dieser. Und noch während ich mich mit Seiner Majestät unterhielt, gab ich Ascanio, meinem Schüler ein Zeichen, den Vorhang fallen zu lassen. Kaum war der Vorhang gefallen, warf der König beide Hände hoch und brachte eine Lobrede auf mich aus, wie man sie ehrenwerter in menschlichen Worten nicht auszudrücken vermöchte. Daraufhin wandte er sich an Monsignore d'Anniballe und sprach: »Ich befehle bei meinem königlichen Wort, daß die erste fette Abtei, die frei wird, unserem Benvenuto überschrieben werde, denn ich will nicht, daß mein Reich einen solchen Mann verliert.« Bei diesen Worten verneigte ich mich tief, ihm ehrerbietig dankend, während er befriedigt in seine Residenz zurückkehrte. Da ich nun wußte, daß meine Bemühungen dem großen König gefielen, ging ich mit noch größerem Schwung zur Arbeit zurück, um über meine derzeitigen Anstrengungen hinaus die Hälfte mehr zu leisten. So nahm ich 30 Pfund Silber aus meiner eigenen Tasche und gab sie samt Zeichnungen und Modellen zweien meiner Gesellen, um daraus zwei große Gefäße zu fertigen. Und weil es Zeiten schweren Krieges waren, verlangte ich kein Geld vom

König und ließ auch mehr als sechs Monate meines Gehaltes stehen. Da ich mit dem Treiben der zwei Gefäße rasch vorankam, so daß sie nach einem Monat fertig waren, machte ich mich mit ihnen auf den Weg, den König in einer Stadt nahe des Meeres aufzusuchen, welche Argentane hieß. Wie ich seiner Majestät die beiden Gefäße präsentierte, schmeichelte er mir gar sehr, indem er sagte: »Seid getrost, mein Benvenuto, denn ich bin der Mann, der eure Leistungen besser und williger zu loben weiß als irgend jemand auf dieser Erde.« Ich erwiderte seiner Majestät, daß mein größtes Streben und all meine bisherigen Anstrengungen, seit ich meiner selbst bewußt geworden, darauf ausgerichtet gewesen seien, eine Regel zu finden, übergroße Statuen schaffen zu können. Die Regel dann mit Erfolg anzuwenden, sei mir, Gott sei's gedankt, nunmehr zu meiner Zufriedenheit und Freude gelungen. Jetzt sei zu überlegen, die Figur in mehr als hundert Teilen abzugießen und diese mittels Schwalbenschwänzen wieder zusammenzufügen. Dies werde mir aber nicht besonders schwer fallen, weil ich zuvor ein Gerüst aus Eisen zu konstruieren gedächte, mittels dessen die gegossenen Teile dann, von den Füßen beginnend, Stück um Stück bis zum Haupt befestigt werden können. Eine gewisse Schwierigkeit werde zwar der Aufbau dieses Eisengerüsts sein, doch werde ich auch dieses zu überwinden wissen, ausgehend vom selben Prinzip, das ich mit dem ersten, hölzernen Skelett anwandte. Was dann aber unumgänglich notwendig werde, sei, daß ich die ersten dieser Gerüsteisen an ihren endgültigen Ort, das heißt in Seiner Majestät Residenz in Fontainebleau, setzen könne, wo ich einen Raum brauchte, groß genug, ein so immenses Stück zusammenzubauen. Darauf antwortete der König, und wenn keine anderen Räume zur Verfügung stünden, er mir dort seine eigenen Gemächer gäbe, so sehr wünsche er, daß dieses Werk vollendet werde. Auch fügte er bei, ich möge mich jetzt nach Paris zurückbegeben und es mir wohl sein lassen.

