Aktionärsrechte und Nachhaltigkeit: Entwicklung und Gegenwart sozial-ökologischen Aktionärsengagements in den USA und in Deutschland [1 ed.] 9783428536177, 9783428136179

Seitdem Aktionäre deutscher Publikumsaktiengesellschaften in den 1970er Jahren begannen, ihre Aktionärsrechte zur Themat

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Aktionärsrechte und Nachhaltigkeit: Entwicklung und Gegenwart sozial-ökologischen Aktionärsengagements in den USA und in Deutschland [1 ed.]
 9783428536177, 9783428136179

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 56

Aktionärsrechte und Nachhaltigkeit Entwicklung und Gegenwart sozial-ökologischen Aktionärsengagements in den USA und in Deutschland

Von

Torsten Keltsch

Duncker & Humblot · Berlin

TORSTEN KELTSCH

Aktionärsrechte und Nachhaltigkeit

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 56

Aktionärsrechte und Nachhaltigkeit Entwicklung und Gegenwart sozial-ökologischen Aktionärsengagements in den USA und in Deutschland

Von

Torsten Keltsch

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristenfakultät der Universität Leipzig hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-13617-9 (Print) ISBN 978-3-428-53617-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-83617-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2009/10 von der Juristenfakultät der Universität Leipzig als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis August 2011 berücksichtigt werden. Ich danke meinem akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. Tim Drygala dafür, dass er mein Interesse für das internationale Gesellschaftsrecht geweckt hat und mir als wissenschaftlichem Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl jederzeit genügend Freiraum für die eigene Forschungsarbeit gelassen hat. Herrn Prof. Dr. Justus Meyer danke ich für die Übernahme und die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich Herrn Prof. Dr. Holger Fleischer, Herrn Prof. Dr. Hanno Merkt und Herrn Prof. Dr. Gerald Spindler für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe. Besonderer Dank gilt Herrn Dr. Marco Staake und Herrn Tino Marz für zahlreiche Anregungen und fruchtbare Diskussionen während unserer gemeinsamen Zeit am Lehrstuhl. Von ganzem Herzen danke ich schließlich meiner Familie, ohne die dieses Buch nicht möglich gewesen wäre. Leipzig-Marienbrunn, im Sommer 2011

Torsten Keltsch

Inhaltsverzeichnis §1

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einführung und Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Eingrenzung des Forschungsgegenstandes und Gang der Untersuchung . .

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1. Kapitel Aktionärsaktivismus als Instrument der Unternehmenssteuerung im Spannungsfeld von Markt und Recht

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§ 2 Mechanismen der Unternehmensaußensteuerung und ihre Defizite . . . . . . A. Markt und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Defizite des marktlichen und des staatlichen Steuerungsmechanismus . . . I. Marktversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Informationsasymmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Externe Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Staatsversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rolle von Interessengruppen im Prozess staatlicher Regelsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der reaktive Charakter staatlicher Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verlust staatlicher Gestaltungsmacht im Zeitalter der Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dominanz kurzfristiger Unternehmenspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Aktionärsaktivismus als (eine) Antwort auf Markt- und Staatsversagen . . A. Nachfrager nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformationen . . . . . . I. Nachfrager auf den Kapitalmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nachfrager auf den Produktmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gesetzliche Publizitätspflichten hinsichtlich sozial-ökologischer Aspekte der Unternehmenstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Item 101 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Item 103 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Item 303 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Defizite der praktischen Normanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schwankende Haltung der SEC zur Berichterstattung über die Risiken des Klimawandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis II.

Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sozial- und Ökopublizität im Lagebericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darstellung nichtfinanzieller Leistungsindikatoren . . . . . . . . . b) Ursachen des geringen Informationsniveaus . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblickscharakter der Lageberichterstattung . . . . . . . . . bb) Gestaltungsspielraum der Unternehmensleitung . . . . . . . . cc) Beschränkung auf ökonomisch relevante Informationen . 2. Sozial- und Ökopublizität in der Erklärung zur Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Wall Street Walk statt Wall Street Talk? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beispiele für Desinvestionen aus sozial-ökologischen Gründen . . . . II. Defizite der exit-Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Aktienrechtliche Ansatzpunkte für aktive Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausübung von Mitverwaltungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausübung von Kontrollrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Informations- und Auskunftsrechte als Screening-Instrumente . . . . . IV. Zur Rolle hauptversammlungsaktiver Nichtregierungsorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Kapitel Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA § 5 Rederecht und Einsichtsrecht als Instrumente nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Das Rederecht des Aktionärs auf dem annual meeting . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Herleitung des Rederechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Praktische Bedeutung des Rederechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das Einsichtsrecht des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsgrundlage und Voraussetzungen der Einsichtnahme . . . . . . . . II. Einsichtsrecht bei nicht-ökonomischer Motivlage . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gründe der Bedeutungslosigkeit des Einsichtsrechts in der Praxis . . § 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Recht zur Stellung von Präsenzanträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Recht auf Antragsveröffentlichung nach Rule 14a-8 . . . . . . . . . . 1. Überblick zum Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Funktionale Betrachtung veröffentlichungspflichtiger Aktionärsanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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3. Überblick zur Entwicklung der shareholder proposal rule . . . . . . B. 1932–1966: Die Anfangsjahre des Aktionärsaktivismus . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur Praxis des Aktionärsaktivismus in den 1930er–1960er Jahren . . 1. Antragsteller der ersten Stunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Themenschwerpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auf dem Weg zur Rule X-14A-7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche und faktische Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Proxy Rules 1935 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Proxy Rules 1938 und Behandlung von Aktionärsanträgen durch die SEC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rule X-14A-7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Bane-Statement (1945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Entscheidung in Sachen SEC v. Transamerica Corp. (1947) . . . 1. Sachverhalt und Entscheidungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Reform 1947 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Reform 1948 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Maßnahmen zur Missbrauchsabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Die Entscheidung in Sachen Peck v. Greyhound Corp. (1951) . . . . . 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Reform 1952 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Reform 1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hintergründe und Zielstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vorschläge des Reformentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umgesetzte Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausnahmetatbestand des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelung der Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verschärfung der Voraussetzungen einer wiederholten Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Praktische Auswirkungen der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Reform 1967 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Änderungen der formellen Voraussetzungen der Mitteilungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Änderungen der Ausnahmen von der Mitteilungspflicht . . . . . . . . XII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. 1967–1982: Aktionärsaktivismus als Ausdrucksform zivilgesellschaftlichen Protests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis I.

II.

III.

IV.

Zur Praxis des gesellschaftspolitischen Aktionärsengagements zwischen 1967 und 1976 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Saul Alinsky und die Auseinandersetzungen zwischen FIGHT und Eastman Kodak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hauptversammlungen im Zeichen des Vietnamkriegs . . . . . . . . . . 3. Das „Project on Corporate Responsibility“ und die „Campaign to Make General Motors Responsible“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anfänge des religiösen Aktionärsengagements . . . . . . . . . . . . . . . Reformdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Entscheidung Medical Committee for Human Rights v. SEC a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Urteilsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kein Bezug des Antrags zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Werbungsabsicht für allgemein-politische Ziele . . (1) Streitstand zur Auslegung des Tatbestands . . . . . . . . . (2) Position des U.S. Court of Appeals, District of Columbia Circuit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Entscheidung des U.S. Supreme Court (1972) . . . . . . . . . d) Rezeption und Folgen der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Entwurf des Corporate Participation Act . . . . . . . . . . . . . . . . . Reform 1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formelle Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Länge der Antragsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anzeige der geplanten Hauptversammlungsteilnahme/Präsenzanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Modifikationen der Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestand des Bezugs zu allgemein-politischen Fragen . . . . b) Tatbestand der persönlichen Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung und Folgen der Novellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reform 1976 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick zu Antragstellern und Themenschwerpunkten . . . . . . . a) Christliche Vereinigungen und linke Gruppen . . . . . . . . . . . . . b) Konservative Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Liberale Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Öffentliche Pensionsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Formelle Änderungen durch die Reform von 1976 . . . . . . . . . . . . a) Antragshöchstzahl und Antragslänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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b) Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Anzeige der geplanten Hauptversammlungsteilnahme/Präsenzanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 d) Antragsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 e) Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Modifikationen der Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Konkretisierungen des Tatbestandes der fehlenden Aktionärszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Einführung des Tatbestands der Rechtsverletzung . . . . . . 150 bb) Einführung eines Erledigungstatbestands . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Klarstellung zum Tatbestand der fehlenden Aktionärszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Unbedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 aa) Zur Entwicklung der Auslegungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . 153 bb) Klarstellung im Zuge der Reform von 1976 . . . . . . . . . . . 155 d) Wiederholte Antragsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 e) Bezug zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . 157 aa) Hintergrund der Reformbestrebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 bb) Alternative Tatbestandsmodelle in der Diskussion . . . . . . 159 (1) Erster Alternativtatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (2) Zweiter Alternativtatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 cc) Neujustierung im Zuge der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 4. Normierung weiterer Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Verstoß gegen die proxy rules . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Antragsduplizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 5. Rezeption der Reform in der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 6. Folgen der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 V.

Die Entscheidung des Supreme Court in Sachen First National Bank of Boston v. Bellotti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Sachverhalt und Entscheidungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Rezeption der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Deutung in der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

VI.

b) Der SEC Staff Report on Corporate Accountability (1980) . . 166 Reformbestrebungen 1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Vertretung des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Offenlegung der Identität des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3. Gesamtlänge von Antrag und Antragsbegründung . . . . . . . . . . . . . 169

VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

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Inhaltsverzeichnis D. 1983–1996: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in der Defensive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick zu Antragstellern und Themenschwerpunkten des sozialökologischen Aktionärsaktivismus von 1983–1997 . . . . . . . . . . . . . . . 1. Themenschwerpunkte und betroffene Unternehmen . . . . . . . . . . . 2. Alte und neue Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Corporate Governance-Aktivismus öffentlicher Pensionsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewerkschaftlicher Aktionärsaktivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zur Praxis des gewerkschaftlichen Aktionärsaktivismus bb) Ursachen der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Übernahmewelle und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . (2) Günstige tatsächliche und rechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Reform 1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reformvorschläge der SEC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorschlag I: Verschärfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen b) Vorschlag II: Vorrang der privatautonomen Regelung . . . . . . . c) Vorschlag III: Einführung einer zahlenmäßigen Höchstgrenze 2. Reaktionen auf die Kommissionsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Im Zuge der Reform verwirklichte Änderungen . . . . . . . . . . . . . . a) Formale Voraussetzungen der Veröffentlichungspflicht . . . . . aa) Mindesthaltedauer und Mindestaktienbesitz . . . . . . . . . . . bb) Antragshöchstzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonstige Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahmen von der Mitteilungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fehlende Aktionärszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Persönliche Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unbedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit . . . . . . . dd) Bezug zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb . . . . . . . . . . . ee) Erweiterung des Erledigungstatbestands . . . . . . . . . . . . . . ff) Wiederholte Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auswirkungen und Rezeption der Änderungen . . . . . . . . . . . . III. Die Cracker Barrel-Kontroverse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Handhabung beschäftigungsbezogener Anträge nach dem Standard von 1976 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachverhalt und Inhalt des Cracker Barrel-No-Action Letters . . 3. Die Rezeption des neuen Auslegungsstandards . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gerichtliche Überprüfung im Rechtsstreit NYCERS v. SEC . . . . . a) Die Entscheidung des Ausgangsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Entscheidung des Berufungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . .

170 171 171 172 172 175 175 176 177 178 179 179 180 181 181 182 184 184 184 186 187 188 188 189 189 190 191 192 194 195 195 197 199 200 201 201

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5. Folgen des Cracker Barrel-No-Action Letters . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auswirkungen auf beschäftigungsbezogene Aktionärsanträge b) Die Entscheidung in Sachen ACTWU v. Wal-Mart Stores, Inc. c) Ordnungswirkung der Stellungnahme im Fall Cracker Barrel? IV. Erleichterung der Aktionärskommunikation durch die Reform der proxy rules von 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. 1998–Gegenwart: Intensivierung und Professionalisierung des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Praxis des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagements seit 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Antragsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesamtzahl nachhaltigkeitsorientierter Anträge . . . . . . . . . . . . . . . 3. Betroffene Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Themenschwerpunkte und Handlungsempfehlungen . . . . . . . . . . . 5. Erfolg nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsanträge . . . . . . . . . . . . a) Antragsrücknahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Positive Stellungnahmen der SEC im Prüfverfahren . . . . . . . . c) Abstimmungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Reform 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorgeschichte der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Im Zuge der Reform 1998 umgesetzte Änderungen . . . . . . . . . . . a) Grundlegende Umgestaltung der Rule 14a-8 . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückkehr zur Einzelfallbetrachtung beschäftigungsbezogener Anträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonstige Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anhebung des Mindestbesitzerfordernisses . . . . . . . . . . . . bb) Definition des Begriffs „Antrag“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfahrensfragen und Neuregelung des discretionary voting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Im Verlauf der Reformdiskussion verworfene Vorschläge . . . . . . a) Handhabung des Tatbestands der persönlichen Beschwerde . . b) Verobjektivierung der „unbedeutenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Neuformulierung des ordinary business-Tatbestandes . . . . . . . d) Erhöhung der Schwellenwerte für eine wiederholte Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Außerkraftsetzen von Ausnahmetatbeständen durch hinreichende Aktionärsunterstützung („override provision“) . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zur Reformdebatte 2006–2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

203 203 204 205 206 207 208 208 209 210 211 212 213 213 214 214 218 218 220 220 220 222 222 223 223 223 223 225 226 227 228 229 230

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IV. §7

1. Aktionärsantragsrecht, Direktorenwahl und die Entscheidung in Sachen AFSCME v. AIG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reformvorschläge der SEC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Reformmodell I: Einschränkung der Aktionärsrechte im Nominierungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reformmodell II: Ausweitung der Aktionärsrechte im Nominierungsprozess und Infragestellung empfehlender Anträge . . aa) Nominierung von Board-Mitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Internetbasierte Aktionärsforen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Handhabung empfehlender Anträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Diskussion der Vorschläge und (vorläufiges) Ende der Debatte . . 4. Wiederaufflammen der Diskussion und erneute Novellierung im Jahr 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Gegenwärtige Handhabung der shareholder proposal rule . . . . . . . . . . . . . . A. Anwendungsbereich der Rule 14a-8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Formelle Voraussetzungen der Mitteilungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhaber stimmberechtigter Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mindesthaltedauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mindestaktienbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ununterbrochener Aktienbesitz bis zur Hauptversammlung . . . . 5. Kein zurückliegendes Antragsversäumnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Nachweis der Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beschränkung auf einen Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zusammenfassung mehrerer Handlungsempfehlungen . . . . . . . . . 2. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeinsame Berechtigung mehrerer Personen an Aktien . . . b) Anträge des Vertreters eines Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anträge von Mitgliedern einer Personenvereinigung . . . . . . . . III. Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ordentliche Hauptversammlung innerhalb der 30 Tage-Abweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschiebung des Hauptversammlungstermins um mehr als 30 Tage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Antragslänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwendung von Internetlinks in Aktionärsanträgen . . . . . . . . . . . a) Wandel der Beurteilung durch die SEC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegenwärtige Handhabung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Heilungsmöglichkeiten bei formellen Mängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . .

230 231 232 233 233 233 234 235 236 238 239 239 240 240 240 241 241 242 242 243 244 245 245 245 245 246 247 247 248 248 248 249 249 250 251

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C. Ausnahmen von der Mitteilungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fehlende Aktionärszuständigkeit (improper under state law) . . . . . . 1. Empfehlende und verpflichtende Anträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anträge zur Änderung oder Ergänzung der Bylaws . . . . . . . . . . . . a) Unklarheiten über den zulässigen Regelungsgehalt der Bylaws . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufhebung der Änderung durch den Board . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorlageverfahren an den Delaware Supreme Court . . . . . . . . . II. Rechtsverletzung (violation of law) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verstoß gegen bundesstaatliches Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . a) Pflichtenkanon der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Treuepflicht (duty of loyalty) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Sorgfaltspflicht (duty of care) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Lockerung der Pflichtenbindung durch die business judgement rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fallrechtliche Konkretisierung der Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . aa) Der direct benefit-test der Entscheidung Dodge v. Ford Motor Co. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Historische Einbettung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . cc) Sukzessive Abmilderung des direct benefit-tests . . . . . . . dd) Abschied vom direct benefit-test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Stakeholderinteressen und Geschäftsleiterermessen . . . . . ff) Bestätigung durch die A.L.I. Principles of Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Berücksichtigungsfähigkeit von Nichtaktionärsinteressen im Geltungsbereich der constituency statutes . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verstoß gegen sonstiges bundesstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . . . 3. Verstoß gegen Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verstoß gegen ausländisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verstoß gegen die proxy rules (violation of proxy rules) . . . . . . . . . . 1. Unanwendbarkeit des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Eigener Anspruch/persönliche Beschwerde (personal claim or grievance) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Option der Verfahrensvereinfachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unanwendbarkeit bei gesellschaftspolitischen Aktionärsanträgen V. Unbedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft (relevance test) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

252 252 252 254 255 257 257 258 259 260 260 261 263 264 265 266 268 270 271 273 274 274 276 276 277 277 278 279 279 282 282 283 284

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Inhaltsverzeichnis 1. Tatbestand der unzureichenden wirtschaftlichen Beziehung zur Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatbestand der sonstigen bedeutenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fallrecht: Lovenheim v. Iroquois Brands Ltd. (1985) . . . . . . . . b) Beispiele aus der Auslegungspraxis der SEC . . . . . . . . . . . . . . VI. Unmöglichkeit der Antragsumsetzung (absence of power/authority) 1. Tatsächliche Unmöglichkeit der Antragsumsetzung . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Unmöglichkeit der Antragsumsetzung . . . . . . . . . . . . . 3. Unbestimmtes Antragsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Bezug zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb (relating to ordinary business) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsleitlinien der SEC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Praxisuntauglichkeit des Tatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. (Gescheiterte) Einzelfallkonkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Erledigung des Antrags (substantially implemented) . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der Erledigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitpunkt der Erledigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Antragsduplizität (substantially duplicative) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschluss duplikativer Anträge und „co-sponsering“ . . . . . . . . . 2. Folgewirkungen einer Änderung oder Rücknahme des Erstantrags 3. Konkretisierung des Duplizitätserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . X. Voraussetzungen für die wiederholte Antragstellung (resubmission rule) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berechnung der Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berechnung der Ausschlussfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitgehend gleicher Antragsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Sonstige Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Widerspruch zu einem Verwaltungsvorschlag (conflict with company’s proposal) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bezug zur Wahl eines Board-Mitglieds (director elections) . . . . . 3. Anträge zur Höhe der Dividende (specific amount of dividends) D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 8 Möglichkeiten zur Überprüfung eines No-Action Letters . . . . . . . . . . . . . . . A. Antrag auf erneute Prüfung durch die Division of Corporate Finance . . . . B. Antrag auf Überprüfung durch die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Klage gegen die SEC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gerichtlicher Rechtsschutz nach erfolgter Kommissionsprüfung . . . II. Kein Rechtsschutz bei unterbliebener Kommissionsprüfung . . . . . . . D. Klage gegen die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Herleitung der Klagemöglichkeit des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . .

284 285 287 288 289 290 290 291 291 292 292 293 295 296 297 297 297 298 298 299 300 301 301 303 303 303 303 304 305 306 306 307 307 309 310 310

Inhaltsverzeichnis

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II.

Fehlende Bindungswirkung der Feststellungen eines No-Action Letters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 E. Bewertung der bestehenden Überprüfungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 313 § 9 Kritische Einwände gegen die shareholder proposal rule . . . . . . . . . . . . . . . A. Aktionärsinformation im Vertragsnetzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Informationswesentlichkeit als Grenze gesetzlicher Offenlegungspflichten C. Minderheitsdominanz als Pervertierung der corporate democracy . . . . . . . D. Usurpation des marktlichen Steuerungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Aktionärsaktivisten als kostenverursachende Trittbrettfahrer . . . . . . . . . . . .

313 314 316 319 321 322

Zusammenfassende Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

3. Kapitel Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland § 10 Historischer Überblick zur Entwicklung und zukünftige Perspektiven des sozial-ökologischen Aktionärsengagements in Deutschland . . . . . . . . . . A. Zur deutschen Hauptversammlungswirklichkeit der 1930er bis 1960er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Frühformen der Hauptversammlungsopposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zivilgesellschaftliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterentwicklung des deutschen Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausgestaltung der Individualrechte des Aktionärs im AktG 1937 . . B. Die Kampagne gegen den Bau des Cabora Bassa-Staudamms . . . . . . . . . . . C. Politische Diskussion um die Hauptversammlungspolitisierung . . . . . . . . . D. Thematische Neuorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenschluss im Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e. V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Bündelung von Interessen der Belegschaftsaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Perspektiven des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivismus in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kapitalmarktstruktur und Aktienkultur im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . II. (Teilweise) Abkehr von der tradierten deutschen Unternehmenskultur III. Mobilisierung ausländischer Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgeberische Maßnahmen zur Stärkung der Aktionärsrechte 2. Impulse durch das Auftreten institutioneller Aktionärsdienstleister IV. Auswirkungen der UNEP Principles for Responsible Investment . . . V. Kirchliches Aktionärsengagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Private Altersvorsorge und Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Impulse durch Berichtspflichten im AltZertG und VAG? . . . . . . . . . . VIII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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325 325 326 328 328 329 330 333 335 336 338 339 340 343 344 344 346 348 348 349 351 353

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§ 11 Gegenantragsrecht, Auskunftsrecht und Rederecht als Instrumente zur Erzeugung und Distribution nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Das Recht auf Zugänglichmachung von Gegenanträgen . . . . . . . . . . . . . . . . I. Voraussetzungen der Veröffentlichungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenantragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein Mindestaktienbesitz- und Mindesthaltedauererfordernis b) Keine Verknüpfung der Antragsbefugnis mit dem Stimmrecht c) Kein ununterbrochener Aktienbesitz nach Antragstellung . . . 2. Form des Gegenantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gegenantragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine Beschränkung auf einen Gegenantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Länge der Antragsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ausnahmen von der Veröffentlichungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Strafbarkeit des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzes- oder Satzungswidrigkeit des erstrebten Beschlusses c) Falsche, irreführende oder beleidigende Antragsbegründung . . d) Sachverhaltsgleiche Gegenanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Identität mit früheren Gegenanträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Nichtvertretung des Gegenantrags in der Hauptversammlung g) Unterlassene Antragstellung in früheren Hauptversammlungen 7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktionaler Vergleich von Antragsrecht und Gegenantragsrecht . . . 1. Die Informationserzeugungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Informationsdistributionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mechanismen der Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kommunikationsanbahnung und Kommunikationsinhalt . . . . 3. Die Signalfunktion des Abstimmungsergebnisses . . . . . . . . . . . . . III. Exkurs: Vorbildwirkung der Rule 14a-8 im Gesetzgebungsverfahren zum AktG 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das Auskunftsrecht des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Angelegenheiten der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auskunftsbegehren zu allgemeinpolitischen Themen . . . . . . . . . . 2. Auskunftsbegehren zu Angelegenheiten von Tochtergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auskunftsbegehren zu Lieferantenbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . II. Erforderlichkeit und Bezug zur Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflicht zur europarechtskonformen Auslegung? . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Formel vom „objektiven Durchschnittsaktionär“ . . . . . . . . . . 3. Konkretisierung des Begriffs der Beurteilungserheblichkeit . . . .

353 354 355 355 356 357 357 358 358 359 361 363 363 364 366 367 369 371 372 374 374 374 376 376 377 378 380 382 383 384 384 385 386 386 386 388 390

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4. Tagesordnungspunkt „Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat“ a) Zweifel an pflichtgemäßem Verhalten (LG Frankfurt a. M.) . . b) Verknüpfung der Beurteilungserheblichkeit mit § 120 Abs. 3 AktG (20. Zivilsenat des OLG Frankfurt a. M.) . . . . . . . . . . . . c) Bezug zu Vorgängen von einigem Gewicht (BGH) . . . . . . . . . d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Weitere Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beurteilungserheblichkeit bei Voreingenommenheit des Auskunftsersuchenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Relevante Auskunftsverweigerungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflicht zur Auskunftsverweigerung bei drohender Nachteilszufügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkretisierung des Tatbestands der drohenden Nachteilszufügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Reputationsverlust als Nachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erheblichkeit des Nachteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Maßgeblichkeit der Gesellschafts- und Aktionärsinteressen (Rsp.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konzentration auf Vor- und Nachteile für die Gesellschaft (Lit.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nachteilszufügung und Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nachteilszufügung durch Auskunftsverweigerung . . . . . . . . . . IV. Rechtsvergleichende Betrachtung von § 131 AktG und Rule 14a-8 . . 1. Aufwand der Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Persönliche Voraussetzungen für die Rechtsausübung . . . . . . . . . . 3. Form der Auskunftserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unbeachtlichkeit der Motivlage des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Durchsetzungsmacht des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Breite und Dichte der erlangten Informationen . . . . . . . . . . . . . . . a) Quantitative Grenzen der Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Offenheit für die Erzeugung sozial-ökologischer Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Detaillierungsgrad der Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Präventiv-verhaltenssteuernde Wirkung der Informationsbeschaffungsrechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Das Rederecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausübungsberechtigter Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verknüpfung des Rederechts mit dem Teilnahmerecht . . . . . . . . . 2. Vorschläge zur Einschränkung des ausübungsberechtigten Personenkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

391 391 393 394 394 396 398 398 400 400 401 401 401 402 402 403 404 406 406 408 409 410 412 413 413 415 417 417 418 419 421 421 421

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II.

III.

IV.

a) Ausübungsberechtigung und Mindestbesitzerfordernis . . . . . . b) Materielle Berechtigung als Ergänzung zur formellen Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt des Rederechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tagesordnung als Grenze der Erörterungsgegenstände . . . . . . . . . 2. Erörterung von Angelegenheiten der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . a) Rederecht und erwerbswirtschaftliches Aktionärsinteresse (Zöllner) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rederecht und Öffentlichkeitsbezug der Aktiengesellschaft (Günther) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Effektivität des Rederechts als Instrument zur Distribution nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rederecht und horizontale Informationsdistribution . . . . . . . . . . . 2. Rederecht und vertikale Informationsdistribution . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 12 Rechtspolitischer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Rule 14a-8: (K)ein Modell für das deutsche Aktienrecht? . . . . . . . . . . . . . . I. Antragsrecht als dogmatischer Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konflikt mit dem bisherigen Reformleitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zweifelhafte Effektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Adressatenkreis von Nachhaltigkeitsinformationen . . . . . . . . . . . . . . . B. Einführung einer zwingenden Nachhaltigkeitsberichterstattungspflicht . . . I. Adressat der Offenlegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gestaltungsvarianten der Nachhaltigkeitsberichterstattungspflicht . . 1. Gesetzliche Verankerung eines Katalogs publizitätspflichtiger Nachhaltigkeitsinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verweisung auf einen nationalen Nachhaltigkeitskodex . . . . . . . . 3. Verweisung auf internationale Berichtserstattungsleitlinien . . . . . III. Ermöglichung eines Opt-out? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

422 424 426 426 427 427 428 429 431 431 432 432 434 434 435 438 439 440 440 441 442 442 443 444 445

Abschließende Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. Abb. ABl. Abs. a. F. AG AktG Ala. L. Rev. A.L.I. allg. AltZertG Am. Bus. L. J. Am. U. Int’l L. Rev. AR Ariz. J. Int’l & Comp. ARUG AuR ausdr. ausf. B. & Corp. Gov. L. Rep. Bay. L. Rev. BayObLG BB B. C. Envtl. Aff. L. Rev. B. C. L. Rev. Bell J. Econ. Mngt. Sc. Berkeley Bus. L. J. Berkeley J. Emp. & Lab. L. Berkeley J. Int’l L. BGBl. BGH BGHZ BLJ BR-Drs.

anderer Ansicht am angegebenen Ort Abbildung Amtsblatt Absatz alte Fassung Aktiengesellschaft, Die Aktiengesellschaft Aktiengesetz Alabama Law Review American Law Institute allgemein Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz American Business Law Journal American University International Law Review Der Aufsichtsrat Arizona Journal of International & Comparative Law Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechte-Richtlinie Arbeit und Recht ausdrücklich ausführlich Bank and Corporate Governance Law Reporter Baylor Law Review Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater Boston College Environmental Affairs Law Review Boston College Law Review Bell Journal of Economics and Management Science Berkeley Business Law Journal Berkeley Journal of Employment and Labor Law Berkeley Journal of International Law Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bucerius Law Journal Bundesrats-Drucksache

22

Abkürzungsverzeichnis

bspw. BT-Drs. Buff. L. Rev. B. U. L. Rev. Bus. & Env. Bus. & Soc. Rev. Bus. Law. Cal. Mgmt. Rev. Can.-U.S. L. J. Case W. Res. L. Rev. Cath. U. L. Rev. CEO Col. L. Rev. Colum. Hum. Rts. L. Rev. Comp. Lab. L. & Pol. J. Comp. Lab. L. J. Comp. Law. Cornell Int’l L. J. Cornell L. Rev. Corp. Gov. Adv. Corp. Gov. Int’l Rev. CSR CSR & Env. Mgnt.

beispielsweise Bundestags-Drucksache Buffalo Law Review Boston University Law Review Business and the Environment Business & Society Review Business Lawyer California Management Review Canada-United States Law Journal Case Western Reserve Law Review Catholic University Law Review Chief Executive Officer Columbia Law Review Columbia Human Rights Law Review Comparative Labor Law and Policy Journal Comparative Labor Law Journal Company Lawyer Cornell International Law Journal Cornell Law Review Corporate Governance Advisor Corporate Governance: An International Review Corporate Social Responsibility Corporate Social Responsibility and Environmental Management Deutscher Aktienindex Der Betrieb Deutscher Corporate Governance Kodex Delaware Journal of Corporate Law Delaware Supreme Court DePaul Business Law Journal derselbe dieselbe Deutsche Richterzeitung Deutsches Steuerrecht Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Evangelische Kirche in Deutschland Emory Law Journal Entrepreneurial Business Law Journal Environmental Law Ethics and International Affairs European Business Law Review European Law Journal

DAX DB DCGK Del. J. Corp. L. Del. S. Ct. DePaul Bus. L. J. ders. dies. DRiZ DStR EGHGB EKD Emory L. J. Entrepreneurial Bus. L. J. Envtl. L. Eth. & Int. Aff. Eur. Bus. L. Rev. Eur. L. J.

Abkürzungsverzeichnis EuZW f., ff. Fed. Reg. Fed. Sec. L. Rep. Fn. Fordham L. Rev. F.Supp GAAP Geo. L. J. Geo. Wash. L. Rev. GG ggf. GmbH Green. Mgt. Int. Griffith L. Rev. Harv. Bus. Rev. Harv. Envtl. L. Rev. Harv. L. Rev. Hast. L. J. HGB h. Lit. Hofstra Lab. L. J. Hofstra U. Sch. L. Howard L. J. Hrsg. IAS i. d. F. IDW i. E. ILO ILSA J. Int’l & Comp. L. Ind. L. Rev. Int’l Comp. & Com. L. Rev. Int’l Fin. L. Rev. Int’l Law. Iowa L. Rev. i. S. d. i.V. m. J. Appl. Corp. Fin. J. Ass. Mngmt. J. Bus. J. Bus. Eth.

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht folgende Federal Register Federal Securities Law Reporter Fußnote Fordham Law Review Federal Supplement Generally Accepted Accounting Principles Georgetown Law Journal George Washington Law Review Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Greener Management International Griffith Law Review Harvard Business Review Harvard Environmental Law Review Harvard Law Review Hastings Law Journal Handelsgesetzbuch herrschende Literaturansicht Hofstra Labor Law Journal Hofstra University School of Law Howard Law Journal Herausgeber International Accounting Standards in der Fassung Institut der Wirtschaftsprüfer im Ergebnis International Labour Organization ILSA Journal of International and Comparative Law Indiana Law Review International Company and Commercial Law Review International Financial Law Review International Lawyer Iowa Law Review im Sinne des/der in Verbindung mit Journal of Applied Corporate Finance Journal of Asset Management Journal of Business Journal of Business Ethics

23

24 J. Bus. & Tech. L. J. Corp. L. J. Fin. J. Fin. Econ. J. Gen. Mgnt. J. L. & Pol. KG KonTraG

Abkürzungsverzeichnis

Journal of Business & Technology Law Journal of Corporation Law Journal of Finance Journal of Financial Economics Journal of General Management Journal of Law & Politics Kammergericht Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kreditwesen Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen krit. kritisch Lab. L. J. Labor Law Journal Lab. Law. Labor Lawyer L. Cont. Prob. Law and Contemporary Problems LG Landgericht Loy. L.A. Int. & Comp. L. Rev. Loyola of Los Angeles International & Comparative Law Review Loy. L.A. L. Rev. Loyola of Los Angeles Law Review M&A Law. M&A Lawyer Mem. St. U. L. Rev. Memphis State University Law Review Mich. L. Rev. Michigan Law Review Mill. Million(en) Mo. L. Rev. Missouri Law Review Mrd. Milliarde(en) m.w. N. mit weiteren Nachweisen Nat. Res. F. National Resources Forum N.C.L. Rev. North Carolina Law Review New Eng. L. Rev. New England Law Review NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR NJW-Rechtsprechungsreport Zivilrecht No. Number Notre Dame L. Notre Dame Lawyer Notre Dame L. Rev. Notre Dame Law Review Nr. Nummer Nw. U. L. Rev. Northwestern University Law Review N. Y. L. Sch. J. Int’l & Comp. L. New York Law School Journal of International and Comparative Law N. Y. L. Sch. L. Rev. New York Law School Law Review N.Y.U. J. Int’l L.& Pol. New York University Journal of International Law and Politics N.Y.U. L. Rev New York University Law Review o.A. ohne Autor Okla. L. Rev. Oklahoma Law Review

Abkürzungsverzeichnis OLG Org. Stud. Or. L. Rev. Pepp. L. Rev. Quart. J. Econ. RegE Rev. Sec. Reg. RGZ RIW R.M.B.C.A. Rn. Rsp. RuG Rut. L. Rev. S. SEA SEC Sec. Sloan Mgnt. Rev. SRI ST Stan. Envtl. L. J. Stan. J. L. Bus. & Fin. Stan. L. Rev. Stetson L. Rev. St. John’s L. Rev. Strat. Org. Sw. L. J. Sydney L. Rev. Syracuse L. Rev. Temp. Int. & Comp. L. J. Tex. B. J. Tex. L. Rev. Theoretical Inq. L. TransPuG

Tul. Envtl. L. J. Tul. L. Rev. u. a. U.C. Davis L. Rev. U. Chi. L. Rev. UCLA L. Rev.

25

Oberlandesgericht Organization Studies Oregon Law Review Pepperdine Law Review Quarterly Journal of Economics Regierungsentwurf Review of Securities Regulation Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Revised Model Business Corporation Act Randnummer Rechtsprechung Recht und Gesellschaft Rutgers Law Review Seite Securities Exchange Act United States Securities and Exchange Commission Section Sloan Management Review Socially Responsible Investment Der Schweizerische Treuhänder Stanford Environmental Law Journal Stanford Journal of Law, Business & Finance Stanford Law Review Stetson Law Review St. John’s Law Review Strategic Organization Southwestern Law Journal Sydney Law Review Syracuse Law Review Temple International and Comparative Law Journal Texas Bar Journal Texas Law Review Theoretical Inquiries in Law Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) Tulane Environmental Law Journal Tulane Law Review unter anderem U.C. Davis Law Review University of Chicago Law Review University of California, Los Angeles Law Review

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Abkürzungsverzeichnis

U. Colo. L. Rev. U. Haw. L. Rev. U. Kan. L. Rev. UMAG

University of Colorado Law Review University of Hawaii Law Review University of Kansas Law Review Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts University of Miami Business Law Review University of Michigan Journal of Law Reform University of Missouri-Kansas City Law Review University of Pennsylvania Law Review University of Toledo Law Review Virginia Law Review Valparaiso University Law Review Vanderbilt Law Review Verfasser vergleiche Villanova Journal of Law and Investment Management

U. Miami Bus. L. Rev. U. Mich. J. L. Ref. UMKC L. Rev. U. Pa. L. Rev. U. Tol. L. Rev. Va. L. Rev. Val. U. L. Rev. Vand. L. Rev. Verf. vgl. Villanova J. of Law & Inv. Mgmt. VO VSWG Vt. L. Rev. VW Wash. & Lee L. Rev. Wash. L. Rev. Wash. U. L. Quart. Wayne L. Rev. Wis. L. Rev. WL WM Wm. & Mary J. Envtl. L. Wpg. WpHG WpÜG Yale J. Reg. Yale L. J. Yale Rev. L. & Soc. Action ZaöRV ZAU ZCG ZdK ZfB

Verordnung Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschafts-Geschichte Vermont Law Review Versicherungswirtschaft Washington and Lee Law Review Washington Law Review Washington University Law Quarterly Wayne Law Review Wisconsin Law Review Westlaw Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschaftsund Bankrecht William & Mary Journal of Environmental Law Die Wirtschaftsprüfung Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Yale Journal on Regulation Yale Law Journal Yale Review of Law and Social Action Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für angewandte Umweltforschung Zeitschrift für Corporate Governance Zentralkomitee der deutschen Katholiken Zeitschrift für Betriebswirtschaft

Abkürzungsverzeichnis zfwu ZGR ZHR ZIP zit. ZRP ZSR zust. zutr. ZVersWiss

27

Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizerisches Recht zustimmend zutreffend Zeitschrift für die gesamte Versicherungswirtschaft

§ 1 Einleitung A. Einführung und Ziel der Arbeit Siemens, Enron, Worldcom, Deutsche Bahn, Gap, BP, Telekom, Wal-Mart, Volkswagen – die Liste der Unternehmen, die im vergangenen Jahrzehnt von Skandalen erschüttert wurden, ist lang. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts erlebten sowohl die deutsche als auch die US-amerikanische Volkswirtschaft mit dem Dotcom-Crash und der Subprime-Krise zudem Verwerfungen von bislang unbekannten Ausmaßen. Skandale und Krisen haben dazu beigetragen, dass das Vertrauen der Bürger in die Integrität der Unternehmen, vor allem in die der Großunternehmen, erheblich gesunken ist. Sie führten außerdem dazu, dass die an der Spitze der Großunternehmen stehenden Manager ihre einstige gesellschaftliche Vorbildrolle weitestgehend verspielten. Diese Entwicklung wäre weniger beunruhigend, wenn sie nicht mit einem erheblichen Vertrauensverlust in das marktwirtschaftliche Wirtschaftssystem insgesamt einhergehen und dessen Legitimität untergraben würde.1 Auslöser der bereits genannten und anderer Unternehmensskandale waren nicht allein Gesetzesverstöße, etwa Bilanzfälschungen oder die Zahlung von Schmiergeldern, sondern auch rechtlich zulässige Verhaltensweisen, die trotz ihrer Legalität von einer breiten Öffentlichkeit als ethisch bedenklich oder sogar verwerflich angesehen wurden und werden. Hierzu zählten unter anderem die Duldung von Kinderarbeit bei Zulieferunternehmen, die Versklavung von Arbeitnehmern, die Vertreibung indigener Bevölkerung in Afrika und Südamerika, Umweltverschmutzung und Raubbau an der Natur sowie Einflussnahmen auf politische Entscheidungsträger.2 Die öffentliche Debatte um die Duldung von Kinderarbeit durch Bayer Crop Science3 machte dabei deutlich, dass 1 Vgl. Golz, Hans-Georg, Editorial, Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 31/2008, der eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach vom Juni 2008 zitiert, nach der nur noch 31% der Befragten „eine gute Meinung“ von der Wirtschaftsordnung in Deutschland haben; Heuser, Jean Uwe/Leicht, Robert, „Es lohnt sich nicht“, Die Zeit vom 13.03.2008, S. 3; Lorz, Stephan, „Das Vertrauen in die Marktwirtschaft ist erschüttert“, Börsenzeitung vom 31.12.2008, S. 25 sowie ders., „Kapitalismus in der Krise“, Börsenzeitung vom 22.10.2008, S. 1, 6. Siehe jetzt auch Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, Bericht der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex an die Bundesregierung, S. 9. 2 Vgl. auch Schreyögg, AG 2009, 758. 3 Im Mittelpunkt der Diskussion standen die Geschäftsbeziehungen der Proagro Seed Company Ltd. zu indischen Saatgut-Zulieferern, die erwiesenermaßen Kinder beschäftigten. Die Proagro Seed Company Ltd. ist eine 100%ige Tochter der Bayer Crop Science Deutschland GmbH, an der die Bayer AG sämtliche Geschäftsanteile hält. Vgl.

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§ 1 Einleitung

unethisches Geschäftsgebaren kein auf die US-amerikanische Wirtschaft beschränktes Phänomen darstellt. Die deutsche Rechtswissenschaft hat Skandale wie diese zum Anlass genommen, Überlegungen zur Bekämpfung und effektiven Verhinderung von Gesetzesverstößen durch Unternehmen bzw. deren Leitungsorgane anzustellen. Das Schlagwort der Corporate Compliance ist heute in aller Munde und erst kürzlich hat der deutsche Gesetzgeber als späte Reaktion auf die US-amerikanischen Bilanzskandale der Jahre 2001/02 die Rolle des Aufsichtsrates als Wächter über die Rechnungslegung gestärkt.4 Demgegenüber hielt sich die Gesellschaftsrechtswissenschaft – zumindest in Deutschland – mit Vorschlägen zur Bekämpfung unethischen, aber nicht gesetzeswidrigen Verhaltens auffällig zurück. Obwohl die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen hierzulande als „Ewigkeitsthema der Gesellschaftsrechtswissenschaft“ 5 angesehen wird, wurden Corporate Governance und Corporate Social Responsibility bislang nicht als untrennbare Einheit, sondern als zwei gänzlich voneinander getrennte Themenbereiche betrachtet.6 Die Gründe dieser Zurückhaltung sind vielfältig. Zum einen dürfte hierbei die Ernüchterung eine Rolle spielen, die nach der jahrzehntelangen Debatte um die Begriffe des Unternehmensinteresses und des „Unternehmens an sich“ eingetreten ist7. Zum anderen verfügt das deutsche Gesellschaftsrecht mit der Arbeitnehmermitbestimmung über ein spezifisches und – nach Ansicht vieler – hinreichendes Instrument zur Integration der neben den Aktionären wichtigsten Bezugsgruppe des Unternehmens in dessen Entscheidungsstrukturen. Gesellschaftliche Unternehmensverantwortung wurde in der gesellschaftsrechtlichen Debatte deshalb lange Zeit als bloße Gesetzestreue und Versorgung der Bürger mit Waren und Dienstleistungen verstanden.8 Die Berücksichtung von Belangen der verschiedenen Stakeholdergruppen9 des Unternehmens wurde nicht als gesellschaftsrechtliches Problem angegangen, sondern den Teilrechtsgebieten (Arausf. m.w. N. die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage von Abgeordneten der Fraktion Die Linke, BT-Drs. 16/1089. 4 Vgl. §§ 100 Abs. 5, 107 Abs. 4 AktG, eingefügt durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)) vom 25.05.2009, BGBl. I 1102 in Umsetzung von Art. 41 der Abschlussprüferrichtlinie vom 17.05.2006, ABl. EU Nr. L 157/87. 5 So Fleischer, ZGR 2007, 500, 508. 6 Vgl. Schwalbach/Schwerk, Corporate Governance und Corporate Citizenship, S. 71. Es ist deshalb bezeichnend, dass die Bedeutung des Gesellschaftsrechts für die Förderung gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung in der Aufsatzreihe „Zukunftsperspektiven der privatrechtlichen Forschung – Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht“ (ZGR 2007, 481 ff.) nur ganz am Rande Erwähnung findet. 7 Vgl. Spindler, Unternehmensinteresse, S. 9 f. 8 So explizit Baums, Börsenzeitung vom 02.12.2008, S. 6. 9 Gemäß Ziff. 4.1.1 des Deutschen Corporate Governance Kodex i. d. F. vom 18.06. 2009 umfasst der Begriff der Stakeholder „Aktionäre, [. . .] Arbeitnehmer und [. . .] sonstige [. . .] dem Unternehmen verbundene [. . .] Gruppen.“

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beitsrecht, Umweltrecht etc.) oder den ausgleichenden Kräften des Marktes überantwortet.10 Das Verständnis gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung als schlichter Gesetzesgehorsam ist jedoch eine stark vereinfachte und zu einseitige, für Juristen aber nur allzu verständliche Sicht der Dinge. Der Verweis auf die Teilrechtsgebiete und die Steuerungskräfte des Marktes erscheint hilflos und zeigt ein geringes Vertrauen in die Chancen einer Steuerung durch Gesellschaftsrecht. Er überschätzt nicht nur die Lenkungsmacht von Märkten in ihrer existierenden Form, sondern offenbart zugleich eine bemerkenswert optimistische Sicht auf die Gestaltungsmacht der nationalstaatlichen Gesetzgeber im Zeitalter einer zunehmenden globalen Wirtschaftsintegration. Erst in der jüngsten Vergangenheit deutet sich insoweit auch in der deutschen Gesellschaftsrechtswissenschaft ein Umdenken an, das vor allem durch das „Desaster der Finanzkrise“ 11 ausgelöst wurde, an deren Ende nach Ansicht mancher nichts mehr so sein wird wie in der „guten alten Zeit“ 12 zuvor. Nachhaltigkeit und Langfristigkeit werden nun zu neuen Schlüsselbegriffen des Aktiengesellschaftsrechts erhoben13, das Mantra des reinen Shareholder Value wird als Irrlehre verdammt14, über die Verankerung einer Gemeinwohlklausel im Aktienrecht ergebnisoffen diskutiert.15 Bislang deutlichstes Resultat dieses Stimmungs10 Sehr deutlich in diese Richtung Siems, Shareholders and Ordoliberalism, S. 1 ff. (vgl. aber die 2008 ergänzte Distanzierung auf S. 17: „I would have written it in a quite different way today, both in style and in substance.“) sowie Hopt, Festschrift Canaris, Band II, S. 105, 116; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 76 Rn. 18; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 12; Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 158. 11 So die Einschätzung von Seibert, DB 2009, 1167, 1169. Anschaulich auch ders., Festschrift Hopt, S. 2525. 12 Vgl. Peltzer, AR 2009, 65. 13 So Noack, Zukunft der Aktie, S. 16; ähnlich auch Habersack, AG 2009, 1, 13. Vgl. aber Fleischer, NZG 2009, 801, 802, der wirtschaftliche Nachhaltigkeit und ökologische Nachhaltigkeit offenbar als Gegensätze ansieht, ohne zu erkennen, dass das Eine ohne das Andere nicht erreichbar ist. 14 Vgl. dazu die Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex vom 09.02.2011, S. 1; Seibert, Festschrift Hopt, S. 2525, 2547; Timm, ZIP 2010, 2125, 2128; Wefers, Angela, „Späte Einsicht“, Börsenzeitung vom 02.06.2009, S. 1; pointiert Luttermann, ZRP 2010, 1, 2. Zum Gegenmodell des Stakeholder Value Müller-Michaelis/Ringel, AG 2011, 101, 106. 15 Vgl. den Bericht der Länderarbeitsgruppe „Managerverantwortlichkeit“, S. 6: „Neben den Unternehmensinteressen sollten die Vorstände die Kapital-, Arbeitnehmer-, die Kunden- und Lieferanteninteressen sowie wichtige Belange des Allgemeinwohls berücksichtigen. Dieser Fünfklang zu berücksichtigender Interesse sollte ausdrücklich gesetzlich eingeführt werden.“ sowie die politischen Vorschläge im Wahlprogramm der SPD für die Bundestagswahl 2009 „Sozial und Demokratisch. Anpacken. Für Deutschland.“ vom 14.06.2009, S. 13: „Verantwortung von Unternehmen gegenüber dem Gemeinwohl. Wir werden im Aktiengesetz festschreiben, dass Unternehmen nicht nur den Aktionären, sondern auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie dem Gemeinwohl verpflichtet sind.“ sowie das Bundestagswahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen, Kapitel 6, S. 6: „Wir wollen das ,Unternehmensinteresse‘ im Aktienrecht konkretisieren. Vorstände und Aufsichtsrat sollen so verpflichtet werden, ihr Handeln nicht

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wechsels sind die Änderungen, die der Deutsche Corporate Governance Kodex bei seiner Novellierung im Juni 2009 erfahren hat. Dort wird nun in der Präambel die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat betont, im Einklang mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft für den Bestand des Unternehmens und seine nachhaltige Wertschöpfung zu sorgen. Ziff. 4.1.1 hebt zudem hervor, dass der Vorstand das Unternehmen im Unternehmensinteresse leitet, „also unter Berücksichtigung der Belange der Aktionäre, seiner Arbeitnehmer und der sonstigen dem Unternehmen verbundenen Gruppen (Stakeholder)“. Die symbolische Bedeutung dieser Ergänzungen kann dabei nicht hoch genug eingeschätzt werden, auch wenn sie lediglich die vom überwiegenden Teil der Lehre ohnehin vertretene Auffassung wiedergeben.16 Ganz scheint es, als würden unter dem Eindruck der anhaltenden krisenhaften Entwicklung viele, jahrzehntelang für unverrückbar gehaltene Grundsätze kritisch überprüft, nachjustiert oder ganz aufgegeben. Für eine Debatte über gesellschaftliche Unternehmensverantwortung sowie wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit erweist sich das Klima daher im Augenblick als denkbar günstig.17 Deshalb möchte die vorliegende Untersuchung dieser Diskussion einen weiteren Mosaikstein hinzufügen und sich eines Themas annehmen, das zumindest in der deutschen Gesellschaftsrechtswissenschaft bislang eher stiefmütterlich behandelt und nur aus der Perspektive der ihm innewohnenden Risiken betrachtet wurde: die Förderung sozial-ökologisch verantwortungsvollen Unternehmensverhaltens durch den Aktionär, oder – um den Titel dieser Arbeit aufzugreifen – Aktionärsrechte und Nachhaltigkeit18. Die vorliegende Untersuchung baut dabei auf der weithin akzeptierten Erkenntnis auf, dass eine Grundvoraussetzung solinur am ,Shareholder Value‘, sondern auch an den Arbeitnehmer- und Gemeinwohlinteressen auszurichten.“. Siehe dazu Kley/v. Rosen (Hrsg.), Konjunkturprogramm für Aktie und Kapitalmarkt, S. 11; Mülbert, AG 2009, 758 ff.; Spindler, Unternehmensinteresse, S. 20; ders., Gemeinwohlorientierte Unternehmensinteressen und Kapitalgesellschaften, S. 71, 99 ff. sowie allgemein Noack, AG 2009, 227, 234 f. und Seibert, Festschrift K. Schmidt, S. 1455 ff. 16 Vgl. auch Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, Bericht der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex an die Bundesregierung, S. 9 sowie insgesamt noch § 11 B. II. 4. a). 17 Vgl. jetzt auch Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, Bericht der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex an die Bundesregierung, S. 9: „Wenn unser Wirtschaftssystem nicht die Verankerung in der Gesellschaft verlieren soll, müssen alle Beteiligten stärker denn je wirtschaftsethische Aspekte, nicht Einzelinteressen, sondern die Interessen des jeweiligen Unternehmens und ihre Auswirkungen auf das Gemeinwohl in ihren Handlungen berücksichtigen.“ 18 Der Begriff der Nachhaltigkeit beschreibt das langfristige Fortbestehen eines Systems unter Berücksichtigung der Bereiche Ökonomie, Soziales/Gesellschaft und Ökologie, vgl. Schwalbach/Schwerk, Corporate Governance und Corporate Citizenship, S. 71, 79 m.w. N. Zur Erreichung von Nachhaltigkeit ist ein Wirtschafts- und Konsumstil erforderlich, der materiellen Wohlstand in Einklang mit der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und der Erreichung sozialer Gerechtigkeit bringt, siehe Hennig-Thurau/ Hansen/Bornemann, ZAU 2001, 198.

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der Unternehmensführung die wirksame Kontrolle der Verwaltung einer Aktiengesellschaft durch ihre Aktionäre darstellt.19 In jüngster Zeit wurden die gesellschaftsrechtlichen Implikationen einer solchen Kontrolle allerdings nur unter dem Blickwinkel des Aktionärsaktivismus von Hedgefonds und sonstiger Finanzinvestoren untersucht.20 Demgegenüber führt das Thema „Aktionärsrechte und Nachhaltigkeit“ – zumindest in der deutschen Gesellschaftsrechtswissenschaft – ein Schattendasein. Der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ist bislang derart unausgeleuchtet, dass sich im Deutschen noch nicht einmal ein kompakter Begriff für das zu beschreibende Phänomen durchgesetzt hat. Mit den noch aus den 1980er Jahren stammenden Charakterisierungen als gemeingefährliche grüne Narretei21, Berufs-Chaotentum22, ideologische Missionierung23, billige politische Propaganda24 oder gar als missbräuchliches Aktionärsverhalten25 dürfte die Begriffsbildung allerdings mit Sicherheit nicht gelungen sein.26 Denn mittlerweile ist nachhaltigkeitsorientiertes Aktionärsengagement ein fester und häufig auch hoch professionalisierter Bestandteil der Hauptversammlungskulturen zahlreicher Länder geworden. Hiervon zeugen insbesondere die von der Finanzinitiative des UN-Umweltprogramms (UNEP Finance Initiative) verfassten „Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren“ (Principles for Responsible In19 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 3 der Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. EU Nr. L 184/17; Ziff. 3.1 des Berichts der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa, abrufbar unter http:// ec.europa.eu/internal_market/company/docs/modern/report_de.pdf; RegE eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), BT-Drs. 13/ 9712, S. 11; Kalss, Anlegerinteressen, S. 351 m.w. N.; Goette, DStR 2009, 51, 55 spricht insoweit von den segensreichen Wirkungen, die die Ausübung der Polizeifunktion des einzelnen Aktionärs haben kann. 20 Siehe dazu Engert, ZIP 2006, 2105; Kumpan, ZHR 170 (2006), 39; Schaefer, NZG 2007, 900; Schiessl, ZIP 2009, 689 ff.; Schmolke, ZGR 2007, 701; Smend, ZCG 2008, 53; Thaeter/Guski, AG 2007, 301; vgl. auch die Monografien von Bednarz, Die Regulierung von Hedge-Fonds; Brass, Hedgefonds als aktive Investoren; Schmies, Die Regulierung von Hedgefonds sowie Stadler, Shareholder-Aktivismus durch Hedge-Fonds. 21 So Zimmerer, Kreditwesen 1983, 644. 22 Vgl. die Aussagen bei Preuß, Joachim, „Das sind Berufs-Chaoten“, Der Spiegel Nr. 36/1981 vom 31.08.1981, S. 94 ff. 23 So Lehmann, Missbrauch des Auskunfts-, Frage- und Rederechts, S. 51, 52. 24 Lehmann, Missbrauch des Auskunfts-, Frage- und Rederechts, S. 51, 52. 25 Vgl. Timm (Hrsg.), Missbräuchliches Aktionärsverhalten. Wenig erhellend auch die Aussage des sächsischen Justizministers Mackenroth, Sitzungsprotokoll der 853. Sitzung des Bundesrates vom 19.12.2008, S. 461 f.: „[. . .] der Missbrauch von Aktionärsrechten durch sogenannte räuberische Aktionäre – [. . .] auch als ,Shareholder-Aktivismus‘ bezeichnet [. . .]“. 26 Diese Bezeichnungen sind letztlich nur ein Spiegelbild der kontinentaleuropäischen Konsenskultur, auf deren Einhaltung lange Zeit auch in Hauptversammlungen Wert gelegt wurde, dazu erhellend Eurosif (Hrsg.), Active Share Ownership in Europe, S. 20.

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vestment), die am 27. April 2006 der Öffentlichkeit vorgestellt wurden.27 Mit ihnen bekräftigen institutionelle Anleger ihre Auffassung, dass soziale und ökologische Aspekte sowie Fragen der Corporate Governance die Wertentwicklung des Investmentportfolios beeinflussen können. Zur Verwirklichung eines wirtschaftlich wie sozial und ökologisch nachhaltigen Wirtschaftens statuieren diese Prinzipien aber keine bloße Pflicht zur Desinvestition, wenn ein Fall sozial-ökologisch unvertretbaren Unternehmensverhaltens aufgetreten ist. Vielmehr bekennen sich die Unterzeichner der Prinzipien zum Gedanken der „active ownership“, der unter anderem durch das Stellen von Aktionärsanträgen zu sozialen und ökologischen Themen, das Abstimmungsverhalten bei Beschlussfassungen und durch eine Einwirkung auf beauftragte Investmentmanager zur Einhaltung der Prinzipien gefördert werden soll.28 Darüber hinaus betonen die Prinzipien die Bedeutung der Offenlegung sozialer und ökologischer Unternehmensdaten und verpflichten die Unterzeichner, ihre Portfoliogesellschaften durch Ausübung von Auskunftsrechten oder Unterstützung entsprechender Aktionärsanträge zur Veröffentlichung derartiger Daten zu drängen.29 Ein Blick auf die Liste der Signatare30 der Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren verrät, dass das Phänomen des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivismus den Makel des Anrüchigen endgültig verloren zu haben scheint. Hierfür spricht auch die Einschätzung der EU-Kommission, die im Grünbuch „Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“ die Bedeutung des shareholder activism als Instrument zur Förderung sozial verantwortlichen Geschäftsgebarens betont.31 27 Die Prinzipien sind abgedruckt in 17 Bus. & Env. 7 (2006) und bei Lee, 25 Int’l Fin. L. Rev. 6 (Oct. 2006 Supplement). Im Internet könnten sie unter http://www.unpri. org/files/pri.pdf abgerufen werden. 28 Principle No. 2: „We will be active owners and incorporate ESG issues into our ownership policies and practices. Possible Actions: Develop and disclose an active ownership policy consistent with the Principles; Exercise voting rights or monitor compliance with voting policy (if outsourced); Develop an engagement capability (either directly or through outsourcing); Participate in the development of policy, regulation, and standard setting (such as promoting and protecting shareholder rights); File shareholder resolutions consistent with long-term ESG considerations; Engage with companies on ESG issues; Participate in collaborative engagement initiatives; Ask investment managers to undertake and report on ESG-related engagement“. 29 Principle No. 3: „We will seek appropriate disclosure on ESG issues by the entities in which we invest. Possible actions: Ask for standardised reporting on ESG issues (using tools such as the Global Reporting Initiative); Ask for ESG issues to be integrated within annual financial reports; Ask for information from companies regarding adoption of/adherence to relevant norms, standards, codes of conduct or international initiatives (such as the UN Global Compact); Support shareholder initiatives and resolutions promoting ESG disclosure“. 30 Vgl. http://www.unpri.org/signatories/. 31 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch „Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“, KOM(2001) 366, Nr. 85: „Eine weitere wichtige Option für Investoren, Unternehmensleitungen zu sozial

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Es ist deshalb an der Zeit, eine wissenschaftliche Untersuchung vorzulegen, die sich mit den Chancen nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsverhaltens auseinandersetzt und seine rechtlichen Grenzen aufzeigt, ohne dabei die bestehenden Risiken außer Acht zu lassen. Dieses Bedürfnis besteht umso mehr, als dass viele Stimmen davon ausgehen, dass nachhaltigkeitsorientiertes Aktionärsengagement in deutschen Aktiengesellschaften nicht möglich ist.32 Die Grundfrage der vorliegenden Untersuchung nach den Ausgleichsmechanismen, die dem Aktionär zur Stärkung und Absicherung der Legitimität von Unternehmenshandeln (licence to operate) und des marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystems insgesamt zur Verfügung stehen, ist allerdings keineswegs neu. Schon Bernhard Großfeld hat sie in seiner 1968 veröffentlichten Monografie über „Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär“ aufgegriffen und in diesem Zusammenhang untersucht, inwieweit die Wettbewerbsordnung durch den Aktionär mit gesellschaftsrechtlichen Mitteln geschützt werden kann.33 Auch Marcus Lutter setzte sich 1973 in seinem Beitrag „Der Aktionär in der Marktwirtschaft“ mit dem ordnungspolitischen Gewicht des Aktionärs auseinander.34 An diese Arbeiten soll mit der hier vorliegenden Untersuchung angeknüpft werden.

verantwortlichem Handeln zu veranlassen, ist der Shareholder Activism. Shareholder Activism wird sich in nächster Zeit weiter ausbreiten im Zuge der wachsenden Bedeutung der Corporate Governance und der Pensionsfonds.“ Aus deutscher Perspektive auch DAI/McKinsey, Investorendialog, S. 41: „Vor allem dürften solche Aktionäre an Bedeutung gewinnen, die bewusst auf Nachhaltigkeit setzen und ihre Engagements gegebenenfalls auch an die Erfüllung bestimmter ethischer Standards knüpfen.“ 32 Vgl. jüngst Riedel/Schneeweiß, Aktives Aktionärstum, S. 19: „Hindernis ist die zum Teil ungünstige Gesetzgebung in der Bundesrepublik. [. . .] Aufgrund juristischer Hindernisse ist es allerdings auf Hauptversammlungen in Deutschland kaum möglich, nicht-finanzielle Fragen zur Sprache zu bringen.“ sowie Umweltbundesamt (Hrsg.), Hintergrundinformation: Ökologische Geldanlagen, S. 4; Hild, Institutionelle Investoren, S. 159, 160; Roth/Fitz, 30 Hast. L. J. 1433, 1447 (1979): „shareholders in a public corporation [. . .] cannot achieve by means of public interest shareholder activities a corporate policy responsive to the public interest, not even if a majority of the stockholders were willing to do so“. 33 Vgl. Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 1 ff.; siehe auch ders., AG 1985, 1, 4 sowie ders./Ebke, AG 1977, 57, 58. 34 Vgl. Lutter, Aktionär, S. 26 ff., insb. S. 29: „Interne, eigenverantwortliche Förderung und Steuerung von Gemeinschaftsbelangen anzuregen, anzustoßen, auf ihr zu beharren ist Aufgabe gerade des kleinen Aktionärs. Denn seine Interessen sind mit den Interessen der Gesellschaft, die im klassischen Sinne Maximierung ihres Ertrages und Ausdehnung ihres Einflusses sucht, nicht so identisch, als dass er nicht auch noch außerhalb dieser Rolle als Teilhaber denken könnte.“ sowie S. 33: „[. . .] ist es Aufgabe des Aktionärs, die Diskussion um die Setzung interner Daten für das allgemeine Verhalten der Gesellschaft in der sozialen Gemeinschaft zu gewährleisten.“; siehe auch ders., „Nur Sachkenner können mitreden“, Die Zeit vom 28.09.1973, S. 41.

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B. Eingrenzung des Forschungsgegenstandes und Gang der Untersuchung Eine wissenschaftliche Arbeit kann sich dem Phänomen des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagements aus mehreren Richtungen nähern. Einerseits ließe sich auf der Ebene der Leitungsorgane der Aktiengesellschaft erörtern, inwiefern das Aktienrecht den Geschäftsleitern die Förderung von Nichtaktionärsinteressen erlaubt. Diese Frage ist seit langem Gegenstand einer in der deutschen und US-amerikanischen Gesellschaftsrechtswissenschaft geführten Debatte, in die zumindest in Deutschland eine gewisse Ernüchterung eingekehrt ist.35 Aus der Perspektive des aktiven Aktionärs stellt sich andererseits die bislang ganz unzureichend36 erörterte Fragestellung, welche Gesellschafterrechte sich für die Förderung einer am Prinzip der Nachhaltigkeit orientierten Geschäftstätigkeit abstrakt eignen und welche konkreten Grenzen einer solchen Rechtsausübung gesetzt sind. Ein dritter Untersuchungsgegenstand ergibt sich schließlich daraus, dass der aktive Aktionär nicht zwingend Privatanleger sein muss. Auch institutionelle Anleger, etwa Investmentfonds oder Versicherungen, können ein Interesse daran haben, dass die Verwaltungen ihrer Portfoliogesellschaften bestimmte soziale oder ökologische Belange berücksichtigen. Insoweit stellt sich die bislang ebenfalls nur in Ansätzen erörterte37 Frage, inwiefern die Pflichtenbindung des institutionellen Anlegers gegenüber seinen „Kunden“ eine Ausübung von Aktionärsrechten zulässt, die gegebenenfalls nur mittelbar, womöglich aber überhaupt nicht zu einer Mehrung des Anlagekapitals führt. Die soeben dargestellte Vielschichtigkeit des Themas und der Zuschnitt der vorliegenden Untersuchung machen eine Eingrenzung des Forschungsgegenstandes unumgänglich. Dabei lässt es die überbordende Fülle des Materials, das sich in den vergangenen Jahrzehnten zur Frage der Pflichtenbindung des Vorstands und zur Berücksichtigungsfähigkeit von Nichtaktionärsinteressen angesammelt hat, ratsam erscheinen, der Debatte keinen weiteren Beitrag hinzuzufügen, sondern dieses Thema lediglich kursorisch im Gesamtzusammenhang zu streifen. Auch das Problem der Pflichtenbindung institutioneller Investoren im Hinblick auf das von ihnen treuhänderisch gehaltene Investitionskapital soll nicht im Zentrum der vorliegenden Darstellung stehen. Die Erörterung dieser Frage macht nämlich nur dann Sinn, wenn zuvor geklärt worden ist, dass und welche Aktio35 Überblicksartig dazu Empt, Corporate Social Responsibility, passim; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 AktG Rz. 21 ff.; Kuhner, ZGR 2004, 244, 252 ff.; Spindler, Unternehmensinteresse, S. 9 f. 36 Aus dem deutschsprachigen Schrifttum zur US-amerikanischen Entwicklung überblicksartig Forstmoser, 92 ZSR 1 ff. (1973). 37 Vgl. dazu UNEP/Freshfields, Legal Framework, S. 63 ff.; zur Diskussion, ob den Aktionär zumindest eine moralische Verantwortung zur nachhaltigkeitsorientierten Ausübung von Aktionärsrechten trifft Bayne, 34 U. Det. L. J. 575, 579 (1957); Klonoski, 5 J. Bus. Eth. 385 (1986); Thorson, 2 J. Corp. L. 115 Fn. 2 (1976) m.w. N.

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närsrechte sich zur Förderung nachhaltigen Unternehmensverhaltens eignen. Das Hauptaugenmerk der Untersuchung soll deshalb ganz auf diejenigen Rechte gerichtet sein, die dem Aktionär in seiner Eigenschaft als Verbandsmitglied zustehen. Dazu soll einleitend die Grundsatzfrage nach der Legitimität nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagements aufgeworfen und beantwortet werden. Hierbei sind die Grenzen der tradierten Mechanismen der Unternehmensaußensteuerung herauszuarbeiten, ihre Defizite bei der Förderung einer am Prinzip der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit orientierten Unternehmenspolitik offen zu legen und ein Erklärungsansatz für nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivismus zu entwickeln. Anschließend werden Entwicklung und Gegenwart des auf die Berücksichtigung sozialer oder ökologischer Belange abzielenden Aktionärsengagements in den Vereinigten Staaten von Amerika dargestellt. Da diese Form des Aktionärsverhaltens in den USA auf eine besonders lange Tradition zurückblickt, bildet dieser Teil einen Schwerpunkt der Arbeit. Im dritten Teil werden sodann die einzelnen, in der Praxis häufig ausgeübten Rechte des Aktionärs einer deutschen Aktiengesellschaft daraufhin untersucht, ob sie sich als Instrumente zur Förderung nachhaltigen Geschäftsgebarens eignen. In diesem Zusammenhang soll auch die Effektivität dieser Rechte einem Vergleich mit ihren USamerikanischen Gegenstücken unterzogen werden. Schließlich soll die vorliegende Untersuchung mit einem rechtspolitischen Ausblick abgerundet werden. Dabei soll einerseits der Frage nachgegangen werden, ob das US-amerikanische Recht auch im Hinblick auf die spezifischen Möglichkeiten zur Thematisierung sozialer bzw. ökologischer Belange eine Vorbildwirkung für das deutsche Aktienrecht entfalten sollte. Anderseits soll ein Regelungsmodell entwickelt werden, das nachhaltigkeitsorientiertes Aktionärsengagement in der hier befürworteten Form zwar nicht überflüssig macht, aber in weiten Teilen substituieren dürfte.

1. Kapitel

Aktionärsaktivismus als Instrument der Unternehmenssteuerung im Spannungsfeld von Markt und Recht Eine Untersuchung, die sich mit dem Thema Aktionärsrechte und Nachhaltigkeit befasst, wäre unvollständig, wenn sie nicht an herausgehobener Stelle die grundlegende Frage nach dem tieferen Sinn der Ausübung von Aktionärsrechten zur Förderung sozial und ökologisch nachhaltigen Unternehmensverhaltens stellen würde. Die Beantwortung dieser Frage erscheint gerade auch deshalb bedeutsam, weil die gesellschaftsrechtliche Fachöffentlichkeit gegenüber dem Agieren sozial oder ökologisch motivierter Aktionäre in den vergangenen Jahrzehnten weitestgehend kritisch eingestellt war, wobei nicht immer deutlich wurde, ob sich die Kritik gegen die äußere Form des Auftretens oder die zur Sprache gebrachten Themen richtete. Im Folgenden soll deshalb zunächst die Frage nach der Legitimität nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagements beantwortet werden und damit der Grundstein für die anschließende Darstellung der gesellschaftsrechtlichen Legalität gelegt werden. Dies macht es erforderlich, zunächst die Mechanismen der Unternehmensaußensteuerung und ihre Defizite offenzulegen (vgl. unten § 2). Im Anschluss daran soll der Versuch unternommen werden, ein Erklärungsmodell für nachhaltigkeitsorientiertes Aktionärsengagement zu entwickeln, das die Defizite in den Mechanismen der Unternehmensaußensteuerung berücksichtigt (vgl. unten § 3).

§ 2 Mechanismen der Unternehmensaußensteuerung und ihre Defizite A. Markt und Staat Unternehmen sind in marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaftssystemen bekanntlich zwei Lenkungsmechanismen unterworfen: Markt und Staat.1 Dabei stellt der Markt einen dezentralen Steuerungsmechanismus dar, der durch das Medium des Wettbewerbs über die Allokation der Produktionsfaktoren, die Einkommensverteilung, die Anpassung von Produktion und Nachfrage sowie über 1

Vgl. Jähnicke, Staatsversagen, S. 47.

§ 2 Mechanismen der Unternehmensaußensteuerung und ihre Defizite

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Wachstum und technischen Fortschritt entscheidet.2 Demgegenüber stellt der Staat eine zentrale Steuerungsinstanz dar. Er setzt einerseits zwingende Regeln, die den Unternehmen ein bestimmtes Verhalten vorschreiben und Verstöße sanktionieren. Andererseits schafft er Verhaltensanreize, indem er bestimmte Formen unternehmerischen Verhaltens – etwa durch Steuern – mit höheren Kosten belegt als andere.3

B. Defizite des marktlichen und des staatlichen Steuerungsmechanismus Im Gegensatz zu Markt und Recht stellt die Ausübung von Aktionärsrechten – mit Ausnahme des Rechts zur Desinvestition – keinen Mechanismus der Unternehmensaußensteuerung, sondern eine Form der Binnensteuerung dar. Als Ergänzung des marktlichen und staatlichen Ordnungsrahmens ist diese Binnensteuerung potentiell gefährlich, da die Möglichkeit einer Verfälschung der tradierten Mechanismen der Unternehmensaußensteuerung besteht. Es muss deshalb zunächst die grundsätzliche Frage beantwortet werden, ob die Existenz eines weiteren Steuerungsmechanismus neben Markt und Recht überhaupt erforderlich und wünschenswert ist.4 Dies macht es erforderlich, die Funktionsdefizite des marktlichen und des staatlichen Steuerungsmechanismus herauszuarbeiten. I. Marktversagen Der Wirkmechanismus des Marktes zielt bekanntlich auf eine effiziente Ressourcenallokation ab. Diese kann allerdings nur in einem Zustand vollständiger Konkurrenz zur Geltung kommen. In diesem Zustand ist kein Akteur mit Marktmacht in dem Sinne ausgestattet, dass er einseitig auf die Preise Einfluss nehmen kann.5 Zudem wird unterstellt, dass sämtliche Akteure vollständig, rechtzeitig und kostenlos informiert sind.6 Schließlich setzt vollständiger Wettbewerb voraus, dass sich die Folgen, die Handlungen eines Akteurs für Dritte haben, in der jeweiligen Kosten-Ertragsrechnung niederschlagen, mithin internalisiert werden.7 In einer realen Marktwirtschaft ist dieser idealtypische Zustand indes unerreich2 Reich, Markt und Recht, S. 125; siehe auch Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 15 f. 3 Vgl. Ribstein, 81 Notre Dame L. Rev. 1431, 1437 (2006); Rubin, 6 Theoretical Inq. L. 347, 348 (2005). 4 Diese Frage wirft auch Lutter, Aktionär, S. 27 f. auf. 5 Samuelson/Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 60; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 107; vgl. zur monopolistischen Preisbildung Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 193 ff., 230 ff. 6 Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 279. 7 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 109.

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1. Kap.: Aktionärsaktivismus als Instrument der Unternehmenssteuerung

bar. Realtypische Märkte weisen vielmehr unterschiedliche Funktionsdefizite auf, die gemeinhin unter dem Oberbegriff des Marktversagens zusammengefasst werden.8 Aus der spezifischen Perspektive der Corporate Responsibility-Bewegung spielen dabei vor allem zwei Formen des Marktversagens eine Rolle: Informationsasymmetrien und externe Effekte. 1. Informationsasymmetrien In der Praxis treffen viele Marktakteure Entscheidungen, ohne auch nur annähernd über vollständige Informationen zu verfügen. Derartige Informationsmängel, die die Funktionsweise des Marktes beeinträchtigen, werden üblicherweise in die Kategorien der Unsicherheit und der Unkenntnis unterteilt.9 Während sich die Kategorie der Unsicherheit auf die zukünftige Entwicklung bezieht, die auch mit größtem Aufwand nicht mit vollkommener Gewissheit prognostiziert werden kann, betrifft die Kategorie der Unkenntnis Fälle, in denen Marktakteure unzureichend informiert sind, dieses Defizit aber durch Informationsbeschaffung beseitigt werden kann. Der unzureichende Informationsgrad kann dabei sowohl auf ein gänzliches Fehlen von Information als auch auf qualitative Mängel der Information zurückzuführen sein.10 Von den unterschiedlichen Fallgruppen11 asymmetrisch verteilter Information soll hier die praktisch besonders wichtige der Qualitätsunkenntnis zu Lasten des Nachfragers herausgegriffen werden. Qualitätsunkenntnis liegt dann vor, wenn der Nachfrager die Qualität eines Gutes vor Vertragsschluss nicht vollständig beurteilen kann. Dies kommt praktisch häufig vor, da der Anbieter im Regelfall besser als der Nachfrager über die Qualität des betreffenden Gutes informiert ist und keinen Anreiz hat, seine Kenntnisse dem Nachfrager zu offenbaren. Die asymmetrische Informationsverteilung wird in diesem Fall durch die Nichtaufdeckung verborgener Informationen („hidden information“) bzw. verborgener Eigenschaften („hidden characteristics“) hervorgerufen, was im Wettbewerbsprozess dazu führen kann, dass nur Güter relativ schlechter Qualität gehandelt werden und der Markt für Güter guter Qualität zusammenbricht („adverse selection“).12 Der Abbau dieser Informationsasymmetrien geschieht in erster Linie durch staatlich angeordnete Offenlegungspflichten. Damit einher geht die Erkenntnis, dass Informationen im Regelfall nicht freiwillig offenbart werden: Informationen sind kein gewöhnliches Produkt, da sie nicht aufgebraucht werden und der Erwerber sie als öffentliches Gut ohne weiteres bekannt geben kann.13 Gleichwohl 8

Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 107. Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 279 f. 10 Vgl. Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 279. 11 Ausf. dazu Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 281 ff. 12 Grundlegend dazu Akerlof, 84 Quart. J. Econ. 488 ff. (1970). 13 Siems, Konvergenz, S. 156. 9

§ 2 Mechanismen der Unternehmensaußensteuerung und ihre Defizite

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existiert eine Reihe marktlicher Lösungsmöglichkeiten, die zum Abbau bestehender Informationsasymmetrien beitragen.14 So kann etwa die benachteiligte Marktseite versuchen, selbst oder unter Einschaltung spezialisierter Dritter Informationen über die jeweilige Marktgegenseite einzuholen (sog. Screening). Um zu verhindern, dass eine für beide Marktseiten nutzensteigernde Transaktion aufgrund der asymmetrisch verteilten Informationen unterbleibt, kann die besser informierte Marktseite zudem Informationen bereitstellen, um auf diese Weise Reputation aufzubauen (sog. Signaling). Vor allem dem Instrument des Screening kommt im Zusammenhang mit der theoretischen Fundierung des nachhaltigkeitsbezogenen Aktionärsengagements große Bedeutung zu. Darauf wird an anderer Stelle noch einzugehen sein. 2. Externe Effekte Markttransaktionen beruhen im Idealfall auf freiwilligen Tauschgeschäften. Verursachen die Handlungen eines Wirtschaftssubjekts hingegen Kosten, die sich in seiner privaten Kalkulation nicht niederschlagen, weil sie von anderen Parteien getragen werden müssen, so spricht man von negativen externen Effekten (externen Kosten).15 Charakteristikum negativer externer Effekte ist somit die Marktferne der entstandenen Kosten.16 Besonders deutlich lässt sich die Existenz externer Kosten bei der Umweltverschmutzung infolge industrieller Produktion vor Augen führen: Unternehmen können in diesem Fall die Ressourcen Wasser und Luft nutzen, ohne andere potentielle Nutzer für den dadurch hervorgerufenen Verlust von Nutzungsmöglichkeiten kompensieren zu müssen.17 So wird etwa durch die Einleitung von Schadstoffen in Flüsse den flussabwärts gelegenen Anrainern die Möglichkeit genommen, aus dem Fluss Trinkwasser zu gewinnen oder ihn als Badestelle zu verwenden, ohne dass ihnen für diesen Verlust ein Anspruch auf Ausgleich zustehen würde. Die abgeschnittenen alternativen Nutzungsmöglichkeiten stellen Kosten dar, die in der privaten Kostenrechnung des emittierenden Unternehmens keinen Ausdruck gefunden haben. Dadurch entsteht ein falscher Preis für dessen Produkte, der die wirklichen Knappheitsverhältnisse der Ressourcen nicht zutreffend widerspiegelt, was eine Subventionierung der Unternehmensproduktion durch die Allgemeinheit zur Folge hat. Gleichwohl ist von Coase eingewandt worden, dass allein das Bestehen negativer externer Effekte nicht zu einer ineffizienten Ressourcenallokation führen muss.18 Vielmehr 14 Zum Folgenden Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 297 ff. 15 Vgl. Easterbrook/Fischel, Corporate Law, S. 39; Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 88 f.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 109. Siehe auch Kapp, Soziale Kosten der Marktwirtschaft, passim. 16 Samuelson/Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 60. 17 Vgl. dazu Empt, Corporate Social Responsibility, S. 177. 18 Vgl. Coase, 3 J. L.&Econ. 1 ff. (1960).

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1. Kap.: Aktionärsaktivismus als Instrument der Unternehmenssteuerung

sei eine Internalisierung der Kosten im Wege privater Verhandlungen möglich (Coase-Theorem), was zur Folge hätte, dass kein Fall von Marktversagen vorliegen würde. Voraussetzung dafür sei lediglich die Existenz eines Systems durchsetzbarer Eigentumsrechte und das Fehlen von Transaktionskosten. Es hat sich in der neueren wirtschaftswissenschaftlichen Forschung allerdings herausgestellt, dass die Annahmen von Coase zu optimistisch waren und nur unter äußerst restriktiven Bedingungen gelten.19 Private Verhandlungen erzeugen nur dann eine effiziente Lösung, wenn alle Verhandlungsteilnehmer vollständig informiert sind. Eine Einigung auf eine effiziente Lösung kann nur dann mit Sicherheit erwartet werden, wenn der die externen Kosten verursachende Akteur um den Nutzungsverzicht des anderen Akteurs weiß und der Nutzen des Kostenverursachers umgekehrt auch den anderen Akteuren bekannt ist. Bei den relevanten Informationen handelt es sich ihrer Natur nach aber um private Informationen, die a priori im Besitz des einzelnen Akteurs sind und an die der Verhandlungsgegner nur gelangen kann, wenn das Gegenüber seine Präferenzen wahrheitsgemäß offenbart. Dazu besteht aber häufig keine Veranlassung, weil dieser Informationsvorsprung strategisch genutzt werden kann.20 II. Staatsversagen Funktionsdefizite lassen sich aber nicht nur im Hinblick auf den marktlichen, sondern auch im Hinblick auf den staatlichen Steuerungsmechanismus nachweisen. Die traditionelle volkswirtschaftliche Sichtweise auf staatliche Regulierungsmaßnahmen ist normativ: Staatliche Interventionen in Marktprozesse finden ihre Rechtfertigung darin, dass Ressourcen aufgrund eines Marktversagens oder aufgrund politischer Krisen falsch alloziert werden (normative Theorie der Regulierung, public interest/market failure theory).21 Der Staat ist nach diesem Modell bestrebt, die ineffizienten Marktpraktiken im Interesse der Öffentlichkeit zu beseitigen. Dabei steht er als neutraler und unabhängiger Schiedsrichter zwischen den Interessen der Produzenten und der Konsumenten.22 Die Praxis staatlicher Regulierung wird von diesem Modell indes nur teilweise zutreffend wiedergegeben. Modellabweichungen sind eher die Regel als die Ausnahme. Um diese Modellabweichungen erklärbar zu machen, wurde in der Politik- und Wirtschaftswissenschaft die Kategorie des Staatsversagens entwickelt, 19 Samuelson/Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 418; Weimann, Wirtschaftspolitik, S. 385; ausf. zur Kritik des Coase-Theorems Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 104 ff. 20 Weimann, Wirtschaftspolitik, S. 385. 21 Ausf. Posner, 5 Bell J. Econ. Mngt. Sc. 335, 336 (1974); vgl. auch Samuelson/ Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 385; Stillhart, Theorie der Finanzintermediation, S. 125. 22 Stillhart, Theorie der Finanzintermediation, S. 125 f.

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das in den drei Formen des politischen, ökonomischen und funktionellen Staatsversagens auftreten kann.23 Unter den Begriff des politisches Staatsversagens (Politikversagen) werden dabei Fälle gefasst, in denen der Staat trotz eines erkannten Interventionserfordernisses auf nachträgliche politische Gestaltung oder vorsorgliche Intervention verzichtet oder – im umgekehrten Fall – eine Intervention vornimmt, obwohl kein Fall von Marktversagen und auch kein sonstiges öffentliches Interesse vorliegt. Derartige Interventionsverzichte oder überschießende Regulierungen lassen sich unter anderem auf den Einfluss von Interessengruppen im Normsetzungsprozess zurückführen (unten 1.). Ein ökonomisches Staatsversagen liegt demgegenüber bei Ineffizienzen der Staatstätigkeit bei der Produktion öffentlicher Güter vor. Davon abzugrenzen ist der Fall des funktionellen Staatsversagens, bei dem das öffentliche Gut im Hinblick auf den erhofften Nutzen strukturelle Unzulänglichkeiten aufweist (Ineffektivität der Staatstätigkeit). In diesem Zusammenhang sind vor allem der reaktive Charakter des Rechts (unten 2.) und der Verlust staatlicher Gestaltungsmacht im Zeitalter der Globalisierung (unten 3.) erwähnenswert. 1. Die Rolle von Interessengruppen im Prozess staatlicher Regelsetzung In demokratischen Staatswesen stellen wirtschaftliche Interessengruppen ein unverzichtbares Element dar. Arbeitgeberverbände, Branchenvereinigungen, Gewerkschaften und Verbraucherschutzorganisationen können den Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben entlasten und durch die Bereitstellung von Informationen zu einer höheren Qualität staatlicher Entscheidungen beitragen.24 Zugleich darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Mitwirkung der Interessengruppen im Prozess staatlicher Regelsetzung nicht vollkommen uneigennützig geschieht, sondern darauf abzielt, Politiker und Bürokraten zu Entscheidungen zugunsten des betroffenen Verbandes bzw. seiner Mitglieder zu bewegen.25 Die Stärke des Einflusses der einzelnen Interessengruppen auf die Regulierung fällt dabei höchst unterschiedlich aus. Ihre Organisations- und Durchsetzungsmacht ist umso größer, je homogener die Präferenzen innerhalb der fraglichen Gruppe sind. Denn je ähnlicher die Vorstellungen der Betroffenen sind, umso geringer ist das Ausmaß an Kompromissen, die für die Festlegung der Gruppenziele eingegangen werden müssen.26 In doppelter Hinsicht entscheidend ist auch die Anzahl 23 Vgl. Jähnicke, Staatsversagen, S. 55; abweichend Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 420 f., die zwischen den Unterfällen des Politikversagens und des Bürokratieversagens unterscheiden. 24 Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 414. 25 Vgl. Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 410; Siems, Konvergenz, S. 307 ff. m.w. N. 26 Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 411.

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der Gruppenmitglieder: Zum einen wächst der zur Herstellung eines Gruppenkonsenses erforderliche Kommunikationsaufwand, je größer die Zahl der Gruppenmitglieder ist. Zum anderen lässt sich bei kleineren Interessengruppen das Problem des Trittbrettfahrens (free riding) eher überwinden.27 Angesichts dieser Ausgangslage stellt Regulierung deshalb eher einen politischen Prozess dar, in dem sich diejenigen Interessengruppen durchsetzen, welche sich zu den geringsten Kosten organisieren lassen (capture theory/private interest theory).28 Die größte Durchsetzungsmacht besitzt dabei nicht die große, heterogene Gruppe der Konsumenten, sondern die gut organisierte, homogene Minderheit der Produzenten (Unternehmer).29 Zur Durchsetzung von Gruppeninteressen bedienen sich organisierte Verbände mehrerer Instrumente, die sich in außerparlamentarische Aktivitäten, Mitarbeit in Parteien, Parlamenten sowie der öffentlichen Verwaltung und finanzielle Zuwendungen an Parteien und Politiker unterteilen lassen.30 Die außerparlamentarischen Aktivitäten von Interessenverbänden bestehen zu einem wesentlichen Teil in der Bereitstellung von Informationen für Politiker und Bürokratie, die für diese nicht selbst, nicht schnell genug oder nur zu hohen Kosten beschaffbar sind. Dabei wird in Kauf genommen, dass die zur Verfügung gestellten Informationen selektiv ausgewählt und in einer Weise aufbereitet worden sind, die den Zielen der jeweiligen Interessengruppe dient. Zugleich wenden sich Interessenverbände auch an die Öffentlichkeit, um die öffentliche Meinung für die Belange der Gruppe einzunehmen. Die Einflussnahme geschieht darüber hinaus auch über Parteien, Parlamente und die öffentliche Verwaltung. Insbesondere wirken Vertreter organisierter Verbände direkt in der Ministerialbürokratie mit.31 Schließ27 Dieses stellt ein grundsätzliches Dilemma bei der Organisation gemeinsamer Interessen dar: Da von einer erfolgreichen Beeinflussung des Regulierungsprozesses auch diejenigen Interessenten profitieren, die keinen eigenen Beitrag für die Kosten der Bildung und Aufrechterhaltung der Interessenvertretung leisten müssen, besteht grundsätzlich ein Anreiz zur Nichtbeteiligung an den Kosten. Dieser Kostenvermeidungsanreiz verringert sich aber mit abnehmender Gruppengröße, da in kleineren Gruppen die Sichtbarkeit des individuellen Verhaltens relativ hoch ist und ein vergleichsweise enger Zusammenhang zwischen den Leistungen der Gruppe und dem eigenen Beitrag besteht, vgl. ausf. Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 411. 28 Grundlegend Olson, The Logic of Collective Action, S. 132 ff.; vgl. auch Ribstein, 81 Notre Dame L. Rev. 1431, 1437 (2006); Samuelson/Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 386. 29 Vgl. Becker, 98 Quart. J. Econ. 371 (1983); Stillhart, Theorie der Finanzintermediation, S. 127; Tollison, 74 Va. L. Rev. 339 (1988). 30 Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 412 ff. 31 Vgl. zur Situation in den USA Reich, Superkapitalismus, S. 174 ff.; Harrington, The Challenge to Power, S. 16 ff.; zur Situation in der Bundesrepublik Deutschland Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP, BT-Drs. 16/ 3395; Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke, BT-Drs. 16/5406; Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke, BT-Drs. 16/14133; Kreimeier, Nils, „Beamte klagen über Lobbyismus“, Fi-

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lich können Interessengruppen versuchen, Parteien und Politiker durch finanzielle Zuwendungen ihren Interessen gewogen zu stimmen.32 2. Der reaktive Charakter staatlicher Regulierung Marktineffizienzen können aber auch deshalb auftreten, weil der Staat ihnen mangels Sachkenntnis im Vorfeld nicht durch Regulierung entgegentreten konnte („knowledge problem“). Auch wenn diese Kenntnisse verfügbar sein sollten, verzögert sich die staatliche Regelsetzung – zumal in demokratisch verfassten Gemeinwesen – regelmäßig aufgrund interner Abstimmungsprozesse („time-lag problem“).33 3. Verlust staatlicher Gestaltungsmacht im Zeitalter der Globalisierung Besonders deutlich wird die Ineffektivität nationalstaatlicher Regulierung schließlich im Lichte der fortschreitenden Verzahnung nationaler Gesellschaftsund Wirtschaftsräume, die vor allem auf die Liberalisierung des Welthandels mit Gütern, Dienstleistungen und Produktionsfaktoren sowie Innovationen in der Transport-, Informations- und Kommunikationstechnik zurückzuführen ist.34 Die dadurch entstandene Mobilität und Flexibilität ermöglicht es den Unternehmen, sich nationalstaatlichen Regulierungssystemen zu entziehen. Insbesondere Großunternehmen agieren global, was zur Folge hat, dass sie sich nur sehr reduziert speziellen nationalstaatlichen Gesetzen oder Auflagen unterwerfen müssen.35 Für immobile Akteure wie den Staat geht diese Entwicklung mit einer tendenziellen Schwächung ihrer Position einher („Erosion interner Souveränität“ 36). Diese Machtverschiebung zugunsten transnational agierender Unternehmen ist es, die mit den Begriffen des „Power Shift“ 37 oder der „Verlagerung der Metanancial Times Deutschland vom 12.10.2009, S. 10; Papier, Hans-Jürgen, „Lobbyismus ist eine latente Gefahr für den Rechtsstaat“, Börsenzeitung vom 02.03.2010, S. 6. 32 Vgl. o.A., „Parteispenden sind eine lohnende Investition“, Börsenzeitung vom 21.03.2008, S. 6. 33 Vgl. Elhauge, 80 N.Y.U. L. Rev. 733, 769 (2005); Hess, 25 J. Corp. L. 41, 58 (1999); Lutter, Aktionär, S. 28; Stone, Where the Law Ends, S. 94, der in diesem Zusammenhang auf die Gefährlichkeit der von Gegnern der CSR-Bewegung vertretenen Ansicht hinweist, dass jegliches Unternehmensverhalten erlaubt sei, das nicht ausdrücklich von Gesetzes wegen verboten ist. 34 Vgl. dazu ausf. Lindenmayer, Nichtregierungsorganisationen, S. 91 ff.; Beck, Macht und Gegenmacht, S. 95 ff.; Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten“, BT-Drs. 14/6910, S. 40 ff. 35 Lindenmayer, Nichtregierungsorganisationen, S. 100. 36 Messner, Global Governance, S. 61, 64. 37 So Messner, Global Governance, S. 61, 69; Lindenmayer, Nichtregierungsorganisationen, S. 96.

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1. Kap.: Aktionärsaktivismus als Instrument der Unternehmenssteuerung

Macht“ 38 umschrieben wird. Das „Erpressungspotential ökonomischer Herrschaft“ 39 beruht dabei auf der durch die Globalisierung vermittelten Möglichkeit des Exits aus dem nationalstaatlichen Raum: „Das Zwangsmittel ist nicht der drohende Einmarsch, sondern der drohende Nicht-Einmarsch der Investoren oder ihr drohender Ausmarsch.“ 40 In der Praxis löst dieses Machtgefälle zwischen Unternehmen und Nationalstaaten einen Prozess kompetitiver Deregulierung41 aus: Nationalstaaten stehen im Wettbewerb um Investitionen von Unternehmen, den sie durch entsprechende Anpassungen ihrer rechtlichen Rahmenbedingungen an die Präferenzen der Investoren für sich entscheiden wollen. Das hieraus folgende Governance-Vakuum42, in dem die Unternehmen größten Gestaltungsspielraum besitzen, wird noch dadurch verschärft, dass es bislang nicht gelungen ist, international akzeptierte verbindliche Verhaltensstandards zu Aspekten des Umweltschutzes, der Menschenrechte43 und der Mindestarbeitsbedingungen44 zu schaffen. III. Dominanz kurzfristiger Unternehmenspolitik Erwähnenswert erscheint schließlich noch ein weiterer Aspekt, der die Art und Weise der Innensteuerung börsennotierter Aktiengesellschaften betrifft und der zwischen den Kategorien des Markt- und des Staatsversagens zu verorten ist. Gemeint ist die nicht selten anzutreffende Fokussierung der Unternehmensleitung auf den kurzfristigen Erfolg der Gesellschaft, die einer nachhaltigen Unternehmenspolitik nicht selten entgegensteht („short-termism“).45 Die Ursachen für 38

So Beck, Macht und Gegenmacht, S. 96. Beck, Macht und Gegenmacht, S. 97. 40 Vgl. Beck, Macht und Gegenmacht, S. 97; Spindler, AG 1998, 53, 54. 41 Bendell, 24 Green. Mgt. Int. 1 (1998); Vandenbergh, 54 UCLA L. Rev. 913, 919 f. (2007); Winston, 16 Eth. & Int. Aff. 71, 73 (2002); Wolter, AuR 2008, 325, 326. 42 Lindenmayer, Nichtregierungsorganisationen, S. 100; Spindler, AG 1998, 53, 54; Weilert, ZaöRV 69 (2009), 883; Winston, 16 Eth. & Int. Aff. 71, 73 (2002); optimistischer Papier, WM 2009, 1869, 1872. 43 Vgl. zur Diskussion um den verpflichtenden Charakter der Menschenrechte auch gegenüber transnationalen Unternehmen Deva, 10 ILSA J.Int’l. & Comp. L. 493 (2004); Redmond, 37 Int’l. Law. 69 (2003); Stephens, 20 Berkeley J. Int’l L. 45 (2002) sowie Human Rights Council, Promotion and Protection of all Human Rights, S. 1 ff. 44 Adressaten der Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation sind Nationalstaaten, nicht aber die transnationalen Unternehmen. Ihre Umsetzung ist in Schwellen- und Entwicklungsländern häufig dürftig, vgl. Winston, 16 Eth. & Int. Aff. 71, 72 (2002); Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten“, BT-Drs. 14/6910, S. 64 ff. 45 Blumberg, 50 B. U. L. Rev 157, 161 (1970); Forstmoser, Festschrift Simon, S. 207, 214 f.; Hess, Public Pensions and the Promise of Shareholder Activism, S. 7 f.; Millon, 70 Geo. Wash. L. Rev. 890 (2002); Mitchell, Board, S. 279, 281; Piety, 51 J. Bus. Eth. 103 ff. (2004); Rogers, 30 Comp. Lab. L. & Pol. J. 95, 97 m.w. N. (Fall 2008); Böge, Ulf, Börsenzeitung vom 13.03.2007, S. 1, 6; Schneider, Uwe H., „Treueprämien für 39

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diesen Zustand sind vielfältiger Natur46 und können hier nur in Ansätzen umrissen werden: Zweifelsohne ist die Dominanz dieser Spielart der Unternehmensführung auf das massenhafte Auftreten kurzfristig orientierter institutioneller Anleger zurückzuführen, zu denen unter anderem Private Equity Fonds, Hedgefonds und viele Investmentfonds zu rechnen sind.47 Da im deutschen wie im US-amerikanischen Recht für die Ausübung des Aktionärsstimmrechts keine Mindesthaltedauer vorgesehen ist und Aktionären mit langfristigem Investitionshorizont anders als in Frankreich48 kein Mehrstimmrecht zuerkannt wird, besitzen kurzfristige Anleger das gleiche Stimmgewicht pro Aktie wie am nachhaltigen Unternehmenserfolg interessierte, langfristig beteiligte Aktionäre. Bereits die potentielle Möglichkeit, dieses Stimmrecht zuungunsten der amtierenden Verwaltung auszuüben – sei es durch Verweigerung der Vorstandsentlastung und einer dadurch eröffneten Abberufungsmöglichkeit (§ 84 Abs. 3 Satz 1, 2 AktG), sei es durch eine Neubesetzung des Aufsichtsrates – genügt diesen Investoren häufig, um hinreichenden Einfluss auf die Geschäftspolitik zu gewinnen.49 Als weitere Gründe für die Dominanz der kurzfristigen Perspektive lassen sich die seit den 1990er Jahren explosionsartige Zunahme variabler, insbesondere am Börsenkurs

langfristig investierte Aktionäre“, Börsenzeitung vom 19.09.2008, S. 8. Auch ein Bericht des einflussreichen Conference Board sieht das Phänomen des „short-termism“ als ernsthaftes Problem an, vgl. Tonello, Revisiting Short-Termism, S. 1 ff. Siehe jetzt auch die Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex vom 09.02.2011, S. 1: „einseitige Betonung des Shareholder Values mit Blick lediglich auf kurzfristige Gewinne und Kurssteigerungen“. Skeptisch hingegen Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2118. 46 Vgl. dazu insb. Hess, Public Pensions and the Promise of Shareholder Activism, S. 7 f.; Millon, 70 Geo. Wash. L. Rev. 890 (2002) sowie Europäische Kommission, Grünbuch Europäischer Corporate Governance-Rahmen, KOM(2011) 164/3, S. 13 ff. 47 So Schmolke, ZGR 2007, 701, 712; Wolter, AuR 2008, 325, 326 m.w. N.; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 1 Rn. 9, 13 (S. 2 f.); Forstmoser, Festschrift Wiegand, S. 785, 802, der das kurzfristige Denken vieler professioneller Vermögensverwalter darauf zurückführt, dass ihre Performance in kurzen Abständen gemessen wird; Schneider, Uwe H., „Treueprämien für langfristig investierte Aktionäre“, Börsenzeitung vom 19.09.2008, S. 8; Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1083 (2007); im Grundsatz auch Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2117 f. 48 Zu dieser „Nachhaltigkeitsprämie“ Storck/Schneider, AG 2008, 700 ff. In Deutschland wurde im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 ein vergleichbarer Vorschlag von der SPD gemacht, vgl. Wahlprogramm der SPD für die Bundestagswahl 2009 „Sozial und Demokratisch. Anpacken. Für Deutschland.“ vom 14.06.2009, S. 13: „Stimmrecht für Aktionäre nach Haltefrist. Die Einflussnahme auf Unternehmen sollte nicht im kurzfristigen Profitinteresse erfolgen. Das volle Stimmrecht für Aktionäre auf Hauptversammlungen sollte daher an eine Mindesthaltedauer der Aktien von einem Jahr geknüpft werden.“ 49 Vgl. zur präventiv-verhaltenssteuernden Wirkung von Aktionärsrechten § 11 B. IV. 7. sowie v. Heusinger, Robert, „Rettet den Kapitalismus“, Die Zeit vom 28.10.2004, der den Grundsatz „one share, one vote“ als „Hauptfehler im System“ qualifiziert. Zur präventiv-verhaltenssteuernden Wirkung von Aktionärsrechten schon Kalss, Anlegerinteressen, S. 352 m.w. N.

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1. Kap.: Aktionärsaktivismus als Instrument der Unternehmenssteuerung

orientierter Vergütungsbestandteile des Vorstands50, das Erfordernis der Quartalsberichterstattung51 sowie das Aufbrechen der Deutschland AG52 nennen, die zur Schaffung eines (angesichts § 33 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WpÜG allerdings deutlich eingeschränkten53) Marktes für Unternehmenskontrolle gesorgt hat. Der Kern des Problems der kurzfristigen Ausrichtung der Geschäftspolitik liegt in der Divergenz des (hier generalisiert verstandenen) Aktionärsinteresses mit den Interessen der übrigen Bezugsgruppen des Unternehmens: Während die Interessen bei einer am Maßstab der Nachhaltigkeit orientierten Unternehmensführung nahezu deckungsgleich sind, weichen sie hier beträchtlich von einander ab.54 Die praktischen Folgen der einseitigen Betonung des Kurzfristgedankens sind hinreichend bekannt: Verwendung liquider Mittel für Aktienrückkäufe zu Lasten von Forschung und Entwicklung, Verkennung langfristiger Trends, etwa

50 Vgl. Fraktionsentwurfwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), BT-Drs. 16/12278, S. 1, 5. Nach einer Studie der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V. zur Vorstandsvergütung 2008 gewähren 80% der im DAX notierten Unternehmen Vergütungsbestandteile, die in irgendeiner Form vom Aktienkurs der Gesellschaft abhängig sind, vgl. Börsenzeitung vom 20.11.2008, S. B 7. Siehe auch Peltzer, Martin, „Schuld und Sühne – Zur Haftung der Bankvorstände“, Börsenzeitung vom 31.01.2009, S. 8, der betont, dass eine zu sehr auf variable Bestandteilen setzende Vergütungsstruktur „vor allem die Spieler und Geldgierigen anzieht“. Besonders krit. auch v. Werder, ZIP 2009, 500, 503: „vordergründig geradezu genial erscheinende Idee [. . .] in der Realität allerdings doch ernsthafte Schwachstellen [. . .], die ernsthafte Zweifel an [. . .] Funktionsfähigkeit begründen.“ 51 Vgl. § 66 Abs. 1 Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse sowie Frank/ Bozicevic, AG 2006, R474: „Todesspirale der Quartalssteuerung“. Zur Thematik der „regulatorischen Verzerrung“ zugunsten kurzfristigen Denkens vgl. auch Europäische Kommission, Grünbuch Europäischer Corporate Governance-Rahmen, KOM(2011) 164/ 3, S. 14. 52 Dazu noch § 10 G. I. 53 Hierzu zuletzt Hopt, Festschrift v. Rosen, S. 537, 544: „Verhinderungsverbot ist [. . .] praktisch ausgehebelt.“ 54 Dhir, 43 Am. Bus. L. J. 365, 372 f. m.w. N. (2006); Forstmoser, Festschrift Simon, S. 207, 215; ders., Liber Amicorum Rolf Watter, S. 197, 200 f.: „Social und environmental responsibility und langfristiger finanzieller Erfolg basieren auf der gleichen Grundlage: auf einer nachhaltigen Strategie und ihrer Umsetzung.“; Schwalbach/ Schwerk, Corporate Governance und Corporate Citizenship, S. 71, 83; v. Werder/Wieczorek, DB 2007, 297: „[. . .] kann der nachhaltige Wert eines Unternehmens nach dem Ausmaß seiner Fähigkeit bemessen werden, die Interessen seiner unterschiedlichen Bezugsgruppen ausreichend zu berücksichtigen und so deren Akzeptanz zu erhalten.“; Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 11.03.2009, „Neues Recht für Vorstandsgehälter“: „Wesentliche Ursache des erheblichen Anstiegs der Gehälter war die extreme Ausweitung variabler, an die Gewinn- bzw. Börsenkursentwicklung der Unternehmen gekoppelter Vergütungsbestandteile für das Top-Management. Das bildet einen Anreiz, das Tagesgeschäft eher an kurzfristig ausgerichteten Interessen von Anteilseignern an der Steigerung des Börsenwertes („shareholder value“) auszurichten. Das Interesse der Belegschaften an einer nachhaltigen Sicherung von Arbeitsplätzen und Standorten gerät dadurch in den Hintergrund.“

§ 3 Aktionärsaktivismus als (eine) Antwort auf Markt- und Staatsversagen

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des Themas Energieeffizienz in der Automobilindustrie, und Personaleinsparungen trotz Rekordgewinnen.55

§ 3 Aktionärsaktivismus als (eine) Antwort auf Markt- und Staatsversagen Zur Behebung der genannten Funktionsdefizite der Steuerungsmechanismen Markt und Staat wurden in der Vergangenheit ganz unterschiedliche Lösungsansätze entwickelt. Die vorliegende Untersuchung will sich aber ganz bewusst auf die Frage konzentrieren, welchen Beitrag die Aktionäre leisten und inwiefern Aktionärsrechte als Ausgleichsmechanismus dienstbar gemacht werden können. Dies setzt zunächst als Vorüberlegung voraus, die im vorangegangenen Abschnitt entwickelten abstrakten Kategorien des Markt- und Staatsversagens auf den konkreten Fall anzuwenden. Hierzu sollen Informationsasymmetrien aufgedeckt werden, die im Hinblick auf die sozial-ökologischen Folgewirkungen der Unternehmenstätigkeit bestehen. Ob aufgrund der noch darzustellenden ungleichen Verteilung von Informationen auf Anbieter- und Nachfragerseite von einem Versagen des marktlichen Steuerungsmechanismus gesprochen werden kann, hängt wesentlich von zwei Faktoren ab: Erstens müssen auf der Nachfrageseite Marktakteure existieren, die ihre kapital- bzw. produktmarktlichen Entscheidungen an nachhaltigkeitsbezogenen Unternehmensinformationen ausrichten (unten A.). Und zweitens muss das gesetzliche und marktliche Informationsniveau hinter einer etwaigen Nachfrage zurückbleiben (unten B.). Daran anschließend ist zu klären, weshalb die Ausübung von Aktionärsrechten überhaupt als Ausgleichsmechanismus in Frage kommt und einer Marktsteuerung durch Desinvestition kein genereller Vorzug gegeben werden kann (unten C.). Schließlich sollen aktienrechtliche Ansatzpunkte für eine effektive, d. h. am Ziel der Behebung der marktlichen und staatlichen Steuerungsdefizite orientierte Ausübung von Aktionärsrechten herausgearbeitet werden und die wichtige Rolle von Nichtregierungsorganisation als aktive Aktionäre verdeutlicht werden (unten D.).

A. Nachfrager nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformationen Die Existenz von Marktakteuren, die ihr Anlage- und Konsumverhalten am Leitbild der Nachhaltigkeit ausrichten und deshalb an Informationen zu den sozial-ökologischen Folgewirkungen unternehmerischen Verhaltens interessiert 55 Vgl. zu diesen Fallbeispielen Forstmoser, Festschrift Simon, S. 207 f., 215 sowie Wolter, AuR 2008, 325, 326. Zur sozialen Arbitrage auf den Kapitalmärkten auch Gerke, 6 (1) zfwu 22, 27 f. (2005).

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1. Kap.: Aktionärsaktivismus als Instrument der Unternehmenssteuerung

sind, lässt sich sowohl auf den Kapital- als auch auf den Produktmärkten nachweisen.56 I. Nachfrager auf den Kapitalmärkten Auf den Kapitalmärkten spricht das Phänomen des „ethisch-ökologischen Investments“ 57 bzw. „Socially Responsible Investing“ (SRI)58 für das Vorhandensein dieser Marktakteure. Trotz der vorhandenen Begriffsunschärfe59 lassen sich darunter alle Formen der Kapitalanlage fassen, bei denen neben den herkömmlichen Anlagekriterien Rendite, Sicherheit und Liquidität das Kriterium der Nachhaltigkeit, das heißt insbesondere die sozialen und ökologischen Aspekte der Geschäftstätigkeit, Berücksichtigung finden.60 Die Anlagestrategien reichen dabei von der Anwendung von Positiv- oder Ausschlusskriterien (positive/negative screening) über den Best-in-Class-Ansatz, bei denen die Anlage bei den Unternehmen mit der besten Nachhaltigkeitsperformance einer Branche erfolgt, bis hin zu einer Beeinflussung der Unternehmensleitung durch Dialog und Ausübung von Aktionärsrechten (Engagement-Ansatz, shareholder advocacy, shareholder activism).61 Die Verbreitung nachhaltiger Kapitalanlagen und damit die Existenz entsprechender Informationsnachfrager ist auf dem US-amerikanischen Kapitalmarkt besonders augenfällig. Nach einem erheblichen Wachstum in den 1990er Jahren62 betrug das Anlagevolumen in diesem Segment im Jahre 2007 2,71 Billionen US-Dollar, was einem Anteil am Gesamtvolumen von etwa 10% ent56 Zum market for social responsibility Hummels/Timmer, 52 J. Bus. Eth, 73 (2004); Lee, 31 Del. J. Corp. L. 533, 573 ff. (2006); Ribstein, Partnership Social Responsibility, S. 3. 57 Auch „nachhaltiges Investment“, „ethisch-ökologische“ oder „nachhaltige Kapitalanlage“, vgl. Lindenmayer, Nichtregierungsorganisationen, S. 142. 58 Auch „Ethical Investment“ oder „Mission Based Investment“, vgl. Newberg, 29 Vt. L. Rev. 253, 288 (2005). Lindenmayer, Nichtregierungsorganisationen, S. 142 Fn. 762 weist zutreffend darauf hin, dass der Begriff üblicherweise weiter verstanden wird, als es die Übersetzung ins Deutsche nahe legt, und darunter alle Kapitalanlagen mit Nachhaltigkeitsprofil verstanden werden. 59 Dazu Sethi, 56 J. Bus. Eth. 99, 101 (2005). 60 Vgl. Newberg, 29 Vt. L. Rev. 253, 288 (2005) m.w. N. 61 Vgl. zu den SRI-Anlagestrategien Hamm, Maßnahmen zur Stärkung von SRI, S. 22 ff.; Haigh/Hazelton, 52 J. Bus. Eth. 59, 60 f. (2004); Kirchhoff, Investor Relations, S. 109, 109 f.; Larson, Screening Investments of Stakeholders, S. 4 ff. sowie den Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten“, BT-Drs. 14/6910, S. 35. 62 Eurosif (Hrsg.), European SRI Study 2008, S. 52. 1995 waren 639 Milliarden USDollar unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten investiert, 1997 bereits 1.185 Billionen US-Dollar, vgl. dazu und zur Geschichte des Socially Responsible Investing in den USA Larson, Screening Investments of Stakeholders, S. 6 ff. sowie Schueth, 43 J. Bus. Eth. 189 (2003).

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spricht.63 Auch der europäische Markt für nachhaltige Kapitalanlagen hat in den vergangenen Jahren ein rasantes Wachstum erlebt. Betrug das Gesamtvolumen dieses Kapitalmarktsegments im Jahr 2002 nur 336 Milliarden Euro, so waren 2005 bereits 1,03 Billionen Euro, zum Jahresende 2007 2,665 Billionen Euro und 2009 auf ca. 5 Billionen Euro nachhaltig investiert.64 Entgegen dem USamerikanischen und europäischen Trend führen nachhaltige Kapitalanlagen in Deutschland allerdings noch immer ein Nischendasein.65 Ende 2007 waren lediglich 11,1 Milliarden Euro unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten angelegt, was bei einem Gesamtanlagevermögen der deutschen Investmentgesellschaften von 1,6 Billionen Euro nur einen Marktanteil von etwa 0,7% ausmachte.66 Der im Vergleich zum Gesamtmarkt verschwindend geringe Anteil sozialverantwortlich investierten Kapitals darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um einen Wachstumsmarkt handelt, dem auch für die Zukunft ein erhebliches Entwicklungspotential zugeschrieben wird.67 Das in Publikumsfonds und Spezialfonds investierte Vermögen wuchs durch Neuinvestitionen seit Ende 2002 bis 2006 um 45%. Dabei konnten allein Publikumsfonds mit sozialverantwortlicher Anlagepolitik eine Steigerungsrate von 85% aufweisen, während sich der Gesamtmarkt für Publikumsfonds im gleichen Zeitraum lediglich um 42% entwickelte.68 Dieser Wachstumstrend hielt auch noch während der Finanzkrise in den Jahren 2007/08 an, allerdings ging die Anzahl neuer nachhaltiger Anlagepro-

63 Lindenmayer, Nichtregierungsorganisationen, S. 141; Harrington, The Challenge to Power, S. 90 ff.; Newberg, 29 Vt. L. Rev. 253, 288 (2005). 64 Eurosif (Hrsg.), European SRI Study 2008, S. 10; o.A., „Finanzkrise fördert nachhaltiges Anlegen“, Börsenzeitung vom 16.04.2011, S. 1; vgl. speziell zum Wachstum in Großbritannien Hamm, Maßnahmen zur Stärkung von SRI, S. 12 ff. sowie McCann/ A. Solomon/J. Solomon, 28 J. Gen. Mgnt. 15 (4/2003). 65 So auch o.A., „Starkes Wachstum bei nachhaltigen Geldanlagen“, Börsenzeitung vom 14.12.2007, S. 18: trotz hoher Zuwachsraten von über 45% innerhalb von 12 Monaten nur 0,3% des Gesamtfondsmarktes; Braun, Carolyn, „Nachhaltige Investments beruhigen Kopf und Herz“, Börsenzeitung vom 01.06.2007, S. 2 sowie Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten“, BT-Drs. 14/6910, S. 35. 66 Eurosif (Hrsg.), European SRI Study 2008, S. 31. 67 Vgl. Borremans, Eric, „Investoren zeigen immer mehr Interesse an SRI“, Börsenzeitung vom 15.11.2008, S. B17; Böhmert, Karin, „Unternehmen einmal anders betrachten“, Börsenzeitung vom 09.01.2007, S. 2; o.A., „Anleger investieren nach Klimaverträglichkeit“, Börsenzeitung vom 27.10.2007, S. 3: Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) geht davon aus, dass in den kommenden Jahren etwa 20% der Fondsanleger „explizite Nachhaltigkeitsmandate“ für die anzulegenden Gelder erteilen werden; Weber, Volker, „Nachhaltige Fonds in der Anlegergunst ganz oben“, Börsenzeitung vom 10.11.2007, S. B7; Bozicevic, AG 2006, R 140 ff.; Hamm, Maßnahmen zur Stärkung von SRI, S. 27; Stremlau, Ethisches Investment in Deutschland, S. 37; Bergius, Susanne, „Markt für Nachhaltigkeitsfonds wächst“, Handelsblatt vom 03.03. 2006, S. B12. 68 Eurosif (Hrsg.), European SRI Study 2006, S. 24.

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1. Kap.: Aktionärsaktivismus als Instrument der Unternehmenssteuerung

dukte drastisch zurück.69 Zudem belegen empirische Studien das große Interesse, das Privatanleger an nachhaltigen Geldanlagen haben. Eine von Emnid Ende 2000 im Auftrag des Bundesumweltministeriums durchgeführte Untersuchung ergab, dass sich über 80 % der befragten Privatpersonen dafür aussprachen, das in die private Altersvorsorge investierte Kapital in ökologisch besonders rücksichtsvollen Unternehmen anzulegen.70 Nach einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierten Befragung fanden 44 % der Teilnehmer sozialökologische Anlagen sehr oder eher attraktiv.71 Andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen.72 II. Nachfrager auf den Produktmärkten Spiegelbildlich zur Entwicklung auf den Kapitalmärkten werden von den privaten Haushalten auf den Produktmärkten zunehmend Kaufentscheidungen unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten getroffen.73 Nachhaltiger Konsum (sustainable consumption) hat vor allem seit der Jahrtausendwende einen erheblichen Wachstumsschub erhalten, und es wird erwartet, dass sich diese Entwicklung auch in Zukunft fortsetzt.74 Von Seiten der Politik wird diese Entwicklung ausdrücklich begrüßt: Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften sowie die Bundesregierung betonen, dass den Verbrauchern bei der Förderung und Ver69 Vgl. Kullrich, Antje, „Öko-Fonds werden zurechtgestutzt“, Börsenzeitung vom 10.03.2009, S. 2; o.A., „Nachhaltige Investments gewinnen an Boden“, Börsenzeitung vom 02.02.2010, S. 2: Anlagevolumen in nachhaltige Publikumsfonds im Jahr 2009 um 43 % auf ca. 30 Mrd. Euro gestiegen, 2008 um 38 % zurückgegangen; vgl. aber auch o.A., „Finanzkrise fördert nachhaltiges Anlegen“, Börsenzeitung vom 16.04.2011, S. 1. 70 Ecologic (Hrsg.), Ökologische Aspekte der privaten Altersvorsorge: Auswertung der Ergebnisse einer repräsentativen Meinungsumfrage von EMNID im Auftrag des Bundesumweltministeriums, 2001, S. 15. 71 Stremlau, Ethisches Investment in Deutschland – eine empirische Marktanalyse, in: von Rosen (Hrsg.), Ethisch orientierte Aktienanlage – Nische oder Wachstumsmarkt?, 2002, S. 29. 72 Vgl. etwa die Ergebnisse der Befragung des Finanzdienstleisters Delta Lloyd, wonach 60 % der Anleger eine ökologische und ethische Anlageform bevorzugen würden, zit. bei Hammer, Thomas, „Bloß nicht sauber werden“, Die Zeit Nr. 43/2003 sowie die Ergebnisse einer Umfrage der DZ Bank aus dem Jahr 2009, nach der im Januar 2009 47 % der befragten Privatanleger ein Interesse an ökologischen Anlageformen besaßen, vgl. o.A., „Öko-Investments rücken in den Anlegerfokus“, Börsenzeitung vom 08.12. 2009, S. 17. 73 Ausf. Stehr, Die Moralisierung der Märkte, passim sowie S. 260 ff., 275 ff.; Schoenheit/Wirthgen/Scharnhorst, imug Arbeitspapier 16/2006, S. 33, 46 (Studie zur Kaufrelevanz von sozial-ökologischen Unternehmensdaten); Spangenberg/Lorek, Aus Politik und Zeitgeschichte B24/2001, S. 23 ff.; Brewer, 152 Sales & Marketing Management 76, 76 (2000); Degallaix/Klemola, 18 Consumer Policy Review 69 (May/June 2008); Lorge, 151 Sales & Marketing Management 74 (1999); Newberg, 29 Vt. L. Rev. 253, 289 f. (2005); Salzman, 27 Envtl. L. 1243 (1997). 74 Vgl. etwa Looß/Bozicevic, AG 2007, R 142; Stehr, Die Moralisierung der Märkte, S. 279.

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breitung des Gedankens der sozial-ökologischen Unternehmensverantwortung eine wichtige Rolle zukommt.75 „Je mehr der Verbraucher gesellschaftlich verantwortliches Verhalten von Unternehmen erkennen und durch seine Kaufentscheidung belohnen kann, desto leichter wird es gelingen, das CSR-Engagement der Unternehmen zu mobilisieren.“ 76 Das Europäische Parlament hob in seinem im Dezember 2006 veröffentlichten Bericht über die soziale Verantwortung von Unternehmen hervor, dass „Verbraucher eine wichtige Rolle spielen, wenn es um neue Anreize für verantwortungsvolle Produktion und verantwortungsvolles Geschäftsgebaren geht“ und ist der Auffassung, dass Verbraucher und Kunden „die Gelegenheit erhalten müssen, Produkte/Lieferanten [. . .] danach auszusuchen oder abzulehnen, inwieweit sie als ökologisch und sozial verantwortlich gelten können“.77

B. Gesetzliche Publizitätspflichten hinsichtlich sozial-ökologischer Aspekte der Unternehmenstätigkeit I. USA Das US-amerikanische Recht trägt nur wenig zur Beseitigung bzw. Abmilderung der Informationsasymmetrien bei, die in Bezug auf soziale und ökologische Belange der Geschäftstätigkeit von Unternehmen bestehen. Anders als etwas im französischen Recht78 existiert für börsennotierte Aktiengesellschaften keine Verpflichtung zur jährlichen Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts. Auch im Übrigen finden sich nur punktuell Regelungen, die eine Veröffentlichung bestimmter sozial-ökologischer Unternehmensinformationen vorschreiben.79 Dieser Zustand erklärt auch, weshalb seit annähernd 40 Jahren von Nichtregierungsorga75 Mitteilung der Kommission „Umsetzung der Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung: Europa soll auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung der Unternehmen führend werden“, KOM(2006) 136, S. 6. 76 Stellungnahme der Bundesregierung zur Mitteilung der Kommission „Umsetzung der Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung: Europa soll auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung der Unternehmen führend werden“, S. 3. 77 Vgl. Bericht über die soziale Verantwortung von Unternehmen: eine neue Partnerschaft, 20.12.2006, A6-0471/2006, Punkte A 32 und A 36. 78 Dort bestimmt der im Jahr 2001 eingeführte Art. L. 225-102-1 des Code de Commerce für den Geschäftsbericht: „Il comprend également des informations, dont la liste est fixée par décret en Conseil d’Etat, sur la manière dont la société prend en compte les conséquences sociales et environnementales de son activité. Le présent alinéa ne s’applique pas aux sociétés dont les titres ne sont pas admis aux négociations sur un marché réglementé.“ Eine detaillierte Konkretisierung erfährt die Veröffentlichungspflicht durch das Dekret n ë 2002-221 vom 20.02.2002, das bei Umweltbundesamt, Lagebericht, S. 9 f. abgedruckt ist. Vgl. zur Nachhaltigkeitsberichterstattungspflicht des französischen Bilanzrechts Dhooge, 21 Ariz. J. Int’l & Comp. L. 441 (2004) sowie Egan/Mauleon/Wolff/Bendick, France’s Nouvelles Regulations Economiques, S. 6 ff. 79 Vgl. Case, 76 U. Colo. L. Rev. 379, 438 (2005): „piecemeal attitude“.

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nisationen und aus der Wissenschaft die Forderung nach einer umfassenden Nachhaltigkeitsberichterstattungspflicht erhoben wird.80 Die genannten punktuellen Regelungen zur Offenlegung sozialer und ökologischer Auswirkungen der Geschäftstätigkeit sind allesamt in der von der SEC erlassenen Regulation S-K enthalten. Sie enthält allgemeine Anweisungen für die Gestaltung von Unterlagen, die nach dem Securities Act 1933 und dem Securities Exchange Act 1934 einzureichen sind. 1. Item 101 Item 101 der Regulation S-K verpflichtet börsennotierte Aktiengesellschaften zur Beschreibung ihrer gegenwärtigen Geschäftstätigkeit sowie zur Darstellung der allgemeinen Geschäftsentwicklung. Offenzulegen sind neben dem erzielten Ertrag oder Verlust, der Bilanzsumme jedes Geschäftszweigs, der getätigten und beabsichtigten Geschäfte der Gesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften auch die Zahl der Arbeitnehmer sowie die Länder, in denen die Gesellschaft Geschäfte betreibt. Außerdem erstreckt sich die Publizitätspflicht auf alle wesentlichen Auswirkungen der Einhaltung umweltrechtlicher Vorschriften auf Investitionen, Ertrag und die Wettbewerbsposition der Gesellschaft und ihrer Töchter.81 Dazu gehören auch die Kosten, die dem Unternehmen durch Umweltschutzmaßnahmen bis zum Ablauf des gegenwärtigen und im folgenden Geschäftsjahr noch entstehen werden. Die bei der Handhabung dieser Norm in der Praxis gemachten Erfahrungen sind ernüchternd. Dort hat der Umstand sich ständig ändernder umweltschutzrechtlicher Rahmenbedingungen dazu geführt, dass die publizitätspflichtigen Gesellschaften in ihren Berichten typischerweise „Worst-Case-Szenarien“ entwickeln und dabei standardisierte Klauseln benutzen.82 Die von Item 101 angeordnete Ökopublizität trägt deshalb wenig zur Erhöhung des Investorenvertrauens und zum Abbau von Informationsasymmetrien bei.83

80 Vgl. aus dem umfangreichen Schrifttum nur Engle, 57 Syracuse L. Rev. 63, 96 (2006); Feller, 22 B. C. Envtl. Aff. L. Rev. 225 (1994); Miller, 13 New Eng. L. Rev. 523 (1978); Rodríguez/LeMaster, 46 Bus. & Soc. 370 (2007); Schwartz, 1 Bus. & Soc. Rev. 63, 67 f. (1972); Spradlin, 2 U. Haw. L. Rev. 557, 587 f. (1980/81); Stevelman Kahn, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1107 (1997); Stevenson, 62 Cornell L. Rev. 50, 92 (1976); Thorson, 2 J. Corp. L. 115, 142 ff. (1976); Tschopp, 12 CSR & Env. Mgnt. 55 (2005); Vogel, Lobbying, S. 129 ff., jeweils m.w. N. 81 § 229.101(c)(1)(xii). Diese Verpflichtung wurde von der Rechtsprechung auf die Offenlegung der Folgen einer Nichtbeachtung umweltrechtlicher Vorschriften ausgedehnt, vgl. Levine v. NL Industries Inc., 926 F.2d 199, 203 (2d Cir. 1991). 82 Vgl. Monsma/Olson, 26 Stan. Envtl. L. J. 137, 149 (2007). 83 Glass Geltman, 16 Harv. Envtl. L. Rev. 129, 151 (1992); Soehle, 8 Tul. Envtl. L. J. 527, 534 (1995); Wallace, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1093, 1107 (1993).

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2. Item 103 Börsennotierte Gesellschaften werden außerdem durch Item 103 zu einer kurzen Beschreibung aller wesentlichen unerledigten Rechtsstreitigkeiten („any material pending legal proceedings“) verpflichtet, an denen die Gesellschaft selbst oder ihre Tochtergesellschaften beteiligt sind, soweit es sich nicht nur um alltägliche Rechtsstreitigkeiten („other than ordinary routine litigation incidental to the business“) handelt. Nach Auffassung der SEC setzt der Begriff der Rechtsstreitigkeit keine Klageerhebung voraus, vielmehr genügt es bereits, dass die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes oder die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens in Aussicht steht.84 Ein unerledigter Rechtsstreit ist nach Instruction No. 5 zu Item 103 nur dann als wesentlich anzusehen, wenn er wesentlichen (!) Einfluss auf die geschäftliche oder finanzielle Situation der Gesellschaft hat, die zu erwartende Strafzahlung oder Schadensersatzverpflichtung 10 % des Betriebsvermögens der Gesellschaft und ihrer Töchter übersteigt oder eine staatliche Stelle Partei des Rechtsstreits ist und eine Geldstrafe von mindestens 100.000 $ zu erwarten ist. Aufgrund dieser hohen Anforderungen wird das Informationsniveau durch Item 103 nur in zu vernachlässigender Weise angehoben. 3. Item 303 Die am weitesten reichende und wegen ihrer Unbestimmtheit heftig umstrittene85 Publizitätspflicht ist schließlich in Item 303 verankert, der das Management börsennotierter Gesellschaften zur Erstellung und Veröffentlichung eines Berichts zur finanziellen Lage der Gesellschaft anhält („Managment’s Discussion and Analysis of Financial Conditions and Results of Operation (MD&A)“). Die Vorschrift verlangt nicht nur eine Diskussion und Analyse der gegenwärtigen Finanzlage der Gesellschaft sowie die Darstellung eingetretener Veränderungen. Sie verpflichtet auch zur Offenlegung von Informationen über mögliche zukünftige Entwicklungen, wenn absehbare Tendenzen oder Unsicherheiten tatsächlich oder mit einiger Wahrscheinlichkeit Einfluss auf die Liquidität, die finanziellen Reserven oder die Einnahmen der Gesellschaft haben werden.86 Um dieser Anforderung gerecht zu werden, muss der Bericht Einblicke in die wesentlichen Chancen, Herausforderungen und Risiken gewähren, denen die Gesellschaft gegenübersteht und die Maßnahmen darstellen, die sich mit diesen Chancen, He-

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Monsma/Olson, 26 Stan. Envtl. L. J. 137, 149 (2007). Ausf. dazu Monsma/Olson, 26 Stan. Envtl. L. J. 137, 150 (2007). 86 Vgl. CalPERS, California Public Employees’ Retirement System u. a., Petition for Interpretative Guidance on Climate Risk Disclosure, 2007, abrufbar unter http://www. sec.gov/rules/petitions/2007/petn4-547.pdf, S. 17 f. m.w. N. 85

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rausforderungen und Risiken befassen.87 Im Gegensatz zu Item 101 und Item 103 trifft Item 303 keine spezifischen Aussagen zur Veröffentlichung sozialer und ökologischer Aspekte der Geschäftstätigkeit.88 Es ist dennoch unumstritten, dass Item 303 auch eine Pflicht zur Offenlegung derartiger Informationen auslösen kann89 und der Norm somit – jedenfalls theoretisch – große Bedeutung insbesondere bei der Darstellung von Risiken des Klimawandels zukommt.90 4. Defizite der praktischen Normanwendung Obwohl Item 101, 103 und 303 zur Offenlegung bestimmter sozialer und umweltbezogener Aspekte der Geschäftstätigkeit verpflichten, ist das tatsächliche Informationsniveau häufig gering. Ursache dafür sind neben den unbestimmten Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Vorschriften in erster Linie Umgehungsstrategien der Unternehmen.91 Das Government Accountability Office (GAO) kam in einer 2004 veröffentlichten Studie zu dem Ergebnis, dass speziell die Umweltberichterstattung börsennotierter Gesellschaften eine große qualitative und quantitative Spannbreite aufweist und teilweise völlig unzureichend ist.92 Daran haben auch die strikten Haftungsfolgen für Verstöße gegen Berichterstattungspflichten, die mit dem Sarbanes-Oxley Act93 eingeführt wurden, nichts ändern können.94 Zur Beseitigung dieses unbefriedigenden Zustands empfahl das GAO einerseits eine Modifikation der bestehenden umweltorientierten Berichtsanforderungen, verbesserte Erläuterungen, eine effektivere Durchsetzung der bestehenden Publizitätspflichten sowie eine bessere Überwachung durch die SEC, die mit einer verstärkten Zusammenarbeit mit der Environmental Protection Agency (EPA) einhergehen sollte. Andererseits wurde die Bedeutung nichtregulativer Ansätze betont: Investoren müsse es möglich sein, durch Ausübung ihrer Aktionärsrechte auf eine verstärkte Umweltberichterstattung hinzuwirken.95

87 SEC, Commission Guidance Regarding Managment’s Discussion and Analysis of Financial Conditions and Results of Operations, Securities Act Release No. 8350, Exchange Act Release No. 48,960, 68 Fed. Reg. 75,056 (Dec. 29, 2003). 88 Soehle, 8 Tul. Envtl. L. J. 527, 536 (1995). 89 Monsma/Olson, 26 Stan. Envtl. L. J. 137, 151 (2007); Williams/Conley, 38 Cornell Int’l L. J. 493, 524 (2005). 90 Vgl. ausf. CalPERS, Petition, S. 17 ff. 91 Hesse, Das Klima wandelt sich, S. 53 f.; CalPERS, Petition, S. 45 ff. m.w. N. 92 GAO, Environmental Disclosure, S. 3 ff.; so schon Feller, 22 B. C. Envtl. Aff. L. Rev. 225, 264 (1994), der es deshalb nicht für überraschend hält, dass nachhaltigkeitsorientierte Investoren die offengelegten Daten kaum nutzen würden. 93 Sarbanes-Oxley Act of 2002, Pub. L. No. 107-204, 116 Stat. 745 (2002). 94 Ausf. zu diesem Aspekt Monsma/Olson, 26 Stan. Envtl. L. J. 137, 152 ff. (2007). 95 Vgl. GAO, Environmental Disclosure, S. 5.

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5. Schwankende Haltung der SEC zur Berichterstattung über die Risiken des Klimawandels Die Empfehlungen der GAO zogen zunächst keinerlei Reformmaßnahmen seitens der SEC nach sich. In Reaktion auf die Untätigkeit der SEC richteten über 20 öffentliche Pensionsfonds, Nachhaltigkeitsfonds und Nichtregierungsorganisationen im September 2007 eine Petition an die SEC, in der sie sich für eine deutliche Positionierung der Behörde zur Berichterstattung zu Risiken des Klimawandels aussprachen.96 Die Behörde lehnte dieses Gesuch jedoch zunächst ab.97 Erst seit den durch die Wahl Obamas zum US-Präsidenten ausgelösten Machtverschiebungen innerhalb der SEC steht die Behörde diesen Forderungen aufgeschlossener gegenüber, so dass im Februar 2010 – nach einer knappen Entscheidung von 3:2 Stimmen98 – Leitlinien über die Berichterstattung zu Klimarisiken in Kraft treten konnten.99 Diese verlangen von börsennotierten Gesellschaften die Offenlegung physischer Klimarisiken, von Risiken, die von Vorschriften zum Klimaschutz ausgehen, von Risiken aus dem internationalen Recht bzw. Völkerrecht und von Risiken durch mittelbare Auswirkungen von Klimaschutzvorschriften und Klimaschutztrends. Für eine Bewertung der neuen Berichterstattungsleitlinien ist es gegenwärtig noch zu früh. Insoweit wird abzuwarten sein, wie diese von der Praxis aufgenommen werden. II. Deutschland Seit dem Inkrafttreten des Bilanzrechtsreformgesetzes100 im Dezember 2004 sind auch in Deutschland vorsichtige Ansätze einer Sozial- und Ökopublizität zu erkennen (unten 1.). Außerdem hat das kürzlich in Kraft getretene Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)101 eine Verpflichtung zur Offenlegung von solchen Unternehmensführungspraktiken mit sich gebracht, die über das gesetzlich geforderte Maß hinausgehen (unten 2.).

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CalPERS, Petition, S. 51 ff. Vgl. Civinz/Mendoza, 71 Tex. B. J. 368, 371 (2008). 98 Vgl. Spieth, Wolf, „US-Unternehmen müssen Klimarisiken offenlegen“, Börsenzeitung vom 09.03.2010, S. 11. 99 SEC, Commission Guidance Regarding Disclosure Related to Climate Change, SEC Release No. 33-9106 und 34-61469. 100 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherstellung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG)) vom 04.12.2004, BGBl. I 3166. 101 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)) vom 25.05.2009, BGBl. I 1102. 97

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1. Sozial- und Ökopublizität im Lagebericht § 289 Abs. 3 HGB102 verpflichtet große Kapitalgesellschaften i. S. d. § 267 Abs. 3 HGB zur Analyse und Darstellung nichtfinanzieller Leistungsindikatoren im Lagebericht, soweit diese für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage der Gesellschaft von Bedeutung sind. Eine identische Anordnung trifft § 315 Abs. 1 Satz 4 HGB103 für den Konzernlagebericht, der allerdings nicht an das Bestehen einer großen Kapitalgesellschaft anknüpft. Beide Vorschriften setzen die Vorgaben der sog. Modernisierungsrichtlinie 2003/51/EG um.104 a) Darstellung nichtfinanzieller Leistungsindikatoren Der zentrale Begriff der „nichtfinanziellen Leistungsindikatoren“ wird allerdings weder von der Richtlinie noch im Gesetz selbst näher erläutert. Gleichwohl nennen §§ 289 Abs. 3, 315 Abs. 1 Satz 4 HGB beispielhaft „Informationen über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange“, wobei diese Aufzählung nach dem Willen des Gesetzgebers105 nicht abschließend und auch nicht schwerpunktbildend sein soll. Neben den ausdrücklich erwähnten Umwelt- und Arbeitnehmerbelangen zählen zu den nichtfinanziellen Leistungsindikatoren auch die Entwicklung des Kundenstamms, das Humankapital, der Bereich Forschung und Entwicklung sowie die gesellschaftliche Reputation der Gesellschaft, die etwa durch Sponsoring oder karitative Zuwendungen gefördert wurde.106 Damit ist der Begriff der nichtfinanziellen Leistungsindikatoren denkbar weit gefasst: Er betrifft alle Belange, Umstände und Faktoren nichtfinanzieller Art, die für das Verständnis von Geschäftsverlauf, Geschäftsergebnis oder Lage der Gesellschaft wesentlich sind oder die voraussichtliche Unternehmensentwicklung wesentlich beeinflussen kön102 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 9 c) des Gesetzes zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherstellung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG)) vom 04.12.2004, BGBl. I 3166. Die Berichterstattungspflicht bestand erstmals für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2004 begannen, vgl. Art. 58 Abs. 3 Satz 1 EGHGB. 103 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 19 a) des Gesetzes zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherstellung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG)) vom 04.12.2004, BGBl. I 3166. 104 Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.06. 2003 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/ 674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen vom 18.06.2003, ABl. Nr. L 178/16. 105 Vgl. RegE des Gesetzes zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherstellung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG)), BR-Drs. 326/04, S. 64. 106 RegE des Gesetzes zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherstellung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG)), BR-Drs. 326/04, S. 64.

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nen.107 Zu den in §§ 289 Abs. 3, 315 Abs. 1 Satz 4 HGB genannten Arbeitnehmerbelangen werden in der Literatur etwa die Altersstruktur der Arbeitnehmer, der Krankenstand, die Produktivität pro Mitarbeiter und die Fluktuation gezählt. Außerdem können Angaben zur betrieblichen Aus- und Weiterbildung, zur Gesundheitsfürsorge oder zum Unfallschutz angebracht sein.108 Zur Konkretisierung der offenlegungspflichtigen Umweltbelange wird auf die (nicht bindende) Empfehlung der EU-Kommission zur Berücksichtigung von Umweltaspekten in Jahresabschluss und Lagebericht von Unternehmen109 Bezug genommen. In Anlehnung daran soll sich die Offenlegungspflicht auf bedeutsame Umweltschutzaspekte und die entsprechenden Reaktionen der Geschäftsführung, die allgemeine Umweltstrategie der Gesellschaft und die beschlossenen Umweltschutzprogramme, die auf wesentlichen Gebieten des Umweltschutzes erzielten Fortschritte, die Einhaltung der Umweltschutzvorschriften, umweltbezogene Unternehmensdaten wie Energie-, Material- und Wasserverbrauch, Emissionen und Abfallentsorgung erstrecken.110 b) Ursachen des geringen Informationsniveaus Die vorangegangene Aufzählung zeigt, dass die für den Lagebericht vorgesehene Berichtspflicht zu sozialen und ökologischen Aspekten der Geschäftstätigkeit im deutschen Recht wesentlich weiter reicht als die vergleichbaren Regelungen des US-amerikanischen Rechts. Gleichwohl bleibt sie hinter dem Informationsbedürfnis der Nachfrager sozial-ökologischer Unternehmensinformationen zurück.111 Dabei können drei Ursachen dieses Defizits identifiziert werden. aa) Überblickscharakter der Lageberichterstattung Zu berücksichtigen ist zum einen, dass sich die Darstellung der nichtfinanziellen Leistungsindikatoren im Lagebericht auf das Wesentliche zu konzentrieren 107

Ellrott, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 289 Rn. 101. Lange, in: MünchKomm. HGB, § 289 Rn. 78. 109 Empfehlung 2001/453/EG der Kommission vom 30.05.2001 zur Berücksichtigung von Umweltaspekten in Jahresabschluss und Lagebericht von Unternehmen, ABl. EU Nr. L 156, S. 33. 110 Vgl. Ellrott, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 289 Rn. 103; Lange, in: MünchKomm. HGB, § 289 Rn. 79. 111 Vgl. Looß/Bozicevic, AG 2007, R 142; Bergius, Susanne, „Zu wenig Unternehmen berichten über Nachhaltigkeit“, Handelsblatt vom 22.11.2007, die auf die „rudimentäre“ Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in den Lageberichten hinweist und zugleich betont, dass die Praxis zeige, „dass Investoren deutlich mehr wissen wollen, weil Lageberichte Risiken und das Management derselben nicht adäquat abbilden.“ sowie dies., „Nachhaltigkeit gehört jetzt in die Bilanz“, Handelsblatt vom 11.01.2005, wo ein Referent des Instituts der Wirtschaftsprüfer mit dem Satz zitiert wird, „[d]as HGB bringe wenig Nachhaltigkeit in die Finanzberichterstattung.“ 108

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hat.112 Das Institut der Wirtschaftsprüfer betont in einem Rechnungslegungshinweis zur Darstellung nichtfinanzieller Leistungsindikatoren in der Lageberichterstattung, dass die Darstellung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft nicht durch zu viele nichtfinanzielle Indikatoren beeinträchtigt werden dürfe.113 Diese Konzentration auf das Wesentliche erscheint durchaus sachgerecht, wenn man die Berichterstattung zu nichtfinanziellen Leistungsindikatoren im Gesamtzusammenhang des Lageberichts sieht. Durch eine steigende Zahl – zwar nicht im Einzelnen, aber in der Gesamtschau – unwesentlicher Informationen droht der Blick auf das Wesentliche eher vernebelt als verbessert zu werden.114 Die damit vorgenommene Beschränkung führt jedoch zugleich dazu, dass die Informationstiefe und -breite des Lageberichts zu sozialen und ökologischen Aspekten der Geschäftstätigkeit weit hinter dem Umfang eines echten Nachhaltigkeitsberichts zurückbleibt, wie er etwa nach französischem Recht aufzustellen ist.115 bb) Gestaltungsspielraum der Unternehmensleitung Ein weiterer Grund für die häufig nur ansatzweise vorgenommene Integration von sozialen und ökologischen Aspekten der Geschäftstätigkeit in die Lageberichte ist in dem der Unternehmensleitung eingeräumten Ermessen zu sehen, selbst zu entscheiden, welche nichtfinanziellen Leistungsindikatoren berichtenswert sind und in welcher Tiefe die Darstellung derselben erfolgen soll.116 Dieser Gestaltungsspielraum führt dazu, dass selbst von ihrer Geschäftstätigkeit her vergleichbare Unternehmen den gesetzlichen Vorgaben in höchst unterschiedlicher Weise nachkommen. Untermauert wird dies durch eine im Dezember 2006 veröffentlichte Untersuchung des Umweltbundesamtes, die 53 Lageberichte deutscher Unternehmen auf die Verwendung nichtfinanzieller Indikatoren hin untersuchte.117 Die Studie kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass den ausdrücklich im Gesetz genannten Umwelt- und Arbeitnehmerbelangen in den weitaus meisten Lageberichten (wenn auch nur geringer) Raum eingeräumt wird, während etwa Informationen über die ökologische Produktverantwortung118, die Verantwortung in der Zulieferkette119 und über Kundeninteressen und -zufriedenheit120 weitaus 112

Dazu Ellrott, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 289 Rn. 9. IDW, Rechnungslegungshinweis: Lageberichterstattung nach § 289 Abs. 1 und 3 HGB bzw. § 315 Abs. 1 HGB in der Fassung des Bilanzrechtsreformgesetzes (RH HFA 1.007), WPg 2005, S. 1234, 1235. 114 Müßig, Lagebericht und Value Reporting, S. 187, 200 115 Umweltbundesamt (Hrsg.), Lagebericht zur Lageberichterstattung, S. 59. 116 Zu diesen Ermessen Lange, in: MünchKomm. HGB, § 289 Rn. 78 m.w. N. 117 Umweltbundesamt (Hrsg.), Lagebericht zur Lageberichterstattung, S. 1 ff. 118 Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.), Lagebericht zur Lageberichterstattung, S. 33 ff. 119 Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.), Lagebericht zur Lageberichterstattung, S. 40 f. 120 Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.), Lagebericht zur Lageberichterstattung, S. 37 ff. 113

§ 3 Aktionärsaktivismus als (eine) Antwort auf Markt- und Staatsversagen

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seltener zu finden waren, obwohl auf Seiten der Informationsnachfrager auch an diesen Aspekten großes Interesse besteht. cc) Beschränkung auf ökonomisch relevante Informationen Entscheidend für das aus Sicht der Informationsnachfrager zu geringe Maß der Sozial- und Ökopublizität ist schließlich der Umstand, dass die Offenlegungspflicht der §§ 289 Abs. 3, 315 Abs. 1 Satz 4 HGB nur dann ausgelöst wird, soweit die nichtfinanziellen Leistungsindikatoren für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage der Gesellschaft bzw. des Konzerns von Bedeutung sind. Nichtfinanzieller Leistungsindikatoren müssen somit stets einen Bezug zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft oder des Konzerns aufweisen; ein Bezug zur politischen oder ökologischen Lage reicht hingegen nicht aus.121 Diese Beschränkung hat zur Folge, dass das sozial-ökologische Informationsniveau des Lageberichts von vornherein hinter dem eines Nachhaltigkeitsberichts zurückbleibt, in dem die Informationen den „Filter“ des Bezugs zur wirtschaftlichen Lage nicht passieren müssen. Zudem herrscht keine Klarheit darüber, in welchen Fällen nichtfinanzielle Leistungsindikatoren einen Bezug zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft bzw. des Konzerns haben. Das Wissen um den sog. business case for sustainable development, um die ökonomischen Auswirkungen nachhaltigen Wirtschaftens, ist in der Praxis noch unterrepräsentiert.122 Hinzu kommt, dass sich bislang keine Methode zur Analyse des „business case“ durchzusetzen vermochte, was zu Unklarheiten in der Normanwendung führt.123 2. Sozial- und Ökopublizität in der Erklärung zur Unternehmensführung Einen weiteren, wenngleich nur kleinen Schritt in Richtung Sozial- und Ökopublizität hat die durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz in § 289a Abs. 1 HGB124 eingefügte Verpflichtung mit sich gebracht, in den Lagebericht eine Erklärung zur Unternehmensführung aufzunehmen. Zum Inhalt dieser Erklärung 121

Müßig, Lagebericht und Value Reporting, S. 187, 200. Vgl. dazu u. a. die Studie von Bird/Hall/Mementè/Reggiani, 76 J. Bus. Eth. 189 (2007), die einen engen Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung und Unternehmenswert ermitteln konnten. 123 Vgl. ausf. Umweltbundesamt (Hrsg.), Lagebericht zur Lageberichterstattung, S. 14 ff. Vgl. aber die Meta-Analyse von Orlitzky/Schmidt/Rynes, 24(3) Org. Stud. 403 ff. (2003), die insgesamt 52 Studien zum business case von gesamtgesellschaftlicher Unternehmensverantwortung auswerteten und eine positive Korrelation von Firmenwert und CSR-Strategie feststellen konnten. 124 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 35 des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)) vom 25.05.2009, BGBl. I 1102. Die Vorschrift geht zurück auf Art. 46a (1) a iii) der Bilanzrichtlinie i. d. F. der Abschlussprüferrichtlinie vom 14.06.2006, ABl. EU Nr. L 224/1. Ausf. zu § 289a HGB Kuthe/ Geiser, NZG 2008, 172 ff. sowie Withus, AG 2009, R397 ff. 122

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1. Kap.: Aktionärsaktivismus als Instrument der Unternehmenssteuerung

gehören gemäß § 289a Abs. 2 Nr. 2 HGB auch relevante Angaben zu Unternehmenspraktiken, die über die gesetzlichen Anforderungen hinaus angewandt werden. Anzugeben ist ferner, wo die Dokumente, in denen diese Leitlinien niedergelegt sind, öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Zu den relevanten Angaben zählen nach der Gesetzesbegründung unternehmensweit gültige ethische Standards sowie Arbeits- und Sozialstandards.125 Sie müssen nun im Lagebericht erwähnt, jedoch nicht näher erläutert werden. Die in die Erklärung zur Unternehmensführung aufzunehmenden Informationen tragen allerdings nur in unzureichendem Maße zur Offenlegung nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformationen bei. Denn erstens fallen in den Anwendungsbereich des § 289a Abs. 1 HGB nur Gesellschaften, die entweder börsennotiert sind oder die ausschließlich andere Wertpapiere als Aktien zum Handel an einem organisierten Markt im Sinn des § 2 Abs. 5 des WpHG ausgegeben haben und deren ausgegebene Aktien auf eigene Veranlassung über ein multilaterales Handelssystem im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG126 gehandelt werden. Zweitens wird die Angabepflicht durch das Tatbestandsmerkmal der Relevanz stark eingeschränkt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die Unternehmen gerade nicht über alle im Unternehmen vorhandenen organisatorischen Regelungen oder Vorschriften berichten.127 Drittens betrifft die Offenlegungspflicht nur „überobligatorische“ Unternehmenspraktiken, so dass ein Adressat aus der Erklärung etwa nicht entnehmen kann, in welchen Schwellen- oder Entwicklungsländern die Gesellschaft tätig ist und unter welchen (nach dortigem Recht womöglich legalen) Arbeitsbedingungen Produkte von ihr hergestellt werden oder in welchem Maße sie in diktatorisch regierten Staaten wirtschaftlich engagiert ist und Geschäftsverbindungen zu den örtlichen Behörden unterhält. Und viertens dürfte sich das sozial-ökologische Informationsniveau durch die Erklärung nach § 289a Abs. 2 Nr. 2 HGB selbst bei Gesellschaften, die in den Anwendungsbereich der Norm fallen, kaum erhöhen. Denn wie ein Blick auf die Internetseiten vieler börsennotierter deutscher Aktiengesellschaften zeigt, werden die fraglichen Angaben zu „überobligatorischen“ Unternehmenspraktiken schon ohne diese Offenlegungsverpflichtung zugänglich gemacht. Die Erklärung zur Unternehmensführung fördert damit letztlich nicht das Informationsniveau, sondern lediglich die zügige Vergleichbarkeit verschiedener Unternehmen.

125 Vgl. RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)), BT-Drs. 16/10067, S. 78. 126 Damit ist der sog. Freiverkehr gemeint, vgl. RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)), BT-Drs. 16/ 10067, S. 77. 127 Vgl. RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)), BT-Drs. 16/10067, S. 78.

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III. Fazit Im Ergebnis kann damit festgehalten werden, dass weder das US-amerikanische Recht noch das deutsche Recht ein Informationsniveau nichtfinanzieller Leistungsindikatoren von Unternehmen gewährleistet, das den Bedürfnissen der Marktteilnehmer auf der Nachfragerseite gerecht wird. Besonders deutlich waren diese Defizite bislang jenseits des Atlantiks ausgeprägt, wo in erster Linie Umgehungsstrategien der Unternehmen zu einem gänzlich unbefriedigenden Maß an Offenlegung von sozial-ökologischen Unternehmensinformationen führten. Demgegenüber sind das deutsche und mit ihm das insoweit harmonisierte europäische Recht bereits einen Schritt weiter. Doch weisen auch diese Regelungen nur einen rudimentären Charakter auf, der an den Informationsbedürfnissen vieler Investoren und sonstiger Marktteilnehmer vorbei geht.

C. Wall Street Walk statt Wall Street Talk? Bevor sich die Untersuchung der Frage widmen kann, welche Aktionärsrechte als Instrument zur Förderung sozial-ökologischer Unternehmensverantwortung in Frage kommen, muss zunächst dem schwergewichtigen Einwand der Überlegenheit einer auf exit anstelle einer auf voice basierenden Strategie128 begegnet werden. Angesprochen ist damit die These, nach der die Ausübung von Gesellschafterrechten in börsennotierten Unternehmen ökonomisch ineffizient sei, weil dem Aktionär mit der Möglichkeit zur Desinvestition ein wesentlich einfacheres und kostengünstigeres Instrument zur Verfügung steht.129 Der Gedanke der Aktionärsdemokratie verwirklicht sich nach dieser Vorstellung nicht im Verband durch die Ausübung von Aktionärsrechten (Organisationsmacht), sondern auf dem Kapitalmarkt durch Abwanderung (Marktmacht, „Wall Street Rule“).130 I. Beispiele für Desinvestionen aus sozial-ökologischen Gründen Scheinbar bestätigt wird diese These durch Beispiele aus der Praxis, in denen es aufgrund sozial-ökologischer Aspekte der Geschäftstätigkeit tatsächlich zu einer „Abstimmung mit den Füßen“ kam und somit der Ausübung von Marktmacht gegenüber der Ausübung von Organisationsmacht der Vorzug gegeben wurde. So 128 Die Begriffe des voice (Widerspruch) und exit (Abwanderung) finden sich erstmals bei Hirschman, Exit, Voice, and Loyalty, der damit die grundlegenden Reaktionsmöglichkeiten von Organisationsmitgliedern beschreibt. 129 Vgl. dazu Kalss, Anlegerinteressen, S. 342; Schwartz, 60 Geo. L. J. 57, 82 ff. (1971); Siems, Konvergenz, S. 104. 130 Vgl. Mertens, AG 1990, 49, 52; Kalss, Anlegerinteressen, S. 343 m.w. N.; Liebeler, 18 Geo. L. Rev. 425, 447 (1984); Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 1996 f. (1992).

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zog sich etwa der Pensionsfonds der öffentlichen Angestellten des US-Bundesstaates Kalifornien (CalPERS) im Februar 2002 vollständig aus den Märkten in Malaysia, Thailand, Indonesien und den Philippinen zurück, weil ein Engagement nach den geänderten Investitionsrichtlinien des Fonds auch vom Schutz der Menschen- und Bürgerrechte, von sozialer Gerechtigkeit, von Pressefreiheit und politischer Stabilität im Marktumfeld abhängig gemacht wurde und diese in den betreffenden Staaten nicht gewährleistet waren.131 Der staatliche Pensionsfonds Norwegens verkaufte im Juni 2006 seine am US-Einzelhandelsunternehmen WalMart gehaltenen Anteile im Wert von fast 416 Mio. US-Dollar wegen grober und systematischer Menschenrechtsverletzungen und zog sich zugleich aus dem Bergbaukonzern Freeport-McMoran Copper & Gold zurück, weil dieser nach Feststellung des norwegischen Ethikrats massive Umweltverstöße in einer Kupfermine in Papua-Neuguinea begangen hatte.132 Auch beim britischen Ölkonzern BP, der sich durch jahrelange Werbekampagnen ein (scheinbar) makelloses Image als umweltbewusster Energieanbieter geschaffen hatte, kam es nach einem Pipelineunglück in Alaska und weiterer Skandale zu einer massiven Abwanderung von Pensionsfonds und sonstiger nachhaltigkeitsorientierter Investorenkreise.133 Diese Beispiele können indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass das „scharfen Schwert“ der Desinvestition nur sehr selten aus Anlass sozial-ökologischer Verfehlungen gezogen wird. Sie stellt in solchen Fällen vielmehr die ultima ratio dar, um auf unerwünschte Zustände oder Entwicklungen zu reagieren. Im Regelfall werden soziale und ökologische Missstände durch Ausübung von Aktionärsrechten oder außerhalb des aktienrechtlichen Instrumentariums bei informellen Treffen thematisiert: „The Wall Street walk has given way to the Wall Street talk.“ 134 Auf den ersten Blick lässt diese Bevorzugung von voice gegenüber exit zwei mögliche Deutungen zu: Einerseits könnte der Seltensheitswert einer Desinvestition aufgrund sozial-ökologischer Aspekte der Geschäftstätigkeit ein Indiz dafür sein, dass Investoren derartige Faktoren zwar berücksichtigen, sie aber nicht als so gewichtig einschätzen, dass Missstände einen vollständigen Rückzug auslösen sollen. Andererseits könnte die praktische Bedeutung der voice-Steuerung auf den beschränkten Wirkungsgrad der exit-Steuerung hindeuten.

131 Kränzle, Karl, „Exodus von Calpers schockiert Südostasien“, Börsenzeitung vom 23.02.2002, S. 3. 132 Vgl. Börsenzeitung vom 10.06.2006, S. 10; dazu auch Mehner, Gottfried, „Norwegen legt Ölmilliarden vorbildlich an“, Börsenzeitung vom 11.09.2007, S. 2; zu den Aktivitäten des Statens pensjonsfond – Utland ausf. Chesterman, 23 Am. U. Int’l. L. Rev. 577 , 582 ff. (2008). 133 Hellmann, Norbert, „Die Unternehmensverantwortung als Krimi“, Börsenzeitung vom 03.01.2007, S. 8. 134 Zanglein, 11 DePaul Bus. L. J. 43, 45 (1998).

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II. Defizite der exit-Steuerung Der soeben geschilderte praktische Befund lässt sich durch einige Nachteile der exit-Steuerung theoretisch untermauern. Für den beschränkten Wirkungsgrad der Abwanderung hat Kalss135 drei Faktoren identifiziert: Erstens die ex-nuncWirkung des Austritts, die dazu führt, dass der Aktionär nur den augenblicklich vorhandenen Vermögenswert realisieren kann, während bereits eingetretene Schäden sich mit dem Verkauf nicht kompensieren lassen.136 Zweitens die beschränkte Wirkung der Abwanderung, die sich regelmäßig nur auf den austretenden Aktionär beschränkt, wodurch der von der (möglichen) Desinvestition ausgehende Kontrolleffekt stark gemindert wird. Drittens die nur indirekte Wirkung der Desinvestition, die einen funktionsfähigen Kapitalmarkt erfordert und zudem nur dort greift, wo die Gesellschaft nicht auf die Möglichkeit der Selbstfinanzierung zurückgreifen kann und deshalb auf die Zufuhr frischen Eigenkapitals angewiesen ist, das sich wegen des gesunkenen Börsenkurses verteuert hat. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass das Absinken des Börsenkurses, welches durch eine (massenhafte) Desinvestition ausgelöst wird, nur begrenzte Rückschlüsse darauf zulässt, welche Gründe die Aktionäre zur Abwanderung bewegt haben. Sinkende Kurse können auf die Unzufriedenheit von Teilen des Aktionärskreises hinweisen, müssen dies aber nicht, und sie geben der Unternehmensleitung auch keine Handlungsanleitung.137 Darüber hinaus kommt eine Desinvestition als Reaktion auf ein nicht tolerierbares Verwaltungshandeln für viele institutionelle Anleger von vornherein nicht in Betracht: Entweder ist die Abwanderung aufgrund des Umfangs des gehaltenen Aktienpakets ökonomisch nicht sinnvoll, da durch das entstehende Überangebot ein Verkauf nur zu deutlich geringeren Kursen möglich wäre.138 Oder sie ist deshalb nicht möglich, weil die Investitionsstrategie darauf ausgelegt ist, einen aus Aktien bestimmter Gesellschaften gebildeten Index nachzubilden.139 Auf diese Weise lässt sich bekanntlich eine Renditeoptimierung erreichen, wobei zugleich das Anlagerisiko vermindert und (unliebsame) Abweichungen von einem Benchmark vermieden werden.140 Allerdings können indexiert verwaltete Beteiligungen nicht ohne weiteres veräußert werden, so dass die Ausübung von Aktionärsrechten für diese 135 Kalss, Anlegerinteressen, S. 370 ff.; ähnlich schon Schwartz, 25 Cal. Mgnt. Rev. 53, 63 f. (1983). 136 Dazu auch Siems, Konvergenz, S. 104. 137 Schwartz, 69 Mich. L. Rev. 419, 476 ff. (1971); ähnlich Siems, Konvergenz, S. 105. 138 Vgl. Brownstein/Kirman, 60 Bus. Law 23, 35 (2004); Forstmoser, Festschrift Wiegand, S. 785, 806; Noack, Festschrift v. Rosen, S. 273, 287; Siems, Konvergenz, S. 105; Zanglein, 11 DePaul Bus. L. J. 43, 46 (1998). 139 Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 2012 (1992); ausf. zum sog. indexing Lowenstein, 17 J. Corp. L. 1, 12 ff. (1991). 140 Vgl. Forstmoser, Festschrift Wiegand, S. 785, 806.

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1. Kap.: Aktionärsaktivismus als Instrument der Unternehmenssteuerung

Anleger zwangsläufig größere Bedeutung erlangt („If one can’t sell, one must care“ 141). Vergleichbares gilt für den diversifiziert investierenden Aktionär, der keinen Index nachbildet. Für diesen ist jeder Verkauf riskant, weil er dadurch die Ausgewogenheit seines Portfolios verändert und womöglich keine passende alternative Investitionsmöglichkeit existiert.142 Schließlich führt das oftmals nicht ausreichende Niveau nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformationen dazu, dass Anleger mit sozial-ökologischem Investitionsprofil vor den Alternativen stehen, ein womöglich hochrentables Investment aufgrund mangelnder Informationen aufzugeben oder die Informationen – unter anderem durch die Ausübung von Aktionärsrechten – selbst zu beschaffen. Auch in diesen Fällen wird die Geltendmachung von Aktionärsrechten der Desinvestition regelmäßig vorgezogen. Damit erscheint aber die These widerlegt, eine ökonomisch sinnvolle Beeinflussung des Managements einer börsennotierten Aktiengesellschaft sei nur im Wege der Desinvestition möglich. Zutreffend ist vielmehr die Beobachtung, dass sich die Mechanismen der Abwanderung und des Widerspruchs weder gegenseitig ausschließen noch substituieren, sondern „einander ergänzende Instrumente für die Wahrung der Position des einzelnen und der damit einhergehenden Kontrolle von Verbänden des Kapitalmarkts“ 143 darstellen.144

D. Aktienrechtliche Ansatzpunkte für aktive Aktionäre Ist damit der sich ergänzende Charakter der beiden jedem Aktionär zur Verfügung stehenden grundsätzlichen Handlungsalternativen belegt, so drängt sich in einem nächsten Schritt die Frage auf, welche Aktionärsrechte sich für die Förderung einer am Gedanken der Nachhaltigkeit orientierten Unternehmensführung eignen. Legt man ein grobes Raster zugrunde, so lassen sich Aktionärsrechte in Vermögens- und Herrschaftsrechte unterteilen.145 Die Vermögensrechte, zu denen unter anderem der Dividendenanspruch (in Deutschland: §§ 58 Abs. 4, 60 141 Olgiati/Kindler, ST 76, 1065, 1066 (2002); ähnlich Seibert, BB 1998, 2536: „Kaufen und Kümmern“. 142 Siems, Konvergenz, S. 105. 143 Kalss, Anlegerinteressen, S. 341; zustimmend Forstmoser, Festschrift Wiegand, S. 785, 822; Siems, Konvergenz, S. 154. 144 Hild, Institutionelle Investoren, S. 159, 167 identifiziert vier Bedingungen, unter denen eine Ausübung von Aktionärsrechten zur Förderung nachhaltigen Geschäftsgebahrens wahrscheinlich erscheint: (1) der Investor agiert nicht kurzfristig, (2) er betreibt kein passives Portfoliomanagement, sondern hat (3) ein längerfristiges Interesse an der kontinuierlichen Entwicklung des Unternehmens und (4) ist nicht durch anderweitige Geschäftsverquickung und Abhängigkeiten erpressbar. 145 Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 17 ff.; diese Unterteilung findet sich in allen Aktienrechtsordnungen, ausf. dazu Siems, Konvergenz, S. 83 ff., 109 ff., 155 ff.

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AktG146), das Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen (§§ 186 Abs. 1, 212 AktG) sowie die Ausgleichs-, Umtausch- und Abfindungsansprüche bei Strukturmaßnahmen (§§ 15, 29, 125, 196, 207 UmwG) gehören147, scheiden dabei als Instrument zur Beeinflussung der Unternehmensleitung von vornherein aus. Ins Blickfeld geraten deshalb die Herrschaftsrechte, die sich in Mitverwaltungs- und Kontrollrechte untergliedern lassen.148 I. Ausübung von Mitverwaltungsrechten Zu den Mitverwaltungsrechten zählt insbesondere das Stimmrecht, mit dem der Aktionär auf den innergesellschaftlichen Willensbildungsprozess Einfluss nehmen kann. Als denkbares Instrument zur Förderung nachhaltigen Unternehmensverhaltens liegt dabei in Deutschland etwa die Stimmabgabe zugunsten solcher Aufsichtsratskandidaten nahe, die von Aktionären als Vertreter bestimmter Stakeholdergruppen aufgestellt wurden (§ 127 AktG) und die im Falle ihrer Bestellung Einfluss auf die Zusammensetzung des Vorstands nehmen könnten.149 Denkbar ist aber auch die Stimmabgabe zugunsten eines – durch Ergänzung der Tagesordnung (§ 122 Abs. 2 AktG) zur Abstimmung gestellten – Vorschlags zur Satzungsänderung, der den Unternehmensgegenstand (§ 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG) modifiziert. Auf diese Weise ließe sich bei Erreichen des erforderlichen Quorums (§ 179 Abs. 2 Satz 1 AktG) die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands beispielsweise auf bestimmte, unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten unbedenkliche Produktionsmethoden beschränken.150 Das von den Initiativrechten der §§ 122 Abs. 2 AktG, 127 AktG flankierte Stimmrecht erscheint somit zumindest theoretisch als adäquates Mittel, um auf eine stärkere Berücksichtigung sozialökologischer Aspekte der Unternehmenstätigkeit zu drängen. Gegen die praktische Effektivität eines solchen Vorgehens bestehen jedoch schwerwiegende Bedenken. Denn die Einflussnahme im Wege der Stimmrechtsausübung ist nur dann Erfolg versprechend, wenn der Abstimmungsgegenstand 146 Zur Dividendenentscheidung aus rechtsvergleichender Sicht, insbesondere unter Berücksichtigung der US-amerikanischen Diskussion Schütte, Dividendenentscheidung, S. 1 ff. 147 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 12 Rn. 12 (S. 99). 148 Vgl. Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 17. 149 Derartige Wahlvorschläge sind in der deutschen Hauptversammlungspraxis nicht selten, vgl. etwa den Antrag der Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC) zur Hauptversammlung der DaimlerChrysler AG 2006, mit dem eine Referentin der Umweltschutzorganisation Greenpeace zur Aufsichtsratswahl vorgeschlagen wurde. Siehe aber zur Debatte in den USA § 6 E. III. 1. und § 7 C. XI. 2. 150 Vgl. ausf. Röhricht, in: Großkomm. AktG, § 23 Rn. 86, der die Produktion und den Vertrieb von Bio-Produkten, die Förderung alternativer Energien und den Ausschluss der Kernkraft als Beispiele nennt; Pentz, in: MünchKomm. AktG, § 23 Rn. 77; Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 358. Zum Zweck des § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG Hüffer, AktG, § 23 Rn. 21 m.w. N.

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mit (unter Umständen qualifizierter) Mehrheit unterstützt wird (vgl. §§ 133 Abs. 1, 179 Abs. 2 Satz 1 AktG). Das Generieren einer solchen Abstimmungsmehrheit gestaltet sich indes äußerst schwierig, da weder von Seiten der Kleinaktionäre noch von den meisten institutionellen Anlegern eine Abstimmungsbeteiligung bzw. ein zustimmendes Stimmverhalten erwartet werden kann. Mit einer nennenswerten Stimmrechtsausübung der Kleinaktionäre mit atomisiertem Anteilsbesitz kann in der Publikumsaktiengesellschaft nicht gerechnet werden, auch wenn diese in ihrer Rolle als Staatsbürger weitaus mehr von den sozial-ökologischen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit betroffen sind als institutionelle Anleger.151 Das Phänomen der zurückhaltenden Beteiligung von Kleinaktionären bei der Ausübung von Aktionärsrechten wird üblicherweise mit dem Schlagwort der rationalen Apathie152 belegt. Eine Beteiligung am Willensbildungsprozess ist für den Kleinaktionär danach aufgrund seiner geringen Beteiligungshöhe nicht lohnenswert. Seine Passivität wird darüber hinaus auch noch dadurch verstärkt, dass seine Aktivität nur zu einem Bruchteil eigennützig wäre, primär aber den Interessen anderer dienen würde. Der weit überwiegende Teil der Kleinaktionäre unterlässt deshalb eine aktive Mitwirkung und hofft auf Aktivitäten anderer Aktionäre („Trittbrettfahrerproblem“, „free rider effect“).153 Auf der anderen Seite ist aber auch nicht mit einer mehrheitlichen Unterstützung seitens der institutionellen Anleger zu rechnen. Obwohl diese angesichts der Größe der von ihnen gehaltenen Beteiligungen einen größeren Überwachungsanreiz besitzen als Kleinaktionäre, bleibt das Einflusspotential des einzelnen Institutionellen aufgrund der üblichen Beteiligungshöhe von 1–3 % doch gering.154 Ein institutioneller Investor mit Nachhaltigkeitsprofil ist deshalb auf die Unterstützung anderer Anleger angewiesen, was einen zeit- und kostenaufwändigen Prozess der Überzeugung bzw. Interessenabstimmung im Vorfeld der Hauptversammlung erforderlich macht. Die Unterstützung der Abstimmungsgegenstände durch die anderen institutionellen Investoren ist aber keineswegs gesichert: Zum einen haben viele dieser Investoren ein distanziertes Verhältnisses zum Gedanken nachhaltigen Wirtschaftens.155 Zum anderen sind die Mehrzahl der Investmentfonds Tochtergesellschaften von Banken. Damit unterliegen sie einer Interessenverquickung mit ihren Muttergesellschaften, die mit den investierten Unternehmen weitergehende Geschäftsverbindungen unterhalten. In dieser Situation besteht die Annahme, dass die Investoren – trotz vorhandener chinese walls – nicht unbefangen Einfluss und Druck auf das Unternehmen ausüben können, ohne potenziell nega151

Zu diesem Aspekt noch § 9 B. Der Begriff „rational apathy“ wurde erstmals von Clark, 29 Case W. Res. L. Rev. 776, 779 (1979) verwendet. Es handelt sich allerdings um ein Phänomen, welches bereits von Adam Smith beschrieben wurde, vgl. Dent, 23 Ga. L. Rev. 815, 822 (1989); Siems, Konvergenz, S. 111. Vgl. auch schon Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 199. 153 Vgl. dazu Kyriakakis, Überwachung, S. 50 f.; Siems, Konvergenz, S. 112 m.w. N. 154 Kyriakakis, Überwachung, S. 95 ff., 104 ff. 155 Siehe bereits oben § 2 B. III. 152

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tive Folgen für andere Geschäfte in Kauf nehmen zu müssen (Phänomen der „erpressbaren Investoren“).156 Im Hinblick auf die Beteiligung von Vertretern (nachhaltiger) institutioneller Anleger in den Verwaltungsorganen der Gesellschaft kommt erschwerend hinzu, dass Institutionelle diesem Instrument skeptisch gegenüberstehen, weil sie sich dadurch zwar nicht rechtlich, aber faktisch in der Möglichkeit zur Desinvestition beschränkt sehen.157 Im Ergebnis kann damit festgehalten werden, dass von der Ausübung der dem Aktionär zustehenden Mitverwaltungsrechte keine effektive Beeinflussung der Unternehmensleitung zugunsten einer nachhaltigkeitsorientierten Geschäftsstrategie zu erwarten ist.158 II. Ausübung von Kontrollrechten Es bleibt deshalb zu untersuchen, inwieweit durch die Ausübung von Kontrollrechten auf eine Form der Unternehmensführung hingewirkt werden kann, die die (langfristigen) sozial-ökologischen Folgen der Geschäftstätigkeit im Blick behält. Anders als bei Großfeld, der Ende der 1960er Jahre die Eignung von Aktionärsrechten zur Verteidigung der Wettbewerbsordnung untersuchte159, kann die Betonung dabei im deutschen Recht nicht auf dem Recht des Aktionärs liegen, Ersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber der Verwaltung geltend zu machen. Denn auch hier stellen sich die bereits erwähnten Kollektivhandlungsprobleme, wodurch das Erreichen der in §§ 147 Abs. 1 Satz 1, 148 Abs. 1 Satz 1 AktG festgelegten Schwellenwerte ungewiss erscheint. Daran hat auch die Möglichkeit, über das Aktionärsforum (§ 127a AktG) Kontakt zu anderen Aktionären aufzunehmen, praktisch nichts geändert. Außerdem würde die Bezifferung des Schadens, der der Gesellschaft durch eine nicht hinreichende160 Berücksichtigung von Stakeholder-Belangen entstanden ist, größte Schwierigkeiten aufwerfen. Nichts anderes gilt für das US-amerikanische Recht: Zwar gewähren auch die bundesstaatlichen Gesellschaftsrechte dem Aktionär das Recht, aus einem abgeleiteten Recht der Gesellschaft zu klagen und damit Ansprüche zu verfolgen, die nicht ihm selbst, sondern der Gesellschaft zustehen (shareholder’s derivative suit).161 Aufgrund seiner prozeduralen Ausgestaltung büßt der theoretisch „bei weitem 156

Hild, S. 159, 167 m.w. N. Vgl. Forstmoser, Festschrift Wiegand, S. 785, 798 f., der sich dazu auf eine Studie aus dem Jahr 1996 beruft, nach der sich 79,1 % der an der Umfrage teilnehmenden institutionellen Investoren gegen eine Beteiligung in den Verwaltungsorganen aussprachen. Hierzu auch DAI/McKinsey, Investorendialog, S. 11, 21: „Aktive Aktionäre sind in deutschen Aufsichtsräten kaum vertreten.“ 158 Allgemein auch bereits Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 199. 159 Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 209 ff. 160 Dabei soll die vorgelagerte Fragestellung, inwieweit der Vorstand bei der Leitung der Gesellschaft überhaupt Nichtaktionärsinteressen zu berücksichtigen hat, ausgeklammert werden. 161 Vgl. dazu ausf. Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 113 ff.; Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 1031 ff. (S. 506 ff.). 157

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1. Kap.: Aktionärsaktivismus als Instrument der Unternehmenssteuerung

wichtigste Rechtsbehelf des shareholders“ 162 in der Praxis jedoch viel von seiner Bedeutung ein. Als größtes Hindernis einer effektiven Anspruchsverfolgung erweist sich dabei das Erfordernis, vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes den Board der Gesellschaft schriftlich aufzufordern, die aus der Rechtsverletzung entstandenen Ansprüche selbst zu verfolgen (written demand).163 Lehnt der Board eine Klageerhebung ab, so wird dies von den Gerichten als nicht überprüfbare Ermessensentscheidung (business judgement) respektiert, soweit die Ablehnung in gutem Glauben erfolgte, elementare Verfahrensgrundsätze beachtet wurden und sie inhaltlich nicht als schlechthin unhaltbar angesehen werden muss. Zwar steht es dem Aktionär offen, die Wirksamkeitsvoraussetzungen zu widerlegen, tatsächlich gelingt dies aber nur selten. Der Board kann damit im Regelfall164 eine derivative suit bereits vor Klageerhebung mit bindender Wirkung für das Gericht abwenden. Infolgedessen bleibt die derivative suit als Instrument zur Kontrolle der Unternehmensleitung weit hinter den in sie gesetzten Erwartungen zurück.165 III. Informations- und Auskunftsrechte als Screening-Instrumente Die vorliegende Untersuchung will demgegenüber einen anderen Ansatzpunkt wählen und die Rolle der Informations- bzw. Auskunftsrechte des Aktionärs gegenüber der Verwaltung betonen. Durch die Ausübung dieser Rechte könnte es möglich sein, die Defizite des gesetzlich vorgeschriebenen Niveaus nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformation auszugleichen. Ein sozial-ökologischer Aktionärsaktivismus, der seinen Schwerpunkt auf der Ausübung von Informationenrechten hat, würde damit als ein Instrument zur Stärkung des Marktes für nachhaltigkeitsbezogene Unternehmensinformation166 verstanden werden können und damit eine Form des Screenings167 darstellen. Ein derartiges Aktionärsengagement wäre gerade kein Mechanismus zur Erzwingung marktwidriger Resultate, sondern ein marktlicher Lösungsansatz zum Abbau bestehender Informationsasymmetrien. 162

So Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 113. Vgl. etwa Rule 32.1 Delaware Chancery Court Rules; § 800 (b)(2) California General Corporation Law; § 626 (c) New York Business Corporation Law; ausf. aus dem deutschen Schrifttum Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 1 ff.; Eisenberg, Der Konzern 2004, 386; Paefgen, NZG 2009, 891. 164 Nur ausnahmsweise wird eine Aufforderung als entbehrlich angesehen, vgl. Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805 (Del. 1984). 165 So auch Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 1143 (S. 553); Romano, 7 J.L.Econ.Org. 55, 84 (1991). 166 Der Begriff lehnt sich an den von Newberg, 29 Vt. L. Rev. 253, 286 (2005) entwickelten „market for ethical conduct“ an. Allgemein zu Informationsmärkten als Annex zu Kapital- und Gütermärkten Assmann, in: Großkomm. AktG, Einl Rn. 399 m.w. N. 167 Dazu bereits § 2 B. I. 2. 163

§ 3 Aktionärsaktivismus als (eine) Antwort auf Markt- und Staatsversagen

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Jenseits dieser die Funktionsfähigkeit des Marktes stärkenden Wirkung bringt aber bereits die Informationsoffenlegung selbst sowie die bloße Möglichkeit der Ausübung von Informationsrechten eine gewisse Steuerungswirkung mit sich. Diese Steuerung erfolgt bereits im Vorfeld der Gesellschaftssteuerung durch Anpassung an ein verändertes Nachfrageverhalten, bleibt in ihrer Intensität jedoch im Vergleich zur unmittelbaren Steuerung durch Marktreaktionen weit zurück. Gemeint ist damit zum einen die nicht selten festzustellende Steuerung des Unternehmens durch die öffentliche Meinung („social control through public opinion“ 168, „public reaction effect of disclosure“ 169), deren Haltung von den Geschäftsleitern nicht selten mehr vermutet als empirisch festgestellt werden wird. Insoweit kommt bereits der Offenlegung eine präventive oder therapeutische Funktion170 zu, ohne dass es zu einer tatsächlichen Änderung des Nachfrageverhaltens der Marktgegenseite auf den Kapital- oder Produktmärkten gekommen sein müsste.171 Zum anderen kann bereits die bloße Existenz von Informationsrechten und von Ausübungsberechtigten, die diese Rechte in einer bestimmten Weise auszuüben beabsichtigen, zu einer Änderung oder Vermeidung bestimmter Formen der Geschäftstätigkeit führen. Dieses als präventiv-verhaltenssteuernde Wirkung von Aktionärsrechten zu bezeichnende Phänomen ist in der Literatur seit langem anerkannt.172 Die Effektivität dieses Mechanismus hängt allerdings von mehreren Faktoren ab: Zunächst muss das Informationsbegehren des Aktionärs überhaupt statthaft sein. Das Aktienrecht müsste demnach anerkennen, dass es sich bei den begehrten sozial-ökologischen Informationen um solche handelt, auf deren Verfügbarkeit der Aktionär angewiesen ist. Ist dies im Grundsatz der Fall, so können sich dennoch effektivitätsmindernde Unterschiede hinsichtlich der Tiefe und des Umfangs der zu gewährenden Auskünfte ergeben. Letzterer hängt insbesondere davon ab, ob die Zahl der Auskunftsbegehren, die ein Aktionär in einem bestimmten Zeitraum stellen darf, beschränkt ist, und ob nicht nur singuläre Informationen, sondern auch „Informationspakete“ in Berichtsform verlangt werden können. Außerdem sind Auskunfts- und Informationsrechte umso wirkungsvol168

Vgl. Roth/Fitz, 30 Hast. L. J. 1433, 1441 (1979). Vgl. Sommer/Longstreth/Loomis, 28 Bus. Law. 215, 227 (1973): „The ,public reaction‘ effect of disclosure, then, serves a self-regulatory function, bending corporate behavior toward the norm which corporate managers perceive to be expected of them by society.“ Dazu auch Donaldson, Corporations & Morality, S. 185. 170 Druey, Festschrift Böckli, S. 589, 603. 171 Zum Zusammenhang zwischen Informationsoffenlegung und CSR-Steuerung bereits Cary, 50 Cal. L. Rev. 408, 411 (1962); Knauss, 62 Mich. L. Rev. 607, 647 (1964) sowie Branson, 29 Vand. Law Rev. 539, 583 (1976) und Schoenbaum, 40 Fordham L. Rev. 565 (1972). 172 Vgl. nur Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 213; Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 20, 570 sowie Kalss, Anlegerinteressen, S. 340, 352 m.w. N. Konkret zur präventiv-verhaltenssteuernden Wirkung von Rule 14a-8 und § 131 AktG noch § 11 B. IV. 7. 169

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1. Kap.: Aktionärsaktivismus als Instrument der Unternehmenssteuerung

ler, je weniger Kollektivhandlungsprobleme sich bei ihrer Ausübung ergeben. Im Idealfall wäre die Berechtigung zur Rechtsausübung an keinen Mindestbesitz und keine Mindesthaltedauer geknüpft. Schließlich spielt die Hauptversammlungsgebundenheit der Ausübung der Informationsrechte eine erhebliche Rolle, da sie den Informationsfluss wesentlich einschränkt. IV. Zur Rolle hauptversammlungsaktiver Nichtregierungsorganisationen Versteht man sozial-ökologischen Aktionärsaktivismus in erster Linie als Instrument zur Stärkung des Marktes für nachhaltigkeitsbezogene Unternehmensinformation, so wird auch das Auftreten derjenigen Nichtregierungsorganisationen klarer, die sowohl in den USA als auch in Deutschland als Stimmrechtsvertreter handeln bzw. aufgrund eigener Aktionärsstellung intensiv von den ihnen zustehenden bzw. zur Ausübung übertragenen Rechten Gebrauch machen. Die kapitalmarktliche Rolle dieser Nichtregierungsorganisationen wird in der neueren Forschung als die von spezialisierten Finanz- bzw. Informationsdienstleistern173 verstanden: Sie produzieren spezifische (nachhaltigkeitsbezogene) Informationen und stellen diese den Akteuren des Kapitalmarktes zur Verfügung, die auf dieser Grundlage Kapitalanlagedispositionen auf umfassenderer Informationsbasis treffen können. Zugleich werden die gewonnenen Informationen den auf Produktmärkten tätigen Nachfragern offenbart, damit diese sie in ihre Konsumentscheidungen einbeziehen können. Bezogen auf den nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivismus bedeutet dies: Nichtregierungsorganisationen üben zum einen Informations- und Auskunftsrechte aus, um an Informationen zu sozialen und ökologischen Aspekten der Geschäftstätigkeit zu gelangen. Zum anderen – und das erscheint im Gegensatz zu sonstigen nachhaltigkeitsorientierten Aktionären als Besonderheit – verfügen Nichtregierungsorganisationen aber häufig über einen Pool von Unternehmensinformationen, die nicht durch die Ausübung von Aktionärsrechten gewonnen wurden. Die Bereitstellung dieser Informationen (insbesondere) an Investoren stellt die zweite Säule des Aktionärsengagements von Nichtregierungsorganisationen dar. Neben die Ausübung von Informationsund Auskunftsrechten tritt daher die Nutzung solcher Rechte, die eine Weiterleitung von Informationen an andere Aktionäre ermöglichen.

