Netzwerke der Kulturökonomie: Lokale Knoten und globale Verflechtungen der Film- und Fernsehindustrie in Deutschland und den USA [1. Aufl.] 9783839405239

Die Kulturökonomie, zu deren zentralen Bestandteilen die Film- und TV-Industrie zählt, hat in den letzten Jahrzehnten ei

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Netzwerke der Kulturökonomie: Lokale Knoten und globale Verflechtungen der Film- und Fernsehindustrie in Deutschland und den USA [1. Aufl.]
 9783839405239

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
1 Einleitung
1.1 Anlass und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Medienwirtschaft und die Produktion von TV-Sendungen und Filmen
2.1 Die Branchen der Kulturökonomie als Untersuchungsgegenstand der Wirtschaftsgeographie
2.1.1 Begriffsbestimmung Kulturökonomie
2.1.2 Wachstumsdynamik der Kulturökonomie
2.1.3 Die besondere Bedeutung des Produktionsfaktors Kreativität
2.2 Die Medienwirtschaft: Kernbranche der Kulturökonomie
2.2.1 Flexibilität durch die projektbezogene Zusammenstellung der Wertschöpfungskette
2.2.2 Aufmerksamkeit und Audience-Reichweite im Verhältnis zu den Herstellungskosten
2.2.3 Gesellschaftliches Selbstbeobachtungssystem und publizistische Macht
2.3 Zwischenfazit: Empirische Untersuchung der Medienwirtschaft am Beispiel der Produktion und Verbreitung von Filmen und TV-Sendungen
3 Konzeptionelle Bezugspunkte: Lokale Knoten, globale Verflechtungen und Steuerungsmechanismen in vernetzten Strukturen
3.1 Lokale Knoten: Cluster in der wirtschaftsgeographischen Forschung
3.1.1 Die Entstehung räumlicher Konzentrationen als evolutionär-pfadabhängiger Prozess
3.1.2 Clustervorteile durch lokal vernetzte Strukturen
3.2 Globale Verflechtungen und die Medienwirtschaft
3.2.1 Globalisierung ökonomischer Aktivitäten
3.2.2 Globale Warenketten zur Analyse globaler Verflechtungen
3.3 Steuerungsmechanismen in vernetzten Strukturen
3.3.1 Elemente der Koordination in heterarchischen Strukturen
3.3.2 Macht und übergeordnete Entscheidungsbefugnisse in vernetzten Strukturen
4 Methodische Vorgehensweise
4.1 Auswahl der Untersuchungsregionen
4.2 Untersuchungsdesign in den lokalen Knoten München und Köln
4.3 Empirische Vorgehensweise zur Analyse der globalen Verbindungen zwischen Los Angeles/Hollywood und dem deutschen Markt
5 Empirische Analyse der lokalen Knoten: Die Mediencluster München und Köln
5.1 Entstehung der lokalen Knoten in München und Köln
5.2 Steuerungsmechanismen der Projektnetzwerke zur Herstellung von TV-Sendungen
5.3 Die Bedeutung der räumlichen Nähe in den Medienclustern München und Köln
5.4 Qualitative Bewertung der Standorte München und Köln
6 Verflechtungen der Filmindustrie zwischen Los Angeles/Hollywood und dem deutschen Markt
6.1 Entstehung der Filmindustrie in Los Angeles/Hollywood
6.2 Die führende Rolle der Filmindustrie in Los Angeles/Hollywood auf dem Weltmarkt und in Deutschland
6.3 Steuerungsmechanismen im internationalen Vertrieb der Filme aus Los Angeles/Hollywood auf dem deutschen Markt
6.3.1 Steuerungsmechanismen bei den Filmen der Major Studios
6.3.2 Steuerungsmechanismen im internationalen Geschäft mit Independent-Filmen
6.4 Ursachen der weltweiten Dominanz der Filmindustrie in Los Angeles/Hollywood
6.5 Verbindungen zwischen Los Angeles/Hollywood und den lokalen Knoten in München und Köln
7 Zusammenfassung
8 Literatur

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Netzwerke der Kulturökonomie

Ivo Mossig (Dr. habil.) lehrt Wirtschaftsgeographie an der Justus-LiebigUniversität in Gießen. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Prozesse der Clusterevolution, global vernetzte Produktions- und Distributionssysteme sowie Fragen der Standort- und Gründungsforschung.

Ivo Mossig

Netzwerke der Kulturökonomie Lokale Knoten und globale Verflechtungen der Film- und Fernsehindustrie in Deutschland und den USA

Für Rosi, Ernst, Meike und Pia

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2006 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat & Satz: Ivo Mossig Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 3-89942-523-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Vorwort

15

1

17

Einleitung

1.1 Anlass und Zielsetzung

17

1.2 Aufbau der Arbeit

23

2

Medienwirtschaft und die Produktion von TV-Sendungen und Filmen

2.1 Die Branchen der Kulturökonomie als Untersuchungsgegenstand der Wirtschaftsgeographie 2.1.1 Begriffsbestimmung Kulturökonomie 2.1.2 Wachstumsdynamik der Kulturökonomie 2.1.3 Die besondere Bedeutung des Produktionsfaktors Kreativität 2.2 Die Medienwirtschaft: Kernbranche der Kulturökonomie 2.2.1 Flexibilität durch die projektbezogene Zusammenstellung der Wertschöpfungskette 2.2.2 Aufmerksamkeit und Audience-Reichweite im Verhältnis zu den Herstellungskosten 2.2.3 Gesellschaftliches Selbstbeobachtungssystem und publizistische Macht

27 28 29 33 36 38 40 42 47

2.3 Zwischenfazit: Empirische Untersuchung der Medienwirtschaft am Beispiel der Produktion und Verbreitung von Filmen und TV-Sendungen 48

3

Konzeptionelle Bezugspunkte: Lokale Knoten, globale Verflechtungen und Steuerungsmechanismen in vernetzten Strukturen

3.1 Lokale Knoten: Cluster in der wirtschaftsgeographischen Forschung 3.1.1 Die Entstehung räumlicher Konzentrationen als evolutionär-pfadabhängiger Prozess 3.1.2 Clustervorteile durch lokal vernetzte Strukturen

51 57 58 65

3.2 Globale Verflechtungen und die Medienwirtschaft 3.2.1 Globalisierung ökonomischer Aktivitäten 3.2.2 Globale Warenketten zur Analyse globaler Verflechtungen

75 76

3.3 Steuerungsmechanismen in vernetzten Strukturen 3.3.1 Elemente der Koordination in heterarchischen Strukturen 3.3.2 Macht und übergeordnete Entscheidungsbefugnisse in vernetzten Strukturen

86

4

Methodische Vorgehensweise

95

4.1 Auswahl der Untersuchungsregionen

95

4.2 Untersuchungsdesign in den lokalen Knoten München und Köln

99

4.3 Empirische Vorgehensweise zur Analyse der globalen Verbindungen zwischen Los Angeles/Hollywood und dem deutschen Markt

103

5

Empirische Analyse der lokalen Knoten: Die Mediencluster München und Köln

79

86 90

107

5.1 Entstehung der lokalen Knoten in München und Köln

107

5.2 Steuerungsmechanismen der Projektnetzwerke zur Herstellung von TV-Sendungen

120

5.3 Die Bedeutung der räumlichen Nähe in den Medienclustern München und Köln

130

5.4 Qualitative Bewertung der Standorte München und Köln

134

6

Verflechtungen der Filmindustrie zwischen Los Angeles/Hollywood und dem deutschen Markt

145

6.1 Entstehung der Filmindustrie in Los Angeles/Hollywood

146

6.2 Die führende Rolle der Filmindustrie in Los Angeles/ Hollywood auf dem Weltmarkt und in Deutschland

160

6.3 Steuerungsmechanismen im internationalen Vertrieb der Filme aus Los Angeles/Hollywood auf dem deutschen Markt 6.3.1 Steuerungsmechanismen bei den Filmen der Major Studios 6.3.2 Steuerungsmechanismen im internationalen Geschäft mit Independent-Filmen

169 170 174

6.4 Ursachen der weltweiten Dominanz der Filmindustrie in Los Angeles/Hollywood

180

6.5 Verbindungen zwischen Los Angeles/Hollywood und den lokalen Knoten in München und Köln

182

7

Zusammenfassung

187

8

Literatur

199

Ab bildungs verzeichnis

Abb. 2.1: Umsatzentwicklung der Medienbranche im engeren Sinn (ohne Post) sowie der Bereiche Rundfunk/Fernsehen und Film im Vergleich zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (BIP) in Deutschland 1980-2001 (Index 1992=100)

40

Abb. 3.1: Organisationsformen ökonomischer Aktivitäten

55

Abb. 3.2: Schematische Darstellung raumwirksamer Prozesse industrieller Entwicklungspfade

60

Abb. 3.3: Wertsystem nach Porter (1991) und Global Commodity Chains nach Gereffi (1994)

81

Abb. 3.4: Elemente der fragilen Balance integrativer und disintegrativer Prozesse in heterarchischen Organisationsstrukturen

87

Abb. 4.1: Räumliche Verteilung der TV-Produktionsfirmen sowie der TV-Sender in Deutschland 2003

97

Abb. 5.1 Entwicklung der TV-Werbeeinnahmen 1992-2005

112

Abb. 5.2: Gründungen und Schließungen audiovisueller Produktionsfirmen im Mediencluster Köln 1992-2002

115

Abb. 5.3: Zahl der audiovisuellen Produktionsfirmen nach ihrem Gründungsjahr im Mediencluster Köln 2002

116

Abb. 5.4: Räumliche Konzentration der TV-Produktion im Mediencluster Köln 2003

118

Abb. 5.5: Räumliche Konzentration der TV-Produktion im Mediencluster München 2003

119

Abb. 5.6: Vereinfachte Darstellung des Produktionssystems zur Herstellung einer TV-Sendung

120

Abb. 5.7: Zusammenstellung des Projektnetzwerks zur Herstellung einer fiktionalen TV-Sendung

122

Abb. 6.1: Anzahl der produzierten Hollywoodfilme 1940-2004 sowie Anzahl der Kinobesucher in den USA 1946-2004

151

Abb. 6.2: Entwicklung der Produktionskosten pro Major Film im Vergleich zu den Besucherzahlen, den Einnahmen und Ticketpreisen an den Kinokassen in den USA 1980-2005 158 Abb. 6.3: Räumlichen Konzentration der Filmindustrie in Los Angeles/Hollywood 2004

159

Abb. 6.4: Anzahl der produzierten Filme und Summe der Produktionskosten nach ausgewählten Ländern 2003

161

Abb. 6.5: Zusammenhang zwischen den Einnahmen der USamerikanischen Filme mit Deutschlandpremiere vom 01.07.2003-30.06.2004 an den Kinokassen in Deutschland in Abhängigkeit von den Kinoeinnahmen in den USA 168 Abb. 6.6: Vereinfachende Darstellung der Global Commodity Chain bezüglich des internationalen Filmvertriebs

169

Tabellen verz eichnis

Tab. 2.1: Umsatz und Zahl der umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen in ausgewählten Branchen der Kulturökonomie in Deutschland 1994 und 2002

34

Tab. 2.2: Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den Branchen der Medienwirtschaft in Deutschland 1985-2003

39

Tab. 2.3: Erreichte Tausend-Kontakte-Preise (TKP) führender Fernsehsender in Deutschland für die werberelevante Zielgruppe der 14-49jährigen 2005

44

Tab. 3.1: Die 20 größten Medienkonzerne der Welt 2004 gemessen am Medienumsatz im Vergleich zu 1998

83

Tab. 4.1: Leitfadengestützte Experteninterviews in München und Köln

100

Tab. 4.2: Leitfadengestützte Experteninterviews bezüglich der globalen Verbindungen zwischen Los Angeles/ Hollywood und dem deutschen Markt

104

Tab. 5.1: Verteilung der Rundfunkgebühren unter den Landesrundfunkanstalten 2004

109

Tab. 5.2: Bruttowerbeumsatz der größten Fernsehsender in Deutschland nach Standorten 2005

112

Tab. 5.3: Zulieferer und spezialisierte Dienstleistungsunternehmen zur Herstellung von TV-Sendungen im Mediencluster Köln 1992-2002 117

Tab. 5.4: Bewertung einzelner Standortfaktoren in den vier wichtigsten Produktionszentren der Film- und Fernsehwirtschaft in Deutschland 2001/2002 (DIW-Studie 2002)

135

Tab. 5.5: Bewertung einzelner Standortfaktoren in den vier wichtigsten Produktionszentren der Film- und Fernsehbranche in Deutschland 2003 (Ernst&Young-Studie 2003)

136

Tab. 5.6: Standortvorteile aus Sicht der Interviewpartner in München und Köln

138

Tab. 5.7: Standortnachteile aus Sicht der Interviewpartner in München und Köln

140

Tab. 6.1: Konzernverflechtungen der Major Studios in Los Angeles/Hollywood

155

Tab. 6.2: Kennzahlen der Filme auf dem US-Kinomarkt mit Erscheinungsdatum vom 01.07.2003-30.06.2004

157

Tab. 6.3: Durchschnittliche Produktions- und Marketingkosten der Major Studios pro Film 1980-2005

158

Tab. 6.4: Indikatoren zur Bestimmung der Bedeutung ausgewählter Territorien bezüglich der internationalen Verwertung der Hollywood-Filme 2002

162

Tab. 6.5: ‚The Going Rate‘: Erwartete Erlöse beim Verkauf der Verwertungsrechte eines Independent-Films mit einem Budget zwischen 6-12 Mio. US $ in ausgewählten Territorien 1996-2003

163

Tab. 6.6: Einnahmen an den Kinokassen in Deutschland nach dem Herkunftsland der Filme mit Deutschlandpremiere vom 01.07.2003-30.06.2004

164

Tab. 6.7: Kennzahlen der Filme aus den USA und Deutschland auf dem deutschen Kinomarkt mit Erscheinungsdatum in Deutschland vom 01.07.2003-30.06.2004

166

Tab. 6.8: Lokale Verleiher der Filme, die im Zeitraum vom 01.07.2003-30.06.2004 Premiere in Deutschland hatten, nach Einspielergebnissen

171

Tab. 6.9: Die größten Kino-Unternehmen in Deutschland 2004 nach der Zahl der Leinwände

173

Vorw ort

Filme und TV-Sendungen sind ein ausgesprochen beliebtes Gesprächsthema. Zumindest habe ich diese Erfahrung in den letzten Monaten und Jahren immer wieder machen müssen, wenn ich im privaten Kreis nach meinem Habilitationsvorhaben gefragt wurde. Meine Ausführungen über die lokalen Produktions- und globalen Distributionssysteme wurden mehr oder weniger zügig durch eine Nachfrage unterbrochen, ob ich jenen tollen Film schon gesehen hätte oder was denn von dieser einen TV-Sendung zu halten sei. Ich rede privat gerne über gute Filme und so machte mir die baldige Abschweifung vom eigentlichen Thema meiner Forschungsarbeiten nicht viel aus. Ich wusste ja, dass ich im Rahmen meiner Habilitationsschrift noch lange genug Gelegenheit habe, meine inhaltliche Fragestellung, deren Bearbeitung sowie meine Ergebnisse ausführlich darzulegen. Das Resultat liegt nun vor und dem beliebten Gesprächsthema über die Inhalte der Filme und Sendungen zum Trotz haben mir viele Menschen geholfen, meine fachwissenschaftliche Zielsetzung zu erreichen. Sie alle aufzuzählen erscheint an dieser Stelle zu lang und so sei allen ganz, ganz herzlich gedankt, die mich auf meinem Weg unterstützt haben und sich hiermit hoffentlich angesprochen fühlen. Ein besonderer Dank gilt meinem langjährigem Mentor und Betreuer Herrn Prof. Dr. Ernst Giese, der mich stets unterstützt und mir immer das notwendige Zutrauen in die eigene Leistungsfähigkeit vermittelt hat. In anonymisierter Form durfte ich die angefertigten Gutachten über die eingereichte Habilitationsschrift einsehen. Bei den fünf Gutachtern möchte ich mich für die insgesamt sehr positive Bewertung bedanken und natürlich auch für die konstruktiven Anregungen, die ich im Zuge der Überarbeitung des Manuskriptes gerne aufgenommen habe.

15

Ebenso bedanken möchte ich mich bei Dipl.-Geogr. Ansgar Dorenkamp, der meine Kapitel sehr gründlich Korrektur gelesen hat. Für sein enormes Engagement meinen ganz herzlichen Dank. Arman Peighambari hat bei den Formatierungsarbeiten im Zuge der Buchpublikation wertvolle Hilfe geleistet und die Arbeit nochmals nach Fehlern durchgesehen. Auch ihm sei herzlich gedankt. Eine Schlüsselrolle in der Startphase des Forschungsprojektes hatte meine Schwester Maren inne, die mir durch ihre beruflichen Kontakte den Zugang zur Untersuchungsbranche eröffnet und den ein oder anderen hochkarätigen Gesprächspartner vermittelt hat. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft sei für die gewährte Sachmittelbeihilfe ebenfalls herzlich gedankt sowie den insgesamt 83 Interviewpartnern, ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Die wichtigste Unterstützung erfahre ich täglich von meiner lieben Frau Meike durch ihr liebevolles Vertrauen in mich sowie durch unsere wundervolle kleine Tochter Pia, die berufliche Anstrengungen durch ein glückliches ‚gugugu‘ schnell vergessen lässt. Auch auf meine Eltern Rosi und Ernst sowie meine Geschwister Maren und Kai konnte ich in allen Lebenslagen bauen. Sie haben dadurch in vielfacher Hinsicht dazu beigetragen, dass mir dieser Weg möglich wurde. Gießen im April 2006 Ivo Mossig

16

1

Einleitung

1.1

An l a s s u n d Z i e l s e t z u n g

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung bezüglich der Entstehung und Entwicklung räumlicher Unternehmenskonzentrationen sowie deren Auswirkungen und regionalökonomische Effekte gehört zu den zentralen Schwerpunkten wirtschaftsgeographischer Forschung. In jüngster Zeit werden diesbezüglich vor allem die so genannten Cluster diskutiert.1 Den Clusterbegriff im Sinne der Wirtschaftsgeographie hat Porter (1991) populär gemacht. Er argumentierte, dass nationale Wettbewerbsvorteile nicht auf Erfolge in einzelnen Branchen zurückgehen, sondern auf Erfolge in „Branchenanhäufungen oder Clustern“ (Porter 1991, S. 97, Hervorhebungen im Original), die durch vertikale und horizontale Beziehungen gekennzeichnet sind. Allgemein wird unter einem Cluster die räumliche Konzentration von Unternehmen derselben Branche verstanden bzw. von Unternehmen, die innerhalb einer Wertschöpfungskette miteinander verbunden sind und sich untereinander eng vernetzt haben (Mossig 2002, Rehfeld 1999). Die Qualität der Verflechtungsbeziehungen ist dabei ein zentrales Unterscheidungsmerkmal zwischen ei-

1

Häufig wird synonym auch von Produktionsclustern oder räumlichen Branchenclustern gesprochen. Im Folgenden wird der Begriff Cluster verwendet. Der Begriff des räumlichen Branchenclusters könnte eine Einschränkung auf eine Branche suggerieren und damit irrtümlich die Bereiche innerhalb einer Wertschöpfungskette ausschließen, die formal nicht zu der betreffenden Branche gezählt werden. Ebenso könnte unter einem Produktionscluster nur eine räumliche Konzentration von Produktionsaktivitäten verstanden werden. Damit wäre der Bereich der Distribution ebenso verkürzend ausgeklammert wie eine räumliche Konzentration von Dienstleistungsunternehmen.

17

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

nem Cluster und der bloßen räumlichen Konzentration ökonomischer Aktivitäten. Cluster werden aus unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Grundperspektiven analysiert. Vertreter eines raumwissenschaftlichen Ansatzes versuchen Cluster anhand rationalistischer Prinzipien theoretisch zu erklären und die Erklärungsmodelle empirisch zu überprüfen, um daraus politische Handlungsempfehlungen abzuleiten, die anschließend evaluiert werden (Sternberg et al. 2004). Zentrale theoretische Bezugspunkte zur Begründung, dass von Clustern positive Impulse für die Regionalentwicklung ausgehen, werden z.B. in der endogenen Wachstumstheorie gesehen oder in der grundlegenden Arbeit von Krugman (1991), die der räumlichen Dimension ökonomischer Aktivitäten innerhalb der Wirtschaftswissenschaften neues Gewicht verliehen hat. Die diesbezüglich formulierten Modelle verfolgen dabei im Wesentlichen das Ziel, räumliche Konzentrationen anhand bestimmter Raummerkmale zu erklären. Vertreter der institutionellen Forschungsansätze diskutierten seit Ende der 1980 Jahre und vor allem in den 1990er Jahren die räumliche Konzentration ökonomischer Aktivitäten zumeist in Verbindung mit der Debatte um Industriedistrikte und den Arbeiten zum Kreativen Milieu. Jedoch offenbarten sich innerhalb dieser konzeptionellen Ansätze einige Grenzen. Eine zentrale Schwierigkeit bestand darin, dass die grundlegenden Arbeiten über die Industriedistrikte (z.B. Piore/Sabel 1985) die Ablösung des damals dominanten Produktionssystems der fordistischen Massenproduktion in großen, vertikal integrierten Konzernen postulierten. Als neues Paradigma wurden flexibel-spezialisierte Produktionskomplexe favorisiert, die sich in einem bestimmten regionalen Umfeld aus vielen miteinander vernetzten klein- und mittelständischen Unternehmen bilden würden. Angeregt von den Arbeiten über das so genannte ‚Dritte Italien‘ (Garofoli 1991, Scott 1988) wurde in weiteren empirischen Studien nach ähnlichen Beispielregionen und Branchen gesucht. Der Paradigmenwechsel blieb allerdings auf einige wenige Branchen und Regionen beschränkt und die ursprüngliche Argumentation erwies sich somit als nicht vollständig haltbar. Vor allem konnten viele räumliche Konzentrationen ökonomischer Aktivitäten mit den Argumenten des Industriedistrikts nicht hinreichend erklärt werden. Demgegenüber haben die Arbeiten zum Kreativen Milieu zwar erheblich zum Verständnis innovativer Prozesse auf regionaler Ebene beigetragen. Jedoch erwiesen sich die zentralen Argumente dieses Ansatzes für empirische Arbeiten als nicht befriedigend operationalisierbar. Auf Grund dieser Unzulänglichkeiten wurden die Erklärungsansätze des Industriedistrikts oder des Kreativen Milieus seit Ende der 1990er 18

EINLEITUNG

Jahre nahezu vollständig durch das Clusterkonzept abgelöst. Dieses liegt zum einen darin begründet, dass die genannten Einschränkungen überwunden werden konnten, weil im Zuge der Clusterdebatte eine Neuformulierung der Perspektive hinsichtlich der räumlichen Konzentration ökonomischer Aktivitäten vorgenommen wurde. Andererseits konnten zentrale Erkenntnisse und Argumentationsstränge aus den vorangegangenen Debatten beibehalten und eingebracht werden. Zu nennen ist beispielsweise die Argumentation bezüglich der Vorteile eines arbeitsteiligen Produktionssystems mit flexibel-spezialisierten Unternehmen oder die durch die Arbeiten zum Kreativen Milieu erkannte Bedeutung der informellen Informationsweitergabe im Zuge innovativer Prozesse. Aufbauend auf dem Stand der aktuellen Clusterdebatte sollen durch die vorliegende Arbeit zwei bislang zu wenig beachtete Fragestellungen bearbeitet werden. Die erste Frage betrifft die Steuerungsmechanismen in den regional vernetzten Strukturen eines Clusters. Bislang wurden vor allem die Flexibilitätsvorteile herausgestellt, die mit der Spezialisierung der einzelnen Unternehmen auf den Bereich ihrer Kernkompetenzen einhergehen. Im nächsten Schritt der Argumentation wird davon ausgegangen, dass durch zwischenbetriebliche Vernetzungen die individuelle Kompetenz und Flexibilität der Unternehmen auf das gesamte regionale Produktionsnetzwerk übertragen wird. An dieser Stelle stellt sich die Frage, auf welche Art und Weise diese Vernetzungen der Unternehmen koordiniert und gesteuert werden. In der Netzwerkdebatte, die Anfang der 1990er Jahre aus transaktionskostentheoretischer Perspektive geführt wurde (Sydow 1992, Strambach 1995), werden die Beziehungen zwischen vernetzten Unternehmen als kooperativ dargestellt. Dabei wird insbesondere betont, dass in den regionalen Netzwerken, die in ähnlicher Weise bereits im Rahmen der Industriedistriktdebatte diskutiert wurden, eine strategische Führungsautorität mit einer leitenden Strategie fehlt und die Abstimmung zwischen den Netzwerkteilnehmern gleichberechtigt erfolgt (Sydow 1992). Es erscheint allerdings fraglich, ob die einzelnen Akteure in einem regionalen Netzwerk tatsächlich gleichberechtigt sind. Innerhalb gleichberechtigter Netzwerkstrukturen kann vor allem das Problem umständlicher und langwieriger Entscheidungsprozesse auftreten, bis sämtliche Netzwerkteilnehmer zufrieden gestellt sind. Die Handlungsfähigkeit eines regionalen Netzwerkes wird dann bei einer Gleichberechtigung der Akteure erheblich beeinträchtigt. Offenbar zeichnen sich erfolgreiche Cluster jedoch durch besonders leistungsfähige Vernetzungen aus. Im Rahmen der wirtschaftsgeographischen Clusterforschung stellt sich daher die Frage, welche Steuerungsmechanismen einen reibungslosen, effizienten und zügigen Ablauf in einem regionalen Produktionsnetzwerk gewährleisten. Sind diesbezüglich die Entschei19

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

dungsbefugnisse bzw. die Entscheidungsmacht zwischen den einzelnen Netzwerkteilnehmern gleichberechtigt verteilt oder nicht? Wenn es nur wenige Akteure sind, die eine übergeordnete Position innehaben, dann ist danach zu fragen, welche Entscheidungsbereiche hinsichtlich der Netzwerksteuerung besonders relevant sind. Diesbezüglich scheint insbesondere die Zusammenstellung des Netzwerkes durch die Auswahl der Netzwerkteilnehmer von besonderer Bedeutung zu sein (Windeler et al. 2000). Wenn dies der Fall ist, so ist zu analysieren, auf welcher Grundlage die übergeordnete Machtposition einzelner Netzwerkteilnehmer basiert. Weiterhin ist zu fragen, welche Bedeutung der räumlichen Nähe hinsichtlich der Koordination eines regional vernetzten Produktionssystems beizumessen ist. Um dies abzuschätzen ist zu klären, welche Rolle die Einbindung der Akteure vor Ort sowie ihre Präsenz in den Clustern insbesondere im Hinblick auf die Steuerungsmechanismen spielt. Mit dieser ersten Fragestellung nach den inneren Strukturen regionaler Netzwerke soll ein Beitrag zum tieferen Verständnis der Abläufe im Zuge der Vernetzungen zwischen den Unternehmen in den Clustern geleistet werden. Die empirischen Arbeiten erfolgen am Beispiel der Produktionsnetzwerke zur Herstellung von TV-Sendungen in den Medienclustern in München und Köln. Die Fokussierung auf einen speziellen Teilbereich der Medienwirtschaft scheint geboten zu sein, um das komplexe System der sozialen und ökonomischen Prozesse sowie deren Interdependenz mit der räumlichen Struktur eines Clusters zu erfassen und zu analysieren. Im Verlauf der Arbeit soll gezeigt werden, dass sich dieser ausgewählte Bereich hervorragend eignet, um den gestellten Fragenkomplex nach den Steuerungsmechanismen in den vernetzten Strukturen eines Clusters zu bearbeiten. In der wirtschaftsgeographischen Clusterliteratur wird darauf hingewiesen, dass neben den inneren Strukturen auch starke Verbindungen über die Clustergrenzen hinweg von entscheidender Bedeutung für den Erfolg und das Wachstum eines Clusters sind (Bathelt et al. 2004). Deshalb soll anhand der zweiten Frage die Diskussion bezüglich der Globalisierung ökonomischer Aktivitäten stärker als bislang in die Clusterdebatte integriert werden, indem nach den internationalen Verflechtungen der Medienwirtschaft gefragt wird. Die meisten empirischen Studien vernachlässigen die Koordinationsprozesse an den überregionalen Schnittstellen und beschränken sich auf die Analyse der internen Clusterstrukturen. Als wichtiger Vorteil eines Clusters wird dabei auf die erheblich einfacheren Kommunikations- und Abstimmungsprozesse hingewiesen (Storper/Venables 2004). Auf Grund der räumlichen Nähe der Akteure zueinander erleichtern sich die Möglichkeiten des formellen 20

EINLEITUNG

und informellen Informationsaustauschs. Dieser trägt erheblich dazu bei, dass sich dezentral organisierte Strukturen und die dazu erforderlichen Abstimmungsprozesse wesentlich einfacher gestalten. Vor dem Hintergrund der bisher zumeist einseitigen Betrachtungsweise der inneren Clusterstrukturen stellt sich die Frage, wie sich Netzwerkbeziehungen über die Clustergrenzen hinaus sowie über große Entfernungen hinweg gestalten. Am Beispiel des weltweit dominanten Clusters der Filmindustrie in Los Angeles/Hollywood und seinen Verflechtungen zum deutschen Markt soll zunächst erhoben und analysiert werden, auf welche Weise die räumlichen und kulturellen Distanzen überwunden werden. Anschließend soll die Frage beantwortet werden, welche Steuerungsmechanismen die clusterübergreifenden Verbindungen koordinieren. Sind es ähnliche Mechanismen wie in den Clustern, durch die die Abläufe in den internationalen Netzwerken gesteuert werden, oder finden die Abstimmungsprozesse und der Informationsaustausch an den internationalen Schnittstellen auf ganz andere Weise statt? Erneut stellt sich die Frage nach den Akteuren, die über eine übergeordnete Entscheidungs- und Machtposition verfügen und damit die internationalen Verbindungen maßgeblich koordinieren und kontrollieren. Aus welchen Quellen beziehen sie ihre Macht und lässt sich aus den jeweiligen Standortbindungen der mächtigen und einflussreichen Akteure ein Gefälle zwischen den verschiedenen Standorten der internationalen Filmindustrie beobachten? Zu diesem Zweck soll die weltweite Dominanz der Filmindustrie in Los Angeles/Hollywood dargelegt und die Ursachen ihrer Vormachtstellung aufgezeigt werden. Die empirische Analyse der internationalen Verflechtungen ist auf den Vertrieb der Filme aus Los Angeles/Hollywood auf dem deutschen Kinomarkt fokussiert. Diese Einschränkung wird ebenfalls mit der dadurch möglichen analytischen Tiefe begründet. Die Branchen der Kulturökonomie wurden in der Wirtschaftsgeographie bislang noch sehr wenig untersucht. Auf Grund ihrer speziellen Merkmale können sie jedoch die Untersuchungsbranchen sinnvoll ergänzen, die bisher im Fokus der empirischen Arbeiten standen. Daher soll als dritte Zielsetzung dargelegt und begründet werden, weshalb die Branchen der Kulturökonomie und der im Rahmen dieser Arbeit untersuchte Teilbereich der Medienwirtschaft ein lohnenswerter Untersuchungsgegenstand zur Bearbeitung wirtschaftsgeographischer Fragestellungen sind. Dies lässt sich anhand eines alternativen, anwendungsorientierten Zugangs zur Problemstellung der Arbeit motivieren: Vor dem Hintergrund des allgemeinen Strukturwandels und der zunehmenden Tertiärisierung setzte die regionale Strukturpolitik in den 1980er Jahren vor allem auf Innovationen und neue Technologien als Motoren einer positiven Regionalentwicklung in der Hoffnung, dadurch 21

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

die anhaltenden Auswirkungen der De-Industrialisierung kompensieren zu können. Entsprechend standen auch in der wirtschaftsgeographischen Forschung lange Zeit die FuE-intensiven Branchen der Hochtechnologie sowie die beschäftigungsintensiven Bereiche des Verarbeitenden Gewerbes im Fokus der empirischen Arbeiten. Ab den 1990er Jahren wurde zudem verstärkt im Bereich der wissensintensiven Dienstleistungen geforscht. Von der deutschsprachigen Wirtschaftsgeographie lange Zeit nahezu unbeachtet geblieben ist der rasante Aufstieg einiger Teilbereiche der Medienbranche. Der zentrale Tätigkeitsbereich der Medien besteht in der Aufbereitung und Vermittlung von Informationen, Meinungen oder Kulturgütern, die insbesondere über die Massenmedien Film, Funk, Fernsehen und Presse sowie über die so genannten Neuen Medien (z.B. das Internet) verbreitet werden. Gerade in den altindustrialisierten urbanen Zentren wurde durch das enorme Wachstum im Bereich der Medien vielfach die Hoffnung geweckt, den Strukturwandel durch den Umbau zum Medienstandort zu meistern. Jedoch unterscheiden sich die Medien hinsichtlich der Wachstumsbedingungen und Umfeldanforderungen erheblich von den zuvor genannten Untersuchungsbranchen. Entsprechend basieren auch die erhofften regionalen Wachstumsprozesse auf einer anderen Grundlage. Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Bedeutung des kreativen Talents (Florida 2002a, 2002b, 2002c) als wichtigem Input-Faktor für die Medienbranche. Während die forschungsintensiven Hochtechnologiesektoren sowie die wissensintensiven Dienstleistungen eine hochqualifizierende universitäre Ausbildung des Humankapitals voraussetzen, ist das zielgerichtete Erlernen des kreativen Talents nahezu unmöglich, da die benötigten Fähigkeiten über formelle Ausbildungswege kaum zu vermitteln sind. Zudem sind viele Teilbereiche der Medien erst vor kurzem neu entstanden. Für diese neuen Bereiche gibt es an den Hochschulen entweder noch keine spezifischen Studiengänge oder sie werden erst allmählich aufgebaut. Gleiches gilt für das fehlende Angebot an speziellen Lehrberufen. So sind in den Medien gegenüber den zuvor genannten Untersuchungsbranchen weit mehr so genannte Quereinsteiger zu finden, die sich ihr spezielles Fachwissen im Zuge ihrer Berufserfahrung eigenständig aufgebaut haben. Selbst Schlüsselpositionen sind mangels berufsqualifizierender Ausbildungsgänge entsprechend häufig mit Quereinsteigern besetzt. Aus der besonderen Bedeutung des kreativen Talents für die Medien leitet sich der spezielle Anspruch an das Umfeld der Akteure ab, möglichst inspirierend und kreativitätsfördernd zu sein. Vor allem die großen urbanen Zentren mit ihren vielfältigen kulturellen Angeboten können diesen Anspruch erfüllen. Dementsprechend befinden sich dort die 22

EINLEITUNG

Schwerpunkte der Medienbranche. Unterschiede zu den traditionellen Branchen des Verarbeitenden Gewerbes lassen sich auch bezüglich der Organisation und der Struktur der Beschaffungs- und Produktionssysteme sowie der Vertriebswege und Absatzmärkte feststellen. Dies liegt zum einen an den spezifischen Merkmalen der produzierten Güter, die im Gegensatz zum Verarbeitenden Gewerbe traditioneller Prägung in der Regel immaterieller Art sind. Zum anderen gehen diese Organisationsstrukturen damit einher, das kreative Talent möglichst effektiv in den Prozess einer kommerziell verwertbaren Leistungserstellung zu integrieren. Damit verbunden lässt sich im Bereich der Medienwirtschaft ein hohes Maß an zwischenbetrieblicher Arbeitsteilung feststellen. Die Leistungserstellung erfolgt in der Regel in lokal vernetzten Strukturen, die sich projektbezogen aus spezialisierten Einzelunternehmen zusammensetzen. Krätke (2002a) geht davon aus, dass diese flexiblen Strukturen auch in anderen Bereichen der Wirtschaft stetig an Bedeutung gewinnen werden. Als zentraler Bereich der Medienwirtschaft ist vor diesem Hintergrund die Film- und TV-Industrie als Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ausgewählt worden. Der Auswahl einer Untersuchungsbranche sollte generell eine besondere Bedeutung beigemessen werden, da sich die empirisch gewonnenen Erkenntnisse nicht uneingeschränkt auf andere Wirtschaftszweige übertragen lassen. Damit die am Beispiel der Film- und TV-Industrie untersuchte Medienwirtschaft nicht als singulärer Einzelfall dargestellt wird, soll sie in einen übergeordneten Bezugsrahmen eingeordnet werden. Aufbauend auf den Arbeiten von Scott (1996, 1997, 2000a) wird die Medienwirtschaft deshalb als zentraler Bestandteil der so genannten Kulturökonomie konzeptionalisiert und deren Bedeutung als Untersuchungsgegenstand der Wirtschaftsgeographie dargelegt. Insgesamt soll die räumliche Organisationsform der ökonomischen Aktivitäten in der Film- und TV-Industrie erfasst und analysiert werden. Diese besteht aus lokalen Knoten und globalen Verflechtungen, wobei die Frage nach den jeweiligen Steuerungsmechanismen innerhalb der regional sowie überregional vernetzten Produktions- und Vertriebssysteme im Mittelpunkt der Arbeit stehen soll.