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Beurlaubung für die Italienreise Die beiden großen Gefäße standen auf der Tafel Seiner Majestät, und derweil er sie immerfort zärtlich streichelte und gar sehr lobte, erlaubte ich mir den Wunsch vorzubringen und um Erlaubnis zu bitten, vier Monate nach Italien reisen zu dürfen, mich auszuruhen, mein Vaterland, meine Verwandtschaft und meine Freunde wiederzusehen, da es ja augenblicklich ohnehin schwere Kriegszeit sei. Bei diesen Worten zeigte sich auf Seiner Majestät Antlitz plötzlich ein zorniger Ausdruck, und sie sagte: »Ich wünsche, daß ihr mir diese beiden Gefäße von unten bis oben matt vergoldet.« Solches wiederholte er zweimal, erhob sich von der Tafel und sprach kein einziges Wort mehr. »Mattes Gold« kann nur zweierlei bedeuten: - Zum ersten, daß ich matt (verrückt, närrisch) sei, einen solchen Urlaub zu fordern und - zum zweiten, die Vergoldung solle matt, das heißt unpoliert bleiben. Als Seine Majestät sich zurückgezogen hatte, bat ich den Kardinal von Ferrara, der vom König beauftragt war, sich meiner anzunehmen, er möge mir die Erlaubnis zur Reise bewirken. Dieser sagte mir daraufhin, ich solle jetzt nach Paris zurückkehren, er werde mir zu gegebener Zeit mitteilen, was ich zu tun habe. Nach vierzehn Tagen ließ er mich durch seinen Diener wissen, daß ich fahren könne, doch sobald wie irgend möglich zurückzukehren habe. Ich lobte Gott und ging. Aus dem Besitz in meinem Schloß nahm ich nicht einen Nagel mit, weder das Lebensnotwendigste noch Hausrat, weder Silber noch Gold, die getriebenen Geräte nicht, auch keine einzige sonstige Arbeit, die unabhängig von Verpflichtungen gegenüber Seiner Majestät von meinen Arbeitern hergestellt und von mir persönlich bezahlt worden waren. All die in diesem Buch beschriebenen großen Werke, für den König ausgeführt, wurden von Seiner Majestät selbst geschätzt, und diese Schätzung überstieg die Summe von 16000 Scudi. Was alles mich auf den Gedanken brachte, daß, wenn ich von alledem nichts mitnehme, will sagen, ich sozusagen Gläubiger

eines solchen Schatzes sei, ich desto eher wieder zurückkehren werde. Auftrag für die Perseus-Statue in Florenz Und so kam ich nach Italien, erreichte Florenz, meine Heimat, und begab mich nach Poggio a Caiano, die Hand des Großherzogs Cosimo zu küssen, der mir große Huld erzeigte. Nachdem ich zwei Tage dort geweilt, ließ mich Seine Excellenz ein kleines Modell zu einem Perseus machen, welcher Auftrag mir aus seinen Händen zu empfangen, höchst angenehm war. Dies Modell erstellte ich ihm im Laufe zweier Monate. Nicht nur, daß es ihm über die Maßen gefiel, in Gegenwart einiger angesehener Herren sagte er zu mir: »Wenn du den Mut hättest, es in gleicher Güte im Großen auszuführen, wie es sich im Kleinen präsentiert, ergäbe es die schönste Arbeit, die je auf der Piazza stand«, auf welch ehrenwerte Worte ich ihm antwortete: »Mein edler Herr, auf der Piazza stehen Werke von Donatello und vom erhabenen Michelangelo, beides Männer, die mit ihren besten Arbeiten die Alten übertroffen haben. Was nun mich betrifft, habe ich das Herz, meine Arbeit, den Perseus, drei Ellen hoch vollendeter zu gestalten als dies Modell es ist«, über welche Worte dann viel hin und her gestritten wurde. Weil die Kriege in Frankreich in ihrer Heftigkeit andauerten, glaubte ich Muße zu haben, mindestens eine der beiden Figuren zu gießen. Als man jedoch in Frankreich vernahm, daß ich für den Großherzog Cosimo arbeitete, nahm es mir Seine Majestät so übel, daß sie zu sagen pflegte: »Ich habe es dem Benvenuto ja gesagt, daß er ein Narr sei«, worauf der Kardinal von Ferrara nichts Gescheiteres wußte, als mich auch noch zu verleumden, auf welchen schlechten Dienst hin der König äußerte, er wolle mich nie wieder rufen lassen. Dies alles wurde mir in Seiner Majestät Namen geschrieben. Auf diese Worte antwortete ich, daß ich allein nur den Umstand bedaure, ein so großes Werk unvollendet lassen zu müssen; es falle mir jedoch niemals ein, irgendwohin