§ 4 Zusammenfassung Das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, dass die traditionellen Mechanismen der Unternehmensaußensteuerung – Markt und Recht – häufig keine hinreichend effiziente Ressourcenallokation gewährleisten. Negative externe Effekte führen 173

Lindenmayer, Nichtregierungsorganisationen, S. 110 ff., 168 f. m.w. N.

§ 4 Zusammenfassung

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zu Effizienzeinbußen des marktlichen Steuerungsmechanismus, die zwar normativ durch staatliche Regelungen ausgeglichen werden sollen, in der Praxis aber nicht selten unbehoben bleiben. Das Markt- und Staatsversagen ist im Hinblick auf das verfügbare Angebot nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformationen evident. Trotz starker Nachfrage nach diesen Informationen sowohl auf dem Kapitalmarkt als auch auf den Produktmärkten bleibt das freiwillig von den Unternehmen bereitgestellte Informationsvolumen weit hinter den Marktbedürfnissen zurück. Gesetzliche Regelungen zur Behebung der bestehenden Informationsasymmetrien sind in den USA und der Bundesrepublik jedoch nur in Ansätzen vorhanden. Es sind deshalb die Marktteilnehmer, insbesondere die Nachfrager selbst, berufen, die vorhandene ungleiche Verteilung von Informationen zu beseitigen. Mit dem Instrument des sog. Screenings steht den Nachfragern ein marktkonformes Instrument zur Verfügung, um durch gezielte Überprüfung der Marktgegenseite die Defizite des Informationsniveaus zu beheben. Die Ausübung von Auskunfts- und Informationsrechten durch Aktionäre stellt einen solchen Screening-Mechanismus dar. Ein nachhaltigkeitsbezogenes Aktionärsengagement, das seinen Schwerpunkt in der Ausübung von Informationserzeugungsrechten hat, stellt ein Instrument zur Versorgung des Marktes für nachhaltigkeitsbezogene Unternehmensinformationen dar. Es offenbart sich damit einerseits als legitimes Mittel, um das effizientere Funktionieren von Märkten zu gewährleisten. Andererseits ist der durch Offenlegung von Informationen bewirkten Unternehmenssteuerung gegenüber der Alternative einer gesetzgeberischen Festlegung dessen, was „gesellschaftlich verantwortliches“ Unternehmensverhalten darstellt, der Vorzug zu geben.174

174 Siehe schon Sommer/Longstreth/Loomis, 28 Bus. Law. 215, 227 (1973): „Disclosure in the context of ,corporate social responsibility‘ has other advantages. The imposition of disclosure requirements avoids any need to attempt a definition of what is meant by social responsibility.“

2. Kapitel

Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA Die Ausübung von Aktionärsrechten zur Förderung einer am Prinzip der Nachhaltigkeit orientierten Unternehmensführung oder – negativ gewendet – zur Bekämpfung bestimmter als unsozial, unethisch oder unökologisch empfundener Geschäftspraktiken war und ist in erster Linie ein US-amerikanisches Phänomen. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind das „Mutterland des shareholder activism“, in dem Aktionäre schon seit langem ihre Rechte zur Thematisierung der sozialen und ökologischen Folgen der Geschäftstätigkeit von Aktiengesellschaften ausüben. Die hier seit den späten 1960er Jahren etablierte Praxis fand in der Folgezeit Nachahmer in weiten Teilen der westlichen Welt. Das offensive Auftreten von Aktionären auf und im Vorfeld von US-amerikanischen Hauptversammlungen ist aber nicht nur die weltweit älteste Form des Aktionärsaktivismus, sondern auch die in ihrem Intensitätsgrad am stärksten ausgeprägte. Es erscheint deshalb nachgerade zwingend, in dieser Arbeit zunächst die Entwicklung und den gegenwärtigen Stand der rechtlichen Rahmenbedingungen des US-amerikanischen Aktionärsaktivismus nachzuzeichnen und der Darstellung dabei einen der Verbreitung des Phänomens entsprechenden breiten Raum einzuräumen. Die Untersuchung widmet sich daher zunächst dem Rederecht sowie dem Einsichtsrecht, das die bundesstaatlichen Gesellschaftsrechtsordnungen jedem Aktionär einräumen (unten § 5). Im Anschluss daran wendet sich die Arbeit dem Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen zu, das im Zusammenhang mit dem nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagement seit jeher das bedeutsamste und am häufigsten ausgeübte Aktionärsrecht darstellt. Hierbei sollen in einem ersten Schritt die bewegte und nicht widerspruchsfreie Geschichte der bundesrechtlichen Rahmenbedingungen des Aktionärsantragsrechts sowie die praktischen Auswirkungen der mit steter Regelmäßigkeit beschlossenen Novellierungen dargestellt werden (unten § 6). Diese Ausführungen legen den Grundstein für das Verständnis der gegenwärtigen Handhabung des maßgeblichen Bundesrechts (unten § 7). Den Abschluss der Darstellung bilden die im Zusammenhang mit der Ausübung des Aktionärsantragsrechts bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten (unten § 8) sowie die kritischen Einwände, die in der Vergangenheit gegen die bundesrechtliche Ausgestaltung des Aktionärsantragsrechts vorgebracht wurden (unten § 9).

§ 5 Rederecht und Einsichtsrecht

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§ 5 Rederecht und Einsichtsrecht als Instrumente nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagements A. Das Rederecht des Aktionärs auf dem annual meeting Für die Distribution nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformation erscheint ein Rückgriff auf Gesellschafterrechte nicht zwingend erforderlich. Aktionärsaktivisten können ihren Erwartungen auch in Briefen oder E-Mails an die Geschäftsleitung und in Hintergrundgesprächen Ausdruck verleihen, was in der Praxis auch regelmäßig geschieht. Zur Information der Aktionäre steht ihnen zudem – im Rahmen ihrer finanziellen Ressourcen – die Möglichkeit offen, durch eine öffentliche Aufklärungskampagne auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Das Bedürfnis, eine Distribution nachhaltigkeitsorientierter Unternehmensinformation unter Ausübung von Aktionärsrechten zu erreichen, erscheint damit weitaus weniger dringend als der Rückgriff auf das aktienrechtliche Instrumentarium zur Erzeugung solcher Informationen. Dennoch will sich die Untersuchung im Folgenden der Frage zuwenden, ob das US-amerikanische Gesellschaftsrecht den Aktionären das Recht einräumt, auf dem annual meeting das Wort zu ergreifen. I. Herleitung des Rederechts Ein ausdrücklich normiertes Rederecht des Aktionärs ist den bundesstaatlichen Gesellschaftsrechtsordnungen der USA unbekannt. Dieser Befund ist symptomatisch für die Zurückhaltung, die die Gesetzgeber in den Bundesstaaten beim gesamten Komplex des Hauptversammlungsablaufs und den hauptversammlungsbezogenen Aktionärsrechten an den Tag legen.1 Auch die meisten Gesellschaftsdokumente treffen zum Ablauf des annual meeting im Allgemeinen und zum Rederecht der Aktionäre im Besonderen keine Aussage.2 In der Praxis ist es jedenfalls üblich, dass der Ablauf im Vorfeld oder zu Beginn der Hauptversammlung publik gemacht wird. Dabei wird zwar eine Pflicht zur Orientierung an den für parlamentarische Versammlungen zusammengestellten Robert’s Rules of Order einhellig abgelehnt.3 Die Gestaltung des Hauptversammlungsablaufs steht aber dennoch nicht im freien Ermessen der Verwaltung. Sie hat sich vielmehr am üblichen Ablauf einer Hauptversammlung zu orientieren und den Grundsatz zu beachten, dass jeder teilnahmeberechtigte Aktionär mit Fairness und nach Treu 1 In § 602 (d) New York Business Corporation Law findet sich zumindest die Regelung, dass der Ablauf der Hauptversammlung in den bylaws geregelt werden kann. 2 Balotti/Finkelstein/Williams, 8-3. 3 Vgl. Aranow/Einhorn, 42 Va. L. Rev. 1049, 1050 f. (1956); Balotti/Finkelstein/Williams, 8-3; Monaghan, 16 Bay. L. Rev. 129, 140 (1964); Schwartz, 69 Mich. L. Rev. 419, 516 (1971); Wetzel, 22 Bus. Law. 303, 306 ff. (1967).

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

und Glauben zu behandeln ist.4 Diese Aussage des Common Law wird durch § 7.08 (c) R.M.B.C.A. bestätigt, der ebenfalls das den Aktionären gegenüber anzuwendende Gebot der Fairness betont. Daraus wird allgemein die Pflicht des Hauptversammlungsleiters (chairman of the meeting) abgeleitet, redewilligen Aktionären die Möglichkeit einzuräumen, ihre Gedanken in der Hauptversammlung zu äußern.5 In der Praxis wird diese Pflicht im Regelfall dadurch erfüllt, dass die Tagesordnungen von vornherein bei jedem Tagesordnungspunkt eine Diskussion vorsehen. II. Praktische Bedeutung des Rederechts Die praktische Bedeutung dieser Aktionärsdiskussion ist allerdings äußerst gering. In den Hauptversammlungen US-amerikanischer Aktiengesellschaften ergreifen Aktionäre nur selten das Wort, um bestimmte Missstände anzuprangern. Die zurückhaltende Ausübung des Rederechts kann dabei auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden. Ein Grund ist die Vorverlagerung des eigentlichen Hauptversammlungsgeschehens auf den Prozess der Stimmrechtseinwerbung und die damit einhergehende niedrige Quote physisch präsenter Aktionäre.6 Das in der Hauptversammlung ausgeübte Rederecht verliert dadurch weithin seinen Sinn, da die nicht anwesenden Aktionäre auf diese Weise weder über bestimmte Anliegen informiert werden können noch ihr Abstimmungsverhalten zu ändern ist. Die Funktion des Rederechts wird heute weitgehend durch das Aktionärsantragsrecht der Rule 14a-8 substituiert. Anstatt die Anregungen, Gedanken und Forderungen erstmals auf der Hauptversammlung vorzustellen, werden diese in die Begründung eines Aktionärsantrags aufgenommen, die zusammen mit dem Antragstext immerhin bis zu 500 Worte umfassen darf (Rule 14a-8 (d)). Dieses Vorgehen bietet nicht nur den Vorteil, dass dieser „materialisierte Redebeitrag“ mit einem konkreten Abstimmungsanliegen verknüpft werden kann, sondern eröffnet auch die Gelegenheit, weit mehr Mitaktionäre zu erreichen als dies eine auf dem an4 Young v. Jebbett, 213 App. Div. 774, 779, 211 N.Y.S. 61, 66 (1925): „In the absence of express regulations by statute or by-law, the conduct of meetings, including the election of officers, is controlled largely by accepted usage and common practice. The fundamental rule is that all who are entitled to take part shall be treated with fairness and good faith.“; vgl. auch Standard Power and Light Corp. v. Investment Associates Inc., 29 Del. Ch. 593, 600, 51 A.2d 572, 576 (Sep. Ct. 1947): „corporate enterprise should adhere to well-established democratic theories, which embody principles of fairness and reasonableness“. 5 Balotti/Finkelstein/Williams, 8-9; Wetzel, 22 Bus. Law. 303, 314 (1967). 6 Dazu näher Hofstetter, ZGR 2008, 560, 572 m.w. N. Siehe auch Claussen, Recht und Praxis der Hauptversammlung, S. 7 f.: „Die Selbstdarstellung kommt [. . .] viel kürzer zu ihrem Recht.“ Sowie das Urteil des Delaware Supreme Court in Sachen Stoud v. Grace, 606 A.2d 75, 86 (Del. Supr. 1992): „Realities in modern corporate life have all but gutted the myth that shareholders in large publicly held companies personally attend their annual meetings.“

§ 5 Rederecht und Einsichtsrecht

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nual meeting gehaltene, ins Internet übertragene7 Rede tun würde. Angesichts der größeren öffentlichen Aufmerksamkeit, die mit der Ausübung des Aktionärsantragsrechts einhergeht, dient dieses den Aktivisten zudem oftmals als Schlüssel für Gespräche und Verhandlungen hinter den Kulissen.8

B. Das Einsichtsrecht des Aktionärs Sieht man den Nutzen des sozial-ökologischen Aktionärsaktivismus in erster Linie in der Schaffung bzw. Unterstützung des Marktes für nachhaltigkeitsbezogene Unternehmensinformationen, so kann dieser Zweck idealiter durch die Ausübung eines dem Aktionär der Gesellschaft gegenüber zustehenden Informationsrechts verfolgt werden. Auf diese Weise könnten gezielt Informationen zu sozialen und ökologischen Aspekten der Geschäftstätigkeit erlangt werden, die sowohl vom auskunftsersuchenden Aktionär wie auch von anderen Marktteilnehmern in ihre kapital- und produktmarktlichen (Des-)Investitionsentscheidungen einbezogen werden könnten. Entgegen diesen theoretischen Überlegungen zeigt die Praxis des US-amerikanischen Aktionärsaktivismus ein gänzlich anderes Bild: Zwar waren in den später 1960er Jahren, als sich der gesellschaftspolitische Aktionärsaktivismus in den USA zu einer breiten Bewegung entwickelte, Bestrebungen erkennbar, auch das Einsichtsrecht im Rahmen von Aktionärskampagnen nutzbar zu machen. Doch bereits seit Beginn der 1970er Jahre spielt dieses Recht praktisch keine Rolle mehr. Seine Funktion wird seitdem ganz vom Aktionärsantragsrecht der Rule 14a-8 konsumiert. Im Folgenden soll deshalb nur kurz auf die Grundlagen des Einsichtsrechts in einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft eingegangen werden und die Entwicklung nachgezeichnet werden, die für seine zu vernachlässigende Bedeutung in der Gegenwart verantwortlich ist. I. Rechtsgrundlage und Voraussetzungen der Einsichtnahme Ein dem § 131 AktG vergleichbares, in der Hauptversammlung auszuübendes Auskunftsrecht kennt das US-amerikanische Gesellschaftsrecht nicht. Die Mitglieder des Board sind deshalb nach der Rechtsprechung des Court of Chancery des Staates Delaware auch nicht verpflichtet, Fragen von Aktionären zu beantworten. Lediglich das (außerrechtliche) Gebot der Höflichkeit legt eine Beantwortung nahe.9

7 Zum Internet als Medium der Aktionärsbeteiligung in den USA Spindler/Hüther, RIW 2000, 329. 8 Propp, 11 Sec. Reg. L. J. 99, 132 (1983). 9 Loudon v. Archer-Daniels-Midland Co., 21 Del. J. Corp. L. 724, 738 (1996); vgl. auch Balotti/Finkelstein/Williams, 8-11.

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

Hingegen war bereits im Common Law ein Einsichtsrecht des Aktionärs anerkannt10, welches heute in allen11 bundesstaatlichen Gesellschaftsrechtsordnungen kodifiziert ist.12 Dieses nicht hauptversammlungsgebundene Recht ermöglicht jedem Aktionär die Einsichtnahme in die Aktionärsliste sowie die sonstigen Unterlagen der Gesellschaft und ihrer Konzerngesellschaften, soweit er damit einen billigenswerten Zweck (proper purpose) verfolgt. Billigenswert in diesem Sinne ist der Zweck der Einsichtnahme dann, wenn er eine hinreichende Beziehung zum Interesse der einsichtsersuchenden Person in ihrer Eigenschaft als Aktionär hat.13 So wurde das Recht auf Einsichtnahme in die Aktionärsliste etwa bejaht, wenn der Aktionär in Kontakt mit anderen Aktionären treten will, um für eine bevorstehende Abstimmung Stimmrechte einzuwerben14 oder eine gemeinsame Rechtsdurchsetzung vorzubereiten. Das Einsichtnahmerecht wurde auch dann zuerkannt, wenn der Aktionär die Informationen für die Vorbereitung einer (eigenen oder im Namen der Gesellschaft erhobenen) Klage gegen das Management benötigt15, er Fälle von Missmanagement aufdecken will16 oder die Informationen für eine angemessene Stimmabgabe auf der Hauptversammlung erforderlich sind17. Die genannten Fälle weisen allesamt die Gemeinsamkeit auf, dass der von den Gerichten zugrunde gelegte Prüfungsmaßstab des proper purpose-Erfordernisses allein das wirtschaftliche Interesse des Aktionärs ist.18 II. Einsichtsrecht bei nicht-ökonomischer Motivlage Ob ein billigenswerter Zweck für die Einsichtnahme dagegen auch dann besteht, wenn das Einsichtsbegehren von nicht-ökonomischen Erwägungen motiviert ist, war lange Zeit nicht eindeutig geklärt. Bereits 1925 hatte der Supreme 10 In re Steinway, 159 N.Y. 250, 53 N.E. 1103 (1899); Burr et al. v. Paragon Trading Corp., 270 N.Y. 464, 1 N.E.2d 967 (1936); vgl. zur Entwicklung Hornstein, 56 Yale L. J. 942, 946 (1947); Newman, 16 Sw. L. J. 439, 440 ff. (1962). 11 Griffin, 30 Okla. L. Rev. 616, 617 (1977) m.w. N.; a. A. Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 343: „in den meisten Staaten“. 12 Vgl. nur § 220 (b) Delaware General Corporation Law; § 624 Business Corporation Law; § 16.02 R.M.B.C.A. Das nach dem Common Law bestehende Einsichtsrecht wird durch diese Kodifikationen nicht verdrängt, vgl. Stuart, 46 Tul. L. Rev. 1002, 1005 (1972) m.w. N. Zum Einsichtsrecht des Aktionärs in der US-corporation aus dem deutschen Schrifttum Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 337 ff.; Lommer, Auskunftsrecht, S. 133 ff. 13 So ausdrücklich etwa § 624 (b) Satz 1 Business Corporation Law. 14 Eine kapitalmarktrechtliche Kodifikation dieses Rechts findet sich in SEC-Rule 14a-7 (a)(2)(ii). 15 Rochester v. Indiana County Gas Co., 92 A 717 (Pa. 1914). 16 Guthrie v. Harkness, 199 U.S. 148, 26 S.Ct. 4 (1905). 17 George v. International Breweries Inc., 134 N.W. 2d 381 (Mich. 1965). 18 Vgl. Blumberg, 28 Bus. Law. 1025, 1045 (1973); Note, 44 U. Colo. L. Rev. 273, 275 (1972); auf wirtschaftliche Interessen abstellend auch schon Bartels/Flanagan, 38 Corn. L. Q. 289, 304 (1953).

§ 5 Rederecht und Einsichtsrecht

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Court of New Jersey19 einen Fall entschieden, in dem ein Aktionär Einsicht in die Geschäftsunterlagen einer Gesellschaft verlangte, um dem CEO ein Missmanagement nachzuweisen. Angetrieben wurde er dabei aber nicht durch wirtschaftliche Motive, etwa dem Gedanken, die auf diese Weise erlangten Informationen zur Vorbereitung einer Schadensersatzklage zu nutzen, sondern durch seine politische Gegnerschaft zum Unternehmenschef, der kurz zuvor ein politisches Amt im Bundesstaat New Jersey angetreten hatte. Die im Zuge der Einsichtnahme gewonnenen Erkenntnisse sollten nach den Feststellungen des Gerichts einzig und allein als Munition in einer seit längerem andauernden politischen Schmutzkampagne verwendet werden. Das Gericht wertete diesen Einsichtsnahmezweck als nicht billigenswert und lehnte die Klage des Aktionärs deshalb ab.20 Anders entschied im Jahr 1965 der Supreme Court of Connecticut in der Rechtssache De Rosa v. Terry-Steam Turbine Co., in der drei Mitglieder des Tarifverhandlungsgremiums einer Gewerkschaft, die jeweils eine Aktie an der Gesellschaft hielten, auf Einsicht in die Aktionärsliste klagten.21 Die Gewerkschaftsfunktionäre beabsichtigten, auf Kosten der Gesellschaft mit den Aktionären in Kontakt zu treten und sie über die Situation der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten der Gesellschaft zu informieren. Das Gericht hielt die Klage für begründet und ordnete die Freigabe der Aktionärsliste an: Fragen der Beziehungen zwischen den Tarifpartnern stellten für Aktionäre und die Gesellschaft ein legitimes Anliegen dar, außerdem schade der Zweck der Einsichtnahme nicht den Interessen der Gesellschaft und ihrer Aktionäre.22 Das bis heute als maßgeblich angesehene Urteil zur Frage des Einsichtsrechts der Aktionäre bei nicht-wirtschaftlicher Motivlage wurde hingegen vom Supreme Court of Minnesota im Jahr 1971 in Sachen State ex rel. Pillsbury v. Honeywell, Inc. gefällt.23 Obwohl das Urteil nicht die erste Entscheidung war, die zu diesem Teilaspekt des Einsichtsrechts Stellung bezog, gilt sie wegen ihres Umfelds sowie

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McMahon v. Dispatch Printing Co., 129 A. 425 (Sup. Ct. N.J. 1925). 129 A. 425, 426 f. 21 De Rosa v. Terry-Steam Turbine Co., 26 Conn. Supp. 131, 214 A.2d 684 (Sup. Ct. Conn. 1965). 22 Das Gericht nahm damit auf das im Gesellschaftsrecht des Staates Connecticut vergleichsweise ausführlich kodifizierte Einsichtsrecht Bezug. Die Einsichtnahme in die Aktionärsliste konnte verlangt werden „by any shareholder [. . .] for any proper purpose in the interest of the shareholder as such or of the corporation and not for speculative or trading purposes or for any purpose inimical to the interest of the corporation or its shareholders“, 26 Conn. Supp. 131, 134 f. Vgl. demgegenüber die aktuelle Fassung in Sec. 33-946 Connecticut Code, die nur auf das proper subject-Erfordernis abstellt. 23 State ex rel. Pillsbury v. Honeywell, Inc., 291 Minn. 322, 191 N.W. 2d 406 (1971). Kritisch dazu Blumberg, 28 Bus. Law. 1025, 1046 ff. (1973) und Hofnagle/Butler, 4 Conn. L. Rev. 707, 724 und 733 (1972) sowie Note, 44 Univ. Col. L. Rev. 273 (1972); Note, 25 Vand. L. Rev. 425 (1972); Stuart, 46 Tul. L. Rev. 1002 (1972). 20

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aufgrund der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit für die Fortentwicklung des gesellschaftspolitischen Aktionärsaktivismus als wegweisend. Dem Rechtsstreit lag die Weigerung der Honeywell Corp. zugrunde, einem Kleinaktionär Einsichtnahme in die Aktionärsliste und sämtliche Unterlagen zur Waffen- und Munitionsproduktion der Gesellschaft zu gestatten. Der Aktionär, der dem vietnamkriegskritischen Honeywell Project24 angehörte und die Aktien kurz zuvor erworben hatte, wollte mit den auf diese Weise erlangten Informationen Kontakt zu seinen Mitaktionären aufnehmen und mit ihnen über die Wahl anderer BoardMitglieder diskutieren. Sowohl das erstinstanzliche Gericht als auch der Supreme Court wiesen die Klage ab. Zur Begründung führte der Supreme Court aus, dass nach dem Recht von Delaware eine Einsichtnahme in die Aktionärsliste und die Unterlagen der Gesellschaft nur bei Vorliegen eines billigenswerten Zwecks (proper purpose) zulässig sei und ein solcher Grund hier nicht erkennbar sei: Der insoweit beweisbelastete Kläger habe nicht genügend nachgewiesen, dass die Einsichtnahme gerade für seine Interessen als Aktionär relevant sei. Vielmehr habe er die Aktien nur erworben, um die mit der Aktionärsstellung verbundenen Rechte ausüben zu können. Sein einziges Ziel sei es gewesen, die Gesellschaft von seinen eigenen sozialen und politischen Bedenken zu überzeugen.25 Damit sprach sich das Gericht für ein rein wirtschaftliches Verständnis des proper purpose-Erfordernisses aus. Zugleich stellte es allerdings klar, dass auch solchen Aktionären Einsicht in die Gesellschaftsunterlagen zu gewähren sei, die Bedenken gegen die Waffenproduktion von Honeywell hegen. Dazu müsse das Einsichtsersuchen aber von den lang- und kurzfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Gesellschaft motiviert sein, die von dieser Produktion ausgehen.26 III. Gründe der Bedeutungslosigkeit des Einsichtsrechts in der Praxis Dass das Einsichtsrecht in der Praxis des gesellschaftspolitischen Aktionärsaktivismus bereits seit Beginn der 1970er keine Rolle mehr spielt, mag auf den ersten Blick überraschend wirken. Schließlich wäre es den auch ansonsten nicht an kreativen Ideen mangelnden Aktionärsaktivisten ein Leichtes gewesen wäre, ihre Einsichtsbegehren mit den möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen einer bestimmten ethisch bedenklichen Geschäftstätigkeit zu begründen.27 Im Vergleich zum Aktionärsantragsrecht nach Rule 14a-8 weist das Einsichtsrecht aber gleich mehrere Nachteile auf, die für seine geringe praktische Bedeutung verantwortlich sind. Erstens erstreckt es sich lediglich auf materialisierte Vorgänge, was 24 25 26 27

Vgl. dazu noch § 6 C. I. 2. 191 N.W. 2d 406, 411. 191 N.W. 2d 406, 412. So die zutr. Einschätzung von Engle, 57 Syracuse L. Rev. 63, 80 (2006).

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

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voraussetzt, dass die Geschäftsleitung die fraglichen Vorgänge ordnungsgemäß dokumentiert und in den Akten belassen hat.28 Demgegenüber kann mit einem Aktionärsantrag auch die Offenlegung nicht aktenkundiger Informationen empfohlen werden. Zweitens ist die nicht selten mühevolle Aufgabe der Informationszusammenstellung und -ordnung beim Einsichtsrecht dem Aktionär zugewiesen, während mit einem Aktionärsantrag die Erstattung vollständiger Berichte angeregt werden kann, wodurch die Verwaltung mit der Aufbereitung der Informationen belastet ist. Und drittens muss der einsichtsbegehrende Aktionär sein (vermeintliches) Einsichtsrecht auf eigenes Risiko durchsetzen29, während bei einer Nichtveröffentlichung eines Aktionärsantrags die Rechtsdurchsetzung auch in der Verantwortung der SEC liegt.30

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen A. Einführung Aufgrund der Schwäche von Rede- und Einsichtsrecht konzentriert sich der nachhaltigkeitsorientierte Aktionärsaktivismus seit den Tagen seiner Entstehung auf das Recht zur Stellung von Aktionärsanträgen. Dieses erfährt durch die von der SEC geschaffene Rule 14a-8 eine bundesrechtliche Absicherung. Dieser shareholder proposal rule wurden seit ihrem Erlass vor annähernd 70 Jahren höchst unterschiedliche Attribute zugesprochen: Sie sei „corporate curiosity“ 31, „shareholder bill of rights“ 32, „last outpost for corporate democracy“ 33, „barometer of America’s political pressure“ 34, „Pandora’s Box“ 35, „town meeting

28 Darin liegt nach Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 351 der Schlüssel zur Aushöhlung dieses Rechts. 29 Vgl. Blumberg, 28 Bus. Law. 1025, 1043 (1973): „may involve substantial legal expense and, therefor, not be available to reform groups as a practical matter.“ 30 Vgl. § 8 C. 31 Palmiter, 45 Ala. L. Rev. 879, 879 (1994). 32 Bayne/Caplin/Emerson/Latcham, 40 Va. L. Rev. 387, 388 Fn. 12 (1954) unter Bezugnahme auf Vanderpoel, Chicago Sun-Times vom 16.10.1953, S. 44; ähnlich Tsuk Mitchell, 63 Wash. & Lee L. Rev. 1503, 1568 (2006): „bill of rights for investors“. Im Mai 2009 legte der US-Senator Charles Ellis Schumer einen Gesetzentwurf mit dem Titel „Shareholder Bill of Rights Act 2009“ vor, der den Aktionären von Gesellschaften im Anwendungsbereich des Securities Exchange Act 1934 unter anderem das Recht zur Abstimmung über die Direktorenvergütung einräumen soll, vgl. http://law.du.edu/ documents/corporate-governance/legislation/bill-text-shareholders-bill-of-rights-act-of2009.pdf. 33 Black/Sparks, 2 J. Corp. L. 1, 2 (1976). 34 Propp, 11 Sec. Reg. L. J. 99, 133 f. (1983). 35 Chilgren, 19 Bus. Law. 303, 304 (1963).

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

rule“ 36 und „one of the most widely known rules administred by a federal agency“ 37. I. Das Recht zur Stellung von Präsenzanträgen Um die Bedeutung der shareholder proposal rule ermessen zu können, muss man sich zunächst vor Augen führen, dass jedem Aktionär bereits jenseits des bundesrechtlichen Kapitalmarktrechts das Recht zusteht, auf der Hauptversammlung Anträge zur Abstimmung zu stellen (sog. floor proposals). In den proxy materials der betroffenen Aktiengesellschaft werden diese Anträge allerdings nicht veröffentlicht, so dass sie vom Prozess der gesellschaftseigenen Stimmrechtseinwerbung (proxy solicitation)38 ausgeschlossen sind. Obwohl das Recht zur Stellung eines floor proposals weder im Bundesrecht noch in den einzelnen bundesstaatlichen Gesellschaftsrechten ausdrücklich kodifiziert worden ist, wird es seit langem allgemein anerkannt.39 Mangels gesetzlicher Vorgaben erfährt das Recht zur Präsenzantragstellung in den Bylaws der meisten Gesellschaften eine nähere Ausgestaltung. Es wird dort regelmäßig mit einem Anzeigeerfordernis verknüpft, nach dem ein solcher Antrag nur dann zur Abstimmung gestellt werden darf, wenn sein Gegenstand dem Management bis zu einem bestimmten vor dem Hauptversammlungstermin liegenden Zeitpunkt mitgeteilt wurde.40 Um sicherzustellen, dass die Aktionäre von dieser Frist Kenntnis erlangen, verpflichtet die von der SEC erlassene Rule 14a-5 (e) zur Offenlegung des Fristendes in den proxy materials der Gesellschaften.41 Der Vorteil des Rechts zur Stellung von Präsenzanträgen liegt in seinen niedrigen Zulässigkeitshürden: Da die prozeduralen Einschränkungen der – im folgenden noch vorzustellenden – Rule 14a-8 hier nicht gelten, muss der Aktionär weder einen bestimmten Mindestaktienbesitz nachweisen noch seine Aktien über 36

Kominsky, 2 Entrepreneurial Bus. L. J. 573, 577 (2007). Black/Sparks, 11 U. Tol. L. Rev. 957 (1980). 38 Ausf. zu Geschichte und Gegenwart des proxy voting, insbesondere aus rechtvergleichender Perspektive, Lenz, Stimmrechtsvertretung, S. 133 ff.; Petzke, Stimmrechtsausübung, S. 13 ff.; Ruoff, Stimmrechtsvertretung, S. 177 ff.; Tuerks, Depotstimmrechtspraxis, S. 73 ff. und S. 112 ff. 39 Bayne/Caplin/Emerson/Latcham, 40 Va. L. Rev. 387, 404 (1954); Freeman, 34 U. Det. L. J. 549, 549 f. (1957); Garrett, 51 Nw. U. L. Rev. 310, 333 f. (1956); Ryan, 23 Geo. L. Rev. 97, 106 (1988); Schwab/Thomas, 96 Mich. L. Rev. 1018, 1059 ff. (1998). 40 Vgl. Art. 1 Nr. 13 der Bylaws der Pfizer Inc. vom 23.10.2008 (60 Tage vor dem Tag der Hauptversammlung), abrufbar unter http://www.pfizer.com/files/investors/cor porate/bylaws.pdf; Art. 2 Sec. 5 (b) der Bylaws der Wal-Mart Stores Inc. vom 21.09. 2006 (75 Tage vor dem Tag der Hauptversammlung), abrufbar unter http://walmart stores.com/media/Investors/bylaws.pdf. 41 Rule 14a-5 (e): „All proxy statements shall disclose, under an appropriate caption, the following dates: [. . .] The date after which notice of a shareholder proposal submitted outside the processes of Rule 14a-8 is considered untimely [. . .]“ 37

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einen bestimmten Zeitraum hinweg gehalten haben. In materiellrechtlicher Hinsicht ist der Antrag zudem nur dann unzulässig, wenn der Antragsgegenstand nicht in die Zuständigkeit der Aktionäre fällt (proper subject), was gegenüber dem umfangreichen Ausnahmekatalog der Rule 14a-8 eine deutliche Erleichterung darstellt.42 Der entscheidende Nachteil des Präsenzantragsrechts liegt freilich auf Hand: Die US-amerikanische Hauptversammlungspraxis ist wegen des größeren Streuungsgrads der Aktien noch mehr als die deutsche davon geprägt, dass nur ein verschwindend geringer Teil der Aktionäre physisch präsent ist. Die Abstimmung der Aktionäre findet faktisch nicht auf dem annual meeting, sondern durch die Erteilung der Stimmrechtsvollmachten im Vorfeld des Aktionärstreffens statt.43 Da Präsenzanträge nicht in den Stimmrechtsunterlagen der Gesellschaft mitgeteilt werden und nicht an der gesellschaftseigenen Stimmrechtseinwerbung teilnehmen, bestehen für den Antragsteller unüberwindliche Schwierigkeiten, genügend Zustimmung im Kreis der Aktionäre zu generieren. Die Möglichkeit einer eigenständigen Stimmrechtseinwerbung des Antragstellers stellt aufgrund der damit verbundenen Kosten regelmäßig keine ökonomisch sinnvolle Alternative dar. Angesichts dieses Defizits ist das Recht zur Präsenzantragsstellung schon früh als reine Farce bezeichnet worden.44 In der Praxis des gesellschaftspolitischen Aktionärsaktivismus spielt es deshalb seit jeher nur eine vernachlässigbare Rolle.45 II. Das Recht auf Antragsveröffentlichung nach Rule 14a-8 Um die Defizite des Präsenzantragsrechts zu beseitigen wurde im Bundesrecht bereits im Jahre 1942 ein Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen in den Stimmrechtsunterlagen der Gesellschaft verankert (shareholder proposal rule). 1. Überblick zum Verfahrensablauf Dieses Recht, das heute in der von der SEC geschaffenen Rule 14a-8 seine rechtliche Grundlage findet, steht jedem stimmberechtigten Aktionär zu, der mindestens 1 Jahr lang Aktien im Marktwert von 2.000 $ oder 1 % der stimmbe42

Vgl. Schwab/Thomas, 96 Mich. L. Rev. 1018, 1061 (1998). Vgl. dazu noch § 6 B. II. 1. 44 Vgl. Bayne/Caplin/Emerson/Latcham, 40 Va. L. Rev. 387, 404 (1954): „[T]he right to raise the issue on the floor is a mere mockery. The meetings are held in the homes of the various shareholders.“ 45 Eine gewisse Bedeutung haben Präsenzanträge hingegen in der Praxis des gewerkschaftlichen Aktionärsaktivismus, wobei allerdings nur klassische Corporate Governance-Aspekte aufgegriffen werden, vgl. Schwab/Thomas, 96 Mich. L. Rev. 1018, 1059 (1998). 43

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rechtigten Aktien der Gesellschaft gehalten hat.46 Jeder Aktionär darf dabei nur einen einzigen Antrag stellen, den er der Gesellschaft fristgerecht zuzuleiten hat (vgl. Abbildungen 1–3).47 Diese hat sodann die Wahl, den Antrag anzuerkennen und ihn in ihren proxy materials zu veröffentlichen oder seine Veröffentlichung abzulehnen. Im letzteren Fall ist die Gesellschaft verpflichtet, den Antrag der SEC zuzuleiten und ihre Ablehnung zu begründen. Das Anschreiben der Gesellschaft an die SEC wird dabei gemeinhin als „no-action request“ bezeichnet.48 Mit dieser Bezeichnung wird die Anlehnung des Verfahrens an den informellen no-action process der SEC zum Ausdruck gebracht, in dem die Behörde auf Anfrage hin erklären kann, ob eine geplante Kapitalmarkttransaktion mit dem Kapitalmarktrecht vereinbar ist und ob sie im Falle der Umsetzung rechtliche Schritte dagegen vorzunehmen beabsichtigt.49 Im Gegensatz zum herkömmlichen noaction process ist die Anfrage bei der beabsichtigten Ablehnung eines Aktionärsantrags aber nicht fakultativ, sondern verpflichtend. Geht der SEC die Anzeige einer beabsichtigten Nichtveröffentlichung eines Aktionärsantrags zu, so prüft sie anhand der von Gesellschaft und Antragsteller vorgetragenen Argumente die kapitalmarktrechtliche Zulässigkeit dieses Verhaltens. Dabei untersucht sie insbesondere, ob der Antrag den formellen Voraussetzungen der Rule 14a-850 entspricht und tatsächlich kein Ausnahmetatbestand erfüllt ist, der die Gesellschaft zur Nichtveröffentlichung des Antrags berechtigen würde.51 Nach Abschluss des Prüfungsverfahrens ist die SEC berechtigt, aber nicht verpflichtet52, der Gesellschaft ihre Haltung in einem „No-Action Letter“ 53 (auch: „No-Action Response“)

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Vgl. ausf. § 7 B. I. Hierzu ausf. § 7 B. II. 48 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07. 2001, B.4., abrufbar unter http://www.sec.gov/pdf/cfslb14.pdf. 49 Vgl. Lemke, 42 Bus. Law. 1019, 1019 f. (1987). 50 Siehe § 7 B. 51 Dazu ausf. § 7 C. 52 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07. 2001, B.8. 53 Eine griffige Übersetzung für diesen Begriff zu finden ist schwierig, letztlich aber auch entbehrlich. Das Wörterbuch für Recht, Wirtschaft und Politik von Dietl/Lorenz, S. 541 schlägt „verbindliche Auslegung eines Tatbestandes unter dem Wertpapierrecht durch die Securities and Exchange Commission“ als Übersetzung vor, was im Hinblick auf die fehlende Bindungswirkung ungenau erscheint. Ähnlichkeiten weist der No-Action Letter zur Unbedenklichkeitsbescheinigung des § 53 Abs. 3 Außenwirtschaftsverordnung auf. Die SEC selbst definiert den Begriff wie folgt: „A ,no-action‘ letter is one in which the staff of the Commission indicates that, on the basis of the facts presented to it, it will not recommend that the Commission institute any enforcement action with respect to the matter discussed in the incoming correspondence.“, vgl. SEC Securities Exchange Act Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,996 (1976). Allg. zum kapitalmarktrechtlichen Instrument des No-Action Letter Lowenfels, 71 Colum. L. Rev. 1256 (1971); ders., 59 Va. L. Rev. 303 (1973) sowie Nagy, 83 Cornell L. Rev. 921 (1998). 47

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Abbildung 1: Begleitschreiben zu einem Aktionärsantrag der Organisation Amnesty International USA an die Citigroup, Inc.

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Abbildung 2: Begleitschreiben zu einem Aktionärsantrag der Organisation Amnesty International USA an die Citigroup, Inc. (Fortsetzung)

mitzuteilen (vgl. Abbildungen 4 und 5). In der Praxis nimmt die SEC stets zur Zulässigkeit der beabsichtigten Nichtveröffentlichung des Aktionärsantrags Stellung. Die Begründung beschränkt sich jedoch im Regelfall auf eine Nennung der einschlägigen bzw. – im Fall eines zulässigen Antrags – nicht einschlägigen Passagen der Rule 14a-8. Nur in den seltensten Fällen formuliert die SEC eine ausführliche Begründung.54 In der Literatur ist die Rolle der SEC im System der Aktionärsanträge häufig mit der eines Schiedsrichters verglichen worden.55 Das mag rein faktisch zutreffen, denn sie ist unparteiisch und vermag es, den zwischen einer Gesellschaft und einem Antragsteller bestehenden Streit um die Zulässigkeit eines Aktionärsantrags zu schlichten. Aus rechtlicher Perspektive ist diese Umschreibung allerdings ungenau, da die Aussagen des No-Action Letters sowohl für die Gesellschaft als auch für die Gerichte unverbindlich sind.56

54 Vgl. etwa § 6 D. III. 2. zur folgenreichen Kehrtwende in der Frage der Zulässigkeit beschäftigungsbezogener Aktionärsanträge. 55 Black/Sparks, 2 J. Corp. L. 1 (1976) m.w. N. 56 Eingehend zu den Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Entscheidungen der SEC im Aktionärsantragsverfahren § 8.

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Abbildung 3: Aktionärsantrag der Organisation Amnesty International USA an die Citigroup, Inc., in dem eine Berichterstattung über Menschenrechtsfragen angeregt wird

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

Abbildung 4: Begleitschreiben zur Stellungnahme der Securities and Exchange Commission gegenüber der Citigroup., Inc.

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Abbildung 5: Stellungnahme der Securities and Exchange Commission zur Zulässigkeit der geplanten Nichtveröffentlichung des von Amnesty International USA gestellten Antrags

2. Funktionale Betrachtung veröffentlichungspflichtiger Aktionärsanträge In der gesellschafts- bzw. kapitalmarktrechtlichen Literatur der USA wird die Funktion veröffentlichungspflichtiger Aktionärsanträge im Wesentlichen in zwei Richtungen gedeutet. Zum einen wird die horizontale und vertikale Kommunikationsfunktion (Informationsdistributionsfunktion) der Anträge betont: Aktionärsanträge ermöglichen sowohl den Dialog zwischen den Aktionären und der Unternehmensführung als auch innerhalb des Kreises der Aktionäre.57 Dabei ist es allerdings in erster Linie die Verwaltung, die durch den Antrag auf ein bestimmtes Anliegen von Aktionären hingewiesen wird und die aufgrund des Abstimmungs-

57 Dhir, 43 Am. Bus. L. J. 365, 374 (2006): „Indeed, these proposals are one of the few corporate tools available to initiate shareholder-to-shareholder and shareholder-tomanagement dialogues.“; ähnlich Neuhauser, 17 J. Corp. L. 213 (1991).

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ergebnisses Rückschlüsse auf die Dringlichkeit des Antragsgegenstands sowie den Rückhalt des Anliegens im Aktionärskreis ziehen kann.58 Zum anderen wird die Informationserzeugungsfunktion der Aktionärsanträge herausgestellt: Danach stellen Aktionärsanträge ein effektives Instrument dar, um Unternehmensinformationen offen zu legen und so zur Transparenz vor allem auch sozialer und ökologischer Aspekte der Geschäftstätigkeit beizutragen.59 Inwieweit diese Funktionen durch Aktionärsanträge tatsächlich verwirklicht werden, ist an anderer Stelle zu erörtern.60 3. Überblick zur Entwicklung der shareholder proposal rule Rule 14a-8 hat in der Zeit ihres Bestehens eine wechselvolle Geschichte wie kaum eine andere Norm des US-amerikanischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts durchlebt und dabei immer wieder für heftige Debatten in der Wissenschaft und zwischen Unternehmensleitungen und Investoren gesorgt. Die gegenwärtige Rechtslage ist das Ergebnis eines sich über Jahrzehnte erstreckenden Reformprozesses. Zahlreiche Charakteristika des sozial-ökologischen Aktionärsaktivismus der Gegenwart werden nur aufgrund lang zurückliegender Weichenstellungen der SEC verständlich. Aus diesem Grunde ist eine intensive Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklung der shareholder proposal rule unumgänglich.61 Die Entwicklung lässt sich bislang in vier Phasen einteilen: Die vom Anfang der 1930er Jahre bis 1966 andauernde Frühphase markierte einen ersten Höhepunkt des Aktionärsengagements zu klassischen Themen guter Unternehmensführung, die mit zum Teil hektischen Novellierungsaktivitäten seitens der SEC einhergingen (unten B.). Die bereits in diesem Zeitraum erkennbaren Versuche einer Ausübung des Antragsrechts zur Thematisierung gesellschaftspolitischer Anliegen legten den Grundstein für die ab 1967 einsetzende massenhafte Nutzung, die bis heute anhält. Die Verwendung der shareholder proposal rule als Instrument zivilgesellschaftlichen Protests wurde in der zweiten Phase durch eine liberale Haltung der SEC stark befördert (unten C.). Dies änderte sich erst mit dem Amtsantritt der Reagan-Administration Anfang der 1980er Jahre. Die SEC war in dieser dritten Phase bemüht, gesellschaftspolitisches Aktionärsengagement einzudämmen, da dieses nun als rechtsmissbräuchlich angesehen 58

Vgl. Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 1994 f. (1992). Propp, 11 Sec. Reg. L. J. 99, 130 (1983): „shareholder resolutions are also useful as a method for adding new information to the corporation information-gathering network“; ebenda, 133: „shareholder resolutions [. . .] offer an unusual opportunity for improving the information flow between a corporation and the public“; vgl. auch Sobering, 60 N.C.L. Rev. 145, 158 f. (1981). 60 Vgl. dazu § 11 A. II. sowie § 11 B. IV. 61 Die Bedeutung der historischen Entwicklung für das Verständnis des geltenden Rechts erklärt auch, weshalb ihr in nahezu jedem US-amerikanischen Aufsatz zu Rule 14a-8 breiter Raum eingeräumt wird. 59

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wurde (unten D.). Diese Skepsis ist seit 1998 erneut einer Haltung gewichen, die den grundsätzlichen Wert eines nachhaltigkeitsorientierten Engagements von Aktionären anerkennt (unten E.). Für diesen Wandel ist neben der langen Dominanz demokratischer Amtsträger im Führungsgremium der SEC auch die zunehmende Professionalisierung und Institutionalisierung des sozial-ökologischen Aktionärsaktivismus mitursächlich.

B. 1932–1966: Die Anfangsjahre des Aktionärsaktivismus Die Geschichte des US-amerikanischen Aktionärsaktivismus reicht bis in die Jahre der Großen Depression zurück. Allerdings war die Ausübung des Aktionärsantragsrechts als Instrument zur Beeinflussung der Verwaltung bis gegen Ende der 1960er Jahre bei weitem nicht in dem Maße verbreitet, wie es heute der Fall ist. Vielmehr machte lediglich eine Handvoll Aktionäre regelmäßig von der Möglichkeit Gebrauch, andere Aktionäre über ihre Vorschläge abstimmen zu lassen. Damit ist zum einen die Frage aufgeworfen, weshalb einzelne Aktionäre zu Beginn der 1930er Jahre begannen, von ihren Rechten intensiven Gebrauch zu machen. Hieran anschließend muss die Frage beantwortet werden, wie die rechtsetzenden Institutionen auf diese Entwicklung reagierten. Im Folgenden sollen deshalb zunächst die Ausgangsbedingungen herausgearbeitet werden, die zur Entstehung des Aktionärsaktivismus führten und die maßgeblichen Antragsteller und Themenschwerpunkte dargestellt werden (unten I.). Anschließend soll der Blick auf die Entwicklung der für die Ausübung des Antragsrechts maßgeblichen rechtlichen Rahmenbedingungen gelenkt werden, die in einem Zeitraum von 30 Jahren nicht weniger als siebenmal Änderungen unterworfen waren (unten II.–XI.). I. Zur Praxis des Aktionärsaktivismus in den 1930er–1960er Jahren 1. Antragsteller der ersten Stunde Ausgangspunkt für die Entstehung des US-amerikanischen Aktionärsaktivismus war die Hauptversammlung der New York City’s Consolidated Gas Co. des Jahres 1932. Entsprechend den damaligen Usancen des Ablaufs eines annual meeting verlas der Vorsitzende des Board lediglich den Jahresbericht und schloss sodann die Versammlung, obwohl einige Aktionäre Fragen an ihn richten wollten. Unter ihnen war Lewis Gilbert62, der dies zum Anlass nahm, um in den darauf folgenden Jahrzehnten als aktivster Einzelaktionär der USA für Aktionärs62 Näher zu Person und Wirken Brey, 26 U. Chi. L. Rev. 58, 71 f. (1957); Livingston, The American Stockholder, S. 81 ff.; Thywissen, WM 1977, 938; Wiethölter, Interessen, S. 265.

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rechte und gute Unternehmensführung zu streiten63 und die „stille Diktatur über das Geld anderer Leute“ 64 zu bekämpfen. Zusammen mit seinem Bruder John besuchte er ab den 1930er Jahren jährlich zum Teil mehr als 100 Hauptversammlungen, um die Verwaltungen vor Ort mit seinen Vorstellungen von guter Unternehmensführung zu konfrontieren. Die Aktionärsaktivisten der ersten Stunde mussten sich dabei zunächst darauf beschränken, von ihrem Recht auf Hauptversammlungsteilnahme sowie ihrem Recht zur Stellung von Präsenzanträgen (floor proposals) Gebrauch zu machen. Nachdem das Aktionärsantragsrechts im Jahr 1942 bundesrechtlich abgesichert worden war65, verlagerte sich die Debatte vom Ort der Hauptversammlung weitestgehend in die Stimmrechtsunterlagen der Gesellschaften, wodurch eine Einbeziehung der mehrheitlich nicht physisch an der Hauptversammlung teilnehmenden Aktionäre in die Debatte jedenfalls im Grundsatz ermöglicht wurde. 2. Themenschwerpunkte Die weit überwiegende Zahl der Aktionärsanträge befasste sich in den 1930er bis 1950er Jahren mit klassischen Fragen guter Unternehmensführung66, die zum Teil bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben. Eines der ersten Themen, das von den Aktivisten in zahlreichen Gesellschaften zur Sprache gebracht wurde, war der Ort der Hauptversammlung. Dieser sollte künftig so gewählt werden, dass er von einer Mehrzahl der Aktionäre ohne größere Schwierigkeiten zu erreichen war. Die Aktivisten beabsichtigten damit der damals weit verbreiteten Praxis entgegenzuwirken, die Versammlungen an abgelegenen, nur schwer zugänglichen Orten abzuhalten.67 Bereits sehr früh wurden auch Anträge zur Veröffentlichung von Hauptversammlungsprotokollen, gegen die Staffelung der BoardMitgliedschaft (staggered board) 68, zur Wahl unabhängiger Direktoren sowie zur Aufhebung der Personalunion von CEO und Board-Vorsitzendem gestellt. Wei63 Vgl. Gilbert, Dividends and Democracy, S. 20: „I had been publicy humiliated by my own employees. I was a partner in the business but I was treated like a tramp who could be put off with a handout.“; ausf. zu Person und Wirken Gilberts Emerson/Latcham, 19 U. Chi. L. Rev. 807, 830 f. (1952). 64 Talner, Origins, S. 2. 65 Vgl. dazu § 6 B. III. 66 Talner, Origins, S. 2. 67 Nach heute geltendem Recht kann die Hauptversammlung entsprechend den Bestimmungen der articles bzw. bylaws innerhalb oder außerhalb des Inkorporationsstaates abgehalten werden, vgl. nur § 211 (a)(1) Delaware General Corporation Law; siehe dazu auch § 7.01 (b) R.M.B.C.A., § 600 (a) California Corporation Code, die aber abweichend vom Recht in Delaware bei Fehlen einer solchen Bestimmung in den Gesellschaftsdokumenten das Ortsbestimmungsrecht nicht in das Ermessen des Board stellen, sondern den Firmensitz für maßgeblich erklären. 68 Als Präventivmaßnahme gegen Übernahmeangebote haben sich zeitlich gestaffelte Mandatslaufzeiten bis in das 21. Jahrhundert erhalten können, vgl. ausf. Bebchuk/ Coates/Subramanian, 54 Stan. L. Rev. 887 (2002). Die tatsächliche praktische Bedeu-

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tere Diskussionsschwerpunkte waren die Einführung von Bezugsrechten bei Kapitalerhöhungen sowie die als übermäßige empfundene Vergütung der Mitglieder der Verwaltung. Nur ein Bruchteil der Aktionärsanträge befasste sich demgegenüber mit sozialpolitischen Fragestellungen. Die Gründe dafür sind einerseits in der restriktiven Handhabung derartiger Anträge durch die SEC69 zu suchen, andererseits im bis in die Mitte der 1960er Jahre herrschenden Zeitgeist – zumindest oberflächlicher – politischer und sozialer Zufriedenheit.70 Wie auch die Aktivisten späterer Jahrzehnte nahmen die Aktivisten der 1940er und 1950er Jahre bei der Thematisierung gesellschaftlicher Missstände eine Vorreiterrolle ein. Einige der zukünftigen, teilweise bis heute geführten gesellschaftspolitischen Debatten warfen hier in Form von Aktionärsanträgen ihre Schatten voraus. Prominenteste Vertreter der „politischen“ Aktionsaktivisten waren die „Aktionärssuffragette“ 71 Wilma Soss und James Peck, die sich in Vorgehensweise und Thematik jedoch deutlich voneinander unterschieden. Peck war der erste Aktivist, der Aktien ausschließlich erwarb, um die Verwaltung eines Unternehmens mit gesellschaftspolitischen Themen zu konfrontieren. Als Mitglied der US-Bürgerrechtsorganisation Congress of Racial Equality (CORE) kämpfte er gegen die Rassentrennung und versuchte, dieses Thema durch Nutzung des Aktionärsantragsrechts zu adressieren.72 Er gilt als Begründer des „radikalen“ Flügels der politischen Aktionärsaktivisten. Demgegenüber rückte Soss die Gleichberechtigung der Frauen in den Mittelpunkt ihres Wirkens.73 Nachdem sie 1947 auf der Hauptversammlung der U.S. Steel Corp. mit ihrem Antrag auf Wahl einer Frau in den Board gescheitert war und das machistische Auftreten der Verwaltungsmitglieder als erniedrigend empfand74, gründete sie die Federation of Women Shareholders, die fortan auf zahlreichen Hauptversammlungen Aktionärsanträge zur Einführung einer Frauenquote stellte.75 In der Argumentationsweise war Soss dabei weniger radikal als tung ist allerdings umstritten, vgl. Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 1384 (S. 655) m.w. N. 69 Vgl. § 6 B. IV. zum sog. Bane-Statement. 70 Vgl. Harnisch, 6 J. L. & Pol. 415, 422 (1990). 71 Thywissen, WM 1977, 938. 72 Siehe dazu noch § 6 B. VIII. sowie Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 371 und 374 f. (2002). 73 Zu ihr Livingston, The American Stockholder, S. 126 ff.; Wiethölter, Interessen, S. 266. 74 „If they had treated me better there would have been no Federation of Women Shareholders.“, zit. nach Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 371 (2002). Ausf. zu Soss und ihrer Mitstreiterin Evelyn Davis Dosmar, K. J., „Fernglas, Tropenhelm und Minirock“, Die Zeit 19/1967, S. 35: „Schrecken der Generalversammlungen“, „weibliche Kreuzfahrer der Aktien“. 75 Vgl. zur nach wie vor bestehenden Aktualität dieses Anliegens die Anträge der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 16/5279 sowie BT-Drs. 17/797, sowie den Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von

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Peck. In der Begründung ihrer Anträge beschränkte sie sich nicht darauf, die Gleichberechtigung der Frauen als gesellschaftspolitisch wünschenswertes Ziel herauszustellen, sondern betonte, dass die Beteiligung von Frauen im wohlverstandenen Eigeninteresse der Gesellschaft sei.76 Sie kann deshalb als erste Vertreterin des gemäßigten Flügels der Aktionärsaktivisten angesehen werden, der die Berücksichtigung gesellschaftspolitischer Aspekte in eine unmittelbare Beziehung zum Geschäftserfolg rückte.77 Der kleine Kreis von Aktionären, der vom Aktionärsantragsrecht Gebrauch machte, spiegelt sich auch in der Anzahl der gestellten Anträge wieder, die im Vergleich zu späteren Jahrzehnten überschaubar blieb. Im Zeitraum von 1943 bis 1947 registrierte die SEC jährlich durchschnittlich nur 27 und zwischen 1948 bis 1951 durchschnittlich 72 Anträge. Nach dem verfügbaren Zahlenmaterial wurde bis zum Beginn der 1970er Jahre nahezu jeder zweite Aktionärsantrag von den Gebrüdern Gilbert gestellt.78 II. Auf dem Weg zur Rule X-14A-7 1. Rechtliche und faktische Ausgangslage Um die Entstehung des Aktionärsaktivismus nachvollziehen zu können, ist es zunächst erforderlich, sich die Hauptversammlungswirklichkeit und die Machtverteilung in der börsennotierten US-amerikanischen Aktiengesellschaft in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu verdeutlichen. Die Aktionärsstruktur vieler Großunternehmen war bekanntlich von einer weiten Streuung und Atomisierung des Anteilsbesitzes (dispersed ownership) gekennzeichnet.79 Die kleinteiAufsichtsräten der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 17/3296, die vorsehen, dass den Aufsichtsräten deutscher Aktiengesellschaften mindestens 40 % Frauen angehören. Vgl. auch Ziff. 5.4.1 Satz 2 des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 26.05.2010: „Der Aufsichtsrat soll für seine Zusammensetzung konkrete Ziele benennen, die unter Beachtung der unternehmensspezifischen Situation die internationale Tätigkeit des Unternehmens, potentielle Interessenskonflikte, eine festzulegende Altersgrenze für Aufsichtsratsmitglieder und Vielfalt (Diversity) berücksichtigen. Diese konkreten Ziele sollen insbesondere eine angemessene Beteiligung von Frauen vorsehen.“ Vorbildregelungen existieren seit einiger Zeit in Norwegen und Spanien, wo eine Frauenquote für die Verwaltungsorgane börsennotierter Aktiengesellschaften gesetzlich vorgeschrieben ist und mit großem Erfolg praktiziert wird, vgl. ausf. Frost, AG 2007, 601 ff.; François-Poncet/Deilmann/Otte, NZG 2011, 450; Spindler/ Brand, NZG 2011, 401 m.w. N. 76 Vgl. Emerson/Latcham, Shareholder Democracy, S. 143 m.w. N. 77 Auch Lewis Gilbert thematisierte vereinzelt die politischen Auswirkungen von Geschäftsentscheidungen, so 1941 die Öllieferungen der Standard Oil Co. an die Achsenmächte. Im Gegensatz zu Peck und Soss entwickelte er daraus jedoch keine mehrjährige Kampagne. 78 Emerson/Latcham, 19 U. Chi. L. Rev. 807, 832 f. (1952); Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 379 (2002).

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lige Zersplitterung des Aktienkapitals hatte innergesellschaftlich die nahezu unumschränkte Herrschaft der Verwaltung zur Folge. Die ihr ohnmächtig gegenüberstehenden Aktionäre fielen sowohl aus faktischen als auch aus rechtlichen Gründen als Kontroll- und Überwachungsinstanz aus. Ihrer geringen Beteiligungsgröße entsprach ein geringer Anreiz zur Beaufsichtigung der Verwaltung: Der typische Aktionär kassierte seine – vom Board festgesetzte – Dividende, erteilte womöglich noch Stimmrechtsvollmachten für Abstimmungen, verhielt sich ansonsten aber passiv. Das durch die rationale Apathie der Aktionäre80 entstandene Verantwortungsvakuum wurde zusätzlich noch dadurch verstärkt, dass namentlich das Recht der Aktionäre auf Beteiligung an Abstimmungen nur unzureichend gegen eine Aushöhlung durch die Verwaltung abgesichert war. Die Abstimmungsbeteiligung in Form einer höchstpersönlichen Teilnahme der Aktionäre an der Hauptversammlung stellte dabei schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts eher die Ausnahme denn die Regel dar, was nicht zuletzt auf die zu bewältigenden räumlichen Distanzen zwischen Aktionär und dem Ort der Hauptversammlung zurückzuführen war. Stattdessen ersuchte die Verwaltung die Aktionäre schriftlich um die Erteilung von Stimmrechtsvollmachten, um das erforderliche Abstimmungsquorum sicherzustellen.81 Dabei entwickelten sich fragwürdige, wenn nicht gar missbräuchliche82 Praktiken: Die Aktionäre der meisten Gesellschaften erhielten einmal jährlich eine mit kleiner Schrifttype bedruckte Postkarte, mit der der Board auf Erteilung einer Vollmacht drängte. Bis auf die Wahl der Direktoren wurden die Abstimmungsgegenstände nicht näher spezifiziert, sondern um Erteilung einer Blankovollmacht für alle sonstigen zweckmäßigen Abstimmungen gebeten. Der Erfolg dieser Methode gab den Verwaltungen Recht: Viele Aktionäre füllten die Postkarte routinemäßig und kritiklos ganz im Sinne der Verwaltung aus und sandten sie wieder an die Gesellschaft zurück.83 Die bundesstaatlichen Gesellschaftsrechtsordnungen traf diese Entwicklung gänzlich unvorbereitet.84 Zwar wurde die Stimmrechtsvertretung in nahezu allen 79 Vgl. grundlegend Berle/Means, Modern Corporation, S. 84 ff., 90 ff. sowie Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 14; Wiethölter, Interessen, S. 10 ff.; daran hat sich bis heute nur wenig geändert, vgl. Siems, Konvergenz, S. 358 ff. 80 Dazu bereits § 3 D. I. 81 Die Entwicklung der Stimmrechtsvollmacht war also eine „technische Notwendigkeit“ und keine „listenreiche Erfindung der Verwaltung“ zur Stärkung der „Verwaltung an sich“, was Wiethölter, Interessen, S. 249 überzeugend dargelegt hat. Vgl. auch Garrett, 51 Nw. U. L. Rev. 310, 313 (1956). 82 Kennedy, 20 Bus. Law. 273, 274 (1965). 83 Vgl. 10 SEC Annual Report 51 (1944), zit. nach von Mehren/McCarroll, 29 L. Cont. Prob. 728, 728 Fn. 2 (1964); anschaulich auch Friedman, 63 Harv. L. Rev. 796, 796 f. (1950) sowie Gusmano, 13 St. John’s L. Rev. 297, 299 (1939). 84 Eisenberg, 83 Harv. L. Rev. 1489, 1492 f. (1970); O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 228 Fn. 48 (1984).

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Bundesstaaten ausdrücklich zugelassen.85 Weder das case law noch die bereits erlassenen gesellschaftsrechtlichen Kodifikationen trafen aber nähere Aussagen zur Gestaltung der Vollmachtsurkunde und zu den Grenzen der Vollmachtsausübung. Als besonders misslich muss rückblickend auch der Umstand angesehen werden, dass die allgemeinen Regeln der Stellvertretung nach damals herrschender Meinung im Verhältnis zwischen Aktionär und Stimmrechtsvertreter keine Anwendung fanden.86 Sie hätten den Vertreter zur Ausübung der Vollmacht nach den Geboten von Treu und Glauben sowie im wohlverstandenen Interesse des Geschäftsherrn verpflichtet. So blieb es vorerst dabei, dass vom Board handverlesene und deshalb loyale Stimmrechtsvertreter die eingeworbenen Stimmrechte zugunsten der vom Board aufgestellten Kandidaten ausübten und die Vollmachten für Abstimmungen nutzten, von denen die Aktionäre keine Kenntnis hatten. Kurzum: Das System der Stimmrechtsvollmachten führte dazu, dass die Aktionäre wählten, ohne auszuwählen, und dass sie abstimmten, ohne zu wissen, worüber. Die Mittel zur Abhilfe sollte erst der Securities Exchange Act 1934 bereitstellen, der auf die Beseitigung der Missstände im Wertpapierhandel abzielte, die für den Börsenkrach vom Oktober 1929 mitverantwortlich gemacht wurden. Obwohl der Schwerpunkt der Kodifikation auf anderen Aspekten lag87, befasste er sich auch mit der Stimmrechtseinwerbung im Vorfeld der Hauptversammlung. Im Gesetzgebungsverfahren wurde in dieser Hinsicht als größter Missstand angesehen, dass es der Praxis nicht gelungen sei, die traditionelle Aktionärs(präsenz)versammlung durch das System der Vollmachtseinwerbung in adäquater Weise nachzubilden. Ein Verbot von Stimmrechtsvollmachten und damit die Rückkehr zum Urtypus der Aktionärsversammlung wurde freilich als illusorisch verworfen. Die Lösung des Problems sollte vielmehr in der Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen liegen, die darauf abzielen sollten, den Prozess der Vollmachtseinwerbung den Bedingungen der Präsenzversammlung anzunähern.88 Der Gesetzgeber orientierte sich dabei zum einen am Leitbild einer „corporate democracy“ – verstanden im Sinne einer stärkeren Einbindung der Aktionäre in gesellschaftliche Entscheidungsprozesse – und zum anderen am Gedanken der Publizität. Die Gesetzgebungsmaterialien betonten deshalb die bedeutende Rolle

85 Dies geschah in bewusster Abkehr von dem bis weit in das 19. Jahrhundert hinein geltenden Common Law zu dieser Frage, vgl. ausf. zur Frühgeschichte des proxy voting Axe, 41 Mich. L. Rev. 38, 38 ff. (1942). 86 Vgl. zu den Gründen Duesenberg, 5 Buff. L. Rev. 286, 287 (1955). 87 Vgl. dazu die zeitgenössische Darstellung bei Tracy/MacChesney, 32 Mich. L. Rev. 1025 (1934). 88 So das an der Ausarbeitung des Gesetzes beteiligte Kommissionsmitglied Robert H. O’Brien bei einer Rede vor dem Conference Board am 21.01.1943, zit. nach Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 369 (2002); Schwartz, 69 Mich. L. Rev. 419, 438 Fn. 88 (1971); Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 635 (1977): „surrogate mechanism“.

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des Aktionärsstimmrechts (Schlagwort des „fair corporate suffrage“).89 Außerdem wurde es als notwendige Vorbedingung einer sachgerechten Stimmrechtsausübung angesehen, dass die Aktionäre im Vorfeld der Hauptversammlung nicht nur über die finanzielle Lage der Gesellschaft, sondern darüber hinaus auch über die wichtigsten auf der Hauptversammlung zur Entscheidung stehenden Fragen (major questions of policy) informiert werden.90 Über den richtigen Weg zur Verwirklichung dieser Ziele herrschte allerdings Streit. Aus diesem Grund enthielt das im Juni 1934 in Kraft getretene Gesetz im Gegensatz zur Entwurfsfassung91 keine konkreten Vorgaben für die Durchführung einer Stimmrechtseinwerbung, sondern delegierte diese Aufgabe an die neu geschaffene Wertpapier- und Börsenkommission. Die dafür maßgebliche, noch heute gültige Vorschrift – Sec. 14 (a) Securities Exchange Act – ermächtigt die SEC zur näheren Ausgestaltung des Verfahrens der Stimmrechtseinwerbung und verbietet zugleich jede Einwerbung, die diesen Verfahrensregeln nicht entspricht. Dass der SEC erteilte Mandat ist dabei denkbar weit gefasst, was angesichts der gesetzgeberischen Zurückhaltung nicht verwundern kann. Ihre Kompetenz umfasst den Erlass aller Regelungen, die sie als im öffentlichen Interesse oder zum Schutze der Anleger für erforderlich und angemessen hält.92 Somit verbleibt der SEC seither genügend Spielraum, auch das Recht zur Stellung von Aktionärsanträgen näher auszugestalten, das im Gesetzgebungsverfahren noch keine Rolle gespielt hatte.93 2. Proxy Rules 1935 Nur 15 Monate nach der Verabschiedung des Securities Exchange Act erließ die SEC im September 1935 die erste Generation der proxy rules 94, die auf die 89

Vgl. H.R. Rep. No. 1383, 73rd Cong., 2nd Sess. 13 (1934). Vgl. S. Rep. No. 792, 73rd Cong., 2nd Sess. 12 (1934). 91 Vgl. S. 2693, 73rd Cong., 2nd Sess. (1934); H.R. 7855, 73rd Cong., 2nd Sess. (1934). 92 Sec. 14 (a) Securities Exchange Act 1934: „It shall be unlawful for any person, by the use of the mails or by any means or instrumentality of interstate commerce or of any facility of a national securities exchange or otherwise, in contravention of such rules and regulations as the Commission may prescribe as necessary or appropriate in the public interest or for the protection of investors, to solicit or to permit the use of his name to solicit any proxy or consent or authorization in respect of any security (other than an exempted security) registered pursuant to Section 12 of this title.“; ausf. zur Geschichte dieser Norm Ryan, 23 Geo. L. Rev. 97, 123 ff. (1988); informativ zur Arbeitsweise der SEC in der Spätphase des New Deal Nicholas, 16 J. Pol. Hist. 212 (2004). 93 Dent, 30 N. Y. L. Sch. L. Rev. 1, 2 f. (1985); Schwartz, 69 Mich. L. Rev. 419, 437 (1971): „Thoughts of shareholder proposals surely were distant from Congress’ mind when it adopted the 1934 Act.“; unzutreffend deshalb die Aussage von Choi, 17 Duke Envtl. L. & Pol. F. 165, 168 (2006), das Aktionärsantragsrecht sei im Securities Exchange Act 1934 geregelt worden. 94 SEC Securities Exchange Act Release No. 34-378 (Sep. 24, 1935). 90

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Beseitigung der offensichtlichsten Missstände im System des Vollmachtsstimmrechts abzielten.95 Da diese sog. LA Rules unter erheblichen Zeitdruck zustande gekommen waren, beschränkten sie sich auf einige wenige grundlegende Leitlinien der Stimmrechtseinwerbung. Im Mittelpunkt stand dabei die noch heute in Rule 14a-9 verankerte Regelung, dass die Vollmachtsunterlagen keine wesentlich falschen oder irreführenden Angaben (materially false and misleading statements) enthalten dürfen. Sie verpflichteten zudem zur Offenlegung der Identität des Stimmrechtseinwerbers, zur Information über ein Handeln des Werbers in fremdem Namen und zur Vergütung des Werbers für sein Tätigwerden. Schließlich forderten sie eine summarische Angabe der Abstimmungsgegenstände, für die die Vollmacht erteilt sein sollte und die Offenlegung des geplanten Abstimmungsverhaltens des Vertreters.96 Zum Aktionärsantragsrecht trafen diese Vorschriften hingegen noch keine Aussage. 3. Proxy Rules 1938 und Behandlung von Aktionärsanträgen durch die SEC Die LA Rules erwiesen sich alsbald jedoch als völlig unzureichend, so dass bereits 1938 die zweite Generation der proxy rules unter der Bezeichnung Regulation X-14 in Kraft trat.97 Da sich ihr Anwendungsbereich nur auf Gesellschaften erstreckte, deren Aktien an einer nationalen Börse notiert waren, blieb ihr Wirkungskreis sehr begrenzt.98 Nur etwa die Hälfte der größeren US-amerikanischen corporations wurden von den neuen proxy rules erfasst, während die restlichen Gesellschaften dem Recht des jeweiligen Inkorporationsstaates unterlagen, das regelmäßig weitaus geringere Anforderungen an die Stimmrechtseinwerbung stellte.99 In sachlicher Hinsicht verpflichteten die neuen Regeln die Verwaltung zur Erstellung eines standardisierten100 proxy statements, das an alle Aktionäre verschickt werden musste, die um die Erteilung von Stimmrechtsvollmachten ersucht wurden. Zugleich konkretisierten die neuen Regeln die Pflicht der Verwaltung zur Offenlegung sämtlicher Tagesordnungspunkte der anstehenden Haupt-

95 O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 226 (1984); v. Mehren/McCarroll, 29 L. Cont. Prob. 728, 736 (1964). 96 Vgl. Note, 53 Harv. L. Rev. 1165, 1169 (1940). 97 SEC Securities Exchange Act Release No. 34-1823 (Aug. 11, 1938), 3 Fed. Reg. 1991 (1938); vgl. dazu Bernstein/Fischer, 7 U. Chi. L. Rev. 226, 229 ff. (1939) sowie Comment, 59 Geo. L. J. 1343, 1344 f. (1971). 98 Kritisch Emerson/Latcham, 59 Yale L. Rev. 635, 644 (1950). 99 Vgl. Bayne, 26 Ind. L. Rev. 207, 223 (1951); Tuerks, Depotstimmrechtspraxis, S. 76. 100 Ausf. zu Inhalt und Form des proxy statement Tuerks, Depotstimmrechtspraxis, S. 82 ff.

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versammlung gegenüber den Aktionären.101 Aktionärsanträge sparte aber auch diese zweite Generation der proxy rules aus. In der Verwaltungspraxis der SEC tauchten Aktionärsanträge erst 1939 auf, als die Behörde mit dem Stimmrechtsformular einer Gesellschaft befasst war, das keinerlei Hinweise auf zwei dem Management bekannte Aktionärsanträge enthielt. Die SEC qualifizierte dieses Stimmrechtsformular als irreführend (misleading), weil den Aktionären vorgespiegelt werde, dass Stimmrechtsvollmachten allein für die in dem Formular genannten Punkte benötigt würden. Zugleich wies es das Management der Gesellschaft an, die Aktionäre über die beiden Anträge zu unterrichten und ihnen die Möglichkeit einzuräumen, bereits erteilte Stimmrechtsvollmachten zu widerrufen.102 In Reaktion auf diese Entscheidung der SEC versuchten die Verwaltungen einiger Gesellschaften zunächst, ihre Verpflichtung zur Veröffentlichung von Aktionärsanträgen zu umgehen, indem sie in den Vollmachtsunterlagen um Stimmenrechtsvollmachten zur Ablehnung sämtlicher, im einzelnen nicht näher beschriebener Aktionärsanträge warben (sog. discretionary voting). Der dahinter stehende Gedanke, dass ein und derselbe Stimmrechtsvertreter nicht für und gegen einen Antrag zugleich stimmen könnte, wurde von der SEC 1940 ebenfalls verworfen, so dass Aktionärsanträge auch in einem solchen Fall veröffentlicht werden mussten.103 III. Rule X-14A-7 In der Folgezeit kam es im Vorfeld von Aktionärstreffen immer öfter dazu, dass einzelne Aktionäre der Gesellschaft ihre Absicht anzeigten, auf der Hauptversammlung einen bestimmten Antrag zur Abstimmung zu stellen. Diese Entwicklung veranlasste die SEC im Dezember 1942 dazu, die Handhabung von Aktionärsanträgen erstmals in den proxy rules zu kodifizieren und damit Antragstellern und Unternehmen eine stärkere Orientierung zu geben als dies die Verwaltungspraxis der vorangegangenen Jahre vermochte. Die neu eingefügte Rule X-14A-7104 verpflichtete zur Veröffentlichung eines Aktionärsantrags in den proxy materials, wenn das Management der Gesellschaft angemessen über die 101 Vgl. Friedman, 63 Harv. L. Rev. 796, 798 (1950). Die zentrale anti fraud-provision lautete: „No solicitation subject to Section 14 (a) of the act shall be made by means of any form of proxy, notice of meeting, or other communication containing any statement which, at the time and in the light of the circumstances under which it is made, is false or misleading with respect to any material face necessary in order to make the statements therein not false or misleading.“ 102 5 SEC Annual Report 62 (1939); dazu Dean, 24 Cornell L. Q. 483, 499 (1939). 103 SEC Securities Exchange Act Release No. 2376 (Jan. 12, 1940), 5 Fed. Reg. 174; vgl. dazu Clusserath, 40 Notre Dame L. 13, 15 (1964); Dent, 30 N. Y. L. Sch. L. Rev. 1, 3 (1985); Freeman, 34 U. Det. L. J. 549, 550 (1957). 104 SEC Securities Exchange Act Release No. 3347 (Dec. 18, 1942), 7 Fed. Reg. 10,656; in Kraft getreten am 15.01.1943; vgl. Anhang, Dokument Nr. 1.

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Absicht der Antragstellung in Kenntnis gesetzt wurde (reasonable notice) und der Antrag eine Frage betraf, die in die Zuständigkeit der Aktionäre fiel (proper subject for action by the security holders). Während über den Maßstab der zuletzt genannten Voraussetzung zunächst105 noch Unklarheit herrschte, sollte eine angemessene Bekanntgabe gegenüber der Verwaltung dann vorliegen, wenn sie spätestens 30 Tage vor dem Termin der letztjährigen Aktionärsversammlung erfolgte. Bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens von Rule X-14A-7 wurden der Nutzen und die Gefahren eines bundesrechtlich abgesicherten Aktionärsantragsrechts kontrovers diskutiert. Bei einer 1943 durchgeführten Anhörung im Kongress äußerten einige Abgeordnete die Befürchtung, dass das Antragsrecht von kommunistisch eingestellten Aktionären als Propagandawerkzeug missbraucht werden könnte.106 Diese Ängste wurden von den befragten SEC-Spitzenbeamten nicht geteilt. Sie wiesen in erster Linie darauf hin, dass die persönliche Stimmabgabe auf der Hauptversammlung weitestgehend durch die Stimmrechtsvertretung verdrängt worden war und dass die Hauptversammlungsunterlagen faktisch an die Stelle der Hauptversammlung getreten seien, weshalb eine effektive Ausübung der Aktionärsrechte im Vorfeld der Präsenzversammlung gewährleistet sein müsse.107 105

Vgl. zur Transamerica-Entscheidung § 6 B. V. Vgl. Hearings on H.R. 1493, H.R. 1821, and H.R. 2019 before the House Committee on Interstate and Foreign Commerce, 78th Cong., 1st Sess., pt. 2, S. 162 f. (1943): „Mr. Boren. So one man, if he owned one share in A.T. & T. and another share in R.C.A. if he decided deliberately to become a professional stockholder in each one of the companies – he could have a hundred-word propaganda statement prepared and he could put it in every one of these proxy statements. Suppose he were a Communist. Commissioner Purcell. That is possible. We have never seen such a case. Mr. Boren. Suppose a man were a Communist and he wanted to send to all of the stockholders of all of these firms, a philosophic statement of 100 words in length, or a propaganda statement. He could by the mere device of buying one share of stock have available to him the mailing list of all the stockholders in the Radio Corporation of America. Commissioner Purcell. Of course, we have never seen such a case; and if such a case came before us, then we would have to deal with it and make such appropriate changes as might seem necessary.“; vgl. auch Friedman, 63 Harv. L. Rev. 796, 802 (1950); Nicholas, 16 J. Pol. Hist. 212, 224 f. (2004). 107 Vgl. Hearings on H.R. 1493, H.R. 1821, and H.R. 2019 before the House Comm. on Interstate and Foreign Commerce, 78th Cong., 1st Sess, pt. 2, S. 174 f. (1943): „Once a shareholder could address the meeting, today he can only address the assembled proxies which are lying at the head of the table. The only opportunity that the stockholder has of expressing his judgement comes at the time when he considers the execution of the proxy form, and we believe, whether we are right or whether we are wrong – and I think we are right – that that is the time he should have the full information before him and the ability to take action as he sees fit. [. . .] The proxy solicitation is now in fact the only means by which a stockholder can act and can perform the functions which are his as owner of the corporation. It, therefore, seems clear to us that 106

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Die Diskussion im Kongress darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Aktionärsantragsrecht keine „Erfindung“ der SEC war. Denn bereits lange vor Inkrafttreten der Rule X-14a-7 räumten das Case Law bzw. die Articles oder Bylaws der meisten Gesellschaften Aktionären das Recht ein, auf der Hauptversammlung Anträge zu Fragen zu stellen, für die nach dem Recht des Inkorporationsstaates eine Zuständigkeit der Aktionäre begründet war.108 Die proxy rules schufen deshalb kein neues Individualrecht, sondern bestätigten lediglich ein bereits existentes Recht. Der eigentliche Zweck der Rule X-14a-7 bestand zunächst auch nicht in der inhaltlichen Ausgestaltung, sondern in der verfahrensmäßigen Absicherung des Aktionärsantragsrechts im Vorfeld der Aktionärsversammlung. Diese Absicherung wurde dadurch bewirkt, dass künftig jeden Stimmrechtswerber – im Regelfall also das Management – die Verpflichtung traf, in den Stimmrechtsunterlagen sämtliche Tagungsordnungspunkte zu veröffentlichen, über die auf der Hauptversammlung eine Abstimmung stattfinden sollte.109 IV. Das Bane-Statement (1945) Schon bald nach dem Erlass von Rule X-14A-7 erhielt die SEC Gelegenheit, zur Zulässigkeit von Aktionärsanträgen mit politischem oder sozialem Inhalt Stellung zu nehmen. Die Behörde reagierte damit auf mehrere Fälle, in denen Aktionäre beantragt hatten, dass die von der Gesellschaft auszuschüttenden Dividenden von der Einkommenssteuer befreit sein sollten, die Antitrust-Gesetzgebung überarbeitet und ihre Durchsetzung verbessert werden sollte und das Bundesrecht Arbeiter, Bauern und Investoren bei Fragen der Postenverteilung gleichstellen sollte. Die SEC reagierte darauf im Januar 1945 mit dem nach dem damaligen Leiter der für Aktionärsanträge zuständigen Abteilung benannten Bane-Statement: „Speaking generally, it is the purpose of Rule X-14A-7 to place stockholders in a position to bring before their fellow stockholders matters of concern to them as stockholders in such corporation; that is, such matters relating to the affairs of the company concerned as are proper subjects for the stockholders’ action under the laws of the state under which it is organized. It was not the intent of Rule X-14A-7 to permit stockholders to obtain a consensus of other stockholders with respect to matters which are of a general political, social or economic nature. Other forums exist for the presentation of such views.“ 110

only by making the proxy a real instrument for the exercise of those functions can we obtain when the Congress and this committee called for in the form of ,fair corporate suffrage‘.“ 108 Vgl. zu diesen floor proposals bereits § 6 A. I. 109 Freeman, 34 U. Det. L. J. 549, 550 (1957). 110 SEC Securities Exchange Act Release No. 735 (Jan. 3, 1945), 11 Fed. Reg. 10,995 (1946), benannt nach Baldwin Bane, damals Abteilungsleiter der SEC Division of Corporate Finance.

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Alle Aktionärsanträge hatten fortan zwei Anforderungen zu genügen („twofold test“)111: Sie mussten erstens einen Gegenstand betreffen, für den das Recht des Inkorporationsstaates eine Zuständigkeit der Aktionäre eröffnete und durften zweitens keine Angelegenheiten allgemein-politischer, -sozialer oder -wirtschaftlicher Natur betreffen. Gemessen an diesen Vorgaben waren die Aktionärsanträge, die die SEC zur Stellungnahme veranlassten, unzulässig. Durch den im BaneStatement aufgestellten Grundsatz war es fortan möglich, zumindest evident politischen und sozialen Anträgen den Zugang zu den proxy materials zu versperren, wodurch eine Kenntnisnahme im breiten Aktionärskreis verhindert werden konnte. Angesichts der fehlenden Konkretisierung, wann eine Angelegenheit „allgemein-politischer [. . .] Natur“ war oder nicht das „Interesse der Mitaktionäre als Aktionäre einer solchen Gesellschaft“ betraf, blieb die Stellungnahme in ihren Grenzbereichen jedoch unscharf, was der SEC aber angesichts der fehlenden praktischen Notwendigkeit einer Klärung in der damaligen Situation nicht zum Vorwurf gemacht werden kann. V. Die Entscheidung in Sachen SEC v. Transamerica Corp. (1947) Seit dem Inkrafttreten der Rule X-14A-7 herrschten erhebliche Unklarheiten hinsichtlich der Frage, anhand welchen Maßstabs das Tatbestandsmerkmal der Aktionärszuständigkeit (proper subject) auszulegen sei. Diese Unsicherheit wurde erst im Jahr 1947 durch die Entscheidung des U.S. Court of Appeals (Third Circuit) in Sachen SEC v. Transamerica Corp.112 beseitigt, die zugleich das erste von insgesamt nur etwa einem Dutzend Gerichtsurteilen zur shareholder proposal rule darstellte.113 1. Sachverhalt und Entscheidungsgründe In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte John Gilbert gegenüber dem Management der in Delaware inkorporierten Transamerica Corporation angekündigt, auf der Hauptversammlung mehrere Anträge zur Abstimmung zu stellen. Im Einzelnen sollte künftig ein unabhängiger öffentlicher Abschlussprüfer von den Aktionären gewählt und ein Protokoll der Hauptversammlung an alle Aktionäre der Gesellschaft verschickt werden. Außerdem beantragte Gilbert die Abschaffung einer Bylaws-Klausel, die vorsah, dass Bylaws-Änderungen nur dann zulässig sein sollten, wenn das Management in den proxy materials 111

Thorson, 2 J. Corp. L. 115, 126 (1976). SEC v. Transamerica Corp., 163 F.2d 511 (3d Cir. 1947), cert. denied, 332 U.S. 847 (1948); dazu Note, 57 Yale L.J. 874 (1948). 113 Die geringe Anzahl an Gerichtsurteilen, die in keinem Verhältnis zur überragenden praktischen Bedeutung des Aktionärsantragsrechts steht, hat seine Ursachen im defizitären Rechtsschutzsystem, vgl. dazu noch ausf. § 8. 112

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über die beabsichtigte Änderung informiert hat.114 Die zu ändernde Klausel sprach der Verwaltung quasi ein Vetorecht gegenüber sämtlichen Bylaws-Änderungen zu, die von Aktionären initiiert wurden, da sie nach den Bylaws nicht zur Veröffentlichung eines entsprechenden Antrags verpflichtet war. Die Gesellschaft verweigerte die Veröffentlichung dieser Anträge und änderte ihre Haltung auch nicht, nachdem sie von der SEC dazu aufgefordert wurde. Vielmehr beharrte sie auf der Ansicht, dass nur dann eine Veröffentlichungspflicht bestehe, wenn nicht nur die Voraussetzungen des bundesstaatlichen Rechts, sondern darüber hinaus auch noch die in den Articles und den Bylaws niedergelegten Anforderungen erfüllt sind. Die proxy rules der SEC dürften nicht dazu beitragen, die von den Bylaws einer Gesellschaft aufgestellten Voraussetzungen zu unterlaufen. Demgegenüber vertrat die SEC die Ansicht, dass die Frage, ob ein im Aktionärsantrag zur Diskussion gestellter Gegenstand von den Aktionären behandelt werden dürfe, allein anhand des inkorporationsstaatlichen Rechts beantwortet werden dürfe.115 Nachdem das Bezirksgericht noch der Argumentation der Gesellschaft gefolgt war116, hob das Berufungsgericht diese Entscheidung auf und stellte fest, dass sämtliche Anträge zulässig waren und in die proxy materials hätten aufgenommen werden müssen. Zur Begründung verwies es darauf, dass das Recht von Delaware die Ergänzung der Bylaws und die Auswahl der Abschlussprüfer durch die Aktionäre nicht verbiete. Im Gegenteil seien die Aktionäre berechtigt, Kontrollmechanismen zu installieren, um die Direktoren, die lediglich „Hüter des Unternehmens“ seien, zu überwachen. Jedes andere Verständnis der Rule X-14A-7 würde es den Gesellschaften ermöglichen, den vom Kongress mit dem Securities Exchange Act 1934 verfolgte Zweck zu umgehen, die Ausübung des Stimmrechts abzusichern und zu erleichtern. Auch der das Hauptversammlungsprotokoll betreffende Antrag hätte nicht abgelehnt werden dürfen, da eine präzise Information der Aktionäre eine absolute Notwendigkeit für ein Handeln im gemeinsamen Interesse darstelle.117 2. Bewertung Rückblickend legte die Transamerica-Entscheidung ein entscheidendes Fundament für den bundesrechtlich vermittelten Schutz der Aktionäre in Publikumsaktiengesellschaften 118: Solange den Aktionären nach dem Recht eines Bundes114 163 F.2d 511, 513; siehe auch Emerson/Latcham, 19 Chi. L. Rev. 807, 809 (1952). 115 163 F.2d 511, 515. 116 67 F. Supp. 326 (D. Del. 1946); vgl. dazu Thorson, 2 J. Corp. Law 115, 126 f. (1976). 117 163 F.2d 511, 517 f. 118 Lazaroff, 50 Rut. L. Rev. 33, 48 f. (1997); Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 379 (2002).

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staates die Befugnis zur Behandlung der im Antrag gestellten Fragen zusteht, werden – so die Kernaussage des Urteils – die Gerichte keine prozeduralen Einschränkungen in den Articles oder Bylaws dulden, die eine effektive Aktionärskommunikation behindern. Gleichwohl war der Rekurs auf das Recht des jeweiligen Inkorporationsstaates nicht unproblematisch, da weder das kodifizierte Gesellschaftsrecht noch das Fallrecht der Gerichte hinreichende Anhaltspunkte dafür gaben, welche Gegenstände einer Erörterung durch die Aktionäre zugänglich sein sollten.119 Lediglich die Formel, dass die Geschäfte und sonstigen Angelegenheiten der Gesellschaft vom Board of Directors zu besorgen seien120, war in nahezu allen bundesstaatlichen Gesellschaftsrechtsordnungen verankert. Der durch die Entscheidung gewonnene Grad an Rechtssicherheit hielt sich deshalb in Grenzen. In erster Linie war sie Ausgangspunkt der Entstehung eines in sich wenig konsistenten bundesrechtlichen Fallrechts („federal common law“) 121. Diese Entwicklung sollte sich im Hinblick auf die Rechtssicherheit als überaus problematisch erweisen und wurde erst in jüngster Zeit etwas abgemildert.122 VI. Reform 1947 Im gleichen Jahr erfolgte eine erstmalige Novellierung der proxy rules, die allerdings für das Aktionärsantragsrecht nur geringfügige Veränderungen mit sich brachte.123 Die auffälligste durch die Reform veranlasste Änderung war die Verschiebung der Rule X-14A-7 in Rule 14a-8, wo die shareholder proposal rule auch heute noch ihren Standort hat. Materiellrechtlich wurde klargestellt, dass sich Aktionärsanträge trotz der dafür gegebenen bundesstaatlichen Kompetenz nicht mit der Wahl der Direktoren befassen dürfen124, ein Aspekt, der infolge eines Urteils des U.S. Court of Appeals125 erst jüngst wieder für erhebliche Dis119 Loss, Securities Regulation, S. 905 (2. Aufl.): „[. . .] there is simply not very much state law to use as a guide in these matters.“; vgl. auch Bayne/Caplin/Emerson/ Latcham, 40 Va. L. Rev. 387, 401 (1954). 120 Vgl. dazu noch § 7 C. I. 121 U.S. Court of Appeals, District of Columbia Circuit, 432 F.2d 659, 677 (1970); Clusserath, 40 Notre Dame L. 13, 19 (1964); Feagans, 33 Buff. L. Rev. 225, 236 (1984); Lazaroff, 50 Rut. L. Rev. 33, 48 f. (1997); Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 379 (2002); O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 229 (1984); Propp, 11 Sec. Reg. L. J. 99, 103 f. (1983); Schulman, 40 Geo. Wash. L. Rev. 1, 55 f. (1971); Schwartz, 69 Mich. L. Rev. 419, 440 (1971); Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 1983 (1992). 122 Siehe zum neu eingeführten Vorlageverfahren an den Delaware Supreme Court § 7 C. I. 2. c). 123 SEC Securities Exchange Act Release No. 4037 (Dec. 18, 1947), 12 Fed. Reg. 8,768 (1947). 124 SEC Securities Exchange Act Release No. 4037 (Dec. 18, 1947), 12 Fed. Reg. 8,768, 8,770 (1947). Das ursprüngliche Vorhaben, Aktionärsanträge auch für Wahlen der Direktoren zuzulassen, wurde von der SEC nach erheblicher Kritik aus den Reihen der Praxis nicht weiter verfolgt, vgl. Ryan, 23 Geo. L. Rev. 97, 113 (1988). 125 AFSCME v. AIG Inc., 462 F.3d 121 (2nd Cir. 2006).

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kussionen126 gesorgt hat. Durch den Ausschluss von Wahlanträgen sollte eine konkurrierende Stimmrechtseinwerbung für Wahlen in den proxy materials der Gesellschaft verhindert werden. Hinter dieser Entscheidung stand der Gedanke, dass die proxy rules für derartige Stimmrechtseinwerbungen besondere Vorschriften127 enthalten, die den einwerbenden Aktionären spezielle (Offenlegungs-) Pflichten auferlegen. Die Umgehung dieser Vorschriften sollte im Interesse des Anlegerschutzes verhindert werden. Für den Fall, dass das Management die Veröffentlichung eines Antrags in den proxy materials ablehnte, verpflichtete Rule 14a-8 die Gesellschaft nunmehr zur Übersendung des Antrags und einer Stellungsnahme der Gesellschaft an die SEC sowie zur Information des Antragstellers über die ablehnende Haltung. VII. Reform 1948 1. Ausgangslage Die neu eingeführte Pflicht zur Veröffentlichung von Aktionärsanträgen rief in Unternehmenskreisen erheblichen Unmut hervor. Die shareholder proposal rule wurde ganz überwiegend als zu weitgehend angesehen, da sie auch zur Mitteilung solcher Anträge verpflichte, die nicht im allgemeinen Interesse der Aktionäre lägen.128 Die SEC nahm diese Kritik zum Anlass, um das Antragsrechtsrecht erneut zu reformieren.129 Die erneuten Einschränkungen rechtfertigte die Kommission damit, dass diese zur Abwehr von Missbräuchen erforderlich seien.130 2. Maßnahmen zur Missbrauchsabwehr Auf der sachlichen Ebene setzte die Missbrauchsabwehr bei Anträgen an, bei denen offensichtlich war, dass der Aktionär in erster Linie einen eigenen Anspruch durchzusetzen versuchte (enforcing a personal claim) oder eine persönliche Beschwerde gegen die Gesellschaft oder ihr Management vorbringen wollte (redressing a personal grievance). Diese wurden fortan durch den neu geschaffe126

Vgl. § 6 E. III. Vgl. nur Rule 14a-12 (c): „Solicitations by any person or group of persons for the purpose of opposing a solicitation subject to this regulation by any other person or group of persons with respect to the election or removal of directors at any annual or special meeting of security holders also are subject to the following provisions [. . .]“ 128 Gocha, 17 U. Tol. L. Rev. 411, 418 (1986); Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 379 (2002). 129 SEC Securities Exchange Act Release No. 4185 (Nov. 5, 1948), 13 Fed. Reg. 3,973 (1948); vgl. Anhang, Dokument Nr. 2. 130 So das SEC-Kommissionsmitglied McCormick, zit. nach Ledes, 34 Det. L. Rev. 520, 522 (1957); krit. dazu Emerson/Latcham, 19 U. Chi. L. Rev. 807, 835 (1952). 127

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nen Ausnahmetatbestand Rule 14a-8 (c)(1) (1948) für nicht veröffentlichungspflichtig erklärt. Parallel hierzu wurde dem Missbrauch auf prozeduraler Ebene vorgebeugt, indem die Anträge derjenigen Aktionäre als ausschlussfähig angesehen wurden, die ohne wichtigen Grund einer der beiden zurückliegenden Hauptversammlungen fernblieben, obwohl ihre Anträge in die proxy materials aufgenommen wurden (Rule 14a-8 (c)(2) (1948)). Außerdem wurde erstmalig ein prozentualer Schwellenwert für die erneute Stellung eines Antrags (resubmission treshhold) eingeführt: Erhielt ein im Wesentlichen identischer Antrag bei der vorangegangenen Hauptversammlung weniger als 3 % der abgegebenen Stimmen, so sollte die Wiedereinbringung auf dem nachfolgenden Aktionärstreffen unzulässig sein, weil dann das fehlende Interesse der Mitaktionäre an dem Vorschlag evident sei (Rule 14a-8 (c)(3) (1948)).131 3. Bewertung der Reform Die Besonderheit der durch die Reform des Jahres 1948 vorgenommenen Änderungen des Aktionärsantragsrechts bestand darin, dass nun erstmalig auch Anträge ausgeschlossen werden konnten, die nach dem Recht des Inkorporationsstaates in die Zuständigkeit der Aktionäre fielen und damit an sich ein „proper subject for shareholder action“ darstellten.132 Damit begannen sich die aus dem Recht der Bundesstaaten stammenden Voraussetzungen für die Stellung von floor proposals und die bundesstaatlichen Anforderungen für eine Veröffentlichung von Aktionärsanträgen auseinander zu entwickeln. Dennoch fand die Reform nicht nur in den Führungsetagen der börsennotierten Aktiengesellschaften, sondern auch in den Reihen der Wissenschaft weitgehend positive Resonanz.133 Ein aktuelles Bedürfnis zur Verhinderung missbräuchlicher Anträge bestand im Jahr 1948 allerdings nicht. Von den 1.600 Gesellschaften, auf die die proxy rules zum damaligen Zeitpunkt Anwendung fanden, waren durchschnittlich nur 1,4 % überhaupt mit Aktionärsanträgen konfrontiert. Insgesamt wurden jährlich etwa 35 Anträge durch Aktionäre gestellt, von denen aber nur ein Bruchteil von den neuen Einschränkungen betroffen gewesen sein dürfte.134 Die gemachten Erschränkungen erwiesen sich jedoch im Hinblick auf die in späteren Jahrzehnten massenhaft gestellten Aktionärsanträge als eine weitsichtige Weichenstellung zur Missbrauchsbekämpfung.

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Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 379 (2002): „de facto empirical test“. Ledes, 34 Det. L. Rev. 520, 522 (1957). 133 Vgl. dazu Ryan, 23 Geo. L. Rev. 97, 113 (1988). 134 Vgl. die ausführlichen Statistiken bei Emerson/Latcham, 19 U. Chi. L. Rev. 807, 812 (1952) sowie Ledes, 34 Det. L. Rev. 520, 522, Fn. 11 (1957); Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 375, 382 (2002). 132

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VIII. Die Entscheidung in Sachen Peck v. Greyhound Corp. (1951) Betrafen die bis dato gestellten Aktionärsanträge nahezu ausschließlich „klassische“ Themen guter Unternehmensführung, so dokumentiert die im April 1951 gefällte Entscheidung des Bezirksgerichts New York in Sachen Peck v. Greyhound Corp.135 erstmals die Ausübung des Aktionärsantragsrechts zur Durchsetzung sozialpolitischer Zielstellungen. 1. Sachverhalt Das Urteil stellte den vorläufigen Höhepunkt einer seit 1948 andauernden Kampagne gegen die Greyhound Corp. dar, die ein auch in den Südstaaten tätiges Busunternehmen betrieb. Ein Aktionär der Gesellschaft, James Peck, kritisierte die Rassentrennung in den Bussen des Unternehmens und versuchte nach dem Erwerb von drei Aktien der Greyhound Corp., seiner Kritik zunächst durch Reden auf der Hauptversammlung Ausdruck zu verleihen.136 1950 kündigte er die Stellung eines Aktionärsantrags an, mit dem der Unternehmensleitung empfohlen werden sollte, die Zweckmäßigkeit der Rassentrennung in den Bussen zu überdenken. Da das Management die Veröffentlichung dieses Antrags in den proxy materials ablehnte, wurde er der SEC zugeleitet. Diese entschied mit großer Verzögerung, dass sich der Antrag angesichts der bloß empfehlenden Form auf einen zulässigen Gegenstand bezog und damit aufzunehmen sei. Insbesondere handelte es sich ihrer Ansicht nach nicht um einen Gegenstand, der an dem im Bane-Statement von 1945 festgelegten Maßstab scheitern würde. Der Antrag betraf keine Frage allgemein-politischer Natur, sondern wies einen spezifischen Zusammenhang zum Unternehmen auf, der zudem von der Gesellschaft gesteuert werden konnte. Angesichts der Verzögerung konnte der Antrag nicht mehr in den Stimmrechtsunterlagen der Gesellschaft veröffentlicht werden, sodass er 1951 in unveränderter Form erneut gestellt wurde. Auch diesmal verweigerte das Management der Gesellschaft die Veröffentlichung. Überraschenderweise wurde es in dieser Haltung von der SEC bestätigt. Diese hielt das Bane-Statement nunmehr für einschlägig, weil sich aus der Formulierung des Antrags nicht entnehmen lasse, ob die Abschaffung der Sitzplatztrennung lediglich in den Bussen der Gesellschaft oder generell in den Südstaaten zur Diskussion gestellt werden sollte.137 Außerdem bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller das

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Peck v. Greyhound Corp., 97 F. Supp. 679 (S.D.N.Y. 1951). Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 375, 382 (2002). 137 Durch eine Auslegung des Antrags ließ sich freilich auch ohne weiteres der Schluss ziehen, dass damit nur die Sitzplatztrennung in den Bussen der Greyhound Corp. thematisiert werden sollte, zu Recht kritisch deshalb Emerson/Latcham, 19 U. Chi. L. Rev. 807, 833 (1952); Schulman, 40 Geo. Wash. L. Rev. 1, 46 (1971). 136

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Antragsrecht zu Propagandazwecken zu instrumentalisieren versuche und nicht im besten Interesse der Gesellschaft handelte.138 Peck beantragte daraufhin den Erlass einer einstweiligen Verfügung (preliminary injunction), mit der der Gesellschaft die Veröffentlichung des Antrags in den proxy materials und die Hinauszögerung der Hauptversammlung bis zur Mitteilung des Antrags auferlegt werden sollte. Er begründete die Zulässigkeit seines Aktionärsantrags damit, dass es sich bei der in den Bussen vorgenommenen Rassentrennung nicht lediglich um ein allgemein-politisches Thema handele. Vielmehr habe die Sitzplatztrennung Auswirkungen auf das Geschäftsergebnis der Gesellschaft, weil zu befürchten sei, dass Kunden an den getrennten Sitzplätzen Anstoß nehmen und die Gesellschaft in kostspielige Rechtsstreitigkeiten verwickeln.139 Demgegenüber verteidigte sich die Greyhound Corp. mit dem Argument, dass der Antrag in Anlehnung an das Bane-Statement kein zulässiger Antragsgegenstand sei.140 2. Entscheidungsgründe Das Gericht lehnte den Erlass einer einstweiligen Verfügung ab, weil Peck nicht nachgewiesen hatte, dass er ohne die einstweilige Verfügung irreparable Schäden erleiden würde. In den Entscheidungsgründen umging das Gericht eine eindeutige Positionierung zur Vereinbarkeit des Aktionärsantrags mit Rule 14a-8. Der Verfügungskläger unterlag vielmehr schon deshalb, weil er vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht sämtliche Verwaltungsrechtsmittel ausgeschöpft hatte.141 Gleichwohl betonte das Gericht, dass bei der Auslegung von Vorschriften einer Verwaltungsbehörde in erster Linie diejenige Auslegungsvariante maßgeblich sein sollte, die von der Erlassbehörde selbst favorisiert wird.142 Diese Aussage kann als Indiz dafür gewertet werden, dass das Gericht die von der SEC im No-Action Letter zum Ausdruck gebrachten Erwägungen für maßgeblich hielt und der Zulässigkeit des Antrags eher kritisch gegenüberstand.

138 Emerson/Latcham, 19 U. Chi. L. Rev. 807, 833 (1952). In diesem Argument sieht Schulman, 40 Geo. Wash. L. Rev. 1, 46 (1971) ein Abrücken vom objektiven Maßstab des Bane-Statements und eine Hinwendung zu einer auch subjektive Umstände berücksichtigenden Sichtweise. 139 So James Peck zit. nach Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 375, 382 (2002); zust. Lazaroff, 50 Rut. L. Rev. 33, 50 (1997). 140 Unberücksichtigt blieb demgegenüber, dass sich die Unvereinbarkeit mit dem Recht des Inkorporationsstaates auch aus dessen Rassengesetzen ergab, die eine Sitzplatztrennung in Bussen vorschrieben, vgl. zu diesem Aspekt Note, 47 Nw. U. L. Rev. 718, 719, Fn. 6 (1952). 141 97 F. Supp. 679, 681 (S.D.N.Y. 1951). 142 97 F. Supp. 679, 681 (S.D.N.Y. 1951).

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3. Bewertung Insgesamt wird die Entscheidung in Sachen Peck v. Greyhound Corp. in der US-amerikanischen Literatur überbewertet. Zwar ist sie insoweit von Interesse, als sie erstmals die Nutzung des Aktionärsantragsrechts für politische Zwecke dokumentiert. Sie enthält jedoch keine klare Positionierung zur Zulässigkeit von Aktionärsanträgen mit politischer oder sozialer Zielstellung.143 Auch schärft sie nicht die Konturen des Bane-Statements, da eine nähere Befassung mit dem Begriff der „Angelegenheiten allgemein-politischer Natur“ unterblieb. Von bleibender Bedeutung ist hingegen die in den Entscheidungsgründen anklingende Zurückhaltung gegenüber einer eigenständigen gerichtlichen Auslegung der proxy rules. Sie sollte in den darauf folgenden Jahrzehnten häufig dazu führen, dass der gerichtliche Rechtsschutz des Aktionärs illusorisch blieb und die Entscheidungen der SEC den Status faktischer Letztverbindlichkeit genossen.144 IX. Reform 1952 Die SEC reagierte auf die Entscheidung in Sachen Peck v. Greyhound Corp., indem sie die Rahmenbedingungen des Antragsrechts im Dezember 1952 erneut reformierte.145 In formeller Hinsicht wurde dabei die Antragsfrist vorverlegt. Konnte ein Antrag bis dato bis zu 30 Tage vor dem Termin der letztjährigen Hauptversammlung eingereicht werden, so musste er nunmehr 30 Tage vor dem Tage der letztjährigen Stimmrechtseinwerbung, d. h. dem Versenden der proxy materials, gestellt werden (Rule 14a-8 (a) Satz 2 (1952)). Auf diese Weise sicherte sich die SEC einen größeren Zeitraum, in welchem sie die Vereinbarkeit der ablehnenden Haltung einer Unternehmensleitung mit Rule 14a-8 überprüfen konnte. In materieller Hinsicht und als unmittelbare Reaktion auf den vorangegangenen Rechtsstreit kodifizierte die Reform in Rule 14a-8 (c)(1) (1952) erstmalig einen Ausnahmetatbestand für bestimmte gesellschaftspolitische Anträge. Ein Aktionärsantrag war fortan unzulässig, wenn er offensichtlich in der Absicht gestellt wurde, für ökonomische, politische, rassische, religiöse, soziale und ähnliche Aspekte zu werben, oder der Antragsteller in einer Linie einen eigenen Anspruch durchsetzen (enforcing a personal claim) oder eine persönliche Beschwerde gegen die Gesellschaft oder ihr Management vorbringen wollte (redressing a personal grievance). Nach Auskünften des zuständigen SEC-Abteilungsleiters Bane sollte damit lediglich sein 1945 im Bane-Statement aufgestell143 Das übersieht O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 222, 230 f. (1984), nach dem die Entscheidung deshalb zuungunsten des Verfügungsklägers ausfiel, weil sich das Gericht das Bane-Statement zueigen gemacht habe. 144 Siehe dazu § 8. 145 SEC Exchange Act Release No. 34-4775 (Dec. 11, 1952), 17 Fed. Reg. 11,430 (1952); vgl. Anhang, Dokument Nr. 3.

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ter Maßstab in das geschriebene Recht übernommen werden.146 Tatsächlich ging die Änderung aber weit darüber hinaus. Zwar deutete bereits die bisherige Praxis der SEC darauf hin, dass bei der Bewertung von Aktionärsanträgen auch subjektive Momente eine gewichtige Rolle spielten. Im Grundsatz richtete sich die Zulässigkeit gesellschaftspolitischer Anträge jedoch nach deren Inhalt. Dieser objektive Maßstab wich nun einer subjektiven Betrachtungsweise, die die schwer zu ermittelnde Absicht des Antragstellers in den Mittelpunkt stellte und deshalb als hochproblematisch eingestuft wurde.147 X. Reform 1954 1. Hintergründe und Zielstellungen Nach dem im Januar 1953 vollzogenen Machtwechsel im Weißen Haus leitete die SEC unter Führung des von Präsident Eisenhower neu ernannten Vorsitzenden Demmler eine erneute Überarbeitung der shareholder proposal rule ein.148 Die Behörde verband mit dieser neuerlichen Reform drei Ziele: Erstens sollte mit der Novellierung eine präzisere Umschreibung der Ausnahmetatbestände einhergehen. Besonderer Wert wurde dabei darauf gelegt, die infolge der Transamerica-Entscheidung entstandenen Unsicherheiten zu beseitigen. Zweitens sollte eine effektivere Bekämpfung von wiederholt eingebrachten Anträgen erreicht werden, wenn die Zustimmung aus dem Kreise der Mitaktionäre keine wesentlichen Fortschritte erkennen lasse. Und schließlich sollten die neuen Regeln potentielle Antragsteller abschrecken, die das Antragsrecht nur ausübten, um Aufmerksamkeit zu erheischen („publicity seeker“).149 2. Die Vorschläge des Reformentwurfs Um diese Ziele zu erreichen sah der im Oktober 1953 vorgelegte Entwurf 150 vor, den bis dahin zentralen „proper subject test“ grundlegend zu modifizieren, strengere Schwellenwerte für die wiederholte Antragstellung aufzustellen sowie Anträge für unzulässig zu erklären, die sich auf gewöhnliche Geschäftsführungs-

146 Vgl. Schriftwechsel Bane/Mathis vom 04.02.1952, SEC Docket File No. S7-35-62, zit. nach Schulman, 40 Geo. Wash. L. Rev. 1, 46 (1971) und Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 655 (1977). 147 Vgl. Schwartz, 69 Mich. L. Rev. 419, 455 (1971) sowie § 6 C. II. 1. b) bb) (1). 148 Vgl. Gilbert, 33 U. Det. L. J. 191, 192 (1955/56): „time had arrived for counterattack“; Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 380 (2002). 149 Ledes, 34 U. Det. L. J. 520, 523 (1957). 150 SEC Exchange Act Release No. 34-4,950 (Oct. 9, 1953), 18 Fed. Reg. 6646 (1953); allgemein dazu Gilbert, 33 U. Det. L. J. 191, 194 ff. (1955/56).

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maßnahmen beziehen. Außerdem sollte die Antragsfrist bereits 60 Tage vor dem Termin der letztjährigen Stimmrechtseinwerbung ablaufen und das Management der Gesellschaft verpflichtet werden, den Antragsteller und die SEC 20 Tage nach dem Eingang des Antrags über die Absicht der Nichtveröffentlichung zu informieren. Schließlich sollte dem Management die Möglichkeit eingeräumt werden, von einer Veröffentlichung der persönlichen Daten des Antragstellers in den proxy materials abzusehen, soweit die Aktionäre diese auf Nachfrage hin erhalten könnten. Da die Vorschläge erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit erregten151 und eine scharfe Kontroverse über den Nutzen des Aktionärsantragsrechts veranlassten, setzte die SEC erstmals seit ihrer Gründung eine öffentliche Anhörung an, an der nicht nur Unternehmensvertreter und Rechtswissenschaftler, sondern auch Aktionärsaktivisten beteiligt wurden.152 Bei dieser Anhörung traten die unterschiedlichen Auffassungen offen zu tage: Die Befürworter des Antragsrechts lehnten die vorgeschlagenen Einschränkungen ab, weil die Beteiligung von Aktionären gefördert werden müsse und ein Meinungsaustausch zwischen Aktionären und Management das Prinzip der corporate democracy stärke. Demgegenüber sprachen sich die Kritiker der Rule 14a-8 angesichts der durch die Anträge verursachten Kostenbelastung der Unternehmen und des fehlenden Nutzens für eine noch stärkere Beschneidung des Antragsrechts aus.153 3. Umgesetzte Änderungen Die Neufassung der Rule 14a-8 wurde bereits kurz nach Abschluss des Anhörungsverfahrens Anfang Januar 1954 veröffentlicht.154 Sie übernahm weitestgehend die im Entwurf vorgesehenen Eckpunkte, verzichtete aber auf die ursprünglich intendierte Änderung des proper subject-Tests.155

151 Vgl. die Nachweise bei Bayne/Caplin/Emerson/Latcham, 40 Va. L. Rev. 387, 408, Fn. 5–9 (1954). 152 Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 380 (2002). 153 Vgl. ausf. Bayne/Caplin/Emerson/Latcham, 40 Va. L. Rev. 387, 388 ff. (1954). 154 SEC Exchange Act Releases No. 34-4,979 (Jan. 5, 1954), 19 Fed. Reg. 246 (1954); sie trat z. T. im Februar, z. T. im März 1954 in Kraft. Vgl. auch Anhang, Dokument Nr. 4. 155 Der Entwurf hatte noch vorgesehen, den bisherigen Tatbestand zu streichen und die Maßgeblichkeit der Hauptversammlungszuständigkeit deutlicher herauszustellen („If the proposal as submitted is one upon which the security holder under the laws of the issuer’s domicile would not be entitled to have action taken at the meeting“), vgl. SEC Exchange Act Release No. 34-4,950 (Oct. 9, 1953), 18 Fed. Reg. 6646, 6647 (1953). Aufgrund der bei der öffentlichen Anhörung laut gewordenen Kritik an diesem Vorschlag verzichtete die SEC auf eine Umsetzung, vgl. ausf. zu den Einwänden Bayne/Caplin/Emerson/Latcham, 40 Va. L. Rev. 387, 407 f. (1954).

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

a) Ausnahmetatbestand des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb Der von der Kommission neu geschaffene Ausnahmetatbestand des Bezugs des Antrags zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb war bis dato ohne Vorbild. Fortan konnte die Veröffentlichung von Anträgen verweigert werden, die dem Management die Vornahme einer Handlung empfahlen, die einen Bezug zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft (ordinary business) aufwies (Rule 14a-8 (c)(5) (1954)). Der Zweck dieses Tatbestands wurde in der amtlichen Begründung nur kurz skizziert, indem auf den vor Aktionärsanträgen zu schützenden Aufgabenbereich der Geschäftsleitung Bezug genommen wurde.156 Der hinter der Regelung stehende Grundgedanke kam hingegen bei einer drei Jahre später stattfindenden Kongressanhörung deutlicher zum Ausdruck, in deren Verlauf die SEC auch zur Ausgestaltung des Aktionärsantragsrechts Stellung nehmen musste. Dort betonten die Vertreter der Kommission, dass es in den meisten Fällen offenkundig unpraktikabel sei, die Aktionäre auf der Hauptversammlung an der Lösung von reinen Managementproblemen zu beteiligen. Die Einführung des Tatbestandes spiegele nur den auch im bundesstaatlichen Gesellschaftsrecht zum Ausdruck kommenden Grundsatz wider, dass die Zuständigkeit zur Lösung von alltäglichen Fragen der Geschäftsführung beim Management der Gesellschaft zu verorten ist und die Aktionäre von einer Mitbestimmung in solchen Angelegenheiten ausgeschlossen sind.157 Damit erwies sich der neu geschaffene Ausnahmetatbestand lediglich als Konkretisierung des bereits existierenden proper subjectErfordernisses, denn in Fragen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs der Gesellschaft ist eine Zuständigkeit der Aktionäre nach den bundesstaatlichen Gesellschaftsrechten nicht begründet. b) Regelung der Beweislast Die Beweislast für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes wurde durch Rule 14a-8 (d) Satz 1 (1954) ausdrücklich dem Management der Gesellschaft auferlegt. Dieses musste nun in seiner an die SEC übersendeten Begründung darlegen, weshalb der Antrag nach den Gesetzen oder dem Fallrecht des Inkorporationsstaates keinen zulässigen Gegenstand betreffe, und diese Begründung durch die Stellungnahme eines Anwalts bestätigen lassen.158

156 SEC Exchange Act Release No. 34-4,950 (Oct. 9, 1953), 18 Fed. Reg. 6646, 6647 (1953). 157 Vgl. Hearings on SEC Enforcement Problems Before the Subcommittee on Securities of the Senate Commission on Banking and Currency, 85th Cong., 1st Sess. Pt 1, S. 118 (1957). 158 SEC Exchange Act Releases No. 34-4,979 (Jan. 5, 1954), 19 Fed. Reg. 246 (1954).

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c) Verschärfung der Voraussetzungen einer wiederholten Antragstellung Außerdem erfuhren die seit der Reform von 1948 bestehenden Voraussetzungen für die wiederholte Stellung identischer Anträge eine erhebliche Verschärfung, die allerdings hinter dem Entwurfsvorschlag zurückblieb. Die starre 3 %Grenze wurde zugunsten gestufter Schwellenwerte aufgegeben. Künftig musste ein Antrag nach Rule 14a-8(c)(4) (1954) bei der ersten Wiedereinbringung auf der letzten Hauptversammlung mehr als 3 %, bei der zweiten Wiedereinbringung mehr als 6 %159 und ab der dritten Wiedereinbringung mehr als 10 % der abgegebenen Stimmen erhalten haben, um zulässig zu sein. Bei Nichterreichen dieser Schwellenwerte konnte die Veröffentlichung des Antrags für drei Jahre – statt wie bislang nur für ein Jahr – verweigert werden. In Stellungnahmen aus der Wissenschaft wurde diese Neuregelung scharf kritisiert, weil sie als ungeeignet angesehen wurde, eine missbräuchliche Verwendung des Aktionärsantragsrechts wirkungsvoll einzugrenzen.160 Zwar wurde konstatiert, dass bei Anwendung der gestuften Schwellenwerte rund 50 % der im Zeitraum von 1948 bis 1953 gestellten Anträge nicht zur zweiten Abstimmung und 73 % dieser Anträge nicht zur dritten Abstimmung zugelassen worden wären. Die Beschränkungen würden aber nur den rechtsunkundigen Kleinaktionär treffen, nicht hingegen den Berufsaktionär, der seine Kampagnen weit im Voraus plant und der sich im Hinblick auf die geänderten Wiedereinbringungsvoraussetzungen einrichten wird. Tatsächlich zeigte sich in der Folgezeit, dass die verschärften Anforderungen nur in sehr begrenztem Umfang geeignet waren, die angestrebte Missbrauchsabwehr zu verwirklichen. Denn die Wiedereinbringung eines Antrags war nur dann nicht möglich, wenn er im Wesentlichen einem im Jahr zuvor gestellten Antrag entsprach (substantially the same). Die SEC verstand diese Voraussetzung so, dass nicht die Formulierung oder die Zweckbestimmung des Antrags, sondern seine Reichweite und seine Auswirkungen maßgeblich sein sollten.161 Der Wiedereinbringungstatbestand konnte deshalb schon durch geringfügige Modifikationen des Antrags umgangen werden.

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Der Entwurf hatte noch 7 % der abgegebenen Stimmen gefordert. Bayne/Caplin/Emerson/Latcham, 40 Va. L. Rev. 387, 427 f. (1954). 161 Division Letter (Jan. 14, 1955): „The purpose for submitting a proposal does not appear to be material. There may be two means to accomplish the same objective but that would not necessarily constitute both means alike or the same. Furthermore, it is conceivable that stockholders may disapprove one means to accomplish the same objective and still approve another means to accomplish the same objective because the results are differenent.“, zit. bei Clusserath, 40 Notre Dame L. 13, 37 (1964). 160

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

4. Praktische Auswirkungen der Reform Die mit der Novellierung verfolgten Ziele konnten in der Praxis nur teilweise erreicht werden. Der neu eingeführte Ausnahmetatbestand des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb sowie die Beweislastregelung wurden rückblickend als äußerst effektiv bewertet.162 Dagegen erfüllten sich die mit den verschärften Wiedereinbringungsvoraussetzungen verbundenen Hoffnungen nicht. Ein spürbarer Rückgang der Zahl zur Abstimmung gestellter Aktionärsanträge trat nicht ein. Zwar war es den Aktivisten nunmehr verwehrt, auf den Aktionärstreffen einer Gesellschaft Jahr um Jahr über die gleichen Anträge abstimmen zu lassen. Dieses Hindernis führte jedoch lediglich dazu, dass sich die Aktivitäten auf bisher unbehelligt gebliebene Unternehmen ausweiteten und die bereits zuvor adressierten Gesellschaften mit Anträgen zu anderen Themen konfrontiert wurden.163 XI. Reform 1967 Nach Inkrafttreten der novellierten Fassung von 1954 geriet die shareholder proposal rule zunächst in ruhigeres Fahrwasser. Die Wissenschaft schien nach einer Reihe von Beiträgen zu Diskussionsschwerpunkten und Folgen der Reform164 das Interesse am Aktionärsantragsrecht weitgehend165 verloren zu haben. Auch die SEC sah mehr als ein Jahrzehnt lang keinerlei rechtlichen Änderungsbedarf, was angesichts der wenig innovativen Nutzung des Antragsrechts in der Praxis auch nicht überraschend war. Dort dominierten nach wie die Anträge der Gebrüder Gilbert zu klassischen Corporate Governance-Themen, während soziale, ökologische oder ethische Aspekte der Geschäftstätigkeit keine oder nur eine ganz untergeordnete Rolle spielten. Anzeichen für die gegen Ende der 1960er Jahre einsetzende exzessive Ausübung des Antragsrechts zur Thematisierung gesellschaftspolitischer Fragen waren selbst um 1965 noch nicht erkennbar.166 Deshalb machte die Kommission erst im Dezember 1966 Vorschläge167 zur behutsamen Weiterentwicklung der Rule 14a-8, die ein Jahr später im Kern 162

Vgl. O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 233 (1984). Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 380 (2002). 164 Vgl. Bayne, 34 U. Det. L. J. 575 (1957); Bayne/Caplin/Emerson/Latcham, 40 Va. L. Rev. 387 (1954); Gilbert, 33 U. Det. L. J. 191 (1955/56); Ledes, 34 Det. L. Rev. 520 (1957); Orrick, 11 Bus. Law. 32 (1956). 165 Ausnahmen bildeten die Untersuchungen von Clusserath, 40 Notre Dame L. 13 (1964) und Hadigan, 9 St. Louis U. L. J. 530 (1965). 166 Davon gibt etwa die Zusammenstellung sämtlicher unter Rule 14a-8 veröffentlichter Aktionärsanträge der Hauptversammlungssaison 1964 bei Hadigan, 9 St. Louis U. L. J. 530, 543 ff. (1965) Auskunft. Darin finden sich nur einige Anträge, die die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Unternehmen thematisieren. 167 SEC Securities Exchange Act Release No. 34-8,000 (Dec. 5, 1966), 31 Fed. Reg. 15,750 (1966). 163

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unverändert übernommen wurden168 und im Zuge der Hauptversammlungssaison 1968 erstmals Anwendung fanden. 1. Änderungen der formellen Voraussetzungen der Mitteilungspflicht In formeller Hinsicht wurde Rule 14a-8 an zwei Stellen ergänzt. Die erste Änderung betraf die Antragsfrist, die nun strikt am 60. Tag vor dem Tag der Versendung der proxy materials der Hauptversammlung des letzten Jahres ablief (Rule 14a-8 (a) Satz 2 (1967)). Damit wurde Forderungen aus Unternehmenskreisen Rechnung getragen, die mit der bis dato geltenden, hochgradig unbestimmten Regelung zur Antragsfrist unzufrieden waren. Die Vorgängernorm sah als Antragsfrist lediglich einen „angemessenen Zeitraum“ vor der Stimmrechtseinwerbung vor und erklärte, dass ein Antragseingang 60 Tage vor dem Tag der letztjährigen Versendung der proxy materials in jedem Falle fristgerecht sei. Bei den Antragstellern fand diese Regelung indes kaum Beachtung, so dass sich die für die Unternehmen zur Erstellung der proxy materials zur Verfügung stehende Zeit entsprechend verkürzte.169 Die Neuregelung war deshalb zu begrüßen, da sie den Gesellschaften nicht nur ausreichend Vorbereitungszeit für eine sorgfältige Vorbereitung der proxy materials gewährte, sondern auch die mit der früheren Regelung verbundenen Unsicherheiten beseitigte und damit das Risiko von Auslegungsstreitigkeiten verringerte. Die zweite formelle Änderung berechtigte das Management, den Namen und die Anschrift eines Antragstellers in den Stimmrechtsunterlagen zu verschweigen. Eine derartige Regelung war bereits im Reformprozess von 1953/54 angedacht worden.170 Sie wurde damals allerdings von Aktionärsseite mit großer Heftigkeit bekämpft, so dass sie schließlich nicht zur Umsetzung gelangte.171 In einem erneuten Anlauf gelang der Kommission schließlich 1967 die Umsetzung eines inhaltsgleichen Vorschlags. Machte das Management von diesem Recht Gebrauch, so mussten die Unterlagen im Gegenzug einen Hinweis darauf enthalten, dass diese Daten jedem Aktionär von der Gesellschaft oder der SEC auf Anfrage übermittelt werden (Rule 14a-8 (b) Satz 2 (1967)). Die Kommission hoffte, mit diesem Hindernis für die Aktionärskommunikation Personen abschrecken zu können, die lediglich die Öffentlichkeit suchen und ein einfaches Mittel zur 168 SEC Securities Exchange Act Release No. 34-8,206 (Dec. 14, 1967), 32 Fed. Reg. 20,960 (1967); vgl. Anhang, Dokument Nr. 5. 169 SEC Securities Exchange Act Release No. 34-8,000 (Dec. 5, 1966), 31 Fed. Reg. 15,750, 15,751 (1966). 170 SEC Securities Exchange Act Release No. 34-4,950 (Oct. 9, 1953), 18 Fed. Reg. 6,664, 6,665 (1953). 171 Vgl. dazu Bayne/Caplin/Emerson/Latcham, 40 Va. L. Rev. 387, 412 (1954); Gilbert, 33 U. Det. L. J. 191, 194 f., 211 (1955/56).

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

Hand haben wollen, ihre Adresse möglichst vielen anderen mitzuteilen.172 15 Jahre später musste sie allerdings eingestehen, dass das gewählte Mittel zur Erreichung dieses Zwecks ungeeignet war.173 2. Änderungen der Ausnahmen von der Mitteilungspflicht Materiellrechtlich wurde das Aktionärsantragsrecht außerdem um einen weiteren Tatbestand ergänzt, in dem die Veröffentlichung eines Aktionärsantrags unterbleiben konnte: Gegenanträge zu Anträgen des Managements sollten nun keiner Mitteilungspflicht mehr unterliegen (Rule 14a-8 (a) Satz 4 (1967)).174 Obwohl die amtlichen Begründungen des Entwurfs und der Endfassung die Hintergründe der Einführung dieses Ausnahmetatbestandes nicht erläutern, kann dafür doch der in Rule 14a-9 zum Ausdruck kommende, letztlich der gesamten shareholder proposal rule zugrunde liegende Gedanke175 fruchtbar gemacht werden, wonach die Stimmrechtsunterlagen keine irreführenden Angaben enthalten dürfen. Die Kommission ließ sich hier offenbar von der Vorstellung leiten, dass ein Aktionärsantrag, der im Widerspruch zu einem Managementantrag steht, dem Grunde nach geeignet ist, die Aktionäre irrezuführen und widersprüchliche Abstimmungsergebnisse hervorzurufen. XII. Zusammenfassung Die Frühphase des US-amerikanischen Aktionärsaktivismus wird bei der Darstellung der Entwicklung des Aktionärsantragsrechts häufig übergangen oder nur beiläufig als historische Fußnote erwähnt.176 Diese stiefmütterliche Behandlung lässt sich indes kaum rechtfertigen, denn sie verleitet zu der unzutreffenden Annahme, dass die Wurzeln des Aktionärsengagements in den USA vergleichsweise jungen Datums sind. Sie übersieht, dass sich die noch heute üblichen Handlungsformen des Aktionärsengagements bereits seit den 1930er Jahren herausbildeten. Seither hat sich die Bandbreite der mit dem Antragsrecht adressierten Themen kaum verändert. Es waren deshalb die seit den 1930er Jahren tätigen Aktivisten

172 SEC Securities Exchange Act Release No. 34-8,000 (Dec. 5, 1966), 31 Fed. Reg. 15,750, 15,751 (1966). 173 Vgl. SEC Securities Exchange Act Release No. 34-17,517 (Feb. 5, 1981), 46 Fed. Reg. 12,011, 12,017 (1981): „However, it has been the Commission’s experience that such proponents have not been dissuaded by imission of their identity from the proxy materials.“ 174 Zumindest missverständlich deshalb Roth, Festschrift Paulick, S. 81, 93: „Gegenvorschläge von Opponenten müssen ihm in gleicher Weise unterbreitet werden (Rule 14a-8).“ 175 Vgl. § 6 B. II. 2. 176 Eine Ausnahme bildet insoweit Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 379 (2002).

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und nicht die Mitglieder der Protestbewegungen der 1960/70er, die den Grundstein für die Entwicklung in den darauf folgenden Jahrzehnten legten.177 Gleichwohl ist zu konstatieren, dass das bundesrechtlich abgesicherte Antragsrecht in den ersten 25 Jahren seines Bestehens nur von einer verschwindend geringen Zahl von Aktionären ausgeübt wurde. Gelangten Anträge zur Abstimmung, so wurden sie im Regelfall mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Eine Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen blieb in den allermeisten Fällen aus. In einem deutlichen Kontrast zu der nur punktuellen Nutzung des Aktionärsantragsrechts stand hingegen die Betriebsamkeit der SEC, die zum Teil im Zweijahresrhythmus Änderungen an den rechtlichen Rahmenbedingungen vornahm. Diese Änderungen lassen sich rückblickend zwei Kategorien zuordnen178: Zum einen war die SEC bemüht, das proper subject-Kriterium der Urfassung von 1942 durch die Schaffung weiterer Ausnahmetatbestände näher zu umschreiben. Hierfür steht exemplarisch die Einführung des ordinary business-Tatbestandes. Zum anderen zielten die Novellierungen darauf ab, einen tatsächlichen oder bloß vermuteten Missbrauch des Aktionärsantragsrechts einzudämmen. Der Missbrauchsbekämpfung dienten neben den Ausschlusstatbeständen der Werbungsabsicht für rein politische oder soziale Zwecke und des Verfolgens eines eigenen Anspruchs in erster Linie die Anforderungen, die bei einer wiederholten Antragstellung zu erfüllen waren. Ihre praktische Wirksamkeit war jedoch begrenzt. Andererseits blieb auch die vom Gesetzgeber des Securities Exchange Act 1934 erhoffte Aktivierung der Aktionäre auf breiter Basis – zunächst noch – aus. Zutreffend stellte deshalb Wiethölter in seiner 1961 veröffentlichten Habilitationsschrift fest, dass „die shareholder proposal rule kein praktisch bedeutungsvolles Stimulans für die Aktionärsbeteiligung geworden“ sei.179

C. 1967–1982: Aktionärsaktivismus als Ausdrucksform zivilgesellschaftlichen Protests Die vom Securities Exchange Act intendierte Belebung der Aktionärsbeteiligung setzte erst gegen Ende der 1960er Jahre ein. Sie nahm dabei allerdings eine Form an, die weder vom Gesetzgeber des Jahres 1934 noch von der SEC vorausgesehen werden konnte: Zivilgesellschaftliche Bewegungen nutzten nun die Hauptversammlung und die proxy materials als Podien und entdeckten die Aktionärsrechte als Instrument zur Förderung ihrer Interessen. Zunächst ging es den Aktivisten hauptsächlich um die Produktion von Kriegswaffen sowie um Verbraucher- und Umweltschutz, später auch um die Beschäftigung von Frauen und

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Zutreffend Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 384 (2002); Talner, Origins, S. 4. Vgl. Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 654 f. (1977). Wiethölter, Interessen, S. 258.

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Minderheiten sowie die Geschäftstätigkeit in Südafrika.180 Von Seiten der Unternehmen wurde diese Entwicklung aufs Schärfste kritisiert.181 Für die einsetzende Politisierung der Aktiengesellschaften („politicalization of the corporation“)182 lassen sich unterschiedliche Ursachen identifizieren.183 Sie war zum einen dadurch veranlasst, dass es den US-amerikanischen Großunternehmen nicht gelungen war, schnell genug auf die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und angestaute Probleme wie die Rassentrennung oder die Umweltverschmutzung zu reagieren. Zum anderen hatte sich das Verständnis der Rolle der Wirtschaft in der Gesellschaft seit dem Zweiten Weltkrieg gewandelt. Die Großunternehmen wurden nunmehr vielfach nicht mehr allein als private Veranstaltung von Investoren, sondern als Anstalten mit gesamtgesellschaftlichem Wohlfahrtsauftrag angesehen.184 Die Manager vieler Aktiengesellschaften nahmen diese Verantwortungsrhetorik an, ohne allerdings ihren Worten Taten folgen zu lassen. Ein weiterer Grund für die Politisierung war die Konzentration weitestgehend unkontrollierter wirtschaftlicher, aber auch politischer Macht185 in nur wenigen Unternehmen, die einen gesellschaftlichen Wandel ohne Beteiligung dieser Unternehmen unwahrscheinlich machte. Nicht zuletzt konnte die Entwicklung auch auf die zögerliche Haltung der Politik zurückgeführt werden, sich Problemkreisen wie der Umweltverschmutzung, dem Rassismus oder dem Verbraucherschutz zuzuwenden. 180

Vgl. Vogel, 25 Cal. Mgmt. Rev. 68, 71 (1983). Vgl. exemplarisch dazu die bei Vogel, Lobbying the Corporation, S. 116 wiedergegebene Eingabe der Union Carbide Corp. an die SEC: „[. . .] a problem that is of growing concern to most stockholders [. . .] is the increasingly common practice of individuals or groups having special interests – not related to the general welfare of either the corporation or the majority of its stockholders in their status as stockholders – obtaining an unfair share of the attention of management and shareholders. [. . .] Their primary purpose (of purchasing a few shares of stock) is to obtain a forum for airing their views on a frequently narrow subject. Most such proposals are supported by the votes of only a tiny percentage of stockholders at the meeting.“; zust. Bane, 26 Bus. Law. 1017, 1026 (1971). 182 So der Titel eines Aufsatzes von Blumberg, 51 B.U.L. Rev. 425 (1971). 183 Dazu ausf. Blumberg, 51 B.U.L. Rev. 425, 428 ff. (1971). Vgl. auch Schwartz, 1 Bus. & Soc. Rev. 63, 64 f. (1972), der auf die mit dieser Entwicklung verbundenen Gefahren hinweist. 184 Vgl. insb. Manne, Colum. L. Rev. 399, 413 ff. (1962); Ruder, U. Pa. L. Rev. 209 ff. (1965). In diesem Kontext ist auch der berühmt gewordene Beitrag von Milton Friedman in der New York Times vom 13.09.1970, S. 32 zu sehen, der mit seiner Forderung „The Social Responsibility of Business is to Increase Its Profits“ eine dem damaligen Zeitgeist zuwiderlaufende Position einnahm. Siehe aber schon Levitt, 36 Harv. Bus. Rev. 41 ff. (1958). Speziell zur Ansicht Friedmans Wells, 51 U. Kan. L. Rev. 77, 123 ff. (2002). 185 Dazu Donaldson, Corporations & Morality, S. 7 f.; im Jahr 1970 generierten die 500 größten Industrieunternehmen der USA 65 % des Gesamtumsatzes und 74 % des Nettogewinns sämtlicher US-amerikanischer Industrieunternehmen, vgl. Blumberg, 51 B.U.L. Rev. 425, 430 f. (1971). 181

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In diesem gesellschaftlichen Klima begannen zivilgesellschaftliche Gruppen ab dem Jahr 1967, das Antragsrecht zur Durchsetzung ihrer Interessen auszuüben (unten I. 1.). Nachdem die ganz unter dem Eindruck des Vietnamkriegs stehenden Hauptversammlungen des Jahres 1969 bereits große öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten (unten I. 2.), verhalf die Kampagne um den Industriegiganten General Motors dem gesellschaftspolitischen Aktionärsaktivismus im Jahr 1970 endgültig zum Durchbruch (unten I. 3.). Als Katalysator der Entwicklung wirkte dabei die SEC, die 1972 auf politischen und richterlichen Druck hin (unten II.) die Rule 14a-8 deutlich liberalisierte und damit einen Dammbruch auslöste (unten III.). Die umfassende Novellierung der shareholder proposal rule im Jahre 1976, mit der die überschießende Tendenz der vorangegangenen Reform rückgängig gemacht werden sollte, markierte sodann einen vorläufigen Schlusspunkt in der Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen (unten IV.). Ein Urteil des Supreme Court zur Rolle der Aktionäre in der Publikumsaktiengesellschaft, eine breit angelegte Untersuchung der SEC zu Fragen der Unternehmensverantwortung sowie weitere Reformbestrebungen konnten anschließend nur noch geringe Akzente setzen (unten V.). I. Zur Praxis des gesellschaftspolitischen Aktionärsengagements zwischen 1967 und 1976 1. Saul Alinsky und die Auseinandersetzungen zwischen FIGHT und Eastman Kodak Einen wichtigen Grundstein für die Entwicklung des gesellschaftspolitischen Aktionärsaktivismus hin zu einer von Nichtregierungsorganisationen getragenen Massenbewegung legte der US-Bürgerrechtler Saul Alinsky, der im Frühjahr 1965 nach Rassenunruhen in Rochester (New York) mehr als 130 Organisationen der dort lebenden afroamerikanischen Bevölkerung in der Einheitsbewegung FIGHT (Freedom, Integration, God, Honor – Today) zusammenführte.186 Vordringlichstes Ziel dieser Organisation war es, die Beschäftigungssituation der in Rochester lebenden Afroamerikaner zu verbessern. Dazu trat FIGHT 1966 in Kontakt mit dem größten Arbeitgeber der Stadt, dem Unternehmen Eastman Kodak, und verlangte die Ausbildung von 600 ungelernten Afroamerikanern in einem Zeitraum von 18 Monaten. Nachdem Eastman Kodak nach langwierigen Verhandlungen den Forderungen von FIGHT zunächst nachgegeben hatte, stritt das Unternehmen kurz darauf jegliche bindende Vereinbarung ab und bat um Entschuldigung für das entstandene Missverständnis. In den Massenmedien, die über den Gang der Verhandlungen ausführlich Bericht erstattet hatten, wurde das Verhalten des Unternehmens als kolossaler Fehltritt gewertet und der weitere 186 Ausf. hierzu Talner, Origins, S. 4 ff.; Vogel, Lobbying the Corporation, S. 30 ff.; siehe auch Wells, 51 U. Kann. L. Rev. 77, 114 (2002).

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Fortgang des Geschehens aufmerksam beobachtet. In dieser Situation fasste Alinsky den Entschluss, die Leitung von Eastman Kodak auf der Hauptversammlung des Jahres 1967 mit den Forderungen von FIGHT direkt zu konfrontieren und im Kreis der Aktionäre für sein Anliegen zu werben.187 Dazu erwarb er zehn Aktien der Gesellschaft und verfasste einen Rundbrief, den er an Bürgerrechtsgruppen und kirchliche Vereinigungen verschickte. In diesem bat er darum, bei der anstehenden Hauptversammlung keine Stimmrechtsvollmachten für die Vorschläge der Geschäftsleitung zu erteilen, womit ein Zeichen des symbolischen Protests gegen die Beschäftigungspolitik des Unternehmens gesetzt werden sollte. Der Aufruf verfehlte seine Wirkung nicht. Zwar wurden in der Folge nur für den verschwindend geringen Anteil von etwa 40.000 Aktien keine Stimmrechtsvollmachten erteilt. Er führte durch die von Alinsky einkalkulierte landesweite Berichterstattung über diese Aktionärsopposition aber dazu, dass die ansonsten um die Herausstellung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stets bemühte Geschäftsleitung von Eastman Kodak in Zugzwang gebracht wurde. Nur zwei Monate nach der von Protesten begleiteten, aber insgesamt störungsfrei verlaufenen Hauptversammlung kam es zwischen FIGHT und Eastman Kodak zu einer für beide Seiten gesichtswahrenden Einigung.188 Im Rückblick stellt die Auseinandersetzung zwischen FIGHT und Eastman Kodak den ersten Fall dar, in denen eine Nichtregierungsorganisation andere Aktionäre zu politischen Zwecken mobilisierte und die Ausübung bzw. Nichtausübung von Aktionärsrechten von politischen Aspekten abhängig machte. Der von FIGHT verfolgte Ansatz war allerdings weder besonders innovativ noch in seiner konkreten Ausgestaltung zukunftsweisend. Denn wie bereits gezeigt wurde, hatten einzelne Aktionäre bereits seit Beginn der 1950er Jahre ihre Aktionärsrechte ausgeübt, um soziale Aspekte der Geschäftstätigkeit zu thematisieren.189 Es geht deshalb zu weit, Alinsky als Gründervater des gesellschaftspolitischen Aktionärsaktivismus zu charakterisieren.190 Auch spielte die Taktik der Verweigerung von Stimmrechtsvollmachten im weiteren Verlauf der Entwicklung keine Rolle mehr. Dennoch war die Kampagne insoweit von Bedeutung, als durch sie die Aktions-

187 Vgl. Alinsky, S. 165 ff., 173: „Like any new political program, the proxy tactic was not the result of reason and logic – it was part accident, part necessity, part response to reaction, and part imagination, and each part affected the other. [. . .] The proxy idea first came up as a way to gain entrance to the annual stockholders’ meeting for harassment and publicity. [. . .] Proxies were now seen as a proof of political intent if they came from large membership organizations. [. . .] It meant publicity and publicity meant pressure on political candidates and incumbents.“ sowie das Interview mit Alinsky, o.A., 1 Yale Rev. L. & Soc. Action 64, 64 f. (1970). 188 Vgl. Vogel, Lobbying the Corporation, S. 35. 189 Vgl. § 6 B. I. 2. 190 So aber Talner, Origins, S. 6 f.; hiergegen zutreffend Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 384 (2002).

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form der Hauptversammlungspolitisierung einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. 2. Hauptversammlungen im Zeichen des Vietnamkriegs Gegen Ende der 1960er Jahre wurde die amerikanische Invasion in Vietnam zunehmend zum bestimmenden Thema des politischen Diskurses in den USA. Die Friedensbewegung erhielt in diesem Zusammenhang großen Zulauf. Zahlreiche Vereinigungen, die sich gegen die Fortführung des Krieges aussprachen, wurden neu gegründet. Diese brachten ihre ablehnende Haltung in vielfältigen Formen zum Ausdruck. Zielscheibe der Proteste war dabei nicht allein die USRegierung, sondern auch die Unternehmen der Rüstungsindustrie. Diesen wurde von Seiten der Friedensbewegung eine Mitverantwortung für die verhängnisvolle Entwicklung der US-amerikanischen Außenpolitik unterstellt und zudem die Herstellung unethischer Güter vorgeworfen.191 Es ist deshalb nicht überraschend, dass die Diskussion um den Vietnamkrieg auch in die Hauptversammlungen getragen wurde. Große Unterschiede gab es jedoch hinsichtlich der Art und Weise, wie diese Kritik im Einzelfall artikuliert wurde. Während etwa bei Dow Chemical versucht wurde, durch Aktionärsanträge auf die Unternehmensleitung einzuwirken und der Protest in geordneten Bahnen ablief192, setzen die Friedensaktivisten in anderen Unternehmen auf aggressivere Taktiken. Herausragendes Beispiel hierfür sind die Geschehnisse im Zusammenhang mit der Hauptversammlung der Honeywell Corp. im Frühjahr 1970.193 Im Vorfeld des Aktionärstreffens hatte die Friedensgruppe Honeywell Project die Kritiker in der Bewegung Minnesota Proxies for People organisiert und öffentlichkeitswirksam zu Demonstrationen innerhalb und außerhalb des Hauptversammlungsgebäudes aufgerufen. Das Management stand den angekündigten Protesten zunächst gelassen gegenüber und ließ erklären, dass auch Kritiker der Geschäftsleitung das Recht hätten, an der Hauptversammlung teilzunehmen und dort ihre Meinung auszudrücken.194 Ganz anders stellte sich indes die Situation am Tag der Hauptversammlung dar, als mehr als 1.000 Aktivisten – viele von ihnen halbnackt und mit Kunstblut verschmiert – unter Verweis auf ihren Aktienbesitz Zutritt forderten. Etwa 300 von ihnen gelangten in den Hauptversammlungssaal und brachten dort ihr Anliegen lautstark zum Ausdruck. Der Chairman of the Board stellte daraufhin in aller Kürze fest, dass der Gesellschaft für die Wiederwahl der Board-Mit191 Ausf. Vogel, Lobbying the Corporation, S. 40 ff.; Schwartz, 69 Mich. L. Rev. 419, 422 (1971). 192 Vgl. dazu noch § 6 C. II. 1. a). 193 Dazu ausf. Talner, Origins, S. 10 f.; o.A., „The Corporation Becomes a Target“, Time Magazine vom 11.05.1970; vgl. auch § 5 B. II. zu dem 1969 gescheiterten Versuch, eine Liste der Aktionäre der Gesellschaft zu erhalten, um diese über die Ziele des Honeywell Project zu informieren. 194 Vogel, Lobbying the Corporation, S. 54 f.

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

glieder genug Stimmrechtsvollmachten erteilt worden seien und beendete das Aktionärstreffen unter „Sieg Heil!“-Rufen der Aktivisten weniger als 15 Minuten nach seinem Beginn.195 Vergleichbares ereignete sich noch einmal bei der Hauptversammlung des darauf folgenden Jahres.196 3. Das „Project on Corporate Responsibility“ und die „Campaign to Make General Motors Responsible“ Neben den soeben geschilderten, auf bedingungslose Konfrontation auch mit unkonventionellen Mitteln angelegten Erscheinungsformen des Aktionärsengagements gab es zu Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre eine Reihe weiterer Kampagnen, die in zivilisierter Weise versuchten, die Rolle großer Aktiengesellschaften in der modernen Industriegesellschaft unter Rückgriff auf Aktionärsrechte zu thematisieren.197 In jeder Hinsicht herausragend waren dabei die Anstrengungen und Erfolge der Campaign to Make General Motors Responsible (Campaign GM), die für die weitere Entwicklung des gesellschaftspolitischen Aktionärsaktivismus die entscheidende Weichenstellung vornahm198 und das Thema der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit rückte. Initiator der Kampagne war das Project on Corporate Responsibility, eine von vier jungen Rechtsanwälten gegründete gemeinnützige Organisation, die in der Öffentlichkeit und bei den Unternehmen für das Konzept der gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung werben wollte.199 Die Gründer der Organisation einte die Überzeugung, dass die Großunternehmen eine bedeutende Rolle bei der Verwirklichung gesellschaftlicher Anliegen spielen und ähnlich wie Regierungen durch demokratische Mitwirkung in der Hauptversammlung beeinflusst werden können.200 Als stellvertretendes Symbol für sämtliche Großunternehmen diente der Organisation dabei der Autohersteller General Motors, der zu Beginn des Jahres 1970 in das Visier ihrer Aktivitäten rückte. Nachdem Pläne aufgegeben worden waren, den Verbraucheranwalt und späteren Präsidentschaftskandidaten 195

Vgl. Talner, Origins, S. 11; Vogel, Lobbying the Corporation, S. 55. Auf der Hauptversammlung des Jahres 1971 stellte das Honeywell Project allerdings auch drei Aktionärsanträge zur Abstimmung und näherte sich damit an die noch heute übliche Form des Aktionärsengagements an, vgl. Talner, Origins, S. 11. 197 So etwa das Project Standard Oil, vgl. dazu Hoy, 16 Bus. & Soc. Rev. 42 ff. (1975/76). 198 Vgl. Davis/Lukomnik/Pitt-Watson, New Capitalists, S. 177: „mighty spark“; Schwartz, 60 Geo. L. J. 57, 58 (1971): „prototype public interest proxy contest“; Talner, Origins, S. 12: „watershed for shareholder activism“. Die Bedeutung der Campaign GM für die zukünftige Entwicklung wurde teilweise auch schon in zeitgenössischen Berichten erkannt, vgl. Pfaeffle, Walter, „Tupamaros in der HV“, Die Zeit 37/1971, S. 29 sowie Business Week vom 02.05.1970, S. 94. 199 Schwartz, 69 Mich. L. Rev. 419, 423 (1971). 200 Talner, Origins, S. 13 f. 196

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der amerikanischen Grünen, Ralph Nader, für die Wahl zum Board of Directors zu nominieren201, kündigte die Organisation die Stellung von drei Aktionärsanträgen bei General Motors an.202 Mit dem ersten Antrag sollte das Certificate of Incorporation um einen Passus ergänzt werden, wonach der Gesellschaftszweck nicht in einer Weise verfolgt werden dürfe, der der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und dem Gemeinwohl zuwiderlaufe. Der zweite Antrag nahm den Gedanken der Repräsentation öffentlicher Interessen im Board auf und sah dazu die Erweiterung des Board um drei Sitze vor, die mit einem Verbraucheranwalt, einem Umweltexperten und einem Bürgerrechtler besetzt werden sollten. Der dritte Antrag zielte schließlich auf die Einrichtung eines Ausschusses für gesellschaftliche Verantwortung (Committee for Corporate Responsibility) ab, der aus mindestens 15, aber nicht mehr als 25 Vertretern von Umweltschutz- und Bürgerrechtsgruppen, Arbeitnehmern, Verbrauchern, Wissenschaftlern, Kleinaktionären sowie des Managements zusammengesetzt sein sollte. Hauptaufgabe des Ausschusses sollte die Erstellung eines Berichts über die gesellschaftliche Rolle von General Motors sein, der unter anderem auch Vorschläge dazu enthalten sollte, wie die Balance zwischen den Rechten und Interessen von Aktionären, Arbeitnehmern, Kunden und der Allgemeinheit gewahrt werden könne.203 General Motors lehnte die Veröffentlichung sämtlicher Anträge ab und verwies dazu auf die Ausschlusstatbestände der fehlenden Aktionärszuständigkeit (Rule 14a-8 (c)(1) (1967)), der Werbungsabsicht für allgemein-politische Ziele (Rule 14a-8 (c)(2) 2. Alt. (1967)) sowie des Bezugs zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft (Rule 14a-8 (c)(5) (1967)). Damit war die SEC aufgerufen, zur Vereinbarkeit der Anträge mit den proxy rules Stellung zu nehmen. Die Behandlung der Anträge stellte für die Beamten der Behörde eine besondere Herausforderung dar, da sie bis dato nur wenige Erfahrungen im Umgang mit derartigen gemeinwohlorientierten Anträgen sammeln konnten. Nach heftigen internen Diskussionen, die erst durch eine knappe Entscheidung der Kommission selbst beendet 201 Ursächlich für das Abrücken von diesen Plänen waren die Schwierigkeiten, mit denen ein Aktionär konfrontiert ist, der einen eigenen Kandidaten für die Wahl der Direktoren nominieren will. 202 Wenige Wochen später wurden noch sechs weitere Anträge zu den Themen Fahrzeugsicherheit, Umweltverschmutzung und Einstellung von Minderheiten gestellt. Sämtliche Anträge sind im Wortlaut wiedergegeben bei Schwartz, 69 Mich. L. Rev. 419, 534 ff. (1971). 203 Derartige Ausschüsse wurden in der darauffolgenden Zeit bei zahlreichen Gesellschaften unter unterschiedlichen Bezeichnungen („public policy committee“, „public issues committee“, „social responsibility committee“ oder „corporate responsibility committee“) eingeführt, vgl. Lovdal/Bauer/Treverton, 55 Harv. Bus. Rev. 40 (1977); Committee on Corporate Laws, 38 Bus. Law. 211, 212 ff. (1982). Seit dem Jahr 2000 nahm ihre Verbreitung sukzessive ab. Nachdem 2001 noch 17,9 % der im S&P 500 erfassten Gesellschaften einen solchen Ausschuss gebildet hatten, waren es 2005 nur mehr 13,6 %, vgl. die Studie von Repetto, Best Practice in Internal Oversight of Lobbying Practice, S. 26.

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wurden, hielt die SEC den Antrag zur Errichtung eines Ausschusses und den Antrag zur Vergrößerung des Board für zulässig, während es hinsichtlich der restlichen Anträge keine Veranlassung sah, gegen die geplante Nichtveröffentlichung einzuschreiten.204 Nach der Entscheidung der SEC begannen sowohl General Motors als auch das Project on Corporate Responsibility damit, bei den Aktionären um Unterstützung für ihr Anliegen zu werben. Dazu startete General Motors eine Werbekampagne, in deren Verlauf großformatige Zeitungsannoncen geschaltet wurden, in denen die Bemühungen der Gesellschaft um eine Einschränkung der von ihren Fabriken ausgehenden Luftverschmutzung hervorgehoben wurden. Außerdem entschloss sich der Board zu dem für damalige Verhältnisse höchst ungewöhnlichen Schritt, allen 1,3 Mio. Aktionären neben dem proxy statement auch eine Broschüre zuzusenden, in der die Leistungen der Gesellschaft in den Bereichen Kraftfahrzeugsicherheit, Reduzierung der Luftverschmutzung, Betriebssicherheit und Gemeinwohlverantwortung dokumentiert wurde.205 Zugleich versuchte der Board, die Aktionärsopposition als Frontalangriff auf das amerikanische System der Unternehmensführung darzustellen.206 Auch auf der Seite der Aktivisten wurde um die Unterstützung der Aktionäre geworben. Angesichts der beschränkten finanziellen Mittel, die der Kampagne zur Verfügung standen, beschränkte man sich aber darauf, den 200 größten institutionellen Anlegern ausführliche Stellungnahmen zu den mit den Anträgen verfolgten Zielen zukommen zu lassen und die verantwortlichen Vermögensverwalter in persönlichen Gesprächen zu überzeugen. Das Hauptaugenmerk lag dabei darauf, gemeinnützige institutionelle Anleger wie Universitäten, Stiftungen und religiöse Organisationen für die Absichten der Kampagne einzunehmen.207 Die Reaktion der institutionellen Anleger blieb jedoch verhalten: Sämtliche angeschriebenen Investmentfonds und nahezu alle Pensionsfonds hielten an der Maxime der Wall Street Rule fest, einer Unzufriedenheit mit der Art und Weise der Geschäftsführung durch Desinvestition und nicht durch die Ausübung von Aktionärsrechten Ausdruck zu verleihen. Allein den New York City Pension Fund, der in späteren Jahrzehnten noch zu einem der lautstärksten Verfechter des gesellschaftspolitischen Aktionärsaktivismus werden sollte208, stand den Anträgen aufgeschlossen gegenüber. Auch aus dem Kreise der gemeinnützigen Anleger erfuhren die Anträge nicht die erhoffte Unterstützung.209 Immerhin ebneten die Anträge aber an den US-amerikanischen 204

Ausf. hierzu Schwartz, 69 Mich. L. Rev. 419, 451 ff. (1971). „GM’s Record of Progress“, vgl. Blumberg, 51 Boston U. L. Rev. 425, 435 f. (1971); Vogel, Lobbying the Corporation, S. 82. 206 Vgl. Schwartz, 69 Mich. L. Rev. 419, 428 (1971). 207 Vgl. Schwartz, 60 Geo. L. J. 58, 66 ff. (1971). 208 Vgl. § 6 C. IV. 1. f) und § 6 D. I. 2. a). 209 Ausf. zur Positionierung der unterschiedlichen Aktionärsgruppen Schwartz, 69 Mich. L. Rev. 419, 496 ff. (1971). 205

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Universitäten den Weg zu einer intensiven Diskussion um die künftige Haltung gegenüber gesellschaftspolitischen Aktionärsanträgen.210 Die im Mai 1970 stattfindende Hauptversammlung stand schließlich ganz im Zeichen der Diskussion um die gesellschaftliche Verantwortung von General Motors. Im Gegensatz zu der nur einen Monat zurückliegenden Hauptversammlung der Honeywell Corp. verlief das Aktionärstreffen ohne Zwischenfälle in geordneten Bahnen. Sowohl das Management auch als die Aktivisten nutzten die Gelegenheit, noch einmal ihre unterschiedlichen Standpunkte darzustellen. Die Ergebnisse der anschließenden Abstimmungen waren für die Initiatoren der Campaign GM auf den ersten Blick ernüchternd. Der Antrag zur Einrichtung eines Ausschusses für gesellschaftliche Verantwortung vereinigte lediglich 2,73 % der abgegebenen Stimmen auf sich, der Antrag auf Erweiterung des Board gar nur 2,44 %.211 Damit verfehlten beide Anträge die für eine erneute Antragstellung bestehende Schwelle von 3 % (Rule 14a-8 (c)(4)(i) (1967)). Es würde aber zu kurz greifen, den Erfolg der Campaign GM allein anhand der Stimmen zu bewerten, die für ihre Anträge abgegeben wurden. Zwar waren die Initiatoren weit davon entfernt, einen ins Gewicht fallenden Teil des Aktionärskreises hinter sich zu wissen. Durch die Thematisierung der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen, die von den Medien landesweit aufgegriffen wurde, setzte die Kampagne aber einen Diskussionsprozess in Gang, der schließlich in einem Nachgeben von General Motors mündete: Im August 1970 kündigte die Gesellschaft die Einrichtung eines Public Policy Committee an, dessen fünf Mitglieder den Board in Fragen von öffentlichem Interesse beraten sollten. Außerdem wurde im Januar 1971 der afroamerikanische Pfarrer und Bürgerrechtler Leon Sullivan in den Board von General Motors gewählt.212 4. Anfänge des religiösen Aktionärsengagements Die Idee der Initiatoren der Campaign GM, das Prinzip der gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung unter Ausübung des Aktionärsantragsrechts zu fördern, fiel vor allem in Kirchenkreisen auf fruchtbaren Boden. Zwar hatten den Anträgen der Kampagne nur einige wenige religiöse Institutionen zugestimmt. Die Vorgänge um die Hauptversammlung von General Motors stellten aber für zahlreiche konfessionelle Vereinigungen den entscheidenden Denkanstoß dar, Grundsätze für eine verantwortungsvolle Ausübung ihres Stimm- und Antrags210

Vgl. dazu noch § 6 C. IV. 1. d). Vgl. New York Times vom 01.09.1970, S. 1 sowie Schwartz, 45 St. John’s L. Rev. 764 (1971). 212 Vgl. Wall Street Journal vom 06.01.1971, S. 6; o.A., „Notfalls Gewalt“, Der Spiegel Nr. 24/1971 vom 07.06.1971, S. 90 sowie Blumberg, 51 Boston U. L. Rev. 425, 436 f. (1971). 211

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rechts zu formulieren.213 Schon in den frühen 1960er Jahren hatten diese Institutionen versucht, ihre Vorstellungen von „sozialverantwortlichem“ Investieren bei der Vermögensanlage zu verwirklichen. Dabei beschränkten sie sich aber auf den gezielten Ausschluss ethisch als bedenklich eingestufter Gesellschaften (screening) sowie informelle Gespräche mit den Unternehmensleitungen. Erst ab dem Jahr 1971 wurden diese Instrumente durch die Ausübung des Antrags- und des Stimmrechts ergänzt. Eine Vorreiterrolle nahmen dabei die Episcopal Church und die United Presbyterian Church ein. Sie initiierten Anträge zu den Umweltfolgen einer geplanten Kupfermine in Puerto Rico, zu den Verstickungen von General Motors in das Apartheidsystem in Südafrika und der Geschäftstätigkeit der Gulf Oil Co. in den portugiesischen Kolonien in Afrika.214 Im Kreis der Aktionäre fanden diese Anträge indes nur ganz geringen Widerhall, was die kirchlichen Institutionen jedoch unbeeindruckt ließ. Zur Koordinierung ihrer Aktivitäten gründeten sechs von ihnen noch im Laufe desselben Jahres das Interfaith Committee on Social Responsibility in Investments, aus dem 1973 das Interfaith Center on Corporate Responsibility215 hervorging, dem heute etwa 275 hauptsächlich christliche Organisationen angehören.216 Bis zur Mitte der 1970er Jahre entwickelten sich die religiösen Institutionen der USA zu den aktivsten Initiatoren gesellschaftspolitischer Aktionärsanträge überhaupt, was zu scharfer Kritik aus Unternehmenskreisen führte217 und zudem im Ausland zum Teil den Eindruck entstehen ließ, als seien diese die einzigen Nutzer des Aktionärsantragsrechts.218 Zentrales Anliegen der überwiegenden

213 Vgl. dazu etwa die Stellungnahme der Episcopal Church vom September 1970: „Social criteria in investments must be a working assumption of the churches if they are to relate their program (expenditures) to their income (investments). The ,new thing‘ is for the churches to become active and responsible shareholders, giving consideration to social criteria as well as financial return in investments.“ sowie die Einleitung der Richtlinien der United Presbyterian Church von 1971: „Church investment policy involves not only sound economic but also theological considerations. Its central goal should match effective investment management with imaginative and efficient allocation of resources to programs that contribute positively to a Christian concept of humanity’s spiritual and material well-being.“, abgedruckt bei Talner, Origins, S. 30 f. 214 Cotter/Denerstein/McKeon, 5 Bus. & Soc. Rev./Innovation 61 ff. (1973); Schwartz, 14 Bus. & Soc Rev. 70 (1975); Schwartz, 3 Bus. & Soc. Rev. 54, 55 (1972); Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 643 (1977); Talner, Origins, S. 30 ff.; Van Buren, 112 Bus. & Soc. Rev. 55, 59 (2007). 215 http://www.iccr.org/. 216 Vgl. Davis/Lukomnik/Pitt-Watson, New Capitalists, S. 179 ff.; Purcell, 57 Harv. Bus. Rev. 24, 26 (1979); Tkac, Fed. Res. Bank Atl. Econom. Rev. 2006, 1, 6. 217 Exemplarisch Kirchhoff, 32 Bus. & Soc. Rev. 55 ff. (1979/80), der von „antibusiness radicals in clerical garb“ sprach. 218 O.A., Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 1983, 1136: „Das bereitet protestantischen Pastoren und katholischen Nonnen Kummer, die sich gerne im HV-Rampenlicht sonnten. Aber die Masse der seriösen Investoren ist froh, dass Miniaktionäre die HV nicht länger mit ihren Steckenpferdchen langweilen dürfen . . .“

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Zahl der Anträge war die Geschäftstätigkeit in Südafrika.219 Obwohl nur wenige der von religiösen Gruppen gestellten Anträge überhaupt die für eine wiederholte Antragstellung zu überwindende Zustimmungsquote von 3 % überschritten, blieben diese Aktivitäten nicht ohne Folgen. Als sich im Laufe der 1970er Jahre die Arbeitsbedingungen der schwarzen Beschäftigten US-amerikanischer Unternehmen in Südafrika spürbar verbesserten, wurde dies zu einem Gutteil auf den durch die Aktionärsanträge hervorgerufenen Öffentlichkeitsdruck zurückgeführt.220 II. Reformdruck Durch die massenhafte Ausübung des Aktionärsantragsrechts wurde die shareholder proposal rule das erste Mal einer ernsthaften Belastungsprobe unterzogen. Die SEC geriet dabei sowohl von Seiten der Unternehmen als auch von Seiten der Aktivisten in die Kritik, die der Behörde entweder eine zu laxe oder zu restriktive Handhabung der Rule 14a-8 vorwarfen. Dass es im Jahr 1972 schließlich zu einer weiteren Novellierung kam, war jedoch maßgeblich auf den Druck zurückzuführen, der von einer Entscheidung des U.S. Court of Appeals, District of Columbia Circuit (vgl. unten 1.) und einer Gesetzgebungsinitiative (vgl. unten 2.) ausging. 1. Die Entscheidung Medical Committee for Human Rights v. SEC Ein wichtiger Anstoß zur Reform der Rule 14a-8 ging im Juli 1970 vom U.S. Court of Appeals, District of Columbia Circuit aus, der in einem Rechtsstreit zwischen dem Medical Committee for Human Rights und der SEC ein Urteil221 fällte, das für die weitere Entwicklung des Aktionärsantragsrechts von überragender Bedeutung war.222 Es gilt noch heute als das wichtigste und eindeutigste Bekenntnis des US-amerikanischen Fallrechts zugunsten des sozial-ökologischen Aktionärsengagements. a) Sachverhalt Hintergrund des Gerichtsverfahrens war ein Streit zwischen der Bürgerrechtsorganisation Medical Committee for Human Rights (MCHR)223 und dem Che219

Ausf. zu diesen Anträgen Buss, 44 UMKC L. Rev. 49, 57 f. (1975). Vgl. Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 643 f. (1977) m.w. N.: „these expressions of shareholder concern have played a significant role“. 221 Medical Committee for Human Rights v. SEC, 432 F.2d 659, 139 U.S. App. D.C. 226, Fed. Sec. L. Rep. 92,708, 92,743. 222 Buss, 44 UMKC L. Rev. 49, 50 (1975). 223 Das MCHR wurde im Juli 1964 von Ärzten, Psychologen, Krankenschwestern und Sozialarbeitern gegründet und bot u. a. Bürgerrechtsaktivisten freie medizinische 220

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miekonzern Dow Chemical über die Produktion des im Vietnamkrieg eingesetzten Kampfstoffs Napalm, die schon seit Mitte der 1960er Jahre zu zahlreichen Protestaktionen und Demonstrationen gegen das Unternehmen geführt hatte.224 Im März 1968 reihte sich das MCHR, das zu diesem Zeitpunkt fünf Aktien an Dow Chemical besaß, in die Front der Kritiker ein und verlieh seinen Bedenken mit einem Aktionärsantrag Ausdruck. In diesem wurde der Board der Gesellschaft aufgefordert, eine Änderung der Articles of Incorporation zu initiieren, wonach Napalm künftig nur noch an solche Abnehmer geliefert werden sollte, die eine Verwendung gegen Menschen ausschließen könnten.225 Die Gesellschaft lehnte die Veröffentlichung des Antrags ab, weil er nach Ablauf der Antragsfrist gestellt worden war. Zugleich versprach sie aber, die erhobenen Einwände zu untersuchen. Nachdem Dow Chemical in den darauf folgenden Monaten an der Produktion von Napalm festhielt, wiederholte das MCHR im Januar 1969 zunächst seinen Antrag vom Vorjahr. Dieser wurde wegen rechtlicher Bedenken des Unternehmens dahingehend geändert, dass die zu initiierende Änderung der Articles die vollständige Aufgabe der Napalmproduktion vorsehen sollte.226 Allerdings wurde auch die Veröffentlichung dieses Antrags abgelehnt. Das Unternehmen berief sich darauf, dass der Antragsteller in der Absicht handele, für ein allgemein-politisches bzw. -wirtschaftliches Ziel zu werben (Rule 14a-8 (c)(2) 2. Alt. (1967)) und der Antrag zugleich einen Bezug zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Gesellschaft aufweise (Rule 14a-8 (c)(5) (1967)). Diese Einschätzung wurde von der SEC geteilt. Auch die auf eine Prüfbitte des MCHR hin tätig gewordene gesamte Kommission kam zu keinem anderen Ergebnis, sondern bestätigte die Entscheidung ihrer Fachabteilung.227 Deshalb stellte das MCHR bei Gericht einen Antrag auf Nachprüfung (petition for review), mit dem die Rechtswidrigkeit der bestätigenden Kommissionsentscheidung festgestellt und die SEC zur erneuten Bescheidung verurteilt werden sollte.

Versorgung, vgl. die Selbstdarstellung im MCHR Volunteer Manual vom Juni 1966, abrufbar unter http://www.crmvet.org/docs/mchr.pdf. 224 Vgl. 432 F.2d 659, 680; Vogel, Lobbying the Corporation, S. 43 f. 225 „RESOLVED, that the shareholders of the Dow Chemical Company request the Board of Directors, in accordance with the laws of the State of Delaware, and the Composite Certificate of Incorporation of the Dow Chemical Company, to adopt a resolution setting forth an amendment to the Composite Certificate of Incorporation of the Dow Chemical Company that napalm shall not be sold to any buyer unless that buyer gives reasonable assurance that the substance will not be used on or against human beings“, abgedruckt unter 432 F.2d 659, 662. 226 „RESOLVED, that the shareholders of the Dow Chemical Company request that the Board of Directors, in accordance with the laws of the Dow Chemical Company, consider the advisability of adopting a resolution setting forth an amendment to the composite certificate of incorporation of the Dow Chemical Company that the company shall not make napalm.“, abgedruckt unter 432 F.2d 659, 663. 227 432 F.2d 659, 663; zur Möglichkeit, eine Entscheidung der Kommission herbeizuführen vgl. § 8 B.

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b) Urteilsgründe Der U.S. Court of Appeals, District of Columbia Circuit gab dem Antrag vollumfänglich statt.228 In der in drei Teile gegliederten Urteilsbegründung setzte sich das Gericht zunächst ausführlich mit der verwaltungsverfahrensrechtlichen Frage auseinander, ob der Nachprüfungsantrag fristgerecht gestellt wurde, ehe es sich für eine grundsätzliche Überprüfbarkeit von Kommissionsentscheidungen aussprach und damit einen folgenreichen Grundsatz formulierte.229 An dieser Stelle der Untersuchung sollen indes nur die erhellenden Ausführungen des Gerichts zur shareholder proposal rule und ihrer Handhabung durch die SEC im Mittelpunkt des Interesses stehen. Die Argumentation des Gerichts setzte in diesem Zusammenhang bei dem Gedanken der corporate democracy, d. h. der Mitwirkung der Aktionäre bei den wichtigsten sie betreffenden Entscheidungen, und damit bei Sinn und Zweck von Sec. 14 (a) Securities Exchange Act 1934 an, der die SEC zur näheren Ausgestaltungen des Stimmrechtseinwerbungsverfahrens ermächtigt. Die 1952 und 1954 in Rule 14a-8 eingefügten Ausnahmetatbestände der Werbung für gesellschaftspolitische Zwecke und des Bezugs zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit stünden nach Ansicht des Gerichts grundsätzlich im Einklang mit diesen gesetzgeberischen Vorstellungen. Denn es sei nicht anzunehmen, dass der Bundesgesetzgeber die Stimmrechtseinwerbung als Forum für unzufriedene Aktionäre ausgestalten wollte, die ihrem Ärger über belanglose Dinge Luft zu schaffen versuchen.230 Außerdem könnten die Mitglieder der Unternehmensleitung ihre Sachkunde nicht effektiv zur Geltung bringen, wenn den Aktionären die Entscheidungszuständigkeit für alltägliche Geschäftsführungsmaßnahmen zustehen würde. Allerdings wohne diesen Tatbeständen die immanente Gefahr inne, die Leitidee der corporate democracy auszuhöhlen: Denn bei entsprechender Auslegung könne fast jeder Antrag abgelehnt werden, weil er entweder zu allgemein (Rule 14a-8 (c)(2) 2. Alt. (1967)) oder aber zu speziell (Rule 14a-8 (c)(5) (1967)) gefasst ist.231 Nach An228

432 F.2d 659, 682. Prüfungsmaßstab der ersten beiden Teile des Urteils war Sec. 25 (a) Nr. 1 Securities Exchange Act 1934: „A person aggrieved by a final order of the Commission entered pursuant to this title may obtain review of the order in the United States Court of Appeals for the circuit in which he resides or has his principal place of business, or for the District of Columbia Circuit, by filing in such court, within sixty days after the entry of the order, a written petition requesting that the order be modified or set aside in whole or in part.“; zur Überprüfbarkeit der Entscheidungen der SEC vgl. ausf. § 8 C. 230 „[. . .] for it seems fair to infer that Congress desired to make proxy solicitations a vehicle for corporate democracy rather than an all-purpose forum for malcontented shareholders to vent their spleen about irrelevant matters“, vgl. 432 F.2d 659, 678. 231 Das Gericht rügte in diesem Zusammenhang, dass die Rechtsabteilung von Dow Chemical sowohl den general cause- als auch den ordinary business-Tatbestand als erfüllt ansah und die SEC keine Anstrengungen unternahm, diesen Widerspruch aufzulösen, 432 F.2d 659, 679. 229

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sicht des Gerichts war im vorliegenden Fall aber weder der eine noch der andere Ausnahmetatbestand erfüllt. aa) Kein Bezug des Antrags zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb Die Rechtsabteilung von Dow Chemical hatte gegenüber der SEC argumentiert, dass der Antrag des MCHR den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft betreffe. Die Entscheidung, welche Produkte die Gesellschaft herstelle, an welche Kunden sie diese liefere und unter welchen Bedingungen sie diese Geschäfte abwickle, seien alltägliche Geschäftsführungsmaßnahmen. Jeder Versuch, über eine Ausgestaltung der Gesellschaftsdokumente auf den Prozess der unternehmerischen Entscheidungsfindung einzuwirken, stelle deshalb einen unzulässigen Eingriff in die gesellschaftsrechtlich garantierte Leitungsmacht des Board dar.232 Das Gericht erachtete diese Argumentation als unzureichend. Angesichts der Tatsache, dass die Gesellschaft für die dem Ausschlusstatbestand zugrunde liegenden Tatsachen beweisbelastet233 sei, hätte die SEC aus dem oberflächlichen Vortrag der Gesellschaft nicht einfach auf die Ausschlussfähigkeit des Antrags schließen dürfen. Das auf die Gesellschaft anwendbare Gesellschaftsrecht des Bundesstaates Delaware sehe zudem die Möglichkeit vor, durch eine Änderung der Articles die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft auf bestimmte Bereiche einzuschränken. Aus diesem Grund bestünden gegen den Antrag keine Bedenken.234 bb) Keine Werbungsabsicht für allgemein-politische Ziele Die große Bedeutung für die weitere Entwicklung des Aktionärsantragsrecht, die der Entscheidung Medical Committee for Human Rights v. SEC zugeschrieben wird, leitet sich in erster Linie von den Aussagen des Gerichts zum Ausnahmetatbestand der Werbungsabsicht für allgemein-politische Ziele (Rule 14a-8 (c)(2) 2. Alt. (1967)) ab. Die dort formulierten Gedanken werden aber erst dann verständlich, wenn man sie im Lichte der damals geführten Kontroverse um die zutreffende Auslegung dieses Tatbestandes betrachtet. (1) Streitstand zur Auslegung des Tatbestands Seit der Einführung des Tatbestandes im Jahr 1952 wurde von Teilen der Literatur angenommen, dass die SEC damit lediglich ein allgemeingültiges, im Gesellschaftsrecht der Bundesstaaten aber nicht ausdrücklich zum Ausdruck kom232 233 234

432 F.2d 659, 679. Vgl. dazu § 6 B. X. 3. b). 432 F.2d 659, 680.

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mendes Prinzip kodifiziert habe. Der Anwendungsbereich des Tatbestandes sollte nach dieser Ansicht sehr begrenzt sein: Von der Veröffentlichungspflicht sollten nur solche Anträge ausgenommen sein, die allgemeine politische oder soziale Aspekte betrafen und die zugleich keinen hinreichenden Bezug zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft aufwiesen.235 Die Auslegungspraxis der SEC wies demgegenüber aber schon bald in eine andere Richtung. Nun wurden auch solche Anträge ausgeschlossen, die bestimmte Aktivitäten der Gesellschaft betrafen und damit einen Bezug zur Geschäftstätigkeit hatten.236 So wurde etwa 1960 die Nichtveröffentlichung eines Antrags bestätigt, der die Offenlegung der politischen Aktivitäten einer Gesellschaft verlangte.237 Neben dieser Kontroverse herrschten zudem Unklarheiten darüber, ob bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen auf die Absichten des Antragstellers abzustellen sei („primarily for the purpose of promoting general . . . causes“). Die SEC und Teile der Literatur befürworteten ein solches subjektives Tatbestandsverständnis und stellten auf das dominierende Motiv des Antragsstellers ab („subjective purpose“).238 Dieser Sichtweise wurde entgegengehalten, dass sie die Beteiligung der Aktionäre an Unternehmensentscheidungen über Gebühr einschränke und willkürlichen Entscheidungen Vorschub leisten würde. Außerdem wurde die fehlende psychologische Expertise der SEC betont und darauf hingewiesen, dass der Behörde bei der Entscheidungsfindung lediglich einige Schriftstücke vorliegen würden. Es sei deshalb schwierig, wenn nicht gar unmöglich, die Motive des Antragstellers zu ermitteln.239 Die Kritiker der herrschenden Auslegungspraxis befürworteten daher einen am objektiven Kriterium der Auswirkungen des Antrags orientierten Auslegungsmaßstab („objective motive“): Der Ausnahmetatbestand sollte nach dieser Ansicht nur dann erfüllt sein, wenn eine Umsetzung des Antrags hauptsächlich zur Förderung eines allgemein-politischen, -wirtschaftlichen oder -sozialen Themas beitrage.240 Dieser Auslegungsvariante war zugute zu halten, dass sie sich im Einklang mit dem ebenfalls rein 235 Vgl. etwa Emerson/Latcham, 19 U. Chi. L. Rev. 807, 834 f. (1952), die als Beispiele für zulässige Anträge die folgenden aufzählten: Antrag an eine Rundfunkgesellschaft auf Wiedereinstellung eines wegen „kommunistischer Umtriebe“ entlassenen Radiomoderators, Antrag an einen religiösen Verlag, keine Rohstoffe von nichtchristlichen Zulieferern zu erwerben, Antrag an eine Pelzhandelsgesellschaft, keine Pelze aus der UdSSR zu erwerben. 236 Vgl. Note, 84 Harv. L. Rev. 700, 723 (1971). 237 Note, 70 Yale L. J. 821, 844 und Fn. 156 (1961). 238 Vgl. dazu etwa Heller, 4 Va. Law Weekly Dicta Compilation 72, 74 (1952–53); siehe auch Note, 84 Harv. L. Rev. 700, 724 (1971); Note, 80 Yale L. J. 845, 855 (1971) m.w. N. 239 Vgl. zur Kritik nur Clusserath, 40 Notre Dame L. 13, 41 ff. (1964); Schulman, 40 Geo. Wash. L. Rev. 1, 47 (1971) sowie Schwartz, 69 Mich. L. Rev. 419, 446, 522 (1971), der sich für eine Streichung dieses Tatbestands aussprach. 240 So ausdrücklich Bayne, 34 U. Det. L. J. 575, 598 f. (1957); Schwartz, 69 Mich. L. Rev. 419, 446 f. (1971); vgl. auch Note, 80 Yale L. J. 845, 856 (1971).