1 . 2 Au f b a u d e r Ar b e i t Einleitend wurde die Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit erläutert. Im anschließenden Kapitel 2 wird die Medienwirtschaft als Untersuchungsbranche anhand ihrer wesentlichen Merkmale vorgestellt. Da23

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

durch soll zum einen begründet werden, weshalb sich die Medienwirtschaft sowie der speziell untersuchte Teilbereich der Film- und TVIndustrie als Untersuchungsgegenstand für die aufgeworfene Fragestellung besonders eignet. Um die späteren empirischen Ergebnisse adäquat einordnen und die Möglichkeiten der Übertragbarkeit auf andere Wirtschaftszweige abschätzen zu können, wird die Medienwirtschaft auf Grund ihrer Merkmale als zentraler Teil der Kulturökonomie begriffen. Diese Zuordnung wird ausführlich begründet und eine genaue Begriffsbestimmung vorgenommen. Dadurch soll gezeigt werden, dass die Branchen der Kulturökonomie ein lohnender Untersuchungsgegenstand für die wirtschaftsgeographische Forschung sind. Die Branchen, die bisher im Fokus der empirischen Forschungsarbeiten standen, werden dadurch sinnvoll ergänzt. Wichtige Merkmale der Untersuchungsbranche, die in diesem Kapitel aufgezeigt werden und die Auswahl letztlich begründen, sind die überdurchschnittliche Wachstumsdynamik, die besondere Bedeutung des Produktionsfaktors Kreativität, die Flexibilität durch die projektbezogene Zusammenstellung der Wertschöpfungskette sowie die besondere Bedeutung der erzielten Aufmerksamkeit als entscheidender Faktor für den erfolgreichen Vertrieb der Medienprodukte. In Kapitel 3 wird der konzeptionelle Rahmen der Arbeit entworfen. Ausgehend von aktuellen fachtheoretischen Ansätzen und Konzepten sollen die zentralen Bezugspunkte zur Bearbeitung der Fragestellung hergestellt werden. Zunächst erfolgt eine kurze Einordnung der Arbeit innerhalb der derzeitigen Debatte um die wissenschaftstheoretische Fundierung und Ausrichtung des Faches Wirtschaftsgeographie. Anschließend wird die Analyse der lokalen Knoten anhand der bisherigen Erkenntnisse aus der Clusterforschung konzeptionell vorbereitet. Besonderer Wert wird auf eine klare Trennung gelegt zwischen den Prozessen, die zur Entstehung einer räumlichen Konzentration von Unternehmen führen, und denen, durch die eine solche Agglomeration gestärkt wird und weiter wächst. Die theoretische Grundlage für die Untersuchung der globalen Verflechtungen in der Medienwirtschaft bildet ein ausgewählter Überblick über den Diskussionsstand bezüglich der Globalisierung ökonomischer Aktivitäten. Als analytischer Zugang für die empirischen Arbeiten wird darauf aufbauend das Konzept der Global Commodity Chains (Gereffi 1994, 1999) vorgestellt. Im Anschluss daran wird ein Ansatz diskutiert, nach dem sich räumliche Strukturen im Zuge der Globalisierungsprozesse in den Organisationsnetzwerken der transnationalen Unternehmen widerspiegeln, die über ihre Unternehmenseinheiten und Tochterfirmen die Verbindungen zwischen den weltweiten Zentren herstellen. Als dritter wichtiger Bezugspunkt sollen in diesem theoriegeleiteten Kapitel die Steuerungsmechanismen in vernetzten Strukturen 24

EINLEITUNG

konzeptionalisiert werden. Zu diesem Zweck wird einerseits auf das Konzept der Koordination heterarchischer Strukturen zurück gegriffen (Grabher 2001). Darin wird anhand der fünf zentralen Elemente Diversität, Rivalität, Etikette, Projekte und Reflexivität die fragile Balance zwischen integrativen und disintegrativen Prozessen in den unternehmensinternen sowie den unternehmensübergreifenden Netzwerken analytisch beschrieben. Anschließend wird eine Grundkonzeption entworfen, um verschiedene Formen von Macht und übergeordneten Entscheidungsbefugnissen in vernetzten Strukturen differenziert zu erfassen und dadurch im Zuge der empirischen Untersuchung angemessen handhaben zu können. Das Ziel des vierten Kapitels besteht in der Offenlegung der methodischen Vorgehensweise. Dabei wird die Auswahl der Untersuchungsregionen begründet und das Untersuchungsdesign dargelegt. Letzteres erfolgt getrennt für die Analyse der lokalen Knoten, die am Beispiel der Mediencluster in München und Köln vorgenommen wurde, und den globalen Verflechtungen, die anhand der Verbindungen zwischen Los Angeles/Hollywood und dem deutschen Markt erhoben worden sind. Neben den quantitativen Analysen auf der Basis eigens aufgebauter Datenbanken stehen im Kern der empirischen Arbeit leitfadengestützte Experteninterviews. Die Auswahl und Zusammenstellung der Gesprächspartner sowie die relevanten Fragen und Informationen, die durch die Interviews erarbeitet wurden, werden ebenfalls in diesem methodischen Abschnitt dargelegt. In Kapitel 5 werden die empirischen Ergebnisse bezüglich der Steuerungsmechanismen innerhalb der Netzwerke zur Herstellung von TVSendungen in den lokalen Knoten der Mediencluster München und Köln präsentiert. Zunächst wird ein Überblick über die Entstehungspfade der untersuchten Cluster gegeben. Die anschließende empirische Analyse setzt an den verschiedenen Stufen des Produktionssystems zur Herstellung einer TV-Sendung an. Im Detail wird die Zusammenstellung der Netzwerkteilnehmer aufgezeigt und daran anschließend analysiert, welche Akteure an den relevanten Entscheidungsprozessen mitwirken und diese maßgeblich beeinflussen. Es wird geprüft, ob die Entscheidungskompetenzen gleichberechtigt verteilt sind oder ob einzelne Akteure eine übergeordnete Position besitzen und das Netzwerk maßgeblich steuern. Die empirischen Ergebnisse werden dabei anhand des zuvor entworfenen konzeptionellen Rahmens bezüglich der Steuerungsmechanismen in lokal vernetzten Strukturen theoriegeleitet diskutiert. Es folgt die Analyse hinsichtlich der Bedeutung der räumlichen Nähe in den Medienclustern, bevor das Kapitel mit einer qualitativen Bewertung und einem Vergleich der Standorte München und Köln schließt. 25

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

Die Ergebnisse der Analyse der clusterübergreifenden Verflechtungen der Filmindustrie zwischen Los Angeles/Hollywood und dem deutschen Markt stehen im Mittelpunkt von Kapitel 6. Erneut wird zunächst die Entstehung der Filmindustrie in Los Angeles/Hollywood dargelegt. Von besonderer Bedeutung ist dabei die klare Trennung zwischen dem internationalen Vertriebssystem der großen Studios, die mittlerweile zu Teileinheiten der weltweit größten Medienkonzerne geworden sind, und den unabhängigen Produzenten (Independents), deren Filme international auf ganz anderen Wegen ausgewertet werden. Die Dominanz der Filmindustrie aus Los Angeles/Hollywood auf dem Weltmarkt und in Deutschland wird anschließend belegt. Als Indikator werden vor allem die Anteile an den Kinoeinnahmen verwendet, welche die Filme aus Los Angeles/Hollywood in den jeweiligen Ländern erzielen. Speziell für Deutschland wird die Dominanz der Filme aus den USA anhand von Auswertungen eigener Datenbanken gezeigt. Dabei wird zwischen den Filmen der großen Studios und der Independent-Produzenten differenziert. Ausgehend vom analytischen Zugang durch das Konzept der Global Commodity Chains werden anschließend die Steuerungsmechanismen im internationalen Vertrieb der Filme aus Los Angeles/Hollywood auf dem deutschen Markt analysiert. Auf Grund der völlig anderen Strukturen in den jeweiligen Ketten erfolgt die Betrachtung wiederum getrennt nach Filmen der großen Studios und denen der IndependentProduzenten. In einem eigenen Abschnitt werden die Ursachen für die weltweite Dominanz der Filmindustrie in Los Angeles/Hollywood dargelegt, bevor das Kapitel mit der Analyse der speziellen Verbindungen der lokalen Knoten in München und Köln mit Los Angeles/Hollywood endet. Die Arbeit schließt mit einer ausführlichen Zusammenfassung der Ergebnisse in Kapitel 7 und den Literaturangaben in Kapitel 8.

26

2

Medienw irtschaft und die Produktion von TV-Sendungen und Filmen

Die Leistungsfähigkeit theoretischer Konzepte und Ansätze offenbart sich im Zuge der Umsetzung in möglichst gehaltvolle empirische Arbeiten. Empirische Ergebnisse belegen den jeweiligen Erkenntnisgewinn und zeigen angewandte Umsetzungsmöglichkeiten und Handlungsempfehlungen auf. In diesem Spannungsfeld zwischen theoretisch-konzeptioneller Argumentation und deren empirischer Umsetzung ist die Auswahl des Untersuchungsgegenstandes von zentraler Bedeutung. In wirtschaftsgeographischen Forschungsarbeiten betrifft dies neben der räumlichen Maßstabsebene mit der Festlegung auf entsprechende Untersuchungsregionen insbesondere die begründete Auswahl der Untersuchungsbranche. Verschiedene Wirtschaftszweige sind unterschiedlich strukturiert und besitzen verschiedene Wachstumsbedingungen. Auch sind die Produktions- und Distributionssysteme, die sich letztlich in den jeweiligen räumlichen Strukturen widerspiegeln, unterschiedlich organisiert. Daher ist eine Übertragbarkeit der Erkenntnisse, die für eine Untersuchungsbranche gewonnen wurden, auf andere Branchen nicht uneingeschränkt möglich. Um empirisch gewonnene Ergebnisse angemessen miteinander in Bezug setzen zu können, erscheint eine nach Strukturmerkmalen der Branchen differenzierte Perspektive sinnvoll zu sein. Im folgenden Kapitel soll daher die Medienwirtschaft und die ausgewählten Teilbereiche der Produktion und Distribution von TV-Sendungen und Filmen anhand ihrer spezifischen Merkmale vorgestellt und als Teil der so genannten Kulturökonomie in einen übergeordneten Bezugsrahmen eingeordnet werden.

27

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

2.1

Die Branchen der Kulturökonomie als Untersuchungsgegenstand der Wirtschaftsgeographie

In empirischen Arbeiten der deutschsprachigen Wirtschaftsgeographie standen in den letzten Jahren insbesondere die wachstumsstarken Schlüsseltechnologie-Industrien1 (z.B. Bathelt 1991, Sternberg 1995, Sternberg/Tamásy 1999) sowie die beschäftigungsintensiven Bereiche des Verarbeitenden Gewerbes wie die Automobil-Industrie (z.B. Bertram/Schamp 1989, Bertram 1992, Depner 2003, Depner/Dewald 2005, Fuchs 2005, Gaebe 1991, 1993), der Maschinenbau (z.B. Bertram 1993, Grotz/Braun 1997, Lowey 1999, Mossig 2000a) oder die Chemische Industrie (z.B. Bathelt 1997, Zeller 2001) im Blickpunkt der empirischen Arbeiten. Maßgebliche Unterstützung erfuhr diese Entwicklung durch das große DFG-Schwerpunktprogramm ‚Technologischer Wandel und Regionalentwicklung in Europa‘ und die vorangegangenen Anstöße insbesondere aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum, die technologische Innovationen als wichtige Motoren der Regionalentwicklung herausstellten (u.a. Benko/Dunford 1991, Brotchie et al. 1987, Giese 1987, Schätzl/Diez 2002, Schamp 2000a, S. 147ff., Sternberg 1995, S. 2). Seit den 1990er Jahren sind zudem die wissensintensiven unternehmensorientierten Dienstleistungen und der Finanzsektor verstärkt untersucht worden (z.B. Glückler 2004, Klagge 1997, Lo 2003, Lo/Rentmeister 2000, Strambach 1995). Die Auswahl der untersuchten Branchen wird zumeist mit der Bedeutung für den regionalen Strukturwandel auf Grund ihrer positiven Wachstums- und Beschäftigungsentwicklungen in der Vergangenheit oder in Erwartungen auf entsprechende Effekte in der Zukunft begründet. Aufbauend auf den Arbeiten von Scott (1996, 1997, 2000a) sind in jüngster Zeit die Wirtschaftszweige der so genannten Kulturökonomie zunehmend thematisiert worden (u.a. Freundt 2003, Grabher 2001, Krätke 2002a, Power 2002, 2003, Power/Hallencreutz 2005, Steinert 2002, Throsby 2001). Das Interesse an diesen Branchen begründet sich dadurch, dass ihre positiven Wachstums- und Beschäftigungseffekte seit den 1980er Jahren offensichtlich auf einer anderen Grundlage erzielt wurden als von den vorgenannten Branchen, die bislang bevorzugt im Blickpunkt wirtschaftsgeographischer Arbeiten standen. So sind ingenieurwissenschaftliches Wissen und technisches Know-how bzw. juristische, wirtschaftswissenschaftliche und finanzwirtschaftliche Experten1

28

Zur Verwendung des präziseren Begriffs der Schlüsseltechnologie-Industrien im Gegensatz zur häufiger gebrauchten Formulierung High-TechBranchen vgl. Bathelt (1991, S. 11ff.), Schamp (2000a, S. 147f.)

MEDIENWIRTSCHAFT

kenntnisse zentrale Faktoren für die Schlüsseltechnologie-Branchen, die beschäftigungsintensiven Bereiche des Verarbeitenden Gewerbes und die wissensintensiven unternehmensorientierten Dienstleistungen. Derartige Kenntnisse setzen in der Regel eine hochqualifizierende universitäre Ausbildung zwingend voraus. Demgegenüber sind die Branchen der Kulturökonomie in hohem Maße auf die Kreativität und ein multitalentiertes Humankapital angewiesen. Kreativität und künstlerisches Talent hängen wesentlich stärker von persönlichen Begabungen ab und sind durch universitäre Ausbildungswege weit schwieriger zu erlernen. Zudem wird in den Branchen der Kulturökonomie in besonderer Weise die Fähigkeit benötigt, gesellschaftliche und kulturelle Trends sowie den so genannten Zeitgeist aufzuspüren, aufzugreifen oder als Trendsetter zu prägen und zu gestalten. Ein möglichst gewinnbringender Umgang mit den schnelllebigen Erscheinungen des Zeitgeistes ist ebenfalls nur sehr schwierig durch formale Ausbildungswege zu erreichen. Dies lässt bereits erahnen, welch vielfältige Konsequenzen sich daraus für die einzelnen Akteure, die Unternehmen oder die Organisation der Produktionsund Vertriebsstrukturen ergeben können, die ihrerseits mit speziellen räumlichen Implikationen einher gehen.

2.1.1 Begriffsbestimmung Kulturökonomie Eine gewisse Schwierigkeit besteht zunächst darin, den vielfältigen und komplexen Kulturbegriff zu fassen, um anhand ähnlicher Rahmenbedingungen und gemeinsamer Merkmale die Branchen der Kulturökonomie in sinnvoller Weise abzugrenzen. Eine Betrachtung des Zusammenwirkens von Kultur und Ökonomie sollte verschiedene Dimensionen des Kulturbegriffs berücksichtigen. Kultur wird als die Summe der Veränderungen der Natur durch den Menschen definiert. Mit Kultur kann damit alles bezeichnet werden, was der Mensch geschaffen hat. Daneben steht auch die Art und Weise der Veränderungen durch den Menschen im Blickpunkt der Kulturforschung. Diesbezügliche Handlungsweisen treten von außen beobachtbar als Sitten, Bräuche, soziale Gewohnheiten und Konventionen oder als gedankliches Orientierungsmuster auf. Ihnen liegen kulturspezifische, d.h. von einer bestimmten Gruppe von Menschen relativ geschlossen und gemeinsam akzeptierte Wertvorstellungen, Normen, Ideale und Ideen als Handlungsregeln zugrunde. Jede Gesellschaft wird so zur Trägerin einer (ihrer) Kultur, wobei die Handlungsweisen bzw. Handlungsmuster Ausdruck und Reproduktion einer bestimmten Kultur sind (Brockhaus 1996, Brunotte et al. 2002). Man spricht dann von der Kultur eines Landes oder einer Region, von Jugendkultur oder Unternehmenskultur. 29

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

In der Anthropogeographie fällt darunter zum Beispiel die Frage nach der Existenz und Bedeutung von ‚Regionaler Identität‘ im Sinne eines Gefühls der Zugehörigkeit und Verbundenheit der Menschen mit einer Region sowie die Auswirkungen regionalspezifischer Arbeitskulturen und Mentalitäten (Pohl 1993, Hard 1996). Aus wirtschaftsgeographischer Perspektive kann Kultur dann als Einflussfaktor auf regionalwirtschaftliche Entwicklungsprozesse angesehen werden, wenn sie als erklärende Variable für regional unterschiedliche Entwicklungspfade interpretiert wird (Danielzyk/Wood 2001, Saxenian 1994). Ein bestimmtes Set an Werten, Normen, Idealen und Ideen ist aber nicht zwangsläufig an bestimmte Räume gekoppelt. Blotevogel (2003) weist sogar darauf hin, dass es geradezu prekär sein kann, von ‚der‘ Kultur eines Volkes oder einer Region auszugehen. Ein Verständnis von Kultur zu entwickeln, auch wenn sie nicht mit bestimmten Räumen verknüpft ist, stellt ein wichtiges Element dar, um Phänomene wie spezifische Abläufe in Innovationsprozessen oder unterschiedliche Ausprägungen des technologisch-ökonomischen Wandels besser zu verstehen. Da die Auswirkungen dieser Prozesse zumeist an bestimmten Orten besonders deutlich sichtbar werden, kann diese Form kulturspezifischer Handlungsweisen zum Teil voreilig mit einer betreffenden Region in Verbindung gebracht werden. Ein solcher Irrtum liegt zum Beispiel dann vor, wenn der eigentliche Impulsgeber in der Form der Unternehmensführung (Unternehmenskultur) oder im Lebensstil bestimmter Personengruppen (z.B. Jugendkultur) zu suchen ist. Entsprechend muss auf die Vielfalt der Interaktionsformen zwischen Ökonomie und Kultur aufmerksam gemacht werden. Auch treten in dem sehr komplexen Zusammenwirken nicht nur positive, sondern auch negative Effekte auf (Blotevogel 2003, Sayer 1997). In der Humangeographie ist in jüngster Zeit mit den Beiträgen zum ‚Cultural Turn‘ bzw. zur ‚Neuen Kulturgeographie‘ eine verstärkte Hinwendung zu kulturellen Dimensionen und kulturellen Aspekten menschlicher Lebensbedingungen und Praktiken festzustellen (vgl. stellvertretend Crang 1997, Gebhardt et al. 2003, Werlen 2003).2 Angesichts der mit dem ‚Cultural Turn‘ verbundenen Debatten zur Neubestimmung der zentralen Fragestellungen, der angewandten empirischen Methoden oder der selbstreflexiven Interpretationen und Sinnzuschreibungen wird der Begriff Kulturökonomie von Seiten der Wirtschaftsgeographie vergleichsweise pragmatisch verwendet. Es wird versucht eine homogene Subgruppe an Wirtschaftszweigen anhand gemeinsamer Merkmale abzugrenzen, ohne damit eine grundlegende Neuausrichtung der For2

30

Zur Kritik vgl. u.a. Klüter (2005a, 2005b), Rodriguez-Pose (2001)

MEDIENWIRTSCHAFT

schungsperspektive zu fordern. Auf Grund der spezifischen Abgrenzungsmerkmale treten bei einer empirischen Untersuchung der Kulturökonomie neue Erkenntnisse, erweiterte Perspektiven und alternative Forschungsmethoden beinahe zwangsläufig auf. Ursprünglich sind es jedoch zunächst die Wachstumsdynamik sowie eine positive Beschäftigtenentwicklung in der Vergangenheit gewesen, wodurch die Branchen der Kulturökonomie besonderes Aufsehen erregt haben. Kulturökonomie wird über spezifische Produktionsaktivitäten definiert. Es handelt sich dabei um solche Wirtschaftszweige, deren Tätigkeitsschwerpunkt in der Herstellung und Vermarktung kultureller Güter und Dienstleistungen liegt. Dazu zählen neben den so genannten schönen und bildenden Künsten (Theater, Literatur, Malerei, etc.) insbesondere solche Aktivitäten, bei denen die erzeugten Produkte und Dienstleistungen • der Entfaltung persönlicher Vorlieben und des eigenen Lebensstils, • der individuellen Unterhaltung und Information (z.B. die Medienwirtschaft) oder • der Weitergabe sozialer und kultureller Botschaften dienen, z.B. um gewünschte Images zu erzeugen und zu festigen (z.B. Werbewirtschaft). Demnach ist ein wesentliches Charakteristikum eines solchen Kulturproduktes, dass es sich weniger durch seinen praktischen Anwendungsnutzen auszeichnet, als vielmehr über seine unterhaltende, ästhetische, symbolische oder expressive Funktion. Branchen mit solchen Merkmalen werden zusammenfassend als ‚cultural-products industries‘ bzw. ‚cultural industries‘ oder im deutschsprachigen Raum als Kulturökonomie bezeichnet (Scott 1996, 1997, 2000a, Kloosterman/Stegmeijer 2004, Krätke 2002a, Mossig 2005a, Power 2002, 2003, Throsby 2001). Die endgültige Abgrenzung der Kulturökonomie gegenüber anderen Wirtschaftszweigen erfolgt in der Regel über die Auflistung zugehöriger Branchen, welche die zuvor genannten Merkmale weitgehend erfüllen.3 Zum Kern der so verstandenen Kulturökonomie zählen die darstellenden und bildenden Künste, die Unterhaltungsindustrie und Medienwirtschaft, das Verlagswesen und Druckgewerbe sowie die Werbege3

Power (2002) macht dabei zurecht darauf aufmerksam, dass viele Produkte sowohl kulturelle als auch funktionale Ansprüche erfüllen und eine trennscharfe Zuordnung nicht immer möglich ist. In fast jedem produzierten Gut sind kulturelle Elemente enthalten und die Übergänge sind oft fließend. Auch subjektive Bewertungen verhindern eine eindeutige Unterscheidung. So kann ein und dasselbe Auto von der einen Person als reiner Gebrauchsgegenstand betrachtet und gekauft werden, während jemand anderes in dem gleichen Auto ein persönliches Accessoire sieht.

31

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

staltung und Werbung (Krätke 2002a). Einige Studien (z.B. Scott 1996, 2000a, Kloosterman/Stegmeijer 2004, Power 2002, 2003) thematisieren auch Architekten, Designer, Juweliere oder Kunsthandwerker bis hin zu Modeschöpfern oder Design-intensive Möbelhersteller als Berufsgruppe mit Image-produzierender-Tätigkeit und dominanter ästhetischer Komponente ihrer Produkte. Innerhalb der Kulturökonomie unterscheidet Scott (1996) zwei Branchengruppen: a) Auf der einen Seite diejenigen Wirtschaftszweige, die Bestandteil des Verarbeitenden Gewerbes sind und mit einem relativ hohen Anteil an handwerklicher Arbeit produzieren. Dazu zählen z.B. das Druck- und Verlagswesen sowie die Design-intensiven Bereiche der Möbelbranche oder der Bekleidungs- und Modebranche. b) Dem stehen die Dienstleistungsbereiche der Kulturökonomie gegenüber, in denen Kreative, Künstler und leitende Büroangestellte einen hohen Anteil der beteiligten Personen ausmachen wie die Film- und TV-Industrie, die Musikindustrie oder die Werbebranche. Mit diesen Charakteristika geht einher, dass sich in den genannten Kernbranchen der Kulturökonomie besondere Organisationsstrukturen hinsichtlich der Bezugs- und Produktionssysteme zur Handhabung, Umsetzung und Steuerung der kreativen Prozesse entwickelt haben, um schnell wechselnde Trends, Moden und den ‚Zeitgeist‘ zu erkennen und zu bedienen. Auch die Vermarktung der kulturellen Produkte und Dienstleistungen ist dadurch gekennzeichnet. Im Verlauf der vorliegenden Arbeit werden diese besonderen Organisationsstrukturen differenziert dargelegt und analysiert. Dadurch soll belegt werden, dass neben den gewöhnlichen Begründungen zur Auswahl einer Untersuchungsbranche (Wachstum und Beschäftigung) vor allem die besondere Qualität bezüglich der Organisation ökonomischer Aktivitäten für eine empirische Auseinandersetzung mit den Branchen der Kulturökonomie spricht und fruchtvolle Erkenntnisse erwarten lässt. Krätke (2002a) stellt diesbezüglich die These auf, die Kulturökonomie könne „als ‚Vorreiter‘ der Restrukturierung von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Organisationsformen betrachtet werden, indem sie institutionelle Formen der kreativen und wissensbasierten Produktion, der zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung und räumlichen Organisation, der flexibilisierten Arbeit, sowie der Kreuz- und Quer-Vermarktung von neuen Produkten in immer kürzeren Zyklen hervorbringt“ (Krätke 2002a, S. 8).

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MEDIENWIRTSCHAFT

2.1.2 Wachstumsdynamik der Kulturökonomie Kulturelle Produkte und Dienstleistungen erzeugen echtes Kapital und echte Arbeitsplätze. Zukin (1991) hat schon frühzeitig auf die Kreisläufe zwischen der Produktion kultureller Güter und deren ökonomischer Verwertung hingewiesen, die der Wertsteigerung des investierten Kapitals dienen. So wird beispielsweise eine Disney-Figur wie ‚Mickey Mouse‘ als kulturelles Massenprodukt von der Unterhaltungsindustrie auf vielfältigen Plattformen kommerziell vermarktet. Die erzeugten Kapitalströme und Kreisläufe überqueren dabei sektorale, institutionelle und auch geographische Grenzen und initiieren Arbeitsplätze und Einnahmen auch in Bereichen außerhalb der Kulturökonomie (Zukin 1991). Die Branchen der Kulturökonomie sind somit kein in sich geschlossenes System, sondern durch branchenübergreifende Schnittstellen in weitverzweigte sowie komplexe ökonomische Systeme eingebunden. Die Wachstumsraten der Kulturökonomie sind insbesondere ab den 1980er Jahren eindrucksvoll und ein wichtiges Argument für die Betrachtung dieser Branchen. Im Los Angeles County hat Scott (2000a, S. 175f.) zwischen 1962 und 1996 einen Zuwachs der Beschäftigten in den Branchen der Kulturökonomie um das 2,5fache (von 166.199 auf 412.392) dokumentiert. Die Zahl der Unternehmen ist dabei um das 2,9fache von 6.496 auf 18.760 gestiegen. Power (2003) errechnete für die skandinavischen Länder Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark allein zwischen 1997 und 2000 (bzw. 1997-1999) Beschäftigungszuwächse (einschließlich der ‚related industries‘) zwischen +7,63% (Finnland 1997-1999) und +15,53% (Schweden 1997-2000). Insgesamt waren im Jahr 2000 in Skandinavien über eine Millionen Menschen (1.091.489) den offiziellen Statistiken zufolge in den Branchen der Kulturökonomie beschäftigt. Mit Ausnahme Dänemarks ist die Zahl der Unternehmen ebenfalls deutlich gestiegen. Tabelle 2.1 zeigt die dynamische Entwicklung für Deutschland. Zunächst wurden aus der Umsatzsteuerstatistik die Umsätze und die Zahl der Firmen4 für diejenigen Wirtschaftszweige (nach WZ 93, vgl. Statistisches Bundesamt 1994) ausgewertet, die in Anlehnung an die zuvor genannten Arbeiten von Scott (2000a) und Power (2003) zur Kulturökonomie gerechnet werden können. Auf Grund der jeweiligen Klassifikation der Wirtschaftszweige ist eine exakte Übereinstimmung und Vergleichbarkeit zu diesen Arbeiten jedoch nicht möglich. Aus der amtlichen Statistik in Deutschland lassen sich zudem nur ausgewählte Bereiche der Kulturökonomie sinnvoll ablesen. So liegen die bei Power 4

In der Umsatzsteuerstatistik sind alle Unternehmen als Steuerpflichtige mit einen Umsatz über 16.617 € p.a. erfasst.

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NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

(2003) aufgeführten Bereiche ‚Fashion clothing‘ und ‚Furniture‘ in der deutschen Systematik nicht in einer solchen Differenzierung vor, dass die kulturalisierten, design-intensiven und kreativen Bereiche von der standardisierten Massenproduktion in der Bekleidungs- und Möbelherstellung zu unterscheiden sind.5 Als Beobachtungszeitraum wurde 19942002 gewählt, um eine einheitliche Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ93) zu gewährleisten. Auch im Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Konjunkturentwicklung sind diese Zeitpunkte durchaus gut vergleichbar (Keim/Steffens 2000). Tab. 2.1: Umsatz und Zahl der umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen in ausgewählten Branchen der Kulturökonomie in Deutschland 1994 und 2002 Branche

Theater und Museen

1994 in Mio. €

Umsatz 2002 in Mio. €

Veränd. in %

1.461,3

2.469,5

+69,0%

+45,3%

5.933

4.518

-23,8%

39.337

37.560

-4,5%

392

2.507

+539,5%

-7,1%

8.027

8.430

+5,8%

39.361,0

+36,9%

16.840

21.810

+29,5%

7.180,7

+70,8%

358

825

+130,4% +9,1%

4.628,5

2.737,8

- 40,9%

Architektur

9.755,0

7.540,4

-22,7%

74,7

475,1

+535,6%

2.192,0

2.035,5

Printmedien (einschl. selbst. Journalisten)

28.753,2

Rundfunk/Fernsehen

4.204,1

Fotografie

Film

8.071

Unternehmen 2002 Veränd. in % 11.730

Schmuck/Gold- und Silberschmiede

Industrie-Design

1994

5.621,1

7.553,3

+34,4%

7.732

8.436

Werbung

19.261,0

22.995,0

+19,4%

34.782

37.832

+8,8%

Software/Neue Medien

14.663,8

36.334,6

+147,9%

27.002

42.464

+57,3%

Kulturökonomie insg.

90.614,7

128.682,9

+42,0%

148.474

176.112

+18,6%

+21,6%

Unternehmen insg.:

Zum Vergleich: BIP in jeweiligen Preisen:

+5,0%

Quelle: Statistisches Bundesamt (versch. Jahre b): Umsatzsteuerstatistik 1994, 2002; Statistisches Bundesamt (versch. Jahre a): Statistisches Jahrbuch 1997, 2004.

5

34

Z.B. wird der Wirtschaftszweig 18 (WZ 93) zunächst nach den verwendeten Materialien differenziert: 18.1 Herstellung von Lederbekleidung, 18.2 Herstellung von Bekleidung (ohne Lederbekleidung) und 18.3 Zurichtung und Färben von Fellen, Herstellung von Pelzwaren. Die weitere Unterteilung unterscheidet dann nach der Verwendung (z.B. 18.21 Herstellung von Arbeits- und Berufsbekleidung, 18.22 Herstellung von Oberbekleidung (ohne 18.21), 18.23 Herstellung von Wäsche, etc.). Der Bereich ‚Fashion‘ im Sinne von exklusivem Modedesign ist offensichtlich nicht ablesbar.

MEDIENWIRTSCHAFT

Trotz der Abgrenzungs- und Zuordnungsproblematik geht aus Tabelle 2.1 hervor, dass nur einige der ausgewählten Branchen der Kulturökonomie überdurchschnittliche Wachstumsraten aufweisen. Die Bereiche ‚Schmuck/Gold- und Silberschmiede‘ (-40,9%), ‚Architektur‘ (-22,7%) und ‚Fotografie‘ (-7,1%) mussten in den acht Jahren zwischen 1994 und 2002 sogar z.T. erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in jeweiligen Preisen als Indikator für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland (Rinne 1996, S. 458ff.) ist als Vergleichsgröße in diesem Zeitraum um +21,6% gewachsen. Entsprechend ist der Umsatzzuwachs in der Werbung um +19,4% als unterdurchschnittlich zu bewerten. Allerdings hatte diese Branche infolge der gesamtwirtschaftlichen Konjunkturschwäche zwischen 2000 und 2002 massive Umsatzeinbrüche zu verkraften. In 2000 lag der Umsatz noch bei 27.646,2 Mio. € (Klee/Dootz 2003, S. 62) und damit rund 4,65 Mrd. € über dem Umsatz 2002. Die Umsätze der Werbebranche waren somit zwischen 1994 und 2000 weit stärker als die Gesamtwirtschaft um +43,5% gestiegen, bevor die Krise in der Werbewirtschaft einsetzte und den Wegfall von rund 1/6 der Umsätze innerhalb von nur zwei Jahren zur Folge hatte. Andere Branchen konnten hingegen weit überproportionale Zuwächse generieren (vgl. Tab. 2.1). Der Umsatz im Bereich ‚Industrie-Design‘ hat sich mehr als verfünffacht (+535,6%), jedoch von einem sehr geringen Ausgangsniveau ausgehend. Es folgt mit ‚Software, Neue Medien‘ der Bereich, der absolut die größten Umsatzzuwächse erzielen konnte. Die für diese Untersuchung speziell ausgewählten Bereiche ‚Rundfunk/Fernsehen‘ (+70,8%) und ‚Film‘ (+34,4%) konnten trotz der Medienkrise seit 2000 noch einen insgesamt weit überdurchschnittlichen Umsatzzuwachs erzielen. Erstaunen mag der enorme Zuwachs im Bereich ‚Theater und Museen‘ (+69,0%) als Vertreter der so genannten schönen Künste. Nach Subgruppen differenziert wird deutlich, dass die Zunahme fast komplett durch die Umsatzsteigerung der ‚Theater- und Konzertveranstalter‘ erzielt wurde. Demgegenüber hatten die in hohem Maße von öffentlichen Geldern abhängigen Wirtschaftszweige ‚Ballettgruppen, Orchester, Kapellen und Chöre‘ (-10,4%) sowie ‚Opern-, Schauspielhäuser, Konzerthallen‘ (-27,5%) rückläufige Umsätze zu verzeichnen. Aus Tabelle 2.1 geht auch die überdurchschnittlich gestiegene Zahl der Unternehmen in den Branchen der Kulturökonomie hervor. Durch den Vergleich der prozentualen Veränderungen kann für die jeweilige Branche abgelesen werden, ob sich entsprechend der Umsatzentwicklung die Zahl der Unternehmen verändert hat. In der Untersuchungsbranche ‚Rundfunk/Fernsehen‘ sind demnach prozentual weit mehr Un35

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

ternehmen entstanden (+130,4%) als zusätzlich an Umsätzen generiert wurde (+70,8%). Ein deutlicher Hinweis auf die sinkende Durchschnittsgröße der Unternehmen in dieser Branche. Umgekehrt verhält es sich mit der Entwicklung im Bereich ‚Film‘: hier sind die Umsätze prozentual stärker gestiegen als die Zahl der Unternehmen. Es bleibt festzuhalten, dass das Argument der insgesamt positiven Wachstumsraten nicht per se auf alle Teilbereiche der Kulturökonomie übertragbar, sondern von Fall zu Fall zu prüfen ist. Die überdurchschnittlichen Wachstumsraten sind zwar ein wichtiges Argument für eine empirische Auseinandersetzung mit der Kulturökonomie. Dies allein hebt diese Branchen jedoch nicht von den Wachstumsbranchen der Schlüsseltechnologie-Industrien oder den dynamischen unternehmensorientierten Dienstleistungen ab. Daher begründen vor allem qualitative Merkmale das besondere Interesse an der Kulturökonomie.