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zu gehen, wohin zu gehen ich nicht gerufen sei. Und so kam es, daß ich mich, unterstützt durch die vielen Liebenswürdigkeiten von Seiten Seiner Excellenz, gar sehr befleißigte, an meinem Perseus weiterzukommen. Nach einiger Zeit, es mögen einige Monate gewesen sein, hatte sich der König etwas beruhigt und bemerkte gegenüber dem Kardinal von Ferrara, daß er einen großen Fehler begangen habe, mich ziehen zu lassen, worauf der Kardinal ihm antwortete, er, der Kardinal, brauchte mir nur ein Zeichen zu geben, um mich wieder herzubewegen. Darauf der König, daß es zu seinen, des Kardinals Pflichten gehört hätte, mein Weggehen zu verhindern, worauf er sich unversehens zu einem seiner Schatzmeister, Giuliano Buonaccorsi, einen Florentiner, wandte und ihm den Auftrag erteilte: »Ubermacht dem Benve-

nuto 7000 Scudi und sagt ihm, er möge zurückkehren, seinen großen Koloß zu vollenden und daß ich ihn in allen Teilen zufriedenstellen werde.« All dies, was Seine Majestät da gesagt, wurde mir von dem genannten Schatzmeister geschrieben, doch schickte er das Geld nicht, ließ mich dagegen wissen, er werde den Auftrag dazu erteilen, sobald er meine Antwort habe. Ich gab ihm den Bescheid, daß ich des Angebots zufrieden und zu kommen bereit sei. Noch während diese Verhandlungen hin und her gingen, starb der gute König, weshalb mir der Ruhm meines großen Werkes versagt und die Abgeltung aller meiner Anstrengungen und alles dessen, was ich dortgelassen, unterblieb, und so machte ich mich an die Beendigung meines Perseus.

Kommentar zu den Kapiteln VII und VIII: »Mars«, der Entwurf für eine Großplastik

Bei aller Wertschätzung und Bewunderung des genialen Meisters, jetzt verläßt er den Boden der Realität und steigert sich in den Gigantismus. Wozu braucht man einen Brunnen mit einer derartigen Kollosalfigur? Als Größenvergleich sollten wir einige allgemein bekannte Figuren betrachten:

Vom Goldschmied zum Kolossal-Bildhauer Im Kapitel I der »Abhandlung über die Goldschmiedekunst« erzählt er davon, wie er im Alter von 15 Jahren die ersten Niello-Platten gravierte und seinen Weg als Goldschmied begann. Jetzt, im letzten Kapitel dieses Buches, ist er dreißig Jahre älter, hat in dieser Zeit ein enormes Arbeitspensum bewältigt, hervorragende Werke der Goldschmiedekunst und bedeutende Plastiken geschaffen, und am Ende seiner Tätigkeit in Paris ist er zum Organisator dieser Kolossalplastik geworden. Eigentlich war er ja nach Paris geholt worden, um die 12 lebensgroßen Silberfiguren herzustellen, mit denen der König beim offiziellen Festmahl seine Gäste beeindrucken wollte, von denen nur der Jupiter fertig geworden ist. Sehr deutlich mahnt der König den Auftrag an, verlangt, daß der Künstler sich an die Abmachung halten soll. (Vgl. Kommentar zu Kapitel XXV). Aber mit immer neuen Ideen, Projekten und zahlreichen Meisterwerken, vom Salzfaß bis zur Nymphe, sicherte er sich die Gunst des allergnädigsten Herrschers.