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objektiven Bane-Statement von 1945 befand, welches im Rahmen der Reform von 1952 positivrechtlich verankert werden sollte.241 Auch erschien sie praktikabler, da die Feststellung der Auswirkungen eines Antrags – im Gegensatz zu den Motiven des Antragstellers – weniger Schwierigkeiten bereitete. Die SEC folgte dieser Auslegungsvariante jedoch nicht, was im vorliegenden Rechtsstreit schließlich dazu führte, dass sie dem Antragsteller MCHR allgemein-politische Absichten unterstellte und die Nichtveröffentlichung des Antrags als rechtmäßig einstufte. (2) Position des U.S. Court of Appeals, District of Columbia Circuit Dieses Verhalten hielt der U.S. Court of Appeals, District of Columbia Circuit für unvereinbar mit Rule 14a-8 (c)(2) (1967). Das Gericht bezweifelte zunächst grundsätzlich, ob die Anwendung des Tatbestandes durch die SEC im vorliegenden Fall mit Sinn und Zweck des Securities Exchange Act 1934 im Einklang stand. Denn anders als in den Konstellationen, die der SEC bei der Einführung des Tatbestandes vorschwebten, betraf der Antrag hier einen Aspekt, der sich vollständig im Rahmen der üblichen Geschäftstätigkeit bewegte und der auch von ihr kontrolliert werden konnte.242 Weder Dow Chemical noch die SEC hätten Gründe vorgetragen, weshalb das Management einer Aktiengesellschaft berechtigt sein sollte, den Aktionären eine Abstimmung über die Verwendung des Gesellschaftsvermögens in einer weniger profitablen, dafür aber sozial verantwortlicheren Weise als bislang zu verwehren. Es sprach deshalb nach Ansicht des Gerichts – selbst wenn man den Antragstellern eine politische Absicht unterstellt hätte – vieles dafür, dass die Entscheidung der SEC der ratio legis von Sec. 14 (a) Securities Exchange Act 1934 nicht gerecht wurde und schon aus diesem Grund rechtswidrig war. Im Ergebnis kam es darauf jedoch nicht an: Denn nach Ansicht des Gerichts wies der vorliegende Fall die Besonderheit auf, dass Vertreter des Managements von Dow Chemical in Unternehmenspublikationen, Reden und Interviews immer wieder darauf hinwiesen, dass die Produktion und der Vertrieb des Stoffes Napalm nicht aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen, sondern trotz dieser Überlegungen erfolge. Dem Festhalten an der Napalm-Produktion lag damit weniger eine wirtschaftliche denn eine politische, wertegeleitete Entscheidung zugrunde.243 Die Kontrolle von Entscheidungen, mit denen das Management einer wie 241

Vgl. dazu schon § 6 B. IV. und § 6 B. IX. 432 F.2d 659, 681. 243 Vgl. hierzu den Dow Chemical-CEO Herbert D. Doan: „We as a company have made a moral judgement on the long-range goals of our government and we support these. We may not agree as individuals with every decision of every military or government leader, but we regard these leaders as men trying honestly and relentlessly to find the best possible solutions to very, very complex international problems. As long as we 242

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auch immer gearteten gesamtgesellschaftlichen Verantwortung des Unternehmens Ausdruck verleihen wolle und die in erster Linie politischer, nicht wirtschaftlicher Natur seien, dürfe durch die proxy rules der SEC nicht verhindert werden. Es müsse klar unterschieden werden zwischen dem legitimen Bedürfnis des Managements, bei der Entscheidung über alltägliche Dinge nicht von Aktionären behelligt zu werden und der illegitimen Managementforderung, mithilfe eines Unternehmens ungestört eigene politische oder moralische Vorstellungen realisieren zu können. Daraus leitete das Gericht schließlich die materiell-rechtliche Kernaussage des Urteils ab: Da keine Gründe dafür ersichtlich seien, weshalb die Geschäftsleitung einer Gesellschaft kompetenter oder berechtigter sein solle, politische bzw. moralische Entscheidungen zur treffen, sei eine ausschließliche Zuständigkeit des Managements für Fragen der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung der Gesellschaft abzulehnen. Eine bundesrechtliche Ausgestaltung des Aktionärsantragsrechts, die eine Mitentscheidungsbefugnis der Aktionäre in derartigen Angelegenheiten generell ausschließe, sei mit dem Grundgedanken der Ermächtigungsnorm Sec. 14 (a) Securities Exchange Act 1934 unvereinbar.244 c) Die Entscheidung des U.S. Supreme Court (1972) Weit weniger aufschlussreich als das Urteil des Ausgangsgerichts ist demgegenüber die Entscheidung des von der SEC angerufenen U.S. Supreme Court, der den Rechtsstreit im Januar 1972 als erledigt ansah und deshalb keine erneute Sachprüfung vornahm.245 Als erledigendes Ereignis wurde von der Mehrheit der Richter der Umstand gewertet, dass das Management der Dow Chemical Co. im Jahr 1971 den zuvor noch abgelehnten Antrag des MCHR akzeptierte und veröffentlichte. Auf der anschließenden Hauptversammlung erhielt der Antrag jedoch weniger als 3 % der abgegebenen Stimmen. Hierdurch wurde das Management berechtigt, den Antrag in den drei darauf folgenden Jahren abzulehnen. Damit hatte sich der Rechtsstreit nach Ansicht der Richtermehrheit zumindest für diesen Zeitraum erledigt. Aber auch für den nach Ablauf der Dreijahresfrist liegenden Zeitraum war nach Ansicht der Richter Erledigung eingetreten. Daran wäre nur dann zu zweifeln, wenn Dow Chemical mit einiger Wahrscheinlichkeit an der so regard them, we would find it impossible not to support them. [. . .] Our company has the responsibility to act like a good citizen.“, zit. nach Vogel, Lobbying the Corporation, S. 49. 244 „It could scarcely be argued that management is more qualified or more entitled to make these kinds of decisions than the shareholders who are the true beneficial owners of the corporation; and it seems equally implausible that an application of the proxy rules which permitted such a result could be harmonized with the philosophy of corporate democracy [. . .]“, vgl. 432 F.2d 659, 681. 245 Vgl. SEC v. Medical Committee for Human Rights, 404 U.S. 403 (1972).

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

Nichtveröffentlichung des Antrags festgehalten hätte.246 In Anbetracht der geringen Unterstützung, die der Antrag 1971 bei der Abstimmung generieren konnte, könne dies aber nicht angenommen werden.247 In der Literatur wurde diese Entscheidung vereinzelt als Sieg für die SEC gewertet.248 Diese Einschätzung mag angesichts der formal gehaltenen Begründung der das Urteil tragenden Richtermehrheit überraschen. Erst ein Blick auf die dissenting opinion des Richters Douglas zeigt, dass bei der Entscheidungsfindung auch grundsätzliche Erwägungen über die Rolle der modernen Großunternehmen eine Rolle spielten, die der Frage der Erledigung des Rechtsstreits vorgelagert waren. Douglas betonte die ungeheure, aber praktisch unkontrollierte Macht der Großunternehmen und wies darauf hin, dass die Entscheidungen dieser „privaten Regierungen“ 249 das Leben aller beeinflussen würden. Das Verhalten dieser Unternehmen müsse deshalb einem höheren Maßstab als der „Moral des Marktes“ gerecht werden, die das zielgerichtete und kurzsichtige Streben nach Gewinnmaximierung als einzigen Zweck unternehmerischen Verhaltens verherrliche.250 Der Rechtsstreit hatte sich nach dieser abweichenden Ansicht nicht erledigt, weil angesichts der erwünschten Kontrolle von Großunternehmen ein öffentliches Interesse daran bestand, die Rechtmäßigkeit der Praxis der SEC festzustellen251 und kein Grund zu der Annahme bestanden habe, dass Dow Chemical den Antrag zu einem späteren Zeitpunkt wieder zulassen werde. d) Rezeption und Folgen der Entscheidung Die Ausgangsentscheidung des U.S. Court of Appeals, District of Columbia Circuit wurde in der Literatur überwiegend positiv aufgenommen, da sie die Ausnahmetatbestände der Rule 14a-8 wieder in Einklang mit dem gesetzgeberischen Zweck von Sec. 14 (a) Securities Exchange Act gebracht habe. Einhellig wurde darauf hingewiesen, dass der Tatbestand der Werbungsabsicht für allgemein-politische Zwecke aufgrund des Urteils seine Filterfunktion weitgehend eingebüßt hatte und die Abwehr gesellschaftspolitischer Anträge künftig weitaus schwieriger werden würde.252 Deshalb sei die SEC dazu aufgerufen, die shareholder proposal rule zu reformieren und den Vorgaben des Urteils anzupassen.253

246 Vgl. zu diesem Maßstab schon Walling v. Helmerich & Payne, 323 U.S. 37, 43 (1944); United States v. W. T. Grant Co., 345 U.S. 629, 632 f. (1953). 247 Vgl. 404 U.S. 403, 406. 248 In diesem Sinne etwa Manne, 24 Stan. L. Rev. 481, 489 (1972). 249 404 U.S. 403, 407 ff. 250 So ausdrücklich 404 U.S. 403, 410 f. 251 Douglas bezog sich dabei auf die Entscheidung United States v. W. T. Grant Co., 345 U.S. 629, 632: „public interest in having the legality of the practices settled, militates against a mootness conclusion.“

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

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2. Der Entwurf des Corporate Participation Act Seitdem die gesetzgebenden Bundeskörperschaften die Regulierung des Aktionärsstimmrechtssystems im Securities Exchange Act der SEC überantwortet hatten, machten sie im Bereich der Rahmenbedingungen des Aktionärsantragsrechts von ihrer Regelungskompetenz keinen Gebrauch mehr. Erst unter dem Eindruck der turbulenten Hauptversammlungssaison des Jahres 1970 entstanden Pläne, die einen Eingriff des Bundesgesetzgebers vorsahen. Am weitesten fortgeschritten war dabei das von den Senatoren Muskie254 und Eagleton255 verfolgte Projekt, der restriktiven Handhabung gesellschaftspolitischer Aktionärsanträge durch eine Ergänzung des Securities Exchange Act entgegenzusteuern und damit die soziale und ökologische Verantwortung der Unternehmen zu fördern.256 Ihr im Juni 1970 – zwei Wochen vor der Entscheidung des Rechtsstreits in Sachen Medical Committee for Human Rights v. SEC – im Senat eingebrachter Corporate Participation Act sah eine Regelung vor, nach der die Veröffentlichung eines Aktionärsantrags nicht allein deshalb abgelehnt werden könne, weil er bestimmte wirtschaftliche, politische, ethnische, religiöse oder vergleichbare Themen betreffe. Eine Ausnahme sollte nur dann gelten, wenn der Antragsgegenstand oder die darin vorgeschlagene Handlung für die Gesellschaft außerhalb des von ihr steuerbaren Bereichs liegen.257 Die Begründung des Gesetzentwurfs hat auch 40 Jahre später wenig von ihrer Aktualität verloren:258 Die Senatoren stellten eingangs die wachsende Bedeutung 252 Vgl. nur Allen, 26 Bus. Law. 481, 492 (1970); Chisum, 12 Ariz. L. Rev. 463, 475 ff. (1970); Hay, 5 U. Mich. J. L. Ref. 68, 86 (1971); Newton, 4 Col. Hm. Rts. L. Rev. 501, 526 (1972). 253 Comment, 45 N. Y. U. L. Rev. 1098, 1110 (1970). 254 Edmund S. Muskie, geb. 28.03.1914, gest. 26.03.1996, Mitglied der Demokratischen Partei, 1954 Gouverneur von Maine, 1958–1980 Senator, 1968 Vizepräsident im Schattenkabinett von Hubert H. Humphrey, 1980/81 Außenminister unter Jimmy Carter, gilt als einer der Gründerväter der Ökologiebewegung der USA, vgl. http://bio guide.congress.gov/scripts/biodisplay.pl?index=M001121. 255 Thomas Eagleton, geb. 04.09.1929, gest. 04.03.2007, Mitglied der Demokratischen Partei, 1968–1987 Senator für Missouri, 1972 Vizepräsident im Schattenkabinett von George McGovern, vgl. http://bioguide.congress.gov/scripts/biodisplay.pl?index= E000004. 256 S. 4003, 91st Cong., 2nd Sess. (1970), Cong. Rec. 20,928, 20,928 (1970); vgl. dazu auch Comment, 45 N.Y.U. L. Rev. 1098, 1109 (1970); Fisch, 46 Vand. L. Rev. 1129, 1154 (1993); Schwartz, 69 Mich. L. Rev. 419, 520 f. (1971); Sonde/Pitt, 16 Howard L. J. 831, 902 (1971); Thorson, 2 J. Corp. L. 115, 137, Fn. 217 (1976). 257 „Inclusion in such solicitation of a proposal submitted by a security holder shall not be prohibited on the ground that such proposal may involve economic, political, racial, religious or similar issues, unless the matter or action proposed is not within the control of the issuer.“, S. 4003, 91st Cong., 2nd Sess. (1970), Cong. Rec. 20,928, 20,929 (1970). 258 Vgl. zum Folgenden S. 4003, 91st Cong., 2nd Sess. (1970), Cong. Rec. 20,928, 20,928 (1970).

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und Machtfülle US-amerikanischer Großunternehmen dar. Es existierten nur wenige Lebensbereiche, die nicht durch das Verhalten dieser Unternehmen beeinflusst würden. Die Kapitalausstattung jener „Industriegiganten“ überstieg bereits das Budget der meisten Staaten. Ihr gesellschaftlicher Nutzen generiere sich dabei im Grundsatz durch das Gewinnstreben zugunsten ihrer Aktionäre. Gelegentlich führe das Leitmotiv der Gewinnmaximierung jedoch zu negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Lebensqualität. Ein Weg, um diese Auswirkungen zu verringern und den gesellschaftlichen Nutzen der Unternehmen zu steigern, sei die Stärkung der Rechtsstellung derjenigen Aktionäre, die gesellschaftspolitische Anträge stellen. Zwar hätten die Erfahrungen mit der Campaign GM gezeigt, dass gesellschaftspolitische Anträge keine große Zustimmung generieren könnten. Die Bedeutung der Anträge könne aber nicht allein am Grad der Aktionärszustimmung gemessen werden. Ihr Wert ergebe sich auch daraus, dass sie die Unternehmensleitung über Bedenken der Aktionäre unterrichten. Außerdem seien die Aktionsalternativen eines unzufriedenen Aktionärs nicht ausreichend: Der Verkauf seiner Aktien habe keinerlei Auswirkungen auf die Unternehmenspolitik, sondern führt durch die Aufgabe der Aktionärsstellung nur zu seiner völligen Entrechtung. Auch die eigenverantwortliche Durchführung einer Stimmrechtseinwerbung sei angesichts der prohibitiv hohen Kosten keine in Frage kommende Alternative. Der einzig verbleibende Weg, um sowohl mit den Mitaktionären kommunizieren zu können als auch eine als unbefriedigend empfundene Geschäftspolitik anzugreifen, sei die Nutzung des Aktionärsantragsrechts. Dieses werde jedoch von der SEC entgegen den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers zu restriktiv gehandhabt. Dieser wollte das Aktionärsstimmrecht in allen bedeutenden Gesellschaftsangelegenheiten absichern, ohne Rücksicht auf eine mögliche gesellschaftspolitische Relevanz des Abstimmungsgegenstandes. Der Corporate Participation Act sollte deshalb eine am Zweck der Sec. 14 (a) Securities Exchange Act 1934 orientierte Verfahrensweise sicherstellen und eine weitere Aushöhlung des Aktionärsstimmrechts verhindern. Im Falle seiner Umsetzung hätte der Corporate Participation Act den in Rule 14a-8 (c)(2) (1967) verankerten Ausnahmetatbestand der unbedeutenden Geschäftsbeziehung überlagert, der bis dato aufgrund seines subjektiven Einschlags zur Abwehr zahlreicher gesellschaftspolitischer Aktionärsanträge herangezogen wurde. Da er aber die Tatbestände der fehlenden Aktionärszuständigkeit (Rule 14a-8 (c)(1) (1967)) und den des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb (Rule 14a-8 (c)(5) (1967)) unangetastet ließ, hätte er die für gesellschaftspolitische Anträge bestehenden Hindernisse nur zum Teil aufgehoben.259

259 Vgl. Schulman, 40 Geo. Wash. L. Rev. 1, 60 (1971), der außerdem auf Äußerungen der Gesetzesinitiatoren hinweist, die den Schluss zulassen, dass diese eigentlich eine umfassende Befreiung von den Ausnahmetatbeständen angestrebten. Diese Absicht hatte im Entwurfswortlaut allerdings keinen Ausdruck gefunden.

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

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Zur Verabschiedung des Gesetzes kam es in der Folgezeit allerdings nicht, weil der zuständige Ausschuss (Senate Banking and Currency Committee) mit republikanischer Mehrheit die Aussetzung des weiteren Verfahrens beschloss.260 Trotz der inhaltlichen Beschränkung und des Scheiterns des Gesetzentwurfs darf seine Bedeutung für die weitere Entwicklung aber nicht unterschätzt werden. Er signalisierte der SEC, dass die Kritik an ihrer Handhabung des Aktionärsantragsrechts auch von Teilen des Senats getragen wurde. So wurde der gescheiterte Corporate Participation Act zusammen mit dem Urteil in Sachen Medical Committee v. SEC zur Hauptantriebskraft der ein Jahr später initiierten Reform der Rule 14a-8. III. Reform 1972 Hauptziel der im Dezember 1971 als Entwurf veröffentlichten und im September 1972 endgültig verabschiedeten Novelle261 war die Anpassung der Veröffentlichungspflicht an die Feststellungen des Medical Committee-Urteils. Dazu sollte der Ausnahmetatbestand des Bezugs zu allgemein-politischen Fragen verobjektiviert werden. Außerdem wurden als Reaktion auf die immer häufiger werdende Ausübung des Aktionärsantragsrechts erste Weichenstellungen in formaler Hinsicht vorgenommen. 1. Formelle Änderungen In formeller Hinsicht beschränkte sich die SEC darauf, den Umfang der Antragsbegründung zu erweitern, bestehende Fristen zu verlängern und auf das Erfordernis einer Präsenzanzeige hinzuweisen. a) Länge der Antragsbegründung Nach der bis dato geltenden Regelung konnte ein Aktionär einen Antrag mit einer höchstens 100 Worte umfassenden Begründung versehen, wenn das Management den Antrag nicht unterstützte (Rule 14a-8 (b) (1967)). In der Praxis hatte sich diese Beschränkung allerdings als unpraktikabel erwiesen. Den Antragstellern gelang es häufig nicht, die Gründe ihres Antrags innerhalb der gesetzten Grenzen darzulegen.262 Die Neuregelung sah deshalb eine Erweiterung des Begründungsspielraums auf 200 Worte vor. Der Nutzen dieser Liberalisierung blieb aber beschränkt263, da die novellierte Fassung zugleich anordnete, dass der An260

Schulman, 40 Geo. Wash. L. Rev. 1, 60, Fn. 210 (1971). SEC Exchange Release No. 34-9,784 (Sept. 22, 1972), 37 Fed. Reg. 23,178, 23,178 (1972), vgl. Anhang Nr. 6. 262 SEC Exchange Release No. 34-9,432 (Dec. 31, 1971), 36 Fed. Reg. 25,432, 23,432 (1972); SEC Exchange Release No. 34-9,784 (Sept. 22, 1972), 37 Fed. Reg. 23,178, 23,178 (1972). 263 Kritisch schon Comment, 61 Geo. L. J. 781, 792 (1973). 261

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tragsbegründung künftig auch solche Teile des Antragstextes zuzurechnen waren, die trotz der Formulierung als Antrag der Sache nach zur Begründung gehörten. Damit wollte die Kommission der unter der früheren Regelung festzustellenden Tendenz entgegenwirken, Teile der Begründung als Präambel oder mit einer „whereas“-Formulierung versehen in den Antrag selbst einzuflechten.264 b) Fristen Die massenhafte Ausübung des Aktionärsantragsrechts stellte für die SEC nicht nur im Hinblick auf die Anwendung der Ausnahmetatbestände der Rule 14a-8, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht eine große Herausforderung dar. Die zuständige Abteilung konnte aufgrund ihrer personellen Ausstattung häufig nur kursorisch prüfen, ob die ihr vorgelegten Anträge mit den Vorgaben der shareholder proposal rule in Einklang standen. Um diesen Missstand zu beheben verlängerte die Kommission den Zeitraum, den die SEC vor dem Einreichen der vorläufigen Stimmrechtsunterlagen 265 durch die Gesellschaft für die Prüfung des Antrags nutzen konnte, von 20 auf 30 Tage (Rule 14a-8(d) Satz 1 (1972)). Nach den Vorstellungen der Kommission sollte diese Änderung auch den Unternehmensleitungen und den Antragstellern zugute kommen: Für die Verwaltungen der Unternehmen werde der von ihnen aufgestellte Zeitplan für die Hauptversammlungsvorbereitung verlässlicher, weil durch den verlängerten Prüfungszeitraum mit einer rechtzeitigen Stellungnahme der SEC gerechnet werden könne. Die Änderung sollte zudem diejenigen Aktionäre begünstigen, die die Veröffentlichung ihres Antrags in die proxy materials gerichtlich zu erzwingen beabsichtigten.266 Als Folgeänderung zu der vorgenannten Modifikation verschob die Kommission auch den Zeitpunkt der spätestmöglichen Antragstellung um 10 Tage nach vorn, um die dem Management zur Verfügung stehende Prüfungszeit nicht zu verkürzen. Künftig mussten Aktionärsanträge der Gesellschaft spätestens 70 Tage vor dem Referenzzeitpunkt zugehen (Rule 14a-8 (a) Satz 2 (1972)). Als Referenzzeitpunkt galt nun nicht mehr der für den Antragsteller nur unter Schwierigkeiten zu ermittelnde Veröffentlichungstermin der letztjährigen proxy materials, sondern der Tag, der auf der ersten Seite dieser Stimmrechtsunterlagen gemäß Rule 14a-5 (e)(1972) angegeben wurde.267 264 SEC Exchange Release No. 34-9,784 (Sept. 22, 1972), 37 Fed. Reg. 23,178, 23,178 (1972). 265 Vgl. Rule 14a-6 (a). 266 SEC Exchange Release No. 34-9,784 (Sept. 22, 1972), 37 Fed. Reg. 23,178, 23,179 (1972). 267 Rule 14a-5 (e) (1972): „All proxy statements shall disclose on the first page thereof the complete mailing address, including ZIP code, of the principal executive offices of the issuer and the approximate date on which the proxy statement and form of proxy are first sent or given to security holders.“

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

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c) Anzeige der geplanten Hauptversammlungsteilnahme/ Präsenzanzeige Bereits seit dem Inkrafttreten der Vorgängerregelung Rule X-14A-7 im Jahr 1942 war der Antragsteller verpflichtet, der Gesellschaft seine Absicht mitzuteilen, den Antrag auf der Hauptversammlung zur Abstimmung zu stellen. In den ersten drei Jahrzehnten des Bestehens der shareholder proposal rule bereitete dieses Erfordernis keinerlei Schwierigkeiten, weil die wenigen existierenden Aktionärsaktivisten es sich allesamt nicht nehmen ließen, die Unternehmensleitungen auch persönlich auf der Hauptversammlung mit ihren eigenen Vorstellungen von guter Unternehmensführung zu konfrontieren. Erst mit dem massenhaften Aufkommen gesellschaftspolitischer Aktionärsanträge kam die Frage auf, wie Anträge behandelt werden sollten, deren Urheber eine Hauptversammlungsteilnahme von vornherein nicht beabsichtigten.268 Als Reaktionsmöglichkeit für eine unterbliebene Teilnahme sah bereits das geltende Recht in Rule 14a-8 (c)(3) vor, die Anträge dieses Aktionärs in den beiden darauf folgenden Jahren von der Veröffentlichungspflicht auszunehmen. Die Kommission betonte nun noch einmal, dass sie Antragstellungen ohne Teilnahmeabsicht als Missbrauch ansehe, der nur unnötige Kosten verursache. Sie sah aber zunächst keinen Bedarf, dem Missstand durch verschärfte Zulässigkeitsvoraussetzungen oder strengere Sanktionen zu begegnen. Vielmehr beließ sie es bei dem Hinweis, dass die Anzeige der geplanten Hauptversammlungsteilnahme in gutem Glauben (in good faith) erfolgen müsse und sie Schritte einleiten werde, falls das Antragsrecht weiterhin missbräuchliche Anwendung finden sollte.269 2. Modifikationen der Ausnahmetatbestände a) Tatbestand des Bezugs zu allgemein-politischen Fragen Die bedeutendste Änderung der gesamten Reform von 1972 betraf den Ausnahmetatbestand des Bezugs zu Fragen allgemein-politischen Charakters (Rule 14a-8 (c)(2) (1967)). Die Kommission reagierte mit der grundlegenden Neufassung dieses Ausschlussgrundes auf die Kritik, die sie in den vergangenen Jahren wegen der praktischen Handhabung von unterschiedlichen Seiten auf sich gezogen hatte. Die novellierte Fassung verzichtete gänzlich auf die subjektive Fär268 Offensichtlich war dies etwa in dem Fall eines jungen Rechtsanwalts, der vor der Hauptversammlungssaison des Jahres 1971 je eine Aktie von insgesamt 30 Aktiengesellschaften erwarb und diesen mehr als 200 gesellschaftspolitische Anträge zusandte, vgl. dazu Vogel, Lobbying the Corporation, S. 117 f. 269 SEC Exchange Release No. 34-9,432 (Dec. 31, 1971), 36 Fed. Reg. 25,432, 23,432 (1972); SEC Exchange Release No. 34-9,784 (Sept. 22, 1972), 37 Fed. Reg. 23,178, 23,178 (1972); unrichtig dagegen Vogel, Lobbying the Corporation, S. 116, der von einer Wortlautänderung ausgeht.

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bung der Vorgängernorm und entsprach im Wesentlichen der von der Literatur270 bevorzugten Auslegungsvariante sowie dem Grundgedanken des Corporate Participation Act. Der bisherige general cause-Tatbestand wurde von der Kommission in zwei Alternativen aufgespalten: Einerseits konnte die Antragsveröffentlichung nun abgelehnt werden, wenn der Antrag eine Empfehlung, eine Anfrage oder einen Auftrag zu einem Gegenstand aussprach, der keinen bedeutenden Bezug zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft hatte (Rule 14a-8 (c)(2)(ii) 1. Alt. (1972)). Gleiches galt andererseits für Anträge, deren Gegenstand außerhalb des Einflussbereichs der Gesellschaft lag (not within the control of the issuer, Rule 14a-8 (c)(2)ii) 2. Alt. (1972)). Im Gegensatz zur früheren Fassung spielte die Art des Antragsgegenstandes nur noch eine untergeordnete Rolle, da neben Anträgen zu allgemein-wirtschaftlichen, -politischen und -sozialen Themen fortan auch alle ähnlichen Gegenstände (similar cause) erfasst sein sollten. Die Kommission hoffte, durch die Verobjektivierung des Ausschlusstatbestandes seine Anwendung zu erleichtern und größere Rechtssicherheit zu schaffen.271 b) Tatbestand der persönlichen Beschwerde Weniger bedeutend war demgegenüber die Erweiterung des Tatbestandes der persönlichen Beschwerde. Nach der bis dato geltenden Fassung konnte ein Antrag von der Veröffentlichung ausgeschlossen werden, wenn der Aktionär mit diesem in erster Linie einen eigenen Anspruch durchzusetzen versuchte oder eine persönliche Beschwerde gegen die Gesellschaft oder ihr Management vorbrachte (Rule 14a-8 (c)(2) (1967)). In der Praxis hatte sich der Beschwerdetatbestand aber als lückenhaft erwiesen, da einige Aktionäre ihr Antragsrecht dazu nutzten, sich über Beschäftigte unterhalb der Leitungsebene zu beschweren. Die Kommission hielt auch solche Anträge für unangebracht.272 Deshalb dehnte sie im Zuge der Reform von 1972 den Anwendungsbereich des Tatbestandes auf persönliche Beschwerden gegen andere Personen als das Management aus. 3. Bewertung und Folgen der Novellierung Durch die Reform von 1972 gelang es der SEC, die Ausnahmetatbestände mit der Intention des Securities Exchange Act in Einklang zu bringen. Die Ersetzung des general cause-Tatbestandes führte die gewünschte Verobjektivierung des An270

Siehe oben § 6 C. II. 1. b) bb) (1). SEC Exchange Release No. 34-9,432 (Dec. 31, 1971), 36 Fed. Reg. 25,432, 23,432 (1972); SEC Exchange Release No. 34-9,784 (Sept. 22, 1972), 37 Fed. Reg. 23,178, 23,178 (1972). 272 SEC Exchange Release No. 34-9,784 (Sept. 22, 1972), 37 Fed. Reg. 23,178, 23,179 (1972). 271

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tragsprozederes herbei. Die liberale Haltung gegenüber sozial-ökologischen Anträgen bewirkte allerdings einen Dammbruch und überschwemmte die Unternehmen und die SEC in den Folgejahren mit Aktionärsanträgen:273 Waren es im Jahr 1972 noch 37 Anträge, die die Hürden der shareholder proposal rule überwinden konnten und zur Abstimmung standen, so waren es ein Jahr später 58 und 1974 bereits 105 Anträge.274 Damit beschwor die Novellierung bereits die nächste Reform herauf. IV. Reform 1976 Seit der Lockerung der shareholder proposal rule war die SEC mit heftiger Kritik von Seiten der Unternehmen konfrontiert worden, die eine Eindämmung des „Aktionärsunwesens“ forderten.275 Die SEC blieb von diesen Forderungen zunächst unbeeindruckt und ließ sich Zeit, um die Auswirkungen der novellierten Rule 14a-8 in der Praxis zu studieren. Erst 1976 trat sie mit dem Vorhaben einer erneuten Reform des Antragsrechts an die Öffentlichkeit. Der Kreis der Antragsteller und die mit dem Antragsrecht adressierten Themen hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt erheblich erweitert (vgl. unten 1.). Dennoch kam die SEC mit ihrer Novellierung den Wünschen der Unternehmensleitungen nur zum Teil entgegen. Überwiegend wurde der bestehende status quo beibehalten, wodurch die Legitimität der Ausübung des Antragsrechts zur Verfolgung sozialer oder ökologischer Ziele implizit anerkannt wurde (vgl. unten 2.).276 1. Überblick zu Antragstellern und Themenschwerpunkten Seit dem Ende der 1960er Jahre wurde das Aktionärsantragsrecht vorwiegend von christlichen Vereinigungen sowie Personen und Gruppen aus dem linken politischen Spektrum277 genutzt. Daran änderte sich im Grundsatz auch bis zur restriktiven Novellierung der Rule 14a-8 im Jahre 1983 nichts. Rückblickend betrachtet erscheinen aber zwei Aspekte für diese Entwicklungsphase des Aktionärsaktivismus kennzeichnend und hervorhebenswert: Zum einen erhielten gesellschaftspolitische Aktionärsanträge nun auch zunehmend Unterstützung aus 273 Vgl. Lazaroff, 50 Rut. L. Rev. 33, 43 (1997): „administrative nightmare“; Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 657 (1977); Weiss, Bus. & Soc. Rev. 16 (Autumn 1974): „growth industry“. 274 Vgl. Vogel, Lobbying the Corporation, S. 120. 275 Vgl. dazu die bei Vogel, Lobbying the Corporation, S. 116 wiedergegebenen Zitate von Managern. 276 Vogel, Lobbying the Corporation, S. 117. 277 So Vogel, 25 Cal. Mgmt. Rev. 68, 71 (1983). Der grob abstrahierende Begriff umfasst neben Bürgerrechts- und Verbraucherorganisationen auch Umweltschutzgruppen sowie die Friedens- und Studentenbewegung.

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dem Kreise der institutionellen Anleger. Dabei waren bereits ab Mitte der 1970er Jahre erste Ansätze einer Institutionalisierung des Umgangs mit derartigen Anträgen erkennbar, die in der Errichtung besonderer Prüfungsausschüsse und -methoden zum Ausdruck kam. Zum Teil wurden auch Abstimmungsrichtlinien entwickelt, die einen genormten Umgang mit Aktionärsanträgen ermöglichten.278 Zum anderen ist der Untersuchungszeitraum von 1976 bis 1983 durch das Auftreten neuer Akteure auf Seiten der Antragsteller gekennzeichnet, was zu einer weiteren Pluralisierung der Antragsgegenstände führte. a) Christliche Vereinigungen und linke Gruppen Die überwiegende Zahl der gesellschaftspolitischen Aktionärsanträge wurde auch im Zeitraum von 1976 bis 1983 von unterschiedlichen christlichen Vereinigungen und politisch links stehenden Gruppen initiiert. Wie in den Jahren zuvor thematisierten zahlreiche Anträge die Produktion von Waffen sowie den Verbraucher- und Umweltschutz. Daneben ragten mit der Erzeugung von Atomenergie und der Geschäftstätigkeit in Südafrika zwei Themenkomplexe aus dem Kreis der Antragsgegenstände heraus. Die häufige Thematisierung der Atomkraft kann dabei unmittelbar auf eine Klarstellung durch die Kommission im Zuge der Novelle von 1976 zurückgeführt werden.279 Demgegenüber lässt sich die Fokussierung auf die Rassentrennung in Südafrika mit der von der UN-Konvention zur Bekämpfung und Ahndung des Verbrechens der Apartheid280 ausgehenden Signalwirkung und der hohen Aktualität des Themas nach der blutigen Niederschlagung des Aufstands von Soweto im Juni 1976 erklären. Die überwiegende Zahl der Apartheid-Anträge betraf die Implementierung der Sullivan Principles, eines an Unternehmen gerichteten code of conduct, der 1977 von Leon Sullivan entwickelt wurde und der Verhaltsmaßstäbe (insbesondere) für in Südafrika tätige Unternehmen aufstellte.281 278

Vgl. Talner, Origins, S. 48. Vgl. § 6 C. IV. 3. e) cc). 280 International Convention on the Suppression and Punishment of the Crime of Apartheid, Resolution der UN-Generalversammlung 3068 (XXVIII) vom 30.11.1973, in Kraft getreten am 18.07.1976. 281 Die Sullivan Principles beinhalteten die folgenden Grundsätze: „1. Non-segregation of the races in all eating, comfort, and work facilities. 2. Equal and fair employment practices for all employees. 3. Equal pay for all employees doing equal or comparable work for the same period of time. 4. Initiation of and development of training programs that will prepare, in substantial numbers, blacks and other nonwhites for supervisory, administrative, clerical, and technical jobs. 5. Increasing the number of blacks and other nonwhites in management and supervisory positions. 6. Improving the quality of life for blacks and other nonwhites outside the work environment in such areas as housing, transportation, school, recreation, and health facilities.“ sowie ab 1984: „7. Working to eliminate laws and customs that impede social, economic, and political justice.“, vgl. Richardson, 15 Temp. Int. & Comp. L. J. 55, Fn. 6 (2001); Zon279

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b) Konservative Gruppen Die bemerkenswerteste Entwicklung in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre war allerdings die zunehmende Ausübung des Aktionärsantragsrechts durch konservative Interessenvereinigungen.282 Den Anfang machte im Jahr 1975 die noch heute bestehende Organisation Accuracy in Media283, die bei den Medienunternehmen CBS und RCA Anträge gegen die nach ihrem Dafürhalten zu liberale Ausrichtung der Nachrichtenberichterstattung in Funk und Fernsehen zur Abstimmung stellte.284 Im Anschluss an diese Kampagne stieg die Zahl der Anträge konservativer Gruppen stetig an, so dass 1980 etwa jeder vierte Antrag von diesen gestellt wurde. Am aktivsten waren dabei die von Carl Olsen gegründeten Organisationen „The Stockholders for World Freedom“, „Stockholders Against Government Burden“ und „Stockholder Sovereignty Society“. Sie thematisierten vor allem die Handelsbeziehungen der Unternehmen mit den Staaten des Ostblocks, forderten Berichte über die durch staatliche Regulierung entstehenden Kosten und setzten sich für das Verbot von Unternehmensspenden an Organisationen ein, die gegen Steuersenkungen eintraten. Aufsehen erregten auch die 1979 von zwei Privatleuten gestellten Anträge, mit denen Unternehmen Spenden an Universitäten verboten werden sollten, die sich zu kommunistischem, marxistischem, leninistischem oder maoistischem Gedankengut bekannten oder die ihren Wissenschaftlern eine Zusammenarbeit mit der Central Intelligence Agency (CIA) verboten.285 Eine ähnliche mediale Aufmerksamkeit wurde 1980 der Kampagne der Vereinigung Morality in Media286 zuteil, die mit ihren Anträgen die Muttergesellschaften vieler US-amerikanischer Fernsehsender ermahnte, bei der Berichterstattung die Gebote der Sittlichkeit zu wahren und unanständiges Material aus den Programmen zu entfernen.287

dorak, 18 B. C. Envtl. Aff. L. Rev. 457, 474 (1991); kritisch zu den Grundsätzen Spratlen, 26 Bus. & Soc. Rev. 74 (1978). 282 Ausf. dazu Miller, Judith, „Proxy Resolutions, Conservative, Too“, New York Times vom 22.02.1980, D1, D4; Talner, Origins, S. 47; Vogel, 25 Cal. Mgmt. Rev. 68, 71 ff. (1983). 283 http://www.aim.org/. 284 Die Anträge erzielten bei CBS eine Zustimmung von 2,6 %, bei RCA im ersten Jahr 5,2 % und im darauf folgenden Jahr 8,16 %. 285 Ein entsprechender Antrag konnte bei Dow Chemical 15,7 % der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen, nachdem das Management weder die Ablehnung noch die Annahme empfahl. 286 http://www.moralityinmedia.org/. 287 Im Kern verlangten diese Anträge damit lediglich ein im Einklang mit der strafrechtlichen Bestimmung des 18 U.S.C. § 1464 stehendes Verhalten: „Whoever utters any obscene, indecent, or profane language by means of radio communication shall be fined under this title or imprisoned not more than two years, or both.“

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c) Liberale Gruppen Neben den soeben erwähnten konservativen Interessengruppen entdeckten auch liberale Gruppen288 den Wert des Aktionärsantragsrechts für die Thematisierung ihrer Belange. Am bedeutsamsten war hierbei die Kampagne des American Jewish Congress in den Jahren 1976 und 1977, die große öffentliche Aufmerksamkeit erfuhr und eine partielle Fortentwicklung des Aktionärsantragsrechts bewirkte.289 In ihrem Verlauf wurden bei etwa 150 Gesellschaften Anträge eingereicht, durch die der jeweilige Board zur Berichterstattung über die Positionierung der Gesellschaft gegenüber dem Boykott Israels durch die arabischen Staaten aufgefordert wurde.290 Insgesamt gelangten aber nur 30 dieser Anträge zur Abstimmung, wovon mehr als ein Drittel die für eine Wiedereinbringung erforderliche Stimmenzahl nicht auf sich vereinigen konnte. d) Universitäten Bereits seit Beginn der 1970er Jahren hatten einige US-amerikanische Universitäten ihr Anlagevermögen nach sozialen und ökologischen Gesichtspunkten bewirtschaftet und dabei auch zahlreiche gemeinwohlbezogene Aktionärsanträge unterstützt.291 Allerdings dauerte es bis zum Jahr 1977, bis mit der University of Minnesota erstmals eine Hochschule einen eigenen Antrag stellte.292 Dieser Trend verstärkte sich in den darauf folgenden Jahren, so dass 1980 bereits sechs Bildungseinrichtungen das Aktionärsantragsrecht regelmäßig ausübten.293 e) Gewerkschaften Die Gewerkschaften, die aufgrund der von ihnen verwalteten Pensionsfonds zu bedeutenden Kapitalmarktakteuren geworden waren, zeigten zunächst bis zur Mitte der 1970er Jahre wenig Interesse daran, durch Beteiligung an Abstimmungen über Aktionärsanträge oder Desinvestitionsandrohungen Einfluss auf das Verhalten der Portfoliogesellschaften zu nehmen.294 Erst ab 1976 sind Fälle be288 Die Terminologie orientiert sich auch hier an Vogel, 25 Cal. Mgmt. Rev. 68, 72 (1983). 289 Vgl. dazu § 6 C. IV. 3. c) bb). 290 Vgl. etwa SEC No-Action Letter Libby-Owens-Ford Co. vom 03.02.1976, 1975– 1976 Transfer Binder, Fed. Sec. L. Rep. (CCH) 80,437, 86,154 sowie Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 663 f. (1977). 291 Vgl. Sommer/Longstreth/Loomis, 28 Bus. Law. 215, 221 (1973). 292 Der Antrag betraf die Berichterstattung über die Implementierung der Sullivan Principles, vgl. Vogel, 25 Cal. Mgmt. Rev. 68, 73 (1983). 293 University of Minnesota, Bryn Mawr, Wesleyan University, Oberlin College, Vassar Collega, Union Theological Seminary. 294 Vgl. Vogel, Lobbying the Corporation, S. 218.

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kannt geworden, in denen Gewerkschaften eigene Aktionärsanträge stellten. Diese offenbarten bereits die später noch deutlicher zu Tage tretende Janusköpfigkeit des gewerkschaftlichen Aktionärsaktivismus, die in der Nutzung des Antragsrechts sowohl zur Förderung traditioneller Corporate Governance-Gedanken als auch für gesellschaftspolitische Themen deutlich wurde.295 Insgesamt blieb der gewerkschaftsgetragene Aktionärsaktivismus bis 1983 aber nur eine Randerscheinung, die zudem seit 1978 zunehmend von Desinvestitionsstrategien der Pensionsfonds verdrängt wurde. f) Öffentliche Pensionsfonds Gegen Ende des Untersuchungszeitraums deutete sich schließlich eine Entwicklung an, die sich in den kommenden Jahrzehnten erheblich verstärken sollte und die zu langandauernden Diskussionen in der wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Literatur der USA führte: Im Frühjahr 1982 traten die Pensionsfonds der im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmer des Bundesstaates Kalifornien, California Public Employees’ Retirement System (CalPERS) und California State Teachers’ Retirement System (CalSTRS), erstmals als Antragsteller eines gesellschaftspolitischen Antrags auf.296 In diesem erbaten sie vom Management der Xerox Corp. künftig jede Ausweitung der Geschäftstätigkeit in Südafrika zu unterlassen und keine Verkäufe an die Polizei- und Militärkräfte des Landes mehr zu tätigen. Der Antrag erhielt eine für damalige Verhältnisse sehr hohe Zustimmung von etwa 10 % der abgegebenen Stimmen.297 2. Formelle Änderungen durch die Reform von 1976 Die im November 1976 beschlossene Reform298 brachte die bis dato tiefgreifendsten Änderungen der shareholder proposal rule mit sich. Die beschlossenen Änderungen betrafen dabei sowohl die formellen Voraussetzungen der Veröffentlichungspflicht als auch die materiellen Ausnahmetatbestände.

295 Vogel, 25 Cal. Mgmt. Rev. 68, 80 (1983) berichtet einerseits von einem Antrag der International Federation of Professional and Technical Engineers, mit dem der Board von AT&T ersucht wurde, Arbeitnehmervertreter bei den Wahlvorschlägen der Board-Mitglieder zu berücksichtigen, andererseits von einem Antrag der Retail Clerks Union, die eine Offenlegung der Beteiligungsstrukturen der Bank of America verlangten. 296 Vgl. Talner, Origins, S. 47. 297 Vogel, 25 Cal. Mgmt. Rev. 68, 84 (1983). 298 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994 (1976), vgl. Anhang, Dokument Nr. 7.

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Die bedeutendste formelle Änderung betraf die Einführung einer Antragshöchstzahl (vgl. unten a)). Im Übrigen beschränkte sich die SEC darauf, ihre bisherige Auslegungspraxis zur Antragsberechtigung zu kodifizieren sowie geringfügige Modifikationen im Bereich der Präsenzanzeige, der Fristen sowie der Antragsbegründung vorzunehmen (vgl. unten b)–e)).

a) Antragshöchstzahl und Antragslänge Im Vorfeld der Reform hatten sich die Unternehmen öffentlich vor allem über die jährlich steigende Zahl von Anträgen beklagt, mit denen sie sich seit der Reform von 1972 konfrontiert sahen. Besonders jene vereinzelt auftretenden Antragsteller, die Dutzende von Anträgen an eine Gesellschaft richteten oder Antragsbegründungen mit mehr als 3.000 Worten formulierten, hatten den Unmut aus Wirtschaftskreisen auf sich gezogen.299 Diese Kritik verhallte nicht ungehört, sondern mündete mit der Reform 1976 in Beschränkungen der Antragszahl und Antragslänge: Gemäß Rule 14a-8 (a)(4) Satz 1 (1976) durfte künftig jeder Aktionär bei jeder Gesellschaft nur noch die Veröffentlichung von zwei Anträgen mit einer Höchstlänge von je 300 Wörtern verlangen. Die Kommission hielt diese Einschränkungen für gerechtfertigt, weil die Nutzung des Antragsrechts durch einige Aktionäre die Grenzen des Zumutbaren überschritten habe. Eine derart exzessive Rechtsausübung könne von der Kommission nicht geduldet werden, weil sie zu Lasten der Mitaktionäre gehe. Außerdem trug diese Praxis dazu bei, dass die Aufmerksamkeit von anderen wichtigen Themen der proxy materials abgelenkt wurde, worunter die Wirksamkeit des Aktionärsinformationssystems im Ganzen litt.300 Die Kommission erkannte zwar, dass die neu eingeführten Beschränkungen einige Antragsteller zu Umgehungsversuchen verleiten könnten, kündigte aber zugleich an, diese nicht dulden zu wollen.301 b) Antragsberechtigung Die novellierte Fassung hielt wie selbstverständlich an dem Erfordernis fest, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der Einreichung des Antrags Aktionär der Gesellschaft sein müsse (Rule 14a-8 (a) Satz 1 (1976)). Zugleich wurden jedoch verschiedene Modifikationen vorgenommen, die allesamt auf die Auslegungs299 SEC Exchange Release No. 34-12,598 (Jul. 7, 1976), 41 Fed. Reg. 29,982, 29,983 (1976). 300 Vgl. dazu insgesamt SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,996 (1976). 301 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,996 (1976).

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praxis der zurückliegenden Jahre zurückzuführen waren.302 So wurde klargestellt, dass nicht nur der in den Gesellschaftsunterlagen als Inhaber der Aktien Registrierte antragsberechtigt ist (record owner), sondern auch der wirtschaftlich Berechtigte (beneficial owner).303 Sollte die Gesellschaft an der Berechtigung des nicht eingetragenen Antragstellers zweifeln, so war dieser nun auch ausdrücklich verpflichtet, seine Berechtigung innerhalb von zehn Geschäftstagen nach Zugang der Aufforderung der Gesellschaft nachzuweisen (Rule 14a-8 (a) Satz 2 (1976)). Klargestellt wurde außerdem, dass Aktien nur dann zur Stellung von Aktionärsanträgen berechtigen sollten, wenn sie auch zur Teilnahme an der Abstimmung über den Antragsgegenstand berechtigen („a security entitled to be voted at the meeting on . . . [the] proposal“). Diese Verknüpfung der Antragsberechtigung mit der Abstimmungsberechtigung erlangte bei solchen Gesellschaften eine Bedeutung, deren Gesellschaftsdokumente das Aktionärsstimmrecht in bestimmten Aktiengattungen ganz ausschlossen oder teilweise beschränkten.304 Schließlich kodifizierte die Kommission noch den schon zuvor geltenden Grundsatz der ununterbrochenen Aktieninhaberschaft: Wenn die Gesellschaft einen Antrag in ihren proxy materials veröffentlichte, so durfte der Antragsteller seine Aktionärsstellung nach der Einreichung des Antrags bis zum Tage der Hauptversammlung nicht verlieren. Andernfalls war die Gesellschaft berechtigt, die Veröffentlichung jedes Antrags dieses Aktionärs in den darauf folgenden zwei Kalenderjahren abzulehnen ((Rule 14a-8 (a) Satz 2 (1976)). Im Rahmen des öffentlichen Konsultationsverfahrens zur Entwurfsfassung wurde aus Unternehmenskreisen die Einführung zusätzlicher Mindestkriterien gefordert, die jeder Antragsteller zu erfüllen habe. Auf diese Weise sollte einem – von Seiten der Wirtschaft behaupteten – Missbrauch des Aktionärsantragsrechts entgegengewirkt werden. Die Kommission stand jedoch sowohl dem Vorschlag einer Mindesthaltedauer als auch dem Vorschlag eines Mindestaktienbesitzes reserviert gegenüber. Die Einführung derartiger Beschränkungen wurde nicht für erforderlich gehalten, weil sich die persönlichen Antragsvoraussetzungen in der Vergangenheit bewährt hätten und kein allgemeiner Missbrauch festgestellt werden konnte.305

302 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,994 (1976). 303 Zur Unterscheidung von record ownership und beneficial ownership vgl. Merkt/ Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 674 (S. 355). 304 Sog. preferred shares/non voting stocks, vgl. Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 468 ff. (S. 273 ff.). 305 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,994 (1976).

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c) Anzeige der geplanten Hauptversammlungsteilnahme/ Präsenzanzeige Auch nach der Reform war der Antragsteller zu der schriftlichen Mitteilung an die Gesellschaft verpflichtet, dass er an der Hauptversammlung persönlich teilzunehmen beabsichtige, um seinen Antrag zur Abstimmung zu stellen (Rule 14a-8 (a)(2) Satz 1 (1976)). Zwar hatten Kritiker gefordert, das Erfordernis einer persönlichen Teilnahme des Antragstellers ganz aufzugeben, weil der Antrag den Mitaktionären in der Praxis nicht auf der Hauptversammlung selbst, sondern bereits im Vorfeld im proxy statement zur Abstimmung vorgelegt werde. Die Kommission verwies demgegenüber aber darauf, dass die Unternehmensleitung nicht verpflichtet sei, selbst den Antrag zur Abstimmung zu stellen und durch das Präsenzerfordernis sichergestellt werde, dass eine Abstimmung auch tatsächlich stattfinde. Außerdem sollte auf diese Weise die Anwesenheit einer sachverständigen Person gewährleistet werden, die eventuell aufkommende Fragen zum Antrag beantworten könne.306 Die SEC beschränkte sich deshalb darauf, bestimmte Einzelfragen des Anzeigeverfahrens zu klären. Da es in der Vergangenheit häufiger vorgekommen war, dass Antragsteller die Gesellschaft versehentlich nicht über ihre Absicht der persönlichen Hauptversammlungsteilnahme informiert hatten, räumte Rule 14a-8 (a)(2) Satz 2 (1976) den säumigen Antragstellern nun eine Frist von 10 Werktagen ab Zugang einer entsprechenden Aufforderung der Gesellschaft ein. Sollte ein Antragsteller zunächst gutgläubig seine Teilnahmeabsicht mitgeteilt haben, dann aber nicht persönlich auf der Hauptversammlung erscheinen können, so durfte künftig ein anderer Aktionär den Antrag in seinem Namen zur Abstimmung vorlegen (Rule 14a-8 (a)(2) Satz 3 (1976)). Unterließen der Antragsteller oder sein Vertreter die persönliche Teilnahme an der Hauptversammlung, so wurde dieses Versäumnis von Rule 14a-8 (a)(2) Satz 4 (1976) mit einem faktischen307 Verlust des Antragsrechts für die kommenden zwei Kalenderjahre sanktioniert. d) Antragsbegründung Die Regeln zur Antragsbegründung (supporting statement) wurden im Rahmen der Reform von 1976 im Wesentlichen beibehalten und nur in zweierlei Hinsicht modifiziert: Zum einen fiel als Folgeänderung zur Einführung einer Antrags306 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,994 (1976). 307 Da Rule 14a-8 (a)(2) Satz 4 (1976) das Management lediglich dazu berechtigte, die Veröffentlichung aller Anträge dieses Aktionärs in den proxy materials zu verweigern, blieb das (in der Praxis bedeutungslose) Recht zur Stellung eines Präsenzantrags (und floor proposal) davon unberührt.

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höchstlänge der Passus weg, dass zu der Antragsbegründung auch solche Teile des Antragstextes zu rechnen sind, die trotz der Formulierung als Antrag der Sache nach zur Begründung gehören. In der Vergangenheit hatte diese Regelung dazu gedient, eine Umgehung der 200 Worte-Grenze für die Antragsbegründung zu verhindern. Eine solche war nach Ansicht der Kommission nun aber nicht mehr zu befürchten.308 Zum anderen wurde in Rule 14a-8 (b)(2) (1976) deutlicher darauf hingewiesen, dass die Begründung zusammen mit dem Antrag bei der Gesellschaft eingereicht werden müsse und dass weder die Gesellschaft noch deren Management für den Inhalt des Antrags verantwortlich seien. Ähnlich wie bei der Anzeige der geplanten Hauptversammlungsteilnahme nahm die Kommission schließlich auch hier eine antragstellerfreundliche Modifikation für den Fall vor, dass der Antragsteller die längenmäßige Höchstgrenze überschritten oder mehr als zwei Anträge eingereicht hatte. Rule 14a-8 (a)(4) Satz 2 (1976) ermöglichte es ihm fortan, seine Anträge innerhalb von zehn Werktagen nach Zugang einer entsprechenden Mitteilung des Managements den gesetzlichen Erfordernissen anzupassen. e) Fristen Wie schon bei den vorangegangenen Reformen wurden auch im Rahmen dieser Novellierung die Fristen für die Antragstellung und für die Ablehnungsanzeige des Unternehmens gegenüber der SEC verlängert. Der letztmögliche Zeitpunkt für die Antragstellung wurde von bislang 70 Tagen um 20 Tage vorverlegt. Gemäß Rule 14a-8 (a)(3)(i) (1976) musste ein Antrag nun spätestens 90 Tage vor dem Tag bei der Gesellschaft eingegangen sein, der im proxy statement des vorangegangenen Jahres als Veröffentlichungsdatum genannt wurde. Gleichzeitig wurde die Frist, innerhalb derer eine Gesellschaft der SEC einen abgelehnten Antrag vorlegen musste, um 20 Tage auf nun 50 Tage verlängert (Rule 14a-8 (d) Satz 1 (1976)). Mit diesen Fristverlängerungen reagierte die Kommission auf die stetig wachsende Arbeitsbelastung ihrer zuständigen Abteilung, die mitunter zu verspäteten Entscheidungen und in der Folge zu Verzögerungen beim Druck der proxy materials geführt hatte.309 3. Modifikationen der Ausnahmetatbestände Im Kern betraf die Reform von 1976 jedoch die materiellen Voraussetzungen der shareholder proposal rule, und damit diejenigen Tatbestände, die Ausnahmen 308 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,996 (1976). 309 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,995 (1976).

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von der Veröffentlichungspflicht vorsahen. Die Novelle modifizierte nicht nur den Großteil der bestehenden Ausnahmetatbestände, sondern fügte dem Katalog erstmals wieder auch weitere Ausnahmen hinzu. a) Konkretisierungen des Tatbestandes der fehlenden Aktionärszuständigkeit Der Tatbestand der fehlenden Aktionärszuständigkeit (Rule 14a-8 (c)(1) (1972)), der 1942 die Keimzelle der shareholder proposal rule bildete, war trotz der über die Jahrzehnte erfolgten Ausdifferenzierung der Ausnahmetatbestände immer noch Auffangtatbestand für die Ablehnung einer Reihe von Anträgen. Sein Anwendungsbereich war dabei weiter als sein Wortlaut auf den ersten Blick vermuten ließ. Der Tatbestand erfasste nach der gängigen Auslegungspraxis der SEC nicht nur den offensichtlichen Fall, dass das bundesstaatliche Gesellschaftsrecht dem Aktionär keine Entscheidungszuständigkeit einräumte, sondern etwa auch Anträge, deren Umsetzung gegen geltendes Recht verstoßen würde. Im Interesse der großen Mehrzahl der Antragsteller, die keine juristischen, geschweige denn gesellschafts- oder kapitalmarktrechtliche Kenntnisse besaßen, erschien diese Situation verbesserungsbedürftig. Die SEC entschied sich deshalb, dem Tatbestand der fehlenden Aktionärszuständigkeit weitere Ausnahmetatbestände zur Seite zu stellen, die allesamt ihren Ursprung im Grundtatbestand hatten. aa) Einführung des Tatbestands der Rechtsverletzung In Rule 14a-8 (c)(2) (1976) wurde dazu der Ausnahmetatbestand der Rechtsverletzung normiert. Dieser auch heute noch existierende Tatbestand setzt seitdem voraus, dass die Umsetzung eines Antrags gegen bundesstaatliches Recht, Bundesrecht oder das Recht einer ausländischen Rechtsordnung verstößt, der die Gesellschaft unterliegt.310 Zugleich wurde klargestellt, dass der Ausschlussgrund nicht für Anträge gelte, die zur Einhaltung ausländischen Rechts aufforderten, wenn dadurch US-amerikanisches Recht verletzt werde. Da die SEC bereits in der Vergangenheit die Nichtvereinbarkeit rechtsverletzender Anträge mit Rule 14a-8 festgestellt hatte311, änderte dieser neue Tatbestand an der praktischen Handhabung des Antragsrechts nichts.

310 Die Entwurfsfassung hatte nur auf die Unvereinbarkeit mit dem Bundesrecht der USA abgestellt („if the proposal is contrary to a federal law of the United States“), was in vielen Stellungsnahmen aber als zu eng angesehen wurde, vgl. SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,996 (1976). 311 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,996 (1976).

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bb) Einführung eines Erledigungstatbestands Außerdem wurde durch Rule 14a-8 (c)(10) (1976) nun auch ausdrücklich anerkannt, dass ein Antrag nicht veröffentlicht werden muss, dessen Gegenstand sich mittlerweile erledigt hat (rendered moot). Der Grund für die Erledigung sollte dabei keine Rolle spielen.312 Die Kommission nahm damit ausdrücklich Abstand zu der im Entwurf vorgeschlagenen Fassung, die für eine Erledigung noch ein Handeln des Managements verlangte.313 Nachdem im öffentlichen Konsultationsprozess darauf hingewiesen wurde, dass eine Erledigung auch durch eine Änderung der Gesellschaftsdokumente, Gerichtsentscheidungen oder veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen eintreten könnte, ließ die SEC diese Einschränkung fallen. b) Klarstellung zum Tatbestand der fehlenden Aktionärszuständigkeit Obwohl der Tatbestand der fehlenden Aktionärszuständigkeit bereits sehr früh im Zusammenhang mit der Transamerica-Entscheidung 314 klarere Konturen erhalten hatte, blieb seine Anwendung auf Aktionärsanträge umstritten, mit denen dem Board lediglich eine Empfehlung zur Vornahme einer bestimmten Handlung gegeben werden sollte, ohne ihn zur Umsetzung zu verpflichten. Die Meinungsverschiedenheiten reichten dabei bis in die Kommission selbst hinein, wie das Protokoll einer Sitzung vom Februar 1964 belegt.315 Ein Teil der Kommissionsmitglieder vertrat zum damaligen Zeitpunkt die Ansicht, dass bereits kurz nach Verabschiedung der Rule X-14a-7 ein Konsens zur Unanwendbarkeit des proper subject-Ausschlussgrundes auf bloß empfehlende Anträge erzielt worden sei. Dieser Konsens habe 1954 in der Einführung des ordinary business-Tatbestandes seinen Ausdruck gefunden, da dieser nur für solche empfehlenden Anträge keine Veröffentlichungspflicht anordnete, die einen Bezug zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft aufweisen. Damit sei deutlich gemacht worden, dass für empfehlende Anträge eine Aktionärszuständigkeit im Grundsatz gegeben sei und sie nur unter Rückgriff auf die übrigen Ausnahmetatbestände abgelehnt werden können.316 Demgegenüber lehnten andere Kommissionsmitglieder eine Beschränkung des proper subject-Ausschlussgrundes auf verpflichtende Anträge ab.317 Die für den Erlass der No-Action Letter zuständige Abteilung der 312 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,998 (1976). 313 SEC Exchange Release No. 34-12,598 (Jul. 7, 1976), 41 Fed. Reg. 29,982, 29,988 (1976). 314 Siehe § 6 B. V. 315 Vgl. dazu Clusserath, 40 Notre Dame L. 13, 23 f. (1964). 316 Zit. nach Cary, Cases and Materials on Corporations, S. 329 f. 317 Vgl. Cary, Cases and Materials on Corporations, S. 330 f.

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

SEC folgte schließlich der erstgenannten Ansicht. Sie fand sich dabei im Einklang mit dem bundesstaatlichen Fallrecht, in dem schon lange eine Aktionärszuständigkeit für rein empfehlende Anträge befürwortet wurde.318 Empfehlende Anträge waren deshalb in der Praxis aus dem Anwendungsbereich des Tatbestandes der fehlenden Aktionärszuständigkeit ausgenommen.319 Im Zuge der Reform von 1976 fand schließlich auch die personell neu zusammengesetzte Kommission zu einem einheitlichen Standpunkt, der als Anmerkung zu Rule 14a-8 (c)(1) (1976) Eingang in den Wortlaut der shareholder proposal rule fand. In Anerkennung der bereits seit Jahren gängigen Verwaltungspraxis wurde nun darauf hingewiesen, dass ein auf eine Verpflichtung abzielender und damit unzulässiger Antrag das proper subject-Kriterium erfüllen könne, wenn er als Empfehlung oder als Gesuch formuliert werde. c) Unbedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft Seit der Novellierung der Rule 14a-8 im Jahre 1972 konnte die Veröffentlichung eines Aktionärsantrags abgelehnt werden, dessen Gegenstand nur eine unbedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft aufwies (Rule 14a8(c)(2)(ii) (1972)). Dabei blieb zunächst unklar, anhand welchen Maßstabs die Bedeutung der Beziehung zur Geschäftstätigkeit ermittelt werden sollte. In der amtlichen Erläuterung zur Novellierung schien die SEC eine streng an wirtschaftlichen Kriterien orientierte Sichtweise abzulehnen, vermied jedoch eine eindeutige Aussage320, so dass der Tatbestand viel Spielraum für Interpretationen bot und zunächst zu großer Rechtsunsicherheit führte. Für gesellschaftspolitische Aktionärsanträge hatte dies indes nur geringe Konsequenzen: Im Zeitraum von November 1972, als die novellierte Fassung erstmals auf Aktionärsanträge angewendet wurde, bis zur Reform von 1976 wurde nur wenigen politischen Anträgen die Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft abgesprochen.321

318

Vgl. Auer v. Dressel, 306 N.Y. 427, 118 N.E.2d 590 (1954). Vgl. dazu etwa SEC Division Letter American Telephone and Telegraph Company vom 29.01.1975, 1974–1975 Transfer Binder, Fed. Sec. L. Rep. (CCH) 80,151, 85,260: „[T]he adoption by the Commission of paragraph (c)(5) of Rule 14a-8, which allows the omission of recommendations or requests that ,relate to the conduct of the ordinary business operations of the issuer‘, implicitly recognizes that proposals which would be considered improper under paragraph (c)(1) as directives are proper under that paragraph if phrased in precatory form, and may be excluded from management’s proxy material only if some other provision of Rule 14a-8 so requires.“ 320 Vgl. SEC Exchange Release No. 34-9,784 (Sept. 22, 1972), 37 Fed. Reg. 23,178, 23,178 (1972). 321 Vgl. 3 IRRC News For Investors 73 (1976). 319

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aa) Zur Entwicklung der Auslegungspraxis In den ersten beiden Jahren nach dem Inkrafttreten der novellierten Fassung wurde der Ausnahmetatbestand von der SEC sehr liberal gehandhabt: Standardisierte wirtschaftliche Kriterien spielten bei der Auslegung noch keine Rolle.322 Damit schien sich zunächst zu bestätigen, was bereits in der amtlichen Erläuterung anklang. So wurde etwa ein Antrag an die American Motors Corp. für zulässig erachtet, der eine Berichterstattung über die Bemühungen des Unternehmens zur Förderung der Fußgängersicherheit empfahl. Die SEC stellte hier ohne weiteres eine bedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft fest, obwohl diese aus einem wirtschaftlichen Blickwinkel heraus nicht selbstverständlich erschien.323 Ebenso wurde die Zulässigkeit von Anträgen bejaht, die die Geschäftstätigkeit einer Gesellschaft im Ausland zum Gegenstand hatten, ohne dass dabei wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielten: Die Newmont Mining Corp. scheiterte bei der Abwehr eines Antrags, mit dem jegliche Geschäftstätigkeit im damals noch von Südafrika verwalteten Namibia per Satzungsänderung verboten werden sollte, weil die Einstellung der Geschäftstätigkeit in einem bestimmten Gebiet einen hinreichenden Bezug zur Gesellschaft habe.324 Gleiches galt für einen an die IBM Corp. gerichteten Antrag, der die Prüfung der Beziehungen zur südafrikanischen Regierung und die Förderung kommunaler Belange in Südafrika zum Gegenstand hatte.325 Anzeichen für ein Abrücken der SEC von dieser von Fall zu Fall entscheidenden Auslegungspraxis, die eine Ableitung abstrakter Maßstäbe im Interesse der Rechtssicherheit schwierig, wenn nicht gar unmöglich machte, gab es erst im Rahmen der Hauptversammlungssaison des Jahres 1975. Ausgangspunkt der Entwicklung war dabei der Antrag eines Aktionärs der American Home Products Corp., der den Verkauf von Babynahrung in Afrika zum Gegenstand hatte. Zwar empfahl die SEC der Gesellschaft auch in diesem Fall, den Antrag in die Vollmachtsunterlagen aufzunehmen. Anders als zuvor begründete sie ihren Standpunkt aber damit, dass die Gesellschaft keine wirtschaftlichen Kennzahlen vorgelegt habe, aus denen sich die Bedeutung dieser Geschäfte erkennen lasse.326

322

Vgl. Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 662 f. (1977). SEC No-Action Letter American Motors Corp. vom 29.11.1972, zit. nach Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 662 (1977). 324 SEC No-Action Letter Newmont Mining Corp., 1973 Transfer Binder, Fed. Sec. L. Rep. (CCH), 79,325, 82,987. 325 SEC No-Action Letter International Business Machines Corp., 1973–1974 Transfer Binder, Fed. Sec. L. Rep. (CCH) 79,722, 83,947. 326 SEC No-Action Letter American Home Products Corp. vom 04.03.1975, zit. nach Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 663 (1977). 323

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

Offenkundig wurde der Wechsel zu einer (auch) an wirtschaftlichen Kriterien orientierten Auslegung schließlich im Jahr 1976 im Zusammenhang mit der Kampagne des American Jewish Congress (AJC), als dessen Anträge von zahlreichen Gesellschaften unter Berufung auf den significantly related-Tatbestand abgelehnt wurden. Die Unternehmen argumentierten dabei, dass ihre Geschäftstätigkeit in den arabischen Staaten und in Israel nur einen im Promillebereich liegenden Bruchteil ihrer Gesamtaktivitäten ausmachen würde. Demgegenüber lehnte der AJC eine prozentuale Betrachtungsweise ab und legte die Betonung auf den summenmäßigen Umfang der Tätigkeit. Die SEC folgte dem nicht, sondern schloss sich der Argumentation der Gesellschaften an und erklärte, dass eine Nichtveröffentlichung nicht gegen Rule 14a-8(c)(2)(ii) (1972) verstoße.327 Als Maßstab für die Bewertung der „Beziehung zur Geschäftstätigkeit“ könnten dabei nicht die involvierten Geldbeträge, sondern nur ein Prozentsatz vom gesamten Geschäftsbetrieb des Unternehmens dienen. Andernfalls würde nicht die Bedeutung der Geschäftstätigkeit für das Unternehmen, sondern für den Antragsteller maßgeblich sein, was mit Sinn und Zweck des Ausnahmetatbestands nicht vereinbar sei.328 Diese Sichtweise wurde in mehreren anderen Fällen bestätigt, wobei die Geschäftstätigkeit im Ausland jeweils weniger als 1 % der Gesamtaktivitäten der Gesellschaften ausmachten. In Literatur und Praxis wurde daraus der Schluss gezogen, dass die Voraussetzungen des Tatbestandes immer dann erfüllt sind, wenn ein Antrag sich auf Geschäfte der Gesellschaft bezieht, die weniger als 1 % ihrer Gesamtaktivitäten ausmachen („informal one percent test“).329 Außerdem wurde die SEC aus Unternehmenskreisen aufgefordert, diese Auslegungspraxis auf eine verlässliche Grundlage zu stellen und sie formal in die Rule 14a-8 zu integrieren.330

327 SEC No-Action Letter Libby-Owens-Ford Co. vom 03.02.1976, 1975–1976 Transfer Binder, Fed. Sec. L. Rep. (CCH) 80,437, 86,154. 328 „Our view is based on the fact that the proposal deals with a matter that appears to have an insignificant relation to the company’s overall business. In arriving at this position, we have noted particularly that the company’s business activities in the Arab countries and Israel constitute a very small percentage of its overall business operations. [. . .] we believe it is appropriate to focus upon percentage figures rather than actual dollar amounts in determining the applicability of Rule 14a-8(c)(2)(ii) in this context. To concentrate on dollar amounts, which may be significant to the proponent, but not to the issuer’s overall business, would, we believe, represent a departure from the standard upon which the rule is based.“, vgl. SEC No-Action Letter Libby-Owens-Ford Co. vom 03.02.1976, 1975–1976 Transfer Binder, Fed. Sec. L. Rep. (CCH) 80,437, 86,154. 329 Vgl. Black/Sparks, 2 J. Corp. L. 1, 21 (1976), die die damit verbundene Verobjektivierung begrüßten, zugleich allerdings vor einer Einbuße an Flexibilität bei der Handhabung des Tatbestandes warnten; Harnisch, 6 J. L. & Pol. 415, 425 (1990); Schwartz/ Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 665 (1977); Vogel, Lobbying the Corporation, S. 118. 330 So etwa die American Society of Corporate Secretaries, vgl. SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,997 (1976).

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bb) Klarstellung im Zuge der Reform von 1976 In der novellierten Fassung der shareholder proposal rule fand diese Auslegungspraxis indes keinen Widerhall. Die SEC wies in der amtlichen Begründung vielmehr ausdrücklich darauf hin, dass der Tatbestand der unbedeutenden Geschäftsbeziehung nicht ausschließlich an wirtschaftliche Kriterien anknüpfen dürfe. Vielmehr gebe es zahlreiche Fälle, in denen ein Antrag bedeutsam sei, obwohl seine Bedeutung von einem wirtschaftlichen Standpunkt aus nicht sichtbar werde. Als Beispiel hierfür wurden dabei neben Anträgen zur Einführung einer kumulativen Stimmabgabe bei der Wahl der Board-Mitglieder auch Anträge zu ethischen Fragen genannt. Wirtschaftliche Kennzahlen könnten immer nur als Indiz für eine fehlende Verknüpfung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft dienen. Entscheidend sei deshalb eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls.331 Für die mit Aktionärsanträgen konfrontierten Unternehmen kam diese Klarstellung freilich nicht völlig überraschend, da die SEC bereits einige Monate zuvor in einem No-Action Letter auf diese Linie eingeschwenkt war.332 Ihre Bedeutung bestand deshalb auch weniger in der von ihr ausgehenden praktischen Wirkung als in dem Bekenntnis, dass das Antragsrecht auch zur Thematisierung gesellschaftspolitischer Fragen genutzt werden könne. Die grundsätzliche Offenheit des Antragssystems auch für gesellschaftspolitische Anträge fand schließlich auch Ausdruck im Wortlaut des Tatbestandes selbst: Im Zuge der Neufassung wurde der bis zum Bane-Statement zurückverfolgbare Passus gestrichen, dass der Antrag keine Angelegenheiten allgemein-ökonomischer, -politischer, -religiöser oder -sozialer Natur betreffen dürfe. Obwohl diese Änderung nach dem Willen der SEC keine praktischen Konsequenzen nach sich ziehen sollte333, wurde damit doch zumindest die Stigmatisierung derartiger Anträge durch den Normwortlaut aufgegeben. Nach der ab Ende 1976 geltenden Fassung der Rule 14a-8(c)(5) konnten Anträge abgelehnt werden, wenn sie allgemein keine bedeutende Beziehung zum Geschäftsbetrieb der Gesellschaft aufwiesen. 331 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,997 (1976). 332 Der zugrunde liegende Antrag zielte auf ein Verbot aller Unternehmensspenden ab, die der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft nicht förderlich sind. Die SEC, die den Ausnahmetatbestand als nicht erfüllt ansah, führte hierzu aus: „Although the representations made by the Company’s counsel as to the percentage of revenues and profits represented by charitable contributions tend to indicate that the subject matter of this proposal is not of economic significance, this is not the sole consideration under Rule 14a8(c)(2)(ii). [. . .] there are many instances in which the matter involved in the proposal is significant to an issuer’s business, even though such significance may not be apparent from an economic viewpoint.“, vgl. SEC No-Action Letter Marriot Corp. vom 17.09. 1976, 1975–1976 Transfer Binder, Fed. Sec. L. Rep. (CCH) 80,804, 87,097. 333 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,997 (1976).

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d) Wiederholte Antragsstellung Auch eine geplante Verschärfung der seit 1954 unveränderten Voraussetzungen für eine wiederholte Antragstellung wurde letztlich wegen massiver Bedenken aus Investorenkreisen nicht in die Tat umgesetzt. Nach der damals geltenden Fassung der Rule 14a-8(c)(4) war der Tatbestand der wiederholten Antragstellung nur dann erfüllt, wenn der Wortlaut des Antrags dem eines Antrags glich, der bei einer vorangegangenen Hauptversammlung zur Abstimmung gestellt wurde. Dazu mussten beide Anträge nahezu gleichlautend sein („virtually identical“).334 Ob der Antrag im Wesentlichen den gleichen Gegenstand betraf, spielte hingegen keine Rolle.335 Diese Situation machten sich einige Aktivisten ab etwa 1973 zu Nutze, indem sie Jahr für Jahr zwar inhalts-, aber nicht wortlautgleiche Anträge stellten, und so die für eine wiederholte Antragstellung zu überwindenden Schwellenwerte umgingen.336 Nachdem die betroffenen Unternehmen von der SEC wiederholt eine Verschärfung der Voraussetzungen für eine wiederholte Antragstellung gefordert hatten, stellte diese eine Neufassung des Wiedereinbringungstatbestandes zur Diskussion. Danach sollte es künftig darauf ankommen, ob der Antrag im Wesentlichen den gleichen Gegenstand wie ein früherer Antrag betraf (substantially the same subject matter).337 Von Unternehmensseite wurde dieser Vorschlag begrüßt, aber noch nicht als ausreichend erachtet. Zusätzlich sollten nach den Vorstellungen der American Society of Corporate Secretaries die für eine wiederholte Antragstellung zu überwindenden Schwellenwerte angehoben werden.338 Aktionärsaktivisten sowie Teile der Wissenschaft lehnten die vorgeschlagene Verschärfung des Wiedereinbringungstatbestandes hingegen ab.339 Dazu stellten sie einerseits die Angemessenheit des Vorschlags in Abrede. Da es in der Vergangenheit nur in einigen Fällen zu einem echten Missbrauch gekommen sei, verbiete sich eine derart tiefgreifende Änderung. Andererseits wurde die Zweckmäßigkeit der Neufassung in Zweifel gezogen. Es sei nahezu unmöglich, den neuen Standard in der Praxis zu handhaben, da er in hohem Maße von subjektiven Erwägungen abhänge. Schließlich warnten die Kritiker auch vor den negativen Folgen für das bundesrechtlich gewährleistete Aktionärsstimmrecht im Ganzen, die sich durch eine allzu lockere 334

Vgl. Vogel, Lobbying the Corporation, S. 116. Black/Sparks, 2 J. Corp. L. 1, 23 (1976): „Staff ’s refusal to analyze the substance of proposals“. 336 Ausf. dazu mit Beispielen Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 678 f. (1977): IBM – Südafrika, General Electric – Waffenproduktion; Black/Sparks, 2 J. Corp. L. 1, 24 f. (1976): CBS – Fairness bei politischer Berichterstattung. 337 SEC Exchange Release No. 34-12,598 (Jul. 7, 1976), 41 Fed. Reg. 29,982, 29,995 (1976). 338 Vgl. Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 681, Fn. 213 (1977). 339 Vgl. dazu und zum Folgenden SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,999 (1976). 335

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Auslegung des Begriffs des „gleichen Gegenstands“ ergeben könnten. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Gesellschaften auch die Aufnahme solcher Anträge von vornherein ablehnen könnten, die nur eine entfernte Beziehung zum Gegenstand eines früheren Antrags hätten („umbrella effect“). Nach Abschluss des öffentlichen Konsultationsverfahrens verzichtete die SEC auf eine Umsetzung ihres Vorschlags, da die mit der Neufassung verbundenen Nachteile die erstrebten Vorteile deutlich überwogen hätten.340 Dennoch drückte die Kommission in der amtlichen Begründung ihre Bedenken wegen möglicher Missbräuche des Tatbestandes aus. Sie kündigte deshalb an, Aktionärsanträge in Zukunft verstärkt auf eventuelle Umgehungen des Wiedereinbringungstatbestandes hin zu untersuchen und ggf. geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um einen erkannten Missbrauch abzustellen.341 e) Bezug zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb Ein Schwerpunkt der Novelle lag auf der Reform des Ausnahmetatbestands des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft. Aufgrund zwischenzeitlich eingetretener praktischer Schwierigkeiten in der Auslegung des Tatbestands wurde zunächst eine grundsätzliche Reformierung erwogen. Dass die zunächst geplante Änderung letztlich im Sande verlief und stattdessen nur eine weitaus weniger tief greifende Modifikation vorgenommen wurde, ändert nichts an der Tatsache, dass sich die SEC hier erstmals zur Legitimität des gesellschaftspolitischen Aktionärsengagements bekannte. aa) Hintergrund der Reformbestrebung Nachdem der Ausnahmetatbestand der Werbungsabsicht für allgemein-politische Ziele im Zuge der Reform von 1972 verobjektiviert worden war, hatte dieser seine Filterfunktion gegenüber sozial-ökologischen Aktionärsanträgen weitgehend verloren. Dadurch wurde der Tatbestand des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb in den zwischen Antragstellern und Unternehmen bestehenden Streitigkeiten über die Veröffentlichungspflicht zur zentralen Frage.342 Die praktische Handhabung des Tatbestandes durch die Kommission wurde dabei von allen Seiten als sehr unbefriedigend bewertet. Die Kritik richtete sich dabei in erster Linie gegen die Auslegung des Terminus „ordinary business operations“, für den die SEC – ohne Rückgriff auf die bundesstaatlichen Gesellschaftsrechte zu 340 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,999 (1976). 341 Diese Ankündigung setzte die SEC bei der darauffolgenden Reform von 1983 in die Tat um, vgl. § 6 D. II. 3. b) ff). 342 Black/Sparks, 2 J. Corp. L. 1, 16 (1976): „battleground“; Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 669 (1977); „key battleground“.

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nehmen – einen eigenen Maßstab entwickelt hatte. Nach diesem sollte immer dann eine gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme vorliegen, wenn der Antrag keine grundlegenden Fragen der Geschäftspolitik betraf (a matter of basic corporate policy).343 Die Unterscheidung zwischen zulässigen und unzulässigen Anträgen gestaltete sich jedoch überaus schwierig und führte in einigen Fällen zu unbefriedigenden Ergebnissen. Die Unsicherheiten wurden dabei noch durch eine Entscheidungspraxis der SEC verstärkt, die nicht frei von Widersprüchen war. Besonders deutlich traten die Auslegungsschwierigkeiten im Jahr 1976 zu Tage, als die SEC keine Einwände gegen die Nichtveröffentlichung eines Antrags erhob, mit dem der Bau eines Kernkraftwerkes verhindert werden sollte.344 Da der Bau eines Atomkraftwerks lediglich die Art und Weise betreffe, wie ein Energieunternehmen Strom erzeuge, sei die Entscheidung darüber nicht derart außergewöhnlich, dass eine Bestätigung durch Aktionärsbeschluss erforderlich sei. Von Seiten der Aktivisten und Teilen der Wissenschaft wurde diese Sichtweise scharf kritisiert, weil sie sowohl den Kostenaspekt als auch die möglichen Gefahren des Baus für die Umwelt außer Acht lasse.345 Bemerkenswerterweise erklärte auch der für die Bearbeitung der Aktionärsanträge bei der SEC zuständige Referent, dass er seine Entscheidung für „überaus problematisch“ halte und persönlich der Meinung sei, dass der Bau eines Atomkraftwerks eine wichtige geschäftliche Entscheidung sei, zu der die Aktionäre ihre Meinung ausdrücken können sollten. Allerdings lasse es der bisherige Auslegungsstandard nicht zu, die möglichen Folgen einer Geschäftsführungsmaßnahme oder die zivilgesellschaftliche Bedeutung der Entscheidung einzubeziehen.346 Als problematisch wurde darüber hinaus die Tendenz angesehen, dass die SEC der Antragsform häufig ein höheres Gewicht beimaß als dem Antragsinhalt. So wurde etwa die Differenzierung in Grundlagenentscheidungen und gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen fallengelassen, sobald mit dem Antrag eine Abänderung der Gesellschaftsdokumente herbeigeführt werden sollte. Dies führte dazu, dass die SEC einen Antrag, mit dem eine Gesellschaft um die Produktion eines Films über die gewandelte Rolle der Frau ersucht wurde, als unzulässige Einmischung in Belange der Geschäftsführung ansah347, sie zugleich aber einen Antrag zur Änderung der Gesellschaftsdokumente für zulässig hielt, nach dem

343 Vgl. etwa SEC Division Letter American Telephone and Telegraph Company vom 29.01.1975, 1974–1975 Transfer Binder, Fed. Sec. L. Rep. (CCH) 80,151, 85,261; 3 IRRC News for Investors 74 (1976). 344 Vgl. Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 672 Fn. 176 (1977). 345 Ausf. etwa Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 672 (1977); Thorson, 2 J. Corp. L. 115, 140 (1976); Vogel, Lobbying the Corporation, S. 117 f. 346 Vgl. Vogel, Lobbying the Corporation, S. 118. 347 SEC Division Letter Columbia Pictures Industries, Inc. vom 29.08.1975, zit. nach Black/Sparks, 2 J. Corp. L. 1, 16 (1976).

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ein Energieunternehmen nur so viele Grundstücke erwerben dürfen sollte, wie zum Bau von Kraftwerken und zur Energieerzeugung unbedingt notwendig seien348. bb) Alternative Tatbestandsmodelle in der Diskussion Angesichts dieser Ausgangssituation lag ein Schwerpunkt der Reformbestrebungen in der Überarbeitung des überkommenen ordinary business-Tatbestands. Dazu stellte die SEC zwei Alternativmodelle zur Diskussion, von denen eines an die Stelle des bisherigen Ausschlussgrundes treten sollte.349 (1) Erster Alternativtatbestand Der erste Vorschlag ermöglichte die Nichtveröffentlichung von Anträgen, die regelmäßig wiederkehrende, alltägliche Angelegenheiten zum Gegenstand hatten und die einen Zusammenhang zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Gesellschaft aufwiesen.350 Die SEC verband mit diesem Vorschlag die Hoffnung, dass damit dem Konzept der corporate democracy besser entsprochen werde. Da der Wortlaut des Vorschlags wegen der Bezugnahme auf die Alltäglichkeit des Antragsgegenstandes enger gefasst war als die bis dato geltende Bestimmung, hätte er tatsächlich eine erweiterte Aktionärsbeteiligung zur Folge haben können. Nach den Vorstellungen der Kommission sollten Aktionärsentscheide künftig zu allen wichtigen geschäftlichen Angelegenheiten (important business matters) initiiert werden können, auch wenn diese im Zusammenhang mit der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Gesellschaft stünden. Eine „wichtige geschäftliche Angelegenheit“ sollte dabei immer dann vorliegen, wenn das mit dem Antrag verfolgte Anliegen nicht durch die angestellten Manager verwirklicht werden könne, sondern eine Entscheidung des Board of Directors erforderlich sei.351 Die am öffentlichen Konsultationsprozess Beteiligten lehnten diesen Vorschlag ganz überwiegend ab.352 Sie befürchteten, dass er in vielen Fällen zu einem Mitentscheidungsrecht der Aktionäre bei komplexen wirtschaftlichen Fragen führen 348 SEC Division Letter Hawaiian Electric Company, Inc. vom 18.02.1976, zit. nach Black/Sparks, 2 J. Corp. L. 1, 17 (1976). 349 SEC Exchange Release No. 34-12,598 (Jul. 7, 1976), 41 Fed. Reg. 29,982, 29,984 f. (1976). 350 „[. . .] routine, day-to-day matter relating to the conduct of the ordinary business operations of the issuer“, vgl. SEC Exchange Release No. 34-12,598 (Jul. 7, 1976), 41 Fed. Reg. 29,982, 29,984 (1976). 351 SEC Exchange Release No. 34-12,598 (Jul. 7, 1976), 41 Fed. Reg. 29,982, 29,984 (1976). 352 Dazu SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,997 (1976).

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würde, obwohl diese mangels Fachwissens überwiegend nicht in der Lage seien, eine sachkundige Entscheidung zu treffen. Betont wurde außerdem, dass es nicht praktikabel sei, Geschäftsführungsangelegenheiten auf einer Hauptversammlung zu behandeln. Zudem hatte der Entwurf keinen verallgemeinerungsfähigen Maßstab für die Unterscheidung von alltäglichen und wichtigen geschäftlichen Angelegenheiten entwickelt. Das vorgeschlagene Erfordernis einer Entscheidung durch den Board erschien nicht als handhabbares Kriterium, da sich der Umfang, in dem Leitungsaufgaben an Manager delegiert werden, von Gesellschaft zu Gesellschaft unterscheide. (2) Zweiter Alternativtatbestand Der zweite Vorschlag sah die Nichtveröffentlichung für den Fall vor, dass der mit dem Antrag thematisierte Gegenstand nach dem anwendbaren bundesstaatlichen Recht und den Gesellschaftsdokumenten nicht vom Board of Directors behandelt werden müsse („,board action‘ standard“).353 Im Falle einer Umsetzung sollte diese Formulierung nicht nur an die Stelle des Ausschlussgrundes des fehlenden Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb treten, sondern auch den Tatbestand der unbedeutenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft entbehrlich machen. Die Kommission versprach sich davon, die bei der Auslegung des bislang geltenden Tatbestandes aufgetretenen Schwierigkeiten zu beseitigen.354 Allerdings stieß auch dieser Vorschlag nahezu einhellig auf Ablehnung.355 Die Stellungnahmen wiesen zu Recht darauf hin, dass die meisten bundesstaatlichen Gesellschaftsrechte und Gesellschaftsdokumente nur in wenigen Ausnahmefällen ausdrücklich eine Kompetenz des Board begründen und es in den meisten Fällen bei der Anordnung bewenden lassen, dass die Geschäfte der Gesellschaft durch oder unter Aufsicht des Board geleitet werden. Bei der Anwendung des vorgeschlagenen Standards wären deshalb schwierige rechtliche und tatsächliche Feststellungen erforderlich gewesen, die seine Handhabung schwerfällig und unpraktikabel gemacht hätten.

353 „[. . .] would allow the omission of a proposal if it deals with a matter that the governing body of the issuer (such as the Board of Directors) is not required to act upon pursuant to the applicable State law or the issuer’s governing instruments (such as the Charter or By-Laws).“, SEC Exchange Release No. 34-12,598 (Jul. 7, 1976), 41 Fed. Reg. 29,982, 29,985 (1976). 354 SEC Exchange Release No. 34-12,598 (Jul. 7, 1976), 41 Fed. Reg. 29,982, 29,985 (1976). 355 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,998 (1976).

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cc) Neujustierung im Zuge der Reform Nach Abschluss der öffentlichen Konsultation ließ die SEC ihr ursprüngliches Vorhaben einer grundlegenden Umgestaltung des Tatbestandes fallen. Stattdessen war sie nun der Ansicht, dass die mit der Reform verfolgten Ziele bereits mit der bestehenden Tatbestandsfassung erreicht werden könnten, wenn diese zukünftig nur flexibler gehandhabt werde.356 Erreicht werden sollte dies durch eine Neuinterpretation des Terminus „ordinary business operations“, aus dessen Anwendungsbereich künftig alle Anträge ausgenommen sein sollten, die bedeutende politische, wirtschaftliche oder sonstige Auswirkungen der Geschäftstätigkeit betrafen. Die Kommission rügte in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Behandlung von Atomkraft-Anträgen durch ihre zuständige Abteilung: Es sei offensichtlich, dass die mit dem Bau eines Atomkraftwerks verbundenen wirtschaftlichen und die Betriebssicherheit betreffenden Überlegungen ein Ausmaß erreichen, die über eine gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme hinausgehen. In Zukunft durfte der Ausschlusstatbestand deshalb nicht mehr herangezogen werden, um derartige Anträge abzuwehren.357 Gleiches sollte auch für alle anderen Anträge gelten, die nicht ganz banaler Natur seien (mundane in nature) und die erhebliche politische oder sonstige Erwägungen einschließen (substantial policy or other considerations). Rückblickend erscheint diese Neujustierung aus zwei Gründen bemerkenswert: Zum einen führte sie den noch heute gültigen Auslegungsstandard für den Ausnahmetatbestand des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb ein, der – ohne von der Kommission selbst so genannt worden zu sein – gemeinhin als „ZweiStufen-Test“ (two-part test)358 bezeichnet wird. Bedeutsam ist die Neujustierung aber auch deshalb, weil sich die SEC mit ihr deutlich für die innergesellschaftliche, von den Aktionären geführte Debatte über politische, soziale und ökologische Themen aussprach. Nachdem die Kommission seit Jahrzehnten ein distanziertes Verhältnis zur Legitimität gesellschaftspolitischer Aktionärsanträge an den Tag gelegt hatte, erkannte sie nun erstmals die Rolle des Aktionärs als Bürger – gedacht im Sinne eines politischen Wesens – an. Als Ironie der Geschichte359 muss dabei gelten, dass dieses Bekenntnis ausgerechnet im Rahmen

356 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,998 (1976). 357 Diese Klarstellung hatte zur Folge, dass sich die Anzahl der jährlich zur Abstimmung gestellten Atomkraft-Anträge von drei im Jahr 1978 auf 44 im Jahr 1982 mehr als verzehnfachte, vgl. Propp, 11 Sec. Reg. L. J. 99, 109, Fn. 39 (1983). 358 Vgl. etwa Mueller, 28 Stetson L. Rev. 451, 479 (1998); Stanton, 77 Wash. U. L. Quart. 979, 990 (1999); Uhlenbrock, 25 Del. J. Corp. L. 277, 287 (2000); Waite, 64 Fordham L. Rev. 1253, 1264 (1995). 359 Propp, 11 Sec. Reg. L. J. 99, 109 f. (1983): „This was a rather ironic and paradoxical resting place for an exclusion originally adopted to indicate that some aspects of

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

desjenigen Ausnahmetatbestandes erfolgte, den die Kommission ursprünglich zur Eindämmung des Aktionärseinflusses entwickelt hatte. 4. Normierung weiterer Ausnahmetatbestände a) Verstoß gegen die proxy rules Zum Zwecke der Klarstellung führte die SEC außerdem einen Tatbestand ein, der die Veröffentlichungspflicht für Anträge suspendierte, die gegen die proxy rules verstießen (Rule 14a-8 (c)(3) (1976)). Die Kommission reagierte damit auf Anträge, die wesentliche falsche und irreführende Angaben (materially false and misleading statements) enthielten und damit gegen Rule 14a-9 verstießen.360 Die SEC hatte derartige Anträge allerdings bislang schon für ausschlussfähig gehalten, so dass sich in der Verwaltungspraxis nichts änderte. b) Antragsduplizität Ebenfalls nur klarstellende Wirkung hatte die Einführung eines Tatbestandes, mit dem verhindert werden sollte, dass den Aktionären zwei nahezu identische Anträge zur Abstimmung vorgelegt werden. Hierzu bestimmte Rule 14a-8 (c) (11) (1976), dass die Aufnahme eines Antrags in die Hauptversammlungsunterlagen abgelehnt werden könne, wenn er im Wesentlichen einem bereits zugelassenen Antrag eines anderen Aktionärs gleicht (substantially duplicative). 5. Rezeption der Reform in der Wissenschaft In der Literatur wurde die Novelle von 1976 überwiegend positiv aufgenommen. Die neugefassten Regelungen stellten ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Interesse des Managements an einem kostensparenden, wenig konfrontativen Aktionärsantragssystem und dem Interesse der Aktionäre an einer Beteiligung bei wichtigen Entscheidungen her.361 Außerdem wurde hervorgehoben, dass die Reform den endgültigen Abschied von der seit dem Bane-Statement über 30 Jahre hinweg beibehaltenen distanziert-ablehnenden Haltung der SEC gegenüber sozial-ökologischem Aktionärsengagement markierte.362 Zugleich corporate business were, as a matter of state law, too mundane to require the attention of shareholders.“ 360 Vgl. SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,997 (1976). 361 Vgl. nur Harnisch, 6 J. L. & Pol. 415, 437 (1990); Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 685 (1977) m.w. N. 362 Vgl. auch Eisenberg, 15 Rev. Sec. Reg. 903, 909, Fn. 73 (1982): „significant change in emphasis from prior Commission positions“; Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J.

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wurde die SEC jedoch ermahnt, das soziale Umfeld der Aktiengesellschaften auch bei der tagtäglichen Normanwendung nicht aus dem Blick zu verlieren und die Vorschriften im Bewusstsein dieses Umstandes zu interpretieren.363 Einige Jahre nach dem Inkrafttreten der Reform wurde sodann festgestellt, dass die Auslegungspraxis der SEC trotz der weithin verobjektivierten Fassung der Rule 14a-8 häufig von Inkonsistenzen geprägt war und die Unternehmen und ihre Rechtsberater größte Probleme hatten, die Entscheidungen der Behörde vorherzusehen.364 6. Folgen der Reform Die im Rahmen der Novellierung von 1976 vorgenommenen Modifikationen der shareholder proposal rule hatten auf die Zahl der zur Abstimmung gelangenden Aktionärsanträge nur geringe Auswirkungen. Die Intensität der Ausübung des Antragsrechts stabilisierte sich auf einem vergleichsweise hohen Niveau.365 Zugleich erhöhten sich – insoweit von der Reform unbeeinflusst, sondern mit dem Abstimmungsverhalten institutioneller Anleger erklärbar366 – die Zustimmungsquoten zu gesellschaftspolitischen Anträgen. Im Verlauf der Hauptversammlungssaison 1983 konnten schließlich fast 73 % der Anträge mehr als 3 % der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen und damit den Schwellenwert für eine wiederholte Antragstellung (Rule 14a-8 (c)(12)(i) (1976)) überwinden.367

Tabelle 1 Zur Abstimmung stehende gesellschaftspolitische Aktionärsanträge 1976–1983368

Anzahl der Anträge

1976

1977

1978

1979

1980

1981

1982

1983

133

113

99

98

108

124

109

111

635, 637, 667 (1977): „the SEC emphatically rejects the argument that the shareholder proposal mechanism should not be extended to a shareholder principally interested in a social issue.“ 363 Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 685 f. (1977). 364 Vgl. ausf. Schwartz/Weiss, 11 U. Tol. L. Rev. 957, 987 (1980). 365 Vgl. Propp. 11 Sec. Reg. L. J. 99, 110 f. (1983). 366 Vgl. oben § 6 C. IV. 1. e)–f). 367 Talner, Origins, S. 47. 368 Die Daten beruhen auf Erhebungen des Investor Responsibility Research Center (IRRC), das das Abstimmungsverhalten institutioneller Anleger analysierte und in jährlichen Berichten veröffentlichte. Zit. nach Propp. 11 Sec. Reg. L. J. 99, 111 (1983); Harnisch, 6 J. L. & Pol. 415, 437 (1990) sowie Talner, Origins, S. 47.

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V. Die Entscheidung des Supreme Court in Sachen First National Bank of Boston v. Bellotti Die Debatte um das rechte Maß für die Zulässigkeit sozial-ökologischer Aktionärsanträge gewann bereits ab 1978 wieder an Intensität, nachdem der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten die Entscheidung in Sachen First National Bank of Boston v. Bellotti gefällt hatte.369 1. Sachverhalt und Entscheidungsgründe Ihr lag eine Klage mehrerer Banken und anderer Unternehmen gegen einen Straftatbestand im Strafgesetzbuch von Massachusetts zugrunde, der Unternehmensspenden für politische Zwecke nur unter bestimmten Voraussetzungen zuließ. Die angegriffene Vorschrift verbot den Gesellschaften Spenden und sonstige Aufwendungen, mit denen eine politische Abstimmung der Einwohner des Staates beeinflusst werden sollte, soweit die zur Abstimmung gestellte Frage die Geschäftstätigkeit, das Eigentum und das sonstige Betriebsvermögen wesentlich beeinflusste. Dabei sollten Abstimmungen über die Einkommens- und Vermögensbesteuerung sowie private Transaktionen generell keinen wesentlichen Einfluss auf die Gesellschaften haben. Die klagenden Unternehmen, die im Vorfeld eines verfassungsändernden Referendums eine Kampagne gegen die geplante Einführung einer gestaffelten Einkommenssteuer finanzierten wollten, sahen darin einen Verstoß gegen die im 1. Zusatzartikel der US-Verfassung garantierte Redefreiheit. Demgegenüber betonte der beklagte Justizminister von Massachusetts, Bellotti, dass das Verbot insbesondere dem Schutz der Aktionäre diene. Durch die Pönalisierung bestimmter Unternehmensspenden solle verhindert werden, dass das Unternehmensvermögen zur Förderung von Ansichten verwendet werde, die von einem Teil des Aktionärskreises nicht mitgetragen werden.370 Der Oberste Gerichtshof folgte hingegen der Argumentation der Kläger, dehnte den Anwendungsbereich des 1. Zusatzartikels auch auf Gesellschaften aus und erklärte den Straftatbestand damit für verfassungswidrig.371 In seiner Begründung verwarf das Gericht das Argument, dass die Verbotsvorschrift den Schutz der Aktionäre bezweckte. Denn erfasst wurden nur Gesellschaftsaufwendungen in Bezug auf ein Referendum zur Verfassungsänderung, nicht hingegen Aufwendungen, die den parlamentarischen Gesetzgebungsprozess betrafen. Zu369 First National Bank of Boston v. Bellotti, 435 U.S. 765 (1978); dazu BeVier, 68 Va. L. Rev. 177 (1982); Greenwood, 83 Iowa L. Rev. 995 (1998); Patton/Bartlett, Wis. L. Rev. 494 (1981); Richards, 19 Am. Bus. L. J. 441 (1982); Schaefer, 55 St. John’s L. Rev. 1 (1980); Winkler, 32 Loy. L.A. L. Rev. 133 (1998). 370 435 U.S. 765, 792 f. (1978). 371 435 U.S. 765, 775 ff. (1978); bestätigt in Consolidated Edison Co. of New York v. Public Service Commission of New York, 447 U.S. 530 (1980).

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dem verbot die Vorschrift den Unternehmen die politische Betätigung nicht generell, sodass eine Einwirkung auf den zivilgesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess – auch unter Verwendung von Gesellschaftsvermögen – nicht strafbar war, solange das adressierte Thema nicht Gegenstand eines Referendums ist, obwohl der Unmut eines Teil des Aktionärskreises in diesem Fall kaum geringer ausfallen dürfte. Außerdem wies das Gericht darauf hin, dass die Vorschrift auch solche Aufwendungen unter Strafe stellte, zu denen die Verwaltung der Gesellschaft durch einstimmigen Aktionärsbeschluss ermächtigt wurde. Das Gericht betonte abschließend ausdrücklich, dass die Aktionäre zur Wahrung ihrer eigenen Interessen befähigt seien und hob die Bedeutung gesellschaftsinterner Kontrollinstrumente hervor. Letztendlich seien es die Aktionäre, die unter Ausnutzung der Instrumente der Aktionärsdemokratie entscheiden sollten, ob ihre Gesellschaft in eine politische Debatte eingreife oder nicht.372 Damit wies das Gericht die Kontrollverantwortung für Gesellschaftsausgaben mit politischer Zwecksetzung den Aktionären zu. 2. Rezeption der Entscheidung Die Auswirkungen dieser Verantwortungszuweisung auf die shareholder proposal rule blieben zunächst noch unklar. a) Deutung in der Wissenschaft In der juristischen Literatur wurde die Entscheidung uneinheitlich interpretiert. Zum Teil wurde angenommen, dass nicht nur die Redefreiheit der Unternehmen, sondern auch die der Aktionäre gerade in ihrer Rolle als Anteilseigner der Gesellschaft unter dem Schutz des 1. Zusatzartikels stehe.373 Die übermäßig betonte Bedeutung der Redefreiheit des Unternehmens für die Öffentlichkeitsinformation vernachlässige den Aspekt, dass die Redefreiheit des Unternehmens gerade deshalb geschützt werden sollte, weil es sich dabei um die Stimme und das gemeinsame Handeln der Aktionärsmehrheit handele. Die Tatsache, dass das Gericht in der Entscheidung die Bedeutung der Aktionärsrechte als Kontrollinstrumente hervorgehoben habe, stärke das Aktionärsantragsrecht und lasse Zweifel an der Zulässigkeit einer allzu weiten Auslegung der Ausnahmetatbestände bei politischen Anträgen entstehen.374 Es sei nicht vermittelbar, weshalb Gesellschaften von Verfassung wegen die Freiheit genießen sollen, zu politischen Themen 372 Vgl. 435 U.S. 765, 794 (1978): „Ultimately shareholders may decide, through the procedures of corporate democracy, whether their corporation should engage in debate on public issues.“ 373 Vgl. Note, 92 Harv. L. Rev. 57, 165 f. (1978); Note, 21 Ariz. L. Rev. 841, 849 (1979). 374 Propp, 11 Sec. Reg. L. J. 99, 113, 122 (1983).

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Stellung zu beziehen, während die SEC den Aktionären die Nutzung der proxy materials als politisches Forum erschwere.375 Andere Kommentatoren wiesen demgegenüber darauf hin, dass die Gleichsetzung von Aktionärsrederecht und Gesellschaftsrederecht – vor allem bei großen börsennotierten Unternehmen – einem Realitätstest nicht standhalte und die Gesamtheit der Anteilseigner mit der davon eigenständigen juristischen Person verwechsle.376 b) Der SEC Staff Report on Corporate Accountability (1980) Die SEC ließ das infolge des Urteils entstandene Spannungsverhältnis zwischen der Redefreiheit der Gesellschaft und einer womöglich zu restriktiven Handhabung des Antragsrechts zunächst unberücksichtigt. Erst im Zuge einer 1980 unter Federführung eines Senatsausschusses und der SEC durchgeführten umfassenden Untersuchung zu Fragen der Unternehmensverantwortung wurde die Handhabung des Antragsrechts einer eingehenden Prüfung unterzogen.377 Im Abschlussbericht kamen die Kommissionsmitglieder zu dem Ergebnis, dass die shareholder proposal rule gut funktioniere und nur geringer Änderungsbedarf bestehe.378 Der Bericht befasste sich ausführlich mit den Auswirkungen der Bellotti-Entscheidung auf das Aktionärsantragsrecht. Im Mittelpunkt standen dabei die beiden Ausschlusstatbestände der unbedeutenden Beziehung des Antrags zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft (Rule 14a-8 (c)(5) (1976)) und des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb (Rule 14a-8 (c)(7) (1976)). Einer Änderung des Interpretationsmaßstabes hinsichtlich der „unbedeutenden Geschäftsbeziehung“ stand die SEC reserviert gegenüber: Das Urteil in Sachen Bellotti habe offen gelassen, ob sämtliche politischen Aufwendungen einer Gesellschaft eine hinreichende Beziehung zu ihrer Geschäftstätigkeit begründen würden oder, falls dies nicht der Fall sein sollte, wo dabei die Grenze zu ziehen sei.379 Die im Bericht 375 So Cane, 11 J. Corp. L. 57, 82 (1985); O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 238 (1984). 376 Miller, 38 Wash. & Lee L. Rev. 21, 37 f. (1981). 377 Auslöser für die Studie waren weithin angenommene Missstände bei großen US-amerikanischen Aktiengesellschaften, die mit Schlagworten wie „breakdown in accountability“, „widespread illegality“ und „lack of legitimacy“ umschrieben wurden. Kritisch zum Verantwortungsvakuum und Legitimitätsdefizit Fischel, 35 Vand. L. Rev. 1259, 1260 ff. (1982), der – auf die Steuerungsfähigkeit der Marktkräfte vertrauend – keinen Reformbedarf erkennen konnte. 378 Senate Committee on Banking, Housing and Urban Affairs, 96th Cong., 2nd Sess., SEC Staff Report on Corporate Accountability: A Re-Examination of Rules Relating to Shareholder Communications, Shareholder Participation in the Corporate Electoral Process, and Corporate Governance Generally (im Folgenden: „Staff Report“), B29 f.; vgl. dazu Steinberg, 58 Notre Dame L. Rev. 173, 185 (1982). 379 Staff Report, B65 f.

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ausgesprochenen Empfehlungen waren denn auch sehr zögerlich gefasst. Der SEC wurde empfohlen, Aktionärsanträge zur Offenlegung politischer Aktivitäten der Gesellschaft zuzulassen, Anträge zur Beeinflussung der Lobbytätigkeit aber weiterhin als unzulässig anzusehen. Alternativ dazu sollte die Behörde eine neue Methode ersinnen, mit der eine hinreichende Verknüpfung des Aktionärsantrags mit der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft sichergestellt werden könne.380 Eine vollständige Klärung der Frage sollte einer späteren Entscheidung vorbehalten bleiben.381 Wesentlich deutlicher äußerte sich der Abschlussbericht hingegen zu den Auswirkungen der Rechtsprechung auf den ordinary business-Tatbestand. Er empfahl der SEC eine Abkehr von der bisherigen Praxis, Aktionärsanträge zu Gesellschaftsaufwendungen für politische Zwecke dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb zuzurechen und aus diesem Grund für nicht veröffentlichungspflichtig zu halten.382 Andernfalls drohe ein Widerspruch zum Prinzip der Aktionärsbeteiligung, dem in der Bellotti-Entscheidung besondere Bedeutung zugemessen wurde.383 Zur Förderung der Aktionärsbeteiligung wurde außerdem vorgeschlagen, künftig die Stellvertretung eines Antragstellers durch einen Nichtaktionär zuzulassen, falls dieser am persönlichen Erscheinen wegen der Teilnahme an einer anderen Hauptversammlung verhindert sein sollte.384 Die Verknüpfung des Antragsrechts mit einem Mindestaktienbesitz oder einer Mindesthaltedauer wurde abgelehnt, da es keine belastbaren Beweise dafür gebe, dass ein Missbrauch des Antragsrechts damit eingedämmt werden könnte. In der Praxis hatten die Empfehlungen des Abschlussberichts insgesamt nur geringe Auswirkungen. Den Aktivisten war es nunmehr möglich, in beschränktem Umfang auch Anträge zur Lobbytätigkeit einer Gesellschaft in den proxy materials veröffentlichen zu lassen. Ein merklicher Anstieg derartiger Anträge war allerdings nicht zu verzeichnen. Die Bedeutung des Abschlussberichts lag denn auch weniger in der leicht veränderten praktischen Handhabung der shareholder proposal rule als in dem eindeutigen Bekenntnis der Kommission zur Nützlichkeit und Funktionalität des Aktionärsantragsrechts trotz Häufung sozial-ökologischer Anträge und überaus kritisch eingestellter Unternehmensleitungen.

380

Vgl. Staff Report, B66. Staff Report, B69. 382 Exemplarisch hierzu der SEC No-Action Letter an die Dr. Pepper Co. vom 02.02.1978, der einen Aktionärsantrag betraf, mit dem der Gesellschaft das Lobbying gegen ein Gesetz untersagt werden sollte, zit. bei Propp, 11 Sec. Reg. L. J. 99, 114 (1983). 383 Staff Report, B75 f. 384 Nach der damals gültigen Fassung konnte nur ein anderer Aktionär die Vertretung übernehmen, vgl. bereits § 6 C. IV. 2. c). 381

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VI. Reformbestrebungen 1981 Angesichts der Grundaussage des Staff Report sah die Kommission zunächst kein Bedürfnis für eine grundlegende Überarbeitung der shareholder proposal rule. Ein im Februar 1981 veröffentlichter Diskussionsentwurf für eine Novellierung der Rule 14a-8 beschränkte sich deshalb auf rein formale Modifikationen, die der Kommission in den zurückliegenden Jahren von Unternehmen, Antragstellern und ihrer für das Aktionärsantragsrecht zuständigen Abteilung empfohlen worden waren.385 Eine Umsetzung der Vorschläge erfolgte nach Abschluss der Öffentlichkeitsbeteiligung wegen der gewandelten politischen Verhältnisse in Washington jedoch nicht mehr.386 Gleichwohl waren einige der Vorschläge auch in dem im Oktober 1982 veröffentlichten erweiterten Reformentwurf enthalten, mit dem sie schließlich in Kraft treten sollten. Im Einzelnen sah der Entwurf vom Februar 1981 folgende Änderungen vor: 1. Vertretung des Antragstellers Rule 14a-8 (a)(2) Satz 3 (1976) hatte bis dahin vorgesehen, dass sich der Antragsteller auf der Hauptversammlung nur durch einen anderen Aktionär vertreten lassen könne. Der mit dieser Einschränkung verbundene Zweck, eine sachverständige Erörterung des Antrags in der Hauptversammlung sicherzustellen, wurde in der Praxis jedoch verfehlt. Der Entwurf stellte deshalb im Anschluss an die Empfehlungen des Staff Report die Streichung dieses Erfordernisses zur Diskussion und sprach sich dafür aus, die Vertretung durch jede andere Person zuzulassen.387 In diesem Zusammenhang betonte die Kommission zudem, dass der Aktionär auch künftig verpflichtet sein sollte, der Gesellschaft seine Absicht zur Teilnahme an der Hauptversammlung mitzuteilen, weil auf diese Weise eine leichtfertige Antragstellung verhindert werden könne. Während sich der Vorschlag für eine Liberalisierung der Vertretungsregelung auch im erweiterten Reformentwurf von 1982 wieder fand, distanzierte sich die Kommission dort von dem Erfordernis der Teilnahmeanzeige. 388 2. Offenlegung der Identität des Antragstellers In der Frage der Offenlegung der Identität des Antragstellers sprach sich der Entwurf für eine Rückbesinnung auf die Rechtslage vor Inkrafttreten der Reform 385 SEC Securities Exchange Act Release No. 34-17,517 (Feb. 5, 1981), 46 Fed. Reg. 12,011, 12,017 f. (1981). 386 Vgl. dazu noch § 6 D. II. 387 Vgl. SEC Securities Exchange Act Release No. 34-17,517 (Feb. 5, 1981), 46 Fed. Reg. 12,011, 12,017 (1981). 388 Vgl. § 6 D. II. 3. a) cc).

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von 1967 aus. Im Zuge dieser Novellierung war den Gesellschaften ein Wahlrecht eingeräumt worden, entweder den Namen und die Anschrift des Antragstellers in den Abstimmungsunterlagen mitzuteilen oder stattdessen einen Hinweis darauf aufzunehmen, dass diese Informationen jedem interessierten Aktionär auf Anfrage mitgeteilt würden (Rule 14a-8 (b) Satz 3 (1976)).389 Diese Einschränkung hatte allerdings nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. Aktionäre, die mit ihrer Antragstellung nur die Öffentlichkeit suchten, ließen sich von der Nichtoffenlegung ihrer Identität kaum abschrecken.390 Der Entwurf sah deshalb vor, künftig wieder die Identität jedes Antragstellers in den proxy materials offenzulegen. Zusätzlich sollte angegeben werden, wie viele stimmberechtigte Aktien der Antragsteller hält. Auf diese Weise sollte den anderen Aktionären die Einschätzung erleichtert werden, welche Ziele der Antragsteller mit seinem Antrag wirklich verfolgt und wie viele Stimmen der Antrag (höchstwahrscheinlich) bereits auf sich vereinigt. 3. Gesamtlänge von Antrag und Antragsbegründung Schließlich wollte der Entwurf die bislang separaten Regelungen für die Länge des Antrags (höchstens 300 Worte) und der Antragsbegründung (höchstens 200 Worte) vereinheitlichen. Künftig sollten Antrag und Antragsbegründung zusammen nicht mehr als 500 Worte umfassen. Auf diese Weise sollte den Antragstellern ein größerer Spielraum bei der Gestaltung des Antrags- und Begründungstextes eingeräumt werden, ohne die Gesellschaften zusätzlich zu belasten.391 Außerdem sollte die Veröffentlichung einer Antragsbegründung künftig auch bei solchen Anträgen verpflichtend sein, die vom Board befürwortet werden. Beide Vorschläge fanden sich auch im 1982 vorgelegten erweiterten Reformentwurf wieder. VII. Zusammenfassung Gegen Ende der 1970er Jahre schien das gesellschaftspolitische Aktionärsengagement im Mainstream angekommen zu sein. Das Aktionärsantragsrecht wurde von einem breiten Spektrum zivilgesellschaftlicher Gruppen ausgeübt, die – nach wie vor erfolglos – über ihre Anliegen abstimmen ließen. Die SEC hatte dabei in einem Zeitraum von nur wenigen Jahren ihre ablehnende Haltung gegenüber dieser Form des Aktionärsengagements aufgegeben, wofür sie von Seiten

389

Vgl. dazu § 6 B. XI. 1. Vgl. SEC Securities Exchange Act Release No. 34-17,517 (Feb. 5, 1981), 46 Fed. Reg. 12,011, 12,017 (1981). 391 Vgl. SEC Securities Exchange Act Release No. 34-17,517 (Feb. 5, 1981), 46 Fed. Reg. 12,011, 12,018 (1981). 390

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der Wissenschaft einhellige Zustimmung erntete.392 Die Verwaltungen börsennotierter Aktiengesellschaften zeigten sich hingegen unzufrieden. Trotz der auf Ausgleich bedachten Novelle von 1976 befürworteten sie einschneidende Maßnahmen, um den Missbrauch der proxy materials als politische Plattform zu verhindern.393 Auch der allgemeine Zeitgeist schien dieser Forderung mehr und mehr Recht zu geben: Gegen Ende der 1970er Jahre erfolgte in der US-amerikanischen Öffentlichkeit ein erneuter Meinungsumschwung zur Thematik der Rolle des Staates und der Wirtschaft. Mehr und mehr setzte sich nun die Ansicht durch, dass sich die wohlfahrtssteigernde Wirkung des Marktes am besten mit einem möglichst grobmaschigen staatlichen Regelungsgeflecht entfalten könne. Dieses wachsende Vertrauen in die marktliche Problemlösungskompetenz führte in der Öffentlichkeit und der Wissenschaft zu einer zunehmend kritischeren Haltung gegenüber dem Gedanken der gesamtgesellschaftlichen Unternehmensverantwortung.394

D. 1983–1996: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in der Defensive Angesichts dieses Meinungsumschwungs geriet auch der gesellschaftspolitische Aktionärsaktivismus zunehmend in die Defensive. Mit der Wahl Reagans zum US-Präsidenten im Jahr 1980 war die Welle der Corporate ResponsibilityBewegung vorerst gebrochen. Durch hoch umstrittene Personalentscheidungen395 blieben auch die Vorschriften der SEC von den auf Entbürokratisierung und Deregulierung fußenden wirtschaftspolitischen Vorstellungen der neuen Administration nicht verschont. Auch wenn es den Aktionären nach wie vor gelang, soziale und ökologische Aspekte mithilfe des Antragsrechts zu thematisieren und sich das Engagement einiger Aktionärsgruppen noch verstärkte (vgl. dazu unten I.), so stellte die Novelle von 1983 doch den markantesten Einschnitt in das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen dar (vgl. unten II.). Von der Ablehnung des sozial-ökologischen Aktionärsaktivismus zeugte auch die Debatte 392 Vgl. Fischel, 35 Va. L. Rev. 1259, 1278 (1982): „virtually all commentators are lavish in their praise of the shareholder proposal rule“. 393 Besonders deutlich äußerte sich der Business Roundtable in einer Stellungnahme aus dem Jahre 1978: „There has been a tendency through the proxy proposal mechanisms of the Securities and Exchange Commission to try to make the corporation an arena for debate about issues which should be decided through the political and legislative process. Corporations, corporate boards, and corporate shareowners are not the right bodies to resolve, on their own, for example, issues involving relations with other countries or U.S. military policies.“, zit. nach Purcell, 57 Harv. Bus. Rev. 24, 36 (1979). 394 Exemplarisch hierfür Engel, 32 Stan. L. Rev. 1 ff. (1979). Vgl. auch Wells, 51 U. Kann. L. Rev. 126 (2002). 395 Zum Einfluss Reagans auf die SEC ausf. Harnisch, 6 J. L. & Pol. 415, 430 ff. (1990).

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um die Veröffentlichungspflicht bei beschäftigungsbezogenen Anträgen, die den Schwerpunkt der Diskussion in den frühen 1990er Jahren bildete (vgl. unten III.). I. Überblick zu Antragstellern und Themenschwerpunkten des sozial-ökologischen Aktionärsaktivismus von 1983–1997 1. Themenschwerpunkte und betroffene Unternehmen Betrachtet man die im Zeitraum von 1983 bis 1997 mithilfe des Antragsrechts zur Sprache gebrachten Themen, so ist ein deutlicher Wandel erkennbar: Dieser setzte mit der Hauptversammlungssaison des Jahres 1990 ein und verfestigte sich in den darauf folgenden Jahren rasch. Ursache dieses Wandels sind zwei Ereignisse, die für den gesellschaftspolitischen Aktionärsaktivismus eine Zäsurwirkung entfalteten: zum einen das Ende der Rassentrennung in Südafrika, zum anderen die durch den Tanker Exxon Valdez im März 1989 hervorgerufene Umweltkatastrophe vor Alaska, die wie kein Ereignis zuvor die Umweltproblematik in das Bewusstsein der US-amerikanischen Öffentlichkeit rückte.396 Bis 1991 thematisierte der überwiegende Teil der Aktionärsanträge die Geschäftsbeziehungen der Gesellschaften zu Südafrika.397 Verbreitet waren zudem Anträge zu Menschenrechten und Rüstungsgütern, während die Produktion von Tabak und Fragen des Umweltschutzes noch keine Rolle spielten.398 Ab 1991 standen dagegen Anträge zu Umweltthemen im Vordergrund. Besondere Bedeutung erlangten dabei Anträge, die den Unternehmen die Anerkennung der von der Coalition for Environmentally Responsible Economics (CERES)399 entwickelten Valdez Principles empfahlen. Die später in CERES Principles umbenannten Prinzipien bestehen aus insgesamt zehn nicht rechtsverbindlichen Grundsätzen, mit denen sich Unternehmen u. a. zum Schutz der Biosphäre, zu einem maßvollen Umgang mit natürlichen Rohstoffen, zu Produktsicherheit und Konsumentenschutz sowie zu ökologischer Berichterstattung bekennen.400 Neben den Umweltthemen stieg zu Beginn der 1990er Jahre auch die Zahl der Anträge zur Produktion von Zigaretten

396

Vgl. Zondorak, 18 B. C. Envtl. Aff. L. Rev. 457, 480 (1991). Die Anzahl dieser Anträge stieg zunächst bis 1990 auf 116 stark an, um dann von 75 Anträgen im Jahr 1992 auf fünf Anträge im Jahr 1995 abzusinken. Ab dem Jahr 1996 wurden keine Anträge zum Thema Südafrika mehr gestellt. Vgl. Graves/Rehbein/ Waddock, 106 Bus. & Soc. Rev. 293, 297 f. (2001). 398 Vgl. die thematisch gegliederte Übersicht zu Aktionärsanträgen in den Jahren 1988 bis 1998 bei Graves/Rehbein/Waddock, 106 Bus. & Soc. Rev. 293, 297 (2001). 399 http://www.ceres.org/; ausf. zu CERES Glass Geltman/Skroback, 22 J. Corp. L. 465, 498 ff. (1997) sowie die Studie von Hoffman, 37 Sloan Mgnt. Rev. 51 (1996). 400 Die Valdez/CERES Principles sind abgedruckt bei Glass Geltman/Skroback, 22 J. Corp. L. 465, 500 f. (1997) sowie bei Sanyal/Neves, 10 J. Bus. Eth. 883, 888 (1991). Dazu allg. West, 16 Wm. & Mary J. Envtl. L. 99 (1992). 397

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und sonstigen Tabakerzeugnissen stark an. Die Zahl der Anträge zu Menschenrechten blieb im Vergleich zu den 1980er Jahren konstant, während die Zahl der Anträge zu Rüstungsgütern ab 1994 stark zurückging. Demgegenüber lässt sich im Hinblick auf die von gesellschaftspolitischen Aktionärsanträgen betroffenen Gesellschaften kein vergleichbarer Wandel feststellen. Nicht anders als in den 1970er Jahren waren General Electric und General Motors die Unternehmen, deren Aktionäre im Zeitraum von 1983–1997 die meisten Aktionärsanträge gestellt haben. Auf den Plätzen folgten die Philip Morris Companies Inc., die als damals größter börsennotierter Hersteller von Tabakerzeugnissen zur Zielscheibe einer Anti-Tabak-Kampagne wurde, sowie das wegen des Tankerunglücks in die Kritik geratene Mineralölunternehmen Exxon.401 Das thematische Spektrum der in diesen Gesellschaften gestellten Anträge weist dabei große Unterschiede auf. Während Aktivisten bei General Electric und General Motors sowohl Anträge zu Menschenrechten, Rassentrennung, Umweltschutz und Rüstungsproduktion stellten, beschränkten sie sich bei anderen Gesellschaften nahezu ausschließlich auf ein Thema.402 2. Alte und neue Akteure Auch in den 1980/90er Jahren wurde der gesellschaftspolitische Aktionärsaktivismus in erster Linie von Nichtregierungsorganisationen (religiöse Vereinigungen, Umweltschutzverbände) getragen. Seit etwa 1990 engagierten sich zunehmend auch Investmentfonds mit Nachhaltigkeitsfokus. Die beiden wichtigsten Entwicklungen waren jedoch zum einen der Aktivismus öffentlicher Pensionsfonds, die später zu den aktivsten Verfechtern des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagements werden sollten (vgl. unten a)), und zum anderen der gewerkschaftliche Aktionärsaktivismus (vgl. unten b)). a) Corporate Governance-Aktivismus öffentlicher Pensionsfonds Aus der historischen Perspektive betrachtet handelt es sich bei dem Phänomen der Ausübung von Aktionärsrechten zur Förderung klassischer Aspekte guter Unternehmensführung gegenüber dem gesellschaftspolitischen Aktionärsaktivismus um die ältere Erscheinung.403 Obwohl der Corporate Governance-Aktivismus seit den späten 1930er Jahren eine beständige Erscheinung war, prägte er die 401

Ausf. Graves/Rehbein/Waddock, 106 Bus. & Soc. Rev. 293, 300 (2001). Die bei Philip Morris gestellten Anträge betrafen ganz überwiegend die Tabakproduktion, die Aktionärsanträge bei Exxon ganz überwiegend den Umweltschutz, vgl. Graves/Rehbein/Waddock, 106 Bus. & Soc. Rev. 293, 308 (2001). Einen organisationssoziologischen Erklärungsansatz für diesen Befund entwickeln Rehbein/Waddock/Graves, 43 Bus. & Soc. Rev. 239 ff. (2004). 403 Vgl. bereits § 6 B. I. 2. 402

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Hauptversammlungswirklichkeit und die wissenschaftliche Debatte doch in weit geringerem Maße als das gesellschaftspolitische Aktionärsengagement. Dies änderte sich erst gegen Mitte der 1980er Jahre, als einige institutionelle Anlegergruppen die aus einer aktiven Investorenrolle resultierenden positiven Effekte für die Wertsteigerung ihrer Portfolios erkannten und den Corporate Governance-Aktivismus aus seinem Schattendasein herausführten. Die ab 1985 zu beobachtende Entwicklung lässt sich auf mehrere Ursachen zurückführen: Maßgeblichen Anteil an der Aktivierung der institutionellen Investoren hatten die Verwaltungen der US-amerikanischen Aktiengesellschaften selbst, die sich in Reaktion auf die Übernahmewelle der frühen 1980er Jahre um die Schaffung von Übernahmehindernissen bemüht hatten und diese weithin auch durchsetzen konnten.404 Im Kreise der institutionellen Anleger wurde dieses Verhalten überaus kritisch bewertet, da es eine Abschirmung der Unternehmensleitung gegenüber den disziplinierenden Kräften des Kapitalmarkts405 bewirkte und sich der Grad der Kontrolle über das Verhalten des Managements verringerte. Zugleich waren die Handlungsmöglichkeiten insbesondere der Pensionsfonds beschränkt, um die negativen Auswirkungen dieser Störung des Marktes für Unternehmenskontrolle auf den Wert ihrer Anlagen abzumildern. Der Verkauf der Aktien der fraglichen Gesellschaften erschien nicht als gangbarer Weg. Zum einen waren die institutionellen Aktienanlagen bereits damals häufig indexiert und zum anderen hatten die Anlagen vor allem der größeren Pensionsfonds ein Volumen erlangt, bei dem ein Verkauf zu einer spürbaren Marktbewegung geführt hätte. Da die institutionellen Portfolios infolge der Diversifizierung quasi die gesamte Wirtschaft abbildeten, wäre ein exit zum Nullsummenspiel geworden, denn die Fonds wären mit einiger Wahrscheinlichkeit jedenfalls indirekt auf beiden Seiten der Transaktion beteiligt gewesen.406 So blieb anstelle der Ausübung von Marktmacht (exit) nur die Ausübung von Organisationsmacht (voice), die sich ab 1985 im Council of Institutional Investors ballte.407 Diese Vereinigung, die sich zunächst vornehmlich an öffentliche Pensionsfonds408 richtete, verstand und versteht sich als Lobbygruppe für Aktionärsrechte, die durch bewusste Stimmrechts404 Bekanntestes Beispiel für derartige Übernahmehindernisse sind die sog. constituency statutes, die das Management ausdrücklich zur Verfolgung von Nichtaktionärsinteressen ermächtigen. Vgl. dazu noch § 7 C. II. 1. c). 405 Grundlegend zum „market for corporate control“ Manne, 73 J. Pol. Econ. 110 (1965). 406 Vgl. dazu weiterführend Blair, Ownership and Control, S. 168 sowie oben § 3 C. 407 Vgl. Blair, Ownership and Control, S. 165; Cane, 11 J. Corp. L. 57, 87 ff. (1985); Gillian/Starks, 19 J. Appl. Corp. Fin. 55, 56 f. (Winter 2007). Andere Anleger organisierten sich in der 1986 von T. Boone Pickens initiierten United Shareholders Association (USA), die bis 1993 für eine Stärkung der Aktionärsrechte warb. 408 Heute gehören dem Council über 140 Mitglieder an, wozu neben öffentlichen und gewerkschaftlichen Pensionsfonds auch Pensionsfonds von Unternehmen gehören, vgl. Gillian/Starks, 19 J. Appl. Corp. Fin. 55, 57 (Winter 2007).

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ausübung, Aktionärsanträge, Druck auf gesetzgebende Körperschaften, Dialog mit den Unternehmen und nötigenfalls im Wege gerichtlicher Auseinandersetzung gefördert werden sollen. Zu einer planmäßigen Nutzung des Aktionärsantragsrechts durch die im Council organisierten öffentlichen Pensionsfonds kam es ab der Hauptversammlungssaison des Jahres 1986. Der thematische Schwerpunkt der Anträge lag dabei zunächst auf der Beseitigung von poison pills.409 In den darauf folgenden Jahren erweiterte sich das Antragsspektrum auf die Einführung der kumulativen Stimmabgabe bei der Direktorenwahl (cumulative voting) sowie der Förderung der Unabhängigkeit des Board.410 Zu einer veränderten Taktik gingen die Pensionsfonds erst zu Anfang der 1990er Jahre über. Nicht selten trat nun an die Stelle der eher konfrontativen Ausübung des Aktionärsantragsrechts ein Dialog der Fonds mit dem Management ihrer Portfoliogesellschaften, der gänzlich außerhalb des Aktionärsantragsprozesses geführt wurde. Begünstigt wurde dieser Dialog dadurch, dass die Geschäftsleitungen der Zielgesellschaften den Vorteil einer Beteiligung langfristig orientierter Investoren für ihre eigene Stellung erkannten und deshalb ihre ablehnende Haltung in Verständnis und bis zu einem gewissen Grad auch Kompromissbereitschaft umschlug.411 Der Strategiewechsel der aktiven Investoren kann außerdem auch auf die Reform der proxy rules von 1992 zurückgeführt werden, die die direkte und indirekte Kommunikation zwischen den Aktionären erleichterte.412 Die Kommunikation unter den Aktionären nicht dialogbereiter Unternehmen musste nun nicht mehr zwangsläufig über Aktionärsanträge verlaufen. Vielmehr konnten fortan auch Zeitungsanzeigen, Informationsveranstaltungen, Radio- und Fernsehinterviews sowie zunehmend auch das Internet genutzt werden, um Unternehmen an den Pranger zu stellen.413 Insgesamt betrachtet hatte das Antragsrecht für den Aktivismus der Pen409 Den Höhepunkt erreichte die Kampagne zur Abschaffung von poison pills in der Hauptversammlungssaison 1991, als eine Abstimmung über insgesamt 41 Anträge stattfand. Die Zustimmungsquote zu diesen Anträgen stieg von 39 % im Jahr 1988 auf etwa 54 % im Jahr 1994. Vgl. Brownstein/Kirman, 60 Bus. Law. 23, 28 (2004). 410 Ausführliche Statistiken zu Antragsgegenständen, Antragstellern sowie Zustimmungsquoten im Zeitraum 1987 bis 1994 finden sich bei Gillian/Starks, 57 J. Fin. Econ. 275, 282 ff. (2000). 411 Vgl. Blair, Ownership and Control, S. 167; Gillian/Starks, 19 J. Appl. Corp. Fin. 55, 57 (Winter 2007). 412 Näher zu den Hintergründen § 6 D. IV. 413 Zu diesem „shaming in corporate law“ Skeel, 149 U. Pa. L. Rev. 1811 (2001) sowie Kyriakakis, Überwachung, S. 228. Besondere öffentliche Aufmerksamkeit erfährt dabei die von CalPERS erstellte „focus list“, die eine Aufzählung einzelner Gesellschaften mit besonders schlechter Corporate Governance enthält, vgl. auch hierzu Skeel, a. a. O. sowie Anson/White/Ho, 5 (3) J. Ass. Mngmt. 149, 150 ff. (2004), die die Folgen einer Nennung auf dieser Liste für die Corporate Governance des betroffenen Unternehmens untersuchen. Vgl. zu der vergleichbaren Liste des Aktionärsdienstleisters IVOX, der seit Herbst 2009 anhand von 100 Kriterien die Corporate Governance deutscher Konzerne beurteilt o.A., „Corporate Governance von VW fällt durch“, Börsenzeitung vom 02.12.2009, S. 11.

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sionsfonds bis zum Ende der 1990er Jahre zwar an Bedeutung verloren, es spielte als Instrument zur Durchsetzung von Interessen aber nach wie vor eine nicht zu vernachlässigende Rolle.414 b) Gewerkschaftlicher Aktionärsaktivismus Neben der Ausübung des Antragsrechts durch öffentliche Pensionsfonds stellt das Erstarken des gewerkschaftlichen Aktionärsengagements die zweite wichtige Entwicklung im Zeitraum von 1983 bis 1997 dar. Der Begriff des „gewerkschaftlichen“ Aktionärsaktivismus erfasst hierbei die Stellung von Aktionärsanträgen sowohl durch die Gewerkschaften selbst als auch durch bestimmte Pensionsfonds, in deren Leitungsgremien Gewerkschaften vertreten sind. Bis zum Ende der 1990er Jahre wurden die US-amerikanischen Gewerkschaften bzw. die unter deren (Mit-)Verantwortung stehenden Fonds zu den aggressivsten Verfechtern unternehmensinterner Reformen und zu den aktivsten institutionellen Anlegern schlechthin.415 Ihre Aktivitäten hatten Vorbildwirkung weit über die Grenzen der USA hinaus.416 aa) Zur Praxis des gewerkschaftlichen Aktionärsaktivismus Die planmäßige417 Nutzung des Antragsrechts durch die Gewerkschaften selbst bzw. durch die von ihnen mitverwalteten Pensionsfonds begann etwa 1985, entwickelte sich in den darauf folgenden Jahren sprunghaft und hielt bis zur Jahrtausendwende auf gleich bleibend hohem Niveau an. Dabei ist auffällig, dass die Anträge in erster Linie nicht als Mittel des Arbeitskampfes verstanden wurden. Zwar kam es auch vor, dass eine Gewerkschaft ihr Antragsrecht gerade in solchen Gesellschaften ausübte, mit denen sie in Tarifverhandlungen stand. Dies blieb jedoch die Ausnahme. Die weit überwiegende Zahl der Anträge wurde nicht als Druckmittel im Arbeitskampf verwendet.418 Bemerkenswert ist zudem das inhaltliche Spektrum der von Gewerkschaften bzw. den von ihnen kontrollier414 Vgl. die Studie zu den von CalPERS im Zeitraum von 1987 bis 1993 ins Visier genommenen Unternehmen von Smith, 51 J. Fin. 227 (1996). 415 Schwab/Thomas, 96 Mich. L. Rev. 1018, 1018 f. (1998); Thomas/Martin, 73 Wash. L. Rev. 41, 41 f. (1998); Zanglein, 11 DePaul Bus. L. J. 43, 73 f. (1998). 416 Vgl. etwa zur Situation in Australien Anderson/Ramsay, S. 6 ff.; Anderson/Ramsay/Marshall/Mitchell, 15 Corp. Gov. Int’l Rev. 45 (2007); Rawling, 28 Sydney L. Rev. 227 ff. (2006). 417 Vereinzelt waren Gewerkschaften auch schon in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre als Antragsteller aufgetreten, vgl. § 6 C. IV. 1. e). 418 Aus diesem Grund stießen gewerkschaftsinitiierte Anträge auch nicht auf Misstrauen anderer institutioneller Anleger. Die Untersuchung von Thomas/Martin, 73 Wash. L. Rev. 41, 64 ff. (1998) zeigt, dass diese Anträge sogar höhere Zustimmungsquoten als Anträge sonstiger institutioneller Anleger erzielen konnten.

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ten Fonds gestellten und unterstützten Anträge. Dieser Facettenreichtum lässt sich anhand der umfangreichen Kataloge der gewerkschaftlichen Proxy Voting Guidelines bereits erahnen.419 Eine herausragende Rolle nahmen dabei Anträge zur Beseitigung von Übernahmehindernissen und zur Vergütung des Managements ein.420 Daneben stellten Gewerkschaften aber auch Anträge zu gesellschaftspolitischen Aspekten der Geschäftstätigkeit, wobei eine Tendenz zur Thematisierung von Fragen aus der Arbeitswelt nicht zu verkennen war.421 Besonders bedeutend sind in diesem Zusammenhang Anträge zu den zivilgesellschaftlichen Auswirkungen von Unternehmensverlagerungen ins Ausland422 und Anträge zur Einführung von Mindestarbeitsbedingungen in ausländischen Tochter- und Zulieferbetrieben.423 bb) Ursachen der Entwicklung Als Antriebskräfte dieser Entwicklung können zwei Hauptursachen identifiziert werden. Zum einen sind die Aktivitäten der Gewerkschaften bzw. der von ihnen mitverwalteten Fonds im Zusammenhang mit der die US-amerikanische Wirtschaft in den 1980ern aufrüttelnden Übernahmewelle und als Folgewirkung derselben zu begreifen (unten (1)). Zum anderen waren es die besonderen tat419 Eine Vorreiterrolle bei der Formulierung von Abstimmungsrichtlinien nimmt die Gewerkschaft AFL-CIO ein, die erstmals im Februar 1991 einen solchen Katalog vorlegte. Vgl. dazu Zanglein, 7 Lab. Law. 771, 787 (1991) sowie die aktuelle Fassung der Richtlinien unter http://www.aflcio.org/corporatewatch/capital/upload/proxy_voting_ guidelines.pdf. 420 Vgl. Thomas/Martin, 73 Wash. L. Rev. 41, 49 (1998). 421 So enthalten etwa die AFL-CIO Proxy Voting Guidelines einen ausführlichen Katalog zum Abstimmungsverhalten bei gesellschaftspolitischen Anträgen. Vgl. AFL-CIO Proxy Voting Guidelines, S. 21 ff. Einleitend heißt es dort: „The trustees believe that in order to succeed over the long-term, businesses need to treat employees, suppliers and customers well, to be environmentally responsible, and to be responsive to the communities in which they operate. A range of issues relating to how businesses fulfill these goals that can be addressed with what are called corporate responsibility, or social issue, shareholder proposals. In general, the fiduciary can support such shareholder proposals if they either contribute to the long-term economic best interests of plan participants and beneficiaries or will have no adverse effect on the long-term economic best interests of plan participants and beneficiaries. More disclosure from management to shareholders on most corporate responsibility issues is generally desirable. Many issues compete for management’s attention, and shareholder support of proposals that request reports on particular issues may provide a useful focus.“ 422 Vgl. etwa SEC No-Action Letter General Electric Company vom 13.01.2006, 2006 WL 129334 (unzulässiger Antrag, der eine Berichterstattung über Reputationsrisiken empfiehlt, die sich aus der Verlagerung von Teilen des Unternehmens ins Ausland ergeben). 423 Vgl. SEC No-Action Letter Peabody Energy Corporation vom 08.03.2006, 2006 WL 626122; SEC No-Action Letter E.I. du Pont de Nemours and Company vom 11.02.2004, 2004 WL 2999060 (zulässige Anträge zur Implimentierung bestimmter Konventionen der ILO).

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sächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die ihre aktive Rolle außerordentlich begünstigten (unten (2)). (1) Die Übernahmewelle und ihre Folgen Die Übernahmeaktivitäten in der amerikanischen Unternehmenslandschaft der 1980er waren nicht nur für die Pensionsfonds des öffentlichen Sektors der Grund, eine aktive Investorenhaltung einzunehmen, sondern stellten auch die Hauptursache des gewerkschaftlichen Aktivismus dar. Da die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften (oftmals zu Recht424) mit einem Verlust von Arbeitsplätzen im Falle einer Übernahme in den betroffenen Unternehmen rechneten, unterstützten die Gewerkschaften zunächst die Leitungen potentieller Zielgesellschaften bei ihren Bemühungen, sich gegenüber den Kräften des Kapitalmarkts abzuschotten.425 Neben der gemeinsamen Ausarbeitung von defensiv ausgerichteten Belegschaftsaktienprogrammen (employee stock ownership plans) stand dabei die durchaus erfolgreiche426 Lobbytätigkeit zugunsten bundesstaatlicher Regelungen zur Erschwerung von Übernahmen im Vordergrund. Nach dem Abebben der Übernahmewelle war die Fähigkeit der Gewerkschaften zur Führung von Arbeitskämpfen entscheidend geschwächt; ihr Organisationsgrad sank bis zum Jahr 1992 auf 16 %.427 Zugleich mussten die Gewerkschaften nun mit ansehen, dass die Unternehmensleitungen die Schwäche der Gewerkschaften sowie die durch die staatlichen Übernahmebeschränkungen zurück gewonnene Freiheit dazu nutzen, um Beschäftigung ins Ausland zu verlagern, prekäre Arbeitsverhältnisse im Inland zu schaffen und ihre eigene Vergütung deutlich zu erhöhen. Trotz der zurückgehenden Mitgliederzahlen waren die Gewerkschaften ihrer Macht aber nur zum Teil beraubt. Denn im Verlauf der 1980er Jahre wuchs der Anteil der von ihnen verwalteten und auf dem Kapitalmarkt angelegten Gelder beträchtlich und überschritt schon Mitte der 1990er Jahre die Grenze von 430 Mrd. $.428 Der abnehmende Organisationsgrad und die gegenläufige Entwicklung eines kapitalseitigen Machtzuwachses führten schließlich zu einer Verlagerung der Gewerkschaftsmacht vom Arbeitskampf zum Kapitalmarkt und in die Hauptversammlungen. Noch einmal muss an dieser Stelle aber darauf hingewiesen werden, dass die den Gewerkschaften auf dem Kapitalmarkt neu zugefallene Rolle kein Substitut

424 Vgl. die empirischen Belege bei Bainbridge, 19 Pepp. L. Rev. 971, 1003 (1992), der von etwa 500.000 verlorengegangenen Arbeitsplätzen ausgeht; Ryan, 64 Tul. L. Rev. 3, 5 f. (1989): 550.000 abgebaute Arbeitsplätze im Jahr 1984 und der ersten Jahreshälfte 1985; Hollo, 23 Rutgers L. J. 561, 587 (1992): 250.000 Arbeitsplätze allein in der Texilindustrie. 425 Thomas/Martin, 73 Wash. L. Rev. 41, 47 (1998). 426 Davon geben noch heute die constituency statutes Zeugnis, vgl. dazu § 7 C. II. 1. c). 427 Thomas/Martin, 73 Wash. L. Rev. 41, 48 (1998). 428 Vgl. Marens, 52 J. Bus. Eth. 109, 110 (2004).

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der verlorengegangenen Arbeitskampfmacht darstellte. Arbeitskämpfe wurden nur selten von Aktionärsanträgen begleitet. (2) Günstige tatsächliche und rechtliche Rahmenbedingungen Begünstigt wurde die Ausübung des Aktionärsantragsrechts der durch Gewerkschaften mitverwalteten Pensionsfonds aber auch durch besondere tatsächliche und rechtliche Rahmenbedingungen, namentlich durch die Dominanz der Gewerkschaften in den Boards der Pensionsfonds sowie eine engagementfreundliche Haltung der US-Regierung. Auf den ersten Blick erscheint die Dominanz der Gewerkschaften in den Boards der auf Grundlage von Sec. 302 des Taft-Hartley Act von einer Arbeitnehmer- und Arbeitgebervereinigung gemeinsam gegründeten Pensionsfonds verblüffend. Denn nach der gesetzlichen Regelung ist der Board of Trustees eines solchen Fonds paritätisch mit Mitgliedern der Gewerkschaft und der Arbeitgebervereinigung besetzt, um eine ausgeglichene, nicht zu Lasten einer Gründergruppe gehende Anlagestrategie zu gewährleisten.429 Der Anreiz der Arbeitgeberseite, sich aktiv an der Leitung eines solchen Fonds zu beteiligen, ist jedoch gering. Denn die Arbeitgeber sind verpflichtet, im Voraus festgelegte Beträge in den Fonds einzuzahlen, so dass auch eine besonders effiziente Anlagestrategie keine Absenkung der Beitragsverpflichtung nach sich zieht. In der Praxis hat dies dazu geführt, dass die Arbeitgeberseite die Investitionsentscheidungen im Regelfall den Gewerkschaften überlässt.430 Positive Auswirkungen auf das Aktionärsengagement gewerkschaftlich mitverwalteter Pensionsfonds hatte darüber hinaus noch eine amtliche Auslegung zu den Pflichten der Mitglieder des Board of Trustees, die im Employee Retirement Income Security Act of 1974 (ERISA) festgehalten sind. Die beiden wichtigsten Pflichten stellen dabei die Pflicht, allein im Interesse der Einzahler und Berechtigten zu handeln („duty of loyalty“, „exlusive benefit rule“, Sec. 404 (a)(1)(A) ERISA) und die Pflicht zu gewissenhaftem und sorgfältigem Verhalten („prudent man rule“, Sec. 404 (a)(1)(B) ERISA) dar.431 Lange Zeit herrschte Unklarheit, ob die Stellung von Aktionärsanträgen mit diesen Pflichten vereinbar sei und ob aus der Pflichtenbindung auch eine Mitwirkungspflicht bei Aktionärsabstimmungen abzuleiten sei. In beiden Fragen hat ein amtliches Interpretationsschreiben des US-Arbeitsministeriums vom Juli 1994432 eine Klärung herbeigeführt. Da429 Ausf. Marens, 52 J. Bus. Eth. 109, 110 (2004); Schwab/Thomas, 96 Mich. L. Rev. 1018, 1076 f. (1998). 430 Schwab/Thomas, 96 Mich. L. Rev. 1018, 1077 (1998). 431 Vgl. dazu im einzelnen Zanglein, 7 Lab. Law. 771, 777 (1991). 432 Department of Labor, Pension and Welfare Benefits Administration, Interpretive Bulletin 94-2 (Jul. 21, 1994), 59 Fed. Reg. 38,860 (1994).

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durch wurde die damals schon gefestigte Praxis nachträglich bestätigt und die Aktivitäten der gewerkschaftsdominierten Pensionsfonds noch verstärkt. Die amtliche Interpretation führte aus, dass die geschilderten Pflichten des Board of Trustees auch zur Beteiligung an Aktionärsabstimmungen verpflichten, soweit dadurch der langfristige Wert der Beteiligung gesteigert werde. Zugleich sei die Überwachung des Managements einer Gesellschaft von diesen Pflichten gedeckt, wenn der Board of Trustees sich davon eine langfristige Wertsteigerung erhoffe. Es sei deshalb zulässig, Aktionärsanträge zu Aspekten der Managementvergütung, zu Übernahmebeschränkungen, zu Arbeitsbedingungen und zu finanziellen und nicht-finanziellen Indikatoren der Leistungsfähigkeit der Gesellschaft zu stellen.433 II. Reform 1983 Nur etwas mehr als ein Jahr nach der Wahl Reagans startete die Kommission unter Führung ihres neuen, den Republikanern nahe stehenden Vorsitzenden Shad 1982 eine breit angelegte Kampagne, die unter der Bezeichnung „Proxy Review Program“ eine Überarbeitung und Vereinfachung ganz unterschiedlicher Aspekte des Kapitalmarktrechts im Allgemeinen und des Stimmrechtssystems in börsennotierten Gesellschaften im Besonderen zum Ziel hatte.434 1. Reformvorschläge der SEC In diesem Zusammenhang legte die Kommission im Oktober 1982 umfangreiche Vorschläge zur Novellierung der shareholder proposal rule vor und eröffnete damit einen erneuten Konsultationsprozess zur bundesstaatlichen Flankierung des Aktionärsantragsrechts.435 Bemerkenswert und nur durch die veränderten politischen Rahmenbedingungen erklärbar ist dabei der Umstand, dass die Ergebnisse des nur zwei Jahre zuvor veröffentlichten Staff Reports nahezu vollständig ignoriert wurden. Anders als in der Vergangenheit sollte der Reformprozess erstmals nicht in erster Linie der Präzisierung der Ausnahmen von der Mitteilungspflicht und der Absicherung der Aktionärskommunikation dienen. Vielmehr sollte von Grund auf geklärt werden, ob überhaupt ein Bedürfnis besteht, das Aktionärsantragsrecht über die proxy rules abzusichern.436 433 Department of Labor, Pension and Welfare Benefits Administration, Interpretive Bulletin 94-2 (Jul. 21, 1994), 59 Fed. Reg. 38,860, 38,862 (1994). 434 Feagans, 33 Buff. L. Rev. 225, 247 f. (1984); Gocha, 17 U. Tol. L. Rev. 411, 431 (1986). 435 Vgl. SEC Securities Exchange Act Release No. 34-19,135 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,420 (1982). 436 Vgl. SEC Securities Exchange Act Release No. 34-19,135 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,420, 47,421 (1982): „Fundamental to the Commission’s present re-examination of the security holder process, however, is a reevaluation of the need for and

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Der von der SEC vorgelegte Diskussionsentwurf beinhaltete erstmals nicht nur einen, sondern drei alternative Reformmodelle. Diese reichten von einer Verschärfung der Voraussetzungen für die Antragsveröffentlichung (unten a)) über den Vorschlag, das Veröffentlichungsrecht einer privatautonomen Regelung der Aktionäre zu überlassen (unten b)) bis hin zur weitgehenden Liberalisierung des Antragsprozederes bei gleichzeitiger Einführung einer zahlenmäßigen Höchstgrenze veröffentlichungspflichtiger Anträge (unten c)). a) Vorschlag I: Verschärfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen Der erste Vorschlag sprach sich für ein Festhalten am bisherigen Regulierungsmodell aus. Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen sollte aber durch Verschärfungen der formellen Voraussetzungen und Ausweitung der Ausnahmetatbestände erheblich eingeschränkt werden.437 Damit sollte dem (zumindest aus Kommissionssicht bestehenden) Missstand begegnet werden, dass einige wenige Antragsteller die shareholder proposal rule als öffentlichkeitswirksames Instrument zur Förderung ihrer persönlichen Interessen nutzten, die keinen Bezug zu den Interessen eines durchschnittlichen Aktionärs hatten. Die vorgeschlagenen Änderungen spiegelten nach Auffassung der SEC die Kritik an der bis dato geltenden Fassung der Rule 14a-8 wider, die sich mit der wachsenden Zahl von Anträgen und der zunehmenden Komplexität der betroffenen Themen immer mehr verstärkte.438 Die Kommission empfahl deshalb, die Antragsberechtigung an einen Mindestaktienbesitz und eine Mindesthaltedauer zu knüpfen.439 Erst wenn der Antragsteller mindestens ein Jahr lang mindestens 1 % der stimmberechtigten Aktien der Gesellschaft oder Aktien im Marktwert von 1.000 $ innehatte, sollte es ihm möglich sein, den Mitaktionären sein Anliegen in den Stimmrechtsunterlagen der Gesellschaft mitzuteilen. Außerdem sollte jeder Aktionär nur einen Antrag stellen dürfen. Die Frist zur Antragstellung sollte von 90 auf 120 Tage vor dem Tage der letztjährigen Versendung der Vollmachtsunterlagen verlängert werden. In sachlicher Hinsicht sollten nach diesem Vorschlag der Ausnahmetatbestand der persönlichen Beschwerde, der Tatbestand des fehlenden Geschäftsbezugs und die Voraussetzungen für eine wiederholte Antragstellung verschärft werden.440 desirability of providing a right of security holder access to the issuer’s proxy statement under the Exchange Act, and if such right of access is to be continued, what the nature of such right should be.“ 437 Vgl. SEC Securities Exchange Act Release No. 34-19,135 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,420, 47,421 (1982). 438 SEC Securities Exchange Act Release No. 34-19,135 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,421 (1982). 439 Dieser Vorschlag geht auf Manne, 24 Stan. L. Rev. 481, 503 (1972) zurück. 440 Vgl. im Einzelnen SEC Securities Exchange Act Release No. 34-19,135 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,424 ff. (1982).

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b) Vorschlag II: Vorrang der privatautonomen Regelung Der zweite zur Diskussion gestellte Vorschlag eröffnete die Möglichkeit abweichender Vereinbarungen durch die Aktionäre.441 Zwar sollte die shareholder proposal rule unverändert beibehalten werden, bei Bestehen eines gesellschaftseigenen Regelungsmodells aber unanwendbar sein. Zugleich sah der Vorschlag den Rückzug der SEC aus ihrer traditionellen Schiedsrichterfunktion vor: Streitigkeiten über die Zulässigkeit eines Antrags sollten nicht wie bisher unter Einbeziehung der SEC, sondern allein nach Maßgabe des Aktionärsbeschlusses entschieden werden.442 Um der Fluktuation des Aktionärskreises Rechnung zu tragen sollte dieser Beschluss in periodischen Abständen neu gefasst werden. Weniger festgelegt war die Behörde hingegen bei der Frage, wie bei der Umsetzung dieses Vorschlags eine Übervorteilung der Aktionäre verhindert werden könnte – schließlich wäre die Beschlussvorlage vom Board formuliert worden, dessen Anreiz zur sachgerechten Gewichtung des Aktionärsinteresses an der Antragsveröffentlichung nur schwach ausgeprägt sein dürfte. Im Grundsatz sprach sich die SEC für die Einführung bestimmter Mindestanforderungen aus, die auch bei einer privatautonomen Ausgestaltung des Aktionärsantragsrechts hätten beachtet werden müssen. Allerdings wurde zugleich erwogen, auf den Selbstschutz der Aktionäre zu vertrauen, denen bei der Abstimmung über das gesellschaftseigene Regelungsmodell die Möglichkeit offen stand, gegen den Vorschlag zu stimmen.443 c) Vorschlag III: Einführung einer zahlenmäßigen Höchstgrenze Der ambitionierteste und zugleich auch einfachste Vorschlag sah vor, sämtliche Anträge als zulässig zu behandeln, die nicht gegen das Recht des Inkorporationsstaates verstoßen und die nicht die Wahl der Mitglieder des Board betreffen.444 In diesem Zusammenhang sollten elf der bis dahin bestehenden 13 Ausnahmetatbestände gestrichen werden. Streitigkeiten über die Zulässigkeit eines Antrags sollten künftig vor Gericht ausgetragen werden. Die Kommission sollte sich – wie bei Vorschlag II – aus ihrer Rolle als Schiedsrichter zurückziehen und nur in schwerwiegenden Ausnahmefällen tätig werden. Der Gefahr einer Überflu441 SEC Securities Exchange Act Release No. 34-19,135 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,422 (1982). 442 Siehe dazu auch Cane, 11 J. Corp. L. 57, 64 (1985); Harnisch, 6 J. L. & Pol. 415, 434 (1990). 443 Vgl. SEC Securities Exchange Act Release No. 34-19,135 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,422 (1982). 444 SEC Securities Exchange Act Release No. 34-19,135 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,422, 47,422 (1982). Der Vorschlag ging maßgeblich auf das noch von Präsident Carter nominierte Kommissionsmitglied Longstreth zurück, der ihn bei einer Rede im Dezember 1981 erstmals erwähnte, vgl. ausf. Propp, 11 Sec. Reg. L. J. 99, 101 (1983).

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tung der Unternehmen mit Aktionärsanträgen, die aufgrund der Lockerung der Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht unwahrscheinlich schien, sollte durch eine zahlenmäßige Begrenzung der insgesamt zulässigen Anträge begegnet werden. Die Anzahl der zulässigen Anträge sollte für jede Gesellschaft individuell festgestellt werden und sich nach der Anzahl ihrer Aktionäre richten. Für den Fall, dass eine Gesellschaft mehr als die festgelegte Höchstzahl an Anträgen erhielt, sollten Anträge bis zur höchst zulässigen Anzahl nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden. Da für die Zulässigkeit eines Aktionärsantrags somit weniger die Erfüllung materieller Kriterien als vielmehr das Glück des Antragstellers entscheidend sein sollte, wurde dieser Vorschlag plastisch auch als „lottery proposal“ bezeichnet.445 2. Reaktionen auf die Kommissionsvorschläge Die Vorschläge der Kommission erregten in der angesprochenen Fachöffentlichkeit große Aufmerksamkeit. Die fast 400 Stellungnahmen sprachen sich nahezu einhellig446 für eine bundesrechtliche Ausgestaltung des Aktionärsantragsrechts in der einen oder anderen Weise aus. Von den zur Auswahl gestellten Reformalternativen wurde überwiegend Vorschlag I befürwortet, der sich für ein Festhalten am bis dato bestehenden System des Aktionärsantragsrechts unter verschärften Zulässigkeitsvoraussetzungen aussprach.447 Dieses Ergebnis, das für die Akzeptanz und Funktionsfähigkeit der Rule 14a-8 sprach, bestätigte im Grundsatz die Ergebnisse des SEC Staff Report on Corporate Accountability aus dem Jahre 1980. Die SEC wollte ihre Überraschung über dieses eindeutige Votum nicht verbergen, widersprach es doch nicht nur den Entbürokratisierungsbestrebungen der neuen Regierung, sondern auch den ansonsten unüberhörbaren Deregulierungsforderungen aus der Geschäftswelt.448 Dass sich sowohl Aktionärsaktivisten als auch die Vertreter der Wirtschaft in seltener Einmütigkeit für den Fortbestand des überkommenen Systems aussprachen, vermag freilich nur auf den ersten Blick zu überraschen. Für beide Seiten stellte dieser Reformvorschlag das geringere Übel gegenüber den beiden Alternativvorschlägen dar, wobei sich lediglich die Perspektiven unterschieden:

445 So erstmals Thomas, Shareholder Proposal Rule, S. 6; siehe auch Cane, 11 J. Corp. L. 57, 65 (1985). 446 Nur 19 Stellungnahmen forderten die Abschaffung der bundesrechtlich angeordneten Veröffentlichungspflicht, vgl. Treadway, Shareholder Proposal Rule, S. 5. 447 Vorschlag I fand in 113 Stellungnahmen Unterstützung, 40 lehnten ihn ab. Für Vorschlag II sprachen sich 23 Stellungnahmen aus, während 174 ihn ablehnten. Vorschlag III wurde von sechs Stellungnahmen befürwortet, 165 lehnten auch diesen ab. 100 Stellungnahmen sahen keinerlei Reformbedarf, vgl. Treadway, Shareholder Proposal Rule, S. 6. 448 Treadway, Shareholder Proposal Rule, S. 9.

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Die Aktionärsaktivisten sprachen sich für die Implementierung der Reformvariante I aus, weil die Umsetzung der anderen Vorschläge eine „Rückkehr zum Recht des Dschungels“ bedeute hätte.449 Insbesondere würde eine privatautonome Gestaltung des Antragsmechanismus, wie sie in Vorschlag II erwogen würde, zu einer Übervorteilung der Aktionäre führen.450 Auch die Wirtschaft lehnte einen Systemwechsel aus pragmatischen Gründen ab, weil das herkömmliche Verfahren billiger, effizienter und widerspruchsfreier als die vorgeschlagenen Alternativen sei.451 Intensive Kritik erfuhr vor allem der Vorschlag, die Beilegung von Streitigkeiten über die Zulässigkeit eines Antrags künftig nicht mehr der SEC, sondern den Gerichten zu überlassen.452 Zum einen besäßen diese im Gegensatz zur SEC nicht den für die Antragsbeurteilung erforderlichen Sachverstand, was zu Verzögerungen in der Streitentscheidung und äußerstenfalls zu einer Verschiebung des Hauptversammlungstermins führen könnte. Zum anderen bestünde die Gefahr, dass infolge der fehlenden Zuständigkeitskonzentration auf ein Gericht und mangels vorhandener Präzedenzfälle die Entscheidungen zunächst uneinheitlich ausfallen würden. Dadurch würden sich das Prozessrisiko und die Kostenbelastung der Unternehmen erhöhen. Angesichts der zunächst noch nicht gerichtlich verfestigten Konturen des Antragsrechts würde zudem ein Anreiz geschaffen, die gerichtliche Streitbeilegung einer privatautonomen Konfliktlösung vorzuziehen. Zugleich wiesen einige Bundesstaaten in ihren Stellungnahmen auf die zu befürchtende Belastung ihrer Gerichte hin. Die Einzelaspekte des Vorschlags I wurden von den Stellungnahmen hingegen mehrheitlich unterstützt.453 Die bei weitem meisten Kommentare und zugleich die größten Meinungsverschiedenheiten löste allerdings die Frage aus, ob das Aktionärsantragsrecht an einen Mindestaktienbesitz oder eine Mindesthaltedauer geknüpft werden sollte.454 Während die Befürworter – zu denen auch Kirchenund Bürgerrechtsgruppen gehörten – die Missbrauchseindämmung ins Felde führten, wiesen die Gegner auf die dadurch zementierte Diskriminierung des Kleinaktionärs hin.

449 So ein Vertreter des Interfaith Center for Social Responsibility, zit. bei Cane, 11 J. Corp. L. 57, 68 (1985). 450 Bildhaft dazu Wilma Soss, die eine Umsetzung des Vorschlags II mit den Worten „like putting Dracula in charge of the blood bank“ umschrieb, zit. bei Cane, 11 J. Corp. L. 57, 68 (1985). 451 Treadway, Shareholder Proposal Rule, S. 6; zum Teil wurde aber auch von Wirtschaftsseite darauf hingewiesen, dass das Aktionärsantragsrecht als letztes Element der corporate democracy nicht leichtfertig aufgegeben werden könne, vgl. dazu Cane, 11 J. Corp. L. 57, 68 (1985). 452 Cane, 11 J. Corp. L. 57, 68 (1985); Treadway, Shareholder Proposal Rule, S. 6. 453 Vgl. dazu im Einzelnen Treadway, Shareholder Proposal Rule, S. 7 f. 454 Von den 207 Stellungnahmen zu diesem Aspekt sprachen sich 142 für und 165 gegen die Einführung von Mindestanforderungen aus.

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3. Im Zuge der Reform verwirklichte Änderungen Angesichts der im vorangegangenen Konsultationsprozess deutlich zu Tage getretenen Parteinahme zugunsten einer Beibehaltung des überkommenen Systems verabschiedeten die Kommissionsmitglieder im August 1983 mit einer Gegenstimme455 eine überarbeitete Fassung der Rule 14a-8, die sich eng an den zuvor zur Diskussion gestellten Reformvorschlag I anlehnte.456 In der amtlichen Begründung der Novelle rechtfertigte die SEC die vorgenommenen Änderungen noch einmal damit, dass auf diese Weise Missbräuche des Antragsrechts durch Aktionäre verhindert werden könnten, die kein echtes wirtschaftliches Interesse an der Gesellschaft hätten.457 a) Formale Voraussetzungen der Veröffentlichungspflicht aa) Mindesthaltedauer und Mindestaktienbesitz Die einschneidendste Veränderung in formaler Hinsicht war die Einführung eines Mindesthaltedauer- sowie eines Mindestbesitzerfordernisses. Wie bereits in der Entwurfsfassung angedacht, mussten die Gesellschaften nun nur noch Anträge von Aktionären veröffentlichen, die mindestens ein Jahr lang mindestens 1 % der stimmberechtigten Aktien der Gesellschaft oder Aktien im Marktwert von 1.000 $ innehatten (Rule 14a-8 (a)(1)(i) Satz 1 (1983)). Erfüllte ein Antragsteller das Mindestbesitzerfordernis nicht bereits aufgrund seines eigenen Aktienbesitzes, so war sein Antrag dennoch zulässig, wenn er ihn mit einem oder mehreren anderen Aktionären stellte und gemeinsam mit diesen den erforderlichen Mindestbesitz erreichte.458 Der Antragsteller war verpflichtet, die Erfüllung dieser Mindestvoraussetzungen auf Aufforderung der Gesellschaft hin binnen 14 Tagen nachzuweisen (Rule 14a-8 (a)(1)(i) Satz 2 (1983)). Im Fall der Antragsveröf455 Das einzige bis dato noch nicht von Präsident Reagan ernannte Kommissionsmitglied Longstreth begründete seine ablehnende Haltung wie folgt: „My dissent from the adoption of the proposed amendments rests upon a belief that these amendments, in the aggregate tilt significantly and unnecessarily against shareholders seeking access to the proxy machinery. The tilt, in my opinion, goes well beyond that which is necessary to deal with recognized abuses. I do not believe the active use of the proxy machinery by shareholder is, of itself, an abuse; therefore, I do not favour changes the effect of which will be to reduce that usage by responsible shareholders. [. . .] If we are going to support shareholder access in theory, we should support it in practice as well, and not just for highly sophisticated investors who can afford to develop or retain the skills necessary to master the labyrinth that Rule 14a-8 sets before them.“ Vgl. SEC Exchange Release No. 20,091, 48 Fed. Reg. 38,218, 38,223 (Aug. 23, 1983) sowie Cane, 11 J. Corp. L. 57, 73 (1985). 456 SEC Exchange Release No. 20,091, 48 Fed. Reg. 38,218 (Aug. 23, 1983), in Kraft getreten am 01.01.1984. Vgl. Anhang, Dokument Nr. 8. 457 Vgl. SEC Exchange Release No. 20,091, 48 Fed. Reg. 38,223 (Aug. 23, 1983). 458 SEC Exchange Release No. 20,091, 48 Fed. Reg. 38,219 (Aug. 23, 1983).

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fentlichung war die Gesellschaft nunmehr berechtigt, zwei Jahre lang sämtliche Anträge desselben Aktionärs unveröffentlicht zu lassen, wenn dieser das Mindestbesitzerfordernis bis zur Hauptversammlung nicht durchgängig erfüllte (Rule 14a-8 (a)(1)(i) Satz 3 (1983)). Die Einführung dieser Mindestvoraussetzungen diente nach Angaben der SEC der Verhinderung einer missbräuchlichen Nutzung des Aktionärsantragsrechts. Sie zielte damit auf diejenigen Antragsteller ab, die Aktien einer Gesellschaft lediglich als „Eintrittskarte“ zur Hauptversammlung und als Schlüssel zu den mit der Aktionärsstellung verbundenen Rechten erwarben.459 Zur Untermauerung des behaupteten Missbrauchs stützte sich die SEC auf insgesamt drei Statistiken, die in der Gesamtschau allerdings eher gegen einen Missbrauch des Aktionärsantragsrechts sprachen.460 Im Zeitpunkt der Novellierung fanden die proxy rules auf insgesamt etwa 9.000 Gesellschaften Anwendung. Von diesen erhielten in der Hauptversammlungssaison des Jahres 1981 lediglich 376 Gesellschaften insgesamt 991 Anträge. In der Hauptversammlungssaison des darauf folgenden Jahres war mit 973 Anträgen bei 358 Gesellschaften sogar ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Damit waren nur 4 % aller bei der SEC registrierten Aktiengesellschaften überhaupt Adressat eines Antrags. Fast die Hälfte der Anträge wurde nach einer Einigung mit den Antragstellern zurückgenommen oder vom Management unterstützt. Nur 43 Gesellschaften erhielten 1982 fünf oder mehr Anträge. Unter Zugrundelegung dieses Zahlenmaterials stellten Aktionärsanträge eine vergleichsweise seltene Erscheinung dar. Die von der SEC behauptete Antragsschwemme ging damit an der Realität vorbei und stellte die Einführung von Mindestkriterien insgesamt in Frage.461 Doch selbst wenn man die Einschätzung der Kommission teilte und einen verbreiteten Missbrauchs der Rule 14a-8 unterstellte, erschien die konkrete Ausgestaltung der Mindestkriterien kaum geeignet, den Aktivisten die Grundlage ihres Engagements zu entziehen. Dies lag zum einen daran, dass seit Mitte der 1970er Jahre das Antragsrecht zunehmend nicht mehr von natürlichen Personen, sondern von Organisationen ausgeübt wurde, für die die Überwindung der neu eingeführten Schwellenwerte kein echtes Hindernis darstellte.462 Zum anderen erlaubte die 459 SEC Securities Exchange Act Release No. 34-19,135 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,420 (1982). 460 Vgl. zum Folgenden Treadway, Shareholder Activism, S. 12. 461 So auch Feagans, 33 Buff. L. Rev. 225, 253, 256 (1984): „regulatory failure“; Harnisch, 6 J. L. & Pol. 415, 435 (1990); O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 257, 260 (1984), der stattdessen die Einführung eine Gebühr i. H. v. 100 $ für jeden Antrag vorschlägt, die bei Veröffentlichung des Antrags in den proxy materials erstattet werden soll. 462 Vgl. schon § 6 C. IV. 1.; bemerkenswerterweise wurde dieser Aspekt auch von Mitgliedern der Kommission gesehen, vgl. Thomas, Shareholder Proposal Rule, S. 7: „In today’s economy, a $ 1000 treshold would probably do little to discourage a corporate gadfly bent on submitting a matter of particular concern to an issuer for inclusion

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SEC Aktionären, die zwar nicht allein, aber zusammen das Mindestbesitzkriterium erfüllten, gemeinsam einen Antrag zu stellen. Diese Erleichterung nützte freilich dem durchschnittlichen Kleinstaktionär kaum, da dieser seine Mitaktionäre im Regelfall nicht kennt und deshalb auch nicht zu einer gemeinsamen Antragstellung auffordern kann.463 Auf der anderen Seite wurde den häufig organisierten Aktivisten damit unbeabsichtigt und im Widerspruch zum eigentlichen Ziel der Reform das Schlupfloch gelassen, Aktien auch künftig nur als „Eintrittskarte“ zur Hauptversammlung zu erwerben. Gegen das Mindestbesitzerfordernis sprach neben der fehlenden Eignung zur Missbrauchsabwehr schließlich auch, dass die Urheberschaft eines Kleinstaktionärs für einen Antrag keine Rückschlüsse auf die Bedeutung des damit zur Abstimmung gestellten Anliegens zulässt. Gleiches gilt für die eingeführte Mindesthaltedauer: Eine logische Verknüpfung zwischen der Haltedauer der Aktien und der Zustimmung aus dem Aktionärskreis ist schlechterdings nicht herstellbar.464 bb) Antragshöchstzahl Die Anzahl der von den Gesellschaften jährlich zu veröffentlichenden Anträge sollte daneben auch dadurch reduziert werden, dass jeder Aktionär pro Hauptversammlung nur noch einen Antrag in den proxy materials der Gesellschaft veröffentlichen lassen konnte (Rule 14a-8 (a)(4) Satz 1 (1983)). Auch diese Einschränkung rechtfertigte die Kommission mit der davon zu erwartenden Missbrauchseindämmung. Daneben erhoffte sich die Behörde eine Kostensenkung für die Gesellschaften sowie eine verbesserte Lesbarkeit der Vollmachtsunterlagen. Zugleich ging sie davon aus, dass das Recht eines Antragstellers, seinen Mitaktionären wichtige Fragen zur Abstimmung vorzulegen, durch die Neufassung nicht wesentlich eingeschränkt werde.465 In der Literatur wurde die Absenkung der Antragshöchstzahl einhellig abgelehnt.466 Dabei wurde erneut darauf hingewiesen, dass der von der SEC behauptete Missbrauch des Antragsrechts empirisch nicht feststellbar sei. Zudem könnten politische Antragsteller durch eine Absenkung der Antragshöchstzahl nicht in its proxy materials.“; zur Kritik siehe auch Feagans, 33 Buff. L. Rev. 225, 257 (1984); Gocha, 17 U. Tol. L. Rev. 411, 428 (1986). 463 Zu diesem Aspekt und den Schwierigkeiten, von der Gesellschaft eine shareholder list zu erlangen O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 259 (1984). 464 So auch schon der Staff Report (Fn. 378), S. 181, 184: „On the subject of the minimum holding period, the staff has no comprehensive data available on the period for which proponents have held their stock, or, more important, on the correlation, if any, between the holding period and the likelihood the shareholder is ,abusing‘ the proposal process.“ 465 SEC Exchange Release No. 20,091, 48 Fed. Reg. 38,222 (Aug. 23, 1983). 466 Vgl. zum Folgenden nur Gocha, 17 U. Tol. L. Rev. 411, 429 (1986); O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 267 (1984).

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wirksam bekämpft werden. Als Leidtragende der Einschränkung wurden die Kleinstaktionäre ausgemacht, die unter Umständen mehrere wichtige Anliegen zur Diskussion stellen wollen, nicht hingegen die Urheber gesellschaftspolitischer Anträge. Da hinter diesen Anträgen überwiegend finanziell solide ausgestattete Nichtregierungsorganisationen und Religionsgemeinschaften stünden, sei es für diese ohne weiteres möglich, Teile ihrer Aktien an einzelne ihrer Mitglieder zu übertragen und diese Anträge zu unterschiedlichen Themen stellen zu lassen. Zudem sei es angesichts der Bandbreite und Komplexität der Geschäftstätigkeit einer Gesellschaft nicht unwahrscheinlich, dass ein Aktionär mehr als nur ein wichtiges Anliegen hat, welches er zur Abstimmung stellen möchte. Die Absenkung der Antragshöchstzahl führe damit nicht zu einer Beendigung des von der SEC unterstellten Missbrauchs, sondern zur Unterdrückung konkurrierender Ideen. cc) Sonstige Änderungen Weit weniger umstritten waren demgegenüber die sonstigen prozeduralen Neuerungen. Der Antragsteller war künftig nicht mehr verpflichtet, die Gesellschaft über die Absicht seines persönlichen Erscheinens auf der Hauptversammlung zu informieren. Die Kommission hielt dieses Erfordernis für überflüssig, da es keinen besonderen Zweck erfülle, sondern den Antrag nur mit einer stereotypen Formulierung überfrachte.467 Zugleich gestattete die Neufassung eine Stellvertretung des Antragstellers auf der Hauptversammlung durch jede nach dem bundesstaatlichen Recht zulässige Person (Rule 14a-8 (a)(2) Satz 2 (1983)).468 Außerdem musste die Begründung eines Antrags nun auch dann in die Vollmachtsunterlagen aufgenommen werden, wenn das Management der Gesellschaft seine Annahme empfiehlt (Rule 14a-8 (b)(1) Satz 1 (1983)). Die frühere Fassung, die in diesem Fall nur zur Veröffentlichung des Antrags verpflichtete, wurde als unbefriedigend empfunden, da sich aus der Begründung Hintergrundinformationen ergeben konnten, die für die Entscheidung der Aktionäre von Bedeutung hätten sein können.469 Gelockert wurden außerdem die Voraussetzungen über die Länge eines Antrags nebst Begründung. Die künstliche Aufspaltung der Höchstlängen von Antrag und Begründung wurde aufgegeben und stattdessen eine einheitliche Obergrenze von 500 Wörtern eingeführt, die den Antragstellern einen größeren Spielraum einräumte (Rule 14a-8(b)(1) Satz 2 (1983)). Als Reaktion auf die steigende Zahl von Anträgen und die komplexer werdenden Fragestellungen wurde die Frist zur Antragstellung erneut verlängert. Ein Antrag musste nun467

SEC Exchange Release No. 20,091, 48 Fed. Reg. 38,220 (Aug. 23, 1983). Damit wurde ein Vorschlag des gescheiterten Reformprozesses von 1981 aufgegriffen, vgl. § 6 C. VI. 1. 469 SEC Exchange Release No. 20,091, 48 Fed. Reg. 38,221 (Aug. 23, 1983). Vgl. dazu schon § 6 C. VI. 2. 468

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mehr spätestens 120 Tage vor dem Zeitpunkt der letztjährigen Veröffentlichung der proxy materials gestellt werden (Rule 14a-8(a)(3)(i) (1983)). Schließlich verwehrte die novellierte Fassung der shareholder proposal rule solchen Aktionären die Rechte aus Rule 14a-8, die im Vorfeld einer Hauptversammlung eine eigene Stimmrechtseinwerbung durchführten und in diesem Zusammenhang Vollmachtsunterlagen an mehr als 25 % ihrer Mitaktionäre versandt hatten (Rule 14a-8(a)(1)(ii) (1983)). Dahinter stand der Gedanke, dass die für die Gesellschaft durch die Veröffentlichung entstehende Kostenbelastung nicht gerechtfertigt erscheint, wenn ein Aktionär den kostspieligen Weg einer eigenen Stimmrechtseinwerbung beschreitet.470 Für die Urheber sozial-ökologischer Aktionärsanträge hatte diese Einschränkung indes keinerlei Bedeutung, da die Kosten einer eigenen proxy solicitation ihre finanziellen Möglichkeiten bei weitem überstiegen. b) Ausnahmen von der Mitteilungspflicht Ähnlich wie schon bei der Novelle von 1976 wurde auch in diesem Reformanlauf ein Großteil der Ausnahmetatbestände modifiziert. Anders als zuvor stand nun aber nicht mehr der Ausgleich der Interessen von Antragstellern und Verwaltung, sondern die Verschärfung der Tatbestände zulasten der Aktionäre im Vordergrund. aa) Fehlende Aktionärszuständigkeit Der Tatbestand der fehlenden Aktionärszuständigkeit hatte den Unternehmen und Aktionären in der Vergangenheit erhebliche Verständnisschwierigkeiten bereitet, weil die SEC häufig schwer nachzuvollziehende Überlegungen zum maßgeblichen bundesstaatlichen Recht anstellte. In der Interpretationspraxis achtete die Behörde dabei nicht selten mehr auf die Form als auf den Inhalt eines Antrags. Künftig sollte nun wieder allein das bundesstaatliche Recht über die Zulässigkeit eines Antrags entscheiden. Dazu stellte die SEC in einer Anmerkung zu Rule 14a-8 (c)(1) (1983) klar, dass nach dem bundesstaatlichen Recht Aktionärsanträge unzulässig sind, mit denen der Board zu bestimmten Handlungen verpflichtet werden soll, während ein bloß empfehlender oder ersuchender Antrag nach diesem Recht zulässig sein kann. Die praktische Bedeutung dieser Klarstellung blieb freilich gering. Aus den nur vage formulierten bundesstaatlichen Gesellschaftsrechten ließen sich auch fortan keine eindeutigen Hinweise darauf entnehmen, welche empfehlenden Anträge zulässig sein sollten.471

470 471

O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 242 f. (1984). So zutr. O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 248, 270 (1984).