2.1.3 Die besondere Bedeutung des Produktionsfaktors Kreativität Ein zentrales Abgrenzungsmerkmal der Kulturökonomie besteht darin, dass die produzierten Güter und Dienstleistungen weniger einen rein praktischen Anwendungsnutzen besitzen, sondern vor allem eine unterhaltende, ästhetische, symbolische oder expressive Funktion inne haben. Um solche Güter und Dienstleistungen herzustellen, ist ein überdurchschnittlich hoher Grad an Kreativität und kreativem Talent erforderlich (Florida 2002a, 2002b, 2002c, Aksoy/Robins 1992). Kreativität ist eine fundamentale Antriebskraft wirtschaftlicher Entwicklungen, die im Sinne eines benötigten Produktionsfaktors bislang noch sehr wenig thematisiert wurde. Kreative Prozesse beginnen in der Regel mit einer intensiven Auseinandersetzung mit der Umwelt und realisieren sich im menschlichen Handeln und Denken. Kreatives Denken und Handeln ist einerseits durch Neuartigkeit und Originalität gekennzeichnet und weist andererseits einen sinnvollen und erkennbaren Bezug zur Lösung technischer, menschlicher oder sozialpolitischer Probleme auf. Bezogen auf künstlerische Kreativität liegt dieser Problemlösungsbezug häufig in der Verarbeitung emotionaler Konflikte oder in einer bestimmten Kommunikationsabsicht des Künstlers (Brockhaus 1996). In Analogie zu Schumpeters ‚schöpferischer Zerstörung‘ (Schamp 2000a, S. 6) kann Kreativität dabei durchaus subversiv und regelverletzend sein und einen Akt der Rebellion darstellen. Dadurch ist Kreativität mehr als ein bloßer Prozess der Anpassung, Verbesserung oder Optimierung, sondern zudem eine wesentliche Kraft, die neues

36

MEDIENWIRTSCHAFT

Wissen6 und ‚innovative Alternativen‘ (vgl. Hauschildt 1997, S. 301ff.) generiert. Die Ergebnisse kreativer Prozesse werden jedoch erst mit der Akzeptanz durch die bestehenden sozialen Systeme praktisch bedeutungsoder sinnvoll. Der geforderte Beitrag zur Lösung bestehender Probleme durch kreative Ideen und Produkte kann auf Grund entgegenstehender Wertvorstellungen möglicherweise nicht vollständig erkannt werden. Die soziale Akzeptanz, die nicht selten zeitlich verzögert erfolgt, muss daher stets berücksichtigt werden (Brockhaus 1996). Kreatives Humankapital ist sehr teuer, kaum substituierbar und als Faktor wesentlich schwerer zu handhaben als z.B. die reine Arbeitskraft. Kreativität kann weder gekauft noch per Knopfdruck aktiviert oder in einer Schachtel von einem Büro zum nächsten getragen werden. Daher ist Kreativität individuell an Personen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen gebunden (Mossig 2005a). Ihnen werden stark ausgeprägte Eigenschaften wie Neugier, Unabhängigkeit, Nonkonformismus, Einfallsreichtum, Initiative, Ausdauer oder eine erhöhte Konflikt- und Frustrationstoleranz zugeschrieben (Brockhaus 1996). Gleichzeitig hat das Umfeld eine zentrale Bedeutung. Es kann sowohl ein Stimulus der Inspiration sein als auch die wichtige Funktion innehaben, die Kreativität Einzelner aufzunehmen und gemeinsam zu verwerten. Es kann Kreativität aber auch hemmen. Daraus leitet sich der Bedarf ab, ein möglichst kreativitätsförderndes Umfeld zu kultivieren, in dem die Diversität, einst Inbegriff für wirtschaftliche Ineffizienz, zur wichtigen Ressource wird (Florida 2002a, 2002b, 2002c, Grabher 1994, Helbrecht 1998). Durch Kreativität entsteht zudem überwiegend Qualität statt Quantität. Ein Koch könnte es so formulieren, dass durch Kreativität bessere Rezepte entstehen. Gute Rezepte sind qualitativ wertvoller, als häufiger oder größere Mengen zu kochen (Mossig 2005a). Insgesamt ist Kreativität als Antriebskraft in sehr vielen Bereichen essentiell relevant. Meusburger (1998, S. 75f.) benennt mindestens vier Aspekte der Kreativität, die räumlich relevant sind: die kreative Person, das kreative Produkt, den kreativen Prozess sowie die kreative Situation bzw. das kreative Milieu. In den Branchen der Kulturökonomie ist jeder dieser vier Aspekte bedeutsam, wobei das generelle Abgrenzungsmerkmal zunächst beim kreativen Produkt ansetzt. Im Zuge der Erzeugung und Vermarktung der Produkte und Dienstleistungen wird jedoch die Relevanz der drei anderen Aspekte offensichtlich. Vor diesem Hinter6

Zur Bedeutung und Begriffsbestimmung von Wissen als wichtigstem Produktionsfaktor in entwickelten Volkswirtschaften vgl. Antonelli (1999), Fuchs (2001), Malecki (2000), Meusburger (2000), Mossig (2002), Siebert (2000, S 418ff.), Strambach (2004), Von Krough et al. (2000).

37

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

grund verspricht der Blick auf die bereits seit langem entwickelten Strukturen, Prozesse und Routinen der Kulturökonomie im Umgang mit der schwer zu handhabenden Kreativität lohnenswerte Einsichten und Erkenntnisse, die im folgenden Abschnitt am Beispiel der Medienwirtschaft und der Produktion von TV-Sendungen und Filmen konkretisiert werden sollen.

2.2

D i e M e d i e nw i r t s c h a f t : Kernbranche der Kulturökonomie

Die Medienwirtschaft gehört eindeutig zu den Kernbranchen der Kulturökonomie. Der Begriff Medien stammt vom Wort ‚Medium‘ ab, das eine Einrichtung zur Vermittlung von Meinungen, Informationen oder Kulturgütern bezeichnet. Medien können auditiver und visueller Art sein und übermitteln ihre Inhalte somit akustisch und/oder optisch sowohl auf elektronische als auch auf konventionelle Weise. Einen großen Verbreitungsgrad erreichen die Massenmedien Film, Funk, Fernsehen und Presse. Rasant zunehmende Bedeutung erlangt die Gruppe der so genannten Neuen Medien, allen voran das Internet (Brockhaus 1996, Dorenkamp 2004). Ähnlich wie bei der Kulturökonomie insgesamt existiert keine eindeutige Abgrenzung der Medienwirtschaft innerhalb der vorliegenden Systematik der Wirtschaftszweige. In Anlehnung an die Arbeiten von Schönert/Willms (2000, 2001) ist in Tabelle 2.2 für das Jahr 2003 die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten7 in der Medienbranche in Deutschland aufgelistet. Um diesbezüglich eine längerfristige Dynamik zu zeigen, ist zudem die prozentuale Beschäftigungszunahme seit 1985 für Westdeutschland erfasst. Es zeigt sich, dass nicht alle Teilbereiche die Hoffnungen auf Beschäftigungszuwächse erfüllen konnten. Bei den Wirtschaftszweigen ‚Druckereien‘ und der ‚Post‘ hat sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zwischen 1985 und 2003 sogar um rund 1/4 reduziert, was zur Folge hatte, dass die Medien insgesamt kaum gewachsen sind. Betrachtet man jedoch die Medienwirtschaft im engeren Sinn 7

38

Die Datenbasis der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erfasst lediglich ca. 80% aller Erwerbstätigen. Nicht erfasst werden u.a. Selbständige bzw. freie Mitarbeiter, die im Mediensektor überdurchschnittlich vertreten sind. Leider liegen keine anderen statistischen Quellen in der erforderlichen fachlichen Gliederung vor. Die mit der Datengrundlage verbundenen Verzerrungen führen tendenziell zu einer Unterschätzung der Beschäftigungseffekte in den Medien (Schönert/Willms 2001).

MEDIENWIRTSCHAFT

(ohne Post, da sie nicht zu den Branchen der Kulturökonomie gezählt werden kann), so stellt man fest, dass die zugehörigen Branchen über den längeren Zeitraum hinweg tatsächlich überproportionale Beschäftigungszuwächse erzielen konnten. Wie bei den Branchen der Kulturökonomie kann also auch innerhalb des Mediensektors nicht von einer generellen Wachstumsdynamik gesprochen werden. Letztlich sind es nur bestimmte Branchen, die mit weit überdurchschnittlichen Zuwachsraten auf sich aufmerksam machen konnten, zu denen die untersuchten Bereiche der Herstellung und Verbreitung von Filmen und TV-Sendungen zweifelsfrei zu zählen sind. Tab. 2.2: Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den Branchen der Medienwirtschaft in Deutschland 1985-2003 Medienbranche

sozialvers. sozialvers. BeschäftigungswachsBeschäftigte 2003 Beschäftigte 2003 tum 1985-2003 (Deutschland insg.) (Westdeutschland) (Westdeutschland)*) 108.559

94.324

+ 174,2%

37.924

27.299

+ 139,7%

Nachrichtenagenturen

9.146

6.717

+ 107,4%

Rundfunk/Fernsehen

60.987

49.800

+ 56,7%

Verlage

150.992

132.083

+ 12,1%

Druckereien

196.662

175.291

- 24,2%

Post

201.229

153.631

- 25,2%

Medienwirt. insg.:

765.499

639.145

+0,6%

Medien i.e.S. (o. Post)

564.270

485.514

+12,9%

26.954.686

22.442.979

+10,1%

Werbung Film

Beschäftigte insg.:

*) Die komplexe Zuordnung der alten Klassifikation WS73 auf die WZ93 haben Schönert/Wills (2000, 2001) durch eine Sonderauswertung der Datenbank von Prof. Dr. F.-J. Bade (Universität Dortmund) vorgenommen. Quelle: Eigene Berechnungen nach Bundesagentur für Arbeit (versch. Jahre): Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Wirtschaftszweigen in Westdeutschland sowie Schönert/Willms (2001).

Abbildung 2.1 zeigt die dynamische Umsatzentwicklung in der Medienwirtschaft im engeren Sinn (ohne Post) und speziell in den Bereichen Rundfunk/Fernsehen sowie Film im Vergleich zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Um die Kurven miteinander vergleichen zu können, wurde das Jahr 1992 als Index = 100 gesetzt. Auch diese Graphik zeigt klar das überdurchschnittliche Umsatzwachstum der ausgewählten Untersuchungsbranchen, sowohl im Vergleich zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung als auch gegenüber dem Mediensektor insgesamt. 39

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

Abb. 2.1: Umsatzentwicklung der Medienbranche im engeren Sinn (ohne Post) sowie der Bereiche Rundfunk/Fernsehen und Film im Vergleich zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (BIP) in Deutschland 1980-2001 (Index 1992=100) Index 1992 = 100 350

Index 1992 = 100 350 Rundfunk/ Fernsehen

300

300

250

250 Film

200

200 Medien insgesamt

150

150 BIP

100

100

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

1990

1989

1988

1987

1986

1985

1984

1983

0 1982

0 1981

50

1980

50

Quelle: Statistisches Bundesamt (versch. Jahre b): Umsatzsteuerstatistik; Statistisches Bundesamt (versch. Jahre a): Statistisches Jahrbuch.

2.2.1 Flexibilität durch die projektbezogene Zusammenstellung der Wertschöpfungskette Das Produktionssystem der Medienwirtschaft ist durch eine extrem hohe Flexibilität gekennzeichnet. Mehrere Studien zu verschiedenen Teilbereichen der Medien haben gezeigt,8 dass diese Flexibilität insbesondere durch die Zerlegung der Wertschöpfungskette und die nahezu vollständige Auslagerung der Aufgabenbereiche auf eigenständige Unternehmen bzw. freischaffende Einzelpersonen erreicht wird. Die einzelnen Unternehmen bzw. Einzelakteure werden dabei nur für die Dauer eines bestimmten Auftrages engagiert. Die Wertschöpfungskette formiert sich projektbezogen für einen Auftrag neu und löst sich nach der Erledigung des Projektes wieder auf. Solche Projektnetzwerke (Sydow/Staber 2002, Windeler et al. 2000, Mossig 2004a) sind ausgesprochen flexibel, weil 8

40

Z.B. die Werbewirtschaft (Grabher 2001, 2002a, Jentsch 2004), die Filmindustrie (Blair 2001, Storper 1994, 1997, S. 83ff.), die Produktion von TV-Sendungen (Davis 2000, Mossig 2004a, 2004b, Schröder 1995, Sydow/Staber 2002, Windeler et al. 2000) oder die Medienindustrie insgesamt (Nachum/Keeble 1999, Krätke 2002a).

MEDIENWIRTSCHAFT

zum einen die Unternehmen auf Grund ihrer Fokussierung auf einen Teilbereich der Wertschöpfungskette ein Know-how entwickeln, durch das sie in der Lage sind, in ihrem Aufgabenbereich flexibel auf neue Probleme und Aufgabenstellungen zu reagieren. Spezialisierungsvorteile können auf diese Weise erzeugt und ausgenutzt werden. Zum anderen kann durch die jeweils individuelle Zusammenstellung der Wertschöpfungskette sehr flexibel auf die speziellen Erfordernisse eines Projektes reagiert werden, indem jeweils die entsprechenden Spezialisten engagiert werden. Die befristete Anstellung für die Dauer des jeweiligen Projektes bietet zudem ein Höchstmaß an Flexibilität für die Initiatoren. Auslastungsprobleme und Fixkosten werden auf die einzelnen Subunternehmer übertragen. Daher gelten die Mitarbeiter in solchen Projektnetzwerken als hochmotiviert, weil Nachfolgeaufträge vor allem dann vergeben werden, wenn man durch gute Leistungen im vorangegangenen Projekt auf sich aufmerksam machen konnte (Jones/De Fillippi 1996). Blair (2001) betitelte dieses Phänomen treffend mit den Worten: „You’re only as good as your last job“. Gleichzeitig scheint ein solch loser Verbund aus vielen individuellen Firmen auch die notwendigen Freiräume zu bieten, individuelle Kreativitätspotenziale zu fördern und für das Gesamtprojekt nutzbar zu machen (Grabher 2001, Aksoy/Robins 1992). Neben der Flexibilität besitzt die Organisationsform der Leistungserstellung in Projekten weitere Vorteile. Ein Projekt ist ein Vorhaben, das im Wesentlichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen gekennzeichnet ist. Diese jeweils speziellen Bedingungen eines Projektes spiegeln sich auch in den folgenden Merkmalen wider (vgl. Heche 2004, S. 8, Ibert 2003, Mossig 2004a). Ein Projekt und seine spezifischen Bedingungen ist gekennzeichnet durch: • anspruchsvolle Zielsetzungen, • einen hohen Grad der Umsetzungsorientierung, • die Konzentration auf das Projektziel durch die Reduktion der Aufgabenstellungen, • intensive Anstrengungen durch Zeitvorgaben sowie finanzielle und personelle Begrenzungen sowie • die Schaffung jeweils neuer Organisationsstrukturen zur Erreichung des Projektziels. Insgesamt basieren die Vorteile darauf, dass in Projektnetzwerken die zu bewältigenden Aufgaben vergleichsweise unabhängig und eigenständig bearbeitet werden. Flache Hierarchien, die Trennung von anderen Aufgabenbereichen sowie von festgefahrenen Arbeitsabläufen durch die jeweils neue Zusammenstellung des Projektteams ermöglichen eine hohe 41

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

Flexibilität und schnelle Reaktionsmöglichkeiten und eröffnen Spielräume für kreative Prozesse. Gerade in den Medien und den anderen Branchen der Kulturökonomie müssen neue Trends und Strömungen möglichst schnell aufgegriffen und kreativ umgesetzt werden, so dass die Organisation in Projektnetzwerken Vorteile bietet und bevorzugt praktiziert wird (Grabher 2002a, 2002b). Die Flexibilität durch Auslagerungsstrategien, die Konzentration auf Kernkompetenzen zur Realisierung von Spezialisierungsvorteilen und insbesondere die Projektorientierung (vgl. Grabher 2002b, Heche 2004, Ibert 2003) sind Merkmale des Produktionssystems der Medienwirtschaft und der Kulturökonomie, die voraussichtlich in weiten Teilen der Wirtschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen werden. An dieser Stelle sollte jedoch auf keinen Fall der Hinweis fehlen, dass mit einem solchen Produktionssystem nicht nur Vorteile und positive Eigenschaften verbunden sind. Nicht nur in Krisenzeiten gibt es in einem solchen System viele Positionen, bei denen die individuellen Anforderungen und Arbeitskonditionen sowie die gebotenen Sicherheiten und Verdienstmöglichkeiten ausgesprochen hart sind. Harrison (1994) hat in diesem Zusammenhang schon früh von der dunklen Seite flexibler Produktion gesprochen (Harrison 1994, S. 189ff.).

2.2.2 Aufmerksamkeit und Audience-Reichweite im Verhältnis zu den Herstellungskosten „Die Aufmerksamkeit anderer Menschen ist die unwiderstehlichste aller Drogen. Ihr Bezug sticht jedes andere Einkommen aus“ (Franck 1998, S. 10).

Die eigentlichen Güter, die von den Medienunternehmen produziert werden, sind Informationen, Meinungen oder unterhaltende Inhalte, die sich über den Verkauf der physischen Informationsträger wie Zeitungen und Zeitschriften, Fernsehsendungen, Videokassetten, DVDs oder Musik-CDs kommerzialisieren lassen (Beck 2002). Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Kunden bereit sind, den produzierten Informationen und Inhalten ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Das Eingangszitat müsste im Hinblick auf die Medienwirtschaft daher noch schärfer formuliert werden: Erlangte Aufmerksamkeit sticht in den Medien eben nicht andere Einkommen aus, sondern Gewinne, Umsätze und kommerzielle Erfolge werden erst durch das Erreichen von Aufmerksamkeit erzielt. Dabei ist die menschliche Aufmerksamkeit eine knappe Ressource, die sich nicht beliebig steigern lässt. Durch das schnell wachsende Medienangebot hat sich der Wettbewerb der Medienunternehmen erheblich 42

MEDIENWIRTSCHAFT

verschärft. Vor 1984 konnten die meisten Haushalte lediglich drei öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme empfangen. Seit Beginn des Privatfernsehens und dem Ausbau des Kabelnetzes hat sich die Zahl der empfangbaren Sender eines durchschnittlichen Haushalts mit 47,5 Programmen im Jahr 20059 mehr als verfünfzehnfacht. Entsprechend vergrößert hat sich die Zahl der Fernseh- und Hörfunksender. Auch die Zahl der Tageszeitungen und Publikumszeitschriften ist gestiegen und neben dem Internet sind weitere neue Medien hinzugekommen, die den Wettbewerb um die Gunst der Aufmerksamkeit zusätzlich verschärfen (Mathes et al. 2001). Zwar ist die durchschnittliche Mediennutzung in Deutschland in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen (zwischen 1964 und 2000 von 3:08 h auf 8:22 h an einem Werktag, vgl. Paschen et al. 2002, S. 46ff.). Der verschärfte Wettbewerb um die Zeitbudgets ist spätestens seit Beginn der 1990er Jahren durch die immense Ausweitung der Medienangebote in vollem Gange. Der Kampf um die knappe Ressource Aufmerksamkeit hat dazu geführt, dass die Medien sich zunehmend selbst zum Inhalt haben. Mathes et al. (2001) zeigen, dass die Berichterstattung in anderen Medien maßgeblich den kommerziellen Erfolg der ersten ‚Big-Brother-Staffel‘ im Fernsehen begründete.10 Dabei haben ironischerweise gerade die ausgesprochen kritischen Stimmen im Vorfeld11 entscheidend dazu beigetragen, dass der Medien-Hype um die Sendung entstand und die enorme Aufmerksamkeit durch diese selbstreferenziellen Mechanismen der Medienbranche erzielt wurde. Erreichte Aufmerksamkeit ist in der Medienwirtschaft zur indirekten Währung geworden (Böhme-Dürr 2001, Franck 1998), die den erzielten Umsatz maßgeblich bestimmt. So hängen von der Auflage bzw. den verkauften Exemplaren eines Printmediums (z.B. einer Zeitung oder Zeitschrift) nicht nur die Verkaufserlöse, sondern auch die jeweiligen Anzeigenpreise ab. Je größer die Auflage, desto größer ist die erreichte Aufmerksamkeit und um so teurer wird eine Anzeige. Dieselbe Anzeige ist in einem unbekannteren Umfeld entsprechend günstiger. Analog funktioniert die Preisbildung für einen 30sek. Werbespot im Fernsehen. Der Preis wird über eine Funktion ermittelt, die unmittelbar von der Zu9

Angabe übernommen von der GFK-Fernsehforschung. Abrufbar unter www.gfk.de (Abruf vom 14.03.2005). 10 Zu den Ursachen und dem Umfang des kommerziellen Erfolges der crossmedialen Vermarktung der ersten ‚Big-Brother-Staffel‘ vgl. die Beiträge in Böhme-Dürr/Sudholt (2001). 11 Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck wollte die Sendung am liebsten verbieten. Erwin Huber, Chef der Staatskanzlei Bayerns, appellierte an den Münchener Sender RTL II, auf die Ausstrahlung zu verzichten (Mathes et al. 2001).

43

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

schauerzahl abhängt. Als Bemessungseinheit für die Währung Aufmerksamkeit hat sich der ‚Tausend-Kontakte-Preis‘ (TKP) etabliert. Er gibt an, wie teuer es für den jeweiligen Werbekunden im Durchschnitt gewesen ist, mit seinem Werbespot die Aufmerksamkeit von 1000 Zuschauern in der so genannten werberelevanten Zielgruppe von 14-49 Jahren zu erreichen (vgl. Tab. 2.3). Tab. 2.3: Erreichte Tausend-Kontakte-Preise (TKP) führender Fernsehsender in Deutschland für die werberelevante Zielgruppe der 14-49jährigen 2005 ARD

30,43 €

ZDF

30,91 €

RTL ProSieben

19,45 € 18,81 €

SAT.1

18,20 €

VOX

13,02 €

Kabel 1

12,69 €

RTL II

12,14 €

Quelle: IP Deutschland (2005, S. 24).

Für das Jahr 2005 kann den Werbepreisen des Marktführers RTL ein TKP von 19,45 € zugrunde gelegt werden. Das bedeutet, dass der Werbekunde für die Ausstrahlung eines Werbespots in einer Sendung mit 1 Mio. Zuschauer im werberelevanten Alter einen durchschnittlichen Preis von 19.450 € bezahlt hat. Erzielt die Sendung größere Zuschauerzahlen, so sind die Preise entsprechend teurer. Während eines großen Fußballendspiels, das z.B. 7 Mio. Fernsehzuschauer der Zielgruppe vor die Bildschirme lockt, wird die immense Summe von 136.150 € für einen 30 Sekunden dauernden Werbeauftritt fällig. Von dieser Grundberechnung ausgehend variieren die Preise für die einzelnen Werbeblöcke auf Grund verschiedener Faktoren, die mit dem jeweiligen Werbeumfeld zusammenhängen (Karstens/Schütte 1999, S. 322ff., SevenOneMedia 2003, IP Deutschland 2002, 2003, 2005). Entscheidend ist, dass die Werbeeinnahmen, die bei einem privaten Fernsehsender ca. 85% der Einnahmen und mehr ausmachen, nahezu unmittelbar von der erreichten Aufmerksamkeit abhängen, welche die Programminhalte erzielen. Auf Grund Ihrer Beschränkung, maximal 20 Minuten Werbung pro Tag und dies nur vor 20.00 Uhr ausstrahlen zu dürfen, können die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender höhere TKP erreichen als die private Konkurrenz. Werbeplätze sind dadurch wesentlich knapper und daher z.B. vor der ‚Tagesschau‘ (ARD) um 20.00 Uhr entsprechend exklusiv. 44

MEDIENWIRTSCHAFT

Innerhalb der privaten Sender lassen sich anhand der Höhe der TKP zwei Gruppen unterscheiden, welche Sender als Umfeld von den Werbekunden bevorzugt werden (vgl. Tab. 2.3). Im Wettbewerb zwischen den Sendern ist die jeweilige Einschaltquote der entscheidende Maßstab. Sie gibt zum jeweiligen Zeitpunkt den relativen Zuschaueranteil und damit die eigene Position im Vergleich zur Konkurrenz an. Die systematische Erfassung erfolgt seit 1963 und ist im Vorfeld des ZDF-Sendestarts eingeführt worden. Erstmals konnten die Fernsehzuschauer zwischen zwei Programmangeboten wählen und sogleich waren die Verantwortlichen an empirischem Zahlenmaterial interessiert, das ihnen Auskunft gab, wie das eigene Programmangebot gegenüber der Konkurrenz abgeschnitten hat. Ab 1985, ein Jahr nach dem Start privater Fernsehangebote, wurden die Meßmethoden erheblich verfeinert und ausgebaut (Karstens/Schütte 1999, S. 405ff.). Mittlerweile wird im Sekundentakt nach unterschiedlichen Merkmalskategorien und Personengruppen differenziert erfasst, welchem Fernsehprogramm die Zuschauer ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben (GfK 2004). Die immense Bedeutung der Quote als Gradmesser der erzielten Aufmerksamkeit mag das folgende Zitat verdeutlichen: „Und trotz aller positiven, negativen oder neutralen Kommentare und Kritik in der Presse vor und nach der Ausstrahlung wird letztendlich nur eine statistische Größe Bestand haben: die Einschaltquote“ (Davis 2000, S. 146). Die inhaltliche Qualität scheint gegenüber der erreichten Aufmerksamkeit von nachrangiger Bedeutung zu sein und selbst heftiger Kritik an den Inhalten wird mit Blick auf hohe Quoten gelassen begegnet. Unlängst haben sich jedoch erste Stimmen von Seiten der Werbekunden zu Wort gemeldet, welche die mangelnde inhaltliche Qualität einzelner Sendungen beklagten und mit dem Rückzug aus dem entsprechenden Werbeumfeld gedroht haben (Der Spiegel vom 29.11.2004). Von zentraler Bedeutung in der Medienwirtschaft ist eine Eigenschaft der produzierten Informationen und Inhalte, die sie von den hergestellten Gütern anderer Wirtschaftszweige und insbesondere vom Verarbeitenden Gewerbe traditioneller Prägung unterscheidet: Medienprodukte unterliegen der ‚Nicht-Rivalität im Konsum‘. Das bedeutet, dass der Konsum eines immateriellen Medienproduktes (die Informationen eines gedruckten Artikels oder ein gesendetes Musikstück etc.) weitere Konsumenten nicht davon ausschließt, das gleiche Produkt auch und sogar zur selben Zeit zu konsumieren. Dies steht im Gegensatz zu materiellen Sachgütern, z.B. einer Hose. Wenn eine Person eine Hose sachgerecht konsumiert, d.h. sie kauft und anzieht, wird zugleich verhindert, dass eine weitere Person davon Gebrauch machen kann (Beck 2002). 45

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

Dabei sind in der Medienbranche die Entwicklungs- und Herstellungskosten für den ersten Prototypen, z.B. die erste Kopie eines neuen Filmes, die Aufnahmekosten einer neuen Musik-CD oder die Programmierung einer neuen Unterhaltungssoftware, sehr hoch.12 Im Verhältnis dazu sind die Kosten, die anschließend anfallen, um die produzierten Inhalte zu vervielfältigen und zu verbreiten, extrem gering. Jede weitere Vervielfältigung des Prototypen erzeugt kaum Extrakosten. Dadurch entsteht ein zusätzlicher Anreiz, eine maximale Reichweite und Aufmerksamkeit bzw. eine maximale ‚Audience‘ zu erzielen. Ein zentrales Problem besteht nun darin, dass fast alle Kosten der Produktion in der Entwicklungsphase auftreten, es dabei jedoch völlig ungewiss ist, ob das Produkt letztlich von den Konsumenten angenommen wird. Ein totaler Flop ist durchaus möglich. Umgekehrt kann auf Grund der NichtRivalität im Konsum bei einem Erfolg die Audience leicht vervielfacht werden, ohne dass nennenswerte Produktionskosten zusätzlich entstehen. Demnach sind die Märkte ausgesprochen unsicher, da den hohen Risiken die überdurchschnittlichen Gewinnpotenziale gegenüber stehen, wobei die Stärke des Distributionssystems eine entscheidende Funktion inne hat (Aksoy/Robins 1992, Nachum/Keeble 1999). Medienprodukte unterliegen wie alle anderen produzierten Güter der so genannten Fixkostendegression. Mit erhöhter Ausbringungsmenge können die Fixkosten zur Herstellung auf immer mehr Produkte verteilt werden, wobei die einzelnen Stückkosten bei zunehmender Bedeutung der sonstigen variablen Kosten sinken (Wöhe 1996, S. 505ff.). Bei Branchen mit vergleichsweise geringen Fixkosten wird relativ bald die Fixkostendegression erschöpft sein und die Gesamtkosten werden nahezu komplett von der Produktionsmenge bestimmt. Die Unternehmen erreichen in ihrem Bereich eine bestimmte optimale Größe, da die Produktion bei einer Überschreitung ineffizient und dadurch letztlich teurer werden kann. Das schafft Raum für zusätzliche Produzenten und stellt so auf natürliche Weise den Wettbewerb sicher (Beck 2002). In der Medienwirtschaft fallen zunächst sehr hohe Fixkosten an, z.B. beim Aufbau eines Senderzentrums oder eines Vertriebsapparates für Zeitungen. Noch bevor der Konsument von einer Nachricht erfährt und bereit ist, für diese Information zu bezahlen, sind enorme Aufwendungen erfolgt. Gleichzeitig ist der Effekt der Fixkostendegression derart hoch, wie in kaum einer Branche des Verarbeitenden Gewerbes traditioneller Art. Das führt dazu, dass selbst bei ausgesprochen hohen 12 So lag der Durchschnittsetat eines Hollywood Kinofilms 2005 bei 96,2 Mio. US $. Davon wurden allein für das Marketing pro Film im Durchschnitt 36,2 Mio. US $ ausgegeben (The Hollywood Reporter vom 10. März 2006).

46

MEDIENWIRTSCHAFT

Produktionsmengen der Effekt der Fixkostendegression nicht überkompensiert wird. Ein Medienunternehmen kann stets um so billiger anbieten, je mehr es herstellt, d.h. je weiter es seine Inhalte verbreiten kann. Es hat also einen Anreiz die Produktion so weit auszudehnen, bis es die gesamte Nachfrage bedienen kann. Dieses Phänomen, das letztlich auf die Besonderheiten der produzierten Medienprodukte zurückgeführt werden kann, bezeichnet Beck (2002, S. 32f.) als ‚Natürliches Monopol‘. Es mag erklären, warum in Deutschland der private TV-Markt letztlich unter zwei großen Senderfamilien aufgeteilt ist und auch im Bereich der Printmedien Konzentrationsprozesse weiterhin anhalten.

2.2.3 Gesellschaftliches Selbstbeobachtungssystem und publizistische Macht Weite Teile der Medienwirtschaft sind ganz zentral an der Organisation des Selbstbeobachtungssystems der Gesellschaft beteiligt und erlangen daher gegenüber anderen Branchen eine besondere Qualität innerhalb der gesellschaftlichen Strukturation. Hachmeister/Rager (2002) betonen beispielsweise auf die Medien bezogen: „Es ist ein alter Irrglaube der politischen Klasse, dass man í gleichsam losgelöst von realen politischen Konzepten und Leistungen í im Bündnis mit Medienkonzernen und ihren Lenkern Wahlen gewinnen könne. Wahr ist aber, dass Parteien und einzelne Politiker auf Dauer kaum gegen mächtige Medienunternehmen handeln können, wenn sie in ihrem Metier überleben wollen“ (Hachmeister/Rager 2002, S. 17, Hervorhebung im Original).

Das besondere gegenüber anderen Wirtschaftszweigen liegt also in einem publizistischen Mehrwert bzw. einer publizistischen Macht. Selbstverständlich denken auch die Manager in den Medienkonzernen, genau wie ihre Kollegen bei den Banken, im Automobilbau oder in der Chemischen Industrie, zunächst an ihren Profit. Sie alle versuchen ihre Ziele durch akkumuliertes Kapital, durch ihre Größe und Marktmacht oder durch professionelle Lobby- und Klientelwirtschaft durchzusetzen. Mit der publizistischen Macht verfügen die Medienunternehmen jedoch über die zusätzliche Möglichkeit, politischen Druck unmittelbar über ihre Produkte zu erzeugen und Einfluss auszuüben (Hachmeister/Rager 2002). Allgemeiner formuliert sind die Medien in der Lage, gesellschaftliche und kulturelle Trends und Strömungen nicht nur aufzugreifen, sondern im hohen Maße aktiv zu gestalten und zu prägen, z.B. durch die Formulierung und Verbreitung von Meinungen, die Auswahl von Infor-

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NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

mationen oder die Präsentation von Trendsettern. Auch die Wahrnehmung von Räumen oder Landschaften wird oftmals entgegen der tatsächlichen Realität durch Medienprodukte wie Filme, Hochglanzmagazine bis hin zu Musikstücken und Songs nachhaltig beeinflusst und z.T. bewusst inszeniert (Bollhöfer 2003, Escher/Zimmermann 2001).

2.3

Zw i s c h e n f a z i t : E m p i r i s c h e U n t e r s u c h u n g d e r M e d i e nw i r t s c h a f t a m B e i s p i e l d e r P r o d u k t i o n u n d V e r b r e i t u n g vo n F i l m e n und TV-Sendungen

Im Zuge theoriegeleiteter empirischer Arbeiten in der Wirtschaftsgeographie ist neben der Auswahl der Untersuchungsräume vor allem die Auswahl der Untersuchungsbranche von zentraler Bedeutung und daher gut zu begründen. Die einzelnen Wirtschaftszweige unterscheiden sich in ihren Merkmalen erheblich und gewonnene Erkenntnisse lassen sich nicht uneingeschränkt übertragen. Dies betrifft letztlich sowohl das gewählte Untersuchungsdesign als auch die adäquate Bewertung der erhobenen Ergebnissen sowie die Ableitung übergeordneter Erkenntnisse und räumlicher Implikationen. Die vorliegende Untersuchung setzt bei der Herstellung und Verbreitung von Filmen und TV-Sendungen an. Diese Bereiche gehören im Kern zur Medienwirtschaft. Durch positive Wachstumsraten und Beschäftigungseffekte seit den 1980er Jahren haben einige Teilbereiche der Medienwirtschaft auf sich aufmerksam gemacht. Damit verbunden gewesen sind die Hoffnungen vieler Städte, die anhaltenden Auswirkungen der De-Industrialisierung kompensieren zu können. So waren in den letzten Jahren vielfältige Bemühungen seitens der regionalen Strukturpolitik feststellbar, den jeweils eigenen Standort zum Medienstandort auszubauen (Floeting 1994, Freundt 2003, Schönert/Wills 2001, Voelzkow 2002). Innerhalb der Medienwirtschaft gilt das Fernsehen als das Leitmedium der Gegenwart (Bourdieu 1998) und sowohl Fernsehsendungen als auch Filme dienen der Information und Unterhaltung. Sie greifen dabei gesellschaftliche und kulturelle Strömungen nicht nur auf, sondern prägen diese ganz entscheidend mit, z.B. durch die Präsentation von Trendsettern (Mossig 2004a). Auf Grund dieser Charakteristika der Produkte lässt sich die Medienwirtschaft und insbesondere die untersuchten Teilbereiche Film und TV der so genannten Kulturökonomie zurechnen. Neben den genannten positiven Wachstumsraten, die für die Untersuchungsbereiche Film und TV gezeigt werden konnten, sind es vor al48

MEDIENWIRTSCHAFT

lem qualitative Merkmale, die eine lohnende empirische Auseinandersetzung mit der gewählten Untersuchungsbranche versprechen. Als Repräsentanten für die Branchen der Kulturökonomie ist auf die besondere Bedeutung der Kreativität als eine fundamentale Antriebskraft wirtschaftlicher Entwicklungen hingewiesen worden, die bislang noch sehr wenig thematisiert wurde. Daneben ist auf qualitative Merkmale der von den Medien produzierten Güter und Dienstleistungen hingewiesen worden. Dazu zählen die flexible Leistungserstellung in Projekten, die Rolle der ‚Währung Aufmerksamkeit‘ im Zuge der kommerziellen Verwertung sowie die Nicht-Rivalität im Konsum in Verbindung mit dem Verhältnis zwischen Herstellungskosten und Audience-Reichweiten, die zur Bildung so genannter ‚Natürlicher Monopole‘ tendieren. Ferner leisten die medial verbreiteten Inhalte einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Selbstbeobachtungssystem und generieren dadurch eine publizistische Macht. Krätke (2002a) hat von einer Vorreiterrolle gesprochen, welche die Branchen der Kulturökonomie inne haben. Wichtige Merkmale würden sich auch in anderen Teilen der Gesellschaft und der Ökonomie zukünftig durchsetzen. Dies betrifft zunächst die flexiblen Strukturen zur Herstellung und Verbreitung der Produkte. Zweifelsohne werden aber auch bei der Vermarktung der Produkte des Verarbeitenden Gewerbes traditioneller Prägung die medialisierten Teile des Geschäfts (Marketing, Image, Design) immer wichtiger (Hachmeister/Rager 2002). Bezüglich des überproportionalen Frauenanteils in Führungspositionen (Rehberg et al. 2002) kann der Medienwirtschaft zudem eine Vorbildfunktion zugeschrieben werden. Insgesamt wurden somit Charakteristika und Merkmale hervorgehoben, deren Relevanz auch in anderen Bereichen zunimmt und die Auswahl der Untersuchungsbranche begründet. Die in den empirischen Kapiteln folgende detaillierte Beschreibung und Analyse der etablierten Bezugs-, Produktions- und Distributionssysteme zur Handhabung, Umsetzung und Steuerung der kreativen Prozesse und Produkte lässt Erkenntnisse erwarten, die über die Medienwirtschaft oder die Bereiche der Kulturökonomie hinaus aus räumlicher Perspektive von Interesse sind.