Wilhelmshöhe bei Kassel.

Herkules: 9,2 m

Niederwald-Denkmal am Rhein.

Germania 10,5 m

Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald.

Hermann 19 m

Freiheitsstatue N e w York.

Liberty 46 m.

Verglichen mit dem 20m hohen französischen Kriegsgott blieben Herkules und Germania unter dessen Gürtellinie, der Cheruskerfürst müßte noch zu ihm aufblicken, und erst von der amerikanischen Freiheitsstatue wird Cellinis Traumprojekt deutlich übertroffen. Das Geheimnis. Eine Plastik dieser Größe kann man nicht mehr auf konventionelle Weise gestalten. - Die Arme des Künstlers sind zu kurz, um während der Bearbeitung das Gesamtwerk überblicken zu können. - Man kann auch nicht die Maße eines kleinen Modells einfach abtasten und auf die Großplastik übertragen.

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- Man braucht ein objektives räumliches Bezugssystem, in dem man die Punkte des kleinen Modells eindeutig bestimmen kann, um sie dann genauso eindeutig auf den viel größeren Raum des Kolosses übertragen zu können. Er hat dafür eine geniale Methode gefunden, die wie alle genialen Methoden ganz einfach ist, wenn man einmal darauf gekommen ist, und diese ingenieurtechnische Meisterleistung ist das, was er als »das Geheimnis, große Kolosse zu errichten« bezeichnet. Verfahrensweise der Maßübertragung Urmodell. Die eigentliche künstlerische Arbeit konzentriert er auf die drei Ellen große Modellfigur, die er sehr sorgfältig aus Ton modelliert. Maßkasten. Um dieses Urmodell wird ein vierseitiger Bretterverschlag gebaut, auf dessen Wände er die vier Ansichten projeziert. Für die 40 Ellen große Originalfigur wird die gleiche Konstruktion proportional vergrößert. Mathematisch betrachtet benutzt er das räumliche Koordinatensystem, weil mit dessen Achsen I x I y I z I für jeden Punkt die genaue Position im Raum eindeutig bestimmt werden kann. Jede der vier Bretterwände bildet eine Projektionsfläche mit der Abbildung der Figur, von der aus jeder Meßpunkt präzise auf das plastische Modell übertragen werden kann. Armierungsskelett. Ganz wichtig für die Konstruktion der späteren Kolossalfigur ist das tragende Armierungsskelett, und das entwickelt er zunächst im kleinen Maßstab nach der Modellfigur, indem er jeweils den Abstand zwischen Bretterwand und Figurenoberfläche ausmißt und noch etwas für das »Fleisch« dazurechnet und so die räumliche Komponente noch mit einbezieht. Methodik der Technologie. Für das kleine Modell gelten also folgende Arbeitsschritte: - Sorgfältige Gestaltung eines drei Ellen großen Tonmodells, - Übertragung der vier Ansichten auf die Wände des Maßkastens und - Konstruktion des Armierungsskeletts.