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bb) Persönliche Beschwerde Eine weitere Änderung betraf den Ausnahmetatbestand der persönlichen Beschwerde (personal grievance). Unter der bislang geltenden Fassung hatten einige Aktionäre versucht, durch geschickte Formulierung ihrer Anträge ein persönliches Anliegen so erscheinen zu lassen, als läge dieses auch im Interesse der anderen Aktionäre. Dem hatte die SEC bereits in der Vergangenheit einen Riegel vorgeschoben, indem sie in ihren No-Action Letters betonte, dass es weniger auf die Form des Antrags als auf den Inhalt und das von ihm verfolgte Ziel ankomme. Diese Interpretationspraxis sollte nunmehr auch Eingang in die Rule 14a-8 finden.472 Gemäß Rule 14a-8 (c)(4) (1983) konnte künftig die Antragsveröffentlichung nicht nur dann abgelehnt werden, wenn damit ein eigener Anspruch durchgesetzt (redress a personal claim) oder eine persönliche Beschwerde gegen die Gesellschaft oder eine andere Person vorgebracht werden sollte (redressing a personal grievance), sondern auch dann, wenn der Antrag so gestaltet war, dass er im Endeffekt nur den Antragsteller begünstigte oder einem persönlichen Interesse diente, das nicht von den Aktionären in ihrer Gesamtheit geteilt wird. Die Kommission stellte in der Begründung der Neufassung allerdings klar, dass Anträge bestimmter Interessengruppen auch künftig nicht ausgeschlossen sein sollten, wenn sie von allgemeinem Interesse für die Aktionäre sind. Das Interesse des Aktionärs an bzw. sein Engagement für ein bestimmtes Anliegen allein würden nicht ausreichen, um den Tatbestand zu erfüllen.473 Für die Urheber sozial-ökologischer Aktionärsanträge war diese Klarstellung deshalb ohne Belang. cc) Unbedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit Das Bemühen der Kommission um eine Verschärfung und Verobjektivierung der Ausnahmetatbestände führte außerdem zu einer Wiederbelebung des 1976 noch abgelehnten Gedankens, die Beziehung eines Antrags zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft anhand wirtschaftlicher Kriterien zu beurteilen („economic significance test“).474 Gemäß Rule 14a-8 (c)(5) (1983) konnte die Antragsveröffentlichung nun abgelehnt werden, wenn sich der Antrag auf eine Geschäftstätigkeit der Gesellschaft bezog, die weniger als 5 % der Bilanzsumme und weniger als 5 % des Bilanzgewinns und des Bruttoumsatzes ausmachte und die auch keine sonstige bedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit aufwies (not otherwise significantly related). Stichtag für die maßgeblichen Schwellenwerte sollte dabei das Ende des letzten Geschäftsjahres sein.

472

O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 249 (1984) m.w. N. Vgl. SEC Exchange Release No. 20,091, 48 Fed. Reg. 38,220 (Aug. 23, 1983). 474 Vgl. dazu SEC Securities Exchange Act Release No. 34-19,135 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,420. 473

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In der Literatur wurde diese Einschränkung teilweise als überaus problematisch angesehen.475 Es wurde davor gewarnt, dass das Management vor allem großer Aktiengesellschaften auf diese Weise vor Anregungen und Kritik aus dem Aktionärskreis abgeschirmt werde, weil dort wegen des enormen Gesamtumfangs und der Diversifizierung der Geschäftstätigkeit die Tatbestandsvoraussetzungen häufig nicht erfüllt sein würden. Damit seien gerade die Verwaltungen der Aktiengesellschaften mit den größten zivilgesellschaftlichen Auswirkungen ihren Aktionären gegenüber am wenigsten rechenschaftspflichtig; eine Diskussion wichtiger politischer und ethischer Fragen der Geschäftstätigkeit könnte künftig nicht mehr stattfinden.476 Diese Befürchtungen erwiesen sich jedoch – zumindest für gesellschaftspolitische Aktionärsanträge – als unberechtigt, weil sie die Folgen der im Ausnahmetatbestand erwähnten „sonstigen bedeutenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit“ verkannten. Die Kommission hatte auf diese Weise ein Einfallstor für subjektive Erwägungen bei der Bewertung eines Antrags geschaffen. Dadurch wurden zwar die mit der Novellierung bezweckten Ziele der Verschärfung und Verobjektivierung ad absurdum geführt, zugleich wurden gesellschaftspolitische Aktionärsanträge aber auch unter der Neufassung nach dem bis dato geltenden subjektiven Maßstab behandelt.477 Rückblickend betrachtet wurde damit das Ziel der Novellierung auch in diesem Punkt verfehlt. Der neu formulierte Tatbestand bot den Unternehmen bei der Behandlung gesellschaftspolitischer Anträge keinen eindeutigen Maßstab und verfestigte die bestehende Rechtsunsicherheit. Die Unternehmen weigerten sich bei Nichterfüllung der objektiven Voraussetzungen regelmäßig, einen Antrag zu veröffentlichen und legten den Vorgang der SEC vor, die damit nach wie vor dazu berufen war, die Zulässigkeit des Antrags von Fall zu Fall zu überprüfen. Die Novellierung half deshalb auch nicht, die durch das Aktionärsantragsrecht verursachten Kosten und den Bürokratieaufwand für die Unternehmen und die SEC zu senken. dd) Bezug zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb Der seit 1954 in der shareholder proposal rule verankerte Tatbestand des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hatte sich in der Vergangenheit weitgehend bewährt. Deshalb sah die SEC für den Wortlaut von Rule 14a-8 (c)(7) (1976) keinen Änderungsbedarf. Allerdings sollte künftig auch im Rahmen dieses Tatbestands der Inhalt statt der Form über die Veröffentlichungspflicht ent475 Vgl. O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 272 ff. (1984), der sich stattdessen für einen regressiven Maßstab ausspricht. 476 O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 273 (1984). 477 Vgl. auch Feagans, 33 Buff. L. Rev. 225, 259 (1984): „The futility of this provision is manifest.“

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scheiden. Das war nach der bis dahin dokumentierten Interpretationspraxis der SEC häufig nicht der Fall gewesen. So wurden etwa Anträge zur Abstimmung über die Erstellung besonderer Berichte auch dann für zulässig gehalten, wenn sie sich auf Fragen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs bezogen. Gleiches galt für Anträge, mit denen die Einrichtung von besonderen Ausschüssen verlangt wurde. Die SEC begründete ihre Haltung in den betreffenden No-Action Letters damit, dass die Erstellung besonderer Berichte und die Einrichtung besonderer Ausschüsse keine gewöhnlichen Geschäftsvorfälle seien.478 Im Ergebnis führte diese Praxis dazu, dass die Bedeutung des Ausnahmetatbestands mehr und mehr abnahm: Die Antragsteller gingen weithin dazu über, anstelle einer konkreten Geschäftsführungsmaßnahme einen Bericht über eine gegenwärtige Geschäftspraktik und die Vor- und Nachteile möglicher Alternativen zur Abstimmung zu stellen. Durch eine in der Begründung zur Novelle 1983 angekündigte Neuinterpretation rückte die Kommission von dieser formalistischen Sichtweise ab. Nunmehr konnte auch die Ablehnung solcher Anträge erfolgen, die von der Gesellschaft die Erstellung eines Berichts oder die Einrichtung eines Ausschusses zu Fragen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs verlangten.479 Den Urhebern gesellschaftspolitischer Aktionärsanträge wurde dadurch zwar die Möglichkeit abgeschnitten, das Management einer Gesellschaft zur Rechtfertigung einzelner Geschäftsführungsmaßnahmen aufzufordern. Dennoch stand die Neuinterpretation mit dem Zweck des Ausnahmetatbestandes480 im Einklang und wurde deshalb überwiegend begrüßt.481 ee) Erweiterung des Erledigungstatbestands Die Bedeutung des Inhalts eines Aktionärsantrags gegenüber seiner Form wurde schließlich noch durch eine Neuinterpretation des Erledigungstatbestands (Rule 14a-8 (c)(10)) hervorgehoben. In der Vergangenheit hielt die SEC eine Erledigung des Aktionärsantrags erst dann für gegeben, wenn dem Antrag vom Management genau entsprochen wurde, während nur kleinere Abweichungen bei der Umsetzung die Zulässigkeit des Antrags unberührt ließen.482 Dadurch wurden die proxy materials zum Teil mit Informationen überfrachtet, die ihre Bedeutung

478 Vgl. im Einzelnen die Nachweise bei Eisenberg, 15 Rev. Sec. Reg. 903, 910 (1982). 479 SEC Exchange Release No. 20,091 (Aug. 23, 1983), 48 Fed. Reg. 38,221. 480 Vgl. dazu § 6 B. X. 3. a). 481 O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 275, Fn. 418 (1984). 482 Vgl. dazu etwa die No-Action Letters Westinghouse Electric Corp. vom 03.02. 1982, Scientific Atlanta vom 05.08.1981, The Southern Company vom 10.03.1981, General Motors Corp. vom 09.03.1981, Public Service Company of New Hampshire vom 09.03.1981 und The Upjohn Company vom 03.03.1981 sowie SEC Exchange Release No. 34-19,134 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,420, 47,429 (1982).

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bereits weitestgehend verloren hatten.483 Der im Rahmen der Novelle eingeführte neue Interpretationsstandard bewirkte eine Erweiterung des Erledigungsbegriffs. Künftig konnte die Veröffentlichung eines Antrags wegen Erledigung schon dann verweigert werden, wenn dem Antrag bereits im Wesentlichen entsprochen wurde (substantially implemented).484 Auf diese Weise wurde zwar das Reformziel einer stärkeren Betonung des Antragsinhalts verwirklicht. Zugleich wurde aber das zweite Kernanliegen der Novelle, die Verobjektivierung der Ausnahmetatbestände, aus den Augen verloren. Da die Begründung keinerlei Anhaltspunkte bot, unter welchen Voraussetzungen einem Antrag im Wesentlichen entsprochen wird, führte die Neuinterpretation zunächst zu erheblicher Rechtsunsicherheit. ff) Wiederholte Antragstellung Nachdem die SEC im Zuge der vorangegangenen Novellierung der Rule 14a-8 im Jahr 1976 eine Verschärfung der Voraussetzungen für eine wiederholte Antragstellung intensiv diskutiert und letztlich abgelehnt hatte485, wurde die Möglichkeit einer Wiedereinbringung im Zuge der Novelle von 1983 erheblich verschärft. Dies geschah zum einen durch die Anhebung der zu überwindenden Schwellenwerte, zum anderen durch die Neudefinition des Begriffs der Wiedereinbringung. Die Kommission war sich dabei durchaus bewusst, dass sie sich damit in einen krassen Widerspruch zu ihrem früheren Standpunkt begab. Gleichwohl hielt sie ihr Einschreiten durch die ihrer Ansicht nach gehäuft festzustellende Umgehung der bisherigen Voraussetzungen für gerechtfertigt.486 Bei der ersten Wiedereinbringung musste der Antrag nun statt der bislang erforderlichen 3 % mindestens 5 % der abgegebenen Stimmen auf der letzten Hauptversammlung auf sich vereinigt haben, bei der zweiten Wiedervorlage 8 % statt 6 % (Rule 14a-8 (c)(12)(i) und (ii) (1983)). Der Schwellenwert für die dritte und alle folgenden Antragstellungen blieb demgegenüber unverändert bei 10 %. Eine übermäßige Einschränkung des Antragsrechts sollte nach den Vorstellungen der SEC damit jedoch nicht verbunden sein, da durch die bei Abstimmungen verstärkt festzustellende Beteiligung institutioneller Anleger insgesamt mit höheren Zustimmungsquoten gerechnet werden könne.487 Darüber hinaus wurde der Begriff der Wiedereinbringung weiter gefasst. Wurde dieser bis dahin nur als erfüllt angesehen, wenn der Antrag im Wesentlichen derselbe wie im Vorjahr war (substantially the same), so kam es nunmehr darauf an, ob der Antrag im Wesent483 Kritisch O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 252, 277 f. (1984), der auch in diesem Fall ein legitimes Interesse der Aktionäre an der Offenlegung des Antrags bejaht. 484 SEC Exchange Release No. 20,091, 48 Fed. Reg. 38,218, 38,221 (Aug. 23, 1983). 485 Dazu bereits oben § 6 C. IV. 3. d). 486 Vgl. SEC Securities Exchange Act Release No. 34-19,135 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,430. 487 SEC Exchange Release No. 20,091 (Aug. 23, 1983), 48 Fed. Reg. 38,218.

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lichen den gleichen Gegenstand betraf (substantially the same subject matter, Rule 14a-8 (c)(12) (1983)). Von Seiten der Wissenschaft wurden auch diese Modifikationen durchweg kritisch bewertet.488 Befürchtet wurde vor allem, dass die Neufassung zu erheblichen Interpretationsschwierigkeiten führen könnte. Eine extensive Auslegung des Tatbestandes werde dazu führen, dass Themen wie die Erzeugung von Kernenergie oder die Geschäftstätigkeit in Südafrika nur alle fünf Jahre zur Sprache gebracht werden könnten.489 Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass der Grad der Zustimmung zu einem Antrag nicht allein von dem zur Abstimmung gestellten Gegenstand, sondern auch von der Formulierung des Antrags abhängt.490 Die nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip gestaltete Neufassung stelle die Aktionäre vor ein Dilemma, da die Ablehnung des einen Antrags zugleich auch die Ablehnung möglicher Alternativanträge bedeute. Dies sei mit dem Geist des Securities Exchange Act 1934, der das Aktionärsstimmrecht fördern wollte, nicht vereinbar. In der Praxis hatte die Erhöhung der Schwellenwerte für wiederholte Antragstellungen allerdings nur kurze Zeit Bestand. Sie wurde im September 1985 auf eine Klage des United Church Board for World Ministries hin vom United States District Court, D.C. für unwirksam erklärt.491 Ausschlaggebend dafür waren verwaltungsverfahrensrechtliche Gründe. Das Gericht bejahte einen Verstoß gegen Sec. 553 (b) des Administrative Procedure Act, der Bundesbehörden in Normsetzungsverfahren zur Information der Öffentlichkeit verpflichtet (notice of proposed rulemaking). Nach ständiger Rechtsprechung muss die Behörde ihre Absichten in so konkreter und konzentrierter Form offen legen, dass der interessierten Öffentlichkeit eine Formulierung von Kritik und Alternativvorschlägen ermöglicht wird.492 Diesen Anforderungen hatte die SEC nach Auffassung des Gerichts nicht genügt. Die Reaktion von Seiten der SEC auf das Urteil folgte rasch. Bereits im November 1985 veröffentlichte sie ein Dokument, mit dem die vor der Reform von 1983 geltenden Schwellenwerte wieder in Kraft gesetzt wurden.493 Damit blieb es bei den Schwellenwerten von 3 % für die erste und 6 % für die zweite Wiedereinbringung. 488 Zur Kritik vgl. Feagans, 33 Buff. L. Rev. 225, 261 (1984); Gocha, 17 U. Tol. L. Rev. 411, 426 f. (1986); Harnisch, 6 J. L. & Pol. 415, 439 (1990); O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 278 f. (1984). 489 Lydenberg, 46 Bus. Soc. Rev. 62, 65 (1983). 490 Vgl. die Nachweise bei O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 279 Fn. 438 (1984). 491 United Church Board for World Ministries v. SEC, 617 F.Supp. 837, 54 USLW 2171, Fed. Sec. L. Rep. 92,286; vgl. dazu Gocha, 17 U. Tol. L. Rev. 411, 435 f. (1986). 492 Vgl. Small Refiner Lead Phase-Down Task Force v. Environmental Protection Agency, 705 F.2d 548; Home Box Office, Inc. v. Federal Communications Commission, 567 F.2d 9, 36 (D.C. Cir.), cert. denied, 434 U.S. 829, 98 S.Ct. 111, 54 L.Ed.2d 89 (1977). 493 SEC Exchange Release No. 34-22,625 (Nov. 14, 1985), 50 Fed. Reg. 48,180 (1985).

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

c) Auswirkungen und Rezeption der Änderungen Von Seiten der Wissenschaft wurde die Novelle nach ihrer Verabschiedung höchst unterschiedlich aufgenommen. Die Vertreter der Law & Economics-Bewegung begrüßten die vorgenommenen Einschränkungen, kritisierten sie aber als nicht weitreichend genug und forderten eine vollständige Abschaffung der shareholder proposal rule.494 Klassische Gesellschaftsrechtler kritisierten die Änderungen hingegen scharf und werteten sie als radikale Abkehr der SEC von ihrer bis dato üblichen Regelungspraxis.495 Besondere Kritik erfuhr in diesem Zusammenhang die ideologische Voreingenommenheit der Kommission, die mit dem Regelungsauftrag des Securities Exchange Act unvereinbar sei.496 Anstatt den Zugang der Aktionäre zu den proxy materials zu erleichtern und damit dem Geist des Gesetzes von 1934 zu entsprechen, erschwerten die neuen Regelungen eine Mitwirkung der Aktionäre.497 Ihr eigentliches Ziel – die Bekämpfung des gesellschaftspolitischen Aktionärsengagements – hatte die Reform aus Sicht ihrer Kritiker jedoch verfehlt: Sie führte nicht per se zu einem Ausschluss sozialökologisch motivierter Akteure, sondern machte in erster Linie den Kleinaktionär ohne Rücksicht auf die Legitimität seines Anliegens mundtot.498 Von Unternehmensseite wurden die vorgenommenen Änderungen denn auch überaus positiv aufgenommen.499 In der Praxis bewirkte die Reform zunächst einen starken Rückgang der gestellten Anträge. Gegenüber der Hauptversammlungssaison 1982/83 war in der ersten Hauptversammlungssaison nach dem Inkrafttreten der Novelle ein Rückgang von 42 % zu verzeichnen. Die Zahl der von Aktionärsanträgen betroffenen Gesellschaften ging um mehr als ein Fünftel zurück.500 Nach Erhebungen der SEC waren für diese Entwicklung in erster Linie die Beschränkung der Aktionäre auf einen Antrag sowie das Mindestbesitzerfordernis ursächlich.501

494 So etwa Dent, 30 N. Y. L. Sch. L. Rev. 1, 5 (1985); Liebeler, 18 Geo. L. Rev. 425, 465 f. (1984). 495 Vgl. Feagans, 33 Buff. L. Rev. 225, 254 ff. (1984); Gocha, 17 U. Tol. L. Rev. 411, 413 (1986). 496 Harnisch, 6 J. L. & Pol. 415, 443 (1990). 497 Gocha, 17 U. Tol. L. Rev. 411, 424 (1986). 498 So die Einschätzung von Gocha, 17 U. Tol. L. Rev. 411, 424 (1986) und SadatKeeling, 59 Tul. L. Rev. 161, 197 (1984). 499 Dazu ausf. die Auswertung einer Befragung von Managern börsennotierter Aktiengesellschaften bei Cane, 11 J. Corp. L. 57, 70 ff. (1985) sowie die Einschätzung von Tsuk Mitchell, 63 Wash. & Lee L. Rev. 1503, 1569 (2006): „After a decade of agitation against shareholder proposals, the American Society of Corporate Secretaries and other corporations finally had the upper hand.“ 500 Vgl. Cane, 11 J. Corp. L. 57, 71 f. (1985). 501 Cane, 11 J. Corp. L. 57, 72 m.w. N. (1985).

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III. Die Cracker Barrel-Kontroverse Bald nach der Reform von 1983 wurde offenbar, dass sich die verschärften Modalitäten der Veröffentlichungspflicht nur auf die Anzahl der zur Abstimmung gestellten Anträge auswirkten. Das aus Sicht der Kommission bestehende Hauptproblem – die Nutzung der proxy materials zur Thematisierung sozialer und ökologischer Aspekte der Geschäftstätigkeit – blieb demgegenüber unverändert bestehen. Da sich die Zahl der nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsanträge im Verlauf der 1980er Jahre erneut deutlich erhöhte, eine weitere Verschärfung der shareholder proposal rule aber angesichts der verstärkten Nutzung des Antragsprozederes durch traditionelle institutionelle Anleger nicht opportun erschien, verengte die Kommission den Anwendungsbereich der Rule 14a-8 bei den praktisch häufig vorkommenden beschäftigungsbezogenen Anträge (vgl. unten 1.) durch eine veränderte Auslegung des ordinary business-Tatbestands (vgl. unten 2.). Diese Neujustierung führte in Politik und Wissenschaft zu einer neuerlichen Debatte über die Zulässigkeit sozial-ökologischer Aktionärsanträge sowie zu einer gerichtlichen Überprüfung des neuen Auslegungsstandards (vgl. unten 3. und 4.). Die erheblichen praktischen Auswirkungen der Kommissionsentscheidung (vgl. unten 5.) führten schließlich zu Rufen nach einer weiteren umfassenden Reform der Rule 14a-8. Diese Forderungen fanden in einem sich erneut wandelnden Zeitgeist, der rasch voranschreitenden Globalisierung und den geänderten politischen Verhältnissen in Washington einen idealen Nährboden. 1. Zur Handhabung beschäftigungsbezogener Anträge nach dem Standard von 1976 Seit der Reform von 1976 wurden Aktionärsanträge zu Beschäftigungsfragen im Rahmen des Tatbestands des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb (Rule 14a-8 (c)(7)) nach Maßgabe eines Zwei-Stufen-Tests behandelt.502 Danach entschied die SEC von Fall zu Fall, ob der Antrag eine alltägliche unternehmerische Entscheidung betraf und damit keine Veröffentlichungspflicht bestand, oder ob er bedeutende gesellschaftspolitische Belange tangierte. Auf diese Weise konnten etwa Anträge zu Fragen der Entlohnung, der Arbeitnehmerüberwachung, der Leistungen im Krankheitsfall, zu Betriebsvereinbarungen, Beziehungen zu Gewerkschaften, Anstellung und Entlassung von Arbeitnehmern, Arbeitsbedingungen und Weiterbildung abgelehnt werden, weil sie einen Bezug zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb aufwiesen.503 Doch wurden auch in diesen Fallgruppen immer dann Ausnahmen zugelassen, wenn die fraglichen Anträge eine Problematik von gesellschaftspolitischer Relevanz betrafen.

502 503

Vgl. dazu bereits § 6 C. IV. 3. e) cc). McCann, 39 B. C. L. Rev. 965, 976 (1998).

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

Eine abstrakte Formel, nach der sich abschätzen ließ, ob ein solcher Ausnahmefall vorliegen könnte, konnte aus den No-Action Letters der SEC jedoch nicht zweifelsfrei hergeleitet werden, so dass der Antragsprozess für Aktionäre und Unternehmen von großer Unsicherheit geprägt war. Diese missliche Situation wurde zusätzlich noch dadurch verschärft, dass die SEC in ihrer Auslegungspraxis bei bestimmten beschäftigungsbezogenen Anträgen zu unvorhersehbaren Kurswechseln neigte. Exemplarisch lässt sich dies etwa anhand der Positionierung der SEC gegenüber Anträgen zur Förderung von Minderheiten im Unternehmen und zur Chancengleichheit der Arbeitnehmer nachverfolgen.504 Hierzu hatte die Behörde 1988 in einem von der gesamten Kommission bestätigten NoAction Letter an die American Telephone & Telegraph Co. (AT&T) verlautbart, dass derartige Anträge nicht unter Berufung auf den ordinary business-Tatbestand abgelehnt werden dürfen, da sie politische Fragen (policy issues) betreffen.505 Dieser Standpunkt wurde später in mehreren anderen Fällen bestätigt.506 Doch bereits im April 1991 wich die SEC überraschenderweise von ihrem zuvor eingeschlagenen Pfad ab. Dem vorausgegangen war der Antrag eines Aktionärs an die Capital Cities/ABC Inc., mit dem der Board zur Veröffentlichung eines Berichts über sein Programm zur Minderheitsförderung einschließlich eines Zeitplans zu dessen Implementierung aufgefordert werden sollte. Nachdem sich die Gesellschaft geweigert hatte, den Antrag zu veröffentlichen, äußerte die SEC zunächst die Ansicht, dass damit gegen Rule 14a-8 verstoßen werde, da der Antrag eine wichtige gesellschaftspolitischen Thematik betreffe.507 Auf Antrag der Gesellschaft setzte sich anschließend die vollständig besetzte Kommission noch einmal mit dem Aktionärsantrag auseinander und gelangte dabei mit 3:2 Stimmen zu dem Ergebnis, dass die Gesellschaft den Antrag nicht veröffentlichen müsse. Der Antrag weise einen Bezug zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb des Unternehmens auf, weil er zur Weitergabe ausführlicher Informationen auffordere. Er betreffe damit eher die tagtäglichen unternehmerischen Entscheidungen über die Einstellung bzw. Entlassung von Arbeitnehmern als gesellschaftspolitische Belange von allgemeiner Bedeutung. Diese einschränkende Sichtweise wurde anschließend in gleichgelagerten Fällen bestätigt.508 Insgesamt betrachtet ent-

504

Vgl. dazu ausf. McCann, 39 B. C. L. Rev. 965, 977 (1998). SEC No-Action Letter American Telephone & Telegraph Co. vom 21.12.1988, 1988 WL 235275. 506 Vgl. nur SEC No-Action Letter V.F. Corp. vom 14.02.1991, 1991 WL 178525: „[. . .] general policy decisions which are beyond the conduct of the Company’s day-today operations.“; SEC No-Action Letter Dayton Hudson Corp. vom 08.03.1991, 1991 WL 178560: „[. . .] involve policy decisions beyond those personell matters that constitute the Company’s ordinary course of business.“ 507 SEC No-Action Letter Capital Cities/ABC Inc. vom 07.03.1991, 1991 WL 178565. 508 Vgl. nur SEC No-Action Letter Wal Mart Stores Inc. vom 10.04.1991, 1991 WL 178759. 505

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wickelte sich die Handhabung des ordinary business-Ausnahmetatbestands auf diese Weise mehr und mehr zu einem Ratespiel509 mit einem für beide Seiten ungewissen Ausgang, unter dem das gesamte System der Aktionärsanträge litt. 2. Sachverhalt und Inhalt des Cracker Barrel-No-Action Letters Als Anlass für eine klarere Positionierung diente der SEC im Oktober 1992 schließlich ein Aktionärsantrag des größten öffentlichen Pensionsfonds New Yorks, des New York City Employees’ Retirement System (NYCERS), der die Beschäftigungspolitik der Cracker Barrel Old Country Store, Inc. (Cracker Barrel) betraf. Cracker Barrel, eine Restaurantkette mit Sitz im Bundesstaat Tennessee, veröffentlichte im Januar 1991 eine Pressemitteilung, in der verlautbart wurde, dass künftig keine homosexuellen Arbeitnehmer mehr beschäftigt werden würden. Nach Ansicht des Unternehmens stehe die Beschäftigung von Personen, die kein „normales“ (sic!) heterosexuelles Verhalten an den Tag legten, im Widerspruch zu traditionellen US-amerikanischen Werten, auf die sowohl das Unternehmen als auch seine Kundschaft großen Wert legten. Die Entscheidung, keine homosexuellen Arbeitnehmer zu beschäftigen, sei deshalb im Interesse der Gesellschaft.510 Zeitgleich kündigte die Gesellschaft mindestens elf Arbeitnehmern unter Hinweis auf ihre sexuelle Orientierung. Die daraufhin landesweit einsetzenden, hauptsächlich von Bürgerrechtsgruppen initiierten Proteste und eine überwiegend negative Berichterstattung in den Medien veranlassten das Unternehmen bereits im folgenden Monat zu der Mitteilung, dass die Beschäftigungspolitik in diesem Punkt überdacht worden sei und die Kündigungen eine „gut gemeinte, aber übertriebene Reaktion“ gewesen wären.511 Eine ausdrückliche Abkehr von der eingeschlagenen Beschäftigungspolitik wurde jedoch nicht erklärt und die ausgesprochenen Kündigungen nicht zurückgenommen. Insoweit erwies es sich für Cracker Barrel als günstig, dass weder Title VII des Civil Rights Act von 1964 noch das bundesstaatliche Arbeitsrecht eine Diskriminierung wegen sexueller Orientierung untersagten.512 Da die Proteste kein eindeutiges Abrücken von der neuen Beschäftigungspolitik bewirkten und keinerlei arbeitsrechtliche Mittel zur Verfügung standen, um 509

So Waite, 64 Fordham L. Rev. 1253, 1258 (1995). „Cracker Barrel is founded upon a concept of traditional American values, quality in all we do, and a philosophy of 100 % guest satisfaction. It is inconsistent with our concept of values, and is perceived to be inconsistent with those of our customer base, to continue to employ individuals [. . .] whose sexual preferences fail to demonstrate normal heterosexual values which have been the foundation of families in our society. Therefor, it is felt this business decision is in the best interests of the company.“, zit. nach Rahnema, 7 U. Miami Bus. L. Rev. 273 f. (1999). 511 Zit. nach Mueller, 28 Stetson L. Rev. 451, 482 (1998). 512 Vgl. dazu ausf. Rahnema, 7 U. Miami Bus. L. Rev. 273 , 277 ff. (1999). 510

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die Kündigungen rückgängig zu machen, nahm sich der Pensionsfonds NYCERS, der zum damaligen Zeitpunkt mehr als 81.000 Aktien der Gesellschaft hielt, des Themas mittels eines Aktionärsantrags an, über den auf der Hauptversammlung 1992 abgestimmt werden sollte. In dem Antrag wurde der Board ersucht, eine nicht diskriminierende Beschäftigungspolitik in Bezug auf die sexuelle Orientierung der Arbeitnehmer und Bewerber einzuführen und derartige Diskriminierungen in den Leitsätzen des Unternehmens zur Beschäftigungspolitik ausdrücklich zu verbieten.513 Zur Begründung des Antrags führte der Fonds in erster Linie ökonomische Gesichtspunkte an. Diskriminierende Beschäftigungspraktiken hätten negative Auswirkungen auf den Shareholder Value, weil dadurch einerseits auch besonders hochqualifizierte Personen von einer Beschäftigung bei der Gesellschaft ausgeschlossen seien, was zu Effizienzverlusten führe. Andererseits seien die Demonstrationen, Boykottkampagnen und negativen Presseberichte geeignet, zu einem Verlust von Verbrauchervertrauen und damit einhergehend zu zurückgehenden Geschäftseinnahmen beizutragen. Cracker Barrel lehnte die Veröffentlichung des Antrags jedoch ab, weil dieser sich – ähnlich wie der Antrag im Capital Cities/ABC-Fall – auf den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb des Unternehmens beziehe (Rule 14a-8(c)(7) (1983)). Demgegenüber sah der antragstellende Fonds den Tatbestand des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb als nicht erfüllt an und betonte die Unterschiede des vorliegenden Antrags gegenüber dem des Capital Cities/ABC-Falls.514 Die – ausnahmsweise ausführlich begründete – Stellungnahme der SEC fiel sowohl für das Unternehmen und den Antragsteller als auch für die interessierte Fachöffentlichkeit ganz und gar unerwartet aus. Anstatt sich mit den auf den konkreten Fall bezogenen Argumenten des Unternehmens und des Aktionärs auseinanderzusetzen, stellte die Behörde abstrakte Überlegungen zur Reichweite des Tatbestands des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb an.515 Dazu wiederholte sie zunächst die Grundsätze ihrer überkommenen Auslegungspraxis, wonach Aktionärsanträge einen derartigen Bezug aufweisen, wenn sie die Beschäftigungspolitik des Unternehmens und das Verhalten gegenüber den abhängig Beschäftigten zum Gegenstand haben. Zugleich wies sie darauf hin, dass dieser 513 Der Antrag ist im Wortlaut abgedruckt bei Stanton, 77 Wash. U. L. Quart. 979, 988 Fn. 47 (1999). 514 Es sollte schließlich mehr als zehn Jahre dauern, bis das Unternehmen im Dezember 2002 dem Druck der Aktionäre nachgab und eine Diskriminierung von Arbeitnehmern und Bewerbern aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ausdrücklich verbot. Nachdem NYCERS bereits in den Jahren 1999 und 2001 einen entsprechenden Aktionärsantrag zur Abstimmung gestellt hatte, erreichte der wiedereingebrachte Antrag auf der Hauptversammlung 2002 eine – für gesellschaftspolitische Anträge bis dahin ungekannte – Zustimmung von etwa 58 %. Vgl. dazu Baue, William, „Record Shareowner Vote Prompts Cracker Barrel to Bar Sexual Orientation“, http://www.socialfunds.com/ news/article.cgi/988.html. 515 Vgl. zum Folgenden SEC No-Action Letter Cracker Barrel Old Country Store, Inc. vom 13.10.1992, 1992 WL 289095 = Fed. Sec. L. Rep. 76,418.

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Grundsatz bislang in bestimmten Fällen durchbrochen werden konnte, wenn ein Antrag gesellschaftspolitische Belange thematisierte. Die Grenzziehung zwischen zulässigen und unzulässigen beschäftigungsbezogenen Aktionärsanträgen, die wichtige gesellschaftspolitische Aspekte zum Gegenstand haben, sei in den vergangenen Jahren aber zunehmend schwieriger geworden. Die Auslegungspraxis der SEC sei häufig als nicht nachvollziehbar kritisiert worden und habe den Ausnahmetatbestand bei beschäftigungsbezogenen Anträgen praktisch bedeutungslos gemacht. Aus diesem Grund sollten künftig beschäftigungsbezogene Aktionärsanträge selbst dann unzulässig sein, wenn mit ihnen gesellschaftspolitische Fragen aufgegriffen werden. Damit wurde der 1976 eingeführte Zwei-Stufen-Test zumindest im Bereich der beschäftigungsbezogenen Anträge zugunsten eines unmissverständlichen, objektivierten Standards (bright-line rule) aufgegeben. 3. Die Rezeption des neuen Auslegungsstandards Wenig überraschend wurde die Entscheidung der SEC höchst unterschiedlich aufgenommen. Von Unternehmensseite wurde die Neuausrichtung einhellig begrüßt. Im Interesse einer besseren Handhabbarkeit des Ausnahmetatbestandes wurde zugleich eine Ausweitung des Cracker Barrel-Maßstabs auf sonstige Anträge gefordert, da es nicht nachvollziehbar sei, weshalb nur beschäftigungsbezogene Anträge vom Zwei-Stufen-Test ausgenommen sein sollten.516 Bei den Aktionärsaktivisten stieß der neue Standard hingegen auf strikte Ablehnung. Sie befürchteten, dass ihnen durch die Neuinterpretation zukünftig jeder Einfluss auf die Grundsätze der Beschäftigungspolitik von Unternehmen entzogen sei.517 Unterstützung erhielten die Aktivisten dabei von Teilen der Kommission selbst. Am deutlichsten sprach sich das Kommissionsmitglied Wallman für eine Rückkehr zum früheren Auslegungsmaßstab aus: Die Neuausrichtung sei ein furchtbarer Fehler und sende die falsche Botschaft aus, weil nicht deutlich gemacht werde, wie wichtig die SEC eine Diskussion über bestimmte gesellschaftspolitische Aspekte eigentlich halte.518 Auch Mitglieder der neuen Clinton-Administration stimmten in das Konzert der Kritiker ein. So ermahnte etwa Arbeitsminister Robert Reich die SEC, ihre Position angesichts der prekären Beschäftigungssituation in sog. Sweatshops519 516 So etwa die Argumentation beim Streit um die Zulässigkeit eines Antrags, der sich mit der Herstellung von Tabakprodukten und den daraus resultierenden Gesundheitsgefahren befasste, vgl. SEC No-Action Letter RJR Nabisco Holdings Corp. vom 15.12.1995, 1995 WL 749658. 517 Vgl. NYCERS v. SEC, 45 F.3d, S. 10 sowie Uhlenbrock, 25 Del. J. Corp. L. 277, 291 (2000). 518 Zit. nach Uhlenbrock, 25 Del. J. Corp. L. 277, 293 (2000) sowie McCann, 39 B. C. L. Rev. 965, 983 (1998). 519 Vgl. zur Begriffsklärung Rivoli, 43 J. Bus. Eth. 223, 224 f. (2003).

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zu überdenken.520 Die Kritik gipfelte schließlich in einer Reaktion des US-amerikanischen Gesetzgebers, der der SEC im Rahmen des National Securities Markets Improvement Act 1996521 einen Prüfauftrag erteilte. Konkret sollte untersucht werden, ob das durch den Securities Exchange Act 1934 abgesicherte Recht des Aktionärs auf Zugang zu den proxy materials in jüngster Zeit durch gesetzgeberische, gerichtliche oder behördliche Maßnahmen eingeschränkt wurde. Außerdem sollte die Frage beantwortet werden, inwiefern es den Aktionären nach geltendem Recht ermöglicht werde, Anträge zur Geschäftstätigkeit und zu sozialen Themen in die Vollmachtsunterlagen aufnehmen zu lassen. Über die Ergebnisse ihrer Untersuchung sollte die SEC binnen eines Jahres an den Kongress berichten und zugleich Vorschläge unterbreiten, wie die Nutzung der proxy materials durch die Aktionäre verbessert werden könnte.522 Die Kritik des Gesetzgebers an der von der SEC vorgenommenen Neuinterpretation mag dabei weniger offensichtlich als die Regierungskritik und nur zwischen den Zeilen zu lesen zu sein. Unter Berücksichtigung des im Zeitpunkt der Gesetzesverabschiedung bereits jahrelang schwelenden Konflikts ist die Zielrichtung der Gesetzespassage allerdings unzweideutig: Hinter dem neutralen Prüfungsauftrag verbarg sich letztendlich die an die SEC gerichtete Aufforderung, den durch Cracker Barrel eingeführten Auslegungsmaßstab zurückzunehmen. 4. Gerichtliche Überprüfung im Rechtsstreit NYCERS v. SEC Bereits kurze Zeit nach der Veröffentlichung des Cracker Barrel-No-Action Letter beantragte NYCERS bei der Kommission eine erneute Überprüfung des Falls.523 Da die Behörde nicht gewillt war, zu ihrem früheren Auslegungsstandard zurückzukehren, versuchte der Fonds gemeinsam mit zwei weiteren institutionellen Anlegern den neuen Auslegungsstandard gerichtlich zu Fall zu bringen. Der Antrag an das Gericht wurde dabei von zwei Begründungssträngen gestützt: Zum einen wurde vorgetragen, dass mit der Entscheidung gegen Sec. 553 (b) Administrative Procedure Act – das für Bundesbehörden geltende Verwaltungsverfahrensgesetz – vorstoßen worden sei. Dieser schreibt im Rahmen eines Normsetzungsverfahrens durch Behörden die Veröffentlichung einer Entwurfsfassung im Federal Register vor, um Stellungnahmen aus der Öffentlichkeit zu 520 „There’s a legitimate argument to be made that if a company is substantially involved in an important issue facing the country that transcends that individual company, shareholders ought to be permitted to vote on that company’s role.“, zit. nach McCann, 39 B. C. L. Rev. 965, 983 (1998). Vgl. auch Mueller, 28 Stetson L. Rev. 451, 494 (1998). 521 National Securities Markets Improvement Act 1996, 110 Stat. 3450, abrufbar unter http://thomas.loc.gov/cgi-bin/query/z?c104:H.R.3005. 522 Vgl. Sec. 510 (b) National Securities Markets Improvement Act 1996. 523 Vgl. Group Petitions SEC for Change on Proxy Resolutions About Employment, 27 Sec. Reg. L. Rep. 1366, 1367; näher zu diesem Verfahren noch § 8 C.

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ermöglichen (notice of proposed rulemaking).524 Zum anderen beriefen sich die Kläger darauf, dass die Neufassung willkürlich und ihre Folgen unberechenbar seien. Damit sei die Entscheidung der SEC nach Sec. 706 (2)(a) Administrative Procedure Act rechtswidrig und könne vom Gericht aufgehoben werden. a) Die Entscheidung des Ausgangsgerichts Der in erster Instanz angerufene Federal District Court for the Southern District of New York folgte der Argumentation der Kläger.525 Das Gericht stellte fest, dass der Cracker Barrel-No-Action Letter eine Regelung i. S. v. Sec. 551 (4) Administrative Procedure Act sei.526 Da er den 1976 nach Abschluss eines formalen Verfahrens eingeführten Zwei-Stufen-Test abändere, handele es sich nicht lediglich um eine Auslegung bestehenden Rechts, sondern um einen selbständigen Akt der Rechtssetzung (rule making). Die SEC hätte demnach die beabsichtigte Änderung veröffentlichen und Stellungnahmen einholen müssen. Weil sie dies verabsäumt hatte, war ihre Entscheidung unwirksam. Im Ergebnis untersagte das Gericht der SEC bis zur Durchführung eines formalen Normsetzungsverfahrens das Verfassen von No-Action Letters, die im Widerspruch zum Zwei-StufenTest von 1976 standen. b) Die Entscheidung des Berufungsgerichts Gegen diese Entscheidung legte die SEC vor dem U.S. Court of Appeals for the Second Circuit Berufung ein, die im Januar 1995 zur Aufhebung der Verfügung des Ausgangsgerichts führte.527 Das Berufungsgericht machte dabei keinen Hehl daraus, dass es die Ausübung des Aktionärsantragsrechts zur Thematisierung gesellschaftspolitischer Themen mit Skepsis betrachtete.528 In der sorgfältig begründeten Entscheidung setzte sich das Gericht vertieft mit der Natur der von der SEC veröffentlichten No-Action Letters auseinander und gelangte zu dem 524

Vgl. dazu bereits § 6 D. II. 3. b) ff). NYCERS v. SEC, 843 F. Supp. 880 f. (S.D.N.Y. 1994). 526 Sec. 551 (4) Administrative Procedure Act: „,rule‘ means the whole or a part of an agency statement of general or particular applicability and future effect designed to implement, interpret, or prescribe law or policy or describing the organization, procedure, or practice requirements of an agency and includes the approval or prescription for the future of rates, wages, corporate or financial structures or reorganizations thereof, prices, facilities, appliances, services or allowances therefor or of valuations, costs, or accounting, or practices bearing on any of the foregoing“. 527 45 F.3d, 12 f. (2d Cir. 1995); dazu Leban/Heller, 9 Insights 28 f. (1995). 528 Vgl. 45 F.3d, 9 (2d Cir. 1995): „After investing in a company, the plaintiffs regulary use their shareholder status as a bully pulpit to promote non-discriminatory policies in the workplace. The plaintiffs’ powder and shot are proxy materials and shareholder proposals.“ 525

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Ergebnis, dass diese keinen Akt der Normsetzung darstellen, sondern nur auslegenden Charakter besitzen, weshalb eine Öffentlichkeitsbeteiligung nicht erforderlich sei. Ausgangspunkt der Urteilsgründe war dabei die Feststellung, dass zwei grundlegende Regelungstypen existieren: Einerseits solche mit normsetzendem Charakter (legislative rules), die neues Recht, neue Rechte und Pflichten zur Entstehung bringen und Gesetzeskraft erlangen, und andererseits jene mit auslegendem Charakter (interpretative rules), die kein neues Recht schaffen, sondern lediglich bestehendes Recht klarstellen. Sodann ging das Gericht dazu über, die No-Action Letters der SEC zu charakterisieren. Es handele sich bei ihnen nur um informelle Stellungnahmen und keine amtliche Verlautbarungen der Behörde. Sie hätten keinen Einfluss auf das zwischen der Gesellschaft und dem Antragsteller bestehende Rechtsverhältnis und würden weder Rechte zur Entstehung bringen noch rechtsvernichtend wirken. Die in den No-Action Letters gemachten Stellungnahmen entfalteten keinerlei Bindungswirkung gegenüber den Beteiligten, was für den lediglich auslegenden Charakter spreche. Die SEC selbst sei nicht an die Feststellungen eines No-Action Letters gebunden. Darauf habe sie wiederholt hingewiesen.529 Sie könne sich deshalb ohne weiteres in Widerspruch zu einer früheren Stellungnahme setzen und Cracker Barrel unter Berufung auf den Zwei-StufenTest von 1976 auf Veröffentlichung des Antrags verklagen. Auch für die Unternehmen bestehe keine Pflicht, einem No-Action Letter Folge zu leisten, so dass eine Gesellschaft die Veröffentlichung eines Aktionärsantrags auch dann verweigern könne, wenn die SEC darin einen Verstoß gegen Rule 14a-8 erblickt. Dem antragstellenden Aktionär stehe in einem solchen Fall die Möglichkeit offen, die Veröffentlichung des Antrags mit einer gegen die Gesellschaft gerichteten Klage zu erstreiten.530 Das dann zur Entscheidung berufene Gericht sei ebenfalls nicht an die Aussagen des No-Action Letters gebunden. Angesichts der fehlenden Bindungswirkung hätten die Feststellungen des Cracker Barrel-No-Action Letters nicht zu einer Änderung der Rule 14a-8 in der Fassung von 1976 geführt.531 Die Stellungnahme der SEC habe deshalb nur der Auslegung des geltenden Rechts gedient, weshalb eine Beteiligung der Öffentlichkeit im Vorfeld der Entscheidung unterbleiben konnte. Anschließend wandte sich das Gericht noch dem vom Ausgangsgericht nicht behandelten zweiten Argumentationsstrang der Antragsteller zu, dass die neue Interpretation willkürlich und in ihren Folgen unberechenbar sei, weshalb sie vom Gericht verworfen werden könne. Die Schwelle für ein Einschreiten setzte 529 Vgl. etwa Securities Act Release No. 5,098, 35 Fed. Reg. 17,779 (Oct. 7, 1970): „no-action [. . .] responses by the staff are subject to reconsideration and should not be regarded as precedents binding on the [SEC].“ 530 Vgl. ausf. § 8 D. 531 45 F.3d, 14 (2d Cir. 1995).

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das Gericht dabei unter Berufung auf bereits ergangene Rechtsprechung532 sehr hoch an. Sie sei erst überschritten, wenn den Antragstellern kein anderweitiger Rechtsbehelf zur Verfügung stehe, der die gleiche Wirkung wie die auf Sec. 706 (2)(a) Administrative Procedure Act gestützte einstweilige Verfügung gegen die SEC habe. Eine solche Alternative stehe hier aber in Form einer Klage gegen Cracker Barrel zur Verfügung, mit der die Nichtveröffentlichung des Antrags angegriffen werden könne. Sollte sich die Gesellschaft in einem solchen Verfahren auf die Grundsätze des Cracker Barrel-No-Action Letters berufen, dann könne dem der Vorwurf der Willkür und Unberechenbarkeit entgegengesetzt werden.533 5. Folgen des Cracker Barrel-No-Action Letters a) Auswirkungen auf beschäftigungsbezogene Aktionärsanträge Die augenfälligste Auswirkung des neuen Auslegungsstandards war das Verschwinden beschäftigungsbezogener Aktionärsanträge von der Agenda sämtlicher US-Hauptversammlungen. Zwar verzichtete die SEC während der gerichtlichen Auseinandersetzung mit NYCERS darauf, in ihren No-Action Letters zur Vereinbarkeit derartiger Anträge mit dem Tatbestand des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb Stellung zu nehmen.534 Die Unternehmen lehnten die Veröffentlichung beschäftigungsbezogener Anträge jedoch durchweg unter Berufung auf den Cracker Barrel-Maßstab ab. Das schlagartige Verschwinden dieser Anträge aus den proxy materials erscheint auf den ersten Blick überraschend, da den Antragstellern die Möglichkeit offen stand, eine auf Antragsveröffentlichung gerichtete Klage gegen das Unternehmen anzustrengen, falls dieses die Weiterleitung ablehnte. Tatsächlich scheuten sich jedoch nahezu alle Antragsteller, den Streit um die Veröffentlichungspflichtigkeit ihrer Anträge vor Gericht auszutragen. Über die Gründe der zurückhaltenden Inanspruchnahme des gerichtlichen Rechtsschutzes kann dabei nur spekuliert werden. Als sehr wahrscheinlich gilt, dass der Ausgang dieser Gerichtsprozesse und damit das Kostenrisiko für die Antragsteller nur schwer abschätzbar waren. Aufgrund fehlender Präzedenzfälle blieben die Antragsteller im Unklaren darüber, welche Kriterien die Gerichte für die Klärung der Frage für maßgeblich erachten würden, ob ein Antrag einen gesellschaftspolitischen Belang zum Gegenstand hat. Zu einem gehäuften Auftreten 532 Vgl. Washington Legal Foundation v. Alexander, 984 F.2d 483, 486 (D.C. Cir. 1993); Council of and for the Blind v. Regan, 709 F.2d 1521, 1531 (D.C. Cir. 1983). 533 45 F.3d, 14 (2d Cir. 1995). 534 Vgl. etwa SEC No-Action Letter General Dynamics Corp. vom 07.02.1994, 1994 WL 33540: „[. . .] [i]n view of the pending litigation [. . .], the Division has determined not to express any view with respect to the application of rule 14a-8(c)(7) to any shareholder proposal pending resolution of this matter on appeal.“

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von Klagen abgewiesener Antragsteller, die zur Herausbildung eines eigenen Fallrechts beigetragen hätten, kam es auch nach der Cracker Barrel-Entscheidung der SEC nicht. b) Die Entscheidung in Sachen ACTWU v. Wal-Mart Stores, Inc. Das Urteil in Sachen Amalgamated Clothing & Textile Workers Union (ACTWU) v. Wal-Mart Stores, Inc. (Wal-Mart) bildete insoweit die einzige Ausnahme.535 Dem Rechtsstreit war der erfolglose Versuch der Kläger536 vorausgegangen, einen Aktionärsantrag in den proxy materials von Wal-Mart veröffentlichen zu lassen, mit dem der Board in erster Linie zur Erstellung eines Berichts über die Chancengleichheit von Beschäftigten und die Minderheitenförderung aufgefordert werden sollte.537 Wal-Mart vertrat dabei auf den Standpunkt, dass der Antrag beschäftigungsbezogen sei und deshalb entsprechend der seit Cracker Barrel üblichen Auslegung einen Bezug zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb des Unternehmens aufweise. Die Antragsteller erhoben deshalb vor dem District Court for the Southern District of New York Klage gegen Wal-Mart, mit der sie die Veröffentlichung des Antrags erreichen wollten. Das Gericht sah den Tatbestand des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb als nicht erfüllt an und gab der Klage deshalb statt. Da für die Auslegung der shareholder proposal rule in erster Linie maßgebend sei, wie diese von der SEC selbst gehandhabt werde538, setzte sich das Gericht in den Entscheidungsgründe intensiv mit der Anwendung des ordinary business-Tatbestands durch die SEC auseinander. Dabei stellte es allein auf den 1976 eingeführten Zwei-StufenTest ab, da nur dieser im Zuge eines formalen Änderungsverfahrens eingeführt worden sei und deshalb erhebliches Gewicht besitze. Demgegenüber besäßen die No-Action Letters wegen ihrer Ad-hoc-Natur eine geringere Überzeugungskraft. Gerichte seien daran nicht gebunden.539 Anschließend untersuchte das Gericht die uneinheitliche Handhabung beschäftigungsbezogener Anträge durch die SEC unter dem Zwei-Stufen-Test und gelangte unter Hinweis auf ähnlich gelagerte Anträge zu dem Ergebnis, dass der in Streit stehende Antrag eine wichtige gesellschaftspolitische Thematik betreffe. Die unterbliebene Veröffentlichung stelle deshalb eine Verletzung von Rule 14a-8 dar.540 In der die Urteilsgründe abschlie535 Amalgamated Clothing & Textile Workers Union (ACTWU) v. Wal-Mart Stores, Inc., 821 F. Supp. 877 (S.D.N.Y. 1993). 536 Neben der Gewerkschaft ACTWU standen auf Klägerseite auch mehrere religiöse Gruppen. 537 Vgl. ausf. 821 F. Supp. 877, 880. 538 821 F. Supp. 883. 539 821 F. Supp. 884 f. 540 821 F. Supp. 891.

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ßenden Zusammenfassung rügte das Gericht schließlich die restriktive Auslegung durch die SEC: Die Behörde habe vom Kongress das Mandat erhalten, die Information der Aktionäre über alle bedeutenden Geschäftsbelange sicherzustellen. Dieser Verantwortung könne sich die Behörde nicht einfach dadurch entledigen, indem sie auf Abgrenzungsschwierigkeiten verweise und den Informationsfluss zu den Aktionären außerhalb eines formalen Normänderungsverfahrens einschränke. Abgrenzungsschwierigkeiten seien für die SEC keine Entschuldigung dafür, vom Zwei-Stufen-Test abzurücken, zumal die in letzter Konsequenz berufenen Gerichte diesen Schwierigkeiten ebenfalls gegenüberstehen würden.541 c) Ordnungswirkung der Stellungnahme im Fall Cracker Barrel? Damit hatte das Gericht bereits angedeutet, wozu der neue Auslegungsstandard von Cracker Barrel im Kern führte: Er bewirkte keine Beseitigung, sondern nur eine Verlagerung des Problems. Anstelle der SEC, die vor den Schwierigkeiten bei der Bewertung gesellschaftspolitischer Belange in eine strikt ablehnende Haltung geflüchtet war, sollte diese Grenzziehung nun alleinige Aufgabe der Gerichte sein. Diese waren aber angesichts ihrer fehlenden Expertise kaum befähigter als die SEC, diese Entscheidungen zu treffen. Im Rückblick führte die durch Cracker Barrel bewirkte Neujustierung dennoch zu der von der SEC gewünschten Ordnungswirkung, weil fortan klargestellt war, dass sämtliche beschäftigungsbezogenen Aktionärsanträge aus Sicht der SEC einen Bezug zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb des Unternehmens aufweisen und deshalb nicht veröffentlichungspflichtig sind. Diese Ordnungswirkung trat freilich allein deshalb ein, weil die Urheber beschäftigungsbezogener Anträge nur sehr zurückhaltend von der Möglichkeit einer gerichtlichen Durchsetzung ihres (vermeintlichen) Anspruchs auf Antragsveröffentlichung Gebrauch machten. Die Klarstellung im Bereich beschäftigungsbezogener Anträge war zudem teuer erkauft. Der Cracker Barrel-No-Action Letter befasste sich ausdrücklich zwar nur mit beschäftigungsbezogenen Anträgen. Die Begründung der Neuausrichtung war allerdings so allgemein gefasst, dass sie sich ebenso gut auf andere Anträge mit gesellschaftspolitischem Einschlag, etwa zum Umwelt- oder Gesundheitsschutz, übertragen ließ.542 Damit ging die Klarstellung auf Kosten der Rechtssicherheit bei der Behandlung anderer Anträge. Die Unklarheiten bei der Handhabung des ordinary business-Ausnahmetatbestandes wurden deshalb eher noch vergrößert.543

541 542 543

821 F. Supp. 892. Waite, 64 Fordham L. Rev. 1253, 1258 (1995). So i. E. zutreffend Uhlenbrock, 25 Del. J. Corp. L. 277, 292 (2000).

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IV. Erleichterung der Aktionärskommunikation durch die Reform der proxy rules von 1992 Während die Neufassung der shareholder proposal rule von 1983 und die seit dem Cracker Barrel No-Action Letter von der SEC vertretene Position zu beschäftigungsbezogenen Aktionärsanträgen das nachhaltigkeitsorientierte Aktionärsengagement erheblich in die Defensive drängten, stellte sich die im Oktober 1992 beschlossene Reform der proxy rules544 für alle Aktivisten als außerordentlich begünstigend dar.545 Die Reform war das Ergebnis einer langjährigen Diskussion, in deren Mittelpunkt die Frage stand, ob die proxy rules dem Grundgedanken des Securities Exchange Act – der Förderung des Aktionärsstimmrechts546 – noch gerecht würden. Im Ergebnis bestand weitgehende Einigkeit darüber, dass das bis dato geltende Recht die Kommunikation zwischen den Aktionären, ihre Rolle als Kontrollinstanz sowie die informierte und erst dadurch effektive Nutzung des Stimmrechts unangemessen einschränke.547 Eine Ursache dafür lag in dem Verständnis des Begriffs der Stimmrechtseinwerbung (solicitation), der von der SEC über Jahrzehnte hinweg immer extensiver ausgelegt wurde. So wurde zuletzt nicht nur das gezielte Anschreiben oder Ansprechen mit der Bitte um Erteilung einer Vollmacht, sondern nahezu jede Meinungsäußerung, etwa zur Leistung der Geschäftsleitung oder zu einem Aktionärsantrag nach Rule 14a-8, als Stimmrechtseinwerbung angesehen.548 Da die Erfüllung des Tatbestands der solicitation im Einzelfall mit enorm kostspieligen (Publizitäts-)Folgepflichten verbunden war und ist, wirkte sich das weite Begriffsverständnis nachteilig auf die Aktionärskommunikation aus. Das Hauptanliegen der SEC bestand deshalb in der Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Aktionären. Dabei sind von den ergriffenen Maßnahmen vor allen Dingen zwei549 erwähnenswert: Zum einen schuf die SEC in Rule 14a-2 (b)(1) eine Ausnahmeregelung, nach der die proxy rules weitestgehend keine Anwendung auf

544 Vgl. SEC Exchange Act Release No. 34-31,326 (Oct. 16, 1992), 57 Fed. Reg. 48,276 (1992). 545 Vgl. Anabtawi/Stout, 60 Stan. L. Rev. 1255, 1277 (2008): „revolutionary“. Allg. dazu Sharara/Hoke-Witherspoon, 49 Bus. Law. 327 ff. (1993); zu den praktischen Auswirkungen der Reform die Studie von Choi, Proxy Issue Proposal, S. 6 ff., der zu dem Ergebnis kommt, dass sich die Handlungsmöglichkeiten der Aktionäre außerordentlich verbesserten. 546 Vgl. bereits § 6 B. II. 1. 547 SEC Exchange Act Release No. 34-31,326 (Oct. 16, 1992), 57 Fed. Reg. 48,276, 48,277 (1992); vgl. auch Fisch, 46 Vand. L. Rev. 1129, 1165 ff. (1993) m.w. N. 548 Exchange Act Release No. 34-31,326 (Oct. 16, 1992), 57 Fed. Reg. 48,276, 48,278 (1992) nennt hierbei Gastkommentare in Zeitungen und Fernsehsendungen sowie private Unterhaltungen mit mehr als zehn anderen Aktionären. 549 Ausf. zu den einzelnen Maßnahmen Frenchman, 68 Tul. L. Rev. 161, 179 ff. (1993).

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

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solche Aktionäre finden sollten, deren Verhalten nicht auf ein Einwerben von Stimmrechtsvollmachten abzielt („disinterested persons exemption“).550 Zum anderen setzte die SEC direkt am Begriff der solicitation an. Künftig sollte nach Rule 14a-1 (l)(2)(iv) die bloße Kundgabe des beabsichtigten Abstimmungsverhaltens sowie die Veröffentlichung der dafür maßgeblichen Gründe keine Stimmrechtseinwerbung mehr darstellen. V. Fazit Wie schon am Ende der im vorherigen Unterkapitel beschriebenen Phase des gesellschaftspolitischen Aktionärsaktivismus war auch in den letzten Jahren der hier dargestellten Entwicklungsstufe eine zunehmende Divergenz zwischen den Regelungsvorstellungen der SEC und einem sich wandelnden Zeitgeist zu beobachten, der zunehmend auch in den politischen Raum übergriff. Nachdem Anfang der 1980er Jahre der Gedanke der Corporate Social Responsibility in Misskredit geraten war und die Regulierungsideen der Entstaatlichung und Vermarktlichung das sozial-ökologische Aktionärsengagement zunehmend in die Defensive gedrängt hatten, schlug das Pendel etwa ab Mitte der 1990er Jahre zunehmend in die entgegengesetzte Richtung aus. Mehr und mehr drang nun das Wissen um die (trotz aller unbestreitbaren Erfolge bestehenden) Schattenseiten der Globalisierung, von massiven Arbeitsplatzverlagerungen, Umweltzerstörung, prekären Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern und globaler Erwärmung in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Dieser Bewusstseinswandel war auch der Grund dafür, weshalb mit dem Ende des Kalten Krieges und der Apartheid in Südafrika den kritischen Aktionären die thematische Grundlage nicht etwa abhanden kam, sondern sich sogleich ein weites Feld neuer Themen ergab. Die restriktive Haltung der SEC konnte das Wachstum des sozial-ökologischen Aktionärsengagements dabei nur unwesentlich eindämmen. Die mit der Novelle von 1983 eingeführten Einschränkungen trafen im Wesentlichen aktivistische Kleinaktionäre. Da das Aktionärsantragsrecht zunehmend von institutionellen Anlegern ausgeübt wurde, nahm die Gesamtzahl der Anträge mit sozialem, ökologischem oder ethischem Themenbezug zunächst weiter zu. Einen deutlichen Einschnitt brachte erst der 1992 veröffentlichte No-Action Letter in Sachen Cracker Barell, der die Stellung beschäftigungsbezogener Aktionärsanträge faktisch unmöglich machte. Damit hatte die SEC, die trotz des Machtwechsels im Weißen Haus noch immer von den Mandatsträgern der republikanischen Partei dominiert

550 Der Ausnahmetatbestand erfasst „any solicitation by or on behalf of any person who does not, at any time during such solicitation, seek directly or indirectly, either on its own or another’s behalf, the power to act as proxy for a security holder and does not furnish or otherwise request, or act on behalf of a person who furnishes or requests, a form of revocation, abstention, consent or authorization“.

208

2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

wurde, den Bogen jedoch überspannt und den Anlass für eine erneute, diesmal engagementfreundliche Reform geschaffen.

E. 1998–Gegenwart: Intensivierung und Professionalisierung des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivismus Die bislang jüngste, bis heute andauernde Phase des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivismus setzte im Jahr 1998 mit einem von der SEC veranlassten erneuten Richtungswechsel ein, der eine deutliche Abkehr von der Regulierungsphilosophie der vorangegangenen Jahre markierte. Die Behörde entsprach damit einerseits den veränderten Rahmenbedingungen unternehmerischer Tätigkeit in einer globalisierten Arbeitswelt bei schnell voranschreitender Zerstörung der ökologischen Lebensgrundlagen. Andererseits versuchte die SEC damit auch den Hoffnungen zu genügen, die mit dem Konzept der gesamtgesellschaftlichen Unternehmensverantwortung verbunden waren und sind. In dem vorgenommenen Richtungswechsel lag aber zugleich auch die Anerkennung einer Kapitalmarktwirklichkeit, die mehr und mehr von institutionellen Anlegern geprägt wurde, die das von ihnen treuhänderisch verwaltete Vermögen entweder ausschließlich unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten investieren wollten oder die zumindest großen Wert auf die Berücksichtung sozialer und ökologischer Belange legten (vgl. dazu unten I.). Die von der SEC in die Debatte eingebrachten Reformvorschläge konnten allerdings nur zum Teil umgesetzt werden, so dass die Änderungen der Novelle von 1998 vergleichsweise moderat ausfielen. Eine grundlegende Novellierung scheiterte auch diesmal am Widerstand der beteiligten Kreise (vgl. unten II.). Dies war auch im Verlauf der Reformdiskussion in den Jahren 2006/07 nicht anderes, in der – von einer erneut republikanisch dominierten Kommission – das gesamte System der bundesrechtlichen Veröffentlichungspflicht für Aktionärsanträge zur Disposition gestellt wurde (vgl. unten III.). I. Praxis des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagements seit 1998 Deutlichstes Anzeichen für eine zunehmende Professionalisierung des sozialökologischen Aktionärsaktivismus ist die Ausübung des Antragsrechts durch Nachhaltigkeitsfonds und öffentliche Pensionsfonds, die das Engagement der traditionellen Aktivistengruppen ergänzen (vgl. unten 1.). Der Trend zur Intensivierung zeigt sich demgegenüber an der Zahl der gestellten Anträge, die in den vergangenen Jahren erneut stark gestiegen ist (vgl. unten 2.) sowie in den Erfolgen der Aktivisten (vgl. unten 5.). Andererseits zeigten sich bei den von Aktionärsaktivismus betroffenen Unternehmen nur geringe Veränderungen gegenüber den 1980er und 1990er Jahren (vgl. unten 3.). Und wie auch in den Jahrzehnten zu-

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

209

vor sind die Antragsthemen ein exaktes Spiegelbild der parallel in Politik und Gesellschaft verlaufenden Debatten (vgl. unten 4.). 1. Antragsteller Wie bereits in früheren Jahrzehnten stehen auch heute noch religiöse Vereinigungen hinter der Mehrzahl sozial-ökologischer Aktionärsanträge.551 Die weitaus meisten dieser Vereinigungen sind Mitglied der Dachorganisation Interfaith Center on Corporate Responsibility552, die das Engagement ihrer Mitglieder koordiniert. An zweiter Stelle rangieren Anträge, die von Nachhaltigkeitsfonds gestellt werden. Nachdem diese Fonds noch bis zur Mitte der 1990er Jahre kaum in Erscheinung traten, stieg die Zahl der von ihnen zur Abstimmung gestellten Anträge seit 1997 sprunghaft an. Dieser Anstieg ist weniger auf ein verstärktes Engagement einzelner Fonds zurückzuführen, sondern reflektiert die stürmische Entwicklung nachhaltigkeitsorientierter Finanzprodukte in den zurückliegenden 20 Jahren.553 Auch das sozial-ökologische Engagement öffentlicher Pensionsfonds hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Eine herausragende Rolle spielen dabei die Pensionsfonds der im öffentlichen Dienst Kaliforniens (California Public Employees’ Retirement System, CalPERS) und der Stadt New York (New York City Employees Retirement System, NYCERS) beschäftigten Angestellten sowie der Pensionsfonds der Hochschulangestellten (Teachers Insurance and Annuity Association – College Retirement Equities Fund, TIAACREF). Eine aktive Aktionärsrolle nahmen diese Fonds zwar bereits seit Mitte der 1980er Jahre ein554, doch blieb ihr Engagement für längere Zeit auf klassische Fragen der Corporate Governance beschränkt. Erst in den 1990er Jahren erweiterten sie das Themenspektrum ihrer Anträge um soziale und ökologische Zielstellungen, was ihnen zum Teil den Vorwurf einbrachte, mit den ihnen anvertrauten Geldern Politik in der Form eines „pension fund socialism“ 555 betreiben zu wollen.556 Zur Formalisierung des Umgangs mit nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsanträgen haben diese Fonds seit einigen Jahren Richtlinien erlassen, die 551 Tkac, Fed. Res. Bank of Atl. Econ. Rev. 2006, 1, 6 f.; ausf. zum religiösen Aktionärsengagement van Buren, 112 Bus. & Soc. Rev. 55 (2007) sowie Proffitt/Spicer, 4 (2) Stat. Org. 165, 183 ff. (2006). 552 Vgl. dazu bereits § 6 C. I. 4. 553 Siehe § 3 A. I. 554 Vgl. ausf. § 6 D. I. 2. a). 555 So Simon, 14 Berkeley J. Emp. & Lab. L. 251 (1993). 556 Ausf. zu dieser Diskussion Romano, 93 Col. L. Rev. 795 (1993); dies., 18 Yale J. Reg. 174 ff. (2001); Del Guercio/Hawkins, 52 J. Fin. Econ. 293 (1999); Hess, 39 U.C. Davis L. Rev. 187 (2005); Prevost/Roa, 73 J. Bus. 177 (2000); Sethi, 56 J. Bus. Eth. 99 (2005); Woidtke/Bierman/Tuggle, 81 Harv. Bus. Rev. 22 f. (March 2003); vgl. bereits Curzan/Pelesh, 93 Harv. L. Rev. 670 (1980); Murmann/Schaffer/Wokutch, 35 Lab. L. J. 360 (1984).

210

2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

detaillierte Auskunft über ihr Abstimmungsverhalten zu Aktionärsanträgen geben.557 Anträgen anderer Aktionäre zu sozialen und ökologischen Themen stehen die öffentlichen Pensionsfonds meist aufgeschlossen gegenüber. Im Regelfall wird die Unterstützung derartiger Anträge befürwortet.558 Die Intensität des Engagements nichtreligiös geprägter Nichtregierungsorganisationen blieb seit Mitte der 1990er Jahre weitestgehend stabil. Getragen wurde der NGO-Aktivismus von etwa 50 Vereinigungen, zu denen unter anderem People for the Ethical Treatment of Animals (PETA), Amnesty International und Friends of the Earth gehören.559 Demgegenüber beendeten die Gewerkschaften im Jahr 2002 ihr Aktionärsengagement zu sozialen Themen, nachdem sie bereits seit 1998 sukzessive von der Nutzung des Antragsrechts Abstand genommen hatten.560 Gewerkschaftliche Anträge zu Corporate Governance-Aspekten sind jedoch immer noch weit verbreitet. 2. Gesamtzahl nachhaltigkeitsorientierter Anträge Die Zahl der Aktionärsanträge zu sozialen und ökologischen Aspekten der Geschäftstätigkeit war seit Mitte der 1990er Jahre leicht rückläufig, was auf die gestiegene Bereitschaft der Unternehmensleitungen hindeutet, bereits im Vorfeld der Ausübung des Aktionärsantragsrechts zu einer Einigung mit den potentiellen Antragstellern zu gelangen (vgl. Tabelle 2). In den vergangenen Jahren wuchs die Zahl nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsanträge hingegen erneut stark an: Nach 299 gestellten Anträgen im Jahr 2003 steigerte sich die Zahl von 350 Anträgen 2004 auf 367 Anträge im Jahr 2006.561

557 Vgl. nur TIAA-CREF, Policy Statement on Corporate Governance, S. 27 f., 36 f., abrufbar unter http://www.tiaa-cref.org/public/about/governance/portfolio/proxy-votingpolicies/proxy_voting_policies.html; CalPERS, Statement of Investment Policy for Global Proxy Voting, S. 3, abrufbar unter http://www.CalPERS.ca.gov/eip-docs/invest ments/policies/shareowner/proxy-voting-policy/global-proxy-voting.pdf sowie CalPERS, Global Principles of Accountable Corporate Governance, S. 23 f., 49 ff., abrufbar unter http://www.calpers-governance.org/proxyvoting/home. 558 Vgl. O’Rourke, 12 Bus. & Env. 227, 231 (2003). 559 Sowohl Amnesty International als auch Friends of the Earth erklären auf ihren Internetseiten die Funktion des Aktionärsantragsrechts als Instrument zur Interessendurchsetzung und ermuntern zu nachhaltigkeitsorientiertem Aktionärsengagement. Ausf. zum Aktionärsengagement der Nichtregierungsorganisationen Guay/Doh/Sinclair, 52 J. Bus. Eth. 125 (2004). 560 Tkac, Fed. Res. Bank of Atl. Econ. Rev. 2006, 1, 6. 561 Vgl. Social Investment Forum (Hrsg.), 2005 Report on Socially Responsible Investing Trends in the United States, S. 16; Social Investment Forum (Hrsg.), 2007 Report on Socially Responsible Investing Trends in the United States – Executive Summary, S. 4.

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

211

Tabelle 2 Gesellschaftspolitische Aktionärsanträge in den USA (1973–2003)562 Geschäftstätigkeit im Ausland

Energie/ Umwelt

Gesundheit

Beschäfti- Militär/ Sonstige Insgesamt gung Waffen

1973–1978

215

45

20

51

23

243

597

1979–1983

242

213

86

63

88

121

813

1984–1988

495

102

29

42

72

82

822

1989–1993

619

297

136

64

95

154

1.365

1994–1998

276

275

236

175

56

259

1.277

1999–2003

311

332

158

160

57

220

1.238

Insgesamt

2.158

1.264

665

555

391

1.079

6.112

3. Betroffene Unternehmen Trotz der Veränderungen auf Seiten der Antragsteller blieb der Kreis der mit nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsanträgen konfrontierten Gesellschaften gleich. Nach einer Untersuchung von Tkac waren im Zeitraum von 1992 bis 2002 insgesamt 566 verschiedene Unternehmen betroffen.563 Wie schon in den Jahrzehnten zuvor564 nahm General Electric die Position des am häufigsten adressierten Unternehmens ein, gefolgt von Chevron/Texaco, Exxon/Exxon Mobil und Philip Morris. Demgegenüber rutschte General Motors auf den 6. Platz ab. Die Fokussierung des Engagements auf bestimmte Unternehmen hat in den letzten Jahren eine lebhafte soziologische Debatte um die Ursachen und die Deutung dieser Entwicklung entstehen lassen, wobei sich mehrere Erklärungsmuster herauskristallisiert haben.565 Danach konzentrieren sich große Nichtregierungsorganisationen auf große, vom good will der Konsumenten abhängige Unternehmen, und zwar unabhängig von möglichen Defiziten im Bereich des Nachhaltigkeitsmanagements. Kleinere Nichtregierungsorganisationen und religiöse Gruppen stellen Anträge hingegen in erster Linie bei Unternehmen mit Defiziten im sozialen oder ökologischen Bereich. 562 Nach Proffitt/Spicer, 4 Strategic Organization 165, 171 (2006). Die Zahl der im Zeitraum von 1994–1998 gestellten beschäftigungsbezogenen Anträge erscheint allerdings im Lichte der Cracker Barrel-Kontroverse nicht nachvollziehbar. 563 Vgl. Tkac, Fed. Res. Bank of Atl. Econ. Rev. 2006, 1, 8. 564 Vgl. § 6 D. I. 1. 565 Vgl. zur Einführung Eesley/Lenox, S. 3 ff.; Rehbein/Waddock/Graves, 43 Bus. & Soc. Rev. 239 (2004); Thompson/Davis, 5 Corp. Gov. Int’l Rev. 152 (1997).

212

2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

4. Themenschwerpunkte und Handlungsempfehlungen Wie auch in den Jahrzehnten zuvor stellen die seit Mitte der 1990er Jahre mithilfe des Antragsrechts angesprochenen Themen ein Abbild der US-amerikanischen Gesellschaftsdebatten dar. Die drei am häufigsten aufgeworfenen Themen waren und sind die ökologischen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit bzw. der Klimawandel, die Geschäftstätigkeit in Schwellen- und Entwicklungsländern sowie die Diskriminierung am Arbeitsplatz.566 Dabei lassen sich deutliche Unterschiede im Hinblick auf die Schwerpunktsetzung der einzelnen Akteure feststellen: Während die öffentlichen Pensionsfonds ganz überwiegend Umweltschutz und Auslandsaktivitäten thematisierten und Gewerkschaften mehrheitlich arbeitnehmerbezogene Anträge stellten, deckten Nachhaltigkeitsfonds das gesamte Spektrum sozialer, ökologischer und politischer Themen ab. Die in den Anträgen ausgesprochenen Handlungsempfehlungen zielen meist in drei Richtungen.567 Die größte Gruppe bilden Anträge, die eine konkrete Veränderung der Geschäftspolitik oder einzelner Aspekte der Geschäftstätigkeit fordern. Eine ähnlich große Bedeutung haben Anträge, die die Offenlegung bestimmter sozial-ökologischer Aspekte empfehlen, von denen die Gesellschaft bereits Kenntnis hat. Weniger verbreitet sind hingegen Empfehlungen, eine Untersuchung zu einem spezifischen sozialen Thema – etwa der ungleichen Bezahlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer – einzuleiten und über die gewonnenen Erkenntnisse zu berichten. Eine vergleichsweise junge Erscheinung sind schließlich Anträge, die sich gezielt gegen die Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte jenseits der gesetzlichen Mindestvorgaben aussprechen. Aktivste Verfechter dieser Strategie sind der Free Enterprise Action Fund568 und das National Legal and Policy Center569, die in ihren Anträgen die globale Erwärmung leugnen und deshalb Rechenschaft zu aus ihrer Sicht überflüssigen Klimaschutzausgaben einfordern570, die Rückbesinnung auf marktwirtschaftliche Prinzipien empfehlen571 sowie auf 566 Tkac, Fed. Res. Bank of Atl. Econ. Rev. 2006, 1, 9 f.; vgl. auch die umfassende Studien zu den in den Jahren 2000–2003 zur Abstimmung gestellten umweltbezogenen Aktionärsanträgen von Monks/Miller/Cook, 28 Nat. Res. F. 317 (2004) sowie zu den Corporate Governance- und CSR-Anträgen der Jahre 2002–2004 Thomas/Cotter, 13 J. Corp. Fin. 368 (2007). 567 Vgl. Tkac, Fed. Res. Bank of Atl. Econ. Rev. 2006, 1, 11 f. 568 http://www.freeenterpriseactionfund.com; seit 20.07.2009 verschmolzen mit dem Congressional Effect Fund, http://www.congressionalfund.com/. 569 http://www.nlpc.org/. 570 SEC No-Action Letter Dow Chemical Company vom 05.03.2008, 2008 WL 615892; SEC No-Action Letter E.I. du Pont de Nemours and Co. vom 16.01.2009, 2009 WL 498726. 571 Vgl. SEC No-Action Letter General Electric Company vom 30.01.2007, 2007 WL 316368: Empfehlung zur Berichterstattung u. a. zu folgenden Aspekten: „2. Promoting key pro-free enterprise principles and public policies – including private pro-

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

213

die Einstellung von Zahlungen an ihnen nicht genehme Nichtregierungsorganisationen drängen572. 5. Erfolg nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsanträge Der Erfolg nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsanträge wurde jüngst ausführlich anhand von fast 3.000 Aktionärsanträgen aus den Jahren 1992 bis 2002 untersucht.573 Dabei wurde zwischen den drei Erfolgskategorien „Rücknahme des Antrags“, „positive Stellungnahme der SEC“ und „Abstimmungsergebnis“ differenziert. Jenseits der in der Untersuchung ermittelten Zahlen dürfte die tatsächliche Erfolgsquote des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagements aber noch höher ausfallen, da die zugrunde liegenden Daten nur am nach außen sichtbaren Teil der Aktivitäten ansetzen und damit die häufig im Vorfeld der Antragstellung stattfindenden Verhandlungen zwischen Unternehmen und potentiellen Antragstellern ausgeblendet werden. Die Einigungschance ist in diesem Stadium besonders hoch, wenn der potentielle Antragsteller ein Pensions- oder Nachhaltigkeitsfonds oder eine religiöse Gruppe ist.574 a) Antragsrücknahmen Zieht ein Aktionärsaktivist seinen Antrag vor der Abstimmung auf der Aktionärsversammlung zurück, so deutet dieses Verhalten im Regelfall darauf hin, dass die Gesellschaft das mit dem Antrag adressierte Anliegen erfüllt hat oder dem Antragsteller in sonstiger Weise entgegengekommen ist. Im Untersuchungszeitraum von 1992 bis 2002 gelangte etwa ein Drittel aller sozial-ökologischen Aktionärsanträge aufgrund einer Rücknahmeerklärung des Antragstellers nicht zur Abstimmung.575 Von ihrem Recht auf Antragsrücknahme machten die einzelnen Antragstellergruppen dabei höchst unterschiedlichen Gebrauch: Gewerkschaften, religiöse Vereinigungen und Nachhaltigkeitsfonds zogen 40–45 % ihrer Anträge perty rights, trade liberalization, and deregulation – that expand business opportunities and increase shareholder value. 3. Promoting the social benefits of business and the virtues of capitalism through support of pro-free enterprise nonprofit groups, public relations and participation in effective business trade organizations.“ 572 Vgl. SEC No-Action Letter Verizon Communications Inc. vom 25.01.2005, 2005 WL 172123: „Resolved, shareholders request the Board of Directors to establish a policy precluding future financial support of Jesse Jackson, the Citizenship Education Fund, Rainbow/Push Coalition, and/or any other nonprofit organization founded, headed or primarily identified with Jesse Jackson.“ 573 Vgl. Tkac, Fed. Res. Bank of Atl. Econ. Rev. 2006, 1, 13 ff.; vgl. auch die ähnliche Untersuchung von O’Rourke, 12 Bus. & Env. 227, 232 f. (2003) sowie von Rindfleisch, 5 Berkeley Bus. L. J. 45 ff. (2008). 574 Tkac, Fed. Res. Bank of Atl. Econ. Rev. 2006, 1, 13. 575 Tkac, Fed. Res. Bank of Atl. Econ. Rev. 2006, 1, 15; jüngste Erhebungen zeigen, dass die Rücknahmequote in den vergangenen Jahren weiter angestiegen ist, vgl. RiskMetrics Group, 2008 Postseason Report Summary, S. 11.

214

2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

zurück. Demgegenüber nutzen Individualantragsteller und kleinere Nichtregierungsorganisationen dieses Recht nur in 3 % bzw. 15 % aller Fälle, was auf ihre geringe Durchsetzungsmacht zurückzuführen sein dürfte. Die Antragsrücknahme war bei etwa 80 % der untersuchten Vorfälle dadurch veranlasst, dass die Gesellschaft die vom Antragsteller empfohlene Maßnahme umsetzte. Bei knapp 20 % der Rücknahmen zeigten sich die Antragsteller kompromissbereit und willigten in ein Dialogangebot des Unternehmens ein, ohne dass der Empfehlung des Antrags Rechnung getragen worden wäre. Eine Rücknahme ohne Antragsumsetzung oder Dialogangebot kam hingegen nur in einer verschwindend geringen Zahl der untersuchten Fälle vor.576 b) Positive Stellungnahmen der SEC im Prüfverfahren Von den untersuchten Anträgen scheiterten nur etwa 17 % an den Hürden der shareholder proposal rule. Häufigster Grund für die fehlende Veröffentlichungspflicht war dabei der Bezug des Antrags zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Gesellschaft (Rule 14a-8 (i)(7)).577 Für den ganz überwiegenden Teil der Anträge bestätigte die SEC hingegen die Pflicht zur Veröffentlichung in den proxy materials. Dabei hatten Individualantragsteller die größten Schwierigkeiten, die formellen und materiellen Voraussetzungen der Rule 14a-8 zu erfüllen (ca. 45 % der nicht mitteilungspflichtigen Anträge). Die Anträge von Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen machten jeweils etwa 20 % aus, was ihre Expertise im Umgang mit dem Aktionärsantragsprozess widerspiegelt. Demgegenüber stammten weniger als 10 % der nicht veröffentlichungspflichtigen Anträge von Nachhaltigkeitsfonds, wofür neben der professionellen Handhabung ökonomische Anreize der Fondsmanager verantwortlich gemacht werden können.578 c) Abstimmungsergebnisse Etwa die Hälfte (52 %) aller eingereichten Anträge gelangte schließlich zur Abstimmung. Im Zeitraum 1992–2002 stimmten den Anträgen durchschnittlich 8,2 % der Aktionäre zu.579 Demgegenüber steigerte sich die Zustimmungsquote in den Jahren 2003–2005 auf etwa 11 % (vgl. Tabelle 3) und wuchs bis 2008 auf 14,5 % an.580 Nachhaltigkeitsorientierte Anträge bleiben damit noch immer weit von einer Mehrheit entfernt, was unter anderem auf das Abstimmungsverhalten klassischer Investmentfonds und vieler Pensionsfonds zurückzuführen ist, die sich im Regelfall der Stimme enthalten. Gleichwohl ist eine deutliche Steigerung 576 577 578 579 580

Vgl. Tkac, Fed. Res. Bank of Atl. Econ. Rev. 2006, 1, 17. RiskMetrics Group, 2007 Postseason Report, S. 31. Tkac, Fed. Res. Bank of Atl. Econ. Rev. 2006, 1, 14. Tkac, Fed. Res. Bank of Atl. Econ. Rev. 2006, 1, 15. Vgl. RiskMetrics Group, 2008 Postseason Report Summary, S. 10.

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

215

Tabelle 3 Gesellschaftspolitische Aktionärsanträge in den USA 2003–2005581 gestellte Anträge

Gegenstand des Antrags

zurückgezogene zur Abstimmung Anträge stehende Anträge

Abstimmungsergebnisse (%)

2003 2004 2005 2003 2004 2005 2003 2004 2005 2003 2004 2005

AIDS-Pandemie

13

14

10

11

5

4

2

8

5

8,1

19,7

12,5

Beschäftigungschancen von Minderheiten

31

32

32

17

22

20

12

7

10

23,5

24,7

18,6

Diversität der Leitungsgremien

12

13

14

5

6

7

7

5

4

27,1

6,9

21,5

3

0

0

0

5

4

3

8,1

8,6

6,9

Energie

6

4

Gemeinnützige Aufwendungen

28

17

6

2

0

0

7

12

1

7,7

7,2

6,4

Gentechnik

12

10

12

2

0

2

10

8

10

7,0

6,6

5,7

Globale Beschäftigungsstandards

31

27

25

11

5

8

18

18

14

11,0

16,6

11,4

Klimawandel

25

25

35

10

7

17

12

11

11

16,7

14,4

10,8

Managementvergütung (Anbindung an soz. Kriterien)

9

17

18

2

1

5

5

15

10

9,5

8,3

8,2

Menschenrechte

15

13

11

2

2

1

10

11

8

9,1

7,8

8,8

Militär

11

11

10

2

2

5

9

9

5

5,8

6,5

5,9

Nachhaltigkeitsberichte

15

28

19

10

11

5

4

11

10

24,6

25,1

24,1

Nordirland

10

10

6

2

3

1

8

7

4

8,6

9,1

10,4

5

51

42

0

4

5

5

37

32

5,9

9,1

10,4

Rauschmittel (Entwicklung & Vermarktung, ohne Tabak)

11

10

8

7

1

0

1

5

7

6,4

6,4

16,6

Tabak

24

18

14

9

7

2

15

11

10

8,2

5,8

2,7

3

10

27

0

1

7

1

6

17

5,3

3,7

3,3

25

20

18

7

3

3

12

13

12

11,1

14,73

9,1

Parteispenden

Tierschutz Umwelt (Management/ Berichterstattung) Sonstige Themen Insgesamt

12

20

38

6

7

11

2

2

4

8,3

9,8

7,1

299

350

348

105

87

98

145

200

177

11,9

11,4

10,3

581 Nach Social Investment Forum (Hrsg.), 2005 Report on Socially Responsible Investing Trends in the United States, S. 19 (Stand: 31.08.2005). Zu den „sonstigen Themen“ gehören u. a. Anträge zu Massenentlassungen und zu Verlagerungen von Belegschaften.

10

9

8

7

6

5

4

3

2

1

Tabelle 4

2003

Verpflichtung zu und Bericht über Diversität der Leitungsgremien

Calvert

Calvert

Gentex

2003

2003

2005

Erstellung eines Nachhaltigkeitsbericht nach den 2004 Grundsätzen der Global Reporting Initiative (GRI)

Einführung einer nicht diskriminierenden Beschäftigungspolitik gegenüber Homosexuellen

Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts

Bericht über Empfänger, Höhe und Vergabegrundsätze politischer Spenden

Ryland Group Inc.

Walden Asset Mgmt., Calvert

Dover

Benedictine Sisters, Domini Social Investments

Cooper Industries

Newground Social Investment

Plum Creak Timber Company, Inc.

NorthStar Asset Management

2004

Einführung einer nicht diskriminierenden Beschäftigungspolitik gegenüber Homosexuellen

Fifth Third Bancorp

NYCERS

Überprüfung und Bericht über Arbeitsbedingungen 2004 bei Lieferanten

Prüfung und Verringerung von giftigen Emissionen 2004

2003

2004

contra

contra

contra

contra

pro

pro

pro

pro

pro

pro

39,2

42,2

42,8

44,3

56,2

62,8

91,5

92,2

93,3

97,9

Jahr Haltung Zustimmung Mgmt. in%

Cintas Corp.

Christian Brothers Investment Service

Typo International, Ltd.

NYCERS, NYC Teachers, Trillum Asset Mgmt.

J. C. Penney Co., Inc. Einführung einer nicht diskriminierenden Beschäftigungspolitik gegenüber Homosexuellen

Prüfung der Auswirkungen der AIDS-Pandemie auf die Gesellschaft

Coca-Cola Co.

ASC Investment

Gegenstand des Antrags

Adressat/ Antragsteller

Höchste Zustimmungsquoten 2003–2005582

216 2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

Trillum Asset Mgmt.

Anadarko Petroleum Corp.

Maryknoll Fathers and Bros.

Triquent Semiconductor

Camilla Madden Trust, Catholic Healthcare W.

Gilead Sciences, Inc.

NYCERS, NYC Teachers

CenterPoint Energy

CREA

Yum! Brands, Inc.

Bericht über und Reduzierung von Treibhausgasemissionen

Bericht über Beteiligung am US-Raketenabwehrprogramm (National Missile Defense)

Prüfung der Auswirkungen der AIDS-Pandemie auf die Gesellschaft

Einführung einer nicht diskriminierenden Beschäftigungspolitik gegenüber Homosexuellen

Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts

2004

2003

2005

2003

2004

2004

Bericht über und Reduzierung von Treibhausgasemissionen

Boston Common Asset Mgmt.

Calvert

Apache Corp.

2005

2003

2005

Erstellung eines Nachhaltigkeitsbericht nach den 2004 Grundsätzen der Global Reporting Initiative (GRI)

Einführung einer nicht diskriminierenden Beschäftigungspolitik gegenüber Homosexuellen

Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts

Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts

AGCO Corp.

Domini, NorthStar, Pride Foundation

Emerson Electric Co.

Trillium, Needmor Fund, United Church Christ

Yum! Brands, Inc.

CREA, Trillium, Christus Health, ELCA

Yum! Brands, Inc.

contra

contra

contra

contra

contra

contra

contra

contra

contra

contra

31,4

31,5

31,7

32,2

32,9

37,1

38,3

38,9

39,0

39,1

582 Nach Social Investment Forum (Hrsg.), 2005 Report on Socially Responsible Investing Trends in the United States, S. 23 (Stand: 05.12.2005).

20

19

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§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen 217

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

gegenüber den Ergebnissen vergangener Jahrzehnte spürbar, die dazu beigetragen hat, dass die in Rule 14a-8 (i)(12)) normierten Voraussetzungen einer mehrmaligen Antragstellung häufig erfüllt werden. Große Unterschiede weisen die Zustimmungsraten zu einzelnen Themen auf: Während Anträge zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (ca. 25 %), zur Beschäftigung von Minderheiten (ca. 22 %), zum Klimawandel (ca. 14 %) und zu globalen Beschäftigungsstandards (ca. 13 %) in den Jahren 2003–2005 eine überdurchschnittliche Unterstützung erfuhren, blieben Empfehlungen im Bereich des Tierschutzes (ca. 4 %) und der Produktion von Kriegsgerät (ca. 6 %) weit zurück (vgl. Tabelle 3). In Einzelfällen erzielen sozial-ökologische Anträge heute auch Zustimmungswerte, die noch in den 1990er Jahren undenkbar gewesen wären (vgl. Tabelle 4). II. Reform 1998 1. Vorgeschichte der Reform Der Gesetzgeber hatte der SEC im Oktober 1996 im National Securities Markets Improvement Act den Auftrag erteilt, binnen eines Jahres eine umfassende Studie über die Effektivität der bundesrechtlichen Absicherung des Aktionärsantragsrechts zu erarbeiten.583 Daraufhin brachte die Behörde im Februar 1997 einen Fragebogen in Umlauf, mit dem die Standpunkte und Interessen der Beteiligten ergründet werden sollten. Wenig überraschend sprachen sich Unternehmensleitungen und Aktionäre mit großer Mehrheit für ein Festhalten am überkommenen System der Rule 14a-8 mit der SEC in der Rolle des Schiedsrichters aus. Alternativen Regelungsmodellen – etwa einer privatautonomen oder bundesstaatlichen Formalisierung des Antragsprozederes – wurde wie schon 1983 eine Absage erteilt.584 Im Übrigen offenbarten die Stellungnahmen aber erneut den fundamentalen Interessengegensatz zwischen Aktionären und den Verwaltungen, der bereits im Zuge der vorausgegangenen Novellierungen deutlich wurde. Während 40 % der Unternehmen es als vordringlichstes Reformziel ansahen, das Spektrum zulässiger Anträge zu verringern, war es wichtigstes Anliegen von 63 % der befragten Aktionäre, die Zulässigkeitskriterien zu erweitern. Noch offensichtlicher wurde die Polarisierung bei der Frage sichtbar, wie in Zukunft mit beschäftigungsbezogenen Anträgen verfahren werden sollte: Eine von 91 % der 583

Vgl. dazu bereits § 6 D. III. 3. Für die Einführung einer privatautonomen Regelung sprachen sich 47 % der befragten Unternehmen und 1 % der befragten Aktionäre aus, während 49 % der Unternehmen und 93 % der Aktionäre dieses Modell ablehnten. Gegen eine Regulierung der Offenlegungspflichten bei Aktionärsanträgen durch die einzelnen Bundesstaaten stimmten 89 % der Unternehmen und der Aktionäre, vgl. SEC Exchange Release No. 34-39,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682, 50,684 (1997). 584

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

219

befragten Unternehmen getragene Mehrheit sprach sich diesbezüglich für ein Festhalten an der restriktiven Linie des Cracker Barrel-No-Action Letters aus, wohingegen 86 % der Anteilseigner eine Rückkehr zur früheren einzelfallbezogenen Betrachtung forderten.585 Nach Auswertung zahlreicher Stellungnahmen erarbeitete die SEC eine Entwurfsfassung, die der Öffentlichkeit im September 1997 vorgelegt wurde.586 Die darin vorgeschlagenen Änderungen waren sichtlich von dem Bemühen geprägt, die gegenläufigen Interessen der Beteiligten zu einem sachgerechten Ausgleich zu bringen. Dieser sollte durch eine enge Anbindung der Modifikationen an den mit der shareholder proposal rule verfolgten Zweck erreicht werden: einerseits der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Aktionärsinformation, andererseits der Erhöhung des Anlegervertrauens durch die Förderung von Anträgen, die für die Gesellschaft und ihre Geschäftstätigkeit von Bedeutung sind. Dazu sollte zugunsten der Aktionäre das Spektrum zulässiger Anträge erweitert werden. Zudem war beabsichtigt, den Unternehmen durch verschiedene Präzisierungen klarere Maßstäbe für die Handhabung von Anträgen an die Hand zu geben und zugleich ihre Befugnisse zur Nichtveröffentlichung wiederholt gestellter Anträge auszuweiten. Trotz dieser auf Ausgleich bedachten Haltung der SEC erntete der Entwurf von allen Seiten harsche Kritik und löste eine Debatte bisher unbekannter Intensität aus, die vor allem auch über die Medien mit ungewöhnlicher Heftigkeit geführt wurde. Insgesamt gingen der SEC in den beiden auf die Entwurfsveröffentlichung folgenden Monaten mehr als 2.000 Stellungnahmen zu.587 Die Trennlinie zwischen institutionellen Anlegern, Aktionärsvereinigungen und Kleinaktionären auf der einen Seite und den Unternehmen bzw. ihren Verwaltungen auf der anderen war dabei klar gezogen: Während letztere die vorgeschlagenen Änderungen als viel zu weitgehend betrachteten, hörten die Anleger bereits die Totenglocke für den konstruktiven Dialog zwischen Unternehmen und ihren Aktionären läuten.588 Die SEC reagierte hierauf, indem sie einige ihrer geplanten Änderungen fallen ließ und im Mai 1998 eine Neufassung der shareholder proposal rule beschloss, die die rechtlichen Rahmenbedingungen für Aktionärsanträge nur maßvoll weiterentwickelte.589 585 SEC Exchange Release No. 34-39,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682, 50,684 (1997). 586 Amendments to Rules on Shareholder Proposals, SEC Exchange Release No. 3439,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682 (1997). 587 Gemessen an der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Vorbereitung der Reform von 1983 stellt dies eine Verfünffachung der Beteiligung dar, vgl. § 6 D. II. 2. Ein Teil der Stellungnahmen ist im Internet unter http://www.sec.gov/rules/proposed/s72597.shtml abrufbar. 588 Vgl. die Nachweise bei Mueller, 28 Stetson L. Rev. 451, 498 (1998); Uhlenbrock, 25 Del. J. Corp. L. 277, 295 (2000). 589 SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106 (1998); vgl. Anhang, Dokument Nr. 9.

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

2. Im Zuge der Reform 1998 umgesetzte Änderungen a) Grundlegende Umgestaltung der Rule 14a-8 Die auf den ersten Blick auffälligste Änderung bestand in einer grundlegenden Umgestaltung der äußeren Form der shareholder proposal rule, die durch die Novellierungen der zurückliegenden Jahrzehnte immer mehr an Umfang gewonnen und an Übersichtlichkeit und Verständlichkeit eingebüßt hatte.590 Um dieser Entwicklung gegenzusteuern nahm die SEC von der klassischen Normstruktur mit Absätzen und Unterabsätzen Abstand und bediente sich erstmals in ihrer Geschichte eines Frage-Antwort-Schemas, das den Aktionär direkt ansprach. Um die Verständlichkeit der Vorschrift noch weiter zu fördern, wurden an unterschiedlichen Stellen verschraubte Formulierungen vereinfacht und Fachtermini durch schlichtere Begriffe ersetzt, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung verbunden gewesen wäre („new plain English format“).591 Als eine der wenigen Neuerungen wurde diese Veränderung im Rahmen der öffentlichen Konsultation von allen Seiten begrüßt.592 b) Rückkehr zur Einzelfallbetrachtung beschäftigungsbezogener Anträge Die bedeutendste und zugleich kontroverseste Änderung inhaltlicher Art betraf nicht den Wortlaut der Rule 14a-8 selbst, sondern lediglich ihre Auslegung, genauer: die Interpretation des Ausnahmetatbestands des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft (Rule 14a-8(i)(7)). Nachdem die restriktive Handhabung beschäftigungsbezogener Anträge seit der Veröffentlichung des Cracker Barrel-No-Action Letters im Oktober 1992 unablässig im Sperrfeuer der Kritik stand593, vollzog die SEC nun eine Rückkehr zur einzelfallbezogenen Prüfung. Seit der Reform von 1998 unterliegen beschäftigungsbezogene Anträge somit erneut dann nicht dem ordinary business-Tatbestand, wenn sie gewichtige ge590 Bezeichnenderweise waren 65 % der auf den Fragebogen antwortenden Kleinaktionäre der Ansicht, dass die Mehrheit der Aktionäre die Vorschrift nicht verstehe, vgl. SEC Exchange Release No. 34-39,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682, 50,684 (1997). 591 So wurde etwa die Passage sprachlich überarbeitet, nach der ein Antrag nicht aufgenommen werden muss, wenn das Recht des Sitzes des Emittenten („laws of the issuer’s domicile“) für den zur Abstimmung gestellte Gegenstand keine Zuständigkeit der Aktionäre vorsieht. Die Entwurfsfassung zur Novelle von 1998 sah noch vor, stattdessen die Formulierung „the laws of the state of the company’s incorporation“ zu verwenden. Nachdem im Anhörungsverfahren darauf hingewiesen wurde, dass die ebenfalls von Rule 14a-8 erfassten partnerships nicht inkorporiert sind, wurde schließlich auf „the laws of the jurisdiction of the company’s organization“ abgestellt. 592 SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106, 29,107 (1998) m.w. N.; vgl. § 6 E. II. 3. c) zur nicht umgesetzten Neuformulierung des ordinary business-Tatbestandes. 593 Vgl. oben § 6 D. III. 3.

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

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sellschaftspolitische Belange tangieren. Die zuvor durch Cracker Barrel bewirkte Verobjektivierung des Ausnahmetatbestands wurde hierdurch vollständig aufgegeben, da die SEC weder einen abstrakten Maßstab für die Bewertung eines „wichtigen gesellschaftspolitischen Belangs“ aufstellte, noch Beispiele bildete, in denen ein Antrag Fragen anspricht, die über das bloße Tagesgeschäft des Unternehmens hinaus von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung sind.594 Angesichts einer sich gerade in den 1990er Jahren wandelnden Beschäftigungswelt und einer wechselhaften öffentlichen Meinung kann diese Zurückhaltung der SEC jedoch nicht zum Vorwurf gemacht werden. Insbesondere hätte bei Nennung bestimmter Einzelfälle die Gefahr bestanden, einzelne gesellschaftspolitische Themen ungeachtet einer gewandelten öffentlichen Meinung als ausschlussfest zu zementieren. Kritisch gesehen werden muss demgegenüber die verschleiernde Begründung, mit der die SEC das Abrücken von Cracker Barrel zu rechtfertigen versuchte. Die Rückkehr zu einer einzelfallbezogenen Betrachtungsweise war nach Ansicht der Kommission erforderlich, weil zwar die Schwierigkeiten bei der Einordnung beschäftigungsbezogener Anträge fortbestünden, die soziale Dimension bestimmter Beschäftigungspraktiken aber seit 1992 zum Gegenstand einer intensiven öffentlichen Debatte geworden sei.595 Daraus darf freilich nicht der Schluss gezogen werden, dass vor 1992 keine öffentlichen Debatten zu bestimmten Beschäftigungsaspekten stattfanden. Erinnert sei hierbei nur an die Diskussionen um die Massenentlassungen infolge der Übernahmewelle der 1980er Jahre596 oder die Debatte um die Chancengleichheit von Minderheiten in Unternehmen. Der öffentliche Diskurs zu Arbeitnehmerfragen hatte sich demnach seit 1992 nur inhaltlich gewandelt, ohne aber völlig neu entstanden zu sein. Es erscheint deshalb wenig überzeugend, dass die Abkehr von Cracker Barrel mit der besonderen Aktualität der Debatte begründet wurde. Auch der in der Entwurfsfassung der Novelle genannte Grund, die Abkehr von Cracker Barrel sei im Lichte der sonstigen, unternehmensfreundlichen Änderungsvorschläge gerechtfertigt597, erscheint nicht tragfähig, da diese Vorschläge in der endgültigen Fassung der Vorschrift keine Berücksichtigung fanden.598 Schließlich rechtfertigte die SEC ihre Kehrt594 In der Literatur wurde die Abkehr von Cracker Barrel einhellig begrüßt, der dadurch erneut zur Anwendung gelangende Zwei-Stufen-Test wegen seiner Unbestimmtheit jedoch kritisiert, vgl. Lazaroff, 50 Rut. L. Rev. 33, 95 (1997); McCann, 39 B. C. L. Rev. 965, 990 (1998); Rahnema, 7 U. Miami Bus. L. Rev. 273, 294, 307 (1999); Stanton, 77 Wash. U. L. Quart. 979, 991 (1999); Uhlenbrock, 25 Del. J. Corp. L. 277, 308 (2000). 595 SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106, 29,108 (1998). 596 Siehe dazu etwa Blair, Ownership and Control, S. 101 ff. sowie Wells, 51 U. Kann. L. Rev. 77, 126 (2002). 597 SEC Exchange Release No. 34-39,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682, 50,688 (1997). 598 Vgl. dazu noch unten § 6 E. II. 3.

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

wende noch mit der großen Unterstützung, die der Vorschlag einer Abkehr von Cracker Barrel im Rahmen des öffentlichen Konsultationsverfahrens auf Seiten der Aktionäre gefunden hatte.599 Da sich die Stellungnahmen aus der Geschäftswelt aber ebenso leidenschaftlich für die Beibehaltung einer restriktiven Auslegungspraxis aussprachen, hätte es einer weiteren Begründung bedurft, weshalb den Interessen der Aktionäre der Vorzug einzuräumen war. Der tatsächliche Grund für das Abrücken von dem objektiven Auslegungsstandard wird von diesen Begründungslinien indes verschleiert: Cracker Barrel wurde aufgegeben, weil dies politisch gewollt war. Darauf deutet zum einen der im National Securities Markets Improvement Act 1996 gegebene Prüfauftrag hin.600 Zum anderen endeten 1996 die Amtsperioden der letzten republikanischen Kommissionsmitglieder. Die Kommission wurde nun von Mandatsträgern dominiert, die von Präsident Clinton ernannt wurden, dessen Administration der Cracker Barrel-Entscheidung äußerst kritisch gegenüberstand.601 Die Abkehr von Cracker Barrel beruhte deshalb nicht auf sachlich fundierten Gründen, sondern war lediglich Ausdruck der bereits im Zuge vorangegangener Reformen deutlich zu Tage getretenen Politisierung der SEC. c) Sonstige Änderungen Neben der formellen Umgestaltung und der Rückkehr zur Einzelfallbetrachtung beschäftigungsbezogener Anträge erfuhr die shareholder proposal rule im Zuge der Reform von 1998 nur geringfügige Änderungen bzw. Ergänzungen. aa) Anhebung des Mindestbesitzerfordernisses Das Mindestbesitzerfordernis wurde von 1.000 $ auf 2.000 $ erhöht (Rule 14a8 (b)(1)). Diese Änderung, mit der der seit 1983 eingetretenen Geldentwertung Rechnung getragen werden sollte, wurde von den meisten Stellungnahmen befürwortet. Lediglich aus Wirtschaftskreisen wurde vereinzelt auf eine stärkere Anhebung des Mindestaktienbesitzes gedrängt. Dem hielt die SEC entgegen, dass das Aktionärsantragsrecht in besonderem Maße der Kommunikation von Kleinaktionären diene, die durch ein zu hoch angesetztes Mindestbesitzerfordernis nicht erstickt werden dürfe.602

599 SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106, 29,108 (1998). 600 Vgl. oben § 6 D. III. 3. 601 Vgl. Securities and Exchange Commission (Hrsg.), 1997 Annual Report, S. XIV ff. sowie zur Kritik § 6 D. III. 3. 602 SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106, 29,111 f. (1998).

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

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bb) Definition des Begriffs „Antrag“ In ihrem Bemühen um eine einfachere und verständlichere Regelung fügte die Kommission auch erstmals eine Definition des Begriffs des Aktionärsantrags ein. Hierzu bestimmte nun Rule 14a-8 (a), dass unter diesen Begriff jede Empfehlung oder Forderung zur Vornahme einer bestimmten Handlung durch die Gesellschaft und/oder den Board zu verstehen ist, die den Aktionären auf dem annual meeting zur Abstimmung vorgelegt werden soll. Nach den Vorstellungen der SEC sollte die Betonung dabei auf der Handlungsgerichtetheit des Antrags liegen. Auf diese Weise sollten solche (schriftlichen) Aktionärsäußerungen vom Anwendungsbereich der shareholder proposal rule ausgenommen sein, mit denen lediglich bestimmte Ansichten zum Ausdruck gebracht werden, ohne dass zugleich eine konkrete Handlung gefordert wird.603 cc) Verfahrensfragen und Neuregelung des discretionary voting Sonstige Änderungen betrafen das bei der Ablehnung eines Antrags zu beachtende Verfahren (Rule 14a-8 (f)) und die Stimmrechtseinwerbung für unbestimmte Abstimmungsgegenstände (sog. discretionary voting, Rule 14a-4).604 3. Im Verlauf der Reformdiskussion verworfene Vorschläge Auf die Umsetzung der meisten Änderungsvorschläge verzichtete die SEC aufgrund der erheblichen Kritik, die diese im Verlauf des öffentlichen Konsultationsverfahrens bei Investoren, Aktivisten und Unternehmen ausgelöst hatten.605 Die verworfenen Vorschläge betrafen in erster Linie die Ausnahmetatbestände, deren Handhabbarkeit im Interesse der Rechtssicherheit verbessert werden sollte. a) Handhabung des Tatbestands der persönlichen Beschwerde Bereits im Zuge der Reform von 1983 hatte die SEC festgestellt, dass der Ausnahmetatbestand der persönlichen Beschwerde (personal grievance) die womög603 Die SEC führt dazu exemplarisch den Antrag an, mit dem die Unterstützung eines bestimmten Gesetzgebungsvorhabens durch die Gesellschaft gerügt werde soll, vgl. SEC Exchange Release No. 34-39,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682, 50,694 (1997). In der Vergangenheit hatte die SEC derartige „Anträge“ für zulässig erachtet. Allein maßgeblich ist dabei die äußere Form und nicht das Motiv des Antragstellers, vgl. SEC No-Action Letter AT&T Inc. vom 16.02.2007, 2007 WL 571101 (zulässige Handlungsempfehlung, obwohl der Antragsteller lediglich eine Diskussion anstoßen wollte). 604 Vgl. zu letzterem ausf. Tuerks, Depotstimmrechtspraxis, S. 102 f. 605 SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106 (1998).

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

lich subjektivste, jedenfalls aber die am schwierigsten handhabbare Bestimmung der gesamten shareholder proposal rule sei.606 Besondere Schwierigkeiten bereiteten der SEC dabei seit jeher diejenigen Anträge, deren Formulierung auf den ersten Blick nicht darauf hindeutete, dass der Antragsteller nur ein persönliches Anliegen verfolgt. In diesen Fällen hatte die Behörde unter Zuhilfenahme der Stellungnahmen des Antragstellers und der Gesellschaft die hinter dem Antrag stehenden Motive zu ergründen, was sie regelmäßig überforderte. In der Praxis hielt die SEC den Ausnahmetatbestand deshalb nur bei wenigen dieser in objektiver Hinsicht neutralen Anträge für einschlägig.607 Angesichts dieser Ausgangslage sollten nun die erforderlichen Konsequenzen gezogen werden, vor denen sich die SEC 1983 trotz der bereits damals festgestellten Schwierigkeiten noch gescheut hatte. Vorgeschlagen wurde dazu eine Neuinterpretation des Tatbestands, der künftig von der Behörde nur dann als erfüllt angesehen werden sollte, wenn ein Antrag bereits auf den ersten Blick („on its face“) eine persönliche Beschwerde oder das Sonderinteresse eines Aktionärs betrifft. An der Pflicht der Gesellschaften, der SEC auch objektiv neutrale Anträge zuzuleiten, deren Veröffentlichung in den proxy materials verweigert wird, sollte sich dadurch jedoch nichts ändern. Zukünftig wollte sich die Behörde bei diesen Anträgen aber einer Stellungnahme enthalten („no view“). Die Unternehmen sollten danach frei entscheiden können, ob sie genügend Fakten zusammengetragen haben, um eine persönliche Beschwerde bzw. ein Sonderinteresse des Antragstellers nachzuweisen und die Veröffentlichung ablehnen zu können.608 Der Vorschlag stieß bei den an der Konsultation teilnehmenden Aktionären auf Ablehnung. Vor allem wurde dabei die Befürchtung geäußert, dass die Gesellschaften den ihnen neu eingeräumten Spielraum ausnutzen könnten, um auch die Veröffentlichung solcher Anträge zu verweigern, die tatsächlich keine persönliche Beschwerde beinhalten und keinem Sonderinteresse dienen. Die Antragsteller seien in diesen Fällen gezwungen, ihr Recht auf Mitteilung des Antrags gerichtlich durchzusetzen und zunächst die Kosten der Rechtsverfolgung zu tragen. Außerdem glaubten einige der Stellung nehmenden Aktionäre, dass die Unternehmen den geänderten Auslegungsmaßstab vor allem zur Abwehr sozial-ökologischer Anträge nutzen würden, obwohl diese nach Auffassung der SEC von dem Tatbestand ausdrücklich nicht erfasst sein sollten.609 Die erhöhte Wahrscheinlichkeit von Rechtsstreitigkeiten zwischen Antragstellern und Unternehmen, die infolge der Umsetzung des Vorschlags eingetreten wäre, ließen die Kommission

606 Dazu bereits § 6 D. II. 3. b) bb); vgl. auch Eisenberg, 15 Rev. Sec. Reg. 903, 907 (1982). 607 Vgl. Mueller, 28 Stetson L. Rev. 451, 505 (1998). 608 SEC Exchange Release No. 34-39,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682, 50,686 (1997). 609 Vgl. dazu § 6 D. II. 3. b) bb).

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

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schließlich von dem Vorschlag Abstand nehmen. Stattdessen sollte an der gegenwärtigen Praxis einer einzelfallbezogenen Prüfung festgehalten werden.610 b) Verobjektivierung der „unbedeutenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit“ Die SEC hatte zuletzt 1983 versucht, durch die Einführung klarer Schwellenwerte die Handhabbarkeit des Tatbestands der unbedeutenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zu verbessern. Da ein Antrag aber nach der novellierten Fassung von 1983 auch dann veröffentlicht werden musste, wenn er eine sonstige bedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit („otherwise significantly related“) aufwies, blieben die Bemühungen um eine Verobjektivierung des Ausnahmetatbestands letztlich erfolglos.611 Dieses „Schlupfloch“ für subjektive Erwägungen sorgte für große Unsicherheit in der praktischen Handhabung und führte dazu, dass Anträge nur äußerst selten unter Berufung auf diesen Ausschlussgrund abgelehnt werden konnten.612 Die Entwurfsfassung von 1997 sah deshalb die Einführung eines rein wirtschaftlichen Maßstabs zur Bewertung der „Beziehung zur Geschäftstätigkeit“ vor. Diese Verobjektivierung sollte durch eine Streichung des „otherwise significantly related“-Passus bewirkt werden. Eine unbedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft sollte künftig nur dann vorliegen, wenn der Antrag sich auf Aspekte der Geschäftstätigkeit bezieht, die mit Waren oder Dienstleistungen im Wert von weniger als 10 Mio. $ oder weniger als 3 % der Bruttoeinnahmen oder der Bilanzsumme der Gesellschaft im Zusammenhang stehen.613 Zugleich betonte die SEC, dass das Abrücken von dem früheren subjektiven Maßstab durch verschiedene Vorkehrungen zugunsten der Aktionäre abgefedert werde: Der Ausnahmetatbestand sollte nur auf Anträge anwendbar sein, die sich auf einen quantifizierbaren Gegenstand, etwa die Geschäftstätigkeit im Ausland oder eine bestimmte Produktgruppe, richten. Demgegenüber sollten Anträge, bei denen eine solche Quantifizierung nicht möglich ist, weiterhin ver610 SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106, 29,112 (1998). 611 Vgl. dazu schon § 6 D. II. 3. b) cc). 612 Zwischen September 1996 und September 1997 gelang es nur zwei Gesellschaften, die Veröffentlichung von Anträgen wegen einer fehlenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit zu verhindern, vgl. SEC Exchange Release No. 34-39,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682, 50,686 (1997). 613 „If the proposal relates to a matter involving the purchase or sale of services or products which represents $ 10 million or less in gross revenues or total costs, whichever is appropriate, for the company’s most recently completed fiscal year. However, if 3 % of the company’s gross revenue or total assets, whichever is higher, for the company’s most recently completed fiscal year, results in a number less than $ 10 million, that number applies instead of $ 10 million“, Rule 14a-8 (i)(5) (Proposed Rule 1997).

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

öffentlichungspflichtig sein. Außerdem seien die Schwellenwerte gegenüber der bislang geltenden Fassung abgesenkt worden, so dass es künftig einfacher sein werde, die wirtschaftlichen Kriterien zu erfüllen. Schließlich sollte die zugleich vorgeschlagene override provision614 ein ausgleichendes Gegengewicht bilden, da mit ihr die Antragsveröffentlichung bei hinreichender Aktionärsunterstützung hätte erzwungen werden können. Im öffentlichen Konsultationsprozess erhielt der Vorschlag in seiner konkreten Ausgestaltung indes nur wenig Unterstützung. Die Stellungnahmen aus dem Lager der Unternehmen begrüßten zwar den grundsätzlichen Reformansatz, kritisierten aber zugleich die gewählten Schwellenwerte. Diese seien so niedrig angesetzt, dass der Tatbestand nur in wenigen Fällen wirklich zweifelsfrei zur Anwendung kommen könnte. Die Rechtsunsicherheit, deren Beseitigung das Ziel des Änderungsvorschlags gewesen sei, werde auf diese Weise nur unzureichend abgemildert. Auch bei weiten Teilen der Stellung nehmenden Aktionäre stieß der Vorschlag auf Ablehnung.615 Die Kommission verzichtete deshalb auf seine Umsetzung. c) Neuformulierung des ordinary business-Tatbestandes Nach den Vorstellungen der SEC sollte im Zuge der sprachlichen Vereinfachung der Rule 14a-8 auch der Tatbestand des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb umgestaltet werden, der in der Vergangenheit immer mehr zur Zielscheibe der Kritik von Aktionären, Unternehmen und Wissenschaft geworden war. Die bisherige Fassung verwendete mit der Formulierung „ordinary business“ nach Ansicht der Behörde einen juristischen Kunstbegriff, der kaum Anhaltspunkte für Inhalt und Grenzen seines Anwendungsbereichs bot. Die Entwurfsfassung der Novelle sah deshalb vor, die überkommene Terminologie aufzugeben und die Nichtveröffentlichung eines Antrags dann zuzulassen, wenn dieser sich auf typische unternehmerische Entscheidungen beziehe, die für gewöhnlich dem Ermessen der Unternehmensleitung vorbehalten sind.616 Eine inhaltliche Abweichung vom früheren Verständnis sollte damit nicht verbunden sein. Flankiert werden sollte die überarbeitete Fassung von einer nicht abschließenden Aufzählung von Fällen, in denen der Tatbestand zum Tragen kommen sollte. Genannt wurden etwa Anträge zum Format, das eine Zeitung für die Darstellung der Börsenkurse wähle, zur Frage, ob eine Gesellschaft einen Jahresbeitrag für das Zurverfügungstellen einer Kreditkarte fordern sollte, zur Höhe der Löhne der ab614

Vgl. dazu § 6 E. II. 3. e). Vgl. dazu insgesamt SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106, 29,113 (1998). 616 „[. . .] if the proposal relates to specific business decisions normally left to the discretion of management.“, vgl. SEC Exchange Release No. 34-39,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682, 50,685 (1997). 615

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

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hängig Beschäftigten oder – bei Kapitalanlagegesellschaften – zur Investition in Wertpapiere eines bestimmten Unternehmens. Auch die zu diesem Vorschlag ergangenen Stellungnahmen waren überwiegend ablehnender Natur. Zahlreiche Kritiker warnten davor, dass die Formulierung – auch wenn dies nicht beabsichtigt sei – als inhaltliche Neuausrichtung missverstanden werden könnte. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass der Terminus „ordinary business“ in seinen Konturen zwar unscharf sei, er aber wegen der jahrelangen praktischen Erfahrung in seiner Handhabung noch weniger Unschärfen als der neue Begriff des „unternehmerischen Ermessens“ aufweise.617 Es bestünde deshalb die Gefahr, dass der Anwendungsbereich des neu formulierten Tatbestandes zunächst in kostspieligen Gerichtsprozessen zwischen Antragstellern und Unternehmen ausgelotet werde.618 Um dies zu verhindern verfolgte die SEC diesen Reformvorschlag nicht weiter, sondern hielt an der überkommenen Fassung fest. d) Erhöhung der Schwellenwerte für eine wiederholte Antragstellung Die SEC hatte zuletzt 1983 versucht, die Schwellenwerte für die wiederholte Einbringung eines Aktionärsantrags zu erhöhen. Diese Änderung hatte aber aufgrund formeller Fehler vor dem U.S. District Court of Columbia keinen Bestand.619 Mit dem Reformentwurf 1997 unternahm die SEC nun einen erneuten Anlauf zur Verschärfung der Wiedereinbringungsvoraussetzungen. Sie wollte damit den Wünschen der Unternehmensleitungen entgegenkommen, die die große Zahl wiederholt gestellter Anträge beklagten, und zugleich ein Gegengewicht zu den aktionärsfreundlichen Aspekten des Reformentwurfs schaffen. Künftig sollten Anträge bei der ersten Wiedereinbringung mindestens 6 %, bei der zweiten mindestens 15 % und ab der dritten mindestens 30 % der auf der jeweils vorausgegangenen Hauptversammlung abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen.620 Diese Anhebung sollte nach Auffassung der Kommission gerechtfertigt sein, weil ein Antrag, der diese Schwellenwerte nicht überschreitet, auch bei der nächsten Hauptversammlung keine mehrheitliche Zustimmung generieren wird. Das sprunghafte Ansteigen der zu erfüllenden Mindestquoren ab der zweiten Wiedereinbringung sollte dem Umstand Rechnung tragen, dass der Antragsteller in diesem Fall zwei bzw. drei Jahre Zeit hatte, um bei seinen Mitaktionären um Unterstützung für sein Anliegen zu werben. Auch dieser Reformvorschlag scheiterte schließlich am erheblichen Widerstand des Aktionärslagers. Vor allem Aktivisten aus Kirchenkreisen, aber auch 617

Darauf weist etwa Lazaroff, 50 Rut. L. Rev. 33, 94 (1997) eindringlich hin. SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106, 29,107 (1998). 619 Vgl. dazu § 6 D. II. 3. b) ff). 620 SEC Exchange Release No. 34-39,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682, 50,689 (1997). 618

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

große öffentliche Pensionsfonds wie NYERCS und CalPERS, lehnten die Anhebung der Schwellenwerte ab, weil davon zu viele Anträge, insbesondere solche mit gesellschaftspolitischem Inhalt, betroffen sein würden.621 Die meisten nachhaltigkeitsorientierten Aktivisten würden bei einer Verschärfung der Wiedereinbringungsvoraussetzungen nur eine einzige Gelegenheit haben, ihr Anliegen vorzutragen, obwohl es häufig einige Zeit brauche, um das Bewusstsein der Mitaktionäre für ein bestimmtes Problem zu wecken.622 Somit blieb es bei den schon zuvor geltenden Schwellenwerten von 3 %, 6 % und 10 %. e) Außerkraftsetzen von Ausnahmetatbeständen durch hinreichende Aktionärsunterstützung („override provision“) Dem Interesse der Aktionäre an einer Lockerung der Ausnahmetatbestände sollte hingegen die override provision gelten, mit der es Antragstellern ermöglicht werden sollte, die Tatbestände des Bezugs zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und der unbedeutenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit außer Kraft zu setzen. Der Mechanismus sollte nach den Vorstellungen der SEC zur Anwendung kommen, wenn eine Antragsveröffentlichung von mindestens 3 % der stimmberechtigten Aktien unterstützt wird.623 Da auch der Antragsteller selbst seinen eigenen Antrag unterstützten können sollte, wären einige institutionelle Anleger aufgrund ihres Stimmgewichts per se von den Ausnahmetatbeständen freigestellt worden. Die separate Stellung eines Antrags sollte auch den unterstützenden Aktionären noch möglich sein. Insgesamt hätte jeder Aktionär aber nur die Einbeziehung eines Antrags unterstützen dürfen.624 Der vorgeschlagene Umgehungsmechanismus war erkennbar von dem Gedanken der Subsidiarität getragen: Die Aktionäre sollten selbst entscheiden dürfen, welche Anträge hinreichend bedeutsam sind, um in den proxy materials veröffentlicht zu werden.625 Entsprechend positiv war die Resonanz im Kreise der Aktionäre. Kritik wurde lediglich an der 3 %-Schwelle geübt, die als unerreichbar

621 SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106, 29,113 (1998). 622 Vgl. Lazaroff, 50 Rut. L. Rev. 33, 94 (1997); Mueller, 28 Stetson L. Rev. 451, 509 (1998). 623 SEC Exchange Release No. 34-39,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682, 50,690 (1997). Innerhalb der Kommission hatte sich diesbezüglich aber noch keine abschließende Meinung gebildet. Alternativ wurde erwogen, auch eine bestimmte Anzahl unterstützender Aktionäre (200 oder 500) ausreichen zu lassen. Zudem wurde zur Diskussion gestellt, ob der Grad der Unterstützung mit zunehmender Größe der Gesellschaft abnehmen sollte, vgl. a. a. O. 624 SEC Exchange Release No. 34-39,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682, 50,690 (1997). 625 Vgl. SEC Exchange Release No. 34-39,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682, 50,690 (1997).

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angesehen wurde.626 Die Stellungnahmen der Unternehmen fielen demgegenüber weitestgehend ablehnend aus. Sie befürchteten, dass die betroffenen Ausnahmetatbestände aufgrund der zu niedrig angesetzten Umgehungsschwelle ausgehöhlt werden könnten.627 Der innovative Ansatz der override provision wurde nach Abschluss des öffentlichen Konsultationsprozesses nicht weiterverfolgt und fand keinen Eingang in die novellierte Fassung der Rule 14a-8. Die amtliche Begründung der Novelle enthält dazu lediglich den knappen Hinweis, dass man sich entschieden habe, den Vorschlag nicht umzusetzen.628 Deutlicher wird der Grund für die Nichtumsetzung aber wenn man sich vergegenwärtigt, dass die vorgeschlagenen Reformmaßnahmen als „Paket“ gedacht waren, mit dem die Interessen der Beteiligten zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht werden sollten.629 Die einzelnen Vorschläge der Entwurfsfassung waren dadurch konzeptionell miteinander verknüpft. Da nach dem Konsultationsverfahren die unternehmensfreundlichen Vorschläge überwiegend fallengelassen wurden, war es nur folgerichtig, auch die override provision aufzugeben. 4. Fazit Die 1998 in Kraft getretene Novelle erfüllte die im National Securities Markets Improvement Act indirekt erhobene Forderung nach einer liberaleren Handhabung der shareholder proposal rule. Ein bedeutender Themenkreis des gesellschaftspolitischen Aktionärsaktivismus stand fortan wieder einer Erörterung durch Aktionärsanträge offen. Der von der SEC ursprünglich angestrebte Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen der Aktionäre auf der einen und den Verwaltungen auf der anderen Seite wurde hingegen nur unvollkommen verwirklicht. Die unternehmensbegünstigenden Reformvorschläge blieben im Novellierungsverfahren weitestgehend auf der Strecke. Nicht anders als bei den vorangegangenen Reformen drängte sich dem Beobachter deshalb auch diesmal der Eindruck auf, dass sich die SEC bei der Umgestaltung der Rule 14a-8 weniger von sachlichen Notwendigkeiten als von politischen Opportunitätserwägungen leiten ließ.

626 SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106, 29,113 (1998); Mueller, 28 Stetson L. Rev. 451, 511 (1998) m.w. N. 627 SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106, 29,113 (1998). 628 SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106, 29,113 (1998): „We have decided not to adopt the proposed ,override‘ mechanism.“ 629 Vgl. nur SEC Exchange Release No. 34-39,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682 (1997).

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III. Zur Reformdebatte 2006–2010 Nach der 1998 erfolgten Novellierung der Rule 14a-8 kehrte in die Diskussion um die shareholder proposal rule zunächst für einige Jahre Ruhe ein. Die noch in den 1980er und 1990er Jahren deutlich vernehmbare Kritik an der Ausgestaltung der Rule 14a-8 im Allgemeinen und am gesellschaftspolitischen Aktionärsengagement im Besonderen flachte merklich ab. Erst im Nachgang einer Entscheidung des U.S. Court of Appeals (vgl. unten 1.) entstand ab 2006 eine hitzige Debatte um die Zukunft der bundesstaatlichen Regelungen zum Aktionärsantragsrecht, die im Jahr darauf zu Reformvorschlägen der Kommission (vgl. unten 2.) und zur bislang letzten Novellierung der Rule 14a-8 führte (vgl. unten 3. und 4.). Zwar hat die von der Kommission beschlossene Änderung zu keinen praktischen Konsequenzen für sozial oder ökologisch motivierte Aktionäre geführt. Dennoch lohnt eine Beschäftigung mit diesem jüngsten Kapital der Entwicklungsgeschichte der Rule 14a-8, da es zugleich das letzte für den gesellschaftspolitischen Aktionärsaktivismus in seiner überkommenen Form zu werden drohte. 1. Aktionärsantragsrecht, Direktorenwahl und die Entscheidung in Sachen AFSCME v. AIG Die neuerliche Reformdebatte muss in erster Linie vor dem Hintergrund des bereits seit Jahren schwelenden Streits um die Liberalisierung der Rule 14a-8 für Anträge zu Board-Wahlen gesehen werden. Nach den bundesstaatlichen Gesellschaftsrechten steht den Aktionären zwar das Recht zu, die Mitglieder des Board in Abstimmungen zu wählen. Bei ihrer Auswahl sind sie aber praktisch auf die vom amtierenden Board nominierten Kandidaten beschränkt, weil die Nominierung eigener Kandidaten eine eigene, kostenintensive Stimmrechtseinwerbung („proxy contest“) nach sich ziehen würde, die nur höchst selten vorkommt.630 Verstärkte Kritik an der weitgehenden Machtlosigkeit der Aktionäre631 wurde aber erst nach den spektakulären Unternehmenszusammenbrüchen zu Beginn des neuen Jahrtausends laut. Institutionelle Anleger waren nunmehr daran interessiert, Einfluss auf den Nominierungsprozess im Vorfeld der Direktorenwahlen zu gewinnen. Deshalb initiierten sie ab dem Jahr 2003 zunehmend Anträge, die auf eine Umgestaltung des Nominierungsprozesses durch Bylaws-Änderungen abzielten. Kern der vorgeschlagenen Änderungen war dabei die Verpflichtung des Board, künftig auch die von Aktionären nominierten Kandidaten in den proxy materials der Gesellschaften zu veröffentlichen und für diese Stimmrechtsvoll-

630 Vgl. dazu SEC-Rule 14a-11 sowie die Darstellung bei Tuerks, Depotstimmrechtspraxis, S. 88 ff. 631 Vgl. Zukin, 33 Pepp. L. Rev. 937, 957 (2006): „toothless and insufficient“.

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

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machten einzuwerben. Die SEC hielt derartige Anträge allerdings für nicht veröffentlichungspflichtig, weil sie den Tatbestand des Bezugs zu einer Wahl (relates to election, Rule 14a-8 (i)(8)) als erfüllt ansah.632 Zugleich scheiterte die Kommission mit einer Initiative, größeren Aktionären in bestimmten Fällen ein eigenes Nominierungsrecht zuzugestehen.633 Diese Pläne wurden aufgrund des erheblichen Widerstands von Seiten der Wirtschaft nicht weiter verfolgt. Als Katalysator der Diskussion um die Rechtsstellung der Aktionäre im Nominierungsprozess wirkte aber schließlich die im September 2006 gefällte Entscheidung des U.S. Court of Appeals for the Second Circuit in Sachen AFSCME v. AIG.634 Der Pensionsfonds AFSCME hatte zuvor vergeblich versucht, einen Bylaws-Änderungsantrag der oben geschilderten Art in den proxy materials der American International Group veröffentlichen zu lassen. Das Gericht entschied nach einer sorgfältigen Auseinandersetzung mit der Geschichte der Rule 14a-8, dass die Gesellschaft zur Veröffentlichung des Antrags verpflichtet war. Der Ausnahmetatbestand des Bezugs zu einer Wahl (Rule 14a-8 (i)(8)) sei als nicht erfüllt anzusehen, wenn mit dem Antrag lediglich allgemeine Verfahrensregeln für alle zukünftigen Board-Wahlen festgeschrieben werden sollen, ohne dass der Antrag auf eine konkrete Wahl abziele. Im Ergebnis führte dieses Urteil dazu, dass im Verlauf der Hauptversammlungssaison 2007 erstmals Anträge zum Nominierungsprozess im Vorfeld der Direktorenwahlen zur Abstimmung standen. Zwar konnte in den großen Publikumsaktiengesellschaften keiner der Anträge eine Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen635, die Diskussion um den „machtlosen“ Aktionär erhielt jedoch einen deutlichen Schub.636 2. Reformvorschläge der SEC Die Diskussion kulminierte schließlich in Reformvorschlägen zur Weiterentwicklung der Rule 14a-8, die von der Kommission im Juli 2007 beschlossen wurden. Ähnlich wie schon bei der Vorbereitung der Reform von 1983637 be632

Vgl. Bostelman/Reeder/Geldzahler/Ogle, 15 Corp. Gov. Adv. 7, 8 (2007). Vgl. SEC Exchange Act Release No. 34-48,626 (Oct. 23, 2003), 68 Fed. Reg. 60,784 (2003); dazu ausf. Zukin, 33 Pepp. L. Rev. 937, 966 (2006); Harrington, The Challenge to Power, S. 226. 634 American Federation of State, County & Muncipal Employees, Employees Pension Plan v. American International Group, Inc., 462 F.3d 121 (2d Cir. 2006); dazu ausf. Kominsky, 2 Entrepreneurial Bus. L. J. 573 ff. (2007); aus dem deutschen Schrifttum Meder, RIW 2007, 28, 30 f. 635 So stimmten etwa einem entsprechenden Antrag bei Hewlett Packard nur gut 43 % zu, vgl. RiskMetrics Group, 2007 Postseason Report, S. 16 m.w. N. 636 Vgl. aus dem Meinungsspektrum nur Bainbridge, 53 UCLA L. Rev. 601, 616 ff. (2006); Bebchuk, 93 Va. L. Rev. 675, 679 ff. (2007) sowie Lipton/Savitt, 93 Va. L. Rev. 733 ff. (2007), jeweils m.w. N. 637 Vgl. § 6 D. II. 1. 633

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schränkte sich die SEC nicht auf einen Vorschlag, sondern stellte zwei Modelle mit grundlegend unterschiedlichen Zielrichtungen zur Debatte. Diese sind Zeugnis der zwischen den Kommissionsmitgliedern bestehenden deutlichen Meinungsverschiedenheiten über die Rolle der Aktionäre im Nominierungsprozess der Board-Mitglieder und stellen letztlich nur ein Abbild der in der juristischen Literatur bestehenden Meinungslager dar.638 a) Reformmodell I: Einschränkung der Aktionärsrechte im Nominierungsprozess Das erste zur Diskussion gestellte Reformmodell zielte auf eine Wiederherstellung des Auslegungsstandards ab, den die SEC bis zur Entscheidung des U.S. Court of Appeals bei Anträgen zum Nominierungsprozess kontinuierlich angewandt hatte.639 Zu diesem Zweck sollte der Wortlaut von Rule 14a-8 (i)(8) so präzisiert werden, dass die Veröffentlichungspflicht für sämtliche Anträge entfällt, die einen Bezug zur Nominierung oder zur Wahl der Mitglieder des Board aufweisen oder die Verfahrensweise bei einer solchen Nominierung oder Wahl betreffen.640 In der amtlichen Begründung des Entwurfs betonte die Kommission, dass mit dem Vorschlag lediglich eine Kodifizierung der seit Jahrzehnten gängigen Auslegungspraxis angestrebt werde. Er sorge damit nicht nur für Rechtssicherheit, sondern auch für Kontinuität. Die Kommission rechtfertigte die Einschränkung der Aktionärsrolle im Nominierungsprozess mit dem Zweck des bereits bestehenden Ausnahmetatbestands: Den Aktionären müsse die Nutzung der proxy materials im Zusammenhang mit Wahlen untersagt werden, da die proxy rules für konkurrierende Stimmrechtseinwerbungen in Rule 14a-12 detaillierte Vorschriften enthalten. Diese sehen für diesen Fall besondere Offenlegungspflichten vor, die der Aktionär zu erfüllen habe und die nicht umgangen werden dürfen.641

638 Die Reformmodelle wurden von der Kommission mit einer Mehrheit von jeweils 3:2 Stimmen beschlossen. Während sich die republikanischen Kommissionsmitglieder für eine Einschränkung der Aktionärsrechte aussprachen, waren die demokratischen Mitglieder für eine Ausweitung. Der Vorsitzende der Kommission Cox unterstützte hingegen beide Vorschläge, um eine möglichst breite öffentliche Diskussion zu den Alternativmodellen zu ermöglichen, vgl. Bostelman/Reeder/Geldzahler/Ogle, 15 Corp. Gov. Adv. 7, 9 (2007). 639 SEC Exchange Act Release No. 34-56,161 (Jul. 27, 2007), 72 Fed. Reg. 43,488 (2007). 640 „(i)(8) Relates to election: If the proposal relates to a nomination or an election for membership on the company’s board of directors or analogous governing body or a procedure for such nomination or election;“, vgl. SEC Exchange Act Release No. 3456,161 (Jul. 27, 2007), 72 Fed. Reg. 43,488, 43,496 (2007). 641 Vgl. SEC Exchange Act Release No. 34-56,161 (Jul. 27, 2007), 72 Fed. Reg. 43,488, 43,491 (2007).

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b) Reformmodell II: Ausweitung der Aktionärsrechte im Nominierungsprozess und Infragestellung empfehlender Anträge Das alternativ zur Debatte gestellte Reformmodell sah neben der Stärkung der Aktionärsrolle im Nominierungsprozess und der Einführung von Regeln zu internetbasierten Aktionärsforen tiefgreifende Veränderungen für empfehlende Aktionärsanträge vor. aa) Nominierung von Board-Mitgliedern Kernstück des zweiten Modells war die Ausweitung der Aktionärsrechte im Nominierungsprozess.642 In Anlehnung an das im Herbst 2003 zur Diskussion gestellte Modell sollte künftig denjenigen Aktionären, die mehr als ein Jahr lang mindestens 5 % der stimmberechtigten Aktien der Gesellschaft gehalten haben, das Recht eingeräumt werden, einen Antrag zur Änderung der Bylaws-Regeln über die Direktorennominierung in den proxy materials veröffentlichen zu lassen (Rule 14a-8 (i)(8)). Bei der Ausgestaltung des Verfahrens der Nominierung sollte diesen Aktionären ein weiter Spielraum eingeräumt sein, der seine Grenzen lediglich in den Vorschriften des bundesstaatlichen Rechts sowie den Gesellschaftsdokumenten finden sollte. So sollte es etwa möglich sein, die Nominierungsberechtigung mit dem Erfordernis eines Mindestaktienbesitzes zu verknüpfen oder Regelungen zur Kostentragung zu treffen.643 Flankiert werden sollte dieses Recht zur Stellung von Bylaws-Anträgen durch verschärfte Offenlegungspflichten der Antragsteller, um den Mitaktionären eine informierte Stimmrechtsausübung zu ermöglichen. bb) Internetbasierte Aktionärsforen Außerdem formulierte das Reformmodell einige klarstellende Regelungen für die Einrichtung und Unterhaltung von Aktionärsforen im Internet. Den Begriff des Aktionärsforums verstand die Kommission dabei denkbar weit: Erfasst sein sollten alle Webseiten, die von Aktionären oder Gesellschaften zum Meinungsaustausch zwischen den Aktionären bzw. den Aktionären und ihrer Gesellschaft eingerichtet wurden.644 Der Verwendungszweck der von dem Reformmodell adressierten Aktionärsforen war damit ersichtlich ein anderer als der des Aktio642 SEC Exchange Act Release No. 34-56,160 (Jul. 27, 2007), 72 Fed. Reg. 43,466, 43,469 ff. (2007). 643 Vgl. SEC Exchange Act Release No. 34-56,160 (Jul. 27, 2007), 72 Fed. Reg. 43,466, 43,470 (2007). 644 Vgl. Entwurf Rule 14a-18 (a) sowie SEC Exchange Act Release No. 34-56,160 (Jul. 27, 2007), 72 Fed. Reg. 43,466, 43,477 (2007).

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närsforums im deutschen Aktienrecht645, das lediglich zur Aufforderung zu gemeinsamer Antragstellung oder gemeinsamer Stimmrechtsausübung dient. Gefördert werden sollte vielmehr der in der realtypischen Hauptversammlung kaum mehr vorkommende Dialog zwischen den Aktionären und den Mitgliedern des Board. Zwar waren die Einrichtung und das Betreiben von Aktionärsforen auch schon unter dem bis dato geltenden Kapitalmarktrecht im Grundsatz erlaubt. Explizite Vorschriften, insbesondere zu Fragen der Haftung, existierten jedoch nicht. Aus den daraus erwachsenden Vorbehalten der Gesellschaften und Aktionäre gegen die Eröffnung solcher Foren leitete die Kommission nun ein Regelungsbedürfnis ab.646 cc) Handhabung empfehlender Anträge Die hitzige Debatte, die die Veröffentlichung der Reformmodelle nach sich zog, war indes größtenteils nicht von den Vorschlägen zur Rolle der Aktionäre im Nominierungsprozess oder zur Absicherung der internetbasierten Aktionärskommunikation veranlasst. Sie entstand vielmehr aus Überlegungen der Kommission zur künftigen Handhabung unverbindlicher, rein empfehlender Aktionärsanträge. Die Kommission stellte hierbei zwei Modelle zur Diskussion, die zu einem grundlegenden Wandel der Praxis des gesellschaftspolitischen Aktionärsaktivismus geführt hätten. Nach dem ersten Modell sollte sich die Zulässigkeit empfehlender Anträge künftig nicht mehr allein am Maßstab der Rule 14a-8 orientieren. Den Aktionären oder dem Board sollte es vielmehr alternativ erlaubt sein, in den Bylaws eigenständige Regelungen zur Behandlungen derartiger Anträge zu schaffen („Opt-

645 Vgl. § 127a AktG, eingefügt durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.09.2005, BGBl. I 2802. 646 SEC Exchange Act Release No. 34-56,160 (Jul. 27, 2007), 72 Fed. Reg. 43,466, 43,476 (2007). Die vorgeschlagenen Regelungen betrafen zum einen die Haftung des Forenbetreibers und der Forennutzer, zum anderen die Stimmrechtseinwerbung in Internetforen. In der Haftungsfrage stellte der Entwurf die Forenbetreiber von einer kapitalmarktrechtlichen Haftung für Beiträge der Forumsteilnehmer frei (Rule 14-18 (b) Satz 1), betonte aber die Haftung der Forumsteilnehmer nach kapitalmarktrechtlichen Vorschriften (Rule 14a-18 (b) Satz 2). Außerdem stellte der Entwurf klar, dass die im Aktionärsforum gemachten Äußerungen nicht als Stimmrechtseinwerbung gewertet werden, wenn in ihnen weder direkt noch indirekt um Stimmrechtsvollmachten geworben wird und sie mehr als 60 Tage vor dem Hauptversammlungstermin erfolgen (Rule 14a-18 (c) i.V. m. Rule 14a-2 (b)(6)). Auf diese Weise sollte der ansonsten weit verstandene Begriff der Einwerbung von Stimmrechtsvollmachten (Rule 14a-1 (l)(1)(iii): „The terms ,solicit‘ and ,solicitation‘ include: [. . .] furnishing of a form of proxy or other communication to security holders under circumstances reasonably calculated to result in the procurement, withholding or revocation of a proxy.“) und die damit verbundenen Folgepflichten für den Bereich der Internetforen eingeschränkt werden.

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

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Out-Ansatz“).647 Dieses Modell knüpfte ersichtlich an den bereits 1982 gemachten Vorschlag an, der privatautonomen Regelung den Vorrang gegenüber der starren shareholder proposal rule einzuräumen.648 Die damals geäußerten Bedenken, dass die Verlagerung der Verantwortung für das Antragsprozedere auf Gesellschaften und Aktionäre eine Übervorteilung der Anteilseigner nach sich ziehen würde, teilte die Kommission nun nicht mehr. Sie betonte hingegen die gewandelten Rahmenbedingungen, unter denen sich die Möglichkeiten eines Zusammenwirkens von Aktionären enorm verbessert hätten. Hierzu zählte die Kommission die wachsende Bedeutung von institutionellen Investoren und Aktionärsdienstleistern649 sowie die durch das Internet verkürzten Kommunikationswege. Das zweite Modell ging noch einen Schritt weiter und stellte das herkömmliche System insgesamt zur Disposition. Anstelle der bislang praktizierten Trias von Antragsprüfung durch die SEC, Antragsveröffentlichung in den proxy materials und Abstimmung in der Hauptversammlung wurde die Einführung eines internetbasierten Petitionssystems vorgeschlagen.650 Den Aktionären sollte danach das Recht eingeräumt werden, der Gesellschaft eine Petition zu übermitteln. Bei Erfüllung der formellen und materiellen Voraussetzungen der Rule 14a-8 sollte die Gesellschaft verpflichtet sein, diese auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen und die Möglichkeit einer elektronischen Unterschriftensammlung einzurichten. Eine Mitteilung der Petition oder ein entsprechender Hinweis in den proxy materials der Gesellschaft war demgegenüber nicht vorgesehen. Im Ergebnis hätte dieses Modell eine Verlagerung der Informationslast bewirkt: Anstelle der Gesellschaft hätte nun der Petent sein Anliegen im Kreise der Aktionäre bekannt machen müssen. 3. Diskussion der Vorschläge und (vorläufiges) Ende der Debatte In der Öffentlichkeit schlugen diese beiden Vorschläge in den auf die Veröffentlichung folgenden Monaten ungewöhnlich hohe Wellen, die selbst die im Vorfeld der Reform von 1998 geführte Debatte in den Schatten stellte. Pensionsfonds, Versicherungen, Investmentfonds mit sozial-ökologischem Anlageprofil sowie zahlreiche Nichtregierungsorganisationen starteten eine bis dahin beispiellose Kampagne, in der für eine Beteiligung der Aktionäre im Nominierungsprozess der Board-Wahlen sowie für eine Offenhaltung des Aktionärsantragsprozederes für rein empfehlende Anträge gestritten wurde. Sie hatte zur Folge, dass der SEC weit über 30.000 Stellungnahmen (1997/98: 2.000) zugingen, die sich 647 SEC Exchange Act Release No. 34-56,160 (Jul. 27, 2007), 72 Fed. Reg. 43,466, 43,478 (2007). 648 Vgl. zu diesem Modell § 6 D. II. 1. b). 649 Vgl. dazu noch § 10 G. III. 2. 650 SEC Exchange Act Release No. 34-56,160 (Jul. 27, 2007), 72 Fed. Reg. 43,466, 43,479 (2007).

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

ganz überwiegend gegen ihre Reformvorschläge richteten.651 Ein Großteil der Stellungnahmen bestand dabei aus Musterbriefen, die von Aktivisten im Internet zur Verfügung gestellt wurden und die lediglich der Personalisierung bedurften. Lässt man diese Musterbriefe außer Acht und betrachtet nur die sonstigen Stellungnahmen, so ergab der öffentliche Konsultationsprozess das schon von vergangenen Reformen gewohnte Bild: Während institutionelle Anleger, Kleinanleger und Nichtregierungsorganisationen leidenschaftlich für ein Festhalten am Auslegungsstandard des Urteils AFSCME v. AIG stritten und jede Einschränkung des Aktionärsantragsrechts ablehnten, sprachen sich Vertreter der Unternehmen sowie ihre Berufsorganisationen unisono für eine Rückkehr zum status quo ante aus.652 Ähnlich unterschiedlich waren auch die Ansichten der fünf Kommissionsmitglieder der SEC. Während sich die beiden Mitglieder, die von der Demokratischen Partei vorgeschlagen wurden, für eine Stärkung der Aktionäre bei der Nominierung der Direktoren aussprachen, wollten die republikanischen Amtsträger einschließlich des Vorsitzenden Cox am Auslegungsstandard von 1976 festhalten.653 Die Kommission entschied sich schließlich im November 2007 mit 3:1 Stimmen654 für die Umsetzung des Reformvorschlags, der eine Rückkehr zum status quo ante vorsah. Die im Januar 2008 in Kraft getretene novellierte Fassung der Rule 14-8a (i)(8)655 ließ nun auch ausdrücklich die Ablehnung der Veröffentlichung eines Aktionärsantrags zu, wenn sich der Antrag auf die Nominierung oder Wahl von Mitgliedern des Board bezog oder die Vorgehensweise bei der Wahl oder Nominierung betraf. Zugleich wurden die klarstellenden Vorschläge zu internetbasierten Aktionärsforen in Kraft gesetzt.656 4. Wiederaufflammen der Diskussion und erneute Novellierung im Jahr 2010 Die Rückbesinnung der Kommission auf den status quo ante stand indes von vornherein auf tönernen Füßen: Zu tief war der Riss, der bei den Beratungen 651 Die Stellungnahmen sind unter http://www.sec.gov/comments/s7-16-07/ s71607.shtml (Vorschlag zur Ausweitung der Aktionärsrechte) und http://www.sec.gov/ comments/s7-17-07/s71707.shtml (Vorschlag zur Einschränkung der Aktionärsrechte) im Internet abrufbar. 652 Vgl. Securities Exchange Act of 1934 Release No. 34-56914 (Dec. 6, 2007), 72 Fed. Reg. 70,450, 70, 453 (2007). 653 Vgl. Börsenzeitung vom 30.11.2007, S. 6. 654 Aufgrund des Ausscheidens des demokratischen Kommissionsmitglieds Campos war ein Sitz vakant, vgl. dazu Börsenzeitung vom 04.10.2007, S. 7. 655 Securities Exchange Act of 1934 Release No. 34-56914 (Dec. 6, 2007), 72 Fed. Reg. 70,450 (2007); vgl. Anhang, Dokument Nr. 10. 656 Vgl. Securities Exchange Act of 1934 Release No. 34-57172 (Jan. 18, 2008), 73 Fed. Reg. 4,450 (2008).

§ 6 Das Recht auf Veröffentlichung von Aktionärsanträgen

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zwischen den Kommissionsmitgliedern der beiden politischen Lager zu Tage trat. Es konnte deshalb nicht überraschen, dass nach dem im Dezember 2008 vollzogenen Wechsel an der Spitze der SEC – Kommissionsvorsitzende wurde die Wunschkandidatin des neu gewählten US-Präsidenten Obama, Mary Schapiro – das Thema erneut auf der Agenda der Kommission auftauchte. Bei öffentlichen Auftritten betonte Schapiro den Zusammenhang zwischen der Finanzkrise und unzureichender Managerverantwortlichkeit und bekräftigte ihren Willen, diese Verantwortlichkeit durch eine Stärkung der Aktionäre im Nominierungsprozess der Board-Wahlen zu festigen.657 Bereits im Juni 2009 zeigte sich, wie ernst das Thema von der nunmehr demokratisch dominierten Kommission genommen wurde: Ein von der SEC vorgestellter, 250 Druckseiten umfassender Entwurf sah detaillierte und sorgfältig begründete Regelungen zur Rolle der Aktionäre im Vorfeld von Wahlen zum Board vor.658 Nach einer erneuten umfangreichen und kontroversen Öffentlichkeitsbeteiligung wurden die vorgeschlagenen Änderungen im August 2010 beschlossen.659 Neben der neu eingeführten Rule 14a-11, die sich mit Wahlvorschlägen der Aktionäre befasste, erfuhr auch der Wortlaut des Ausnahmetatbestands Rule 14a-8(i)(8) eine Änderung: Nicht veröffentlichungspflichtig sollten nunmehr nur noch solche Aktionärsanträge sein, die darauf abzielen, einen zur Wahl gestellten Kandidaten von der Wahl auszuschließen oder ein amtierendes Board-Mitglied vor dem Ablauf seiner Amtszeit abzuberufen, die Fragen der Sachkunde oder des Charakters eines Kandidaten oder amtierenden Board-Mitglieds thematisieren, die die Erwähnung eines konkreten Kandidaten in den proxy materials zum Gegenstand haben660 oder die das Ergebnis einer anstehenden Wahl von Board-Mitgliedern in anderer Weise beeinflussen können.661

657 „Another area where we are seeking to rebuild investors’ confidence involves access to corporate proxies. Very soon, the Commission will consider a proposal to ensure that a company’s owners have a meaningful opportunity to nominate directors to corporate boards. [. . .] The proxy access initiative is intended to empower investors and enable them to have a greater say in the nomination of directors of the companies they own. [. . .] I believe that empowered investors equate to confident investors. It is my expectation that enabling investors to participate meaningfully in the nomination of directors through proxy access will foster a sense of enhanced legitimacy to the director nomination process – and promote investor confidence, as well as accountability among managers and directors.“, so Schiparo in einer am 04.05.2009 vor Fondsmanagern gehaltenen Rede, zit. nach Amerson, 5 J. Bus. & Tech. L. 23, 40 (2010). 658 Facilitating Shareholder Director Nominations, Securities Exchange Act of 1934 Release No. 34-60089 (June 18, 2009), 74 Fed. Reg. 29,024 (2009). 659 Facilitating Shareholder Director Nominations, Securities Exchange Act of 1934 Release No. 34-62764 (Aug. 25, 2010), 75 Fed. Reg. 56,668 (2010), vgl. Anhang, Dokument Nr. 11. 660 In dieser Hinsicht soll nur die Sonderregelung der Rule 14a-11 maßgeblich sein. 661 Facilitating Shareholder Director Nominations, Securities Exchange Act of 1934 Release No. 34-62764 (Aug. 25, 2010), 75 Fed. Reg. 56,668, 56,782 (2010).

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Zum geplanten Inkrafttreten der Novellierung kam es indes (vorerst) nicht: Nachdem im September 2010 von Unternehmensseite eine Klage beim United States Court of Appeals for the District of Columbia Circuit gegen Rule 14a-11 eingereicht wurde662, suspendierte die SEC Anfang Oktober 2010 das Inkrafttreten der Novelle bis zum Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung663. IV. Fazit Die in den Jahren 2006 bis 2010 geführte Reformdebatte markiert das vorläufige Ende der Entwicklung der bundesrechtlichen Rahmenbedingungen des Aktionärsantragsrechts. Wendet man den Blick zurück auf die wechselvolle, von kontinuierlichen Reformen geprägte Geschichte der Rule 14a-8, dann fällt es leicht zu prognostizieren, dass damit nicht die letzte Novelle beschlossen wurde. Allerdings dürfte bereits mit der Reform von 2007 zunächst ein Schlussstrich unter Bestrebungen gezogen worden sein, die Ausübung des Aktionärsantragsrechts zur Thematisierung sozialer, politischer oder ökologischer Auswirkungen der Geschäftstätigkeit zu unterbinden. Bereits der Verlauf dieser Reformdiskussion zeigte, dass für derartige Überlegungen kein Raum war. Jenseits davon sprechen zwei weitere Faktoren dafür, dass die SEC der shareholder proposal rule und der nachhaltigkeitsorientierten Ausübung des Antragsrechts auch in den kommenden Jahren positiv gegenüberstehen wird: Zum einen ist nach den Erfahrungen der Vergangenheit eine restriktive Haltung einer demokratisch dominierten Kommission gegenüber der shareholder proposal rule nicht zu erwarten. Zum anderen hat die Finanzkrise eine spürbare Beschränkung des Aktionärsantragsrechts in nächster Zukunft unwahrscheinlich werden lassen. Zwar haben auch die Aktionärsaktivisten die lauernden Gefahren vor Ausbruch der Krise nicht erkennen, geschweige denn verhindern können. Auch ist noch nicht vollständig geklärt, ob nicht gerade bestimmte Formen des Aktionärsaktivismus – gedacht sei hierbei vor allem an das Engagement von Finanzinvestoren und ihre zum Teil übersteigerten Erwartungen an die Verzinsung des Eigenkapitals – die Risikoneigung der Unternehmensleitungen vieler Finanzinstitute verstärkten und damit eine Entstehensbedingung für die Finanzkrise setzten. Insgesamt scheint die Finanzkrise aber mehr und mehr die Erkenntnis reifen zu lassen, dass ein sich selbst überlassener Markt eine (selbst)zerstörerische Tendenz aufweist und die Lösung der bestehenden Probleme nicht in einer Abschirmung des Managements vor staatlicher Regulierung und sonstigen außermarktlichen Einflüssen liegen kann, sondern die jenseits des Marktes bestehenden Kräfte zu stärken sind.

662

Business Roundtable, et al. v. SEC, No. 10-1305 (D.C. Cir., filed Sept. 29, 2010). Securities Exchange Act of 1934 Release No. 34-63031 (Oct. 4, 2010): „order granting stay“. 663

§ 7 Gegenwärtige Handhabung der shareholder proposal rule

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§ 7 Gegenwärtige Handhabung der shareholder proposal rule Bereits im Zusammenhang mit der Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Rule 14a-8 ist deutlich geworden, dass der Aktionär nur dann einen Anspruch auf Veröffentlichung seines Antrags in den proxy materials hat, wenn der Anwendungsbereich der shareholder proposal rule eröffnet ist (unten A.) und ihre formellen (unten B.) und materiellen Voraussetzungen (unten C.) vorliegen. Obwohl die bei der Antragstellung zu beachtenden Formalitäten und die für Aktionärsanträge geltenden inhaltlichen Grenzen im Wortlaut der Rule 14a-8 zum Teil sehr ausführlich beschrieben werden, existiert ein weites Feld ungeregelter, durch Normauslegung zu ermittelnder Einzelfragen. Als Auslegungsmaterial können dabei neben Rule 14a-8 selbst die von der SEC zu Einzelaspekten der Normanwendung veröffentlichten Auslegungsleitlinien herangezogen werden. Da es nur wenig gerichtliches Fallmaterial zu Rule 14a-8 gibt und die No-Action Letters der SEC nur eine geringe, meist auf den konkreten Fall begrenzte Aussagekraft besitzen664, kommt der bereits dargestellten historischen Entwicklung, den von der SEC veröffentlichten Begründungen zu den Novellen und den Reformentwürfen sowie der Systematisierung der Einzelfallentscheidungen größtes Gewicht zu.

A. Anwendungsbereich der Rule 14a-8 Die bundesrechtlich verankerte Mitteilungspflicht für Aktionärsanträge gilt nicht für alle corporations gleichermaßen. Ihre Anwendbarkeit hängt gemäß Rule 14a-2 davon ab, ob die Aktien der Gesellschaft, bei der eine Stimmrechtseinwerbung stattfindet, der Registrierungspflicht der Sec. 12 des Securities Exchange Act 1934 unterliegen.665 Sie betrifft sämtliche Gesellschaften, deren Gesellschaftsvermögen 1 Mio. $ übersteigt und deren umworbene Aktien auf mindestens 500 Personen verteilt sind (Sec. 12 (g)(1)(A) und (B) Securities Exchange Act 1934). Unabhängig von diesen Schwellenwerten sind Gesellschaften aber auch dann registrierungspflichtig, wenn ihre Aktien an einer US-amerikanischen Börse gelistet sind (Rule 12 (g)(2)(A) Securities Exchange Act 1934).

664 Vgl. nur Abb. 5 auf S. 89. Ausführliche Stellungnahmen der SEC sind eine Seltenheit, vgl. zum Fall Cracker Barrell bereits § 6 D. III. 665 Außerdem darf keiner der Ausnahmetatbestände der Rule 14a-2 (a), (b) vorliegen, denen im vorliegenden Zusammenhang aber nur eine geringe Bedeutung zukommt, vgl. näher Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 787 (S. 399).

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B. Formelle Voraussetzungen der Mitteilungspflicht Sämtliche Aktionärsanträge müssen zunächst den „Filter“ der formellen Voraussetzungen der Rule 14a-8 durchlaufen. Einen Anspruch auf Veröffentlichung eines Antrags hat ein Aktionär nur dann, wenn er seine Antragsberechtigung nachweisen kann (unten I.). Darüber hinaus darf von jedem Aktionär pro Aktionärsversammlung nur ein Antrag gestellt werden (unten II.), der fristgerecht eingereicht worden sein muss (unten III.) und umfangmäßigen Beschränkungen unterliegt (unten IV.). Verstößt ein Aktionär gegen diese Voraussetzungen, so ist sein Anspruch auf Antragsveröffentlichung aber nicht von vornherein ausgeschlossen. Vielmehr eröffnet ihm die SEC häufig die Möglichkeit, seinen Antrag den formellen Erfordernissen der Rule 14a-8 anzupassen (unten V.). I. Antragsberechtigung Einen Anspruch auf Veröffentlichung eines shareholder proposals hat gemäß Rule 14a-8 (b) nur der stimmberechtigter Aktionär (unten 1.), der eine bestimmte Anzahl an Aktien dieser Gesellschaft über eine bestimmte Zeit hinweg gehalten hat (unten 2. und 3.) und dies auch nachweisen kann (unten 4.). Nach dem Willen der SEC soll durch diese Voraussetzungen sichergestellt werden, dass nur solche Aktionäre den Vorteil der bundesrechtlichen Mitteilungspflicht in Anspruch nehmen können, die ein ernsthaftes wirtschaftliches Interesse an der Gesellschaft dokumentieren können.666 1. Inhaber stimmberechtigter Aktien Die vom Antragsteller gehaltenen Aktien müssen ihm gerade zu diesem Antragsgegenstand Stimmrechte vermitteln. Damit haben solche Aktionäre keinen Anspruch auf Antragsveröffentlichung, deren Stimmrecht durch die Gesellschaftsdokumente teilweise beschränkt oder ganz ausgeschlossen wird.667

666 SEC Exchange Release No. 34-20,091 (Aug. 16, 1983), 48 Fed. Reg. 38,218, 38,219 (1983). 667 Vgl. dazu schon § 6 C. IV. 2. b) sowie SEC No-Action Letter OshKosh B’Gosh Inc. vom 19.03.2001, 2001 WL 290477 (Antrag zur Einführung von Menschenrechtsstandards, der wegen des fehlenden Stimmrechts des Antragsstellers zu dieser Frage unzulässig war); SEC No-Action Letter Medial General Inc. vom 10.02.2001, 2001 WL 138964 (Antrag zur Einführung bestimmter Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Aktionäre, der ebenfalls wegen des fehlenden Stimmrechts des Antragstellers unzulässig war).

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2. Mindesthaltedauer Rule 14a-8 (b) (1) Satz 1 schreibt im Hinblick auf die Aktien des Antragstellers eine ununterbrochene Mindesthaltedauer von einem Jahr vor. Dieses Erfordernis wirft vor allem bei Verschmelzungen Probleme auf. Bei einer Verschmelzung zur Neugründung stellt sich die Frage, ob eine Anrechnung der Besitzdauer von Aktien eines der Verschmelzungspartner möglich ist, wenn ein Aktionär im Zuge der Fusion Aktien der aus der Verschmelzung neu hervorgehenden Gesellschaft erhalten hat. Außerdem fragt sich bei einer Verschmelzung zur Aufnahme, ob den Aktionären der übertragenden Gesellschaft die Haltedauer von Aktien dieser Gesellschaft bei einer Antragstellung in der übernehmenden Gesellschaft zugute kommt. Die SEC orientiert sich insoweit streng am Wortlaut der Vorschrift, die auf den Aktienbesitz bei derjenigen Gesellschaft abstellt, die Adressat des Aktionärsantrags ist. Deshalb lehnt sie in ständiger Praxis eine Anrechnung früherer Halteperioden bei Verschmelzungen ab.668 3. Mindestaktienbesitz Die Antragsberechtigung setzt gemäß Rule 14a-8 (b) (1) Satz 1 einen Mindestbesitz an stimmberechtigten Aktien im Marktwert von 2.000 $ voraus. Alternativ genügt auch der – im Regelfall ungleich höhere – Betrag von 1 % aller stimmberechtigten Aktien. Anders als es der Wortlaut der Norm vermuten lässt, muss das Mindestbesitzerfordernis von 2.000 $ nicht kontinuierlich ein Jahr lang vor der Antragstellung erfüllt sein. Die SEC hat vielmehr in einer amtlichen Bekanntmachung darauf hingewiesen, dass dem Erfordernis bereits dann genüge getan ist, wenn der Aktienbesitz in einem 60 Tage umfassenden Zeitraum vor der Antragstellung an einem einzigen Tag einen Marktwert von mindestens 2.000 $ hat.669 Auf diese Weise soll der Volatilität der Aktienkurse Rechnung getragen werden. Zur Bestimmung des Marktwerts ist der durchschnittliche Angebots-/NachfragePreis (bid and ask price) an einem der 60 Tage vor Antragstellung maßgeblich. Ist ein solcher an der Börse, an dem die Gesellschaft gelistet wird, nicht verfügbar, so wird der Marktwert durch eine Multiplikation der Anzahl der vom Antragsteller gehaltenen Aktien mit dem höchsten Verkaufspreis innerhalb eines Zeitraums von 60 Tagen vor der Stellung des Antrags ermittelt.670 668 Vgl. SEC No-Action Letter Citigroup Inc. vom 28.02.2002, 2002 WL 32065562; SEC No-Action Letter Exelon Corporation vom 15.03.2001, 2001 WL 278486; SEC No-Action Letter Applied Power Inc. vom 04.10.1999, 1999 WL 792497. 669 Vgl. SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07.2001, C.1.a., abrufbar unter http://www.sec.gov/pdf/cfslb14.pdf. 670 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07. 2001, C.1.a.; vgl. auch SEC No-Action Letter Saks Inc. vom 09.02.2001, 2001 WL 166843; SEC No-Action Letter Allstate Corporation vom 05.02.2001, 2001 WL 34146840.

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4. Ununterbrochener Aktienbesitz bis zur Hauptversammlung Erforderlich ist schließlich der ununterbrochene Aktienbesitz des Antragstellers vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Hauptversammlung (Rule 14a-8 (b)(1) Satz 2). Der Antragsteller ist zudem verpflichtet, zusammen mit dem Antrag eine schriftliche Erklärung abzugeben, in der er seine Absicht zum Ausdruck bringt, die Aktien bis zum Tag der Hauptversammlung zu halten (Rule 14a-8 (b)(2) Satz 1 und Satz 3 (i)). Der Wille des Antragstellers muss dabei zweifelsfrei aus der Erklärung zu entnehmen sein.671 Veräußert der Antragsteller seine Aktien, nachdem er eine ordnungsgemäße Erklärung abgegeben hat, so hat die Gesellschaft gemäß Rule 14a-8 (f) (2) das Recht, in den folgenden zwei Jahren die Veröffentlichung jedes Aktionärsantrags dieses Antragstellers abzulehnen. 5. Kein zurückliegendes Antragsversäumnis Die Anzeigeverpflichtung des Aktionärs betrifft nur das Halten der Aktien bis zum Hauptversammlungstermin. Anders als nach früherem Recht672 ist der Antragssteller nach der geltenden Fassung der Rule 14a-8 nicht mehr dazu verpflichtet, der Gesellschaft bei der Übersendung des Antrags seine Teilnahmeabsicht für die Hauptversammlung anzuzeigen. Ihm obliegt es nach Rule 14a-8 (h)(1) aber, auf der Hauptversammlung anwesend zu sein und den Antrag dort zur Abstimmung zu stellen oder sich von einer anderen Person vertreten zu lassen.673 Dadurch soll sichergestellt werden, dass auf der Hauptversammlung eine Abstimmung über den Antrag tatsächlich stattfindet. Denn die Verwaltung ist nicht verpflichtet, den Antrag selbst zur Abstimmung zu stellen. Zudem wird durch das Präsenzerfordernis gewährleistet, dass der Antrag von einer sachverständigen Person vertreten wird, die eventuell aufkommende Fragen zum Antrag beantworten kann.674 Für den Fall, dass es dem Antragsteller ohne wichtigen Grund nicht gelingen sollte, auf der Hauptversammlung anwesend zu sein und den Antrag zur Abstimmung zu stellen, ordnet Rule 14a-8 (h)(3) eine empfindliche Rechtsfolge an: Die Gesellschaft ist sodann berechtigt, in den beiden auf die Hauptversammlung fol671 SEC No-Action Letter Exxon Mobil Corporation vom 23.01.2001, 2001 WL 65680 (Antrag unzulässig, weil der Antragsteller erklärte, nur dann von einer Veräußerung der Aktien abzusehen, wenn ihm dies möglich sei); SEC No-Action Letter AmVesters Financial Corporation vom 03.01.1996, 1996 WL 4250 (Antrag unzulässig, weil der Antragsteller mitteilte, er werde solange an den Aktien festhalten, bis deren Kursziel erreicht sei). 672 Vgl. schon § 6 C. III. 1. c), § 6 C. IV. 2. c) und § 6 D. II. 3. a) cc). 673 Von diesem Präsenzerfordernis wird nur bei Internethauptversammlungen abgesehen, Rule 14a-8 (h)(2), ausf. zum Internet als Medium der Aktionärsbeteiligung in den USA Spindler/Hüther, RIW 2000, 329. 674 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,994 (1976).

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genden Jahren die Veröffentlichung sämtlicher Anträge dieses Aktionärs abzulehnen. Anders gewendet bedeutet dies, dass die Antragsberechtigung eines Aktionärs nur dann vorliegt, wenn ihm in den beiden Kalenderjahren vor dem Jahr der aktuellen Hauptversammlung kein entschuldbarer Verstoß gegen seine Präsenzobliegenheit angelastet werden kann. Der säumige Aktionär kann seine Antragsberechtigung nur aufrechterhalten, indem er gegenüber der SEC nachweist, dass die versäumte Hauptversammlungsteilnahme bzw. die unterlassene Antragspräsentation auf einen wichtigen Grund (good cause) zurückzuführen ist. Weder die amtlichen Begründungen zu den Novellen der Rule 14a-8 noch die von der SEC veröffentlichten Anwendungshinweise enthalten allerdings generalisierende Leitlinien für die Konkretisierung dieses Tatbestandsmerkmals, so dass für seine Handhabung auf bereits ergangene Einzelfallentscheidungen abgestellt werden muss. Dabei zeigt sich, dass die good cause-Ausnahme von der SEC sehr restriktiv gehandhabt wird. Anreiseprobleme gehen zu Lasten des Antragstellers, gleich ob sie durch Verkehrsmittel675, zu hohe Kosten676 oder körperliche Gebrechen des Aktionärs677 verursacht werden. Auch der Besuch einer anderen Hauptversammlung oder die Teilnahme an einem Begräbnis678 rechtfertigen das Fernbleiben nicht. Demgegenüber hat die SEC in der Pflege der Ehefrau des Antragstellers nach einer Operation einen wichtigen Grund gesehen. Gleichwohl wurde dem Antragsteller die Antragsbefugnis im konkreten Fall abgesprochen, da er keine Schritte zur Bevollmächtigung eines Dritten unternommen hatte, was ihm zuzumuten gewesen wäre.679 Stellt die Gesellschaft hingegen einen Antrag auch ohne Anwesenheit des Antragstellers zur Abstimmung, so kann sie sich im darauffolgenden Jahr nicht auf dessen Säumnis berufen.680 6. Nachweis der Antragsberechtigung Hinsichtlich des Nachweises der Antragsberechtigung unterscheidet Rule 14a8 (b)(2) danach, ob der Antragsteller als Aktionär bei der Gesellschaft registriert ist, er also ein sog. record owner ist oder nicht. 675 SEC No-Action Letter Southwest Airlines Co. vom 12.03.2001, 2001 WL 278538 (verpasster Flug); SEC No-Action Letter Transamerica Corporation vom 27.12.1989, 1989 WL 246605 (Stau). 676 SEC No-Action Letter Occidental Petroleum Corporation vom 16.01.2001, 2001 WL 47264. 677 SEC No-Action Letter Johnson & Johnson vom 09.01.2001, 2001 WL 29080. 678 SEC No-Action Letter FleetBoston Financial Corporation vom 03.01.2002, 2002 WL 126578. 679 SEC No-Action Letter College Retirement Equities Fund vom 07.09.2000, 2000 WL 1280909; siehe aber SEC No-Action Letter ConocoPhillips vom 05.03. 2007, 2007 WL 724408 (Schwierigkeiten bei der Suche eines Vertreters stellen keinen wichtigen Grund dar). 680 SEC No-Action Letter Furtune Brands, Inc. vom 12.01.2004, 2004 WL 77133.

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

In dem praktisch seltenen Fall, dass der Antrag von einem record owner gestellt wird, kann die Gesellschaft unter Rückgriff auf ihre eigenen Unterlagen selbst feststellen, ob der Antragsteller die Voraussetzungen der Antragsberechtigung erfüllt. Rule 14a-8 (b)(2) Satz 1 ordnet deshalb an, dass der bei der Gesellschaft registrierte Antragsteller nur die Absichtserklärung abzugeben hat, bis zur Hauptversammlung Inhaber der Aktien zu bleiben. Anders verhält es sich demgegenüber, wenn die wirtschaftliche Berechtigung an der Aktie (beneficial ownership) und die Eintragung in den Unterlagen der Gesellschaft (record ownership) auseinanderfallen.681 Hierbei handelt es sich um den praktischen Regelfall, da üblicherweise nicht der Aktionär selbst, sondern seine Wertpapierbank oder sein Broker bei der Gesellschaft registriert ist. In dieser Konstellation eröffnet Rule 14a-8 (b)(2) Satz 3 dem Antragsteller zwei Möglichkeiten, seine Antragsberechtigung nachzuweisen. Hält der Antragsteller an der Gesellschaft einen Anteil, der über 5 % hinausgeht und hat er der SEC das Überschreiten dieser Beteiligungsschwelle formgerecht angezeigt, so genügt bereits die Übermittlung einer Kopie der genormten Meldeformulare (Schedule 13D, Schedule 13G) und die schriftliche Erklärung, das Mindestbesitzerfordernis ein Jahr lang ununterbrochen erfüllt zu haben (Rule 14a-8 (b)(2) Satz 3 (ii)). Für aktivistische Kleinaktionäre und für die Mehrzahl der institutionellen Anleger kommt diese Form des Nachweises aufgrund ihrer geringen Beteiligungshöhe nicht in Betracht. Sie können ihre Antragsberechtigung durch Vorlage einer schriftlichen Erklärung des record owner nachweisen, in der dieser einen ununterbrochenen Aktienbesitz des Antragstellers über ein Jahr hinweg bestätigt (Rule 14a-8 (b)(2) Satz 3 (i)). Mängel der Bestätigungserklärung, die etwa auf ungenaue Darstellungen durch den record owner zurückzuführen sind, gehen dabei zu Lasten des Antragstellers.682 II. Beschränkung auf einen Antrag Jeder Aktionär hat gemäß Rule 14a-8 (c) nur Anspruch auf Veröffentlichung eines Antrags je Hauptversammlung und Gesellschaft. Diese Beschränkung betrifft allerdings nur diejenigen Anträge, die in den Stimmrechtsunterlagen der Gesellschaft veröffentlicht werden sollen. Das Recht, unmittelbar auf der Hauptversammlung einen Antrag zur Abstimmung zu stellen, der nicht schon zuvor in den proxy materials veröffentlicht wurde (floor proposal), bleibt davon unberührt.683 681 Siehe zur Definition des beneficial owner Rule 13d-3; näher zur Unterscheidung von record ownership und beneficial ownership Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 674 (S. 355). 682 SEC No-Action Letter Duke Realty Corporation vom 07.02.2002, 2002 WL 227007; SEC No-Action Letter Coca-Cola Company vom 19.01.2001, 2001 WL 78113. 683 Zu Präsenzanträgen vgl. bereits § 6 A. I.

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1. Zusammenfassung mehrerer Handlungsempfehlungen Die Anwendung dieser Regelung ist überall dort unproblematisch, wo ein Antragsteller der Gesellschaft mehrere separate Anträge übermittelt oder die Stellung mehrerer Anträge trotz Zusammenfassung in einem Schriftstück wegen der äußeren Textgestaltung (etwa durch Verwendung der zur Einleitung eines Antrags typischen „Resolved“-Formulierung) deutlich zu Tage tritt.684 Schwierigkeiten entstehen hingegen, wenn einer Gesellschaft in äußerlich einheitlicher Form die Umsetzung mehrerer Maßnahmen empfohlen wird. In solchen Fällen bejaht die SEC das Vorliegen nur eines Antrags, wenn die einzelnen Vorschläge eine enge thematische Beziehung zueinander aufweisen und allesamt einem einheitlichen Konzept zugeordnet werden können, welches mit dem Antrag verfolgt wird.685 Eine derart enge Beziehung wurde etwa bei einem Antrag angenommen, der die Nominierung von Frauen und ethnischen Minderheiten für die Board-Wahl empfahl, um die Erstellung eines Konzepts zur Sicherstellung einer Diversität des Board bat sowie zur Berichterstattung über die aktuelle Diversität des Board riet.686 2. Einzelfälle a) Gemeinsame Berechtigung mehrerer Personen an Aktien Stehen die zur Antragstellung berechtigenden Aktien im einfachen Miteigentum (tenants in common) oder gesamthänderisch gebundenen Miteigentum mehrerer Personen (joint tenants), so haben diese Personen Anspruch auf Veröffentlichung nur eines Antrags.687 b) Anträge des Vertreters eines Aktionärs Rule 14a-8 (h) (1) geht davon aus, dass sich ein Aktionär bei der Ausübung des Antragsrechts vertreten lassen kann. Erfüllt der Vertreter in diesem Fall selbst die Voraussetzungen über Mindestbesitz und Mindesthaltedauer, so ist 684 Vgl. dazu etwa SEC No-Action Letter NCR Corporation vom 13.02.2002, 2002 WL 32065565; SEC No-Action Letter Citigroup Inc. vom 26.02.2002, 2002 WL 523365. 685 Vgl. SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,995 f. (1976): „[. . .] closely related and essential to a single well-defined unifying concept“. 686 SEC No-Action Letter American Power Conversion Corp. vom 10.03.2000, 2000 WL 343456. 687 Vgl. SEC No-Action Letter Met-Pro Corporation vom 29.11.2000, 2000 WL 1788000; SEC No-Action Letter Peregrine Pharmaceuticals vom 25.08.2004, 2004 WL 1948731 (jeweils Antrag eines Ehepartners, dem ein gesamthändisch gebundener Miteigentumsanteil an den Aktien der Eheleute zustand).

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auch er berechtigt, einen Antrag in eigenem Namen zu stellen. In diesen Fällen behaupten die Gesellschaften aber nicht selten die Unzulässigkeit eines der Anträge. Die SEC erblickt in derartigen Anträgen hingegen Handlungsempfehlungen zweier unterschiedlicher Personen.688 Zulässig ist darüber hinaus auch, dass sich eine Person, die selbst nicht Aktionär der Gesellschaft ist, von mehreren Aktionären Vollmachten zur Stellung von Aktionärsanträgen erteilen lässt. Die Argumentation der Gesellschaften, der Vertreter habe selbst kein wirtschaftliches Interesse an der Gesellschaft und sei deshalb nicht zur Antragstellung berechtigt, wird in diesem Fall nicht akzeptiert.689 c) Anträge von Mitgliedern einer Personenvereinigung Besondere Probleme ergeben sich schließlich dann, wenn Anträge von einer Personenvereinigung und zugleich von ihren Mitgliedern gestellt werden. In dieser Situation fragt sich, ob der Antrag des Mitglieds der Vereinigung zugerechnet werden kann, so dass nur einer der Anträge veröffentlicht werden muss. In der Praxis wurde dies seitens der Gesellschaften vor allem bei Anträgen von Gewerkschaftern häufig vorgetragen.690 Die SEC übt in der Frage der Zurechnung jedoch große Zurückhaltung. Für eine Zurechnung müsse die Gesellschaft den eindeutigen Nachweis erbringen, dass das Mitglied der Personenvereinigung lediglich ein „alter ego“ der Vereinigung ist (alter ego theory), was nur in ganz offensichtlichen Fällen anzunehmen ist.691 Eine Zurechnung wird nicht schon dann befürwortet, wenn die Gesellschaft nachweisen kann, dass der Antrag eines Vereinigungsmitglieds und die dazugehörige Antragsbegründung von der Vereinigung selbst formuliert wurden. Auch die Erbringung rechtlicher Beratungsleistungen durch die Vereinigung im Stadium der Vorbereitung eines Antrags reicht nicht aus.692 Hinzukommen müssen vielmehr besondere Umstände. So wurde das Vorliegen mehrerer Anträge etwa in einem Fall bejaht, in dem eine Gewerkschaft zunächst (unzulässigerweise) sechs Anträge bei ein und derselben Gesellschaft einreichte und diese wieder zurücknahm, um anschließend erneut einen der Anträge im eigenen Namen und die übrigen im Namen einiger ihrer Mitglieder zu stellen.693 Im Regelfall gelingt es den Gesellschaften hingegen 688 Vgl. SEC No-Action Letter TRW Inc. vom 24.01.2001, 2001 WL 62910; SEC No-Action Letter PG&E Corporation vom 01.03.2002, 2002 WL 471701 (Anträge jeweils unzulässig, weil der Vertretene selbst nicht antragsberechtigt war). 689 Vgl. SEC No-Action Letter LTV Corporation vom 15.02.2000, 2000 WL 217919. 690 Schwab/Thomas, 96 Mich. L. Rev. 1018, 1047 (1998). 691 Vgl. SEC No-Action Letter Consolidated Freightways Inc. vom 23.02.1994, 1994 WL 55776; SEC No-Action Letter Jefferson-Pilot Corp. vom 12.03.1992, 1992 WL 52790. 692 Vgl. Schwab/Thomas, 96 Mich. L. Rev. 1018, 1048 (1998) m.w. N. 693 SEC No-Action Letter Dow Jones & Co. vom 24.01.1994, 1994 WL 246196.