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3

Konzeptionelle Bezugspunkte: Lokale Knoten, globale Verflechtungen und Steuerungsmechanismen in ve rnetzten Strukturen

„The last half-century of economic geographic research has yielded an exceptional harvest of conceptual insights, methodological advances, empirical knowledge, contributions to effective policy-making, and, not least, critical commentary“ (Scott 2000b, S. 34).

Die außergewöhnlich reiche Ernte der Wirtschaftsgeographie an konzeptionellen Einsichten, methodischen Fähigkeiten, empirischem Wissen und daraus abgeleiteten politischen Handlungsempfehlungen ist u.a. das Resultat der Metamorphosen des Faches in den letzten Dekaden gewesen, die eine besondere Perspektivenvielfalt hervorgebracht haben (Scott 2000b). Und so haben auch in jüngster Zeit sehr lebhafte Diskussionen über die wissenschaftstheoretische Grundlegung und empirische Ausrichtung der Wirtschaftsgeographie stattgefunden. Stellvertretend sei auf die kontroverse Debatte um die ökonomischen Modelle der ‚New Economic Geography‘ im Sinne von Krugman (1991, 2000, bzw. Fujita et al. 1999) hingewiesen, die Martin (1999) als ‚Geographical Economics‘ bezeichnet hat und diese nicht als eine umfassende Neuausrichtung des Faches verstanden wissen will. Diese Diskussion führte 2001 zur Gründung der mittlerweile fest etablierten Zeitschrift Journal of Economic Geography. Sie verfolgt die Zielsetzung, eine Kommunikationsplattform zwischen ‚Economic Geographers‘ und ‚Geographical Economists‘ zu sein (Arnott/Wrigley 2001, Puga/Wrigley 2004). Viel Aufmerksamkeit haben auch die Beiträge zur Repositionierung der Wirtschaftsgeographie in der Zeitschrift Antipode erfahren (Peck/ 51

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

Wills 2001). Die emotional aufgeladene Debatte entzündete sich insbesondere an den provokanten Aussagen von Amin/Thrift (2000), die eine zunehmend schwindende Begeisterungskraft der Wirtschaftsgeographie deklamierten. Um dem Fach zu neuer Imaginationskraft und gesellschaftlicher Relevanz zu verhelfen, forderten sie zur Abkehr von dem ‚gefährlichen Löwen‘ der neoklassisch geprägten Ökonomie und zu einer sozialwissenschaftlichen fundierten Ausrichtung auf (Amin/Thrift 2000). Im Gegenzug hat nicht minder provokant Rodriguez-Pose (2001) seine Reaktion mit dem Titel versehen, die Wirtschaftsgeographie würde mit einer ‚Überdosis Cultural Turn‘ gekillt. Martin/Sunley (2001) warnen vor ‚falschen Propheten‘, die ökonomische und sozialwissenschaftliche Ansätze als unvereinbar diametral gegenüber stellen oder plakativ einen nicht haltbaren Dualismus zwischen qualitativen und quantitativen empirischen Verfahren erzeugen. Sie warnen zudem vor vagen Theorieansätzen auf der Basis einer zu dünner Empirie (Martin/Sunley 2001). Zurecht haben Bathelt/Glückler (2002b, 2003) darauf hingewiesen, dass beide Seiten, das Ökonomische wie das Soziale, nicht voneinander zu trennen sind, sondern Aspekte derselben empirischen Realität seien. Dies erfordere einen Dialog und keinen gegenseitigen Ausschluss der Perspektiven (Bathelt/Glückler 2002b, 2003). Boschma/Frenken (2005) sowie Duranton/Storper (2006) bemerken jedoch ebenfalls zurecht, dass ein solcher Austausch, der die jeweils andere Seite aufgreift, bisher nicht stattgefunden hat. Es handele sich vielmehr um einen „Dialogue between the deaf“ (Boschma/Frenken 2005, S. 2). An der deutschsprachigen Wirtschaftsgeographie sind diese Debatten nicht spurlos vorübergegangen. Im Gegenteil, die intensive Diskussion um eine zukünftige Ausrichtung und konzeptionelle Orientierung des Faches spiegelt sich auf vielfältige Weise wider: Sie stand beispielsweise im Mittelpunkt des 6. Rauischholzhausener Symposiums zur Wirtschaftsgeographie im April 2001. Auf dem Geographentag in Bern 2003 fand zu diesem Thema eine spezielle Fachsitzung statt, und sowohl die Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie als auch die Geographische Zeitschrift ließen in jeweils einem Themenheft die Vertreter konkurrierender Standpunkte zu Wort kommen (Giese/Mossig 2002, Haas/Thomi 2003). Auch fachpolitische Aspekte sind vor dem Hintergrund aktueller Stellenstreichungen und Institutsschließungen im Zusammenhang mit dieser Auseinandersetzung thematisiert worden (Schätzl 2003, Sternberg 2001a). Seit seiner Einführung in den 1970er Jahren ist der rationalistische raumwissenschaftliche Ansatz mit seiner Zielsetzung, die räumliche Ordnung der Wirtschaft theoretisch zu erklären, die räumlichen Prozesse empirisch zu erfassen und diese durch politische Beeinflussung zu len52

KONZEPTIONELLE BEZUGSPUNKTE

ken, das vorherrschende Konzept der deutschsprachigen Wirtschaftsgeographie (Schätzl 1974). Den Bestrebungen einer Fortführung und Ergänzung dieses Ansatzes z.B. durch eine sinnvolle Auseinandersetzung mit Krugmans Theoremen einer ‚New Economic Geography‘ oder regionalen Varianten der endogenen Wachstumstheorie (Kawka 2003, Koschatzky 2002, Schätzl 2003, Sternberg 2001b) steht eine Vielzahl zumeist sozialwissenschaftlich geprägter Forschungsperspektiven gegenüber, die den traditionellen raumwissenschaftlichen Ansatz herausfordern und abzulösen scheinen. Abgeleitet aus der Kritik an den neoklassisch formulierten Grundannahmen der Raumwirtschaftslehre ist eine neuen Heterogenität der Forschungsperspektiven entstanden, jedoch ohne eine in sich geschlossene, homogene Grundkonzeption entwickelt zu haben (Schamp 2002, 2003). Den konzeptionell am weitesten entwickelten Versuch, die vielen Bausteine zusammenzuführen und ein alternatives Forschungsparadigma zu entwickeln, haben Bathelt/Glückler (2002a, 2002b, 2003, Glückler/Bathelt 2003) mit ihrem Entwurf einer ‚relationalen Wirtschaftsgeographie‘ vorgelegt. Die vielen Rezensionen, Kommentare und auch die Kritiken belegen die große fachliche Aufmerksamkeit, den dieser Ansatz innerhalb der Wirtschaftsgeographie genießt (Boggs/Rantisi 2003, Klüter 2005b, S. 133f., Scheuplein 2003, Thomi 2003, Zeller/Messerli 2003). Der von Bathelt/Glückler (2002a, 2002b, 2003, Glückler/Bathelt 2003) vorgeschlagene Perspektivwechsel zu einer relationalen Wirtschaftsgeographie findet seinen Ausgangspunkt in einem relationalen Verständnis des Handelns, dem somit auch ökonomische Handlungen unterliegen. Die Handlungen eines Akteurs werden nicht isoliert von den anderen Akteuren betrachtet,1 denn sie vollziehen sich in konkreten Strukturen innerhalb zeitlich fortdauernder Beziehungen. Als Konsequenz daraus werden drei Grundprinzipien einer relationalen Grundperspektive formuliert (vgl. im Folgenden Bathelt/Glückler 2002a, 2002b, 2003, Glückler/Bathelt 2003): (a) Kontextualität: Handlungen sind nicht durch universelle Kategorien und Gesetze zu erklären, da sie situationsspezifisch erfolgen. Sie sind vielmehr durch ihren jeweiligen Kontext bestimmt als durch übergeordnete Gesetzmäßigkeiten. (b) Pfadabhängigkeit: Die Berücksichtigung vorangegangener Ereignisse ist erforderlich, da Entscheidungen, Interaktionen und Handlungen in der Vergan1

Dies wird beispielsweise als zentrale Kritik am individualistischen ‚homo oeconomicus‘ angeführt (Schamp 2002).

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NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

genheit den Kontext und die Beziehungsmuster der Gegenwart bedingen. (c) Kontingenzprinzip: Da die Handlungen nicht übergeordneten Gesetzen unterliegen, können einzelne Entwicklungspfade nicht als deterministisch für die Zukunft verstanden werden. Die jeweils spezifischen Kontexte eröffnen Möglichkeiten zur Abweichung von bestehenden Entwicklungspfaden und tragen so zur stetigen Veränderung der Pfade bei. Vor diesem Hintergrund werden insbesondere in institutionellen Ansätzen die handlungsleitenden Bedingungen in den Interaktionen zwischen Akteuren thematisiert (Schamp 2000a). Institutionen sind die vom Menschen erdachten Richtlinien und Beschränkungen, welche die politischen, ökonomischen und sozialen Interaktionen strukturieren. Sie existieren sowohl aus informellen Beschränkungen und Regeln (z.B. Werte, Normen, Sanktionen, Tabus, Traditionen oder Verhaltenskodizes) als auch in formalisierter Form (z.B. Gesetzestexte oder Verfügungsrechte) (North 1991). Institutionen sind Spielregeln einer Gesellschaft. Spielregeln haben ihre Bedeutung vor allem in der Minderung der Unsicherheit bezüglich der möglichen Handlungsweisen anderer Akteure im Zuge der Interaktion, da einige Handlungsoptionen (in der Regel die gesellschaftlich unerwünschten) durch Recht und Gesetz bestraft oder von Sanktionsmaßnahmen betroffen sind (Schamp 2000a, S. 15). Interaktionen zwischen Akteuren, die von Seiten der Wirtschaftsgeographie besondere Beachtung gefunden haben, sind die Austauschbeziehungen innerhalb eines Netzwerkes. Netzwerke werden als Koordinationsform ökonomischer Aktivitäten verstanden, die zwischen den von Coase (1937) und später von Williamson (1990) beschriebenen Koordinationsformen des Marktes und der Hierarchie angesiedelt sind (vgl. Abb. 3.1). Bei einer Marktbeziehung erfolgt der Austausch einer genau spezifizierten Leistung auf der Grundlage von Preisen. Die Beziehungen sind flüchtig (einmalig) und wettbewerbsorientiert. Die Zusammensetzung der beteiligten Marktteilnehmer ist beliebig und deren Verhalten durch (begrenzte) Rationalität und Opportunismus gekennzeichnet. Demgegenüber basiert die Koordination in einer Hierarchie auf den Weisungen der Organisationsleitung gegenüber einer begrenzten Zahl an Organisationsmitgliedern. Die Beziehungen sind typischerweise langfristig und auf kooperativem Verhalten zwischen der Leitung und dem Weisungsempfänger ausgelegt. Entsprechend sind Hierarchien bezeichnend für die Internalisierung der wirtschaftlichen Aktivitäten in ein Unternehmen.

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KONZEPTIONELLE BEZUGSPUNKTE

Das Netzwerk stellt schließlich eine intermediäre Organisationsform ökonomischer Aktivitäten zwischen den Gegensätzen Marktbeziehung und Hierarchie dar. Netzwerkbeziehungen sind durch relative Stabilität (langfristige Perspektive) und eher kooperative als kompetitive Verhaltensweisen gekennzeichnet. Eine wesentliche Rolle spielen Vertrauen und Reziprozität, die das Handeln der Akteure in einer Netzwerkbeziehung bestimmen und diese dadurch qualitativ von einer Marktbeziehung abgrenzen. Im Unterschied zur Hierarchie sind Netzwerke ein System lose gekoppelter Akteure, die formell ihre rechtliche Eigenständigkeit behalten. Dadurch erreichen sie einen höheren Flexibilisierungsgrad als hierarchische Organisationsformen (Mossig 2000c, Sydow 1992, S. 78ff., Strambach 1995, S. 82ff., Williamson 1990). Auf einem solchem Verständnis aufbauend sind in Abbildung 3.1 Organisationsformen ökonomischer Aktivitäten schematisch dargestellt. Die Wahl der jeweils günstigsten Organisationsform wird im Sinne der Institutionenökonomie von der jeweiligen Höhe der Transaktionskosten2 bestimmt. Ein hohes Maß an funktionaler Spezialisierung der Akteure führt zu Intransparenz und Interdependenzen, weshalb auf Vertrauen und Reziprozität basierende Netzwerkbeziehungen vielfach als besonders günstige Interaktionsform angesehen werden. Abb. 3.1: Organisationsformen ökonomischer Aktivitäten

Quelle: Eigene Darstellung nach Sydow (1992, S. 104) sowie Strambach (1995, S. 85).

2

Zum Begriff der Transaktionskosten vgl. Coase (1937), Picot (1982), Richter/Furubotn (1996), Rotering (1993), Williamson (1990).

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NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

Allein aus geographischer Perspektive lässt sich eine Fülle sehr unterschiedlicher Netzwerkstrukturen feststellen. In lokalen Netzwerken wurden sowohl dezentrale Koordinationsformen (vgl. die Arbeiten zu flexibel-spezialisierten Produktionsnetzwerken in einem Industriedistrikt bzw. die Arbeiten zum Kreativen Milieu)3 als auch zentral gesteuerte Produktionskomplexe (z.B. um ein fokales Unternehmen) festgestellt und analysiert. Netzwerke können sich ebenso überregional und über große Entfernungen hinweg ausbilden (z.B. in Form strategischer Allianzen, Lohnfertigungsbeziehungen, Franchising-Verträgen etc.). Die Vielfalt der Netzwerkstrukturen lässt sich nach dem Grad der Formalität, dem Zweck des Netzwerkes sowie der Art der Steuerung und der Machtverteilung unterscheiden (Schamp 2000a, S. 65ff.). Ohne die Relevanz der beiden anderen Aspekte zu negieren, setzt diese Arbeit konzeptionell am zuletzt genannten Punkt an. Es sollen die Steuerungsmechanismen und die Machtverteilung in den lokalen und überregionalen Netzwerken der Medienwirtschaft am Beispiel der Herstellung und Vermarktung von Filmen und TV-Sendungen analysiert werden. Lokale Netzwerke offenbaren sich in der Regel als Produktionscluster, die jedoch nicht in sich abgeschlossen agieren, sondern auf vielfältige Weise über die eigenen Clustergrenzen hinaus vernetzt sind. Für diese Struktur der lokalen Knoten und globalen Verflechtungen (Amin/Thrift 1992, Nachum/Keeble 1999) soll ein konzeptioneller Rahmen entwickelt werden. Zu diesem Zweck wird zunächst im Unterpunkt 3.1 ein Überblick zum aktuellen Diskussionsstand in der Debatte um Cluster (den lokalen Knoten) gegeben. Anschließend werden Konzepte und Ansätze bezüglich überregionaler Verflechtungen diskutiert (3.2). Das Kapitel endet mit einem theoriegeleiteten Entwurf, um Macht und übergeordnete Entscheidungsbefugnisse als Steuerungsmechanismen in vernetzten Strukturen zu konzeptionalisieren (3.3).

3

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Z.B. Becattini (1991), Camagni (1991a, 1991b), Fromhold-Eisebith (1995), Franz (1999), Garofoli (1991), Harrison (1992), Maillat (1998), Piore/Sabel (1985), Rehle (1996), Rentmeister (2000), Scott (1988).

KONZEPTIONELLE BEZUGSPUNKTE

3.1

Lokale Knoten: Cluster in der wirtschaftsgeographischen Forschung „[...] what is the most striking feature of the geography of economic activity? The short answer is surely concentration“ (Krugman 1991, S. 5).

Seit den 1990er Jahren ist eine wahre Flut an Arbeiten entstanden, die sich mit Clustern aus unterschiedlichen Perspektiven beschäftigt haben.4 Populär wurde der Clusterbegriff durch Porter (1991), der seine Untersuchung der nationalen Wettbewerbsvorteile bei den einzelnen Branchen angesetzt hat und zur Feststellung gelangt, die Länder haben „[...] nicht in einzelnen Branchen Erfolg, sondern in Branchenanhäufungen oder Clustern, die durch vertikale und horizontale Beziehungen verknüpft sind“ (Porter 1991, S. 97, Hervorhebungen im Original).

Als Cluster wird die räumliche Konzentration von Unternehmen einer Branche bezeichnet bzw. die Konzentration von Unternehmen, die innerhalb einer Wertschöpfungskette miteinander verbunden sind (Mossig 2002, Rehfeld 1999). Das besondere Interesse an Clustern leitet sich vor allem aus den positiven Effekten ab, die ihnen zugeschrieben werden. Sie gelten als Motoren für Wachstum, Innovationen und Beschäftigung auf regionaler Ebene sowie als hoffnungsvolles Konzept für eine Neuausrichtung der regionalen Strukturpolitik (Mossig/Klein 2003, Rehfeld 1999, Sternberg et al. 2004). Die Frage nach der Existenz eines Clusters muss in zwei Stufen beantwortet werden. Zunächst müssen die Ursprünge der räumlichen Konzentration erfasst werden. Die Entstehung eines Clusters kann nicht durch Vorteile der Konzentration erklärt werden, da diese Vorteile sich erst dann ergeben, wenn eine gewisse ‚kritische Masse‘ (Brenner/Fornahl 2003, Krätke/Scheuplein 2001) an Unternehmen entstanden ist. Das Wirkungsgefüge zur Entstehung eines Clusters ist daher zunächst separat zu behandeln. Welche Vorteile von einem Cluster ausgehen können, ist in einem zweiten Schritt zu klären. Clustervorteile unterstützen die Wettbewerbsfähigkeit der dort lokalisierten Unternehmen und üben eine gewisse Anziehungskraft aus. Die Verfestigung und das weitere Wachs4

Um nur einige zu nennen: Bathelt (2002), Bathelt/Taylor (2002), Brenner (2004), Bröker et al. (2003), Dybe/Kujath (2000), Isaksen (2005), Krätke/Scheuplein (2001), Maskell (2001), May et al. (2001), McKinsey (2002), Mossig (2000b, 2002, 2005b), Mossig/Klein (2003), Pinch et al. (2003), Plattner (2003), Porter (2000), Power/Hallencreuz (2005), Rehfeld (1999), Schamp (2000b), Sternberg et al. (2004).

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NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

tum eines Clusters kann dadurch erklärt werden. Dabei soll bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass von einer räumlichen Konzentration von Unternehmen derselben Branche bzw. innerhalb einer Wertschöpfungskette nicht automatisch positive Effekte ausgehen (Hassink 1997a). Die räumliche Nähe der Akteure zueinander ist dazu allein nicht ausreichend. Sie ist jedoch notwendig, um solche Prozesse zu vereinfachen, die eine besondere Qualität in den Interaktionsbeziehungen erfordern, damit zentrale Clustervorteile entstehen können.

3.1.1 Die Entstehung räumlicher Konzentrationen als evolutionär-pfadabhängiger Prozess Lange Zeit wurde versucht, die räumlichen Strukturen wirtschaftlicher Aktivitäten anhand von Standortfaktoren zu erklären. Solchen Ansätzen lag die Vorstellung zugrunde, dass die Standortentscheidungen der Unternehmen von der jeweiligen Ausstattung der Regionen mit günstigen Standortfaktoren abhängt. Man ging davon aus, dass sich entsprechend viele Unternehmen in den Regionen mit besonders günstigen Standorteigenschaften ansiedeln. Auch die bereits bestehenden Unternehmen finden auf Grund dieser Standortmerkmale positive Wachstumsbedingung vor, so dass sich dadurch die Entstehung einer räumliche Konzentration erklären lässt. Die Standortfaktoren wurden zumeist durch den Vergleich der erfolgreichen mit den weniger erfolgreichen Regionen ermittelt. Das führte dazu, dass sich die regionale Strukturpolitik lange Zeit fast ausschließlich an den aktuellen Merkmalen und Eigenschaften von Erfolgsregionen orientierte und die gewachsenen Strukturen am eigenen Standort und daraus resultierende endogene Entwicklungspotenziale vernachlässigte (Mossig 2004c, Sternberg 2003). Im Zuge der Kritik an den neoklassischen Grundannahmen raumwirtschaftlicher Ansätze zur Erklärung von Lokalisationsprozessen sind solche Vorstellungen in jüngster Zeit als zunehmend unzureichend kritisiert worden (Schamp 2002).5 Das komplexe Standortgefüge einer Branche wird nunmehr als das Ergebnis evolutionärer bzw. pfadabhängiger Prozesse angesehen, in dem vorangegangene, historische Ereignisse sowie Zufälligkeiten explizit Berücksichtigung finden. Um diese Prozesse theoriegeleitet zu erfassen, soll zunächst auf Erklärungsansätze aus der Evolutionsökonomik zurückgegriffen werden. Entgegen der herkömmlichen Sicht der Wirtschaftswissenschaften, die Wissenschaft von der Optimierung der individuellen Bedürfnisbefriedigung bei knappen Ressourcen zu sein (Wöhe 1996), rückt die Evolu5

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Sofern es sich nicht gerade um ausgesprochen rohstoffgebundene oder extrem transportkostenempfindliche Wirtschaftszweige handelt.

KONZEPTIONELLE BEZUGSPUNKTE

tionsökonomik als wirtschaftliches Grundproblem neuerdings das Unwissen in den Vordergrund ihrer Betrachtung. Sie fragt, wie das Wissen über menschliche Bedürfnisse sowie über die relevanten Techniken zur Befriedigung dieser Bedürfnisse entsteht, wie sich dieses Wissen über die Zeit verändert und wie die Auswahl von Alternativen unter den Umständen einer ständigen Generierung von Neuheiten erfolgt. Das Effizienzkriterium rückt damit hinter das Problem einer befriedigenden und zugleich variablen Anpassung an sich stetig wandelnde Umweltbedingungen (Herrmann-Pillath 2002). Aufbauend auf Analogien aus der Evolutionsbiologie werden makroökonomische Entwicklungs- und Anpassungsprozesse auf eine Fülle neu auftretender Variationen durch Mutationen von Bestehendem zurückgeführt. Gegebenenfalls kommt es zur Selektion, wenn sich bestimmte Variationen nachhaltiger durchsetzen als andere.6 Erreicht ein Selektionsprozess eine gewisse Stabilität, so schlägt sich dies in einem spezifischen Entwicklungspfad nieder (Schamp 2002). Auf regionalökonomische Entwicklungspfade übertragen sind insbesondere die ökonomischen Akteure zu analysieren, die bestimmte Fähigkeiten und Kompetenzen zur Gestaltung der ökonomischen Vorgänge in ihrem Umfeld besitzen und diese möglichst zielgerichtet einsetzen. Davon betroffen ist auch das jeweilige regionale Umfeld. Im Unterschied zum ‚homo oeconomicus‘ handelt ein solcher Akteur jedoch suboptimal, da er nur über unvollständige Informationen verfügt, widersprüchliche Ziele verfolgt und einem Mangel an Mitteln zur Zielerreichung unterworfen ist (Schamp 2002). Boschma/Frenken (2005) richten diesbezüglich den Blick auf Organisationen, d.h. in der Regel auf Unternehmen, die mit ihren spezifischen Organisationsstrukturen und Routinen im Wettbewerb zueinander stehen. Die Routinen eines Unternehmens entwickeln sich über die Zeit als trial-and-error-Lernprozess, durch Imitationslernen sowie durch das Erlernen von branchenüblichen Vorgehensweisen und etablierter bestpractice. Solche Branchenstandards haben sich als Folge der Selektionsprozesse verfestigt, indem jene Routinen aus den Unternehmen verschwinden, die im Wettbewerb nicht bestehen konnten. 6

Diese Begriffe aus der Evolutionsbiologie sollten vorsichtig verwendet werden, da für ökonomische Zusammenhänge evolutionäre Anpassungsund Entwicklungsprozesse präziser durch den Begriff der ‚Innovationen‘ zur vielfältigen Erzeugung von Neuerungen im Sinne von Mutationen und Variationen sowie durch den Begriff des ‚Wettbewerbs‘ als Selektionsund Anpassungsmechanismus beschrieben werden können. Zum Beispiel haben Unternehmen anders als Lebewesen mehr Möglichkeiten sich durch gezielte Umstrukturierungsmaßnahmen an veränderte Umweltbedingungen anzupassen.

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NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

Zur Erklärung der Existenz regionaler Cluster wirft ein solcher Bezugsrahmen die Frage nach den Bedingungen auf, unter denen sich ein Selektionsprozess, der von Zufällen, individuellen Entscheidungen oder historischen Ereignissen geprägt ist, in einem spezifischen regionalen Entwicklungspfad verfestigt, der wiederum in der Bildung eines Clusters mündet (Schamp 2002). Erfolgreiche Unternehmensroutinen erzeugen zunächst eine Unternehmensführerschaft. Durch Spin-off-Prozesse als Mechanismus der Weitergabe erfolgreicher Routinen kann diese in eine regionale Führerschaft überführt werden. Auf Grund der Pfadabhängigkeit sind solche regionalen Vormachtstellungen dann über längere Zeit irreversibel (Boschma/Frenken 2005). Konzeptionell wird diesbezüglich häufig auf den Ansatz der industriellen Entwicklungspfade nach Storper/Walker (1989) zurückgegriffen (Bathelt/Glückler 2002a, S. 207ff., Boschma 1997, Mossig 2000a, S. 39ff., Mossig/Klein 2003, Plattner 2003, S. 26ff.). Dabei werden die raumwirksamen Prozesse eines neuen, schnell wachsenden Industriezweiges in vier (nicht zwangsläufig sequentiellen) Teilprozessen beschrieben: Lokalisation, selektive Clusterung, Dispersion sowie Verlagerungsprozesse von Schwerpunktstandorten (vgl. Abb. 3.2). Abb. 3.2: Schematische Darstellung raumwirksamer Prozesse industrieller Entwicklungspfade

1.) Lokalisationsprozesse Ein neuer Industriezweig entsteht an verschiedenen Standorten außerhalb bestehender, altindustrialisierter Schwerpunktregionen. Dabei besteht eine gewisse räumliche Wahlfreiheit ("Windows of Locational Opportunity").

2.) Selektive Clusterungsprozesse Auf Grund unterschiedlicher regionaler Entwicklungspfade entsteht ein eigendynamischer Agglomerationsprozess.

3.) Dispersionsprozesse Räumliche Diffusion in Wachstumsperipherien ("Growth Peripheries") zur Erschließung neuer Wachstumsmärkte oder günstiger Produktionsformen durch unternehmensinterne Verflechtungsnetzwerke.

4.) Verlagerungsprozesse Durch Umstrukturierungs- und Erneuerungsprozesse kann es zur Verschiebung der industriellen Ballungskerne kommen ("Shifting Centers"). Im Extremfall vollständige Umkehrung der Hierarchie.

Quelle: Eigene Darstellung nach Storper/Walker (1989, S. 71).

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KONZEPTIONELLE BEZUGSPUNKTE

Ursprünglich ist das Konzept lediglich für neue, schnell wachsende Industriezweige der Hochtechnologie entworfen worden. Mossig (2000a, 2000b) konnte die Übertragungsmöglichkeit auf einen Low-Tech-Industriezweig wie die Verpackungsmaschinenbau-Industrie in Deutschland zeigen. Die Eignung als übergeordnetes Interpretationsschema zur Erklärung der Standortstrukturen in einem nicht-industriellen Wirtschaftszweig ist von Dorenkamp (2004) am Beispiel der Produktion von TVSendungen in Deutschland diskutiert worden. Für die in diesem Abschnitt relevante Frage nach der räumlichen Verortung sowie den Ursprüngen eines Clusters sind insbesondere die ersten beiden Phasen des Modells relevant. Dass die Bildung eines Clusters (zumindest zeitweilig) ein überdurchschnittliches Wachstum in dem neuen Wirtschaftszweig voraussetzt, versteht sich von selbst. Während der ersten Lokalisationsphase eines Industriezweiges existieren nach Storper/Walker (1989) gewisse Fenster der Standortwahlfreiheit (‚Windows of Locational Opportunity‘). Diese Wahlfreiheit wird dadurch begründet, dass auf Grund der Neuheit des Industriezweiges die Anforderungen an die jeweiligen Input- und Outputverflechtungen derart neu und speziell sind, dass sie an keinem Standort bereits gegeben existieren. Sie müssen von den ersten Pionierbetrieben der Branche erst neu geschaffen werden. Junge, schnell expandierende Industrien sind somit aufgefordert, sich ihre Ressourcenbasis eigenständig aufzubauen und ihr Umfeld nach ihren Anforderungen zu gestalten.7 Dies setzt jedoch eine gewisse Lernfähigkeit und ein gewisses Qualifikationsniveau z.B. der vorhandenen Arbeitskräfte und Zulieferbetriebe voraus, weshalb die Wahlfreiheit nicht uneingeschränkt vorliegt. Doch auf Grund der bestehenden Gelegenheitsfenster bezüglich der Standortwahl zu Beginn eines industriellen Entwicklungspfades lässt sich die räumliche Verortung einer Branche letztlich nur im jeweiligen Kontext der zeitlich wie räumlich individuell verschiedenen Bedingungen verständlich erklären (Schamp 2000a). Um die spezifischen Vorgänge innerhalb der Lokalisationsphase empirisch nachvollziehen zu können, hat Mossig (2000a, 2000b, 2004c, Mossig/Klein 2003) am Beispiel der Verpackungsmaschinenbau-Industrie in Westdeutschland und der optischen Industrie im Raum Wetzlar die Entstehungs- und Entwicklungspfade der einzelnen

7

Ihre Ausführungen haben Storper/Walker (1989, S. 70) mit den Worten „How Industries Produce Regions“ überschrieben. Entscheidend ist die damit zum Ausdruck gebrachte Umkehrung des Wirkungsgefüges: räumliche Ausstattungsmerkmale bedingen nicht ökonomische Entscheidungen, sondern räumliche Strukturen sind umgekehrt das Ergebnis ökonomischer Aktivitäten (Storper/Walker 1989, S. 70ff., Mossig 2000a, S. 39ff.).

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Betriebe in den jeweiligen Clustern erhoben und analysiert.8 Die Studien kommen zu dem Ergebnis, dass räumliche Wahlfreiheiten während der Lokalisationsphase im Sinne existierender ‚Windows of Locational Opportunity‘ durchaus existieren und sich die Entstehung und Verortung der ersten Pionierbetriebe des betreffenden Industriezweiges nur über ihre jeweiligen Entstehungspfade nachvollziehen lässt. In den untersuchten Beispielen haben insbesondere familiäre Verbindungen und eine emotionale Ortsgebundenheit die Standortentscheidung der ersten Gründerpersonen geprägt (Mossig 2000a, 2000b, 2004c, Mossig/Klein 2003). Die Stärke einer solchen analytischen Vorgehensweise liegt sicherlich in der Leistungskraft für das spezielle Verständnis der Clusterungsvorgänge an einem bestimmten Standort. Auf Grund des Kontingenzprinzips lassen sich daraus jedoch kaum Handlungsanweisungen und Raumstrukturen ex ante vorherbestimmen (Schamp 1995). In der soeben beschriebenen ersten Lokalisationsphase findet die räumliche Verankerung der ersten Pionierbetriebe einer Branche statt. Ausgehend von dieser noch weitgehend zufällig entstandenen Standortstruktur setzen in der nun folgenden zweiten Phase der selektiven Clusterungsprozesse pfadabhängige Entwicklungen ein. Im Zuge der entstehenden Agglomerationsvorteile wird die räumliche Wahlfreiheit für weitere Unternehmen erheblich eingeschränkt. Die Entwicklungspfade der Standortregionen mit den ersten Pionierbetrieben verlaufen auf Grund des jeweils regionalspezifischen Kontextes unterschiedlich erfolgreich, so dass es nur in einigen Regionen und unter bestimmten Umständen zur Bildung eines Cluster kommt. Mehrere empirische Studien weisen darauf hin, dass lokale Unternehmensgründungen eine wichtige Antriebskraft der Clusterevolution sind (Brenner/Fornahl 2003, Dorenkamp/Mossig 2006, Fornahl 2003, Menzel/Fornahl 2005, Mossig 2002, Schulz et al. 2004). Gründungsaktivitäten erhöhen die Anzahl der Unternehmen in einem sich bildenden Cluster und tragen so unmittelbar zur Erreichung der benötigten ‚kritischen Masse‘ bei. Im Rahmen der Saatbeet- bzw. Inkubatorhypothese wird die Bedeutung lokaler Spin-off-Gründungen und deren ungleiche Verteilung hervorgehoben (Beesley/Hamilton 1984, Dorenkamp/Mossig 2006, Hayter 1997, S. 224ff., Klepper 2002, May et al. 2001, Mossig 2000a, 2000b, 2004b, Saxenian 1994, Schamp 2000a, S. 40ff.). Das wesentliche Merkmal einer Spin-off-Gründung ist, dass die beteiligten Gründerpersonen

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Eine solche Vorgehensweise ist z.B. auch von Kirchner (2001) in seiner Wirkungsanalyse räumlicher Konzentration-, Entwicklungs- und Organisationsprozesse auf die Industriedynamik in der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken aufgegriffen worden.

KONZEPTIONELLE BEZUGSPUNKTE

Know-how9 einsetzen, das sie während ihrer vorangegangenen Beschäftigungen erworben haben (Mossig 2000a). Die Voraussetzung, das spezielle Know-how zuvor erlernt zu haben, erklärt insbesondere die regionale Spezialisierung auf einen bestimmten Wirtschaftszweig bzw. auf vor- und nachgelagerte Elemente einer Wertschöpfungskette. Empirische Studien weisen darauf hin, dass Spin-off-Gründungen aus erfolgreich organisierten Inkubatorunternehmen höhere Überlebenswahrscheinlichkeiten haben als andere neu gegründete Unternehmen. Dies wird damit begründet, dass in einem erfolgreichen Unternehmen die späteren Gründer besonders erfolgreiches und wettbewerbsfähiges Know-how erlernt haben (Agarwal et al. 2004, Klepper/Sleeper 2005). Mit jeder Gründung geht zudem eine Ausdifferenzierung der Tätigkeitsbereiche einher und Nischen werden konsequent erschlossen (Mossig 2004b, Nuhn 1989). Die Know-how-Basis erweitert und erneuert sich dadurch und vergrößert das Saatbeet für weitere Spin-off-Gründungen. Stellt man die Analogie zur Evolutionsbiologie her, so haben die Spin-off-Gründungen die Aufgabe, als Mutation zur Variationsvielfalt beizutragen, um dadurch den Wettbewerb um geeignete Routinen zu unterfüttern und die Anpassungsprozesse zu forcieren. Spin-off-Gründungen wirken somit insgesamt als Multiplikatoren im Clusterungsprozess. Spin-off-Gründungen erfolgen allerdings nicht in allen Regionen, die über erfolgreiche Unternehmen verfügen, in gleichem Umfang. Dies kann auf unterschiedliche Faktoren zurückzuführen sein. So ist beispielsweise die Breite der Produktpalette, das Alter des jeweiligen Inkubator-Unternehmens oder das im Inkubator-Unternehmen vorhandene und für Spin-off-Gründungen relevante spezielle Wissen von entsprechender Bedeutung (vgl. Klepper/Sleeper 2005). Darüber hinaus können je nach Ausmaß auch Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Unternehmens Einfluss auf die Gründungsentscheidungen der Angestellten haben (vgl. Klepper/Thompson 2005). Spin-off-Gründungen tragen letztlich jedoch nur zur Clusterbildung bei, wenn sich die Gründerperson für einen Standort in unmittelbarer Nähe zum Inkubator entscheidet. Durch empirische Studien ist mittlerweile hinreichend belegt, dass Neugründungen bis auf wenige Ausnahmen im unmittelbaren lokalen Umfeld der Gründerperson erfolgen und 9

Boschma/Frenken (2005) betonen an dieser Stelle die Bedeutung der Übertragung von erfolgreichen Routinen aus dem Inkubatorunternehmen. Jedoch ebenfalls sehr wichtig sind die Kenntnisse des Marktes sowie Kundenkontakte als bedeutende Quelle für Innovationen und als erste Auftraggeber, so dass an dieser Stelle umfassender von Know-how gesprochen wird.