Vergrößerung im Maßstab j: 20. Das bedeutet für alle Maße: 10cm am Modell entsprechen 133,33 c m a m Original! Für die Originalplastik gilt folgende Reihenfolge: - Zuerst wird ein Bretterverschlag aufgebaut, der genau 13X mal größer ist als der Maßkasten. - Auf die vier Bretterwände werden die Ansichten von den Wänden des Maßkastens übertragen. - Im Zentrum des Bretterverschlags wird der 20 m hohe Baumstamm aufgerichtet, an dem das Armierungsgerüst beferstigt wird. - Das im Maßkasten aufgebaute Armierungsskelett wird maßstabgerecht nun auf die Größe der Originalfigur übertragen. - Mit einer etwa sechs cm dicken Gipsschicht wird auf der Armierung die eigentliche Oberfläche der Figur gestaltet. Auch in seinem Lebensbericht finden wir die Beschreibung seines Arbeitsverfahrens: »Die Schaffenslust war in mir wieder wach geworden und ich arbeitete mit größtem Fleiß und Eifer an dem großen Standbilde des Kriegsgottes. Das Gerüst hatte ich aus Hölzern gemacht, die mit Eisen wohl befestigt waren. Ich hatte es mit einer Kruste überzogen, die 'A Elle dick und aufs sorgfältigste bearbeitet war. Ich hatte die Anordnung getroffen, die Figur aus vielen einzelnen Stücken zu bilden und diese dann nach den Regeln der Kunst mit Schwalbenschwänzen zu verbinden. Dies wurde aufs beste von meinen Gesellen ausgeführt.« [ C O N R A D , S. 361] So konnte er im Hof seines Schlosses mit berechtigtem Stolz das Modell der Großplastik in Originalgröße präsentieren - und damit endete das Entwurfsprojekt. Die Realisierung am Originalplatz im Park von Fontainebleau mit Stahlgerüst und den mehr als 100 Bronzeteilen kam nicht zustande, der König brauchte das Geld für seine Kriege. Wenn auch nur widerwillig bekam Benvenuto 15 4 5 die Genehmigung für eine Reise in seine Heimat Florenz, Herzog Cosimo hielt ihn mit dem verlokkenden Auftrag des »Perseus« fest, und als König Franz I. am 31. März 1547 starb, gab es für Benvenuto keine Veranlassung mehr für eine Rückkehr nach Frankreich.

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Bezogen auf die Großplastik des »Mars« war das für Cellini wohl eine ziemlich gnädige Lösung. Nein, das konnte nicht gut gehen! Einige der Probleme in Stichworten: Materialbeschaffung, Präzisionsguß aller Einzelteile, exakte Montage der Teile mit Schwalbenschwanz-Verbindungen am tragenden Stahlgerüst, statische Absicherung der Gesamtkonstruktion und die Anpassung der mehr als 100 Einzelteile zu einer Gesamtfigur. Mit seiner Abreise nach Florenz ließ er den hölzernen Mars mit seinem Brettergerüst in Paris zurück, irgendwie wurde das riesige Modell recycled und vergessen aber der vergleichsweise bescheidene, weil nur 3,5m hohe Perseus steht noch immer in der Loggia di Lanzi in Florenz und sorgt dafür, daß wir auch nach 450 Jahren den großen Metallplastiker in guter Erinnerung behalten.

Literaturverzeichnis

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N a c h dieser Erstausgabe der Goethe-Ubersetzung ist das »Leben des Benvenuto Cellini« in alle größeren Goethe-Gesamtausgaben aufgenommen worden [GOETHE], Außerdem sind zahlreiche Einzelausgaben erschienen, wie beispielsweise: L E B E N DES B E N V E N U T O C E L L I N I , F l o r e n t i n i s c h e n G o l d s c h m i e d s

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Folgende Bilder wurden aus den älteren Bearbeitungen der Trattati übernommen: F R Ö H L I C H (Zeichnungen): 1.1; 1.2; 2.1; 2.2; 3.2; 3.1; 8.1; 8.2; 14.1; 14.2; 15.1; 15.2; 16.1; 17.1; 17.2; 19.2; 20.1; 22.1; 22.2; 22.3; 22.4; 22.5; 22.6; 22.7; 22.8; 22.9; 22.10; 22.11; 22.12; 22.13; 32.1, IV,1 Fröhlich (Fotos): Tafel II; III; IV; V; VI; V I I ; V i l i ; X; X I ; X I I ; X I I I ; XIV BRINCKMANN:

Frontispiz

Wir danken den Museen, die uns mit Fotos unterstützten: British Museum, London (Großbritannien): Tafeln X X I und X X I I Escoriai, Kloster San Lorenzo el Real (Spanien): Tafel X V I Kunsthistorisches Museum, Wien (Osterreich): Tafeln X X I I I und XXIV Louvre, Paris (Frankreich): Tafel I X Museo degli Argenti, Florenz (Italien): Tafel X X Museo Nazionale del Bargello, Florenz (Italien): Tafel I; X I X