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nicht, die Veröffentlichung eines Antrags allein unter Berufung auf die hinter einem Antragsteller stehende Personenvereinigung zu verhindern. III. Antragsfrist Die Frist, innerhalb derer ein Aktionärsantrag gestellt werden muss, um der Veröffentlichungspflicht zu unterliegen, bestimmt sich nach Rule 14a-8 (e). Danach ist zu unterscheiden, ob der Hauptversammlungstermin mehr als 30 Tage vom Termin der letztjährigen Versammlung abweicht (unten 1.) oder nicht (unten 2.). 1. Ordentliche Hauptversammlung innerhalb der 30 Tage-Abweichung Weicht der Termin der Hauptversammlung, auf der ein Antrag gestellt werden soll, nicht mehr als 30 Tage vom Hauptversammlungstermin des letzten Jahres ab, so muss der Antrag spätestens 120 Tage vor dem Tag der letztjährigen Versendung der Stimmrechtsunterlagen gestellt worden sein (Rule 14a-8 (e) (2) Satz 2). Da Rule 14a-5 (e) Nr. 1 die Gesellschaft dazu verpflichtet, in ihrem proxy statement auf die für das nächste annual meeting geltende Antragsfrist hinzuweisen, ist der Aktionär von der Berechnung dieser Frist entlastet.694 Fehler bei der Berechnung der Antragsfrist gehen zu Lasten der Gesellschaft, so dass die Veröffentlichungspflicht sowohl bei einer zu kurz bemessenen als auch bei einer zu lang bemessenen Antragsfrist besteht.695 Ist die Antragsfrist von der Gesellschaft hingegen ordnungsgemäß berechnet und bekannt gemacht worden, so wird die Einhaltung von der SEC sehr strikt beachtet (bright line rule). Bereits Verzögerungen von einem oder zwei Tagen führen dann zur Unzulässigkeit des Antrags, ohne dass dem Antragsteller eine Heilungsmöglichkeit eingeräumt wäre.696 Für die Fristwahrung ist der Zugang697 des Antrags bei der Hauptverwaltung der Gesellschaft (company’s principal executive offices)698 erforderlich. Es reicht nicht aus, dass der Gesellschaft innerhalb dieser Frist nur 694 Einzelheiten zur Berechnung der Frist finden sich bei SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07.2001, C.3.b. 695 Vgl. nur SEC No-Action Letter Captec Net Lease Realty Inc. vom 15.06.2000, 2000 WL 781344. 696 Vgl. SEC No-Action Letter Hewlett-Packard Company vom 27.11.2000, 2000 WL 1762384; SEC No-Action Letter Chevron Corporation vom 10.02.1998, 1998 WL 68962 (jeweils Fristüberschreitung von einem Tag). Siehe auch SEC No-Action Letter 3M Company vom 07.03.2006, 2006 WL 568678; SEC No-Action Letter Smithfield Foods Inc. vom 30.06.2005, 2005 WL 1560254. 697 Vgl. zu Einzelfällen SEC No-Action Letter United National Bancorp. vom 07.02.2000, 2000 WL 217932; SEC No-Action Letter Sara Lee Corporation vom 27.06.2001, 2001 WL 800006. 698 Vgl. dazu SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07.2001, C.3.c.

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

eine Mitteilung des Aktionärs zugeht, in der dieser seine Absicht zur Antragstellung anzeigt.699 Fällt das Fristende auf einen Feiertag oder einen Wochenendtag, so verlängert sich die Frist nicht bis zum nächsten Werktag. Anträge müssen der Gesellschaft deshalb vor dem Feiertag bzw. Wochenende zugehen. Dafür spricht die von Rule 14a-8 (e) (2) Satz 2 gewählte Formulierung, dass der Antragszugang „nicht weniger als 120 Tage“ vorher erfolgen darf.700 2. Verschiebung des Hauptversammlungstermins um mehr als 30 Tage Fand im Jahr vor der Antragstellung keine Hauptversammlung statt oder hat sich der Termin der Hauptversammlung gegenüber dem der letztjährigen Versammlung um mehr als 30 Tage verschoben, so endet die Frist für die Stellung des Antrags einen angemessen Zeitraum vor der Drucklegung und Versendung der proxy materials (Rule 14a-8 (e) (2) Satz 3). Dabei kommt der unter III. 2. dargestellten Frist von 120 Tagen Leitbildfunktion zu. Die Antragsfrist läuft deshalb etwa 120 Tage vor der geplanten Fertigstellung der Stimmrechtsunterlagen ab.701 Die Gesellschaft ist gemäß Rule 14a-5 (f) verpflichtet, die Verschiebung des Hauptversammlungstermins und das neue Ende der Antragsfrist im auf die Verschiebung folgenden Quartalsbericht (Form 10-Q/Form 10-QSB) mitzuteilen. IV. Antragslänge 1. Allgemeines Aktionärsantrag und Begründung dürfen gemäß Rule 14a-8 (d) nicht mehr als 500 Worte umfassen. Die Vorschrift, die im Kern seit der Novelle von 1983702 unverändert geblieben ist, hat nur eine ganz geringe praktische Bedeutung erlangt. In der Vergangenheit warf die Wortgrenze lediglich in Einzelfällen Fragen auf, die mittlerweile aber als geklärt gelten können. So hat die SEC bereits im Jahr 2001 klargestellt, dass zur Antragsbegründung alles gehört, was den Antrag in irgendeiner Weise inhaltlich unterstützt. Dazu gehören auch Überschriften, die nicht selten die stärksten für den Antrag sprechenden Argumente auf den Punkt gebracht zusammenfassen.703 Enthält ein Antrag bzw. eine Antragsbegründung 699 SEC No-Action Letter Duke Engergy Corporation vom 09.02.2001, 2001 WL 121995. 700 Folladori, Shareholder Proposals, S. 169. 701 Vgl. dazu Capstead Mortgage Corporation vom 21.02.2000, 2000 WL 235281 (120 Tage). 702 Vgl. bereits § 6 D. II. 3. a) cc). 703 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07.2001, C.2.a.

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Zahlen, so werden diese in ständiger Praxis jeweils als ein Wort bewertet.704 Um eine übermäßige Verwendung von Wörtern mit Bindestrichen zu verhindern wird jedes mit Bindestrichen verbundene Wort einzeln gezählt.705 Demgegenüber bleiben Grafiken oder Fotografien, die in die Antragsbegründung aufgenommen wurden, jedenfalls dann unberücksichtigt, wenn sie keine Textelemente enthalten.706 2. Verwendung von Internetlinks in Aktionärsanträgen Besondere Schwierigkeiten bei der Handhabung von Rule 14a-8 (d) zeigten sich in der jüngeren Vergangenheit, als Aktionäre begannen, in den Begründungen ihrer Anträge Verweise auf Internetseiten anzuführen, die zusätzliche Argumente zur Stützung des Antrags enthielten. a) Wandel der Beurteilung durch die SEC Bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Internetlinks in Aktionärsanträgen hat die SEC in den zurückliegenden Jahren einen bemerkenswerten Wandel vollzogen. Als verschiedene Gesellschaften im Jahr 1998 erstmalig mit derartigen Anträgen konfrontiert wurden, erhob die Behörde gegen die von den Unternehmen beabsichtigte Ablehnung keine Einwände, gab den Antragstellern aber Gelegenheit, die Verweise aus den Begründungen zu streichen.707 Obwohl die SEC ihre damalige Haltung nicht begründete, wurde davon ausgegangen, dass sie in der Verwendung von Internetlinks einen Verstoß gegen die zulässige Antragshöchstlänge erblickte, da der Verweis den gesamten Inhalt der verlinkten Seite in die Antragsbegründung einbeziehe (envelope theory).708 Diese restriktive Auslegung der Rule 14a-8 (d) stieß in der Folgezeit auf Unverständnis.709 So wurde darauf hingewiesen, dass der Sinn und Zweck der Vorschrift über die Begründungshöchstlänge darin bestehe, die Kosten für Druck und Versand der proxy statements in einem angemessenen Rahmen zu halten. Außerdem sollte verhin704 Vgl. SEC No-Action Letter Staten Island Bancorp. vom 21.03.2000, 2000 WL 354382; SEC No-Action Letter Aetna Life and Casualty Company vom 18.01.1995, 1995 WL 18740. 705 SEC No-Action Letter Minnesota Mining and Manufacturing Company vom 27.02.2000, 2000 WL 233143. 706 SEC No-Action Letter Ferrofluidics Corp. vom 18.09.1992, 1992 WL 235093 (zulässiger Antrag, dessen Begründung mehrere Diagramme beinhaltete). 707 Vgl. SEC No-Action Letter Pinnacle West Capital Corp. vom 11.03.1998, 1998 WL 113675; SEC No-Action Letter Templeton Dragon Fund Inc. vom 15.06.1998, 1998 WL 337469; SEC No-Action Letter The Emerging Germany Fund Inc. vom 22.02.1998, 1998 WL 890121. 708 Vgl. Friedman, 1 Villanova J. of Law & Inv. Mgmt. 41, 41 ff. (1999). 709 Vgl. dazu Friedman, 1 Villanova J. of Law & Inv. Mgmt. 41, 41 ff. (1999).

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dert werden, dass die Mitaktionäre durch eine zu ausführliche Begründung den Überblick über die zur Abstimmung gestellten Gegenstände verlieren.710 Diese Kritik führte im Jahr 2000 dazu, dass die SEC zwei Anträge für mitteilungspflichtig hielt, die auf eine von den Antragstellern unabhängige Webseite verwiesen.711 Im darauf folgenden Jahr ging die Behörde schließlich noch einen Schritt weiter, indem sie einen Antrag für zulässig erachtete, der einen Verweis auf eine Internetseite des Antragstellers mit zusätzlichen Informationen enthielt.712 b) Gegenwärtige Handhabung Die derzeit geltenden Grundsätze für die Behandlung von Anträgen, deren Begründungen Verweise in das Internet enthalten, wurden von der SEC im Juli 2001 in einer amtlichen Bekanntmachung dokumentiert. Sie bestätigen lediglich die bereits schon zuvor geübte Praxis, derartige Anträge grundsätzlich zuzulassen. Ausdrücklich verneinte die SEC nun eine Zusammenrechnung der Worte der Antragsbegründung mit denen der Internetseite. Die Regelung, nach der das supporting statement nicht mehr als 500 Worte umfassen dürfe, gelte nur für die Begründung selbst, wobei der Verweis auf das Internet als ein Wort gelte. Dieses Verständnis der Rule 14a-8 (d) sei gerechtfertigt, weil Verweise in das Internet nicht die Bedenken hervorrufen würden, denen mit der Beschränkung auf 500 Worte begegnet werden sollte.713 Damit übernahm die SEC die an Sinn und Zweck der Regelung orientierte Argumentation ihrer früheren Kritiker. Zugleich betonte sie jedoch, dass die Verwendung eines Internetlinks unzulässig ist, wenn die verlinkte Webseite falsche und irreführende Angaben enthält und damit der Ausnahmetatbestand des Verstoßes gegen die proxy rules (hier: Rule 14a-8 (i)(3) i.V. m. Rule 14a-9) erfüllt ist.714 In der Praxis hat diese Einschränkung aber nur geringe Auswirkungen, da die Prüfung der verlinkten Internetseite aufgrund der begrenzten personellen Kapazitäten der SEC allenfalls kursorischen Charakter haben kann. Zudem existiert keine Handhabe gegen Änderungen des Webseiteninhalts, die nach der Veröffentlichung der proxy materials vorgenommen werden.

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Vgl. bereits § 6 C. IV. 2. a). SEC No-Action Letter First Energy Corporation vom 07.03.2000, 2000 WL 287838; SEC No-Action Letter Electronic Data Systems Corporation vom 24.03.2000, 2000 WL 364072. 712 SEC No-Action Letter Gillette Company vom 01.02.2001, 2001 WL 121998. 713 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07. 2001, C.2.b. 714 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07. 2001, F.1. 711

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V. Heilungsmöglichkeiten bei formellen Mängeln Hält die SEC die Nichtveröffentlichung eines Aktionärsantrags für regelkonform, so ist dies in den weitaus meisten Fällen darauf zurückzuführen, dass die Voraussetzungen eines der Ausnahmetatbestände der Rule 14a-8 (i) vorliegen. Weitaus seltener unterbleibt die Veröffentlichung hingegen aufgrund formeller Mängel. Die Ursache dafür liegt in der Heilungsmöglichkeit begründet, die dem Antragssteller eines formell unzureichenden Antrags gemäß Rule 14a-8 (f) von der Gesellschaft eingeräumt werden muss. Eine Gelegenheit zur Nachbesserung kommt dabei nur in Betracht, wenn das Schreiben des Antragstellers entweder nicht als Aktionärsantrag (Rule 14a-8 (a)) zu qualifizieren ist, kein ausreichender Nachweis über die Antragsberechtigung erbracht wurde, ein Verstoß gegen die Antragshöchstlänge vorliegt oder mehr als ein Antrag gestellt wurde. Die zur Nichtveröffentlichung eines Antrags entschlossene Gesellschaft ist in diesen Fällen gehalten, den Antragsteller binnen 14 Tagen seit Antragstellung schriftlich über den Mangel zu informieren und ihm Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben (Rule 14a-8 (f) (1) Satz 2). Die Mitteilung der Gesellschaft muss dabei konkret umschreiben, welche Schritte der Aktionär unternehmen muss, um den formellen Mangel zu beseitigen.715 Unterlässt die Gesellschaft die Umschreibung der erforderlichen Schritte, so wird dem Antragsteller von der SEC regelmäßig eine nochmalige Nachbesserungsfrist gewährt.716 Drastischer sind die Konsequenzen einer unterlassenen Mitteilung aus Unternehmenssicht hingegen dann, wenn die Antragshöchstlänge überschritten wurde oder ein Aktionär in einem äußerlich einheitlichen Antrag mehrere Einzelanträge zusammengefasst hat und die Gesellschaft ihm keine Gelegenheit zur Nachbesserung gibt. In diesem Fall ist die Gesellschaft zur Veröffentlichung des Antrags verpflichtet.717 Die Nachbesserungsfrist, auf die die Gesellschaft hinzuweisen hat, beträgt 14 Tage seit Zugang des Schreibens (Rule 14a-8 (f) (1) Satz 3). Lässt der Antragsteller diese Pflicht verstreichen, so ist es ihm selbst dann verwehrt, einen weiteren Aktionärsantrag zu stellen, wenn die Antragsfrist der Rule 14a-8 (e) noch nicht abgelaufen ist.718

715 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07. 2001, G.3. 716 Vgl. SEC No-Action Letter Boise Cascade Corporation vom 08.02.2002, 2002 WL 338405; SEC No-Action Letter Duke Realty Corporation vom 07.02.2002, 2002 WL 227007; SEC No-Action Letter Sysco Corporation vom 10.08.2001, 2001 WL 920691. 717 SEC No-Action Letter Excal Enterprises Inc. vom 15.07.1999, 1999 WL 503424 (Antragshöchstlänge); SEC No-Action Letter Texaco Inc. vom 16.01.2001, 2001 WL 47255 (mehrere Anträge). 718 Vgl. SEC No-Action Letter AT&T Corp. vom 11.12.2000, 2000 WL 1821373; SEC No-Action Letter Eastman Kodak Company vom 05.02.2001, 2001 WL 111449.

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Kann der formelle Mangel im Wege der Antragsnachbesserung nicht beseitigt werden, so macht die Gewährung einer Nachbesserungsmöglichkeit keinen Sinn. Deshalb entbindet Rule 14a-8 (f) (1) Satz 4 die Gesellschaft in diesem Fall von der Mitteilungspflicht gegenüber dem Antragsteller. Als typischen Anwendungsfall nennt die Norm dabei beispielhaft das Verstreichenlassen der Antragsfrist. Weitere Einzelfälle, in denen die Heilung eines formellen Mangels von vornherein ausgeschlossen ist, wurden von der SEC außerdem in einer 2001 veröffentlichten amtlichen Bekanntmachung aufgezählt.719

C. Ausnahmen von der Mitteilungspflicht I. Fehlende Aktionärszuständigkeit (improper under state law) An der Spitze des Kataloges der Ausnahmen von der Mitteilungspflicht steht der Tatbestand der fehlenden Aktionärszuständigkeit, der im Kern bereits in der ursprünglichen Fassung der shareholder proposal rule enthalten war und damit die Keimzelle für einen Großteil der sonstigen, später hinzugefügten Tatbestände darstellt.720 Rule 14a-8 (i)(1) will die Aufnahme solcher Anträge in die Stimmrechtsunterlagen verhindern, über die mangels Aktionärskompetenz keine Abstimmung stattfinden kann.721 Beabsichtigt eine Gesellschaft die Veröffentlichung eines Antrags wegen der fehlenden Zuständigkeit der Aktionäre abzulehnen, so ist sie gemäß Rule 14a-8 (j)(2)(iii) zur Übermittlung einer anwaltlichen Stellungnahme an die SEC verpflichtet, in der die Anwendbarkeit des Tatbestandes dargelegt wird. Für den antragstellenden Aktionär besteht eine solche Verpflichtung nicht, allerdings gestattet es die SEC auch ihm, die Stellungnahme eines Anwalts vorzulegen.722 1. Empfehlende und verpflichtende Anträge Der Ausnahmetatbestand der fehlenden Aktionärszuständigkeit hat allerdings schon seit längerem einen Großteil seiner ursprünglichen Bedeutung eingebüßt. Denn die weit überwiegende Zahl der Aktionärsanträge ist heute rein empfehlender Natur.723 Empfehlende Anträge ohne zwingenden Handlungsauftrag an den 719 Vgl. SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07.2001, C.6.c. 720 Vgl. dazu § 6 B. III. 721 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,996 (1976). 722 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14B vom 15.09.2004, E. 723 Brownstein/Kirman, 60 Bus. Law. 23, 52 (2004); Neuhauser, S. 8. Der Anwendungsbereich des Tatbestandes ist nur dann nicht eröffnet, wenn der empfehlende Cha-

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Board sind aber vom Anwendungsbereich des Tatbestandes ausgenommen, wie auch die offizielle Anmerkung im Wortlaut der Rule 14a-8 (i)(1) zeigt. Im Hintergrund dieser einst heftig umstrittenen724 Beschränkung des Anwendungsbereichs steht die Überlegung, dass die Aufgabe der Geschäftsführung nach dem Recht aller US-Bundesstaaten dem Board zugewiesen ist und eine Einmischung in diese Kompetenz von Seiten der Aktionäre nur zulässig sein soll, wenn eine solche ausdrücklich erlaubt ist. Der dem Board vorbehaltene Zuständigkeitsbereich ist hingegen dann nicht betroffen, wenn ein bestimmtes Verhalten durch einen Antrag nur empfohlen wird. Denn in diesem Fall ist der Board selbst dann nicht zur Umsetzung des Antrags verpflichtet, wenn sich eine Mehrheit der Aktionäre für den Antrag ausgesprochen hat.725 Der lange Zeit als unbestritten geltende Grundsatz der generellen Zulässigkeit rein empfehlender Anträge ist in jüngster Zeit allerdings wieder von prominenter Seite in Zweifel gezogen worden. Leo E. Strine, Vice Chancellor des Delaware Court of Chancery, sprach sich im Mai 2007 in einer von der SEC einberufenen Expertenrunde zur Zukunft der proxy rules energisch für die Anwendung des Tatbestandes auch auf empfehlende Anträge und damit für eine erhebliche Einschränkung des Aktionärsantragsrechts aus.726 Zur Begründung führte Strine aus, dass das Recht des in der Praxis wichtigsten Inkorporationsbundesstaates Delaware Aktionärsabstimmungen nur bei den Wahlen der Mitglieder des Board, bei bestimmten grundlegenden Unternehmensmaßnahmen und bei Änderungen der Bylaws zulasse. Rein imaginäre Abstimmungen ohne rechtliche Auswirkungen seien dem Gesellschaftsrecht von Delaware hingegen fremd.727 Diese (von Strine übrigens nicht belegte) Behauptung hält einer kritischen Überprüfung indes kaum stand. Das Gesellschaftsrecht von Delaware spricht in Sec. 211 (b) Satz 3 davon, dass von den Aktionären auf der Hauptversammlung jede Angelegenheit zur Sprache gebracht werden kann, die ein „proper business“ darstellt. Eine nähere Erläuterung dieses Begriffs findet sich zwar weder im kodifizierten Recht noch im Fallrecht Delawares. Dennoch spricht eine Reihe von Argumenten dafür, auch rakter aus dem Wortlaut des Antrags deutlich hervorgeht, vgl. SEC No-Action Letter PG&E Corporation vom 18.01.2001, 2001 WL 55758 (unzulässiger Antrag, weil das Wort „should“ verwendet wurde); SEC No-Action Letter Alaska Air Group Inc. vom 26.03.2000, 2000 WL 33962005 (nachbesserungsbedürftiger Antrag, weil der empfehlende Charakter sich nur aus einer der Formulierung („a recommendation“) am Ende des Antragstextes ergab). 724 Siehe zu den SEC-internen Querelen § 6 C. IV. 3. b). 725 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,996 (1976); Loring/Taylor, 41 Wake Forest L. Rev. 321, 322 (2006); Tkac, Fed. Res. Bank of Atl. Econ. Rev. 2006, 1, 4; ausf. auch Brownstein/Kirman, 60 Bus. Law. 23, 40 ff. (2004). 726 Vgl. SEC, Roundtable Discussions, S. 17 ff. 727 Vgl. SEC, Roundtable Discussions, S. 18: „We do not have imaginary voting. We do not have therapy for whoever. [. . .] We do not have what I call ,pizza on the wall.‘ That is precatory proposals.“. Ähnlich Strine, 63 Bus. Law. 1079, 1088 f. (2008).

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empfehlende Anträge als „proper business“ zu qualifizieren.728 So ist etwa im Fallrecht außerhalb Delawares anerkannt, dass Aktionäre Abstimmungen auch über reine Empfehlungen herbeiführen können.729 Zudem enthalten die Bylaws vieler Gesellschaften mit Sitz in Delaware explizite Bestimmungen zu Aktionärsanträgen, wobei zwischen Anträgen zur Änderung der Bylaws und sonstigen Anträgen unterschieden wird. Diese Differenzierung wäre überflüssig, wenn das bundesstaatliche Recht nur Bylaws-Anträge kennen würde.730 Es ist deshalb am herkömmlichen Verständnis von Rule 14a-8 (i)(1) festzuhalten: Die Veröffentlichung von Anträgen kann nicht allein wegen ihres empfehlenden Charakters abgelehnt werden. 2. Anträge zur Änderung oder Ergänzung der Bylaws Der Grundsatz der Unzulässigkeit verbindlicher Aktionärsanträge gilt jedoch nicht ausnahmslos. Er erfährt bei solchen Anträgen eine Durchbrechung, mit denen die Bylaws einer Gesellschaft abgeändert oder ergänzt werden sollen. Das Recht zur Änderung oder Ergänzung der Bylaws steht in nahezu allen bundesstaatlichen Gesellschaftsrechtsordnungen (auch) den Aktionären zu, ohne dass dafür eine Initiative vom Board ausgehen müsste.731 Da die in den Bylaws enthaltenen Regelungen auch den Board verpflichten, hält der Einzelaktionär damit – zumindest theoretisch – ein überaus machtvolles Instrument in der Hand, um die Geschäftsleitung mit der von ihm initiierten Aktionärsabstimmung unmittelbar zu beeinflussen. Die Praxis vermittelt hingegen ein ganz anderes Bild. Zwar werden seit Mitte der 1990er Jahre zunehmend auch Anträge gestellt, die auf eine Änderung oder Ergänzung der Bylaws abzielen732, wobei Anträge zur Beseitigung bestehender Übernahmebeschränkungen und zur Einführung eines Zustimmungsvorbehalts zugunsten der Aktionäre bei der Schaffung neuer Beschränkungen ganz im Mittelpunkt stehen.733 Ursächlich für diese Entwicklung war die nicht selten anzutreffende Weigerung von Unternehmensleitungen, einen bei der vorangegangenen Hauptversammlung mit Mehrheit angenommenen empfehlen728 Bezeichnenderweise ging der Vorsitzende der Delaware Corporate Bar, Balotti, in der gleichen Sitzung auf Distanz zu Strine: „I think precatory resolutions are authorized by 211, which says that a stockholder can bring before a meeting anything that is proper for a stockholder to act on. I believe that it is proper for stockholders to ask directors to do whatever, as opposed to telling directors to do whatever.“; vgl. auch Palmiter, 45 Ala. L. Rev. 879, 894 (1994). 729 Auer v. Dressel, 306 NY 427, 118 NE 2d 590 (1954). 730 Vgl. dazu und zu weiteren Argumenten Neuhauser, S. 7. 731 Anders bei Änderungen und Ergänzungen der articles, vgl. § 242 (b) Delaware General Corporation Law; § 10.03 R.M.B.C.A. 732 Vgl. Shareholder Proposals Down But Number of Binding Bylaws Up, 25 Pension & Benefits Reporter 558 (1998); Zanglein, 11 DePaul Bus. L. J. 43, 79 (1998). 733 Brownstein/Kirman, 60 Bus. Law. 23, 53 (2004); Young, 5 M&A Law. 13 (2002).

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den Antrag umzusetzen. Sie haben aber nicht annähernd eine Verbreitung wie empfehlende Anträge gefunden.734 Die Gründe für die zurückhaltende Nutzung des Bylaws-Änderungsrechts sind in den bundesstaatlichen Gesellschaftsrechten zu finden, die zumindest in der Vergangenheit hinsichtlich des zulässigen Regelungsgehalts der Bylaws für erhebliche Rechtsunsicherheit gesorgt haben (unten a)) und die Effektivität derartiger Anträge in Frage stellen (unten b)). a) Unklarheiten über den zulässigen Regelungsgehalt der Bylaws Die in der Vergangenheit zu beobachtende Zurückhaltung der Antragsteller lässt sich zum einen mit den Schwierigkeiten erklären, verlässliche Aussagen zum zulässigen Regelungsgehalt der Bylaws zu treffen.735 Besonders deutlich wurde dieses Problem am Beispiel des Gesellschaftsrechts von Delaware. Dort bestimmt Sec. 109 (b) Delaware General Corporation Law, dass die Bylaws Bestimmungen zu den Aufgaben der Gesellschaft, zur Führung der Geschäfte und zu den Rechten und Befugnissen der Gesellschaft, der Aktionäre, der Direktoren, Manager und Arbeitnehmer enthalten dürfen, soweit diese nicht im Widerspruch zum Recht oder zur Gründungsurkunde der Gesellschaft stehen. Andererseits bestimmt Sec. 141 (a) Delaware General Corporation Law, dass die Geschäftsführung den Mitgliedern des Board obliegt oder unter ihrer Aufsicht stattfindet, es sei denn, dass sich „aus diesem Kapitel“ oder der Gründungsurkunde etwas anderes ergibt. In diesem Zusammenhang herrschte lange Zeit Unklarheit darüber, ob mit dem in Sec. 141 (a) enthaltenen Verweis auf abweichende Regelungen „aus diesem Kapitel“ auch auf Sec. 109 (b) Bezug genommen wird und – sollte dies bejaht werden können – ob die Aktionäre damit berechtigt sind, jeden nur denkbaren Aspekt der Geschäftstätigkeit in den Bylaws festzulegen. Um dies zu verhindern wurde der Verweis in Sec. 141 (a) teilweise so gedeutet, dass damit nur die gesetzlich geregelten Sonderfälle gemeint sind, in denen die Befugnisse des Board einem Treuhänder oder Verwalter zustehen.736 Andere hielten hingegen auch Sec. 109 (b) von dem Verweis umfasst und unternahmen den Versuch einer Grenzziehung zwischen zulässigen und unzulässigen Bylaws-Regelungen, indem sie zwischen Befugniseinschränkungen hinsichtlich „alltäglicher“ und „grundsätzlicher“ Angelegenheiten unterschieden.737 In der Praxis waren diese Abgren-

734 Brownstein/Kirman, 60 Bus. Law. 23, 53 f. (2004) berichten, dass die Zahl der jährlichen Anträge bis 1999 zunächst auf 50 anstieg, in den darauf folgenden Jahren aber wieder stark zurückging (2000: 10; 2001: 8; 2002: 9; 2003: 12). 735 Vgl. zur Diskussion Eisenhofer/Barry, 32 B. & Corp. Gov. L. Rep. 1, 2 ff. (2004); Richards/Foster, 49 Bus. Law. 1509, 1512 f., 1517 (1993). 736 So Hamermesh, 73 Tul. L. Rev. 409, 431 (1998). 737 So etwa Coffee, 51 U. Miami L. Rev. 605, 613 f. (1997); krit. hierzu Hamermesh, 73 Tul. L. Rev. 409, 435 (1998), der auch zu weiteren Abgrenzungsmodellen Stellung nimmt.

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zungsversuche aber nur begrenzt verwertbar, da sich dem Fallrecht und dem geschriebenen Gesellschaftsrecht nur sehr begrenzte Aussagen dazu entnehmen ließen, ob eine Angelegenheit grundsätzlicher Natur ist oder nicht. Bislang existierte hierzu lediglich ein Urteil des Oklahoma Supreme Court aus dem Jahre 1999, das die Zulässigkeit eines Bylaws-Antrags zu Übernahmebeschränkungen nach dem Recht von Oklahoma feststellte.738 Eine Übertragbarkeit dieser Entscheidung auf Delaware wurde jedoch unter Hinweis auf eine Entscheidung des Delaware Supreme Court739 abgelehnt.740 Auch die SEC konnte wenig zur Klärung des Problems beitragen.741 In einer amtlichen Bekanntmachung verwies sie lediglich darauf, dass bei verbindlichen Anträgen eine „größere Wahrscheinlichkeit“ dafür besteht, dass diese nicht mitgeteilt werden müssen.742 Anwendungsfälle, in denen die Antragsteller mit einer Mitteilung eines Bylaws-Antrags rechnen können, nannte sie hingegen nicht. Aussagen zum zulässigen Regelungsgehalt der Bylaws sowie zum Verhältnis von Sec. 109 (b) und 141 (a) lassen sich nunmehr einem jüngst gefassten Urteil des Delaware Supreme Court entnehmen.743 Das Gericht hat darin klargestellt, dass die Befugnis des Managements zur Unternehmensleitung den zulässigen Bylaws-Inhalt beschränke. Sec. 141 (a) genieße somit Vorrang gegenüber Sec. 109 (b). Zulässig seien demnach verfahrensorientierte Regelungen in den Bylaws, die die Art und Weise des Zustandekommens von Entscheidungen der Unternehmensleitung betreffen, während Bestimmungen unzulässig seien, die eine bestimmte Entscheidung vorsehen würden.744 Verfahrensorientierte Regelungen sollen dabei auch dann zulässig sein, wenn sie kostenträchtig sind und Folgewirkungen für die Entscheidungsbefugnis des Managements haben. Das Urteil beseitigt zumindest für die im Bundesstaat Delaware inkorporierten Gesellschaften die bestehenden grundsätzlichen Unklarheiten, wirft aber neue Fragen zur Abgrenzung von verfahrensorientierten und nicht verfahrensorientierten Bestimmungen auf. Es ist deshalb auch für die Zukunft nicht zu erwarten, dass vermehrt Anträge zur Änderung der Bylaws gestellt werden.

738 International Brotherhood of Teamsters General Fund v. Fleming Cos., 975 P.2d 907 (Okla. 1999); vgl. dazu Schwab/Thomas, 96 Mich. L. Rev. 1018, 1055 ff. (1998). 739 Quickturn Design Systems v. Shapiro, 721 A.2d 1281, 1291 (Del. 1998). Das Gericht nimmt in dieser Entscheidung allerdings nicht zur Zulässigkeit verbindlicher Bylaws-Änderungsanträge Stellung. 740 Ausf. Ware, 2000 U. Ill. L. Rev. 1053, 1054 (2000). 741 Zu einer ausführlichen Diskussion der zu dieser Frage veröffentlichten SEC NoAction Letter vgl. Haft, § 10.18; vgl. auch Brownstein/Kirman, 60 Bus. Law. 23, 54 (2004). 742 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07. 2001, G.2. Substative Issues, Nr. 2. 743 CA, Inc. v. AFSCME, No. 329, 2008 (Del. S. Ct.). 744 CA, Inc. v. AFSCME, No. 329, 2008 (Del. S. Ct.), S. 16.

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b) Aufhebung der Änderung durch den Board Die zurückhaltende Verwendung bindender Anträge lässt sich auch damit erklären, dass selbst im Falle einer mehrheitlichen Zustimmung der Aktionäre unsicher ist, ob die geänderte oder ergänzte Bylaws-Passage langfristig Wirkung entfalten kann. Denn nach bundesstaatlichem Gesellschaftsrecht ist neben der Hauptversammlung auch der Board berechtigt, Ergänzungen oder Änderungen der Bylaws vorzunehmen (vgl. nur Sec. 203 Delaware General Corporation Law; § 10.20 (a) R.M.B.C.A.). Der Erfolg einer von Aktionärsseite initiierten Änderung hängt deshalb maßgeblich davon ab, ob diese einen Sicherungsmechanismus enthalten darf, durch den eine beschlossene Bylaws-Passage für unabänderlich erklärt wird. Etwa die Hälfte der bundesstaatlichen Gesellschaftsrechte und auch der Revised Model Business Corporation Act erlauben eine solche Absicherung.745 Demgegenüber enthalten die praktisch wichtigen Gesellschaftsrechte der Staaten New York und Delaware keine Regelung, die eine Beschränkung oder gar den Ausschluss des Bylaws-Änderungsrechts des Board für zulässig erklärt. Daraus wird überwiegend der Schluss gezogen, dass der Board nicht daran gehindert werden kann, eine von Aktionären beschlossene Änderung wieder rückgängig zu machen.746 Da somit das Schicksal einer solchen Änderung in den Händen der Verwaltung liegt, verlieren Anträge zur Änderung der Bylaws zumindest in New York und Delaware einen Großteil ihrer Sprengkraft. c) Vorlageverfahren an den Delaware Supreme Court In der Vergangenheit ist der SEC wiederholt vorgeworfen worden, im Rahmen des Tatbestandes der fehlenden Aktionärszuständigkeit ohne hinreichende Expertise Fragen zu beantworten, die originär bundesstaatlicher Natur sind. Nicht selten musste die Behörde auch in Fällen Stellung beziehen, in denen das Gesellschaftsrecht des Inkorporationsstaates der fraglichen Gesellschaft keine Aussage traf. Faktisch wurde dadurch eine Fortentwicklung des bundesstaatlichen Rechts auf Bundesebene bewirkt; es kam zur Entstehung eines „federal common law“.747 Dieser Zustand führte bei Unternehmen und Antragstellern zu großer Rechtsunsicherheit. Denn die von der SEC vorgenommene Auslegung des bun745 Vgl. § 10.20 (a), (b)(2) R.M.B.C.A. sowie Brownstein/Kirman, 60 Bus. Law. 23, 57 (2004) m.w. N. 746 Ausf. Brownstein/Kirman, 60 Bus. Law. 23, 57 (2004); Hamermesh, 73 Tul. L. Rev. 409, 468 f. (1998). 747 U.S. Court of Appeals, District of Columbia Circuit, 432 F.2d 659, 677 (1970); Clusserath, 40 Notre Dame L. 13, 19 (1964); Feagans, 33 Buff. L. Rev. 225, 236 (1984); Lazaroff, 50 Rut. L. Rev. 33, 48 f. (1997); Marens, 8 J. Bus. & Man. 365, 379 (2002); O’Brien, 19 Val. U. L. Rev. 221, 229 (1984); Propp, 11 Sec. Reg. L. J. 99, 103 f. (1983); Schulman, 40 Geo. Wash. L. Rev. 1, 55 f. (1971); Schwartz, 69 Mich. L. Rev. 419, 440 (1971); Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 1983 (1992).

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desstaatlichen Gesellschaftsrechts hat nur solange Bestand, bis die Frage im Gesellschaftsrecht dieses Staates durch eine Gesetzesänderung oder durch richterliches Urteil abweichend beantwortet wird. Angesichts dieser unbefriedigenden Situation entschied sich der Gesetzgeber des Staates Delaware im Jahr 2006, der SEC ein Vorlagerecht an den Delaware Supreme Court einzuräumen. Dieser sollte die Gelegenheit erhalten, zu Fragen der Aktionärszuständigkeit sowie der Verletzung bundesstaatlichen Rechts Stellung zu nehmen.748 Das Vorlagerecht eröffnet die realistische Möglichkeit, die Verlässlichkeit der shareholder proposal rule zu erhöhen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die SEC von diesem Recht auch Gebrauch macht. Die Chancen dafür stehen indes nicht schlecht: Im Juni 2008 rief die Behörde erstmals den Delaware Supreme Court an, um Klarheit über die Zulässigkeit eines praktisch besonders wichtigen Antragsgegenstandes zu erhalten.749 II. Rechtsverletzung (violation of law) Würde die Umsetzung eines Aktionärsantrags gegen bundesstaatliches Recht, Bundesrecht oder ausländisches Recht verstoßen, so erscheint es schon in dem der Umsetzung vorgelagerten Stadium nicht sachgerecht, die Abstimmung über den Antrag zu fördern und das Management zur Veröffentlichung zu verpflichten.750 Konsequenterweise ordnet Rule 14a-8 (i)(2) deshalb für diesen Fall eine Ausnahme von der Mitteilungspflicht an. Der Anwendungsbereich des Ausnahmetatbestands überschneidet sich dabei – von der Kommission gewollt751 – in

748 Vgl. Article IV, Sec. 11 No. 8 Delaware Constitution, eingefügt durch 2006 Delaware Laws Ch. 384 (S.B. 333): „To hear and determine questions of law certified to it by other Delaware courts, the Supreme Court of the United States, a Court of Appeals of the United States, a United States District Court, the United States Securities and Exchange Commission, or the highest appellate court of any other state, where it appears to the Supreme Court that there are important and urgent reasons for an immediate determination of such questions by it.“ (Hervorh. d. Verf.). Ausf. dazu Verret, 16 Corp. Gov. Adv. 12 ff. (2008). 749 Das Vorlageverfahren befasste sich mit einem Antrag zur Änderung der Bylaws, der eine Erstattung der Kosten eines proxy fights festschreiben wollte. Derartige Anträge sind im Zusammenhang mit der Änderung der Rule 14a-8 im Jahr 2008 zu sehen, die Aktionärsanträge zur Wahl von Direktoren für unzulässig erklärte, vgl. § 6 E. III. Die dem Delaware Supreme Court vorgelegten Fragen lauteten: „Is the AFSCME Proposal a proper subject for action by shareholders as a matter of Delaware law?“ und „Would the AFSCME Proposal, if adopted, cause CA to violate any Delaware law to which it is subject?“. Das Gericht verneinte die erste und bejahte die zweite Frage, vgl. CA, Inc. v. AFSCME, No. 329, 2008 (Del. S. Ct.). 750 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,996 (1976). 751 SEC Exchange Release No. 34-12,598 (Jul. 7, 1976), 41 Fed. Reg. 29,982, 29,984 (1976).

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Teilbereichen mit dem der fehlenden Aktionärszuständigkeit (Rule 14a-8 (i)(1)), denn Anträge, für die die Zuständigkeit der Hauptversammlung nicht eröffnet ist, verstoßen zugleich gegen bundesstaatliches Recht. Gemäß Rule 14a-8 (j)(2)(iii) ist die Gesellschaft zur Übermittlung einer anwaltlichen Stellungnahme zur Anwendbarkeit des Tatbestandes an die SEC verpflichtet, wenn ein Verstoß gegen bundesstaatliches oder ausländisches Recht behauptet wird. 1. Verstoß gegen bundesstaatliches Gesellschaftsrecht Verstöße gegen das Gesellschaftsrecht des Inkorporationsstaates werden typischerweise bei Aktionärsanträgen zu klassischen Corporate Governance-Themen problematisiert. Im Mittelpunkt stehen dabei Anträge zu Modalitäten der BoardWahl752, zu Strukturmaßnahmen753 und zu Abwehrinstrumenten bei Übernahmeangeboten754. Aus wissenschaftlicher Perspektive stellt sich im Rahmen dieser Tatbestandsalternative zudem die für die Legalität des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivismus zentrale Frage, ob die Verwaltung bei der Umsetzung des Antrags gegen die ihr vom Gesellschaftsrecht auferlegten Pflichten verstößt. Denn auch die mehrheitliche Zustimmung der Aktionäre zu einem Antrag entlässt die Verwaltung nicht aus ihrer gesetzlichen Pflichtenbindung.755 In der Praxis spielen diese Überlegungen hingegen keine Rolle, was angesichts des nach wie vor schwelenden Streits über die Zulässigkeit stakeholderbegünstigenden Verhaltens der Leitungsorgane einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft überrascht. Im Folgenden soll deshalb dieser Frage überblicksartig nachgegangen werden. Dazu soll zunächst auf den Pflichtenkanon der Verwaltung einer corporation eingegangen werden (unten a)), um anschließend die Entwicklung des Fallrechts (unten b)) und des kodifizierten Rechts (unten c)) nachzeichnen zu können.

752 SEC No-Action Letter TRW Inc. vom 06.03.2000, 2000 WL 342547 (jährliche Wahl (Ohio)); SEC No-Action Letter CVS Corporation vom 31.01.2000, 2000 WL 155585 (Wahl im Dreijahres-Turnus (Delaware)); SEC No-Action Letter United Health Group Inc. vom 08.01.2001, 2001 WL 25785 (geheime Stimmabgabe); SEC No-Action Letter Home Depot Inc. vom 04.04.2000, 2000 WL 382076 (Beschlussfassungen mit einfacher Mehrheit). 753 SEC No-Action Letter Fab Industries Inc. vom 23.03.2000, 2000 WL 340212 (Berichterstattung über Möglichkeiten eines Verkaufs oder einer Liquidation der Gesellschaft); SEC No-Action Letter Whitman Corporation vom 15.02.2000, 2000 WL 223662 (Aufhebung einer bereits vollzogenen Verschmelzung). 754 SEC No-Action Letter Health Risk Management Inc. vom 03.04.2000, 2000 WL 382067; SEC No-Action Letter Illini Corporation vom 12.02.1999, 1999 WL 68608 (jeweils zu sog. shareholder rights plans, dazu vertiefend Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 1388 ff. (S. 657 ff.)). 755 Brownstein/Kirman, 60 Bus. Law. 23, 42 ff. (2004).

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a) Pflichtenkanon der Verwaltung Direktoren und Manager treten als Wahrer fremder Interessen in Erscheinung. Sie stehen deshalb in einem besonderen Treueverhältnis zur Gesellschaft und ihren Aktionären. Dieses besondere Verhältnis hat dazu geführt, dass bereits im Common Law für die Verwaltungsmitglieder einer corporation abstrakte Pflichten entwickelt wurden, die in Anlehnung an die Treuhänderstellung als fiduziarische Pflichten (fiduciary duties) bezeichnet werden.756 Die fiduziarischen Pflichten bilden die Grundlage für die Sanktionierung eines bestimmten Verhaltens, ohne im Voraus über jedes einzelne Detail der Verhaltensanforderung eine Vereinbarung getroffen zu haben.757 Aufgrund der bestehenden Sanktionsdrohung wird der Handlungsrahmen der Verwaltungsmitglieder im Grundsatz durch die ihnen auferlegten fiduziarischen Rechtspflichten bestimmt. Traditionell werden dabei die Treuepflicht (duty of loyalty/duty of fair dealing) und die Sorgfaltspflicht (duty of care) unterschieden. Etwa seit 1970 wurden die fiduziarischen Pflichten unter weitestgehender Beibehaltung der bis dahin geltenden Grundsätze des Common Law in den bundesstaatlichen Gesellschaftsrechten kodifiziert.758 aa) Die Treuepflicht (duty of loyalty) Die Treue- oder Loyalitätspflicht soll die Direktoren und Manager daran hindern, ihre eigenen Interessen zum Schaden der Gesellschaft zu verfolgen.759 Eine präzise Umschreibung des konstituierenden Inhalts dieser Pflicht ist den Gerichten bislang nicht gelungen. Der Delaware Supreme Court führte in einer Entscheidung lediglich aus, dass eine ungeteilte und uneigennützige Loyalität gegenüber der Gesellschaft nur angenommen werden könne, wenn kein Konflikt zwischen den Eigeninteressen des Board-Mitglieds und seinen Pflichten gegenüber der Gesellschaft existierten. Angesichts der Vielfältigkeit der Lebenssachverhalte, in denen loyales, an den Geboten von Treu und Glauben orientiertes Verhalten eine Rolle spiele, könne keine allgemeingültige Regel aufgestellt werden.760 Angesichts dieser Schwierigkeiten wird die Loyalitätspflicht heute typi756 Über die rechtlichen Grundlagen dieser Pflichten herrscht in Rechtsprechung und Literatur keine Einigkeit, da bereits die Qualifikation des zwischen der Gesellschaft und den Direktoren bestehenden Rechtsverhältnisses Schwierigkeiten bereitet, vgl. im Einzelnen Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 821 (S. 416). 757 Blair, Ownership and Control, S. 57; vgl. auch Easterbrook/Fischel, Corporate Law, S. 92: „The fiduciary principle is an alternative to elaborate promises and extra monitoring. It replaces prior supervision with deterrence, much as criminal law uses penalties for bank robbery rather than pat-down searches of everyone entering banks.“ 758 Vgl. A.L.I. Principles, Part IV, Introductory Note, „a. Basic approach“. 759 Die Loyalitätspflicht gilt für Direktoren, Manager und Mehrheitsaktionäre gleichermaßen, vgl. dazu Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 824 (S. 418). 760 Guth v. Loft, Inc., 5 A.2d 503, 510 (Del. 1939).

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scherweise nicht als abstraktes Phänomen, sondern im Zusammenhang mit konkreten Fallgestaltungen diskutiert.761 Die inhaltliche Präzisierung erfolgt dabei durch eine umfangreiche Einzelfallrechtsprechung und die Kodifikation typischer Situationen, in denen Loyalitätsfragen Bedeutung erlangen. Die zwei wichtigsten und meistdiskutierten Aspekte sind die Fälle der Insichgeschäfte (selfdealing) und die Geschäftschancenlehre (corporate opportunity doctrine). Die Fallgruppe der Insichgeschäfte betrifft dabei solche Verträge, bei denen ein Direktor oder Manager auf der einen Seite in eigenem Namen auftritt und auf der anderen Seite als Vertreter der Gesellschaft handelt.762 Loyalitätsaspekte gewinnen in diesem Zusammenhang eine Bedeutung, wenn eine Kollision der finanziellen Interessen des Board-Mitglieds oder Managers mit den Interessen der Gesellschaft zu besorgen ist. Demgegenüber werden unter dem Schlagwort der Geschäftschancenlehre alle Fälle zusammengefasst, in denen ein Unternehmensinsider die Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages selbst nutzt, anstatt das Geschäft im Namen der Gesellschaft abzuschließen.763 Bereits dieser kurze Überblick zum Inhalt der Loyalitätspflicht macht deutlich, dass sie lediglich auf die Vorbeugung solcher Konflikte abzielt, die sich aus den wirtschaftlichen Eigeninteressen der mit der Geschäftsleitung betrauten Personen ergeben. Damit weist sie nur einen marginalen Bezug zu den Interessen von Stakeholdern einer Gesellschaft auf, nämlich den Interessen der Geschäftsleiter. Für die im Zusammenhang mit Rule 14a-8 (i)(2) maßgebliche Frage, ob und in welchem Umfang bei der Unternehmensführung Belange sonstiger Bezugsgruppen Berücksichtigung finden können, trifft sie hingegen keine Aussage. bb) Die Sorgfaltspflicht (duty of care) Der zweite grundlegende Maßstab, an dem die Mitglieder des Board sowie die Manager ihr Handeln ausrichten müssen, ist die Sorgfaltspflicht. Sie ist heute in den Gesellschaftsrechtsordnungen von 42 Bundesstaaten kodifiziert764 und orientiert sich in 25 von diesen an den Vorschlägen des R.M.B.C.A. in seiner gegenwärtigen bzw. früheren Fassung.765 Die Sorgfaltspflicht verpflichtet die Direkto761

Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 877 (S. 440). Vgl. dazu im Einzelnen Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 878 ff. (S. 440); zur Regelung in Delaware § 144 Delaware General Corporation Law. 763 Grundlegend dazu Guth v. Loft, Inc., 5 A.2d 503, 511 (Del. 1939) sowie Talley, 108 Yale L. J. 277 (1998); Brudney/Clark, 94 Harv. L. Rev. 997 (1981). 764 Im Gesellschaftsrecht des Bundesstaates Delaware wurde bislang auf eine Kodifikation verzichtet und die Begriffsbestimmung der Rechtsprechung überlassen, ohne dass sich dadurch wesentliche Unterschiede ergeben würden, vgl. Merkt/Göthel, USGesellschaftsrecht, Rn. 828 (S. 420). 765 Die Sorgfaltspflicht wurde erstmals 1974 in den Model Business Corporation Act aufgenommen, vgl. dazu Committee on Corporate Laws, 30 Bus. Law. 501, 503 f. 762

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ren und Manager bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in gutem Glauben („in good faith“) zu handeln und sich dabei in einer Art und Weise zu verhalten, die aus ihrer Sicht die Interessen der Gesellschaft in bestmöglicher Weise wahrt („best interest of the corporation“).766 Dabei ist diejenige Sorgfalt aufzuwenden, die von einer vernünftigen Person in der gleichen Position unter ähnlichen Umständen erwartet werden kann.767 Der Sorgfaltsmaßstab wird somit funktionell bestimmt: Für das Maß der erforderlichen Sorgfalt ist nicht die formale Position des Direktors oder Managers entscheidend, sondern dessen jeweils übernommene Leitungs- oder Überwachungsaufgabe.768 Entscheidende Bedeutung für die Berücksichtigungsfähigkeit von Stakeholderinteressen im Rahmen von Leitungsentscheidungen hat das Erfordernis, dass Direktoren und Manager im Interesse der Gesellschaft zu handeln haben. Eine positive Umschreibung dieses Interesses anhand des kodifizierten Rechts fällt allerdings schwer, da – zumindest außerhalb des Anwendungsbereichs der constituency statutes769 – keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die eine Präzisierung des Begriffs ermöglichen würden. Die inhaltliche Konkretisierung wurde vielmehr der Rechtsprechung überlassen.770 Andererseits bestimmt auch keines der bundesstaatlichen Gesellschaftsrechtsstatute, dass das Interesse der Gesellschaft mit dem Interesse der Aktionäre gleichzusetzen ist oder dass es unter Ausklammerung „weicher Kriterien“ allein auf finanzielle Aspekte ankommt.771 Deshalb kann zumindest in einem negativen Sinne festgestellt werden, was die Ausrichtung der Sorgfaltspflicht auf das Interesse der Gesellschaft jedenfalls nicht zwingend bedingt: eine ausschließliche Ausrichtung des Handelns auf das Aktionärsinteresse, insbesondere nicht auf das Interesse an Wertsteigerung des Investments um jeden Preis.

(1975). Sie enthielt in der bis Juni 1998 geltenden Fassung ein subjektives Element, indem im Anschluss an die Entscheidung Selheimer v. Manganese Corp. of America, 224 A.2d 634 (Pal. 1966) auf die Sorgfalt abgestellt wurde, die der Direktor in seinen persönlichen Angelegenheiten walten lassen würde. 766 § 8.30 (a) R.M.B.C.A. Officers der Gesellschaft sind zudem verpflichtet, so zu handeln, wie eine andere Person unter vergleichbaren Umständen vernünftigerweise handeln würde, vgl. § 8.42 (a) M.B.C.A. 767 § 8.30 (b) R.M.B.C.A.; ähnlich § 4.01 A.L.I. Principles: „A director or officer has a duty to the corporation to perform the director’s or officer’s function in good faith, in a manner that he or she reasonably believes to be in the best interests of the corporation, and with the care that an ordinarily prudent person would reasonably be expected to exercise in a like position and under similar circumstances.“ 768 Vgl. ausf. Abeltshauser, Leitungshaftung, S. 111. 769 Dazu noch § 7 C. II. 1. c). 770 Tyler, 59 Mo. L. Rev. 373, 375 (1994). 771 Vgl. Wallman, 21 Stetson L. Rev. 163, 166 (1991); Adams/Matheson, 49 Emory L. J. 1085, 1088 (2000); Elhauge, 80 N.Y.U. L. Rev. 733, 769 (2005).

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cc) Lockerung der Pflichtenbindung durch die business judgement rule Bevor im Folgenden auf das die Sorgfaltspflicht konkretisierende Fallrecht eingegangen werden soll, ist noch auf die sog. business judgement rule hinzuweisen, die die Pflichtenbindung der Verwaltung einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft von vornherein lockert. Ihr liegt die Überlegung zugrunde, dass eine zu enge Anbindung der Direktoren und Manager an ihre fiduziarischen Pflichten nicht erstrebenswert erscheint, da sie ökonomisch unerwünschte Folgen nach sich zieht und die uneingeschränkte gerichtliche Untersuchung einer behaupteten Pflichtverletzung Bedenken begegnet.772 Die von den Geschäftsleitern zu treffenden unternehmerischen Entscheidungen haben einen zukunftsgerichteten bzw. prognosebehafteten Charakter und sind damit sachlich zwingend mit Unsicherheiten und der Gefahr des Verfehlens der angestrebten Wirkung belastet. Die Realisierung des unternehmerischen Risikos darf den Direktoren und Managern aber nicht als persönliches Versagen vorgeworfen werden, solange sie die unternehmerischen Entscheidungen de lege artis getroffen haben. Andernfalls wäre risikoaverses Verhalten der Unternehmensleitung die Folge. Sowohl volkswirtschaftlich wünschenswerte als auch betriebswirtschaftlich gebotene Handlungen könnten aufgrund der drohenden Haftungsrisiken unterbleiben, was zu einer Unternehmensentwicklung auf zu niedrigem Niveau führen würde.773 Zudem besteht bei einer uneingeschränkten richterlichen Kontrolle der behaupteten Pflichtverletzung die Gefahr, die Prognoseentscheidung retrospektiv unter Einbeziehung der tatsächlichen Entwicklung zu bewerten („hindsight bias“).774 Die US-amerikanischen Gesellschaftsrechtsordnungen reagieren auf diese Bedenken mit einer Einschränkung der gerichtlichen Kontrollbefugnis bei Geschäftsleitungsmaßnahmen (business judgement rule):775 Solange der Direktor oder Manager die Entscheidung in gutem Glauben getroffen hat, genügt er der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht, wenn er unabhängig entscheidet (disinterested judgement), hinsichtlich des Gegenstands der Entscheidung nach seiner Überzeugung und bei der Berücksichtigung der Umstände angemessen informiert ist (informed judgement) 772

Dazu ausf. Spindler, AG 2006, 677, 678 ff. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 645; Fleischer, ZGR 2001, 1, 24. 774 Vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 67 f.; Arkes/Schipani, 73 Or. L. Rev. 587 ff. (1994). Vertreter der neoklassischen Schule (Chicago School) betonen darüber hinaus, dass eine umfassende gerichtliche Überprüfung dazu führen würde, dass unternehmerische Entscheidungen durch Personen getroffen werden, die nicht dem kontrollierenden Druck des Marktes ausgesetzt sind, vgl. Easterbrook/Fischel, Corporate Law, S. 100. 775 Die eingeschränkte Kontrollbefugnis gilt grundsätzlich auch im Kontext einer Unternehmensübernahme, vgl. nur Pogostin v. Rice, 480 A.2d 619, 627 (1984); bestätigt in Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Corp., 493 A.2d 946, 954 (1985); vgl. aber die Ausnahmen in Paramount Communications Inc. vs. QVC Network Inc., 637 A.2d 34, 42 (1994). Dazu ausf. v. Bonin, Leitung der AG, S. 256 ff. 773

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und vernünftigerweise annehmen darf, seine Entscheidung liege im besten Interesse der Gesellschaft (rational belief).776 Sind diese Anforderungen erfüllt, so verzichtet das Gericht auf eine inhaltliche Überprüfung der Entscheidung. In der Praxis gelingt es den beklagten Direktoren und Managern im Regelfall darzulegen und zu beweisen, dass ihre Entscheidungen vom Schutzschild der business judgement rule gedeckt ist.777 Damit ist die von der Sorgfaltspflicht ausgehende Anreizwirkung von vornherein weitgehend reduziert778, und zwar unabhängig davon, auf welche Interessen tatsächlich Rücksicht zu nehmen ist. b) Fallrechtliche Konkretisierung der Sorgfaltspflicht Es wurde bereits dargelegt, dass die duty of care die Mitglieder des Board und die angestellten Manager zum Handeln im Interesse der Gesellschaft verpflichtet, ohne dass von vornherein festgelegt wäre, wie dieses Interesse zu ermitteln ist. Angesichts des hierdurch eröffneten Interpretationsspielraums kann es nicht verwundern, dass dem Begriff des „best interest of the corporation“ von verschiedenen Seiten ein jeweils unterschiedlicher Bedeutungsgehalt beigelegt wird. Während in der Vergangenheit das Gesellschaftsinteresse häufig mit den Interessen der Aktionäre gleichgesetzt und damit im Sinne einer shareholder primacy-Doktrin verstanden wurde779, lehnt eine seit den 1990er Jahren im Vordringen befindliche Ansicht dieses enge Verständnis zugunsten einer interessenpluralistischen Deutung ab780. Jenseits dieser akademischen Debatte ist zur Konkretisierung der Sorgfaltspflicht aber in erster Linie das zu dieser Frage ergangene Fallrecht he776 So die Formulierung in § 4.01 (c) A.L.I. Principles; ähnlich auch § 144 (a) Delaware General Corporation Law; § 713 (a) New York Business Corporations Law; § 310 (a) California Corporations Code. Zur Bedeutung der business judgement rule bei der Erzielung sozialer und ökologischer Unternehmensverantwortung zuletzt Kerr, 29 Cardozo L. Rev. 623, 635 ff. (2007). 777 Bildhaft Bishop, 77 Yale L. J. 1078, 1099 (1968): „The search for cases in which directors of industrial corporations have been held liable in derivative suits for negligence uncomplicated by self-dealing is a search for a very small number of needles in a very large haystack.“; siehe auch Carney, 61 Geo. Wash. L. Rev. 898, 922 Fn. 126 (1993): „I am aware of only five cases in the history of American corporate law that have held directors liable for breaches of the duty of care, four of which seem tainted by conflicts of interest.“ 778 So auch Easterbrook/Fischel, Corporate Law, S. 94: „[. . .] liability rules have only limited usefulness as a governance mechanism in the publicy held corporation.“; Smith, 23 J. Corp. L. 277, 286 (1998): „the business judgement rule [. . .] is nearly an iron-clad shield for directors of public corporations.“; unzutreffend daher Mitchell, Konzern, S. 144. 779 So etwa Bainbridge, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1423 f. (1993); Committee on Corporate Laws, 45 Bus. Law. 2253, 2255 (1990); ausf. zum akademischen Meinungsstand Smith, 23 J. Corp. L. 277, 280 f. (1998) sowie zuletzt v. Hein, Rezeption, S. 859 ff. 780 Vgl. Elhauge, 80 N.Y.U. L. Rev. 733, 769 (2005); Marens/Wicks, 9 Bus. Eth. Quart. 273, 287 (1999) jeweils m.w. N.

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ranzuziehen. Dabei fällt sogleich auf, dass die Vereinbarkeit stakeholderbegünstigenden Verwaltungshandelns mit den Vorgaben der duty of care nur in wenigen Entscheidungen zum Gegenstand gerichtlicher Erörterung gemacht worden ist.781 Die weitaus meisten Urteile befassen sich dabei mit dem speziellen Problem der Zulässigkeit von Unternehmensspenden, das aber zwischenzeitlich in vielen Bundesstaaten durch gesetzliche Regelungen entschärft wurde.782 aa) Der direct benefit-test der Entscheidung Dodge v. Ford Motor Co. Das in der Vergangenheit häufig bemühte Dogma vom unbedingten Vorrang der Aktionärsinteressen (shareholder primacy doctrine) wurde maßgeblich von der 1919 gefällten Entscheidung des Supreme Court of Michigan in Sachen Dodge v. Ford Motor Co. geprägt.783 Anlass des Rechtsstreits war die Weigerung des Direktors und Mehrheitsaktionärs der zum damaligen Zeitpunkt noch nicht börsennotierten Ford Motor Co., Henry Ford, eine Sonderdividende an die Aktionäre auszuschütten. Diese Weigerung erschien aus Sicht der übrigen Aktionäre nicht nachvollziehbar, da das Unternehmen hochprofitabel betrieben wurde und einen Überschuss von ca. 112 Mio. $ erwirtschaftet hatte, der gut zur Hälfte in Barmitteln zur Verfügung stand. Anstatt die überschüssigen Mittel auszukehren verfolgte Ford eine Unternehmenspolitik, die – nach Aussage Fords – mehr an den Belangen der Kunden und Arbeitnehmer der Gesellschaft als denen der Aktionäre orientiert war. So beabsichtigte er, die Produktion auszuweiten, um durch die Einstellung neuer Arbeitnehmer einen Beitrag zur Beschäftigungsförderung zu leisten.784 Außerdem senkte er die Preise der produzierten T-Modelle („Tin Lizzie“) sukzessive von 990 $ auf 440 $, damit sich auch der amerikanische Durchschnittsbürger ein Kraftfahrzeug leisten könne.785 Die Brüder John und Horace Dodge, die seit der Gründung Minderheitsaktionäre der Gesellschaft waren, erklärten sich mit dieser Geschäftspolitik nicht einverstanden und erhoben Klage auf Ausschüttung einer Dividende und Unterlassung der Produktionsausweitung. 781 Bainbridge, 19 Pepp. L. Rev. 971, 976 (1992); Davis, 13 Can.-U.S. L. J. 7, 10 (1988): „The material on what the law really is, as opposed to what it should be, is quite thin.“ 782 Vgl. nur § 3.02 (13) R.M.B.C.A. 783 Dodge v. Ford Motor Co., 204 Mich. 459, 170 N.W. 668 (1919). 784 Vgl. 204 Mich. 459, 468: „My ambition [. . .] is to employ still more men; to spread the benefits of this industrial system to the greatest possible number, to help them build up their lives and their homes. To do this, we are putting the greatest share of our profits back into the business.“ 785 204 Mich. 459, 465. Die philanthropische Motivation dieser Geschäftspolitik wurde auch in einer Äußerung Fords gegenüber dem Chefredakteur der Detroit News deutlich: „I do not believe that we should make such awful profits on our cars. A reasonable profit is right, but not too much.“, vgl. Smith, 23 J. Corp. L. 277, 317 (1998).

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Das Gericht gab der Klage hinsichtlich der Dividendenforderung statt. Die Urteilsbegründung enthielt dabei eine Passage, die lange als Rechtfertigung einer ausschließlich auf das Aktionärsinteresse an Gewinnmaximierung ausgerichteten Verpflichtung der Verwaltung verstanden wurde: „A business corporation is organized and carried on primarily for the profit of the stockholders. The powers of the directors are to be employed for that end. The discretion of directors is to be exercised in the choice of means to attain that end, and does not extend to a change in the end itself, to the reduction of profits, or to the nondistribution of profits among stockholders in order to devote them to other purposes.“ 786 Der Board sei deshalb nicht berechtigt, die Gesellschaft in einer Art und Weise zu leiten, in der die Belange der Aktionäre nebensächlich und die Begünstigung anderer zum Hauptzweck der Geschäftstätigkeit werde. Andererseits stellte das Gericht nicht in Frage, dass auch Belange von Stakeholdern in Leitungsentscheidungen einfließen können und dem Board insoweit ein Ermessensspielraum zustehe. Das Ermessen, in welchem Umfang dies geschehen könne, sei allerdings eng begrenzt. Berücksichtigungsfähig seien nur solche Stakeholderbelange, die als dem hauptsächlichen Gesellschaftszweck, d. h. der Generierung von Aktionärsgewinnen, zugehörig qualifiziert werden können (incidental humanitarian expenditures).787 Eine Verwendung von Gesellschaftsmitteln als Spende oder zur Förderung sozialpolitischer Zielsetzungen sollte deshalb nur möglich sein, wenn sie einen direkten Vorteil für die Aktionäre mit sich brächten („direct benefit test“). Gemessen daran hatte Ford den ihm eingeräumten Ermessensspielraum überschritten, weshalb das Gericht sein Verhalten als pflichtwidrig einstufte und die Gesellschaft zur Ausschüttung einer Dividende verurteilte. bb) Historische Einbettung der Entscheidung Trotz der Bestimmtheit, mit der das Urteil einen Vorrang der Aktionärsinteressen betonte, darf dieses Verständnis der Sorgfaltspflicht nicht ungeprüft übernommen werden. Vielmehr ist die Entscheidung im Lichte des Entwicklungsstandes des gesellschaftsrechtlichen Fallrechts um 1920 zu deuten. Nur auf diese Weise wird verständlich, weshalb das Gericht bei der Beurteilung stakeholderbegünstigenden Verwaltungshandelns den strengen direct benefit-test anwendete.788 Seine historischen Wurzeln findet der direct benefit-test in der sog. Ultravires-Doktrin, die das US-amerikanische Gesellschaftsrecht bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert prägte. Nach ihr besaßen Rechtshandlungen einer Gesellschaft nur dann Gültigkeit, wenn sie sich im Rahmen der ihr übertragenen und in 786 787 788

204 Mich. 459, 507. 204 Mich. 459, 506. Zutr. schon Blumberg, 50 B. U. L. Rev. 157, 168 (1970).

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den Gesellschaftsdokumenten eindeutig definierten corporate powers bewegten.789 Diese Doktrin und die mit ihr zusammenhängende zwingende Beschränkung des Unternehmensgegenstands auf einen einzigen, eng umgrenzten Geschäftsbereich bezweckte dabei freilich nicht den Schutz der Aktionäre vor – nach heutiger Diktion – stakeholderbegünstigendem Verhalten der Geschäftsleitung. Vielmehr war sie Ausdruck eines verbreiteten Misstrauens gegen Aktiengesellschaften, das nicht zuletzt durch große Spekulationsblasen Nahrung erhalten hatte. Die Ultra-Vires-Doktrin diente damit der staatlichen Kontrolle und Einschränkung der Geschäftstätigkeit. Die Folgen der Doktrin lassen sich unter anderem anhand der Entscheidung Davis v. Old Colony Railroad Co. aus dem Jahr 1881 verdeutlichen.790 In ihr hatte der Supreme Judicial Court of Massachusetts darüber zu entscheiden, ob eine Eisenbahngesellschaft und ein Musikinstrumentenhersteller die Kosten eines entlang der Bahnstrecke veranstalteten Musikfestivals übernehmen dürften. Das Gericht sah in der Kostentragung ein Handeln ultra vires, da die Veranstaltung von Musikfestivals nicht zu den Zwecken gehöre, zu dessen Erfüllung die Gesellschaften gegründet wurden. Dabei verkannte das Gericht nicht, dass von der finanziellen Unterstützung des Festivals eine erhebliche Werbewirkung ausging, die zu einer Steigerung der Fahrgastzahlen hätten führen können.791 Für derartige Überlegungen, die in späteren Jahren bei Anwendung des direct benefit-tests zu einer Zulässigkeit der Geschäftsleitungsmaßnahme geführt hätten, war unter der Ultra-vires-Doktrin jedoch kein Raum. Der Grundsatz der Unbeachtlichkeit möglicher Vorteile aus gesellschaftszweckfremden Verhalten wurde bis 1915 in weiteren Entscheidungen bestätigt.792 Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts jedoch zahlreiche Bundesstaaten das Recht der Gesellschaftsgründung liberalisierten, wurde die Doktrin als Instrument staatlicher Kontrolle hinfällig. An ihre Stelle trat der direct benefit-test793, der 1896 in der Entscheidung Steinway v. Steinway & Sons entwickelt wurde.794 Hintergrund dieses Urteils war die Klage eines Aktionärs gegen das Management von Steinway & Sons, mit der dieser arbeitnehmerbegünstigende Maßnahmen der Gesellschaft rügte und eine persönliche Haftung des Managements einforderte. Zum Gesellschaftsvermögen der beklagten Gesellschaft gehörte unter anderem 789 Ausf. zur Ultra-Vires-Doktrin im Common Law Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 307 (S. 207). 790 Davis v. Old Colony Railroad Co., 131 Mass. 258 (1881). 791 131 Mass. 258, 275. 792 Vgl. Brinson Ry. v. Exchange Bank, 16 Ga. App. 425, 85 S.E. 634 (1915); Military Interstate Ass’n v. Savannah T. & I. of H. Ry., 105 Ga. 420, 31 S.E. 200 (1898); Stacy v. Glen Ellyn Hotel & Springs Co., 223 Ill. 546, 79 N.E. 133 (1906); Western Md. R.R. v. Blue Ridge Hotel Co., 102 Md. 307, 62 A. 351 (1905); George v. Nevada Cent. R.R., 22 Nev. 228, 38 P. 441 (1894); Memphis G. & E. Co. v. Memphis & C.R.R., 85 Tenn. 703, 5 S.W. 52 (1887); Tomkinson v. South-eastern Ry., 35 Ch. D. 675 (1887). 793 Blumberg, 50 B. U. L. Rev. 157, 168 (1970). 794 Steinway v. Steinway & Sons, 17 Misc. 43, 40 N.Y.S. 718 (1896).

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ein Grundstück, auf dem die Produktionsanlagen und Wohnhäuser der Arbeitnehmer zentral zusammengefasst wurden. Die Gesellschaft errichtete auf dem Gelände zahlreiche Wohnstätten sowie eine Kirche, eine Schule, eine kostenlos nutzbare Bibliothek und ein Bad. Die Geschäftsleitung begründete dieses Vorgehen damit, dass die Ausgaben zu einer engen Bindung der hochqualifizierten Arbeitnehmer an das Unternehmen führen würden, sich ihre Leistungsfähigkeit steigern werde und sich das Risiko von Arbeitskampfmaßnahmen der Arbeitnehmerschaft minimiere.795 Der klagende Aktionär hielt diese Investitionen hingegen für gesellschaftszweckwidrig (ultra vires) und deshalb nichtig, da sie keine ausreichende Beziehung zum Geschäftszweck der Gesellschaft aufweisen würden. Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht: Solange eine Handlung der Geschäftsleitung dazu bestimmt sei, den Gesellschaftszweck zu fördern und auch tatsächlich zur Verfolgung dieses Zwecks in erheblicher und nicht nur beiläufiger Weise beitrage, ist sie von den Gründungsdokumenten gedeckt und damit gültig.796 Bei einer Gesamtschau der arbeitnehmerbegünstigenden Ausgaben könne ein solcher direkter Bezug zum Gesellschaftszweck hergestellt werden.797 Damit war der Grundstein für den direct benefit-test gelegt, der in der Folgezeit von anderen Gerichten übernommen wurde.798 Es war deshalb nur folgerichtig und entsprach dem Stand der gesellschaftsrechtlichen Entwicklung, dass auch der Supreme Court of Michigan in Sachen Dodge v. Ford Motor Co. auf einen unmittelbaren Nutzenzusammenhang abstellte. cc) Sukzessive Abmilderung des direct benefit-tests Allerdings markierte die Kernaussage der Entscheidung Dodge v. Ford Motor Co. keinen Endpunkt in der Entwicklung des gesellschaftsrechtlichen Fallrechts, sondern bestätigte diese bloß. Das Kriterium des unmittelbaren Nutzenzusammenhangs wurde ab den 1920er Jahren Schritt für Schritt abgemildert, so dass es am Ende als reine Fiktion erschien.799 Die Abmilderung des direct benefit-tests lässt sich anhand von zwei Entscheidungen nachzeichnen: Im Rechtsstreit Armstrong Cork Co. v. HA. Meldrum Co. 795

17 Misc. 43, 46 f.; 40 N.Y.S. 718, 719, 721. 17 Misc. 43, 47; 40 N.Y.S. 718, 719, 720. 797 17 Misc. 43, 48; 40 N.Y.S. 718, 719, 721. 798 Vgl. die ausf. Darstellung bei Blumberg, 50 B. U. L. Rev. 157, 170 ff. (1970). Im englischen Gesellschaftsrecht existierte ein vergleichbarer Maßstab bereits seit der Entscheidung Gutton v. West Cork Rail Co. aus dem Jahr 1883, deren Begründung den vielzitierten Satz enthielt: „The law does not say that there are to be no cakes and ale, but there are to be no cakes and ale except such as are required for the benefit of the company.“, vgl. Lord Justice Bowen in Gutton v. West Cork Rail Co., 23 Ch. D. 654 (C.A. 1883). 799 So Blumberg, 50 B. U. L. Rev. 157, 170 ff. (1970): „the ,benefit‘ requirement has become a fiction“. 796

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hatte der District Court of New York über die Zulässigkeit von Geldzahlungen der beklagten Gesellschaft an die wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten zweier lokaler Universitäten zu entscheiden.800 Die Geschäftsleitung rechtfertigte diese Ausgaben nicht mit einem unmittelbaren Nutzen für die Gesellschaft, sondern argumentierte, dass durch die Zuwendungen die Chance erhöht werde, zukünftig besser ausgebildete Arbeitskräfte einstellen zu können. Außerdem würden die Ausgaben das Bild des Unternehmens in der Öffentlichkeit verbessern und das Wohlwollen vieler einflussreicher Bürger sichern.801 Das Gericht hielt die Zuwendungen für zulässig und wies die Klage ab. Die Entscheidungsgründe sind dabei zumindest noch rhetorisch vom Erfordernis eines unmittelbaren Gesellschaftsnutzens geprägt. Inhaltlich stützen sie die Annahme eines solchen Nutzens jedoch nicht.802 Die Urteilsbegründung ging weder darauf ein, dass gerade der von der Armstrong Cork Co. gezahlte Geldbetrag zu einer Verbesserung der Studiensituation und schließlich zu höher qualifizierten Hochschulabsolventen führen würde, noch wurde schlüssig begründet, dass diese Höherqualifikation allein der beklagten Gesellschaft zugute kommen sollte. Begünstigte der Zuwendung und damit Nutzenzieher waren vielmehr sämtliche örtlichen Unternehmen, die zukünftig an einer Einstellung qualifizierter Universitätsabsolventen interessiert waren. Die sich bereits im Urteil Armstrong Cork Co. v. HA. Meldrum andeutende Tendenz zur Lockerung des direct benefit-Erfordernisses verstärkte sich noch mit der Entscheidung Holst v. New York Stock Exchange aus dem Jahre 1937.803 Ihr lag die Schadensersatzforderung eines Arbeitnehmers der New Yorker Börse zugrunde, der zugleich Spieler des unternehmenseigenen Fußballteams war und der sich bei einem Spiel Verletzungen zugezogen hatte. Die der Gesellschaft aus dem Betreiben der Sportmannschaft zufließenden Vorteile waren dabei höchst ungewiss und konnten allenfalls als mittelbar nützlich qualifiziert werden.804 Dennoch gab das Gericht der Klage statt. Die sich aufdrängende Frage nach der unmittelbar nutzensteigernden Wirkung beantwortete es indes nicht. Es sei nicht maßgeblich, ob die Geschäftsleitung die Finanzierung einer unternehmenseigenen Fußballmannschaft wegen ihres werbenden Effekts oder ihrer gesundheitsfördernden und die Leistungsbereitschaft steigernden Wirkung für sinnvoll erachtet hatte. Vielmehr stellte das Gericht lediglich fest, dass die für die Mannschaft getätigten Ausgaben eine geschäftliche Angelegenheit (matter of business) darstellten und damit keinen rein wohltätigen Charakter besaßen.

800

Armstrong Cork Co. v. HA. Meldrum Co., 285 F.58 (1922). 285 F.58, 59. 802 Vgl. ausf. Carter, 22 Mem. St. U. L. Rev. 491, 500 (1992). 803 Holst v. New York Stock Exchange, 252 App.Div. 233; 299 N.Y.S. 255 (1937). 804 Vgl. dazu Carter, 22 Mem. St. U. L. Rev. 491, 499 (1992); v. Stange, 11 Hofstra Lab. L. J. 461, 473 (1994). 801

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dd) Abschied vom direct benefit-test Der Abschied von der direct benefit-Doktrin wurde schließlich durch die Entscheidung des Supreme Court of New Jersey in Sachen A.P. Smith Manufacturing Co. v. Barlow eingeläutet.805 Hatten sich die Gerichte bis zu diesem Zeitpunkt noch formal auf dem Boden der überkommenen Doktrin bewegt und eine Berücksichtigungsfähigkeit von Stakeholderinteressen durch extensive Auslegung des Unmittelbarkeitserfordernisses ermöglicht, so bildete diese Entscheidung das Fundament für eine auch inhaltliche Abkehr von einer allzu engen Anbindung der Sorgfaltspflicht an die Interessen der Aktionäre. Der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt gleicht dabei dem zuvor bei Armstrong Cork Co. dargestellten: Die A.P. Smith Manufacturing Co. bedachte bereits seit mehreren Jahren die örtliche Gemeinschaft der Kommune ihres Hauptsitzes sowie verschiedene Universitäten mit Geldspenden. Der Board stellte in einem Beschluss fest, dass die Zahlung von 1.500 $ an die Universität von Princeton im besten Interesse der Gesellschaft sei. Der Beschluss wurde daraufhin ausgeführt. Da sich im Kreis der Aktionäre Widerstand gegen diese Zahlung formierte, beantragte die Gesellschaft ein die Rechtmäßigkeit der Zuwendung bestätigendes Feststellungsurteil (declaratory judgement). Das Gericht erkannte daraufhin zugunsten der Gesellschaft. In seiner Begründung verwies es darauf, dass die direct benefit-Doktrin angesichts des tiefgreifenden Wandels, den US-amerikanische Aktiengesellschaften seit dem 19. Jahrhundert vollzogen hatten, ihre Rechtfertigung verloren habe. In der Vergangenheit existierte nur eine geringe Zahl an undiversifizierten Aktiengesellschaften, deren Vermögen sich in überschaubaren Größenordnungen hielt.806 Unter diesen Bedingungen war – so das Gericht – der geforderte Nutzenzusammenhang für die Aktionäre mit dem öffentlichen Interesse vereinbar und wirkte sich auf dieses nicht störend aus. Demgegenüber entstanden im 20. Jahrhundert Gesellschaften neuen Typs, die Kapitalsammelstellen vorher unbekannten Ausmaßes bildeten, in verschiedenen Geschäftsbereichen tätig waren und die sich dadurch zum dominierenden Faktor des nationalen Wohlstands entwickelten.807 Trotz dieser durch den ökonomischen Wandel bewirkten Unterschiede erkannte das Gericht aber in dem Prinzip der Gemeinwohlverantwortung eine Konstante, die für Aktiengesellschaften alten wie neuen Typs Geltung beanspruchen könne: „It seems to us that just as the conditions prevailing when corporations were originally created required that they serve public as well as private interests, modern conditions require that corporations acknowledge and discharge social as well as private responsibilities as members of the communities 805 A.P. Smith Manufacturing Co. v. Barlow, 13 N.J. 145, 98 A.2d 581, 39 A.L.R. 2d 1179 (1952); dazu ausf. Bussell, 6 Bay. L. Rev. 174 (1953). 806 Zur dieser Entwicklung Donaldson, Corporations & Morality, S. 6 ff.; Stone, Where the Law Ends, S. 19 ff. sowie Winkler, 67 L. Cont. Prob. 109, 112 (2004). 807 13 N.J. 145, 150.

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within which they operate.“ 808 Die Aktionäre dürften ihre Augen nicht vor der Realität verschließen und versuchen, langfristig ausgerichtetes Verhalten der Gesellschaft zu vereiteln, welches diese in freiwilliger Verfolgung ihrer „hohen Verpflichtungen“ als ein Bestandteil der modernen Gesellschaft an den Tag legt.809 Trotz des zustimmungswürdigen Ergebnisses der Entscheidung blieben viele Aussagen der Urteilsbegründung vage. Unklar war insbesondere, wieso sich der in Dodge geforderte Nutzenzusammenhang unter den neuen Bedingungen störend auf das öffentliche Interesse auswirken sollte. Auch gelang es dem Gericht nicht, den normativen Anspruch der Gemeinwohlverantwortung des Unternehmens hinreichend zu begründen. Der Rekurs auf den ökonomischen Wandel, der die Aktiengesellschaften zum bedeutenden Machtfaktor hatte werden lassen, blieb diffus. Greifbarer werden die Aussagen des Gerichts erst, wenn man die Entscheidung in ihrem historischen Kontext betrachtet und erkennt, dass das Urteil auch von der Angst vor dem Kommunismus geprägt ist, der die kapitalistische Wirtschaftsweise unter erheblichen Rechtfertigungsdruck setzte und die ökonomische licence to operate zu entziehen drohte.810 ee) Stakeholderinteressen und Geschäftsleiterermessen Erst im Jahr 1968 gelang es schließlich dem Berufungsgericht des Staates Illinois in der Entscheidung Shlensky v. Wrigley, die Berücksichtigungsfähigkeit von Stakeholderbelangen durch Anwendung der business judgement rule auf eine tragfähigere Grundlage zu stellen.811 Auslöser des Verfahrens war die Schadensersatzklage eines Minderheitsaktionärs (Shlensky) des als Aktiengesellschaft in Delaware inkorporierten Baseballclubs Chicago Cubs gegen den Mehrheitsaktionär und Direktor der Gesellschaft (Wrigley) sowie die übrigen Direktoren. Da diese sich weigerten, im Stadion des Baseballclubs Flutlichter zu installieren, warf Shlensky ihnen vor, die Interessen der Gesellschaft zu verletzten. Er betonte, dass jeder andere der in den oberen amerikanischen Baseball-Ligen vertretenen Clubs Flutlichtanlagen errichtet habe. Die dort auch nachts stattfindenden Spiele würden die Zuschauerzahlen steigern und die Einnahmen erhöhen.812 Demgegenüber hätten die Chicago Cubs in den zurückliegenden Geschäftsjahren Verluste hinnehmen müssen, die sich weiterhin steigern würden, falls wegen der fehlenden Flutlichter auch weiterhin keine Nachtspiele angesetzt werden könn808

13 N.J. 145, 154. 13 N.J. 145, 161. 810 Vgl. 13 N.J. 145, 154: „threats from abroad“, „if need be the matter may be viewed strictly in terms of actual survival of the corporation in a free enterprise system“. Zutreffend daher Winkler, 67 L. Cont. Prob. 109, 117 (2004). 811 Shlensky v. Wrigley, 95 Ill.App.2d 173 = 237 N.E. 2d 776 (1968); dazu Stout, 3 Va. L. Bus. Rev. 163, 171 f. (2008). 812 95 Ill.App.2d 173, 175. 809

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ten. Die für die Flutlichtinstallation erforderlichen Mittel könnten ohne weiteres durch Kredite aufgebracht werden und würden durch die gesteigerten Einnahmen mehr als ausgeglichen. Weiterhin führte Shlensky aus, dass sich die Beklagten nicht etwa deshalb gegen eine Flutlichtanlage sperrten, weil eine Installation nicht im Interesse der Gesellschaft sei. Vielmehr seien sie der Auffassung, dass Baseball eine bei Tageslicht zu betreibende Sportart sei und die Lichtinstallation sowie die sodann auch nachts stattfindenden Spiele einen schlechten Einfluss auf die Nachbarschaft hätten.813 Nach Ansicht Shlenskys verstießen die Beklagten damit gegen den in der Entscheidung Dodge v. Ford Motor Co. aufgestellten Grundsatz, dass die Direktoren bei ihrer Leitungstätigkeit keine Zwecke verfolgen dürfen, die den Geschäftsinteressen der Gesellschaft gegenläufig sind und ohne jeden Bezug zu diesen Interessen stehen.814 Anders als noch der Supreme Court of New Jersey im Urteil A. P. Smith Manufacturing Co. v. Barlow rechtfertigte das Gericht das Verhalten des Managements nicht unter Verweis auf die Sozialpflichtigkeit der Aktiengesellschaft. Vielmehr enthielt es sich mit Rücksicht auf den eingeschränkten Prüfungsmaßstab der business judgement rule einer rechtlichen Bewertung. In den Urteilsgründen flackerte freilich noch die frühere Doktrin vom Nutzenzusammenhang auf, indem das Gericht zunächst – ohne Bezug auf das frühere Fallrecht zu nehmen – die Auswirkungen auf das Wohl der Gesellschaft thematisierte. Allerdings teilte es die Überzeugung des Klägers nicht, dass das Verhalten der Unternehmensleitung den Interessen der Gesellschaft und der Aktionäre zuwiderlief. So seien die erwarteten negativen Auswirkungen der Flutlichtanlage auf die Nachbarschaft auch deshalb berücksichtigungsfähig gewesen, weil sie Förderer des Baseballclubs davon hätten abhalten können, sich weiterhin zu engagieren. Außerdem lag es nach Ansicht der Richter im langfristigen Interesse der Gesellschaft, alles zu tun, um eine Verschlechterung der Nachbarschaft zu verhindern. Der Verzicht auf die Installation der Flutlichter wäre demnach schon mit einem mittelbaren Nutzenzusammenhang begründbar gewesen. Das Gericht ging diesen Weg indes nicht, sondern stellte lediglich fest, dass aus den vorangegangenen Überlegungen nicht der Schluss gezogen werden könne, die Entscheidung der Direktoren sei unrichtig gewesen. Eine solche Rechtmäßigkeitsprüfung unternehmerischen Verhaltens könne das Gericht mangels entsprechender Qualifikation nicht leisten, weshalb die Entscheidung lediglich auf mögliche Interessenkonflikte, täuschendes Verhalten und Gesetzwidrigkeit hin zu untersuchen und im Übrigen als Ermessensentscheidung zu respektieren sei. Gemessen an diesem Beurteilungsmaßstab begegnete das Verhalten der Beklagten keinen Bedenken. Deshalb wurde die Klage ohne mündliche Verhandlung allein aufgrund des klägerischen Vorbringens abgewiesen (dismissal for failure to state a claim). Mit der Anwendung der business 813 814

95 Ill.App.2d 173, 176. 95 Ill.App.2d 173, 177.

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judgement rule hatte das Gericht den Unternehmensleitungen einen Weg gewiesen, der eine Rücksichtnahme auf Nichtaktionärsbelange im Rahmen der fiduziarischen Pflichtenbindung möglich machte, ohne dabei auf den schwammigen Begriff der Sozialbindung des Unternehmens rekurrieren zu müssen. ff) Bestätigung durch die A.L.I. Principles of Corporate Governance Die Offenheit der duty of care für eine Berücksichtigung von Stakeholderbelangen wird auch durch die Principles of Corporate Governance des American Law Institute (A.L.I.) bestätigt.815 Die in ihnen zusammengefassten Grundsätze guter Unternehmensführung sind rechtlich unverbindlich, haben in Rechtswissenschaft und Praxis aber dennoch weitgehende816 Anerkennung gefunden. Formalziel der Geschäftstätigkeit einer Gesellschaft ist danach die Steigerung des Gewinns der Gesellschaft und der Aktionäre.817 Die Unternehmensleitung sei jedoch berechtigt, ethische Überlegungen in Geschäftsentscheidungen einzubeziehen, wenn diese vernünftigerweise als angemessen für ein verantwortliches Unternehmensverhalten angesehen werden können.818 Daneben dürfe ein angemessener Teil des Gesellschaftsvermögens für das öffentliche Wohlfahrtswesen sowie humanitäre, pädagogische oder philanthropische Zwecke verwendet werden.819 Die genannten ethischen Überlegungen und sozialen Zuwendungen dürfen dabei auch dann erfolgen, wenn sie nicht zu einer Steigerung des Gewinns der Gesellschaft und der Aktionäre führen. Die Berücksichtigungsfähigkeit von Nichtaktionärsinteressen gründet nach Ansicht des A.L.I. auf dem Gedanken, dass Aktiengesellschaften nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Institutionen seien. Das ökonomische Primärziel müsse deshalb zugunsten der zivilgesellschaftlichen Bedürfnisse und sozialen Wertvorstellungen eingeschränkt werden.820 Dies entspreche auch den praktischen Gegebenheiten, da unternehmerische Entscheidungen nicht selten auf der Grundlage ethischer Überlegungen getroffen würden, auch wenn dadurch weder 815 Dazu allg. Ebke, Feschrift Großfeld, S. 189. Ausf. zu § 2.01 A.L.I. Principles Schwartz, 52 Geo. Wash. L. Rev. 511 (1984). 816 Kritisch aber die Beiträge zum Symposium on Corporate Governance, 48 Bus. Law. 1267 ff. (1993) sowie Seligman, 55 Geo. Wash. L. Rev. 325 (1987). 817 § 2.01 (a) A.L.I. Principles: „[. . .] a corporation [. . .] should have as its objective the conduct of business activities with a view to enhancing corporate profit and shareholder gain.“ 818 § 2.01 (b) (2) A.L.I. Principles: „May take into account ethical considerations that are reasonably regarded as appropriate to the responsible conduct of business; [. . .]“ 819 § 2.01 (b) (3) A.L.I. Principles: „May devote a reasonable amount of resources to public welfare, humanitarian, educational, and philanthropic purposes.“ 820 Comment on § 2.01 A.L.I. Principles, „e. Corporate Objective and Corporate Conduct“.

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kurz- noch langfristig eine Steigerung des Unternehmens- und Aktionärsgewinns verbunden sei. Die Berücksichtigung der Interessen sämtlicher Bezugsgruppen des Unternehmens sei nicht nur sachgerecht, sondern darüber hinaus auch erstrebenswert. Direktoren und Manager seien nicht weniger als andere Personen moralisch verpflichtet, ethische Überlegungen in ihre Entscheidungsprozesse einfließen zu lassen und es wäre eine unkluge Entscheidung, sie davon abzuhalten.821 gg) Fazit Das US-amerikanische Fallrecht steht einer Berücksichtigung von Stakeholderbelangen bei unternehmerischen Entscheidungen nicht entgegen. Die für eine ausschließliche Ausrichtung am Aktionärsinteresse streitende Entscheidung Dodge v. Ford Motor Co. muss im Gesamtzusammenhang der gesellschaftsrechtlichen Entwicklung gesehen werden. Sie ist nicht verallgemeinerungsfähig und darf deshalb nicht überbewertet werden.822 In neuerer Zeit ist wiederholt darauf hingewiesen worden, dass die Entscheidung keine Aussage zur sozialen Verantwortung eines Unternehmens trifft, sondern lediglich einen klassischen Mehrheits-Minderheits-Konflikt in Form des Aushungerns der Minderheit behandelt.823 Konsequenterweise wurde deshalb unlängst von prominenter Seite dazu aufgerufen, den Sirenengesängen von Dodge v. Ford Motor Co. zu widerstehen und die Entscheidung aus dem universitären Lehrplan zu streichen.824 c) Berücksichtigungsfähigkeit von Nichtaktionärsinteressen im Geltungsbereich der constituency statutes Die These von einer zwingenden Ausrichtung des Verwaltungshandelns auf das Aktionärsinteresse gerät schließlich vollkommen ins Wanken, wenn man die in mittlerweile 25 Bundesstaaten erlassenen Regelungen in das Blickfeld rückt, die eine Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen durch das Management ausdrücklich zulassen.825 Diese als constituency statutes oder stakeholder sta821

Comment on § 2.01 A.L.I. Principles, „h. Ethical Considerations“. So auch Marens/Wicks, 9 Bus. Eth. Quart. 273, 278 (1999), die die rechtliche Relevanz der Entscheidung wegen ihrer Singularität und ihres Alters anzweifeln. 823 Vgl. Smith, 23 J. Corp. L. 277, 315, 320 (1998) sowie Simon, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1967, 1702 (1993): „Dodge [. . .] does not seem about social responsibility at all; today the case would be treated as involving an attempted freezeout of minority shareholders in a close corporation, and on that view, the Court was right.“ 824 Stout, 3 Va. L. Bus. Rev. 163, 176 (2008); dagegen aber Macey, 3 Va. L. Bus. Rev. 177 ff. (2008). 825 Einführend dazu Hanks, 21 Stetson L. Rev. 97 (1991) sowie aus dem deutschen Schrifttum Empt, Corporate Social Responsibility, S. 97 ff.; v. Bonin, Leitung der AG, S. 281 ff. 822

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tutes bezeichneten Vorschriften, die anlässlich der Übernahmewelle zu Beginn der 1980er Jahre erlassen wurden, verfolgen das gemeinsame Ziel, den Ermessensspielraum des Managements bei unternehmerischen Entscheidungen zu erweitern. Die weitaus meisten constituency statutes erlauben die Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer, Kunden, Gläubiger sowie der Gemeinden, die Produktionsstandorte der Gesellschaft sind, sowohl in als auch außerhalb von Übernahmesituationen.826 Eine Rangfolge der zu berücksichtigenden Interessen wird dabei regelmäßig827 nicht festgelegt, was üblicherweise so verstanden wird, dass alle erwähnten Interessen grundsätzlich als gleichwertig behandelt werden können und dem Interesse der Anteilseigner kein besonderes Gewicht beizumessen ist. Da die statutes mit einer Ausnahme828 lediglich die Möglichkeit zur Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen aussprechen, ohne zugleich eine Verpflichtung zu normieren, waren und sind ihre praktischen Auswirkungen Gegenstand einer kontrovers geführten Debatte. Extrempositionen bilden dabei auf der einen Seite die Ansicht, die in den statutes nur eine Kodifikation des bereits geltenden Fallrechts sehen will829, auf der anderen Seite die Meinung, die die statutes als Grundlage eines von Nichtaktionären gerichtlich durchsetzbaren Rechts auf angemessene Berücksichtigung ihrer Interessen im Rahmen der unternehmerischen Entscheidungsfindung versteht830. Tatsächlich dürften die praktischen Auswirkungen der stakeholder statutes gering bleiben, da das Management be826 Anschaulich § 717 (b) New York Business Corporation Law: „(b) In taking action, including, without limitation, action which may involve or relate to a change or potential change in the control of the corporation, a director shall be entitled to consider, without limitation, (1) both the long-term and the short-term interests of the corporation and its shareholders and (2) the effects that the corporation’s actions may have in the short-term or in the long-term upon any of the following: (i) the prospects for potential growth, development, productivity and profitability of the corporation; (ii) the corporation’s current employees; (iii) the corporation’s retired employees and other beneficiaries receiving or entitled to receive retirement, welfare or similar benefits from or pursuant to any plan sponsored, or agreement entered into, by the corporation; (iv) the corporation’s customers and creditors; and (v) the ability of the corporation to provide, as a going concern, goods, services, employment opportunities and employment benefits and otherwise to contribute to the communities in which it does business.“ 827 Eine Ausnahme bildet die auf Übernahmesituationen beschränkte Regelung im Bundesstaat Iowa, die eine Bevorzugung von Nichtaktionärsinteressen ausdrücklich erlaubt, vgl. § 490.1108A Iowa Code: „Consideration of any or all of the community interest factors is not a violation of the business judgment rule or of any duty of the director to the shareholders, or a group of shareholders, even if the director reasonably determines that a community interest factor or factors outweigh the financial or other benefits to the corporation or a shareholder or group of shareholders.“ 828 Vgl. § 33-756 Connecticut General Statutes: „[. . .] a director of a corporation [. . .] shall consider [. . .]“. 829 So Committee on Corporate Laws, 45 Bus. Law. 2253 (1990). 830 In diesem Sinne vor allem die Vertreter der Progressive Corporate Law-Schule: Millon, 24 Ind. L. Rev. 223, 265 ff. (1991); Mitchell, 70 Tex. L. Rev. 579, 634 ff. (1992); O’Connor, 69 N.C.L. Rev. 1189, 1229 ff. (1991); Van Wezel Stone, 21 Stetson L. Rev. 45 (1991).

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reits aufgrund des bereits erörterten Fallrechts einen großen Handlungsspielraum besitzt und von einer Überprüfung seiner unternehmerischen Entscheidungen weithin abgeschirmt wird. Gleichwohl eröffnen sie die Möglichkeit, den Schutz von Nichtaktionärsinteressen auch ausdrücklich als Zweck einer Entscheidung hervorzuheben. Zutreffend wurde deshalb der erhebliche konzeptionelle Unterschied betont, der im Abrücken von der traditionellen Duldung der bloß reflexartigen Berücksichtigung von Stakeholderbelangen und der Anerkennung von Nichtaktionärsinteressen als solchen besteht.831 d) Zusammenfassung Insgesamt ergibt sich damit ein bemerkenswert differenziertes Bild, das dem „Grundklischee“ 832 vom absoluten Vorrang der Aktionärsinteressen im US-Gesellschaftsrecht deutlich widerspricht. Bundesstaatliches Fallrecht und constituency statutes ermöglichen eine Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen in weitem Umfang. Die shareholder primacy doctrine ist daher eher rechtspolitische Forderung denn geltendes Recht.833 Für die Zulässigkeit sozial-ökologischer Aktionärsanträge bedeutet dies, dass in der Umsetzung eines stakeholderbegünstigenden Antrags im Regelfall kein Verstoß gegen bundesstaatliches Gesellschaftsrecht liegt. Der Tatbestand der Rechtsverletzung (Rule 14a-8 (i)(2)) ist somit nicht erfüllt. 2. Verstoß gegen sonstiges bundesstaatliches Recht Außer bei Verstößen gegen bundesstaatliches Gesellschaftsrecht lässt Rule 14a-8 (i)(2) die Mitteilungspflicht auch bei Verstößen gegen sonstiges Recht eines Bundesstaates entfallen. Wichtigster Anwendungsfall ist hierbei der durch die Antragsumsetzung herbeigeführte Vertragsbruch, der als Verstoß gegen das Vertragsrecht angesehen wird.834 Schließt der Antrag nur den Abschluss weiterer Verträge zu bestimmten Bedingungen aus, so ist der Tatbestand nicht erfüllt.835 Würde die Umsetzung eines Antrags zu einem Vertragsbruch führen, so räumt die SEC dem Antragssteller regelmäßig eine Nachbesserungsmöglichkeit ein. Er erhält dann Gelegenheit, den Antrag so umzuformulieren, dass dieser nur noch 831

Vgl. dazu Empt, Corporate Social Responsibility, S. 113. Siems, Konvergenz, S. 234. 833 Vgl. Marens/Wicks, 9 Bus. Eth. Quart. 273, 280 (1999); Millon, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1373, 1376 (1993); Rogers, Comp. Lab. L. & Pol. J. 95, 104 ff. (Fall 2008). 834 Vgl. SEC No-Action Letter Kroger Co. vom 21.04.2000, 2000 WL 511547 (Antrag zur Höhe der (vertraglich vereinbarten) Vergütung von Direktoren und Managern, die nur 2 % über dem niedrigsten Vergütungsniveau des Unternehmens liegen sollte). 835 Vgl. SEC No-Action Letter Xcel Energy Inc. vom 05.02.2001, 2001 WL 111446 (auf zukünftige Verträge ausgerichteter Antrag zur Energiegewinnung aus Gebieten mit indianischer Bevölkerung). 832

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zukünftig abzuschließende Verträge betrifft.836 Vollständige Nichtveröffentlichungen von Anträgen wegen eines zunächst bestehenden Verstoßes gegen Vertragsrecht sind deshalb selten. 3. Verstoß gegen Bundesrecht Auch Anträge, deren Umsetzung gegen Bundesrecht verstoßen würde, kommen in der Praxis nur selten vor.837 In der Vergangenheit beriefen sich Gesellschaften insbesondere bei Anträgen zu genetisch veränderten Lebensmitteln erfolglos auf einen Verstoß gegen Bundesrecht. So war etwa der Quaker Oats Company empfohlen worden, bei der Herstellung ihrer Produkte auf gentechnisch modifizierte Bestandteile zu verzichten und dies an den Produkten auch kenntlich zu machen. Die Gesellschaft lehnte die Veröffentlichung des Antrags ab, da kein Konsens darüber bestehe, wann ein Lebensmittel frei von Gentechnik sei und die Kennzeichnung damit irreführend im Sinne des Federal Food, Drug and Cosmetic Act sei. Die SEC teilte diese Sichtweise nicht.838 Auch bei Anträgen, die im Zusammenhang mit Fabrikschließungen die Einrichtung eines mit Gewerkschaftsmitgliedern besetzten Ausschusses empfahlen, der die Folgewirkungen der Schließung untersuchen sollte, stützten sich die Gesellschaften erfolglos auf eine Verletzung des National Labor Relations Act.839 4. Verstoß gegen ausländisches Recht Schließlich kann die Veröffentlichung eines Antrags auch dann abgelehnt werden, wenn seine Umsetzung gegen ausländisches Recht verstoßen würde. Eine im Normtext enthaltene Anmerkung zu Rule 14a-8 (i)(2) betont allerdings den Geltungsvorrang des inländischen Rechts: Wenn die Einhaltung des ausländischen Rechts zu Verstößen des bundesstaatlichen Rechts oder des Bundesrechts führt, so soll der Ausschlusstatbestand nicht einschlägig sein. Im Mittelpunkt der Diskussion um den Ausschlusstatbestand des Verstoßes gegen ausländisches Recht standen lange Zeit Anträge, die eine Umsetzung der MacBride Principles of Fair Employment empfahlen. Diese richten sich an Unternehmen mit Beschäftigten in Nordirland und umfassen insgesamt neun Grundsätze zur Nichtdiskriminierung 836 Vgl. Folladori, Shareholder Propsals, S. 180; SEC No-Action Letter SBC Communications Inc. vom 07.02.2003, 2003 WL 354944. 837 Vgl. aber SEC No-Action Letter General Electric Co. vom 13.01.1984, 1984 WL 47201 (Antrag, Dritten ohne Zustimmung des Arbeitnehmers keine Auskunft über dessen Gehalt zu erteilen, stellt Verstoß gegen eine Bestimmung des Internal Revenue Code dar). 838 SEC No-Action Letter Quaker Oats Company vom 28.03.2000, 2000 WL 381480. 839 SEC No-Action Letter E.I. du Pont Nemours and Company vom 06.03.2000, 2000 WL 35614490.

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und Förderung von religiösen Minderheiten (insbesondere von Arbeitnehmern katholischen Glaubens) im Arbeitsleben.840 Da einige dieser Grundsätze im Widerspruch zu dem in Nordirland geltenden Fair Employment Act 1976 standen und stehen, der Diskriminierung von Arbeitnehmern aus religiösen Gründen verbietet, unterstützte die SEC zunächst durchweg die ablehnende Haltung der Gesellschaften gegenüber derartigen Anträgen.841 Mittlerweile hat der Tatbestand aber seine Bedeutung bei Anträgen zur Implementierung der MacBride Principles weitgehend eingebüßt. Zwar werden auch heute noch Anträge zur Umsetzung dieser Grundsätze gestellt, doch haben die Antragsteller aus den in den 1980er Jahren gemachten Erfahrungen gelernt. Sie empfehlen heute nur noch, alle rechtlich zulässigen Maßnahmen zur Umsetzung der Prinzipien zu unternehmen und umschiffen damit den Anwendungsbereich von Rule 14a-8 (i)(2).842 III. Verstoß gegen die proxy rules (violation of proxy rules) Rule 14a-8 (i)(3) ermöglicht die Ablehnung von Anträgen, die gegen die von der Kommission erlassenen proxy rules verstoßen. Praktisch wichtigster Anwendungsfall ist dabei ein Verstoß gegen Rule 14a-9, der falsche und irreführende Angaben in den proxy materials verbietet (antifraud provision). Da die Urheber sozial-ökologischer Anträge ihre Anliegen meist umfangreich begründen und die 500 Wort-Grenze der Rule 14a-8 (d) regelmäßig ausschöpfen, die dabei gemachten Aussagen aber häufig stark von der Sichtweise des Managements abweichen, ist der Tatbestand für diese Anträge von besonderer praktischer Bedeutung. Die Wirkung des weit gefassten Tatbestandes – abgestellt wird nicht nur auf den Antrag selbst, sondern auch auf seine Begründung – wird allerdings dadurch abgemildert, dass die SEC dem Antragsteller unter bestimmten Voraussetzungen Gelegenheit gibt, seinen Antrag bzw. die dazugehörige Begründung zu überarbeiten.843 Eine Anpassung an die Erfordernisse der proxy rules ist dabei nur möglich, wenn die vorzunehmenden Modifikationen nur einen geringfügigen Umfang 840 Die Prinzipien sind abgedruckt bei Currier, 12 Comp. Lab. L. J. 73, 103 (1990) sowie bei Conway, 24 Loy. L.A. Int. & Comp. L. Rev. 1, 16 (2002), jeweils mit umfangreicher Dokumentation der rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge. 841 SEC No-Action Letter American Brands Inc. vom 05.03.1985, 1985 WL 55910; SEC No-Action Letter Fruehauf Corporation vom 05.03.1986, 1986 WL 65334; SEC No-Action Letter Ford Motor Company vom 19.03.1986, 1986 WL 66540. 842 SEC No-Action Letter The TJX Companies Inc. vom 01.04.1999, 1999 WL 186982; SEC No-Action Letter Toys „R“ Us Inc. vom 08.04.1999, 1999 WL 199089; SEC No-Action Letter Baker Hughes Incorporated vom 16.01.2001, 2001 WL 47256. 843 Die Möglichkeit zur Überarbeitung entbindet den Antragsteller allerdings nicht von der Einhaltung der 500 Wort-Grenze. Der Einwand, dass der Antrag nicht innerhalb dieses Rahmens begründet werden kann, ohne wesentliche Informationen zurückzuhalten, wird von der SEC als unbeachtlich angesehen, vgl. SEC No-Action Letter Xcel Energy Inc. vom 05.02.2001, 2001 WL 111446.

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haben und sie das Wesen des Antrags nicht ändern.844 Nachdem sich die SEC im Juli 2001 in einer amtlichen Bekanntmachung über Einzelfragen der Rule 14a-8 (Legal Bulletin No. 14) ausdrücklich auch zu den Grundsätzen für eine Überarbeitung nach Antragstellung geäußert hatte, versuchten die Unternehmen zunehmend, Anträge unter Berufung auf den Tatbestand des Verstoßes gegen die proxy rules abzulehnen. In den gegenüber der SEC abgegebenen Stellungnahmen der Unternehmen wurde dabei nicht selten in jedem einzelnen Satz der Antragsbegründung irreführende Aussagen vermutet und behauptet, dass diese nur durch umfangreiche Änderungen beseitigt werden könnten.845 Um dieser unbeabsichtigten Entwicklung entgegenzuwirken und dem gesamten Ausnahmetatbestand schärfere Konturen zu verleihen, sah sich die SEC im September 2004 zu einer Klarstellung veranlasst.846 Sie bildet auch heute noch die Grundlage für die Handhabung des Tatbestandes. 1. Unanwendbarkeit des Tatbestandes Die Anwendbarkeit des Tatbestandes wird von der Kommission verneint, wenn der Antrag (1) nicht näher erläuterte Tatsachenbehauptungen enthält oder (2) umstrittene Tatsachenbehauptungen beinhaltet, die nicht grundlegend falsch oder irreführend sind oder (3) Tatsachenbehauptungen enthält, die von den Aktionären in einer Weise verstanden werden können, die für die Gesellschaft, ihre BoardMitglieder oder ihre Manager unvorteilhaft ist, oder (4) Meinungsäußerungen des Antragstellers oder eines Dritten wiedergibt, die nicht als solche kenntlich gemacht worden sind.847 In diesen Situationen verweist die Kommission die mit einem Antrag konfrontierten Gesellschaften darauf, ihren Bedenken in der Antragserwiderung (opposition statement, vgl. Rule 14a-8 (m)(3)) Ausdruck zu verleihen. 2. Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestands Demgegenüber wird die Ablehnung eines Aktionärsantrags von der SEC in folgenden Fällen für zulässig erachtet:848 844 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 2001, E.1., abrufbar unter http://www.sec.gov/pdf/cfslb14.pdf. 845 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14B 2004, B.3., abrufbar unter http://www.sec.gov/interps/legal/cfslb14b.htm. 846 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14B 2004. 847 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14B 2004, B.4. 848 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14B 2004, B.4.

vom 13.07. vom 15.09. vom 15.09. vom 15.09. vom 15.09.

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(1) Eine Veröffentlichung des Antrags kann verweigert werden, wenn er Aussagen enthält, die direkt oder indirekt den Charakter, die Integrität oder das Ansehen der Gesellschaft oder ihrer Verwaltungsmitglieder bestreiten, oder wenn er direkte oder indirekte Beschuldigungen wegen eines unsachgemäßen, illegalen oder unmoralischen Verhaltens erhebt, ohne dass dies auf Grundlage von Tatsachen geschieht. Nur selten geschieht dies indes so offensichtlich wie in einem an die General Magic Inc. gerichteten Antrag, in dem ein unzufriedener Aktionär die Umbenennung der Gesellschaft in „The Hell with Share Holders Inc.“ beantragte.849 Häufiger sind demgegenüber Anträge, deren herabsetzender Gehalt aufgrund subtiler Formulierungen nicht unmittelbar deutlich wird. Auch sie können nach ständiger Auslegungspraxis der SEC abgelehnt werden. So erhob die SEC keine Einwände gegen die Nichtveröffentlichung eines Antrags an die Idacorp Inc., mit dem diese ersucht wurde, eine Berichtspflicht für Übernahmegespräche mit anderen börsennotierten Gesellschaften einzuführen. Der Antragsteller begründete seinen Antrag damit, dass die potentiellen Übernehmer Teil einer Verschwörung seien, die auf eine Irreführung der Aktionäre abzielt. Die Gesellschaft lehnte die Veröffentlichung dieses Antrags zulässigerweise ab, weil er indirekt unterstellte, dass sie an einer Verschwörung beteiligt sei.850 (2) Auch Anträge bzw. Begründungen mit grundlegend falschen oder irreführenden Tatsachenbehauptungen über die Gesellschaft oder den Antragsteller berechtigen zu einer Ablehnung des Antrags. So beinhaltete die Begründung eines Antrags an die Bangor Hydro-Electric Company, mit dem die Erstellung eines Berichts über Parteispenden der Gesellschaft ersucht wurde, Informationen über das monatliche Einkommen, den Geisteszustand sowie die sexuelle Orientierung des Antragstellers.851 Die SEC hielt den Antrag selbst für zulässig, erhob gegen die Ablehnung der Antragsbegründung jedoch keine Einwände. (3) Der Antrag ist auch dann unzulässig, wenn der zu fassende Beschluss oder die Antragsbegründung derart unklar oder unbestimmt (vague or indefinite) sind, dass weder die zur Abstimmung aufgerufenen Aktionäre noch das zur Umsetzung aufgerufene Management den Antragsgegenstand mit hinreichender Sicherheit feststellen können.852 Dieser Aspekt spielte etwa bei der Ablehnung eines Antrags an die Tri-Continental Corporation eine Rolle, die die Gesellschaft zum Verkauf ihrer Beteiligungen an deutschen, österreichischen, italienischen und japanischen Unternehmen aufrief, bis „gerechte Urteile“ zugunsten der Opfer des Holocaust und ihrer Er849

SEC No-Action Letter General Magic Inc. vom 01.05.2000, 2000 WL 520646. SEC No-Action Letter Idacorp Inc. vom 09.01.2001, 2001 WL 21323. 851 Vgl. SEC No-Action Letter Bangor Hydro-Electric Company vom 13.03.2000, 2000 WL 336536. 852 Vgl. dazu auch SEC No-Action Letter Wendy’s International Inc. vom 22.12. 2005, 2006 WL 488508. 850

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ben ergangen sind, die das erlittene Unrecht und „sonstige Unbequemlichkeiten“ wiedergutmachen.853 Die Gesellschaft lehnte die Veröffentlichung dieses Antrags ab, weil angesichts der unklaren Formulierungen nicht ersichtlich sei, zu welchem Zeitpunkt eine Investition in Gesellschaften aus den genannten Ländern wieder möglich sein sollte. Diese Entscheidung wurde von der SEC nicht beanstandet. Zulässig war demgegenüber ein an die Microsoft Corporation gerichteter Antrag, mit dem die Implementierung oder verstärkte Förderung von elf menschenrechtlichen und arbeitsrechtlichen Grundsätzen erbeten wurde, die an den United Nations Global Compact Code angelehnt waren.854 Die Gesellschaft hatte den Antrag zunächst abgelehnt und dabei argumentiert, dass dem Antrag nicht zu entnehmen sei, welche konkreten Maßnahmen vorzunehmen seien. Der Antragsteller betonte demgegenüber, dass jede Gesellschaft, die sich zur Einhaltung des Global Compact Code verpflichte, selbst entscheiden könne, welche Umsetzungsschritte erforderlich seien. Die SEC folgte der Argumentation der Antragsteller und sah den Ausnahmetatbestands als nicht erfüllt an. Ebenso entschied die SEC schließlich in einem Antrag an die Bank of America Corporation, der auf ein Verbot von Unternehmensspenden an „politische Bewegungen und Vereinigungen“ abzielte. Auch hier berief sich die Gesellschaft erfolglos darauf, dass die gewählte Formulierung des Antrags nicht mit hinreichender Sicherheit erkennen lasse, worüber abgestimmt werden sollte.855 (4) Die Veröffentlichung eines Antrags kann schließlich unter Berufung auf Rule 14a-8 (i)(3) abgelehnt werden, wenn erhebliche Teile der Antragsbegründung neben der Sache liegen, so dass einem vernünftigen Aktionär mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erkennbar ist, über welche Frage er wirklich abstimmen soll. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Antragsbegründung aus einer ungeordneten Zusammenstellung von Behauptungen besteht, für die keine oder unklare Quellen angegeben werden. So hielt die SEC etwa den Ausschluss eines Antrags an die Kmart Corporation für gerechtfertigt, der ein Verbot von Unternehmensspenden an solche Parteien zum Gegenstand hatte, die die „verfassungsmäßigen Rechte von Ungeborenen“ nicht anerkennen.856 Die Antragsbegründung bestand aus zahlreichen (angeblich) historischen, biblischen und rechtlichen Zitaten, die nicht oder nur unzureichend nachgewiesen waren und dabei so dargestellt wurden, als würde es sich um Tatsachen oder Aussagen des geltenden 853 SEC No-Action Letter Tri-Continental Corporation vom 14.03.2000, 2000 294890. 854 SEC No-Action Letter Microsoft Corporation vom 14.09.2000, 2000 1357910; siehe zum Global Compact http://www.unglobalcompact.org/. 855 SEC No-Action Letter Bank of America Corporation vom 10.03.2000, 2000 342544. 856 Vgl. SEC No-Action Letter Kmart Corporation vom 28.03.2000, 2000 364071.

WL WL WL WL

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

Rechts handeln. Als unzulässig qualifizierte die SEC auch einen Antrag an die Bank One Corporation, der die Empfehlung beinhaltete, künftig keine Mediziner, Krankenhäuser und Organisationen mehr zu unterstützen, die Abtreibungen durchführen, und der mit einer höchst diffusen Begründung versehen war.857 IV. Eigener Anspruch/persönliche Beschwerde (personal claim or grievance) Rule 14a-8 (i)(4) zählt vier zur Nichtveröffentlichung eines Antrags berechtigende Tatbestände auf, die allesamt einen Missbrauch des Aktionärsantragsrechts zur Verfolgung rein persönlicher Interessen verhindern wollen. Die Veröffentlichung eines Antrags in den proxy materials kann danach verweigert werden, wenn der Antrag mit einem Anspruch oder einer persönlichen Beschwerde des Antragstellers gegen die Gesellschaft oder eine andere Person zusammenhängt oder er so gestaltet ist, dass er den Antragsteller begünstigt oder nur seinem persönlichen Interesse dient, das nicht von den Aktionären in ihrer Gesamtheit geteilt wird. Das ist etwa der Fall, wenn ein Antrag ein Fehlverhalten des Managements gegenüber einzelnen Aktionären thematisiert.858 Erfasst sind auch Anträge, die im Allgemeinen eine Bereicherung des Antragstellers zu Lasten der Gesellschaft859 oder im Besonderen ein Schadensersatzverlangen an die Gesellschaft860 zum Gegenstand haben. 1. Option der Verfahrensvereinfachung Für die Adressaten von Aktionärsanträgen sieht diese Vorschrift eine verfahrensmäßige Vergünstigung vor: Ihnen ist die Option eröffnet, bei der SEC eine 857 Vgl. SEC No-Action Letter Bank One Corporation vom 08.03.2000, 2000 WL 287861: „[. . .] current American government has embarked on tyrannical rule ,destructive of these ends‘ regarding ,persons unborn‘ (legally recognized by Jefferson’s Virginia legislation) by denying ,equal protection of the laws‘ for such defenseless children from any and all attackers [. . .]“, „,Laws of Nature and of Nature’s God entitle‘ that ,you shall give life for life, [. . .] wound for wound‘ (Exodus 12:23) regarding injured unborn and (applicable through common law/Louisiana State) ,Roman law, the principles of which are the nearest to natural reason‘ (Jefferson), asserts ,an unborn child is entitled to action for restitution, where he has lost something by usurpation‘“. 858 Vgl. etwa SEC No-Action Letter US West Inc. vom 22.02.1999, 1999 WL 105024 (Rüge des Board wegen eines angeblich unangemessenen Umgangs mit dem Antragsteller). 859 Vgl. nur SEC No-Action Letter SCANA Corporation vom 08.03.2000, 2000 WL 280253 (Einkommenssteuer auf Dividenden). 860 Vgl. SEC No-Action Letter Sara Lee Corporation vom 10.08.2001, 2001 WL 920690 (Antrag der früheren Anteilseigner einer übernommenen Gesellschaft); SEC No-Action Letter Johnson & Johnson vom 07.01.2000, 2000 WL 14155 (Antrag, mit dem eine Entschädigung für eine von der Gesellschaft genutzte Erfindung gefordert wird).

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für die Zukunft wirkende Entscheidung über die Unzulässigkeit von Anträgen dieses Antragstellers (prospective relief) zu beantragen. Dazu muss die Gesellschaft beweisen, dass der Antragsteller fortgesetzt Anträge gestellt hat, mit denen lediglich ein eigener Anspruch oder eine persönliche Beschwerde zur Sprache gebracht werden soll.861 Für den Fall, dass die SEC eine solche für die Zukunft wirkende Entscheidung erlässt, ist die Gesellschaft in den darauf folgenden Jahren zwar nicht von der Pflicht befreit, der Behörde ihre Absicht mitzuteilen, einen Antrag dieses Antragstellers abzulehnen (vgl. Rule 14a-8 (j)). Die SEC verzichtet aber darauf, ihre Rechtsauffassung in einem No-Action Letter zu veröffentlichen.862 2. Unanwendbarkeit bei gesellschaftspolitischen Aktionärsanträgen Da jeder Antrag bis zu einem gewissen Grad den persönlichen Interessen des Antragstellers Ausdruck verleiht, gestaltet sich die praktische Handhabung dieses Ausschlussgrundes außerordentlich schwierig.863 Bei der Bewertung nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsanträge spielt er jedoch nahezu keine Rolle. Dies liegt zum einen in der Zurückhaltung der SEC begründet, den Tatbestand auf Antragsteller anzuwenden, die – wie dies bei Anträgen mit sozial-ökologischer Zielsetzung regelmäßig der Fall ist – keine natürlichen Personen sind. Zum anderen hat die SEC wiederholt betont, dass das bloße Interesse eines Antragstellers an bzw. sein Engagement für ein bestimmtes soziales Thema nicht zur Anwendung des Tatbestandes führe.864 Deshalb scheiterten Gesellschaften in der Vergangenheit immer wieder mit dem Versuch, nachhaltigkeitsorientierte Anträge unter Hinweis auf die persönlichen Interessen der Antragsteller abzulehnen.865

861 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07. 2001, C.5. 862 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07. 2001, C.5. 863 Vgl. SEC Exchange Release No. 34-39,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682, 50,686 (1997); Eisenberg, 15 Rev. Sec. Reg. 903, 907 (1982). 864 Vgl. SEC Exchange Release No. 20,091, 48 Fed. Reg. 38,220 (Aug. 23, 1983); SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106, 29,112, Fn. 80 (1998). 865 Vgl. nur SEC No-Action Letter Sturm, Ruger & Company Inc. vom 05.03.2001, 2001 WL 258493 (Berichterstattung über Maßnahmen zur Eindämmung der Waffengewalt in den USA); SEC No-Action Letter J. P. Morgan & Co. Inc. vom 24.01.2000, 2000 WL 124192 (Abbruch der Bankgeschäfte mit Commonwealth-Staaten bis zu einer Entschädigung der australischen Ureinwohner); SEC No-Action Letter Emerson Electric Co. vom 27.10.2000, 2000 WL 1634117 (Einführung einer nichtdiskriminierenden Einstellungs- und Beschäftigungsstrategie).

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V. Unbedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft (relevance test) Die Veröffentlichung eines Antrags in den proxy materials kann nach Rule 14a-8 (i)(5) verweigert werden, wenn der Antrag nur eine unbedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft aufweist. Dies ist dann der Fall, wenn dem Antrag weder eine hinreichende wirtschaftliche Beziehung (unten 1.) noch eine sonstige bedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft (unten 2.) innewohnt. Der Ausschlusstatbestand der unbedeutenden Beziehung des Antrags zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft spielt in der Praxis eine erhebliche Rolle. Gerade bei der Abwehr nachhaltigkeitsorientierter Anträge, die häufig Aspekte der Geschäftstätigkeit betreffen, die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur einen Bruchteil der Gesamttätigkeit ausmachen, behaupten Unternehmen oft einen unzureichenden Bezug zu ihrer Geschäftstätigkeit. Im Ergebnis gelingt es den Gesellschaften aber nur selten, sich mit Erfolg auf diesen Tatbestand zu berufen.866 1. Tatbestand der unzureichenden wirtschaftlichen Beziehung zur Geschäftstätigkeit Die erste Alternative des Ausnahmetatbestandes setzt voraus, dass sich der Antrag auf Aktivitäten oder Bereiche der Gesellschaft bezieht, die weniger als 5 % des gesamten Gesellschaftsvermögens (total assets) und – bezogen auf das Ende des letzten Geschäftsjahres – weniger als 5 % der Bilanzsumme (net earnings) und des Bruttoumsatzes (gross sales) ausmachen. Die Handhabung dieser sehr mathematischen Definition867 bereitet vielen Gesellschaften in der Praxis große Schwierigkeiten, da ihnen häufig keine wirtschaftlichen Kennzahlen zu spezifischen Aktivitäten mit gesellschaftlichen Auswirkungen zur Verfügung stehen. Die Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen und Antragstellern konzentrieren sich deshalb nur im Ausnahmefall auf den Tatbestand der unzureichenden wirtschaftlichen Beziehung.868

866 Vgl. Folladori, Shareholder Proposals, S. 194: „increasingly limited utility in recent years“. 867 So Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 807 (S. 408). 868 SEC Exchange Release No. 34-39,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682, 50,686 (1997); vgl. aber SEC No-Action Letter J. P. Morgan & Co. Inc. vom 05.02. 1999, 1999 WL 64606 (Abbruch der Geschäfte mit Schweizer Kunden bis zur Entschädigung der Holocaustopfer und ihrer Hinterbliebenen); SEC No-Action Letter Minnesota Mining and Manufacturing Corporation vom 31.01.1994, 1994 WL 25307 (Berichterstattung über Auswirkungen der NAFTA, insbesondere zur Verlagerung von Unternehmensteilen nach Mexiko).

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2. Tatbestand der sonstigen bedeutenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit Im Mittelpunkt steht in den meisten Fällen vielmehr die Frage, ob der Antragsgegenstand eine sonstige bedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit (otherwise significantly related) aufweist. Die Konkretisierung dieses Tatbestandes hat sich in Vergangenheit und Gegenwart als hochproblematisch erwiesen.869 Als gesichert kann heute gelten, dass die nur theoretisch bestehende Möglichkeit, dass die Gesellschaft in irgendeiner Weise etwas mit dem Antragsgegenstand zu tun hat, nicht ausreicht. Erforderlich ist vielmehr ein realer Bezug des Antrags zur Geschäftstätigkeit.870 So konnte etwa ein an das Finanzunternehmen Citicorp gerichteter Antrag abgelehnt werden, mit dem die Gesellschaft um Berichterstattung zu laufenden Rechtsstreitigkeiten mit Nikotingeschädigten ersucht wurde. Das Unternehmen berief sich hiergegen mit Erfolg darauf, dass es weder im Gesundheitsbereich noch bei der Herstellung oder dem Vertrieb von Tabakprodukten tätig sei und dem Antrag deshalb der erforderliche Zusammenhang zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft fehle.871 Im Übrigen fällt jedoch die Formulierung eines belastbaren Maßstabs, anhand dessen das Vorliegen einer „sonstigen bedeutenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit“ bemessen werden könnte, schwer. Die Kommission selbst hat es bei der Neuformulierung des Tatbestands im Zuge der Novelle von 1983 versäumt, einen solchen aufzustellen. Die amtliche Begründung enthielt damals lediglich den Hinweis auf drei No-Action Letter, mit denen das dem Tatbestand zugrunde liegende Konzept verdeutlicht werden sollte.872 Sie weisen trotz der unterschiedlichen Antragsgegenstände die Gemeinsamkeit auf, dass mit ihnen Themen adressiert wurden, über die zum damaligen Zeitpunkt eine öffentliche Debatte im Gange war, an der auch gesetzgebende Körperschaften teilnahmen und in deren Verlauf gerade die Verwicklungen dieser Unternehmen zur Sprache kamen.873 Damit scheint die Kommission – ähnlich wie im Rahmen des ordinary businessAusnahmetatbestandes – darauf abzustellen, ob der Antragsgegenstand in einer breiteren Öffentlichkeit für Aufmerksamkeit gesorgt hat und ob die Rolle der Ge869

Vgl. schon Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 2004 (1992). Vgl. SEC Securities Exchange Act Release No. 34-19,135 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,428 (1982) sowie Lovenheim v. Iroquois Brands Ltd., 618 F.Supp. 554, 561 (D.C.D.C. 1985). 871 SEC No-Action Letter Citicorp vom 13.01.1995, 1995 WL 15714. 872 SEC Securities Exchange Act Release No. 34-19,135 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,428 (1982): SEC No-Action Letter Long Island Lightning Company vom 11.02.1980 (Entwicklungs- und Baustopp für Kernkraftwerke), SEC No-Action Letter Owens-Illinois Inc. vom 15.02.1980 (Rückzug aus Südafrika) und SEC No-Action Letter American Home Products Corporation vom 13.02.1978 (Vermarktung und Vertrieb von Babynahrung in der Dritten Welt). 873 Vgl. etwa ausf. zur Babynahrungs-Debatte Hewson, 10 N.Y.U. J. Int’l L.& Pol. 125 (1977). 870

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sellschaft in diesem Zusammenhang thematisiert wurde.874 Allerdings reicht zum Teil auch aus, dass das Unternehmen bestimmte Produktionsmethoden anwendet, bestimmte Produkte anbietet oder in einem bestimmten Land tätig ist, ohne dass es auf eine Diskussion der Rolle gerade dieses Unternehmens ankommen würde. Durch das Erfordernis des Bestehens einer öffentlich geführten Debatte über den Antragsgegenstand erhalten die Stellungnahmen der SEC den Charakter von Momentaufnahmen. Ihre Positionen sind wandelbar und wirken deshalb im Rückblick nicht selten inkonsistent. Exemplarisch kann hierzu etwa die Positionierung der SEC zu Anträgen aufgeführt werden, mit denen die Geschäftstätigkeit von Gesellschaften in Myanmar (Burma) thematisiert wurden. Derartige Anträge wurden zunächst für nicht veröffentlichungspflichtig gehalten, weil die ökonomischen Kriterien des Tatbestands nicht erfüllt waren und dem mit dem Antrag adressierten politischen Thema kein besonderes Gewicht beigemessen wurde.875 Dies änderte sich erst gegen Ende der 1990er Jahre, als eine verstärkte Medienberichterstattung über die (schon seit Jahren) prekäre Menschenrechtssituation in Myanmar einsetzte. Seitdem können derartige Anträge nicht mehr unter Berufung auf den unzureichenden Bezug zur Geschäftstätigkeit abgelehnt werden, wenn die fragliche Gesellschaft in irgendeiner Weise in Myanmar tätig ist.876 Schon angesichts dieser veränderlichen Haltung der SEC ist die Handhabung des Tatbestandes mit großen Unsicherheiten behaftet. Für die Antragsteller werden die bestehenden Unsicherheiten zusätzlich noch dadurch verschärft, dass die ansonsten geltende Zuweisung der Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes hier ausnahmsweise durchbrochen wird. Nach ständiger Auslegungspraxis der SEC muss das Bestehen einer „sonstigen bedeutenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit“ vom Antragsteller selbst dargelegt und bewiesen werden.877 In der Praxis können diese Hürden von den Antragstellern aber ohne größere Schwierigkeiten überwunden werden. Denn die Tatbestandsalternative wurde von der SEC in der jüngeren Vergangenheit derart extensiv ausgelegt, 874 „To determine what constitutes an important social or policy issue, [. . .] the division looks to see whether there has been any serious and substantial congressional action on the topic. But [. . .] actual passage of legislation on an issue isn’t necessary to alert the staff to its status as a public policy issue.“, zit. nach Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 2004 (1992). 875 SEC No-Action Letter PepsiCo Inc. vom 14.02.1994, 1994 WL 43830: „the policy issue raised by the proposal, the form of government in Burma and the imprisonment of political figures, is not significant, and in fact is not related, to the Company’s business“. 876 SEC No-Action Letter Unocal Corporation vom 03.04.1998, 1998 WL 161791 (0,03 % des Gesellschaftsvermögens); SEC No-Action Letter Halliburton Company vom 26.02.2001, 2001 WL 238201; SEC No-Action Letter BJ Services Company vom 10.12.2003, 2003 WL 22965430. 877 Vgl. SEC No-Action Letter American Home Products Corporation vom 07.03. 2000, 2000 WL 283139; SEC Securities Exchange Act Release No. 34-19,135 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,428 (1982).

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dass bereits eine minimale Beziehung des Antragsgegenstandes zur Geschäftstätigkeit ausreichte, um die Unanwendbarkeit des Tatbestandes zu begründen. a) Fallrecht: Lovenheim v. Iroquois Brands Ltd. (1985) Eine inhaltliche Ausformung der Ausnahmetatbestände der shareholder proposal rule erfolgte im Laufe ihrer Geschichte nur selten durch Gerichtsentscheidungen. Einen Ausnahmefall bildet insoweit aber die im März 1985 gefällte Entscheidung des U.S. District Court, D.C. in Sachen Lovenheim v. Iroquois Brands Ltd., die wichtige Aussagen zum Ausnahmetatbestand der unbedeutenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft enthält.878 Anlass für den Rechtsstreit war die Weigerung des Managements des Nahrungsmittelherstellers Iroquois Brands Ltd., einen Antrag des Aktionärs Lovenheim zur Zwangsernährung von Gänsen zu veröffentlichen. Der Antragsteller, der mit diesem Antrag den Import von französischer Stopfleber-Pastete durch das Unternehmen ins Visier nahm, empfahl mit dem Antrag die Errichtung eines Ausschusses, mit dem die Produktionsmethoden der französischen Zulieferer untersucht werden sollten, sowie eine umfassende Berichterstattung an die Aktionäre.879 Beweise für eine in den Zulieferbetrieben stattfindende Zwangsernährung konnte der Antragsteller aber nicht vorlegen. Die Gesellschaft lehnte den Antrag unter Berufung auf den fehlenden Bezug zur Geschäftstätigkeit des Unternehmens ab. Tatsächlich lag der Umfang der Geschäfte im Zusammenhang mit Stopfleber-Pastete im vorangegangenen Geschäftsjahr weit unter den vom Ausnahmetatbestand geforderten wirtschaftlichen Kennzahlen: Der Antrag betraf weniger als 0,05 % des gesamten Gesellschaftsvermögens. Daraufhin beantragte Lovenheim den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der die Gesellschaft zur Veröffentlichung des Antrags in den proxy materials verpflichtet werden sollte. Das Gericht gab dem Antrag statt.880 In den Entscheidungsgründen setzte sich das Gericht zunächst sorgfältig mit der Geschichte der Tatbestandsalternative der „sonstigen bedeutenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit“ auseinander. Dabei gelangte es zu dem aus heutiger Sicht selbstverständlich erscheinenden Ergebnis, dass dafür keine wirtschaftlichen Kriterien erfüllt sein müssen, sondern die bedeutende Beziehung sich auch aus der sozialen oder ethischen Relevanz der fraglichen Geschäftsführungsmaßnahme ergeben könne. Au878 Lovenheim v. Iroquois Brands Ltd., 618 F.Supp 554, Fed. Sec. L. Rep. 91,995 (D.C. 1985); vgl. dazu DeCapo, 1988 U. Ill. L. Rev. 119, 148 ff. (1988). 879 Vgl. 618 F.Supp 554, 556: „form a committee to study the methods by which its French supplier produces paté de foie gras, and report to the shareholders its findings and opinions, based on expert consultation, on whether this production method causes undue distress, pain or suffering to the animals involved and, if so, whether further distribution of this product should be discontinued until a more humane production method is developed“. 880 618 F.Supp 554, 562.

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

ßerdem setze der Tatbestand voraus, dass die Gesellschaft einen konkreten Bezug zu diesen sozialen oder ethischen Fragen habe, die bloß abstrakte Möglichkeit also nicht ausreiche (meaningful relationship).881 Beide Voraussetzungen sah das Gericht als erfüllt an: Angesichts der ethischen und sozialen Bedeutung des Antrags und der Tatsache, dass die fraglichen Geschäfte einen erheblichen Umfang aufwiesen, sei vom Antragsteller hinreichend wahrscheinlich gemacht worden, dass der Antrag eine „sonstige bedeutende Beziehung“ zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft besitze. Die Gesellschaft war deshalb zur Veröffentlichung des Antrags verpflichtet. b) Beispiele aus der Auslegungspraxis der SEC Ein thematischer Schwerpunkt gesellschaftspolitischer Anträge ist die Geschäftstätigkeit von Unternehmen in Schwellen- und Entwicklungsländern. Eine „sonstige bedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit“ wird dabei von der SEC regelmäßig bei der Tätigkeit in Ländern mit prekärer Menschenrechtssituation bejaht, wenn diese Gegenstand einer öffentlichen Debatte ist. So werden etwa Anträge, die die Tätigkeit einer Gesellschaft in der Volksrepublik China thematisieren, schon seit längerem für zulässig erachtet.882 Gleiches galt bislang für die Geschäftstätigkeit im Irak883, in Myanmar884 und neuerdings auch im Sudan.885 Die Bandbreite der Empfehlungen reicht dabei von nur leichten Modifikationen der bisherigen Tätigkeit bis hin zu einem vollständigen Rückzug aus diesen Ländern, wobei die Antragsteller die „sonstige bedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit“ regelmäßig mit dem bestehenden Rufschädigungsrisiko untermauern können.886 Anträge, die die Zuwendungen einer Gesellschaft an politische Organisationen betreffen, hatten in der Vergangenheit unter anderem eine jährliche Berichterstat881

618 F.Supp. 554, 561. SEC No-Action Letter 3Com Corporation vom 15.08.2000, 2000 WL 1160584 (Anwendung von ILO-Konventionen in China); SEC No-Action Letter Microsoft Corporation vom 14.09.2000, 2000 WL 1357910 (Anwendung eines Katalogs von Arbeitnehmerrechten („China Principles“)); SEC No-Action Letter Peabody Energy Corporation vom 08.03.2006, 2006 WL 626122 (Anwendung von ILO-Konventionen in China); SEC No-Action Letter Cisco Systems Inc. vom 31.08.2005, 2005 WL 2138606 (Bericht über Leitlinien zu menschenrechtlichen Fragen). 883 SEC No-Action Letter General Electric Company vom 28.01.2005, 2005 WL 267927. 884 Vgl. SEC No-Action Letter Unocal Corporation vom 03.04.1998, 1998 WL 161791; SEC No-Action Letter Halliburton Company vom 26.02.2001, 2001 WL 238201; SEC No-Action Letter BJ Services Company vom 10.12.2003, 2003 WL 22965430. 885 Vgl. RiskMetrics Group, 2007 Postseason Report, S. 33. 886 Vgl. etwa SEC No-Action Letter General Electric Company vom 28.01.2005, 2005 WL 267927. 882

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tung zu erfüllten und abgelehnten Spendenanfragen887, die Schaffung von Richtlinien für die Spendentätigkeit888 oder die Einführung eines Zustimmungsvorbehalts zugunsten der Aktionäre889 zum Inhalt. Die SEC sieht den Ausnahmetatbestand des unbedeutenden Bezugs zur Geschäftstätigkeit dabei regelmäßig als nicht erfüllt an. Diese Haltung entspricht der Auffassung, die die Kommission schon in der amtlichen Begründung zur Novelle von 1976 äußerte.890 Die ablehnende Haltung einer Gesellschaft gegenüber derartigen Anträgen hat deshalb nur dann Bestand, wenn der Antragsteller nicht den Nachweis zu erbringen vermag, dass die Gesellschaft überhaupt Zuwendungen in nennenswertem Umfang erhalten hat.891 In der Praxis liegt deshalb der Schwerpunkt der Diskussion um den Ausschluss dieser Anträge meist bei anderen Ausnahmetatbeständen (insbesondere dem ordinary business-Tatbestand, Rule 14a-8(i)(7)). VI. Unmöglichkeit der Antragsumsetzung (absence of power/authority) Fehlt der Gesellschaft die rechtliche Befugnis oder die tatsächliche Möglichkeit zur Umsetzung eines Antrags, ist sie gemäß Rule 14a-8 (i)(6) zur Nichtveröffentlichung berechtigt. Die geltende Fassung der shareholder proposal rule hält auf diese Weise in terminologisch geänderter Form an dem bereits zuvor geltenden Grundsatz fest, ohne dass damit eine inhaltliche Abweichung von der früheren Rechtslage verbunden wäre. In der Praxis dient der Tatbestand der unmöglichen Antragsumsetzung den Gesellschaften häufig nur als Hilfsargument für den Fall, dass die SEC einen anderen Ausschlussgrund nicht als erfüllt ansieht. So wird die Einschlägigkeit des Tatbestandes oftmals dort behauptet, wo die Ablehnung eines Antrags in erster Linie mit dem Tatbestand der Rechtsverletzung (Rule 14a-8 (i)(2)) oder mit dem Ausschlussgrund der unzureichenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft (Rule 14a-8 (i)(5)) begründet wird. Seine Bedeutung als eigenständiger Tatbestand ist demgegenüber gering.892 Mit der tatsächlichen (unten 1.) und der rechtlichen Unmöglichkeit der Antragsumsetzung (unten 2.) sowie der Unbestimmtheit des Antragsziels (unten 3.) lassen sich insgesamt drei Fallgruppen identifizieren, bei denen der Anwendungsbereich des Tatbestands eröffnet ist. 887

SEC No-Action Letter Advest Group Inc. vom 23.09.1997, 1997 WL 591268. SEC No-Action Letter Cintana Corporation vom 28.07.1997, 1997 WL 423134. 889 SEC No-Action Letter Chevron Corporation vom 24.02.2006, 2006 WL 488507. 890 „And proposals relating to ethical issues such as political contributions also may be significant to the issuer’s business, when viewed from a standpoint other than a purely economic one.“, SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,997 (1976). 891 Vgl. dazu SEC No-Action Letter First Energy Corp. vom 16.03.2004, 2004 WL 892274. 892 Vgl. Folladori, Shareholder Proposals, S. 197. 888

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1. Tatsächliche Unmöglichkeit der Antragsumsetzung Nur selten sind Anträge auf ein Ziel gerichtet, dessen Umsetzung unter keinen Umständen möglich ist.893 Weitaus häufiger kommt es demgegenüber vor, dass die von dem Antrag empfohlene Maßnahme nicht sofort oder nicht vollständig durchgeführt werden kann. Die von einer Gesellschaft behauptete Unfähigkeit, den Antrag sofort umzusetzen, findet bei der SEC kein Gehör, solange die Umsetzung innerhalb eines angemessenen Zeitraums (reasonable time) erfolgen kann. Auch der Umstand, dass eine vollständige Umsetzung des Antrags nicht möglich ist, führt nicht zur Anwendung des Ausschlusstatbestandes, wenn es dem Antragsteller gelingt, Wege zu einer – wenn auch nur theoretischen – Umsetzung aufzuzeigen. So hielt die SEC etwa einen Antrag für zulässig, mit dem der Board einer Gesellschaft ersucht wurde, die Platzierung von Tabakprodukten der Gesellschaft in Ladengeschäften zu untersuchen, über die Ergebnisse Bericht zu erstatten und zugleich Vorschläge zu unterbreiten, wie diese Produkte an einer für Kunden möglichst unauffälligen Stelle platziert werden können. Der hiergegen gerichteten Einwände der Gesellschaft, dass diese Untersuchungen nur von den Betreibern der Geschäfte selbst durchgeführt werden könnten und die Frage der Platzierung der Tabakprodukte außerhalb ihrer Macht stehe, fanden bei der SEC kein Gehör.894 Ein Fall tatsächlicher Unmöglichkeit der Antragsumsetzung ist schließlich auch bei Anträgen gegeben, mit denen Dritten die Vornahme einer bestimmten Handlung empfohlen wird. Anträge, die auf ein Verhalten eines rechtlich selbständigen Zulieferunternehmens, der Aktionäre oder Arbeitnehmer der Gesellschaft abzielen, werden von der SEC nur dann als zulässig angesehen, wenn der Antragsteller nachweist, dass die Gesellschaft auf den Dritten in rechtlich zulässiger Weise Druck ausüben und ihn so zu dem gewünschten Verhalten drängen kann. 2. Rechtliche Unmöglichkeit der Antragsumsetzung Die Umsetzung des Antrags ist rechtlich unmöglich, wenn damit gegen Bundesrecht, bundesstaatliches Recht oder sonstiges Recht verstoßen895 oder eine vertragliche Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber Dritten missachtet896 wer893 Vgl. dazu etwa SEC No-Action Letter Bell Atlantic Corporation vom 15.01.1997, 1997 WL 18352 (Gesellschaft soll beim Board of Governors der Federal Reserve um einen Beschluss zum Termin der Hauptversammlung der Bell Atlantic Corp. bitten). 894 SEC No-Action Letter UST Inc. vom 13.03.2000, 2000 WL 342542. 895 Vgl. aber SEC No-Action Letter UST Inc. vom 27.02.2002, 2002 WL 398736 (Zulässigkeit eines Antrags zu Warnhinweisen auf Tabakverpackungen, die über die von der Federal Trade Commission geforderten Informationen hinausgehen). 896 Vgl. SEC No-Action Letter Whitman Corporation vom 15.02.2000, 2000 WL 223662 (Unzulässigkeit eines Antrags, dessen Umsetzung einen Verstoß gegen einen Verschmelzungsvertrag bewirkt hätte).

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den würde. Die praktische Bedeutung dieser Fallgruppe ist gering. Denn Verstöße gegen Bundesrecht oder bundesstaatliches Recht berechtigen bereits nach Rule 14a-8 (i)(2) zur Ablehnung eines Antrags. Sollte eine Umsetzung des Antrags Vertragspflichten der Gesellschaft verletzen, so räumt die SEC dem Antragsteller die Möglichkeit ein, den Antrag so nachzubessern, dass er erst nach Ablauf der Vertragslaufzeit Wirkung entfalten soll.897 3. Unbestimmtes Antragsziel Der Tatbestand der unmöglichen Antragsumsetzung ist schließlich erfüllt, wenn die mit dem Antrag verbundene Empfehlung an den Board derart unbestimmt ist, dass völlig im Unklaren bleibt, welche Maßnahmen dieser zur Erreichung des Ziels ergreifen soll.898 Diese Fallgruppe, deren Vorliegen von Unternehmensseite fast immer im Zusammenhang mit dem Ausschlusstatbestand der falschen oder irreführenden Stimmrechtsunterlagen (Rule 14a-8 (i)(3)) behauptet wird, wird von der SEC sehr streng gehandhabt. Im Regelfall gelingt es den Gesellschaften deshalb nicht, Anträge wegen eines (behaupteten) unbestimmten Antragsziels abzuwehren.899 VII. Bezug zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb (relating to ordinary business) Gemäß Rule 14a-8 (i)(7) sind Aktionärsanträge nicht veröffentlichtungspflichtig, wenn sie einen Bezug zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft aufweisen. Dabei handelt es sich um den von Unternehmen in der Praxis am häufigsten herangezogenen, von der SEC jedoch weitaus seltener akzeptierten Ausnahmetatbestand der Rule 14a-8.900 Für die Zulässigkeit sozial-ökologischer Aktionärsanträge spielt er aufgrund der von der SEC entwickelten Auslegungsgrundsätze eine überaus wichtige Rolle. Die Anwendung im Einzelfall bereitet hingegen große Schwierigkeiten, weshalb der Tatbestand bereits seit Jahrzehnten Gegenstand einer kontrovers geführten Debatte ist.

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Vgl. dazu bereits § 7 C. II. 2. Vgl. etwa SEC No-Action Letter Wendy’s International Inc. vom 24.02.2006, 2006 WL 488508; SEC No-Action Letter General Electric Company vom 03.02.2006, 2006 WL 328333 (zulässiger Antrag zu Tierversuchen); SEC No-Action Letter Cisco Systems Inc. vom 31.08.2005, 2005 WL 2138606 (zulässiger Antrag zu Berichterstattung über Menschenrechte); SEC No-Action Letter The Gap Inc. vom 16.03.2001, 2001 WL 286898 (unzulässiger Antrag zu Berichterstattung über Kinderarbeit); SEC No-Action Letter Intel Corporation vom 19.03.1999, 1999 WL 156340 (unzulässiger Antrag zur Einführung einer „Employee Bill of Rights“). 899 Folladori, Shareholder Proposals, S. 197. 900 RiskMetrics Group, 2007 Postseason Report, S. 31. 898

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

1. Anwendungsleitlinien der SEC Die Schwierigkeiten bei der praktischen Handhabung liegen in erster Linie in der Konturenlosigkeit des Tatbestandes begründet. Wie bereits an andere Stelle erwähnt wurde, dient der Ausschlusstatbestand dem Zweck, die Diskussion und Lösung von alltäglichen Fragen der Geschäftsführung dem Board und dem Management zu überlassen, da eine Entscheidung hierüber auf der regelmäßig nur einmal im Jahr stattfindenden Hauptversammlung unpraktikabel wäre.901 Da allerdings das bundesstaatliche Recht zur Frage, wann eine Angelegenheit die gewöhnliche Geschäftstätigkeit betrifft, nur geringe Aussagekraft besitzt, muss die SEC von Fall zu Fall anhand eigens entwickelter Kriterien entscheiden, ob der Tatbestand erfüllt ist. Bei der Konkretisierung lässt sich die Behörde von zwei grundsätzlichen Überlegungen leiten: Zum einen berücksichtigt sie, dass bestimmte Aufgaben der Geschäftsführung derart elementar sind, dass eine direkte Überwachung und Mitentscheidung durch die Aktionäre nicht möglich ist. Sollte der Antrag aber ein hinreichend bedeutsames gesellschaftspolitisches Thema (sufficiently significant social policy issue) zum Gegenstand haben, das Fragen des allgemeinen Tagesgeschäfts übersteigt, so soll eine Befassung der Aktionäre damit möglich sein („Zwei-Stufen-Test“ 902). Zum anderen geht die SEC davon aus, dass Aktionäre aufgrund ihrer fehlenden faktischen und fachlichen Kenntnisse regelmäßig nicht in der Lage sind, bei komplexen Sachverhalten informierte Entscheidungen zu treffen. Deshalb sollen Anträge nicht veröffentlichungspflichtig sein, die zu detaillierte Vorgaben, konkrete Zeitvorgaben oder Methoden zur Umsetzung enthalten („micro-managing“).903 2. Praxisuntauglichkeit des Tatbestands Die soeben genannten Leitlinien sind aufgrund ihrer geringen Aussagekraft für die Praxis nur von beschränktem Wert. Weder potentielle Antragsteller noch die von Aktionärsanträgen betroffenen Unternehmen können aus ihnen eindeutige Vorgaben ableiten. Die dadurch entstehende Rechtsunsicherheit wird zusätzlich noch dadurch verschärft, dass die SEC in der Vergangenheit wiederholt – zum Teil auch ohne Ankündigung – von zuvor vertretenen Positionen abgerückt ist. Prominentestes Beispiel hierfür ist die bereits dargestellte904 Wiederzulassung beschäftigungsbezogener Aktionärsanträge mit der Reform von 1997. Ähnliche Kehrtwendungen hat die SEC auch bei Anträgen zur Schließung von Fabriken, 901 Vgl. § 6 B. X. 3. a) sowie zuletzt SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106, 29,108 (1998). 902 Siehe schon § 6 C. IV. 3. e) cc). 903 Vgl. dazu SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106, 29,108 (1998) sowie Folladori, Shareholder Proposals, S. 201. 904 Vgl. oben § 6 E. II. 2. b).

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zur Herstellung von Tabakprodukten, zur Managementvergütung sowie zu Managementabfindungen anlässlich einer Übernahme (golden parachutes) vollzogen.905 Diese Richtungswechsel wurden jeweils durch öffentliche Debatten außerhalb des Aktionärsantragsprozesses veranlasst. Sie führten dazu, dass die SEC die fraglichen Themen als gesellschaftspolitisch zu bedeutsam ansah, als dass sie allein der Verantwortung des Managements überlassen werden könnten. Der Anwendungsbereich des Tatbestandes wird damit letztlich aber vom schwer greifbaren Zeitgeist konturiert.906 3. (Gescheiterte) Einzelfallkonkretisierung Die aus der Handhabung des Ausnahmetatbestandes resultierende unsichere Rechtslage ist in der Literatur wiederholt kritisiert worden.907 Die SEC ist deshalb in den letzten Jahren dazu übergegangen, den Anwendungsbereich der Vorschrift durch amtliche Interpretationsschreiben verständlicher zu machen. So wurde etwa mit dem im Juli 2002 veröffentlichten Staff Legal Bulletin No. 14A908 klargestellt, dass Anträge zu Plänen für Kapitalbeteiligungsleistungen (equity compensation plans) aufgrund der großen öffentlichen Debatte ein bedeutsames gesellschaftspolitisches Thema betreffen und deshalb nicht dem Ausnahmetatbestand unterliegen. Gerade in dem für den nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivismus zentralen Bereich des Umweltschutzes scheint die Einzelfallkonkretisierung durch amtliche Interpretationshilfen jedoch gescheitert zu sein. Hier hatte die SEC im Juni 2005 mit dem Staff Legal Bulletin No. 14C909 die in mehrjähriger Praxis erprobten Grundsätze erläutern wollen, von denen sich die Behörde bei der Behandlung von Anträgen zu Umwelt- und Gesundheitsthemen leiten lässt. Derartige Anträge sollen wegen des Bezugs zu einem bedeutenden gesellschaftspolitischen Thema veröffentlichungspflichtig sein, wenn ihr Schwerpunkt unter Berücksichtung der Antragsbegründung darauf liegt, der Gesellschaft lediglich die Einstellung oder Einschränkung einer bestimmten Geschäftstätigkeit zu empfehlen, die die Umwelt oder die öffentliche Gesundheit nachteilig beeinflusst.910 Zielt der Antrag demgegenüber in erster Linie auf eine 905 Vgl. SEC Exchange Release No. 34-39,093 (Sep. 26, 1997), 62 Fed. Reg. 50,682, 50,688 (1997); ausf. auch Waite, 64 Fordham L. Rev. 1253, 1265 ff. (1995). 906 Vgl. Folladori, Shareholder Proposals, S. 205. 907 Vgl. nur Ayotte, 48 Cath. U. L. Rev. 511, 545 ff. (1999); Choi, 17 Duke Envtl. L. & Pol. F. 165, 174 ff. (2006); Roberts, 22 Sec. Reg. L. J. 235 ff. (1994); Waite, 64 Fordham L. Rev. 1253, 1273 ff. (1995); Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 2004 f. (1992). 908 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14A vom 12.07. 2002, D., abrufbar unter http://sec.gov/interps/legal/cfslb14a.htm. 909 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14C vom 28.06. 2005, D., abrufbar unter http://www.sec.gov/interps/legal/cfslb14c.htm. 910 Als Beispiel erwähnt die SEC hierzu folgenden an die Exxon Mobil Corp. gerichteten Antrag: „shareholders request [. . .] a report [. . .] on the potential environmental

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

Abschätzung von Risiken und möglichen Haftungsfolgen ab, die sich für die Gesellschaft aus den nachteiligen Einflüssen der Geschäftstätigkeit für die Umwelt oder die öffentliche Gesundheit ergeben können, so ist der Tatbestand erfüllt und der Antrag nicht veröffentlichungspflichtig.911 In diesem Fall liegt der Schwerpunkt des Antrags auf der Risikoabschätzung – mithin auf einer alltäglichen Geschäftsführungsangelegenheit – und nicht auf dem gesellschaftspolitischen Thema. Offenbar konnte dieses Legal Bulletin aber nur unwesentlich zur Beseitigung des Zustands der Rechtsunsicherheit beitragen. So hat Choi912 in einer detaillierten Studie anhand der Behandlung von Anträgen zum Klimawandel nachgewiesen, dass die im Bulletin zusammengefassten Grundsätze zwar seit langem praktiziert werden, bei einer Gesamtschau der Jahre 1998–2005 aber eine sehr inkonsistente Praxis offenbar wird. Die Unklarheiten rühren dabei zum einen daher, dass die SEC den Begriff der Risikoabschätzung nicht einheitlich anwendet. Häufig sind rein semantische Unterschiede für eine unterschiedliche Bewertung inhaltlich gleicher Anträge verantwortlich.913 Zum anderen werden selbst sprachlich und inhaltlich identische Anträge nicht einheitlich behandelt, wenn sie bei Gesellschaften aus unterschiedlichen Geschäftsfeldern gestellt werden. Als Ursache dieser Ungleichbehandlung hat Choi die Bedeutung der Risikoabschätzung für die Geschäftstätigkeit der jeweiligen Gesellschaft ausgemacht: Gehöre die Risikoabschätzung zum Kern der Geschäftstätigkeit, wie dies bei Gesellschaften im Finanzsektor oder bei Versicherungen der Fall ist, so sei ein Bezug zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb und damit der Wegfall der Veröffentlichungspflicht viel eher gegeben, als wenn die Risikoabschätzung nicht die hauptsächliche Geschäftstätigkeit der Gesellschaft darstellt.914 Als besonders inkonsistent identifizierte Choi schließlich den Umgang mit Anträgen, die zu einer Berichterstattung zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesellschaft anregen.915 Entsprechend den Anwendungsleitlinien der SEC kann eine Berichterstattung auch zu gesellschaftspolitisch bedeutsamen Themen nur dann im Wege eines Aktiodamage that would result from the company drilling for oil and gas in protected areas [. . .]“, vgl. SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14C vom 28.06.2005, D.2. sowie SEC No-Action Letter Exxon Mobil Corp. vom 18.03.2005, 2005 WL 678892. 911 Exemplarisch führt die SEC hierzu einen an die Xcel Engery Inc. gerichteten Antrag auf: „That the Board of Directors report . . . on (a) the economic risks associated with the Company’s past, present, and future emissions of carbon dioxide, sulphur dioxide, nitrogen oxide and mercury emissions, and the public stance of the company regarding efforts to reduce these emissions and (b) the economic benefits of committing to a substantial reduction of those emissions related to its current business activities (i. e. potential improvement in competitiveness and profitability).“, vgl. SEC NoAction Letter Xcel Energy Inc. vom 01.04.2003, 2003 WL 1751778. 912 Vgl. Choi, 17 Duke Envtl. L. & Pol. F. 165, 174 ff. (2006). 913 Choi, 17 Duke Envtl. L. & Pol. F. 165, 177 (2006). 914 Choi, 17 Duke Envtl. L. & Pol. F. 165, 178 f. (2006). 915 Choi, 17 Duke Envtl. L. & Pol. F. 165, 181 (2006).

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närsantrags angeregt werden, wenn der Bericht keine zu detaillierten Informationen enthalten soll („intricate report“). Andernfalls geht die SEC von einem unzulässigen Versuch des micro-managing aus, da die Zuständigkeit, Unternehmensressourcen für das Zusammentragen von Informationen zu mobilisieren, grundsätzlich beim Board liege. Die Grenzziehung zwischen zulässigen Anregungen zur Berichterstattung und unzulässigen Wünschen nach zu detaillierten Informationen bleibt jedoch im Dunkeln. Sie wird zudem noch dadurch erschwert, dass sogar inhaltlich gleichlautende Berichterstattungsanträge unterschiedlich behandelt werden. In der Tendenz legt die SEC aber an den Begriff des „intricate report“ heute eher einen großzügigen Maßstab an, was die weitgehende Zulässigkeit von Berichtsanträgen zu Umweltfragen zur Folge hat.916 VIII. Erledigung des Antrags (substantially implemented) Der Erledigungstatbestand, der seit 1976 Bestandteil der shareholder proposal rule ist917, berechtigt zur Nichtveröffentlichung eines Antrags, der bereits im Wesentlichen umgesetzt wurde (Rule 14a-8 (i)(10)). Auf diese Weise soll eine Befassung der Aktionäre mit dem Antrag vermieden und einer Überfrachtung der Stimmrechtsunterlagen mit überflüssigen Gegenständen entgegengewirkt werden.918 Die rechtliche Handhabung des Tatbestandes bereitet nur geringe Probleme. Umso größer sind die tatsächlichen Schwierigkeiten, denen die SEC bei der Bewertung von Anträgen gegenübersteht, die von Gesellschaften unter Berufung auf diesen Tatbestand abgelehnt worden sind. Bei sozial-ökologischen Aktionärsanträgen treten diese Schwierigkeiten dabei besonders deutlich zu Tage. Denn anders als bei klassischen Anträgen zu Fragen der Corporate Governance, etwa zum Wahlturnus der Board-Mitglieder, weisen die von nachhaltigkeitsorientierten Anträgen angesprochenen Materien und empfohlenen Handlungen einen hohen Grad an Komplexität auf, so dass der Entscheidung über das Vorliegen des Ausschlussgrundes eine intensive Tatsachenanalyse vorausgehen muss. Der Schriftverkehr der Antragsteller und Gesellschaften mit der SEC beschränkt sich deshalb, soweit er Rule 14a-8 (i)(10) betrifft, weitgehend auf eine Darstellung von Tatsachen, die aus Sicht der Unternehmen für und aus Sicht der Antragsteller gegen eine Erledigung des Antrags sprechen.919 916 Vgl. etwa SEC No-Action Letter Ford Motor Company vom 06.03.2006, 2006 WL 568660; SEC No-Action Letter General Motors Corp. vom 30.03.2006, 2006 WL 871032; SEC No-Action Letter Lowe’s Companies Inc. vom 21.03.2006, 2006 WL 733988. Siehe auch die Fallstudien von Rindfleisch, 5 Berkeley Bus. L. J. 45, 70 ff. (2008). 917 Vgl. zur Geschichte § 6 C. IV. 3. a) bb) und § 6 D. II. 3. b) ee). 918 SEC Exchange Release No. 34-12,598 (Jul. 7, 1976), 41 Fed. Reg. 29,982, 29,985 (1976). 919 Vgl. etwa SEC No-Action Letter Exxon Mobil Corporation vom 17.03.2006, 2006 WL 695800; SEC No-Action Letter Honeywell International Inc. vom 21.02.

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

1. Begriff der Erledigung Anders als die im Zuge der Reform von 1983 aufgehobene Vorgängerregelung920 setzt der Erledigungstatbestand in seiner aktuellen Fassung nicht voraus, dass der Antrag vollständig umgesetzt wurde. Ausreichend ist vielmehr eine Verwirklichung des wesentlichen Antragsinhalts. Dafür soll es nach Auffassung der SEC genügen, dass die Gesellschaft Maßnahmen ergriffen und bestimmte Verfahrensweisen eingeführt hat, die einen Bezug zum Gegenstand des Aktionärsantrags haben, oder die Gesellschaft die mit dem Antrag verfolgten grundlegenden Ziele umgesetzt hat.921 Die bloße Absicht, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, reicht indes nicht aus. Für die besonders häufigen vorkommenden Anträge, die die Einstellung einer bestimmten Geschäftsaktivität empfehlen, bedeutet dies, dass die Gesellschaft den Beweis führen muss, dass sie die fragliche Tätigkeit entweder in der Vergangenheit noch nie praktiziert hat922 oder sie gegenwärtig schon aufgegeben hat.923 Im Regelfall wird der Tatbestand der Erledigung erfüllt sein, weil die Gesellschaft selbst die von dem Antrag empfohlenen Maßnahmen umgesetzt hat.924 Seit der Einführung des Ausschlusstatbestandes ist es allerdings unumstritten, dass die Erledigung auch durch von außen kommende Ereignisse eintreten kann, die nicht von der Gesellschaft beherrscht werden können. Die Kommission zählt hierzu etwa Änderungen der Rechtslage, Gerichtsentscheidungen oder unvorhergesehene Geschäftsereignisse.925

2006, 2006 WL 435405; SEC No-Action Letter Raytheon Company vom 25.01.2006, 2006 WL 212203; SEC No-Action Letter ConAgra Foods Inc. vom 20.05.2005, 2005 WL 1470572; SEC No-Action Letter Albertson’s Inc. vom 23.03.2005, 2005 WL 701614. 920 Vgl. dazu SEC Exchange Release No. 34-19,134 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,420, 47,429 (1982). 921 So etwa SEC No-Action Letter Lowe’s Companies Inc. vom 21.03.2005, 2005 WL 678885 m.w. N. 922 SEC No-Action Letter Eli Lilly and Company vom 25.01.1999, 1999 WL 32992 (Ankauf menschlicher Föten); SEC No-Action Letter AT&T Corporation vom 06.01. 1995, 1995 WL 8067 (Halbierung der Spenden an Organisationen, die sich für Abtreibung einsetzen). 923 SEC No-Action Letter General Electric Company vom 30.01.1990, 1990 WL 285882 und SEC No-Action Letter Coca Cola Company vom 24.02.1988, 1988 WL 233688 (Rückzug aus Südafrika). 924 Vgl. SEC No-Action Letter E.I. du Pont de Nemours vom 12.02.1990, 1990 WL 286089 (Schaffung eines Board-Ausschusses für Umweltschutz und Arbeitssicherheit, der bereits eingerichtet war). 925 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,998 (1976); vgl. dazu SEC No-Action Letter Sara Lee Corporation vom 29.08.2000, 2000 WL 1228635 (Antrag, mit dem die Gesellschaft aufgefordert wurde, sich für eine Verlängerung der Amtszeit Alan Greenspans als Chairman of the Federal Reserve Board einzusetzen, über die bereits eine Entscheidung gefallen war).

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2. Zeitpunkt der Erledigung Der Begriff der Erledigung setzt nicht voraus, dass die im Antrag empfohlene Handlung bereits bei Zugang des Antrags umgesetzt gewesen ist. Die SEC sieht es als ausreichend an, wenn eine Umsetzung des Antrags nach dessen Zugang, aber noch vor der Entscheidung der SEC erfolgt.926 In diesem Fall ist es nicht unüblich, dass Vertreter der Gesellschaft Kontakt mit dem Antragsteller aufnehmen, um zu ergründen, ob die von dem Unternehmen zur Umsetzung des Antrags geplanten Maßnahmen den Vorstellungen des Antragsstellers bereits entsprechen. Auf diese Weise wird vermieden, dass der Antragsteller trotz erfolgter Umsetzungsmaßnahmen an seinem Antrag festhält und die Gesellschaft ihn zur Abstimmung stellen muss. IX. Antragsduplizität (substantially duplicative) Rule 14a-8 (i)(11) berechtigt zur Ablehnung eines Aktionärsantrags, wenn dieser im Wesentlichen nur den Antrag eines anderen Aktionärs wiederholt, welcher der Gesellschaft bereits zuvor zugegangen ist. Hierdurch soll eine Mehrfachabstimmung der Aktionäre über mehrere der Sache nach gleiche Anträge verhindert und die durch eine Mehrfachabstimmung möglicherweise entstehenden Irritationen ausschlossen werden.927 1. Ausschluss duplikativer Anträge und „co-sponsering“ Anwendbar ist der Tatbestand nur auf den zweiten und jeden weiteren Antrag, der der Gesellschaft zugegangen ist. Die Gesellschaft ist deshalb vorbehaltlich des Vorliegens formeller Hindernisse oder sonstiger Ausnahmetatbestände verpflichtet, den ihr zuerst zugegangenen Antrag zu veröffentlichen. Ein Wahlrecht steht ihr nicht zu. Werden mehrere inhaltsgleiche Anträge von unterschiedlichen Antragstellern gestellt (sog. co-sponsering), wie dies zu gesellschaftspolitischen Themen nicht selten geschieht, so ist ein Ausschluss aller der Gesellschaft nach dem ersten Antrag zugehenden Anträge zulässig, wenn in diesen nicht hinreichend deutlich gemacht wird, dass damit lediglich der erste Antrag unterstützt werden soll. Dabei reicht es nicht aus, dass sich der Wille zur Unterstützung eines anderen Antrags nur aus den Umständen des Antrags ergibt. Vielmehr fordert die SEC eine ausdrückliche Bezugnahme auf den anderen Antrag.928 Sollte 926 SEC No-Action Letter Hemlock Federal Financial Corporation vom 30.03.2000, 2000 WL 38206; SEC No-Action Letter American HomePatient Inc. vom 12.04.2000, 2000 WL 430357. 927 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,999 (1976) sowie § 6 C. IV. 4. b). 928 Vgl. SEC No-Action Letter Conseco Inc. vom 05.04.2001, 2001 WL 357401.

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ein Antrag diesen Hinweis beinhalten, so wird im proxy statement lediglich der zuerst zugegangene Antrag abgedruckt und zusätzlich der Name des co-sponsors genannt. 2. Folgewirkungen einer Änderung oder Rücknahme des Erstantrags Auf Aufforderung der SEC hin erfolgte Änderungen am zuerst zugegangenen Antrag haben keine Auswirkungen auf dessen Zugangsdatum. Dies gilt auch dann, wenn der Antrag erst nach Vornahme der Änderungen in Einklang mit den Vorgaben der Rule 14a-8 steht. Sind die vorgenommenen Änderungen hingegen derart wesentlich, dass der geänderte Antrag als neuer Antrag zu werten ist, so zählt nur das Zugangsdatum der geänderten Fassung. Ebenso verhält es sich, wenn der Urheber des Erstantrags die Rücknahme seines Antrags erklärt und anschließend erneut einen gleichlautenden Antrag stellt. In diesem Fall ist allein das Zugangsdatum dieses neuen Antrags maßgebend. Ein unter Umständen existierender Duplikativantrag eines anderen Antragstellers wird deshalb zulässig, wenn dieser der Gesellschaft vor dem erneuten Antrag des Erstantragstellers zugegangen ist.929 3. Konkretisierung des Duplizitätserfordernisses Rule 14a-8 (i)(11) setzt voraus, dass der Erstantrag durch einen weiteren Antrag im Wesentlichen wiederholt wird (substantially duplicative). Bei der Prüfung dieser Voraussetzung steht der SEC ein erheblicher Beurteilungsspielraum zur Verfügung, was für Antragsteller und Unternehmen zu nur schwer vorhersehbaren Entscheidungen führt. Als Richtschnur kann aber die von der SEC häufig wiederholte Aussage dienen, dass die Anträge die gleiche Stoßrichtung (principal thrust) bzw. den gleichen Schwerpunkt (principal focus) haben müssen.930 Ob dies der Fall ist, entscheidet sich allein nach dem Wortlaut des Antrags selbst. Die Antragsbegründung bleibt demgegenüber unberücksichtigt. Deshalb kann bei zwei wortlautgleichen Anträgen, die lediglich mit unterschiedlichen Begründungen versehen worden sind, die Veröffentlichung des der Gesellschaft später zugegangenen Antrags abgelehnt werden.931 Die Form des Erstantrags spielt für die Anwendbarkeit des Ausschlusstatbestandes keine Rolle. Ein bloß empfehlender Zweitantrag wird neben einem verpflichtenden Erstantrag ebenso für unzulässig

929 Vgl. SEC No-Action Letter Lenox Bancorp Inc. vom 11.01.1999, 1999 WL 11539 m.w. N. 930 SEC No-Action Letter Bank of America Corporation vom 14.02.2006, 2006 WL 401174 m.w. N. 931 Vgl. SEC No-Action Letter Electronic Data Systems Corporation vom 12.03. 1998, 1998 WL 111133.

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gehalten932 wie ein verpflichtender Zweitantrag neben einem empfehlenden Erstantrag.933 Das Duplizitätserfordernis ist nach der langjährigen Praxis der SEC jedenfalls dann als erfüllt anzusehen, wenn die beiden Anträge im Falle mehrheitlicher Zustimmung zu widersprüchlichen Resultaten führen würden. So konnte etwa die Veröffentlichung eines an die Monsanto Company gerichteten Antrags abgelehnt werden, weil dieser eine jährliche Wahl der Board-Mitglieder vorsah, während ein der Gesellschaft zuvor zugegangener Antrag eine Wahl im Dreijahresturnus zur Abstimmung stellte.934 Die Unternehmen versuchen deshalb häufig, den irritierenden Eindruck der Anträge auf die Aktionäre und den zur Umsetzung berufenen Board herauszustellen.935 X. Voraussetzungen für die wiederholte Antragstellung (resubmission rule) Rule 14a-8(i)(12) berechtigt das Management zur Nichtveröffentlichung eines Aktionärsantrags, wenn dieser einen im Wesentlichen gleichen Gegenstand wie ein Antrag betrifft, der bereits in den vorangegangenen fünf Jahren zur Abstimmung stand und dabei bestimmte Zustimmungsquoten nicht erreichte. Zur Handhabung der resubmission rule gibt die SEC selbst ein aus drei Schritten bestehendes Prüfungsschema vor:936 Danach ist zunächst zu untersuchen, ob die Gesellschaft in den zurückliegenden drei Kalenderjahren einen Antrag oder Anträge mit einem weitgehend identischen Gegenstand zugelassen hat. Sollte dies der Fall sein, so muss ermittelt werden, wie häufig dieser oder ein vergleichbarer Antrag in den vergangenen fünf Jahren zur Abstimmung stand. Anschließend ist in einem dritten Schritt der jeweils dazugehörige Schwellenwert heranzuziehen und zu prüfen, ob der Antrag bei der letzten Abstimmung eine entsprechende Unterstützung durch die Aktionäre erfahren hat. Erst wenn dies verneint werden kann, darf die Veröffentlichung des Antrags unterbleiben. Obwohl die für eine Wiedereinbringung zu überwindenden Schwellenwerte seit 1953 unverändert geblieben sind, blickt die Vorschrift auf eine lange und turbulente Geschichte zurück.937 Ihre ursprüngliche Bedeutung hat sie heute in932

SEC No-Action Letter Emcor Group Inc. vom 16.05.2000, 2000 WL 631012. SEC No-Action Letter USG Corporation vom 07.04.2000, 2000 WL 382078. 934 SEC No-Action Letter Monsanto Company vom 07.02.2000, 2000 WL 217449 m.w. N. 935 Vgl. SEC No-Action Letter Bank of America Corporation vom 14.02.2006, 2006 WL 401174 (Anträge zu Parteispenden). 936 Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07.2001, F.2. 937 So schon SEC Exchange Release No. 34-19,135 (Oct. 14, 1982), 47 Fed. Reg. 47,420, 47,429 (1982). Vgl. § 6 D. II. 3. b) ff) zur gerichtlichen Auseinandersetzung um 933

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des weitgehend verloren. War sie einst auf Druck der Unternehmen hin als Damm gegen eine exzessive Ausübung des Antragsrechts durch professionelle Aktionärsaktivisten errichtet worden, so kann sie diese Funktion als „Torwächter“ wegen der gestiegenen Zustimmungsquoten nur noch unzureichend erfüllen. In der praktischen Handhabung bereiten heute die Berechnung der Schwellenwerte (unten 1.) und der Ausschlussfrist (unten 2.) nur geringe Probleme. Demgegenüber führt die Konkretisierung des „im wesentlichen gleichen Antragsgegenstands“ häufig zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Antragstellern und Management (unten 3.). 1. Berechnung der Schwellenwerte Ob ein Aktionärsantrag vom Management unberücksichtigt bleiben darf, bemisst sich zum einen nach der Zustimmungsquote, die ein Antrag mit einem im Wesentlichen gleichen Gegenstand in den zurückliegenden fünf Kalenderjahren erzielt hat. Der Antrag darf nur abgelehnt werden, wenn er bei der ersten Abstimmung weniger als 3 %, bei der zweiten weniger als 6 % und bei jeder weiteren weniger als 10 % der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen konnte. Bei der Feststellung, ob der jeweilige Schwellenwert überschritten wurde, werden nur die den Antrag befürwortenden Stimmen und die Gegenstimmen gezählt. Enthaltungen und sog. broker non-votes938 bleiben hingegen unberücksichtigt.939 Die Schwellenwerte werden von der SEC wortwörtlich verstanden. Aufrundungen kommen deshalb nicht in Betracht.940 Besondere Probleme entstehen nach Strukturmaßnahmen wie Aufspaltungen oder Verschmelzungen. Es stellt sich dann die Frage, in wie weit das Abstimmungsergebnis zu einem identischen Antrag bzw. einem im Wesentlichen gleichen Antragsgegenstand auch bei der neu entstandenen bzw. vergrößerten Gesellschaft berücksichtigt werden kann. Die SEC macht die Anwendung der Schwellenwerte davon abhängig, ob sich der Kreis der Aktionäre durch die

die 1983 eingeführten neuen Schwellenwerte und § 6 E. II. 3. d) zur Debatte um eine Neuregelung im Rahmen der Reform von 1998. 938 In diesen Fällen stimmt der broker-dealer nicht ab, weil er vom wirtschaftlichen Inhaber der Aktien (beneficial owner) keine Anweisungen erhalten hat und deshalb nach dem Börsenrecht keinen Ermessensspielraum bei der Abstimmung über ungewöhnliche („nonroutine“) oder kontroverse Tagesordnungspunkte hat, vgl. Brownstein/ Kirman, 60 Bus. Law. 23, 33 Fn. 48 (2004). 939 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07. 2001, F.4.; vgl. auch SEC No-Action Letter Occidental Petroleum Corp. vom 02.02. 2001, 2001 WL 118832; SEC No-Action Letter Coastal Corp. vom 16.02.1995, 1995 WL 67291. 940 Vgl. SEC No-Action Letter United Technologies Corp. vom 08.12.1995, 1995 WL 729934 (wiederholte Antragstellung unzulässig, wenn bei der zweiten Abstimmung 5,96 % der abgegebenen Stimmen für den Antrag waren).

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Umstrukturierung grundlegend verändert hat. Das ist etwa dann zu verneinen, wenn lediglich die Neugliederung einer Holding-Struktur vorgenommen wurde.941 2. Berechnung der Ausschlussfrist Anträge, die nicht genügend Stimmen auf sich vereinigen konnten, dürfen vom Management in den drei auf die letzte zulässige Antragstellung folgenden Kalenderjahren abgelehnt werden. Auch diese Bestimmung wird von der SEC wortwörtlich verstanden.942 Eine Ablehnung des Antrags ist auch dann möglich, wenn der Termin der nächsten Hauptversammlung noch nicht feststeht und die Dreijahresfrist noch nicht abgelaufen ist.943

3. Weitgehend gleicher Antragsgegenstand Das Tatbestandsmerkmal des „im wesentlichen gleichen Antragsgegenstands“ macht im Gegensatz zu den objektiven Merkmalen des Wiedereinbringungstatbestandes zum Teil schwierige subjektive Beurteilungen erforderlich.944 Deshalb steht es regelmäßig im Zentrum der Auseinandersetzungen zwischen Aktionären und Unternehmensleitung. Maßgeblich ist dabei nicht die Formulierung des Antrags oder die in ihm vorgeschlagene Handlung, sondern das mit dem Antrag verfolgte „wesentliche Anliegen“ (substantial concern). Berücksichtigung finden dabei außer dem Antragstext selbst auch die Antragsbegründung und der Kontext, in dem der Antrag gestellt wurde.945 Da Rule 14a-8(i)(12) lediglich auf den Antragsgegenstand Bezug nimmt, ist die Person des Antragstellers ohne Bedeutung. Eine Ablehnung des Antrags ist deshalb auch dann zulässig, wenn der Antragsteller in keiner Beziehung zu den Urhebern früherer Anträge steht oder er keine Kenntnis von einer früheren Antragstellung hat. Nichtsdestotrotz sind die Gesellschaften häufig bemüht, gerade

941

SEC No-Action Letter PG&E Corp. vom 15.01.1999, 1999 WL 24658. Vgl. SEC No-Action Letter Merck&Co. Inc. vom 27.02.2000, 2000 WL 246000 (Ablehnung unzulässig, wenn Hauptversammlung drei Jahre und zwei Tage zurückliegt) sowie das Berechnungsbeispiel bei SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07.2001, F.3.: Hauptversammlung am 25.04.2002, Dreijahreszeitraum deshalb vom 01.01.1999 bis zum 31.12.2001. 943 SEC No-Action Letter Dow Jones & Company Inc. vom 19.02.1998, 1998 WL 75840. 944 Vgl. schon SEC Exchange Release No. 34-20,091 (Aug. 16, 1983), 48 Fed. Reg. 38,218, 38,221 (1983). 945 SEC Exchange Release No. 34-20,091 (Aug. 16, 1983), 48 Fed. Reg. 38,218, 38,221 (1983). 942

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diesen Nachweis zu führen, um damit zu untermauern, dass es sich um im Wesentlichen identische Anträge handelt.946 Trotz des weiten Ermessensspielraums, der der SEC bei der Bewertung des Antragsgegenstandes eingeräumt ist, haben sich in der jüngeren Vergangenheit zwei Techniken herausgebildet, um eine Ablehnung des Antrags wegen Gegenstandsidentität zu vermeiden. Zum einen sind einige erfahrene Antragsteller dazu übergegangen, ihre (eigentlich unzulässigen) Anträge mit Fragen der Managementvergütung zu verbinden. Auf diese Weise modifizierte Anträge betreffen nach Ansicht der SEC nicht einen „im wesentlichen gleichen Gegenstand“. So wurde etwa die Ablehnung eines Antrags an die Boeing Company für unzulässig gehalten, mit dem über eine Berichterstattung zu einer möglichen Anbindung der Managementvergütung an die Sozialbilanz des Unternehmens abgestimmt werden sollte. Die Antragsbegründung befasste sich dabei in erster Linie mit der Rolle des Unternehmens in der Volksrepublik China und den dort begangenen Menschenrechtsverletzungen. Obwohl dieselben Antragsteller bereits in der Vergangenheit bei Boeing Anträge zur Menschenrechtssituation in China gestellt hatten, hielt die SEC den Wiedereinbringungstatbestand nicht für anwendbar.947 Zum anderen wurde versucht, Anträge so zu formulieren, dass anstelle der Vornahme einer bestimmten Handlung die Erstellung eines Berichts zum gleichen Thema zur Abstimmung gestellt wird. Die Auslegungspraxis der SEC ließ in der Behandlung derartiger Anträge zunächst keine klare Linie erkennen. Während einige Berichtsanträge von ihr für zulässig erachtet wurden, obwohl sie den gleichen Gegenstand wie Anträge der vorangegangenen Jahre hatten948, erhob sie gegen die Ablehnung anderer Berichtsanträge keine Einwände.949 Mittlerweile scheint die SEC die Anwendbarkeit des Wiedereinbringungstatbestandes in solchen Fällen aber generell zu befürworten950, wodurch diese Umgehungstechnik ihren Wert eingebüßt hat. 946 Vgl. SEC No-Action Letter Lawson Products Inc. vom 17.03.2000, 2000 WL 348378; SEC No-Action Letter Eastman Chemical Company vom 27.03.1998, 1998 WL 144818. 947 SEC No-Action Letter Boeing Company vom 03.03.2000, 2000 WL 263117; vgl. auch SEC No-Action Letter Loews Corporation vom 22.02.1999, 1999 WL 114384. 948 SEC No-Action Letter Cooper Industries Inc. vom 14.01.2002, 2002 WL 63737 (Nachhaltigkeitsberichterstattung; früherer Antrag: Implementierung sozial-ökologischer Verhaltensstandards); SEC No-Action Letter Chevron Corporation vom 29.01. 1998, 1998 WL 43013 (Berichterstattung zu ökologischen Folgen einer geplanten Ölund Gasförderung in der Arktis; früherer Antrag: Aufgabe des Öl- und Gasförderungsvorhabens). 949 Vgl. SEC No-Action Letter General Electric Company vom 29.01.1999, 1999 WL 44508 (Berichterstattung über Realisierbarkeit eines Ausstiegs aus der Atomenergieerzeugung; früherer Antrag: Einstellung der Atomenergieerzeugung). 950 SEC No-Action Letter Abbott Laboratories vom 22.03.2006, 2006 WL 760434; SEC No-Action Letter Abbott Laboratories vom 28.02.2006, 2006 WL 538766 (jeweils Berichterstattung über Tierschutz-Grundsätze; frühere Anträge: Einstellung bestimmter Tierversuche).