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damit zumeist in der Nähe zum vorherigen Arbeitgeber. Ein Abwägen verschiedener Standortregionen findet in der Regel überhaupt nicht statt, so dass der Wohnort der Gründerperson bzw. die persönliche Bindung an den Raum der wichtigste Grund für die Standortwahl ist (vgl. Behrendt/Tamásy 1997, S. 39, Hayter 1997, S. 224, May et al. 2001, Mossig 2000a, Nerlinger 1999, Schmude 1994, S. 78f., Sternberg 1995, S. 65f.). Derartige Entwicklungspfade beinhalten jedoch auch Gefahren. Die Vererbung von Know-how durch lokale Spin-off-Gründungen trägt dazu bei, dass in der Region eine gewisse Homogenität bezüglich der erstellten Produkte, Herstellungsprozesse und Wissensformen entwickelt. Diese Homogenität kann positive Implikationen entfalten (vgl. Essletzbichler 2002), aber auch negative Auswirkungen haben, wenn sie das Entstehen beständiger Akteurskonstellationen nach sich zieht, die zu Vertrauensseligkeit und verkrusteten Strukturen führen. Durch eine solche institutionelle Sklerose, die auch als negativer lock-in bezeichnet wird, können Akteure und ganze Regionen ihre Anpassungsfähigkeit an veränderte Rahmenbedingungen verlieren (Boschma/Lambooy 1999, Essletzbichler 2002, Grabher 1993b, 1993c, Isaksen 2003, Kern 1996, Schamp 2000a). Als Zwischenfazit bezüglich der Lokalisation und der Entstehung einer räumlichen Konzentration als Voraussetzung für die Bildung eines Clusters bleibt festzuhalten: • Die Lokalisation eines Wirtschaftszweiges ist nicht deterministisch vorherbestimmbar. Es existieren lediglich ungenau zu bestimmende historische Gelegenheitsfenster (‚Windows of Locational Opportunity‘), und dies auch nur zu bestimmten Zeiten in einigen Regionen für gewisse Branchen. • Der pfadabhängige Prozess zur Bildung einer räumlichen Konzentration lässt sich im Nachhinein anhand der Entstehungs- und Entwicklungspfade der einzelnen Unternehmen nachvollziehen. Da diese entscheidend von den Handlungen der ökonomischen Akteure geprägt sind, ist der jeweilige Kontext zu beachten und das Kontingenzprinzip zu berücksichtigen. • Die Saatbeet- bzw. Inkubatorhypothese sowie empirische Ergebnisse weisen auf die besondere Bedeutung von Spin-off-Gründungen im Zuge der Entstehung einer räumlichen Konzentration hin.

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3.1.2 Clustervorteile durch lokal vernetzte Strukturen Von einer räumlichen Konzentration von Unternehmen derselben Branche bzw. von Unternehmen, die innerhalb einer Wertschöpfungskette miteinander verbunden sind, gehen nicht automatisch positive Effekte aus (Hassink 1997a). So wird in der Regel auf eine besondere Qualität der Verflechtungsbeziehungen hingewiesen, die gegeben sein muss, damit eine räumliche Konzentration ein ‚echtes‘ Cluster darstellt. Starre Strukturen in Netzwerken können regionale Anpassungs- und Entwicklungsprozesse blockieren, so dass flexible bzw. so genannte ‚lose Kopplungen (weak ties)‘ zwischen den Netzwerkteilnehmern favorisiert werden (Grabher 1993b, 1993c, 1994, Granovetter 1973). Umgekehrt können auch von einer räumlichen Konzentration von Unternehmen, die ihre ökonomischen Aktivitäten vornehmlich über Marktbeziehungen und nicht über Netzwerkstrukturen koordinieren, positive Agglomerationseffekte für die beteiligten Akteure ausgehen. Es ist im Folgenden daher sehr differenziert die Frage zu diskutieren, welche Vorteile für die Unternehmen in einer räumlichen Konzentration generell existieren und welche Verflechtungen eine solche Qualität besitzen, dass die Bezeichnung Cluster angemessen erscheint. Sofern von einer räumlichen Konzentration bzw. einem Cluster Vorteile ausgehen, so tragen diese zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der dort lokalisierten Firmen bei, wodurch die räumliche Konzentration gestärkt und das weitere Wachstum des Clusters begünstigt wird. Wichtige Impulse bezüglich einer theoriegeleiteten Begründung positiver Effekte durch Agglomerationen haben die Arbeiten von Krugman (1991, 1998, 2000, Fujita et al. 1999) geliefert, die zu einer Aufwertung der Raumdimension in der Ökonomie beigetragen haben.10 Als theoretischer Bezugspunkt ist zunächst die Neue bzw. Endogene Wachstumstheorie zu nennen.11 Deren Neuheit und Abgrenzung zu den Annahmen der Neoklassik besteht vor allem darin, dass Humankapital und ein heterogener Arbeitskräftebestand sowie die Rate des technologischen Fortschritts modellintern berücksichtigt werden. Wachstumsprozesse werden dadurch nicht mehr auf der Basis der Akkumulation von Sachkapital erklärt. Den Modellen der endogenen Wachstumstheorie zufolge treten bei Investitionen in Sach- und Humankapital externe Effekte 10 Zur Kritik vgl. Bathelt (2001), Martin (1999). 11 Frenkel/Hemmer (1999, S. 175) halten die Bezeichnung ‚Neue Wachstumstheorie‘ für nicht ganz glücklich, da auch ältere Beiträge wie z.B. Schumpeters Analysen zum technischen Fortschritt oder das Konzept des ‚learning by doing‘ von Arrows inhaltliche Bezüge liefern. Sie plädieren daher für die Verwendung des Begriffs ‚Endogene Wachstumstheorie‘.

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auf, die nicht nur dem Investor, sondern auch anderen Produzenten zugute kommen. Die dadurch entstehenden gesamtwirtschaftlichen Synergieeffekte ermöglichen ein dauerhaftes Wachstum (Frenkel/Hemmer 1999, S. 173ff.). Der zweite theoretische Bezugspunkt liegt in der neuen Außenhandelstheorie, die sich intensiv mit der räumlichen Dimension im Zuge der Interaktionsprozesse und der Entwicklung räumlicher Strukturen befasst. Im Gegensatz zu den neoklassischen Modellannahmen, die Handel als Folge relativer Preisvorteile erklären, welche durch komparative Vorteile bzw. durch Unterschiede in der Faktorausstattung entstehen (Siebert 2000, S. 449ff.), liegen die wesentlichen Neuerungen in der Einführung des technischen Fortschritts, der Berücksichtigung von steigenden Skalenerträgen mit den daraus resultierenden Marktunvollkommenheiten sowie in der Berücksichtigung von Externalitäten. Handel wird demnach vor allem durch die der Arbeitsteilung folgende Spezialisierung erklärt (Koschatzky 2002, Osmanovic 2000, Scott 2006). Ausgehend von diesen theoretischen Bezügen stehen steigende Skalenerträge (increasing returns), unvollkommene Märkte und Externalitäten im Mittelpunkt der Modellannahmen zur Erklärung geographischer Konzentrationen. Im Rückgriff auf die Arbeiten des britischen Ökonomen Marshall werden letztlich drei Faktoren als besonders vorteilhaft hervorgehoben (Krugman 1991, S. 35ff., 1995, S. 49ff.): • ein spezialisiertes Arbeitskräftepotenzial (labor market pooling), • der Zugang zu bestimmten Vorleistungen durch die Konzentration spezialisierter Zulieferer und Dienstleister (intermediate inputs) und • technologische Spill-over-Effekte.12 Unter Verwendung von GINI-Koeffizienten als Konzentrationsmaß sowie anhand multipler Regressionsanalysen wurde bereits mehrfach belegt, dass ein Zusammenhang zwischen der räumlichen Konzentrationsneigung verschiedener Branchen und ausgewählten Indikatoren besteht, welche die drei vorgenannten Faktoren repräsentieren (Feldman/Audretsch 1996, Keilbach 2002, Krugman 1991). Kritische Stimmen be12 Krugman (1991) betont die ersten beiden Gründe und befindet, dass Spillover-Effekte nachrangig berücksichtigt werden sollten, weil von diesen Informationsflüssen vornehmlich die wissensintensiven Branchen profitierten. Es würden sich aber auch Wirtschaftszweige im Low-Tech Bereich räumlich stark konzentrieren, die nicht so stark vom technologischen Wissensaustausch abhingen. Zudem seien technologische Spill-over-Effekte kaum messbar, da sie keine Spuren in Form von Verträgen, Aufzeichnungen oder sonstigen Dokumenten hinterließen. Es sollte daher das Augenmerk auf mehr greifbare und dadurch auch modellierbare Sachverhalte gelenkt werden (Krugman 1991, S. 52ff.).

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mängeln an der methodischen Vorgehensweise, dass solche Verfahren zwar formale Zusammenhänge aufzeigen, die tatsächlichen Wirkungsmechanismen in der mathematischen Operationalisierung jedoch sehr unvollständig abgebildet werden (vgl. Bathelt 2001, Mossig 2002). Dennoch haben die Ergebnisse dazu beigetragen, dass die drei genannten Faktoren (Arbeitskräftepool, intermediäre Inputs und technologische Spill-over-Effekte) als wichtige Vorteile einer räumlichen Konzentration allgemein anerkannt sind. Wie am Beispiel der Verpackungsmaschinenbau-Industrie oder der optischen Industrie festgestellt werden konnte, kommen diese Vorteile auch dann zum Tragen, wenn sich keine intensiven Vernetzungen oder zwischenbetrieblichen Kooperationen feststellen lassen. Entsprechend haben die befragten Unternehmen in den räumlichen Konzentrationen die Qualifikation des Personals und die Zuliefersituation an ihrem Standort als besonders vorteilhaft bewertet (Mossig 2000a, 2000c, 2005b, Mossig/Klein 2003). Neben diesen generellen Vorteilen einer räumlichen Konzentration wird in der umfangreichen Literatur zu Clustern die besondere Qualität der Interaktionsbeziehungen zwischen den Unternehmen in einer Agglomeration hervorgehoben. Um das jeweilige Wirkungsgefüge besser zu verstehen, wird eine Unterscheidung zwischen der horizontalen und der vertikalen Clusterdimension vorgenommen (vgl. im Folgenden Maskell 2001, Malmberg/Maskell 2002): Die vertikale Clusterdimension umfasst diejenigen Unternehmen mit komplementären Tätigkeiten innerhalb eines Clusters. Sie sind entlang der Wertschöpfungskette als Produktionsnetzwerk aus Zulieferern, spezialisierten Dienstleistern und Abnehmern miteinander verknüpft. Eine räumliche Konzentration von Unternehmen derselben Branche induziert eine entsprechende Nachfrage nach speziellen Vorprodukten und Dienstleistungen, so dass ein unterstützendes Umfeld entsteht. Dabei können sich besondere Vorteile durch eine Flexible-Spezialisierung (Piore/Sabel 1985, Sabel 1994) der Unternehmen ergeben, die über die genannten Vorteile ‚intermediärer Inputs‘ im Sinne einer günstigen Zuliefersituation vor Ort hinaus gehen. Ausgangspunkt eines solchen flexibel-spezialisierten Produktionssystems ist die nahezu vollständige Zerlegung der Wertschöpfungskette und die Auslagerung der einzelnen Teilschritte auf spezialisierte Unternehmen. Durch die Spezialisierung erlangen die jeweiligen Unternehmen in ihrem Teilbereich eine hohe produktspezifische Kompetenz und können dadurch entsprechende Spezialisierungsvorteile erreichen. Auf Grund ihrer produktspezifischen Kompetenzen sind die Unternehmen zudem in der Lage, ausgesprochen flexibel auf spezielle Nachfragewünsche einzugehen. Enge zwischenbetriebliche Verflechtungen und Aus67

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tauschbeziehungen ermöglichen die Übertragung der Kompetenzen und Flexibilität der einzelnen Unternehmen auf die gesamte Wertschöpfungskette (Mossig 2004a). Die Flexibilität eines solchen Systems kann zusätzlich gesteigert werden, wenn sich eine Wertschöpfungskette im Idealfall jeweils nach den spezifischen Anforderungen eines Auftrages aus entsprechend spezialisierten Firmen zusammensetzt. Sobald der Auftrag erledigt ist, löst sie sich wieder in die einzelnen Firmen auf. So erfolgt die Produktion in jeweils neuen Konstellationen beteiligter Partner, die idealerweise auf die spezifischen Anforderungen des Projektes abgestimmt ist. Harrison (1992) betont, dass die Vertrauensbeziehungen zwischen den Akteuren eine wichtige Institution zum Erhalt der notwendigen Stabilität in einem solchen flexibel-spezialisierten Produktionssystem sind. Vertrauensbeziehungen entstehen nicht spontan, sondern sind das Ergebnis eines rekursiven Prozesses, der auf regelmäßigen Interaktionen sowie positiven Erfahrungen in der Vergangenheit basiert (Mossig 2002). Auch für Vertrauensbeziehungen ist die pfadabhängige Entstehung des jeweiligen Kontextes von entscheidender Bedeutung. Die räumliche Nähe der Akteure zueinander erleichtert die Interaktionen und begünstigt den Aufbau des flexibel-spezialisierten Netzwerkes und der Vertrauensbeziehungen. Neuerdings verstärkt betont wird die Einbettung (‚Embeddedness‘) in einen gemeinsamen gesellschaftlich-institutionellen Rahmen (Oinas 1997, Glückler 2001), da formelle und informelle Institutionen die Planung und Koordination der Interaktionen und Austauschprozesse erleichtern, die im Zuge der Arbeitsteilung anfallen, und transaktionskostensenkend wirken. Sie vermindern zudem Unsicherheiten, da sie gleichfalls in der Lage sind, opportunistisches Verhalten zu sanktionieren (Berndt 1996). Vor diesem Hintergrund sollen in der empirischen Analyse der lokalen Knoten wichtige Institutionen identifiziert werden, welche die Interaktionsbeziehungen konkret regeln. Es soll die Frage beantwortet werden, welche Steuerungsmechanismen und Koordinationsformen einen möglichst reibungslosen Ablauf in solchen dezentralen Netzwerkstrukturen unterstützen und welche Bedeutung in dem konkreten Branchenbeispiel der räumlichen Nähe der Akteure in den Clustern beizumessen ist. Die horizontale Clusterdimension (Maskell 2001, Malmberg/Maskell 2002) ist ebenso wichtig wie die vertikale Dimension. Die horizontale Dimension wird durch die Unternehmen derselben Branche in einer Region repräsentiert, die auf derselben Stufe innerhalb einer Wertschöpfungskette stehen. Sie stellen ähnliche Produkte her und stehen untereinander im Wettbewerb. Wettbewerb ist eine zentrale Antriebskraft für 68

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ökonomisches Wachstum und daher ein zentraler Faktor für den erfolgreichen Bestand, die stetige Weiterentwicklung und die Erneuerungskraft eines Clusters. Während sich entlang der Wertschöpfungskette (vertikale Clusterdimension) das Zustandekommen von Geschäftsbeziehungen aus der jeweiligen Interessenlage der Zulieferer und Abnehmer quasi von selbst ergibt, unterhalten die Firmen der horizontalen Clusterdimension in der Regel keine ausgeprägten Kontakte oder Geschäftsbeziehungen miteinander. Doch auf Grund ihrer Co-Präsenz verfügen sie über ähnliche und vor allem vergleichbare Standortbedingungen. Sie sind vom gleichen politischen und gesellschaftlich-kulturellen Umfeld umgeben und damit mit vergleichbaren Gesetzgebungen, Regeln, Werten, Normen, Einstellungen oder Verhaltensmustern konfrontiert. Dadurch werden die Unternehmen in die Lage versetzt, ihre eigene Performance einfach und effizient mit der ihrer unmittelbaren Wettbewerber zu vergleichen. Mit den Worten von Maskell (2001) ausgedrückt: „While it might be easy for firms to blame the inadequate local factor market when confronted with the superior performance of competitors located far away, it is less so when the premium producer lies down the street“ (Maskell 2001).

Diese Vergleichbarkeit schafft eine gewisse sportliche Rivalität zwischen den beteiligten Unternehmen innerhalb eines Clusters. Neben der Betonung von Kooperationen und Zusammenarbeit in einem Cluster sollte daher die Bedeutung des Wettbewerbs und der Rivalität als wichtiger Motor für ökonomische Entwicklung auf keinen Fall vernachlässigt werden. Die Bedeutung der horizontalen Clusterdimension kann auch anhand der Frage verdeutlicht werden, worin die Vorteile von N co-lokalisierten Firmen der Größe S gegenüber einem einzelnen Großunternehmen der Gesamtgröße N · S liegen. Dies ist eine offensichtlich wichtige Frage, um neben dem Argument des Ansporns auf Grund der Rivalität und der Vergleichbarkeit die Wettbewerbsvorteile eines Clustern zu verstehen. Eine größere Zahl an Unternehmen gegenüber einem Einzelunternehmen führt zu Vorteilen einer höheren Diversität und Anpassungsfähigkeit. Dieser erweiterte Aktionsradius resultiert aus den verschiedenen Fähigkeiten und Einsichten sowie den unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen und Lösungsstrategien der jeweiligen Unternehmen respektive ihrer Eigentümer, Manager und Mitarbeiter. Dadurch werden vielfältige Lösungen für bestehende Probleme entwickelt, wodurch eine kontinu-

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ierliche Erneuerung der lokalen Wirtschaftsbasis gefördert wird (Malmberg/Maskell 2002, Maskell 2001). Neben der horizontalen und vertikalen Clusterdimension soll als dritter Bezugspunkt hinsichtlich der Mechanismen, die zur Verfestigung und Weiterentwicklung eines Clusters beitragen, auf die aktuelle Diskussion zur Bedeutung der räumlichen Dimension für die Generierung von neuem Wissen als wichtigste Ressource wirtschaftlicher Entwicklung eingegangen werden (Malecki 2000, Strambach 2004). So wird in dem Konzept der ‚Lernenden Region‘ in Analogie zum Lernen in Organisationen die räumliche Verankerung kollektiver Lernprozesse thematisiert (Fuchs 2001, Florida 2000, Hassink 1997b, Scheff 1999). Es wird mittlerweile sogar die These vertreten, dass Regionen bzw. räumliche Nähe ein Schlüsselelement im neuen Zeitalter des globalen, wissensbasierten Kapitalismus sind (Florida 2000). Um den Begriff ‚Wissen‘ konkret fassen zu können, ist eine Unterscheidung zwischen Daten, Informationen und Wissen hilfreich. Auf der untersten Stufe stehen einfache Sachdaten bzw. Daten, die klar strukturiert und leicht übertragbar sind. Auf der nächsten Stufe stehen Informationen. Sie stellen eine Verbindung zwischen den Daten und deren Bedeutung her (Faktenwissen). Diese Verbindung kann im Hinblick auf bestimmte Ziele gezielt aufbereitet werden. Auf der dritten Hierarchiestufe steht das Wissen. Es strukturiert und reflektiert die Informationen und ordnet diese in einen speziellen Kontext ein. Wissen besteht demnach aus Informationen, die zusätzlich beladen sind mit den Erfahrungen, Erkenntnissen, dem Urteilsvermögen, der Intuition und den Werten des Wissensträgers. Es ist dadurch eng an die jeweiligen Personen gebunden (‚tacit knowledge‘) und somit schwer zu übertragen. In anderen Worten ausgedrückt: Wenn Informationen die Variablen sind, dann ist Wissen ein Gleichungssystem, das aus diesen Variablen besteht (Malekki 2000). Ein wesentlicher theoretischer Baustein bezüglich der Bedeutung von Wissen als wichtigstem Produktionsfaktor stammt aus den Ansätzen über die Fähigkeiten und Kompetenzen eines Unternehmens (capabilities theory of a firm) (Blanc/Sierra 1999, Lawson/Lorenz 1999, Maskell/Malmberg 1999). Kompetenzen werden in diesem Zusammenhang nicht als zugewiesene Entscheidungsbefugnisse verstanden (Wöhe 1996, S. 185f.), sondern vielmehr als besondere Fähigkeiten eines Unternehmens, die sich durch bestimmte qualitative Merkmale auszeichnen. Bezogen auf die jeweilige Qualität sind drei Formen von Kompetenzen eines Unternehmens zu unterscheiden: Kompetenz, Kernkompetenz und dynamische Kompetenz.

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Kompetenzen sind Stärken des Unternehmens bei bestimmten Tätigkeiten oder in bestimmten Tätigkeitsbereichen. Sie erlauben dem Unternehmen in diesen Bereichen eigenständig und ohne externe Inputs zu agieren. Sie sind damit ein Grundbaustein bezüglich der aktuellen Wettbewerbsmöglichkeiten des Unternehmens. Kernkompetenzen besitzen eine höhere Qualität, denn damit sind solche Fähigkeiten gemeint, die das Unternehmen positiv gegenüber der überwiegenden Mehrheit der Wettbewerber herausheben. Dynamische Kompetenzen betreffen die Lernfähigkeit des Unternehmens. Sie werden als die Fähigkeiten eines Unternehmens definiert, seine Kernkompetenzen über die Zeit zu erneuern, zu steigern und den Tätigkeiten entsprechend anzupassen (Lawson/Lorenz 1999). Dynamische Kompetenzen sind somit zentraler Bestandteil zur Sicherung und zum Ausbau der unternehmenseigenen Wettbewerbsvorteile.

Abgesehen von dem seltenen Fall, dass neues Wissen der zufälligen Inspiration eines Genies entstammt, stellt neues Wissen das Ergebnis von Lern-, Austausch- und Suchprozessen dar (Siebert 2000, S. 420ff.). Dabei ist zu bedenken, dass die Unternehmen zur Generierung neuen Wissens zunehmend auf die Erfahrung und Kompetenzen externer Wissensträger angewiesen sind. Mit der stetig wachsenden Menge an Informationen und Spezialwissen steigt die Komplexität zur Lösung gegebener Probleme, so dass keine Firma dauerhaft über die Kapazitäten zur vollständigen Kontrolle sämtlicher Innovationsprozesse verfügt. So werden in der Regel zur Entwicklung eines neuen Produktes eine Reihe von Kompetenzen benötigt, die den Bereich der Kernkompetenzen des Unternehmens überschreiten. Für die Unternehmen stellt sich daher die Aufgabe, sich den Zugang zu externen Kompetenzen zu sichern. Daher ist nicht nur das eigene ‚Know-how‘ bedeutsam, sondern auch das ‚Know-who‘. ‚Know-who‘ bedeutet zu wissen, welcher Know-howTräger über die benötigten Erfahrungen und Kompetenzen verfügt, um die gewünschten Problemlösungen zu erreichen. ‚Know-who‘ erfordert ein bestimmtes Mindestmaß an eigenen Erfahrungen und Vorkenntnissen, um spezielles Wissen extern erwerben oder sich austauschen zu können. Andernfalls hätte ein Käufer zu unklare Vorstellungen davon, wonach er überhaupt suchen soll und wüsste nicht, ob bzw. wie ihm angebotenes Wissen konkret weiterhelfen kann. Das ‚Know-who‘ beinhaltet aber nicht nur die Kenntnis über die jeweiligen Kompetenzen der speziellen Wissensträger, sondern auch die Fähigkeit, die entsprechenden Beziehungen zu ihnen aufzubauen, um von ihrem Erfahrungsschatz profitieren zu können (Blanc/Sierra 1999). 71

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Solche Fähigkeiten werden auch mit dem Begriff des ‚sozialen Kapitals‘ beschrieben, der zum Ausdruck bringen soll, dass auch nicht-monetäre Ressourcen in ökonomischen Prozessen von großer Relevanz sind (Glückler 2001, 2004, S. 112ff.). Die Nutzung externer Kompetenzen bedeutet letztlich immer, Interaktionsbeziehungen zu externen Wissensträgern zu unterhalten, so dass auch hier Institutionen die wichtige Funktion haben, den Austausch zu regeln. Institutionen gelten allgemein als unsicherheitsmindernd. Insbesondere der Prozess der Wissensgenerierung ist mit hochgradigen Unsicherheiten behaftet. So bringt der zum Teil erhebliche Mitteleinsatz nicht zwangsläufig die gewünschte Innovationsleistung und die damit erhofften Gewinne hervor, sondern kann durchaus ‚im Sande verlaufen‘. Zudem sind Insiderinformationen und das Erfahrungswissen an einzelne Personen gebunden (tacit knowledge) und nur schwer auf den nichtperfekten Märkten handelbar. Die Marktkoordination ist suboptimal, da es kaum möglich ist, einen Preis für ein Stück Wissen oder eine Information zu bestimmen, der Angebot und Nachfrage in Einklang bringt. Dies wird dadurch erschwert, dass der Anbieter seine Ware im Vorfeld nicht vollständig präsentieren darf, weil der Kunde das offerierte Wissen sonst unter Umständen problemlos kopieren kann. Dieses Marktversagen kann nur durch die Entwicklung spezieller formaler und informeller Institutionen behoben werden, wobei eine langfristige Vertrauensbeziehung zwischen dem Anbieter speziellen Wissens und dem Kunden als die wichtigste Institution angesehen wird (Glückler 2004, Maskell/ Malmberg 1999). Ebenso wie medial verbreitete Informationen unterliegt auch spezielles Wissen der ‚Nicht-Rivalität im Konsum‘. Es kann zeitgleich an mehreren Orten zum Einsatz kommen, so dass der verstärkte Einsatz in der Regel nicht zwangsläufig zu sinkenden Grenzerträgen führt (Siebert 2000, S. 424). Ebenso geht beim Verkauf von Wissen die ‚Ware‘ nicht an den Käufer über, sondern bleibt weiterhin im Besitz des Verkäufers (Stehr 2001, S. 58). Bezüglich der räumlichen Dimension der Interaktionsbeziehungen im Zuge der Prozesse zur laufenden Erneuerung der Wissens- und Informationsbasis der Unternehmen stellt Malecki (2000) fest, dass der Wissensaustausch gegenüber Entfernungen hochsensibel ist. Dies begründet er mit der substantiellen Komplexität neuen Wissens sowie den genannen Unsicherheitsfaktoren. Beide Schwierigkeiten können durch häufige Interaktionen und Wiederholungsraten vermindert werden, weil sich dadurch feste Gewohnheiten, Routinen oder Konventionen, also formelle und informelle Institutionen, entwickeln. Durch die Nähe der Akteure gestalten sich häufige Interaktionen wesentlich einfacher, und 72

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die Herausbildung gemeinsamer Sprachregelungen, Umgangsformen und Handlungsabläufe sowie eines gemeinsamen Problemverständnisses wird begünstigt. Letztlich ist die Fähigkeit, erfolgreich Wissen und Erfahrungen auszutauschen, um dadurch selbst neues Wissen zu erwerben, eine wichtige Kompetenz an sich. Da Wissen an bestimmte Personen gebunden ist, sind im Zuge der Interaktionsprozesse insbesondere faceto-face Kontakte von Bedeutung (Gergs/Trinczek 2005). Die persönlichen Interaktionsradien und das direkte Umfeld der Wissensträger bestimmt damit weitgehend die Reichweite des Wissensaustausches. Nun erscheinen die Kenntnisse einer einzelnen Person noch relativ leicht in andere Regionen transferierbar zu sein, wenn die Person entsprechend mobil ist. Komplette innovative Interaktionsnetzwerke mit einer Vielzahl personeller Verbindungen sind dies jedoch nicht. Sie lassen sich nur über größere Zeiträume aufbauen und sind dann entsprechend lokal verankert (Lawson/Lorenz 1999). Deshalb bedeutet die Konzentration von Unternehmen eines Industriezweiges bzw. einer Wertschöpfungskette eine räumliche Bündelung spezieller Wissensträger. Bei funktionierenden Austauschbeziehungen stellt ein Cluster daher auch eine Anhäufung speziellen Wissens zum Vorteil der dort lokalisierten Firmen dar. Für den Zugang zu diesem externen Wissenspool werden auf Grund des unvollkommenen Marktes für das Gut Wissen nicht die verhandelbaren Geschäftsbeziehungen, sondern die nicht-handelbaren wechselseitigen Abhängigkeiten (‚untraded interdependencies‘) als besonders bedeutsam angesehen, die sich in Form von Konventionen, informellen Regeln und Verhaltensweisen offenbaren und die ökonomischen Aktivitäten der Akteure koordinieren. Gerade im Zuge des Wissensaustausches ist es ausgesprochen wichtig, dass sich die Akteure verstehen und die Kommunikationsprozesse funktionieren. Ein gemeinsames Verständnis der verwendeten Informationen und Begrifflichkeiten ist erforderlich, um erfolgreiche Resultate hervorzubringen. Storper (1995) sieht solche ‚untraded interdependencies‘ als regional lokalisiert an, da sie neben formellen insbesondere auf informellen Institutionen aufbauen. Im Zuge der verstärkten Interaktionen, die durch die Nähe der Akteure begünstigt wird, setzt ein kumulativer Prozess ein, denn jede erfolgreiche Austauschbeziehung erzeugt neue bzw. stärkt die bestehenden Institutionen, so dass eine Einbettung in das regionale institutionelle Geflecht entsteht. In ähnlicher Weise umschreiben Blanc/Sierra (1999) mit dem Begriff der ‚relationalen Nähe‘ das Phänomen, dass externes Wissen nur durch die Entwicklung kontinuierlicher Beziehungen übernommen werden kann. Relationale Nähe baut sich rekursiv auf positiven Vorerfahrungen auf und ist von diskursiver Rationalität geprägt, die sich in Form von gemeinsamen Arbeitsauffas73

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

sungen (Arbeitsethos), gemeinsamer Sprache und Kultur, guten gegenseitigen Kenntnissen, Vertrauen und in gemeinsam respektierten Normen des Verhaltens widerspiegeln. Dabei kann wiederum ein enger Zusammenhang zwischen räumlicher und relationaler Nähe unterstellt werden (vgl. in ähnlicher Weise auch Berndt 1996 oder Gertler 1995). Insgesamt sind die folgenden Vorteile einer räumlichen Konzentration bzw. eines Clusters dargelegt worden, welche die Wettbewerbsfähigkeit der dort lokalisierten Unternehmen stärken und auf diese Weise zur Verfestigung und zum weiteren Wachstum eines Clusters beitragen können: • Auch wenn von einer räumlichen Konzentration nicht automatisch nur positive Effekte ausgehen oder diese möglicherweise durch negative Netzwerkerscheinungen wie starre Strukturen und blockierende Verkrustungen überlagert sein können, so besteht doch Einigkeit darin, dass eine räumliche Konzentration die drei bereits von Marshall genannten Vorteile eines verfügbaren qualifizierten Arbeitskräftepotenzials, einer günstigen Zuliefer- und Dienstleistungssituation sowie der technologischen Spill-over-Effekte besitzt. Diese Vorteile ergeben sich auch ohne eine ausgeprägte Vernetzung der Unternehmen bei marktlich koordinierten Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen. • Besondere Clustervorteile basieren auf den Interaktionsbeziehungen zwischen den dort lokalisierten Unternehmen. Diese Beziehungen benötigen eine besondere Qualität, damit lokale Netzwerke entstehen können. Vernetzungen entlang der Wertschöpfungskette (vertikale Clusterdimension) ermöglichen Spezialisierungsvorteile und eine hohe Flexibilität. • Die vergleichbaren Standortbedingungen forcieren bezüglich der horizontalen Clusterdimension die Rivalität und den Wettbewerb zwischen den Unternehmen und erzeugen dadurch eine dynamische Vielfalt an neuen Ideen und Problemlösungen. • Bei funktionierenden Austauschbeziehungen bilden Cluster einen besonderen Pool, in dem spezielles Wissen (insbesondere ‚tacit knowledge‘) als zunehmend wichtiger Produktionsfaktor gebündelt lokalisiert ist und ausgetauscht wird. • Die vertikale und horizontale Clusterdimension sowie der Zugang zum Wissenspool eines Clusters wird maßgeblich durch bestimmte lokal verankerte Institutionen gesteuert, so dass die Vorteile eines Clusters eng an das jeweilige Set an Regeln, Normen, Werten und Verhaltensmustern geknüpft ist.

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KONZEPTIONELLE BEZUGSPUNKTE

Im Zuge der empirischen Untersuchungen der lokalen Knoten ist zunächst zu prüfen, ob sich ein flexibel-spezialisiertes Produktionssystem in den Clustern der Film- und TV-Industrie etabliert hat und ob die theoretisch genannten Vorteile tatsächlich realisiert werden. Ferner ist zu Fragen, ob in den lokalen Knoten tatsächlich ein Austausch speziellen Wissens existiert und ob dieser Austausch innerhalb der Cluster intensiver ist als über die Clustergrenzen hinweg. Es stellt sich zudem die Frage, worin dieses spezielle Wissen besteht. Dabei ist zu vermuten, dass innerhalb der Film- und TV-Industrie das Wissen weniger mit speziellen technischen Kenntnissen verbunden ist, sondern vielmehr die Fähigkeit zur erfolgreichen Gestaltung und Koordination der kreativen Prozesse umfasst. Insider-Informationen über aktuelle Trends, Ereignisse und Prozesse innerhalb der Branche gehören daher zum zentralen Wissensbestand, um sich in die Netzwerke einbringen zu können und an Projekten beteiligt zu werden. Bislang liegen noch wenig empirisch belegte Erkenntnisse darüber vor, ob sich der Zugang zu den Netzwerken des Wissens- und Informationsaustausches durch die Lokalisation in einem Cluster tatsächlich erleichtert und welche Rolle dabei lokal geprägte Institutionen spielen. Lassen sich beispielsweise Unterschiede zwischen verschiedenen Clustern derselben Branche ausmachen oder dominieren überregional geprägte Spielregeln das Geschehen (z.B. in Form eines übergreifenden gemeinsamen Branchenverständnisses)? Denkbar ist die Kombination aus lokal und überregional etablierten Institutionen, was letztlich eine sehr differenzierte Betrachtung erfordert.

3.2

Globale Verflechtungen und die M e d i e nw i r t s c h a f t

In empirischen Studien werden in der Regel die inneren Strukturen eines Clusters analysiert. In der Clusterliteratur wird jedoch auch auf die Bedeutung der Verbindungen über die Clustergrenzen hinaus hingewiesen. Bei fehlenden externen Verflechtungen droht die Gefahr, dass neue Entwicklungen und Ideen verpasst oder auf Grund von institutionellen Blockierungen und verkrusteter Strukturen verhindert werden (Grabher 1993b, 1993c, Schamp 2000a, S. 139ff.). Ein Cluster kann so seine regenerativen Kräfte verlieren. Zudem sind räumliche Strukturen ökonomischer Aktivitäten nicht allein durch die Prozesse der Clusterbildung und Clusterauflösung gekennzeichnet. Im Gegenteil, denn insbesondere die Globalisierungsdebatte weist deutlich darauf hin, dass es sich bei den Clustern in der Regel um die Knotenpunkte bzw. die Gravitationszentren 75

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

innerhalb der weltweiten Verflechtungen ökonomischer Aktivitäten handelt.