Sachwortverzeichnis

Um das Sachwortverzeichnis nicht zu sehr auszudehnen, ist es nur auf die Ubersetzung des eigentlichen Cellini-Textes bezogen. Die arabischen Ziffern geben das entsprechende Kapitel in der Abhandlung »Goldschmiedekunst« an, die römischen Ziffern das Kapitel in der Abhandlung »Skulptur«. Es handelt sich dabei nicht um Seitenzahlen. Achtellot 25 Amalgam 26 Amboß 1, 22 Amethyst 4,9 Ammoniak 12, 28, 31 Anhänger 2, 3,4, 12 Aqua forte 34 Aquamarin 4 Armierung als Eisengerüst III Armschmuck 2 , 4 , 1 2 Aschenlauge 1, 3 Atzen von Kupfer 34 Aufbereitung von Schmucksteinen 4, 5,6, 7 Ausguß eines Gefäßes 22 Avers 15 Balasrubin 4, 7 Bergkristall 12 Beryll 9 Blasebalg 2, 3, 19,20, 25, 26 Blech herstellen 2, 7,12, 22, 25 Ziselierung 12, 22 Blei 1, 8,14,15 Bleiklotz 14, 15 Blutstein 7 Borax 1, 2, 12, 13, 25 Bronzeguß I, II, III, IV Bronzemodel 12, 2$ Brotteig 13,14 Chrysopras 4 Coinare 16 Diamant 4, 6,7, 8,9 Diamant reiben 8 Diamant schleifen 8 Diamant schwarz färben 9 Diamantfarbtinktur 9 Diamantpulver 8 Diamantspiegel 9 Döschen 2

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Drachenblut 6 Drahtarbeit 2 Drahtbelötung 2 Drittel-Lot 2 Dubletten 6 Dublierte Steine 4,6 Ducat-Münze 14 Edelstein 4 Einbettmasse 13, 22, 23 Eingguß 1 3 , 1 9 , 2 2 , 1 1 1 Elle 12, 22, 25, III, IV, V I I Email aufbewahren 3 Email auftragen 3 Email brennen 3 Email polieren 3 Email schleifen 3 Email zerkleinern 3 Email, rotes 3 Email-ä-jour 2 Emailarbeit 2, 3 , 1 2 Emailofen 3 Emails, Farbtöne des 3 Essig 2 , 1 2 Färben von Schmucksteinen 4,5,6, 7 Farblösung 27 Fassung 4, 5,6,9 Fensteremail 2 Feststampfen der Erde III Feuervergoldung 26 Figur, lebensgroß 25 Filigran 2 Flachrelief gravieren 3 Folien für Schmucksteine 4,5, 6,7 Formerde I, II Formkern I, III Formsand 13 Formstempel 13 Fünftellot 25 Gebläseofen 19 Gefäß herstellen 19, 22 Gefäß, Eiförmiges 22 Gipsform 13, 23,25 Gipsmantel III Goldi Goldbeize 12 Goldlegierung 12 Grän 7

Granalien 2 Granat 4 Granit V Grünspan 12, 28, 31, 34 Gürtelschnalle 2 Gußkanal 13, 19, 22, III Gußmodell 13, 22, 23,1 Gußrohling 22 Hammerschlag 14, 15,1 Härten 14,15 Henkel eines Gefäßes 22, 23 Holzkohlenfeuer 1, 2, 3 , 1 2 , 1 9 , 22, 25, 26 Holzkohlenpulver 13 Hyazinth 4 Juwelenarbeit 4 Juwelier 4 Karat 7 , 1 2 Kardinalssiegel 13 Karfunkelstein 10 Kitt 3 Kochsalz 2,7, 22, 27 Kolophonium 12 Kolossalstatue V I I Komöl 9 Korpusware 18,19,22 Krappenfassung 7 Kratzbürste 26 Kruzifix aus Marmor V Kruzifix, getrieben 8, 12 Kuhzungen-Amboß 22 Kupfer 1, 34 Kupfer ätzen 34 Lapislázuli 8, 12 Lasagne-Schicht III Lehm 21 Löten mit legiertem Lot 12 Löten mit chemischen Lot 12 Lotlegierung 12, 25 Luftkanäle 13, 22, III Lunette II, IV Mandelöl 9 Marienbrevier 8 Marmor aus Carrara V Marmorplastik V Mastix 9 Mater 14,15 Matrize für Stahlstempel 14