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XI. Sonstige Ausnahmetatbestände Bei der Abwehr unerwünschter sozial-ökologischer Aktionärsanträge stehen neben den Tatbeständen des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb und des unbedeutenden Bezugs zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft die Tatbestände der Antragsduplizität und des Verstoßes gegen die proxy rules regelmäßig im Mittelpunkt der Diskussion. Eine ganz untergeordnete Rolle spielen demgegenüber der Ausschlusstatbestand des Widerspruchs mit einem Verwaltungsvorschlag (unten 1.) und die Tatbestände, die Anträge zu Dividenden (unten 2.) und zu Board-Wahlen (unten 3.) für unzulässig erklären. 1. Widerspruch zu einem Verwaltungsvorschlag (conflict with company’s proposal) Ohne Bedeutung für nachhaltigkeitsorientierte Anträge ist der in Rule 14a-8 (i)(9) festgehaltene Grundsatz, dass ein Antrag nicht in direktem Widerspruch zu einem Vorschlag der Gesellschaft stehen darf, über den die Aktionäre auf derselben Hauptversammlung abstimmen sollen.951 Der Schwerpunkt dieses Tatbestands, der eine Irreführung der Aktionäre und widersprüchliche Abstimmungsergebnisse zu verhindern sucht, liegt bei Anträgen zu Unternehmensumstrukturierungen952 und Anträgen zur Vergütung der Board-Mitglieder.953 2. Bezug zur Wahl eines Board-Mitglieds (director elections) Gemäß Rule 14a-8 (i)(8) entfällt die Veröffentlichungspflicht bei bestimmten Anträgen, die die Nominierung bzw. die Wahl eines Mitglieds des Board betreffen. Trotz der überbordenden Diskussion, die in der jüngeren Vergangenheit um den richtigen Zuschnitt dieses Tatbestands geführt wurde954, ist seine Bedeutung für den sozial-ökologischen Aktionärsaktivismus gering. 3. Anträge zur Höhe der Dividende (specific amount of dividends) Rule 14a-8 (i)(13) erklärt schließlich Anträge für nicht veröffentlichungspflichtig, die Empfehlungen zu einer bestimmten Dividendenhöhe beinhalten.955 Mit 951 Vgl. schon SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Dec. 28, 1967), 32 Fed. Reg. 20,960, 20,961 (1967). 952 Vgl. nur SEC No-Action Letter Unicom Corporation vom 14.02.2000, 2000 WL 217935 (Antrag, der auf Ablehnung einer Verschmelzung abzielte). 953 Vgl. etwa SEC No-Action Letter Osteotech Inc. vom 24.04.2000, 2000 WL 518099 (Antrag zu Aktienoptionsprogramm); SEC No-Action Letter Mattel Inc. vom 04.03.1999, 1999 WL 114383 (Antrag zu Zusatzvergütungen). 954 Vgl. dazu § 6 E. III. 955 Unzulässige Einzelfälle: SEC No-Action Letter Exelon Corporation vom 02.03. 2002, 2002 WL 440974 (Dividendenerhöhung um 10 %); SEC No-Action Letter General

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diesem seit 1976 existierenden Ausschlusstatbestand verfolgt die Kommission das Ziel, eine Belastung der Aktionäre, die durch die Auseinandersetzung mit derartigen Anträgen entstehen würde, auszuschließen.956 Für nachhaltigkeitsorientierte Aktionärsanträge ist die Bedeutung dieses Tatbestandes hingegen gering, da diese nur selten die Zahlung der Dividende betreffen. Eine gewisse Relevanz besitzt die Norm allerdings im Zusammenhang mit Anträgen, die sich mit den Ausgaben einer Gesellschaft für gemeinnützige Zwecke befassen. So sah etwa die American Express Company den Tatbestand bei einem Antrag als erfüllt an, der eine Reduzierung der gemeinnützigen Ausgaben der Gesellschaft empfahl und um die Ausschüttung der auf diese Weise eingesparten Gelder an die Aktionäre bat. Die SEC stützte diese Ansicht nicht, da der Antrag schwerpunktmäßig die Spendentätigkeit der Gesellschaft und nicht die Dividendenzahlung betraf.957 Als zulässig werden von der SEC auch Anträge angesehen, mit denen Aktionären das Recht eingeräumt werden soll, auf einen Teil ihrer Dividende zu verzichten, der dann von der Gesellschaft für einen gemeinnützigen Zweck ausgegeben wird.958

D. Fazit Die vorangegangene Darstellung hat gezeigt, dass der Anspruch des Aktionärs auf Veröffentlichung seines Antrags in den Stimmrechtsunterlagen der Gesellschaft maßgeblich von der über Jahre gewachsenen Auslegungspraxis der SEC abhängt. Trotz des Bestrebens der Behörde, die shareholder proposal rule anwenderfreundlich und leicht verständlich zu gestalten959, sind es erst die No-Action Letter, die die Norm mit Leben füllen und ihr zu klareren Konturen verhelfen. Der durch die Auslegungspraxis der SEC geschaffene „Überbau“ der Rule 14a-8 ist allerdings überaus komplex und nicht frei von Brüchen. Um erfolgreich aus dem Antragsprozedere hervorzugehen, was je nach Perspektive auf eine positive oder negative Stellungnahme der SEC abzielt, ist eine genaue Kenntnis früherer Stellungnahmen der Behörde in vergleichbaren Fällen unerlässlich. Es vermag deshalb nicht zu überraschen, dass sich viele Antragsteller und nahezu alle Motors Corp. vom 07.04.2000, 2000 WL 430800 (quartalsweise Dividendenerhöhung um 10 Cent). Allg. zur Dividendenentscheidung im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht Schütte, Dividendenentscheidung. 956 SEC Exchange Release No. 34-12,999 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994, 52,999 (1976). Die Einführung dieses Tatbestandes war nach Ansicht der SEC erforderlich, weil bei Anträgen zu Dividenden der Ausnahmetatbestand des Bezugs zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb nicht erfüllt ist und bloß empfehlende Anträge auch nicht gegen den Tatbestand der fehlenden Aktionärszuständigkeit verstoßen. 957 SEC No-Action Letter American Express Company vom 22.01.1997, 1997 WL 33783. 958 Vgl. SEC No-Action Letter AT&T Corp. vom 17.02.2000, 2000 WL 235275. 959 Vgl. § 6 E. II. 2. a).

§ 8 Möglichkeiten zur Überprüfung eines No-Action Letters

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Unternehmen bei ihrer Korrespondenz mit der SEC spezialisierter Rechtsanwälte bedienen. Der Schwerpunkt dieser Schriftwechsel liegt bei Anträgen nachhaltigkeitsorientierter Aktionäre im Regelfall nicht im Bereich der formellen Voraussetzungen der Rule 14a-8, zumal Verstöße gegen die Formalien häufig einer Heilung zugänglich sind. Im Fokus stehen vielmehr die Tatbestände der unbedeutenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft (Rule 14a-8 (i)(5)) und des Bezugs des Antrags zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Gesellschaft (Rule 14a-8 (i)(7)).960 Die anwaltlichen Stellungnahmen gegenüber der SEC zum Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Ausnahmetatbestände fallen dabei nicht selten sehr umfangreich aus. Der von Antragstellern und Unternehmen in Kauf genommene Aufwand lässt sich dabei vor allem anhand der rechtlich und faktisch beschränkten Möglichkeiten zur Überprüfung eines No-Action Letters erklären. Ihnen soll im Folgenden nachgegangen werden.

§ 8 Möglichkeiten zur Überprüfung eines No-Action Letters Sieht die SEC in der geplanten Nichtveröffentlichung eines Aktionärsantrags keinen Verstoß gegen die Vorgaben der Rule 14a-8, so fühlt sich die Verwaltung in der Regel in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Antrag bestätigt. Sie hält dann üblicherweise an ihrer Absicht fest, den Antrag nicht zu veröffentlichen. Der Antragsteller hat in dieser Situation ein vitales Interesse an einer Überprüfung der Entscheidung der SEC und der Gesellschaft. Dafür stehen ihm insgesamt vier Wege offen: Neben Anträgen auf eine erneute Prüfung des gesamten Vorgangs an die Division of Corporate Finance, d. h. die für die rechtliche Bewertung der Aktionärsanträge zuständige Abteilung der SEC (unten A.), und an die Kommission (unten B.) kann er im Grundsatz auch eine Klage gegen die SEC (unten C.) erheben. Daneben wird ihm außerdem ein Klagerecht gegen die Gesellschaft eingeräumt (unten D.). Demgegenüber stellt sich im umgekehrten Fall, dass die SEC in der Nichtveröffentlichung einen Verstoß gegen Rule 14a-8 sieht, die Frage nach einer Überprüfungsmöglichkeit zugunsten der Gesellschaft nicht in gleicher Weise. Denn es bleibt ihr unbenommen, einen Antrag auch dann nicht mitzuteilen, wenn die SEC in diesem Verhalten einen Verstoß gegen die shareholder proposal rule sieht.961 In diesem Fall besteht lediglich das Risiko, von der SEC oder dem Antragsteller auf Veröffentlichung des Antrags verklagt zu werden.

960 Letzterer war in der Hauptversammlungssaison 2007 der Ausnahmetatbestand, der am häufigsten zu einer Nichtveröffentlichung des Antrags berechtigte, vgl. RiskMetrics Group, 2007 Postseason Report, S. 31. 961 Vgl. NYCERS v. SEC, 45 F.3d, 14 (2d Cir. 1995).

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A. Antrag auf erneute Prüfung durch die Division of Corporate Finance Sowohl dem Antragsteller als auch der Gesellschaft wird die Möglichkeit eingeräumt, eine erneute Überprüfung der Entscheidung durch die für Aktionärsanträge zuständige Abteilung der SEC zu beantragen.962 Weder Voraussetzungen noch Ablauf dieses Prüfverfahrens sind ausdrücklich geregelt. Üblicherweise reichen Antragsteller oder Gesellschaften einen schriftlichen Antrag bei der Abteilung ein. Dieser ist üblicherweise mit einer Begründung versehen, aus der sich ergibt, weshalb die nochmalige Überprüfung des Vorgangs ein anderes Ergebnis hervorbringen sollte.963 Besonderes Augenmerk müssen die Antragsteller dabei darauf legen, dass die Gesellschaft ihre proxy materials noch nicht an die Aktionäre versandt hat. Sollte dies bereits geschehen sein, hat der Antrag auf erneute Prüfung von vornherein keine Aussicht auf Erfolg. Eine erneute Überprüfung des Vorgangs wird von der zuständigen Abteilung auch dann abgelehnt, wenn das Prüfgesuch zwar vor Veröffentlichung der proxy materials eingereicht wurde, die Begründung aber keine stichhaltigen Argumente enthält, die eine erneute Prüfung rechtfertigen.964 Dabei handelt es sich um die in der Praxis häufigste Reaktion auf einen solchen Antrag. Weniger verbreitet sind demgegenüber die Fälle, in denen der ergänzende Vortrag des Aktionärs bzw. der Gesellschaft zu einer erneuten Überprüfung führt. Am Ende eines solchen Prüfungsverfahrens steht im Regelfall die Feststellung der Abteilung, an der schon zuvor geäußerten Ansicht festzuhalten.965 Selten kommt es hingegen vor, dass die erneute Prüfung ein anderes Ergebnis hervorbringt.966

B. Antrag auf Überprüfung durch die Kommission Unabhängig von dem soeben dargestellten Prüfverfahren können der Antragsteller bzw. die Gesellschaft bei der Fachabteilung eine Entscheidung der an der Spitze der SEC stehenden Kommissionsmitglieder beantragen. In der Praxis ha962

Ausf. mit praktischen Hinweisen Lemke, 42 Bus. Law. 1019, 1036 f. (1987). Vgl. Lemke, 42 Bus. Law. 1019, 1037 (1987). 964 Vgl. etwa SEC No-Action Letter AT&T Corp. vom 29.03.2001, 2001 WL 314575 („[. . .] after reviewing the information contained in your letter, we find no basis to reconsider our position.“). 965 Vgl. SEC No-Action Letter AT&T Corp. vom 28.02.2001, 2001 WL 203934 („[. . .] the division grants the reconsideration request, and upon reconsideration, we are unable to concur in your view that AT&T may exclude the entire proposal.“). 966 Vgl. aber SEC No-Action Letter Galaxy Foods Co. vom 12.10.1999, 1999 WL 817219; SEC No-Action Letter NetCurrents Inc. vom 01.06.2001, 2001 WL 599073 (erfolgreiche Prüfgesuche in denen die Gesellschaften belegen konnten, dass sie bei Umsetzung der Anträge gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen würden, vgl. zu diesem Aspekt schon § 7 C. II. 2). 963

§ 8 Möglichkeiten zur Überprüfung eines No-Action Letters

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ben derartige Anträge aber nur geringe Aussicht auf Erfolg.967 Das liegt zum einen an den Voraussetzungen, die nach den Rules of Practice der Kommission für eine Vorlage erfüllt sein müssen. Der Antrag wird der Kommission von der Fachabteilung nämlich nur dann zugeleitet, wenn die von der Kommission zu behandelnden Fragen von wesentlicher Bedeutung und zugleich neuartig oder hochkomplex sind, vgl. Sec. 17, § 202.1 (d) Satz 4 Code of Federal Regulations. Dies wurde etwa angenommen, wenn ein No-Action Letter von früheren Entscheidungen oder amtlichen Bekanntmachungen der SEC abweicht.968 Die geringen Erfolgsaussichten rühren zum anderen aber auch daher, dass die Einleitung einer erneuten Prüfung ganz im Ermessen der Kommission steht.969

C. Klage gegen die SEC Die zögerliche Haltung der Kommission gegenüber einer erneuten Überprüfung der Entscheidungen ihrer Fachabteilung ist zu einem nicht unerheblichen Teil durch die Rechtsprechung zur gerichtlichen Überprüfbarkeit der in diesem Prüfverfahren getroffenen Entscheidungen veranlasst.970 Die Rechtsprechung und die ihr folgende herrschende Literaturmeinung gehen zwar davon aus, dass eine gerichtliche Überprüfung möglich ist, wenn sich die Kommission mit dem Antrag befasst (unten I.). Verweigert die Kommission hingegen eine erneute Befassung mit dem Antrag, so wird dem Antragsteller des Prüfverfahrens kein Rechtsschutz gegen die SEC gewährt (unten II.). I. Gerichtlicher Rechtsschutz nach erfolgter Kommissionsprüfung Die wesentlichen Aussagen zur gerichtlichen Überprüfbarkeit der Kommissionsentscheidungen lassen sich dem Urteil Medical Committee for Human Rights v. SEC 971 aus dem Jahre 1970 entnehmen, dessen ebenfalls bedeutsamer materiellrechtlicher Teil schon an anderer Stelle dargestellt wurde.972 Der U.S. Court of Appeals, District of Columbia Circuit sprach sich in diesem Zusammenhang 967

Lemke, 42 Bus. Law. 1019, 1038 (1987). SEC No-Action Letter Abbott Laboratories vom 22.03.2006, 2006 WL 760434 m.w. N. 969 Vgl. Sec. 17, § 202.1 (d) Satz 4 Code of Federal Regulations: „[. . .] the granting of a request for an informal statement by the Commission is entirely within its discretion.“ 970 Vgl. Lemke, 42 Bus. Law. 1019, 1039 (1987); Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 652 (1977); Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 2007 (1992). 971 Medical Committee for Human Rights v. SEC, 432 F.2d 659, 139 U.S. App. D.C. 226, Fed. Sec. L. Rep. 92,708, 92,743; vgl. dazu Allen, 26 Bus. Law. 481 (1970); Chisum, 12 Ariz. L. Rev. 463, 466 (1970); Huff, 17 Wayne L. Rev. 1017 (1971); Note, 84 Harv. L. Rev. 835 (1971). Kritisch zudem Vickery, 28 Hastings L. J. 307 (1976). 972 Vgl. § 6 C. II. 1. 968

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für eine Überprüfbarkeit der im Prüfverfahren von der Kommission gefassten Entscheidungen aus.973 Im Mittelpunkt dieses Teils der Entscheidung stand dabei Sec. 25 (a)(1) Securities Exchange Act 1934, der eine gerichtliche Überprüfung nur zulässt, wenn eine Person durch eine endgültige Verfügung der Kommission beschwert ist.974 Da der Begriff der „endgültigen Verfügung“ (final order) in den Gesetzgebungsmaterialien des Securities Exchange Act 1934 nicht näher erläutert und auch nicht durch das Fallrecht ausgeformt wurde, nahm das Gericht eine eigenständige Konkretisierung anhand dreier allgemeiner Grundsätze vor: Als erstes betonte das Gericht den Grundsatz, dass eine starke Vermutung zugunsten der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen bestehe. Diesen Grundsatz könne der Gesetzgeber zwar einschränken, doch seien hier keine derartigen Einschränkungen erkennbar.975 Anschließend entwickelte das Gericht den zweiten allgemeinen Grundsatz, nach dem eine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit regelmäßig dann eröffnet ist, wenn die Entscheidung einer Behörde für eine natürliche oder juristische Person bestimmte verbindliche Auswirkungen mit sich bringe.976 Auch dieses Erfordernis wurde als erfüllt angesehen. Denn die Kommission habe im Zuge der erneuten Überprüfung die Vereinbarkeit der Nichtveröffentlichung des Aktionärsantrags mit den proxy rules festgestellt. Dadurch sei dem Aktionär ein „sachkundiger Verbündeter im Kampf um die Befolgung der proxy rules“ verloren gegangen. Zudem sei ihm dadurch die Rechtsverfolgungslast auferlegt worden, da er die Gesellschaft nun selbst auf Einhaltung der proxy rules verklagen müsse.977 Schließlich wurde in den Urteilsgründen als dritter für eine Überprüfbarkeit sprechender Gesichtspunkt noch untersucht, ob das zu der Kommissionsentscheidung führende Verfahren einen hinreichenden Formalisierungsgrad aufweist.978 Das Gericht, das sich bei der Bejahung dieser Frage sichtlich schwer tat979, stellte auf die Rules of Practice der Kommission sowie auf die zwingenden Verfahrensvorschriften der Rule 14a-8 ab

973

Vgl. 432 F.2d 659, 666 ff. Sec. 25 (a)(1) Securities Exchange Act 1934: „A person aggrieved by a final order of the Commission entered pursuant to this title may obtain review of the order in the United States Court of Appeals for the circuit in which he resides or has his principal place of business, or for the District of Columbia Circuit, by filing in such court, within 60 days after the entry of the order, a written petition requesting that the order be modified or set aside in whole or in part.“ 975 432 F.2d 659, 666. 976 Das Gericht zitiert dazu die Entscheidungen Abbott Laboratories v. Gardner, 387 U.S. 136, 149, 87 S.Ct. 1507 (1967); Isbrandtsen Co. v. United States, 93 U.S.App.D.C. 293, 298, 211 F.2d 51, 55; Japan Atlantic & Gulf Conference v. United States, 347 U.S. 990, 74 S.Ct. 852, 98 L.Ed. 1124 (1954). 977 So ausdrücklich 432 F.2d 659, 667. 978 432 F.2d 659, 668. 979 Vgl. 432 F.2d 659, 667: „[. . .] the problem of whether there is sufficient formality is admittedly a difficult one [. . .].“ 974

§ 8 Möglichkeiten zur Überprüfung eines No-Action Letters

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und gelangte schließlich zu dem Ergebnis, dass die Entscheidungen der Kommission einer gerichtlichen Überprüfung grundsätzlich offenstünden. II. Kein Rechtsschutz bei unterbliebener Kommissionsprüfung Anders verhält es sich demgegenüber, wenn die Kommission eine erneute Befassung mit dem Antrag ablehnt. Eine solche Situation lag der Entscheidung des U.S. Court of Appeals, District of Columbia Circuit in Sachen Kixmiller v. SEC aus dem Jahre 1974 zugrunde.980 Der klagende Aktionär berief sich dabei auf die vier Jahre zuvor ergangene Entscheidung in Sachen Medical Committee, ohne freilich den entscheidenden Unterschied zwischen diesem und dem vorliegenden Fall zu erkennen.981 Dieser wurde schließlich vom Gericht herausgearbeitet. So kam es auch hier maßgeblich auf Sec. 25 (a)(1) des Securities Exchange Act 1934 an; entscheidend war deshalb, ob der Aktionär mit seiner Klage eine endgültige Verfügung der Kommission angefochten hat. Dies wurde vom Gericht ohne Umschweife verneint.982 Denn während sich die Kommission im Medical Committee-Fall auf eine erneute Sachprüfung und -entscheidung einließ, wurde hier eine erneute Überprüfung durch die Kommission abgelehnt. Damit liege keine „endgültige Verfügung“ vor. Die Kommission habe dabei das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Angesichts der Fülle von Aktionärsanträgen, deren Veröffentlichung von Gesellschaften abgelehnt wird, könne die Kommission eine Sachprüfung nur im Einzelfall vornehmen. Die Ablehnung einer erneuten Befassung sei damit der Regelfall, ein Missbrauch des der Kommission eingeräumten Ermessens könne darin nicht gesehen werden.983 Die fehlende Klagemöglichkeit gegen die SEC sei dem Aktionär schließlich auch zumutbar, da er dadurch nicht rechtsschutzlos gestellt werde. Ihm stehe die Möglichkeit offen, die Gesellschaft auf Veröffentlichung des Aktionärsantrags zu verklagen.984 In der Literatur ist die Entscheidung auf ein geteiltes Echo gestoßen.985 Von verwaltungsrechtlicher Seite wurde sie zum Teil begrüßt, da schon das zuvor er980 Kixmiller v. SEC, 492 F.2d 641, 160 U.S. App. D.C. 375, Fed. Sec. L. Rep. 94,378. 981 492 F.2d 641, 644. 982 492 F.2d 641, 644 ff. 983 492 F.2d 641, 645. 984 492 F.2d 641, 645 f. 985 Kritisch Schwartz/Weiss, 65 Geo. L. J. 635, 651 (1977); Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 2008 (1992); zustimmend hingegen Vickery, 28 Hastings L. J. 307 (1976); zu optimistisch deshalb Handley, 28 Wash. & Lee L. Rev. 147 (1971): „the decision [. . .] suggests that this history of judicial deference to the agency’s interpretation of its rule may be coming to an end“; keine ausdrücklichen Einwände erheben demgegenüber Lemke, 42 Bus. Law. 1019, 1039 f. (1987); Liebeler, 18 Geo. L. Rev. 425, 434 (1984); Palmiter, 45 Alt. L. Rev. 879, 893 (1994); Skalaban, 61 Geo. Wash. L. Rev. 1514, 1518 (1993).

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

gangene Urteil in Sachen Medical Committee unzutreffend gewesen sei.986 Die Kritiker wiesen demgegenüber darauf hin, dass die SEC sich infolge des Urteils einer gerichtlichen Überprüfung ihres Handelns entziehen könne und dies in der Praxis auch tut, indem die Kommission eine erneute Überprüfung ablehnt. Die bei der Fachabteilung verortete Befugnis zur Auslegung der Rule 14a-8 liege damit in den Händen eines weder politisch noch gerichtlich verantwortlichen Gremiums, was nicht hingenommen werden könne.987

D. Klage gegen die Gesellschaft Wie bereits erwähnt hat der Antragsteller neben den soeben dargestellten Möglichkeiten, die Sachentscheidung der Division of Corporate Finance und der Kommission innerbehördlich bzw. gerichtlich überprüfen zu lassen, auch das Recht, die Gesellschaft auf Veröffentlichung des Aktionärsantrags in den proxy materials zu verklagen. I. Herleitung der Klagemöglichkeit des Antragstellers Im Fallrecht zu Rule 14a-8 ist seit langem anerkannt, dass der Antragsteller die Gesellschaft auf Veröffentlichung eines Aktionärsantrags verklagen kann, wenn diese die Aufnahme eines Antrags in ihre proxy materials ablehnt.988 Da aber weder der Wortlaut der Sec. 14 (a) Securities Exchange Act 1934 noch die Gesetzgebungsmaterialien ausdrücklich ein Klagerecht zugunsten des Antragsstellers vorsehen, blieb die Rechtsgrundlage dieses Klagerechts zunächst im Dunkeln. Nahezu 30 Jahre lang wurde im Wesentlichen auf die Entscheidung des Supreme Court in Sachen J.I. Case Co. v. Borak aus dem Jahr 1964 verwiesen.989 In diesem Urteil hatte das Gericht ein Klagerecht eines Aktionärs zur Durchsetzung der Rule 14a-9990 bejaht, obwohl im Gesetz und in den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens eine Klagemöglichkeit unerwähnt blieb. Zur Begründung stellten die Richter auf den von Sec. 14 (a) Securities Exchange Act 1934 bezweckten Anlegerschutz ab, in dessen Interesse neben der SEC auch der einzelne

986

Vickery, 28 Hastings L. J. 307, 307 ff. (1976). So Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 2008 (1992). 988 Vgl. etwa Medical Committee for Human Rights v. SEC, 432 F.2d 659, 671 f. (D.C. Cir. 1970): „There is no doubt that the Medical Committee could obtain a judicial determination of the legitimacy of its claim through a private action against Dow Chemical in the district court.“; Lovenheim v. Iroquois Brands Ltd., 618 F.Supp 554, Fed. Sec. L. Rep. 91,995 (D.C. 1985); New York City Employees’ Retirement System v. American Brands, Inc., 634 F. Supp. 1382, 1386 (S.D.N.Y. 1986). 989 J.I. Case Co. v. Borak, 377 U.S. 426, 84 S.Ct. 1555, 12 L.Ed.2d 423 (1964). 990 Rule 14a-9 verbietet falsche und irreführende Angaben in den Stimmrechtsunterlagen (antifraud provision), vgl. dazu schon § 7 C. III. 987

§ 8 Möglichkeiten zur Überprüfung eines No-Action Letters

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Aktionär zur Durchsetzung der proxy rules befugt sein müsse.991 Obwohl der Supreme Court in späteren Entscheidungen in der Anerkennung ungeschriebener Klagerechte weit weniger großzügig war992, nahmen Untergerichte993 und Literatur994 die Aussagen der Borak-Entscheidung zum Anlass, auch zur Durchsetzung der Rule 14a-8 ein Klagerecht zugunsten des Antragstellers anzuerkennen. Dennoch kann die Frage nach dem Bestehen des Klagerechts erst seit dem Urteil des U.S. Court of Appeals, District of Columbia Circuit in Sachen Roosevelt v. E.I. Du Pont de Nemours & Co. aus dem Jahre 1992 als endgültig geklärt angesehen werden.995 Dieser Entscheidung lag die Klage eines Aktionärs von Du Pont zugrunde, mit welcher dieser von der Gesellschaft die Veröffentlichung eines Antrags996 verlangte. Da Du Pont bereits die Klagemöglichkeit des Aktionärs in Frage stellte, musste sich das Gericht zunächst mit dieser jahrelang unhinterfragten Annahme auseinandersetzen. Es kam dabei zu dem Ergebnis, dass jedem Antragsteller das Recht zustehe, seinen Anspruch auf Veröffentlichung eines Aktionärsantrags gerichtlich geltend zu machen.997 Dafür spreche zum einen der Wille des Gesetzgebers, der mit Sec. 14 (a) Securities Exchange Act 1934 die Informationsversorgung der Aktionäre fördern und dem Konzept der corporate democracy zum Durchbruch verhelfen wollte. Der bezweckte Anlegerschutz wäre unvollständig, die Beteiligung der Aktionäre an der Willensbildung der Gesellschaft nicht hinreichend effektiv, wenn die Durchsetzung des Anspruchs auf Antragsveröffentlichung nicht durch ein korrespondierendes Klagerecht des Antragstellers abgesichert werden würde.998 Zum anderen spreche auch die Haltung der SEC gegenüber einem solchen Recht für die Klagemöglichkeit des Antragstellers. Denn die Behörde füge jedem No-Action Letter, in dem keine Einwände gegen die Ablehnung eines Antrags erhoben werden, die Anmerkung bei, dass der Antragsteller die Vereinbarkeit der unterlassenen Veröffentlichung mit Rule 14a-8 gerichtlich überprüfen könne.999 Die Nichtzuerkennung eines Klagerechts 991

377 U.S. 426, 431 f. Ausf. dazu Lee, 27 Case W. Res. L. Rev. 1010, 1016 ff. (1977); Skalaban, 61 Geo. Wash. L. Rev. 1514, 1522 ff. (1993). 993 Vgl. Medical Committee for Human Rights v. SEC, 432 F.2d 659, 672; Kixmiller v. SEC, 492 F.2d 641, 645 f. 994 So etwa Lee, 27 Case W. Res. L. Rev. 1010, 1032 (1977). 995 Roosevelt v. E.I. Du Pont de Nemours & Co., 958 F.2d 416, 60 USWL 2571, 294 U.S. App.D.C. 198, Fed. Sec. L. Rep. 96,527. 996 Der Antragsteller verlangte die Einstellung der Produktion von Fluorchlorkohlenwasserstoffen und die Berichterstattung über Forschungsanstrengungen zur Entwicklung ökologisch unbedenklicher Alternativen. 997 958 F.2d 416, 421. 998 958 F.2d 416, 421 ff. 999 Vgl. etwa SEC No-Action Letter General Motors Corp. vom 07.04.2006, 2006 WL 987287: „DIVISION OF CORPORATION FINANCE – INFORMAL PROCEDURES REGARDING SHAREHOLDER PROPOSALS: [. . .] It is important to note that the staff ’s and Commission’s no-action responses to Rule 14a-8(j) submissions reflect 992

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

würde der langjährigen Verwaltungspraxis und den durch sie erzeugten Erwartungen der Aktionäre zuwiderlaufen.1000 Schließlich würde die Fülle von Aktionärsanträgen die Kapazitäten der SEC übersteigen, wenn sie allein für die Durchsetzung der Rule 14a-8 verantwortlich wäre. Die Klage des Antragstellers wurde deshalb als zulässig erachtet.1001 II. Fehlende Bindungswirkung der Feststellungen eines No-Action Letters In materiell-rechtlicher Hinsicht ist hervorzuheben, dass die von der SEC im No-Action Letter getroffenen Feststellungen zur Vereinbarkeit der unterlassenen Mitteilung eines Antrags mit den Vorgaben der Rule 14a-8 für die Gerichte nicht bindend sind.1002 Die Division of Corporate Finance betont selbst den rein informellen Charakter der von ihr erstellten No-Action Letter und weist auf die Möglichkeit einer gegen die Gesellschaft gerichteten Klage hin.1003 Diese Aussagen täuschen indes über die faktischen Verhältnisse hinweg. Denn obwohl der gerichtliche Prüfungsspielraum bei der Untersuchung der Rechtmäßigkeit der unterlassenen Antragsveröffentlichung rechtlich nicht eingeschränkt ist, haben die Gerichte doch immer wieder auf die Fachkompetenz der SEC bei der Auslegung der Rule 14a-8 vertraut und den Feststellungen der No-Action Letters große Bedeutung beigemessen. In der Praxis hat dies dazu geführt, dass die Gerichte nur selten von der Sichtweise der SEC abgewichen sind.1004 Aus diesem Grunde und wegen den mit der Klage verbundenen hohen Kosten für den Kläger ist die Klagemöglichkeit der Gesellschaft nur von beschränktem Wert.1005

only informal views. The determinations reached in these no-action letters do not and cannot adjudicate the merits of a company’s position with respect to the proposal. Only a court such as a U.S. District Court can decide whether a company is obligated to include shareholder proposals in its proxy materials. Accordingly a discretionary determination not to recommend or take Commission enforcement action, does not preclude a proponent, or any shareholder of a company, from pursuing any rights he or she may have against the company in court, should the management omit the proposal from the company’s proxy material.“ 1000 958 F.2d 416, 421 sowie 424. 1001 Das Gericht gab der Klage dennoch nicht statt, weil der Antrag einen Bezug zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Gesellschaft aufwies und deshalb gemäß Rule 14a8 (c)(7) (1983) nicht mitgeteilt werden musste, vgl. 958 F.2d 416, 425 ff. 1002 Vgl. dazu bereits § 6 D. III. 4. b) im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit NYCERS v. SEC. 1003 SEC Division of Corporation Finance, Staff Legal Bulletin No. 14 vom 13.07. 2001, B.11. 1004 Choi, 17 Duke Envtl. L. & Pol. F. 165, 175 (2006); Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 2008, Fn. 200 (1992). 1005 Kritisch deshalb auch Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 2008 (1992).

§ 9 Kritische Einwände gegen die shareholder proposal rule

313

E. Bewertung der bestehenden Überprüfungsmöglichkeiten Trotz der insgesamt vier Möglichkeiten, die einem Antragsteller zur Verfügung stehen, um eine ablehnende Stellungnahme der SEC zu überprüfen oder die Gesellschaft zur Antragsveröffentlichung zu zwingen, offenbaren sich in der Praxis erhebliche Mängel im Rechtsschutzsystem der Rule 14a-8, die die Effektivität des Antragsrechts erheblich einschränken. Die SEC-internen Prüfungsverfahren führen selten zum Erfolg. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass sich die Kommission bei ihrer Entscheidungsfindung in erster Linie von dem Aspekt der zu vermeidenden Rechtswegeröffnung leiten lässt und aus diesem Grund eine erneute Überprüfung ablehnt. Aber auch der unmittelbare Weg einer Klage gegen die Gesellschaft wird praktisch kaum beschritten, da die Einschätzung der SEC zwar nicht rechtlich, aber faktisch verbindlich wirkt. Die Rechtsschutzmöglichkeiten stellen damit eine fundamentale Schwäche des Systems der Aktionärsanträge dar.

§ 9 Kritische Einwände gegen die shareholder proposal rule In der US-amerikanischen Gesellschaftsrechtswissenschaft wurde der praktische Nutzen der shareholder proposal rule und des auf ihr basierenden sozialökologischen Aktionärsaktivismus in der Vergangenheit weithin bejaht.1006 Nahezu unisono wurde die Bedeutung der Rule 14a-8 für die Unternehmenspublizität, für die Durchsetzung der Idealvorstellung einer „corporate democracy“ und für den Meinungsaustausch zwischen Aktionären und dem Board herausgestellt. Diese Meinungshegemonie wurde erst in den 1980er Jahren durchbrochen, als von Seiten der Law and Economics-Bewegung Bedenken gegen die bundesrechtliche Ausgestaltung des Aktionärsstimmrechts im Allgemeinen und kritische Einwände gegen die Rule 14a-8 im Besonderen formuliert wurden. Obwohl die Welle der Kritik mittlerweile verebbt und erneut einer fast uneingeschränkten Zustimmung zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für Aktionärsanträge gewichen ist1007, erfordert die (scheinbare) Überzeugungskraft der von Seiten der Kritiker vorgetragenen Argumente eine Auseinandersetzung mit den geäußerten Einwänden.1008 1006 Fischel, 35 Va. L. Rev. 1259, 1278 (1982): „virtually all commentators are lavish in their praise of the shareholder proposal rule“. 1007 Eine Ausnahme bildet insoweit der Beitrag von Strine, 63 Bus. Law. 1079, 1101 (2008), der zu einer öffentlichen Debatte darüber aufruft, ob „the existing less stringent criteria be maintained in place for 14a-8 proposals that focus on social issues, such as environmental, labor, and human rights, and not business or corporate governance structure“. 1008 Vgl. dazu überblicksartig auch Fleischer, AG 2010, 685, 690 f.

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

A. Aktionärsinformation im Vertragsnetzwerk Zielscheibe der Kritik ist zum einen die der shareholder proposal rule zugrunde liegende Vorstellung des Gesetzgebers, die Beteiligungsmöglichkeiten der Aktionäre im innergesellschaftlichen Willensbildungsprozess erhöhen zu müssen. Diese häufig mit dem Schlagwort der „corporate democracy“ verbundene Regelungsphilosophie1009 sieht in den fehlenden effektiven Kontrollmöglichkeiten der Aktionäre eine Gefährdung der Legitimität und der Machtfülle des Managements. Die geringe Aktionärsbeteiligung bei der Kontrolle der Verwaltung reflektiere lediglich die Enttäuschung der Aktionäre über ihre rechtlich vermittelte Machtlosigkeit.1010 Die Aktionäre würden sich nach diesem Verständnis stärker am Willensbildungsprozess beteiligen, wenn feststünde, dass ihr Verhalten Einfluss auf die Geschäftspolitik hat. Von den Kritikern wird dieses Regelungskonzept prinzipiell in Frage gestellt, wobei die Einwände in erster Linie auf der Vorstellung basieren, dass die Gesellschaft ein Netzwerk von Verträgen sei. Anders als im deutschen Aktienrecht, wo die Frage der Rechtsnatur der Aktiengesellschaft und der Zuordnung des Gesellschaftsvermögens bereits in § 1 Abs. 1 Satz 1 AktG zugunsten eines selbständigen Rechtssubjekts entschieden wird, ist die Rechtsnatur der corporation im USamerikanischen Gesellschaftsrecht umstritten. Im Anschluss an Jensen/Meckling1011 wird ihr von einem Teil der Gesellschaftsrechtswissenschaft die Rechtspersönlichkeit abgesprochen und sie als bloßes Vertragsnetzwerk (nexus of contracts) charakterisiert. Das Gesellschaftsrecht hat nach dieser – freilich schon im Ansatz problematischen1012 – Sichtweise die alleinige Funktion, eine angesichts zu hoher Transaktionskosten nicht effiziente privatautonome Vereinbarung zwischen Aktionären und Management durch eine Regelungsstruktur zu ersetzen, die einer Vereinbarung im transaktionskostenfreien Raum möglichst nahe kommt.1013 Die Ausgestaltung des Systems der Aktionärsabstimmungen auf 1009

Dazu bereits § 6 B. II. 1. Senate Committee on Banking, Housing and Urban Affairs, 96th Cong., 2nd Sess., SEC Staff Report on Corporate Accountability: A Re-Examination of Rules Relating to Shareholder Communications, Shareholder Participation in the Corporate Electoral Process, And Corporate Governance Generally, S. 67. Von ganz ähnlichen Überlegungen ging der deutsche Gesetzgeber im Zuge der Aktienrechtsnovelle von 1884 aus, mit der er die Generalversammlung stärkte, um die Aktionärsbeteiligung zu beleben, vgl. Wiethölter, Interessen, S. 288 m.w. N. 1011 Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305 (1976). 1012 Die überzeugende Kritik am nexus of contracts-Ansatz soll hier aus Platzgründen nicht referiert werden, vgl. dazu Blair/Stout, 31 J. Corp. L. 719 (2006); Eisenberg, 24 J. Corp. L. 819 (1999); Marens/Wicks, 9 Bus. Eth. Quart. 273 (1999) sowie Merkt/ Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 70 (S. 95). Für die deutsche AG vertritt diesen Ansatz etwa Adams, AG 1989, 333, 337. Vgl. auch Spindler, AG 1998, 53, 58. 1013 Dezidiert Easterbrook/Fischel, Corporate Law, S. 34: „corporate law is a set of terms available off-the-rack so that participants in corporate ventures can save the cost 1010

§ 9 Kritische Einwände gegen die shareholder proposal rule

315

Bundesebene genüge dieser Vorgabe nicht, weil sie unterstelle, dass die Aktionäre an mehr Informationen interessiert sind als das Management freiwillig veröffentlichen würde und Aktionären an einer Gestaltung der Geschäftspolitik über das vom bundesstaatlichen Recht gewährleistete Maß hinaus gelegen sei.1014 Diese beiden Einwände überzeugen indes nicht. Zunächst ist festzuhalten, dass die bundesrechtlichen Regelungen zu Aktionärsabstimmungen, insbesondere aber die shareholder proposal rule, keine Erweiterung der Aktionärszuständigkeiten bewirken und den Aktionären damit auch kein größerer Spielraum bei der Gestaltung der Geschäftspolitik eröffnet wird. Diese Fehlvorstellung wird bereits durch Rule 14a-8 (i)(1) widerlegt, der nur solche Anträge für veröffentlichungspflichtig erklärt, für deren Gegenstand nach dem Gesellschaftsrecht des Inkorporationsstaates eine Zuständigkeit der Aktionäre eröffnet ist.1015 Aber auch das Argument, die proxy rules führten zu einem Überangebot an Informationen, hält einer kritischen Überprüfung nicht stand. Dabei erscheint es lohnenswert, sich zunächst noch einmal die Situation vor Einführung der proxy rules in Erinnerung zu rufen.1016 Die häufig unvollständigen, zum Teil sogar irreführenden Formulare zur Erteilung von Stimmrechtsvollmachten ließen die Aktionäre über Abstimmungsgegenstände selbst dort im Unklaren, wo ihr Votum gesetzlich vorgeschrieben war. In Anbetracht dieser historischen Erfahrung erscheint es wirklichkeitsfremd, auf die von Seiten der Unternehmensleitung „freiwillig“ veröffentlichten Informationen zu vertrauen und diese als ausreichend zu erachten. Zumindest missverständlich ist zudem die Annahme, das Management werde Informationen freiwillig offen legen, soweit damit nicht lediglich zum Ausdruck gebracht werden soll, dass Informationen frei von gesetzlichem Zwang zugänglich gemacht werden.1017 Eine vollständige und nicht irreführende Informationsversorgung der Aktionäre ohne gesetzlichen oder marktlichen Anreiz erscheint nicht realistisch. Die Bedenken werden aber auch dann nicht ausgeräumt, wenn man den Begriff der Freiwilligkeit auf eine marktgesteuerte Informationsversorgung der Aktionäre reduziert, das Management Informationen also nur aufgrund des faktischen Drucks des Kapitalmarkts zugänglich macht. Informationen stellen kein gewöhnliches marktgängiges Produkt dar, so dass die Gefahr eines Marktversagens besteht.1018 Deshalb sind gesetzliche Offenlegungspflichten er-

of contracting“, „Corporate law [. . .] fills in the blanks and oversights with the terms that people would have bargained for had they anticipated the problems and been able to transact costlessly in advance.“ 1014 Easterbrook/Fischel, Corporate Law, S. 82. 1015 Vgl. dazu ausf. § 7 C. I. 1016 Vgl. § 6 B. II. 1. 1017 Für diese einschränkende Sichtweise gibt es bei Easterbrook/Fischel, Corporate Law, S. 82 aber keine Anhaltspunkte. 1018 Vgl. dazu bereits § 2 B. I.

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

forderlich, die eine Übervorteilung der Aktionäre durch die Unternehmensleitung verhindern (sog. „governance function“ zwingender Publizitätspflichten). 1019

B. Informationswesentlichkeit als Grenze gesetzlicher Offenlegungspflichten Ein weiterer von Seiten der Kritiker geäußerter Einwand richtet sich gegen das Maß der von Rule 14a-8 geforderten Publizität. Grundsätzlich sei eine Offenlegung nur hinsichtlich solcher Informationen sinnvoll, die wesentlich (material) sind. Anderenfalls verliere die Offenlegung ihren Sinn, da die Gefahr bestehe, dass die Informationsadressaten die tatsächlich wichtigen Informationen übersehen. Die weit überwiegende Anzahl der Aktionärsanträge, insbesondere aber Anträge zu sozial-ökologischen Themen, würden dieser Ansicht nach die Wesentlichkeitsschwelle nicht überschreiten, was durch die bei den Abstimmungen erzielten geringen Zustimmungsquoten eindrucksvoll dokumentiert werde.1020 Gesellschaftspolitische Aspekte der Geschäftstätigkeit mögen für einige wenige Personen interessant sein, aber nicht für Anleger in ihrer Rolle als Anleger.1021 In dieser Rolle würden sie Geschäftspraktiken bevorzugen, die ihnen eine größtmögliche Kapitalverzinsung sichern. An diesem Einwand ist zutreffend, dass die Gefahr einer Informationsüberflutung durch das Kriterium der Informationswesentlichkeit eingedämmt werden kann und muss. Denn anerkanntermaßen ist Sonnenlicht das beste Desinfektionsmittel und elektrisches Licht der wirksamste Polizist (Brandeis)1022, doch allzu viel Desinfektionsmittel verursacht Hautkrankheiten und elektrisches Licht ist Energieverschwendung, wenn es nicht gebraucht wird (Loss).1023 Nicht nur zu wenig Publizität ist begründungspflichtig, sondern auch zu viel.1024 Das Erfordernis einer Wesentlichkeitsschwelle sagt aber noch nichts über ihren Inhalt aus. Bei ihrer Konkretisierung wird heute üblicherweise auf das Urteil des U.S. Supreme Court in Sachen TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc. aus dem Jahr 1976 abgestellt. Darin führte das Gericht aus, dass eine Tatsache im Sinne der proxy rules wesentlich ist, wenn ein vernünftiger Aktionär die fragliche Information 1019

Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 2. Vgl. Dent, 30 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1, 7 (1985); Liebeler, 18 Geo. L. Rev. 425, 452 f. (1984). 1021 Fischel, 35 Va. L. Rev. 1259, 1280 (1982): „not to investors qua investors“; siehe auch Easterbrook/Fischel, Corporate Law, S. 86. 1022 „Publicity is justly commended as a remedy of social and industrial diseases. Sunlight is said to be the best of disinfectants; electric light the most efficient policeman.“, vgl. Brandeis, Others People’s Money – and How the Bankers Use It, S. 92. 1023 So Loss, Securities Regulation (3. Aufl.), S. 32. 1024 Thüsing, ZIP 2008, 106, 109. 1020

§ 9 Kritische Einwände gegen die shareholder proposal rule

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mit beträchtlicher Wahrscheinlichkeit als wichtig für seine Abstimmungsentscheidung ansieht.1025 Der hieraus von Fischel gezogene Schluss, gemeinwohlorientierte Aktionärsanträge seien per se unwesentliche Informationen, geht indes fehl. Fehlerhaft ist dabei bereits die apodiktische Festlegung des Leitbildes eines Aktionärs, der sich nicht für Fragen gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung interessiert, sondern allein Geschäftspraktiken präferiert, die zu größtmöglicher Kapitalverzinsung führen. Dieses Verständnis verkennt die unterschiedlichen Zeithorizonte, die verschiedene Aktionärsgruppen besitzen. Der Aktionärskreis börsennotierter Aktiengesellschaften ist regelmäßig weder im Hinblick auf die von den Aktionären verfolgten Ziele noch auf ihre Zeithorizonte als monolithischer Block anzusehen.1026 Neben langfristig orientierten Aktionären wie etwa Versicherungsgesellschaften und Pensionsfonds treten mit Investmentfonds und Hedgefonds Anleger mit kurzfristigen Investitionshorizonten.1027 Je weiter sich aber der Investitionshorizont eines Anlegers in die Zukunft verschiebt, desto eher ist er im wohlverstandenen Eigeninteresse auch an den sozialen und ökologischen Folgewirkungen der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft interessiert und umso mehr decken sich die Interessen der Aktionäre mit denen der sonstigen Unternehmensbeteiligten (Stakeholder).1028 Dies wird gegenwärtig durch die intensive Beteiligung von langfristig ausgerichteten institutionellen Anlegern an Klimaschutzinitiativen und den UNEP Principles for Responsible Investment auch praktisch bestätigt.1029 Der Begriff der Wesentlichkeit unterliegt somit mit zunehmenden Zeithorizont einem Wandel: Was auf kurze Sicht unwesentlich ist, kann auf lange Sicht wesentlich sein. Zudem muss ins Gedächtnis gerufen werden, dass die Individuen „Aktionär“ (verstanden als privater Kleinaktionär) und „Staatsbürger“ im Wesentlichen personenidentisch sind. In ihrer staatsbürgerlichen Stellung decken diese Individuen aber ein weites Spektrum unterschiedlicher gesellschafts- und wirtschaftspolitischer Positionen ab. Die Annahme eines rein profitorientierten 1025 TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U. S. 438, 449 (1976). Dazu Spradlin, 2 U. Haw. L. Rev. 557, 560 ff. (1980/81). 1026 Plastisch zur Heterogenität des Aktionärs Noack, Festschrift v. Rosen, S. 273, 287: „Als Idealperson existiert er nur in Lehrbüchern. Die Soziodemografie des Aktionariats ist so bunt wie das Leben selbst.“; ähnlich v. Werder, Festschrift Schwark, S. 285, 294 f.: „zunehmende [. . .] Ausdifferenzierung des ,Aktionärsuniversums‘ [. . .] [so] dass die Vorstellung von einem homogenen Aktionärsinteresse der facettenreichen Wirklichkeit nicht gerecht wird.“; vgl. auch Müller-Michaelis/Ringel, AG 2011, 101, 108. 1027 Ausf. zur Dichotomie kurz- und langfristiger Aktionäre Anabtawi, 53 UCLA L. Rev. 561, 579 ff. (2006); vgl. auch Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1083 (2007); Fischer zu Cramburg, NZG 2008, 457. 1028 Die Bedeutung der unterschiedlichen Zeithorizonte beim Verständnis des Aktionärsinteresses betonen auch Hayden/Bodie, Hofstra U. Sch. L. Legal Studies Research Paper Series, Research Paper No. 08-01, 55 f. (2008). Vgl. zudem Forstmoser, Liber Amicorum Rolf Watter, S. 197, 200 f. 1029 Vgl. dazu § 1 A.

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

Aktionärs erscheint gerade vor diesem Hintergrund unplausibel.1030 Diesen Umstand hat auch Friedman, einer der geistigen Väter der Law and Economics-Bewegung, erkannt: In seinem vielzitierten Aufsatz zur gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen betonte er, dass das Ziel der Profitmaximierung in den „einfachen Regeln der Gesellschaft seine Grenzen finde, die zum einen gesetzlich, zum anderen in ethischen Gepflogenheiten“ ihren Ausdruck fänden.1031 Schließlich übersieht die Sichtweise der Kritiker auch die Folgen, die ein wachsender Diversifizierungsgrad des Anlageportfolios für die Interessen des Anlegers nach sich zieht. Besonders offensichtlich sind diese Folgen bei Anlegern, deren Portfolios einen derart hohen Diversifikationsgrad erreicht haben, dass sie die Wirtschaft als Ganzes abbilden („universal owners“).1032 Diese Investoren, zu denen unter anderem Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften zählen, präferieren eine Geschäftspolitik der Portfoliowertmaximierung, nicht aber der Wertsteigerung individueller Aktienpositionen.1033 Sie sind deshalb daran interessiert, negative Externalitäten zu unterbinden, die von einzelnen Portfoliogesellschaften ausgehen, und die Belange der Stakeholder dieser Gesellschaften hinreichend zu berücksichtigen, da deren Behandlung unmittelbare Auswirkungen auf andere Teile des Anlageportfolios hat.1034 Es zeigt sich somit, dass der von den Kritikern der Rule 14a-8 konstruierte Aktionärstypus nur ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit wiedergibt. Aktionären kann nicht per se ein Desinteresse an Fragen gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung unterstellt werden. Die Gleichsetzung von Aktionärsvernunft und fehlendem Interesse an den sozialen und ökologischen Folgewirkungen der Geschäftstätigkeit ist deshalb abzulehnen.1035 Auch im US-amerikanischen Fallrecht ist sie bereits in den 1970er Jahren verworfen worden.1036 1030 Ausf. hierzu Williams, 112 Har. L. Rev. 1199, 1277 (1999); Note, 115 Harv. L. Rev. 1433, 1438 (2002). Ähnlich Sampford/Berry, 13 Griffith L. Rev. 115, 120 (2004): „Shareholders are not merely investors. They are workers, members of communities, breathers of air, drinkers of water and parents of similarly varied people.“ sowie Lutter, Aktionär, S. 29. 1031 Friedman, Milton, „The Social Responsibility of Business is to Increase Its Profits“, New York Times vom 13.09.1970, S. 32, 33; dazu ausf. Wells, 51 U. Kan. L. Rev. 77, 123 ff. (2002). 1032 Vgl. zum „universal ownership“-Modell Hawley, 38 Soc. Perspec. 415 (1995); Hawley, 5 Corp. Gov. 206 (1997); Hawley/Williams, 43 Challenge 43 (2000); Hawley/ Williams, S. 151 ff.; Hawley/Williams, 9 Corp. Env. Strat. 284 (2002). Zust. Davis/Lukomnik/Pitt-Watson, New Capitalists, S. 13. 1033 Hayden/Bodie, Hofstra U. Sch. L. Legal Studies Research Paper Series, Research Paper No. 08-01, 57 (2008). 1034 Hawley/Williams, S. 151, 157. 1035 Krit. zur Aussage Fischels auch Lee, 10 Stan. J. L. Bus. & Fin. 31, 56 (2005) sowie Sampford/Berry, 13 Griffith L. Rev. 115, 119 f. (2004). Interessant insoweit aus dem deutschen Schrifttum Dauner-Lieb, WM 2007, 1, 13: „[. . .] die Interessen der Anteilseigner [können] vielgestaltig und heterogen sein [. . .]. Unterschiedliche Präferenzen der Eigentümer sind in einer freiheitlichen Marktwirtschaft jedoch selbst dann zu

§ 9 Kritische Einwände gegen die shareholder proposal rule

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C. Minderheitsdominanz als Pervertierung der corporate democracy In der Vergangenheit haben nachhaltigkeitsorientierte Aktionärsanträge und die gesetzliche Offenlegungspflicht für derartige Anträge auch wegen ihrer (vermeintlichen) Erfolglosigkeit besondere Kritik erfahren. Nur in den seltensten Fällen – so die Argumentation der Kritiker – könne ein Antrag die Mehrheit der Aktionäre hinter sich vereinigen. Die weitaus meisten Anträge seien, gemessen an den erzielten Zustimmungsquoten, erfolglos.1037 Wenn die Befürworter des existierenden Antragssystems davon sprächen, dass von sozialen und ökologischen Anträgen eine „heilsame indirekte Wirkung“ (healthy indirect impact) ausgehe, so sei damit nichts anderes gemeint, als dass das Unternehmen wegen der durch den Antrag hergestellten Öffentlichkeit eine gewinnmaximierende Strategie zugunsten einer anderen Strategie aufgebe, die von einigen als moralischer oder sozial verantwortlicher angesehen werde.1038 Auf diese Weise würde es einer kleinen Minderheit gelingen, eine von der ganz überwiegenden Mehrheit der Aktionäre bevorzugte Form der Gewinnmaximierung zu beenden. Gemessen an dem von Rule 14a-8 verfolgten Ziel, zu einer Stärkung der corporate democracy beizutragen, sei ein undemokratischeres Ergebnis schlechthin nicht vorstellbar.1039 Auch diese Argumentation hält einer kritischen Überprüfung nicht stand. Sie beruht auf mehreren Missverständnissen: Ein erstes Missverständnis unterläuft den Kritikern bereits beim Vorwurf der Erfolglosigkeit nachhaltigkeitsorientierter Anträge in Aktionärsabstimmungen.1040 Der Begriff des Erfolgs wird von ihnen respektieren, wenn sie aus der Sicht bestimmter wirtschaftswissenschaftlicher Theorien nicht rational erscheinen.“ 1036 Vgl. Natural Resources Defense Council, Inc. v. SEC, 389 F. Supp 689, 700 (D.D.C. 1974): „There are many so-called ,ethical investors‘ in this country who want to invest their assets in firms which are concerned about the acting on environmental problems of the nation. This attitude may be based purely upon a concern for the environment, but it may also proceed from the recognition that awareness of and sensitivity to environmental problems is the mark of intelligent management. Whatever their motive, this court is not prepared to say that they are not rational investors and that the information they seek is not material information within the meaning of the securities laws.“ 1037 Liebeler, 18 Geo. L. Rev. 425, 426 (1984). 1038 Vgl. Easterbrook/Fischel, Corporate Law, S. 85. 1039 So Fischel, 35 Va. L. Rev. 1259, 1279 (1982); Easterbrook/Fischel, Corporate Law, S. 85 f. Davon abweichend betont ein Teil der Kritiker, dass Aktionärsanträge nur selten zu der gewünschten Änderung führen, vgl. Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 1983 (1992). Diese Einschätzung entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Tatsächlich gelangt eine Vielzahl von Aktionärsanträgen gar nicht zur Abstimmung, weil bereits im Vorfeld eine Einigung zwischen Antragsteller und Unternehmensleitung erzielt worden ist. Vgl. dazu bereits § 6 E. I. 5. a). 1040 Angesichts der Tatsache, dass Aktionärsanträge zu sozialen und ökologischen Themen in den vergangenen Jahren Zustimmungsquoten erzielt haben, die in den

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

offenbar rein arithmetisch gedeutet. Ein Aktionärsantrag wäre danach erfolgreich, wenn er eine mehr als 50 %ige Zustimmung aus dem Kreise der Aktionäre erfährt, weil er dann von einer Mehrheit gestützt wird. Ein solcher rein arithmetisch verstandener Erfolgsbegriff nützt den Aktionären indes wenig. Denn die weitaus meisten Aktionärsanträge beschränken sich auf Empfehlungen an den Board of Directors und enthalten keine verpflichtenden Anweisungen. In der Beurteilung des Antrags ist der Board weitestgehend frei. Er ist selbst dann nicht zur Umsetzung verpflichtet, wenn dies von einer Mehrheit der Aktionäre gewünscht wird. Vielmehr bleibt er dem Interesse der Gesellschaft (best interest of the company)1041 verpflichtet und trifft eine eigenständige Entscheidung zur (Nicht-)Umsetzung des Antrags, deren gerichtliche Überprüfbarkeit durch die business judgement rule eingeschränkt ist. Bei der Konkretisierung des Erfolgsbegriffs kann es deshalb ersichtlich nicht darum gehen, auf das Vorliegen einer Mehrheitsentscheidung abzustellen.1042 Entscheidend ist vielmehr die von den Abstimmungsergebnissen ausgehende Signal- und Druckwirkung: Die Ergebnisse informieren den Board einerseits über eventuell vorhandene Erwartungshaltungen im Kreis der Aktionäre und sie setzen ihn andererseits unter Rechtfertigungsdruck, falls seine Entscheidung in einem allzu offensichtlichen Widerspruch zum Votum der Aktionäre stehen sollte. Mit den vorangegangenen Ausführungen erhellt sich auch ein weiteres Missverständnis: Weil der Board an das Aktionärsvotum nicht gebunden ist und jedenfalls rechtlich nicht zur Umsetzung des Antrags gezwungen werden kann, ist es irreführend, einer Dominanz der Aktionärsminderheit über die Mehrheit das Wort zu reden. Die Entscheidung über das Ob und Wie einer Umsetzung des Antrags fällt in die alleinige Zuständigkeit des Board. Nicht das Bestehen des Aktionärsantragsrechts und seiner bundesrechtlichen Absicherung führt zu „undemokratischen Ergebnissen“, vielmehr würde ihr Fehlen die Kommunikation zwischen den Aktionären und die Konsultationsmöglichkeiten der Aktionäre mit der Geschäftsleitung erschweren und damit einen „demokratischen“ Meinungsaustausch verhindern. Der Vorwurf der Minderheitsdominanz gerät schließlich gänzlich ins Wanken, wenn man die Handlungsoptionen derjenigen Aktionäre betrachtet, die der Umsetzung eines Aktionärsantrags durch den Board nicht zustimmen. Diese sind dem Tun der Unternehmensleitung mitnichten hilflos ausgesetzt; vielmehr steht ihnen die Möglichkeit offen, ihre Aktien zu verkaufen. Bemerkenswerterweise bleibt das Druckmittel einer solchen „Abstimmung mit den Füßen“ von den Kritikern unerwähnt, obwohl es gerade sie sind, die die disziplinierende Wirkung des 1970er und 1980er Jahren gänzlich undenkbar schienen (vgl. § 6 E. I. 5. c)), erscheint fraglich, ob diese Kritik heute wiederholt werden würde. 1041 Vgl. dazu § 7 C. I. 1. 1042 So schon früh Freeman, 34 U. Det. L. J. 549, 555 (1957); siehe auch Schulman, 40 Geo. Wash. L. Rev. 1, 34 (1971); Ryan, 23 Geo. L. Rev. 97, 111 f. (1988).

§ 9 Kritische Einwände gegen die shareholder proposal rule

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Kapitalmarkts betonen und die wahre Aktionärsdemokratie auf dem Kapitalmarkt (und nicht in den Hauptversammlungen) verorten.1043 Die konsequente Anwendung des Gedankens der verhaltenssteuernden Funktion des Marktes für Unternehmenskontrolle (market for corporate control) müsste aber auch hier dazu führen, dass das Management den Mehrheitswillen aus Rücksicht auf mögliche Übernahmegefahren berücksichtigt und von einer Umsetzung des Aktionärsantrags Abstand nimmt.

D. Usurpation des marktlichen Steuerungsmechanismus Damit ist bereits ein weiterer Kritikpunkt benannt, der seitens der Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts gegen das Aktionärsantragsrecht vorgebracht wird: Aktionärsanträge minderten die Steuerungseffektivität des Kapitalmarks und seien deshalb eine unzulässige Form der Beeinflussung der Unternehmensleitung. Die Interessendurchsetzung des Aktionärs müsse am Kapitalmarkt erfolgen, wo sinkende oder steigende Aktienkurse als Resonanzboden für Managemententscheidungen fungieren würden.1044 Dieser Betonung der Exit-Steuerung liegt ersichtlich der Gedanke effizienter Kapitalmärkte zugrunde, der 1970 von Fama formuliert wurde (efficient market hypothesis).1045 Es soll an dieser Stelle dahinstehen, ob die Preisbildung an Kapitalmärkten mit diesem Modell zutreffend umschrieben wird. Hier soll es genügen, noch einmal auf den bereits an anderer Stelle erwähnten1046 beschränkten Wirkungsgrad der Exit-Steuerung hinzuweisen. Es ist auch bereits dargelegt worden, dass eine Desinvestition für bestimmte institutionelle Anleger aufgrund ihres Investitionsvolumens unwirtschaftlich sein kann und von diesen die Geltendmachung von Aktionärsrechten als effizienteres Mittel der Interessendurchsetzung vorgezogen wird. Anders als von den Kritikern der Aktionärsanträge propagiert, schließen sich die Mechanismen Widerspruch und Abwanderung weder gegenseitig aus noch substituieren sie sich. Vielmehr sind sie einander ergänzende Instrumente für die Wahrung der Position des Aktionärs und der damit einhergehenden Kontrolle börsennotierter Aktiengesellschaften.1047 Das zeigt sich besonders an dem von einer Vielzahl der 1043 Siehe nur Easterbrook/Fischel, 94 Harv. L. Rev. 1161, 1169 ff. (1981); Fischel, 35 Va. L. Rev. 1259, 1280 (1982); Fischel, 57 Tex. L. Rev. 1, 9 (1978). 1044 Liebeler, 18 Geo. L. Rev. 425, 448 ff. (1984); Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 1996 f. (1992). 1045 Fama, 25 J. Fin. 383 (1970); krit. unter dem Eindruck der Finanzkrise allerdings Richard Posner im Fall Jones v. Harris Assocs. L.P., 537 F.3d 728, 730 (7th Cir. Ill., 2008), 129 S.Ct. 1579 (2009); Seibert, DB 2009, 1167, 1171: „Die Kontrolle durch Kapitalmärkte bei Unternehmen im Streubesitz hat eben doch nicht so funktioniert, wie manche ökonomische Theorie sich das gedacht hat.“; pointiert auch Luttermann, ZRP 2010, 1, 2 ff. 1046 Siehe dazu § 3 C. 1047 Kalss, Anlegerinteressen, S. 341 f. m.w. N. aus dem deutschen Schrifttum.

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

Aktionärsanträge verfolgten Ziel, Informationen zu sozial-ökologischen Aspekten und Folgewirkungen der Geschäftstätigkeit zu generieren. Eine Desinvestition führt hier kaum dazu, an die fraglichen Informationen zu gelangen. Der Aktionär ist vielmehr auf die Geltendmachung des Antragsrechts angewiesen, um mit den gegebenenfalls erlangten Informationen über einen Verbleib in der Gesellschaft entscheiden zu können. So gewendet stellen Aktionärsanträge keinen marktwidrigen Mechanismus dar, der die Steuerungsfunktion des Marktes verfälschen würde. Vielmehr tragen sie gerade zu einer Stärkung des Marktprozesses bei, indem die erzeugten Informationen helfen, Informationsasymmetrien zu reduzieren.1048

E. Aktionärsaktivisten als kostenverursachende Trittbrettfahrer Ein letzter Kritikpunkt betrifft schließlich die im Antragsprozess entstehenden Kosten, die angesichts der Erfolglosigkeit der Anträge nicht gerechtfertigt seien.1049 Angesichts der niedrigen Zulässigkeitshürden, die ein Aktionärsantrag überwinden müsse, und der Tatsache, dass die Kosten des Drucks und der Versendung von den Gesellschaften getragen werden müssen, bestehe für Aktionäre der Anreiz, als Trittbrettfahrer auf die proxy materials der Gesellschaft aufzuspringen.1050 Zum Umfang der entstehenden Kosten war allerdings schon in der Vergangenheit kein wissenschaftlich belastbares Zahlenmaterial verfügbar. Häufig wurde deshalb auf Zahlen zurückgegriffen, die von einigen wenigen Unternehmen selbst verlautbart wurden. So bezifferte etwa die AT&T Inc. 1976 die dem Unternehmen durch den Druck und die Versendung eines Antrags entstehenden Mehrkosten auf 22.540 $, die IBM Inc. schätzte die Kosten 1983 auf 15.000 $.1051 Diese Daten sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, da sie von Seiten der Unternehmen im Verlauf der (hitzigen) Debatten zu zwei Novellierungsverfahren der Rule 14a-8 geäußert wurden, so dass ihre Stichhaltigkeit nicht endgültig geklärt werden kann. Unabhängig von der Bewertung des Nutzens gemeinwohlorientierter Aktionärsanträge hat das Kostenargument mittlerweile deutlich an Schlagkraft verloren. Im Sommer 2007 verabschiedete die SEC sog. e-proxy rules, die ab der Hauptversammlungssaison 2008 bzw. 2009 die Veröffentlichung der proxy mate-

1048

Auch hierzu bereits § 3 D. III. Vgl. Dent, 30 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1, 31 f. (1985); Fischel, 35 Va. L. Rev. 1259, 1279 (1982); Liebeler, 18 Geo. L. Rev. 425, 454 f. (1984); Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 1995 f. (1992). 1050 Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 1995 (1992). 1051 Vgl. Dent, 30 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1, 14 (1985); Welter, 60 Geo. Wash. L. Rev. 1980, 1996 (1992). 1049

Zusammenfassende Gesamtbetrachtung

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rials im Internet vorschreiben.1052 Seitdem sind die Gesellschaften gemäß Rule 14a-16 verpflichtet, ihren Aktionären eine schriftliche Nachricht zukommen zu lassen, die sie über die Verfügbarkeit der Vollmachtsunterlagen im Internet informiert und ihnen das Recht einräumt, die proxy materials auf herkömmliche Weise in gedruckter Form zu erlangen. Somit ist die Internetveröffentlichung nunmehr als gesetzlicher Regelfall vorgesehen. Angesichts der Verbreitung des Internets in den USA – schon im Jahr 2004 hatten bereits annähernd 75 % der US-Bürger Netzzugang in ihren Wohnungen1053 – wird die physische Übermittlung der Vollmachtsunterlagen zukünftig nicht nur der gesetzliche, sondern auch der tatsächliche Ausnahmefall bleiben, wodurch die Kosten der Verbreitung der Aktionärsanträge signifikant sinken werden.

Zusammenfassende Gesamtbetrachtung „Das Aktienrecht“, so wurde vor mehr als 40 Jahren festgestellt, war „seit jeher in besonderem Maße Spielball der jeweiligen politischen Strömungen und Tummelplatz ihrer lauten tagespolitischen Argumente“.1054 Dass diese These nicht nur für das deutsche Aktienrecht, sondern auch für das US-amerikanische Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Geltung beanspruchen kann, lässt sich anhand der Entwicklung der shareholder proposal rule in hervorragender Weise nachzeichnen. In ihrer 70jährigen Geschichte hat die das Aktionärsantragsrecht ausgestaltende Rule 14a-8 in nicht weniger als zehn Reformen fundamentale Änderungen erfahren, die überwiegend durch die politischen Vorstellungen der SEC-Kommissare zur Rolle des Kleinaktionärs in der börsennotierten Aktiengesellschaft und zur Legitimität des Konzepts der sozial-ökologischen Unternehmensverantwortung motiviert waren. Die zahlreichen Novellierungen machen das Verständnis des heute geltenden Rechts außerordentlich schwierig. Die gegenwärtige Fassung der shareholder proposal rule gleicht einem Mosaik, das verschiedene Einzelregelungen früherer Reformen in sich aufnimmt. Die Kenntnis der Evolution der Rule 14a-8 sowie der Hintergründe der Reformen ist deshalb für das Verständnis der heutigen Praxis unerlässlich. Allerdings hat die Untersuchung in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt, dass die Antragsteller und die von Aktionärsanträgen betroffenen Unternehmen auch bei genauer Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen nicht vor Überraschungen gefeit sind. Unangekündigte Richtungswechsel bei der Auslegung von Ausnahmetatbeständen der Rule 14a-8 waren in der Vergangenheit keine Seltenheit. Die Unsicherheit im Umgang mit dem Aktionärsantragsrecht wird zusätzlich noch dadurch verstärkt, 1052 SEC Rel. No. 34-56135, Shareholder Choice Regarding Proxy Materials, 72 Fed. Reg. 42,222 (Aug. 1, 2007). Ausf. dazu Brimer, 58. Ala. L. Rev. 179 ff. (2006). 1053 Vgl. die bei Brimer, 58 Ala. L. Rev. 179 (2006) zitierte Studie. 1054 Dippel, JZ 1965, 215; Jagenburg, AG 1965, 156.

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2. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA

dass die SEC ihre Stellungnahmen im no-action process regelmäßig nicht begründet. Für den ohne juristischen Beistand agierenden Kleinaktionär bildet die ungeheure Fülle von Einzelfallentscheidungen eine erhebliche Hürde, um die Zulässigkeit seines Antrags rechtssicher einschätzen zu können. Auf die Hilfe der Gerichte kann er bei der Durchsetzung seines Anspruchs auf Antragsveröffentlichung aufgrund des theoretisch umfangreichen, praktisch aber wenig effektiven Rechtsschutzsystems nicht vertrauen. Die bedeutendste Hürde für ein nachhaltigkeitsorientiertes Aktionärsengagement besteht indes weder in der Handhabung der shareholder proposal rule durch die SEC noch im defizitären Rechtsschutzsystem, sondern liegt in Rule 14a-8 selbst begründet. Denn obwohl die Norm sozial-ökologischen Aktionärsanträgen gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt ist – erinnert sei nur an die Dogmatik zu Rule 14a-8 (i)(5) und (7)) – erlaubt sie (jenseits von Anträgen zur Änderung der Bylaws) nur unverbindliche Empfehlungen ohne zwingenden Handlungsauftrag. Die rechtliche Effektivität nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagements wird dadurch erheblich geschmälert. Dass US-amerikanische Aktionärsaktivisten mit ihren Anträgen dennoch häufig erfolgreich für ihre Anliegen werben können, ist deshalb im Wesentlichen auf außerrechtliche Gründe zurückzuführen. Neben der langen Tradition des sozial-ökologischen Aktionärsaktivismus und einer gewissen Pfadabhängigkeit der Unternehmen im Umgang mit Aktionärsanträgen sind dabei in erster Linie die Legitimität der adressierten Themen sowie die Meinungsmacht der Antragsteller im öffentlichen Diskurs ausschlaggebend. Gerade der letzte Punkt zeigt allerdings, dass das Aktionärsantragsrecht in den Händen des privaten Kleinaktionärs praktisch wertlos ist, da er kaum fähig sein wird, die Gesellschaft trotz des unverbindlichen Charakters seines Antrags zur Umsetzung seiner Handlungsempfehlung anzuhalten. Die rechtliche Ineffektivität des Aktionärsantragsrechts wird deshalb nur bei Anträgen von (institutionellen) Anlegern mit nennenswertem Anteilsbesitz und Nichtregierungsorganisationen mit entsprechender Kampagnenmacht kompensiert.

3. Kapitel

Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland Die Ausübung von Aktionärsrechten zur Thematisierung sozialer oder ökologischer Anliegen ist kein rein US-amerikanisches Phänomen. Auch in Deutschland gehört diese Form des Aktionärsengagements seit etwa 40 Jahren zur gängigen Hauptversammlungspraxis zahlreicher Publikumsaktiengesellschaften. Die Entwicklung in den USA und in Deutschland ist freilich nur im Ansatz vergleichbar, da die Entwicklung hierzulande eine gänzlich andere Richtung eingeschlagen hat als im Mutterland des gesellschaftspolitischen Aktionärsengagements (vgl. unten § 10 A.–F.). Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus stellt in Deutschland noch immer eine Randerscheinung dar. Verbreitung und Professionalisierungsgrad bleiben weit hinter dem US-amerikanischen Vorbild zurück. Angesichts dieses Entwicklungsrückstands soll deshalb auch der Frage nachgegangen werden, welche Perspektiven nachhaltigkeitsorientiertes Aktionärsengagement in Deutschland hat (vgl. unten § 10 G.). Im Gegensatz zu den USA beschränken sich aktive Aktionäre in den Hauptversammlungen deutscher Aktiengesellschaften nicht auf ein Aktionärsrecht, sondern üben sowohl das Gegenantrags-, das Auskunfts- als auch das Rederecht aus, um ihre Anliegen vorzutragen. Das Hauptaugenmerk der Darstellung soll daher auf der Frage liegen, inwieweit die genannten Rechte nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivismus ermöglichen und inwiefern sich diese Rechte als Instrumente zur Erzeugung und Distribution sozial-ökologischer Unternehmensinformationen eignen (vgl. unten § 11).

§ 10 Historischer Überblick zur Entwicklung und zukünftige Perspektiven des sozial-ökologischen Aktionärsengagements in Deutschland A. Zur deutschen Hauptversammlungswirklichkeit der 1930er bis 1960er Jahre Beim Blick in die Geschichte des deutschen Aktionärsaktivismus empfiehlt es sich, zunächst bis in die Anfangsphase des US-amerikanischen Pendants zurückzugehen, so dass Parallelen und Unterschiede deutlicher sichtbar werden. Dabei

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

fällt sogleich auf, dass sich im Deutschen Reich und in den ersten Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs kein Berufsopponentenwesen herausgebildet hat, das dem amerikanischen ebenbürtig gewesen wäre. Planmäßige Aktionärsoppositionen waren in der deutschen Hauptversammlungslandschaft im Zeitraum von 1930 bis etwa 1955 weithin unbekannt.1 Erst ab Mitte der 1950er Jahre, also mehr als 20 Jahre nach dem Aufkommen des Aktionärsaktivismus in den Vereinigten Staaten, traten Opponenten planmäßig auf Hauptversammlungen auf und waren Ansätze einer Organisation der Kleinaktionäre erkennbar. I. Frühformen der Hauptversammlungsopposition Eine Vorreiterrolle als Hauptversammlungsopponent nahm dabei der Darmstädter Kohlenhändler Erich Nold ein, der auf zahlreichen Aktionärstreffen vor allem von seinem Auskunftsrecht exzessiven Gebrauch machte und die Verwaltungen in scharfem Ton anging.2 Thematisch konzentrierte sich Nold ähnlich wie die Gebrüder Gilbert in den USA auf rein wirtschaftliche Aspekte der Unternehmensführung: Er kritisierte die Höhe von Vorstandsgehältern und Dividenden, den Umfang der Rücklagen und Kursmanipulationen zugunsten von Großaktionären.3 Doch anders als jenseits des Atlantiks wurde die Entstehung einer Aktionärsopposition in Deutschland seitens der Presse äußerst kritisch aufgenommen. Der „Noldismus im Aktienwesen“ 4 wurde als Gefahr für die bundesrepublikanische Wirtschaftsordnung angesehen und Erinnerungen an das Jahr 1932 wachgerufen, als „mit legalen Mitteln eine demokratische Institution lahmgelegt wurde und [. . .] ein gewisses Bürgertum die Auffassung vertrat, daß die politischen Agitatoren zwar etwas ungeschickt aufträten, aber doch sehr richtige Gedanken hätten.“ 5 Selbst aus dem Kreise der Aktionäre wurde auf den Hauptversammlungen Unmut über das Auftreten Nolds geäußert.6 Neben Nold traten in der Folgezeit weitere Berufsopponenten auf, namentlich der alsbald als „Hauptversammlungs-

1 Eine gewerbsmäßige Ausübung des Anfechtungsrechts lässt sich allerdings schon in den 1920er Jahren feststellen, vgl. Baums, Anfechtung, S. 84 f. sowie die legendäre Entscheidung des Reichsgerichts RGZ 146, 385, nach der eine an sich begründete Anfechtungsklage abzuweisen sei, wenn die Erhebung der Klage eine unzulässige Rechtsausübung darstelle. 2 Ausf. zum Wirken Nolds Schanetzky, Akkumulation 26/2008, 1 ff. sowie o.A., „Thyssen-Opposition fand hinterher statt“, Die Zeit Nr. 19/1958, S. 12 (Fragekatalog von 65 Fragen auf der Hauptversammlung der Thyssen AG); o.A., „Sechs Stunden Außenhandelskunde“, Die Zeit Nr. 26/1958, S. 17 (Fragekatalog von ebenfalls 65 Fragen bei der Schering AG); o.A., „Ein etwas kostspieliges ,Recht‘“, Die Zeit Nr. 14/1959, S. 19. 3 O.A., „Nold vor die Tür gesetzt“, Die Zeit Nr. 43/1961, S. 24. 4 So der Titel eines Beitrags in Die Zeit Nr. 30/1957, S. 21. 5 O.A., „Ein Wort zum Noldismus“, Die Zeit Nr. 51/1957, S. 20. 6 Vgl. o.A., „Nolds Anzeige ohne Erfolg“, Die Zeit Nr. 9/1963, S. 21.

§ 10 Zukünftige Perspektiven des sozial-ökologischen Aktionärsengagements 327

schreck“ 7 und „HV-Wanderredner“ 8 bekannte Kurt Fiebig, der häufig die Kritik an der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat in das Zentrum seiner Reden und Fragen stellte und dafür große Zustimmung von seinen Mitaktionären erhielt.9 Außerdem waren ab dem Ende der 1950er Jahre Ansätze einer zunehmenden Organisation der Kleinaktionäre erkennbar, die in der Gründung der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (1959) und der Interessengemeinschaft Freier Aktionäre10 (1964) ihren Ausdruck fand. Auch sie stellten auf den Aktionärstreffen zunehmend Fragen und übten die ihnen übertragenen Stimmrechte aus. Damit ergänzten sie die Aktivitäten der bereits 1947 ins Leben gerufenen Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.11 Die Aktivitäten der Berufsopponenten Nold und Fiebig und die Tendenzen zur Organisation der Kleinaktionäre dürfen freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die weitaus meisten deutschen Aktionärsversammlungen überraschungsarme und in ihrem Ablauf vorhersagbare Veranstaltungen waren, auf denen sich von Aktionärsseite kaum Widerstand formierte. Die Hauptversammlung der BMW AG vom Dezember 1959, auf der die Opposition einer Aktionärsminderheit zum Erfolg führte, stellte hierbei einen interessanten, aber in der Gesamtschau vernachlässigbaren Einzelfall dar.12 Denn im Übrigen waren einstimmig gefasste Beschlüsse keine Seltenheit.13 Fragen wurden nur vereinzelt an den Vorstand gerichtet und oftmals wurden die gestellten Fragen nicht oder nur unvollständig beantwortet.14 Wie auch in den USA war das Hauptversammlungsklima von einem autoritären Stil der Verwaltung gegenüber den Aktionären geprägt15, der angesichts der gegenwärtigen Praxis, in der Hauptversammlungen vom Vorstand zunehmend als Werbeereignisse inszeniert und von einer kritischen Medienöffentlichkeit begleitet werden, nur schwer vorstellbar ist. Die Gründe für die zeitlich verzögerte und in der Intensität schwächer ausgeprägte Herausbildung eines kritischen Aktionärsengagements in Deutschland sind vielschichtig und hauptsächlich im außerrechtlichen, aber auch im rechtlichen Bereich zu suchen. 7

Frenkel, Rainer, „Golfstrom aus Wolfsburg“, Die Zeit Nr. 51/1974, S. 33. Bößenecker, Hermann, „Kuttner und seine Spezis“, Die Zeit Nr. 30/1973, S. 29. 9 O.A., „Manager auf der Anklagebank“, Die Zeit Nr. 35/1968, S. 20. 10 Hierzu o.A., „Einigkeit macht stärker“, Die Zeit Nr. 51/1964, S. 40. 11 Dazu Wiethölter, Interessen, S. 321 m.w. N. 12 Zur dieser Hauptversammlung ausf. Knoll, VSWG 1995, 478. 13 Wiethölter, Interessen, S. 317 m.w. N.; Roth, Treuhandmodell, S. 188: „Die Beschlussfassung sinkt zum bloßen Akklamationsakt.“ 14 Vgl. Georg Hauck & Sohn Bankiers, AG 1971, 307. 15 Der „autoritäre Stil“ der Hauptversammlungen wurde auch im Börsenbericht von Georg Hauck & Sohn Bankiers, AG 1971, 307 betont. Vgl. zudem Fiebig, RuG 1972, 241, 241 f.; Frizen, DB 1981, 277, 278 f. m.w. N.; Schade, Heinz C., „Der Kleinaktionär hat nicht viel zu melden“, Die Zeit Nr. 48/1970, S. 60: „Höflicher Spott von oben herab“ sowie die Darstellung bei Schanetzky, Akkumulation 26/2008, 1 ff. 8

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

II. Zivilgesellschaftliche Rahmenbedingungen Die zeitliche Verzögerung ist in erster Linie auf äußere Umstände zurückzuführen. So dürfte der oppositionsfeindliche Zeitgeist des Dritten Reiches erheblichen Einfluss auf die Hauptversammlungskultur gehabt haben. Zwar hatte es bereits seit den 1920er Jahren vereinzelt Auseinandersetzungen zwischen Kleinaktionären, die hohe Dividenden verlangten, und Verwaltungen, die Wert auf die Selbstfinanzierung des Unternehmens legten, gegeben. Doch blieben diese Vorkommnisse die Ausnahme und in ihrer Intensität weit hinter dem Engagement Nolds zurück.16 Erhebliche Auswirkungen hatte auch die radikale Veränderung der Lebenswirklichkeit vieler Kleinaktionäre, die der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges mit sich brachte. Mit zunehmender Kriegsdauer war ein geordnetes Hauptversammlungswesen immer weniger aufrecht zu erhalten. Unmittelbar nach Kriegsende stand demgegenüber für viele zunächst die Sicherung des nackten Überlebens im Vordergrund. Es galt zunächst die Gemeinschaftsaufgabe des wirtschaftlichen Wiederaufbaus zu bewältigen.17 Zugleich schuf die Kultur des auf äußerste Diskretion bedachten industriellen Milieus der Nachkriegszeit aber einen geeigneten Nährboden für öffentlichkeitswirksame Aktionen einzelner Aktionäre.18 III. Unterentwicklung des deutschen Kapitalmarkts Nicht nur die zeitliche Verzögerung, sondern auch die geringere Intensität des Aktionärsengagements wurde maßgeblich durch außerrechtliche Faktoren bestimmt. Hervorzuheben ist hierbei neben der geringeren Bevölkerungszahl vor allem die geringe Tiefe des deutschen Kapitalmarkts nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Anders als in den USA hatte sich in Deutschland keine echte, von breiten Bevölkerungsschichten getragene Aktienkultur herausbilden können. Die Mehrheit der Deutschen bevorzugte sichere Spareinlagen und den Erwerb von Eigenheimen, eine Investition in Aktien wurde hingegen mit Skepsis betrachtet.19 Die mangelnde Attraktivität der Aktienanlage ließ sich allerdings nicht allein auf soziologische, sondern auch auf rechtliche Gründe zurückführen. Denn das AktG 1937 ermöglichte der Verwaltung durch die Bildung offener und stiller Rücklagen eine äußerst restriktive Ausschüttungspolitik.20 Die Anreize zu großzügig bemessenen Ausschüttungen an die Aktionäre waren demgegenüber gering,

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Vgl. Schanetzky, Akkumulation 26/2008, 1, 2. Anschaulich zur wirtschaftlichen Situation der Nachkriegszeit Kropff, Reformbestrebungen, Rn. 1 ff. (S. 682 ff.). 18 Schanetzky, Akkumulation 26/2008, 1, 2. 19 Vgl. ausf. Assmann, in: Großkomm. AktG, Einl Rn. 174; Habersack, AG 2009, 1, 2. 20 Kropff, Reformbestrebungen, Rn. 10 (S. 685), Rn. 64 ff. (S. 701 ff.). 17

§ 10 Zukünftige Perspektiven des sozial-ökologischen Aktionärsengagements 329

da die Unternehmen ihren Kapitalbedarf im Wege der Selbstfinanzierung decken konnten.21 Und schließlich blieb die Nachfrage nach Aktien auch deshalb gering, weil die Alterssicherung in Deutschland anders als in den USA durch die gesetzliche Rentenversicherung gewährleistet wurde.22 Diese Ausgangssituation änderte sich auch nach den Privatisierungen der Staatsunternehmen Preussag (1959), Volkswagen (1960) und VEBA (1965) und der damit verbundenen Ausgabe sog. Volksaktien23 nicht merklich. Die „Krise der AG“ 24 in ihrer Kapitalsammel- und Kapitalanlagefunktion war evident. IV. Ausgestaltung der Individualrechte des Aktionärs im AktG 1937 Neben den bereits genannten Umständen trugen auch die aktiengesetzlichen Rahmenbedingungen dazu bei, dass die deutsche Hauptversammlungslandschaft keinen vergleichbaren Aufschwung aktiven Aktionärsverhaltens erlebte. Denn während der US-amerikanische Bundesgesetzgeber in den 1930er Jahren eine Stärkung der Aktionärsrechte durchsetzte und dabei der „Fata Morgana einer Revitalisierung des Stimmrechts des Kleinaktionärs“ nachjagte25, manifestierte sich im Deutschen Reich mit dem Aktiengesetz von 193726 eine gegenläufige Entwicklung. Die Hauptversammlung wurde im Zuge dieser Aktienrechtsreform als oberstes Organ der Aktiengesellschaft weitgehend entmachtet und eine Erweiterung der Kompetenzen des Vorstands verankert.27 Doch war es weniger diese Neuordnung der Zuständigkeiten, die bemerkenswert war, da damit letztlich nur die Verrechtlichung einer faktisch schon seit Jahrzehnten bestehenden Situation bewirkt wurde und eine Hauptversammlungswirklichkeit gesetzlich anerkannt wurde, der sich die aktienrechtliche Kompetenzordnung des HGB noch verweigert hatte. Schwerer wog vielmehr die konkrete Ausgestaltung der als Kompensation zu den verloren gegangenen Zuständigkeiten gewährten individuellen Kontrollrechte der Aktionäre, die sich dämpfend auf ein mögliches Engagement in bzw. im Vorfeld der Hauptversammlung auswirkten. So war dem Aktiengesetz eine der shareholder proposal rule vergleichbare Veröffentlichungspflicht für Aktionärsanträge unbekannt. Das kodifizierte Recht traf auch keine Aussagen zu einem Gegenantragsrecht der Aktionäre.28 Die Konturen eines solchen Rechts, 21 Vgl. Kropff, Reformbestrebungen, Rn. 6 ff. (S. 684), der in diesem Zusammenhang von einem „Versagen des Kapitalmarkts“ spricht. 22 Vgl. Riedel/Schneeweiß, Aktives Aktionärstum, S. 12; Siems, Konvergenz, S. 365. 23 Vgl. zur Volksaktienpolitik der Bundesregierung in den 1950er Jahren die ausf. Nachweise bei Wiethölter, Interessen, S. 316 Fn. 9. 24 Kübler, AG 1981, 5. 25 So Roth, Festschrift Paulick, S. 81, 98. 26 Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 30.01.1937, RGBl. I, 107. 27 Vgl. nur Bayer/Engelke, Revision des Aktienrechts, Rn. 79 (S. 652). 28 Näher dazu noch § 11 A. III.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

das zeitgenössische Darstellungen mit der Bezeichnung „Oppositionsrecht“ versahen, wurden in der Literatur erst nach und nach herausgearbeitet.29 Auch das Auskunftsrecht des einzelnen Aktionärs, das von Geßler zutreffend als neuralgischer Punkt der Rechtsstellung des Aktionärs in großen börsennotierten Aktiengesellschaften verstanden wurde30, war im Vergleich zur gegenwärtigen Rechtslage nur schwach ausgeprägt. Zwar war es als Fortschritt zu bewerten, dass mit dem AktG 1937 überhaupt ein individuelles Auskunftsrecht des Aktionärs eingeführt wurde, nachdem das Aktienrecht des HGB ein solches noch unerwähnt ließ und das Reichsgericht die Herausbildung eines richterrechtlich entwickelten Individualauskunftsrechts strikt abgelehnt hatte.31 Auch war das neu eingeführte Auskunftsrecht tatbestandlich denkbar weit gefasst, denn nach § 112 Abs. 1 Satz 1 AktG 1937 war jedem Aktionär „Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, die mit dem Gegenstand der Verhandlung in Zusammenhang“ standen. Dem Vorstand wurde jedoch durch § 112 Abs. 3 AktG 1937 ein weiter Spielraum bei der Ablehnung von Auskunftsbegehren gewährt, der nicht selten vollständig ausgeschöpft wurde. Danach konnte die Auskunft verweigert werden, wenn „überwiegende Belange der Gesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens oder der gemeine Nutzen von Volk und Reich“ es forderten, wobei der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hatte, ob diese Voraussetzungen vorlagen. Die Ermessensentscheidung des Vorstands war dabei gerichtlich nicht überprüfbar32, was zur Folge hatte, dass er als Richter in eigener Sache entschied.33

B. Die Kampagne gegen den Bau des Cabora Bassa-Staudamms Aufgrund dieser faktischen und rechtlichen Ausgangslange war das Phänomen des gesellschaftspolitischen Aktionärsaktivismus in der deutschen Hauptversammlungspraxis bis zum Anfang der 1970er Jahre gänzlich unbekannt. Im Gegensatz zur Aktivistenbewegung in den USA, die sich bereits seit 1967 auf einer 29 Vgl. nur Westrick, BB 1958, 395; Sichtermann, BB 1960, 458; vgl. dazu noch ausf. § 11 A. III. 30 Vgl. Geßler, AG 1965, 343, 346: „Nicht danach dürfen wir die Stellung des Aktionärs beurteilen, welche Rechte im engeren Sinn er hat, ob er die Bilanz feststellt, über die Gewinnverwendung ganz oder nur teilweise beschließt, welche Minderheitsrechte ihm zustehen, sondern danach, welche Informationen ihm gegeben werden müssen, wie es um sein Auskunftsrecht bestellt ist. Im Zeitalter des Massenkapitalismus können dem einzelnen Aktionär nicht Mitbestimmungsrechte, sondern nur Informationsrechte gegeben werden.“ 31 RGZ 82, 182, 187; RGZ 105, 40 ff.; RG DJZ 1924, Sp. 317; vgl. dazu Casper, Informationsrechte, Rn. 11 (S. 554). 32 Vgl. nur Schlegelberger/Quassowski, AktG, § 112 Anm. 9. 33 Kropff (Hrsg.), AktG, S. 186, 188 f.

§ 10 Zukünftige Perspektiven des sozial-ökologischen Aktionärsengagements 331

breiten Basis von Verbraucherschützern, Bürgerrechtlern, Friedensaktivisten, Studentengruppen und religiösen Gruppen entwickelte34, war das Aufkommen des gesellschaftspolitischen Aktionärsengagements in Deutschland personell und thematisch eng mit der Studentenbewegung verknüpft. Das Aufbegehren von Teilen der Studentenschaft gegen verkrustete Strukturen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft legte den Nährboden für die Verlagerung politischer Debatten in die Aktionärszusammenkünfte.35 Diese Entwicklung trat in Deutschland allerdings mit einer deutlichen zeitlichen Verzögerung ein. Erst im Verlauf der Hauptversammlungssaison des Jahres 1971 war eine Politisierung einzelner Aktionärsversammlungen deutscher Publikumsaktiengesellschaften zu beobachten. Thematisch war das politische Aufbegehren einzelner Aktionäre zunächst auf den Bau des Cabora Bassa-Staudamms im damals noch unter portugiesischer Kolonialherrschaft stehenden Mocambique beschränkt. Portugal erhoffte sich von diesem Bauvorhaben unter anderem die Ansiedlung von bis zu einer Million weißer Siedler im Gebiet des Staudamms36, weshalb das Projekt von Kritikern als Sinnbild der Unfreiheit und Stütze des Kolonialismus in Schwarzafrika37 angesehen wurde. Der Bau wurde von einem internationalen Konsortium realisiert, an dem von deutscher Seite die Unternehmen AEG, BBC-Mannheim, Hochtief, Siemens und Voith beteiligt waren. Nachdem das Staudammprojekt infolge des Bonner Regierungswechsels 1969 zu einem heißen politischen Eisen38 geworden war – die neue Bundesregierung unter Willy Brandt hatte die Aufstockung einer Bundesbürgschaft abgelehnt – und Ende 1970 eine deutsche Boykottaktion gegen die am Bau beteiligten deutschen Gesellschaften initiiert wurde39, wurde im Frühjahr 1971 der Protest auch in die Hauptversammlungen der Siemens AG und der AEG AG getragen. Beim Aktionärstreffen der Siemens AG verteilten Mitglieder des „Deutschen Komitees für Angola, Guinea-Bissao und Mocambique“, die zuvor wenige Aktien der Gesellschaft als „Eintrittskarte“ zur Hauptversammlung erworben hatten, Flugblätter mit dem Titel „Blut und Leiden hängen an Ihrer Aktie“ und verliehen während der Versammlungen ihrem Protest lautstark (und unaufgefordert) Ausdruck. Der Redebeitrag des Wortführers der Kritiker konzentrierte sich auf die politische Dimension der Beteiligung der Gesellschaft am Bau des Staudamms, ging aber mit keinem Wort auf die – angesichts des anlaufenden Boykotts und der kritischen Haltung der Bundesregierung nahe liegenden – wirtschaftlichen Folgen eines Festhaltens an dem Projekt für die Siemens AG ein. Die von ihm gestellten Fragen waren meist rhetorischer Natur und

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Vgl. dazu schon § 6 C. I. Spremann, Aktionärsaktivismus, S. 6. Vgl. o.A., „Bonn erläutert Haltung zu Cabora Bassa“, Die Zeit Nr. 35/1970, S. 10. Bößenecker, Hermann, „Neue Herren“, Die Zeit Nr. 38/1974, S. 37. So Schreyögg/Steinmann, Legitimationsprobleme, S. 503, 513. Vgl. Schreyögg/Steinmann, Legitimationsprobleme, S. 503, 515.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

trugen wenig zur Erhellung bei.40 Der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG reagierte angesichts dieses rabiaten Auftritts und gewiss auch aufgrund mangelnder Erfahrungen in Fragen des (zu dieser Zeit noch unbekannten) Stakeholder-Managements kühl und zurückweisend.41 Wenig anders verlief die Hauptversammlung der AEG AG im Juni 1971: Auch hier wurden Flugblätter verteilt, die unter der Überschrift „Nachtrag zum Geschäftsbericht“ die Beteiligung der Gesellschaft am Bau des Staudammes kritisierten. Und wie schon in der Hauptversammlung der Siemens AG wurden an den Vorstand Fragen gestellt, die keinerlei Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft aufwiesen („Warum werden heute in Mocambique und Angola Hunderttausende von Afrikanern in bewachte Umerziehungs- und Konzentrationslager zwangsumgesiedelt?“), was aus dem Kreis der Mitaktionäre mit „Moskauer Spion!“- und „Raus!“-Rufen quittiert wurde. Der Protest der etwa 20 kritischen Aktionäre endete schließlich damit, dass ihr Wortführer von der Polizei zwangsweise aus dem Saal entfernt wurde.42 Ihren Höhepunkt erreichte die Kampagne gegen das Cabora Bassa-Staudammprojekt schließlich auf der Siemens-Hauptversammlung im März 1972.43 Bereits im Vorfeld waren insgesamt elf Gegenanträge angekündigt worden, die allesamt darauf abzielten, der Verwaltung angesichts der fortdauernden Beteiligung am Baukonsortium die Entlastung zu verweigern. Obwohl die Beteiligten des Konsortiums im Februar 1972 ihre Öffentlichkeitsarbeit aufeinander abgestimmt hat40 Schreyögg/Steinmann, Legitimationsprobleme, S. 503, 515 f.: „Bei dem wievielten getöteten deutschen Techniker werden Sie das Engagement in Cabora Bassa beenden?“ 41 „Es würde wirtschaftlichen, politischen und entwicklungspolitischen Schaden anrichten, wenn wir jetzt zurücktreten würden. Aber es würde noch etwas ganz anderes passieren: Die deutsche Industrie würde unglaubwürdig werden, uns es würde überhaupt niemand mehr einen Vertrag mit uns abschließen. Wir haben diesen Vertrag mit vollem Wissen der deutschen Bundesregierung abgeschlossen, sämtlicher Instanzen, und es ist unfair, nun unaufhörlich auf uns einzuprügeln, und dazu noch darf ich sagen: mit reichlich demagogischen Argumenten. [. . .] [E]s ist eine glatte Lüge, dass die Afrikaner gegen Cabora Bassa sind. Es ist nur eine kleine Gruppe. Und ich bin der Meinung, dass ein Siemens-Ingenieur, der an Cabora Bassa mitwirkt, für das, was Sie auch wollen, nämlich die Befreiung und die Entwicklung dieser Länder, einen sehr viel größeren Dienst erweist als die Ideologen, die hier dummes Zeug reden.“, Gerd Tacke, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, zit. bei Schreyögg/Steinmann, Legitimationsprobleme, S. 503, 516. 42 Vgl. insgesamt zu den Vorgängen auf der Hauptversammlung der AEG AG o.A., „Wild gebrüllt“, Der Spiegel Nr. 26/1971, S. 29 f. sowie Leclerque, Agitations-Aktionäre, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.07.1971, S. 17. 43 Ausf. dazu Schreyögg/Steinmann, Legitimationsprobleme, S. 503, 518; siehe auch Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23.05.1972, S. 13; Blick durch die Wirtschaft vom 03.05.1972, S. 5; Blick durch die Wirtschaft vom 05.05.1972, S. 5; Blick durch die Wirtschaft vom 25.05.1972, S. 3; vgl. weiterhin den polarisierenden Beitrag in der Schweizerischen Handelszeitung vom 15.06.1972, abgedruckt in AG 1972, 223, wo unter der Überschrift „Störaktionen linker Gruppen in unseren [sic!] Hauptversammlungen“ von „Linksextremisten“ die Rede ist, die in der Hauptversammlung nur einen „Aufguß ihrer alten Parolen“ vorbrachten, „für die sich nun wirklich niemand mehr interessiert“.

§ 10 Zukünftige Perspektiven des sozial-ökologischen Aktionärsengagements 333

ten, die Siemens AG mit weiteren Protesten rechnete und die Hauptversammlung gerade auch im Hinblick auf die politischen Aktionäre sorgfältig vorbereitet wurde, ging der Aufsichtsratsvorsitzende bei seiner Eröffnungsrede mit keinem Wort auf das Thema Cabora Bassa ein. Erst nach sechsstündiger Hauptversammlungsdauer wurde die Debatte zu Cabora Bassa eröffnet. Insgesamt lagen zu diesem Komplex 58 Wortmeldungen vor, denen aber nicht vollumfänglich entsprochen werden konnte. Als einem Teil der kritischen Aktionäre kein Rederecht eingeräumt wurde, stürmten diese die Bühne und protestierten lautstark gegen die Entscheidung des Versammlungsleiters. Dieses unzivilisierte und dem eigentlichen Anliegen der Aktivisten kaum dienliche Verhalten forderte wiederum Proteste aus dem Aktionärspublikum heraus, so dass sich die Hauptversammlung in einen „Hexenkessel“ 44 verwandelte. Trotz der Gegenanträge wurden Vorstand und Aufsichtsrat mit überwältigender Mehrheit entlastet. Die Proteste bewirkten auch keine Änderung der Geschäftsstrategie der Siemens AG und der anderen beteiligten Unternehmen. Nach den spektakulären Aktionen auf den Hauptversammlungen 1971 und 1972 verebbte die Kampagne schnell.

C. Politische Diskussion um die Hauptversammlungspolitisierung Nur kurze Zeit nach dem Ende des Aktionärstreffens der AEG AG im Juni 1971 erreichte die Diskussion um die einsetzende Politisierung von Hauptversammlungen deutscher Publikumsaktiengesellschaften die politische Bühne der Bundesrepublik. Unter dem Eindruck der vorangegangenen Hauptversammlungen stellte der Bundestagsabgeordnete Meister (CDU) im Juli 1971 der Bundesregierung die Frage, ob diese zur Schaffung gesetzlicher Voraussetzungen bereit sei, mit denen ein Missbrauch der „Hauptversammlungen von Kapitalgesellschaften für politische Demonstrationen“ verhindert werden könne.45 Die Bundesregierung lehnte derartige gesetzliche Änderungen umgehend ab: Es bestehe „keine Veranlassung, zum Schutze der Hauptversammlungen von Kapitalgesellschaften gegen politische Demonstrationen gesetzgeberische Maßnahmen in Erwägung zu ziehen“. Zur Begründung führte der stellvertretend für die Bundesregierung antwortende Parlamentarische Staatssekretär Bayerl (SPD) aus, dass jedem Aktionär das Recht zustehe, die Verweigerung der Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates zu beantragen und dies damit zu begründen, dass im zurückliegenden Geschäftsjahr Geschäfte getätigt worden seien, die seiner Ansicht nach nicht hätten vorgenommen werden dürfen. Im Übrigen legte er die Betonung auf die herkömmlichen Ordnungsmittel des Hauptversammlungslei44 So das Erlanger Tagblatt vom 17.03.1972, zit. bei Schreyögg/Steinmann, Legitimationsprobleme, S. 503, 518. 45 Vgl. BT-Drs. 6/2492, S. 21.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

ters: „Soweit solche Ausführungen eines Aktionärs zu einer politischen Demonstration benutzt werden sollten, dürfte das geltende Recht dem Leiter der Hauptversammlung ausreichende Möglichkeiten geben, um einen Mißbrauch der Hauptversammlung zu sachfremden Zwecken zu verhindern“.46 Nach der parlamentarischen Sommerpause wurde die Politisierung der Hauptversammlungen im Oktober 1971 noch einmal im Rahmen einer Fragestunde im Bundestag thematisiert.47 Im Anschluss48 an die oben dargestellte Antwort der Bundesregierung vom Juli 1971 fragte der Abgeordnete Arndt (SPD), ob die Bundesregierung es als zulässig ansehe, wenn ein Aktionär die Verweigerung der Entlastung des Vorstands oder Aufsichtsrates ablehne, weil im zurückliegenden Geschäftsjahr Geschäfte getätigt worden sind, die nach Auffassung dieses Aktionärs aus politischen Gründen nicht hätten vorgenommen werden sollen. Außerdem erbat der Abgeordnete um Auskunft, ob es die Bundesregierung für zulässig erachte, „einen Aktionär unter Berufung auf das Hausrecht des Leiters der Hauptversammlung daran zu hindern, auch eine politische Begründung für seinen Antrag auf Verweigerung vorzutragen, wenn dies in äußerlich gehöriger Form geschieht“. In seiner Antwort betonte der Parlamentarische Staatssekretär Bayerl erneut, dass die Verweigerung der Entlastung auch aus politischen Gründen zulässig sei, weil diese keiner Begründung bedürfe. Nach Ansicht der Bundesregierung sei es unzulässig, unter Berufung auf das Hausrecht eine politisch eingefärbte Begründung eines Antrags auf Entlastungsverweigerung zu unterbinden. Denn jeder Aktionär könne „zur Begründung seines Antrags auf Verweigerung der Entlastung von Vorstand oder Aufsichtsrat vortragen, daß die Vornahme bestimmter Geschäfte die Interessen der Gesellschaft verletzt habe. Hierbei kann er die seiner Überzeugung nach für eine Interessenverletzung sprechenden Gründe anführen. Dies können auch politische Gründe sein.“ 49 Der Aktionär habe sich aber so zu verhalten, dass die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptversammlung gewährleistet sei und die Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden. Gesetzgeberische Maßnahmen lehnte die Bundesregierung erneut ab. Zudem betonte Bayerl den „merkwürdigen politischen Gegensatz“, dass die „gleichen politischen Kreise, die die Notwendigkeit der Freiheit von Anteilseignern gegen Mitbestimmung und Ausweitung des Betriebsverfassungsgesetzes immer betonen“, sich zugleich „gegen eben diese Anteilseigner wenden und sie [. . .] unter Mißbrauch des Hausrechts [. . .] aus der Hauptversammlung verweisen, wenn sie die Verweigerung der Entlastung aus bestimmten politischen, der Verwaltung aber mißliebigen Gründen beantragen“.50 46

Vgl. BT-Drs. 6/2492, S. 21 = AG 1971, 304. Vgl. Deutscher Bundestag, 6. Wahlperiode, 141. Sitzung, 14.10.1971, S. 8157. 48 Tatsächlich handelte es sich bei dieser Frage um eine bloße Wiederholung eines Teils der Antwort der Bundesregierung vom Juli 1971. Der Wortlaut der Frage (auch abgedruckt in BT-Drs. 6/2680, S. 3 f.) ist deshalb insoweit irreführend. 49 Deutscher Bundestag, 6. Wahlperiode, 141. Sitzung, 14.10.1971, S. 8157. 47

§ 10 Zukünftige Perspektiven des sozial-ökologischen Aktionärsengagements 335

D. Thematische Neuorientierung Nach 1972 verschwand die Diskussion um Cabora Bassa aus der deutschen Hauptversammlungslandschaft ebenso schnell, wie sie 1971 aufgekommen war. Die von der Medienöffentlichkeit kritisch begleitete „Umfunktionierung der Hauptversammlung“ 51 zu einer Art Debattierclub über politische, soziale oder ökologische Fragen hielt jedoch bei veränderter Themensetzung an. Ging es zuvor um die Verstrickung deutscher Aktiengesellschaften in die Perpetuierung des Kolonialismus auf dem afrikanischen Kontinent, so war es nun das Jahrhundertthema Umweltschutz, das von kritischen Aktionären angesprochen wurde und damit in den Hauptversammlungen seine langen Schatten vorauswarf. Auch wurde schon Mitte der 1970er Jahre – und damit früher als in den Vereinigten Staaten52 – das Thema Kernenergie in die Aktionärszusammenkünfte getragen. Bei beiden Themenkreisen wurde die Hauptversammlungsbühne aber nicht selten als Podium für allgemein gehaltene Beiträge ohne konkreten Bezug zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft genutzt und die Hauptversammlung als Forum für Grundsatzdebatten (miss)verstanden. Im Jahr 1977 flaute der politische Aktionärsaktivismus in Deutschland dann deutlich ab, was von Teilen der deutschen Presse mit „[m]it einiger Genugtuung“ 53 begrüßt wurde. Die Kernenergiegegner hätten „inzwischen gemerkt, daß Hauptversammlungen für sie ein ungeeignetes Forum zur Selbstdarstellung sind“, da sie „kaum auf Sympathie“ stoßen würden und eine „isolierte Gruppe“ bleiben, „die nicht einmal die Chance bekommt, im Fernsehen als Märtyrer auftreten zu können“.54 In den darauf folgenden Jahren sollte sich jedoch zeigen, dass dieses Urteil zu voreilig war. Denn im Zusammenhang mit der Konstituierung der sog. Neuen Sozialen Bewegungen waren zahlreiche Umwelt-, Friedensund Menschenrechtsgruppen entstanden, die sich verstärkt in den politischen Willensbildungsprozess einzubringen versuchten, was ihnen nach Gründung der Partei Die Grünen 1980 mit dem Einzug in den Deutschen Bundestag 1983 auch gelang. Von den Anhängern dieser Gruppen wurde die Politisierung der Hauptversammlung als legitimes Mittel zur Förderung ihrer jeweiligen Agenda angesehen, was sich ab Ende der 1970er Jahre in einem merklichen Aufschwung des sozial-ökologischen Aktionärsaktivismus äußerte.55 Neben dem Thema Umwelt50

Deutscher Bundestag, 6. Wahlperiode, 141. Sitzung, 14.10.1971, S. 8158. So o.A., „Der Pulverdampf ist verflogen“, Die Zeit Nr. 42/1975, S. 29. 52 Vgl. zu den Hintergründen § 6 C. IV. 3. e) cc). 53 O.A., „Jahrmärkte der Eitelkeiten“, Die Zeit Nr. 39/1977, S. 23. 54 Vgl. o.A., „Jahrmärkte der Eitelkeiten“, Die Zeit Nr. 39/1977, S. 23. 55 Vgl. o.A., „Hauptversammlungen dienen nicht der Weltverbesserung“, Die Zeit Nr. 35/1979, S. 21 sowie Peltzer, Kreditwesen 1983, 847, der die besondere Intensität des Auftretens „politisch indoktrinierter Minderheiten“ in den Hauptversammlungen auf „gewisse politische Erfolge und eine zunehmende politische Strukturierung ,der Grünen‘“ zurückführt. 51

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

schutz wurden nun verstärkt auch die Verhältnisse in der Dritten Welt sowie das Apartheid-Regime in Südafrika in den Mittelpunkt der Gegenanträge, Redebeiträge und Fragen gestellt, die angesichts ihrer teils schroffen, zugespitzten und häufig nicht sachbezogenen Form56 bei Mitaktionären, den Vorständen und Aufsichtsräten sowie in der juristischen Fachöffentlichkeit57 auf Unverständnis bis hin zu blanker Ablehnung stießen.58

E. Zusammenschluss im Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e. V. Bis zur Mitte der 1980er Jahre waren die Themensetzung und die Zielgesellschaften der politischen Aktionäre wenig koordiniert. Deshalb kam es häufig vor, dass mehrere in unterschiedlichen „Aktionsgruppen“ oder „Arbeitskreisen“ 59 organisierte Aktionäre Debatten zu identischen Themen in denselben Gesellschaften initiierten. Dieser Zustand war dem eigentlichen Anliegen dieser Gruppen freilich abträglich, weil die auf diese Weise zeitlich enorm in die Länge gezogenen Hauptversammlungen bei den Verwaltungen und Mitaktionären den negativen Eindruck des „politischen Aktionärsunwesens“ nur noch verstärkten. Aus organisationstheoretischer Sicht war diese Situation auch wegen der fehlenden Möglichkeit der unterschiedlichen Gruppen zur Profilbildung problematisch, die aus der Besetzung ähnlicher Themen in denselben Aktiengesellschaften resultierte.60 Zur besseren Koordination der Aktionen wurde deshalb am 23.02.1986 der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e. V. gegründet. Sein Mitgliederkreis war von Beginn an sehr heterogen verfasst: neben Umweltschutzund Antikernkraftgruppen gehörten zu den Gründungsmitgliedern auch Gruppen

56 Vgl. Peltzer, Kreditwesen 1983, 847, 847: „Die fristlose Kündigung (eines Betriebsratsmitglieds) hat in der Öffentlichkeit das Bild von absolutistischer Unternehmenswillkür erzeugt“ (aus dem Text eines Gegenantrags) sowie a.a.O, 847, 850: „Stimmen Sie mit folgender Beurteilung überein: Man könnte Südafrika mit einem Gefängnis vergleichen, wo der schwarze Mann im Gefängnis sitzt.“ (Frage eines Aktionärs auf der Hauptversammlung eines Chemiekonzerns.) 57 Vgl. etwa Martens, AG 1981, 1010, „Insbesondere die ökologische Bewegung hat die Hauptversammlung als eine Plattform der öffentlichen Selbstdarstellung entdeckt und ,alternative‘ Strategien zur Umsetzung ihres politischen Weltbildes entwickelt.“; Zimmerer, Kreditwesen 1983, 644 „[. . .] sind die ,Grünen‘ nicht bloß als Spinner abzutun, sondern sie sind gemeingefährliche Narren.“ sowie Becker, AG 1985, 14. 58 Vgl. Preuß, Joachim, „Das sind Berufs-Chaoten“, Der Spiegel Nr. 36/1981 vom 31.08.1981, S. 94 ff. 59 Die bekannteste dieser Gruppen ist die 1978 gegründete Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG), vgl. http://www.cbgnetwork.org. 60 Zu diesem Aspekt erhellend Rehbein/Waddock/Graves, 43 Bus. & Soc. Rev. 239 (2004); Rowley/Moldoveanu, 28 Acad. Mgt. Rev. 204 (2003).

§ 10 Zukünftige Perspektiven des sozial-ökologischen Aktionärsengagements 337

aus der Friedens- und Dritte-Welt-Bewegung.61 Außer der Koordination der Aktivitäten seiner Mitgliedsorganisationen sah und sieht der Dachverband seine Hauptaufgabe darin, um Stimmrechtsvollmachten von anderen Aktionären zu werben und diese Stimmrechte auszuüben.62 Die Koordination durch den Dachverband äußerte sich zunächst vor allem in der Ausweitung der Aktivitäten politischer Aktionäre auf weitere, bislang von Kritik verschont gebliebene Gesellschaften. Hatte sich der Aktionärsaktivismus bis dahin vor allem auf Unternehmen aus der Chemie- und Energiebranche konzentriert, so war seit der Hauptversammlungssaison des Gründungsjahres des Dachverbandes eine deutliche Intensivierung des politischen Aktionärsaktivismus auch in anderen Branchen zu verzeichnen. So wurde 1986 erstmals auch die Deutsche Bank AG zur Zielscheibe der Kritik. Themenschwerpunkte bildeten in diesem wie in den Folgejahren die auch heute noch hochaktuelle Verschuldungsproblematik der Dritten Welt, die Geschäftsbeziehungen zu Südafrika und die Rolle der deutschen Banken im Nationalsozialismus sowie die hieraus erwachsende Verantwortung.63 Ein konstantes Merkmal des gesellschaftspolitischen Engagements blieb die exzessive Nutzung des aktionärsrechtlichen Instrumentariums und das Bemühen, gesetzliche Schranken zu unterwandern.64 Auch die Haltung der Medienöffentlichkeit und der Verwaltungen blieb unverändert ablehnend. Nicht selten war der Verdacht zu vernehmen, der Dachverband und seine Mitglieder seien direkt von der Deutschen Kommunistischen Partei oder dem Westbüro der SED gesteuert.65 Im Verlauf der 1990er Jahre nahm die Intensität des Engagements nach und nach ab. Anstelle ausschweifender Redebeiträge und zigfacher Gegenanträge wurden die Anliegen nun zunehmend in pointierter Form durch einzelne Gegenanträge und Fragen zur Sprache gebracht. Im Jahre 2008 war der Dachverband auf den Hauptversammlungen von insgesamt 27 deutschen Aktiengesellschaften aktiv.66 61 Eine Liste der gegenwärtigen Mitgliedsorganisationen im Dachverband findet sich unter http://www.kritischeaktionaere.de/mitglieder.html. 62 Vgl. http://www.kritischeaktionaere.de/32.html. 63 Vgl. dazu o.A., „Pseudo-Aktionäre“, die tageszeitung vom 03.12.1986, S. 8; o.A., „Dividende muss sein“, die tageszeitung vom 14.05.1987, S. 3; Kulke, Ulli, „Kritische Aktionäre beherrschten Hauptversammlung“, die tageszeitung vom 16.05.1987, S. 8; Tornow, Geogia, „Aktionäre üben den Widerspruch“, die tageszeitung vom 13.05.1988, S. 8; o.A., „Goldenes Kalb tanzt“, die tageszeitung vom 10.05.1989, S. 9. 64 Vgl. Lehmann, Missbrauch des Auskunfts-, Frage- und Rederechts, S. 51, 53 ff. berichtet von 90 inhaltsähnlichen Gegenanträgen bei der Bayer AG sowie von einem Unterlaufen der Redezeitbegrenzung durch künstliche Aufspaltung eines Redebeitrags in Beiträge mehrerer Redner; Preuß, Joachim, „Das sind Berufs-Chaoten“, Der Spiegel Nr. 36/1981 vom 31.08.1981, S. 94 ff.: 200 ähnliche Gegenanträge bei der VEBA AG. 65 Vgl. Schmidt-Klingenberg, Michael, „Sie wollen unsere Heimat kaputtmachen“, Der Spiegel Nr. 35/1988 vom 29.08.1988, S. 100 ff. 66 Vgl. Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e. V. (Hrsg.), „Frischer Wind statt heißer Luft! Berichte von den Hauptversammlungen 2008“.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

Zentrale Themen waren dabei der Klimawandel sowie die Herstellung von Rüstungsgütern, die die Verwurzelung des Dachverbandes in der Friedens- und Ökologiebewegung dokumentieren. Im Unterschied zur Situation in den USA wurde nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland bislang ausschließlich vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e. V. und seinen Mitgliedern getragen. Trotz des seit Jahren anhaltenden Aufschwungs des Themas „gesamtgesellschaftliche Unternehmensverantwortung“ hat davon weder das nachhaltigkeitsbezogene Aktionärsengagement in Deutschland im Allgemeinen noch der Dachverband im Besonderen profitieren können.

F. Bündelung von Interessen der Belegschaftsaktionäre Die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen ihres Unternehmens wird in Deutschland seit langem diskutiert und praktiziert.67 Die Zahl der Belegschaftsaktionäre ist allerdings seit dem Platzen der New Economy-Blase beständig zurückgegangen. Nachdem die Statistiken im Jahr 2000 noch mehr als 1,6 Mio. Aktionäre mit Belegschaftsaktien auswiesen, waren es 2008 nur noch 946.000 und damit weniger als im Jahr 1988.68 Vor allem in den 1990er Jahren war ein Trend zur Bündelung der Interessen dieser Aktionäre in Vereinen zu erkennen (Verein von Belegschaftsaktionären in der Siemens AG e. V. (1994), Gemeinschaft der VW-Belegschaftsaktionäre e. V., Arbeitnehmer Aktionäre der Lufthansa e. V., Belegschaftsaktionäre bei Infineon e. V.), die nach dem Börsenkrach im Jahr 2000 nachließ, aber nicht vollständig zum Erliegen gekommen ist (BelegschaftsAktionärsVerein Sanofi-Aventis e.V. (2002), Verein von Belegschaftsaktionären der SAP AG e. V. (2009)).69 Alle diese Vereine verfolgen einen ähnlichen Zweck, der insbesondere in der Gewährleistung einer angemessenen Gewinnbeteiligung, Sicherung eines hohen Beschäftigungsstandes und sozialer Absicherung besteht.70 Zur Durchsetzung der Belegschaftsaktionärsinteressen sollen die „aktienrechtlichen Möglichkeiten insbesondere auf der Hauptversammlung wahrgenommen“ und Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden.71 In der Haupt67 Vgl. nur die Beiträge bei Laßmann/Schwark (Hrsg.), Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen sowie das Gesetz zur steuerlichen Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung (Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz) vom 07.03.2009, BGBl. I 451; dazu RegE BT-Drs. 16/10531. 68 Vgl. Deutsches Aktieninstitut (Hrsg.), DAI-Factbook, 8.03-D. 69 Ausf. zu den Rechtsproblemen, die sich aus der Bündelung von Interessen der Belegschaftsaktionäre ergeben Oetker, Belegschaftsaktionäre. 70 Vgl. nur § 2 der Satzung des Vereins von Belegschaftsaktionären in der Siemens AG e. V. sowie § 2 der Satzung des BelegschaftsAktionärsVereins Sanofi-Aventis e.V. 71 So § 2 Satz 2 der Satzung des Vereins von Belegschaftsaktionären in der Siemens AG e. V. Köstler/Meiler/Niemann, Belegschaftsaktionäre, S. 9 erblicken in der indirekten Einflussnahme durch organisierte Öffentlichkeitsarbeit die wichtigste Methode von Belegschaftsaktionärsvereinigungen.

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versammlungspraxis konkretisieren sich diese Satzungsvorgaben in Gegenanträgen, die auf die Nichtentlastung der Verwaltungsorgane abzielen, in Vorschlägen zu Satzungsänderungen72 sowie in Redebeiträgen zu spezifischen Arbeitnehmerthemen. Sowohl Gegenantragsbegründungen als auch Wortmeldungen sind dabei weitgehend sachorientiert und appellieren häufig an das Wertsteigerungs- und -erhaltungsinteresse der übrigen Aktionäre. Eine Tendenz zur Umfunktionierung der Hauptversammlung zur Betriebsversammlung war bislang nicht zu erkennen. Insoweit wurde den Empfehlungen der Böckler-Stiftung entsprochen, keine Klassenkampfparolen zu verwenden und in der Sprache der Wirtschaftspresse und der Aktionäre zu kommunizieren.73 Insgesamt bleibt das Aktionärsengagement der Belegschaftsaktionärsvereinigungen aber eine auf die Hauptversammlungen einiger weniger Gesellschaften beschränkte Randerscheinung. Auch in thematischer Hinsicht bleiben diese Aktivitäten auf klassische Fragen der Corporate Governance sowie auf Belange der deutschen Arbeitnehmer beschränkt. Diskussionen zur Beschäftigungssituation der Konzernmitarbeiter in Entwicklungs- und Schwellenländern oder zu den Umweltauswirkungen der Geschäftstätigkeit74 sucht man bislang vergebens.

G. Perspektiven des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivismus in Deutschland Angesichts dieser Ausgangslage drängt sich die Frage auf, ob in Deutschland zukünftig ein verstärktes Aktionärsengagement zur Förderung sozialer und ökologischer Belange zu erwarten ist. Impulse dafür könnten von einer gewandelten Kapitalmarktstruktur, Aktien- und Unternehmenskultur ebenso ausgehen wie 72 So schlug etwa der Verein von Belegschaftsaktionären in der Siemens AG e. V. zur Hauptversammlung 2009 unter anderem eine Satzungsänderung vor, wonach Vorstandsmitglieder erst nach Ablauf von zwei Jahren nach ihrem Ausscheiden Mitglied des Aufsichtsrates werden können. Außerdem wurde vorgeschlagen, das Streben nach angemessener Rendite und Sicherung hoher Beschäftigung als Unternehmensziel festzulegen. Die Tagesordnung der Hauptversammlung wurde um diese Anträge allerdings nicht ergänzt, da die Voraussetzungen des § 122 Abs. 2 AktG nicht vorlagen. Deshalb fand auch keine Abstimmung über die Anträge statt. Für die Hauptversammlung 2010 wurde der folgende Antrag auf Satzungsänderung gestellt, um den die Tagesordnung der Hauptversammlung ergänzt wurde: „Das Unternehmen berücksichtigt bei seinen Entscheidungen die Interessen aller relevanten Gruppen: der Aktionäre, der Mitarbeiter, der Kunden und der Lieferanten. Es ist sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und verfolgt eine nachhaltige Unternehmenspolitik. Die Interessen der Aktionäre und Mitarbeiter sind gleichrangig.“ Vgl. http://www.unsereaktien.de/hv_akt.htm sowie Wadewitz, Sabine, „Die Stimmen der Investoren gewinnen an Vehemenz“, Börsenzeitung vom 28.12.2009, S. 11. 73 Vgl. Köstler/Meiler/Niemann, Belegschaftsaktionäre, S. 12. 74 Vgl. § 2 Satz 1 Nr. 4 der Satzung des Vereins von Belegschaftsaktionären in der Siemens AG e. V.: „[Der Verein] setzt sich auch für eine umweltorientierte Unternehmenspolitik ein.“

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

durch die Mobilisierung ausländischer Investoren, die in ihren Heimatländern als aktive Aktionäre auftreten, Anlegern aus Kirchenkreisen und einer zunehmend kapitalgedeckten Altersvorsorge. I. Kapitalmarktstruktur und Aktienkultur im Wandel Der deutsche Kapitalmarkt befindet sich bekanntlich seit den späten 1990er Jahren in einem Prozess kontinuierlichen Wandels.75 Die damit verbundenen tief greifenden Veränderungen finden ihre Ursache zum einen in dem gesetzgeberischen Bemühen, durch Ausgestaltung der marktlichen Rahmenbedingungen die Attraktivität und internationale Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland zu erhöhen. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang vor allem die Erhöhung des Anlegerschutzes durch die Finanzmarktförderungsgesetze76 und das Anlegerschutzverbesserungsgesetz77, die im Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz78 vorgesehenen Möglichkeit einer Bündelung von Klagen geschädigter Anleger sowie die Einführung anlegerorientierter Bilanzierungsgrundsätze (IFRS und IAS) für börsennotierte Unternehmen durch das Bilanzrechtsreformgesetz79. Zum anderen nimmt die Tiefe des Kapitalmarkts aufgrund eines Systemwechsels bei der Unternehmensfinanzierung kontinuierlich zu: Die deutschen Banken haben sich in der jüngeren Vergangenheit – bedingt durch unattraktive Verzinsung des eingesetzten Kapitals und durch die in Basel II niedergelegten Bedingungen zur Kreditvergabe – systematisch aus der Position als Fremdkapitalgeber zurückgezogen, so dass die Eigenkapitalfinanzierung der Gesellschaften über den Kapitalmarkt an Bedeutung gewann.80 Zur Erweiterung des Anlegerkreises trug außerdem die Steuerfreistellung von Gewinnen aus der Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen (§ 8b KStG81) bei, die eine Auf75

Weitsichtig dazu Schneider, AG 1990, 317. Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) vom 26.07.1994, BGBl. I 1749, RegE BT-Drs. 12/6679; Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 24.03.1998, BGBl. I 529, RegE BT-Drs. 13/8933; Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 21.06.2002, BGBl. I 2010, RegE BT-Drs. 14/8017. 77 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes vom 28.04.2004, BGBl. I 2630, RegE BR-Drs. 341/04. 78 Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren vom 16.08.2005, BGBl. I 2437, RegE BR-Drs. 2/05. 79 Gesetz zur Einführung internationales Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung vom 04.12.2004, BGBl. I 3166, RegE BR-Drs. 326/04. 80 Vgl. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2005/06, S. 457 f. sowie Siems, Konvergenz, S. 370; Seibert, AG 2002, 417, 418. 81 Eingefügt durch Art. 3 Nr. 5 des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz) vom 23.10.2000, BGBl. 76

§ 10 Zukünftige Perspektiven des sozial-ökologischen Aktionärsengagements 341

lösung oder zumindest Lockerung der unter dem Schlagwort „Deutschland AG“ bekannten gegenseitigen Verflechtungen deutscher Großunternehmen nach sich zog.82 Im Ergebnis führten diese Aspekte zu einer engen Einbindung Deutschlands in die internationalen Finanzmärkte83 und damit zu einer „Globalisierung der Anteilseigner“ 84. Verbunden mit der erheblichen Verbreitung ausländischer, vor allem aber US-amerikanischer Investoren ist eine fortschreitende Angloamerikanisierung der Kapitalmarktkultur.85 Sie fand in der durch ausländische Großanleger angeregten Debatte um die Schaffung eines Deutschen Corporate Governance Kodex nach dem Vorbild des englischen Combined Code86 und der Einführung der Entsprechenserklärung des § 161 AktG87 einen ersten Höhepunkt. Deutlichstes Anzeichen des gewandelten Umfelds ist jedoch die teilweise Verdrängung des oftmals auf Ausgleich gerichteten und um Kompromiss bemühten Verhältnisses zwischen Aktionären und Verwaltung. Drangen in der Vergangenheit nur selten Berichte über Meinungsverschiedenheiten zwischen Unternehmensleitung und Teilen der Anlegerschaft an das Licht der Öffentlichkeit, so gehört der von Seiten der ausländischen institutionellen Anleger öffentlich ausgetragene, auf BreiI 1433; dazu Erlass des BMF vom 28.04.2003 – IV A 2 – S 2750a – 7/03 „Anwendung des § 8b KStG 2002 und Auswirkungen auf die Gewerbesteuer“. 82 Vgl. Seibert, AG 2004, 529; Sperling, AG 2008, R468; v. Hein, Rezeption, S. 376 f.; anschaulich dazu Adams, AG 1994, 148 sowie o.A., „Die Deutschland AG schwächelt“, Börzenzeitung vom 10.07.2008, S. 7; kritisch Höpner, WSI-Mitteilungen 53, 655. 83 Allgemein zur Internationalisierung der Kapitalmärkte Wymeersch, ZGR 2001, 294, 305 ff.; siehe auch Börsenzeitung vom 07.02.2006, S. 6: „Globalisierung geht weiter – Deutschland zunehmend in internationale Finanzmärkte integriert“. 84 So schon Schneider, AG 1990, 317, 321; ders., Festschrift Beusch, S. 783, 789; Serfling/Großkopf/Röder, AG 1998, 272; vgl. auch Seibert, BB 1998, 2536, 2538, der anhand der Portfoliostruktur privater und institutioneller Anleger aus Deutschland aufzeigt, dass diese Entwicklung keine Einbahnstraße ist, sondern auch deutsche Anleger zunehmend an ausländischen Gesellschaften beteiligt sind sowie allgemein Hommelhoff, Festschrift Lutter, S. 95, 99 f. 85 Vgl. bereits Mertens, AG 1990, 49, 52; Habersack, AG 2009, 1, 5 führt diesen Umstand auf ein „ausgeprägtes Selbst- und Sendungsbewusstsein der dortigen Vertreter der Zunft“ zurück. Allg. zur Amerikanisierung des Gesellschaftsrechts v. Hein, Rezeption, S. 54 ff. 86 Von der grundsätzlichen Anerkennung des Combined Code macht die London Stock Exchange seit dem Jahr 2000 die Börsenzulassung abhängig. Ihren Ursprung haben die Kodizes in den Corporate Governance-Richtlinien großer institutioneller Anleger, vgl. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 5 = BT-Drs. 14/7515, Rn. 5; Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 167. 87 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 16 des Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG)) vom 19.07.2002, BGBl. I 2681; vgl. auch RegE BR-Drs. 109/02, S. 50: „Gerade im Hinblick auf die Information ausländischer Aktionäre erschien es unvermeidlich, einen maßgebenden Corporate Governance Kodex für Deutschland zu initiieren.“

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

tenwirkung angelegte und bis zu einem gewissen Grad von Kompromisslosigkeit geprägte Konflikt mittlerweile zu einer Erscheinung, der sich zahlreiche Vorstände deutscher Publikumsaktiengesellschaften gegenübersehen.88 Die Opposition betrifft dabei zum einen Fragen guter Unternehmensführung, wie etwa der bei der ThyssenKrupp AG ausgetragene Streit um die Einführung eines Entsenderechts für die Krupp-Stiftung zeigt.89 Die ausländischen Anleger wenden sich darüber hinaus aber auch gezielt gegen eine eingeschlagene oder geplante Unternehmensstrategie. So war die monatelange Debatte zwischen dem britischen Hedgefonds TCI und dem Vorstand der Deutschen Börse AG über die geplante Übernahme der London Stock Exchange90 nur Ausgangspunkt einer Entwicklung, die einer größeren Einmischung der Aktionäre in die Geschäftspolitik auch ohne eigene Vertretung im Aufsichtsrat der betroffenen Gesellschaft und damit ohne Einfluss auf die Zusammensetzung des Vorstandes entgegenstrebt.91

88 Vgl. Becker, Walther, „Schöne neue Aktionärswelt: Neureiche Investoren mischen deutsche Blue Chips auf“, Börsenzeitung vom 29.12.2007, S. 41; Wefers, Angela, „Schutzwälle flach halten“, Börsenzeitung vom 03.11.2007, S. 8: „[. . .] weht in vielen Vorstandsetagen ein rauerer Wind.“; vgl. demgegenüber noch Großfeld, AG 1985, 1, 2: „[. . .] letztlich besteht doch Einigkeit darüber, dass Ruhe die erste Bürgerpflicht des Kleinaktionärs ist.“ 89 Trotz heftiger Kritik ausländischer Fonds wurde das Entsenderecht – denkbar knapp – mit 78,9 % des vertretenen Grundkapitals beschlossen, vgl. dazu Börsenzeitung vom 18.01.2007, S. 11 sowie Börsenzeitung vom 20.01.2007, S. 1, 9 90 Börsenzeitung vom 15.04.2005, S. 1; Börsenzeitung vom 10.05.2005, S. 5. 91 Vgl. die Beispielsfälle bei Schiessl, ZIP 2009, 689, 690 f.; siehe auch Jahn, BB Die erste Seite 2006, Nr. 42: „Unruhe schafft [. . .] die neue Spezies der ,shareholder activists‘“; Gode, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 323, der einen stärkeren Einfluss der Aktionäre auf die Unternehmenspoltik durch Wahrnehmung von Aktionärsrechten prognostiziert; Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der PDS „Institutionelle Anleger, Pensionsfonds und Rentenreform“, BT-Drs. 14/7736, S. 5: „Die zunehmende Bedeutung institutioneller Anleger eröffnet ihnen die Möglichkeit, stärker als früher ihre Aktionärsrechte in den Unternehmen auszuüben.“; außerdem Ackermann, Jürgen/Philippi, Stefan, „Stimm ab, Aktionär!“, Börsenzeitung vom 19.05.2007, S. B6; Brinker, Bernhard/Muth, Michael, „Einfluss institutioneller Anleger auf börsennotierte Unternehmen wächst – Shareholder-Aktivismus überwindet Trennung von Kapital und Kontrolle – Die Beispiele CalPERS und Berkshire Hathaway“, Börsenzeitung vom 11.11.2003, S. 6; o.A., „Vorstände wieder im Visier der Fonds“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.02.2005, S. 23; o.A., „Aktive Investoren gewinnen an Bedeutung“, Börsenzeitung vom 22.05.2007, S. 10; o.A., „Fonds werden bei Governance aktiver“, Börsenzeitung vom 27.05.2003, S. 1, 17; Neubacher, Bernd, „Staatsfonds verändern die Spielregeln am Kapitalmarkt“, Börsenzeitung vom 30.10.2007, S. 2; Wadewitz, Sabine, „Warmlaufen für die Hauptversammlungen“, Börsenzeitung vom 07.02.2007, S. 8; allg. zu den Hedgefonds-Aktivitäten und den sich daraus ergebenden Fragen aus US-amerikanischer Perspektive Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021 (2007); aus deutscher Perspektive Leyens, JZ 2007, 1061, 1071 und Schmolke, ZGR 2007, 701.

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II. (Teilweise) Abkehr von der tradierten deutschen Unternehmenskultur In unmittelbarem Zusammenhang mit der gewandelten Kapitalmarktstruktur steht die bei einigen Großunternehmen zu beobachtende Abkehr von einer auf Ausgleich zwischen den einzelnen Stakeholdergruppen gerichteten Unternehmenskultur hin zu einer vorrangig am Marktwertmaximierungsinteresse der Aktionäre ausgerichteten Geschäftsführung. Ursächlich für diese Entwicklung war unter anderem die Übernahme der US-amerikanischen Managementidee einer engen Anbindung der Verwaltung an die Aktionärsinteressen92, die 1998 durch das KonTraG auch Ausdruck im deutschen Aktienrecht fand.93 In diese Richtung wurde zunehmend auch die an sich deutungsoffene Vorschrift des § 76 Abs. 1 AktG interpretiert: Wurde zuvor – im Einklang mit den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers94 – nahezu einhellig angenommen, dass die dort niedergelegte Vorstandsverpflichtung zur Gesellschaftleitung „unter eigener Verantwortung“ die Berücksichtigung aller Unternehmensbeteiligten und die Orientierung am Unternehmensinteresse bedingt95, so mehrten sich seit Mitte der 1990er Jahre Stimmen, die eine Verpflichtung des Vorstands auf den shareholder value betonten.96 Hierdurch entstand auch in von Arbeitnehmern mitbestimmten Unternehmen große Unsicherheit darüber, ob und in wie fern Arbeitnehmer- und Gemeinwohlbelange bei unternehmerischen Entscheidungen und in Interessenabwägungen berücksichtigt werden dürfen.97 Im Ergebnis führte dies häufig zu einer Übergewichtung der Anteilseignerinteressen unter Hintanstellung der Belange sonstiger Interessengruppen98 und damit zur Schaffung eines idealen Nährbodens für sozial-ökologisches Aktionärsengagement.

92 Grundlegend Rappaport, Creating Shareholder Value: A Guide for Managers and Investors. 93 Vgl. nur die Vorschrift über den Erwerb eigener Aktien als Instrument der Börsenkursstabilisierung in § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG sowie die Vorschrift des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG zur bedingten Kapitalerhöhung, um Mitgliedern der Geschäftsführung Bezugsrechte zu gewähren. Dazu RegE eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), BT-Drs. 13/9712, S. 13 und 23. Zum ideengeschichtlichen Hintergrund des KonTraG Seibert, AG 2002, 417, 419 sowie v. Hein, Rezeption, S. 229 f. m.w. N. 94 Vgl. Kropff (Hrsg.), AktG, S. 97 f. 95 Zusammenfassend Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 76 Rn. 64 ff. 96 Vgl. nur Empt, Corporate Social Responsibility, S. 119 ff.; Groh, DB 2000, 2153, 2158; Kuhner, ZGR 2004, 244, 259 ff.; Mülbert, Festschrift Röhricht, S. 421, 434; ders., ZGR 1997, 129, 156 ff.; Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 155; v. Bonin, Leitung der AG, S. 131, 149 f.; zusammenfassend m.w. N. auch Klöhn, ZGR 2008,110, 119 f. 97 Spindler, Unternehmensinteresse, S. 20; Weber-Rey, WM 2009, 2255, 2257: „zu große Konzentration auf die Shareholder-Perspektive in der Praxis“. 98 Vgl. Forstmoser, Festschrift Simon, S. 207, 207 f.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

III. Mobilisierung ausländischer Investoren Nachhaltigkeitsorientiertes Aktionärsengagement ist nicht nur, bislang aber doch in erster Linie ein US-amerikanisches Phänomen. Die eifrigsten Verfechter des dortigen shareholder activism, öffentliche Pensionsfonds, sind bereits seit längerer Zeit an zahlreichen deutschen Publikumsaktiengesellschaften beteiligt. Nennenswerte Aktivitäten dieser Aktionäre auf deutschen Hauptversammlungen waren bislang jedoch nicht zu verzeichnen. Dennoch scheint sich auch insoweit eine Änderung abzuzeichnen. Die „Reaktivierung der Hauptversammlung“ 99 durch ausländische institutionelle Anleger wird dabei durch zwei Aspekte begünstigt: Zum einen durch aktienrechtliche Reformmaßnahmen des deutschen Gesetzgebers (unten 1.), zum anderen durch das Auftreten institutioneller Aktionärsdienstleister (unten 2.). 1. Gesetzgeberische Maßnahmen zur Stärkung der Aktionärsrechte Auf rechtlicher Ebene steht die Ausübung von Aktionärsrechten im grenzüberschreitenden Kontext schon seit längerer Zeit auf der Agenda sowohl des europäischen wie des deutschen Gesetzgebers. Letzterer hatte bereits im Jahr 2001 mit dem Namensaktiengesetz100 in § 134 Abs. 3 Satz 3 AktG die Möglichkeit der Bevollmächtigung eines von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreters als alternatives Instrument zur Stimmrechtsausübung anerkannt. Diese Form des proxy voting wird seitdem insbesondere von institutionellen Anlegern zunehmend genutzt.101 Neben der Erweiterung der Vertretungsmöglichkeiten in der Hauptversammlung strebte der deutsche Gesetzgeber eine Erhöhung der Hauptversammlungspräsenz ausländischer Anleger durch veränderte Zugangsbedingungen zu den Aktionärstreffen an. Ein maßgeblicher Grund für die Nichtteilnahme der ausländischen Anteilseigner war nämlich die weit verbreitete Fehlvorstellung, dass die nach früherer Rechtslage für die Hauptversammlungsteilnahme erforderliche Hinterlegung der Aktien (vgl. § 123 AktG a. F.) zu einer Veräußerungssperre führe und damit die Reaktionsfähigkeit der Investoren während des Hinterlegungszeitraums gefährdet sei.102 Diesem Irrtum über die Bedeutung der Hinter99

So schon Schneider, AG 1990, 317, 322. Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz (NaStraG)) vom 18.01.2001, BGBl. I 123, vgl. dazu RegE BT-Drs. 14/4051. 101 Vgl. Seibert, AG 2004, 529, 531. 102 RegE eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), BT-Drs. 15/5092, S. 13; so schon Seibert, AG 2004, 529, 531; in der Praxis wurde gleichwohl auf die Hinterlegung der Aktien verzichtet und lediglich eine Anmeldung, verbunden mit der Vorlage einer Bankbescheinigung, vorgenommen, so dass mit der vorgenommenen Gesetzesänderung lediglich eine bereits verbreitete Praxis verfestigt wurde, vgl. BT-Drs. 15/5092, S. 13. 100

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legung wurde durch das UMAG der Boden entzogen: An die Stelle der Hinterlegung ist seitdem eine auf den 21. Tag vor der Versammlung (sog. record date) bezogene Bankbescheinigung getreten, § 123 Abs. 3 Satz 3 AktG. Die Gesetzesänderung wurde von ausländischen institutionellen Anlegern überaus positiv aufgenommen. Es sei damit die entscheidende regulatorische Hürde für eine grenzüberschreitende Ausübung hauptversammlungsbezogener Aktionärsrechte beiseite geräumt worden, so dass nun mit einer stärkeren Beteiligung ausländischer Anleger zu rechnen sei.103 Das vom Gesetzgeber mit der Reform verfolgte Ziel, „die grenzüberschreitende Stimmrechtsausübung in Europa und möglicherweise darüber hinaus vor[zu]bereiten und [zu] erleichtern“ 104, wurde somit erreicht. Daneben ist die Förderung der grenzüberschreitenden Ausübung von Aktionärsrechten auch Gegenstand einer auf europäischer Ebene geführten Debatte, die im Juli 2007 zur Verabschiedung der Richtlinie über die Rechte von Aktionären börsennotierter Gesellschaften führte.105 Inhaltlich ist die Richtlinie deutlich durch die 2002 veröffentlichen Ergebnisse der High Level Group of Company Law Experts106 geprägt. Diese fanden Eingang in den im Mai 2003 vorgelegten Aktionsplan der EU-Kommission zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance107, wonach die Aktionärsrechte durch einen verbesserten Zugang zu Informationen, die Durchsetzung des Grundsatzes „eine Aktie, eine Stimme“ („Aktionärsdemokratie“) und die Gestaltung von Rahmenbedingungen für eine effizientere Rechtewahrnehmung108 gestärkt werden sollten. Für das deutsche Recht war der durch die Richtlinie ausgelöste Umsetzungsbedarf allerdings gering. Eine deutliche Erleichterung der grenzüberschreitenden Stimmrechtsausübung könnte allerdings von der durch das ARUG in § 118 Abs. 1 Satz 2 AktG eingefügten Regelung ausgehen, die Hauptversamm103 Vgl. Seibert, Festschrift Westermann, S. 1505, 1509 sowie Börsenzeitung vom 20.04.2006, S. 12: „Investoren nehmen Aktionärsrechte stärker wahr“ unter Verweis auf eine Studie des Aktionärsdienstleisters ISS; Ackermann, Jürgen/Philippi, Stefan, „Stimm ab, Aktionär!“, Börsenzeitung vom 19.05.2007, S. B6; Börsenzeitung vom 21.09.2007, S. 10. 104 RegE eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), BT-Drs. 15/5092, S. 14. 105 Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07. 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. EU Nr. L 184/17. 106 Vgl. Ziff. 3.1 und 3.2 des Berichts der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/ modern/report_de.pdf. 107 KOM(2003) 284; dazu Bayer, BB 2004, 1, 5 ff.; Habersack, NZG 2004, 1 ff. 108 Der Aktionsplan nennt hierbei das Fragerecht, das Recht auf Vorlage von Beschlüssen, das Recht auf Briefwahl und auf Teilnahme an der Hauptversammlung auf elektronischem Wege, vgl. KOM(2003) 284, Ziff. 3.1.2 „Stärkung der Aktionärsrechte – Andere Aktionärsrechte“.

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lungsteilnahme sowie die Ausübung von Aktionärsrechten auch ohne physische Präsenz statutorisch zu ermöglichen.109 Insoweit bleibt freilich abzuwarten, inwieweit sich dieses Modell in der Praxis durchsetzen wird und sich im „Wettbewerb der Hauptversammlungskulturen“ 110 behaupten kann. 2. Impulse durch das Auftreten institutioneller Aktionärsdienstleister Neben dem soeben dargestellten verbesserten rechtlichen Umfeld spricht auch die gegenwärtig zu erlebende Renaissance institutioneller Aktionärsdienstleister für eine verstärkte Wahrnehmung der Aktionärsrechte ausländischer Anleger. Unter den Begriff des institutionellen Aktionärsdienstleisters sind hierbei alle Unternehmen zu fassen, die von institutionellen Anlegern im Vorfeld einer Hauptversammlung mit der Analyse der Tagesordnung, der Stimmrechtsberatung oder der Stimmrechtsvertretung beauftragt worden sind. Das Phänomen des Aktionärsdienstleisters ist keine gänzlich neue Erscheinung. Bereits in der Vergangenheit hat es in Deutschland Versuche gegeben, nicht nur für Kleinanleger, sondern auch für Institutionelle eine Stimmrechtsvertretung zu organisieren.111 Seit der Hauptversammlungssaison 2006 hat die institutionelle Stimmrechtsberatung und -vertretung jedoch eine neue Qualität erlangt. Vorreiter dieser Entwicklung ist das Unternehmen International Shareholder Services (ISS)/RiskMetrics Group, das in den USA als Anbieter von Aktionärsdienstleistungen eine Quasi-Monopolstellung einnimmt.112 Es soll auf den Hauptversammlungen einiger im DAX gelisteter Gesellschaften bereits bis zu 25 % des anwesenden Kapitals vertreten haben und für den merklichen Anstieg der Hauptversammlungspräsenzen seit 2006 109 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 7 a) des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 30.06.2009, BGBl. I 2479; vgl. dazu auch den RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BT-Drs. 16/11642, S. 4. 110 Ruhkamp, Stefan, „Der virtuelle Aktionär wird Realität“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.04.2007, S. 21 unter Bezug auf Ulrich Noack; vgl. allg. auch Noack, WM 2009, 2289 ff. 111 Vgl. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 89, die auf die Bemühungen der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V. (DSW) und der Schutzgemeinschaft deutscher Kapitalanleger (SdK) hinweisen; siehe auch schon Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission, S. 342 ff., in dem die Aktivierung und Stärkung der Aktionärsvereinigungen als ein Weg zu einer verbesserten Mitwirkung der Aktionäre diskutiert wird; für eine Stärkung der Aktionärsvereinigungen auch Baums, Depotstimmrecht, S. 7 ff. 112 Allgemein zu den Akteuren dieser „Corporate Governance Industry“, zu Bedenken und dem Erfordernis einer Regulierung Rose, 32 J. Corp. L. 887 (2007); kritisch aus der deutschen Literatur Schneider, EuZW 2006, 289 und ders./Anzinger, NZG 2007, 88, 89, die auf die strukturelle Gefahr der Monopolisierung der Stimmrechtsberatung aufmerksam machen und für kapitalmarktrechtliche Offenlegungspflichten eintreten; ähnlich schon ders., Festschrift Beusch, S. 783, 784; vgl. auch o.A., „Selbstbewusste Aktionäre“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15.05.2007, S. 31; Döring, Claus, „Die (un)heimliche Macht der Stimmrechtsberater“, Börsenzeitung vom 10.03.2007, S. 8 sowie Fleischer, ZGR 2011, 155, 169 ff. und Vaupel, AG 2011, 63.

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mitverantwortlich gewesen sein.113 Bislang ist weder in Deutschland noch in Europa114 ein gewichtiger Konkurrent zu ISS/RiskMetrics entstanden. Allerdings erlebt der Markt für institutionelle Stimmrechtsberatungsunternehmen derzeit eine dynamische Entwicklung. Neben der bereits seit längerer Zeit tätigen Vereinigung für institutionelle Privatanleger e. V.115 bieten seit Ende 2004 auch Governance for Owners LLP116 und seit Ende 2005 das Unternehmen IVOX117 Aktionärsdienstleistungen an. Dabei belegen das Leistungsspektrum von RiskMetrics im Nachhaltigkeitsbereich118, die Zusammenarbeit von IVOX mit der oekom research AG, einer Rating-Agentur für nachhaltige Investments119, und die Abstimmungsgrundsätze der Schweizerischen Stiftung Ethos120, dass der Blickwinkel der Aktionärsdienstleister nicht auf klassische Fragen der Corporate Governance verengt ist, sondern sich zunehmend auch auf „weiche“ Faktoren wie Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung erstreckt.

113 Becker, Walther, „Aktionäre zeigen stärkere Präsenz“, Börsenzeitung vom 04.06. 2008, S. 1 und 11: 57,6 % (2008), 56,4 % (2007), 49,4 % (2005), 45,0 % (2004). Im Jahr 2009 lag die Präsenzquote bei etwa 60 %, vgl. o.A., „Krise bremst Auftrieb der HVPräsenzen“, Börsenzeitung vom 02.06.2009, S. 9. Siehe auch o.A., „Hauptversammlungspräsenz nimmt wieder zu“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11.05.2006, S. 25; Becker, Walther, „Aktionäre melden sich zurück“, Börsenzeitung vom 06.06. 2007, S. 11 sowie Börsenzeitung vom 03.05.2007, S. 1, 8 (zu einem Aktienrückkaufprogramm der Allianz AG, das an einer Empfehlung des ISS scheiterte). 114 Eine Ausnahme stellt insoweit die Schweiz dar, wo unter anderem die Ethos-Stiftung die Stimmrechtsausübung für institutionelle Anleger übernimmt. Bemerkenswert ist dabei vor allem die in den Abstimmungsgrundsätzen niedergelegte Verpflichtung auf die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung und der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen. Vgl. zu Ethos auch Zulauf, Daniel, „Aktionärsvertreter zwischen Business und Mission“, Börsenzeitung vom 21.03.2006, S. 2 sowie die Internetpräsenz http://www.ethosfund.ch/. 115 Internetpräsenz http://www.vip-cg.de/. 116 http://www.g4owners.com/. 117 http://www.ivox-europe.com/; dazu auch Börsenzeitung vom 07.02.2007, S. 11 und Handelsblatt vom 11.01.2007, S. 26. 118 Vgl. http://www.riskmetrics.com/knowledge/sustainability/. 119 In einem Interview mit der Börsenzeitung betont der Gründer von IVOX, dass die Stimmrechtsvorschläge seines Unternehmens auch durch „deutliche Verstöße gegen allgemein anerkannte Empfehlungen im Bereich des sozial verantwortlichen Investments“ beeinflusst sein können, vgl. Börsenzeitung vom 21.04.2009, S. 12. 120 Vgl. Ethos, Grundsätze zur Corporate Governance – Richtlinien zur Ausübung der Stimmrechte 2009, S. 78 f.: „Von den Anträgen, die soziale oder ökologische Fragen betreffen, unterstützt Ethos diejenigen, die den Wert des Unternehmens für die Mehrheit der Anspruchsgruppen erhöhen und die mit ihrer Charta, die auf dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung beruht, vereinbar sind. So wird besonderes Gewicht auf die Wahrung der Menschenrechte, der sozialen Gerechtigkeit, der Grundfreiheiten, der kulturellen und religiösen Vielfalt, auf den Schutz von schwachen und benachteiligten Gruppen, die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen, den Umweltschutz und die Reduktion von Umweltverschmutzung und Abfällen gelegt.“, im Internet abrufbar unter http://www.ethosfund.ch/d/produkte-dienstleistungen/abstimmungsempfehlungen. asp.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

IV. Auswirkungen der UNEP Principles for Responsible Investment Neben der Internationalisierung des auf dem deutschen Kapitalmarkt agierenden Investorenkreises spricht auch die Tendenz einer formellen und institutionellen Verfestigung nachhaltiger Anlagegrundsätze für ein Erstarken des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagements. Herausragendes Beispiel für diese Tendenz sind die bereits erwähnten121 „Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren“ (Principles for Responsible Investment), die von der Finanzinitiative des UN-Umweltprogramms (UNEP Finance Initiative) verfasst wurden. Diese haben weltweit bei Großinvestoren und Vermögensverwaltern große Zustimmung erfahren. Die Beteiligung deutscher Unternehmen ist bislang allerdings zurückhaltend. Unter den Signataren befinden sich acht Unternehmen aus Deutschland, zu denen neben der KfW Bankengruppe die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG sowie die Deutsche Asset Management zählen.122 V. Kirchliches Aktionärsengagement Wesentliche Impulse für das nachhaltigkeitsorientierte Aktionärsengagement dürften zukünftig zudem von den christlichen Kirchen in Deutschland und ihren Einrichtungen ausgehen. Dafür spricht nicht nur das vorhandene Anlagevermögen – konservative Schätzungen gehen im Bereich der EKD von einem Anlagevermögen von ungefähr 30 Mrd. Euro aus, als Gesamtvolumen werden mitunter bis zu 100 Mrd. genannt123 –, sondern vor allem die Bereitschaft der Kirchen zu ethisch verantwortlichem Investieren und das Bekenntnis zum Engagement-Ansatz. Vorreiter der sich gegenwärtig abzeichnenden Entwicklung waren die Landeskirchen in Hessen und Nassau sowie Baden und zwei Versorgungskassen evangelischer Landeskirchen, die ihre gesamten Aktienbestände im Wert von etwa 1 Mrd. Euro seit August 2008 durch die Fondgesellschaft Foreign & Colonial Mangement verwalten lassen.124 Die Verwaltung erfolgt dabei nach dem sog. Responsible-Engagement-Overlay-Modell, das den kontinuierlichen Dialog mit den Portfoliogesellschaften und die Ausübung von Aktionärsrechten betont. 121

Vgl. dazu bereits § 1 A. Näher Kabisch, Thomas, „Nachhaltig Investieren ist nicht nur Mode, sondern längst Trend“, Börsenzeitung vom 10.11.2007, S. B16; Anfang 2011 waren insgesamt 800 Unternehmen aus 45 Ländern an der Initiative beteiligt, vgl. Schmidt, Michael, „Kritische Themen mit Unternehmen stärker diskutieren“, Börsenzeitung vom 05.03. 2011, S. B2. 123 Buchholtz, Die Kirchen bündeln ihre Kräfte, ohne Seitenangabe. 124 Dazu Bergius, Susanne, „Mit Kirchen-Macht die Welt verbessern“, ZEIT ONLINE vom 25.02.2009, abrufbar unter http://www.zeit.de/online/2009/09/kirchlicheinvestoren-engagement; dies., „Kirchen werden zu aktiven Aktionären“, Handelsblatt vom 23.01.2009; Weitz, Burkhardt, „Wachsame Aktionäre“, chrismon 03/2009, abrufbar unter http://chrismon.evangelisch.de/artikel/2009/wachsame-aktionaere-901?vdt=b015| Podcasts. 122

§ 10 Zukünftige Perspektiven des sozial-ökologischen Aktionärsengagements 349

Auch die Fondsgesellschaft Union Investment hat im Jahr 2009 auf Geheiß kirchlicher Genossenschaftsbanken begonnen, Nachhaltigkeitsaspekte auf Hauptversammlungen zu thematisieren.125 Zudem legte eine von der deutschen Bischofskonferenz beauftragte Sachverständigengruppe im Februar 2010 ein Positionspapier zum Thema „Ethische Geldanlage“ vor, in der Aktionärsengagement als wichtiges Instrument zur Förderung ethisch vertretbaren Unternehmensverhaltens beschrieben wird.126 Die Resonanz auf den Vorschlag einer stärkeren Einmischung ist in evangelischen wie katholischen Kreisen gleichermaßen positiv.127 Unklar ist bislang allerdings, ob der Engagement-Ansatz von den Kirchen und ihren Einrichtungen – ggf. gebündelt in einer einheitlichen Kapitalanlagegesellschaft – selbst verfolgt wird oder eine Delegation auf nicht-kirchliche Vermögensverwalter erfolgen soll. Das Interesse der Kirchen, öffentliche Kritik an Unternehmen zu vermeiden, die die Kirchen mit Spenden unterstützen und deren Arbeitnehmer Kirchensteuern zahlen, scheint dabei für die Delegationslösung zu sprechen.128 VI. Private Altersvorsorge und Kapitalmarkt Positive Impulse für eine verstärkte Ausübung von Aktionärsrechten zur Förderung nachhaltigen Unternehmensverhaltens könnten schließlich auch von den aktuellen Entwicklungen im System der deutschen Altersvorsorge ausgehen. Bedingt durch die seit drei Jahrzehnten rückläufigen Geburtenzahlen, die Einnahmeausfälle aufgrund hoher Arbeitslosigkeitsraten, die Steigerung der Lebenserwartung und die damit einhergehende Verlängerung der Rentenlaufzeiten gerät das auf dem Prinzip der Umlagefinanzierung basierende deutsche Rentenversicherungssystem zunehmend an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Der Ausweg aus dieser Entwicklung wird – weithin parteiübergreifend – in dem eigenverantwortlichen Aufbau einer kapitalgedeckten Rente als zweite Säule der Altersversorgung gesehen.129 125

Buchholtz, Die Kirchen bündeln ihre Kräfte, ohne Seitenangabe. Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg.), Mit Geldanlagen die Welt verändern?, S. 45 f. 127 Bergius, Susanne, „Mit Kirchen-Macht die Welt verbessern“, ZEIT ONLINE vom 25.02.2009, abrufbar unter http://www.zeit.de/online/2009/09/kirchliche-investorenengagement; dies., „Kirchen werden zu aktiven Aktionären“, Handelsblatt vom 23.01. 2009; Reim, Martin, „Kirche bündelt Aktionärsmacht“, Financial Times Deutschland vom 03.03.2010, S. 19; vgl. bereits ZdK, Ethisches Investment, S. 8. 128 Bergius, Susanne, „Kirchen werden zu aktiven Aktionären“, Handelsblatt vom 23.01.2009. 129 Vgl. Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz – AVmG), BT-Drs. 14/4595, S. 1 f.; Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der PDS „Institutionelle Anleger, Pensionsfonds und Rentenreform“, BT-Drs. 14/7736, S. 9; siehe auch den Koalitionsvertrag zwischen 126

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

Dabei misst der Gesetzgeber der betrieblichen Altersversorgung besondere Bedeutung bei. So wurden durch das zum 01.01.2002 in Kraft getretene Altersvermögensgesetz130 in §§ 112 ff. VAG Voraussetzungen für die Errichtung von Pensionsfonds geschaffen, die als kapitalmarktorientierter Durchführungsweg neben die traditionellen Formen der betrieblichen Altersvorsorge treten sollen. Das von Pensionsfonds gebundene Vermögen darf dabei gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 14 der Verordnung über die Anlage des gebundenen Vermögens von Pensionsfonds131 insbesondere in Aktien angelegt werden, die in einen organisierten Markt einbezogen sind.132 In der Konsequenz dürfte die zunehmende Verbreitung von Pensionsfonds und ihre Investitionstätigkeit auf dem Aktienmarkt dazu führen, dass auch Pensionsfonds aus Deutschland an deutschen Publikumsaktiengesellschaften beteiligt sind und dort ihre Aktionärsrechte ausüben.133 Bislang führen Pensionsfonds in Deutschland allerdings noch ein Schattendasein.134 Sollten sie in der Zukunft eine stärkere Verbreitung finden, so scheint das Engagement dieser Fonds für soziale und ökologische Aspekte der Geschäftstätigkeit ausgemacht. Denn wie die Fonds aus Ländern mit einem entwickelten Pensionsfondswesen würden sie den Schwierigkeiten gegenüberstehen, einer Unzufriedenheit mit der Geschäftspolitik durch Desinvestition Ausdruck zu verleihen.135 Und sie wären häufig ebenso wie diese als universal owners zu qualifizie-

CDU, CSU und SPD vom 11.11.2005, S. 83: „IV. 1. [. . .] Die zusätzliche Altersvorsorge muss künftig einen noch höheren Stellenwert erhalten um den im Berufsleben erreichten Lebensstandard auch im Alter aufrechterhalten zu können.“, abrufbar unter http:// www.bundestag.de/aktuell/archiv/2005/koalition/vertrag.pdf. 130 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz – AVmG) vom 26.06.2001, BGBl. I 1310 . 131 VO vom 21.12.2001 auf Grundlage von § 115 Abs. 2 Satz 1 VAG, BGBl. I 4185. 132 Nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 der VO kann eine Anlage des gebundenen Vermögens auch in Aktien eines Emittenten mit Sitz in einem Staat des EWR erfolgen, wenn dem Pensionsfonds der letzte geprüfte Jahresabschluss zur Verfügung gestellt wird und der Emittent sich verpflichtet, auch künftig zu jedem Bilanzstichtag einen derartigen Jahresabschluss vorzulegen. 133 Diese Einschätzung wird auch von der durch den Bundestag eingesetzten Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten“ geteilt, vgl. BT-Drs. 14/6910: „Als Folge der Einführung der kapitalgedeckten Rente werden in naher Zukunft auch in Deutschland Pensionsfonds eine größere Rolle als bisher in ihrer Eigenschaft als Shareholders spielen.“; anders noch Schneider, AG 1990, 317, 320; skeptisch auch Riedel/Schneeweiß, Aktives Aktionärstum, S. 13; speziell zu den Chancen und Risiken des Pensionsfondsaktivismus für die Corporate Governance deutscher Aktiengesellschaften Prigge/Steenbock, ZfB 72 (2002), 777. 134 Vgl. Terliesner, Stefan, „Schritt für Schritt entfesselt der Gesetzgeber den Pensionsfonds“, Börsenzeitung vom 18.04.2008, S. 2. 135 Dazu bereits § 3 C. II. Zur Vorreiterrolle von CalPERS Cleis, Andreas, „Die grossen Pensionskassen der USA als notorische Störenfriede“, Neue Zürcher Zeitung vom 19.05.2005, S. 29; Rieken, Uwe, „Institutionelle sollen aktiv Einfluss nehmen“, Börsenzeitung vom 24.05.2005, S. 8. Zur Situation in Großbritannien ausf. die im Januar 2004

§ 10 Zukünftige Perspektiven des sozial-ökologischen Aktionärsengagements 351

ren, in deren wohlverstandenem Eigeninteresse die Berücksichtigung sozial-ökologischer Kriterien liegt. Die rechtlichen Möglichkeiten für dieses Engagement bestehen jedenfalls schon heute.136 VII. Impulse durch Berichtspflichten im AltZertG und VAG? Nur geringe Auswirkungen dürften hingegen einige Regelungen besitzen, die der deutsche Gesetzgeber zur Förderung sozial-ökologischer Anlageformen verabschiedet hat. Im Einzelnen geht es dabei um die im AltersvorsorgeverträgeZertifizierungsgesetz und im Versicherungsaufsichtsgesetz vorgesehenen sozialökologischen Berichtspflichten für Pensionsfonds und Anbieter von Altersvorsorgeverträgen (sog. Riester-Produkte), die durch das Altersvermögensgesetz137 eingeführt wurden. Nach der ab dem 01.01.2002 geltenden, ursprünglichen Fassung des § 115 Abs. 4 VAG war jeder Pensionsfonds verpflichtet, die Versorgungsberechtigten schriftlich darüber informieren, ob und wie er ethische, soziale und ökologische Belange bei der Verwendung der eingezahlten Beiträge berücksichtigt. Gleiches galt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 9 AltZertG138 für den Anbieter eines Altersvorsorgevertrags. Durch diese Gesetzespassagen, die erst im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung auf Betreiben der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen139 im Entwurf verankert wurden, sollte Transparenz für die Anleger geschaffen und dem Gedan-

erschienene Studie Just Pensions (Hrsg.), Will UK Pension Funds Become More Responsible?. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass britische Pensionsfonds zunehmend soziale und ökologische Aspekte in ihrer Anlagestrategie berücksichtigen. 54 % der befragten 130 Fondsmanager planten danach eine verstärkte Ausübung von Aktionärsrechten, während nur 30 % bzw. 23 % die Anwendung positiver Auswahl- oder negativer Ausschlusskriterien favorisierten. Ähnlich stellt sich die Situation in der Schweiz dar, vgl. Kuhn, Reto, „Aus dem Dornröschenschlaf erwacht – Schweizer Pensionskassen als aktive Aktionäre“, Neue Zürcher Zeitung vom 19.05.2005, S. 29; ausf. zu den Einflussmöglichkeiten des Großaktionärs in schweizerischen Publikumsgesellschaften Kaczynski, Der aktive Grossaktionär in der Publikumsgesellschaft, S. 63 ff.; zurückhaltend aber noch Auckenthaler/Suter, Der Schweizer Treuhänder 2000, 435, 438 sowie Olgiati/ Kindler, Der Schweizer Treuhänder 2002, 1065, 1070; Schobinger, Shareholder Activism, S. 62 f. Auch in den Niederlanden treten Pensionsfonds als aktive Aktionäre auf. Vorreiter ist hier der Pensionsfonds PGGM (http://www.pggm.nl/), der mit einem Volumen von rund 60 Mrd. EUR die Interessen von etwa 1,6 Mio. Arbeitnehmern des Sozial- und Gesundheitssektors vertritt. 136 Vgl. ausf. zur Vereinbarkeit von nachhaltigkeitsorientiertem Aktionärsengagement mit der gesetzlichen Pflichtenbindung der Pensionsfondsverwaltung UNEP/Freshfields, Legal Framework, S. 63 ff. 137 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz – AVmG) vom 26.06.2001, BGBl. I 1310. 138 In Kraft getreten am 01.08.2001, vgl. Art. 35 Abs. 5 Satz 1 AVmG. 139 Vgl. dazu Das Parlament vom 02.02.2001, S. 5 ff.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

ken des nachhaltigen Wirtschaftens in der Altersvorsorge Rechnung getragen werden.140 In der Praxis erwies sich die Einführung dieser Offenlegungspflicht jedoch als weitgehend wirkungslos, da die BaFin als zuständige Aufsichtsbehörde eine regelmäßige Berichterstattung nur von solchen Pensionsfonds und Anbietern von Vorsorgeprodukten forderte, die eine Anwendung sozialer, ethischer und ökologischer Kriterien nicht von vornherein ausschlossen.141 Der Gesetzgeber reagierte auf diese von ihm als Umgehung gewertete Praxis142 durch eine Überarbeitung der entsprechenden Vorschriften: Nach der aktuellen, am 01.01.2005 in Kraft getretenen Fassung des AltZertG muss der Anbieter die fraglichen Informationen nun ohne Ausnahme vor Vertragsschluss (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 AltZertG) sowie „im Rahmen der jährlichen Berichterstattung“ (§ 7 Abs. 4 AltZertG) offenlegen.143 Auch Pensionsfonds müssen ihre Versorgungsberechtigten nunmehr grundsätzlich schriftlich vor Vertragsschluss sowie jährlich informieren.144 In der Sache ist damit allerdings wenig gewonnen: Zum einen erschwert die Unbestimmtheit der offenlegungspflichtigen Tatsachen die Vergleichbarkeit verschiedener Altersvorsorgeprodukte. Weder im Gesetzestext noch in den Gesetzesmaterialien werden die ethischen, sozialen und ökologischen Belange konkretisiert. Nach Ansicht der BaFin bietet auch der Begriff des nachhaltigen Wirtschaftens nur Anhaltspunkte, ohne dass sich daraus eine objektive Definition ableiten lasse.145 Deshalb werden die jährlichen Darstellungen von der Zertifizierungsstelle solange nicht beanstandet, wie der Anbieter seine Bewertungskriterien für den Vertragspartner transparent gestaltet und diese Einschätzung nicht evident sachwidrig erscheint. Zum anderen zeigten Studien zumindest in der Vergangenheit, dass die Anbieter von Altersvorsorgeprodukten – dem allgemeinen Trend zum Trotz – dem sozial-verantwortlichem Investieren reserviert gegenüberstehen.146 Die im VAG und AltZertG vorgesehenen Berichtspflichten sind deshalb eher als ein programmatisches Bekenntnis des Gesetzgebers zum Prinzip der

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Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drs. 14/5150, S. 23 f. Vgl. BT-Drs. 15/5618, S. 11; Hamm, Maßnahmen zur Stärkung von SRI, S.29. 142 BT-Drs. 15/5618, S. 11. 143 Ergänzung durch das Gesetz zur Neuordnung der einkommenssteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz – AltEinkG) vom 05.07.2004, BGBl. I 1427; vgl. dazu auch den Bericht des Finanzausschusses BT-Drs. 15/3004, S. 14: Der Antrag der Fraktion der FDP, auf die Berichterstattungspflicht gänzlich zu verzichten und statt dessen darauf zu vertrauen, dass der interessierte Kunde bei einem Anbieter abschließe, der diese Informationen auf freiwilliger Basis liefert, fand keine Mehrheit. 144 Neufassung durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 29.08.2005, BGBl. I 2546; gemäß Art. 5 in Kraft seit 02.09.2005. 145 BaFin, AltZertG, S. 34. 146 Meyer/Claes, ZVersWiss 2003, 249, 264 ff.; Reifner/Tiffe, Riester-Rente, S. 85. 141

§ 11 Gegenantragsrecht, Auskunftsrecht und Rederecht

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nachhaltigen Vermögensanlage zu verstehen147, ohne dass davon ein deutlicher Impuls zugunsten einer Stärkung sozial-ökologischer Kapitalmarktprodukte zu erwarten wäre.148 VIII. Fazit Das Urteil über die Perspektiven des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagements in Deutschland fällt äußerst ambivalent aus. Einerseits wird kritisches Aktionärsverhalten in Hauptversammlungen heute eher akzeptiert als noch vor 20 Jahren. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Hauptversammlungsteilnahme ausländischer Aktionäre haben sich erheblich verbessert. Andererseits existiert in Deutschland – anders als in den Vereinigten Staaten – keine gewachsene Aktienkultur. Die Finanzmarktkrise hat die ohnehin nur schwach ausgeprägte Akzeptanz der Aktie als Form der Vermögensanlage stark beschädigt.149 Private Kleinaktionäre und Nichtregierungsorganisationen werden deshalb auch weiterhin nur in geringem Umfang Aktionärsaktivismus betreiben. Wesentliche Impulse könnten hingegen von institutionellen Anlegern aus dem Ausland, von inländischen Pensionsfonds und kirchlichen Anlegern ausgehen.

§ 11 Gegenantragsrecht, Auskunftsrecht und Rederecht als Instrumente zur Erzeugung und Distribution nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformationen Aus der vorangegangenen Schilderung ist bereits deutlich geworden, dass sich nachhaltigkeitsorientiertes Aktionärsengagement in Deutschland auf die Ausübung mehrerer Rechte stützt. In der Praxis werden sowohl das Gegenantragsrecht, das Auskunftsrecht als auch das Rederecht ausgeübt, um soziale und ökologische Anliegen zu thematisieren. Dieser faktische Befund entbindet allerdings nicht von der Aufgabe, die aktienrechtliche Zulässigkeit der Ausübung dieser Rechte zu untersuchen. Dies soll im Folgenden geschehen. 147 Ähnlich Präve, VW 2001, 795, 796: mehr politischer Programmsatz als wirklicher Vertragsinhalt. 148 So auch das Fazit von Meyer/Claes, ZVersWiss 2003, 249, 271; optimistischer dagegen Hamm, Maßnahmen zur Stärkung von SRI, S. 29. 149 So Jäger, NZG 2009, 570. Vgl. auch Leven, AG 2011, R54 (Ende 2010: 8,2 Mio. Anleger in Aktien oder Aktienfonds investiert, Aktionärsquote von 12,6 %); o.A., „Immer weniger Deutsche besitzen Aktien“, Börsenzeitung vom 15.01.2010, S. 17 (Ende 2009: 8,8 Mio. Anleger in Aktien oder Aktienfonds investiert, Aktionärsquote von 13,6 %); o.A., „Zahl der Aktionäre schrumpft dramatisch“, Börsenzeitung vom 06.08. 2009, S. 1; o.A., „Private meiden Investments in Aktien“, Börsenzeitung vom 06.08. 2009, S. 17 (Mitte 2009: 3,39 Mio. Anleger in Aktien investiert; geringster Stand seit 1988; gemessen an Rekordstand von 2000 Rückgang von 45,4 %).

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

Ausgangspunkt der Darstellung wird dabei das in § 126 AktG verankerte Gegenantragsrecht sein, das von den hier untersuchten Aktionärsrechten wohl noch am ehesten mit dem US-amerikanischen Aktionärsantragsrecht vergleichbar ist (vgl. unten A.). In diesem Zusammenhang werden – soweit dies möglich ist – nicht nur die rechtlichen Voraussetzungen beider Antragsrechte einer vergleichenden Betrachtung unterzogen (unten A. I.) und die zumindest mittelbare Vorbildwirkung der Rule 14a-8 bei der Schaffung des § 126 AktG herausgearbeitet (unten A. II.), sondern auch ein funktionaler Vergleich von Antragsrecht und Gegenantragsrecht angestrengt (unten A. III.). Anschließend widmet sich die Untersuchung der Frage, in wie weit sich durch die Ausübung des Auskunftsrechts (§ 131 AktG) nachhaltigkeitsbezogene Unternehmensinformationen erzeugen lassen (vgl. unten B. I.–II.). In diesem Zusammenhang wird die Effektivität des Auskunftsrechts als Instrument der Informationserzeugung untersucht und mit der Informationserzeugungsfunktion der Rule 14a-8 verglichen (unten B. III.). Hieran schließt sich eine Darstellung der Voraussetzungen des Rederechts (vgl. unten C. I.–II.) und seiner Effektivität als Distributionsinstrument für nachhaltigkeitsbezogene Informationen (unten C. III.) an.

A. Das Recht auf Zugänglichmachung von Gegenanträgen Beabsichtigt der Aktionär einer deutschen Aktiengesellschaft die Thematisierung sozial-ökologischer Aspekte der Geschäftstätigkeit, so scheint ihm das Aktienrecht auf den ersten Blick mit § 126 AktG ein dem US-amerikanischen Aktionärsantragsrecht vergleichbares Instrument an die Hand zu geben, mit dem er im Vorfeld der Hauptversammlung kostengünstig für sein Anliegen werben kann. § 126 Abs. 1 Satz 1 AktG verpflichtet die Gesellschaft zur Zugänglichmachung von Aktionärsanträgen einschließlich des Namens des Antragstellers, der Begründung und einer etwaigen Stellungnahme der Verwaltung.150 Dazu muss der Aktionär mindestens 14 Tage151 vor dem Hauptversammlungstermin einen Antrag gegen einen Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat zu einem bestimmten Punkt der Tagesordnung mit Begründung an die Gesellschaft übersandt haben. Von diesem Recht wird in der Praxis rege Gebrauch gemacht, wobei die Bedeutung des Gegenantragsrechts mit zunehmender Größe der betroffenen Gesellschaft steigt.152 Der Kreis der für den überwiegenden Teil der Gegenanträge ver-

150 Formal wird ein Gegenantrag erst in der Hauptversammlung „gestellt“. Im Vorfeld der Aktionärstreffens erfolgt lediglich die Ankündigung und ggf. die Zugänglichmachung des Antrags. So zutr. Göhmann, in: Henn/Frodermann/Jannott, Handbuch des Aktienrechts, 9.117 (S. 477) unter Verweis auf den Wortlaut von § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AktG. 151 Die Formulierung geht zurück auf Art. 1 Nr. 15 a) des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 30.06.2009, BGBl. I 2479, mit dem die zuvor geltende Zwei-Wochen-Frist aufgehoben wurde.