3.2.1 Globalisierung ökonomischer Aktivitäten Der Begriff ‚Globalisierung‘ wird seit den 1980er Jahren ebenso intensiv wie kontrovers aus unterschiedlichen Perspektiven in den verschiedenen Fachrichtungen diskutiert. Entsprechend vielfältig fallen die Begriffsdefinitionen der einzelnen Fachvertreter aus. Ökonomen heben die neue Dimension der Intensivierung transnationaler Austauschbeziehungen von Informationen, Kapital, Sachgütern und Personen hervor. Im Zuge der Globalisierung werden in zunehmendem Maße die Chancen auf den relevanten Märkten der gesamten Welt als Absatz-, Beschaffungs- und Finanzmarkt wahrgenommen (global marketing, global sourcing, global financing). Auf der Produktionsseite bedeutet dies eine Zunahme der weltweiten Arbeitsteilung und die Aufsplitterung mehrstufiger Produktionsprozesse auf getrennte Standorte. Auf der Konsumseite findet im Zuge der Globalisierung eine steigende Anpassung der nationalen und lokalen Nachfrage und Verbrauchsstrukturen an internationale Vorbilder statt (Gottwald/Hemmer 1998, Pausenberger 1999, von Weizsäcker 1999). Sozialwissenschaftliche Definitionen gehen von der raumzeitlichen Ausdehnung bzw. Intensivierung sozialer Praktiken sowie der Entstehung und Diffusion kultureller Muster über nationale Grenzen hinweg aus, deren Tiefgang, Geschwindigkeit und Reichweite konventionelle Formen der Modernisierung übersteigt. Ereignisse an einem Ort sind dadurch von Vorgängen geprägt, die sich an einem viele Kilometer entfernten Ort abspielen und umgekehrt (Giddens 1995, Müller 2002). Globalisierung ist damit ein gesellschaftlicher Prozess, der sich nicht allein auf die ökonomischen Aktivitäten beschränkt, dort jedoch eine besondere Bedeutung erhält. Aus wirtschaftsgeographischer Perspektive definiert daher Schamp (1996, 2000a): „Globalisierung wird [...] als ein historischer Prozeß verstanden, in dem mächtige Akteure eine weltweite Integration von Wirtschaftssektoren und Produktionssystemen bewirken, die zuvor territorial getrennt waren“ (Schamp 1996, S. 209, bzw. Schamp 2000a, S. 131).

Mit dem Hinweis auf die mächtigen Akteure ergänzt Schamp die zuvor genannten Definitionen, indem er die Antriebskräfte benennt, die den Globalisierungsprozess voran treiben und gestalten. Dazu zählt er insbesondere die Transnationalen Unternehmen und die Nationalstaaten, die in der Lage sind, auf Grund zielgerichteter, strategischer Handlungen ih76

KONZEPTIONELLE BEZUGSPUNKTE

re ökonomische, politische und soziale Umwelt nach ihren Vorstellungen zu beeinflussen (Schamp 1996). Es ist wichtig zu betonen, dass Globalisierung ein Prozess und kein momentaner Zustand ist, wobei unterschiedliche Meinungen existieren, wann dieser Prozess einsetzte. Geschlossene Volkswirtschaften hat es kaum jemals gegeben und bereits in der Antike wurde in der damals bekannten Welt mit Gewürzen, orientalischen Stoffen oder Gold, Silber und Edelsteinen gehandelt. Spätestens im 17. und 18. Jahrhundert setzte sich mit der Wirtschaftsphilosophie des Merkantilismus die Idee durch, mit dem Export eigener Güter den eigenen Wohlstand zu mehren, wobei die Abschottung der jeweils eigenen Märkte die Entfaltung des internationalen Handels noch blockierte (Koopmann/Franzmeyer 2003). Sinnvoll scheint die Verwendung des Begriffs Globalisierung jedoch frühestens für die in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts einsetzende qualitative Veränderung und quantitative Intensivierung der Austauschbeziehungen zu sein. So wird als Beleg für die Globalisierung zum einen darauf hingewiesen, dass seit den 1950er Jahren die Exporte weltweit stärker gewachsen sind als die weltweite Produktionsmenge (bzw. das Weltsozialprodukt). Überzeugender ist das Argument des überproportionalen Anstiegs der Ausländischen Direktinvestitionen seit Mitte der 1980er Jahre, da dieser Indikator das Definitionsmerkmal der zunehmenden weltweiten Arbeitsteilung und Aufsplitterung der Produktionsprozesse auf getrennte Standorte im Gegensatz zu den Exporten abbildet (Dicken 1998, S. 42, Haas/Neumair 2006, S. 41ff., Kulke 2004, S. 194, 2005). Als wichtige Ursachen bzw. ermöglichende Voraussetzungen für die Globalisierung wird auf die folgenden Prozesse hingewiesen (Dicken 1998, Haas/Neumair 2006, Koopmann/Franzmeyr 2003, Krätke 1995, Kulke 2004, 2005, Nuhn 1997, Schamp 1996, 2000a, von Plate 2003): • Liberalisierungs- und Deregulierungsvereinbarungen seit Mitte der 1950er Jahre, die den Abbau von Zöllen und mengenmäßigen Importbeschränkungen sowie eine Liberalisierung des Kapitaltransfers und der Kapitalmärkte zum Ziel hatten. Zu den wichtigsten Einrichtungen der Weltwirtschaft zählen diesbezüglich die Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organization), seit 1995 Nachfolgeorganisation des General Agreement on Tariffs and Trade (GATT), oder die Organization for Economic Cooperation and Development (OECD). • Der technologische Fortschritt im Transportwesen sowie bezüglich der Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichte die rapide Senkung der Transport- und Kommunikationskosten. Die Sicherheit und Schnelligkeit im Güterverkehr konnte ebenfalls erheblich gesteigert werden. So verringerten sich die Transportkosten 77

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE



an den gesamten Importaufwendungen der USA zwischen 1964 und 1981 von 10% auf 4,5% (Nuhn 1997). Neue Organisationsformen der Wirtschaft in Form von Transnationalen Unternehmen und dem Aufbau globaler Wertschöpfungsketten. Oligopolistische Strukturen auf den Weltmärkten versetzen die Transnationalen Unternehmen in die Lage, als mächtige Akteure ihr Umfeld zu beinflussen. Deren Anzahl ist begrenzt, denn nur wenige Unternehmen sind tatsächlich im globalen Maßstab vertikal integriert. Ihre Kraft, Globalisierungsprozesse zu gestalten, offenbart sich oftmals dadurch, dass in Folge ihrer strategischen Standortentscheidungen viele kleinere Unternehmen (z.B. Zulieferer) im Kielwasser nachfolgen und so zur Internationalisierung getrieben werden (Braun/Weikl 1997).

Der Begriff Globalisierung suggeriert eine weltumspannende Einbindung aller Erdteile. Dies ist irreführend, da sich die ökonomischen Verflechtungsbeziehungen und die gesellschaftlichen Konvergenzprozesse in der definitorisch geforderten Intensität vornehmlich innerhalb sowie zwischen den großen Wirtschaftsräumen der so genannten Triade abspielen. Weite Teile Afrikas, Zentralasiens oder Teile Lateinamerikas sind ökonomisch vom Globalisierungsprozess abgekoppelt. Ihre Entwicklungsperspektiven werden zudem nicht sehr optimistisch bewertet, da viele Voraussetzungen in den betreffenden Ländern nicht gegeben sind, um von der Globalisierung profitieren zu können (Dieter 2003).13 Einige Autoren sehen in der Globalisierung sogar die Ursache für neue Formen der Armut in den betreffenden Ländern (Scholz 2000, 2003, Fuchs 2003). Aber auch die vor allem westlich geprägten Gesellschaftsund Konsummuster finden im Zuge der Globalisierung keine weltweite Verbreitung. In der islamisch geprägten arabischen Welt stoßen sie sogar auf schroffe Ablehnung. Der Prozess der Globalisierung ist für die vorliegende Untersuchung von großer Relevanz. Die Produktion und Verbreitung von Filmen und TV-Sendungen als Untersuchungsgegenstand ist untrennbar mit den zuvor allgemein beschriebenen Globalisierungsprozessen verbunden. Zwei Aspekte sind dabei von besonderer Bedeutung. Erstens ist der Vertrieb der Produkte räumlich gesehen auf die entwickelten Volkswirtschaften der Triade ausgerichtet, da die Konsumenten dort über die notwendige Kaufkraft verfügen. Entsprechend wird zur Vergrößerung der AudienceReichweite mittlerweile im Rahmen der Finanzierung der einzelnen Projekte bewusst auf eine globale Vermarktungsstrategie gesetzt und die 13 Möglichkeiten und politische Maßnahmen diskutieren u.a. Altenburg (2001) und Gottwald/Hemmer (1998).

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KONZEPTIONELLE BEZUGSPUNKTE

Inhalte werden entsprechend auf einen möglichst weltweiten Konsumentengeschmack abgestimmt. Dadurch werden zweitens die produzierten Filme und TV-Sendungen zu einem wesentlichen Transportmechanismus im Prozess der gesellschaftlichen Konvergenzerscheinungen. Im folgenden Abschnitt soll dargelegt werden, wie sich der übergeordnete Prozess der Globalisierung im Rahmen der Analyse der globalen Verflechtungen in der untersuchten Medienwirtschaft konzeptionell handhaben lässt.

3.2.2 Globale Warenketten zur Analyse globaler Verflechtungen Als Ansatzpunkt zur Analyse globaler Verflechtungsstrukturen hat sich in der Wirtschaftsgeographie das Konzept der globalen Warenketten (global commodity chains) nach Gereffi (1994, 1999) bzw. Gereffi/Korzeniewicz (1994) etabliert.14 Porter (1991) hat zuvor in seinen Arbeiten zur Wertkette (value chain) innerhalb eines Unternehmens und dem Wertsystem, das über die Unternehmensgrenzen hinaus reicht, darauf hingewiesen, dass Wettbewerbsvorteile ihren Ursprung in der Art und Weise haben, wie die Unternehmen ihre Aktivitäten entlang der Wertketten organisieren. Einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen gelingt demnach nur, wenn aus unternehmerischer Sicht die einzelnen Teilbereiche einer Wertkette als System betrachtet werden und ihr Zusammenwirken berücksichtigt wird (Porter 1991). Arbeitsteilige Produktionsstrukturen sind kein räumlich begrenztes, lokales Phänomen und keineswegs auf die derzeit intensiv diskutierten Cluster beschränkt. Vielmehr wurden seit dem Zweiten Weltkrieg durch neue Transport- und Kommunikationstechnologien neue Formen der internationalen Arbeitsteilung und die Bildung globaler Warenketten (global commodity chains) möglich. Nach Gereffi (1994) manifestieren sich globale Warenketten als ein Produktionssystem, in dem bestimmte Teilbereiche in Form eines klar koordinierten Handels abgewickelt werden. Die ökonomischen Aktivitäten eines Unternehmens vollziehen sich demnach nicht nur innerhalb des eigenen Unternehmens, sondern in technologischen und organisatorischen Netzwerken, die das Unternehmen gezielt nutzt, um bestimmte Waren zu entwickeln, zu produzieren und zu vertreiben. Die Netzwerke werden auf globaler Ebene organi-

14 Vgl. die Arbeiten von Fuchs (2005), Gereffi et al. (1994) Gereffi (1994, 1999), Halder (2005), Hassler (2004), Korzeniewicz (1994), Kulke (2004, S. 120ff., 2005), Mayer (2003), Bathelt/Glückler (2002a, S. 275ff.), Schamp (2000a, S. 93ff.).

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NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

siert, wobei vier zentrale Dimensionen diese globalen Warenketten charakerisieren (Gereffi 1994, 1999, Hassler 2004): Erstens eine bestimmte Input-Output-Struktur, die sich als ein Set von Produkten und Dienstleistungen offenbart und als eine Sequenz an wertsteigernden ökonomischen Aktivitäten miteinander verbunden ist. Zweitens besitzen die globalen Warenketten eine konkrete räumliche Verteilung (Territorialität), die sowohl räumlich konzentriert als auch dispers sein kann. Drittens besitzt eine globale Warenkette eine Governance-Struktur in Form von bestehenden Autoritäten und Machtbeziehungen, die bestimmen, wie finanzielle, materielle oder menschliche Ressourcen in den Fluss der Kette eingebunden sind. Die vierte Dimension betrifft den institutionellen Rahmen in Form von lokalen, nationalen und internationalen Politiken, Gesetzen, Werten und normativen Rahmenbedingungen, welche den Globalisierungsprozess an den jeweiligen Orten und auf den verschiedenen Stufen der Warenkette prägen. Die Steuerungsmechanismen der Governance-Struktur sind von zentraler Bedeutung, um die Zusammenstellung und Funktionsweise einer solchen Warenkette zu verstehen. Gereffi (1994, 1999) unterscheidet diesbezüglich die zwei Grundformen der ‚Produzentendominierten Warenketten‘ (Producer-driven commodity chains) und der ‚Käuferdominierten Warenketten‘ (Buyer-driven commodity chains) (vgl. Abb. 3.3). Produzentendominierte Warenketten finden sich in solchen Wirtschaftszweigen, in denen große, integrierte und oftmals transnational organisierte Unternehmen die zentrale Kontrolle der Produktionssysteme inne haben. Sie sind charakteristisch für kapital- oder technologieintensive Industrien, wie z.B. Automobilherstellung, Flugzeugbau oder die Halbleiterindustrie. Die geographische Verbreitung ist international und wird üblicherweise über sub-contracting-Vereinbarungen vor allem bei arbeitsintensiven Komponenten abgeschlossen. Die Produzenten kontrollieren auch die Distribution ihrer Produkte und verfügen mit ihren Produkten über eine übergeordnete Position gegenüber den nachgelagerten Groß- und Einzelhändlern. Die Schaltzentralen der produzentendominierten globalen Warenketten sind die Hauptsitze der Transnationalen Unternehmen, wobei zwischen den globalen Wettbewerbern in Teilbereichen oftmals strategische Allianzen existieren.

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KONZEPTIONELLE BEZUGSPUNKTE

Abb. 3.3: Wertsystem nach Porter (1991) und Global Commodity Chains nach Gereffi (1994)

Quelle: Eigene Darstellung nach Porter (1991, S. 63, 65) und Gereffi (1994).

In käuferdominierten Warenketten sind große Zwischenhändler der entscheidende Dreh- und Angelpunkt, um dezentrale Produktionsnetzwerke in der ganzen Welt aufzubauen und zu kontrollieren. Dies können auf Grund ihrer Vertriebsmacht große Einzelhandelsketten sein (z.B. WalMart in den USA oder Aldi in Deutschland). Doch insbesondere in ar81

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

beitsintensiven Konsumgüterindustrien, die z.B. Schuhe, Spielzeug oder Haushaltswaren produzieren, operieren Hersteller mit starken Markennamen in solchen weltweiten Produktionsnetzwerken. Teilweise verfügen sie dabei sogar über keine eigenen Produktionsanlagen (z.B. der Sportartikelhersteller Nike (Korzeniewicz 1994)). Diese als ‚MarkenFabrikanten‘ oder als ‚Hersteller ohne Fabriken‘ bezeichneten Unternehmen entwerfen das Design in Rückkopplung mit ihren Vertriebsinformationen und lassen ihre Waren von so genannten ‚OriginalproduktHerstellern‘ fertigen (Original Equipment Manufacturer, OEM bzw. Original Brand Manufacturer, OBM) (Gereffi 1994, 1999, Halder 2005). Da diese Unternehmen keine Produzenten sind, besteht die Kernaktivität im Management der globalen Warenkette. Ihre Gewinne erzielen sie auf Grund ihrer Leistung, als strategischer Broker die Bereiche Design, Forschung, Vertrieb, Marketing und Finanzen erfolgreich zu kombinieren (Gereffi 1994, 1999). In der Medienwirtschaft und speziell bei der untersuchten Produktion und Distribution von Filmen und TV-Sendungen handelt es sich um produzentendominierte globale Warenketten, die von den Transnationalen Medienkonzernen gesteuert werden. Insbesondere der weltweite Vertrieb wird von ihnen dominiert. Auch sind die Produkte ausgesprochen kapitalintensiv. Im empirischen Teil der Arbeit wird die weltweite Dominanz der sieben großen Filmstudios (Majors) aus Los Angeles/ Hollywood im Filmgeschäft belegt (vgl. Kap. 6). Sie stellen dynamische Einheiten globaler Medienkonzerne dar und bilden im weltweiten Vertrieb ihrer Filme strategische Allianzen und oligopolistische Strukturen. Tabelle 3.1 zeigt eine Auflistung der 20 weltweit größten Medienkonzerne gemessen an ihrem Umsatz im Medienbereich (Medienumsatz) im Jahr 2004 verglichen mit 1998.15 Aufgenommen sind nur solche Unternehmen, die für publizistische Inhalte verantwortlich und die am überregionalen Film- und TV-Geschäft beteiligt bzw. mit strategischem Fokus auf TV-Märkte ausgerichtet sind. Nicht berücksichtigt sind daher reine Print-Konzerne oder reine Telekommunikations-Unternehmen und Kabelnetzbetreiber wie z.B. die ‚Deutsche Telekom‘ (Adolf Grimme Institut et al. 2004, S. 233 sowie 2000, S. 215). Ausführliche Profile der aufgelisteten Unternehmen einschließlich des jeweiligen Engagements in Deutschland finden sich bei Hachmeister/Rager (2000, 2002, 2005).

15 Dazu zählt auch der Umsatz aus den Bereichen, die sich mittelbar aus dem Mediengeschäft ergeben (z.B. Themenparks, Hotelketten etc.) (Adolf Grimme Institut et al. 2004, S. 233 sowie 2000, S. 215).

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KONZEPTIONELLE BEZUGSPUNKTE

Tab. 3.1: Die 20 größten Medienkonzerne der Welt 2004 gemessen am Medienumsatz im Vergleich zu 1998 Unternehmen

Hauptsitz

1. Time Warner Inc. 2. Walt Disney Co. 3. Viacom Inc. 4. News Corp. Ltd. 5. Bertelsmann AG 6. Comcast Corp. 7. Sony Entertainment 8. NBC Universal Inc. 9. Vivendi Universal S.A. 10. Groupe Lagardére 11. Clear Channel Comm., Inc. 12. Cox Enterprises Inc. 13. Reed Elsevier 14. Liberty Media Corp. 15. ARD 16. Gannett Co. Inc. 17. EchoStar Comm. Corp. 18. Pearson plc 19. BBC 20. NHK (Nippon Hoso Kyokai)

New York (USA) Burbank (USA) New York (USA) Sydney (Aus) Gütersloh (D) Philadelphia (USA) Tokio (J) New York (USA) Paris (F) Paris (F) San Antonio (USA) Atlanta (USA) London (GB) Englewood (USA) Frankfurt a. M. (D) Arlington (USA) Littleton (USA) London (GB) London (GB) Tokio (J)

weitere deutsche Medienunternehmen 44. Axel Springer Verlag AG Hamburg (D) 47. Hubert Burda Media Holding Offenburg (D) 48. Georg von Holtzbrinck GmbH Stuttgart (D) 49. Zeitungsgruppe WAZ Essen (D) 50. ProSiebenSat.1 Media AG Unterföhring (D)

Medienumsatz 2004 in Mrd. €

Rang 1998

Medienumsatz 1998 in Mrd. €

33,836 24,722 18,109 17,408 17,016 16,325 14,705 10,359 9,048 8,594 7,895 7,333 7,090 6,176 5,941 5,934 5,749 5,495 5,461 5,012

1. 2. 3. 5. 4. 17. 8. 14. 9. 10. >50. 13. 15. >50. 11. 18. >50. 23. 22. 19.

27,038 20,664 16,999 13,698 14,827 4,627 8,983 4,739 6,745 6,372 1,350 4,816 4,713 1,559 5,693 4,606 0,982 3,568 3,889 4,571

2,402 1,964 1,961 1,950 1,840

34. >50. 45. 42. 16.*)

2,460 -1,874 2,045 4,704*)

*) Rang und Umsatz der Kirch Media AG (2001 in Insolvenz) Quelle: Hachmeister/Rager (2005, S. 31ff.), Hachmeister/Rager (2002, S. 128, S. 139, S. 367) sowie Hachmeister/Rager (2000, S. 23ff.).

Die Tabelle 3.1 zeigt die besondere Stellung der USA als Standort der weltweit größten Medienunternehmen. Die Hälfte der zwanzig aufgelisteten Unternehmen hat ihren Hauptsitz in den USA, darunter auch die drei Unternehmen mit dem weltweit größten Medienumsatz. Das Ranking der 50 größten Medienkonzerne belegt zudem die Konzentration auf die Triade. Auf Nordamerika entfallen 21 der 50 größten Medienunternehmen (USA: 20, Kanada: 1), auf Europa 22 (Großbritannien: 8, Deutschland: 7, Frankreich: 3, Italien: 2, Niederlande: 1, Schweden: 1) und auf Japan 6 sowie ein weiteres auf Australien. Kein einziges Unternehmen hat seinen Hauptsitz außerhalb der Triade. Krätke/Taylor (2004) bzw. Krätke (2002a, 2002b, 2002c) haben in einer quantitativen Analyse die Vernetzung der globalen Knoten der Medienwirtschaft aufgezeigt. Sie gehen davon aus, dass sich räumliche Strukturen im Zuge der Globalisierungsprozesse in den Organisations-

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NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

netzwerken der transnationalen Unternehmen widerspiegeln, die die Verbindungen zwischen den weltweiten Zentren herstellen. Die Global Player organisieren ihre Aktivitäten als Produktionsnetze, deren Unternehmenseinheiten sich lokal mit kleinen spezialisierten Produzenten und Dienstleistern vernetzen, um an den informellen Informationsflüssen und der Wissensbasis der lokalen Cluster teilzuhaben. Insgesamt wurden 33 der größten globalen Medienunternehmen16 mit 2766 Unternehmenseinheiten in die Analyse einbezogen. Die globalen Medienunternehmen mussten in mindestens drei Nationalstaaten und mindestens zwei Kontinenten mit Unternehmenseinheiten präsent sein. Die 2766 Unternehmenseinheiten verteilen sich auf insgesamt 284 Städte. Daraus ergibt sich eine Datenmatrix mit 33 Medienunternehmen in 284 Städten, wobei in den Feldern die jeweilige Zahl der Unternehmenseinheiten des Konzerns X in der Stadt Y steht. Aus dieser Matrix wurde zunächst eine Einteilung der Städte in Alpha-, Beta- und Gamma-World Media Cities vorgenommen. Die absolute Zahl der vertretenen Konzerne sowie die absolute Zahl der Unternehmenseinheiten wurden als Abgrenzungskriterien herangezogen. Insgesamt 7 Städte gehören demnach zur Kategorie der Alpha World Media Cities: New York (185 Unternehmenseinheiten/ 22 Medienunternehmen), London (180/29), Paris (129/26), Los Angeles (111/25), München (96/20), Berlin (70/19) und Amsterdam (64/18). Neben der hohen Konzentration der medienwirtschaftlichen Aktivitäten auf wenige Zentren wird deutlich, dass die globalen Medienstandorte nicht dem Verteilungsmuster entsprechen, die im Rahmen der Global-CityDebatte insbesondere für Finanzplätze und wissensintensive Dienstleistungen ermittelt wurden (Beaverstock et al. 1999, Gerhard 2004, Hoyler 2004, Sassen 1997). So rangieren z.B. München, Berlin und Amsterdam bei den globalen Medienstädten in der Alpha-Gruppe, als ‚Global City‘ sind diese Städte jedoch in die Gamma-Gruppe eingestuft (Krätke/ Taylor 2004, Krätke 2002a, 2002b, 2002c). Neben der Präsenz globaler Medienunternehmen bzw. deren Teileinheiten an den einzelnen Standorten wurde die Verteilung der Unternehmenseinheiten der ausgewählten globalen Medienkonzerne analysiert, um auf die weltweiten Verflechtungen der jeweiligen Mediencluster zu schließen. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass sich räumliche Strukturen im Zuge der Globalisierungsprozesse in den Organisationsnetzwerken der transnationalen Unternehmen widerspiegeln, wird das Vorhandensein von Unternehmenseinheiten desselben Konzerns als bestehende Verbindung zwischen den betroffenen Standorten interpretiert. Anhand einer Hauptkomponentenanalyse (Bahrenberg et al. 2003) auf 16 Eine Auflistung der 33 untersuchten globalen Medienunternehmen findet sich bei Krätke (2002a, S. 262 bzw. 2002c).

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KONZEPTIONELLE BEZUGSPUNKTE

der Basis der Matrix der 102 Städte mit mindestens 5 Unternehmenseinheiten wurden räumliche Vernetzungsmuster identifiziert, die im Zusammenhang mit den Tätigkeitsschwerpunkten der betrachteten Medienunternehmen stehen (Krätke/Taylor 2004, Krätke 2002a, 2002b, 2002c). Die methodische Vorgehensweise gibt leider keine Auskunft darüber, in welcher Weise die Vernetzung zweier Standorte über die Unternehmenseinheiten eines globalen Medienkonzerns tatsächlich ablaufen und koordiniert werden. Ein stark diversifiziertes Medienunternehmen ist in verschiedenen Tätigkeitsfeldern aktiv und kann zwischen diesen Tätigkeitsbereichen möglicherweise kaum Synergieeffekte oder Vernetzungen erzeugen. Dennoch wurden Verbindungen unterstellt.17 Trotz dieser Einschränkung zeigt die Studie sehr gut generelle Strukturen und räumliche Verteilungsmuster auf. Für die vorliegende Untersuchung von besonderem Interesse ist der um München und Berlin gruppierte Netzwerkknoten, der über die hohen Faktorladungen von deutschen Medienunternehmen mit klarem Schwerpunkt im Bereich Film- und Fernsehen (Kinowelt, Kirch Gruppe, Das Werk, Constantin Film, Senator Entertainment, Bertelsmann und Pixelpark) definiert ist. Diese Firmen besitzen den Ergebnissen zufolge ein ähnliches Verteilungsmuster ihrer Unternehmenseinheiten. Nennenswerte internationale Verbindungen konnten für diesen Netzwerknoten lediglich nach Los Angeles festgestellt werden (Krätke/Taylor 2004, Krätke 2002a, 2002b, 2002c). Ein deutlicher empirischer Beleg für die Ausrichtung der Film- und TVBranche auf Los Angeles/Hollywood. Als Zwischenfazit bleibt festzuhalten, dass sich vor dem Hintergrund der Globalisierungsprozesse der Ansatz der globalen Warenketten nach Gereffi (1994, 1999) als Analyserahmen für die nachfolgende empirische Untersuchung der globalen Verflechtungen in der Medienwirtschaft eignet. Zunächst ist anhand sekundärstatistischer Auswertungen zu belegen, dass es sich im Bereich der Herstellung und Vermarktung von Filmen und TV-Sendungen tatsächlich um produzentendominierte Warenketten handelt, die von einigen wenigen transnationalen Medienkonzernen in oligopolistischen Strukturen gesteuert werden. Art und Umfang sollen zunächst quantifiziert werden. Im Detail konzentriert sich die qualitative Analyse auf die Verbindungen zwischen dem weltweit wichtigsten Zen17 So gehören beispielsweise zum Bertelsmann-Konzern so unterschiedliche Unternehmensbereiche wie die v.a. im europäischen Fernsehmarkt aktive RTL Group (Röper 2001) und die mit über 250 Unternehmenseinheiten weltweit operierende Logistik- und Datenmanagementtochter ‚Arvato‘. Es ist fraglich, ob die Einheiten der RTL Group faktisch eine organisatorische Verbindung zu den Arvato-Standorten bilden.

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NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

trum der Untersuchungsbranche in Los Angeles/Hollywood und dem deutschen Markt. Krätke/Taylor (2004) sowie Krätke (2002a, 2002b, 2002c) haben in ihrer Netzwerkanalyse belegt, dass für die deutschen Medienkonzerne der Film- und TV-Branche insbesondere die Verbindung nach Los Angeles/Hollywood bedeutsam ist, da sie dort mit entsprechenden Unternehmenseinheiten vertreten sind.

3.3

Steuerungsmechanismen in vernetzten Strukturen

Globalisierungsprozesse vollziehen sich jedoch nicht nur analog zu den Organisationsstrukturen der Transnationalen Unternehmen, sondern erfolgen parallel dazu in dezentralen Netzwerken kleinerer Unternehmen. Aufbauend auf den Erkenntnissen bezüglich der Steuerungs- und Koordinationsmechanismen der dezentralen Projektnetzwerke, die in den lokalen Knoten untersucht werden sollen, stellt sich die Frage, wie sich über große räumliche und kulturelle Distanzen hinweg solche dezentralen Netzwerke auf der globalen Maßstabsebene konstituieren. Zu diesem Zweck dienen erneut die Kettenglieder der Wert- bzw. Warenketten als Analyserahmen. Neben der Territorialität als wichtiges Charakteristikum (Gereffi 1994) soll dabei insbesondere auf die Steuerungsmechanismen eingegangen werden (Governance-Struktur). Es stellt sich die Frage, welche Institutionen sich herausgebildet haben, um einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Ein konzeptioneller Bezugsrahmen bezüglich der Steuerungsmechanismen in vernetzen Strukturen soll daher in den folgenden Abschnitten entworfen werden.

3.3.1 Elemente der Koordination in heterarchischen Strukturen Am Beispiel der britischen Werbeindustrie analysiert Grabher (2001) die Organisationsstrukturen einer Branche, deren Unternehmen einerseits als global operierende Gruppe auftreten, andererseits sind die einzelnen Teileinheiten der Unternehmensgruppe eng in die dezentralen Strukturen des kreativen Clusters der Werbeindustrie im Londoner Stadtteil Soho eingebunden. Das für die jeweilige Unternehmenseinheit relevante Zusammenspiel zwischen der Einbindung in die globale Unternehmensgruppe und der Einbindung in das lokale Cluster hat Grabher (2001) als Heterarchie konzeptionalisiert. Er analysiert damit solche Organisationsstrukturen qualitativ, deren Existenz Krätke/Taylor (2004) bzw. Krätke (2002a, 2002b, 2002c) quantitativ erfasst haben. 86

KONZEPTIONELLE BEZUGSPUNKTE

Grabher (2001) stellt fünf Elemente heraus, welche die fragile Balance zwischen integrativen und disintegrativen Prozessen bzw. zwischen Stabilität und Instabilität in einer solchen Organisationsstruktur charakterisieren: Diversität, Rivalität, Etikette, Projekte und Reflexivität. Diese Elemente koordinieren die Abläufe innerhalb der globalen Unternehmensgruppe ebenso maßgeblich wie die Vernetzung mit den anderen Firmen im lokalen Cluster. Die Struktur innerhalb der Unternehmensgruppe kann auch als funktionale Heterarchie und die Verflechtung innerhalb des Clusters als lokale Heterarchie bezeichnet werden. In Abbildung 3.4 ist das Zusammenspiel der fünf Steuerungselemente Diversität, Rivalität, Etikette, Projekte und Reflexivität schematisch dargestellt. Abb. 3.4: Elemente der fragilen Balance integrativer und disintegrativer Prozesse in heterarchischen Organisationsstrukturen

Quelle: Eigene Darstellung.

Bezogen auf die funktionale Heterarchie innerhalb einer global agierenden Unternehmensgruppe erläutert Grabher (2001) diese fünf Elemente wie folgt: Die Diversität als disintegrativer Prozess entsteht in den Unternehmensgruppen vor allem als Ergebnis von Akquisitionen und der Ausweitung der Aktivitäten und Geschäftsfelder. Bei Unternehmenszukäufen haben die globalen Werbeunternehmen in der Regel versucht, den Charakter des gekauften Unternehmens zu bewahren und nicht zwangsweise auf allen Ebenen der etablierten Unternehmensplattform unterzuordnen. Die einzelnen Unternehmenseinheiten bleiben als Marken bestehen und behalten ihre Exklusivität. Konkurrierende Kunden können so von verschiedenen Marken des Unternehmensverbundes beliefert werden und enge Bindungen der Kunden an einzelne kreative Mitarbeiter bleiben erhalten. Auch verschiedene Geschäftsfelder (von der Marktforschung bis zur Multimedia-Werbeproduktion) können dadurch von 87

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

entsprechend spezialisierten Einheiten zielgerichtet erschlossen werden. In der Diversität kleiner Teileinheiten innerhalb einer Unternehmensgruppe wird zudem der große Vorteil gesehen, dass in kleinen Einheiten die Kreativität und die künstlerische Freiheit der einzelnen Mitarbeiter als wichtiger Input-Faktor besser zu handhaben ist. Die Rivalität entsteht durch die zuvor erläuterten Strukturen der Diversität automatisch. Überschneidungen oder Konfrontationen zwischen den einzelnen Unternehmenseinheiten ergeben sich in den alltäglichen Geschäftsabläufen fast zwangsläufig. In der Rivalität wird eine wichtige Antriebskraft gesehen, durch die die Unternehmensgruppe ihre Dynamik erhält, weil die einzelnen Einheiten aufgefordert sind, im sportlichen Wettbewerb mit den anderen Tochterfirmen nach individuellen bestpractice-Lösungen zu suchen. Diesen beiden disintegrativen Prozessen stehen die stabilisierenden Faktoren gegenüber. So ist es für die Unternehmensgruppe wichtig, verbindende Etikette zu entwickeln, um ein gemeinsames Selbstverständnis zu etablieren, die Diversität zu bündeln und die Kommunikation innerhalb der Unternehmensgruppe zu fördern. Diese Etikette müssen auf Grund der dynamischen Gegebenheiten stetig angepasst werden. Grabher (2001) interpretiert dementsprechend die Umbenennung der Werbegruppe ‚WPP‘ in ‚WPP.com‘ als ein solches neu angepasstes Etikett. Symbolisch bedeute diese Umbenennung mehr als nur eine Reaktion auf die Tatsache, dass bereits über 50% des Umsatzes außerhalb der klassischen Werbebereiche erzielt wurden. Die Organisation der Tätigkeiten in Form von Projekten ist ein Instrument, das die Einzelteile einer Unternehmensgruppe partiell zusammenbringt. Häufig sind es Kundenaufträge, welche die verschiedenen Unternehmenseinheiten in konkreten Projekten zusammenführen, z.B. wenn verschiedene Dienstleistungen aus einer Hand gewünscht werden. Andere Kunden bevorzugen hingegen verschiedene Ansprechpartner für die jeweiligen Teilbereiche ihrer Werbekampagne. Folglich bietet die Projektorganisation eine Möglichkeit, ein starres Angebotsgefüge aufzubrechen und an den Kundenwünschen orientierte Leistungen zu offerieren. Projekte können auch von der Unternehmensgruppe initiiert werden, z.B. um die eigene Wissens- und Kompetenzbasis des Unternehmens auszubauen oder um neue Geschäftsfelder und Arbeitsmodelle zu entwickeln. Ein weiteres Ziel besteht darin, dass die einzelnen Unternehmenseinheiten durch die Projektzusammenarbeit voneinander lernen sollen. Zwischen den disintegrativen und den integrativen Prozessen kann auf Grund der dynamischen Veränderungen im unternehmerischen Umfeld kein dauerhaftes Gleichgewicht durch Optimierungsansätze erreicht 88

KONZEPTIONELLE BEZUGSPUNKTE

werden. Daher ist die Reflexivität ein wichtiger Bestandteil, um die Abläufe zu koordinieren. Die systematische Betrachtung der bestehenden Standards und Routinen durch entsprechende Dokumentations- oder Monitoring-Systeme unterstützt die Weiterentwicklung, Anpassung oder einen Wechsel der Handlungsweisen. Über diese fünf Elemente beschreibt Grabher (2001) auch die Koordination der lokalen Heterarchie im Cluster der Londoner Werbewirtschaft, also die Einbindung der einzelnen Unternehmenseinheit in das lokale Netzwerk. Die Diversität durch die Vielzahl der vor Ort lokalisierten Unternehmen ist ein charakteristisches Merkmal eines Clusters. Entscheidend ist jedoch, dass diese Vielfalt des unmittelbaren Umfeldes zielgerichtet in die eigene Unternehmensplanung einbezogen wird, um die eigene Position innerhalb der spezialisierten Arbeitsteilung zu finden. Die Rivalität zwischen den Unternehmen eines Clusters ist als treibende Kraft bereits im Zuge der horizontalen Clusterdimension (vgl. 3.1.2) erörtert worden. Auch die beiden integrativen Prozesse sind kennzeichnend für die Koordinationsweisen innerhalb der lokalen Netzwerken der Werbewirtschaft. So sind die konkurrierenden Unternehmen stolz auf das gemeinsame Etikett, zur Londoner Werbeszene zu gehören. Ebenso anerkannte Etikette finden sich auch in anderen Bereichen, die jeweils eng mit der lokalen Szene verbunden sind: Pariser oder Mailänder Mode, GrungeMusik aus Seattle bis hin zu Qualitätsklingen aus Solingen. Solche Etikette üben eine Anziehungskraft aus, weshalb kontinentaleuropäische oder US-Werbefirmen gezielt nach Soho gehen, um Teil der Szene zu werden, die mit dem Etikett verbunden sind. Zu den speziellen Ressourcen gehört beispielsweise, dass London als dauerhafter Trendsetter in den Bereichen Musik, Kunst, Kultur und v.a. Jugendkultur gilt. Diese Trends können vor Ort am besten absorbiert werden. Der Pool an externen Kreativen aus allen Bereichen, der in einem Cluster wie der Werbeszene in Soho konzentriert ist, wird durch die flexible Form der Projekte zusammengebracht. Wichtigster Faktor zur Bestimmung der Projektgrenzen ist die Zeit. Auf die kurzfristigen Nachfrageänderungen kann in der Regel durch die Bildung neuer Projektteams schnell reagiert werden. Auch die Koordination zwischen den unabhängigen Unternehmen eines Clusters basiert auf gemeinsam anerkannten Regeln und gemeinsamen Routinen. Mit der Reflexivität ist eine wichtige Kontroll- und Anpassungsfunktion verbunden, indem ungebührendes Verhalten sanktioniert oder veraltete Verhaltensregeln als überkommen erkannt und angepasst werden.