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Medaille, geprägte 14, 1 5 , 1 6

Scherwolle 2 , 2 0

Werkzeuge des Steinmetzen V

Medaille, ziselierte 12

Schilfrohr 1, 2

Zementation 36

Medaillon 2

Schmelzen im Mörserofen 20

Ziegelmehl 3, 12, I I I

Meißel 14, 15

Schmelzofen 20, 2 1 , I I I , I V

Zirkel 1 4 , 1 5 , 22

Minuteriearbeit 12

Schmelzofen ohne Gebläse 20, 21

Ziselieren 7 , 1 2 , 22

Mörser 3

Schmelzofen-Bett I V

Ziselierkitt 22

Münze, geprägte 14

Schmelzofen-Feuerherd I V

Zitrin 9

Niello 1

Schmelzofen-Feuerrost I V

N y m p h e von Fontainebleau I, I I I , I V

Schmelzofen-Fundament I V

Oberfläche mattieren 12

Schmelzofen-Gewölbe I V

Oberfläche punktieren 12

Schmelzverfahren 19, 20, 21

Oberfläche schleifen 12

Schmuckstein 4

Oberfläche schraffieren 12

Schraubenpresse 17

Ölstein 7

Schwefel 1

Palettenhalter 3 Perle 4 , 1 0 Perseus 12, I I I Pfund 22, I I I Pistil 3 Platine 22 Pluvialschließe 7, 12

Schwerwolle I I , I I I Scudo 4 , 6 , 1 2 , 26 Silberfigur, getrieben 25 Silberschmiedearbeit 22 Smaragd 4, 6, 7 , 1 0 Spanne 21 Spinell 4

Polierstahl 7

Staniol-Umhüllung I I I

Porphyrstein 1, 3, 9, 12, V

Stichel 1 4 , 1 5

Prägeblock 1 5 , 1 6 , 17

Streubüchse 2

Prägerahmen 1 6 , 1 7

Sublimat 34

Prägestempel 14

Tiara 4

Prägestock 14

Tiege 1 , 1 9 , 2 0 , 2 2 , 24

Prägewerkzeug 1 4 , 1 6 , 1 7

Tiegelzange 1 9 , 2 2

Prasem 4

Ton 2 , 2 0 , 1 , I I I

Prelleisen 22

Tonflasche 1

Punzen 12, 22

Tonmodell 2 5

Quecksilber 2 6

Tonplastik I U I

Quittensaft 3

Topas 4

Relief, ziseliertes 12

Tragant 2

Revers 15

Treibkitt 12, 25

Ring 4» 8 , 9 , 1 2

Trinkschale 2

Rötel 28

Tripel 1, 2, 3 , 1 3 , 2 2 , 1

Rubin 4 , 5 , 6, 10

Unze 1, 25

Rubin, weißer 10

Vergoldung 26

Ruß 9

Vergoldung färben 27

Salpeter 12, 28, 3 1 , 35

Vitriol 28, 3 1 , 34, 35

Salzfaß 12

Vollplastik, goldene 12

Sandguß 13, 24

Wachs 3

Sandstein 3

Wachsmodell 1 2 , 1 3 , 22, 23, 24

Saphir 4, 6, 7, 9

Wachsschicht I, I I I

Schaben 22

Weinstein 2, 7 , 1 9 , 22, 27, 29

Schaber 22

Weißsieden 25

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