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antwortlichen Antragsteller ist überschaubar; gemeinwohlorientierte Aktionärsaktivisten gehören aber seit Jahrzehnten dazu.153 Bereits einem zweiten Blick auf § 126 AktG kann jedoch ein fundamentaler Unterschied zum amerikanischen Aktionärsantragsrecht nicht verborgen bleiben: Im deutschen Recht muss der Aktionärsantrag einem Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat (§ 124 Abs. 3 AktG) widersprechen; er wird damit zum bloßen Annex des Verwaltungsvorschlags degradiert.154 Ein Recht auf Zugänglichmachung sonstiger Aktionärsanträge besteht nicht.155 Durch die zwingende Kopplung des Gegenantrags an einen Vorschlag der Verwaltung ist das Antragsrecht des Aktionärs im deutschen Aktienrecht somit stark beschränkt. Einen gänzlich anderen Ansatz wählt hingegen das US-amerikanische Recht: Nach Rule 14a-8 (i)(9) ist ein Aktionärsantrag überhaupt nur dann veröffentlichungspflichtig, wenn er zu keinem der Verwaltungsvorschläge in Widerspruch steht und er somit gerade nicht als Gegenantrag zu qualifizieren ist. In Anbetracht dieser unterschiedlichen Ausgangslage darf sich die Untersuchung im Folgenden nicht allein auf einen schlichten Vergleich der rechtlichen Voraussetzungen von Gegenantragsrecht und Aktionärsantragsrecht beschränken (unten I.). Vielmehr muss in einem weiteren Schritt auch ein Vergleich auf funktionaler Ebene gewagt und die Effektivität des Gegenantragsrechts als Instrument des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivismus herausgearbeitet werden (unten II.). I. Voraussetzungen der Veröffentlichungspflicht 1. Gegenantragsberechtigung Nicht anders als im US-amerikanischen Recht ist die Berechtigung zur Stellung des Gegenantrags mit der Aktionärsstellung verknüpft. Der Gegenantrag muss nur dann zugänglich gemacht werden, wenn der Antragsteller im Zeitpunkt des Antragseingangs bei der Gesellschaft Aktionär derselben ist oder als im Aktienregister eingetragener Namensaktionär als solcher angesehen wird.156 Dem 152 Vgl. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 2; Noack/Zetzsche, in: KölnKomm. AktG, § 126 Rn. 4. 153 Sünner, AG 2000, 492, 494 f. identifiziert drei Gruppen von Antragstellern: (1) Aktionärsopponenten, die die Verwaltung zu Rechtsverstößen verleiten wollen, um Anfechtungsklage erheben zu können; (2) berufsmäßige Gegenantragsteller, die die Hauptversammlung als „Darlegungsplattform“ ihrer „meist weltverbesserischen Ansichten“ nutzen wollen; (3) Selbstdarsteller und „verkappte Volksbelustiger“. 154 Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 8. 155 Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit lediglich beratender Anträge (dazu jetzt Fleischer, AG 2010, 685 ff.) steht diesen in praktischer Hinsicht § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG entgegen, vgl. Roth/Fitz, 30 Hast. L. J. 1433, 1447 (1979). Vgl. auch Göhmann, in: Henn/Frodermann/Jannott, Handbuch des Aktienrechts, 9.170 ff. (S. 495 f.), siehe dort auch zu den eng beschränkten Möglichkeiten des Aktionärs einer deutschen AG, „Saalvorschläge“ (Präsenzanträge) zu stellen.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

Aktionär obliegt dabei der Nachweis seiner Aktionärsstellung, soweit diese der Gesellschaft nicht bereits bekannt ist.157 Der Nachweis kann durch die Vorlage von (fotokopierten) Aktienurkunden oder durch eine zeitnah ausgestellte Bescheinigung eines Kreditinstituts erfolgen, wobei die Gesellschaft an die Authentizität des Nachweises keine allzu hohen Anforderungen stellen darf.158 Im Grundsatz gleicht die deutsche Handhabung des Berechtigungsnachweises damit der Regelung des Rule 14a-8 (b)(2), die im Falle der Antragstellung eines beneficial owners eine schriftliche Bescheinigung des record owners verlangt, wenn die Beteiligung des beneficial owners die Schwelle von 5 % unterschreitet.159 Trotz dieser Ähnlichkeit der Antragsberechtigung im Ausgangspunkt zeigen sich im Übrigen aber deutliche Abweichungen. a) Kein Mindestaktienbesitz- und Mindesthaltedauererfordernis Am auffälligsten ist dabei der Verzicht auf das Erfordernis eines Mindestaktienbesitzes und eine bestimmte Mindesthaltedauer, wie sie in Rule 14a-8 (b)(1) Satz 1 festgelegt sind.160 Zwar wurde eine Verknüpfung des Gegenantragsrechts mit der Größe und Dauer des Anteilsbesitzes zur Eindämmung eines tatsächlichen oder bloß vermeintlichen Missbrauchs des Gegenantragsrechts auch in Deutschland diskutiert, wovon die Beratungen der Regierungskommission Corporate Governance in den Jahren 2000/01 Zeugnis geben.161 Die Einführung eines Mindestbesitzerfordernisses und einer Mindesthaltedauer wurde aber sowohl von der Regierungskommission wie auch anschließend vom Gesetzgeber abgelehnt, weil dem Missbrauch auf andere Weise begegnet werden könne162 und ansonsten zum Schaden der Aktionäre überreagiert werden würde163. Dieser Einschätzung ist angesichts der geschichtlichen Erfahrungen mit derartigen Ein156

Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 3. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 6. 158 Eine Orientierung dürfte hierzu § 123 Abs. 3 Satz 2 AktG bieten, der bei börsennotierten Gesellschaften zum Nachweis der Berechtigung zur Hauptversammlungsteilnahme einen in Textform (§ 126b BGB) erstellten besonderen Nachweis des Anteilsbesitzes durch das depotführende Institut ausreichen lässt. 159 Vgl. dazu § 7 B. I. 6. 160 Vgl. Williamowski, in: Spindler/Stilz, AktG, § 126 Rn. 5 sowie ausf. § 6 D. II. 3. a) aa) und § 7 B. I. 2. 161 Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 100 ff. = BT-Drs. 14/7515, Rn. 100 ff., wo allerdings die Reform der Rule 14a-8 von 1998 übersehen wurde und deshalb fälschlicherweise davon ausgegangen wird, dass die Antragsberechtigung schon bei einem Aktienbesitz im Marktwert von 1.000 $ gegeben ist, vgl. aber § 6 E. II. 2. c) aa) und § 7 B. I. 3. 162 Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 102 = BT-Drs. 14/7515, Rn. 102. 163 So der RegE eines Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität, BR-Drs. 109/02, S. 47. 157

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schränkungen in den USA uneingeschränkt zuzustimmen. Wie bereits gezeigt wurde, vermochte die Einführung des Mindestbesitzerfordernisses und der Mindesthaltedauer durch die Reform von 1983 die Zahl der zur Abstimmung gestellten Anträge nur für einen kurzen Zeitraum eindämmen und führte lediglich zum Ausschluss der Kleinstaktionäre vom innergesellschaftlichen Konsultationsprozess.164 Deshalb sollte auch künftig – gerade unter dem Eindruck einer sich im Recht der Beschlussanfechtung andeutenden gegenläufigen Tendenz165 – darauf verzichtet werden, zusätzliche Hürden für die Berechtigung zur Stellung eines Gegenantrags zu errichten. b) Keine Verknüpfung der Antragsbefugnis mit dem Stimmrecht Ein weiterer Unterschied besteht in der fehlenden Verknüpfung der Antragsbefugnis mit dem Stimmrecht des Aktionärs: Während nach Rule 14a-8 (b)(1) Satz 1 die Veröffentlichungspflicht nur dann besteht, wenn dem Antragsteller gerade zu dem zur Abstimmung gestellten Antragsgegenstand Stimmrechte zustehen, können Gegenanträge auch von Aktionären gestellt werden, die einem Stimmrechtsausschluss unterliegen oder nur stimmrechtslose Vorzugsaktien innehaben.166 Hierfür spricht, dass vom Antragsteller kein gegenantragskonformes Abstimmungshalten erwartet wird. Vielmehr reicht schon die Absicht aus, andere Aktionäre zur Unterstützung des Gegenantrags zu veranlassen. c) Kein ununterbrochener Aktienbesitz nach Antragstellung Im Gegensatz zum US-amerikanischen Recht (Rule 14a-8 (b)(1) Satz 2) fordert der Wortlaut des § 126 AktG schließlich auch nicht, dass der Antragssteller vom Zeitpunkt des Zugangs des Gegenantrags an bis zur Hauptversammlung ununterbrochen Aktionär der Gesellschaft geblieben ist. Eine derartige Einschränkung ist aber auch nicht geboten, da sie im Zusammenhang mit der im amerikanischen Recht bestehenden Mindesthaltedauer und dem Mindestbesitzerfordernis zu sehen ist. Durch die Anordnung der ununterbrochenen Aktieninhaberschaft soll verhindert werden, dass der Antragsteller seinen Aktienbesitz unmittelbar nach dem Zugang des Antrags bei der Gesellschaft reduziert und so die Effekti-

164 Vgl. § 6 D. II. 3. c). Siehe auch Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 208, der unter Verweis auf Planitz, Stimmrechtsaktie, S. 59, die Verknüpfung von Individualrechten mit bestimmten Mindestbesitzerfordernissen als wirkungslos und „bloßen Paragraphenzaun“ bezeichnet, „dessen Übersteigung dem kühnen Kletterer geradezu eine Frage des Prestiges“ ist. 165 Vgl. dazu das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 30.06.2009, BGBl. I 2479 sowie den RegE, BT-Drs. 16/11642, S. 29, 61 ff. 166 Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 3; Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 2.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

vität der von den Mindestvoraussetzungen ausgehenden Abschreckungswirkung geschmälert wird. 2. Form des Gegenantrags § 126 AktG stellt für die Form des Gegenantrags keine besonderen Anforderungen auf. Deshalb kann die Übermittlung des Gegenantrags nicht nur in Schriftform (§ 126 BGB), sondern auch mittels Fernschreiben, Telefax und EMail erfolgen.167 Insoweit bestehen keine Unterschiede zum amerikanischen Recht.168 3. Gegenantragsfrist Gegenanträge sind gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 AktG veröffentlichungspflichtig, wenn sie spätestens 14 Tage vor dem Tag der Hauptversammlung bei der Gesellschaft eingehen. Die durch das TransPuG zum 01.01.2003 eingeführte Zweiwochenfrist, die durch das ARUG in eine Frist von 14 Tagen abgeändert wurde169, stellt eine erhebliche Erleichterung für opponierende Aktionäre dar, die ihren Antrag bis dahin binnen einer Woche nach Einberufung stellen mussten (§ 126 Abs. 1 Satz 1 AktG a. F.). Die Verlängerung der Gegenantragsfrist war eine Folge des Wegfalls der schwerfälligen Versendung in gedruckter Form nach § 125 Abs. 1 AktG a. F. und der Einführung der rasch und unkompliziert zu bewerkstelligenden „Zugänglichmachung“ auf elektronischem Wege nach § 126 Abs. 1 Satz 1 AktG.170 Demgegenüber stellt das US-amerikanische Recht bei der Berechnung der Antragsfrist nicht auf den Termin der Hauptversammlung, sondern auf die Versendung der Stimmrechtsunterlagen im vorangegangenen Jahr ab. Der spätestmögliche Zeitpunkt der Antragstellung liegt heute nach mehreren Modifikationen171 im Grundsatz 120 Tage vor dem Termin der letztjährigen Versendung der proxy materials.172 Auf den ersten Blick scheint die amerikanische Fristenregelung für 167 Vgl. im Einzelnen Hüffer, § 126 Rn. 4; Williamowski, in: Spindler/Stilz, AktG, § 126 Rn. 6. 168 Vgl. Rule 14a-8 (e)(1) Satz 3: „In order to avoid controversy, shareholders should submit their proposals by means, including electronic means, that permit them to prove the date of delivery.“ 169 Vgl. Art. 1 Nr. 15a des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 30.06.2009, BGBl. I 2479 sowie den RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BT-Drs. 16/11642, S. 31. 170 RegE eines Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz), BT-Drs. 14/8769, S. 20. 171 Zur Entwicklung der Antragsfrist bereits § 6 B. IX., § 6 C. III. 1. b) und § 6 C. IV. 2. a). 172 Vgl. § 7 B. III.

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die Aktionäre nachteilig zu sein, da sie die Willensbildung und die Kommunikation über Vorkommnisse abschneidet oder doch zumindest erschwert, die innerhalb eines knappen Halbjahreszeitraums vor dem Hauptversammlungstermin liegen. Dagegen ist zunächst einzuwenden, dass sich die innergesellschaftliche Willensbildung der börsennotierten corporation rein faktisch bereits im Zuge der Stimmrechtseinwerbung vollzieht173, so dass der nach dem Versenden der proxy materials bis zum Hauptversammlungstermin verstreichende Zeitraum ohnehin nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt. Ungeachtet dessen darf auch die 120Tages-Frist nicht pauschal als Schlechterstellung von Antragstellern in den USA gegenüber Opponenten in Deutschland abgetan werden. Es gilt zu bedenken, dass im Falle einer verweigerten Antragsveröffentlichung eine obligatorische Vorlagepflicht der Gesellschaft an die SEC ausgelöst wird. Erst die großzügig bemessene Frist ermöglicht der Aufsichtsbehörde eine sorgfältige Prüfung der Vereinbarkeit des Antrags mit den proxy rules. Das Risiko einer Übervorteilung des Antragstellers durch die Gesellschaft wird auf diese Weise von vornherein minimiert. 4. Keine Beschränkung auf einen Gegenantrag Eine Beschränkung des Aktionärs auf einen Gegenantrag, wie sie Rule 14a-8 kennt174, ist dem deutschen Aktienrecht fremd. Weniger deutlich geht aus § 126 AktG aber hervor, wie viele Gegenanträge ein Aktionär tatsächlich stellen kann. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass dem Aktionär zumindest das Recht zusteht, zu jedem einzelnen Verwaltungsvorschlag einen Gegenantrag einzureichen. Darüber hinausgehend stellt sich jedoch die Frage, ob ein Aktionär auch zu ein und demselben Tagesordnungspunkt mehrere Gegenanträge stellen kann: Kann etwa ein Nachhaltigkeitsfonds einen auf Nichtentlastung des Vorstandes gerichteten Gegenantrag stellen, der mit der Geschäftstätigkeit in einem diktatorisch regierten Staat begründet wird, wenn der Fonds zuvor in einem anderen Gegenantrag bereits die Nichtentlastung aufgrund von Verstößen gegen umweltrechtliche Vorschriften beantragt hat? Der Wortlaut des § 126 AktG scheint einem solchen Vorgehen entgegenzustehen. Denn Abs. 1 Satz 1 spricht von „eine[m] Gegenantrag gegen einen Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat zu einem bestimmten Punkt der Tagesordnung“. Nach Abs. 3 ist der Vorstand zudem berechtigt, Gegenanträge und ihre Begründungen zusammenfassen, wenn sie von mehreren Aktionären zu demselben Gegenstand der Beschlussfassung gestellt worden sind. Dass der Normwortlaut hier auf Anträge mehrerer Aktionäre abstellt und dabei Anträge eines Aktionärs zu demselben Gegenstand der Beschlussfassung unerwähnt lässt, könnte als Indiz für die Beschränkung des Aktionärs auf nur einen Gegenantrag zu jedem Verwaltungsvorschlag gewertet werden. Dafür spräche 173 174

Vgl. schon § 6 B. II. 1. Vgl. dazu § 7 B. II.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

auch der historische und der gegenwärtige Normzweck des § 126 Abs. 3 AktG, der einst zur Begrenzung der Kosten der Gesellschaft eingefügt wurde175, heute angesichts der gesunkenen Kostenlast, die die Möglichkeit einer Veröffentlichung im Internet mit sich gebracht hat, aber eher in der Bündelung der Interessen der Antragsteller und in der Verhinderung einer Informationsüberflutung der Aktionäre zu sehen ist. Obwohl sich diese Normzwecke zwanglos auf den Fall übertragen ließen, dass ein Aktionär einem Verwaltungsvorschlag mit mehreren Anträgen widerspricht, spart das Gesetz diese Konstellation aus. Gegen das Recht, mehrere Gegenanträge zu einem Verwaltungsvorschlag zu stellen, könnte schließlich auch § 126 Abs. 2 Satz 2 AktG sprechen. Danach braucht die Begründung des Gegenantrags nicht zugänglich gemacht werden, wenn sie insgesamt mehr als 5.000 Zeichen beträgt. Der Gesetzgeber zeigt damit, dass er Gegenantrag und Begründung zwar grundsätzlich gleich behandelt und der Pflicht zur Zugänglichmachung unterwirft (§ 126 Abs. 1 Satz 1 AktG). Letztlich ist es aber der Gegenantrag selbst, der im Zentrum der Veröffentlichungspflicht steht. Der ursprüngliche Gegenantrag und der nachgeschobene Gegenantrag sind aber identisch. Die Veröffentlichung mehrerer identischer Gegenanträge würde ohne die jeweiligen Begründungen aber keinen Sinn ergeben und könnte deshalb unzulässig sein. Mit dem zuletzt aufgeführten Argument ist allerdings auch ein Weg gewiesen, auf dem sich die Veröffentlichung mehrerer Anträge zum gleichen Tagesordnungspunkt rechtfertigen lässt. Denn die Nichtveröffentlichung eines Gegenantrags aufgrund der Identität des Antragsziels würde zur Schaffung eines neuen Ausschlusstatbestandes führen. Der Gesetzgeber hat in § 126 Abs. 2 Nr. 5 AktG aber die eindeutige Entscheidung getroffen, dass ein Unterlassen der Zugänglichmachung nur bei Antrags- und Begründungsidentität und nur unter den weiteren dort normierten Voraussetzungen möglich sein soll. Der hier diskutierte Fall ist davon ersichtlich nicht erfasst. Nach einhelliger Meinung sind die Tatbestände des § 126 Abs. 2 AktG abschließend und eng auszulegen.176 Der in Nr. 5 zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers ist deshalb zu respektieren. Demgegenüber hat die Wortlautauslegung des § 126 Abs. 1 AktG zurückzutreten, zumal sie bei engem Verständnis zu dem ungewollten Ergebnis führen würde, dass jeder Aktionär pro Hauptversammlung überhaupt nur einen Gegenantrag stellen dürfte. Trotz des abschließenden Charakters des § 126 Abs. 2 Satz 1 AktG darf das Recht zur Stellung mehrerer Anträge aber nicht zu einer Umgehung der in § 126 Abs. 2 Satz 2 AktG festgelegten Begründungshöchstlänge führen. Ließe man es zu, dass der erste Nichtentlastungsantrag mit den Arbeitsbedingungen der Be175

Vgl. Kropff (Hrsg.), AktG, S. 179. LG Frankfurt a. M., AG 1992, 235, 236; Hüffer, § 126 Rn. 8; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 22. 176

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schäftigten einer Tochterfirma in Laos, der zweite Nichtentlastungsantrag mit den Beschäftigungsbedingungen in Burma und ein dritter mit den Bedingungen in Malaysia begründet wird, so wäre die gesetzlich festgelegte Begründungshöchstlänge bloße Makulatur. Sollte die Umgehungsabsicht wie im obigen Fall ohne weiteres erkennbar sein, so wird man die Anträge als Einheit betrachten müssen, deren (einheitliche) Begründung § 126 Abs. 2 Satz 2 AktG genügen muss.177 Die praktische Bedeutung dieser Fallgestaltungen dürfte im Zusammenhang mit nachhaltigkeitsorientierten Anträgen allerdings gering sein, da mit der Aufspaltung der Vorwürfe potentiell auch eine Aufspaltung des Unterstützerkreises verbunden ist, die von den Antragstellern kaum intendiert sein dürfte. 5. Länge der Antragsbegründung Will der Gegenantragsteller sichergehen, dass der Gegenantrag zusammen mit der Begründung seinen Mitaktionären zugänglich gemacht wird, so muss er sich bei der Formulierung der Begründung auf höchstens 5.000 Zeichen beschränken, § 126 Abs. 2 Satz 2 AktG. Die Höchstlänge in ihrer heutigen Form wurde auf Anregung des Rechtsausschusses178 im Gesetzgebungsverfahren des TransPuG179 eingeführt und trat an die Stelle der früheren Höchstlänge von 100 Worten. Die neue Obergrenze entspricht etwa zwei Schreibmaschinenseiten oder 600 bis 700 Worten, was gegenüber der früheren Regelung eine deutliche Vergünstigung darstellt.180 Die Anhebung der Höchstgrenze erschien dem Gesetzgeber aufgrund der Abkopplung des für Gegenanträge geltenden Veröffentlichungsmodus vom Mitteilungssystem des § 125 AktG gerechtfertigt: „Im Internet ist Platz genug“ 181. Verglichen mit der US-amerikanischen Rechtslage, nach der Aktionärsantrag und supporting statement nicht mehr als 500 Worte umfassen dürfen (Rule 14a-8 (d))182, stellt sich die in § 126 AktG festgelegte Höchstgrenze für den (Gegen-) Antragssteller auf den ersten Blick wesentlich günstiger dar. Die unterschiedliche Behandlung von Internetlinks zeigt jedoch, dass der Vorteil des deutschen Rechts nur ein scheinbarer ist. Möchte ein Aktionär in der Begründung eines shareholder proposals die Adresse einer Internethomepage angeben, auf der sich wei177

So auch Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 91. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz), BT-Drs. 14/9079, S. 6. 179 Art. 1 Nr. 13 b) bb) des Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) vom 19.07. 2002, BGBl. I 2681. 180 Vgl. dazu Seibert, NZG 2002, 608, 611; Noack, BB 2003, 1393, 1393. 181 Seibert, NZG 2002, 608, 611. 182 Vgl. dazu bereits § 7 B. IV. 1. 178

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

tere Argumente zur Stützung seines Antrags befinden, so wird er nach der derzeit gängigen Auslegungspraxis der SEC daran nicht gehindert.183 Demgegenüber wird im Zusammenhang mit § 126 AktG eine Veröffentlichungspflicht für Internetlinks ganz überwiegend184 abgelehnt. Hintergrund dieser unterschiedlichen Behandlung dürfte der Umstand sein, dass der Gegenantragsteller zur Begründung seines Antrags verpflichtet ist185, während ein Aktionärsantrag nach Rule 14a-8 nicht zwingend mit einem supporting statement zu verbinden ist. Die Begründungspflicht des deutschen Rechts zwingt den Aktionär dazu, seine Opposition argumentativ zu untermauern.186 Da Internetlinks nur auf Argumente hinweisen, selbst aber kein die Opposition stützendes Argument darstellen, unterfallen sie nicht der Veröffentlichungspflicht. Ein theoretischer Nachteil der deutschen Regelung besteht zudem darin, dass die Gegenantragsbegründung keine Bilder oder Grafiken enthalten darf.187 Obwohl die Handhabung von Rule 14a-8 auch hier wesentlich liberaler ist188, ist der tatsächliche Nachteil angesichts der marginalen praktischen Bedeutung von Bildelementen in Antragsbegründungen in den USA gering. Betrachtet man die US-amerikanische Regelung schließlich im Gesamtzusammenhang des Aktionärsantragssystems, so erscheint sie überdies auch sachgerecht. Zwar können die proxy materials und mit ihnen die Anträge von Aktionären nun auch kostengünstig im Internet platziert werden, ohne dass eine postalische Übersendung an die Aktionäre erforderlich wäre.189 Die Eindämmung der Druckkosten kann deshalb kaum mehr als Argument für den eng begrenzten Umfang von Antrag und Begründung dienen. Die restriktivere Handhabung rechtfertigt sich aber zum einen durch die Vielzahl von Antragszielen und Antragsgegenständen, die unter dem Regime der Rule 14a-8 als mitteilungspflichtig erachtet werden, und die weit über das nach § 126 AktG veröffentlichungspflichtige hinausgehen. Zum anderen spiegelt sich in ihr die weitaus intensivere Nutzung des Antragsrechts in den USA wider, die zu einer häufigeren Konfrontation der Aktionäre mit Anträgen ihrer Mitaktionäre führt. Um die Aufnahmefähigkeit der zur Vollmachtserteilung aufgerufenen Aktionäre nicht überzustrapazieren 190, ist die

183 Ausf. zum Einstellungswandel der SEC gegenüber Internetlinks in Aktionärsanträgen § 7 B. IV. 2. 184 Hüffer, § 126 Rn. 3; Reger, in: HbgKomm. AktG, § 126 Rn. 11; Stehle, ZIP 2003, 980, 981 f.; a. A. Noack/Zetzsche, in: KölnKomm. AktG, § 126 Rn. 36. 185 Krit. jetzt Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 126 Rn. 13; vgl. aber noch Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 1. Aufl., § 126 Rn. 13. 186 Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 15; Hüffer, AktG, § 126 Rn. 3. 187 Zu diesem Aspekt Pickert/Rappers, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, § 8 Rn. 69 (S. 69). 188 Vgl. § 7 B. IV. 1. 189 Vgl. dazu § 9 E. 190 Diesen Aspekt betont auch Seibert, NZG 2002, 608, 611.

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angeordnete Begrenzung als durchaus sinnvoll zu erachten. Ein grundsätzlicher Nachteil für den US-amerikanischen Aktionär ist darin nicht zu erblicken. 6. Ausnahmen von der Veröffentlichungspflicht Wie das US-amerikanische Recht beinhaltet auch § 126 AktG einen abschließenden Katalog von Tatbeständen, die im Falle ihrer Verwirklichung die Pflicht zur Zugänglichmachung des Gegenantrags entfallen lassen. Dieser Katalog umfasst im deutschen Recht insgesamt sieben Ausnahmetatbestände191 und fällt damit deutlich kürzer aus als sein in Rule 14a-8 (i) geregeltes Pendant. Die meisten der in der shareholder proposal rule zusätzlich normierten Tatbestände finden ihren Grund allerdings in der spezifischen Besonderheit des US-amerikanischen Antragsrechts, nicht an Anträge der Verwaltung gekoppelt zu sein. a) Strafbarkeit des Vorstands Nur geringe praktische Bedeutung hat der in § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AktG normierte Tatbestand, wonach eine Veröffentlichung unterbleiben kann, wenn der Vorstand sich durch das Zugänglichmachen strafbar machen würde.192 Neben den kaum vorkommenden Fällen der Offenlegung eines Staatsgeheimnisses oder die Aufforderung zu strafbaren Handlungen betrifft die Vorschrift vor allem Gegenantragsbegründungen, deren Weiterleitung eine Strafbarkeit des Vorstands wegen Beleidigung oder Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen begründen würde.193 Anders als bei den sonstigen Ausnahmetatbeständen des § 126 Abs. 2 AktG ist die Pflicht zur Zugänglichmachung bei einem Verstoß gegen Nr. 1 nicht gänzlich suspendiert. Vielmehr bleibt die Gesellschaft aufgrund des Wortlauts („soweit“) nach überwiegender Ansicht zur Veröffentlichung verpflichtet, wenn sich die strafbarkeitsbegründenden Passagen des Gegenantrags bzw. seiner Begründung ohne Sinnentstellung streichen lassen.194 Im US-amerikanischen Recht findet der Tatbestand der Strafbarkeit des Vorstands zwar keine unmittelbare, aber doch eine funktionale Entsprechung. Eine 191 Zur aktuellen Diskussion, ob die Ausnahmetatbestände den Vorgaben von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b) der Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. EU Nr. L 184/17 genügen Noack/Zetzsche, in: KölnKomm. AktG, § 126 Rn. 69 f. (Unanwendbarkeit der Nr. 6 und 7) sowie Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 126 Rn. 28 (Unanwendbarkeit der Nr. 3–7). 192 Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 40; Lehmann, Festschrift Quack, S. 287, 293. 193 Vgl. Noack/Zetzsche, in: KölnKomm. AktG, § 126 Rn. 79; Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 40, 42. 194 Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 23; Reger, in: HbgKomm. AktG, § 126 Rn. 15; a. A. Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 43.

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unmittelbare Entsprechung fehlt, da der Tatbestand der Rechtsverletzung (Rule 14a-8 (i) (2)) nicht bereits bei der Veröffentlichung des Aktionärsantrags, sondern erst bei seiner Umsetzung ansetzt. Der von der Norm bezweckte Schutz des Vorstands wird im amerikanischen Recht aber dadurch sichergestellt, dass Rule 14a-8 (l) (2) die Gesellschaft von der zivil- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit für den Inhalt des Antrags und seiner Begründung freistellt. Dabei zeigt eine historische Gesamtschau der Vorgängervorschriften, dass von dieser Freistellung auch das Management der Gesellschaft begünstigt sein soll.195 b) Gesetzes- oder Satzungswidrigkeit des erstrebten Beschlusses Ebenfalls nur einen beschränkten praktischen Anwendungsbereich hat § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG, der die Pflicht zur Zugänglichmachung suspendiert, wenn der Gegenantrag zu einem gesetz- oder satzungswidrigen Beschluss führen würde. Er findet seine Entsprechung in Rule 14a-8 (i)(2)(3).196 Eine Gesetzesoder Satzungswidrigkeit des erstrebten Beschlusses ist dann anzunehmen, wenn der Beschluss nichtig oder anfechtbar ist.197 Im Zusammenhang mit gemeinwohlorientiertem Aktionärsengagement spielt dieser Tatbestand nur bei den teilweise vorkommenden Gegenanträgen zum Beschlussvorschlag „Gewinnverwendung“ eine Rolle. Hier kann sich ein zur Anfechtung berechtigender Rechtsverstoß zum einen aus § 254 Abs. 1 AktG ergeben, durch den bei ausreichender Ertragslage eine Mindestdividende von 4 % gewährleistet wird. Derartige Fälle tauchen in der Praxis freilich selten auf. Weitaus häufiger werden in der Praxis aber Gegenanträge zur Gewinnverwendung gestellt, bei denen der von den Antragstellern vorgeschlagene alternative Verwendungszweck aktienrechtlichen Anforderungen nicht genügt. Insoweit ist zunächst § 119 Abs. 2 AktG zu beachten, der eine Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung für Fragen der Geschäftsführung nur dann eröffnet, wenn der Vorstand es verlangt. Deshalb entfällt die Pflicht zur Zugänglichmachung etwa dann, wenn ein Gegenantrag die Kürzung der Dividende von 10 % auf 5 % und die Verwendung des eingesparten Geldes zur Erforschung alternativer Energien vorschlägt.198 Zulässig wäre jedoch ein Gegenantrag, die Dividende zu kürzen und den eingesparten Betrag den Gewinnrücklagen zuzuweisen, damit der Vorstand die nötigen finanziellen Mittel hat, um 195 Vgl. etwa Rule 14a-7 Satz 2 Hs. 2 (1942): nur Management; Rule 14a-8 (b) (2) Satz 2 (1976): Management und Emittent; Rule 14a-8 (b) (1) Satz 2 (1983): Management und Emittent. Das Schweigen der Gesetzesmaterialien zur Reform von 1998 (SEC Exchange Release No. 34-40,018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29,106 (1998)) spricht dafür, dass trotz des veränderten Wortlauts keine sachliche Änderung eintreten sollte. 196 Vgl. § 7 C. II. 197 Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 24. 198 Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 46; Lehmann, Festschrift Quack, S. 287, 295.

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alternative Energien zu erforschen. Ein solcher Gewinnverwendungsbeschluss beschließt über keine Geschäftsführungsmaßnahme, verpflichtet den Vorstand aber auch nicht zur Forschung, sondern ermächtigt ihn lediglich, der zweckgebundenen199 Gewinnrücklage Forschungsmittel zu entnehmen.200 Eine weitere Schranke bildet schließlich § 58 Abs. 3 AktG, der die Kompetenzen der Hauptversammlung zur Verwendung des Bilanzgewinns regelt. Danach kann die Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluss weitere Beträge in Gewinnrücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen (Satz 1). Fraglich ist dabei, wie die in der Praxis häufig vorkommenden Gegenanträge zu behandeln sind, die einen alternativen Verwendungszweck nennen, ohne die Einstellung des dividendenschmälernden Betrages in eine an diesen Zweck gebundene Gewinnrücklage zu fordern.201 Hier dürfte sich regelmäßig im Wege der Auslegung ergeben, dass eine Einstellung in die Gewinnrücklagen (§ 58 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 AktG) gewollt ist. Eine andere Verwendung als die in § 58 Abs. 3 Satz 1 AktG vorgesehene kann von den Aktionären nur beschlossen werden, wenn sie eine entsprechende Satzungsregelung dazu ermächtigt (§ 58 Abs. 3 Satz 2 AktG). Fehlt diese, so ist etwa ein Beschluss, der eine teilweise Verwendung des Bilanzgewinns für Zuwendungen an Dritte, insbesondere zur Förderung gemeinnütziger Zwecke202, vorsieht, unzulässig. Ein auf einen solchen Beschluss gerichteter Gegenantrag wäre nicht veröffentlichungspflichtig. Ungeachtet dieser eindeutigen gesetzlichen Vorgaben werden in der Praxis – wohl unter Berücksichtigung der zu erwartenden geringen Zustimmungsquoten – aber immer wieder Gegenanträge veröffentlicht, die § 58 AktG nicht genügen. Besonders deutlich wurde dies etwa bei einem Gegenantrag des Förderkreises Rettet die Elbe e. V., in dem von der Hamburger Hafen und Logistik AG eine Ausschüttung von 20 % des Bilanzgewinns in eine zu gründende Stiftung zur Abhilfe von Umweltschäden im Einzugsgebiet der Unterelbe vorgeschlagen wurde. Der Antrag wurde trotz des offensichtlichen Verstoßes gegen § 58 Abs. 3 AktG zugänglich gemacht. Die Ver-

199 Derartige Zweckbindungen werden einhellig für zulässig erachtet, vgl. nur Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 58 Rn. 41; Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 58 Rn. 82. 200 Lehmann, Festschrift Quack, S. 287, 296. 201 Gegenantrag zur Hauptversammlung der RWE AG 2007: „Die Hauptversammlung möge beschließen, dass von der geplanten Dividende je Aktie 2 % einem gemeinnützigen Zweck (wie z. B. der Erhaltung von Baudenkmälern, Unterstützung von Schulen oder sozialen Einrichtungen etc.) zugeführt werden.“; Gegenantrag zur Hauptversammlung der Siemens AG 2004: „Statt Ausschüttung des Bilanzgewinns von Euro 979.952.931,10 eine Reduzierung um ca. 15 % = ca. Euro 146.992,939, die für den Einsatz im umweltfreundlichen alternativen Energie-Sektor (Wind, Solar usw.) eingesetzt werden könnten.“; Hauptversammlung der ThyssenKrupp AG 2002: „Der Gewinn von 308.693.426,40 Euro wird halbiert und eine Hälfte für einen massiven Einstieg in die Produktion von alternativen Energien wie Windkraft, Solar/Photo-Voltaik, WasserKraft, Bio-Masse usw. sowie Energie-Spartechniken.“ 202 Hüffer, AktG, § 58 Rn. 25.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

waltung beschränkte sich darauf, in ihrer Stellungnahme auf die aktienrechtliche Unzulässigkeit des Antrags hinzuweisen.203 c) Falsche, irreführende oder beleidigende Antragsbegründung Nach § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AktG brauchen der Gegenantrag und die Begründung nicht zugänglich gemacht werden, wenn die Begründung in wesentlichen Punkten offensichtlich falsche oder irreführende Angaben oder Beleidigungen204 enthält. Dadurch soll sichergestellt werden, dass das Abstimmungsverhalten der Aktionäre nicht durch unzutreffende Tatsachen beeinflusst wird. Zugleich will der Ausnahmetatbestand verhindern, dass der Vorstand als „Handlanger“ 205 des Opponenten Beleidigungen verbreiten muss.206 Angesichts dieses Normzwecks kann es keinen Unterschied machen, ob die falschen Angaben bzw. Beleidigungen in der Antragsbegründung oder dem Antrag selbst enthalten sind. Der Ausnahmetatbestand ist deshalb über seinen Wortlaut hinaus auch dann anzuwenden, wenn nur der Antrag irreführend oder beleidigend ist.207 Der Zweck der Ausnahme erhellt schließlich auch, dass es für die Beurteilung der Frage, ob der Antrag oder seine Begründung falsche oder irreführende Angaben enthalten, nicht auf die subjektive Sicht des Vorstandes ankommen kann. Maßgeblich ist vielmehr der Standpunkt eines unbefangen urteilenden, mit den Detailverhältnissen nicht vertrauten Lesers.208 Allerdings befreit nicht jede unzutreffende Darstellung von der Pflicht zur Zugänglichmachung, sondern nur die offensichtlich falsche und irreführende, das heißt klar erkennbare und außerhalb jedes vernünftigen Zweifels liegende Darstellung.209 Zudem müssen der Antrag oder die Antragsbegründung in wesentlichen Punkten falsch oder irreführend sein. Dazu muss der Kern210 oder das Wesen211 des Antrags bzw. der Begründung betroffen 203 Vgl. auch den (veröffentlichten) Gegenantrag zur Hauptversammlung der Deutschen Telekom AG 2005: „Ich beantrage eine Kürzung der Bruttodividende um 1 %, und bitte die Aktionäre diesem Antrag zuzustimmen! Zweckbestimmung: Einzahlung in einen Zwangsarbeiterfonds, aus dem ausschließlich deutsche Zwangsarbeiter entschädigt werden. Bis zur vorgenannten Einrichtung, sollten die von der Dividende zur Verfügung gestellten Beträge, auf ein einzurichtendes Treuhandkonto eingezahlt werden!“ 204 Dazu ausf. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 29. 205 So Zöllner, in: KölnKomm. AktG, §§ 125–127 Rn. 16. 206 Vgl. Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 56. 207 Vgl. Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 54; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 27: „Antrag, dem Kriegsverbrecher X die Entlastung zu verweigern“. 208 OLG Düsseldorf, AG 1968, 19, 20; OLG Stuttgart, AG 1995, 236; Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 55; Zöllner, in: KölnKomm. AktG, §§ 125–127 Rn. 19; ähnlich Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 126 Rn. 32, die auf den Durchschnittsaktionär abstellt. 209 Vgl. Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 58. 210 Reger, in: HbgKomm. AktG, § 126 Rn. 18. 211 Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 57.

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sein, was nur dann anzunehmen ist, wenn die Angaben für den Entschluss des Aktionärs, seine Stimme für oder gegen den Gegenantrag abzugeben, von ausschlaggebender Bedeutung sind. Bei der Konkretisierung des Maßstabs ist auch zu berücksichtigen, dass die Verwaltung zu einer Stellungnahme berechtigt ist, in der sie ihre eigene Sichtweise darstellen kann. Deshalb wird der Verwaltung ein gewisses Maß an Toleranz und Großzügigkeit abverlangt212 und ein eher behutsamer Umgang mit dem Tatbestand empfohlen.213 Im US-amerikanischen Recht findet § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AktG seine Entsprechung in Rule 14a-8 (i)(3), der zur Nichtveröffentlichung eines Antrags ermächtigt, wenn dieser oder seine Begründung gegen die proxy rules verstoßen. Hierzu ist insbesondere der Verstoß gegen Rule 14a-9 zu zählen, der die Verbreitung falscher oder irreführender Angaben in den Vollmachtsunterlagen verbietet, wenn diese Angaben wesentlich sind (materially false or misleading).214 Im Gegensatz zum deutschen Recht erstreckt sich bereits der Wortlaut des US-amerikanischen Tatbestands sowohl auf den Antrag als auch auf seine Begründung. Auch ist er aufgrund des Legal Bulletin No. 14B und der langjährigen Entscheidungspraxis der SEC wesentlich deutlicher ausgeformt als sein deutsches Gegenstück. Bei der Konturierung des Anwendungsbereichs wird auch von der SEC die dem Board eröffnete Möglichkeit zur Stellungnahme (opposition statement, Rule 14a8 (m)(3)) betont, so dass Anträge mit umstrittenen, nicht näher erläuterten oder für die Verwaltung unvorteilhaften Tatsachenbehauptungen veröffentlichungspflichtig sind.215 Trotz dieser Ähnlichkeiten der beiden Ausnahmetatbestände besitzt die amerikanische Regelung einen signifikant weiteren Anwendungsbereich: So werden von ihr zum einen auch unklar formulierte oder unbestimmte Anträge erfasst, die nach deutschem Verständnis bereits wegen ihrer mangelnden (Gegen-) Antragsqualität nicht veröffentlichungspflichtig sind.216 Zum anderen verzichtet der US-amerikanische Tatbestand auf das Kriterium der Offensichtlichkeit, so dass nicht nur klar erkennbare, sondern auch subtile Falschangaben und Irreführungen die Veröffentlichungspflicht aufheben. d) Sachverhaltsgleiche Gegenanträge § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG entbindet von der Pflicht zur Zugänglichmachung eines Gegenantrags, wenn ein auf denselben Sachverhalt gestützter Gegen212

Vgl. Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 57. Vgl. nur Hüffer, AktG, § 126 Rn. 8; Lehmann, Festschrift Quack, S. 287, 296 f. 214 Vgl. dazu § 7 C. III. 215 Vgl. § 7 C. III. 2. 216 Ein Gegenantrag liegt begrifflich nur vor, wenn er zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt gestellt wird und ein klar bestimmtes Ziel verfolgt, vgl. Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 12, 15; RegE eines Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität, BT-Drs. 14/8769, S. 20. 213

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antrag desselben Aktionärs bereits zu einer Hauptversammlung der Gesellschaft zugänglich gemacht worden ist. Der Tatbestand verlangt zum einen die Identität des Antragstellers, zum anderen die Identität des begründungsrelevanten Sachverhalts des früheren und des aktuellen Antrags. Angesichts der geforderten Sachverhaltsidentität kommt es auf den Wortlaut des Gegenantrags nicht an. Die ganz herrschende Meinung vertritt dabei ein extensives Verständnis der Sachverhaltsidentität: Die Veröffentlichungspflicht ist nicht erst dann suspendiert, wenn die Sachverhalte des früheren und des jetzigen Antrags vollkommen deckungsgleich sind. Vielmehr genügt es bereits, dass ein Gegenantrag im Kern mit demselben Vorgang begründet wird.217 Das soll der einhelligen Meinung nach zur Konsequenz haben, dass etwa ein Gegenantrag, in dessen Begründung der Vorwurf der Kriegswaffenherstellung zum Einsatz in Angola erhoben wird, nicht zugänglich gemacht werden muss, wenn der Antragsteller in einer früheren Hauptversammlung in einem Gegenantrag den Vorwurf der Kriegswaffenherstellung zum Einsatz in Uganda erhoben hat.218 Das herrschende extensive Verständnis der Sachverhaltsidentität ist allerdings nicht unproblematisch, wenn man im Blick behält, dass es der Gesetzeswortlaut dahingestellt sein lässt, wann der auf denselben Sachverhalt gestützte Gegenantrag gestellt wurde. Der Ausnahmetatbestand greift auch dann ein, wenn zwischen dem erneuten und dem früheren Gegenantrag ein Zeitraum von mehreren Jahren liegt.219 Ob dies aber dazu führen kann, dass etwa der Gegenantrag eines Nachhaltigkeitsfonds, der sich Mitte der 1990er Jahre auf die Rüstungsproduktion für Ruanda stützte, mit einem im Jahr 2010 oder gar 2020 gestellten Gegenantrag desselben Fonds gegen die Rüstungsproduktion für ein anderes Krisengebiet als sachverhaltsidentisch angesehen wird, ist angesichts der ratio legis des Tatbestands sehr fraglich. Dieser bezweckt nach herkömmlichem Verständnis den Schutz der Gesellschaft vor der Kostenlast, die durch eine wiederholte Veröffentlichung von „querulatorischen Gegenanträgen“ entsteht.220 Die Kostenlast ist jedoch seit Einführung der Möglichkeit, Gegenanträge auch im Internet zu veröffentlichen („zugänglich zu machen“)221, drastisch gesunken. Damit wird der Tatbestand nurmehr von dem Gedanken getragen, Gegenanträge von querulatorischen, oder besser: starrsinnigen und unbeeinflussbaren Antragstellern auszuschließen. Das querulatorische Moment eines 217 LG Frankfurt a. M., AG 1992, 235 f.; Reger, in: HbgKomm. AktG, § 126 Rn. 20; Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 65. 218 Vgl. das Beispiel bei Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 30. 219 Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 70; Lehmann, Festschrift Quack, S. 287, 297. 220 Vgl. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 30; Zöllner, in: KölnKomm. AktG, §§ 125–127 Rn. 21; siehe auch Pluta, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 126 AktG Rn. 38: „überflüssige, weil sattsam bekannte Gegenanträge“. 221 RegE eines Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz), BT-Drs. 14/8769, S. 20.

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Gegenantrags verblasst bei börsennotierten Publikumsaktiengesellschaften allerdings im Laufe der Zeit, da deren Aktionärskreis heute – in weitaus stärkerem Maße als noch bis in die 1990er Jahre hinein – durch stetige Fluktuation gekennzeichnet ist. Nicht selten ist bereits nach wenigen Jahren nur noch ein Bruchteil der einstigen Aktionäre vorhanden und die neu hinzugekommenen Aktionäre dürften das Verhalten des Antragstellers kaum als (fortgesetztes) Querulantentum auffassen. Die Grenzziehung, nach welchem Zeitraum das querulatorische Moment die Stellung des Gegenantrags nicht mehr dominiert, gestaltet sich allerdings schwierig. Ein Maßstab, der allein auf die Umstände der konkreten Gesellschaft abstellt, würde für die Gesellschaften zu unerträglicher Rechtsunsicherheit führen. In der Literatur sind deshalb zehn Jahre als abstrakter Schwellenwert genannt worden.222 Somit ist unverkennbar, dass das herrschende Verständnis der Sachverhaltsgleichheit zu einer erheblichen Einschränkung des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivismus führt. Weniger deutlich werden die praktischen Auswirkungen zwar bei Gegenanträgen, die im Rahmen der Kampagne einer Nichtregierungsorganisation gestellt werden, da hier sowohl die Vereinigung selbst als auch ihre Mitglieder sachverhaltsgleiche Anträge stellen können. Zwar wird zutreffend angenommen, dass ein Aktionär, der an der neuerlichen Geltendmachung eines Sachverhalts gehindert ist, nicht einfach einen Dritten als Strohmann vorschieben darf, um den Antrag zum alten Sachverhalt zu stellen.223 Allerdings ist der Nachweis der Umgehungsabsicht sehr schwierig. Praktische Bedeutung hat das weite Verständnis der Sachverhaltsidentität hingegen bei möglichen Gegenanträgen institutioneller Investoren, von denen ein Rückgriff auf derartige Umgehungskonstruktionen kaum zu erwarten ist. e) Identität mit früheren Gegenanträgen Eine ähnliche Intention wie der soeben dargestellte Ausnahmetatbestand besitzt auch § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AktG, der die Pflicht zur Zugänglichmachung eines Gegenantrags aufhebt, wenn derselbe Gegenantrag des Aktionärs mit wesentlich gleicher Begründung in den letzten fünf Jahren bereits zu mindestens zwei Hauptversammlungen der Gesellschaft zugänglich gemacht worden ist und in der Hauptversammlung weniger als 5 % des vertretenen Grundkapitals für ihn gestimmt hat. Der Tatbestand fordert somit Antragsteller-, Gegenantrags- und – in abgemilderter Form – auch Begründungsidentität. Die Gegenantragsidentität wird bejaht, wenn wiederholt ein bestimmter Verwaltungsvorschlag abgelehnt 222 Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 70; weniger deutlich Barz, in: Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 126 Anm. 10: frühere Mitteilung des gleichen Sachverhalts muss schon so lange zurückliegen, dass der Durchschnittsaktionär keine Erinnerung mehr haben kann; abl. Noack/Zetzsche, in: KölnKomm. AktG, § 126 Rn. 79. 223 Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 74.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

wird und der Gegenantrag jeweils denselben Vorschlag enthält.224 Die durch die zeitliche Verschiebung bedingten Unterschiede bleiben unberücksichtigt.225 Gegenantragsidentität liegt deshalb auch dann vor, wenn der fragliche Gegenantrag einen anderen Entlastungszeitraum oder ein anderes Geschäftsjahr betrifft. Die Begründungsidentität ist demgegenüber bereits dann anzunehmen, wenn die tragenden Gesichtspunkte der Begründung dieselben sind; Abweichungen in Details sind unerheblich.226 Bei der Beurteilung der Frage, ob die Begründung im Wesentlichen einer früheren gleicht, ist ein strenger Maßstab anzulegen.227 Begründungsidentität wird danach etwa angenommen, wenn ein Gegenantrag gegen die Entlastung des Vorstands jedes Mal darauf gestützt wird, dass das Verhalten des Unternehmens in Entwicklungsländern zu missbilligen sei, auch wenn diese Behauptung mit unterschiedlichen Fakten belegt wird. Eine wesentlich gleiche Begründung soll auch dann vorliegen, wenn ein Gegenantrag wiederholt auf die unzureichenden Umweltschutzmaßnahmen einer Gesellschaft gestützt werden und dies das eine Mal damit begründet wird, dass die Investitionen für eine Kläranlage zu gering sind, das nächste Mal damit, dass keine ausreichenden Schritte zur Abwasservermeidung unternommen wurden.228 Eine vergleichbare Regelung findet sich im US-amerikanischen Recht in Rule 14a-8 (i)(12), der Voraussetzungen für eine Wiedereinbringung eines Aktionärsantrags aufstellt.229 Anders als sein Gegenstück im deutschen Recht fordert dieser Tatbestand aber keine Antragsstelleridentität, sondern bezieht sämtliche früheren Anträge in die Menge der zu vergleichenden Anträge ein. Zugleich verzichtet das amerikanische Recht auf das Erfordernis der Begründungsidentität und legt die Betonung auf die Antragsidentität. Diese ist bereits dann anzunehmen, wenn der fragliche Antrag einen im Wesentlichen gleichen Antragsgegenstand betrifft, wobei das mit dem Antrag verfolgte Anliegen eine maßgebliche Rolle spielt. Die Antragsbegründung ist demgegenüber nur im Rahmen der Ermittlung des mit dem Antrag verfolgten Anliegens von Bedeutung. Dass Rule 14a-8 im Gegensatz zu § 126 AktG den Schwerpunkt auf den Antragsgegenstand selbst legt und diesen extensiv versteht, liegt in den grundverschiedenen Möglichkeiten zulässiger Antragsinhalte nach deutschem und amerikanischen Recht begründet: Während im deutschen Recht ein „im wesentlichen gleicher“ Gegenantrag angesichts der ganz unterschiedliche Punkte betreffenden Verwaltungsvorschläge nicht möglich ist, war es im US-Recht aufgrund der fehlenden Kopplung 224

Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 74. Vgl. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 31; Reger, in: HbgKomm. AktG, § 126 Rn. 22. 226 Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 31; Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 76; Lehmann, Festschrift Quack, S. 287, 298. 227 Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 76. 228 Vgl. Lehmann, Festschrift Quack, S. 287, 298. 229 Vgl. dazu § 7 C. X. 225

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an einen Antrag der Verwaltung und des damit für den Antragsteller eröffneten weiten Spielraums nahe liegend, bereits im Zusammenhang mit der Antragsidentität spürbare Einschränkungen vorzunehmen. f) Nichtvertretung des Gegenantrags in der Hauptversammlung § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AktG ermöglicht die Nichtveröffentlichung eines Gegenantrags auch dann, wenn der Aktionär zu erkennen gibt, dass er an der Hauptversammlung nicht teilnehmen und sich nicht vertreten lassen wird. Der Tatbestand bezweckt die Entlastung der Gesellschaft von der Kostenlast, die mit offensichtlich nicht ernst gemeinten Gegenanträgen verbunden ist.230 Die Vorschrift hat mit dem Inkrafttreten der durch das TransPuG bewirkten Reform des § 126 AktG zum 01.01.2003231 – jedenfalls in der Theorie – an Bedeutung gewonnen. Denn vor der Novellierung stellte bereits § 126 Abs. 1 Satz 1 AktG a. F. das Erfordernis einer Einwirkungsabsicht auf: Der Gegenantragssteller war danach zur Mitteilung verpflichtet, dass er in der Versammlung einem Vorschlag der Verwaltung widersprechen und die anderen Aktionäre veranlassen wolle, für seinen Gegenantrag zu stimmen. Der Ausnahmetatbestand des § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AktG spielte deshalb nur für den Fall eine Rolle, dass der Aktionär erst nachträglich zu erkennen gab, er werde sich von der Hauptversammlung fernhalten.232 Der Gesetzgeber des TransPuG sah diese Erklärung des Aktionärs, an die ohnehin keine allzu strengen Voraussetzungen geknüpft wurden233, angesichts ihrer Formelhaftigkeit als verzichtbar an. Er betonte, dass die Stellung unernst gemeinter Anträge durch andere Elemente des § 126 AktG unterbunden werde.234 Damit rückt der Tatbestand der Nichtvertretung in der Hauptversammlung nun in eine zentrale Position zur Abwehr nicht ernst gemeinter Gegenanträge. Nach einhelliger Ansicht235 setzt er voraus, dass der Aktionär seine Absicht der Nichtteilnahme bzw. -vertretung gegenüber der Verwaltung oder Dritten (Mitaktionäre, Presse) eindeutig äußert. Die bloße Vermutung des Vorstands reicht hingegen nicht aus. In der shareholder proposal rule findet der Tatbestand der Nichtvertretung auf der Hauptversammlung keine unmittelbare Entsprechung. Auch das im früheren 230

Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 32. Art. 1 Nr. 13 des Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) vom 19.07.2002, BGBl. I 2681. 232 Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 82. 233 Bereits die Bezeichnung als „Oppositionsanmeldung“ wurde für ausreichend erachtet, vgl. Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 26. 234 RegE eines Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz), BT-Drs. 14/8769, S. 20. 235 Vgl. nur Reger, in: HbgKomm. AktG, § 126 Rn. 18 m.w. N. 231

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

deutschen Recht bestehende Erfordernis einer Einwirkungsabsicht ist jedenfalls dem geltenden amerikanischen Recht fremd. Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, wurde mit der Reform von 1983 die bereits 1942 eingeführte Verpflichtung des Antragstellers abgeschafft, die Gesellschaft über die Absicht des persönlichen Erscheinens auf der Hauptversammlung zu informieren.236 Gleichwohl findet der deutsche Ausschlusstatbestand ein funktionales Äquivalent in Rule 14a-8 (a). Denn als Aktionärsantrag gilt danach nur diejenige Handlungsempfehlung, die der Antragsteller seinen Mitaktionären auf der Hauptversammlung zur Abstimmung vorzulegen beabsichtigt. Die fehlende Teilnahme- bzw. Vertretungsabsicht führt damit im US-amerikanischen Recht nicht zu einer Suspendierung der Veröffentlichungspflicht, sondern lässt bereits die Qualifikation als Aktionärsantrag entfallen. g) Unterlassene Antragstellung in früheren Hauptversammlungen Eine Zugänglichmachung des Gegenantrags kann schließlich nach § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AktG unterbleiben, wenn der Aktionär in den letzten zwei Jahren in zwei Hauptversammlungen einen von ihm mitgeteilten Gegenantrag nicht gestellt hat oder nicht hat stellen lassen. Der Tatbestand soll zum einen die wiederholte Veröffentlichung von Gegenanträgen verhindern, die der Opponent zuvor angesichts einer drohenden Verfehlung des 5 %igen Quorums des § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AktG zwar angekündigt, aber in der Hauptversammlung nicht gestellt hat.237 Zum anderen soll die Gesellschaft vor den Kosten geschützt werden, die derart „rücksichtslos“ 238 agierende Aktionäre verursachen. Der zuletzt genannte Aspekt der ratio legis dürfte allerdings infolge der seit dem 01.01.2003 eröffneten Möglichkeit, die Gegenanträge in elektronischer Form zu publizieren, an Bedeutung eingebüßt haben. Er hat deshalb auch in der Streitfrage, ob bei der unterlassenen Antragstellung auf die Hauptversammlungen der konkreten Gesellschaft oder abstrakt auf die Hauptversammlungen irgendeiner Gesellschaft abzustellen ist, einen Gutteil seiner Überzeugungskraft verloren.239 Angesichts des Wortlauts, der anders als Nr. 4 und Nr. 5 nur von „Hauptversammlungen“ spricht, dürfte es dennoch zutreffend sein, auch unterlassene Antragstellungen in anderen Hauptversammlungen als denen der nun mit dem Gegenantrag konfrontierten Gesellschaft genügen zu lassen.240 In der Praxis hat dieses Verständnis indes nur geringe Konsequenzen, da die Gesellschaft nur im 236

Vgl. dazu ausf. § 6 C. III. 1. c) und § 6 D. II. 3. a) cc). Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 33; Noack/Zetzsche, in: KölnKomm. AktG, § 126 Rn. 103: „Anträge von Papiertigern“. 238 So Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 85. 239 Anders unter der alten Rechtslage aber noch Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 85: Die Rücksichtslosigkeit, die darin liegt, dass der Aktionär Weiterleitungskosten verursacht, ohne seinen Gegenantrag weiter zu verfolgen, werde nicht dadurch geringer, dass er sie gegenüber verschiedenen Gesellschaften in Erscheinung treten lässt. 237

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Ausnahmefall Kenntnis von einer unterlassenen Antragstellung in einer anderen Gesellschaft haben dürfte. Die abschreckende Wirkung des Tatbestandes auf querulatorische Gegenantragssteller ist deshalb gering. Auffällig ist zudem, dass der Wortlaut die Veröffentlichungspflicht ohne Rücksicht auf die Gründe der unterlassenen Antragstellung suspendiert. Dieses Schweigen des Gesetzes hat die Frage aufgeworfen, ob der Tatbestand in eng begrenzten Ausnahmefällen nicht doch unanwendbar sein soll, weil der Aktionär durch höhere Gewalt gehindert war, seine früheren Gegenanträge zu vertreten oder vertreten zu lassen. Die überwiegende Meinung hält den Normwortlaut in diese Frage für abschließend und lässt die Gründe der unterlassenen Stellung des Gegenantrags außer Acht, was angesichts der durch die moderne Kommunikationstechnik eröffneten Möglichkeiten zur Erteilung von Weisungen und Vollmachten zutreffend erscheint.241 Das US-amerikanische Bundesrecht enthält in Rule 14a-8 (h) eine vergleichbare Regelung.242 Die Gesellschaft ist danach zwei Jahre lang zur Nichtveröffentlichung aller Anträge berechtigt, wenn der Antragsteller bzw. die von ihm bevollmächtigte Person ohne wichtigen Grund nicht auf der Hauptversammlung erschienen ist und den Antrag dort nicht zur Abstimmung gestellt hat. Dabei fallen sogleich zwei wesentliche, den Antragsteller begünstigende Unterschiede zu § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AktG auf: Anders als im deutschen Recht begründet nur die unterlassene Antragstellung in einer Hauptversammlung der fraglichen Gesellschaft das Recht zur Nichtveröffentlichung des Antrags. Außerdem nimmt der Tatbestand Rücksicht auf die Gründe, die zu der unterlassenen Antragstellung führten. Allerdings ist schon darauf hingewiesen worden, dass das good causeErfordernis der US-amerikanischen Regelung wenig konturiert ist und nur einen engen Anwendungsbereich besitzt.243 Trotz dieser dem Antragsteller günstigen Modalitäten des Tatbestandes ist dieser aber auch strenger als sein deutsches Gegenstück, da die zweijährige Sperrwirkung bereits durch das einmalige Ausbleiben der Antragstellung ausgelöst wird. Damit wird die den Antragsteller begünstigende Beschränkung auf Anträge gerade dieser Gesellschaft praktisch neutralisiert.

240 So auch Göhmann, in: Henn/Frodermann/Jannott, Handbuch des Aktienrechts, 9.117 (S. 477); Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 33; Zöllner, in: KölnKomm. AktG, §§ 125–127 Rn. 25; anders noch Henn, Handbuch des Aktienrechts, 7. Aufl., 2002, Rn. 839 (S. 470). 241 Vgl. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 33; Lehmann, Festschrift Quack, S. 287, 298 f.; a. A. Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 85, der als Ausnahmefall allerdings nur die unterlassene Gegenantragstellung wegen des Versterbens des im Antrag zur Wahl Vorgeschlagenen erwähnt. Erkrankungen und verkehrstechnische Gründe sollen aber unberücksichtigt bleiben. 242 Vgl. § 7 B. I. 5. 243 Siehe dazu § 7 B. I. 5.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

7. Fazit Die vorangegangene Untersuchung hat gezeigt, dass das deutsche Gegenantragsrecht in seinen formalen Voraussetzungen und teilweise auch in der konkreten Ausformung seiner die Veröffentlichungspflicht aufhebenden Ausnahmetatbestände wesentlich aktionärsfreundlicher ausgestaltet ist als die US-amerikanische shareholder proposal rule. In formeller Hinsicht sticht vor allem der Verzicht auf das Erfordernis eines Mindestbesitzes und einer Mindesthaltedauer sowie die Möglichkeit zur Stellung mehrerer Anträge hervor. Trotz zahlreicher Parallelitäten weisen auch die Ausnahmetatbestände im Einzelnen deutliche Unterschiede auf, was insbesondere anhand des Tatbestands der falschen, irreführenden oder beleidigenden Antragsbegründung sichtbar wurde. Insgesamt darf die aktionärsfreundlichere Ausgestaltung aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das deutsche Recht dem Antragsteller von vornherein nur die beschränkte Rolle des Opponenten gegen Anträge der Verwaltung zuweist. Da das Gegenantragsrecht nicht als „Kristallisationspunkt für eine konstruktive Anders-Entscheidung“ 244 genutzt werden kann, ist sein Wert schon aufgrund seiner rechtlichen Ausgestaltung stark vermindert. II. Funktionaler Vergleich von Antragsrecht und Gegenantragsrecht Inwieweit die Effektivität des Gegenantragsrechts als Instrument der Distribution und Erzeugung nachhaltigkeitsorientierter Unternehmensinformation durch diesen grundlegenden Unterschied tatsächlich beeinträchtigt wird, soll im Folgenden durch einen funktionalen Vergleich des US-amerikanischen Antragsprozederes und des deutschen Gegenantragssystems ermittelt werden. Dabei werden die der shareholder proposal rule im Schrifttum zugewiesenen Funktionen245 – Informationsdistributionsfunktion und Informationserzeugungsfunktion – sowie die Signalfunktion des Abstimmungsergebnisses gegenübergestellt. 1. Die Informationserzeugungsfunktion Die nach Maßgabe der Rule 14a-8 mitteilungspflichtigen Aktionärsanträge zielen heute häufig auf die Offenlegung von Informationen über die soziale, ökologische oder ethische Dimension der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft ab.246 Wie bereits gezeigt wurde, fehlt es zwar an der rechtlichen Absicherung dieser Informationserzeugungsfunktion, da die von der shareholder proposal rule ange244 245 246

Roth, Festschrift Paulick, S. 81, 95. Vgl. dazu bereits § 6 A. II. 2. Vgl. § 6 E. I. 4.

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ordnete Veröffentlichungspflicht nur bei empfehlenden Anträgen ausgelöst wird und für das Management auch bei mehrheitlicher Zustimmung der Aktionäre keine Rechtspflicht zur Umsetzung des Antrags besteht.247 Aus Rücksicht auf die Integrität des Antragstellers oder die Legitimität des Antragsgegenstandes kommen die Gesellschaften jedoch häufig von sich aus dem Wunsch der Antragsteller nach größerer Publizität nach, wodurch das Aktionärsantragsrecht faktisch die Stellung eines Auskunftsrechts einnimmt. Im Unterschied hierzu fallen Gegenanträge als Instrument der Informationsbeschaffung sowohl aus rechtlichen und als auch aus faktischen Gründen gänzlich aus. Da Anträge gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 AktG nur zugänglich zu machen sind, wenn sie einem Verwaltungsvorschlag zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt inhaltlich widersprechen, sind Anträge, die auf die Veröffentlichung von Informationen gerichtet sind, nicht zulässig. Auch die Verknüpfung des Gegenantrags mit einer Bedingung wird von der herrschenden Meinung als unzulässig angesehen.248 Deshalb kann der Gegenantrag nicht unter den Vorbehalt gestellt werden, dass die Verwaltung bis zur Abstimmung die Veröffentlichung bestimmter Informationen unterlassen hat. Unbenommen bleibt es dem Antragsteller aber, seinen Gegenantrag mit dem geringen sozial-ökologischen Informationsniveau zu begründen. So kann etwa der Gegenantrag auf Nichtentlastung des Vorstandes mit der unterbliebenen oder unzureichenden Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichtes untermauert werden. In einem rechtlich nicht erforderlichen, aber ohne weiteres als zulässig zu erachtenden Begleitschreiben zu einem solchen Gegenantrag könnte der Aktionär die Rücknahme des Gegenantrags249 für den Fall der Veröffentlichung der fraglichen Informationen anbieten. Allerdings bestehen erhebliche praktische Hindernisse, die die Erfolgsaussichten eines solchen Vorgehens fraglich erscheinen lassen. Denn anders als in den USA, wo es im Vorfeld des annual meetings häufig zu einer Einigung zwischen Antragsteller und Gesellschaft und zur Antragsrücknahme kommt250, bestehen für die Verwaltungen deutscher Aktiengesellschaften nur geringe Anreize, den Forderungen eines Gegenantragstellers nachzukommen. Dies liegt zum einen daran, dass die Urheber sozialökologischer Gegenanträge in Deutschland bislang über kein ausreichendes Legitimationskapital und keine Kampagnenmacht verfügen, die die Bereitschaft der Verwaltung zu einer konsensualen Lösung erhöhen würden. Zum anderen erfahren Gegenanträge aufgrund ihrer Verknüpfung mit den Vorschlägen der Verwal247

Vgl. dazu § 7 C. I. 1. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 11; im Grundsatz auch Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 21 m.w. N. 249 Im Falle einer Rücknahme des Gegenantrag innerhalb der 14-Tage-Frist des § 126 Abs. 1 Satz 1 AktG ist die Gesellschaft verpflichtet, nach Verstreichen der Frist berechtigt, von der Veröffentlichung des Gegenantrags abzusehen, vgl. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 20. 250 Vgl. § 6 E. I. 5. a). 248

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

tung traditionell nur eine sehr geringe Zustimmung, so dass für den Vorstand die Gefahr eines Gesichtsverlustes in der Hauptversammlung nicht besteht. Insgesamt bleibt somit festzuhalten, dass das Gegenantragsrecht sowohl aus rechtlichen als auch aus praktischen Gründen nicht zur Informationsgewinnung taugt. 2. Die Informationsdistributionsfunktion Neben der Funktion des Aktionärsantrags als Instrument der Informationserzeugung wird in den USA vor allem die Informationsdistributionsfunktion betont: Durch Aktionärsanträge werden Informationen sowie bestimmte, im Aktionärskreis vorhandene Erwartungen gegenüber den Aktionären und der Verwaltung kommuniziert.251 a) Mechanismen der Durchsetzung Im Ausgangspunkt weisen die shareholder proposal rule und § 126 AktG hierbei eine große funktionale Ähnlichkeit auf, da auch das Gegenantragsrecht der Informationsversorgung der Aktionäre im Vorfeld einer Hauptversammlung dient. Die Mechanismen, die zur Durchsetzung der Veröffentlichungspflichten dienen und damit der Informationsdistributionsfunktion zu praktischer Wirksamkeit verhelfen, sind dabei jedoch grundverschieden. In den USA schließt sich der Verwaltungsentscheidung, einen Aktionärsantrag nicht mitteilen zu wollen, ein obligatorisches, präventives Kontrollverfahren an, das vor der Veröffentlichung der proxy materials durchzuführen ist. Die am Verfahrensende stehende Entscheidung der SEC ist zwar rechtlich nicht bindend.252 Eine Missachtung durch die Gesellschaften kommt in der Praxis aber dennoch höchst selten vor, da die Gerichte im Falle einer auf Veröffentlichung gerichteten Aktionärsklage der Auslegung der SEC große Bedeutung beimessen und deshalb nur im Ausnahmefall zu abweichenden Entscheidungen gelangen.253 Demgegenüber wird die Durchsetzung der Mitteilungspflicht in Deutschland durch das Risiko einer Anfechtungsklage (§ 243 AktG) sichergestellt, die im Falle einer unterlassenen Veröffentlichung eines Gegenantrags droht.254 Im Gegensatz zum amerikanischen Recht setzt das deutsche Aktienrecht damit auf ein System nachträglicher Kontrolle der Verwaltungsentscheidung und auf Verhaltssteuerung durch die Gefahr nachträglicher Sanktionierung. Die unterschiedlichen Kontrollsysteme haben unmittelbare Konsequenzen für die Art und Weise, wie die Verwaltungen deutscher und amerikanischer Aktien251 252 253 254

Vgl. § 6 A. II. 2. Vgl. bereits § 6 D. III. 4. b). Siehe zu den Rechtsschutzmöglichkeiten des Aktionärs schon § 8. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 38.

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gesellschaften mit (Gegen-)Anträgen umgehen, die aus ihrer Sicht rechtlich bedenklich sind oder deren Inhalt sie nicht teilen. In den USA wird die Veröffentlichung nachhaltigkeitsorientierter Anträge von Seiten der Gesellschaften häufig prophylaktisch verweigert. Die Voraussetzungen der Rule 14a-8 werden dabei bewusst eng verstanden, so dass die Kontrolle durch die SEC hier eher den Regelfall darstellt. Demgegenüber sind Kontrollen durch die Gerichte in Deutschland selten, da das aktienrechtliche Schrifttum zur Vermeidung des Anfechtungsrisikos einen großzügigen Umgang mit den Voraussetzungen des § 126 AktG empfiehlt255 und die Unternehmen diesem Ratschlag in der Praxis folgen. b) Kommunikationsanbahnung und Kommunikationsinhalt Wesentliche Unterschiede zeigen sich auch im Hinblick auf die Art und Weise der Kommunikationsanbahnung und auf den Kommunikationsinhalt, die die durch Gegenanträge ermöglichte Informationsdistribution als weniger effektiv erscheinen lassen. In den USA wird die Kommunikationsanbahnung durch die proxy materials bewirkt, die allen Aktionären vor der Hauptversammlung zugesendet bzw. im Internet zur Verfügung gestellt werden. Die Anträge der Aktionäre sind dabei zusammen mit den übrigen hauptversammlungsrelevanten Informationen, insbesondere auch mit den Anträgen der Verwaltung, in einem Dokument zusammengefasst. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der die proxy materials lesende Aktionär auch Kenntnis von den Anträgen seiner Mitaktionäre erlangt. Demgegenüber ist die Kommunikationsanbahnung in Deutschland wesentlich ungewisser, da die Gegenanträge nicht schon zusammen mit der Einberufung der Hauptversammlung und der Bekanntmachung der Tagesordnung veröffentlicht werden können.256 Vielmehr müssen sie zeitlich versetzt und separat zugänglich gemacht werden. Der Antragsteller trägt damit das Risiko, dass seine Mitaktionäre den Mehraufwand eines wiederholten Besuchs der Internetseite der Gesellschaft oder des elektronischen Bundesanzeigers257 scheuen und keine Kenntnis von seinem Gegenantrag erhalten.258 255 Hüffer, § 126 Rn. 9; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 38; Noack/Zetzsche, in: KölnKomm. AktG, § 126 Rn. 4; Werner, in: Großkomm. AktG, § 126 Rn. 35. 256 Die Pflicht zur Zugänglichmachung in § 126 Abs. 1 AktG setzt einen bekannt gemachten Beschlussvorschlag der Verwaltung voraus. Prophylaktische Gegenanträge vor Einberufung der Hauptversammlung sind nicht veröffentlichungspflichtig, vgl. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 9. 257 Die Zugänglichmachung eines Gegenantrags erfolgt über die Gesellschaftsblätter (§ 25 Abs. 1 AktG). Bei börsennotierten Gesellschaften müssen Gegenanträge über die Internetseite der Gesellschaft zu erfolgen, vgl. § 126 Abs. 1 Satz 3 AktG. Die Regelung geht auf Art. 1 Nr. 15 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 30.06.2009, BGBl. I 2479 zurück; vgl. dazu auch den RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BT-Drs. 16/11642, S. 46.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

Auch im Hinblick auf den Inhalt der Kommunikation bestehen deutliche Unterschiede. Zwar eröffnen sowohl das US-amerikanische als auch das deutsche Recht dem Aktionär die Möglichkeit, in der (Gegen-)Antragsbegründung eigene Vorstellungen zu bestimmten Aspekten der Verwaltungstätigkeit zum Ausdruck zu bringen. Seine wahren Absichten vermag ein Aktionär aber nur mit einem Antrag nach Rule 14a-8 mitzuteilen. Die fehlende Verknüpfung mit einem Verwaltungsvorschlag eröffnet dem Antragsteller einen wesentlich größeren Spielraum, wodurch es ihm ermöglicht wird, sein Anliegen punktgenau zu formulieren. Anders verhält es sich demgegenüber im deutschen Recht, wo der mit einem Gegenantrag verbundene Appell lediglich in chiffrierter Form in die Begründung einfließt. Es dürfte in den seltensten Fällen dem eigentlichen Interesse der Gegenantragssteller entsprechen, unethisches, unsoziales oder unökologisches Verwaltungshandeln sogleich mit dem Mittel der Nichtentlastung zu rügen. Da das deutsche Aktienrecht aber keine Aktionärsanträge zulässt, die in ihrem Antragsziel unmittelbar auf Informationserzeugung oder Einstellung eines unethischen, unsozialen oder unökologischen Verhaltens abzielen259, muss ein Aktionärsaktivist – will er seine Mitaktionäre denn überhaupt erreichen – auf den Gegenantrag als Notbehelf zurückgreifen. Bereits hier wird die Ungeeignetheit des Gegenantrags als Instrument eines effektiven Aktionärsengagements sichtbar, da der Aktionär mit ihm sein eigentliches Anliegen nicht auszudrücken vermag. Der Aktionär ist darauf angewiesen, mit der sprichwörtlichen Kanone auf Spatzen zu schießen, weil ihm vom Gesetzgeber nur dieses schwere Geschütz an die Hand gegeben wurde. 3. Die Signalfunktion des Abstimmungsergebnisses Die geringe Effektivität des Gegenantragsrechts wird schließlich vollends deutlich, wenn man die Signalfunktion des Abstimmungsergebnisses in das Blickfeld der Betrachtung rückt. Schon an anderer Stelle ist hervorgehoben worden, dass die Abstimmungsergebnisse der Verwaltung einer börsennotierten Gesellschaft als Gradmesser für die Akzeptanz bestimmter Anliegen im Aktionärskreis dienen. Diese Signalfunktion ist in Deutschland bei Abstimmungsergebnissen zu nachhaltigkeitsorientierten Gegenanträgen bislang nur sehr schwach 258 Krit. zur Umstellung vom System der Weiterleitung („push“) zu einem System des Zugänglichmachens („pull“) im Zuge des TransPuG Hüther, Aktionärsbeteiligung und Internet, S. 399 f.; dagegen Noack, Festschrift v. Rosen, S. 273, 279 mit dem Hinweis, dass der an den Angelegenheiten der Gesellschaft ernsthaft interessierte Aktionär diese „minimale Anstregung“ auf sich nehmen wird. 259 Die denkbare Möglichkeit, ein solches Verhalten durch Einführung einer Satzungsregelung zu unterbinden, und das Recht, die beabsichtigte Satzungsänderung im Vorfeld der Hauptversammlung bekannt zu machen, bleibt dabei für nachhaltigkeitsorientierte Aktionärsaktivisten angesichts der hohen Hürden des § 122 Abs. 2 AktG und des § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG im theoretischen Raum und soll deshalb nicht weiter untersucht werden. Vgl. dazu Dreher, ZHR 155 (1991), 349 ff.

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ausgeprägt. Gründe dafür sind zum einen die nur schwach ausgeprägte Beteiligung der Aktionäre an Abstimmungen, die dazu führt, dass die Verwaltung mit den Stimmungen eines unter Umständen wenig repräsentativen Ausschnitts der Aktionärskreises konfrontiert wird, in erster Linie aber die Verknüpfung des Gegenantrags mit einem Antrag der Verwaltung. Sie hat zur Folge, dass sozial-ökologisch motivierte Gegenanträge stets mit überwältigender Mehrheit abgelehnt und auch sonstige Gegenanträge nur in seltenen Ausnahmefällen eine nennenswerte Unterstützung erhalten. Wie in den USA zeigt sich daran zum einen eine gewisse Voreingenommenheit der Aktionäre zugunsten der Haltung der Verwaltung.260 Zum anderen dürfte die Nichtentlastung des Vorstands oder Aufsichtsrates wegen Verfehlungen im sozialen oder ökologischen Bereich für die Mehrzahl der Aktionäre selbst dann ein zu scharfes Schwert sein, wenn sie – wie es bei institutionellen Anlegern aus dem anglo-amerikanischen Raum häufig der Fall ist – besonderen Wert auf eine Unternehmensführung legen, die solche Kriterien berücksichtigt.261 Die Nichtentlastung erweist sich damit nicht nur für die Gegenantragssteller selbst, sondern auch für die zur Abstimmung aufgerufenen Aktionäre als ein zu großes Kaliber. An diesem Befund dürfte sich selbst dann nichts ändern, wenn die Gegenantragsteller dazu übergehen würden, anstelle der bisherigen Nichtentlastungsanträge Gegenanträge auf Teilentlastung zu stellen. Derartige Anträge, die einzelne Vorgänge der Geschäftsführung von der Entlastung ausklammern, werden heute ganz überwiegend für zulässig erachtet, wenn die Einzelvorgänge klar abgrenzbar sind und nicht den Kernbereich der Amtsführung betreffen.262 Abgesehen davon, dass diese Anforderungen den Anwendungsbereich der Teilentlastung von vornherein stark einschränken, bleibt auch hier das Problem bestehen, dass die Nichtentlastung aus Sicht der Mitaktionäre qualitativ etwas anderes darstellt als die Abstimmung zugunsten eines konkreten Sachantrags, wie er von Rule 14a-8 zugelassen wird. Zudem könnten im Wege der Teilentlastung nur in der Vergangenheit liegende Vorfälle missbilligt werden. Dieser reaktive Charakter führt dazu, dass das zukünftige Verhalten der Gesellschaft – etwa die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts oder das Einwirken auf ihre Lieferanten, bestimmte ILOKonventionen zu beachten – nicht adressiert werden kann. 260 Vgl. dazu schon Tabelle 3 unter § 6 E. I. 5. c), aus sich ergibt, dass Aktionärsanträge, die von der Verwaltung unterstützt werden, wesentliche höhere Zustimmungsquoten erfahren. 261 Vgl. das Interview in der Börsenzeitung vom 21.04.2009, S. 12 mit dem Gründer des Aktionärsdienstleisters IVOX, in dem dieser betont, dass eine Entlastungsverweigerung auch bei „deutliche[n] Verstöße[n] gegen allgemein anerkannte Empfehlungen im Bereich des sozial verantwortlichen Investments“ empfohlen wird. Bei weniger evidenten Verstößen scheint eine Nichtentlastung nicht empfohlen zu werden. 262 OLG Düsseldorf, AG 1996, 273, 274; Hüffer, AktG, § 120 Rn. 12; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 120 Rn. 22; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 120 Rn. 41.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

III. Exkurs: Vorbildwirkung der Rule 14a-8 im Gesetzgebungsverfahren zum AktG 1965 Trotz aller Unterschiede im Detail weisen § 126 AktG und Rule 14a-8 große Ähnlichkeiten auf. Nicht nur der sachliche Gehalt der einzelnen Ausnahmetatbestände, sondern vor allem der Normaufbau263 mit dem umfangreichen Katalog an Gründen, die zur Nichtveröffentlichung des (Gegen-)Antrags berechtigen, legen die Vermutung nahe, dass Rule 14a-8 im Gesetzgebungsverfahren zum AktG 1965 als Vorbild für die Ausgestaltung des § 126 AktG diente. Angesichts dessen soll an dieser Stelle kurz der – soweit ersichtlich264 – bislang nicht erörterten Frage nachgegangen werden, ob diese Ähnlichkeiten auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers beruhten oder ob sie sich zufällig bzw. aus der Natur der zu regelnden Materie ergeben haben.265 Bereits an anderer Stelle ist darauf hingewiesen worden, dass dem AktG 1937 ein kodifiziertes Gegenantragsrecht fremd war.266 Dennoch war anerkannt, dass jedem Aktionär ein Recht auf Opposition gegen die von der Verwaltung bekannt gemachten Tagesordnungspunkte der Hauptversammlung zustand.267 Dies zeigen auch die Grundsätze über die Ausübung des Depotstimmrechts, die im März 1952 vom Hauptausschuss des Bundesverbandes des privaten Bankgewerbes beschlossen wurden.268 Nr. 4 dieser Grundsätze verpflichtete die Bank dazu, ihren Depotkunden eine beabsichtigte Opposition mitzuteilen, wenn sie ihr mindestens 14 Tage vor der Hauptversammlung bekannt wurde. Mitteilungspflichtig war dabei nicht nur die Tatsache der Opposition selbst, sondern darüber hinaus auch die Oppositionsbegründung. An dieser Stelle zeigt sich eine erste Verbindungslinie zum US-amerikanischen Recht, denn zur Vermeidung übermäßig langer Oppositionsbegründungen wurde angenommen, dass die Begründung „in Anlehnung an

263 Das gilt jedenfalls für den Zeitraum im Vorfeld der Verabschiedung des AktG 1965. Angesichts des 1998 in Rule 14a-8 eingeführten Frage-Antwort-Schemas sind diese Ähnlichkeiten heute weniger offensichtlich. 264 Bislang wurde diese Vorbildwirkung lediglich von Dent, 30 N. Y. L. Sch. L. Rev. 1, 12 Fn. 57 (1985) behauptet: „The German Stock Company Act of 1965, AktG, [. . .] § 126, is modeled after rule 14a-8.“. Eine Begründung hierfür liefert er nicht. v. Hein, Rezeption, S. 210 ff. stellt zwar die Grundentscheidung des historischen deutschen Gesetzgebers gegen das US-amerikanische proxy-System dar, spart das Antragsrecht dabei aber aus. 265 Außer Zweifel steht die Vorbildwirkung der Rule 14a-8 hingegen für das Aktionärsantragsrecht des kanadischen Gesellschaftsrechts, vgl. § 137 Canada Business Corporation Act 2001 sowie Dhir, 43 Am. Bus. L. J. 365, 385 ff. (2006). 266 Siehe bereits § 10 A. IV. 267 Näher dazu Westrick, BB 1958, 395, 395. 268 Abgedruckt in Deutscher Juristentag (Hrsg.), Reform des Unternehmensrechts, Anlage 1.

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die Richtlinien der amerikanischen Securities Exchange Commission auf etwa 100 Worte abgekürzt“ werden müsse.269 Die 1951 vom Deutschen Juristentag eingesetzte Unternehmensrechtskommission empfahl in ihrem 1955 vorgelegten Abschlussbericht, die soeben erwähnten Grundsätze des Bundesverbandes in das Aktiengesetz oder eine Ausführungsverordnung aufzunehmen.270 Auf diese Weise werde sichergestellt, dass der Aktionär im Falle ihrer Verletzung Anfechtungsklage erheben könne. Tatsächlich enthielt der 1960 beschlossene Regierungsentwurf des AktG in § 121 AktG eine Verpflichtung für Kreditinstitute zur Weiterleitung von Gegenanträgen, wobei die Begründung nur mitteilungspflichtig sein sollte, wenn sie nicht mehr als 100 Worte umfasste. Allerdings fehlte zu diesem Zeitpunkt noch der Katalog der später in § 126 Abs. 2 AktG normierten Ausnahmetatbestände. Dieser wurde erst im weiteren Verfahren vom Bundestag eingefügt.271 Hintergrund dieser Ergänzung dürften die Ende 1963 vom Bundesverband des privaten Bankgewerbes beschlossenen Grundsätze über die Ausübung des Depotstimmrechts gewesen sein, die die ursprünglichen Grundsätze von 1952 ergänzten und erläuterten.272 Sie enthielten in Nr. 6, 8 und 9 einige der später Gesetz gewordenen Ablehnungsgründe, wobei die zumindest teilweise Anlehnung an Rule 14a-8 evident war. So berechtigte etwa Nr. 6 e) zur Nichtweiterleitung der Oppositionsankündigung, „soweit mit der Opposition persönlichen Forderungen oder persönlichen Beschwerden gegenüber der Gesellschaft Geltung verschafft werden soll, die nicht in der Stellung des Opponenten als Aktionär begründet sind.“ Damit nahmen die novellierten Grundsätze ganz offenkundig den Wortlaut des personal claim- bzw. personal grievance-Tatbestandes von Rule 14a-8 (c)(1) (1952) auf.273 Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass die Ähnlichkeiten zwischen Rule 14a-8 und § 126 AktG nicht rein zufällig bestehen. Eine unmittelbare Vorbildwirkung, wie sie von Dent274 behauptet wurde, lässt sich jedoch gleichfalls nicht feststellen. Allenfalls existiert ein über die Grundsätze zur Ausübung des Depotstimmrechts von 1952/63 hergestellter mittelbarer Zusammenhang, der jedoch seit Einführung des § 126 AktG keinerlei Einfluss auf die praktische Handhabung der Norm hatte.

269 Vgl. Schütz, Bankgeschäftliches Formularbuch, S. 128 unter Verweis auf das Rundschreiben des Bundesverbandes des privaten Bankgewerbes 29/58, Z. 2. 270 Deutscher Juristentag (Hrsg.), Reform des Unternehmensrechts, S. 74. 271 Vgl. Kropff (Hrsg.), AktG, S. 178 f. 272 Ergänzung und Erläuterung der Grundsätze über die Ausübung des Stimmrechts auf Grund einer Ermächtigung nach § 114 Abs. 4 AktG, abgedruckt in Bundesanzeiger Nr. 240 vom 28.12.1963 sowie in WM 1964, 10. 273 Dazu ausf. § 6 B. IX. 274 Dent, 30 N. Y. L. Sch. L. Rev. 1, 12 Fn. 57 (1985).

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

IV. Fazit Das Gegenantragsrecht des Aktionärs wird in der Literatur häufig als „wesentliches Element der Aktionärsdemokratie und der Aktienkultur“ 275 charakterisiert. Dabei wird betont, dass es sich um ein bedeutendes „Instrument der Einflussnahme einzelner Aktionäre“ 276 handele, das den „Einstieg in eine Aktionärskommunikation“ 277 ermögliche. Diese Einschätzung mag unter Berücksichtigung des sonstigen, nur spärlich vorhandenen aktionärsrechtlichen Instrumentariums zutreffend sein. Zumindest für sozial-ökologische motivierte Gegenanträge erweist sie sich jedoch als allzu optimistisch. Die Ursache für die geringe Effektivität von Gegenanträgen ist dabei weniger in den Ausnahmetatbeständen des § 126 Abs. 2 Satz 1 AktG zu suchen. Diese stellen zwar – zumindest in Gestalt der in Nr. 4 und Nr. 5 verankerten Tatbestände – erhebliche Hürden dar, die zumindest potentiell geeignet sind, Aktionärsaktivisten empfindlich zu beeinträchtigen. Aufgrund der großzügigen Handhabung dieser Tatbestände in der Praxis erweisen sie sich aber häufig als bloßes „law in the books“. Das größte Hindernis, das einer Nutzung des Gegenantragsrechts zur Einflussnahme auf die Unternehmenspolitik entgegensteht, besteht hingegen in der zwingenden Verknüpfung des Gegenantrags mit einem Antrag der Verwaltung. Hierdurch wird nicht nur die Signalwirkung des Abstimmungsergebnisses verwässert, sondern auch der Kreis möglicher Gegenantragsinhalte erheblich eingeschränkt, so dass der sozial-ökologisch motivierte Aktionär sein eigentliches Anliegen nicht zur Abstimmung stellen kann. Die Preisgabe bislang unveröffentlichter Informationen, die unmittelbar auf die Ausübung des Gegenantragsrechts zurückzuführen ist, oder gar eine Änderung der Geschäftspolitik sind damit in der Praxis nicht zu erwarten. Es ist aber auch wenig wahrscheinlich, dass die Stellung eines Gegenantrags zumindest mittelbar – vermittelt durch den Druck der Öffentlichkeit – zur Einstellung einer in der Gegenantragsbegründung kritisierten Tätigkeit oder zur Umsetzung einer dort beschriebenen Maßnahme führt. Dazu müsste die Veröffentlichung des Gegenantrags überhaupt geeignet sein, öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen, was zum einen von der Thematik des Gegenantrags bzw. seiner Begründung und zum anderen von den Urhebern des Antrags herrühren kann. Allein die mithilfe des Gegenantrags angesprochene Thematik wird nur in den seltensten Fällen hinreichend öffentliche Aufmerksamkeit produzieren, gerade weil Fragen nachhaltigen Wirtschaftens sowie der gesamtgesellschaftlichen Unternehmens275 Noack, BB 2003, 1393, 1393; Pluta, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 126 Rn. 3; Williamowski, in: Spindler/Stilz, § 126 AktG Rn. 1. 276 Pluta, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 126 Rn. 3; Williamowski, in: Spindler/Stilz, § 126 AktG Rn. 1 277 Noack, BB 2003, 1393, 1393.

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verantwortung gegenwärtig ohnehin in aller Munde sind und die Antragsbegründung im Regelfall nur Dinge wiederholt, die bereits bekannt sind. Die öffentliche Aufmerksamkeit könnte sich deshalb nur aufgrund des Urhebers des Gegenantrags ergeben. Aber auch insoweit ist Skepsis angebracht. Die Aktivitäten des Dachverbandes der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e. V. und seiner Mitglieder, die für die überwiegende Zahl der in Deutschland gestellten sozial-ökologischen Gegenanträge verantwortlich sind, finden in den Medien nur geringen und zudem oft kritischen Widerhall. Wesentlich größer wäre das Medienecho hingegen, wenn sich – wie in den USA – institutionelle Anleger des (Gegen-) Antragsrechts bedienten, um sozial-ökologische Aspekte der Geschäftstätigkeit zu thematisieren. Dazu wird es jedoch aller Voraussicht nach aber auch in Zukunft nicht kommen, da der etwa mit der Stellung eines Nichtentlastungsantrags verbundene Misstrauensbeweis (trotz fehlender Stimmpflicht für den Gegenantrag bei der Abstimmung278) im Regelfall als unverhältnismäßiges Mittel eingeschätzt werden dürfte. Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass das Gegenantragsrecht als Instrument zur Erzeugung und Distribution von Informationen sowie zur Förderung einer dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichteten Geschäftspolitik ungeeignet ist. Der oft geäußerte Vorwurf, das Gegenantragsrecht biete lediglich eine Bühne für politische Selbstdarsteller279, wurde deshalb nicht völlig zu Unrecht erhoben.

B. Das Auskunftsrecht des Aktionärs Der bisherige Gang der Untersuchung hat gezeigt, dass das Gegenantragsrecht im Vergleich zum US-amerikanischen Antragsrecht nur schwach ausgeprägt ist. Besonders deutlich wird dies an der fehlenden Informationserzeugungsfunktion: Anders als die unter Rule 14a-8 gestellten Aktionärsanträge kann das Gegenantragsrecht weder rechtlich noch faktisch genutzt werden, um vom Vorstand Informationen über soziale oder ökologische Aspekte der Geschäftstätigkeit zu erlangen. Der Schwerpunkt eines auf die Generierung nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformation abzielenden Aktionärsaktivismus kann somit ganz offensichtlich nicht auf der Ausübung des Gegenantragsrechts liegen. Auch ein Einsichtsrecht des Aktionärs, wie es die bundesstaatlichen Gesellschaftsrechte der USA280 und das Recht der GmbH (§ 51a GmbHG) kennen, wird für die deut278

Vgl. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 3. Lehmann, Missbrauch des Auskunfts-, Frage- und Rederechts, S. 51, 52 f.: „vorzügliches Instrumentarium zur billigen politischen Propaganda“; „Werbegeschenk des Gesetzgebers für ideologische Missionare“; ders., Festschrift Quack, S. 287; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 126 Rn. 3; Sünner, AG 2000, 492, 495: „Tatsächlich geht es ihnen [den Gegenantragstellern] darum, für ihre meist weltverbesserischen Ansichten eine Darlegungsplattform vor einem großen Publikum zu gewinnen.“ 280 Vgl. § 5 B. 279

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sche Aktiengesellschaft einhellig abgelehnt.281 Deshalb soll im Folgenden untersucht werden, ob diese Defizite durch das in § 131 AktG normierte Auskunftsrecht des Aktionärs ausgeglichen werden können. Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG ist jedem Aktionär vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft (unten I.) zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich (unten II.) sind. Auch darf keiner der in § 131 Abs. 3 Satz 1 AktG festgelegten Auskunftsverweigerungsgründe vorliegen (unten III.). Schließlich ist die Effektivität des deutschen Auskunftsrechts als Instrument der Informationserzeugung zu untersuchen, wobei es an Rule 14a-8 gemessen werden soll (unten IV.). I. Angelegenheiten der Gesellschaft Das Auskunftsverlangen des Aktionärs muss sich auf Angelegenheiten der Gesellschaft beziehen. Bei der Konkretisierung dieses Begriffs legen Rechtsprechung und Literatur einen sehr großzügigen Maßstab an: Erfasst werden neben unmittelbaren auch nur mittelbare Angelegenheiten der Gesellschaft und damit alles, was sich auf die Gesellschaft und ihre Tätigkeit bezieht.282 Angelegenheiten der Gesellschaft sind folglich alle Tatsachen und Umstände, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft, ihre rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse, ihre Geschäftspolitik, die Darstellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit und die Beziehungen zu Dritten betreffen.283 Aufgrund des weiten Begriffsverständnisses wird dieser Voraussetzung des Auskunftsanspruchs oft keine allzu große Bedeutung beigemessen.284 1. Auskunftsbegehren zu allgemeinpolitischen Themen Demgegenüber dürfte ihr bei Auskunftsbegehren nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivisten eine ungleich größere Bedeutung zukommen. Denn wie ein 281 BGHZ 135, 48, 54; BGHZ 122, 211, 237; OLG Dresden, AG 1999, 274, 276; OLG Frankfurt a. M., AG 1989, 330; Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 93; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 22; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 78. Die Regierungskommission Corporate Governance sah das Fehlen eines Einsichtsrechts als rechtspolitisch problematisch an und sprach sich dafür aus, zumindest in nichtbörsennotierten Aktiengesellschaften die Schaffung erweiterter Aktionärsrechte durch Satzungsregelungen zu ermöglichen, vgl. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 132 = BT-Drs. 14/7515, Rn. 132. 282 Vgl. BayObLG, AG 1999, 320, 321; BayObLG, ZIP 1996, 1743, 1746; Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 114; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 11; Siems, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 131 Rn. 23; v. Rechenberg, Hauptversammlung, S. 47. 283 So Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 114; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 34. 284 Vgl. etwa Hüffer, AktG, § 131 Rn. 11; Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 131 Rn. 18; a. A. aber Decher, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 115, 130.

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Blick in die Geschichte des Aktionärsengagements in Deutschland und der Vergleich mit den gegenwärtigen Themenschwerpunkten des Aktivismus in den Vereinigten Staaten zeigen, werden von diesen Aktionären mitunter auch Angelegenheiten thematisiert, die keinerlei Bezug zur Gesellschaft aufweisen.285 Diese müssen vom Vorstand nicht beantwortet werden. Hierfür spricht neben dem Normwortlaut auch die Überlegung, dass der Vorstand nur im Hinblick auf „Angelegenheiten der Gesellschaft“ einen Informationsvorsprung besitzt und den Aktionären ein bestimmtes Sonderwissen offenbaren kann.286 Da sich die Unzulässigkeit allgemeinpolitischer Fragen bereits unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, hat sich die Regierungskommission Corporate Governance zu Recht gegen eine ausdrückliche Verankerung dieses Grundsatzes in § 131 Abs. 1 AktG ausgesprochen.287 2. Auskunftsbegehren zu Angelegenheiten von Tochtergesellschaften Die Auskunftsbegehren nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivisten betreffen häufig nicht die unmittelbare Geschäftstätigkeit der Aktiengesellschaft selbst, sondern die einer ausländischen Tochter- oder Enkelgesellschaft. Für diesen Fall stellt § 131 Abs. 1 Satz 2 AktG zunächst klar, dass sich die Auskunftspflicht auch auf die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu einem verbundenen Unternehmen (§ 15 AktG) erstreckt. Damit soll nichts anderes ausgedrückt werden, als dass auch die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu einem verbundenen Unternehmen Angelegenheiten der Obergesellschaft sind, was sich allerdings auch ohne diese Anordnung bereits aus § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG ergibt. Darüber hinaus kommt der Norm keine die Auskunftspflicht beschränkende Wirkung zu. Der Schluss, dass § 131 Abs. 1 Satz 2 AktG das Auskunftsrecht auf die rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen der Gesellschaft zum verbundenen Unternehmen konzentrieren wolle, wird in Rechtsprechung und Literatur einhellig abgelehnt.288 Auch Angelegenheiten in verbundenen Unternehmen sind Angelegenheiten der Gesellschaft, wenn und soweit diese be285 Erinnert sei etwa an die bei Peltzer, Kreditwesen 1983, 847, 850 erwähnte Frage: „Stimmen Sie mit folgender Beurteilung überein: Man könnte Südafrika mit einem Gefängnis vergleichen, wo der schwarze Mann im Gefängnis sitzt.“ 286 Vgl. Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 23. 287 Im Zuge der Kommissionsberatungen war folgende Fassung des § 131 Abs. 1 AktG vorgeschlagen worden: „Jedem Aktionär ist auf Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu erteilen, soweit sie unter Berücksichtigung des Gesellschaftszwecks zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Eine Auskunftspflicht zu politischen – auch gesellschaftspolitischen – und weltanschaulichen Fragen besteht regelmäßig nicht.“ (Hervorhebungen im Original), vgl. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 133 = BT-Drs. 14/7515, Rn. 133. 288 OLG Bremen, AG 1981, 229, 230; KG, AG 1994, 469, 471; Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 232; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 62 m.w. N.

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urteilungserheblich sind.289 § 131 Abs. 1 Satz 2 AktG ist demnach rein deklaratorischer Natur290, spricht lediglich eine Scheinbesonderheit aus291 und erweist sich in der Praxis als wertlos292. 3. Auskunftsbegehren zu Lieferantenbeziehungen Schließlich ist daran zu denken, dass nicht einmal die Geschäftstätigkeit der Muttergesellschaft selbst oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens, sondern ihre schuldrechtlichen Beziehungen zu einem bestimmten Zulieferer im Mittelpunkt des Interesses stehen können.293 § 131 Abs. 1 Satz 2 AktG trifft zur Zulässigkeit solcher Auskunftsbegehren keine Aussage. Die Norm darf in Einklang mit der ganz herrschenden Ansicht aber nicht so verstanden werden, dass Beziehungen der Gesellschaft zu minderheitlichen Beteiligungen oder rein schuldrechtliche Beziehungen vom Auskunftsanspruch auszunehmen wären.294 Deshalb gilt auch hier nichts anderes als bei Auskunftsbegehren zu den Angelegenheiten von Tochtergesellschaften: Die Beziehungen zu Vertragspartnern sind Angelegenheiten der Gesellschaft. Die Frage, ob diese Beziehungen eine bestimmte Maßgeblichkeitsschwelle überschreiten, ist hingegen erst im Rahmen der Beurteilungserheblichkeit zu prüfen.295 II. Erforderlichkeit und Bezug zur Tagesordnung Das Auskunftsrecht steht dem Aktionär nach dem Wortlaut des § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG nur insoweit zu, als die begehrten Auskünfte zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich sind. 1. Pflicht zur europarechtskonformen Auslegung? Nach der überkommenen herrschenden Meinung ist damit klargestellt, dass – anders als bei der Vorgängernorm § 112 Abs. 1 Satz 2 AktG 1937 – ein bloßer 289

Vgl. ausf. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 66 f. OLG Bremen, AG 1981, 229, 230; LG München I, AG 1999, 283, 284; LG Berlin, WM 1990, 978, 981; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 62 m.w. N. 291 Lutter, AG 1985, 117, 120. 292 K. Schmidt, Informationsrechte, S. 33. 293 Exemplarisch sei dabei auf die öffentliche Debatte um die Geschäftsbeziehungen der Proagro Seed Company Ltd. zu indischen Saatgut-Zulieferern hingewiesen, die erwiesenermaßen Kinder beschäftigten. Die Proagro Seed Company Ltd. ist eine 100 %ige Tochter der Bayer Crop Science Deutschland GmbH, an der die Bayer AG sämtliche Geschäftsanteile hält. Vgl. ausf. m.w. N. die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage von Abgeordneten der Fraktion Die Linke, BT-Drs. 16/1089. 294 Hüffer, AktG, § 131 Rn. 14; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 62; Ebenroth, Auskunftsrecht, S. 43 ff.; K. Schmidt, Informationsrechte, S. 34. 295 Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 62. 290

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Zusammenhang des Auskunftsbegehrens mit dem Gegenstand der Verhandlung nicht ausreicht, um die Auskunftspflicht der Gesellschaft auszulösen.296 In jüngerer Zeit ist allerdings namentlich von Kersting297 unter Verweis auf das Gebot der europarechtskonformen Auslegung die Forderung erhoben worden, (faktisch) auf das Erforderlichkeitskriterium zu verzichten und das Auskunftsrecht bereits dann zu gewähren, wenn die Aktionärsfrage einen inhaltlichen Bezug zu einem Punkt der Tagesordnung aufweist. Diesen Überlegungen ist zuzugeben, dass das Erforderlichkeitskriterium in Art. 9 Abs. 1 Satz 1 der Aktionärsrechterichtlinie 298 keine Einwähnung findet, sondern dort lapidar jedem Aktionär das Recht zugesprochen wird, „Fragen zu Punkten auf der Tagesordnung der Hauptversammlung zu stellen“. Daraus den Schluss zu ziehen, dass das Erforderlichkeitskriterium damit inhaltslos werde, geht allerdings zu weit.299 Er findet weder in der Entstehungsgeschichte noch in der Systematik des Art. 9 der Aktionärsrechterichtlinie eine Grundlage und begegnet auch ernstzunehmenden methodischen Bedenken300. Sowohl die Kommissionsbegründung des Richtlinienvorschlags als auch das Zweite Konsultationsdokument der Generaldirektion Binnenmarkt betonen die Bedeutung von Maßnahmen und Beschränkungen zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Hauptversammlungsablaufs301 und lassen damit hinreichenden Raum für das Erforderlichkeitskriterium. Zudem wird das Auskunftsrecht nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 der Aktionärsrechterichtlinie nur „vorbehaltlich etwaiger Maßnahmen“ gewährt, „die die Mitgliedstaaten ergreifen oder den Gesellschaften zu ergreifen gestatten, um die Feststellung der Identität der Aktionäre, den ordnungsgemäßen Ablauf von Hauptversammlungen und ihre ordnungsgemäße Vorbereitung sowie den Schutz der Vertraulichkeit und der Geschäftsinteressen der Gesellschaften zu gewährleisten“. Zu diesen Maßnahmen ist auch das Erforderlichkeitskriterium des § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG zu zählen, da es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers Missbräuche des Auskunftsrechts verhindern und 296 Vgl. nur KG, AG 1996, 421, 423; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 12; Reger, in: HbgKomm. AktG, § 131 Rn. 11; Hefermehl, Festschrift Duden, S. 109, 110 f. 297 Kersting, ZIP 2009, 2317 ff.; ders., in: KölnKomm. AktG, § 131 Rn. 112 ff. Dieses Verständnis des § 131 AktG soll dabei zur Vermeidung einer „gespaltenen Auslegung“ auch für das Auskunftsrecht in nicht börsennotierten Aktiengesellschaften gelten, vgl. Kersting, ZIP 2009, 2317, 2320 f. 298 Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07. 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. EU Nr. L 184/17. 299 Zutr. Kocher/Lönner, AG 2010, 153 ff. 300 Dazu Kocher/Lönner, AG 2010, 153, 156 f. 301 Vgl. den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung der Stimmrechte durch Aktionäre von Gesellschaften, die ihren eingetragenen Sitz in einem Mitgliedstaat haben und deren Aktien zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, sowie zur Änderung der Richtlinie 2004/109/ EG vom 05.01.2006, KOM(2005) 685 sowie Internal Market and Services DG, Fostering an appropriate Regime for Shareholders’ Rights, Second consultation by the Services of the Internal Market Directorate General vom 13.04.2005, S. 13.

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einen ordnungsgemäßen Ablauf der Hauptversammlung gewährleisten soll. Die Hauptversammlung soll nicht durch Fragen gestört werden können, die zwar mit dem Gegenstand der Verhandlung im Zusammenhang stehen, deren Beantwortung jedoch nicht nötig ist, um ihn sachgemäß zu beurteilen.302 Demgegenüber erscheint die in § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG vorgesehene Möglichkeit, das Auskunftsrecht in zeitlicher Hinsicht zu beschränkten, als weitaus weniger effektives Mittel, einen ordnungsgemäßen Ablauf der Hauptversammlung sicherzustellen.303 Das Erforderlichkeitskriterium des § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG ist deshalb nach wie vor konstitutiver Bestandteil des Auskunftsanspruchs. 2. Die Formel vom „objektiven Durchschnittsaktionär“ Wann ein Auskunftsbegehren dem Erforderlichkeitskriterium genügt und damit einen hinreichenden Bezug zur Tagesordnung aufweist, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. In Rechtsprechung und Literatur wird ganz überwiegend304 ein verobjektivierter Beurteilungsmaßstab herangezogen, wonach die Erforderlichkeit der Auskünfte vom Standpunkt eines objektiv305, vernünftig306 oder einsichtig307 urteilenden (Durchschnitts-)Aktionärs aus bestimmt werden soll, der die Verhältnisse lediglich aufgrund allgemein bekannt gegebener Tatsachen kennt und daher die begehrte Auskunft als nicht nur unwesentliches Beurteilungselement benötigt.308 Die Formel des „objektiven Durchschnittsaktionärs“ verleiht dem Erfordernis des Tagesordnungsbezugs zumindest insoweit Konturen, als dass es bei der Beurteilung weder auf die subjektive Vorstellungswelt des Aktionärs noch die des Vorstands ankommt. Damit ist jedoch zunächst nur wenig gewonnen.309 Vor allem lässt sich der Formel nicht ohne weiteres entnehmen, inwieweit der dem Beurteilungsmaßstab zugrunde liegende Aktionär Informationen zu sozialen, ökologischen oder politischen Aspekten der Geschäftstätigkeit für erfor302

Vgl. Kropff (Hrsg.), AktG, S. 185. Der Hinweis auf den „Gegenstand der Verhandlung“ nimmt auf die Vorgängernorm § 112 Abs. 1 AktG 1937 Bezug, nach der jedem Aktionär bereits dann Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben war, wenn sie mit dem Gegenstand der Verhandlung in Zusammenhang standen. 303 So zutr. Kocher/Lönner, AG 2010, 153, 156; a. A. Kersting, in: KölnKomm. AktG, § 131 Rn. 117. 304 Anders etwa Ebenroth, Auskunftsrecht, S. 37, der auf die Interessen der Aktionäre und der Gesellschaft abstellt. 305 OLG München, NZG 2002, 187, 188; BayObLG, AG 2001, 424. 306 OLG Zweibrücken, AG 1990, 496. 307 OLG Hamburg, AG 1970, 50. 308 BGHZ 119, 1, 14; BGHZ 149, 158, 164; BGHZ 160, 385, 389; BayObLG, AG 1999, 320; OLG Stuttgart, ZIP 1998, 1482; OLG Frankfurt a. M., DB 1993, 2274; Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 141; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 12; Luther, Festschrift Möhring, S. 221, 237 f. 309 Ähnlich Hüffer, AktG, § 131 Rn. 12: „Die generelle Umschreibung ist zustimmungsfähig, gibt dem Auskunftsrecht aber noch wenig Konturen.“

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derlich hält. Es ist deshalb erforderlich, die Figur dieses Durchschnittsaktionärs näher zu konkretisieren. Nicht zielführend erscheint dabei der Einwand, dass ein Durchschnittsaktionär aufgrund der Vielgestaltigkeit realer Aktionärstypen nicht existieren könne.310 An diesem Einwand ist zwar zutreffend, dass Aktionäre und Aktionärsstrukturen deutscher Aktiengesellschaften einen großen Facettenreichtum aufweisen. Orientiert man sich etwa allein an den Beteiligungshöhen, den Investitionshorizonten und den Anlagestrategien, so würde eine nähere Umschreibung des durchschnittlichen Aktionärs tatsächlich schwer fallen. Ansatzpunkt für eine Konkretisierung muss deshalb ein gemeinsames Interesse aller Aktionäre sein, das gleichsam als kleinster gemeinsamer Nenner (nahezu) allen Anteilsinhabern zugeschrieben werden kann. Dieses gemeinsame Interesse besteht in dem Wunsch aller Aktionäre, dass die Investition einen Ertrag in Form von Dividenden abwirft oder aufgrund von Aktienkurssteigerungen gewinnbringend beendet werden kann.311 Über den Erwartungshorizont, d. h. den Zeitraum, in welchem mit Dividenden und Aktienkurssteigerungen gerechnet wird, ist damit freilich noch nichts ausgesagt. Zur weiteren Konkretisierung kann aber auf § 243 Abs. 4 AktG verwiesen werden, der seit Inkrafttreten des UMAG312 im Jahr 2005 ausdrücklich auf den „objektiv urteilenden Aktionär“ Bezug nimmt und damit zugleich für die Berechtigung der Formel vom objektiven Durchschnittsaktionär streitet. Die mit § 131 AktG in engem Zusammenhang stehende Norm ordnet an, dass eine Beschlussanfechtung wegen bestimmter Informationsmängel nur möglich ist, wenn ein objektiv urteilender Aktionär die Erteilung der Information als wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte angesehen hätte. Eine nähere Umschreibung des hier maßgeblichen Aktionärstyps lässt sich dabei der Begründung des Regierungsentwurfs des UMAG entnehmen: Diese umschreibt den objektiv urteilenden Aktionär als einen vernünftig und im wohlverstandenen Unternehmensinteresse handelnden Aktionär, der keine kurzfristigen Ziele verfolgt, sondern an der langfristigen Ertrags- und Wettbewerbsfähigkeit seiner Gesellschaft interessiert ist.313 Ein solcher Aktionär ist aber auch an sozialen, ökologischen und politischen Aspekten der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft interessiert, da nur eine angemessene Be310

In diesem Sinne Bälz, Auskunftsanspruch, S. 20. Vgl. Siems, Konvergenz, S. 83 ff. 312 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 20 des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.09.2005, BGBl. I 2802. 313 RegE eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), BT-Drs. 15/5092, S. 26; ähnlich schon der RegE eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), BT-Drs. 13/ 9712, S. 18 f. im Zusammenhang mit den Abstimmungsvorschlägen der Kreditinstitute (§ 128 Abs. 2 Satz 3 AktG), der die politischen und weltanschauliche Ausrichtung des Einzelaktionärs für unbeachtlich erklärt und stattdessen auf die durchschnittliche Interessenlage des Anlegers abstellt, die auf eine langfristige Wertsteigerung ausgerichtet ist. 311

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

rücksichtigung aller im Unternehmen zusammenfließenden Interessen eine langfristige Profitabilität der Gesellschaft sichert. Die Gründe dafür sind vielfältig und bekannt: Hochqualifizierte Arbeitskräfte lassen sich nur mit guten Arbeitsbedingungen an das Unternehmen binden, Reputationsrisiken werden durch ein Handeln im Interesse aller Stakeholder vermindert, die Gefahr eines regulatorischen Eingriffs häufig gebannt.314 3. Konkretisierung des Begriffs der Beurteilungserheblichkeit Rechtsprechung und Wissenschaft ist es seit Inkrafttreten des Aktiengesetzes 1965 nicht gelungen, einen allseits anerkannten, abstrakten Maßstab zu entwickeln, anhand dessen sich der gesetzlich geforderte Zusammenhang zwischen einem Auskunftsbegehren und dem Gegenstand der Tagesordnung feststellen ließe.315 Teilweise wird in der Judikatur die Anlegung eines „besonders strengen Maßstabs“ betont316, was auch von Seiten der Literatur begrüßt wird.317 Dahinter steht der Gedanke, dass die von einer ordentlichen Hauptversammlung zu behandelnden Tagesordnungspunkte „Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrates“, „Vorlage des Jahresabschlusses“, „Gewinnverwendung“ und „Wahl des Abschlussprüfers“ eine erhebliche thematische Spannbreite aufweisen, die auch einem objektiv denkenden Aktionär viel Informationsbedarf bieten können318, und deshalb einer uferlosen Ausdehnung von Auskunftsverlangen entgegengewirkt werden müsse.319 Eine nähere Umschreibung, was diesen „besonders strengen Maßstab“ ausmacht, ist diese Ansicht bislang jedoch schuldig geblieben. Ihr ist deshalb der Vorwurf gemacht worden, lediglich mit einer Leerformel zu operieren.320 Gleiches trifft auf die gegenteilige Ansicht zu, die dem Auskunftsrecht durch das Merkmal des Tagesordnungsbezugs keine allzu engen Grenzen auferlegen will und fordert, bei der Feststellung des Zusammenhangs zwischen Auskunftsbegehren und Tagesordnung nicht zu kleinlich zu verfahren.321 Nicht zielführend ist 314 Forstmoser, Liber Amicorum Rolf Watter, S. 197, 200 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 76 Rn. 19; Spindler, Unternehmensinteresse, S. 16 m.w. N. 315 Vgl. v. Rechenberg, Hauptversammlung, S. 48. 316 Vgl. etwa OLG Hamburg, AG 1994, 420, 374; OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148, 2153; LG Frankfurt a. M., WM 1994, 1929, 1930. 317 Zust. etwa Hüffer, AktG, § 131 Rn. 12a; Reger, in: HbgKomm. AktG, § 131 Rn. 11; Volhard, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch Hauptversammlung, § 13 Rn. 23 (S. 492). 318 Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 133; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 12; Wüsthoff, Auskunftsanspruch, S. 10. 319 Vgl. Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 131 Rn. 24; Hefermehl, Festschrift Duden, S. 109, 122; Reuter, DB 1988, 2615, 2618. 320 So Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 133; krit. auch Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 51 sowie Luther, Festschrift Möhring, S. 221, 238. 321 Vgl. Baumbach/Hueck, AktG, § 131 Anm. 7; Nitschke/Bartsch, AG 1969, 95, 97.

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aber auch die in der Spruchpraxis eines Teils der Gerichte zu beobachtende Tendenz, die Erforderlichkeit einer Auskunft ohne nähere Auseinandersetzung mit der konkret auf der Hauptversammlung anstehenden Tagesordnung zu bejahen.322 Diese Nachlässigkeit ist mit dem bereits erwähnten Zweck des Tatbestandsmerkmals323 kaum zu vereinbaren. Zutreffend hat deshalb Hefermehl festgestellt, dass man der Bedeutung des Auskunftsrechts sowie dem Sinn und Zweck seiner gesetzlichen Ausgestaltung am ehesten gerecht wird, wenn in jedem Einzelfall anhand der konkreten Umstände unvoreingenommen geprüft wird, ob das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit einer Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung eines Tagesordnungsgegenstandes erfüllt ist, und das Ergebnis dieser Prüfung weder durch eine generelle Tendenz zur Strenge noch durch eine allgemeine Neigung zur Großzügigkeit präjudiziert wird.324 4. Tagesordnungspunkt „Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat“ Im Folgenden soll deshalb die Beurteilungserheblichkeit von Informationen im Rahmen der Tagesordnungspunkte „Entlastung des Vorstands“ und „Entlastung des Aufsichtsrates“ untersucht werden, die in der Hauptversammlungspraxis seit langem die meisten Auskunftsbegehren provozieren.325 Da hier die gesamte Tätigkeit der Verwaltungsorgane zur Diskussion steht und somit im Grundsatz auch zum Gegenstand des Auskunftsanspruchs wird, gestaltet sich die Grenzziehung zwischen erforderlichen und nicht erforderlichen Auskünften besonders schwierig.326 Von der Rechtsprechung wurden deshalb in der Vergangenheit unterschiedliche Kriterien entwickelt, anhand derer die Beurteilungserheblichkeit einer Auskunft für die Abstimmung über die Entlastung zu messen war (vgl. unten a) und b)). Die dabei aufgetretenen Differenzen dürften durch ein klarstellendes Urteil des BGH zumindest im Grundsatz beseitigt sein (unten c)). Allerdings bedarf auch der vom BGH angelegte Maßstab weiterer Konkretisierung (unten d)). a) Zweifel an pflichtgemäßem Verhalten (LG Frankfurt a. M.) Einen besonders strengen Maßstab vertrat in der Vergangenheit das LG Frankfurt a. M. Das Gericht sah den gesetzlich geforderten Zusammenhang zwischen 322 BayObLG, ZIP 1996, 1945, 1948; KG, ZIP 1995, 1592; dazu Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 133, 187 m.w. N. 323 Vgl. bereits § 11 B. II. 1. 324 Hefermehl, Festschrift Duden, S. 109, 112; zust. OLG Frankfurt a. M., NZG 2007, 74; BayObLG, AG 1996, 563; OLG Stuttgart, AG 2001, 540; KG, ZIP 1995, 1585; OLG Frankfurt a. M., AG 1994, 39; Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 133, 173. 325 Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 51. 326 v. Rechenberg, Hauptversammlung, S. 48; Wüsthoff, Auskunftsanspruch, S. 11.

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dem Auskunftsbegehren und dem Tagesordnungspunkt der Entlastung nur dann als gegeben an, wenn Umstände vorliegen, die bei verständiger Würdigung Bedenken an dem pflichtgemäßen Verhalten von Vorstand und Aufsichtsrat entstehen lassen.327 Zur Begründung verwies das Gericht auf die Bedeutung der Entlastung, die nur ein generelles Vertrauensvotum beinhalte und keinen Verzicht auf Ersatzansprüche ausspreche (§ 120 Abs. 2 Satz 2 AktG). Legt man dieses Verständnis der Beurteilungserheblichkeit zugrunde, so ist das Spektrum zulässiger Fragen zu sozialen, ethischen und ökologischen Aspekten der Geschäftstätigkeit stark eingeengt. Zulässig wären danach jedenfalls solche Auskunftsbegehren, bei denen Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen spezifische arbeits- oder umweltrechtliche Normen bestehen. Denn die Mitglieder des Vorstands sind verpflichtet, sich bei ihrer gesamten Amtsführung gesetzestreu zu verhalten.328 Die Aufdeckung derartiger Rechtsverstöße ist für die Verfechter des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivismus aber nur von untergeordneter Bedeutung. Sie sind in erster Linie an Informationen zu solchen Aspekten der Geschäftstätigkeit interessiert, in denen das Vorstandshandeln nicht strikt von Gesetzes wegen vorgeschrieben wird, sondern innerhalb eines Ermessensspielraums stattfindet. In diesem Bereich wird sich eine Pflichtwidrigkeit aber nur selten begründen lassen. Denn nach § 76 Abs. 1 AktG, der die Generalklausel des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG konkretisiert, hat der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten, was so zu verstehen ist, dass er seine Leitungsentscheidungen nach eigenem Ermessen trifft. Dieses Ermessen ist der überwiegenden Meinung zufolge durch eine sachgerechte Wahrnehmung der in der Aktiengesellschaft und ihrem Unternehmen zusammentreffenden Interessen – Aktionäre (Kapital), Arbeitnehmer (Arbeit) und Öffentlichkeit (Gemeinwohl) – auszuüben329, die in 327

LG Frankfurt a. M., WM 1994, 1929, 1931. Dieser Verhaltensstandard wird von Rechtsprechung und Literatur aus der Generalklausel des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG abgeleitet, vgl. BGHZ 133, 370, 377; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 93 Rn. 44; Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93 Rn. 98; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 4 Rn. 106 ff. (S. 49 f.); siehe auch Ziff. 4.1.3 DCGK; die in den USA vertretene law-as-a-price-theory (grundlegend Easterbrook/Fischel, 80 Mich. L. Rev. 1155, 1168, 1177 (1982)) wird im deutschen Aktienrecht einhellig verworfen, vgl. Fleischer, ZIP 2005, 141, 147 sowie RegE eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), BT-Drs. 15/5092, S. 11. 329 Vgl. Nr. 3.1 DCGK; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12; Bürgers/Israel, in: HbgKomm. AktG, § 76 Rn. 13 ff.; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 76 Rn. 64 ff.; Goette, Festschrift BGH, S. 123, 127; Habersack, AG 2009, 1, 6; Frodermann/Schäfer, in: Henn/ Frodermann/Jannott, Handbuch des Aktienrechts, 7.155 (S. 362); Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 14 III 2 e) cc) (S. 183), § 15 III 4 a) (S. 205), die bei Großunternehmen selbst von einer Verpflichtung auf das Gemeinwohl nicht völlig absehen wollen; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 4 Rn. 50 (S. 38), die allerdings betont, dass zur Gegenansicht nur geringe Unterschiede bestehen; Säcker/Bösche, BB 2006, 897, 898 f.; v. Werder, Festschrift Schwark, S. 285, 289; differenzierend Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 12 (moderates Shareholder Value-Konzept); anders dagegen Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 33: Vorrang des Aktionärsinteresses; 328

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praktischer Konkordanz330 auszugleichen sind. Sämtliche Interessen sind dabei grundsätzlich gleichrangig zu gewichten.331 Die Bandbreite faktisch möglicher und rechtlich zulässiger Vorstandsentscheidungen ist damit sehr weit gefasst. Eine Pflichtwidrigkeit wäre nur bei völliger Missachtung der Interessen einer der Bezugsgruppen des Unternehmens anzunehmen. Hinzu kommt, dass dem auskunftsbegehrenden Aktionär nach Ansicht des LG Frankfurt a. M. Umstände bekannt sein müssen, die bei verständiger Würdigung Hinweise auf eine Pflichtwidrigkeit begründen. An der Kenntnis dieser Umstände wird es aber oftmals fehlen, da sie gerade erst durch die Ausübung des Auskunftsrechts offen gelegt werden sollen. b) Verknüpfung der Beurteilungserheblichkeit mit § 120 Abs. 3 AktG (20. Zivilsenat des OLG Frankfurt a. M.) Einen anderen Ansatzpunkt wählte der 20. Zivilsenat des OLG Frankfurt a. M. in einem im Jahre 1993 gefassten Beschluss, in dem sich das Gericht mit der Zulässigkeit eines Auskunftsbegehrens zu Unternehmensspenden beschäftigte.332 Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Aktionär im Rahmen der Verhandlung über die Entlastung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder Fragen zur Gesamthöhe der Unternehmensspenden, zu Spenden an gemeinnützige Institutionen sowie zu den Empfängern der höchsten Spendenbeträge gestellt. Während die Frage zum Gesamtspendenaufkommen vom Vorstand beantwortet wurde, wurden Auskünfte zu den beiden anderen Fragen verweigert. Der Senat hielt dies für zulässig und verwies dazu auf § 120 Abs. 3 AktG, wonach die Verhandlung über die Entlastung mit der Verhandlung über die Verwendung des Bilanzgewinns verbunden werden soll und der Vorstand den Jahresabschluss, den Lagebericht, den Bericht des Aufsichtsrates sowie einen erläuternden Bericht zu den Angaben nach §§ 289 Abs. 4, 315 Abs. 4 HGB vorzulegen hat. Damit werde der Rahmen aufgezeigt, in dem die Aktionäre ihre Gesamtwürdigung der Verwaltung vornehmen sollen. Im Rahmen des Tagesordnungspunktes der Entlastung seien deshalb nur solche Auskünfte zu erteilen, die der Aktionär benötigt, um den Jahresabschluss, die angesprochenen Berichte sowie die Vorschläge über die Gewinnverwendung zu verstehen, zu prüfen und im Hinblick auf die Frage der Entlastung zu bewerten.333 Das sei jedenfalls im Hinblick auf die Gesamthöhe der Unternehmensspenden der Fall. Informationen zu einzelnen Spenden benötige der Aktionär im Regelfall hingegen nicht. Anders sei nur zu entscheiden, wenn Mülbert, Festschrift Röhricht, S. 421, 424: Maximierung des Marktwertes im Anlegerinteresse. 330 Hopt, ZGR 1993, 534, 536; ders., ZGR 2002, 333, 360. 331 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 76 Rn. 93. 332 OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1994, 104 – Commerzbank AG. 333 Vgl. OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1994, 104, 105.

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besondere Umstände vorlägen, die Auskünfte über Einzelspenden rechtfertigen würden.334 c) Bezug zu Vorgängen von einigem Gewicht (BGH) Für eine grundsätzliche Klärung der Frage der Beurteilungserheblichkeit von Auskünften im Rahmen des Tagesordnungspunktes der Entlastung sorgte schließlich ein Urteil des BGH aus dem Jahre 2004.335 In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte ein Aktionär der ThyssenKrupp AG Anfechtungsklage (§ 243 AktG) gegen den Entlastungsbeschluss erhoben, weil ihm keine Auskünfte darüber erteilt worden waren, zu welchen Anteilen die beiden verschmolzenen Rechtsträger zu dem enttäuschenden Geschäftsergebnis der Gesellschaft im Geschäftsjahr 1998/99 beigetragen hatten. Der BGH erblickte hierin eine Verletzung des Auskunftsrechts: Weder die aus § 120 Abs. 2 Satz 2 AktG folgende beschränkte Entlastungswirkung noch das der Hauptversammlung bei der Entlastungsentscheidung eingeräumte Ermessen rechtfertigten eine Einschränkung des Auskunftsrechts oder eine Verschärfung seiner Anforderungen. Das Auskunftsbegehren müsse sich im Anschluss an eine in der Literatur vertretene Ansicht336 nur auf „Vorgänge von einigem Gewicht“ beziehen, „die für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der Verwaltung von Bedeutung sind“.337 Für eine weitergehende Einschränkung bestehe kein Anlass, weil einem Aktionär nicht zuzumuten sei, die Tätigkeit der Verwaltung ohne die dazu erforderlichen Informationen abzusegnen und ihr das Vertrauen auszusprechen. Das LG Frankfurt a. M.338 und der 5. Zivilsenat des OLG Frankfurt a. M.339 sind dieser Ansicht in der Folgezeit ausdrücklich beigetreten. d) Stellungnahme Eine kritische Überprüfung der von Seiten der Rechtsprechung verwendeten Beurteilungskriterien muss bei Sinn und Zweck sowie Wirkung der Entlastung ansetzen. Allgemeiner Ansicht zufolge wird durch den Entlastungsbeschluss die Tätigkeit der Organmitglieder im abgelaufenen Geschäftsjahr gebilligt und ihnen 334

Zust. Mutter, Auskunftsansprüche, S. 68. BGHZ 160, 385 – ThyssenKrupp. 336 Vgl. Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 188; Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 131 Rn. 24; Hefermehl, Festschrift Duden, S. 109, 123; Lutter, AG 1985, 117, 122; Quack, AG 1985, 145, 149; Trouet, NJW 1986, 1302, 1304; Wüsthoff, Auskunftsanspruch, S. 19. 337 Vgl. BGHZ 160, 385, 389 f. 338 LG Frankfurt a. M., NZG 2007, 197, 198; LG Frankfurt a. M., NZG 2005, 937, 940, 940. 339 OLG Frankfurt a. M., WM 2007, 1704, 1707. 335

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zugleich das Vertrauen für ihre zukünftige Tätigkeit ausgesprochen.340 Das vergangenheitsbezogene Billigungselement der Entlastung, das vom BGH bildhaft als Entscheidung darüber umschrieben wird, ob die Unternehmensführung eine „glückliche Hand“ bewiesen hat341, betrifft zum einen die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns, zum anderen enthält es aber auch eine Aussage über die Gesetzes- und Satzungskonformität des Verwaltungshandelns.342 Der Hauptversammlung ist im Rahmen der Beschlussfassung ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt. Sie kann einerseits einen rechtmäßigen Entlastungsbeschluss trotz begangener Gesetzes- und Satzungsverstöße fassen, solange diese Verstöße nicht eindeutig und schwerwiegend sind.343 Andererseits kann das Vertrauen der Aktionäre in die Unternehmensleitung auch ohne gesetz- oder satzungswidriges Verhalten beeinträchtigt sein und allein deshalb die Entlastung versagt werden.344 Insoweit ermöglicht die Entlastung den Aktionären, Verwaltungshandeln anzugreifen, das die Schwelle zur Organhaftung nicht überwindet.345 Aus diesem Grund kann die Ansicht des OLG Frankfurt a. M., das die Frage der Beurteilungserheblichkeit mit § 120 Abs. 3 AktG verknüpfen will, nicht überzeugen. § 120 Abs. 3 AktG bringt lediglich den Gedanken der grundsätzlichen Rechenschaftspflicht der Verwaltung gegenüber den Aktionären zum Ausdruck.346 Sie will aber keinen absoluten Rahmen für die Rechenschaft festlegen, sondern schreibt nur den Mindestumfang der entlastungsbezogenen Rechenschaftslegung fest.347 Dieses Verständnis steht mit der Tatsache im Einklang, dass die Entlastung auch dann verweigert werden kann, wenn aus Aktionärssicht an dem durch § 120 Abs. 3 AktG abgesicherten Mindestumfang der entlastungsbezogenen Rechenschaftslegung nichts auszusetzen ist. Der Ermessenspielraum der Hauptversammlung bei der Entlastungsentscheidung zeigt aber auch, dass die frühere Ansicht des LG Frankfurt a. M. zu eng ist: Da dem Entlastungsbeschluss nicht nur eine Legalitätsaussage, sondern auch eine Opportunitätsaussage entnommen werden kann, kann die Beurteilungserheblichkeit nicht nur bei Anzeichen für pflichtwidriges Verhalten bejaht werden. Auch spricht die vom LG Frankfurt a. M. ins Felde 340 Vgl. BGHZ 160, 385, 389; BGHZ 94, 324, 326; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 120 Rn. 25; Hüffer, AktG, § 120 Rn. 2; Mülbert, in: Großkomm. AktG, § 120 Rn. 25 ff.; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 120 Rn. 12. 341 BGHZ 160, 385, 389. 342 Grundlegend BGHZ 153, 47, 51 f. – Macrotron; vgl. ausf. Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 120 Rn. 26 ff. 343 Vgl. BGHZ 153, 47, 51; BGHZ 160, 385, 388; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 120 Rn. 27; Hüffer, AktG, § 120 Rn. 12; Reger, in: HbgKomm. AktG, § 120 Rn. 5; a. A. Mülbert, in: Großkomm. AktG, § 120 Rn. 75 f.; Spindler, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 120 Rn. 33: (nahezu) freies Entlastungsermessen. 344 Vgl. BGH DB 1967, 940, 942; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 1252, 1253; Wüsthoff, Auskunftsanspruch, S. 20. 345 Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 120 Rn. 4. 346 Vgl. ausf. zum Normzweck Mülbert, in: Großkomm. AktG, § 120 Rn. 6. 347 Mülbert, in: Großkomm. AktG, § 120 Rn. 61, 64.

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geführte geringe rechtliche Bedeutung der Entlastung gegen ein zu enges Verständnis der Beurteilungserheblichkeit. Zwar ist dieser Hinweis angesichts der ausbleibenden Verzichtswirkung (§ 120 Abs. 2 Satz 2 AktG) im Grundsatz zutreffend, doch übersieht diese Ansicht die Bedeutung der Entlastung im außerrechtlichen Bereich. Die Entlastung, vor allem aber die Nichtentlastung, besitzt enorme Signalwirkung für die Öffentlichkeit.348 Wurde einer Verwaltung die Entlastung verweigert, so besteht die Gefahr, dass sie bei den Arbeitnehmern, Kunden und Lieferanten der Gesellschaft an Reputation und Durchsetzungsvermögen verliert.349 Liegen die Wirkungen der (Nicht-)Entlastung damit aber in erster Linie im außerrechtlichen Bereich, so kann die Beurteilungserheblichkeit nicht bei Verstößen gegen Rechtspflichten halt machen. Vielmehr muss das Spektrum beurteilungserheblicher Auskünfte gerade wegen der ausbleibenden Verzichtswirkung weiter gefasst werden. Zu Recht ist aber darauf hingewiesen worden, dass aus der großen außerrechtlichen Wirkung der Entlastungsentscheidung und dem Charakter des Entlastungsrechts als Kontrollrecht der Hauptversammlung350 nicht die Zulässigkeit nahezu sämtlicher Aktionärsfragen abgeleitet werden kann.351 Denn die Entlastung wird nur für die gesamte zurückliegende Geschäftsführungstätigkeit gewährt oder verweigert, nicht hingegen für einzelne geschäftsleitende Maßnahmen.352 Daraus folgt, dass nur solche Auskünfte beurteilungserheblich sind, mit denen die Tätigkeit der Verwaltung insgesamt beurteilt werden kann. Da ein objektiv urteilender Aktionär seine Entlastungsentscheidung aber nicht von unbedeutenden Vorgängen abhängig machen würde und derartige Vorgänge auch keine Auswirkungen auf die Bewertung der gesamten zurückliegenden Geschäftstätigkeit haben, kommen nur solche Vorgänge in Betracht, die von einigem Gewicht sind. Der vom BGH herangezogene Beurteilungsmaßstab erscheint damit sachgerecht. e) Weitere Konkretisierung Dieser Maßstab bedarf jedoch weiterer Konkretisierung, die seitens des BGH bislang nicht vorgenommen wurde. Jedenfalls dürfte das Kriterium des „Vorgangs von einigem Gewicht“ dann erfüllt sein, wenn die thematisierte Angelegenheit die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft in nicht nur ganz uner348 Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 120 Rn. 1; Reger, in: HbgKomm. AktG, § 120 Rn. 1; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 120 Rn. 4; Wüsthoff, Auskunftsanspruch, S. 19. 349 Vgl. Mülbert, in: Großkomm. AktG, § 120 Rn. 11. 350 So Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 120 Rn. 25; Lutter, AG 1985, 117, 122: „grundlegende und zugleich öffentliche Kontrolle gegenüber der Verwaltung“. 351 Wüsthoff, Auskunftsanspruch, S. 19. 352 Vgl. Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 120 Rn. 7; Mülbert, in: Großkomm. AktG, § 120 Rn. 89; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 120 Rn. 31: „Gesamtbewertung“; Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 120 Rn. 24.

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heblicher Weise beeinflusst.353 Die Festlegung starrer Grenzwerte, die sich an betriebswirtschaftlichen Kennziffern orientieren, erscheint hierbei zwar im Interesse der Rechtssicherheit und Praktikabilität wünschenswert, findet aber in § 131 AktG keine Rückkopplung.354 In Anlehnung an den Tatbestand der unbedeutenden Geschäftsbeziehung in Rule 14a-8 (i)(5) wird man einen „Vorgang von einigem Gewicht“ aber jedenfalls dann als erfüllt ansehen können, wenn die fragliche Angelegenheit 5 % der Bilanzsumme und des Bruttoumsatzes oder des Gesellschaftsvermögens ausmacht. Doch werden auch unterhalb dieser Kennziffern „Vorgänge von einigem Gewicht“ feststellbar sein, so dass die Entscheidung insoweit stets von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängig ist. Als alleiniger Beurteilungsmaßstab ist eine an Kennziffern orientierte Betrachtungsweise jedoch ungeeignet, da in zahlreichen Fällen wirtschaftliche Kennziffern nicht verfügbar sind oder sich das wirtschaftliche Gewicht eines Vorgangs schwer messen lässt. Deshalb müssen jenseits von einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise auch sonstige Vorgänge von einigem Gewicht beurteilungserheblich sein. Dabei drängen sich Parallelen zum Tatbestand der anderweitigen bedeutenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit der shareholder proposal rule geradezu auf.355 Wie dort wird man die Beurteilungserheblichkeit einer Angelegenheit auch dann bejahen können, wenn sie – losgelöst von betriebswirtschaftlichen Kennzahlen – große öffentliche Aufmerksamkeit verursacht hat und die Rolle gerade dieser Gesellschaft im öffentlichen Diskurs eine Rolle spielte. Gestützt wird diese Überlegung sowohl durch eine im Nachgang zum Urteil des BGH gefällte Entscheidung des 20. Zivilsenats des OLG Frankfurt a. M. als auch durch die Literatur. In dieser finden sich generell zwar nur ganz oberflächliche Anmerkungen zur Beurteilungserheblichkeit sozialer, politischer und ökologischer Angelegenheiten der Geschäftstätigkeit. Eine eindeutige Positionierung zu einem Teilaspekt enthält aber der von Mutter verfasste Praxisleitfaden zu § 131 AktG356 im Zusammenhang mit Auskunftsbegehren zu Zwangsarbeiterentschädigungen.357 Fragen zur Beteiligung oder Nichtbeteiligung der Gesellschaft an einer Stiftung zur Entschädigung von Zwangsarbeitern bezögen sich zwar auf einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen. Die Beurteilungserheblichkeit sei aber wegen der Öffentlichkeitswirksamkeit der Thematik zu bejahen.358 Ganz ähnlich argumentiert der 20. Zivilsenat des OLG Frankfurt a. M. in einem im Auskunftserzwin353

In diese Richtung weisend etwa BayObLG, NJW-RR 1996, 994, 995. Zutr. in anderem Zusammenhang Wüsthoff, Auskunftsanspruch, S. 31: Zahlengrenzen wären Rechtssetzung, nicht Rechtsanwendung. 355 Vgl. dazu § 7 C. V. 2. 356 Mutter, Auskunftsansprüche, S. 69 f. 357 Um das Jahr 2000 wurde die (Nicht-)Beteiligung von Gesellschaften an der Stiftungsinitiative „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ auf den Hauptversammlungen zahlreicher deutscher Aktiengesellschaften von Aktionärsseite aufgegriffen. Vgl. dazu Mertens, AG 2000, 157. 358 Vgl. Mutter, Auskunftsansprüche, S. 70. 354

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

gungsverfahren (§ 132 AktG) ergangenen Beschluss aus dem Jahre 2006.359 Das Gericht entschied, dass dem antragstellenden Aktionär ein Anspruch auf Beantwortung der Frage zustand, wie hoch im abgelaufenen Geschäftsjahr die Gesamtvergütung der nicht im Vorstand vertretenen Mitglieder des Group Executive Committee360 gewesen sei. Dabei verwies das Gericht zunächst noch einmal auf seine überkommene Rechtsprechung, wonach die Beurteilungserheblichkeit beim Tagesordnungspunkt der Entlastung eng mit der Verfahrensnorm § 120 Abs. 3 AktG verknüpft sei. Anders als in früheren Urteilen wurde der Zusammenhang mit § 120 Abs. 3 AktG hier jedoch nur kurz erwähnt, ohne dass er im Laufe der Begründung noch einmal aufgegriffen wurde. Die Begründung des Beschlusses fußt dagegen auf der Überlegung, dass die Gesellschaft durch die Gründung des Group Executive Committee eine grundlegend neue Führungsstruktur erhalten habe, die in der Öffentlichkeit starke Beachtung gefunden und eine breite Diskussion ausgelöst habe. Zudem komme dem neu geschaffenen Gremium innerhalb der Organisationsstruktur der Gesellschaft eine exponierte Stellung und herausragende Bedeutung zu. Es handele sich deshalb um „eine für die Gesellschaft wichtige Angelegenheit“, „um eine bedeutsame unternehmerische Entschließung mit weit reichender Bedeutung für die Gesellschaft“.361 f) Fazit Die Beurteilungserheblichkeit einer Aktionärsauskunft hängt im Rahmen des Tagesordnungspunktes der Entlastung maßgeblich davon ab, ob die begehrte Auskunft einen Vorgang von einigem Gewicht betrifft. Dieses Gewicht kann sich einerseits aus der wirtschaftlichen Bedeutung der fraglichen Angelegenheit ergeben. Darüber hinaus ist die Beurteilungserheblichkeit einer Auskunft aber auch dann zu bejahen, wenn sie einen Aspekt der Geschäftstätigkeit betrifft, der erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit erregt hat. Wie bei der näheren Umschreibung der hinreichenden wirtschaftlichen Bedeutung lassen sich aber keine abstrakten Kriterien aufstellen. Entscheidend sind auch hier die jeweiligen Umstände des Einzelfalls. 5. Beurteilungserheblichkeit bei Voreingenommenheit des Auskunftsersuchenden Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, zeichnet sich die Praxis des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagements in Deutschland dadurch aus, dass sich der Aktivismus nicht auf den Gebrauch nur eines Rechts beschränkt, sondern die 359

OLG Frankfurt a. M., AG 2006, 460, 461 – Deutsche Bank AG. Vgl. zu Aufbau und Funktion des Group Executive Committee der Deutschen Bank AG sowie zur Zulässigkeit organexterner Führungsgremien Götz, ZGR 2003, 1, 9 ff. 361 OLG Frankfurt a. M., AG 2006, 460, 461. 360

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Opposition unter Ausübung von Rederecht, Auskunftsrecht und Gegenantragsrecht vorgetragen wird. Dabei stellen die Aktionärsaktivisten im Vorfeld der Hauptversammlungen regelmäßig Gegenanträge, die auf eine Nichtentlastung der Verwaltung zielen, und üben ihr Stimmrecht zugunsten dieses Gegenantrags aus. In dieser Konstellation stellt sich die Frage, wie sich die Voreingenommenheit eines Aktionärs auf die Statthaftigkeit seines Auskunftsbegehrens auswirkt. Nach einem Urteil des LG Dortmund, das sich mit der Beurteilungserheblichkeit von Fragen von Kernkraftgegnern auf der Hauptversammlung der RWE AG zu befassen hatte, sind Auskünfte in solchen Fällen nicht erforderlich, um den Tagesordnungspunkt der Entlastung ordnungsgemäß beurteilen zu können.362 Denn die erteilten Auskünfte müssten in irgendeiner Form geeignet sein, das Abstimmungsverhalten des Aktionärs zu beeinflussen. Nur dann könnten sie zu einer sachgemäßen Beurteilung beitragen. Demgegenüber benötige ein Aktionär, von dem angenommen werden muss, dass sein Abstimmungsverhalten aufgrund anderweitiger Erkenntnisse und Motive bereits vor Erteilung der Auskunft eindeutig und unbeirrbar feststeht, keine Entscheidungshilfe mehr. Die erwartete Antwort auf seine Frage diene in diesem Fall nicht der Bildung einer eigenen Meinung, sondern der Beschaffung von Argumenten für die Durchsetzung derselben.363 Diese eingeschränkte Sichtweise vermag jedoch nicht zu überzeugen: Maßstab für die Beurteilung der Erforderlichkeit ist nicht der konkrete auskunftbegehrende Aktionär, sondern ein fiktiver objektiver Durchschnittsaktionär. Zudem ist das Auskunftsrecht herrschender Ansicht zufolge ein Recht des Aktionärs auf Information des Organs Hauptversammlung.364 Da es die kollektive Willensbildung in der Hauptversammlung vorbereitet, kann es nicht auf das beabsichtigte Abstimmungsverhalten des Aktionärs ankommen, der das Auskunftsrecht ausübt. Zu Recht betonte deshalb das OLG Düsseldorf 365, dass ein Aktionär Auskünfte auch allein deshalb fordern könne, um andere Aktionäre auf der Hauptversammlung „auf seine Seite zu ziehen“ und sie von seiner bereits feststehenden Entscheidung zu überzeugen. Es sei das Recht jedes Aktionärs, für seine Entscheidung in der Hauptversammlung zu werben und die eigene feststehende Überzeugung durch Mehrheitsbeschluss durchzusetzen, wozu das Auskunftsrecht als Hilfsmittel diene. Diese Entscheidung, durch die das Ausgangsurteil des LG Dortmund aufgehoben wurde, hat in der Literatur ganz überwiegend Zustimmung gefunden.366

362 LG Dortmund, AG 1987, 21; zust. Reuter, DB 1988, 2615, 2616; Werner, Festschrift Semler, S. 419, 425; siehe auch bereits Nitschke/Bartsch, AG 1969, 95, 97. 363 LG Dortmund, AG 1987, 21, 22. 364 Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 3; Reger, in: HbgKomm. AktG, § 131 Rn. 1; Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 131 Rn. 3, 81, jeweils m.w. N. 365 OLG Düsseldorf, AG 1987, 22, 23.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

III. Relevante Auskunftsverweigerungsgründe Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG vor, so darf die begehrte Auskunft vom Vorstand dennoch verweigert werden, wenn mindestens einer der in § 131 Abs. 3 Satz 1 AktG abschließend367 aufgezählten Auskunftsverweigerungsgründe erfüllt ist. Im Hinblick auf die Auskunftsbegehren nachhaltigkeitsorientierter Aktionäre dürften in der Praxis allein die Verweigerungsgründe der Nachteilszufügung (Abs. 3 Nr. 1) und der Internetveröffentlichung (Abs. 3 Nr. 7)368 Relevanz besitzen. 1. Pflicht zur Auskunftsverweigerung bei drohender Nachteilszufügung Klärungsbedürftige Fragen wirft jedoch nur der Anwendungsbereich von § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG auf, der eine Auskunftsverweigerung ermöglicht, soweit die Erteilung der Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Die nähere Untersuchung dieses Tatbestandes kann dabei nicht aufgrund der Überlegung unterbleiben, dass ein mögliches Druckpotential des auskunftsersuchenden Aktionärs oder die Legitimität des Auskunftsthemas in der Praxis häufig erheblichen Einfluss auf die Ausübung des dem Vorstand eingeräumten Verweigerungsermessens haben werden. Denn nach ganz herrschender Meinung ist dieses Ermessen im Falle drohender Nachteilszufügung auf Null reduziert: Das Recht zur Auskunftsverweigerung schlägt insoweit in eine Pflicht zur Auskunftsverweigerung um.369

366 Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 146; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 34; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 41; Reger, in: HbgKomm. AktG, § 131 Rn. 11; Meilicke/Heidel, DStR 1992, 72, 73. 367 Vgl. § 131 Abs. 3 Satz 2 AktG sowie Kropff (Hrsg.), AktG, S. 186; Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 294; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 23. 368 Etwa durch Vorabinformation durch einen auf der Internetseite der Gesellschaft veröffentlichten Nachhaltigkeitsbericht. Der Auskunftsverweigerungsgrund der Internetveröffentlichung wurde erst durch Art. 1 Nr. 9 b) des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) eingeführt und geht auf Vorschläge der Regierungskommission Corporate Governance zurück, vgl. RegE eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), BT-Drs. 15/5092, S. 17 und Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 105 = BT-Drs. 14/7515, Rn. 105. Die dogmatische Verortung in § 131 Abs. 3 AktG ist allerdings zweifelhaft, da eine vorab veröffentlichte Information schon nicht „erforderlich“ i. S. d. § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG ist, vgl. zu diesem Einwand auch Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 157 (S. 110) sowie Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 90. 369 Das ergibt sich aus der in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG normierten Verschwiegenheitspflicht, vgl. Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 292; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 23; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 96.

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2. Konkretisierung des Tatbestands der drohenden Nachteilszufügung Umso wichtiger erscheint es, den Anwendungsbereich des Verweigerungsgrundes der drohenden Nachteilszufügung zu konkretisieren. a) Reputationsverlust als Nachteil Als gesichert gilt, dass ein „Nachteil“ nicht erst bei drohendem Eintritt eines Schadens i. S. d. §§ 249 ff. BGB vorliegt, sondern bereits jede gewichtige Beeinträchtigung des Gesellschaftsinteresses ausreicht.370 Die Erteilung der begehrten Auskunft muss den Nachteil nicht unmittelbar herbeiführen, sondern lediglich zur Nachteilszufügung „geeignet“ sein. Dafür ist eine konkrete Erwartung der Nachteilszufügung zu fordern.371 Als typische Fälle eines geeigneten Nachteils werden in der Literatur Aktionärsfragen aufgeführt, deren Beantwortung Vertragspartnern oder Wettbewerbern Einblicke in die interne Kalkulation der Gesellschaft ermöglichen oder Rückschlüsse darauf zulassen, außerdem Fragen zum Bereich Forschung und Entwicklung sowie zu Vertragsverhandlungen, die sich in der Schwebe befinden.372 Dagegen wurden Auskünfte zu sozialen, ökologischen und politischen Aspekten der Geschäftstätigkeit bislang nicht unter dem Gesichtspunkt der Nachteilszufügung diskutiert. Jedoch lassen auch sie sich in vielen Fällen zwanglos unter den Begriff des Nachteils subsumieren. Denn häufig besitzen die begehrten Auskünfte unmittelbare Relevanz für das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit und nicht selten schlägt ein nur schwer messbarer Reputationsverlust in einen messbaren wirtschaftlichen Schaden um. Bereits der drohende Ansehensverlust der Gesellschaft in der Öffentlichkeit stellt – nicht zuletzt wegen des ihm innewohnenden Risikos eines Übergreifens auf das Geschäftsergebnis – eine Beeinträchtigung der Interessen der Gesellschaft und damit einen Nachteil i. S. d. § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG dar. b) Erheblichkeit des Nachteils Allerdings berechtigt bzw. verpflichtet nicht jeder durch die Auskunftserteilung drohende Nachteil zur Auskunftsverweigerung. Vielmehr muss es sich nach dem Normwortlaut um einen „nicht unerheblichen“ Nachteil handeln. Ob der drohende Nachteil diese Grenze überschreitet, ist vom Vorstand einhelliger Auf-

370 Vgl. nur Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 99; Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 38; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 74. 371 Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 297; ähnlich unter Heranziehung des polizeirechtlichen Gefahrenbegriffs Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 40. 372 Vgl. Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 38; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 74.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

fassung zufolge im Zuge einer Abwägung zu ermitteln.373 Keine Einigkeit herrscht allerdings in der Frage, welche abwägungserheblichen Belange in diesen Entscheidungsprozess einzubeziehen sind. aa) Maßgeblichkeit der Gesellschafts- und Aktionärsinteressen (Rsp.) Der überwiegende Teil der Rechtsprechung stellt die durch die Auskunft drohenden Nachteile für die Gesellschaft den von der Antwort ausgehenden Vorteilen für die Gesamtheit der Aktionäre und die Gesellschaft gegenüber.374 Abwägungserhebliche Belange sind somit neben den Gesellschaftsinteressen auch die Interessen der Aktionäre, wobei dem objektiven Durchschnittsaktionär auch hier Leitbildfunktion zukommt. Die Offenlegung nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformation dürfte oftmals im Interesse dieses langfristig ausgerichteten Aktionärs liegen. Im Einzelfall gestaltet sich die Gewichtung der Aktionärsinteressen jedoch schwierig. Die Judikate weisen deshalb durchweg große Defizite bei der nachvollziehbaren Darstellung der Aktionärsvorteile auf. (Vermeintlich) Bestehende Aktionärsinteressen werden oftmals nur behauptet und nicht argumentativ hergeleitet.375 bb) Konzentration auf Vor- und Nachteile für die Gesellschaft (Lit.) Die Abwägungserheblichkeit des Aktionärsinteresses ist deshalb mit Skepsis zu beurteilen. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil das Informationsbedürfnis des Aktionärs bereits in Gestalt des Erforderlichkeitskriteriums in § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG Berücksichtigung gefunden hat. Für ein gesondert zu bewertendes Aktionärsinteresse bleibt daneben kein Raum.376 Verlässliche Anhaltspunkte für eine Differenzierung in mehr oder weniger erforderliche Auskünfte sind nicht auszumachen. Aus diesem Grund hat auch der Gesetzgeber des AktG 1965 davon Abstand genommen, auf die „überwiegenden Belange der Gesellschaft“ abzustellen, wie dies noch in der Vorgängerregelung § 112 Abs. 3 Satz 1 AktG 1937 geschah.377 Die Abkehr von der Abwägungserheblichkeit der Aktionärs373 Vgl. BayObLG AG 1996, 322, 323; LG Heidelberg, AG 1996, 523, 525; Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 300; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 27; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 100; Hefermehl, Festschrift Duden, S. 109, 116; Trouet, NJW 1986, 1302. 374 So BGHZ 86, 1, 19; BGHZ 101, 1, 9; OLG Hamburg, AG 1970, 372, 373; LG Dortmund, AG 1987, 21, 22; offengelassen von OLG Düsseldorf, WM 1991, 2149, 2155. 375 Besonders deutlich OLG Hamburg, AG 1970, 372, 373: „An der Klärung dieser Frage besteht ein überragendes Interesse der Aktionäre.“ 376 Bälz, Auskunftsanspruch, S. 153. 377 Vgl. Kropff (Hrsg.), AktG, S. 186; § 112 Abs. 3 Satz 1 AktG 1937 lautete: „Sie [die Auskunft] darf nur so weit verweigert werden, wie überwiegende Belange der Ge-

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interessen hat in Gestalt der geänderten Formulierung des Auskunftsverweigerungsgrundes Eingang in den Wortlaut der Norm gefunden. Aus diesen Erwägungen ziehen die herrschende Literaturmeinung378 und Teile der Rechtsprechung379 den zutreffenden Schluss, dass bei der Ermittlung des durch die Auskunftserteilung drohenden Nachteils allein die Vor- und Nachteile für die Gesellschaft gegeneinander abzuwägen sind. Das Interesse der Aktionäre an nachhaltigkeitsbezogenen Unternehmensinformationen kann deshalb nicht zum Wegfall des Auskunftsverweigerungsrechts führen. c) Nachteilszufügung und Pflichtverletzung Konzentriert sich die Abwägung aber auf die Vor- und Nachteile der Auskunftserteilung für die Gesellschaft, so ist zu klären, welche denkbaren Vorteile den durch die Auskunft drohenden Reputationsnachteilen gegenüberstehen. Sowohl von der Rechtsprechung als auch von der Literatur ist anerkannt, dass die vorzunehmende Abwägung jedenfalls dann zugunsten einer Auskunftspflicht ausfällt, wenn dem Vorstand pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist.380 Andernfalls könnte das Auskunftsverweigerungsrecht vom Vorstand dazu instrumentalisiert werden, eigenes Fehlverhalten vor der Hauptversammlung zu verbergen und sich dadurch der Verantwortung zu entziehen. Die geforderte Pflichtwidrigkeit kann sich dabei einerseits aus Verstößen gegen die externe Pflichtenbindung381 des Vorstands ergeben, etwa gegen Pflichten des Umwelt-, Arbeit- und Sozialrechts. Doch wird es nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivisten – wie bereits erwähnt – im Regelfall nicht um die Aufdeckung von Gesetzesverstößen gehen. Andererseits sind Verstöße gegen die interne Pflichtenbindung des Vorstands denkbar, wozu insbesondere die aus §§ 93 Abs. 1 Satz 1, 76 Abs. 1 AktG resultierende Pflicht zur Abwägung und Wahrung der im Unternehmen zusammentreffenden Stakeholderinteressen zu zählen ist.382 Es ist aber bereits darauf hingesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens oder der gemeine Nutzen von Volk und Reich es erfordern.“ 378 Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 300; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 27; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 100; Reger, in: HbgKomm. AktG, § 131 Rn. 20; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 75; im Grundsatz auch Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 39, der allerdings betont, dass es dem Vorstand nicht verwehrt sein dürfe, im Rahmen seines Beurteilungsspielraums im Einzelfall auch das verfassungsrechtlich geschützte Informationsinteresse des Aktionärs zu berücksichtigen. 379 Vgl. etwa BayObLG, AG 1996, 322, 323; LG Heidelberg, AG 1996, 523, 525. 380 BGHZ 86, 1, 19; OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148, 2153; LG Hannover, AG 1991, 186; Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 300; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 27; Reger, in: HbgKomm. AktG, § 131 Rn. 20; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 76. 381 Die Terminologie ist an die von Fleischer in ZIP 2005, 141, 144 sowie in NJW 2009, 2337 verwendete angelehnt. 382 Vgl. bereits § 11 B. II. 4. a).

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wiesen worden, dass eine Pflichtwidrigkeit in diesen Fällen nur bei völliger Missachtung der Interessen einer der Bezugsgruppen des Unternehmens angenommen werden kann. Pflichtwidrigkeiten der Verwaltung ermöglichen die Überwindung der durch die Auskunft entstehenden Nachteile schon aus diesen Gründen nur im absoluten Ausnahmefall. Erschwerend kommen die strengen Anforderungen hinzu, die vom BGH in diesen Fällen zur Überwindung des Auskunftsverweigerungsrechts aufgestellt wurden: Danach reicht es nicht aus, dass der auskunftsersuchende Aktionär eine Pflichtwidrigkeit der Verwaltung lediglich behauptet. Andernfalls könnte das gesetzliche Auskunftsverweigerungsrecht leicht unterlaufen werden. Vielmehr müssen bestimmte Tatsachen vorliegen, „die objektiv geeignet sind, den hinreichenden Verdacht eines schwerwiegenden, die Gesellschaft schädigenden oder gefährdenden Versagens der Verwaltung zu begründen.“ 383 An derartigen verdachtsbegründenden Tatsachen wird es aber oftmals fehlen, da im Regelfall keine Verstöße gegen deutsches Umwelt- und Arbeitsrecht thematisiert werden, sondern die Arbeitsbedingungen und ökologischen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit in Schwellen- und Entwicklungsländern. Wegen der großen räumlichen Distanz gestaltet sich die Erlangung von Tatsachen, die auf Pflichtverletzungen der Verwaltung hindeuten, äußerst schwierig. Die vom BGH aufgestellten hohen Hürden führen im Zusammenhang mit nachhaltigkeitsbezogenen Auskunftsbegehren zu einer faktischen Privilegierung desjenigen Aktionärs, der über ein entsprechendes Netzwerk verfügt, um vor Ort hinreichende Verdachtsmomente zu ergründen. Dies kann praktisch nur von größeren Nichtregierungsorganisationen, nicht aber von gewöhnlichen Anlegern mit nachhaltigkeitsorientiertem Investitionsprofil erwartet werden. d) Nachteilszufügung durch Auskunftsverweigerung Erweist sich damit der Verdacht von Pflichtverletzungen nur im Ausnahmefall als gangbarer Weg, um das Auskunftsverweigerungsrecht bei reputationsgefährdenden Auskunftsbegehren zu überwinden, so ist zu untersuchen, ob der Gesellschaft durch die Erteilung der Auskunft nicht sonstige Vorteile entstehen. Diese bestehen nach hier vertretender Auffassung in der Vermeidung von Nachteilen, die sich infolge der Auskunftsverweigerung ergeben können. Macht der Vorstand von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch, so ermöglicht dies den Aktionären in den klassischen Fällen des § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AktG keine Rückschlüsse auf die begehrten Auskünfte. Die Auskunftsverweigerung stellt in diesen Fällen sicher, dass Unternehmensinterna nicht nach außen dringen und die Wettbewerbsposition der Gesellschaft gewahrt bleibt. Demgegenüber besteht ein spezifisches Charakteristikum nachhaltigkeitsorientierter Auskunftsbegehren darin, dass bereits aus der Auskunftsverweigerung 383

BGHZ 86, 1, 19.

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Rückschlüsse auf die erfragten Zustände gezogen werden können. Zwar ist der Vorstand nach Ansicht der Rechtsprechung gesetzlich nicht verpflichtet, den Grund der Auskunftsverweigerung in der Hauptversammlung zu nennen.384 Auch § 131 Abs. 5 AktG, der dem Aktionär einen Anspruch auf Protokollierung seiner Frage und des Grundes der Auskunftsverweigerung einräumt, begründet überwiegender Ansicht nach keinen Anspruch auf Offenlegung des Verweigerungsgrundes.385 Dennoch erscheint es im Interesse guter investor relations empfehlenswert, den Grund der Auskunftsverweigerung bereits in der Hauptversammlung zumindest zu umreißen.386 Dafür spricht auch, dass die Gesellschaft andernfalls in einem möglichen Auskunftserzwingungsverfahren (§ 132 AktG) selbst im Falle des Obsiegens mit den Kosten des Verfahrens belastet sein würde.387 Zudem besteht im Rahmen dieses Auskunftserzwingungsverfahrens die Pflicht der Gesellschaft zur Förderung des Verfahrens. Die Verfahrensförderungspflicht erfordert aber nicht nur die Nennung des Auskunftsverweigerungsgrundes, sondern im Falle des § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG auch die plausible Darlegung der drohenden Nachteilszufügung.388 Unabhängig davon kann der auskunftsersuchende Aktionär aber bereits aus der bloßen Weigerung zur Auskunftserteilung ohne Nennung des Verweigerungsgrundes den Schluss ziehen, dass die Gesellschaft „etwas zu verbergen“ habe. Professionelle Aktionärsaktivisten werden aus der Auskunftsverweigerung zudem folgern, dass Grund der unterbliebenen Beantwortung nur die drohende Nachteilszufügung (§ 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AktG) sein kann. Diese Schlussfolgerungen bieten Aktionären und Öffentlichkeit breitesten Raum für Spekulationen über den nachgefragten sozialen oder ökologischen Aspekt der Geschäftstätigkeit, wobei das Vorstellungsbild der Aktionäre über das tatsächliche Ausmaß der hinterfragten Missstände nicht selten stark übertrieben sein wird und ein erhebliches Reputationsrisiko birgt. Demgegenüber verhindert der offene Umgang mit reputationsgefährdenden Auskunftsbegehren das Entstehen von übertriebenen Gerüchten und Vermutungen über etwaige Missstände. Er bietet darüber hinaus auch die Möglichkeit, die offenbarten Tatsachen zu erläutern, sie zu verteidigen oder Wege zur Behebung von Missständen aufzuzeigen. Durch einen offensiven Umgang mit reputationsgefähr-

384 BGHZ 36, 121, 132; OLG Hamburg, AG 1969, 150, 151; offengelassen von BGHZ 101, 1, 8 f.; zust. Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 36; unentschieden Reger, in: HbgKomm. AktG, § 131 Rn. 19; a. A. Hüffer, AktG, § 131 Rn. 26; Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 131 Rn. 86. 385 Hüffer, AktG, § 131 Rn. 43; Reger, in: HbgKomm. AktG, § 131 Rn. 33; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 107; a. A. Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 374: kurze Begründung erforderlich. 386 Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 36. 387 Vgl. Decher, in: Großkomm. AktG, § 132 Rn. 71; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 132 Rn. 57. 388 OLG Düsseldorf, AG 1992, 34, 35; Hüffer, AktG, § 132 Rn. 7; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 132 Rn. 31; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 132 Rn. 20.

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denden Auskunftsbegehren behält die Gesellschaft das Heft des Handelns in der Hand. Die Gefahr, dass die Gesellschaft bzw. der Vorstand zum Opfer einer öffentlichen Kampagne von Nichtregierungsorganisationen und nachhaltigkeitsorientierten Anlegern wird389, erscheint dadurch gebannt. Festzuhalten bleibt damit, dass die mit der Auskunftserteilung entstehenden drohenden Reputationsnachteile kein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG begründen. Die drohenden Nachteile der Offenlegung werden von dem Vorteil aufgewogen, von den Nachteilen einer Auskunftsverweigerung verschont zu bleiben. IV. Rechtsvergleichende Betrachtung von § 131 AktG und Rule 14a-8 Die soeben festgestellte grundsätzliche Eignung des Auskunftsrechts als Instrument zur Erzeugung nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformation sagt noch nichts darüber aus, ob dieses Instrument auch effektiv genutzt werden kann. Im Folgenden wird deshalb die Effektivität des Auskunftsrechts als Informationserzeugungsmechanismus im Mittelpunkt der Untersuchung stehen, wobei Rule 14a-8 als Gradmesser fungieren wird. Auf diese Weise wird sich ermessen lassen, ob die rechtlichen Rahmenbedingungen für nachhaltigkeitsorientiertes Aktionärsengagement in Deutschland tatsächlich wie vereinzelt behauptet390 ungünstiger sind als in den USA. 1. Aufwand der Rechtsausübung Die Attraktivität und Effektivität eines Rechts zur Generierung nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformationen hängen zunächst von dem Aufwand ab, der für den Aktionär mit der Ausübung des Rechts verbunden ist. Bereits auf den ersten Blick scheint das Auskunftsrecht des AktG 1965 insoweit aktionärsfreundlicher ausgestaltet zu sein: Seine Ausübung ist nicht von der vorherigen Ankündigung des Aktionärs abhängig, in der Hauptversammlung Auskünfte verlangen zu wollen.391 Der Aktionär ist deshalb insbesondere nicht verpflichtet, seine Fragen im Vorfeld der Hauptversammlung schriftlich bei der Gesellschaft 389 Erinnert sei hierbei nur an das Instrument des „corporate shaming“, vgl. dazu bereits § 6 D. I. 2. a). 390 Vgl. Hild, Institutionelle Investoren, S. 159, 160; Riedel/Schneeweiß, Aktives Aktionärstum, S. 19; Umweltbundesamt (Hrsg.), Hintergrundinformation: Ökologische Geldanlagen, S. 4; zur deutschen Rechtslage auch Roth/Fitz, 30 Hast. L. J. 1433, 1447 (1979): „shareholders in a public corporation [. . .] cannot achieve by means of public interest shareholder activities a corporate policy responsive to the public interest, not even if a majority of the stockholders were willing to do so“. 391 So die ganz h. M., vgl. Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 97; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 8; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 29.

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einzureichen. Anderslautende rechtspolitische Forderungen haben bislang kein Gehör gefunden.392 Demgegenüber muss der Aktionär einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft seinen auf Informationserzeugung gerichteten Antrag der Verwaltung bereits Monate vor Versendung der proxy materials mitteilen393 und ihn zusätzlich – wenngleich auch nicht höchstpersönlich394 – auf dem annual meeting zur Abstimmung stellen.395 Erschwerend kommt hinzu, dass die Verwaltungen US-amerikanischer Gesellschaften zunächst zum Widerstand gegen die Veröffentlichung der Anträge nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivisten neigen und deshalb das Prüfverfahren der SEC in Gang gesetzt wird, in dessen Verlauf der antragstellende Aktionär zur Auffassung der Verwaltung regelmäßig schriftlich Stellung bezieht. Demgegenüber reagieren die Verwaltungen deutscher Aktiengesellschaften auf die Auskunftsbegehren der Aktionäre mit großer Bereitwilligkeit.396 Das Kriterium der Beurteilungserheblichkeit wird in der Praxis äußerst weit ausgelegt, so dass auch über eher fern liegende oder bis in letzte Details gehende Fragen Auskunft erteilt wird.397 Eine Berufung auf die gesetzlichen Auskunftsverweigerungsgründe erfolgt entweder gar nicht oder in verschwindend geringen Ausnahmefällen.398 Auch wenn das deutsche Aktienrecht keine Ankündigung des Auskunftsbegehrens fordert und sich damit der Aufwand des Aktionärs auf die Hauptversammlungsteilnahme beschränkt, kann die Ankündigung der zu stellenden Fragen im Vorfeld der Hauptversammlung in bestimmten Fällen dennoch ratsam sein. Zwar trifft den Vorstand nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur eine Pflicht zur angemessenen Vorbereitung der Hauptversammlung, die ihn insbesondere dazu anhält, sich auf vorhersehbare Fragen einzustellen.399 Die Anfor392 Für eine Ankündigungserfordernis de lege ferenda Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 97; Luther, Festschrift Möhring, S. 221, 223; Witt, AG 2000, 257, 267; Zöllner, AG 2000, 145, 153. Vgl. auch Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 106 = BT-Drs. 14/7515, Rn. 106, wo ein im AktG verankertes Ankündigungserfordernis bei mehr als fünf Einzelfragen eines Aktionärs diskutiert und verworfen wird und stattdessen eine satzungs- oder geschäftsordnungsmäßige Regelung empfohlen wird. 393 Vgl. ausf. § 7 B. III. 394 Auch das Auskunftsrecht kann durch einen Bevollmächtigten des Aktionärs ausgeübt werden, vgl. Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 87; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 12. 395 Dazu ausf. § 7 B. I. 5. 396 Martens, Leitfaden, 3. Aufl., S. 16. 397 Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 134; v. Rechenberg, Hauptversammlung, S. 48. Es bleibt abzuwarten, ob diese extensive Handhabung durch die Einschränkungen des Anfechtungsrechts ein Ende finden wird, die durch das ARUG in Kraft getreten sind. Vgl. dazu Florstedt, AG 2009, 465 ff. 398 Vgl. Martens, Leitfaden, 3. Aufl., S. 16, der diese Praxis ausdrücklich begrüßt. 399 BGHZ 32, 159, 165; Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 251; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 9; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 64; so auch schon Obermüller, DB 1962, 827.

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derungen an diese Vorbereitungspflicht würden aber überspannt, wenn man eine wochenlange Vorbereitung auf potentielle Auskunftsbegehren fordern oder die Vorhaltung eines so umfangreichen Beraterstabes in der Hauptversammlung verlangen würde, der die Beantwortung jeder auch nur theoretisch vorstellbaren Frage sicherstellen könnte.400 Im Falle der Unvorhersehbarkeit des konkreten Auskunftsbegehrens oder eines hohen Detaillierungsgrades der nachgefragten Informationen besteht deshalb für den auskunftsersuchenden Aktionär die Obliegenheit, seine Fragen im Vorfeld der Hauptversammlung anzukündigen und dadurch eine Steigerung der Vorbereitungspflicht des Vorstands zu bewirken.401 Für nachhaltigkeitsorientierte Aktionärsaktivisten wird dies allerdings nur dann gelten können, wenn sie – was selten geschieht – mit der Verwaltung der Gesellschaft nicht bereits außerhalb der Hauptversammlung in Kontakt getreten sind und in diesem Zusammenhang ihr Anliegen vorgetragen haben und ihre Hauptversammlungsteilnahme gänzlich unerwartet geschieht. Das dürfte zumindest in allen großen DAX-Unternehmen, auf deren Hauptversammlungen Aktionärsaktivisten bereits jahrzehntelang auftreten, kaum der Fall sein. Zur Sicherstellung eines hohen Informationsniveaus ist es dennoch ratsam, für eine rechtzeitige Ankündigung detaillierter oder neuartiger Auskunftsbegehren Sorge zu tragen. 2. Persönliche Voraussetzungen für die Rechtsausübung Auch im Hinblick auf die von dem auskunftsbegehrenden Aktionär zu erfüllenden Voraussetzungen für die Rechtsausübung ist das Auskunftsrecht des deutschen AktG wesentlich günstiger ausgestaltet als das Antragsrecht der Rule 14a8. Zur Ausübung des Auskunftsrechts ist jeder Aktionär berechtigt, dem das Recht zur Hauptversammlungsteilnahme zusteht.402 Anders als das US-amerikanische Antragsrecht403 ist es weder von einer Mindesthaltedauer noch von einem Mindestbesitzerfordernis abhängig.404 Die Stimmberechtigung des Aktionärs ist ebenfalls kein konstitutives Merkmal des Auskunftsanspruchs, so dass dieser nicht nur in den Fällen bestehender Stimmverbote (§ 136 AktG), sondern auch von Inhabern stimmrechtsloser Vorzugsaktien (§ 140 Abs. 1 AktG) geltend gemacht werden kann.405 Auch insoweit besteht ein deutlicher Unterschied zu den 400

Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 253. Vgl. Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 253 f.; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 29; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 26; krit. hingegen Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 70 f. 402 Vgl. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 9: „Doppeltatbestand“; Göhmann, in: Henn/Frodermann/Jannott, Handbuch des Aktienrechts, 9.189 (S. 501). 403 Vgl. dazu § 7 B. I. 404 Kropff (Hrsg.), AktG, S. 185; BGHZ 119, 1, 17; BayObLG, NJW 1974, 2094 (jeweils zu § 293 Abs. 4 AktG a. F.); OLG Hamburg, AG 1969, 150, 151; Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 85; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 3; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 9. 401

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bundesrechtlichen Anforderungen für die Veröffentlichung von Aktionärsanträgen.406 3. Form der Auskunftserteilung Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG ist dem Aktionär die begehrte Auskunft in der Hauptversammlung „zu geben“. Angesichts der Funktion des Auskunftsrechts als Instrument kollektiver Willensbildung407 versteht die herrschende Meinung diesen Passus so, dass dem Aktionär grundsätzlich nur ein Anspruch auf mündliche Erteilung von Auskünften zusteht.408 Spiegelbildlich darf die Auskunft seitens der Gesellschaft nicht in Schriftform erteilt werden.409 Die Dokumentationslast, d. h. der Aufwand der Aufzeichnung des flüchtigen Wortes, liegt somit grundsätzlich beim Aktionär. Die Gewährung der Einsichtnahme in die von der Gesellschaft vorgehaltenen Unterlagen erfüllt den Auskunftsanspruch hingegen nur im Ausnahmefall. Eine Einsichtnahme soll nur dann ausreichend sein, wenn sie das Informationsinteresse des Aktionärs schneller und besser zu befriedigen vermag als eine mündliche Auskunftserteilung und zugleich allen anderen an der Hauptversammlung teilnehmenden Aktionären die Möglichkeit zur Einsichtnahme gewährt wird.410 Zulässig und in der Praxis verbreitet sind darüber hinaus Vereinbarungen des auskunftsbegehrenden Aktionärs mit dem Vorstand, wonach die gestellten Fragen schriftlich nach dem Ende der Hauptversammlung beantwortet werden.411 Derartige „erfüllungsersetzende Auskunftsvereinbarungen“ sind vor allem in solchen Fällen als nützlich anzusehen, in denen der Vorstand die begehrten Informationen in der Hauptversammlung gar nicht oder nur mit Mühe beschaffen kann.412 Im Gegensatz zum deutschen Recht trifft Rule 14a-8 keine Aussage, in welcher Form begehrte Auskünfte zu erteilen sind. Das Fehlen einer solchen Festlegung ist darauf zurückzuführen, dass die Antragsthematiken und die in den An405 Vgl. Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 13; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 13. 406 Vgl. § 7 B. I. 1. 407 Dazu ausf. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 3, 77 m.w. N. 408 BGHZ 101, 1, 15; BGHZ 122, 211, 236; OLG Frankfurt a. M., AG 2007, 451; OLG Dresden, AG 1999, 274, 276; Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 114; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 22; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 77; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 61; krit. Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 68. 409 Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 67. 410 Vgl. BGHZ 101, 1, 15 f.; BGHZ 122, 211, 236; OLG Düsseldorf, ZIP 1999, 793, 796; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 22; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 61; ablehnend hingegen Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 80. 411 Vgl. dazu nur Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 81; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 62. 412 Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 65.