89

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

Aufbauend auf diesen grundlegenden Elementen, die zur Beschreibung des positionalen Verhältnisses einer Unternehmenseinheit innerhalb einer Unternehmensgruppe sowie innerhalb eines lokalen Netzwerkes relevant sind, stellt sich die Frage, nach welchen Grundsätzen letztlich die Entscheidungen in vernetzten Strukturen getroffen werden. Dabei steht zunächst die Frage im Vordergrund, welche Akteure an Entscheidungen beteiligt werden und auf welche Weise sie ihre jeweilige Entscheidungsmacht erlangt haben. Der letzte Abschnitt dieses Kapitels befasst sich damit (vgl. Mossig 2004a).

3.3.2 Macht und übergeordnete Entscheidungsbefugnisse in vernetzten Strukturen Der wichtigste Steuerungsmechanismus in vernetzten Strukturen liegt zunächst in der Auswahl der Netzwerkteilnehmer (Windeler et al. 2000). Mit der Besetzung der zentralen Positionen werden die Weichen hinsichtlich der späteren Zusammenarbeit entscheidend gestellt. Daraus leitet sich eine zentrale Fragestellung hinsichtlich der empirischen Untersuchung ab: Wer entscheidet über die Zusammenstellung der Mitarbeiter an einem Projekt (z.B. zur Herstellung einer TV-Sendung oder zum Vertrieb eines Films), und anhand welcher Kriterien erfolgt die Auswahl? Es wird dabei konzeptionell davon ausgegangen, dass die Steuerung von Netzwerken auf einer ungleichen Verteilung der Entscheidungskompetenzen und Machtbefugnisse zwischen den Akteuren basiert. Die Auswahl der Netzwerkteilnehmer wird nur von wenigen Entscheidungsträgern vorgenommen, so dass es einzelne Personen bzw. wenige Akteure sind, die ein Netzwerk maßgeblich steuern. In der Literatur zu Netzwerkbeziehungen entsteht manchmal der Eindruck, Netzwerkbeziehungen seien per se harmonisch und gleichwertig. Die dabei herausgestellten Merkmale der kooperativen Verhaltensweisen oder der Bedeutung von Vertrauen und Reziprozität (Strambach 1995) haben sicherlich einiges mit harmonischen Beziehungen gemeinsam. Jedoch muss dies keinesfalls auch mit gleichberechtigten Entscheidungsbefugnissen und ausgeglichenen Machtverhältnissen einhergehen. Im Gegenteil stellt umgekehrt eine ungleiche Verteilung der Entscheidungsmacht ein funktionales Element in einem Netzwerk dar, weil dadurch Entscheidungsprozesse erheblich beschleunigt werden (Hellmer et al. 1999, S. 62ff.). Nur durch eine klare Aufgaben- und Kompetenzverteilung, durch klare Entscheidungs- und notfalls auch Durchsetzungsstrukturen ist eine schnelle Koordination in einem System mit vielen Schnittstellen möglich. So werden auch in den Organisationstheorien 90

KONZEPTIONELLE BEZUGSPUNKTE

(Ortmann et al. 2000), die sich mit der Optimierung von Prozessen über Schnittstellen hinweg beschäftigen, die Machtverhältnisse als entscheidende Einflussgröße auf die Gestaltung der Beziehungen zwischen den Personen und Organisationen angesehen (Bornewasser 2000). Nach Staber (2000) gehört daher neben der Aufrechterhaltung des notwendigen Vertrauens und der Suche nach fairen Regelungen bezüglich des Knowhow-Transfers auch die Festlegung klarer Zuständigkeiten zu den wesentlichen Steuerungsproblemen eines Netzwerks. Doch auch wenn die Entscheidungsbefugnisse und Machtverhältnisse ungleich verteilt sind, so können die einzelnen Entscheidungsprozesse zwischen verschiedenen Hierarchiestufen durchaus von starken sozioinstitutionellen Verbindungen wie Vertrauensbeziehungen, positiven Erfahrungen bei vorangegangenen Projekten sowie gemeinsam erarbeiteten Konventionen, Normen und Routinen beeinflusst sein, oftmals sogar ausschlaggebend. An dieser Stelle erscheint es notwendig zu sein, Macht und Entscheidungskompetenzen als zentrale Steuerungselemente in einem Netzwerk konzeptionell zu fassen, um die Frage zu beantworten, woraus ungleiche Entscheidungsbefugnisse resultieren bzw. wodurch einzelne Akteure eine übergeordnete Machtposition erlangen. Machtbeziehungen sind vor allem in der Politikwissenschaft im Hinblick auf zwischenstaatliche Beziehungen thematisiert worden. Es spielen dabei jedoch auch solche Aspekte wie eine militärische Überlegenheit als zentrale Machtquelle eine Rolle (Albrecht/Hummel 1990), die auf die Steuerung des Beziehungsgeflechts von vernetzten Unternehmen nur wenig Einfluss ausüben. Keohane/Nye (1999) unterscheiden zunächst zwischen der ‚Macht über Menschen‘ als Fähigkeit, gewünschte Ziele zu erreichen, und der ‚Macht über bzw. den Besitz von Ressourcen‘, die zur Erreichung eigener Ziele notwendig sind. Sie differenzieren die ‚Macht über Menschen‘ zudem hinsichtlich einer ‚materiellen Macht‘ und einer ‚immateriellen Macht‘. Die ‚materielle Macht‘ offenbart sich im Sinne einer Macht des Stärkeren, indem andere Menschen durch Zwang, Drohung, Belohnung oder militärischen Druck veranlasst werden etwas zu tun, was sie sonst nicht tun würden. Die ‚immaterielle Macht‘ baut demgegenüber darauf auf, dass ein gemeinsames Ziel angestrebt wird. Es ist die Attraktivität des Ziels und nicht die Nötigung, durch die das erwünschte Verhalten des anderen erreicht wird. ‚Immaterielle Macht‘ erlangt man durch die eigene Überzeugungskraft und die Anziehungskraft eigener Ideen (Keohane/Nye 1999). In der Wirtschaftsgeographie haben insbesondere Taylor (2000) und Bathelt/Taylor (2002) die Bedeutung zwischenbetrieblicher Machtverhältnisse betont. In Anlehnung an diese Arbeiten sollen im Folgenden 91

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

drei Formen von Macht und übergeordneten Entscheidungsbefugnissen unterschieden werden, durch die die Netzwerke maßgeblich gesteuert werden. a) Macht durch Überlegenheit und Stärke: Diese Form der Macht entsteht durch den Besitz von oder die Kontrolle über bestimmte Ressourcen wie Bodenschätze, Geld, überlegene Technologien oder Informationen. Die ungleiche Ausstattung mit solchen Ressourcen bestimmt das positionale Verhältnis der Akteure zueinander. Es entstehen Ungleichheiten und Dominanzstrukturen. So hat in Netzwerken derjenige eine starke Position inne, der über die notwendigen Mittel verfügt, um Aufträge zu vergeben. Die Macht, die aus dieser ressourcenbasierten Überlegenheit resultiert, findet sich in der Regel in den Geschäftspraktiken des freien Marktes als Koordinationsform ökonomischer Aktivitäten wieder und ist daher nicht allein für Netzwerkbeziehungen charakteristisch. Der Anbieter eines knappen Gutes mit großer Nachfrage verfügt mit dieser Ressource über eine starke Verhandlungsposition. Ebenso hat derjenige, der über entsprechend hohe Finanzmittel oder eine überlegene Technologie verfügt, größere Handlungsspielräume und mehr Macht. b) Macht und Einflussnahme durch Beziehungen: Während man die erste Form im weitesten Sinne der materiellen Macht nach Keohane/Nye (1999) zuordnen kann, weist die zweite Form der Macht und Einflussnahme in einem Netzwerk durch Beziehungen Parallelen zur immateriellen Macht auf. Sie offenbart sich in den Möglichkeiten einzelner Akteure, mit der eigenen Überzeugungskraft die Gestaltung von Strukturen, Prozessen und Entscheidungen nach dem eigenen Willen zu beeinflussen. Im Sinne von Allen (1997) stellt dies nicht eine Macht über andere dar (‚Power over‘), sondern vielmehr die Macht zu überzeugen, etwas argumentativ zu erreichen sowie andere und deren Ressourcen für die eigene Sache zu mobilisieren (‚Power to‘, vgl. Allen 1997). Diese Position erreichen die Akteure, indem sie über gute Kontakte und Informationen verfügen, die sie geschickt zu nutzen vermögen. Dabei ist es wichtig, sowohl die formalen Gesetze als auch die informellen Regeln, Normen und Umgangsformen innerhalb des Netzwerkes zu beherrschen. Diese Macht muss von den Akteuren selbst generiert werden, so dass vorangegangene Ereignisse und frühere Verhaltensweisen sowie gewachsene Beziehungen und die eigene Reputation eine entscheidende Rolle spielen, um diese Form der Macht und Einflussnahme zu erlangen.

92

KONZEPTIONELLE BEZUGSPUNKTE

c) Kollektive Ordnungskräfte: Während die beiden ersten Formen darlegen, wodurch die Machtposition eines einzelnen Akteurs innerhalb des Netzwerkes bestimmt wird, existiert durch kollektive Ordnungsmechanismen eine Macht, die sich auf die Netzwerkstruktur als Ganzes auswirkt und somit zeitgleich Einfluss auf die Handlungen aller Akteure ausübt. Man kann sie als übergeordnete Ordnungskraft des gesamten sozialen Systems begreifen, die sich in gewachsenen und gemeinsam anerkannten Normen, Regeln und Umgangsformen ausdrückt. Diese wirken auf die Akteure ‚disziplinierend‘ (Taylor 2000, Bathelt/Taylor 2002), da bei Verstößen gegen das Regelsystem eine kollektive Sanktionierung droht. Gleichzeitig gewährleistet diese Ordnungskraft ein hohes Maß an Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der Handlungen und Sichtweisen der Netzwerkteilnehmer und trägt damit erheblich zur Stabilität der Netzwerkstruktur bei. Zügige Entscheidungsprozesse werden dadurch unterstützt, weil sich der Aufwand zur Absicherung und Kontrolle erheblich reduziert. So beruht beispielsweise das Phänomen der Netzwerkreputation (Glückler 2004, S. 106ff.) auf der Beurteilung der Leistung eines Akteurs durch die Erfahrungen, die vertraute oder bekannte Dritte mit diesem Akteur gesammelt haben. Diese drei Formen der Macht sind nicht trennscharf voneinander abgegrenzt, sondern es gibt durchaus Überschneidungsbereiche. So können mehrere der genannten Machtformen zeitgleich in Erscheinung treten, z.B. wenn ein einflussreicher Akteur zusätzlich über bestimmte Ressourcen verfügt. Die drei dargelegten Formen von Macht sind zudem ausgesprochen dynamisch. Da die gemeinsamen Regeln und Normen stetigen Anpassungen und Veränderungen unterliegen, können sich die Machtpositionen der jeweiligen Akteure rasch verändern. Macht entfaltet ihre Wirkungsweise letztlich in den einzelnen Handlungen der Akteure und beeinflusst mögliche Handlungsweisen in der Gegenwart oder Zukunft entscheidend mit. Insgesamt sind zwei konzeptionelle Ansatzpunkte bezüglich der Steuerungsmechanismen in vernetzten Strukturen dargelegt worden. Im zuerst dargelegten Konzept von Grabher (2001) werden fünf Elemente herausgestellt, welche die Einbindung einzelner Unternehmenseinheiten innerhalb der gesamten Unternehmensgruppe sowie innerhalb eines lokalen Clusters maßgeblich charakterisieren. Als übergeordneter Bezugsrahmen weist dieser Ansatz explizit darauf hin, dass die Beziehungen in den Netzwerken (sowohl unternehmensintern als auch unternehmensüber93

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

greifend) von disintegrativen und integrativen Prozessen geprägt sind, die sich in einer stetig wandelnden fragilen Balance befinden. Es ist das Zusammenspiel beider Seiten, welches in einer kreativen Branche wie der Werbewirtschaft eine positive Entwicklungsdynamik ermöglicht. Die dynamischen Wettbewerbskräfte der Konkurrenz und Vielfalt stehen in einem Netzwerk den stabilisierenden Elementen einer gemeinsamen Grundauffassung, geteiler Sichtweisen, anerkannter Werte und den gesammelten Erfahrungen in gemeinsamen Projektarbeiten gegenüber. Reflexive Elemente unterstützen die Handlungen, um die beiden Seiten entsprechend der gegenwärtigen Situation miteinander in Einklang zu bringen. Die von Grabher (2001) genannten fünf Elemente Diversität, Rivalität, Etikette, Projekte und Reflexivität tragen als Bausteine erheblich zum Verständnis der Abläufe im Zuge der Steuerung eines Netzwerkes bei. Vor dem Hintergrund dieser vergleichsweise allgemeinen Grundperspektive ist als zweiter konzeptioneller Bezugspunkt die Frage nach den konkreten Entscheidungsstrukturen in einem Netzwerk gestellt worden. Es wurde betont, dass in vernetzten Strukturen eine ungleiche Verteilung der Entscheidungsbefugnisse existiert und dies sogar ein wichtiges Element ist, um Entscheidungsprozesse zu beschleunigen. Dabei wurde auf verschiedene Ursachen hingewiesen, auf welche sich die jeweilige Entscheidungsmacht der einzelnen Akteure gründet: Erstens die Macht im Sinne einer Überlegenheit und Stärke auf Grund des Besitzes bestimmter Ressourcen, zweitens die Macht der Einflussnahme, die aus den Beziehungen eines Akteurs entsteht, und drittens die kollektiven Ordnungskräfte, welche auf das gesamte Netzwerk wirken. Ausgehend von den in diesem Kapitel vorgestellten konzeptionellen Bezügen sollen im nachfolgenden empirischen Teil der Arbeit die Netzwerke in den lokalen Knoten sowie die globalen Verflechtungen in der Film- und TV-Industrie analysiert werden. Dabei sollen zunächst die jeweiligen Netzwerkstrukturen erfasst werden, um anschließend die Steuerungsmechanismen zu analysieren.

94

4

Methodische Vorgehensw eise

In diesem Kapitel wird die empirische Vorgehensweise der vorliegenden Untersuchung vorgestellt und erläutert. Zunächst wird die Auswahl der Untersuchungsregionen begründet. Zu diesem Zweck werden die Kriterien dargelegt, nach denen die Mediencluster in München und Köln als lokale Knoten ausgewählt und in die Untersuchung einbezogen worden sind. Anschließend wird erläutert, weshalb die internationalen Verflechtungen am Beispiel der Verbindungen zwischen Los Angeles/Hollywood und dem deutschen Markten erhoben wurden (Kapitel 4.1). Danach soll das jeweils gewählte empirische Untersuchungsdesign für die Analyse der lokalen Knoten (Kapitel 4.2) und der globalen Verflechtungen (Kapitel 4.3) in der Film- und TV-Industrie vorgestellt werden.

4.1

Au s w a h l d e r U n t e r s u c h u n g s r e g i o n e n

Zur sinnvollen Eingrenzung der empirischen Untersuchung wurde als zentrale Analyseeinheit zunächst der deutsche Markt für Filme und TVSendungen ausgewählt. Untersucht wurden als erstes die Projektnetzwerke zur Herstellung von TV-Sendungen in den Medienclustern in München und Köln. In Deutschland ist die Trennung zwischen Produzenten, die Kinofilme herstellen, und TV-Produzenten nicht eindeutig. Auch bei der Finanzierung eines deutschen Kinofilms sind zunehmend TV-Sender beteiligt. Um einen der beiden Teilbereiche möglichst genau untersuchen zu können, konzentriert sich die Analyse der lokalen Knoten bewusst auf die Produktion von TV-Sendungen. Es haben sich sehr vielfältige TV-Formate (von der Unterhaltungsshow über TV-Spielfilme bis hin zu politischen Dokumentationen) etabliert, so dass sich die Untersuchung durch eine zusätzliche Analysekategorie ‚Kinofilmprodukti95

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

on‘ unnötig komplexer gestaltet hätte. Die Produktionsweise für Kinofilme und Fernsehsendungen unterscheidet sich weit weniger als die jeweiligen Vermarktungsstrukturen. Da in den lokalen Clustern die räumliche Nähe insbesondere im Zuge der Produktion eine Rolle spielt, sind die Ergebnisse durchaus auch auf den Bereich der Kinofilme übertragbar. Die Auswahl der Mediencluster in München und Köln fand wie folgt statt: In einem ersten Schritt sind zunächst verschiedene Branchenverzeichnisse ausgewertet worden, um den Unternehmensbestand im Bereich der Produktion von TV-Sendungen in Deutschland zu erfassen und räumliche Schwerpunkte zu identifizieren. Es handelt sich dabei um verschiedene Jahrgänge des ‚Jahrbuch Fernsehen‘ (Adolf-Grimme-Institut et al. 2000, 2002, 2003, 2004) und dem vom Bundesverband Deutscher Fernsehproduzenten e.V. (2001) herausgegebenen ‚Jahrbuch Directory 2001‘. Die Auswahl der Unternehmen erfolgt in diesen Verzeichnissen nach ihrer Stellung im Produktionsmarkt. Kleinere Unternehmen, die vor allem die Produkte ihrer Gesellschafter vertreiben sowie SubAuftragnehmer, sind darin nicht berücksichtigt (Adolf-Grimme-Institut et al. 2003). Die räumliche Verteilung dieser TV-Produktionsfirmen sowie der bedeutenden TV-Sender ist in Abbildung 4.1 dargestellt. Es zeigen sich deutliche räumliche Konzentrationen bezüglich der Produktion von TV-Sendungen in Deutschland an den Standorten Köln, München und Berlin.1 Insgesamt wurden 392 aktive Produktionsfirmen identifiziert, von denen in München 104, in Berlin 95 und in Köln 76 Unternehmen lokalisiert sind. Somit entfällt allein auf diese drei Standorte ein Anteil von 70% aller erfassten Unternehmen. Auch die TV-Sender sind auf diese drei Standorte konzentriert. In München haben neben dem öffentlich-rechtlichen Bayerischen Rundfunk (BR) sieben bedeutende private Fernsehsender ihren Hauptsitz. In Köln sind es neben dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) fünf private und in Berlin neben dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) noch 2 private Sender. In der Karte (vgl. Abb. 4.1) tritt der Standort Mainz zwar durch das ZDF deutlich hervor, jedoch haben sich dort kaum TV-Produktionsfirmen angesiedelt, so dass der Standort Mainz nicht als Cluster fernsehwirtschaftlicher Aktivitäten angesehen werden kann (Dorenkamp 2004, Dorenkamp/Mossig 2006). Als vierter Standort, jedoch mit deut1

96

Zu den Standorten München, Köln und Berlin werden im Folgenden auch die unmittelbar angrenzenden Umlandgemeinden mit einbezogen, die im Bereich der Produktion von TV-Sendungen funktional sehr eng mit der jeweiligen Stadt verflochten sind. In München betrifft dies die Gemeinden Unterföhring, Ismaning und Grünwald (Bavaria-Filmplatz in Geiselgasteig), in Köln die Gemeinde Hürth und in Berlin Potsdam/Babelsberg.

METHODISCHE VORGEHENSWEISE

lich nachrangiger Bedeutung, ist Hamburg zu sehen, wo sich das Fehlen privater TV-Sender ebenfalls bemerkbar macht und lediglich 34 TVProduktionsfirmen lokalisiert sind. Abb. 4.1: Räumliche Verteilung der TV-Produktionsfirmen sowie der TV-Sender in Deutschland 2003

Quelle: Adolf Grimme Institut et al. (2003), Dorenkamp (2004), z.T. telefonische Auskunft der Fernsehsender.

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NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

Gemessen am Produktionsvolumen in Sendeminuten wurden im Jahr 2000 trotz der föderalen Struktur im öffentlich-rechtlichen Bereich allein in München, Köln, Berlin und Hamburg 75,1% der Inhalte produziert. Legt man den Unternehmenssitz der jeweiligen Produktionsfirma zugrunde, entfallen sogar 86,1% der Sendeminuten auf diese Standorte. Nach dieser Auswertung ist Nordrhein-Westfalen mit dem zentralen Standort Köln der wichtigste Produktionsstandort, gefolgt von Bayern mit dem Großraum München (Formatt 2002). Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat in einer alternativen Studie die Umsatzsteuerstatistik und die Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zugrunde gelegt. Demnach entfielen im Jahr 2000 auf die vier Standorte Köln, München, Berlin und Hamburg rund 2/3 aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, 76% aller umsatzsteuerpflichtigen Produktionsbetriebe hatten dort ihren Sitz und erwirtschafteten rund 88% des Gesamtumsatzes (DIW 2002, S. 109f.). Insgesamt liegt eine Vielzahl an Studien vor, die bezüglich der Rangfolge der Schwerpunktregionen zu leicht unterschiedlichen Ergebnissen kommen.2 Die Unterschiede entstehen durch die verschiedenen Indikatoren, methodischen Vorgehensweisen oder die Abgrenzung der jeweiligen Untersuchungsbranche (Film- und Fernsehwirtschaft oder nur TV-Produktion). Insgesamt kann man Köln, München und Berlin als annähernd gleichwertige Standorte bezeichnen, denen gegenüber Hamburg bereits deutlich abfällt. Während Köln als Zentrum für Studioproduktionen gilt (z.B. Showformate wie Quiz-, Talk- oder Gerichtsshows), wird München und Berlin eine höhere Kompetenz im Bereich fiktionaler Produktionen (Spielfilme, TV-Movies) zugeschrieben. Für die empirischen Untersuchungen wurden die Cluster in Köln und München ausgewählt. Köln ergab sich aus bestehenden Kontakten des Autors zu dortigen Unternehmen der TV-Produktion, die den Einstieg in die Empirie erheblich erleichtert haben. Um die Ergebnisse der Untersuchung in Köln besser einordnen zu können und um lokal geprägte Strukturen von generellen Branchenmerkmalen zu unterscheiden, wurde eine zweite Untersuchungsregion ausgewählt, wobei die Wahl diesbezüglich auf München fiel. Gegen Berlin sprachen vor allem zwei Überlegungen: Zum einen unterlag Berlin vor und nach der Wiedervereinigung besonderen Entwicklungsbedingungen. Nach Jahren der Isolation wird die Entwicklung der Berliner Medienlandschaft nun vom ‚Hauptstadteffekt‘ überlagert, wodurch ein Vergleich mit Köln erschwert ist. Zweitens ist der öffentlich-rechtliche Sender Rundfunk Ber2

98

U.a. Ernst&Young (2003), DIW (2001, 2002), Formatt (2002), Schönert/Willms (2000, 2001), IHK München (1990, 1996, 2000, 2003), Sozialwissenschaftliches Institut München (2000).

METHODISCHE VORGEHENSWEISE

lin-Brandenburg (RBB)3 im TV-Bereich im Vergleich zum Westdeutschen Rundfunk (WDR) in Köln oder dem Bayerischen Rundfunk (BR) in München von wesentlich geringerer Bedeutung. Zudem sind unlängst Ergebnisse einer Netzwerkanalyse zur Filmwirtschaft im Metropolenraum Berlin-Potsdam publiziert worden (Krätke 2002a), auch wenn sich die methodische Vorgehensweise z.T. erheblich unterscheidet. Das Fernseh- und vor allem das Kinoprogramm besteht nicht nur aus Sendungen und Filmen, die in Deutschland hergestellt werden. Ein Großteil der gezeigten Inhalte wird international entwickelt und produziert. Krätke/Taylor (2004) bzw. Krätke (2002a, 2002b, 2002c) haben deutlich darauf hingewiesen, dass die Unternehmen der Film- und TVIndustrie in Deutschland insbesondere mit dem Standort Los Angeles/ Hollywood verbunden sind. Kein weiterer Standort außerhalb Deutschlands verfügt über vergleichbare Verflechtungsbeziehungen. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da Los Angeles/Hollywood seit der Entstehung der Filmindustrie zu Beginn des 20 Jahrhunderts das weltweit unangefochtene Zentrum der Untersuchungsbranche ist (vgl. Hozic 2001, Mossig 2006, Scott 2005, Wilson 1998). Die Auswahl von Los Angeles/ Hollywood zur Analyse der globalen Verflechtungen am Beispiel der Verbindungen zum deutschen Markt ergibt sich daher fast zwangsläufig.

4.2

U n t e r s u c h u n g s d es i g n i n d e n l o k a l e n Knoten München und Köln

Für die ausgewählten Mediencluster in München und Köln wurden zunächst eigene Unternehmensdatenbanken mit Kennwerten zu den dortigen TV-Produktionsfirmen und den am jeweiligen Standort lokalisierten TV-Sendern aufgebaut und gepflegt. Neben dem ‚Jahrbuch Fernsehen‘ (Adolf-Grimme-Institut et al. 2000, 2002, 2003, 2004) wurden insbesondere die Angaben des ‚Medienhandbuch Köln 1-6‘ (Steinmetz 1992, 1994, 1996, 1998, 2000, 2002) systematisch ausgewertet. Es enthält Angaben zum Tätigkeitsbereich, zur Zahl der festen und freien Mitarbeiter, dem Gründungsjahr, den Eigentumsverhältnissen sowie den wichtigsten Kunden der jeweiligen Unternehmen. Auch erleichtern die aufgeführten Angaben zu aktuellen Projekten eine Einschätzung, in welchem Umfang das betreffende Unternehmen tatsächlich an TV-Produktionen beteiligt ist. Neben den TV-Sendern und Produktionsfirmen sind spezialisierte Dienstleister und Zulieferer aus insgesamt 69 Teilbereichen der audiovi3

Seit dem 1. Mai 2003 hat der RBB die Rechtsnachfolge der zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten ‚Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg‘ (ORB) und ‚Sender Freies Berlin‘ (SFB) angetreten.

99

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

suellen Medien aufgeführt. Die Ausgabe 2002 enthielt insgesamt 4.048 Adressen, davon allein 404 Haupteinträge von Produktionsfirmen (Steinmetz 2002), also mehr als fünfmal mehr als in der Karte am Standort Köln dargestellt (vgl. Abb. 4.1). Damit wird eine Schwäche dieser Datenquelle deutlich, die den Abgleich mit anderen Verzeichnissen wie dem ‚Jahrbuch Fernsehen‘ sowie den Angaben des Produzentenverbandes erfordert: Das ‚Medienhandbuch Köln‘ basiert auf den Selbstauskünften der Unternehmen. So bezeichnen sich z.B. viele Freiberufler als TV-Produktionsfirma, obwohl sie lediglich kurze Einspielfilme zuliefern und bezüglich der Konzeption und Durchführung der eigentlichen Sendung in keiner Weise verantwortlich sind. Entsprechend reduziert sich die Zahl der ‚realistischen‘ TV-Produktionsfirmen in Köln auf die 76 Unternehmen, die in der Karte (vgl. Abb. 4.1) dargestellt sind. Jedoch eignet sich diese Datenquelle durchaus, um Hinweise zur Dynamik der Unternehmensgründungen und der Marktaustritte in den verschiedenen Teilbereichen der TV-Produktion in Köln zu bekommen. Eine vergleichbare Publikation liegt für München leider nicht vor. Neben der genannten Datengrundlage des Jahrbuch Fernsehens wurden zusätzlich Adressen und ausgewählte Unternehmensprofile als Hintergrundinformation in der Publikation ‚Medien in Bayern‘ (Scheele 1999) gesichtet. Weitere Adressen finden sich zwar im ‚Medien Handbuch München 2002‘ (o.V. 2002). Die Zahl der Einträge in den jeweiligen Bereichen übersteigt die Angaben in Medienhandbuch Köln jedoch noch um ein Vielfaches. Außer der Adresse sind keine relevanten Unternehmensangaben enthalten, so dass diese Datenquelle nicht weiter verwendet wurde. Die Gründungsdynamik und die Zahl der Marktaustritte konnten somit nur für den Mediencluster in Köln erfasst werden. Tab. 4.1: Leitfadengestützte Experteninterviews in München und Köln Position innerhalb des Produktionssystems

Interviewpartner München Köln Insg.

TV-Sender

8

5

13

TV-Produktionsfirma

8

9

17

Studiobetreiber/Technischer Dienstleister

3

2

5

Sonst. Dienstleister (Schauspielagentur, Casting, Kameraleute, Beratung, Cutter/Postproduktion, Realisatoren)

3

6

9

Vertrieb (Werbezeitenvermarktung, Öffentlichkeitsarbeit)

1

4

5

Institutionelles Umfeld (Verbände, Hochschulen, Finanzierung, Filmförderung, Wirtschaftsförderung)

5

3

8

Zahl der Interviews insgesamt

28

29

57

Quelle: Eigene Erhebung.

100

METHODISCHE VORGEHENSWEISE

Den Kern der empirischen Untersuchung bilden 57 leitfadengestütze Experteninterviews (Diekmann 1998, S. 443ff., Hopf 1995, Flick 1996, S. 109ff., Schnell et al. 1999, S. 355f.) mit Vertretern von Unternehmen auf verschiedenen Stufen des Produktionssystems zur Herstellung von TV-Sendungen sowie mit Experten aus dem institutionellen Umfeld (vgl. Tab. 4.1). In Köln wurden zwischen Dezember 2001 und April 2003 insgesamt 29 Interviews in vier Erhebungsphasen geführt, die jeweils 6-10 Tage dauerten. Die ersten fünf Interviews der ersten Erhebungsperiode besaßen dabei noch einen stark explorativen Charakter. Die 28 Interviews in München fanden während eines sechswöchigen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Forschungsaufenthalts im September/Oktober 2003 statt. In der Wirtschaftsgeographie haben qualitative Erhebungsmethoden wie das leitfadengestützte Experteninterview in jüngster Zeit zunehmende Bedeutung erfahren. Dies geht einher mit der aktuellen Debatte um die erkenntnistheoretische Fundierung des Faches. So sind die aus relationaler Perspektive wichtigen Grundelemente der Kontextualität, Pfadabhängigkeit sowie das Kontingenzprinzip für konkrete Sachverhalte nur durch qualitative Ansätze zu erheben. Auch die Bedeutung sozialer Beziehungen und institutioneller Bedingungen für ökonomische Prozesse erfordert den Einsatz qualititativer Methoden, um Begründungen und Erklärungszusammenhänge sowie die Vielfalt praktizierter Handlungsweisen angemessen zu erfassen. Eine klare Trennung von Ursache und Wirkung der jeweiligen Handlungen kann nicht vorgenommen werden, so dass rein quantitative Methoden zur Bestimmung eindeutiger handlungsbestimmender Faktoren als nicht geeignet angesehen wurden. Bei qualitativen Verfahren wird der Forscher zum expliziten Bestandteil des Forschungsprozesses, indem er mit seinem Forschungsobjekt vielfältig interagiert und es nicht als außenstehender Beobachter neutral analysiert. Daher ist mit leitfadengestützten Experteninterviews das Problem verbunden, dass die Datenqualität sehr stark von den Fähigkeiten des Interviewers abhängt, jedoch seine Eignung als Interviewer letztlich nie zweifelsfrei nachweisbar ist. Zudem stellen Leitfadeninterviews hohe Anforderungen an die Auskunftbereitschaft und die sprachliche und soziale Kompetenz des befragten Interviewpartners. Interviewer und befragte Person müssen sich verstehen, wobei die Gefahr besteht, dass der Interviewer das Gespräch bewusst oder unbewusst in eine solche Richtung lenkt, die seine theoriegeleiteten Vorstellungen belegt (Diekmann 1998, S. 443ff., Hopf 1995, Flick 1996, S. 109ff., Mossig 2000a, S. 58ff., Schnell et al. 1999, S. 355f.). Vor diesem Hintergrund hat sich eine Tonbandaufzeichnung und die eigenständige Transkription als Kontrollmechanismus sehr bewährt. So wurden die Aussagen zur Vermei101

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

dung solcher selbsterfüllender Prozesse in der Regel wörtlich aufgezeichnet und lediglich um sprachliche Fehler bereinigt. Dadurch konnten im Nachhinein noch einige Hinweise entdeckt werden, die im Interview selbst nicht erkannt und aufgegriffen wurden. Da es sich um eine zirkuläre Vorgehensweise im Forschungsprozess handelt (Glückler 2004, S. 127ff.), konnte im Zuge des nächsten Interviews diese vorangegangene Erfahrung mit berücksichtigt werden. Die Interviews dauerten in der Regel zumindest 60 Minuten, je nach Zeitbudget des Gesprächspartners teilweise erheblich länger. Das Ziel der Interviews bestand zunächst darin, das Produktionssystem zur Herstellung einer Fernsehsendung zu erfassen, indem erhoben wurde, wie die jeweiligen Unternehmen und ihr Tätigkeitsbereich in das Netzwerk zur Herstellung einer Fernsehsendung eingebunden sind. Es wurde danach gefragt, welche Faktoren bei der Auftragsakquisition aus ihrer Sicht relevant sind, um in ein Projektnetzwerk zur Herstellung einer Fernsehsendung einbezogen zu werden. Desweiteren wurde gefragt, ob die Unternehmen selbst Aufträge an Subunternehmer vergeben. Wenn dies der Fall war, wurden die Kriterien der Auftragsvergabe erfragt, wobei während der Interviews großer Wert auf Erklärungen und Begründungen gelegt wurde. Zudem wurde nach den jeweiligen Entscheidungsbefugnissen im Zuge der Durchführung einer TV-Produktion gefragt, um die Entscheidungskompetenzen zu ermitteln, die mit den jeweiligen Positionen innerhalb des Produktionssystems verbunden sind. Dadurch konnten zusätzliche Hinweise gesammelt werden, auf welcher Grundlage die Entscheidungsbefugnisse basieren. Neben den Netzwerken, die sich konkret zur Produktion einer Sendung formieren, spielen in Clustern informelle Netzwerke und soziale Beziehungen der Akteure eine wesentliche Rolle, z.B. durch den beschleunigten Informationsaustausch und daraus resultierenden Lernprozessen. Dies beinhaltet nicht nur, dass die Akteure durch die Lernprozesse selbst über das benötigte spezielle Wissen verfügen. Mindestens ebenso relevant ist der Zugang zum Spezialwissen externer Experten. Durch die Einbindung in informelle Informationsnetzwerke erlangen die Akteure Kenntnisse darüber, wer über zusätzlich benötigtes Know-how verfügt (‚Know-who‘). Auch Empfehlungen und die eigene Netzwerkreputation (Glückler 2004) als wichtiger Zugang zu externen Knowhow-Trägern resultieren aus dieser Einbindung. Entsprechend sind von den Interviewpartnern Informationen über die Bedeutung informeller Kontakte und Treffen sowie bezüglich der Rolle der persönlichen Netzwerke in der Medienbranche eingeholt worden. Abschließend wurden die Interviewpartner um eine Einschätzung bestehender Vor- und Nachteile am eigenen Standort gebeten. 102

METHODISCHE VORGEHENSWEISE

Die auf diesem Wege erhobenen Ergebnisse und Erklärungszusammenhänge wurden in einem Zwischenbericht (Mossig 2004d) zusammengefasst und den 57 Interviewpartnern kostenlos zur Kontrolle zugeschickt. Knapp ein Fünftel der Interviewpartner hat auf die Zusendung dankend reagiert, Fehldeutungen wurden dabei nicht angemahnt. Im Anschreiben wurde zudem auf die bevorstehende Untersuchung in Los Angeles/Hollywood hingewiesen. Auf diesem Wege konnten bereits wertvolle Kontakte und Ansprechpartner für die zweite große Erhebungsphase in Los Angeles/Hollywood ermittelt werden. Informationen und weitere Einblicke konnten zudem durch den Besuch verschiedener Veranstaltungen und Events erreicht werden, bei denen sich die TV-Produktionsszene in Deutschland trifft.4 Im Rahmen von zwei Exkursionen nach Köln fanden zudem zusätzliche Besuche beim WDR, bei zwei Studiobetreibern sowie der Betreibergesellschaft des Coloneums und der Entwicklungsgesellschaft des MediaParks statt.

4.3

E m p i r i s c h e V o r g e h e n sw e i s e z u r An a l ys e der globalen Verbindung zwischen L o s An g e l e s / H o l l yw o o d u n d d e m deutschen Markt

Den empirischen Ergebnissen bezüglich der Verbindungen zwischen Los Angeles/Hollywood und dem deutschen Markt liegt ein knapp dreimonatiger Forschungsaufenthalt am Department of Geography, University of California Los Angeles (UCLA) bei Prof. Allen J. Scott in der Zeit von Juli-September 2004 zugrunde. Dieser Aufenthalt wurde ebenfalls von der DFG finanziert. Im Zuge der Durchführung der empirischen Arbeiten konnten die Kontakte aus den Erhebungen in München und Köln genutzt werden. Der Zugang zu einigen Interviewpartnern erleichterte sich durch die erhaltenen Empfehlungen erheblich. Zudem wurden bereits vor dem Aufenthalt in Los Angeles/Hollywood vier vorbereitende Interviews mit Personen in Berlin und München geführt, die im internationalen Geschäft tätig sind und von deutscher Seite her eine Schnittstelle nach Los Angeles/Hollywood bilden. Dadurch konnten vorab wichtige Informationen zu verschiedenen Ebenen, auf denen die internationalen Verflechtungen stattfinden, sowie die Grundstruktur der jeweiligen Wert- bzw. Warenketten erfasst werden. Insgesamt wurden 4

Dies waren u.a. der Besuch der Gala zur Verleihung des Deutschen Fernsehpreis in den Jahren 2002, 2003, 2004, der Besuch der Medientage München 2003 und die Teilnahme an der Diskussionsveranstaltung zum neuen Mediengutachten der IHK München und Oberbayern.

103

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

26 leitfadengestützte Interviews geführt, wobei darauf geachtet wurde, dass vor allem die Stufen derjenigen Warenkette erfasst wurden, welche die wichtigste Verbindung zwischen Los Angeles/Hollywood und Deutschland darstellt. Dies betrifft den Vertrieb von Kinofilmen aus Los Angeles/Hollywood entlang der Stufen ‚Produzent‘ í ‚Weltvertrieb‘ í ‚lokaler Distributor‘ í ‚Kino/DVD/TV-Auswertung‘ (Hesse 1999, S. 82). Tabelle 4.2 gibt eine Übersicht bezüglich der Positionen der Interviewpartner innerhalb dieser Warenkette. Tab. 4.2: Leitfadengestützte Experteninterviews bezüglich der globalen Verbindungen zwischen Los Angeles/Hollywood und dem deutschen Markt Position innerhalb der Warenkette

Interviewpartner Deutschland Los Angeles/ insgesamt Hollywood

Produzenten in Los Angeles/Hollywood

--

4 (+1)

4 (+1)

Consultant, Produktions- und Vertriebsdienstleistungen mit Verbindungen nach Deutschland

1

4

5

Weltvertrieb

--

3 (+1)

3 (+1)

Lokale Distributoren

1

3

4

Kinobetreiber Institutionelles Umfeld

1 --

-4

1 4

TV-Sender, TV-Formatentwicklung mit internationalen Verbindungen

2

3

5

Zahl der Interviews insgesamt

5

21 (+2)

26 (+2)

(+1): Interviewpartner, deren Tätigkeitsschwerpunkt sich in einen anderen Bereich verlagert hat, die aber im Rahmen des Interviews zusätzlich erhebliche Erfahrungen und Kenntnisse in diesem Bereich vermitteln konnten. Quelle: Eigene Erhebung.

In den Interviews wurden die Gesprächspartner zunächst danach gefragt, auf welche Weise sie bzw. ihr Unternehmen in das internationale Geschäft eingebunden sind und welche Schnittstelle sie durch ihren Tätigkeitsbereich zum deutschen Markt bilden. Diese Tätigkeiten sollten zunächst ausführlich beschrieben werden. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, wie sich die Koordinations- und Abstimmungsprozesse zu den vor- und nachgelagerten Bereichen gestalten. Es wurde gefragt, wie häufig die im internationalen Geschäft tätigen Akteure in Kontakt zueinander treten, welche Kommunikationsmedien dabei zum Einsatz kommen, wie wichtig face-to-face-Kontakte und wie wichtig im Vergleich dazu moderne Telekommunikationstechnologien sind. Ferner wurde nach der 104

METHODISCHE VORGEHENSWEISE

Häufigkeit persönlicher Treffen und den konkreten Orten gefragt, an denen diese Treffen stattfinden. Besonderes Augenmerk wurde der Frage nach der Art der Überwindung der räumlichen Distanzen und Zeitzonen gewidmet. Die formellen und informellen Informationsflüsse gelten als erheblicher Clustervorteil, die sich auf Grund der räumlichen Nähe der Akteure und den vereinfachten Kommunikationsmöglichkeiten ergeben. Es stellt sich daher die Frage, welche Institutionen die Abläufe über große räumliche und auch kulturelle Distanzen hinweg steuern. Möglicherweise existieren ähnliche Mechanismen wie in den Clustern, die einen möglichst reibungslosen Ablauf zwischen den Schnittstellen eines Netzwerkes ermöglichen. Abschließend wurden die Interviewpartner um eine persönliche Einschätzung des Standorts Los Angeles/Hollywood im Vergleich zu den Medienclustern in Deutschland gebeten sowie nach deren Einbindung in die Netzwerke vor Ort gefragt, um Hinweise zu erhalten, warum die befragten Unternehmen in Los Angeles/Hollywood lokalisiert sind. Die erste Kontaktaufnahme zu den Interviewpartnern erwies sich als erheblich schwieriger als in Köln und München. Interviews ergaben sich zumeist nur unter Angabe von Empfehlungen bekannter Personen aus dem beruflichen Umfeld des Interviewpartners. Die Interviews dauerten zumindest 30 min., z.T. erheblich länger. Neun Interviews fanden in englischer Sprache statt, bis auf die Ausnahme von zwei Telefoninterviews konnten alle Gespräche mit dem Tonband aufgezeichnet werden. Durch den längeren Aufenthalt vor Ort ergab sich zu einigen Gesprächspartnern nach den geführten Interviews ein persönlicher Kontakt, so dass bei einigen anschließenden Verabredungen zum Kaffee, Lunch oder Dinner viel über die Branche, den Standort Los Angeles sowie das Forschungsvorhaben gesprochen werden konnte. Auch auf einer AfterworkParty der deutschen Ex-Pats in Los Angeles/Hollywood wurde mit verschiedenen Akteuren gesprochen. Diese persönlichen Kontakte entwikkelten sich leichter und unkomplizierter als zuvor in München oder Köln. Da die Film- und Unterhaltungsindustrie in Los Angeles/Hollywood überall präsent ist, wurden zudem vielfältige Aktivitäten unternommen, um die Untersuchungsbranche näher kennen zu lernen und besser zu verstehen. Um die weltweit einzigartige Stellung von Los Angeles/Hollywood in der Produktion und vor allem im globalen Vertrieb von Kinofilmen zu dokumentieren sowie um die oligopolistische Dominanz der sieben ‚Major Studios‘ gegenüber den so genannten ‚Independents‘ und den Filmproduzenten aus anderen Ländern quantitativ zu erfassen, wurden verschiedene filmwirtschaftliche Fachpublikationen analysiert. Die Angaben über die jährlich produzierten und weltweit verbreiteten Filme 105

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

einschließlich der Marktanteile in den jeweiligen Ländern wurden in mehrere umfangreiche Datenbanken zusammengetragen und anschließend ausgewertet.5 In die Analyse wurden alle Filme einbezogen, die im Zeitraum zwischen dem 01. Juli 2003 und dem 30. Juni 2004 in Deutschland und den USA erschienen sind und zumindest in einer Woche zu den 10 meistbesuchten Filmen in Deutschland bzw. den 30 meistgesehenen Filmen in den USA gehört haben. Für den US-amerikanischen Markt wurden auf diese Weise 192 Filme und für die Kinos in Deutschland 136 Filme identifiziert, die in dem einjährigen Beobachtungszeitraum angelaufen und im nennenswertem Umfang besucht worden sind. Wichtige Variablen, die für die einzelnen Filme erfasst wurden, sind die Produktions- und die Marketingkosten, das Herkunftsland sowie der jeweilige lokale Verleiher. Vor allem wurden die Einnahmen an den Kinokassen weltweit, in den USA sowie in Deutschland für jeden der identifizierten Filme erhoben. Der Indikator der Einnahmen kann sehr gut abbilden, welche Aufmerksamkeit die Filme erzielt haben und somit den relativen Erfolg bestimmen. Da jedoch der Großteil der Einnahmen an den Kinokassen bei den Kinobetreibern verblieben, kann dieser Indikator nicht verwendet werden um zu prüfen, ob der Film die investierten Produktions- und Marketingkosten decken konnte und wie hoch der tatsächliche Gewinn ist. Zudem wird ein Großteil der Einnahmen eines Film nicht an den Kinokassen erzielt, sondern auch in der anschließenden Verwertung der Filmrechte bis hin zum Verkauf von Merchandising-Artikeln. Dennoch gibt der Erfolg an den Kinokassen letztlich das nachfolgende Verwertungspotential eines Films entscheidend vor (Wilson 1998, S. 51). Ein Film, der an den Kinokassen erfolgreich ist, lässt sich besser auf den nachfolgenden Stufen vermarkten als ein Flop. Auch eignet sich der Indikator, um die Bedeutung einzelner Gruppen von Filmproduzenten auf dem Weltmarkt, in den USA und in Deutschland abzuschätzen, indem die jeweiligen Marktanteile bestimmt und miteinander verglichen werden können.

5

106

Die Recherchen umfassten die täglich bzw. wöchentlich erscheinenden Fachzeitschriften ‚The Hollywood Reporter‘, ‚Variety‘, ‚Screen International‘ sowie die Monatszeitschrift ‚Screen Digest‘, bzw. Einzelpublikationen wie der ‚International Motion Picture Almanac 2004‘ (Quigley 2004) oder Angaben der Motion Picture Association of America (MPAA) (vgl. www.mpaa.org) und das Internetangebot ‚www.boxofficemojo.com‘.

5

Empirische Anal yse der lokalen Knoten: Die Mediencluster München und Köln

In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung der dezentralen Projektnetzwerke zur Herstellung von TV-Sendungen in den Medienclustern München und Köln dargelegt. Zunächst wird kurz auf die Entstehungsgeschichte der Cluster eingegangen (Kapitel 5.1). Im anschließenden Hauptteil des Kapitels werden ausgehend von der Wertschöpfungskette zur Herstellung einer TV-Sendung die Zusammenstellung und die Steuerungsmechanismen der entsprechenden Projektnetzwerke dargelegt und bezüglich der theoretischen Grundkonzeption diskutiert (Kapitel 5.2). Zum Abschluss des Kapitels wird die Rolle der räumlichen Konzentration für die Untersuchungsbranche (Kapitel 5.3) sowie die Qualität der Standorte München und Köln vergleichend analysiert (Kapitel 5.4).

5.1

Entstehung der lokalen Knoten in München und Köln

Die Entstehungspfade der Cluster zur Herstellung von TV-Sendungen in München und Köln (vgl. im Folgenden Amato 1999, ARD 2002, Beier 2003, Bläser/Schulz 2001, 2004, Ernst&Young 2003, GeschwandtnerAndreß 1999, Hachmeister/Rager 2000, 2002, Hickethier 1998, Marotzki 2004, Mossig 2004a, 2004b, Scheele 1999, WDR 2003) sind zunächst eng an die Entstehungsgeschichte der öffentlich-rechtlichen Sender in Westdeutschland1 gekoppelt. Bis 1984 gab es in Deutschland keine pri1

Zur Geschichte des DDR-Fernsehens vgl. die entsprechenden Kapitel bei Hickethier (1998). Für die Entstehung der Mediencluster in München und Köln ist dieser seperate Entwicklungspfad jedoch zu vernachlässigen.

107

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

vaten Fernsehsender, so dass die grundlegenden Strukturen von den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten gelegt wurden. Der erste Vorläufer des Bayerischen Rundfunks (BR) in München wurde 1922 als ‚Deutsche Stunde in Bayern í Gesellschaft für drahtlose Belehrung und Unterhaltung mbH‘ gegründet und strahlte ab dem 30. März 1924 ein Radioprogramm aus (Süddeutsche Zeitung vom 25.03.2004). 1930 erfolgte die Umbenennung in ‚Bayerische Rundfunk GmbH‘. In Köln siedelte sich nach Abzug der französischen Besatzungstruppen 1926 die ‚Westdeutsche Rundfunk AG‘ an, die zwei Jahre zuvor in Münster unter dem Namen ‚Westdeutsche Funkstunde AG‘ gegründet wurde. Mit der Gründung 1924 in Münster wurde die Letzte der insgesamt neun regionalen Rundfunkgesellschaften in Deutschland eingeweiht. In ihrem Sendegebiet waren damals 13.950 Hörerinnen und Hörer gemeldetet. Der geographische Zuschnitt dieser ersten Sendegebiete geht auf den Legionsrat im Auswärtigen Amt Ernst Ludwig Voss zurück, der als Vorstand der ‚Deutschen Stunde‘ eine entsprechende Regionalisierung zur Verbreitung des Hörfunks vornahm und die Standorte der neun Regionalsender in Berlin, Breslau, Frankfurt a.M., Hamburg, Königsberg, Leipzig, Münster bzw. Köln, München und Stuttgart festlegte (Dorenkamp 2004, S. 29ff.). 1934 wurde sowohl die Bayerische Rundfunk GmbH in München als auch die Westdeutsche Rundfunk AG in Köln im Zuge der Gleichschaltung des Rundfunks zum Bestandteil des nationalsozialistischen Einheitsfunks. Sie hießen fortan ‚Reichssender München bzw. Köln der Reichs-Rundfunk GmbH in Berlin‘. 1940 erfolgte die vollständige Übernahme des Einheitsprogramms des ‚Großdeutschen Rundfunks‘ aus Berlin. Auf Grund der negativen Erfahrung, dass der Rundfunk von den Nationalsozialisten zu Propagandazwecken missbraucht wurde, ist nach dem 2. Weltkrieg die Unabhängigkeit des Rundfunks im Sinne der Alliierten in den Rundfunkgesetzen verankert worden. Die Verabschiedung dieser Gesetze erfolgte in den Jahren 1947/1948 durch die Länderparlamente. Staatsferne und Unabhängigkeit von wirtschaftlichen Unternehmen (Nicht-Kommerzialität) waren dabei die wesentlichen Leitlinien, die auch heute noch das Prinzip des gebührenbezahlten Rundfunks begründen. Als Anstalten des öffentlichen Rechts wurden sie zwar auf Grund eines Gesetzes gegründet, dennoch sind sie unabhängig von den jeweiligen Landesregierungen (wie beispielsweise auch die ‚Bundesagentur für Arbeit‘ oder die ‚Bundesbank‘ unabhängig von der Bundesregierung sind). Weder der Ministerpräsident noch ein anderes Mitglied der Landesregierung darf dem Intendanten der Sendeanstalt oder einem anderen Mitarbeiter Weisungen erteilen. Auf dieser rechtlichen Basis entstanden noch vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland die 108

EMPIRISCHE ANALYSE DER MEDIENCLUSTER MÜNCHEN UND KÖLN

Landessendeanstalten, u.a. der BR in München und der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) mit Hauptsitz in Hamburg, aus dem 1956 der WDR in Köln hervorging. Der Start des offiziellen Fernsehprogramms in Deutschland am 25.12.1952 wurde vom NWDR in Köln durchgeführt. Knapp fünf Monate später begann im Mai 1953 in München der Fernsehprobebetrieb. Am 1.11.1954 startete das ARD-Gemeinschaftsprogramm der Landesrundfunkanstalten, an dem auch der Bayerische Rundfunk beteiligt war. Tab. 5.1: Verteilung der Rundfunkgebühren unter den Landesrundfunkanstalten 2004 Landesrundfunkanstalt

Hauptsitz

Bayerischer Rundfunk (BR)

München

Rundfunkgebühren in Mio. € Anteil in % 806,4 11,8%

Hessischer Rundfunk (HR)

Frankfurt

383,2

5,6%

Mitteldeutscher Rundfunk (MDR)

Leipzig

560,8

8,2%

Norddeutscher Rundfunk (NDR)

Hamburg

892,1

13,0%

41,3 340,3

0,6% 5,0%

Radio Bremen (RB) Bremen Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) Berlin Saarländischer Rundfunk (SR)

Saarbrücken

64,0

0,9%

Südwestrundfunk (SWR)

Stuttgart/ Baden-Baden

922,0

13,5%

Westdeutscher Rundfunk (WDR)

Köln

1.066,7

15,6%

Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF)

Mainz

1.584,3

23,1%

Deutschlandradio

Köln/Berlin

194,0

2,8%

)

100%

Gesamt

6.854,8*

)

* Darin enthalten 136,0 Mio. € für die Landesmedienanstalten. Quelle: GEZ (2004, S. 37).

Da die Gebühreneinnahmen unter den Landesrundfunkanstalten anteilig zur Bevölkerungszahl im zu versorgenden Sendegebiet verteilt werden, profitieren bis heute die Standorte Köln und München von ihrer Lage in den bevölkerungsreichsten Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Bayern (vgl. Tab. 5.1). Von den rund 6,9 Mrd. € Rundfunkgebühren 2004 beträgt der ARD-Anteil 5,1 Mrd. € (74,1%). Die restlichen Einnahmen kommen dem ZDF (23,1%) und dem Deutschlandradio (2,8%) zugute. Aus den Rundfunkgebühren erhält der WDR 1.066,7 Mio. € (15,6%) und der BR 806,4 Mio. € (11,8%). Im Vergleich dazu bekommt der Berliner Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) lediglich 340,3 Mio. € (5,0%) aus den Einnahmen der Rundfunkgebühren zugesprochen (vgl. Tab. 5.1). Da die Rundfunkanstalten im Gegenzug dazu verpflichtet 109

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

sind, eine entsprechend hohe Menge an Beiträgen zum Gemeinschaftsprogramm beizusteuern, konnten sich in München und Köln sehr früh starke Strukturen zur Herstellung von TV-Sendungen etablieren. In München kam begünstigend hinzu, dass die 1919 gegründeten Bavaria-Studios im nahen Geiselgasteig von Kriegszerstörungen weitgehend verschont geblieben waren, während die Filmindustrie in Babelsberg in die sowjetische Besatzungszone geriet. Bereits Ende 1947 wurden in München wieder Filme gedreht; zunächst unter der Kontrolle der US-Army und ab 1949 wieder eigenständig (Keller 1999). Auch die frühe Gründung des Kameraherstellers und Filmscheinwerferproduzenten ‚ARRI‘ 1917 inmitten des Münchener Stadtteils Schwabing hat zur Entwicklung des speziellen Know-hows im Bereich der Filmproduktion und später zur Herstellung von TV-Sendungen in München beigetragen. ARRI entwickelte sich in der Folgezeit zu einem international führenden technischen Service-Dienstleistungsunternehmen und betreibt in München zudem ein Fernsehstudio und ein Kopierwerk (Kasberger 1999). Nachdem Mitte der 1950er Jahre die Versuche des damaligen Bundeskanzlers Adenauer scheiterten, mit der ‚Deutschland Fernsehen GmbH‘ ein privatrechtlich organisiertes Fernsehprogramm in Deutschland zu etablieren, wurde 1961 per Staatsvertrag das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) mit Sitz in Mainz gegründet. Kurz darauf begannen die ARD-Anstalten damit, ihre regionalen Fernsehsender, die so genannten ‚Dritten Programme‘, aufzubauen. Der Bayerische Rundfunk (BR) startete 1964 als erster deutscher Fernsehsender mit der regelmäßigen Ausstrahlung eines Dritten Fernsehprogramms (Amato 1999). Von der Gründung des ZDF in Mainz profitierte auch der Standort München. Der Unternehmer Wilhelm Vaillant betrieb in der Nachkriegszeit mit dem Rechtsanwalt Dr. Hans Ritter in München ein Glühlampenwerk sowie die ‚RIVA-Copier-Werke GmbH‘. Doch der Kinoboom in den frühen Nachkriegsjahren wurde zunehmend vom Fernsehen abgelöst. Angesichts der sich abzeichnenden Krise entschied sich Vaillant für den Bau eines Fernsehstudios in Unterföhring unmittelbar vor den Toren Münchens und legte damit den Grundstein für die dortige Agglomeration der TV-Produktion. 1961 wurde der Bayerische Rundfunk zunächst als Mieter gewonnen, um die Studios kurz darauf an ihn zu verkaufen. Direkt neben dem alten Gelände baute Vaillant umgehend neue Studios auf, die er mit modernster Produktionstechnik ausstattete. Seine Konzeption gilt als vorbildlich, denn sie ermöglicht bis heute eine Produktionslogistik der kurzen Wegen sowie die Umsetzung einer Fließbandproduktion, wie sie damals sonst nur die BBC in England erreichte. Diese Studios vermietete Vaillant an das ZDF-Landesstudio Bayern und verkaufte sie schließlich 1966 ganz an das ZDF, das mit die110

EMPIRISCHE ANALYSE DER MEDIENCLUSTER MÜNCHEN UND KÖLN

sen immobilen Produktionskapazitäten fest in München verankert wurde (www.wilhelmvaillantstiftung.de, Abruf vom 22.09.2003). 1997 wurden diese Studios in das Unternehmen der ‚Bavaria Film- und Fernsehstudios GmbH‘ integriert. Auch der Filmrechtehändler Leo Kirch hat in einem seiner ersten großen Deals 1963 ein Filmpaket mit 300 Filmen an das ZDF verkauft und damit den Grundstein für sein späteres Medienimperium gelegt. Als erstes Unternehmen der mittlerweile insolvente ‚KirchGruppe‘ wurde 1955 in Nürnberg die ‚Sirius GmbH‘ gegründet. 1956 erfolgte der Umzug nach Ismaning bei München und der spätere Aufstieg zum größten privaten TV-Programmanbieter in Deutschland (Hachmeister/Rager 2000, S. 171ff., Schümchen/Scheele 1999). Für die Entwicklung der TV-Branche und ihres Standortgefüges stellt der 1.1.1984 als Startpunkt des kommerziellen Fernsehens in Deutschland ein besonderes Datum dar. Die zugrunde liegende politische Deregulierungsmaßnahme hat sowohl das Produktionssystem als auch das Standortgefüge nachhaltig verändert. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben bis dahin als weitgehend integrierte Unternehmen nahezu alle Stufen der Wertschöpfungskette zur Programmherstellung aus eigenen Kapazitäten und mit eigenen Mitarbeitern abgedeckt. Demgegenüber sahen sich die neuen, privaten Sender vor das Problem gestellt, ad hoc ihre Sendezeiten mit Inhalten zu füllen, ohne über entsprechende eigene Kapazitäten zu verfügen. So etablierte sich ab Mitte der 1980er Jahre das Prinzip der Auftragsproduktion der Programminhalte durch unabhängige Produktionsfirmen. In den 1990er Jahren boomte die TVBranche mit geradezu traumhaften Zuwachsraten (vgl. Kapitel 2, Abb. 2.1). Die Zahl der Sender stieg rapide an und auch die Sendezeiten der TV-Sender wurden sukzessive ausgeweitet. Im Jahr 1985 umfasste die tägliche Sendezeit im Durchschnitt lediglich 12-13 Stunden pro Sender. Seit Anfang der 1990er Jahre bieten nun alle großen Sender ein 24stündiges Vollprogramm an. Die Folge war ein explosionsartiger Anstieg der Nachfrage nach Programminhalten, wodurch sich in allen Bereichen der Wertschöpfungskette günstige Möglichkeiten boten, unternehmerisch aktiv zu werden. Die konsequente Erschließung der Werbeeinnahmen durch die privaten Fernsehsender steigerte zudem die Branchenumsätze in den 1990er Jahren (vgl. Abb. 5.1). Während die öffentlich-rechtlichen Sender anteilig zur jeweiligen Bevölkerung im Bundesgebiet verteilt sind, haben die werbefinanzierten privaten Fernsehsender sich als bedeutende Auftraggeber auf die Schwerpunktorte in Köln, München und Berlin konzentriert und somit erheblich zur Clusterbildung beigetragen. Wie aus Tabelle 5.2 hervorgeht, haben insbesondere die Standorte Köln und München von dieser 111

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

Entwicklung profitiert. Allein auf die privaten TV-Sender an diesen drei Standorten entfallen über 95% der erzielten Werbeeinnahmen. Abb. 5.1: Entwicklung der TV-Werbeeinnahmen 1992-2005 Mio. € 9.000 8.000

Private TV-Sender

7.000

Öffentlich-rechtliche TV-Sender

6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Quelle: Eigene Darstellung nach IP Deutschland (2003, 2005).

Tab. 5.2: Bruttowerbeumsatz der größten Fernsehsender in Deutschland nach Standorten 2005 Standort Köln:

München:

Berlin:

sonstige:

Sender

Bruttowerbeumsatz (in Mio. €) 2.196,6 RTL 492,8 VOX 239,6 Super RTL 73,4 n-tv 3.002,4 1.381,6 Pro Sieben 498,0 RTL 2 436,4 Kabel 1 285,2 DSF 63,0 N24 23,6 Tele 5 2.687,8 1.620,5 Sat.1 199,4 MTV 184,9 VIVA 2.004,8 ARD (div. Standorte) 220,9 ZDF (Mainz) 130,7 351,6

Anteil (in %) 27,3 6,1 3,0 0,9 37,3 17,2 6,2 5,4 3,5 0,8 0,3 33,4 20,1 2,5 2,3 24,9 2,7 1,6 4,3

Quelle: Eigene Berechnungen nach IP Deutschland (2005, S. 33).

112

EMPIRISCHE ANALYSE DER MEDIENCLUSTER MÜNCHEN UND KÖLN

Die Existenz der privaten Fernsehsender in München geht vor allem auf die ‚KirchGruppe‘ zurück. 1988 erwarben Leo Kirch und sein Sohn Thomas den gescheiterten Sender ‚Eureka TV‘ und wandelten ihn in den auf Spielfilme spezialisierten Sender ‚ProSieben‘ um. 1992 erfolgt aus ProSieben heraus die Gründung des ‚Kabelkanals‘ (jetzt Kabel1), weitere Sender folgen, u.a. der Pay-TV-Sender Premiere (Hachmeister/Rager 2000, S. 171ff.). Im Jahr 2000 fand der Zusammenschluss von ProSieben und dem Berliner Sender Sat.1 zur börsennotierten ProSiebenSat.1 Media AG statt, die nach der Insolvenz der KirchGruppe vom USamerikanischen Investor Haim Saban und seiner ‚Saban Entertainment Group, Inc.‘ 2003 mehrheitlich übernommen wurde (Süddeutsche Zeitung vom 06.08.2003a und 06.08.2003b). Nachdem in den 1990er Jahre der Versuch der ‚News Corp.‘ des australischen Medienmoguls K. Rupert Murdoch gescheitert ist, durch ein Engagement beim Kölner TVSender ‚VOX‘ auf dem deutschen Fernsehmarkt Fuß zu fassen, stellt die Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG durch Saban das erste nennenswerte Engagement eines ausländischen Investors in Deutschland dar.2 Für die Entwicklung des Medienclusters in Köln ist die Ansiedlung des größten deutschen Privatsenders RTL von entscheidender Bedeutung gewesen. Seit Januar 1984 hat RTL (bis 1988 noch unter dem Namen RTLplus) zunächst von Luxemburg aus ein deutschsprachiges Fernsehprogramm ausgestrahlt, das jedoch nur im nahen Grenzgebiet über Antenne zu empfangen war. In der Sylversternacht 1987/1988 fand 2

Der in Ägypten geborene Israeli Haim Saban hatte in den 1970er Jahren erste Erfolge als Musikpromoter in Paris. 1983 siedelte er nach Los Angeles über und begann mit der Produktion von Zeichentrickfilmen. Der günstige Erwerb der Rechte an japanischen Zeichentrickserien brachte für ihn den Durchbruch im Mediengeschäft. Zusammen mit Rupert Murdochs ‚News Corp.‘ wurde 1996 für 1,9 Milliarden US $ der ‚Familiy Channel‘ gekauft und in den ‚Fox Family Channel‘ überführt. Im Jahr 2000 übernahm der Disney-Konzern diesen Sender für 5,3 Milliarden US $. Der Kapitaleinsatz von Haim Saban hat sich dadurch in nur 4 Jahren mehr als verdoppelt. Er selbst soll aus diesem Deal 2 Millarden US $ abgezweigt haben. Auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten kam ihm die Insolvenz des Kirch-Konzerns gelegen, zumal auf Grund der weltweit schwierigen Situation im Medienbereich in den Jahren 2001-2003 anderen Interessenten das nötige Kleingeld für einen Einstieg in Deutschlands TV-Markt fehlte (The New York Times vom 05.09.2004, Süddeutsche Zeitung vom 07.05.2004). Fachjournalisten haben bereits lange vor der vom Kartellamt abgelehnten Übernahme der ProSiebenSat.1-Sendergruppe durch den Zeitungskonzern ‚Springer‘ darauf hingewiesen, dass die Dauer des Engagements von Haim Saban auf dem deutschen Markt mehr als ungewiss sei und Saban vermutlich bei der nächstbesten Gelegenheit seine Anteile gewinnbringend verkaufen wird (Süddeutsche Zeitung vom 19.04.2005).

113

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

der Umzug nach Köln statt. Damit verbunden war die erhoffte Erteilung einer so genannten Erstfrequenz durch die Landesmedienanstalt. Dadurch konnten von 1988 an 6,5 Mio. Zuschauer in Nordrhein-Westfalen das Programm von RTL über Antenne empfangen. Die private Konkurrenz SAT.1 mit ihrem Sitz in Mainz und später in Berlin wurde zu dieser Zeit nur mit einer Zweitfrequenz bedacht und erreichte deshalb im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen maximal 3 Mio. Zuschauer, so dass sich RTL einen erheblichen Vorsprung verschaffen konnte (RTL 1999). Bei der Standortentscheidung für Köln erwies sich die Stadtsparkasse Köln als kulanter Partner, indem sie dem Sender die Immobilie an der Aachener Straße günstig zur Verfügung stellte. Auch die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat sich um die Ansiedlung von RTL bemüht, nicht zuletzt weil sie seit Mitte der 1980er Jahre den Ausbau des Medienstandortes NRW zum politischen Ziel erklärt hatte. Bereits 9 Jahre nach dem Sendestart erreichte RTL 1993 die Marktführerschaft in Deutschland als Sender mit den meisten Zuschauern und konnte diese Position bis ins Jahr 2004 halten. Im Kielwasser von RTL haben sich in Köln weitere Fernsehsender angesiedelt und eine Vielzahl an spezialisierten Zulieferern und Dienstleistern profitiert von entsprechenden Produktionsaufträgen. Auch sind aus RTL eine größere Anzahl an Spin-off-Gründungen hervorgegangen (Beier 2003), häufig als Spinoffs mit Inkubatorbeteiligung. In Deutschland ist diese spezielle Gründungsform innerhalb der Medienwirtschaft wesentlich verbreiteter als in den traditionellen Bereichen des Verarbeitenden Gewerbes, in denen Spin-offs mit Inkubatorbeteiligung eine seltene Ausnahme darstellen. Gründungen sind als wichtige Ursache zur Entstehung und Verfestigung eines Clusters bereits thematisiert worden (vgl. Kap. 3.1.1). Mit jeder Gründung erhöht sich nicht nur die absolute Zahl der Unternehmen. Mit originären Neugründungen geht in der Regel zudem eine Ausdifferenzierung der Tätigkeitsbereiche einher, so dass Nischen konsequent erschlossen werden. Im Sinne evolutionsökonomischer Ansätze forcieren sie durch die entstehende Variationsvielfalt den Wettbewerb und die damit verbundenen selektiven Anpassungsprozesse. Auf der Basis verschiedener Jahrgänge des ‚Medienhandbuch Köln‘ konnte die Intensität des Gründungsgeschehens im Bereich der Produktionsfirmen und der damit verbundene Anstieg des Unternehmensbestandes am Standort Köln nachgezeichnet werden. Aus Abbildung 5.2 geht hervor, dass sich die Zahl der Produktionsfirmen in Köln zwischen 1992 und 2002 von 193 auf 404 mehr als verdoppelt hat. Der hohen Zahl an Neugründungen steht jedoch ein ebenfalls hoher Anteil an Firmen gegenüber, die bereits nach wenigen Jahren den Produktionsbetrieb eingestellt und den Markt verlassen haben. So 114

EMPIRISCHE ANALYSE DER MEDIENCLUSTER MÜNCHEN UND KÖLN

waren von den 1992 aufgeführten 193 Produktionsfirmen im Jahr 1996 nur noch 120 übrig. Vier weitere Jahre später, im Jahr 2000, waren davon nur noch 87 und 2002 sogar nur noch 72 Produktionsfirmen im ‚Medienhandbuch Köln‘ eingetragen. Insgesamt waren somit von den 193 Unternehmen aus dem Jahr 1992 zehn Jahre später 121 nicht mehr aktiv. Nur 37,3% der damaligen Unternehmen haben den zehnjährigen Beobachtungszeitraum überdauert. Aus Abbildung 5.2 ist entsprechend abzulesen, dass viele der zwischenzeitlich neu gegründeten Produktionsfirmen in den Folgejahren den Markt verlassen haben. Gleichzeitig wird deutlich, wie die Zahl der Marktaustritte durch eine größere Zahl an Neugründungen überkompensiert wird. Entsprechend jung ist der aktuelle Bestand an Produktionsfirmen im Mediencluster Köln. Über die Hälfte der 2002 eingetragenen Produktionsfirmen ist nach 1994 gegründet worden (vgl. Abb. 5.3). Abb. 5.2: Gründungen und Schließungen audiovisueller Produktionsfirmen im Mediencluster Köln 1992-2002 Produktionsfirmen 500

400

300

200

Gründungsjahr vor 1992 1993-1996 1997-2000 nach 2001

404 351 284

193

272 184 149

120 87

100

72

0 1992

1996

2000

2002

Quelle: Eigene Auswertung ‚Medienhandbuch Köln‘ (Steinmetz 1992, 1996, 2000, 2002).

Doch nicht nur die Zahl der Produktionsfirmen ist in Köln durch die vielen Neugründungen rapide angestiegen. Auch die Zahl der Zulieferer und der spezialisierten Dienstleister hat sich in den letzten Jahren in nahezu allen Teilbereichen des Produktionssystem vervielfacht (vgl. Tab. 5.3). Als wichtiger Faktor wurde in den Experteninterviews vor allem auf die Nähe zu den in Köln lokalisierten TV-Sendern als wichtigste Auftraggeber hingewiesen (Mossig 2004b). Auch die Interviewpartner in München bestätigten dieses Ergebnis. 115

NETZWERKE DER KULTURÖKONOMIE

Abb. 5.3: Zahl der audiovisuellen Produktionsfirmen nach ihrem Gründungsjahr im Mediencluster Köln 2002 Produktionsfirmen 60 50 40 30 20 10

2000/01

98/99

96/97

94/95

92/93

90/91

88/89

86/87

84/85

82/83

80/81

75-79

70-74