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trägen empfohlenen Verhaltensweisen von Gesetzes wegen nicht auf die Erteilung von Auskünften beschränkt sind. Aktionärsanträge können zwar Auskunftsbegehren enthalten, aber auch auf andere Ziele gerichtet sein.413 Diese Ausgangslage hat zur Folge, dass es ganz im Ermessen des antragstellenden Aktionärs steht, in welcher Form er eine Auskunftserteilung empfiehlt. In der Praxis laufen die Empfehlungen im Regelfall auf eine Berichterstattung in schriftlicher Form hinaus, wobei die erstellten Berichte allen Aktionären der Gesellschaft zugänglich gemacht werden sollen. Die Dokumentationslast liegt somit im Gegensatz zum deutschen Recht grundsätzlich bei der Gesellschaft, die allerdings jederzeit auf eine mündliche Unterrichtung des Aktionärs umschwenken kann, da der Antrag in jedem Fall nur empfehlend ist und das Aktionärsvotum keinerlei Bindungswirkung entfaltet.414 Insgesamt ergibt sich somit im Hinblick auf die Form der Auskunftserteilung ein wesentlicher Unterschied zwischen Auskunftsbegehren nach § 131 AktG und auf Auskunftserteilung gerichteten Aktionärsanträgen nach Rule 14a-8: Während die Auskunft vom Vorstand einer deutschen Aktiengesellschaft grundsätzlich mündlich zu erteilen ist, liegt es in den USA im Ermessen der Verwaltung, in welcher Form Informationen weitergegeben werden. In der Praxis ist dieser Unterschied indes nicht allzu groß, da Auskünfte in Deutschland häufig auf der Grundlage auskunftsersetzender Erfüllungsvereinbarungen schriftlich erteilt werden und die Verwaltung der corporation Informationen ebenfalls in Schriftform übermittelt. 4. Unbeachtlichkeit der Motivlage des Aktionärs Machen institutionelle Anleger in Deutschland von ihrem Auskunftsrecht bzw. in den USA von ihrem Antragsrecht Gebrauch, um sozial-ökologische Aspekte der Geschäftstätigkeit zu thematisieren, so kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass diese Rechtsausübung von „klassischen“ Motiven eines Aktionärs – etwa Verwaltungskontrolle und Überwachung des Investitionsrisikos – getragen ist. Weniger eindeutig ist die Situation hingegen, wenn diese Rechte von Nichtregierungsorganisationen ausgeübt werden. Hier liegt der Verdacht nahe, dass der Aktienerwerb lediglich dem Zweck diente, Zugriff auf die Aktionärsrechte und Zugang zur Hauptversammlung zu erlangen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die zur Rechtsausübung erforderlichen Aktien erst kurz vor der Hauptversammlung erworben wurden.415 Die Aktionärseigenschaft gleicht in diesen Fällen einem trojanischen Pferd, dem die Aktivisten entsteigen, um auf der Hauptver413

Zum gegenwärtigen Themenspektrum bereits § 6 E. I. 4. Vgl. § 7 C. I. 1. 415 Ein derartiges Vorgehen ist allerdings nur bei der Ausübung des Auskunftsrechts nach § 131 AktG möglich, da Rule 14a-8 (b) (1) Satz 1 eine Mindesthaltedauer von einem Jahr vorschreibt, vgl. § 7 B. I. 2. 414

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sammlung auftreten zu können.416 Es ist deshalb zu untersuchen, welchen Einfluss eine womöglich gesellschaftsfremde Motivlage des Aktionärs auf sein Auskunftsrecht bzw. sein Antragsrecht hat. Der Wortlaut des § 131 AktG bietet keinerlei Anhaltspunkte für die Beachtlichkeit der Motivlage des Aktionärs. Die Erörterung dieses Aspekts findet deshalb außerhalb der eigentlichen Tatbestandsmerkmale des Auskunftsanspruchs bei den allgemeinen Grenzen mitgliedschaftlicher Rechtsausübung statt. Wie jedes Recht finden auch die Rechte des Aktionärs dort ihre Grenze, wo die Schwelle zum Missbrauch überschritten wird.417 Als Fallgruppen einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Auskunftsrechts werden dabei häufig die illoyale, grob eigennützige Rechtsausübung und die Verfolgung gesellschaftsfremder Interessen genannt.418 Eine grob eigennützige Rechtsausübung ist allerdings nicht bereits dann anzunehmen, wenn der Aktionär mit dem Auskunftsbegehren eigene, eventuell egoistische Interessen verfolgt. Sie erfordert vielmehr darüber hinausgehende Anhaltspunkte, etwa die Diskriminierung der Gesellschaft oder ihrer Organe.419 Das ist bei den Auskunftsbegehren von Nichtregierungsorganisationen regelmäßig nicht der Fall. Auch die Fallgruppe der Verfolgung gesellschaftsfremder Interessen steht einer Ausübung des Auskunftsrechts durch Nichtregierungsorganisationen nicht entgegen. Das Motiv der Rechtsausübung spielt einhelliger Meinung zufolge für die Frage der Zulässigkeit des Auskunftsbegehrens keine Rolle.420 Auch im Zusammenhang mit dem Antragsrecht der Rule 14a-8 ist die Unbeachtlichkeit der Motivlage des Aktionärs seit langem anerkannt.421 Zwar entbindet Rule 14a-8 (i)(4) die Gesellschaft von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Aktionärsantrags, wenn dieser mit einem Anspruch oder einer persönlichen Beschwerde des Antragstellers gegen die Gesellschaft zusammenhängt oder er so gestaltet ist, dass er den Antragsteller begünstigt oder nur seinem persönlichen Interesse dient, das nicht von den Aktionären in ihrer Gesamtheit geteilt wird. Das Interesse an bzw. das Engagement für ein bestimmtes politisches, soziales

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Dieses Bild verwendete schon Günther, Festschrift Fechner, S. 117, 124. BVerfG, NJW 2000, 349, 351; Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 274 f. m.w. N.; a. A. aber Meilicke/Heidel, DStR 1992, 113, 115, die diese Fälle im Rahmen der Tatbestandsmerkmale des § 131 AktG lösen wollen. 418 Vgl. Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 278 f.; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 34; Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 61; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 92. 419 Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 61; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 92. 420 OLG Düsseldorf, AG 1992, 34, 37; Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 280; Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 61; Semler, in: MünchHdbGesR, § 37 Rn. 40. 421 Vgl. ausf. § 6 D. II. 3. b) bb). 417

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oder ökologisches Anliegen reicht nach Ansicht der SEC aber nicht aus, um den Ausnahmetatbestand zu erfüllen.422 5. Durchsetzungsmacht des Aktionärs Ein weiteres entscheidendes Effizienzkriterium besteht in den Möglichkeiten des Aktionärs, die Gesellschaft bzw. ihre Verwaltung zur Offenlegung der begehrten Informationen zwingen zu können. Konzentriert man sich dabei allein auf die rechtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten, so offenbart sich auch hier ein Effizienzvorteil des deutschen Auskunftsrechts. Denn aufgrund der Ausgestaltung als Individualrecht ist der fragende Aktionär nicht auf die Mitwirkung der übrigen Aktionäre angewiesen. Darüber hinaus gewährt § 131 AktG dem Aktionär einen klagbaren Auskunftsanspruch gegen die Gesellschaft423, der im Wege des Auskunftserzwingungsverfahrens nach § 132 AktG durchgesetzt wird. Außerdem kann der Aktionär bei einer Verletzung der Auskunftspflicht die Anfechtungsklage (§ 243 Abs. 1 und 4 AktG) gegen den betreffenden Hauptversammlungsbeschluss erheben. Demgegenüber sind auskunftsersuchende Aktionärsanträge im US-amerikanischen Recht stets rein empfehlender Natur.424 Der Antragsteller ist zudem auf die Zustimmung der übrigen Aktionäre zu seinem Antrag angewiesen, um der Verwaltung die Akzeptanz des mit dem Antrag verfolgten Ziels im Kreise der Aktionäre demonstrieren zu können. Eine Pflicht zur Befolgung des Antrags erwächst für den Board aus dem Aktionärsvotum jedoch selbst dann nicht, wenn der Antrag von einer Mehrheit der Aktionäre befürwortet wurde.425 Allerdings wäre es verfrüht, aus der fehlenden rechtlichen Bindungswirkung des Aktionärsvotums auf die generelle Ineffizienz des Aktionärsantragsrechts als Instrument der Informationsbeschaffung zu schließen. Denn wie die Praxis der vergangenen Jahrzehnte gezeigt hat, kommt es trotz der fehlenden rechtlichen Durchsetzungsmacht der Antragsteller oftmals schon vor der Veröffentlichung des Antrags in den proxy materials zu einer Einigung zwischen dem Antragsteller und der Gesellschaft.426 Fehlt es an einer Einigung im Vorfeld der Hauptversammlung, so führt das Aktionärsvotum – gerade auch in Fällen, in denen der Antrag keine Mehrheit auf sich vereinigen kann – nicht selten zu einer Umsetzung der empfohlenen Maßnahme, ohne dass die Verwaltung dazu gezwungen 422

Vgl. § 7 C. IV. 2. Schuldner des Auskunftsanspruchs ist allein die Gesellschaft, für die der Vorstand tätig wird, vgl. Kropff (Hrsg.), AktG, S. 185; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 5; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 16. 424 Vgl. § 7 C. I. 1. 425 Dazu § 7 C. I. 1. 426 Ausf. § 6 E. I. 5. a). 423

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wäre. Ausschlaggebend dafür sind außerrechtliche Gründe. So spielt vor allem der Aspekt eine Rolle, wer Urheber des Aktionärsantrags ist. Die Einigungsbereitschaft des Board steigt mit der Größe des Legitimationskapitals des Antragstellers. So lässt sich beobachten, dass bekannte und hoch angesehene Nichtregierungsorganisationen das Aktionärsantragsrecht wesentlich erfolgreicher nutzen können, während unbekanntere Gruppierungen ihre Anliegen Jahr um Jahr aufs Neue zur Abstimmung stellen müssen.427 Eine ähnliche Situation lässt sich bei institutionellen Investoren feststellen. Die faktische Durchsetzungsmacht bleibt deshalb im Regelfall auf bekannte Nichtregierungsorganisationen und größere institutionelle Investoren beschränkt. Für den Kleinaktionär stellt das Antragsrecht hingegen weder in faktischer noch in rechtlicher Hinsicht ein effektives Mittel zur Generierung nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformation dar. 6. Breite und Dichte der erlangten Informationen Neben dem soeben geschilderten Aspekt der Durchsetzungsmacht kommt der Qualität, Quantität sowie der Streubreite der durch die Rechtsausübung zu erlangenden Informationen eine überragende Bedeutung zu. Ein Vergleich von § 131 AktG und Rule 14a-8 muss dabei auf der ersten Stufe bei der Frage ansetzen, wie häufig das jeweilige Aktionärsrecht zur Anwendung kommen kann. In einem zweiten Schritt ist sodann zu untersuchen, wie detailliert die infolge der Rechtsausübung zu erlangenden Informationen sind.

a) Quantitative Grenzen der Rechtsausübung Dem Aktiengesetz lässt sich keine quantitative Grenze für die Ausübung des Auskunftsrechts entnehmen. Der Aktionär ist also grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Höchstzahl möglicher Fragen festgelegt. Eine gesetzliche Beschränkung des Auskunftsanspruchs auf eine konkrete Anzahl von Fragen ist zuletzt von der Regierungskommission Corporate Governance diskutiert und verworfen worden.428 Stattdessen empfahl die Kommission, dass die Zahl der Aktionärsfragen einer Regelung in der Satzung der Gesellschaft oder der Geschäftsordnung der Hauptversammlung zugänglich sein sollte, wobei jedem Aktionär pro Tagesordnungspunkt mindestens fünf Fragen zugestanden werden sollten. Der Gesetzgeber hat diese Empfehlung aufgenommen und durch das UMAG in § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG verankert, wonach der Leiter der Hauptversammlung durch Satzungs- bzw. Geschäftsordnungsregelungen zu einer zeitlichen Beschränkung des 427

Vgl. § 6 E. I. 5. a). Vgl. dazu Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 106 = BT-Drs. 14/7515, Rn. 106. 428

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

Auskunftsrechts ermächtigt werden kann.429 Von dieser Möglichkeit hatten im Jahr 2007 bereits über 80 % der Gesellschaften Gebrauch gemacht.430 Eine „angemessene“ zeitliche Beschränkung i. S. d. § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG liegt herrschender Ansicht zufolge jedenfalls dann vor, wenn die Fragezeit auf 15 Minuten je Wortmeldung eines Aktionärs oder die zeitliche Höchstdauer einer gewöhnlichen Hauptversammlung auf sechs Stunden begrenzt wird.431 Demgegenüber eröffnet die Vorschrift nicht die Möglichkeit, das Auskunftsrecht auf eine einmalige Ausübung zu beschränken.432 Unabhängig davon, ob die Gesellschaft von der Möglichkeit des § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG Gebrauch gemacht hat, unterliegt das Auskunftsrecht aber weiteren, ungeschriebenen Grenzen, die sich aus allgemeinen Gesichtspunkten ableiten lassen.433 Insbesondere die Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs und der Treuepflichtverletzung können eine quantitative Eingrenzung des Auskunftsanspruchs bewirken. Eine absolute Obergrenze für die Zahl zulässiger Fragen lässt sich angesichts der Vielschichtigkeit der denkbaren Konstellationen jedoch nur schwer festlegen.434 Maßgeblich sind jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls. Das OLG Frankfurt a. M. hat etwa in einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 einen Katalog von 308 Fragen als unzulässig eingestuft, wobei es allerdings offen ließ, ob sich die Unzulässigkeit aus einem Missbrauch des Fragerechts oder einem Mangel der Beurteilungserheblichkeit ergab.435 Im Vergleich hierzu kann der Aktionär nach Rule 14a-8 die Veröffentlichung lediglich eines einzigen Antrags je Hauptversammlung verlangen.436 Dies hat zur Folge, dass es dem Aktionär im Anwendungsbereich der Rule 14a-8 – anders als bei § 131 AktG – nicht möglich ist, auf einer Hauptversammlung unterschied429 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 9 a) des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.09.2005, BGBl. I 2802; vgl. dazu LG Frankfurt a. M., AG 2007, 505; OLG Frankfurt a. M., AG 2008, 592 sowie Zetzsche, Der Konzern 2008, 580. 430 Siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion „Klagegewerbe im Aktienrecht“, BT-Drs. 16/6845, S. 4, wobei allerdings nicht klargestellt wird, ob damit nur die börsennotierten Aktiengesellschaften gemeint sind. 431 Vgl. LG Frankfurt a. M., AG 2007, 505 f.; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 152 (S. 109). 432 Zutr. Martens, AG 2004, 238, 242. 433 Vgl. Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 275 ff.; Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 59 ff. jeweils m.w. N. 434 So Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rn. 35, der die quantitativen Grenzen entgegen der h. M. bei der Frage der Beurteilungserheblichkeit verortet. Für eine absolute Obergrenze hingegen Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 59 (nie mehr als 50 Fragen, bei 20 Fragen aber bereits widerlegbare Missbrauchsindikation); Martens, Leitfaden, 3. Aufl., S. 27 (50 Fragen und mehr deuten Missbrauch an); Max, AG 1991, 77, 93 (100 Fragen); Quack, AG 1985, 145, 148 (100 Fragen). 435 OLG Frankfurt a. M., AG 2007, 672, 675 – Kirch. 436 Vgl. § 7 B. II.

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liche sozial-ökologische Aspekte der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zu thematisieren und Auskünfte hierzu zu erlangen. Vielmehr ist er darauf beschränkt, die Offenlegung spezieller Informationen aus einem Teilbereich (etwa Umweltschutz) zu empfehlen oder überblicksartige Informationen aus sämtlichen Teilbereichen (in Form eines Nachhaltigkeitsberichts) zu verlangen. b) Offenheit für die Erzeugung sozial-ökologischer Informationen Sowohl das Auskunftsrecht des deutschen Aktienrechts als auch das durch Rule 14a-8 ausgestaltete Aktionärsantragsrecht sind dazu geeignet, um durch ihre Ausübung Informationen zu sozialen, ökologischen oder politischen Aspekten der Geschäftstätigkeit zu erlangen. Dabei ist es dem Aktionär allerdings in beiden Rechtsordnungen verwehrt, Informationen zu erfragen, die keinerlei Bezug zur Tätigkeit der Gesellschaft aufweisen: Auskunftsbegehren ohne hinreichende Beziehung zur fraglichen Aktiengesellschaft sind keine „Angelegenheiten der Gesellschaft“ i. S. d. § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG, vergleichbare Aktionärsanträge weisen keine „(sonstige) bedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit“ i. S. d. Rule 14a-8 (i)(5) auf und sind deshalb nicht veröffentlichungspflichtig. Jenseits dieser zusammenhangslosen Informationsbegehren zeigt sich aber die grundsätzliche Offenheit von Auskunfts- und Antragsrecht für die Erzeugung nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformationen: Angesichts der Weite des Tatbestandsmerkmals der Angelegenheiten der Gesellschaft erzeugt im deutschen Recht lediglich das Erfordernis der Beurteilungserheblichkeit eingrenzende Wirkung. Sie wird im Rahmen des im Vordergrund stehenden Tagesordnungspunktes der Entlastung dann als gegeben angesehen, wenn Angelegenheiten von einigem Gewicht betroffen sind.437 Das besondere Gewicht der Angelegenheiten kann sich dabei sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus nicht-wirtschaftlichen Erwägungen ergeben438, wobei letztere das Einfallstor für nachhaltigkeitsorientierte Auskunftsverlangen darstellen. Auch einzelne Geschäftsvorfälle können zum Gegenstand von Auskunftsbegehren gemacht werden, soweit sie wegen ihres Gewichts die Schwelle der Beurteilungserheblichkeit überschreiten.439 Die zeitliche Reichweite der Auskunftsbegehren ist jedoch eingeschränkt. Einerseits findet die mit der Entlastung verbundene vergangenheitsbezogene Billigung der Geschäftsführung ihre Grenze im unmittelbar zurückliegenden Geschäftsjahr.440 Weiter zurückliegende Geschäftsjahre können nur dann Gegenstand des Tagesord437

Vgl. § 7 C. V. Dazu § 7 C. V. 2. 439 Vgl. BayObLG, NJW-RR 1996, 994, 995; LG München I, AG 1996, 89; Lutter, AG 1985, 117, 122. 440 So jedenfalls im Regelfall, vgl. LG Frankfurt a. M., AG 2005, 51, 51 f.; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 120 Rn. 18; Mülbert, in: Großkomm. AktG, § 120 Rn. 94; Reger, in: HbgKomm. AktG, § 120 Rn. 10. 438

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

nungspunktes und des dazugehörigen Beschlusses sein, wenn die Entlastung bei früheren Beschlüssen vertagt oder verweigert wurde oder ein ergangener Entlastungsbeschluss erfolgreich angefochten wurde.441 Andererseits müssen Auskunftsbegehren, die ein zukünftiges Verhalten der Gesellschaft bzw. der Verwaltung thematisieren, nicht erfüllt werden, da die Tagesordnungspunkte der Hauptversammlung nur das abgelaufene Geschäftsjahr betreffen. Daran ändert auch der in der Entlastung enthaltene zukunftsbezogene Vertrauenserweis nichts.442 Ähnlich stellt sich die Situation im US-amerikanischen Recht der Aktionärsanträge dar, wo Anträge mit Nachhaltigkeitsbezug in erster Linie an den Ausnahmetatbeständen der unbedeutenden Geschäftsbeziehung (Rule 14a-8 (i)(5)) und des Bezugs zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (Rule 14a-8 (i)(7)) zu messen sind. Eine hinreichende, zur Weiterleitung des Antrags verpflichtende Geschäftsbeziehung liegt dabei schon dann vor, wenn der Antragsgegenstand bereits Gegenstand einer öffentlichen Debatte war, an der auch gesetzgebenden Körperschaften teilnahmen und in deren Verlauf gerade die Verwicklungen dieses Unternehmens zur Sprache kamen.443 Die öffentliche Aufmerksamkeit des Antragsgegenstands ist damit der entscheidende Filter, um veröffentlichungspflichtige von nicht veröffentlichungspflichtigen Anträgen zu trennen. Gleiches gilt im Rahmen des Ausnahmetatbestandes des Bezugs zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit.444 Deshalb wurden in der Vergangenheit etwa Anträge als weiterleitungspflichtig angesehen, die eine Berichterstattung zu Treibhausgasemissionen445, zu Unternehmensspenden446, zu Menschenrechtsfragen447 und zu Umweltschäden448 empfahlen. Auch kann die Offenlegung von Informationen zu einzelnen Geschäftsführungsmaßnahmen erbeten werden, soweit diese einen hinreichend bedeutsamen gesellschaftspolitischen Gegenstand thematisieren. Anders als die Auskunftsbegehren im deutschen Recht sind Aktionärsanträge jedoch nicht auf das zurückliegende Geschäftsjahr beschränkt, sondern können auch die Offenlegung von Informationen über zukünftiges Verwaltungshandeln empfehlen.

441 Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 120 Rn. 18; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 120 Rn. 37. 442 Vgl. BayObLG, WM 1996, 119, 122; Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 191. 443 Dazu bereits § 7 C. V. 2. 444 Vgl. § 7 C. VII. 1. 445 SEC No-Action Letter American Standard Companies, Inc. vom 18.03.2002, 2002 WL 571652. 446 SEC No-Action Letter UST Inc. vom 26.02.2002, 2002 WL 386589. 447 SEC No-Action Letter BJ Services Company vom 10.12.2003, 2003 WL 22965430. 448 SEC No-Action Letter Newmont Mining Corp. vom 05.02.2007, 2007 WL 403867.

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c) Detaillierungsgrad der Informationen Gemäß § 131 Abs. 2 Satz 1 AktG hat die vom Vorstand zu gewährende Auskunft den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. Die Auskünfte müssen deshalb vollständig und objektiv richtig erteilt werden. Allerdings müssen allgemein gehaltene Fragen auch nur allgemein beantwortet werden.449 Damit trägt der Aktionär die Last, seine Frage vollständig und präzise zu formulieren.450 Für die Praxis des nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivismus hat dies zur Folge, dass sich durch ganz allgemein gehaltene Auskunftsbegehren nicht das gewünschte Informationsniveau generieren lässt. So ist der Vorstand beispielsweise bei der Frage nach den „Fortschritten im Bereich des Nachhaltigkeitsmanagements“ nicht zu detaillierter Auskunft verpflichtet. Konkrete Auskünfte können hingegen nur bei konkreten Fragen erwartet werden. Praktisch führt dies dazu, dass sinnvoll nutzbare nachhaltigkeitsbezogene Unternehmensinformationen nicht durch die einmalige Ausübung des Auskunftsrechts erzeugt werden können. Vielmehr ist eine mehrmalige Rechtsausübung erforderlich, die im deutschen Recht allerdings unbedenklich möglich ist. Anders stellt sich die Situation dagegen im US-amerikanischen Recht dar: Aufgrund der nur einmalig möglichen Rechtsausübung je Hauptversammlung sind shareholder proposals in ihrem Antragsziel häufig denkbar weit gefasst. Da die Reaktion auf einen zur Abstimmung zugelassenen Antrag jedoch ganz in das Ermessen des Board gestellt ist, hängt auch der Detaillierungsgrad der von ihm veröffentlichten Informationen ganz allein von seiner Entscheidung ab. Der Umfang der preisgegebenen Informationen ist auch hier wieder maßgeblich von außerrechtlichen Faktoren (Legitimationskapital des Antragstellers, öffentlicher Druck etc.) abhängig. 7. Präventiv-verhaltenssteuernde Wirkung der Informationsbeschaffungsrechte? Der vorliegenden Untersuchung liegt die These zugrunde, dass eine Verhaltenssteuerung der Verwaltung durch die Ausübung von Informationsbeschaffungsrechten erreicht werden kann, indem die auf diese Weise generierten Informationen die Markttransparenz fördern und somit die Steuerungsfähigkeit des Marktes erhöhen. In der Literatur wird allerdings seit langem darauf hingewiesen, dass Aktionärsrechte bereits im Vorfeld ihrer Ausübung zur Verhaltenssteuerung beitragen und nicht erst die tatsächliche Rechtsausübung, sondern bereits 449 OLG Stuttgart, NZG 2004, 966; OLG Stuttgart, ZIP 1998, 1482, 1492; LG Braunschweig, BB 1991, 856; Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 249; Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 69; Göhmann, in: Henn/Frodermann/Jannott, Handbuch des Aktienrechts, 9.198 (S. 504). 450 Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 73.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

die Ausübungsmöglichkeit präventiv-verhaltenssteuernde Wirkung entfaltet.451 Die Anreize der Verwaltungen deutscher und US-amerikanischer Aktiengesellschaften, einer Ausübung des Auskunfts- bzw. Aktionärsantragsrechts durch „vorauseilenden Gehorsam“ zuvorzukommen, liegen dabei auf der Hand: Auskunftsbegehren und Aktionärsanträge machen Konflikte zwischen Aktionären und Unternehmensleitung häufig publik und stellen eine Öffentlichkeit her, die das Ansehen der Gesellschaft unmittelbar beeinflussen kann und die von den Verwaltungen deshalb vermieden werden möchte.452 Besonders deutlich ausgeprägt ist die präventiv-verhaltenssteuernde Wirkung im US-amerikanischen Aktionärsantragssystem, wo ein Drittel aller angekündigten Anträge nach einer Einigung zwischen Verwaltung und Antragssteller zurückgenommen wird und deshalb unveröffentlicht bleibt.453 Zudem wird den Vorstellungen der Aktionärsaktivisten nicht selten auch ohne Ankündigung einer beabsichtigten Antragstellung entsprochen, um in der Außendarstellung das Bild einer auf Ausgleich zwischen den verschiedenen Stakeholdergruppen bedachten Unternehmensführung aufrechtzuerhalten oder entstehen zu lassen.454 Weniger deutlich ist demgegenüber die verhaltenssteuernde Wirkung, die sich aus der bloßen Existenz des deutschen Auskunftsrechts ergibt. Informelle Verhandlungen zwischen Verwaltungen deutscher Aktiengesellschaften („bargaining“) und Interventionen hinter den Kulissen („behind-the-scenes actions“, „secret backroom lobbying“) sind zwar auch in Deutschland weit verbreitet.455 Sie beschränken sich bislang jedoch ganz überwiegend auf institutionelle Investoren ohne spezifische Nachhaltigkeitsagenda.456 V. Fazit Das Auskunftsrecht des Aktionärs wurde in der Literatur als mitgliedschaftliches Grundrecht457, als praktisch wichtigstes Recht des Einzelaktionärs 458 und 451 Vgl. nur Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 213; Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 20, 570 sowie Kalss, Anlegerinteressen, S. 340, 352 m.w. N. 452 So zutr. v. Rechenberg, Hauptversammlung, S. 48. 453 Vgl. dazu bereits § 6 E. I. 5. a). 454 Allg. zu informellen Kontakten zwischen Verwaltungen und Investoren US-amerikanischer Aktiengesellschaften Kyriakakis, Überwachung, S. 225 ff. 455 Vgl. Schiessl, ZIP 2009, 689, 693; Siems, Konvergenz, S. 152 f.; RegE eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), BT-Drs. 13/ 9712, S. 19. Schon der historische Gesetzgeber des AktG 1965 sah es im Interesse der Beziehungen zwischen der Gesellschaft und ihren Aktionären als erwünscht an, dass der Vorstand auch während des Geschäftsjahres freiwillig auf Anfragen der Aktionäre eingeht, vgl. Kropff (Hrsg.), AktG, S. 187; Leuering, NJW-Spezial 2006, 507. 456 Vgl. aber Warth, Julia, „Nachhaltigkeitsinvestoren fordern Unternehmen heraus“, Börsenzeitung vom 16.05.2009, S. B2.

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neuralgischer Punkt der Aktionärsstellung in großen börsennotierten Aktiengesellschaften459 charakterisiert. Diese Aussagen sind zutreffend und haben in der vorangegangenen Untersuchung eine weitere Bestätigung gefunden: Das Auskunftsrecht bietet jedem Einzelaktionär die Möglichkeit, nachhaltigkeitsbezogene Informationen zu generieren. In rechtlicher Hinsicht ist das Auskunftsrecht aufgrund seiner Ausgestaltung als erzwingbarer Informationsanspruch wesentlich effektiver einsetzbar als das US-amerikanische Antragsrecht, dessen entscheidende Schwäche in der fehlenden rechtlichen Durchsetzungsmacht des Aktionärs besteht. Auch im Übrigen ist das Auskunftsrecht des deutschen Aktienrechts als Instrument zur Erzeugung nachhaltiger Unternehmensinformationen besser geeignet, da es nicht auf eine einmalige Ausübung beschränkt ist, an den auskunftsersuchenden Aktionär keine besonderen Voraussetzungen stellt und der Aufwand der Rechtsausübung vergleichsweise gering ist. Die schwach ausgeprägte Informationserzeugungsfunktion der Rule 14a-8 wird in faktischer Hinsicht allerdings häufig dadurch kompensiert, dass US-amerikanische Gesellschaften den in Anträgen gemachten Auskunftsempfehlungen bereitwillig Folge leisten, wenn der Antragsteller nicht nur in vernachlässigbarem Umfang an der Gesellschaft beteiligt ist oder über ein hohes Legitimationskapital verfügt. Die dadurch bewirkte Annäherung an das deutsche Auskunftsrecht wird allerdings dadurch aufgehoben, dass die einschränkenden Voraussetzungen des § 131 AktG in der Praxis häufig nur geringe Beachtung finden, so dass diese – ähnlich wie die Anforderungen des Gegenantragsrechts460 – als bloßes law in the books erscheinen. Ein wesentlicher Unterschied besteht insoweit nur bei der Rechtsausübung durch Privatpersonen mit geringstem Anteilsbesitz. Im Gegensatz zum US-amerikanischen Recht gibt ihnen das Auskunftsrecht des deutschen Aktiengesetzes ein scharfes Schwert in die Hand, mit dem sie die Offenlegung von Informationen erzwingen können.

C. Das Rederecht In der deutschen Diskussion um die Zurückdrängung sozial-ökologisch motivierter Aktionärsaktivisten haben Überlegungen zu Inhalt und Grenzen des Rederechts in der Vergangenheit breiten Raum eingenommen.461 Kontrastiert und zu-

457 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 III 1 a) (S. 624); ausdr. zust. BVerfG NJW 2000, 349, 349 – Wenger/Daimler-Benz. 458 Henn, BB 1982, 1185, 1188; ähnlich auch Göhmann, in: Henn/Frodermann/Jannott, Handbuch des Aktienrechts, 9.187 (S. 500 f.); Volhard, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch Hauptversammlung, § 13 Rn. 14 (S. 489). 459 In diesem Sinne Geßler, AG 1965, 343, 346. 460 Vgl. bereits § 11 A. IV. 461 Vgl. nur Becker, Der Aktionär als Rechtssubjekt, S. 23; Günther, Festschrift Fechner, S. 117; Martens, Missbrauch des Auskunfts-, Frage- und Rederechts, S. 63, 67 ff.;

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

gleich erklärbar wird der Umfang dieser Debatte durch das Schweigen des Aktiengesetzes, das ein ausdrücklich normiertes Aktionärsrederecht nicht kennt. Dennoch besteht seit Langem grundsätzliche Einigkeit darüber, dass jedem Aktionär das Recht zusteht, auf der Hauptversammlung das Wort zu ergreifen. Dogmatisch verortet wird dieses Recht in den vereinsrechtlichen Wurzeln der Mitgliedschaft462, im Teilnahmerecht des Aktionärs463 oder im Begriff der „Verhandlung“ in § 120 Abs. 3 AktG464. Eine ausdrückliche gesetzliche Erwähnung findet das Rederecht erst seit dem Inkrafttreten des UMAG im Jahr 2005. Seitdem ermöglicht § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG Satzungs- bzw. Geschäftsordnungsregelungen, die den Leiter der Hauptversammlung zu einer zeitlichen Beschränkung des Rederechts ermächtigen.465 Trotz der intensiven wissenschaftlichen Durchdringung der Materie wird das Rederecht in der Praxis äußerst großzügig und losgelöst von den in der Literatur entwickelten Anforderungen gewährt. Im Rahmen der Generaldebatte wird aufgrund des bestehenden Anfechtungsrisikos oftmals nahezu jeder Redebeitrag zugelassen.466 Diese extensive Handhabung kann jedoch nicht von der Pflicht zur Beantwortung der Frage entbinden, ob der Hauptversammlungsleiter zur Zulassung von Redebeiträgen politischen, sozialen oder ökologischen Inhalts verpflichtet ist. Deshalb soll im Folgenden die Diskussion um die Zulässigkeit derartiger Wortmeldungen in der Hauptversammlung zusammengefasst und der Versuch einer kritischen Würdigung unternommen werden (unten I. und II.). Außerdem ist die Effektivität des Rederechts als Instrument zur Distribution nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformation zu untersuchen (unten III.).

Quack, AG 1985, 145; ders., Festschrift Brandner, S. 113; Schaaf, ZIP 1997, 1324; Siepelt, Rederecht, S. 1 ff.; ders., AG 1995, 254. 462 So Günther, Festschrift Fechner, S. 117, 119; Siepelt, Rederecht, S. 3; ders., AG 1995, 254, 255. 463 In diesem Sinne Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 118 Rn. 38; ähnlich Volhard, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch Hauptversammlung, § 13 Rn. 1 (S. 486). 464 So Noack, Binnenkommunikation, S. 660, 664, der das Rederecht auch im Teilnahmerecht verwurzelt sieht; Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 118 Rn. 18. 465 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 9 a) des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.09.2005, BGBl. I 2802. 466 Vgl. Noack, Binnenkommunikation, S. 660, 665. Dabei identifiziert Claussen, Recht und Praxis der Hauptversammlung, S. 7 zwei Kategorien von Hauptversammlungsrednern: (1) bestellte Redner, die „Lob und Preis der Verwaltung darbieten und ihre eigene Karriere im deutschen Aktienwesen [. . .] nicht außer Acht lassen.“, (2) an Selbstdarstellung interessierte Berufsopponenten. Diese Unterteilung gibt sicherlich nur ein verkürztes Bild der Hauptversammlungswirklichkeit wieder.

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I. Ausübungsberechtigter Personenkreis 1. Verknüpfung des Rederechts mit dem Teilnahmerecht Das Rederecht kann von jedem Aktionär ausgeübt werden, der zur Hauptversammlungsteilnahme berechtigt ist.467 Das Teilnahmerecht steht jedem Aktionär zu. Teilnahmeberechtigt und damit redeberechtigt sind auch die Inhaber stimmrechtsloser Vorzugsaktien (§ 140 Abs. 1 AktG), die Inhaber nicht voll eingezahlter Aktien (§ 134 Abs. 2 AktG) und von Stimmverboten betroffene Aktionäre (§ 136 Abs. 1 AktG).468 Das Teilnahmerecht besteht nur dann nicht, wenn der Aktionär die Rechte aus der Aktie im Einzelfall überhaupt nicht ausüben darf (vgl. etwa §§ 20 Abs. 7, 71b AktG, 328 Abs. 1 AktG). Für den praktisch wichtigen Fall, dass eine börsennotierte Aktiengesellschaft Inhaberaktien ausgegeben hat und eine Satzungsregelung die Anmeldung zur Hauptversammlung vorsieht, bestimmt § 123 Abs. 3 Satz 3 AktG, dass die Aktionärsstellung jedenfalls zum 21. Tag vor dem Hauptversammlungstermin bestanden haben muss (record date), wenn die Aktionärsstellung durch Bankbescheinigung nachgewiesen wird. In diesem Fall stehen die hauptversammlungsbezogenen Rechte dem auf diese Weise legitimierten Aktionär auch dann zu, wenn er seine Aktien noch vor der Hauptversammlung veräußert.469 Der Erwerb von Aktien nach dem record date führt demgegenüber dazu, dass aus diesen Aktien kein Teilnahmerecht und damit auch kein Rederecht ausgeübt werden kann.470 2. Vorschläge zur Einschränkung des ausübungsberechtigten Personenkreises Durch die schlichte Anknüpfung an das jedem Aktionär zustehende Teilnahmerecht ist der Kreis der zur Ausübung des Rederechts berechtigten Personen denkbar weit gefasst. Das Rederecht erhält dadurch den Charakter eines „Aktionärsgrundrechts“.471 Die geringen Anforderungen haben unter dem Eindruck des sich seit Ende der 1970er Jahre verstärkenden Aktionärsengagements in deutschen Publikumsaktiengesellschaften zu Überlegungen geführt, das formale Erfordernis der Inhaberschaft nur einer Aktie der fraglichen Gesellschaft aufzugeben bzw. den ausübungsberechtigten Personenkreis durch zusätzliche Anforderungen einzuengen. Obwohl sich diese Vorschläge weder in der Wissenschaft noch in der Praxis durchzusetzen vermochten, sollen sie im Folgenden noch einmal im Lichte neuerer Entwicklungen diskutiert werden. 467 468 469 470 471

Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 118 Rn. 38. Vgl. Hüffer, AktG, § 118 Rn. 12; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 118 Rn. 38. Hüffer, AktG, § 123 Rn. 12; Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 123 Rn. 37. Vgl. Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 123 Rn. 37 m.w. N. Günther, Festschrift Fechner, S. 117, 119; Siepelt, Rederecht, S. 4.

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a) Ausübungsberechtigung und Mindestbesitzerfordernis Ein von dem früheren Chefjustitiar der Commerzbank AG, Becker, entwickelter Ansatz sah die Verknüpfung des Rederechts mit einer bestimmten Quote vor, die bei 5 % des Grundkapitals liegen sollte.472 Der Vorschlag ließ allerdings nicht erkennen, ob Becker diese Hürde bereits dem geltenden Aktienrecht entnahm oder ob sie durch eine entsprechende Satzungsregelung geschaffen werden sollte. Tatsächlich ist dem AktG eine Bindung von Aktionärsrechten an einen qualifizierten Aktienbesitz nicht fremd. So steht etwa das Recht, die Einberufung der Hauptversammlung zu verlangen, nur solchen Aktionären zu, die 5 % des Grundkapitals erreichen (§ 122 Abs. 1 AktG). Auch im Bereich der Beschlussanfechtung fordert § 246a Nr. 2 AktG473 einen bestimmten Mindestaktienbesitz, dessen Unterschreiten per se eine positive Entscheidung im Freigabeverfahren veranlasst. Gegen eine sich bereits aus dem Gesetz ergebende Verknüpfung von Ausübungsberechtigung und Mindestaktienbesitz spricht jedoch bereits das Gesetz selbst. Das AktG enthält keinen Hinweis darauf, dass das Rederecht nur solchen Aktionären zugebilligt werden soll, deren Aktienbesitz einen bestimmten Umfang übersteigt. § 118 Abs. 1 Satz 1 AktG enthält lediglich die Einschränkung, dass Aktionärsrechte in der Hauptversammlung ausgeübt werden müssen, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Eine Verknüpfung des Rederechts mit einem Mindestbesitzerfordernis findet sich hingegen nicht, obwohl der Gesetzgeber die Ausübung anderer Aktionärsrechte ausdrücklich davon abhängig gemacht hat (vgl. den bereits zitierten § 122 Abs. 1 AktG, aber auch die nicht hauptversammlungsbezogenen §§ 142 Abs. 2 Satz 1, 147 Abs. 2 Satz 2, 148 Abs. 1 Satz 1 AktG474) und ihm die Problematik des extensiven Gebrauchs des Rede- und Auskunftsrechts seit längerem bekannt ist.475 Im Zuge der Novellierung des AktG durch das UMAG führte der Gesetzgeber vielmehr in § 131 Abs. 2 Satz 1 AktG die Möglichkeit ein, das Frage- und Rederecht durch Satzungs- oder Geschäftsordnungsregelung zeitlich angemessen zu beschränken und Näheres dazu zu bestimmen. Damit ist zugleich auch die Entscheidung gegen eine Verknüpfung der Redeberechtigung mit einem Mindestbesitzerfordernis gefallen: Als Mittel zur Missbrauchsbekämpfung sollte nach dem Willen des Gesetzgebers nicht die Ver472 Vgl. Rohm, Martin B., „Der Aktionär als Demonstrant“, Süddeutsche Zeitung vom 14.11.1986, S. 31. 473 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 39 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 30.06.2009, BGBl. I 2479; vgl. dazu den RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BT-Drs. 16/11642, S. 14, 64 f. 474 Siehe schon Siepelt, Rederecht, S. 10, der daraus zutreffend e contrario schließt, dass nur die Rechte, für die der Gesetzgeber eine notwendige Beschränkung erkannt hat, eine entsprechende Würdigung im Aktiengesetz erfahren haben. 475 Vgl. RegE eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), BT-Drs. 15/5092, S. 17.

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sagung des Rechts für bestimmte Aktionäre von Grund auf, sondern die zeitliche Beschränkung eines bestehenden Rechts dienen. Die grundsätzliche Versagung des Rederechts wäre zudem auch schwer mit dem gesetzgeberischen Ziel zu vereinbaren gewesen, die Diskussionskultur in der Hauptversammlung zu fördern.476 Der von Becker angestrengte Vergleich mit § 122 Abs. 1 AktG ist nicht tragfähig, weil zur Erfüllung des dort geforderten Quorums auch der Aktienbesitz mehrerer Aktionäre zusammengerechnet werden kann und es gerade nicht auf den Aktienbesitz eines Einzelaktionärs ankommt. Die vorgenannten Argumente lassen sich auch gegen eine statutarische Verankerung eines Mindestbesitzerfordernisses für die Redeberechtigung anführen. Hinzu kommt, dass eine derartige Satzungsregelung gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Aktionäre (§ 53a AktG) verstoßen würde.477 Siepelt hat überzeugend dargelegt478, dass die Verknüpfung des aus der Mitgliedschaft resultierenden Rederechts mit einem bestimmten Mindestaktienbesitz dazu führen würde, dass die Aktien und die daran anknüpfende Mitgliedschaft in ihrem Grundverständnis nicht mehr als synonym anzusehen wären. Vielmehr wäre die Mitgliedschaft in ihrer Qualität von der Anzahl der dem Aktionär zuzuordnenden Aktien abhängig. § 1 Abs. 2 AktG spricht demgegenüber von einem in Aktien zerlegten Grundkapital der Gesellschaft und damit von der Aktie als „vollrechtsfähigem“ Anteil am Gesellschaftsvermögen. Die Aktie spiegelt den kleinstmöglichen Anteil am Gesellschaftsvermögen wider und begründet die Mitgliedschaft im Verband. Deshalb sind Aktie und Mitgliedschaft im Wesentlichen gleichwertige Größen.479 In dem Maße, wie eine Aktie für den Aktionär rechtsbegründend wirkt, wird auch die Mitgliedschaft mitbegründet. Ihr Bestand weist keine Abhängigkeit zur Anzahl der im Eigentum des Aktionärs stehenden Aktien auf. Wurzel für die Ausübung des Rederechts ist aber letztlich das „Vorhandensein von Mitgliedschaft“ 480. Die Aktie selbst stellt nur ein Maß für die Zerlegung der Gesamtheit der Mitgliedschaftsrechte der Gesellschaft dar. Ein geeigneter Maßstab für die Ausübungsbefugnis spezifischer mitgliedschaftlicher Rechte ist sie hingegen nicht.481 Das Rederecht steht deshalb jedem teilnahmeberechtigten Aktionär unabhängig von der Höhe seiner Kapitalbeteiligung zu.

476 Vgl. auch dazu RegE eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), BT-Drs. 15/5092, S. 17. 477 So zutr. Cahn/Senger, in: Spindler/Stilz, AktG, § 53a Rn. 17. Bungeroth, in: MünchKomm. AktG, § 53a Rn. 11 und Hüffer, AktG, § 53a Rn. 7 sehen im Maß der Beteiligung einen Sachgrund für eine angemessene zeitliche Begrenzung der Redezeit. Das Rederecht von einem Mindestaktienbesitz in Höhe von 5 % abhängig zu machen, dürfte aber unangemessen sein. 478 Vgl. Siepelt, Rederecht, S. 8 ff. 479 Vgl. Eckardt, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 1 Rn. 44. 480 Siepelt, Rederecht, S. 9. 481 So zutreffend Siepelt, Rederecht, S. 9.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

b) Materielle Berechtigung als Ergänzung zur formellen Legitimation Ein weiterer, ebenfalls von Becker entwickelter Ansatz sprach sich dafür aus, die Zubilligung des Rederechts von einer materiellen Berechtigung abhängig zu machen, die neben die durch die Aktieninhaberschaft vermittelte formelle Legitimation treten sollte.482 „Materiell Berechtigter“ sollte nur derjenige sein, der bestimmte sachliche Kriterien erfüllt, wobei auf „inhaltlich-sachliche Positionen“ abgestellt werden sollte.483 Die zu fordernden sachlichen Kriterien leitete Becker aus dem „Typus“ des klassischen Aktionärs ab: Dieser Aktionär habe Aktien erworben, weil ihn die Gesellschaft interessiere und weil er sich kapitalmäßig am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beteiligen möchte. Er wolle durch die Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens nehmen und gemeinsam mit den anderen Aktionären die Gesellschaft fördern. Die Hauptversammlungsbeiträge dieses typischen Aktionärs dienten dem Gesellschaftsinteresse. Demgegenüber würden gemeinwohlorientierte Aktionärsaktivisten Interessen vertreten, die gesellschaftsfremd seien und die mit dem Unternehmenserfolg nichts zu tun haben. Die „Aktionärsdemonstranten“ würde in einem derart erheblichen Maße von dem Bild des typischen Aktionärs abweichen, dass ihnen alle Mitwirkungsrechte abgeschnitten seien.484 Mangels materieller Berechtigung sind nach dieser Ansicht mithin solche Aktionäre von der Teilnahme an der Hauptversammlung und damit auch zur Ausübung des Rederechts ausgeschlossen, die gesellschaftsfremde Interessen vertreten.485 Auch diesem Ansatz steht kann zunächst das Fehlen einer entsprechenden Aussage im Gesetz entgegengehalten werden: Das AktG enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Recht des Aktionärs auf Hauptversammlungsteilnahme unter der Bedingung gesellschaftsförderlichen oder doch zumindest nicht gesellschaftsschädigenden Verhaltens steht. Bestätigt wird dieser Befund durch die Maßnahmen, die der Gesetzgeber zur Bekämpfung einer missbräuchlichen Ausübung des Anfechtungsrechts ergriffen hat: Die Protagonisten dieser Form des Missbrauchs verfolgen bei der Ausübung ihres Teilnahme- und Auskunftsrechts (nach dem Verständnis Beckers: ebenfalls) gesellschaftsfremde, häufig sogar gesellschaftsschädigende Interessen. An der Berechtigung zur Ausübung ihrer mitgliedschaftlichen Rechte in der Hauptversammlung zweifelt der Gesetzgeber jedoch nicht. Anders wäre das Bemühen, den Anwendungsbereich der aktienrechtlichen Anfechtungsklage einzudämmen486, nicht erklärbar gewesen. Zudem sind die Folgen unabsehbar, die auf Grundlage dieser Auffassung konse-

482 483 484 485

Vgl. Becker, Der Aktionär als Rechtssubjekt, S. 23, 28 ff. Becker, Der Aktionär als Rechtssubjekt, S. 23, 29. Becker, Der Aktionär als Rechtssubjekt, S. 23, 30. Becker, Der Aktionär als Rechtssubjekt, S. 23, 33.

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quenterweise für sonstige, nicht dem von Becker dargestellten Aktionärstypus entsprechende Aktionäre (Spekulationsaktionäre, Wettbewerber mit Beteiligung unterhalb der Schwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG, Private Equity-Fonds mit Zerschlagungsabsichten) abzuleiten sind. Vor allem aber dürfte das Erfordernis der materiellen Berechtigung im Hauptversammlungsalltag kaum praktikabel sein. Da die Bedeutung einer angemessenen Berücksichtigung von Stakeholderbelangen für den Unternehmenserfolg in der Praxis zunehmend erkannt wird, stellen sich viele soziale, ethische oder ökologische Aspekte nur als scheinbar gesellschaftsfremd dar.487 Der gesellschaftseigene Interessenkreis hat sich infolgedessen erheblich ausgedehnt, während der Bereich rein gesellschaftsfremder Interessen stark zurückgedrängt wurde. Die Trennlinie zwischen beiden Interessenkreisen kann dabei nicht völlig eindeutig gezogen werden. Der Rekurs auf die Motive des Aktionärs würde in der Praxis zudem nur dort weiterhelfen, wo der Aktionär vor der Hauptversammlung klar zu erkennen gibt, dass er an der Hauptversammlung nur teilzunehmen gedenke, um als außenstehender Dritter auf die Gesellschaft einzuwirken.488 Diese Fälle stellen aber schon heute eher die Ausnahme dar und würden kaum mehr auftreten, wenn sich das Erfordernis der materiellen Berechtigung auch in der Praxis durchsetzen würde. Insoweit darf die Anpassungsfähigkeit von aktivistischen Nichtregierungsorganisationen an veränderte rechtliche Rahmenbedingungen nicht unterschätzt werden. Unterhalb dieser Evidenzschwelle gestaltet sich die Feststellung gesellschaftsfremder Interessen hingegen schwierig bis unmöglich. In diesen Fällen müssten wenig belastbare Mutmaßungen über die Absichten des Aktionärs angestellt werden, wovon angesichts der in den USA im Zusammenhang mit Aktionärsanträgen gemachten Erfahrungen489 und des bestehenden Anfechtungsrisikos Abstand genommen werden sollte. Damit sprechen die besseren Gründe dafür, das Rederecht nicht von der materiellen Berechtigung des Aktionärs abhängig zu machen. Auch rein gemeinwohlorientierten Aktionärsaktivisten steht das durch ihre Mitgliedschaft vermittelte Teilnahme- und Rederecht zu. Der nicht zu unterschätzende Vorteil dieser Lösung besteht darin, dass sie der Verwaltung die Möglichkeit zur Erwiderung bietet und damit etwaige Falschdarstellungen widerlegt bzw. Missverständnisse ausgeräumt werden können. Sollte es im Einzelfall dennoch zu Missbräuchen des Rederechts kommen, so kann ihnen mit den bereits bestehenden Instrumenten –

486 Vgl. RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BT-Drs. 16/11642, S. 1, 28, 62 ff. sowie RegE eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), BT-Drs. 15/5092, S. 1, 25 ff. 487 Treffend Williams, 112 Harv. L. Rev. 1199, 1284 (1999): „today’s social issue is tomorrow’s financial issue“. 488 Das erkennt auch Becker, Der Aktionär als Rechtssubjekt, S. 23, 33. 489 Vgl. ausf. § 6 C. II. 1. b) bb) (1).

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

Ordnungsmittel des Versammlungsleiters490 und Beschränkungen der Redezeit – hinreichend begegnet werden. II. Inhalt des Rederechts Die inhaltliche Konkretisierung des Rederechts ist mangels einer dem Auskunftsrecht vergleichbaren gesetzlichen Regelung nicht einfach. Einigkeit besteht zumindest insoweit, als dass der allgemeine Grundsatz des § 118 Abs. 1 Satz 1 AktG auch für das Rederecht gilt und es somit nur „in Angelegenheiten der Gesellschaft“ ausgeübt werden kann (unten 2.). Weniger einheitlich wird demgegenüber die Frage beurteilt, inwieweit die Grundzüge des in § 131 AktG normierten Auskunftsrechts Ausstrahlungswirkung auf den Inhalt des Rederechts haben, insbesondere ob der Redebeitrag ebenfalls einen Bezug zur Tagesordnung aufweisen muss (unten 1.). 1. Tagesordnung als Grenze der Erörterungsgegenstände Die heute herrschende Meinung gewährt dem Aktionär das Rederecht nur im Rahmen der Tagesordnung.491 Zur Begründung dieser Einschränkung wird der Zweck der Hauptversammlung betont, die in der Tagesordnung bekannt gemachten Gegenstände zu diskutieren und gegebenenfalls in einem Beschluss münden zu lassen.492 Redebeiträge zu nicht von der Tagesordnung umfassten Gegenständen sind nach dieser Auffassung mit diesem Zweck des Rederechts unvereinbar und deshalb unzulässig. Vor allem in der älteren Literatur finden sich demgegenüber Stimmen, die auch eine Erörterung von Gegenständen außerhalb der Tagesordnung für zulässig erachten.493 Da die Tagesordnung schon im Vorfeld der Hauptversammlung zu erstellen ist, sei es nicht ungewöhnlich, wenn sich nach ihrer Aufstellung noch erörterungswürdige Punkte ergeben. Zwar könne als Resultat dieser außerhalb der Tagesordnung liegenden Erörterungen kein Beschluss gefasst werden, da sie nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden seien und damit § 124 AktG nicht genügen würden. Darauf komme es aber nicht an, weil 490

Vgl. dazu Mülbert, in: Großkomm. AktG, Vor §§ 118–147 Rn. 157 ff. So Martens, WM 1981, 1010, 1017; ders., Missbrauch des Auskunfts-, Frage und Rederechts, S. 63, 70; Mülbert, in: Großkomm. AktG, Vor §§ 118–147 Rn. 145; Quack, AG 1985, 145; Schaaf, ZIP 1997, 1324, 1326; Siepelt, Rederecht, S. 23 ff.; ders., AG 1995, 254, 255. 492 Vgl. Godin/Wilhelmi, § 124 Anm. 2; Siepelt, Rederecht, S. 22; ähnlich Mülbert, in: Großkomm. AktG, Vor §§ 118–147 Rn. 145, der auf den Zweck des Rederechts abstellt. 493 So v. Falkenhausen, BB 1966, 337, 342; Ritter, AktG, § 108 Anm. 15; Schlegelberger/Quassowski, AktG, § 108, Anm. 5; Teichmann/Köhler, AktG, § 108 Anm. 3; Volhard, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch Hauptversammlung, § 13 Rn. 1 (S. 486); wohl auch Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 124 Rn. 8. 491

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die nicht tagesordnungsbezogene Erörterung auch ohne Beschlussfassung eine Leitlinie für das künftige Verwaltungshandeln sein könne. Die praktischen Konsequenzen dieses Streits sind freilich gering. Schließt man sich der Ansicht an, dass sich der Redebeitrag im Rahmen der Tagesordnung halten muss, dann eröffnet doch zumindest der Tagesordnungspunkt der Entlastung breitesten Raum für die Erörterung aller Angelegenheiten der Gesellschaft.494 Für die Redebeiträge nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivisten entfaltet das Erfordernis des Tagesordnungsbezugs somit kaum eingrenzende Wirkung, so dass hier von einer abschließenden Positionierung abgesehen werden kann.495 2. Erörterung von Angelegenheiten der Gesellschaft Vom Rederecht sind aber jedenfalls nur solche Wortmeldungen umfasst, die Angelegenheiten der Gesellschaft betreffen.496 Eine klare inhaltliche Konturierung des Rederechts ist damit aber nur scheinbar verbunden. Denn „Angelegenheit der Gesellschaft“ kann in Anlehnung an die identische Wortwahl in § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG alles sein, was sich auf die Aktiengesellschaft und ihre Tätigkeit bezieht.497 Dass auch politisch, sozial oder ökologisch motivierte Redebeiträge als Angelegenheit der Gesellschaft angesehen werden können, ist angesichts dieser weit gefassten Begrifflichkeit unbestritten.498 Unterschiedlich werden lediglich die an einen solchen Redebeitrag konkret zu stellenden Anforderungen beurteilt, damit sich dieser auf eine Gesellschaftsangelegenheit bezieht. a) Rederecht und erwerbswirtschaftliches Aktionärsinteresse (Zöllner) So ist Zöllner499 zwar der Ansicht, dass sich allgemeine Aussagen über die Zulässigkeit politischer Ausführungen in der Hauptversammlung nicht machen ließen. Sie seien aber prinzipiell nur insoweit zulässig, als ein „erkennbarer und unter dem Zweck der Aktiengesellschaft relevanter Zusammenhang mit dem zu behandelnden Gegenstand der Tagesordnung“ bestehe. Die politischen – und sozialen bzw. ökologischen – Auswirkungen einer geschäftlichen Maßnahme seien 494 Diese Einschätzung teilen Günther, Festschrift Fechner, S. 117, 121; Martens, Missbrauch des Auskunfts-, Frage- und Rederechts, S. 63, 70; Mülbert, in: Großkomm. AktG, Vor §§ 118–147 Rn. 145; Quack, AG 1985, 145. 495 Ausf. zur Darstellung des Streitstands Siepelt, Rederecht, S. 20 ff. 496 Vgl. nur Günther, Festschrift Fechner, S. 117, 120; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 118 Rn. 38; Schaaf, ZIP 1997, 1324, 1326. 497 Vgl. Decher, in: Großkomm. AktG, § 131 Rn. 114; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 11; vgl. bereits § 11 B. I. 498 Lutter, Aktionär, S. 40; Martens, Missbrauch des Auskunfts-, Frage- und Rederechts, S. 63, 71; Mülbert, in: Großkomm. AktG, Vor §§ 118–147 Rn. 146; Quack, AG 1985, 145; Siepelt, Rederecht, S. 43 ff.; Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 119 Rn. 86. 499 Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 119 Rn. 86.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

„in der Regel“ nur in den seltenen Fällen erörterungsfähig, in denen sich aus ihnen Pflichtverletzungen der Verwaltung oder Rückwirkungen auf die Gesellschaft selbst ergeben.500 Diese Ansicht beurteilt die Zulässigkeit eines Redebeitrags unausgesprochen aus der spezifischen Perspektive der Interessen des auch bei Becker501 anzutreffenden „klassischen“ Aktionärs502: Dieser nimmt in der Hauptversammlung in erster Linie seine eigenen wirtschaftlichen Interessen wahr, die üblicherweise darauf gerichtet sind, dass das eingebrachte Kapital zum Vorteil der Aktionäre optimal genutzt wird. Wortmeldungen politischen Inhalts tangieren das Interesse dieses klassischen Aktionärs nur dann, wenn sie sein Interesse an Zahlung einer Dividende und der Erhaltung bzw. Mehrung des Substanzwerts der Beteiligung betreffen.503 b) Rederecht und Öffentlichkeitsbezug der Aktiengesellschaft (Günther) Im Gegensatz dazu hält Günther504 die soeben dargestellten Einschränkungen für verzichtbar. Gegenstand der politischen Hauptversammlungsdiskussion können nicht nur die Auswirkungen politischer Fakten auf die unternehmerische Tätigkeit der AG sein, sondern auch das, was die konkrete Gesellschaft mit politischer Relevanz konkret unternommen habe bzw. unternehmen oder unterlassen sollte. Der Bereich zulässiger politischer Hauptversammlungsdiskussion werde erst dann verlassen, wenn der Wortbeitrag beliebige politische Vorgänge aufgreife, die mit der betreffenden Gesellschaft und ihrer Tätigkeit in keinem konkreten Zusammenhang stehen, oder das Rederecht zum Vortrag allgemeiner politischer Theorien, Dogmen und Programme genutzt werde.505 Die Ansicht Zöllners gehe zu stark von der klassischen Vorstellung vom privaten Aktienverein aus, dessen Zweck allein darin bestehe, durch unternehmerische Tätigkeit im Rahmen der geltenden Gesetze Gewinne für sich und damit für die kapitalgebenden Aktionäre zu erwirtschaften. Die Hauptversammlung der an diesem Leitbild orientierten Aktiengesellschaft sei konsequenterweise als geschlossene Veranstaltung der privaten wirtschaftlichen Eigentümer, als „Ort und Hort der Wahrnehmung ihrer privaten wirtschaftlichen Interessen“ 506 verstanden worden. Demgegenüber weist Günther auf das mittlerweile gewandelte Bild der Aktiengesellschaft und der in ihr vertretenen Interessen hin: Zumindest die unternehmerische Betätigung der großen Aktiengesellschaften sei keine rein private Angelegenheit mehr. Vielmehr sei das von einer solchen Gesellschaft betriebene Unternehmen 500 501 502 503 504 505 506

Vgl. Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 119 Rn. 86. Siehe § 11 C. I. 2. b). Günther, Festschrift Fechner, S. 117, 122 f. So zusammenfassend Günther, Festschrift Fechner, S. 117, 122 f. Vgl. Günther, Festschrift Fechner, S. 117, 124 ff., insb. 130. Günther, Festschrift Fechner, S. 117, 130. Günther, Festschrift Fechner, S. 117, 124; vgl. auch Siepelt, Rederecht, S. 101.

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eine „soziale Veranstaltung ersten Ranges“ 507 mit eminenter gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Dieser Wandel der öffentlichen Bedeutung der Aktiengesellschaft habe auch Auswirkungen auf die Hauptversammlung. Ihrem Realtypus nach sei diese keine private Zusammenkunft von Aktionären und Verwaltung mehr, sondern eine öffentliche Angelegenheit, die dem Interesse der AG an öffentlicher Selbstdarstellung ebenso diene wie dem korrespondierenden Interesse der Öffentlichkeit an Unterrichtung über alle wesentlichen Vorgänge unternehmerischer Tätigkeit. Zur öffentlichen Selbstdarstellung der Gesellschaft gehöre aber als Komplement die öffentliche Kritik an dieser Selbstdarstellung.508 c) Stellungnahme Zutreffend ist zunächst die von Zöllner und Günther gleichermaßen befürwortete Einschränkung, dass das Rederecht nur zu Ausführungen berechtigt, die einen konkreten Bezug zur Gesellschaft und ihrer Geschäftstätigkeit haben. Das ergibt sich bereits aus § 118 Abs. 1 Satz 1 AktG, der die Ausübung von Aktionärsrechten nur in den Grenzen der „Angelegenheiten der Gesellschaft“ zulässt. Dem Hauptversammlungsredner wird das Rederecht nicht in seiner Funktion als Mitglied eines politischen Gemeinwesens (Staat), sondern als Gesellschafter der AG (Aktionär) gewährt. Die Hauptversammlung ist keine Speakers’ Corner509, wo es jedermann freisteht, einen Vortrag zu einem beliebigen Thema zu halten. Im Interesse einer lebendigen Hauptversammlungsdebatte muss der erforderliche Sachzusammenhang freilich nicht in jeder Einzelaussage erkennbar sein. Vielmehr genügt es, wenn der Wortbeitrag in seinen wesentlichen Teilen einen derartigen Zusammenhang erkennen lässt. Dazu muss er wiederholt an die Situation des konkreten Unternehmens anknüpfen und in eine konkrete Beurteilung des unternehmerischen Verhaltens einmünden.510 Als problematisch muss hingegen der Ansatz Zöllners gewertet werden, Redebeiträge zu politischen Aspekten nur zuzulassen, wenn mit diesen Pflichtverletzungen der Verwaltung thematisiert werden oder die angesprochenen Themen Rückwirkungen auf die Gesellschaft haben. Bedenken gegen das Erfordernis einer Pflichtverletzung bestehen zunächst aufgrund der Bedeutung der Entlastungsentscheidung, die regelmäßig als Ansatzpunkt für Redebeiträge dient: Die Entlastung stellt nach § 120 Abs. 2 AktG die Billigung der Verwaltung der Gesell-

507

So auch Rittner, AG 1973, 113, 122; Großfeld, Aktiengesellschaft, S. 192 m.w. N. Günther, Festschrift Fechner, S. 117, 127; ähnlich Lutter, Aktionär, S. 40 f. und Martens, Missbrauch des Auskunfts-, Frage- und Rederechts, S. 63, 71, der Wortbeiträge politischen Inhalts als Komplement zur Verpflichtung des Vorstands sieht, bei seinen Ermessensentscheidungen neben den Interessen der Aktionäre auch die Belange sonstiger Stakeholder zu berücksichtigen, vgl. dazu bereits § 11 B. II. 4. a). 509 So treffend Günther, Festschrift Fechner, S. 117, 119. 510 Vgl. Martens, Missbrauch des Auskunfts-, Frage- und Rederechts, S. 63, 72. 508

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

schaft durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates dar, was ganz überwiegend so verstanden wird, dass nicht nur die Satzungs- und Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns gebilligt wird, sondern damit auch eine Vertrauensbekundung verbunden ist.511 Die Entlastung betrifft damit sowohl die Legalität als auch die Opportunität des Verwaltungshandelns. Nichts anderes kann dann aber für die inhaltliche Reichweite der Redebeiträge zum Tagesordnungspunkt der Entlastung gelten. Darüber hinaus ist aber auch das von Zöllner aufgestellte Erfordernis von Rückwirkungen auf die Gesellschaft abzulehnen. Auf diese Weise sollen offenbar vor allem diejenigen Fälle erfasst werden, in denen ein bestimmter politischer, sozialer oder ökologischer Aspekt der Geschäftstätigkeit Auswirkungen auf produktmarktliche Konsumentenentscheidungen hat, die das Geschäftsergebnis der Gesellschaft negativ beeinflussen, ohne dass der Verwaltung eine Pflichtverletzung zum Vorwurf gemacht werden könnte. Der Begriff der „Rückwirkung“ ist jedoch viel zu unbestimmt, da angesichts einer gestiegenen Verbrauchersensibilität und einer aufmerksamen Medienöffentlichkeit grundsätzlich jeder politische, soziale und ökologische Aspekt der Geschäftstätigkeit geeignet erscheint, Rückwirkungen auf die Gesellschaft zu entfalten.512 Zwar könnte daran gedacht werden, dem Rückwirkungsbegriff durch die Festlegung bestimmter, an wirtschaftlichen Kennzahlen orientierter Schwellenwerte deutlichere Konturen zu verleihen. Angesichts der Erfahrungen, die im Zusammenhang mit dem Tatbestand der unbedeutenden Beziehung zur Geschäftstätigkeit der shareholder proposal rule gemacht wurden, ist jedoch Skepsis angebracht. Denn häufig stehen den Gesellschaften keine wirtschaftlichen Kennzahlen zu den Auswirkungen bestimmter politischer, sozialer oder ökologischer Aspekte ihrer Geschäftstätigkeit zur Verfügung.513 Zudem lässt das Unterschreiten etwaiger Schwellenwerte keine Rückschlüsse auf mögliche Rückwirkungen auf die Gesellschaft zu, da die Öffentlichkeit etwa ökologische Verfehlungen einer für das Konzernergebnis unbedeutenden ausländischen Tochtergesellschaft mit Verfehlungen der Konzernobergesellschaft gleichsetzen kann. Diese Bedenken werden im Rahmen des US-amerikanischen Aktionärsantragsrechts von der SEC geteilt, die deshalb auch sonstige bedeutende Beziehungen zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft genügen lässt.514 Die Entwicklung eines belastbaren, Rechtssicherheit schaffenden Maßstabs ist der SEC aber seit Inkrafttreten des Tatbestands nicht gelungen. Er kann deshalb auch nicht im Zusammenhang mit dem von Zöllner verwendeten Begriff der Rückwirkung herangezogen werden, da er nur einen unbestimmten Begriff durch einen anderen ersetzen würde.515 511 Vgl. bereits § 11 B. II. 4. d) sowie im vorliegenden Zusammenhang Lutter, Aktionär, S. 42. 512 Ähnlich Williams, 112 Harv. L. Rev. 1199, 1284 (1999): „today’s social issue is tomorrow’s financial issue“. 513 Siehe bereits § 7 C. V. 1. 514 Vgl. § 6 D. II. 3. b) cc) und § 7 C. V. 2.

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III. Effektivität des Rederechts als Instrument zur Distribution nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformation Die grundsätzliche Offenheit des Rederechts für Wortmeldungen mit politischem, sozialem oder ökologischem Schwerpunkt sagt indes wenig darüber aus, ob sich dieses Recht auch effektiv als Instrument zur Distribution nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformation nutzen lässt. Die Effektivität der Informationsdistribution soll im Folgenden in zwei Richtungen untersucht werden: zum einen gegenüber den Mitaktionären (horizontale Informationsdistribution), zum anderen gegenüber der Verwaltung (vertikale Informationsdistribution). Im Ausgangspunkt fällt dabei auf, dass die Aktionäre deutscher Publikumsaktiengesellschaften von ihrem Rederecht regen Gebrauch machen, was einen deutlichen Unterschied zur US-amerikanischen Hauptversammlungspraxis darstellt.516 Die inhaltliche Qualität der Debatten ist dabei allerdings nicht selten dürftig und schwankt zwischen exzellent recherchierten Beiträgen und Nebensächlichkeiten sowie „Kaspereien“.517 Die Effektivität des Rederechts als Instrument der horizontalen und vertikalen Informationsdistribution ist in Deutschland aber ebenso zweifelhaft wie in den USA.518 1. Rederecht und horizontale Informationsdistribution Die horizontale Informationsdistribution leidet unter den nach wie vor geringen Hauptversammlungspräsenzen.519 Da der zahlenmäßig ganz überwiegende Teil der Aktionäre weder physisch am Ort des Hauptversammlungsgeschehens anwesend ist noch die Debatte im Videostream am heimischen Computer verfolgt520, kann ein Hauptversammlungsredner realistischerweise kaum erwarten, dass seine Mitaktionäre den Redebeitrag zu Verhaltensänderungen zum Anlass nehmen. An diesem Befund ändert sich selbst dann nichts, wenn ein Kleinaktionär tatsächlich das Internet nutzt, um sich über das Hauptversammlungsgeschehen seiner Gesellschaft zu informieren. Denn nicht selten wird die Übertragung der Hauptversammlung just in dem Moment abgebrochen, in welchem die Aussprache der Aktionäre beginnt.521 Es kann deshalb nicht verwundern, dass kaum 515 Zutreffend deshalb die Einschätzung von Martens, Leitfaden, 3. Aufl., S. 10, nach dem es aufgrund der gesellschaftspolitischen Bedeutung der Großunternehmen geradezu in der Natur der Sache liegt, dass griffige Abgrenzungsformeln nicht verfügbar sind. 516 Vgl. dazu bereits § 5 A. II. 517 So Noack, Binnenkommunikation, S. 660, 665. 518 Noack, Binnenkommunikation, S. 660, 665. 519 Zutreffend Noack, BB 2003, 1393. 520 Eine Klarstellung, dass die Hauptversammlung in Ton und Bild übertragen werden darf, ist in § 118 Abs. 4 AktG enthalten. 521 Vgl. o.A., „Neue Furcht vor Zufallsmehrheiten“, Börsenzeitung vom 26.09.2008, S. 12.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

ein Fall bekannt ist, in dem die Debatte der Aktionäre zu einer abweichenden Beschlussfassung geführt hat.522 2. Rederecht und vertikale Informationsdistribution Zweifel bestehen aber auch an der Effektivität des Rederechts als Instrument der vertikalen Informationsdistribution. Natürlich bietet das Rederecht dem Aktionär die Möglichkeit, bestimmte Erwartungen gegenüber der Verwaltung der Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen, sie zu tadeln oder in ihrem Kurs zu bestärken. Doch stehen dem Aktionär dafür auch andere Wege als der Besuch und die Ausübung des Rederechts auf einer Hauptversammlung offen. Für die vertikale Informationsdistrubution ist der Aktionär gerade nicht auf das Rederecht angewiesen, dessen Ausübung – berücksichtigt man etwa die Fahrtkosten zum Ort der Hauptversammlung – zudem sehr kostspielig sein kann. Zwar bietet allein das Rederecht die Gewähr dafür, dass sich die Verwaltung höchstpersönlich mit dem Anliegen des Aktionärs befasst und sich auf entsprechende Vorwürfe hin rechtfertigt. Eine Delegation der Rechtfertigungslast an eine nachgeordnete Unternehmensabteilung ist hier im Gegensatz zu Briefen oder E-Mails an den Vorstand gerade nicht möglich, da sich die Mitglieder ihrer in § 118 Abs. 2 Satz 1 AktG angeordneten Teilnahmepflicht grundsätzlich nicht durch Einschaltung eines Vertreters entledigen können.523 Doch wird der Verwaltung der Inhalt der meisten Redebeiträge, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, so doch im Tenor, bereits vorab bekannt sein. Wesentlich neue Erkenntnisse über Anliegen der Aktionäre sind von den Wortbeiträgen kaum zu erwarten, wenn die Verwaltung – wie dies bei deutschen Publikumsaktiengesellschaften häufig der Fall ist524 – auch zwischen den Hauptversammlungsterminen einen engen Kontakt zu den Investoren sucht. IV. Fazit Die vorangegangene Untersuchung hat ergeben, dass Redebeiträge zu politischen, sozialen und ökologischen Aspekten der Geschäftstätigkeit einer deut522 Pointiert Noack bei Becker, Walther, „Hybrides System wirft Fragen auf“, Börsenzeitung vom 19.09.2009, S. 11: „Es ist eine Illusion, dass auf den Rentnerveranstaltungen die eigentlichen Entscheidungen fallen.“ Eine Ausnahme stellt allerdings die Hauptversammlung der BMW AG im Jahr 1959 dar, vgl. Noack, Binnenkommunikation, S. 660, 666 und § 10 A. 523 Vgl. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 118 Rn. 38; Hüffer, AktG, § 118 Rn. 10. 524 Vgl. dazu das Interview mit dem Finanzvorstand der Bayer AG, Klaus Kühn, Börsenzeitung vom 17.09.2008, S. 11: „Es wird in der Regel nicht so sein, dass plötzlich eine Aktionärsgruppe bei der Hauptversammlung auftritt und überraschenderweise grundsätzliche bzw. substanzielle Forderungen stellt. Einer solchen Initiative werden oft schon im Vorfeld Indikationen oder ein Diskussionsprozess vorangehen.“

§ 11 Gegenantragsrecht, Auskunftsrecht und Rederecht

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schen Aktiengesellschaft in weitem Umfang rechtlich zulässig sind. Der Bereich zulässiger Wortmeldungen wird erst dann verlassen, wenn der Aktionär Ausführungen ohne jedweden Bezug zur Tätigkeit der konkreten Gesellschaft macht. Im Übrigen grenzen die aktienrechtlichen Voraussetzungen das Spektrum möglicher Wortmeldungen nur unbedeutend ein. Hinzu kommt die in der Praxis zu beobachtende, auch bei Gegenantrags- und Auskunftsrecht festzustellende Tendenz, die Rechtsausübung losgelöst von den rechtlichen Voraussetzungen zu ermöglichen. Die Effektivität des Rederechts als Instrument zur Distribution nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformation ist demgegenüber allerdings gering. Die theoretischen Erwartungen, dass Redebeiträge zu politischen, sozialen und ökologischen Implikationen der Geschäftstätigkeit zu einer lebendigen Hauptversammlungskultur gehören würden, Spiegelbild der Vorstandsorientierung am Unternehmensinteresse (§ 76 AktG) seien und der Verwaltung die Chance böten, über Vorstellungen aus dem Kreis der Aktionäre informiert zu werden, werden in der Praxis nicht erfüllt. Die bestehenden Defizite, denen sich die Hauptversammlungsredner in den allermeisten Fällen bewusst sein dürften, machen zudem deutlich, dass das Rederecht viel von seiner ihm in der Literatur beigemessenen Funktion eingebüßt hat bzw. diese Funktion niemals auszufüllen vermochte. Wird dort vor allem sein Zweck hervorgehoben, „dialogische Verhandlungen der Aktionäre mit der Verwaltung sowie der Aktionäre untereinander . . . [zu] ermöglichen und dadurch die Aktionäre in die Lage [zu] versetzen, sachgerechte Beschlüsse zu fassen“ 525, so stehen heute oftmals ganz andere Aspekte im Vordergrund: Neben dem Wunsch des Redners, im Licht einer (oftmals nur scheinbaren) öffentlichen Aufmerksamkeit zu stehen526 ist hier vor allem die Möglichkeit zu nennen, einmal richtig „Dampf abzulassen“ 527. Schließlich können die Vertreter institutioneller Anleger durch Ausübung des Rederechts ihren Kunden demonstrieren, dass die Höhe der einbehaltenen Verwaltungsgebühren gerechtfertigt sei, da man sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen unerwünschte Maßnahmen stemme528.

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So Mülbert, in: Großkomm. AktG, Vor §§ 118–147 Rn. 145. Vgl. Quack, AG 1985, 145; Schaaf, ZIP 1997, 1324; Siepelt, AG 1995, 254. 527 So Noack, Binnenkommunikation, S. 660, 665. 528 Exemplarisch können hierzu die Hauptversammlung der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG des Jahres 2005, auf der institutionelle Investoren den Vorstand für vorangegangene Milliardenverluste ungewöhnlich scharf angriffen (vgl. dazu Börsenzeitung vom 13.05.2005, S. 5) sowie die Hauptversammlung der ThyssenKrupp AG des Jahres 2007, auf der sich die Vertreter institutioneller Investoren mit Redebeiträgen gegen die Einführung eines Entsenderechts für die Krupp-Stiftung wandten (vgl. Börsenzeitung vom 18.01.2007, S. 11 sowie Börsenzeitung vom 20.01.2007, S. 1, 9) genannt werden. 526

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

§ 12 Rechtspolitischer Ausblick A. Rule 14a-8: (K)ein Modell für das deutsche Aktienrecht? Das deutsche Wirtschaftsrecht, in besonderer Weise aber das Aktienrecht, wird bereits seit langem von den Entwicklungen des US-amerikanischen Rechts beeinflusst.529 Detaillierte Kenntnisse insbesondere des Gesellschafts- und des Kapitalmarktrechts sind deshalb ein Muss für den deutschen Rechtsvergleicher und Rechtsreformer.530 Herausragende Beispiele für die Übernahme amerikanischer Rechtsinstitute und Einrichtungen waren in jüngerer Zeit neben der Geschäftschancenlehre (corporate opportunities doctrine) und der business judgement rule (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG)531 die Zulassung von stock options für Mitglieder der Geschäftsführung (§ 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG) und die – allerdings europarechtlich bedingte532 – Regelung zum Prüfungsausschuss in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG533 (audit committee).534 Angesichts dieser Vorbildrolle des US-amerikanischen Rechts und der grundsätzlichen Offenheit des deutschen Aktienrechts für Rechtsfiguren aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis drängt sich die Frage auf, ob das AktG eines „legal transplants“535 nach dem Vorbild der Rule 14a-8 bedarf. Sie stellt sich umso mehr, als dem deutschen Recht eine der shareholder proposal rule vergleichbare Regelung bislang fremd ist und das in § 126 AktG normierte Gegenantragsrecht kein effektives Instrument zur Erzeugung und Distribution nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformation darstellt536. Im Folgenden soll deshalb der Versuch unternommen werden, eine Antwort auf diese Frage zu geben, wobei sich die Überlegungen auf die Verankerung eines 529 Vgl. zum Einfluss des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts auf die Rechtsentwicklung in Deutschland die Untersuchung von v. Hein, Rezeption, passim sowie Hopt, Festschrift Canaris, S. 106, 107 ff. 530 Hopt, Festschrift Canaris, S. 106; krit. allerdings Seibert, DB 2009, 1167, 1169, der darauf hinweist, dass das US-amerikanische System der Corporate Governance aufgrund der im Jahr 2007 ausgebrochenen Finanzkrise viel von seinem Ruf verspielt hat. 531 Nach Paefgen, NZG 2009, 891 handelt es sich um „ein besonders gelungenes Beispiel der Fortentwicklung des deutschen Gesellschaftsrechts durch die Rezeption einer typischen Rechtsfigur des US-amerikanischen Rechts“. Zu den zum Teil wesentlichen Unterschieden im Einzelnen v. Hein, Rezeption, S. 920 ff. 532 Vgl. Art. 41 Abs. 2 der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.05.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates (sog. Abschlussprüferrichtlinie), ABl. EU Nr. L 157 S. 87. 533 Eingefügt durch Art. 5 Nr. 4 a) des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)) vom 25.05.2009, BGBl. I 1102. 534 Vgl. insgesamt Fleischer, NZG 2004, 1129, 1130 f. 535 Zur Lehre von den legal transplants Fleischer, NZG 2004, 1129 ff. m.w. N. in Fn. 5. 536 Vgl. dazu ausf. § 11 A. II.

§ 12 Rechtspolitischer Ausblick

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allgemeinen Antragsrechts zur Förderung nachhaltigen Unternehmensverhaltens konzentrieren; die Nützlichkeit eines solchen Antragsrechts für klassische Aspekte der Corporate Governance soll hingegen nicht näher untersucht werden.537 I. Antragsrecht als dogmatischer Fremdkörper Zweifel gegen die Übertragbarkeit der shareholder proposal rule in das deutsche Recht ergeben sich zunächst daraus, dass sich ein solches Antragsrecht nicht zwanglos in die überkommene Vorstellung von der Rolle der Hauptversammlung im Kompetenzgefüge der deutschen Aktiengesellschaft einpassen würde. Das deutsche Aktienrecht beschränkt ihre Zuständigkeit in § 119 Abs. 1 AktG zwingend538 auf einige wenige, allerdings bedeutende Vorgänge. Über Fragen der Geschäftsführung darf die Hauptversammlung gemäß § 119 Abs. 2 AktG nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt. Jenseits hiervon werden ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten – insbesondere als Instrument des Konzerneingangsschutzes – von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen anerkannt.539 Eine Allzuständigkeit der Hauptversammlung, wie sie der Generalversammlung des HGB bis zum Inkrafttreten des AktG 1937 zukam540, kennt das heutige deutsche Aktienrecht hingegen nicht. Ein Antragsrecht, mit dem die Hauptversammlung Empfehlungen541 aussprechen könnte, wäre mit dieser überkommenen Zuständigkeitsordnung kaum zu vereinbaren. An dieser Einschätzung ändert sich selbst dann nichts, wenn man den Leitgedanken des historischen Gesetzgebers des AktG 1965 berücksichtigt, die Rolle des Aktionärs als „wirtschaftlichen Eigentümer“ zu stärken.542 Zwar betont die Begründung des Regierungsentwurfs die Notwendigkeit, dass die Hauptversammlung den Einfluss erhalten müsse, der der Eigentümerstellung der Aktionäre entspricht.543 Das verabschiedete AktG 1965 enthielt allerdings nur ganz punktuelle Kompetenzerweiterungen544, während eine Zurückbesinnung auf den Rechtszustand vor Inkrafttreten des AktG 1937 im Gesetzgebungsverfahren 537 Siehe dazu auch die rechtspolitischen Überlegungen von Fleischer, AG 2010, 685, 690 ff. 538 Vgl. Kropff (Hrsg.), AktG, S. 165. 539 Grundlegend BGHZ 83, 122 – Holzmüller; fortentwickelt von BGHZ 159, 30 – Gelatine I; ausf. zu dieser Problematik Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, passim. 540 Dazu Fleischer, Kompetenzen der Hauptversammlung, Rn. 6 (S. 434). 541 Denkbar wären dann ggf. auch Empfehlungen zu Geschäftsführungsfragen, soweit diese ein bedeutendes gesellschaftspolitisches Anliegen betreffen, vgl. zu Rule 14a-8 (i)(7) bereits § 7 C. VII. 542 Vgl. Kropff (Hrsg.), AktG, S. 14. 543 Vgl. Kropff (Hrsg.), AktG, S. 14. 544 Dazu Kropff, Reformbestrebungen, Rn. 443 ff. (S. 826 ff.).

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nicht ernsthaft erwogen wurde.545 Deshalb spricht die – ohnehin fragwürdige546 – Figur des „wirtschaftlichen Eigentümers“ nicht zwingend für die Vereinbarkeit eines allgemeinen Aktionärsantragsrechts mit der geltenden aktienrechtlichen Kompetenzordnung. Zu konzedieren ist freilich, dass auch die Gesellschaftsrechtsordnungen der US-Bundesstaaten den Aktionären nur sehr beschränkte Entscheidungsbefugnisse zugestehen. Aktionärsabstimmungen sind im bundesstaatlichen Recht nur für einen kleinen Kreis von Maßnahmen vorgesehen, Initiativrechte werden den Aktionären nur im Ausnahmefall eingeräumt.547 Gleichwohl sind die unterschiedlichen Ausgangspunkte des deutschen Aktienrechts und der bundesstaatlichen Gesellschaftsrechtsordnungen zu beachten: Denn das US-amerikanische Fallrecht erkennt seit Langem schon das Recht jedes Aktionärs an, Anträge zur Abstimmung auf dem annual meeting zu stellen, soweit diese ein „proper subject“ betreffen, was bei bloß empfehlenden Anträgen aber stets der Fall ist.548 Ein vergleichbares, richterrechtlich geprägtes Antragsrecht wird dem Aktionär einer deutschen Aktiengesellschaft hingegen nicht zuerkannt.549 Der Gesetzgeber ist allerdings nicht verpflichtet, dogmatisch folgerichtige Lösungen zu schaffen. Stringenz und Systemstimmigkeit sind zwar wünschenswerte, aber keineswegs zwingende Kategorien, an denen sich gesetzgeberisches Verhalten auszurichten hat. Dem Gesetzgeber steht es vielmehr frei, die überkommene aktienrechtliche Kompetenzordnung zu durchbrechen und der Hauptversammlung neue Zuständigkeiten zuzuweisen.550 Ein Beispiel für eine solche Durchbrechung bildet die im Jahr 2009 durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) in das Aktiengesetz aufgenommene Hauptversammlungszuständigkeit für die Billigung des Vergütungssystems (§ 120 545

Kropff, Reformbestrebungen, Rn. 60 (S. 699 f.). Zurecht krit. Würdinger, Aktienrecht, S. 49 f. 547 Vgl. die rechtsvergleichende Betrachtung von Fleischer, Kompetenzen der Hauptversammlung, Rn. 47 ff. (S. 453 ff.) sowie Bainbridge, 97 Nw. U. L. Rev. 547, 559 (2003): „The statutory decisionmaking model is thus one in which the board acts and the shareholders, at most, react.“ 548 Vgl. Auer v. Dressel, 306 N.Y. 427, 118 N.E.2d 590 (1954). Vgl. dazu bereits § 6 A. I. 549 Vgl. dazu zuletzt Fleischer, AG 2010, 685, 688 ff.; zulässig sind allerdings Geschäftsordnungsanträge, vgl. § 124 Abs. 4 Satz 2 AktG und Hüffer, § 124 Rn. 19. Vgl. zu diesen „Saalanträgen“ auch Göhmann, in: Henn/Frodermann/Jannott, Handbuch des Aktienrechts, 9.170 ff. (S. 495 f.). 550 Vgl. in diesem Zusammenhang den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, „Finanzmärkte ökologisch, ethisch und sozial neu ausrichten“, BT-Drs. 17/795, S. 2, nach dem die Bundesregierung aufgefordert werden sollte, „ein Gesetz vorzulegen, dass alle börsennotierten Aktiengesellschaften verpflichtet, eine Nachhaltigkeitsstrategie mit konkreten ökologischen und sozialen Zielen zu erstellen und auf der Hauptversammlung zu verabschieden sowie dort über die Erreichung dieser Ziele zu berichten“ (Hervorh. d. Verf.). 546

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Abs. 4 AktG).551 Auch diese Zuständigkeitserweiterung stellt ein Rechtsimplantat dar, das jedoch nicht amerikanischen552, sondern britischen553 bzw. australischen554 Ursprungs ist. Doch zeigt gerade diese neu eingeführte Hauptversammlungszuständigkeit, dass ein allgemeines Aktionärsantragsrecht in Anlehnung an die shareholder proposal rule zu erheblichen Friktionen führen würde. Denn ein Hauptversammlungsbeschluss zum System der Vorstandsvergütung ist im deutschen Aktienrecht nur dann möglich, wenn Aktionäre die Ergänzung der Tagesordnung um diesen Punkt verlangen, die 5 % des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500.000 Euro auf sich vereinigen, vgl. § 122 Abs. 2 AktG.555 Die Einführung eines allgemeinen Aktionärsantragsrechts, das wie Rule 14a-8 an ganz geringe Mindestaktienbesitzerfordernisse geknüpft ist, wäre angesichts der hohen Hürde für Vergütungsbeschlüsse nicht nachvollziehbar. Denkbar bliebe zwar eine Angleichung der für Vergütungsanträge und sonstige Anträge zu erfüllenden Beteiligungsschwellen. Doch würde eine Anhebung des Mindestbesitzerfordernisses für allgemeine Anträge auf das für Vergütungsanträge geltende Niveau die ohnehin nur teilweise vorhandene Effektivität dieses Rechts ganz erheblich schmälern. Andererseits erscheint eine Absenkung der Beteiligungsquote für Vergütungsanträge zwar grundsätzlich denkbar556, aber politisch nur schwer durchsetzbar. 551 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 6 b) des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31.07.2009, BGBl. I 2509. Die Norm geht auf eine Empfehlung des Rechtsausschusses zurück, vgl. BT-Drs. 16/13433, S. 8 und 18 f. Allg. zum VorstAG Fleischer, NZG 2009, 801, 804 f.; ders., AG 2009, 677; vgl. auch die empirische Studie von v. Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623. 552 Siehe jetzt aber den Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act, H.R. 4173, 111th Cong. (2010), vom 21.07.2010, der Konsultativbeschlüsse zur Vergütung zulässt (dazu Schmidt-Bendun/Prukso, NZG 2010, 1128); vgl. bereits den Gesetzesvorschlag Shareholder Vote on Executive Compensation, H.R. 1257, 110th Cong. (2007) (dazu Strine, 63 Bus. Law. 1079, 1103 ff. (2008)) sowie den vom US-Senator Charles Ellis Schumer vorgelegten Gesetzentwurf mit dem Titel Shareholder Bill of Rights Act 2009, abrufbar unter http://law.du.edu/documents/corporate-governance/ legislation/bill-text-shareholders-bill-of-rights-act-of-2009.pdf. 553 Vgl. die in Sec. 439 Companies Act 2006 vorgesehene Verpflichtung, Aktionären börsennotierter Gesellschaften die Billigung des Vergütungsberichts der Direktoren (Sec. 420 ff. Companies Act 2006) im Wege eines Hauptversammlungsbeschlusses zu ermöglichen. Vgl. aber auch Ziff. 4 der Empfehlung der Kommission vom 14.12.2004 zur Einführung einer angemessenen Regelung für die Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften, 2004/913/EG, ABl. EU Nr. L 385/55. 554 Vgl. Sec. 250R Corporations Act 2001: „(2) At a listed company’s AGM, a resolution that the remuneration report be adopted must be put to the vote. [. . .] (3) The vote on the resolution is advisory only and does not bind the directors or the company.“ 555 Dies gilt jedenfalls für den Fall, dass der Vorstand keinen entsprechenden Tagesordnungspunkt vorschlägt. 556 Im britischen und australischen Gesellschaftsrecht sind keinerlei Mindestbesitzerfordernisse vorgesehen. Bei der Anhörung im Gesetzgebungsverfahren zum VorstAG setzte sich namentlich Hirte für eine Absenkung der für eine Tagesordnungsergänzung

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II. Konflikt mit dem bisherigen Reformleitbild Bedenken gegen die Erweiterung des Kanons der Aktionärsrechte um ein allgemeines Antragsrecht bestehen auch deshalb, weil dieses dem gesetzgeberischen Leitbild vorangegangener Novellen des Rechts der Hauptversammlung zuwiderlaufen würde. In Bezug auf das Recht der Hauptversammlung wurden die Aktivitäten des deutschen Gesetzgebers in den zurückliegenden Jahren maßgeblich von zwei Gedanken bestimmt: Auf der einen Seite standen die Bemühungen um eine Erleichterung der Stimmrechtsausübung und um die Steigerung der Aktionärsbeteiligung, die in der Zulassung gesellschaftseigener Stimmrechtsvertreter (§ 134 Abs. 3 Satz 3 AktG557), der Abschaffung des Hinterlegungserfordernisses zugunsten eines record date (§ 123 Abs. 3 Satz 3 AktG558) und – unter europäischem Einfluss – der Zulassung der Online-Hauptversammlung und der Briefwahl (§ 118 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AktG559) ihren Ausdruck fanden. Auf der anderen Seite war der Gesetzgeber aber bestrebt, die inhaltliche Qualität der Hauptversammlung zu steigern, die Diskussionskultur zu verbessern und die Hauptversammlung insgesamt zu straffen, um sie wieder zu einer Plattform für die wesentlichen strategischen Entscheidungen zu machen.560 Auf diese Weise sollte die Hauptversammlung für Aktionäre mit ernstzunehmenden Stimmanteilen wieder an Attraktivität gewinnen.561 Nebenbei dienten diese Maßnahmen, zu denen unter anderem die Gewährung von Satzungs- und Geschäftsordnungsautonomie für die Rede- und Fragezeitbestimmung (§ 131 Abs. 2 Satz 2 AktG562) zu zählen sind, auch dazu, den „Rechtskulturschock“ 563 abzumildern, der ausländische Beobachter deutscher Hauptversammlungen bisweilen ereilt. Ein allgemeines Antragsrecht würde dem Anliegen einer Steigerung der Attraktivität deutlich zuwiderlaufen. Das Antragsrecht gehört zwar zur gelebten Praxis US-amerikanischer Hauptversammlungen, weshalb nicht anzunehmen ist, dass die bloße zu erfüllenden Schwellenwerte ein, vgl. http://www.bundestag.de/bundestag/ausschues se/a06/anhoerungen/Archiv/55_Vorstandsverg__tung/04_Stellungnahmen/Stellungnahme _Hirte.pdf, S. 10. 557 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 13 b) des Gesetzes zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz (NaStraG)) vom 18.01.2001, BGBl. I 123. 558 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.09.2005, BGBl. I 2802. 559 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 30.06.2009, BGBl. I 2479. 560 RegE eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), BT-Drs. 13/9712, S. 19 f.; RegE eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), BT-Drs. 15/5092, S. 17. 561 Vgl. Seibert, WM 2005, 157, 160. 562 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 9 a) des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.09.2005, BGBl. I 2802, vgl. dazu bereits § 11 B. IV. 6. a) 563 Habersack, BLJ 2009, 31.

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Existenz eines Antragsrechts im deutschen Aktienrecht den angesprochenen „Rechtskulturschock“ in nennenswertem Ausmaß verstärken würde. Gepaart mit der für deutsche Publikumshauptversammlungen typischen Diskussions- und Fragekultur, die ganz erheblich von den zumeist „kompakten“ annual meetings US-amerikanischer couleur abweicht564, wäre die Einführung eines allgemeinen Antragsrechts – wollte man nicht das Rede- und Auskunftsrecht zu den auf diese Weise zur Abstimmung gestellten Anträgen gänzlich abschaffen – eine fatale Entwicklung. III. Zweifelhafte Effektivität Mehr noch als die soeben genannten Aspekte spricht schließlich die zweifelhafte Effektivität gegen die Transplantation der shareholder proposal rule in das deutsche Recht. Es erscheint keineswegs gesichert, dass ein nach US-amerikanischem Vorbild modelliertes Antragsrecht überhaupt als Instrument zur Informationserzeugung genutzt werden würde, da neben ihm ein „starkes“ Auskunftsrecht besteht, das nicht nur von der Mitwirkung der sonstigen Aktionäre unabhängig ist, sondern auch einen erzwingbaren Anspruch auf Auskunftserteilung begründet und damit nicht rein empfehlender Natur ist.565 Zudem bliebe es anders als in den USA nicht beim Problem der geringen rechtlichen Effektivität des Antragsrechts. Hinzukommen würde vielmehr noch eine geringe faktische Effektivität: Während den in Aktionärsanträgen gemachten Empfehlungen in den USA mit Rücksicht auf die Person des Antragstellers häufig selbst dann Folge geleistet wird, wenn der Antrag mehrheitlich abgelehnt wird, ist eine vergleichbare Entwicklung in Deutschland nicht zu erwarten. Denn weder ist bislang eine weite Bevölkerungsschichten und Interessengruppen umfassende Aktienkultur entstanden noch ist ihre Entstehung nach dem Platzen der New Economy-Blase und dem Schock der Finanzkrise auf absehbare Zeit zu erwarten. Denkbar bliebe allein, dass US-amerikanische Institutionelle von einer deutschen shareholder proposal rule Gebrauch machen und Vorstände den zur Sprache gebrachten Anliegen wegen der Meinungsmacht und Kampagnenfähigkeit dieser Investoren entsprechen würden. Gesichert ist jedoch selbst das nicht. Denn die Ausübung des Aktionärsantragsrechts durch institutionelle Anleger kann in den USA nur im Lichte der Geschichte des dortigen Aktionärsengagements zu ökologischen und sozialen 564 Vgl. dazu bereits § 5 A. II. Nach einer Studie der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e. V. dauerte die Hauptversammlung einer im DAX gelisteten Gesellschaft im Jahr 2009 durchschnittlich 7,3 Stunden. Im Jahr 2003 hatte die durchschnittliche Dauer noch 6,9 Stunden betragen. Als Grund für diese Entwicklung wurde unter anderem die Handhabung von Aktionärsfragen durch die Vorstände identifiziert, die auch auf präzise Fragen langatmig antworten würden, um keine anfechtungsrelevante Angriffsfläche zu schaffen. Vgl. Röbisch, Karsten, „Abnicken bis zum Einnicken“, Financial Times Deutschland vom 05.08.2009, S. 1. 565 Vgl. zu diesem Unterschied bereits § 11 B. IV. 5.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

Themen begriffen werden. Angewiesen sind diese Aktionäre auf das Antragsrecht dort nicht, da auch informelle Gespräche und corporate shaming566 ähnliche Erfolge zeitigen dürften. Die Praxis des US-amerikanischen Aktionärsengagements erscheint deshalb einer starken Pfadabhängigkeit zu unterliegen; die Ausübung des Aktionärsantragsrechts gehört zur traditionellen „(Vor-)Hauptversammlungsfolklore“. Ein vergleichbarer „Pfad“ existiert in Deutschland hingegen nicht, so dass US-Anleger gezielt auf informelle Kanäle setzen könnten, ohne von dem Antragsrecht Gebrauch zu machen. Im Ergebnis erscheint die nur potentiell faktische Wirkung des Antragsrechts aber als schwaches Argument, um eine derart grundsätzliche Änderung zu rechtfertigen. IV. Adressatenkreis von Nachhaltigkeitsinformationen Um zu erkennen, dass die Einführung eines allgemeinen Aktionärsantragsrechts – wenn überhaupt – nur die zweitbeste Lösung darstellt, um den Markt für nachhaltigkeitsbezogene Unternehmensinformation zu stärken, muss außerdem der Blick auf die potentiellen Nachfrager dieser Informationen gelenkt werden. Es sind dies nicht allein die Aktionäre der fraglichen Gesellschaft, die die offenbarten Informationen in ihre Entscheidung einfließen lassen (können), ob sie an ihrer Beteiligung festhalten oder sie veräußern. Ein entsprechendes Informationsbedürfnis besteht vielmehr auch auf Seiten potentieller Investoren, die bislang noch nicht an der fraglichen Gesellschaft beteiligt sind. Und zunehmend sind auch rein schuldrechtlich mit der Gesellschaft verbundene Personen, namentlich Verbraucher, an Informationen zu sozialen und ökologischen Aspekten der Geschäftstätigkeit interessiert.567 Doch obwohl das Informationsbedürfnis der beiden zuletzt genannten Gruppen – potentielle Investoren und Verbraucher – dem der Aktionäre in nichts nachstehen dürfte, wären sie bei einer aktiengesetzlichen Verankerung der shareholder proposal rule darauf angewiesen, dass die Offenlegung der begehrten Informationen durch Aktionäre empfohlen wird. Auch dieser fehlende Gleichlauf von Informationsbedürfnis und Informationserzeugungskompetenz zeigt, dass die Lösung nicht in einer Blaupause der Rule 14a-8 liegen kann.

B. Einführung einer zwingenden Nachhaltigkeitsberichterstattungspflicht Der weite Adressatenkreis einerseits und die Zurückhaltung vieler Unternehmen bei der Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen andererseits sprechen dafür, weder de lega lata auf die Ausübung des Auskunftsrechts aus § 131 566 567

Vgl. dazu § 6 D. I. 2. a). Vgl. § 3 A. II.

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Abs. 1 AktG zu setzen noch de lege ferenda den Schwerpunkt auf die Einführung eines allgemeinen Antragsrechts nach dem Modell der Rule 14a-8 zu legen. Zielführend dürfte hingegen der Gedanke sein, Unternehmen zur jährlichen Aufstellung eines Nachhaltigkeitsberichts zu verpflichten, der sämtliche relevante Informationen zu ökologischen, sozialen und ethischen Aspekten der Geschäftstätigkeit abdeckt. Damit macht sich die vorliegende Untersuchung eine Forderung zu Eigen, die im politischen Raum gerade in jüngerer Zeit sowohl auf europäischer568 wie auf deutscher Ebene569 erhoben wurde, dem die zwischen 2005 und 2009 amtierende Bundesregierung jedoch ablehnend gegenüberstand.570 I. Adressat der Offenlegungspflicht Die Pflicht zur Aufstellung eines Nachhaltigkeitsberichts sollte dabei nur die großen Kapitalgesellschaften im Sinne des § 267 Abs. 3 HGB treffen. Demgegenüber ist bei kleinen und mittleren Kapitalgesellschaften im Hinblick auf den nicht unerheblichen Aufwand, den die Vorbereitung und Erstellung eines stichhaltigen Berichts mit sich bringt, Zurückhaltung geboten.571 Die Beschränkung der Berichterstattungspflicht auf große Kapitalgesellschaften ist auch deshalb sinnvoll, weil gerade bei ihnen die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie im sensi568 Vgl. Nr. 27 des Berichts an das Europaparlament über die soziale Verantwortung von Unternehmen: eine neue Partnerschaft (2006/2133(INI)) vom 20.12.2006, A60471/2006, S. 11. 569 Siehe etwa das Wahlprogramm der SPD für die Bundestagswahl 2009 „Sozial und Demokratisch. Anpacken. Für Deutschland.“ vom 14.06.2009, S. 13: „Bilanzen und Rechnungslegung für Langfristigkeit und Nachhaltigkeit. Unternehmen sind für uns nicht nur dem finanziellen Gewinn der Eigentümer („shareholder value“) verpflichtet. Investoren und die Öffentlichkeit brauchen gesicherte Erkenntnisse über die Leistungen von Unternehmen in den Bereichen Klimaschutz, soziale Verantwortung und Qualität der Unternehmensführung („Corporate Governance“). Gezielte und aussagekräftige Berichtssysteme über diese Indikatoren sind eine Grundlage für langfristig und nachhaltig organisierte Kapitalmärkte.“, den Entschließungsantrag zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung eines Maßnahmepakets zur Stabilisierung des Finanzmarkts (Finanzmarktstabilisierungsgesetz – FMStG)“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 16/10662, S. 4 und den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, „Finanzmärkte ökologisch, ethisch und sozial neu ausrichten“, BT-Drs. 17/795, S. 3. 570 Vgl. die wenig problemorientierte und noch ganz vom Gedanken der Deregulierung getragene Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion Die Linke, „Stärkung der sozialen und ökologischen Verantwortung von Unternehmen“, BTDrs. 16/3557, S. 30 f., 32: „Die Bundesregierung verweist auf das erklärte politische Ziel, Unternehmen von bürokratischen Lasten zu befreien. Die Schaffung neuer Pflichten zu regelmäßigen Sozial- und Umweltbilanzen stünde im Gegensatz zu diesen Bemühungen.“ 571 Vgl. auch den Bericht an das Europaparlament über die soziale Verantwortung von Unternehmen: eine neue Partnerschaft (2006/2133(INI)) vom 20.12.2006, A60471/2006, S. 11: „[. . .] wobei ggf. eine Untergrenze vorzusehen ist, um unverhältnismäßige Kosten für kleinere Unternehmen zu vermeiden“.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

blen multinationalen Kontext agieren, in dem sich die hinlänglich bekannten sozialen und ökologischen Fragestellungen in besonderem Maße ergeben. Schließlich erscheint die Ausklammerung von Gesellschaften kleiner und mittlerer Größe angesichts der in § 289 Abs. 3 HGB bereits vorhandenen Ansätze einer Sozial- und Ökopublizität572 als system- und damit sachgerecht. II. Gestaltungsvarianten der Nachhaltigkeitsberichterstattungspflicht Im Hinblick auf den im Gesetz festgelegten Umfang der offenlegungspflichtigen Tatsachen sind im Grundsatz drei Gestaltungsvarianten denkbar: (1) eine mehr oder minder ausführliche gesetzliche Regelung, in der die zu publizierenden Umstände enumerativ aufgezählt werden, (2) eine dynamische Verweisungsnorm auf einen Nachhaltigkeitskodex, der von einem nationalen Gremium erarbeitet und sukzessive aktualisiert wird und schließlich (3) die dem nahe stehende Lösung einer dynamischen Verweisung auf einen im internationalen Bereich erstellten Berichterstattungsstandard. 1. Gesetzliche Verankerung eines Katalogs publizitätspflichtiger Nachhaltigkeitsinformationen Die Gestaltungsvariante der gesetzlichen Festlegung eines verbindlichen Katalogs offenlegungspflichtiger Informationen zu sozialen, ökologischen und ethischen Aspekten der Geschäftstätigkeit entspricht einer Regelungstechnik, die etwa von der Gliederung der Bilanz (§ 266 HGB) oder des Anhangs (§§ 284 f. HGB) her bekannt ist.573 Ihr ist der französische Gesetzgeber gefolgt, der in Art. L 225-102-1 des Code de Commerce i.V. m. dem Dekret n ë 2002-221 vom 20.02.2002 eine ins Detail gehende Regelung zu publizitätspflichtigen Nachhaltigkeitsinformationen getroffen hat.574 Die Nachteile einer solchen Vorgehens572

Dazu bereits § 3 B. II. Dort bestimmt der im Jahr 2001 eingeführte Art. L. 225-102-1 des Code de Commerce für den Geschäftsbericht: „Il comprend également des informations, dont la liste est fixée par décret en Conseil d’Etat, sur la manière dont la société prend en compte les conséquences sociales et environnementales de son activité. Le présent alinéa ne s’applique pas aux sociétés dont les titres ne sont pas admis aux négociations sur un marché réglementé.“ Eine detaillierte Konkretisierung erfährt die Veröffentlichungspflicht durch das Dekret n ë 2002-221 vom 20.02.2002, das bei Umweltbundesamt, Lagebericht, S. 9 f. abgedruckt ist. Vgl. zur Nachhaltigkeitsberichterstattungspflicht des französischen Bilanzrechts Dhooge, 21 Ariz. J. Int’l & Comp. L. 441 (2004) sowie Egan/Mauleon/Wolff/Bendick, France’s Nouvelles Regulations Economiques, S. 6 ff. 574 Art. L. 225-102-1 du Code de Commerce: „Il comprend également des informations, dont la liste est fixée par décret en Conseil d’Etat, sur la manière dont la société prend en compte les conséquences sociales et environnementales de son activité. Le présent alinéa ne s’applique pas aux sociétés dont les titres ne sont pas admis aux négo573

§ 12 Rechtspolitischer Ausblick

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weise liegen indes auf der Hand. Bereits bei der Aufstellung des Informationskatalogs ist zu befürchten, dass die Entscheidung des Gesetzgebers nicht völlig frei von politischen Erwägungen erfolgt und deshalb bestimmte Aspekte aus falsch verstandener Rücksichtnahme von der Veröffentlichungspflicht ausgenommen werden. Zu denken ist hierbei etwa an die Offenlegung von Geschäftsbeziehungen zu staatlichen Stellen in diktatorisch oder totalitär regierten Staaten wie der Volksrepublik China oder Syrien. Bei einer gegebenenfalls erforderlich werdenden Anpassung des Katalogs ist neben dieser Voreingenommenheit des Gesetzgebers auch die Schwerfälligkeit des legislatorischen Prozesses zu berücksichtigen, die eine zeitnahe Reaktion häufig verhindern oder doch zumindest erschweren wird. Schließlich spricht gegen die enumerative Aufzählung der publizitätspflichtigen Umstände auch, dass diese eine einheitliche Berichterstattung nur im nationalen Rahmen sichert. Dies kann aber angesichts der Internationalität des Aktionärskreises deutscher Aktiengesellschaften und dem zunehmenden Interesse deutscher Anleger an der Beteiligung an ausländischen Gesellschaften575 nicht genügen. Denn nachhaltigkeitsbezogene Unternehmensinformationen sind gerade dann besonders nutzbringend, wenn nicht nur die Vergleichbarkeit im deutschen, sondern im globalen Kontext gesichert ist.576 2. Verweisung auf einen nationalen Nachhaltigkeitskodex Die Schwierigkeiten, die der Gesetzgebungsprozess sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht mit sich bringt, lassen sich umgehen, wenn anstelle einer gesetzlichen Verankerung eines Katalogs berichtspflichtiger Umstände eine dynamische Verweisungsnorm geschaffen werden würde. In dieser Gestaltungsvariante wären die Geschäftsleiter der einbezogenen Unternehmen zur jährlichen Offenlegung solcher Informationen verpflichtet, die in einem ständig aktualisierten nationalen Katalog publizitätspflichtiger Nachhaltigkeitsaspekte der Geschäftstätigkeit („Deutscher Corporate Responsibility Kodex“) niedergelegt sind. Für das deutsche Wirtschaftsrecht würde auch diese Regelungstechnik keine systemfremde Neuerung bedeuten: Vergleichbares wird bereits durch § 161 AktG von der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex im Bereich der Corporate Governance und durch § 342 HGB von dem privaten Rechciations sur un marché réglementé.“ Die Konkretisierung der Veröffentlichungspflicht erfolgt durch das Dekret n ë 2002-221 vom 20.02.2002, das bei Umweltbundesamt, Lagebericht, S. 9 f. abgedruckt ist. Zur Nachhaltigkeitsberichterstattungspflicht des französischen Rechts ausf. Dhooge, 21 Ariz. J. Int’l & Comp. L. 441 (2004) sowie Egan/ Mauleon/Wolff/Bendick, France’s Nouvelles Regulations Economiques, S. 6 ff. 575 Vgl. nur Seibert, BB 1998, 2536, 2538. 576 Aus diesem Grund ist die im Bericht an das Europaparlament über die soziale Verantwortung von Unternehmen: eine neue Partnerschaft (2006/2133 (INI)) vom 20.12. 2006, A6-0471/2006, S. 11 vorgeschlagene Lösung, per Verordnung eine integrierte Sozial-, Umwelt- und Finanzberichterstattung einzuführen, kritisch zu sehen.

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

nungslegungsgremium im Bereich der Rechnungslegung geleistet. Als geeignetes nationales Gremium zur Erstellung und Aktualisierung eines Nachhaltigkeitskodex bietet sich dabei der Rat für Nachhaltige Entwicklung577 an, der sich schon seit Langem für die Einführung einer gesetzlichen Nachhaltigkeitsberichterstattungspflicht einsetzt. Im Herbst 2010 hat der Nachhaltigkeitsrat den Entwurf eines Deutschen Nachhaltigkeitskodex vorgelegt, der nachhaltiges Wirtschaften stärken und hierfür Orientierung geben soll.578 Die Einhaltung des Kodex soll durch eine an § 161 AktG orientierte comply or explain why-Verpflichtung börsennotierter Gesellschaften gefördert werden.579 Ob der Gesetzgeber diesem Vorschlag folgen wird, bleibt allerdings abzuwarten. Gleichwohl teilt auch diese Lösung den entscheidenden Nachteil der oben dargestellten Gestaltungsvariante. Aufgrund der Verweisung auf die von einem nationalen Gremium zu erstellenden Offenlegungsgrundsätze besteht die Gefahr, dass sich in Deutschland ein spezifisches Berichterstattungsregime etabliert, welches nicht unbedingt mit den international üblichen Berichterstattungsstandards kongruent sein muss. Die Vergleichbarkeit im internationalen Maßstab wäre auf diese Weise nicht oder zumindest nicht vollständig gewährleistet. 3. Verweisung auf internationale Berichtserstattungsleitlinien Zielführend kann deshalb nur ein Lösungsansatz sein, der die Vorteile einer Delegation auf nichtstaatliche Stellen berücksichtigt und zugleich die Schwächen eines rein nationalen Berichterstattungsregimes vermeidet. Die Effektivität der Verweisung wird dabei umso höher sein, je verbreiteter und angesehener die für anwendbar zu erklärenden Berichterstattungsleitlinien sind. „Marktführer“ im Bereich der Nachhaltigkeitsberichtserstattungssysteme sind die Leitlinien der Global Reporting Initiative (GRI), einer Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Amsterdam, die 1997 von Ceres (Coalition of Environmentally Responsibile Economies, heute: Investors and Environmentalists for Sustainable Prosperity) in Zusammenarbeit mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) gegründet wurde.580 Die dritte Generation dieser „Sustainability Reporting Guidelines“ wurde im Oktober 2006 veröffentlicht.581 Sie werden heute in mehr als 60 Ländern von über 1.500 Unternehmen, darunter zahlreichen global agierenden Gesellschaften, angewendet.

577

http://www.nachhaltigkeitsrat.de Vgl. ausf. http://www.nachhaltigkeitsrat.de/projekte/eigene-projekte/deutschernachhaltigkeitskodex/. 579 Vgl. Rat für Nachhaltige Entwicklung, Auf dem Weg zu einem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK), Nr. 19. 580 http://www.globalreporting.org 581 Vgl. dazu ausf. Haller/Ernstberger, BB 2006, 2516 ff. 578

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Eine dynamische Verweisung auf Berichterstattungsleitlinien einer ausländischen Nichtregierungsorganisation begegnet allerdings schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf den Geltungsanspruch des grundgesetzlich abgesicherten Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG). Dieses bedingt, dass der Gesetzgeber das Gestaltungsmittel einer dynamischen Verweisung nur dann verwendet, wenn der Inhalt der sich fortentwickelnden Regelung im Wesentlichen feststeht.582 Insoweit gleichen die Bedenken denjenigen, die gegen die in § 292a Abs. 2 Nr. 2a HGB a. F. eingeräumte Möglichkeit eines Konzernabschlusses und Konzernlageberichts nach international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen (gemeint waren GAAP und IAS) angemeldet wurden583, mit dem Unterschied, dass den Unternehmen hier keine Wahl gelassen werden würde, nach welchem System sie zu berichten hätten. Scheitert die rechtspolitisch wünschenswerte Gestaltungsvariante aber an den Grenzen des verfassungsrechtlich Möglichen, so ließe sich eine Geltung der GRI-Leitlinien allein im Wege einer statischen gesetzlichen Verweisung auf die im Zeitpunkt der Gesetzesverabschiedung gültige Fassung bewerkstelligen. Der Alternativlösung einer Übertragung der Ausgestaltungskompetenz auf den Rat für Nachhaltige Entwicklung, der sich bei der Ausgestaltung eng an den Leitlinien der Global Reporting Initiative orientieren müsste, stehen ebenfalls verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber. Zwar sind die Mitglieder des Rates für Nachhaltige Entwicklung von der Bundesregierung ernannt worden, so dass sie zumindest eine mittelbare demokratische Legitimation genießen. Doch wäre dieses Gremium zur Schaffung verbindlicher Berichterstattungsstandards berechtigt, denen sich die berichtspflichtigen Unternehmen nicht im Wege des comply or explain entziehen könnten. Dieser Umstand stellt den wesentlichen Unterschied gegenüber § 161 AktG und der im dortigen Zusammenhang geführten Debatte um die Verfassungsmäßigkeit der Regelung584 dar. III. Ermöglichung eines Opt-out? Im Hinblick auf den weiten Kreis der Nachfrager von Nachhaltigkeitsinformationen, der neben Teilen der derzeitigen Aktionäre der Gesellschaft insbesondere auch potentielle künftige Aktionäre sowie Verbraucher umfasst, ist dringend davon abzusehen, der Hauptversammlung die Möglichkeit zur Suspendierung der gesetzlichen Veröffentlichungspflicht durch entsprechenden Beschluss einzuräumen. Diese an sich selbstverständliche Überlegung ist erwähnenswert, weil sich der Gesetzgeber an anderen Stellen für systemwidrige Opt-out-Lösungen entschieden hat: 582

Vgl. Kirchhof, ZGR 2000, 681, 685. Ausf. zu dieser Diskussion v. Hein, Rezeption, S. 398 ff. m.w. N. 584 Vgl. nur Sester, in: Spindler/Stilz, AktG, § 161 Rn. 4; Semler, in: MünchKomm. AktG, § 161 Rn. 40 ff., jeweils m.w. N. 583

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3. Kap.: Nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in Deutschland

So ermöglicht § 286 Abs. 5 Satz 1 HGB seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen585 die Aufhebung der Veröffentlichungspflicht durch Hauptversammlungsbeschluss. Systemwidrig ist diese Regelung deshalb, weil das VorstOG nach der gesetzgeberischen Zielkonzeption neben dem Informationsbedürfnis der Aktionäre das Offenlegungsinteresse der Anleger im Blick hat.586 Zu diesen Anlegern zählen aber auch und gerade solche Investoren, die noch keine Aktien der fraglichen Gesellschaft halten. Ihnen den Zugang zu Informationen über die Vorstandsvergütung zu versagen, weil die Aktionäre der Gesellschaft eine derartige Offenlegung mehrheitlich nicht wünschen, erscheint nicht sachgerecht. Dies gilt im Zusammenhang mit der Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen umso mehr, als dass die §§ 289, 315 HGB schon heute nicht allein die Informationsversorgung der Aktionäre sicherstellen, sondern auch die Offenlegung gegenüber potentiellen Investoren und sonstigen Dritte gewährleisten sollen.587 Demgegenüber betonte die Regierungsbegründung zum VorstOG, dass der Sinn der individuellen Offenlegung gerade nicht im Informationswunsch der allgemeinen Öffentlichkeit zu sehen sei.588 Auch die im Jahr 2008 durch das Risikobegrenzungsgesetz589 in § 27a WpHG590 eingefügte Mitteilungspflicht für Inhaber wesentlicher Beteiligungen sieht in Abs. 3 Satz 1 die Möglichkeit zum Opt-out durch satzungsändernden Beschluss vor. Da diese Ausprägung der Beteiligungspublizität auch künftigen Anlegern sowie übergeordneten Schutzinteressen dient, dürfte sie nicht disponibel sein.591 Aus den bereits genannten Gründen verbietet sich deshalb eine Übertragung des Opt-out-Mechanismus auf die hier vorgeschlagene Berichterstattungspflicht für Nachhaltigkeitsinformationen.

585 Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz – VorstOG) vom 03.08.2005, BGBl. I 2267. 586 Vgl. RegE eines Gesetzes über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz – VorstOG), BR-Drs. 398/05, S. 5. 587 Vgl. Lange, in: MünchKomm. HGB, § 289 HGB Rn. 80. 588 RegE eines Gesetzes über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz – VorstOG), BR-Drs. 398/05, S. 6. Ganz anders dagegen der Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), BT-Drs. 16/12278, S. 1: „Zugleich soll [. . .] die Transparenz der Vorstandsvergütung gegenüber den Aktionären und der Öffentlichkeit verbessert werden.“ (Hervorhebungen d. Verf.). 589 Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) vom 12.08.2008, BGBl. I 1666. 590 Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) vom 12.08.2008, BGBl. I 1666. Vgl. dazu bereits den RegE, BT-Drs. 16/7438, S. 15. 591 Vgl. Fleischer, AG 2008, 873, 880; Pluskat, NZG 2009, 206, 210: „ungewöhnlich“.

Abschließende Gesamtbetrachtung Aktionäre, so formulierte es der im Jahr 1933 verstorbene deutsche Bankier Carl Fürstenberg, seien dumm und frech. Dumm, weil sie Aktien kaufen, und frech, weil sie zudem noch Dividende haben wollen. Hätte Fürstenberg die deutsche Hauptversammlungswirklichkeit seit den 1970er Jahren miterleben können, so hätte er sein Bonmot vermutlich um die Feststellung ergänzt, dass Aktionäre zudem auch noch impertinent seien, weil sie sich in zunehmendem Maße dafür interessieren, ob die an sie ausgekehrten Dividenden in einer sozial und ökologisch vertretbaren Art und Weise erwirtschaftet wurden. In den zurückliegenden Jahrzehnten wäre ihm der Beifall weiter Teile der deutschen Gesellschaftsrechtswissenschaft für diese Feststellung gewiss gewesen, was angesichts des Auftretens vieler dieser Aktionäre, das in den Anfangsjahren nicht selten zivilisierte Umgangsformen vermissen ließ, und gewisser ideologischer Vorbehalte gegen die Ökologiebewegung im Allgemeinen nicht verwundern kann. Diese ablehnende Haltung führte allerdings dazu, dass sozial-ökologisches Aktionärsengagement in Deutschland nur als Bedrohung (des Hauptversammlungsfriedens) und Risiko (für die Außendarstellung des Unternehmens) wahrgenommen wurde. Der an den sozialen und ökologischen Folgewirkungen der Geschäftstätigkeit interessierte Aktionär wurde – in bestimmten Fällen gewiss nicht zu Unrecht – als ideologisch verblendeter Selbstdarsteller charakterisiert. Er wurde in einem Atemzug mit der Geißel der deutschen Hauptversammlungskultur, dem räuberischen Aktionär, genannt und sein Auftreten als „missbräuchliches Aktionärsverhalten“ 1 gebrandmarkt. Diese Gleichstellung mag im Hinblick auf den Lästigkeitswert des Verhaltens für die Verwaltungen der fraglichen Gesellschaften womöglich berechtigt gewesen sein. Sie wird jedoch der Wirklichkeit im anbrechenden zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts aus mehreren Gründen nicht mehr gerecht: Erstens, weil der Gedanke sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit inzwischen in Politik und Gesellschaft positiv rezipiert wurde und auch bei Unternehmensleitern ein Einstellungswandel gegenüber dem Konzept der Corporate Social Responsibility feststellbar ist2, zweitens, weil nachhaltigkeitsorientiertes Aktionärsengagement zunehmend professionelle Formen angenommen hat und drittens nicht zuletzt auch deshalb, weil sich die deutsche Hauptversammlungskultur seit den 1970er Jahren stark gewandelt hat und der „Versammlungsfrieden“ kein sakrosanktes Gut mehr darstellt. 1 2

Vgl. die Beiträge bei Timm (Hrsg.), Missbräuchliches Aktionärsverhalten. Vgl. Forstmoser, Festschrift Simon, S. 207, 212.

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Abschließende Gesamtbetrachtung

Mit einem Abstand von mehr 20 Jahren zu den erhitzten Debatten der 1980er Jahre und im Bewusstsein eines gewandelten Zeitgeistes sollte mit dieser Arbeit deshalb der Versuch einer Neubewertung nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagements gewagt werden. Dazu wurde im 1. Teil der Untersuchung der Blick auf die mit diesen Formen des Aktionärsaktivismus verbundenen Chancen gelenkt. Es wurde gezeigt, dass die Außensteuerung der Aktiengesellschaft durch die Mechanismen des Marktes und des Rechts aufgrund verschiedener Imperfektionen einer Ergänzung durch andere Steuerungsmechanismen bedarf. Nachhaltigkeitsorientiertes Aktionärsengagement wurde dabei als Binnensteuerungsmechanismus identifiziert, der zu einem Abbau von Informationsasymmetrien hinsichtlich sozial-ökologischer Unternehmensinformationen führen kann. Ein so verstandener Aktionärsaktivismus lässt sich als Screening-Instrument zur Stärkung des Marktes für nachhaltigkeitsbezogene Unternehmensinformation verstehen. Dabei stellt die Erzeugung und Distribution solcher Informationen durch die Ausübung von Aktionärsrechten gerade keinen die Marktsteuerung der Gesellschaft verfälschenden Eingriff dar, sondern dient im Gegenteil der Erhöhung der Markteffizienz. Unter Zugrundelegung dieser theoretischen Überlegungen wandte sich die Untersuchung im darauffolgenden 2. Teil der Entwicklung und dem gegenwärtigen Stand des sozial-ökologischen Aktionärsengagements in den USA zu. Dabei wurden die Entstehungsbedingungen des Aktionärsaktivismus dargestellt sowie die Ineffektivität des Rede- und Einsichtsrechts herausgearbeitet. Im Zentrum der Ausführungen standen anschließend die rechtliche Entwicklung des Aktionärsantragsrechts, ohne die das Verständnis der heute geltenden Rechtslage nahezu unmöglich ist, sowie die Wechselwirkungen zwischen der Ausgestaltung des Rechts und der Praxis des Aktionärsaktivismus. Hierbei wurde zum einen deutlich, dass das Aktionärsantragsrecht immer wieder Zielscheibe der verschiedenen politischen Lager war, die in ihm ihre unterschiedlichen Vorstellungen von der Rolle des Kleinaktionärs in der börsennotierten Aktiengesellschaft verwirklicht sehen wollten. Zum anderen konnte gezeigt werden, weshalb Aktionäre US-amerikanischer Aktiengesellschaften von ihrem Antragsrecht trotz der Beschränkung auf Empfehlungen ohne verbindlichen Anweisungscharakter nach wie vor regen Gebrauch machen. Die schwache rechtliche Ausprägung und Absicherung des Aktionärsantragsrechts wird durch das hohe Legitimationskapital und die große Meinungsmacht eines Teils der Aktivisten sowie durch eine gewisse Pfadabhängigkeit der Unternehmen im Umgang mit Aktionärsanträgen ausgeglichen. Es hat sich gezeigt, dass nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus in den USA zwar rechtlich ineffektiv ist, aufgrund der faktischen Rahmenbedingungen aber dennoch ein effektives Instrument zur Förderung nachhaltigen Unternehmensverhaltens darstellt. Im anschließenden 3. Teil wandte sich die Untersuchung der Frage zu, ob ein auf die Erzeugung und Distribution nachhaltigkeitsbezogener Unternehmens-

Abschließende Gesamtbetrachtung

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information abzielender Aktionärsaktivismus auch in deutschen Aktiengesellschaften möglich ist. Dabei konnte zunächst herausgearbeitet werden, dass das im deutschen Aktiengesetz verankerte Gegenantragsrecht wegen seiner Anknüpfung an einen Vorschlag der Verwaltung kein adäquates Gegenstück zum Aktionärsantragsrecht des US-amerikanischen Rechts bilden kann. Insoweit ist die im Raum stehende Feststellung, dass in Deutschland aufgrund der aktienrechtlichen Gegebenheiten kein nachhaltigkeitsorientierter Aktionärsaktivismus nach USamerikanischem Vorbild möglich sei3, durchaus zutreffend. Dieser wäre aufgrund der unterschiedlichen faktischen Rahmenbedingungen aber auch jenseits einer rein rechtlichen Betrachtung nicht möglich: Denn anders als in den USA ist sozial-ökologisches Aktionärsengagement in Deutschland (bislang) kein von einer breiten Front institutioneller Investoren und Kleinanlegern getragenes Phänomen. Da das Legitimationskapital und die Meinungsmacht der in Deutschland agierenden nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsaktivisten vergleichsweise gering ist, wäre ein Recht zur Stellung unverbindlicher Anträge weitgehend wertlos. Es wurde deshalb im Folgenden verdeutlicht, dass in Deutschland das Auskunftsrecht und das Rederecht als funktionale Äquivalente an die Stelle des Aktionärsantragsrechts der Rule 14a-8 treten. Das Auskunftsrecht kann dabei als Instrument zur Erzeugung, das Rederecht als Instrument zur Distribution nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformation dienen. Ein nach deutschem Aktienrecht gestelltes Auskunftsbegehren ist dabei einem auf Erteilung von Informationen gerichteten Aktionärsantrag nach US-amerikanischem Recht überlegen, da die deutsche Gesellschaft grundsätzlich dazu verpflichtet ist, dem Auskunftsbegehren zu entsprechen. Fasst man die Rahmenbedingungen für nachhaltigkeitsorientiertes Aktionärsengagement in Deutschland zusammen, so gelangt man zu einem gespaltenen Urteil: Während sich die in Deutschland vorherrschenden faktischen Rahmenbedingungen auf die Entfaltung eines breiten Aktionärsaktivismus bislang eher hinderlich auswirkten, ermöglicht die Ausgestaltung der Aktionärsrechte ein erheblich effektiveres nachhaltigkeitsorientiertes Engagement. Damit weicht die Situation in Deutschland wesentlich von der US-amerikanischen ab, die von geringer rechtlicher Effektivität bei vergleichsweise hoher faktischer Effektivität geprägt ist. Es kann deshalb auch nicht darum gehen, den US-amerikanischen shareholder activism in Deutschland nachzuahmen und zur Schaffung eines level playing field ein neuartiges, in Anlehnung an Rule 14a-8 ausgestaltetes Antragsrecht im Aktiengesetz zu verankern. Rechtspolitisches Ziel muss es vielmehr sein, die positive Funktion des Aktionärsaktivismus – die Erzeugung und Distribution nachhaltigkeitsbezogener Unternehmensinformationen – durch die Verankerung einer gesetzlichen Nachhaltigkeitsberichterstattungspflicht zu unterstützen. 3 Vgl. Hild, Institutionelle Investoren, S. 159, 160; Riedel/Schneeweiß, Aktives Aktionärstum, S. 19; Roth/Fitz, 30 Hast. L. J. 1433, 1447 (1979); Umweltbundesamt (Hrsg.), Hintergrundinformation: Ökologische Geldanlagen, S. 4.

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Abschließende Gesamtbetrachtung

Gerade wegen der in dieser Arbeit vorgenommenen Betonung der Chancen nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagements muss zum Abschluss aber einem Missverständnis vorgebeugt werden: Die Ausübung von Aktionärsrechten kann und soll kein Allheilmittel für die zahlreichen menschgemachten Probleme dieser Welt darstellen. Obwohl die Steuerungswirkung nachhaltigkeitsorientierten Aktionärsengagements unbestritten ist, hat es zahlreiche Unternehmensskandale nicht verhindern können. Die Erwartungen in die von shareholder activism ausgehenden Korrekturwirkungen dürfen wegen der Konzentration der Rechtsausübung auf die im Regelfall nur einmal jährlich stattfindende Hauptversammlung nicht überspannt werden. Nachhaltigkeitsorientiertes Aktionärsengagement kann stets nur einen komplementären Korrekturmechanismus darstellen, der neben anderen Instrumenten zur Förderung eines am Gedanken sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit orientierten Unternehmensverhaltens steht. Diese Erkenntnis hat sich mittlerweile auch bei vielen Aktionärsaktivisten durchgesetzt, die neben der Ausübung ihrer hauptversammlungsbezogenen Aktionärsrechte (shareholder activism) in einen kontinuierlichen kritischen Dialog mit den Unternehmensleitungen (shareholder advocacy)4 getreten sind. Die Förderung dieses Dialogs durch eine Gestaltung der aktien- und bilanzrechtlichen Rahmenbedingungen sollte zukünftig eine der vordringlichsten Aufgaben des europäischen wie des deutschen Gesetzgebers im Wirtschaftsrecht sein.

4 Dazu Lindenmayer, Nichtregierungsorganisationen, S. 130 f.; Tkac, Fed. Res. Bank of Atl. Econ. Rev. 2006, 1, 3.

Anhang Dokument Nr. 1 Ursprungsfassung der Rule X-14A-7 von 1942 (Securities Exchange Act Release No. 3347 (Dec. 18, 1942), 7 Fed. Reg. 10,656 (1942)) In the event that a qualified security holder of the issuer has given the management reasonable notice that such security holder intends to present for action at a meeting of security holders of the issuer a proposal which is a proper subject for action by the security holders, the management shall set forth the proposal and provide means by which security holders can make a specification as provided in Rule X-14A-2. Further, if the management opposes such proposal, it shall, upon the request of such security holder, include in its soliciting material the name and address of such security holder and a statement of such security holder setting forth the reasons advanced by him in support of such proposal: Provided, however, that a statement of reasons in support of a proposal shall not be longer than 100 words and provided further that such security holder and not the management shall be responsible for such statement. For the purposes of this rule notice given more than thirty days in advance of a day corresponding to the date on which proxy soliciting material was released to security holders in connection with the last annual meeting of security holders shall, prima facie, be deemed to be reasonable notice. Dokument Nr. 2 Novellierte Passage der Reform von 1948 (Securities Exchange Act Release No. 4185 (Nov. 5, 1948), 13 Fed. Reg. 3,973 (1948)) Paragraph (c) as then in effect provides that management may omit a proposal that is a proper subject: (1) if it clearly appears that the proposal is submitted by the security holder primarily for the purpose of enforcing a personal claim or of redressing a personal grievance against the issuer or its management, or (2) if the management has at the security holder’s request included a proposal in its proxy statement and form of proxy relating to either of the last two annual meetings of security holders or any special meeting held subsequent to the earlier of such two annual meetings and such security holder has failed without good cause to attend the meeting in person or by proxy or to present the proposal for action at the meeting (3) if substantially the same proposal was submitted to the security holders for action at the last annual meeting of security holders or at any special meeting held subsequent thereto and received less than 3 per cent of the total number of votes cast in regard to the proposal.

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Anhang

Dokument Nr. 3 Rule 14a-8 in der Fassung von 1952 (SEC Exchange Act Releases No. 34-4775 (Dec. 11, 1952), 17 Fed. Reg. 11,430 (1952)) (a) If any security holder entitled to vote at a meeting of security holders of the issuer shall submit to the management of the issuer a reasonable time before the solicitation is made a proposal which is a proper subject for action by the security holders and which is accompanied by notice of his intention to present the proposal for action at the meeting, the management shall set forth the proposal in its proxy statement and shall identify the proposal in its form of proxy and provide means by which security holders can make the specification provided for by Rule X-14A-4 (b). A proposal so submitted with respect to an annual meeting more than 30 days in advance of a day corresponding to the date on which proxy soliciting material was released to security holders in connection with the last annual meeting of security holders shall prima facie be deemed to have been submitted a reasonable time before the solicitation. This rule does not apply, however, to elections to office. (b) if the management opposes the proposal, it shall also, at the request of the security holder, include in its proxy statement the name and address of the security holder and a statement of the security holder in not more than one hundred words, in support of the proposal. Such statement and request shall be furnished to the management at the same time that the proposal is furnished to it. Neither the management nor the issuer shall be responsible for such statement. (c) Notwithstanding the foregoing, the management may omit a proposal and any statement in support thereof from its proxy statement and form of proxy under the following circumstances: (1) If it clearly appears that the proposal is submitted by the security holder primarily for the purpose of enforcing a personal claim or redressing a personal grievance against the issuer or its management, or primarily for the purpose of promoting general economic, political, racial, religious, social or similar causes; or (2) if the management has at the security holder’s request included a proposal in its proxy statement and form of proxy relating to either of the last two annual meetings of a security holders or any special meeting held subsequent to the earlier of such two annual meetings and such security holder has failed without good cause to present the proposal, in person or by proxy, for action at the meeting, or (3) if substantially the same proposal was submitted to the security holders in the management’s proxy statement and form of proxy, for action at the last annual meeting of security holders or at any special meeting held subsequent thereto and received less than three percent of the total number of votes cast in regard to the proposal. (d) Whenever the management asserts that a proposal and any statement in support thereof may properly be omitted from its proxy statement and form of proxy, it shall file with the Commission, not later than the date preliminary copies of the proxy statement and form of proxy are filed pursuant to Rule X-14A-6 (a), a copy of the proposal and any statement in support thereof as received from the security holder, together with a statement of the reasons why the management deems such omission to be proper in the particular case. The management shall at the same time, if it has not already done

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so, notify the security holder submitting the proposal of its intention to omit the proposal from its proxy statement and form of proxy and shall advise the security holder as to the reasons for such omission. Compliance with this paragraph shall not be construed as relieving the management of its obligation to comply fully with the foregoing provisions of this rule. Dokument Nr. 4 Rule 14a-8 in der Fassung von 1954 (SEC Exchange Act Releases No. 34-4979 (Jan. 6, 1954), 19 Fed. Reg. 246 (1954)) (a) If any security holder entitled to vote at a meeting of security holders of the issuer shall submit to the management of the issuer a reasonable time before the solicitation is made a proposal which is accompanied by notice of his intention to present the proposal for action at the meeting, the management shall set forth the proposal in its proxy statement and shall identify the proposal in its form of proxy and provide means by which security holders can make the specification provided for by Rule X-14A-4(b). A proposal so submitted with respect to an annual meeting more than 60 days in advance of a day corresponding to the first date on which management proxy soliciting material was released to security holders in connection with the last annual meeting of security holders shall prima facie be deemed to have been submitted a reasonable time before the solicitation. This rule shall not apply, however, to elections to office. (b) If the management opposes the proposal, it shall also, at the request of the security holder, include in its proxy statement the name and address of the security holder and a statement of the security holder in not more that 100 words in support of the proposal. The statement and request of the security holder shall be furnished to the management at the same time that the proposal is furnished. Neither the management nor the issuer shall be responsible for such statement. (c) Notwithstanding, the foregoing, the management may omit a proposal and any statement in support thereof from its proxy statement and form of proxy under any of the following circumstances: (1) If the proposal as submitted is, under the laws of the issuer’s domicile, not a proper subject for action by security holders; or (2) If it clearly appears that the proposal is submitted by the security holder primarily for the purpose of enforcing a personal claim or redressing a personal grievance against the issuer or its management, or primarily for the purpose of promoting general economic, political, racial, religious, social or similar causes; or (3) If the management has at the security holder’s request included a proposal in its proxy statement and form of proxy relating to either of the last two annual meetings of security holders or any special meeting held subsequent to the earlier of such two annual meetings and such security holder has failed without good cause to present the proposal, in person or by proxy, for action at the meeting; or (4) If substantially the same proposal has previously been submitted to security holders, in the management’s proxy statement and form of proxy relating to any annual or special meeting of security holders held within the preceding five calendar years, it may be omitted from the management’s proxy material relating to any meeting of secur-

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ity holders held within the three calendar years after the latest such previous submission, provided that – (i) If the proposal was submitted at only one meeting during such preceding period, it received less than 3 % of the total number of votes cast in regard thereto; or (ii) if the proposal was submitted at only two meetings during such preceding period it received at the time of its second submission less than 6 % of the total number of votes cast in regard thereto; or (iii) if the proposal was submitted at three or more meetings during such preceding period, it received at the time of its latest submission less than 10 % of the total number of votes cast in regard thereto. (5) If the proposal consists of a recommendation or request that the management take action with respect to a matter relating to the conduct of the ordinary business operations of the issuer. (d) Whenever the management asserts that a proposal and any statement in support thereof may properly be omitted from its proxy statement and form of proxy, it shall file with the Commission, not later than 20 days prior to the date the preliminary copies of the proxy statement and form of proxy are filed pursuant to Rule X-14A-6(a), or such shorter period prior to such date as the Commission may permit, a copy of the proposal and any statement in support thereof as received from the security holder, together with a statement of the reasons why the management deems such omission to be proper in the particular case, and, where such reasons are based on matters of law, a supporting opinion of counsel. The management shall at the same time, if it has not already done so, notify the security holder submitting the proposal of its intention to omit the proposal from its proxy statement and form of proxy and shall forward to him a copy of the statement of the reasons why the management deems the omission of the proposal to be proper and a copy of such supporting opinion of counsel. Dokument Nr. 5 Novellierte Passagen der Reform von 1967 (SEC Securities Exchange Act Release No. 34-8,206 (Dec. 14, 1967), 32 Fed. Reg. 20,960 (1967)) (a) If any security holder entitled to vote at a meeting of security holders of the issuer shall submit to the management of the issuer, within the time hereinafter specified, a proposal which is accompanied by notice of his intention to present the proposal for action at the meeting, the management shall set forth the proposal in its proxy statement and shall identify it in its form of proxy and provide means by which security holders can make the specification provided for by Rule 14a-4(b) (§ 240.14a-4(b)). The management of the issuer shall not be required by this rule to include the proposal in its proxy statement for an annual meeting unless the proposal is submitted to the management not less than 60 days in advance of a day corresponding to the first date on which the management’s proxy soliciting material was released to security holders in connection with the last annual meeting of security holders, except that if the date of the annual meeting has been changed as a result of a change in the fiscal year, a proposal shall be submitted a reasonable time before the solicitation is made. A proposal to be presented at any other meeting shall be submitted to the management of the issuer a

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reasonable time before the solicitation is made. This section does not apply, however, to elections to office or to counter proposals to matters to be submitted by the management. (b) If the management opposes the proposal it shall also, at the request of the security holder, include in its proxy statement a statement of the security holder, in not more than 100 words, in support of the proposal, which statement shall not include the name and address of the security holder. The proxy statement shall also include either the name and address of the security holder or a statement that such Information will be furnished by the issuer or by the Commission to any person, orally or in writing as requested, promptly upon the, receipt of any oral or written request therefor. If the name and, address of the security holder is omitted from the proxy statement, it shall be furnished to the Commission at the time of filing the management’s preliminary proxy material pursuant to Rule 14a-6(a) (§ 240.14a-6 (a)). The statement and request of the security holder shall be furnished to the management at the same time that the proposal is furnished. Neither the management nor the issuer shall be responsible for such statement. Dokument Nr. 6 Rule 14a-8 in der Fassung von 1972 (SEC Exchange Act Releases No. 34-9784 (Sep. 22, 1972), 37 Fed. Reg. 23,178 (1972)) (a) If any security holder entitled to vote at a meeting of security holders of the issuer shall submit to the management of the issuer, within the time hereinafter specified, a proposal which is accompanied by notice of his intention to present the proposal for action at the meeting, the management shall set forth the proposal in its proxy statement and shall identify it in its form of proxy and provide means by which security holders can make the specification provided for by § 240.14a-4(b). The management of the issuer shall not be required by this section to include the proposal in its proxy statement or form of proxy for an annual meeting unless the proposal is received by the management at the issuer’s principal executive offices not less than 70 days in advance of a date corresponding to the date set forth on the management’s proxy statement released to security holders in connection with the last annual meeting of security holders, except that if the date of the annual meeting has been changed as a result of a change in the fiscal year, a proposal shall be received by the management a reasonable time before the solicitation is made. A proposal to be presented at any other meeting shall be received by the management of the issuer a reasonable time before the solicitation is made. This section does not apply, however, to elections to office or to counter proposals to matters to be submitted by the management. Note. In order to curtail controversy as to the date that a security holder’s proposal was received by the management, it is suggested that security holders submit their proposals by certified mail-return receipt requested. (b) If the management opposes any proposal received from a security holder, it shall also, at the request of the security holder, include in its proxy statement a statement of the security holder, in not more than 200 words, in support of the proposal, which statement shall not include the name and address of the security holder. Any statements in the text of a proposal, such as a preamble or „whereas“ clauses, which are in effect

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arguments in support of the proposal, shall be deemed part of the supporting statement and subject to the 200-word limitation thereon. The proxy statement shall also include either the name and address of the security holder or a statement that such information will be furnished by the issuer or by the Commission to any person, orally or in writing as requested, promptly upon the receipt of any oral or written request therefor. If the name and address of the security holder is omitted from the proxy statement, it shall be furnished to the Commission at the time of filing the management’s preliminary proxy material pursuant to § 240.14a-6(a). The statement and request of the security holder shall be furnished to the management at the time that the proposal is furnished. Neither the management nor the issuer shall be responsible for such statement. (c) Notwithstanding the foregoing, the management may omit a proposal and any statement in support thereof from its proxy statement and form of proxy under any of the following circumstances: (1) If the proposal as submitted is, under the laws of the issuer’s domicile, not a proper subject for action by security holders; or (2) If the proposal: (i) Relates to the enforcement of a personal claim or the redress of a personal grievance against the issuer, its management, or any other person; or (ii) Consists of a recommendation, request, or mandate that action be taken with respect to any matter, including a general economic, political, racial, religious, social, or similar cause, that is not significantly related to the business of the issuer or is not within the control of the issuer; or (3) If the management has at the security holder’s request included a proposals in its proxy statement and form of proxy relating to either of the last two annual meetings of security holders or any special meeting held subsequent to the earlier of such two annual meetings and such security holder has failed without good cause to present the proposal, in person or by proxy, for action at the meeting; or (4) If substantially the same proposal has previously been submitted to security holders in the management’s proxy statement and form of proxy relating to any annual or special meeting of security holders held within the preceding 5 calendar years, it may be omitted from the management’s proxy material relating to any meeting of security holders held within the 3 calendar years after the latest such previous submission: Provided, That – (i) If the proposal was submitted at only one meeting during such preceding period, it received less than 3 percent of the total number of votes cast in in regard thereto; or (ii) If the proposal was submitted at only two meetings during such preceding period, it received at the time of its second submission less than 6 percent of the total number of votes cast in regard thereto; or (iii) If the proposal was submitted at three or more meetings during such preceding period, it received at the time of its latest submission less than 10 percent of the total number of votes cast in regard thereto; or (5) If the proposal consists of a recommendation or request that the management take action with respect to a matter relating to the conduct of the ordinary business operations of the issuer.

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Note. Proposals not within issuer’s control are those which are beyond its power to effectuate. (d) Whenever the management asserts that a proposal and any statement in support thereof received from a security holder may properly be omitted from its proxy statement and form of proxy, it shall file with the Commission, not later than 30 days prior to the date the preliminary copies of the proxy statement and form of proxy are filed pursuant to § 240.14a-6(a) or such shorter period prior to such date as the Commission may permit, a copy of the proposal and any statement in support thereof as received from the security holder, together with a statement of the reasons why the management deems such omission to be proper in the particular case, and where such reasons are based on matters of law, a supporting opinion of counsel. The management shall at the same time, if it has not already done so, notify the security holder submitting the proposal of its intention to omit the proposal from its proxy statement and form of proxy and shall forward to him a copy of the statement of reasons why the management deems the omission of the proposal to be proper and a copy of such supporting opinion of counsel.

Dokument Nr. 7 Rule 14a-8 in der Fassung von 1976 (Securities Exchange Act of 1934 Releases No. 12,999, 42–50 (Nov. 22, 1976), 41 Fed. Reg. 52,994 (1976)) (a) If any security holder of an issuer notifies the management of the issuer of his intention to present a proposal for action at the forthcoming meeting of the issuer’s security holders, the management shall set forth the proposal in its proxy statement and identify it in its form of proxy and provide means by which security holders can make the specification required by Rule 14a-4(b). Notwithstanding the foregoing, the management shall not be required to include the proposal in its proxy statement or form of proxy unless the security holder (hereinafter, the „proponent“) has complied with the requirements of this paragraph and the paragraphs (b) and (c) hereof: (1) Eligibility. At the time he submits the proposal, the proponent shall be a record or beneficial owner of a security entitled to be voted at the meeting on his proposal, and he shall continue to own such security through the date on which the meeting is held. If the management requests documentary support for a proponent’s claim that he is a beneficial owner of a voting security of the issuer, the proponent shall furnish appropriate documentation within 10 business days after receiving the request. In the event the management includes the proponent’s proposal in its proxy soliciting materials for the meeting and the proponent fails to comply with the requirement that he continuously be a voting security holder through the meeting date, the management shall not be required to include any proposal submitted by the proponent in its proxy soliciting materials for any meeting held in the following two calendar years. (2) Notice. The proponent shall notify the management in writing of his intention to appear personally at the meeting to present his proposal for action. The proponent shall furnish the requisite notice at the time he submits the proposal, except that if he was unaware of the notice requirement at the time he shall comply with it within 10 business days after being informed of it by the management. If the proponent, after furnishing in good faith the notice required by this provision, subsequently determines that he

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will be unable to appear personally at the meeting, he shall arrange to have another security holder of the issuer present his proposal on his behalf at the meeting. In the vent the proponent or his proxy fails without good cause, to present to proposal for action at the meeting, the management shall not be required to include any proposals submitted by the proponent in its proxy soliciting materials for any meeting held in the following two calendar years. (3) Timeliness. The proponent shall submit his proposal sufficiently far in advance of the meeting so that it is received by the management within the following time periods: (i) Annual Meetings. A proposal to be presented at an annual meeting shall be received by the management at the issuer’s principal executive offices not less than 90 days in advance of a date corresponding to the date set forth on the management’s proxy statement released to security holders in connection with the previous year’s annual meeting of security holders, except that if no annual meeting was held in the previous year or the date of the annual meeting has been changed by more than 30 calendar days from the date of the previous year’s annual meeting a proposal shall be received by the management a reasonable time before the solicitation is made. (ii) Other Meetings. A proposal to be presented at any meeting other than an annual meeting shall be received a reasonable time before the solicitation is made. Note. – In order to curtail controversy as to the date on which a proposal was received by the management, it is suggested that proponents submit their proposals by Certified Mail-Return Receipt Requested. (4) Number and Length of Proposals. The proponent may submit a maximum of two proposals of not more than 300 words each for inclusion in the management’s proxy materials for a meeting of security holders. If the proponent fails to comply with either of these requirements, or if he fails to comply with the 200-word limit on supporting statements mentioned in paragraph (b), he shall be provided the opportunity by the management to reduce, within 10 business days, the items submitted by him to the limits required by this rule. (b) If the management opposes any proposal received form a proponent, it shall also, at the request of the proponent, include in its proxy statement a statement of the proponent of not more than 200 words in support of the proposal, which statement shall not include the name and address of the proponent. The statement and request of the proponent shall be furnished to the management at the time that the proposal is furnished, and neither the management nor the issuer shall be responsible for such statement. The proxy statement shall also include either the name and address of the proponent or a statement that such information will be furnished by the issuer or by the Commission to any person, orally or in writing as requested, promptly upon the receipt of any oral or written request therefor. If the name and address of the proponent are omitted from the proxy statement, they shall be furnished to the Commission at the time of filing the management’s preliminary proxy material pursuant to Rule 14a-6(a). (c) The management may omit a proposal and any statement in support thereof from its proxy statement and form of proxy under any of the following circumstances: (1) If the proposal is, under the laws of the issuer’s domicile, not a proper subject for action by security holders;

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Note. – A proposal that may be improper under the applicable state law when framed as a mandate or directive may be proper when framed as a recommendation or request. (2) If the proposal would, if implemented, require the issuer to violate any state law or federal law of the United States, or any law of any foreign jurisdiction, to which the issuer is subject, except that this provision shall not apply with respect to any foreign law compliance with which would be violative of any state law or federal law of the United States; (3) If the proposal or the supporting statement is contrary to any of the Commission’s proxy rules and regulations, including Rule 14a-9, which prohibits false or misleading statements in proxy soliciting materials; (4) If the proposal relates to the enforcement of a personal claim or the redress of a personal grievance against the issuer, its management, or any other person; (5) If the proposal deals with a matter that is not significantly related to the issuer’s business; (6) If the proposal deals with a matter that is beyond the issuer’s power to effectuate; (7) If the proposal deals with a matter relating to the conduct of the ordinary business operations of the issuer; (8) If the proposal relates to an election to office; (9) If the proposal is counter to a proposal to be submitted by the management at the meeting; (10) If the proposal has been rendered moot; (11) If the proposal is substantially duplicative of a proposal previously submitted to the management by another proponent, which proposal will be included in the management’s proxy materials for the meeting; (12) If substantially the same proposal has previously been submitted to security holders in the management’s proxy statement and form of proxy relating to any annual or special meeting of security holders held within the preceding 5 calendar years, it may be omitted form the management’s proxy materials relating to any meeting of security holders held within 3 calendar years after the latest such previous submission: Provided, That – (i) If the proposal was submitted at only one meeting during such preceding period, it received less than 3 percent of the total number of votes cast in regard thereto; or (ii) If the proposal was submitted at only two meetings during such preceding period, it received at the time of its second submission less than 6 percent of the total number of votes cast in regard thereto; or (iii) If the proposal was submitted at three or more meetings during such a period, it received at the time of its latest submission less than 10 percent of the total number of votes cast in regard thereto; and (13) If the proposal relates to specific amounts of cash or stock dividends. (d) Whenever the management asserts, for any reason, that a proposal and any statement in support thereof received form a proponent may properly be omitted from its

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proxy statement and form of proxy, it shall file with the Commission, not later than 50 days prior to the date the preliminary copies of the proxy statement and form of proxy are filed pursuant to Rule 14a-6(a), or such shorter period prior to such date as the Commission or its staff may permit, five copies of the following items: (1) the proposal; (2) any statement in support thereof as received from the proponent; (3) a statement of the reasons why the management deems such omission to be proper in the particular case; and (4) where such reasons are based on matters of law, a supporting opinion of

Dokument Nr. 8 Rule 14a-8 in der Fassung von 1983 (SEC Exchange Release No. 20,091, 48 Fed. Reg. 38,218 (Aug. 23, 1983)) (a) If any security holder of an issuer notifies the issuer of his intention to present a proposal for action at a forthcoming meeting of the issuer’s security holders, the issuer shall set forth the proposal in its proxy statement and identify it in its form of proxy and provide means by which security holders can make the specification required by Rule 14a-4(b). Notwithstanding the foregoing, the issuer shall not be required to include the proposal in its proxy statement or form of proxy unless the security holder (hereinafter, the „proponent“) has complied with the requirements of this paragraph and paragraphs (b) and (c) of this section: (1) Eligibility. (i) At the time he submits the proposal, the proponent shall be a record or beneficial owner of at least 1 % or $ 1000 in market value of securities entitled to be voted at the meeting and have held such securities for at least one year, and he shall continue to own such securities through the date on which the meeting is held. If the issuer requests documentary support for a proponent’s claim that he is the beneficial owner of at least $ 1000 in market value of such voting securities of the issuer or that he has been a beneficial owner of the securities for one or more years, the proponent shall furnish appropriate documentation within 14 calendar days after receiving the request. In the event the issuer includes the proponent’s proposal in its proxy soliciting material for the meeting and the proponent fails to comply with the requirement that he continuously hold such securities through the meeting date, the issuer shall not be required to include any proposals submitted by the proponent in its proxy material for any meeting held in the following two calendar years. (ii) Proponents who deliver written proxy materials to holders of more than 25 percent of a class of the issuer’s outstanding securities entitled to vote with respect to the same meeting of security holders will be ineligible to use the provisions of Rule 14a-8 for the inclusion of a proposal in the issuer’s proxy materials. In the event the issuer includes a proponent’s proposal in its proxy material and the proponent thereafter delivers written proxy materials to the holders of more than 25 percent of a class of the issuer’s outstanding securities entitled to vote with respect to such meeting, the issuer shall not be required to include any proposals submitted by that proponent in its proxy soliciting materials for any meeting held in the following two calendar years. (2) Notice and Attendance at the Meeting. At the time he submits a proposal, a proponent shall provide the issuer in writing with his name, address, the number of the issuer’s voting securities that he holds of record or beneficially, the dates upon which he

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acquired such securities, and documentary support for a claim of beneficial ownership. A proposal may be presented at the meeting either by the proponent or his representative who is qualified under state law to present the proposal on the proponent’s behalf at the meeting. In the event that the proponent or his representative fails, without good cause, to present the proposal for action at the meeting, the issuer shall not be required to include any proposals submitted by the proponent in its proxy soliciting material for any meeting held in the following two calendar years. (3) Timeliness. The proponent shall submit his proposal sufficiently far in advance of the meeting so that it is received by the issuer within the following time periods: (i) Annual Meetings. A proposal to be presented at an annual meeting shall be received at the issuer’s principal executive offices not less than 120 days in advance of the date of the issuer’s proxy statement released to security holders in connection with the previous year’s annual meeting of security holders, except that if no annual meeting was held in the previous year or the date of the annual meeting has been changed by more than 30 calendar days from the date contemplated at the time of the previous year’s proxy statement, a proposal shall be received by the issuer a reasonable time before the solicitation is made. (ii) Other Meetings. A proposal to be presented at any meeting other than an annual meeting specified in paragraph (a)(3)(i) of this section shall be received a reasonable time before the solicitation is made. Note. – In order to curtail controversy as to the date on which a proposal was received by the issuer, it is suggested that proponents submit their proposals by Certified Mail-Return Receipt Requested. (4) Number of Proposals. The proponent may submit no more than one proposal and an accompanying supporting statement for inclusion in the issuer’s proxy materials for a meeting of security holders. If the proponent submits more than one proposal, or if he fails to comply with the 500 word limit mentioned in paragraph (b)(1) of this section, he shall be provided the opportunity to reduce the items submitted by him to the limits required by this rule, within 14 calendar days of notification of such limitations by the issuer. (b)(1) Supporting Statement. The issuer, at the request of the proponent, shall include in its proxy statement a statement of the proponent in support of the proposal, which statement shall not include the name and address of the proponent. A proposal and its supporting statement in the aggregate shall not exceed 500 words. The supporting statement shall be furnished to the issuer at the time that the proposal is furnished, and the issuer shall not be responsible for such statement and the proposal to which it relates. (2) Identification of Proponent. The proxy statement shall also include either the name and address of the proponent and the number of shares of the voting security held by the proponent or a statement that such information will be furnished by the issuer to any person, orally or in writing as requested, promptly upon the receipt of any oral or written request therefor. (c) The issuer may omit a proposal and any statement in support thereof from its proxy statement and form of proxy under any of the following circumstances:

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(1) If the proposal is, under the laws of the issuer’s domicile, not a proper subject for action by security holders. Note. – Whether a proposal is a proper subject for action by security holders will depend on the applicable state law. Under certain states’ laws, a proposal that mandates certain action by the issuer’s board of directors may not be a proper subject matter for shareholder action, while a proposal recommending or requesting such action of the board may be proper under such state laws. (2) If the proposal, if implemented, would require the issuer to violate any state law or federal law of the United States, or any law of any foreign jurisdiction to which the issuer is subject, except that this provision shall not apply with respect to any foreign law compliance with which would be violative of any state law or federal law of the United States. (3) If the proposal or the supporting statement is contrary to any of the Commission’s proxy rules and regulations, including Rule 14a-9, which prohibits false or misleading statements in proxy soliciting materials; (4) If the proposal relates to the redress of a personal claim or grievance against the issuer or any other person, or if it is designed to result in a benefit to the proponent or to further a personal interest, which benefit or interest is not shared with the other security holders at large; (5) If the proposal relates to operations which account for less than 5 percent of the issuer’s total assets at the end of its most recent fiscal year, and for less than 5 percent of its net earnings and gross sales for its most recent fiscal year, and is not otherwise significantly related to the issuer’s business; (6) If the proposal deals with a matter beyond the issuer’s power to effectuate; (7) If the proposal deals with a matter relating to the conduct of the ordinary business operations of the issuer; (8) If the proposal relates to an election to office; (9) If the proposal is counter to a proposal to be submitted by the issuer at the meeting; (10) If the proposal has been rendered moot; (11) If the proposal is substantially duplicative of a proposal previously submitted to the issuer by another proponent, which proposal will be included in the issuer’s proxy material for the meeting; (12) If the proposal deals with substantially the same subject matter as a prior proposal submitted to security holders in the issuer’s proxy statement and form of proxy relating to any annual or special meeting of security holders held within the preceding five calendar years, it may be omitted from the issuer’s proxy materials relating to any meeting of security holders held within three calendar years after the latest such previous submission: Provided, That (i) If the proposal was submitted at only one meeting during such preceding period, it received less than five percent of the total number of votes cast in regard thereto; or

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(ii) If the proposal was submitted at only two meetings during such preceding period, it received at the time of its second submission less than eight percent of the total number of votes cast in regard thereto; or (iii) If the prior proposal was submitted at three or more meetings during such preceding period, it received at the time of its latest submission less than 10 percent of the total number of votes cast in regard thereto; or (13) If the proposal relates to specific amounts of cash or stock dividends. (d) Whenever the issuer asserts, for any reason, that a proposal and any statement in support thereof received from a proponent may properly be omitted from its proxy statement and form of proxy, it shall file with the Commission, not later than 60 days prior to the date the preliminary copies of the proxy statement and form of proxy are filed pursuant to Rule 14a-6(a), or such shorter period prior to such date as the Commission or its staff may permit, five copies of the following items: (1) The proposal; (2) any statement in support thereof as received from the proponent; (3) a statement of the reasons why the issuer deems such omission to be proper in the particular case; and (4) where such reasons are based on matters of law, a supporting opinion of counsel. The issuer shall at the same time, if it has not already done so, notify the proponent of its intention to omit the proposal from its proxy statement and form of proxy and shall forward to him a copy of the statement of reasons why the issuer deems the omission of the proposal to be proper and a copy of such supporting opinion of counsel. (e) If the issuer intends to include in the proxy statement a statement in opposition to a proposal received from a proponent, it shall, not later than 10 calendar days prior to the date the preliminary copies of the proxy statement and form of proxy are filed pursuant to Rule 14a-6(a), or, in the event that the proposal must be revised to be includable, not later than five calendar days after receipt by the issuer of the revised proposal promptly forward to the proponent a copy of the statement in opposition to the proposal. In the event the proponent believes that the statement in opposition contains materially false or misleading statements within the meaning of Rule 14a-9 and the proponent wishes to bring this matter to the attention of the Commission, the proponent promptly should provide the staff with a letter setting forth the reasons for this view and at the same time promptly provide the issuer with a copy of such letter. Dokument Nr. 9 Rule 14a-8 in der Fassung von 1998 (Securities Exchange Act of 1934 Release No. 34-40018 (May 21, 1998), 63 Fed. Reg. 29106 (1998)) This section addresses when a company must include a shareholder’s proposal in its proxy statement and identify the proposal in its form of proxy when the company holds an annual or special meeting of shareholders. In summary, in order to have your shareholder proposal included on a company’s proxy card, and included along with any supporting statement in its proxy statement, you must be eligible and follow certain procedures. Under a few specific circumstances, the company is permitted to exclude your proposal, but only after submitting its reasons to the Commission. We structured this section in a question-and-answer format so that it is easier to understand. The references to „you“ are to a shareholder seeking to submit the proposal.

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(a) Question 1: What is a proposal? A shareholder proposal is your recommendation or requirement that the company and/or its board of directors take action, which you intend to present at a meeting of the company’s shareholders. Your proposal should state as clearly as possible the course of action that you believe the company should follow. If your proposal is placed on the company’s proxy card, the company must also provide in the form of proxy means for shareholders to specify by boxes a choice between approval or disapproval, or abstention. Unless otherwise indicated, the word „proposal“ as used in this section refers both to your proposal, and to your corresponding statement in support of your proposal (if any).

(b) Question 2: Who is eligible to submit a proposal, and how do I demonstrate to the company that I am eligible? (1) In order to be eligible to submit a proposal, you must have continuously held at least $ 2,000 in market value, or 1 %, of the company’s securities entitled to be voted on the proposal at the meeting for at least one year by the date you submit the proposal. You must continue to hold those securities through the date of the meeting. (2) If you are the registered holder of your securities, which means that your name appears in the company’s records as a shareholder, the company can verify your eligibility on its own, although you will still have to provide the company with a written statement that you intend to continue to hold the securities through the date of the meeting of shareholders. However, if like many shareholders you are not a registered holder, the company likely does not know that you are a shareholder, or how many shares you own. In this case, at the time you submit your proposal, you must prove your eligibility to the company in one of two ways: (i) The first way is to submit to the company a written statement from the „record“ holder of your securities (usually a broker or bank) verifying that, at the time you submitted your proposal, you continuously held the securities for at least one year. You must also include your own written statement that you intend to continue to hold the securities through the date of the meeting of shareholders; or (ii) The second way to prove ownership applies only if you have filed a Schedule 13D (§240.13d-101), Schedule 13G (§240.13d-102), Form 3 (§249.103 of this chapter), Form 4 (§249.104 of this chapter) and/or Form 5 (§249.105 of this chapter), or amendments to those documents or updated forms, reflecting your ownership of the shares as of or before the date on which the one-year eligibility period begins. If you have filed one of these documents with the SEC, you may demonstrate your eligibility by submitting to the company: (A) A copy of the schedule and/or form, and any subsequent amendments reporting a change in your ownership level; (B) Your written statement that you continuously held the required number of shares for the one-year period as of the date of the statement; and (C) Your written statement that you intend to continue ownership of the shares through the date of the company’s annual or special meeting.

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(c) Question 3: How many proposals may I submit? Each shareholder may submit no more than one proposal to a company for a particular shareholders’ meeting. (d) Question 4: How long can my proposal be? The proposal, including any accompanying supporting statement, may not exceed 500 words. (e) Question 5: What is the deadline for submitting a proposal? (1) If you are submitting your proposal for the company’s annual meeting, you can in most cases find the deadline in last year’s proxy statement. However, if the company did not hold an annual meeting last year, or has changed the date of its meeting for this year more than 30 days from last year’s meeting, you can usually find the deadline in one of the company’s quarterly reports on Form 10-Q (§249.308a of this chapter) or 10QSB (§249.308b of this chapter), or in shareholder reports of investment companies under §270.30d-1 of this chapter of the Investment Company Act of 1940. In order to avoid controversy, shareholders should submit their proposals by means, including electronic means, that permit them to prove the date of delivery. (2) The deadline is calculated in the following manner if the proposal is submitted for a regularly scheduled annual meeting. The proposal must be received at the company’s principal executive offices not less than 120 calendar days before the date of the company’s proxy statement released to shareholders in connection with the previous year’s annual meeting. However, if the company did not hold an annual meeting the previous year, or if the date of this year’s annual meeting has been changed by more than 30 days from the date of the previous year’s meeting, then the deadline is a reasonable time before the company begins to print and mail its proxy materials. (3) If you are submitting your proposal for a meeting of shareholders other than a regularly scheduled annual meeting, the deadline is a reasonable time before the company begins to print and mail its proxy materials. (f) Question 6: What if I fail to follow one of the eligibility or procedural requirements explained in answers to Questions 1 through 4 of this section? (1) The company may exclude your proposal, but only after it has notified you of the problem, and you have failed adequately to correct it. Within 14 calendar days of receiving your proposal, the company must notify you in writing of any procedural or eligibility deficiencies, as well as of the time frame for your response. Your response must be postmarked , or transmitted electronically, no later than 14 days from the date you received the company’s notification. A company need not provide you such notice of a deficiency if the deficiency cannot be remedied, such as if you fail to submit a proposal by the company’s properly determined deadline. If the company intends to exclude the proposal, it will later have to make a submission under §240.14a-8 and provide you with a copy under Question 10 below, §240.14a-8(j).

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(2) If you fail in your promise to hold the required number of securities through the date of the meeting of shareholders, then the company will be permitted to exclude all of your proposals from its proxy materials for any meeting held in the following two calendar years. (g) Question 7: Who has the burden of persuading the Commission or its staff that my proposal can be excluded? Except as otherwise noted, the burden is on the company to demonstrate that it is entitled to exclude a proposal. (h) Question 8: Must I appear personally at the shareholders’ meeting to present the proposal? (1) Either you, or your representative who is qualified under state law to present the proposal on your behalf, must attend the meeting to present the proposal. Whether you attend the meeting yourself or send a qualified representative to the meeting in your place, you should make sure that you, or your representative, follow the proper state law procedures for attending the meeting and/or presenting your proposal. (2) If the company holds its shareholder meeting in whole or in part via electronic media, and the company permits you or your representative to present your proposal via such media, then you may appear through electronic media rather than travelling to the meeting to appear in person. (3) If you or your qualified representative fail to appear and present the proposal, without good cause, the company will be permitted to exclude all of your proposals from its proxy materials for any meetings held in the following two calendar years. (i) Question 9: If I have complied with the procedural requirements, on what other bases may a company rely to exclude my proposal? (1) Improper under state law: If the proposal is not a proper subject for action by shareholders under the laws of the jurisdiction of the company’s organization; Note to paragraph (i)(1): Depending on the subject matter, some proposals are not considered proper under state law if they would be binding on the company if approved by shareholders. In our experience, most proposals that are cast as recommendations or requests that the board of directors take specified action are proper under state law. Accordingly, we will assume that a proposal drafted as a recommendation or suggestion is proper unless the company demonstrates otherwise. (2) Violation of law: If the proposal would, if implemented, cause the company to violate any state, federal, or foreign law to which it is subject; Note to paragraph (i)(2): We will not apply this basis for exclusion to permit exclusion of a proposal on grounds that it would violate foreign law if compliance with the foreign law would result in a violation of any state or federal law.

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(3) Violation of proxy rules: If the proposal or supporting statement is contrary to any of the Commission’s proxy rules, including §240.14a-9, which prohibits materially false or misleading statements in proxy soliciting materials; (4) Personal grievance; special interest: If the proposal relates to the redress of a personal claim or grievance against the company or any other person, or if it is designed to result in a benefit to you, or to further a personal interest, which is not shared by the other shareholders at large; (5) Relevance: If the proposal relates to operations which account for less than 5 percent of the company’s total assets at the end of its most recent fiscal year, and for less than 5 percent of its net earnings and gross sales for its most recent fiscal year, and is not otherwise significantly related to the company’s business; (6) Absence of power/authority: If the company would lack the power or authority to implement the proposal; (7) Management functions: If the proposal deals with a matter relating to the company’s ordinary business operations; (8) Relates to election: If the proposal relates to a nomination or an election for membership on the company’s board of directors or analogous governing body or a procedure for such nomination or election; (9) Conflicts with company’s proposal: If the proposal directly conflicts with one of the company’s own proposals to be submitted to shareholders at the same meeting;

Note to paragraph (i)(9): A company’s submission to the Commission under this section should specify the points of conflict with the company’s proposal. (10) Substantially implemented: If the company has already substantially implemented the proposal; (11) Duplication: If the proposal substantially duplicates another proposal previously submitted to the company by another proponent that will be included in the company’s proxy materials for the same meeting; (12) Resubmissions: If the proposal deals with substantially the same subject matter as another proposal or proposals that has or have been previously included in the company’s proxy materials within the preceding 5 calendar years, a company may exclude it from its proxy materials for any meeting held within 3 calendar years of the last time it was included if the proposal received: (i) Less than 3 % of the vote if proposed once within the preceding 5 calendar years; (ii) Less than 6 % of the vote on its last submission to shareholders if proposed twice previously within the preceding 5 calendar years; or (iii) Less than 10 % of the vote on its last submission to shareholders if proposed three times or more previously within the preceding 5 calendar years; and (13) Specific amount of dividends: If the proposal relates to specific amounts of cash or stock dividends.

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(j) Question 10: What procedures must the company follow if it intends to exclude my proposal? (1) If the company intends to exclude a proposal from its proxy materials, it must file its reasons with the Commission no later than 80 calendar days before it files its definitive proxy statement and form of proxy with the Commission. The company must simultaneously provide you with a copy of its submission. The Commission staff may permit the company to make its submission later than 80 days before the company files its definitive proxy statement and form of proxy, if the company demonstrates good cause for missing the deadline. (2) The company must file six paper copies of the following: (i) The proposal; (ii) An explanation of why the company believes that it may exclude the proposal, which should, if possible, refer to the most recent applicable authority, such as prior Division letters issued under the rule; and (iii) A supporting opinion of counsel when such reasons are based on matters of state or foreign law. (k) Question 11: May I submit my own statement to the Commission responding to the company’s arguments? Yes, you may submit a response, but it is not required. You should try to submit any response to us, with a copy to the company, as soon as possible after the company makes its submission. This way, the Commission staff will have time to consider fully your submission before it issues its response. You should submit six paper copies of your response. (l) Question 12: If the company includes my shareholder proposal in its proxy materials, what information about me must it include along with the proposal itself? (1) The company’s proxy statement must include your name and address, as well as the number of the company’s voting securities that you hold. However, instead of providing that information, the company may instead include a statement that it will provide the information to shareholders promptly upon receiving an oral or written request. (2) The company is not responsible for the contents of your proposal or supporting statement. (m) Question 13: What can I do if the company includes in its proxy statement reasons why it believes shareholders should not vote in favor of my proposal, and I disagree with some of its statements? (1) The company may elect to include in its proxy statement reasons why it believes shareholders should vote against your proposal. The company is allowed to make argu-

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ments reflecting its own point of view, just as you may express your own point of view in your proposal’s supporting statement. (2) However, if you believe that the company’s opposition to your proposal contains materially false or misleading statements that may violate our anti-fraud rule, §240.14a9, you should promptly send to the Commission staff and the company a letter explaining the reasons for your view, along with a copy of the company’s statements opposing your proposal. To the extent possible, your letter should include specific factual information demonstrating the inaccuracy of the company’s claims. Time permitting, you may wish to try to work out your differences with the company by yourself before contacting the Commission staff. (3) We require the company to send you a copy of its statements opposing your proposal before it mails its proxy materials, so that you may bring to our attention any materially false or misleading statements, under the following timeframes: (i) If our no-action response requires that you make revisions to your proposal or supporting statement as a condition to requiring the company to include it in its proxy materials, then the company must provide you with a copy of its opposition statements no later than 5 calendar days after the company receives a copy of your revised proposal; or (ii) In all other cases, the company must provide you with a copy of its opposition statements no later than 30 calendar days before its files definitive copies of its proxy statement and form of proxy under §240.14a-6. Dokument Nr. 10 Novellierte Passage der Reform von 2007 (Securities Exchange Act of 1934 Release No. 34-56914 (Dec. 6, 2007), 72 Fed. Reg. 70,450 (2007)) (i) Question 9: If I have complied with the procedural requirements, on what other bases may a company rely to exclude my proposal? (8) Relates to election: If the proposal relates to a nomination or an election for membership on the company’s board of directors or analogous governing boby or a procedure for such nomination or election; Dokument Nr. 11 Novellierte Passage der Reform von 2010 (Securities Exchange Act of 1934 Release No. 34-62764 (Aug. 25, 2010), 75 Fed. Reg. 56,668 (2010)) (i) Question 9: If I have complied with the procedural requirements, on what other bases may a company rely to exclude my proposal? (8) Director elections: If the proposal: (i) Would disqualify a nominee who is standing for election; (ii) Would remove a director from office before his or her term expired;

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(iii) Questions the competence, business judgment, or character of one or more nominees or directors; (iv) Seeks to include a specific individual in the company’s proxy materials for election to the board of directors; or (v) Otherwise could affect the outcome of the upcoming election of directors.

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Sachverzeichnis ACTWU v. Wal-Mart Stores, Inc. 204 AFSCME v. AIG 230 Aktiengesellschaft als Vertragsnetzwerk 314 Aktionär – als wirtschaftlicher Eigentümer 435 – Belegschaftsaktionäre 338 – Dachverband der Kritischen Aktionäre 336 – Erich Nold 326 – Gewerkschaften 144, 175, 210 – Interessen 317 – Internationalisierung des Aktionariats 341 – James Peck 93 – kirchliche Investoren 125, 209, 348 – Kurt Fiebig 327 – Lewis Gilbert 91 – Nichtregierungsorganisationen 72 – objektiver Durchschnittsaktionär 388 – Rechte im AktG 1937 329, 435 – und Staatsbürger 317 – universal owner 318 – Wilma Soss 93 Aktionärsaktivismus, Praxis – 1930er–1960er Jahre 91 – 1967–1976 119 – 1976–1983 141 – 1983–1997 171 – 1998–heute 208 Aktionärsantragsrecht, Ausnahmen von Mitteilungspflicht – Antrag zur Dividendenhöhe 303 – Antragsduplizität 297 – Bezug zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb 291

– Bezug zur Wahl eines Board-Mitglieds 303 – eigener Anspruch/persönliche Beschwerde 282 – Erledigung des Antrags 295 – fehlende Aktionärszuständigkeit 252 – Rechtsverletzung 258 – unbedeutende Beziehung zur Geschäftstätigkeit 284 – Unmöglichkeit der Antragsumsetzung 289 – Verstoß gegen proxy rules 278 – Widerspruch zu Verwaltungsvorschlag 303 – wiederholte Antragstellung 299 Aktionärsantragsrecht, formale Voraussetzungen – Beschränkung auf einen Antrag 244 – Frist 247 – Heilungsmöglichkeiten 251 – kein zurückliegendes Antragsversäumnis 242 – Länge des Antrags 248 – Mindestaktienbesitz 241 – Mindesthaltedauer 241 – Nachweis der Antragsberechtigung 243 Aktionärsantragsrecht, Geschichte – Bane-Statement 101 – Cracker Barrel-Kontroverse 195 – Proxy Rules 1935 97 – Proxy Rules 1938 98 – Reform 1947 104 – Reform 1948 105 – Reform 1952 109 – Reform 1954 110 – Reform 1967 114

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Sachverzeichnis

– Reform 1972 137 – Reform 1976 141 – Reform 1983 179 – Reform 1992 206 – Reform 1998 218 – Reformbestrebungen 1981 168 – Reformdebatte 2006–2010 230 – Rule X-14A-7 (1942) 99 – Securities Exchange Act 1934 94 Aktionärsantragsrecht, Kritik – Information im Vertragsnetzwerk 314 – Informationswesentlichkeit 316 – Kosten 322 – Marktsteuerung 321 – Minderheitsdominanz 319 Aktionärsforum 69, 233 Aktionärsrechterichtlinie 345, 387 A.L.I. Principles of Corporate Governance 273 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz, Informationspflichten 351 Antragsduplizität 297 A.P. Smith Manufacturing Co. v. Barlow 270 ARUG 345, 358, 437 Auskunftserzwingungsverfahren 405, 412 Auskunftsrecht – AktG 1937 330 – Angelegenheit der Gesellschaft 384 – Auskunftsverweigerung 400 – Bezug zur Tagesordnung 386 – Erforderlichkeit der Auskunft 386 – europarechtskonforme Auslegung 386 – Lieferantenbeziehungen 386 – Nachhaltigkeitsinformationen 415 – objektiver Durchschnittsaktionär 388 – präventive Steuerungswirkung 417 – Tochtergesellschaften 385 – Vergleich mit Rule 14a-8 406 – Voreingenommenheit 398 Auskunftsverweigerung 400 – drohende Nachteilszufügung 400

– Erheblichkeit des Nachteils 401 – Reputationsverlust 401 Bane-Statement 101 Belegschaftsaktionäre 338 Beschränkung des Rede- und Auskunftsrechts 413 Bindungswirkung – des No-Action Letters 312 – von Aktionärsanträgen 252 Business Judgement Rule 263, 272 Bylaws – Änderung 254 – Aufhebung von Änderungen 257 – zulässiger Regelungsgehalt 255 Cabora Bassa-Kampagne 330 Campaign GM 122 CERES Principles 171 Coase-Theorem 42 Constituency Statutes 274 Corporate Democracy 96, 129, 314 Corporate Governance 30, 172 Corporate Participation Act 135 Corporate Social Responsibility 30 Cracker Barrel-Kontroverse 195 Dachverband der Kritischen Aktionäre 336 Desinvestion – praktische Beispiele 63 – Steuerungsdefizite 65, 173 Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz 327 Deutscher Corporate Governance Kodex 32, 341 Deutscher Nachhaltigkeitskodex 444 Direktorenwahl, und Aktionärsantragsrecht 230 Division of Corporate Finance 306 Dodge v. Ford Motor Co. 265 duty of care 261 duty of loyalty 260

Sachverzeichnis Effizienzmarkthypothese 321 Einsichtsrecht des Aktionärs 77 – nicht-ökonomische Motivlage 78 – praktische Bedeutung 80 – Rechtsgrundlage 77 – Voraussetzungen 77 Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat – Begriff 394 – Beurteilungserheblichkeit von Informationen 391 – Teilentlastung 379 Ergänzung der Tagesordnung 67 Erklärung zur Unternehmensführung 61 Erledigung eines Antrags 295 erpressbare Investoren 69 ethisch-ökologische Investments 50 Externe Effekte 41 fiduziarische Pflichten 260 First National Bank of Boston v. Bellotti 164 floor proposal 82, 92 Gegenantragsrecht 354 – Ausnahmen von der Veröffentlichungspflicht 363 – Form des Gegenantrags 358 – Frist des Gegenantrags 358 – funktionaler Vergleich mit Aktionärsantragsrecht 374 – Gegenantragsberechtigung 355 – Länge der Antragsbegründung 361 – Stellung mehrerer Gegenanträge 359 – Vorbildwirkung der Rule 14a-8 380 Gegenantragsrecht, Ausnahmen von Veröffentlichungspflicht – Gesetzes- oder Satzungswidrigkeit 364 – Identität mit früheren Gegenanträgen 369 – mangelhafte Antragsbegründung 366 – Nichtvertretung in der Hauptversammlung 371 – sachverhaltsgleiche Gegenanträge 367

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– Strafbarkeit des Vorstands 363 – unterlassene Antragstellung in früheren Hauptversammlungen 372 Gegenantragsrecht, funktionale Betrachtung – Informationsdistributionsfunktion 376 – Informationserzeugungsfunktion 374 – Signalfunktion des Abstimmungsergebnisses 378 Geschäftsleiterermessen 263, 392 Gewerkschaften, als Aktionärsaktivisten 175 Gewinnverwendungsbeschluss, Gegenanträge 364 Global Reporting Initiative 444 Globalisierung, Verlust staatlicher Gestaltungsmacht 45 Group Executive Committee 398 Grundsätze über die Ausübung des Depotstimmrechts 380 Hauptversammlung – Billigung des Vergütungssystems 437 – Einführung eines Antragsrechts 435 – Zuständigkeit 435 Hedgefonds 33, 342 High Level Group of Company Law Experts 345 Indexing 65 Informationsasymmetrien 40 Informationswesentlichkeit 316 institutionelle Aktionärsdienstleister 346 Interessen des Aktionärs 317 Interessengemeinschaft Freier Aktionäre 327 Interessengruppen, Rolle im Gesetzgebungsprozess 43 Internetlinks – in Aktionärsanträgen 249 – in Gegenanträgen 362 Investitionshorizont 317 J. I. Case Co. v. Borak 310

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Sachverzeichnis

Kirchliches Aktionärsengagement 125, 209, 348 Kixmiller v. SEC 309 Klage – gegen die Gesellschaft 310 – gegen die SEC 307 – shareholder’s derivative suit 69 Klimawandel – Aktionärsanträge zum 294 – Offenlegung von Risiken 57 KonTraG 343, 389 Kontrollrechte 69 Krise der AG 329 Kurzfristige Unternehmenspolitik 46 LA Rules 98 Lagebericht 58 Law as a Price-Theorie 392 legal transplants 434 Lovenheim v. Iroquois Brands Ltd. 287 MacBride Principles 277 Marktversagen 39 Mechanismen der Unternehmensaußensteuerung 38 Medical Committee for Human Rights v. SEC 127, 307 Minderheitsdominanz 319 Missbrauch des Auskunftsrechts 414 Mitverwaltungsrechte 67 Nachhaltiger Konsum 52 Nachhaltigkeitsberichterstattungspflicht 53, 440, 442 Nachhaltigkeitspublizität – Deutschland 57 – Frankreich 53, 442 – USA 53 Nexus of Contracts-Ansatz 314 Nichtfinanzielle Leistungsindikatoren 58 Nichtregierungsorganisationen 72 No-Action Letter – Begriff 84

– fehlende Bindungswirkung 312 – Klage gegen die Gesellschaft 310 – Klage gegen SEC 307 – Überprüfung 305 Noldismus 326 NYCERS v. SEC 200 objektiver Durchschnittsaktionär 388 öffentliche Meinung 71 Peck v. Greyhound Corp. 107 Pensionsfonds 64, 145, 209 – Deutschland 349 Pflicht zu gesetzestreuem Verhalten 392 Politisierung der AG – Deutschland 333 – USA 118 Präsenzantrag 82, 92 Proxy Rules 1935 97 Proxy Rules 1938 98 rationale Apathie 68, 95 record date 345 Rederecht (Deutschland) 419 – Angelegenheiten der Gesellschaft 427 – ausübungsberechtiger Personenkreis 421 – Bezug zur Tagesordnung 426 – Effektivität 431 – horizontale Informationsdistribution 431 – Inhalt 426 – materielle Berechtigung 424 – Mindestbesitzerfordernis 422 – vertikale Informationsdistribution 432 Rederecht (USA) 75 – Herleitung 75 – Praktische Bedeutung 76 Regulation S-K 54 Roosevelt v. E. I. Du Pont de Nemours & Co. 311 Rule X-14A-7 99

Sachverzeichnis Satzungsänderung 67 Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre 327 Screening 41, 70 Securities Exchange Act 96 Shareholder Value 31, 343 Shareholder’s derivative suit 69 Shlensky v. Wrigley 271 short-termism 46 Socially Responsible Investing 50 Sorgfaltspflicht (duty of care) 261 Staatsversagen 42 Stakeholder – als Begünstigte von Leitungsmaßnahmen 262 – Begriff 30 Stakeholder Statutes 274 State ex rel. Pillsbury v. Honeywell, Inc. 79 Taft-Hartley-Act 178 Teilentlastung 379 Transamerica-Entscheidung 102 TransPuG 358, 361, 371 Treuepflicht (duty of loyalty) 260 Trittbrettfahrerproblem 44, 68, 322 TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc. 316

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Übernahmewelle 177 Ultra-vires-Doktrin 266 UMAG 345, 389, 413, 420, 422 UNEP-Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren 33, 348 universal owner 318, 350 Unternehmensinteresse 32, 343, 389, 392, 433 unternehmerisches Ermessen 263, 392 unzulässige Rechtsausübung 413 Valdez Principles 171 Versicherungsaufsichtsgesetz, Informationspflichten 351 Vertragsnetzwerk 314 Voice und Exit 63 Volksaktien 329 Vorbildrolle des US-amerikanischen Rechts 380, 434 Vorstandsvergütung, Offenlegung 446 Wahl von Board-Mitgliedern 230 Wall Street Walk 63 Widerspruch und Abwanderung 63 wiederholte Antragstellung 299 wirtschaftliches Eigentum 435 Zwangsarbeiterentschädigung 397